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German Pages 350 Year 1974
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 254
Die Enteignungsentschädigung nach dem Grundgesetz Grundprobleme der Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes bei Eingriffen in das Eigentum mit besonderer Berücksichtigung der Baulandbeschaffungsfrage
Von Wilhelm Opfermann
Duncker & Humblot · Berlin
WILHELM
OPFERMANN
Die Enteignungsentschädigung nach dem Grundgesetz
Schriften zum ö f f e n t l i c h e n Band 254
Recht
Die Enteignungsentschädigung nach dem Grundgesetz Grundprobleme der Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes bei Eingriffen in das Eigentum mit besonderer Berücksichtigung der Baulandbeschaffungsfrage
Von
Dr. Wilhelm Opfermann Assistenzprofessor an der F U Berlin
D U N C K E R
&
H U M B L O T
/
B E R L I N
Alle Rechte vorbehalten © 1974 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1974 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3 428 03246 2
Meinen Eltern
„ E i n beträchtlicher T e i l dieser L i t e r a t u r leidet unter dem Fehler, daß zuviel von Gerechtigkeit u n d zuwenig v o m Hecht die Rede ist, wobei einerseits nicht bestritten, aber übersehen w i r d , daß Privatmeinungen über die Forderungen der Gerechtigkeit noch k e i n R e c h t . . . schaffen, andererseits aber eine allzugroße Geneigtheit hervortritt, das Argument der Gerechtigkeit u n d B i l l i g k e i t einseitig zugunsten des Einzelinteresses, also des Anspruchs auf Entschädigung, i n die Wagschale fallen zu lassen u n d dadurch u n b i l l i g zu w e r den gegen das Interesse der Gesamtheit.. G. Anschütz, Die Verf.-Urkunde f. d. Preußischen Staat, 1912, A r t . 9.
Vorwort Eigentumsrechtliche Regelungen haben seit jeher i n Verfassungen einen besonderen Stellenwert. Das gilt auch für einen Unterfall dieser Regelungen; diese bestimmen, inwieweit der Gesetzgeber verpflichtet ist, für Eingriffe i n das „Eigentum" (in dem weiten heute verstandenen Sinn) Entschädigung zu gewähren. Die Interessen der Betroffenen werden hierbei unmittelbar und auf das stärkste berührt; daher werden sie sich i n der Regel i n besonders starkem Maß gegen jeden Versuch wehren, von ihnen günstigen Entschädigungsregelungen durch Änderung der Gesetze abzukehren. Das Grundgesetz schreibt demgegenüber vor, daß die Enteignungsentschädigung neben den Interessen der Betroffenen auch diejenigen der Allgemeinheit zu berücksichtigen hat. Diese Vorschrift hat i n der Rechtsprechung der letzten Zeit einen Bedeutungswandel erfahren; man könnte es wohl auch so formulieren, daß erst durch diese neue Rechtsprechung die Entschädigungsregelung des Grundgesetzes eigenständige Bedeutung gewinnt. Die Arbeit unternimmt es, den Bedeutungswandel der Verfassungsbestimmung auf seine Berechtigung zu überprüfen und die Konsequenzen in praktischer und rechtsdogmatischer Hinsicht aufzuzeigen; an zahlreichen Einzelstellen w i r d dargelegt, wie der Gesetzgeber, ausgehend von der Entschädigungspflicht i m Grundgesetz, gegenüber dem geltenden Recht Änderungen vornehmen könnte. I n einem rechtsvergleichenden Exkurs w i r d bei Behandlung denkbarer Alternativen zum deutschen Enteignungsrecht auch auf Grundzüge des niederländischen Bodenrechts verwiesen. Der Verfasser w i l l dabei nicht versäumen, darauf hinzuweisen, daß eigentlich das niederländische Bodenrecht, um partiell als Alternative zum geltenden deutschen Recht voll empfohlen werden zu können, einer längeren, sozialwissenschaftlich fundierten Untersuchung bedurft hätte. Aber auch so w i r d der Vergleich wohl für das deutsche Enteignungsrecht schon eine Fülle von Ansätzen für eine neue Sicht der Probleme liefern können. Die Arbeit hat der Jurist. Fakultät der Universität Bielefeld als Dissertation vorgelegen. Sie wurde nochmals überarbeitet und u m die §§ 22 und 24 ergänzt. Die der Arbeit zugrunde liegende Gesamtkonzeption wurde unabhängig vom Verfasser ihrer Idee nach, wenn
10
Vorwort
auch ohne Durchführung und ohne Aufweis der dogmatischen Folgerungen fast zur gleichen Zeit von Sendler, DÖV 1971, S. 16 ff. entwickelt. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. E.-W. Böckenförde. Er hat die Arbeit von ihrem Beginn an bis zur endgültigen Fertigstellung m i t großem Interesse betreut und durch mannigfaltige persönliche Gespräche gefördert. Weiter habe ich der Universität Bielefeld zu danken; sie hat es m i r i n großzügiger Weise m i t einer Forschungsbeihilfe ermöglicht, die niederländische Enteignungspraxis „vor Ort" zu untersuchen. Mein aufrichtiger Dank gilt nicht zuletzt Herrn Ministerialrat a. D. Dr. J. Broermann für die Aufnahme der Arbeit i n sein Verlagsprogramm. Wilhelm
Opfermann
Inb al ts Verzeichnis Einleitung § 1 Die Ausgangslage
19
§ 2 Methodengrundsätze der Untersuchung
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I. Transparenz der Eigenwertung durch Aufspaltung von Auslegung u n d Konkretisierung I I . Verfassungsauslegung u n d Einbezug sozialwissenschaftlicher Daten § 3 Dogmatische Nachbar- und Folgeprobleme I. Konsequenzen f ü r den „enteignungsgleichen E i n g r i f f " I I . Entschädigungsflexibilität u n d grundgesetzgemäßer nungsbegriff
22 24 26 26
Enteig-
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Erster Teil Interpretationsanalyse A. Die Grundtendenz der Verfassungsentscheidung in der Entschädigungsfrage § 4 Das Abwägungsgebot als M i t t e l w e g zwischen Verkehrswertbindung u n d totalem Entschädigungsspielraum
33
I. Grundsätzliche A l t e r n a t i v e n I I . Entscheidung der Verfassung für die mittlere Alternative I I I . Der Beratungsverlauf i m Parlamentarischen Rat
33 36 37
§ 5 Ergänzende Interpretationsanalyse I. Die M o t i v a t i o n der neuen Entschädigungsregelung I I . Argumente für oder gegen die starre B i n d u n g an den Verkehrsw e r t außerhalb der Abwägungsregelung selbst
43 43 44
§ 6 Regelungstheoretische Konsequenzen der Entscheidung f ü r den M i t telweg 49 I. Die bisherige regelungstheoretische Situation I I . Regelungstheoretische Konsequenz der Aktualisierung des A b wägungsgebotes § 7 Einzelfragen des Abwägungsschemas I. Bisher ungelöste Unterfragen I I . Z u r Gerechtigkeit u n d Methode der Abwägung I I I . Der „Beteiligte" u n d sein Interesse
50 53 54 54 56 58
12
nsverzeichnis IV. Das Interesse der Allgemeinheit i m Abwägungsgebot V. Der Adressat des Abwägungsgebotes V I . Zusammenfassung
59 62 66
B. Methodenkritische Untersuchung der bisherigen Behandlung des Abwägungsgebotes § 8 Die spezifische Fragestellung der Methodenanalyse
67
I. Die Ausgangslage der Fragestellung I I . Z u m Verhältnis von Rechtsprechung und Rechtswissenschaft . .
67 68
§ 9 Z u r methodischen Behandlung des Abwägungsgebotes i n der Rechtswissenschaft
71
I. II. III. IV.
Die drei Hauptgruppen von Stellungnahmen Stellungnahmen der „reinen Fortführungstheorie" Analyse der „praktischen Fortführungstheorie" Aktualisierung des Entschädigungsspielraumes des Gesetzgebers i n der Mindermeinung V. Resultat der Analyse
71 73 77 80 83
§ 10 Die Behandlung des Abwägungsgebotes i n der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes 84 I. Die neuere A b k e h r I I . Etappen der Behandlung des Abwägungsgebotes I I I . Wertung der Behandlung des Abwägungsgebotes
Zweiter
84 87 91
Teil
Die Konkretisierung §11 Ausgangslage u n d Hauptaufgaben der Konkretisierung I. Ausgangslage der Konkretisierung I I . Hauptaufgaben der Konkretisierung §12 Grundsätzliche Bestimmung des Entschädigungsminimums nach der Interessenabwägung
95 95 96 99
I. Orientierung am stärkeren Gewicht der Interessen 99 I I . Der Leistungsparameter als Resultat der Interessengewichtung 102 I I I . Die Konsequenz 106 §13 Einzelfragen der A n w e n d u n g des Leistungskriteriums I. II. III. IV. V. VI. VII.
Der Grundsatz des konkreten Leistungsschutzes Grundfälle der Entschädigungsbemessung Die entschädigungsrechtliche Behandlung gezahlter Kaufpreise Zurechnung der Leistung dritter Personen? Die Vorteilsanrechnung aus Leistungssicht Durchbrechungen der Leistungsschranke als Ausnahme R ü c k w i r k u n g auf den Begriff der Aufopferungsenteignung? . .
107 107 108 110 112 113 116 118
nsverzeichnis
13
§ 14 Einschränkungen der Entschädigungsflexibilität durch übergreifende Verfassungsprinzipien? 123 I. Das Rückwirkungsverbot 123 I I . Das Verhältnismäßigkeitsgebot 127 I I I . Entschädigung nach A r t . 14 GG und Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG 129 §15 Zusammenfassung der Rechtsfolgen der Abwägungskonkretisierung i n einem Entscheidungsschema 132 Dritter
Teil
Anwendung der theoretischen Konkretisierung auf ausgewählte Sachbereiche des Enteignungsrechts A. Zum geltenden deutschen
Entschädigungsrecht
§ 16 Weiterhin Bindung an den Verkehrswert als Regelentschädigung . . . . 136 I. Entschädigung nach dem Bundesleistungsgesetz I I . Entschädigung beim polizeilichen Notstand § 17 Bodenrecht u n d Entschädigungspflicht
136 140 142
I. Allgemeine Entschädigungsuntergrenzen I I . Einschränkungen der Entschädigungsreduzierung I I I . Herabstufung unbebauter u n d Herabzonung bebauter G r u n d stücke I V . Gesetzliche Fixierung fester Entschädigungswerte V. Alternative Entschädigungssysteme V I . Ausweitung der Vorteilsanrechnung § 18 Eingriffe i n Gewerbebetriebe
146 151 153 159 163 168 172
I. Die dogmatische Sonderlage I I . Der Umfang des von A r t . 14 GG entschädigungsmäßig geschützten Rechtes I I I . Entschädigung bei enteignenden Eingriffen I V . Der Ersatz von Folgeschäden u n d entgangenem Gewinn V. Entschädigung bei Eingriffen durch Straßenbauarbeiten V I . Anrechnung von Mitverschulden auch bei Leistungsfaktoren ..
174 176 180 182 186 190
§ 19 Entschädigungspflichten i m Wasserrecht, N a t u r - u n d Landschaftsschutz 191 I. Entschädigungen i m Wasserrecht I I . N a t u r - u n d Landschaftsschutzmaßnahmen B. Exkurs : Niederländische
Umwidmungspraxis
191 195 und Grundgesetz
Vorbemerkung § 20 Grundprinzipien des niederländischen Umwidmungsweges I. Die niederländische Lösung i m internationalen Vergleich I I . Die entscheidenden Faktoren
201 203 203 207
nsverzeichnis
14
I I I . Die W i r k u n g des niederländischen Weges I V . Niederländischer Weg u n d Städtebauförderungsgesetz § 21 Einzeldaten aus der Umwidmungspraxis i n den Niederlanden I. II. III. IV. V.
Konkrete Beispiele Gesamtentwicklung der Erwerbskosten Die Popularität der Enteignung Bemerkungen zur praktischen Durchführung Z u r Weiterveräußerung von Bauland durch die Gemeinden . . . .
§ 22 Der niederländische Weg u n d A r t . 14 GG
213 217 220 220 225 226 227 229 231
I. Pragmatische Aspekte 231 I I . Durchgangsenteignung u n d A r t . 14 GG 235 I I I . Niederländischer Weg u n d Entschädigungsgebot des A r t . 14 GG 252
C. Schlußbetrachtung
zu Art
14 Grundgesetz
§ 23 Übereinstimmungsnachweis u n d dogmatische Konsequenzen I. Der Übereinstimmungsnachweis I I . Abwägungsgebot u n d Gesamtsystem des A r t . 14 GG
256 256 259
§ 24 Die Abwägungsregelung — Verpflichtungs- oder Ermächtigungsnorm? 260 I. Entwicklung der Hechtsauffassungen bis heute I I . Die drei Funktionsalternativen des Abwägungsgebotes
260 262
Vierter Teil Enteignungsentschädigung und Gleichheitssatz §25 Grundfragen entschädigungsrechtlicher Gleichheitsbindung I. Das Gebot der getrennten Betrachtungsweisen I I . Die beiden Gerechtigkeitsebenen I I I . Die Vergleichsebenen des enteignungsrechtlichen Innen- u n d Außenverhältnisses I V . Verdrängt A r t . 14 GG den Gleichheitssatz? V. Welche Bindungen legt A r t . 3 GG auf? V I . Die Rechtsfolgen der Verletzung von A r t . 3 I GG § 26 Gleichheit i m entschädigungsrechtlichen Innenverhältnis I. Städtebauförderungs- u n d Bundesbaugesetz I I . Die gleichmäßige Behandlung von Enteigneten bei Einführung einer Bodenvorratspolitik nach niederländischem Modell I I I . Anwendung des Entschädigungsspielraumes auf spezifische Funktionsgruppen I V . Gleichheit von Enteigneten u n d Föderalismus
274 274 278 281 282 284 288 292 292 297 300 304
nsverzeichnis § 27 Gleichheit i m Außenverhältnis (Enteignete/Nichtenteignete) I. II. III. IV.
Z u m Grundsatz der sog. „Lastengleichheit" Die Gleichheit beim niederländischen Umwidmungsmodell . . . . Das Gebot rechtsbezogener Gleichheit bei sonstigen Lösungen . . Parallelitäten zum bisherigen Entschädigungsrecht
15 305 306 307 310 314
Schlußteil § 28 Der Leistungsbezug i n historischer u n d aktueller Sicht
320
I. Die Synthese 320 I I . Z u r gegenwärtigen Lage: Die Klarstellungsaufgabe des Bundesverfassungsgerichts 325 Zusammenfassende Thesen
330
Literaturverzeichnis
334
Sachverzeichnis
346
Abkürzungsverzeichnis a. Α., Α . Α. a. F. Abg. AcP AöR ARSP Aufl. bad.-württ. BArbMin. BaulandbeschG bay., bayer. BayVBl. BB BBauG beri. Beschl. BGH Β GHZ BGBl. BLG BRD BReg. brem. BRS BSGE Buchholz BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE DJT. DOG DÖV DRiZ Drs. Dt. Dt. BT. DVB1. E Einf. erg. GG Ges.Bl.
anderer Ansicht alte Fassung Abgeordneter Archiv f ü r civilistische Praxis Archiv des öffentlichen Rechts Archiv f ü r Rechts- u n d Sozialphilosophie Auflage baden-württembergisch Bundesarbeitsminister Baulandbeschaffungsgesetz bayerisch Bayerische Verwaltungsblätter Der Betriebsberater Bundesbaugesetz berliner Beschluß Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs i n Zivilsachen Bundesgesetzblatt Bundesleistungsgesetz Bundesrepublik Deutschland Bundesregierung bremisch Baurechtssammlung, hrsg. von Thiel/Gelzer Entscheidungen des Bundessozialgerichts Sammel- u n d Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, hrsg. ν. K . Buchholz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Deutscher Juristentag Deichordnungsgesetz Die öffentliche V e r w a l t u n g Deutsche Richterzeitung Drucksache deutsch Deutscher Bundestag Deutsches Verwaltungsblatt Entscheidung Einführung ergänze Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland Gesetzesblatt
Abkürzungsverzeichnis GVB1. H. hamburg. i. d. i. d. R. i. S. i. V. m. JöR Jur. A . JuS JZ Komm. LM m. E. MDR m. w. N. n. F. NJW nordrh.-westf. Pari. Rat pr. Prot. PVG Rdnr. RGBl. RG RGZ RHG rh.-pf. RNatSchG Rspr. RVO st. Rspr. StFG subj. VerwArch. VVDStRL VwGO VO Vorb. WHG WRV WM ZRP ZfB
2 Opfermann
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Gesetz- u n d Verordnungsblatt Heft hamburger i n der i n der Regel i m Sinn i n Verbindung m i t Jahrbuch des öffentlichen Rechts Juristische Analysen Juristische Schulung Juristenzeitung Kommentar Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs meines Erachtens Monatsschrift für Deutsches Recht m i t weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift nordrhein-westfälisch Parlamentarischer Rat preußisch Protokoll Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz Randnummer Reichsgesetzblatt Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts i n Zivilsachen Reichsheimstättengesetz rheinland-pfälzisch Reichsnaturschutzgesetz Rechtsprechung Rechtsverordnung ständige Rechtsprechung Städtebauförderungsgesetz subjektiv Verwaltungsarchiv Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Verordnung Vorbemerkung Wasserhaushaltsgesetz Weimarer Reichsverfassung v. 11.8.1919 Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Bergrecht
Einleitung § 1 D i e Ausgangslage
Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich m i t der Frage nach den vom Grundgesetz für Enteignungen auferlegten Entschädigungspflichten. Nun zeigt schon ein flüchtiger Blick i n die zu diesem Themenkreis nach 1949 erschienene verfassungsrechtliche Literatur, daß es wenige Gebiete innerhalb des Grundrechtsbereichs unserer Verfassung gibt, die eine derartige Fülle von wissenschaftlichen Stellungnahmen vorzuweisen haben. Wenn gleichwohl hier die Frage erneut untersucht werden soll, so ist der Verfasser hierzu vor allem durch zwei Erwägungen bestimmt worden. Sie betreffen einerseits die besondere Lage, i n der sich Gerichte und Gesetzgeber gegenwärtig befinden, wenn sie auf die Frage nach den vom Grundgesetz geforderten Enteignungsentschädigungen eine A n t w o r t haben wollen; andererseits gibt es auch eine mehr grundsätzliche Erwägung, die neuerdings eine Beantwortung der Frage als dringlich erscheinen läßt. Zunächst zum ersten Gesichtspunkt. Bekanntlich hat das Bundesverfassungsgericht i n der wichtigen Entscheidung vom 18. 12. 1968 (sog. hamburg. Deichurteil) 1 den Grundsatz aufgestellt, nach dem Abwägungsgebot, das i n Art. 14 GG für die Enteignungsentschädigung maßgeblich ist, könne der Gesetzgeber „je nach den Umständen vollen Ersatz, aber auch eine darunter liegende Entschädigung bestimmen". Denn „eine starre, allein am Marktwert orientierte Entschädigung" sei „dem Grundgesetz fremd" 2 . Obwohl diese Entscheidung zum Teil nur eine Auffassung wiedergibt, die i m Ansatz schon i n zwei früheren Entscheidungen des Gerichts geäußert worden war 3 , erscheint diese grundsätzliche Stellungnahme i n zweifacher Hinsicht als sehr bemerkenswert.
1
BVerfGE 24,367 ff. S. 421 ; vgl. auch S. 368, Leitsatz 9. 3 Diese Auffassung w a r i m Ansatz w o h l schon i n der sog. Junktimentscheidung BVerf GE 4, 219 aus dem Jahre 1954 (!) enthalten; s. insb. die Betonung des gesetzgeberischen Spielraumes i n der Entschädigungsregelung S. 234/235. Eine ähnliche Stellungnahme findet sich i m sog. Feldmühleurteil, BVerfGE 14, 263, 284. Beide Entscheidungen haben aber keinerlei Auswirkungen auf die Entwicklung des Enteignungsrechts (mit Ausnahme der m i t der sog. J u n k t i m klausel des A r t . 14 Abs. 3 Satz 2 GG zusammenhängenden Fragen) gehabt. 2
2*
20
Einleitung
Der erste Aspekt dieser Entscheidung besteht darin, daß das BVerfG hiermit i n der für viele gesetzliche Regelungen bedeutsamen Frage der finanziellen Folgelasten bei rechtmäßigen hoheitlichen Eingriffen i n das Eigentum oder i h m gleichgestellter Rechte sich i n direkten Gegensatz sowohl zur bis dahin herrschenden Meinung des Schrifttums zum Enteignungsrecht wie auch zu der für das Enteignungsrecht i n der Rechtspraxis maßgeblichen ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes stellte. Schrifttum 4 und B G H 5 waren sich darin einig, daß jedenfalls i n aller Regel die Höhe der verfassungsrechtlich zwingend vorgeschriebenen Entschädigung von dem Verkehrswert (gleich Marktwert) des jeweils entzogenenen Rechts bestimmt wird. Der zweite Aspekt der i n BVerfGE 24, 367 ff. enthaltenen Entschädigungsauffassung betrifft die Frage, inwieweit dem Gesetzgeber eigentlich m i t dem eben zitierten Leitsatz insoweit geholfen ist, als er beruhigt davon ausgehen kann, daß bestimmte sich unterhalb des Marktwertes haltende Entschädigungsregelungen verfassungsrechtlich Bestand haben werden. Man unterstelle zunächst einmal hypothetisch — was erst noch zu prüfen ist —, daß die Auffassung des BVerfG i n ihrer Grundposition zutreffend ist. Es läßt sich dann kaum der Eindruck von der Hand weisen, daß entgegen dem ersten Anschein die Entscheidung des hamburg. Deichurteils dem Gesetzgeber kaum eine nennenswerte Hilfe, sondern eher „Steine statt Brot" gereicht hat. Sowohl f ü r die oben zitierte Grundaussage w i e f ü r die v o m BVerfG hierzu näher gemachten Ausführungen ist charakteristisch, daß sich i h r Aussagegehalt i m wesentlichen darin erschöpft, rein negativ festzustellen, daß jedenfalls die Regelung des A r t . 14 GG eine starre Bindung der Entschädigung an den M a r k t wert nicht gebietet, sondern daß der Gesetzgeber „je nach den Umständen" eine darunter liegende Entschädigung festsetzen kann. N u n ist aber eine Grenzziehung, die die Zulässigkeit bestimmter Entschädigungsregelungen v o l l auf die Umstände verlagert, ohne anzugeben, nach welchen Faktoren die U m 4
Z u den zahlreichen Meinungen i n der L i t e r a t u r i m einzelnen, die i m E r gebnis, keinesfalls aber m i t der gleichen Begründung zum generellen Gebot der Verkehrswertentschädigung kamen, s. die ausführliche Analyse unten i n § 9. I n der neueren L i t e r a t u r vor dem hamburg. Deichurteil des BVerfG wurde vor allem von Schulthes i n der aufschlußreichen vergleichenden Arbeit „Die Höhe der Enteignungsentschädigung vom Preuß. Enteignungsgesetz bis zum Bundesbaugesetz", 1965, eine grundlegend abweichende Meinung vertreten. Ansonsten gab es n u r i n den ersten Jahren nach Inkraftreten des Grundgesetzes eine dezidiert abweichende Mindermeinung, die einen freien Entschädigungsspielraum annahm; dazu ebenfalls i m einzelnen § 9. 5 Dazu i m einzelnen unten § 10. Eine (kritische) Analyse der Rechtsprechung des BGH, die, ausgehend von dem Selbstverständnis der BGH-Rechtsprechung deren Funktionskonsistenz untersucht, findet sich i n meiner Untersuchung „Entschädigung i m Bodenrecht. Z u r F u n k t i o n der Enteignungsentschädigung i n der Rechtsprechung des B G H " , in: Recht i m sozialen Rechtsstaat, Reihe K r i t i k , Bd. 5, 1973, S. 165 ff. Inzwischen hat, w e n n auch vorsichtig, sich auch der B G H der v o m BVerfG eingenommenen Grundposition angeschlossen; Einzelnachweise hierzu unten § 10 I.
§2 Methodengrundsätze
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stände jeweils gewertet werden sollen, ohnehin bei einem so komplexen Gebiet w i e dem des Enteignungsrechts k a u m geeignet, dem Gesetzgeber ausreichend feste Konturen anzugeben, nach denen er die Vereinbarkeit geplanter gesetzlicher Regelungen m i t der Verfassung beurteilen kann. I m Enteignungsrecht w i r d diese sich aus der Eigenschaft der Negativaussage ergebende Konsequenz der neueren J u d i k a t u r des BVerfG zusätzlich aber noch dadurch verstärkt, daß nach der ständigen Rechtsprechung dieses Gerichts i n jedem Fall, i n dem eine gesetzliche Entschädigungsregelung die nach A r t . 14 GG gebotene Entschädigungshöhe unterschreitet, nicht n u r die Entschädigungsregelung selbst als verfassungswidrig anzusehen ist, sondern die Ermächtigung zur Enteignung nach dem sog. Junktimgebot des A r t . 14 Abs. 3 Satz 2 GG ebenfalls verfassungswidrig w i r d .
Somit sieht sich der auf die neue Rechtsprechung des BVerfG zurückgreifende Gesetzgeber der Gefahr ausgesetzt, daß das BVerfG, da es eine ausreichende Konkretisierung seiner Auffassung i n der Entschädigungsfrage bisher nicht vorgenommen hat, eine andersartige Umstandsbewertung als der Gesetzgeber t r i f f t ; dann müssen nicht nur die jeweils getroffenen, vom BVerfG als unzureichend befundenen Entschädigungsregelungen revidiert werden, sondern die gesamten damit verknüpften Enteignungskompetenzen selbst müssen zunächst als nichtig angesehen werden. Neben dieser speziellen Problematik taucht eine grundsätzliche Gefahr für das Enteignungsrecht auf. Sie liegt darin, daß — gestützt auf das Abwägungsgebot des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG — die Grenzen des Entschädigungsspielraumes des Gesetzgebers sich i n Zukunft nach allgemeinen Billigkeitserwägungen bestimmen 6 . Damit w i r d aber nicht nur dem subjektiven Empfinden des Einzelnen Tür und Tor geöffnet und eine Bindung an die Verfassung weitgehend ausgeschlossen, sondern es w i r d zugleich auf eine Erfüllung der rechtsstaatlichen Forderung nach Berechenbarkeit des Gehalts von Verfassungsnormen i n einer zentralen Frage des Grundrechtsschutzes weitgehend verzichtet. § 2 Methodengrundsätze der Untersuchung
Der Verfasser glaubt, i n der vorliegenden Untersuchung i n mehrfacher Weise gegenüber der herkömmlichen Behandlung der Frage nach der „Enteignungsentschädigung nach dem Grundgesetz" gewisse metho6 I n Richtung auf eine Billigkeitslösung tendiert insb. die neue Arbeit von G. Hauke, Das Interessenabwägungsgebot nach A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG bei der Bestimmung der Enteignungsentschädigung, Diss. Heidelberg 1972: Das Entschädigungsminimum, das der Gesetzgeber nicht unterschreiten dürfe, liege auf der M i t t e zwischen dem Verkehrswert und einer nach dem Prinzip des sozialen Lastenausgleichs zu bestimmenden Entschädigung (S. 79); wo dem Eigentümer eine Vermögensposition entzogen werde, die für i h n lebensnotwendig u n d existenzerhaltend sei, sei über den Verkehrswert hinaus Schadensersatz zu leisten (S. 68).
22
Einleitung
dische Neuansätze zu verfolgen. Ihre Grundzüge und die Gründe für ihre Heranziehung seien i m Einzelnen kurz dargestellt. I . Transparenz der Eigenwertung durch Aufspaltung von Auslegung und Konkretisierung
Die der Untersuchung zugrunde liegende Fragestellung behandelt einen Gegenstand der Auslegung geltenden Verfassungsrechts. Die Ausgangslage für die Auslegung der vom Grundgesetz für die Enteignungsentschädigung einschlägigen Normen ist hier aber dadurch charakterisiert, daß die zentrale verfassungsrechtliche Bestimmung (Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG) i n extremem Maße konkretisierungsbedürftig ist. Hieraus ergibt sich i n besonderer Weise die Aufgabe, nachzuweisen, daß das entwickelte Ergebnis nicht als subjektive Rechtsfolgenbehauptung je nach dem Standpunkt des Verfassungsinterpreten, sondern als von der Verfassung selbst festgelegt anzusehen ist. Das hat Konsequenzen für den Aufbau der Arbeit. Bei der Bestimmung der vom Grundgesetz gebotenen Enteignungsentschädigung bedient sich die Untersuchung zwar auch der geläufigen Auslegungsmethoden (objektive, subjektive, systematische, historischkomparative). Gerade bei der Auslegung des für unsere Problemstellung zentralen Rechtssatzes reicht die Orientierung an diesen bekannten Auslegungsgrundsätzen aber nicht aus. Es ist eine heute ganz allgemein i n das Methodenbewußtsein gerückte Grundtatsache des Rechtsanwendungsprozesses, daß der Richter (und m i t i h m auch der rechtswissenschaftlich arbeitende Verfassungs- und Gesetzesinterpret) bei der A n wendung des Rechts nicht nur subsumiert, sondern eigene Wertentscheidungen einfließen läßt. Diese Wertentscheidungen werden ihrerseits stark vom jeweiligen Vorverständnis geprägt 1 . Man w i r d darin auch einen zwar reduzier-, nicht aber prinzipiell vermeidbaren Prozeß sehen müssen. Der Richter kommt, ebenso wie auch der Verfassungsund Gesetzesinterpret, i n vielen Rechtsanwendungsfällen ohne (begrenzte) Wertungsentscheidungen nicht aus 2 . I n der Frage, wie dieser Wertungsprozeß abläuft, werden heute zwei entgegengesetzte Meinungen vertreten 3 . Nach der einen Auffassung ist die Wer1
Hierzu vor allen anderen Esser, Vorverständnis und Methodenwahl i n der Rechtsfindung, 1972, insb. S. 43 ff. Speziell zum Vorverständnis bei der V e r fassungsauslegung s. F. Müller, N o r m s t r u k t u r und Normativität, S. 47 ff.; zum Verhältnis von Gesetzgebungsgewalt (als Rechtsetzungsprärogative) und Justiz (als ebenfalls rechtsschöpferischer Gewalt) s. insb. Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, entwickelt am Problem der Verfassungsinterpretation, passim. 2 Α. Α. bemerkenswerter Weise auch heute offenbar noch Pawlowski, Die Rechtsphilosophie i n der Juristenausbildung heute, i n : Festschrift f ü r K . M i chaelis, 1972, S. 235 ff., 236. 3 Dazu auch Paivlowski, Michaelis-Festschrift, S. 236 ff.
§ 2 Methodengrundsätze
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tung des Richters (und Interpreten) ein Faktor, der zu dem Auslegungsergebnis h i n z u t r i t t ; er t r i t t erst nach E r m i t t l u n g des Gehalts von Normen nach Auslegungsgrundsätzen präzisierend i n Erscheinung 4 . Nach einer anderen Auffassung erfolgt w o h l erst der wertende A k t , ob das als geltend angesehene Recht inhaltlich gebilligt w i r d ; dann erst folgt die Begründung anhand der bekannten methodischen Verfahren der Auslegung 5 . Ob beide idealtypischen Auffassungen so streng getrennt werden können, ist zu bezweifeln; oft ist die Frage, welches Element w e m voraus war, gar nicht eindeutig beantwortbar. D e r U m f a n g des Einbezugs eigener W e r t u n g e n 6 h ä n g t d a v o n ab, w e l chen W e r t u n g s s p i e l r a u m die j e w e i l i g e N o r m d e m I n t e r p r e t e n l ä ß t ; insb. welches die Q u e l l e dieses S p i e l r a u m e s ist. N e b e n der S u b s u m t i o n v o n v a g e n A u s d r ü c k e n 7 s i n d solche W e r t u n g e n besonders w e i t g e h e n d zugelassen u n d e r f o r d e r l i c h , w e n n d e r Gesetzgeber e x p l i z i t selbst W e r t a u s d r ü c k e oder W e r t u n g s f o r m e l n v e r w e n d e t . Dies geschieht z. B . d u r c h R ü c k g r i f f a u f A u s d r ü c k e w i e „ b i l l i g " , „ z u m u t b a r " , „ s i t t e n w i d r i g " oder dadurch, daß eine Abwägung v o n Faktoren angeordnet w i r d . Bei der B e s t i m m u n g der v o m Grundgesetz gebotenen E n t e i g n u n g s e n t s c h ä d i g u n g kumulieren sich n u n b e i d e g e n a n n t e n E l e m e n t e . D e n n nach A r t . 14 A b s . 3 Satz 3 G G i s t die E n t e i g n u n g s e n t s c h ä d i g u n g „ u n t e r gerechter A b w ä g u n g der Interessen d e r A l l g e m e i n h e i t u n d der B e t e i l i g t e n zu b e s t i m m e n " . A u c h i n e i n e m solchen F a l l d a r f der V e r f a s s u n g s i n t e r p r e t , sei er n o r m a u s l e g e n d e r R i c h t e r oder m i t e i n e m speziellen P r o b l e m der N o r m i n t e r p r e t a t i o n b e f a ß t e r Rechtswissenschaftler, n i c h t seine s u b j e k t i v e W e r t e n t s c h e i d u n g f r e i z u m I n h a l t des g e l t e n d e n Rechts erheben. V i e l m e h r sollte sich — n e b e n d e m s e l b s t v e r s t ä n d l i c h e n G r u n d s a t z , die eigene subjektive W e r t u n g möglichst rational u n d intersubjektiv k o n t r o l l i e r b a r 8 z u t r e f f e n — d e r j e w e i l i g e I n t e r p r e t zunächst b e m ü h e n , so w e i t 4
So z. B. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl., 1969, S. 6 u n d S. 140; Zippelius, Einführung i n die jurist. Methodenlehre, 1971, S. 112. 5 So insb. Adomeit, Methodenlehre u n d Juristenausbildung, ZRP 1970, S. 177. 6 Die ganze Frage der Wertungsproblematik bedarf m. E. des Einbezugs eines neuen Begriffs, u m die Sachlage realitätsbezogen wiederzugeben. Das ist der Dimensionsbegriff. Es ist j a nicht so, daß der Richter u n d der rechtswiss. Interpret den gesamten Gehalt der Normen durch seine Wertung bestimmt u n d daß er i n jeder Frage auf seine Wertung angewiesen ist. Es sollten also D i m e n sionen der Unentschiedenheit von Rechtsfolgen durch die jeweilige Verfassungs- bzw. Gesetzesregelung unterschieden werden. 7 Hierzu Säcker, Die Konkretisierung vager Rechtssätze durch Rechtswissenschaft und Praxis. Rechtsquellentheoretische u n d methodologische Bemerkungen, i n : ARSP Bd. 58 (1972), S. 215 ff., Podlech, Gehalt u n d Funktionen des allg. verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes, S. 41 u n d ders., Wertungen u n d Werte i m Recht, AöR Bd. 95 (1970), S. 185 ff., 187 f. 8 Letzteres ist partiell entgegen einem weitverbreiteten V o r u r t e i l durchaus möglich. Denn jedenfalls die Folgewirkungen von V o r - u n d Nachzugsentscheidungen können intersubjektiv kontrollierbar diskutiert werden; diesbezügliche Behauptungen können falsifiziert oder verifiziert werden; vgl. dazu insb. Podlech, Wertungen und Werte i m Recht, AöR Bd. 95 (1970), S. 185 ff.
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Einleitung
wie möglich auch bei Existenz solcher Wertungs- und/oder Abwägungselemente durch Auslegung zu ermitteln, welche Grundtendenz der Einführung dieser Elemente zugrunde liegt 9 ; ist dies geschehen und bleibt dem Interpreten i n der weiteren Konkretisierung nichts anderes als die eigene Wertentscheidung übrig, so sollte es selbstverständlich sein, daß explizit transparent gemacht wird, wo der individuelle Wertungsprozeß einsetzt. Von diesem methodischen Gebot ist die gesamte vorliegende Untersuchung der Frage nach dem verfassungsrechtlichen Entschädigungsgebot bei Enteignungen geprägt. Den Ausgang der Untersuchung bildet eine Analyse des Grundgehaltes der für die Enteignungsentschädigung zentralen Vorschriften des Grundgesetzes. A n diese Interpretationsanalyse schließt sich die Behandlung der Frage an, wie die bis zur Wende der Auffassungen i m hamb. Deichurteil des Jahres 1968 herrschende Meinung i m Schrifttum und wie der Bundesgerichtshof ihre Ergebnisse begründet hatten. Dem Gebot der Transparenz der Eigenwertung folgend schließt sich die Konkretisierung des Abwägungsgebotes i n A r t . 14 A b s . 3 G G als selbständiger
zweiter
Teil
an. Dieser
Teil ist also, nicht was die nach Auslegungsgrundsätzen ermittelte Grundtendenz der Regelung, wohl aber ihre einzelne Durchführung angeht, durch die Eigenwertung des Verfassers bestimmt. U m aber auch hier die Bindung an das von der Verfassung, nicht vom Interpreten Gewollte möglichst „dicht" zu machen, w i r d nach der Konkretisierung der Verfassungsbestimmung und dem Aufweis der Rechtsfolgen für einzelne Sachbereiche nochmals das Gesamtergebnis der Konkretisierung (Eigenwertung) m i t dem Resultat der Auslegung verglichen (vgl. Übereinstimmungnachweis i n § 23 I). Π . Verfassungsauslegung und Einbezug sozialwissenschaftlicher Daten
Noch i n einem weiteren Punkt weicht die vorliegende Untersuchung von den meisten, wenn nicht fast allen Arbeiten zur Enteignungsentschädigung nach dem Grundgesetz ab. I n aller Regel beschränken sich die Untersuchungen zu der vom Grundgesetz geforderten Enteignungsentschädigung darauf, die verfassungsrechtlichen Bindungen des Gesetzgebers und der Verwaltung i n entschädigungsrechtlicher Hinsicht aufzuzeigen. I n der Tat ist es nicht die eigentliche Aufgabe des Verfassungsinterpreten (oder eines Gerichts), auch rechtspolitische Untersuchungen anzustellen. Der Verfasser weicht gleichwohl in einem wesentlichen 9 Insoweit tendiert die Arbeit zu der oben beschriebenen Auffassung von Larenz u. a. (s. Fußn. 4).
§2 Methodengrundsätze
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Teilbereich von der bloßen Erörterung de lege lata ab (vgl. Exkurs §§ 20 ff., auch § 23). Was ist der Grund für dieses Vorgehen? Es besteht heute wohl i m Grundsatz, wenn auch keineswegs i n den Vorstellungen über die Durchführung, Einigkeit darüber, daß die Ausweitung der rein geisteswissenschaftlich-hermeneutischen Betrachtungsweise durch den Einbezug sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse für die Rechtswissenschaft nur von Nutzen sein kann. Die Forderung des Einbezugs solcher Daten erstreckt sich sowohl auf die eigentliche Rechtswissenschaft 10 wie auch auf die Juristenausbildung 11 . Bleibt man i n bescheidenem Rahmen, so geht es bei der unmittelbaren Erstreckung auf die Rechtswissenschaft selbst zunächst einmal darum, eine „wirklichkeitswissenschaftliche Bestandsaufnahme" des geltenden Rechts durchzuführen 1 2 ; sie hat komplementäre, nicht derogierende Funktion, soll die dogmatische Betrachtungsweise ergänzen, nicht ersetzen. Konkrete Darlegungen, die bewußt diesem Anspruch gerecht werden, sind aber noch rar. Das gilt auch, vielleicht in besonderem Maße für das Verfassungsrecht 13 . W i l l man für verfassungsrechtliche Fragen des Enteignungsrechts die wirklichkeitswissenschaftliche Dimension miterfassen, so kann man i n der Weise ansetzen, daß die verschiedenen relevanten Daten i n städtebaulicher, bevölkerungssoziologischer u. ä. Hinsicht aufgezeigt werden 1 4 . Man kann aber auch einen anderen Ansatz wählen. Aufschlußreich ist, wenn man sich nicht auf dogmatische Probleme des geltenden Rechts beschränkt, i n besonderer Weise der Vergleich des deutschen Enteignungsrechts m i t anderen grundsätzlichen Alternativen. Das setzt, wenn man die „wirklichkeitswissenschaftliche" Dimension erfassen w i l l , voraus, daß nicht — so vorwiegend die traditionelle Rechtsverg] eichung — 10
Hierzu jetzt allgemein (mit k r i t . Vorbehalten) W. Naucke, Über die j u r i s t i sche Relevanz der Sozialwissenschaften, 1972; dazu kritisch R. Lautmann, Rechtstheorie 1973, S. 57 ff. Naucke unterscheidet drei Haupttätigkeiten des Juristen, bei denen Sozialwissenschaften relevant werden können: Die Schaffung, die Anwendung u n d die wissenschaftliche Aufbereitung v o n Regeln f ü r das menschliche Zusammenleben. 11 Z u m letzteren vgl. insb. die Verhandlungen des 48. Deutschen Juristentages (1970) m i t den Beiträgen von Richter, Oehler, Mühl und Rinken; s. zum Problem auch die Dokumentation des Deutschen Bundestages „Reform der Juristenausbildung", 1971. 12 Häberle, Grundrechte i m Leistungsstaat, V V D S t R L Bd. 30 (1971), S. 45 f.; Einleitung des Korreferats. Nach Wieacker, Juristen-Jahrbuch Bd. 9 (1968/69), S. 18 ist der „Wirklichkeitsbezug der Rechtswissenschaft" ein Hauptthema, vielleicht das Grundthema der jurist. Berufsverantwortung. 13 Einen gewissen Ansatz bringt H. Thierfelder, Z u r Tatsachenfeststellung durch das Bundesverfassungsgericht, Jur. Α., 1970, S. 879 ff. 14 I n diesem Sinn das GEWOS-Gutachten „Verfassung, Städtebau, Bodenrecht", 1969, S. 122 ff. Hervorzuheben ist auch die Untersuchung von SchmidtAssmann, Grundfragen des Städtebaurechts, 1972.
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Einleitung
allein auf die rechtliche Konstruktion der unterschiedlichen Enteignungssysteme, sondern auf die praktische Wirkung der beiden Alternativen abgestellt wird. Der Verfasser ist diesen Weg gegangen. Er glaubt, m i t der vorliegenden Untersuchung ein Beispiel dafür gegeben zu haben, wie i m öffentlichen Recht durch Vergleich von Daten der konkreten Enteignungspraxis zweier Länder (Bundesrepublik/Niederlande) Grundfragen des Enteignungsrechts konkreter als bisher diskutiert werden können. Dies geschieht dadurch, daß für den wichtigen bodenrechtlichen Bereich der sog. Umwidmung von Acker-, Wiesen- oder Forstland zu Bauland nicht nur die rechtlichen Strukturprinzipien beider Rechtssysteme aufgezeigt werden, sondern vor allem auch diskutiert wird, welche praktischen Konsequenzen entschädigungsrechtlicher A r t beide Lösungsmodelle aufweisen. Es schließen sich Vorschläge i n Form von Alternativen de lege ferenda an. § 3 Dogmatische Nachbar- und Folgeprobleme
Der primäre Gegenstand der Untersuchung ist die Beantwortung der Frage, ob ein und gegebenenfalls welcher Entschädigungsspielraum des Gesetzgebers bei rechtmäßigen enteignenden Eingriffen besteht. Die Arbeit befaßt sich damit nur m i t einem Teilproblem des Enteignungsrechts. Das schließt nicht aus, daß es innerhalb des gesamten Rechtskomplexes, i n den diese Frage eingebettet ist, Fragestellungen gibt, die i n unmittelbarem sachlichen Zusammenhang mit dem behandelten Gegenstand stehen. Für zwei solcher Probleme sei i m Folgenden kurz skizziert, welche Beziehungen zur hier erörterten Verfassungsfrage bestehen und welche Folgewirkungen sich ergeben, wenn der vom Bundesverfassungsgericht vertretenen neuen Entschädigungsauffassung zu folgen sein sollte. I . Konseqnenzen für den „enteignangsgleichen Eingriff"
Das Institut des sog. „enteignungsgleichen Eingriffs", ein besonders markantes Beispiel für die Schaffung originärer neuer Anspruchsgrundlagen durch Richterrecht, betrifft die verfassungsrechtlich zwingenden Entschädigungspflichten bei rechtswidrigen hoheitlichen Eingriffen i n Vermögenswerte Rechte. Es geht also um die Haftung für Staats unrecht, nicht — wie bei der eigentlichen Enteignung i. S. d. A r t . 14 Abs. 3 GG — u m die Entschädigungslasten bei rechtmäßiger Inanspruchnahme von Gütern oder Rechten zum allgemeinen Wohl. Die Ausgangslage ist also i n beiden Fällen eine durchaus andere. Man könnte daher meinen, die veränderte Entschädigungsauffassung des Bundesverfassungsgerichts i. S. d. i n § 1 zitierten hamburg. Deichurteils habe unmittelbar m i t dem
§ 3 Dogmatische Nachbar- u n d Folgeprobleme
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von anderen Voraussetzungen ausgehenden Anspruch aus „enteignungsgleichem Eingriff" nichts zu tun, d. h. Änderungen i n einem Bereich berühren nicht auch den anderen. Das Gegenteil ist aber der Fall. Und es ist eigentlich verwunderlich, daß i n den neueren Veröffentlichungen zum Staatshaftungsrecht diese Konsequenz bisher nicht aufgegriffen wurde. Sie kann hier nur angedeutet werden. Das Institut des „enteignungsgleichen Eingriffs" stützt sich i n seiner gegenwärtigen Form auf den bekannten „Erst-recht"-Schluß, m i t dem der Bundesgerichtshof eine selbständige volle Entschädigungspflicht aus der Eigentumsgarantie des A r t . 14 GG über rechtswidrig schuldlose Eingriffe auch auf rechtswidrig schuldhafte Eingriffe erstreckt hat 1 . Dieser Schluß war, jedenfalls was die Erstreckung auch auf rechtswidrigschuldhafte Eingriffe betraf, schon seit Beginn dieser Rechtsprechung mit Recht kritisiert worden; er führte zur Auflösung der das bisherige Recht prägenden Systematik und zum partiellen Beiseiteschieben des Rechtsinstituts der Amtshaftung 2 . Dieser Einwand hat w o h l inzwischen, die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zeigt es, zwar nicht seine Berechtigung, wohl aber seine Wirksamkeit eingebüßt. Das neue Problem, m i t dem sich jetzt grundsätzlich das Institut des enteignungsgleichen Eingriffs auseinanderzusetzen hat, ergibt sich als Folge der Bundesverfassungsgerichtsrechtsprechung. Unterstellt man einmal, daß die vom Bundesverfassungsgericht als oberster rechtsprechender Instanz vertretene Auffassung von der Existenz eines Entschädigungsspielraumes bei rechtmäßigen Enteignungen sich durchsetzen wird, dann eröffnen sich ganz erhebliche Konsequenzen für das dogmatische System der Haftung für Staatsunrecht. Sie liegen i n Folgendem. Die „Erst-recht-Logik" (Forsthoff) der BGH-Rechtsprechung geht von dem Prinzip der Nichtbenachteiligung der Betroffenen rechtswidriger gegenüber den Betroffenen von rechtmäßigen enteignenden Eingriffen aus. Diese Logik w i r d durch das hamburg. Deichurteil vor eine neue Situation gestellt. 1 Wörtlich wurde der Erst-recht-Schluß i n B G H Z 7, 296, 298 i m Verhältnis von rechtswidrig-schuldlosen zu rechtswidrig-schuldhaften Eingriffen verwendet. Inzident w a r er schon f ü r das Verhältnis von rechtmäßig-enteignenden zu rechtswidrig-schuldlosen Eingriffen i n B G H Z 6, 270, 290 herangezogen w o r den, indem — i m Anschluß an RGZ 140, 276 ff. — darauf verwiesen wurde, daß der Grundgedanke der Entschädigungszubilligung bei einem unrechtmäßigen Eingriff, der i n der W i r k u n g einer Enteignung gleichsteht, „mindestens i n dem gleichen Maße gegeben sei w i e bei einer rechtmäßigen, also gesetzlich zulässigen Enteignung." 2 s. dazu insb. E. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1, A l l g . Teil, 10. Aufl., 1973, S. 357. Statt auf diesen Erst-recht-Schluß zu rekurrieren, hätte man auch umgekehrt einen Erst-recht-Schluß aus A r t . 34 GG i. V. m. § 839 Abs. 1 Satz 2 B G B ziehen können; vgl. dazu Dürig, i n : Maunz/Dürig/ Herzog, A r t . 3 Abs. 1, A n m . I I 13 d) = Rdnr. 61.
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Einleitung
Der bloße „Erst-recht"-Schluß kann seiner logischen Natur nach keine weiteren Rechtsfolgen tragen als die Regelung, die den Vergleichsparameter dieses Schlusses bildet. Infolgedessen führt das Abrücken vom Prinzip der vollen Entschädigung bei rechtmäßigen Eingriffen zu dem Ergebnis, daß der „Erst-recht"-Schluß auch für rechtswidrige Eingriffe nicht i n allen Fällen das Gebot einer vollständigen Entschädigungspflicht mehr tragen kann. Denn nur auf der Grundlage der vom Bundesgerichtshof früher vertretenen Auffassung, Art. 14 GG gebiete, wenn nicht Schadensersatz, so doch Gewährung eines vollen Ausgleichs für den durch die rechtmäßige Enteignung eingetretenen Vermögensverlust, läßt sich i m „Erst-recht"-Schluß die Folgerung ziehen, daß dann bei enteignungsgleichen Eingriffen ebenfalls der volle Ausgleich gewährt werden muß 3 . Was für eine Konsequenz ergibt sich daraus? Sie liegt darin, daß die bisherige Parallelität der Ansprüche aus § 839 BGB (Amtshaftung) und aus enteignungsgl. Eingriff i n erheblichem Umfang wieder aufgegeben werden muß. Denn wenn der Gesetzgeber bei rechtmäßigen Enteignungen einen Entschädigungsspielraum besitzt, dann besteht — dies ist die m. E. kaum zu umgehende Konsequenz der Erst-recht-Logik — auch ein Entschädigungsspielraum bei rechtswidrigen enteignungsgleichen Eingriffen. M i t anderen Worten: Der Anspruch aus § 839 BGB würde häufig der Höhe nach über den aus der Analogie zu Art. 14 GG hergeleiteten Ersatzanspruch hinausgehen; praktische Relevanz bekommt letzterer z. B. dann noch, wenn der Anspruch aus § 839 BGB bereits verjährt ist. Es gibt zwar eine denkbare Möglichkeit, diese Konsequenzen zu vermeiden: Es läßt sich begründet die Ansicht vertreten, daß auch dann, wenn die Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Betroffenen bei rechtmäßigen Enteignungen einen Entschädigungsspielraum zuläßt, bei rechtswidrigen Eingriffen dies nicht gilt. I m letzteren Fall haben Amtswalter des Staates sich einer Rechtsverletzung schuldig gemacht; hierfür hat der Staat einzutreten. Interessen der Allgemeinheit können dem nicht entgegen stehen, da die Allgemeinheit an rechtswidrig hoheitlichem Handeln kein Interesse haben kann 4 . Das Argument läßt sich hören, aber nur was die Interessenabwägung an sich betrifft. M i t dem „Erst-recht"-Schluß kann man, wenn man die aufgezeigten 8 Bedeutsam ist, daß die beschriebene Relativierung der Entschädigungspflicht aus dem I n s t i t u t des „enteignungsgl. Eingriffs" sich i n gleicher Weise auf die rechtswidrig schuldhaften wie auf die rechtswidrig schuldlosen E i n griffe erstreckt, also auch auf denjenigen Teilbereich des Instituts des „ e n t eignungsgleichen Eingriffs", der unter dem dogmatischen Gesichtspunkt des Verhältnisses zur allgemeinen Amtshaftung des § 839 B G B bisher wesentlich weniger umstritten war. 4 Diese Argumentation k l i n g t i n B G H Z 6,270, 295 an.
§ 3 Dogmatische Nachbar- und Folgeprobleme
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Konsequenzen i n Kauf zu nehmen bereit ist, nicht mehr arbeiten. Es stellt sich dann die Grundfrage, wie man weiterhin ohne diesen Schluß noch die Einschlägigkeit der Eigentumsgarantie des A r t . 14 GG für Staatshaftungsrecht begründen kann. Die Haftungsnorm des A r t . 34 GG ist dann die einzige übrig bleibende Verfassungsgrundlage, die plausibel ist. I I . Entschädigungsflexibilität und grundgesetzgemäßer Enteignungsbegriff
I n engem sachlichem Zusammenhang m i t dem Problem des verfassungsrechtlich zwingend vorgeschriebenen Entschädigungsumfangs bei Enteignungen steht weiterhin die Frage, nach welchen Kriterien der Enteignungsbegriff des A r t . 14 Abs. 3 GG selbst zu bestimmen ist. Dies schon deshalb, weil nach der Systematik der Verfassung eine Entschädigungspflicht bei rechtmäßigen hoheitlichen Maßnahmen nur dann gegeben ist, wenn ihr der Charakter einer Enteignung zuerkannt worden ist. Der Zusammenhang zwischen beiden Fragen geht aber weit über diese rein logische Verknüpfung hinaus. Denn gerade w e i l nach dem System des A r t . 14 GG die Annahme einer Entschädigungspflicht als notwendige Bedingung die Qualifikation der Enteignung voraussetzt, handelt es sich bei dem Streit um den richtigen Enteignungsbegriff i n vielen Fällen u m eine verdeckte Entscheidung allein darüber, ob entschädigt werden soll oder nicht. Welche Konsequenzen hat das für eine Arbeit, die sich primär der Frage nach dem Entschädigungsspielraum bei gegebener Enteignungsqualität widmet? Der Verfasser hat sich aus dem genannten, unlösbaren Sachzusammenhang dahingehend entschieden, daß i m Rahmen der A r beit partiell die Frage nach dem „richtigen", d. h. grundgesetzmäßigen Enteignungsbegriff mitentschieden wird. Das Bundesverfassungsgericht hat bekanntlich bisher die Frage, welcher Enteignungsbegriff dem Grundgesetz zugrunde zu legen ist, noch nicht grundsätzlich entschieden, sondern offen gelassen, wie die entschädigungspflichtige Enteignung v o n der entschädigungslos zu duldenden Eigentumsbindung abzugrenzen ist 5 . I n der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes u n d des Bundesverwaltungsgerichts sowie i n der Lehre sind verschiedene Abgrenzungsformeln entwickelt worden 6 . Der B G H hatte zunächst m i t seiner sog. „modifizierten Einzelaktstheorie" eine kombinierte Abgrenzung entwickelt; danach ist die 5
Vgl. BVerf GE 4, 219, 231; 11, 294, 296; 20, 351, 356. Dazu s. insb. die Übersicht bei Kimminich, Bonner Komm., Zweitbearb., A r t . 14, A n m . I I 12) = Rdnr. 46 ff.; ders., Die öffentlichrechtlichen Entschädigungspflichten, JuS 1969, S. 350, 356 f.; s. auch H. Wagner, Eingriff u n d u n m i t telbare E i n w i r k u n g i m öffentlich-rechtlichen Entschädigungsrecht, N J W 1966, 569 ff. u n d B. Bender, Sozialbindung des Eigentums u n d Enteignung. Stand der Abgrenzungsversuche des B G H u n d des BVerwG, N J W 1965, S. 1927 ff.; ders. f Staatshaftungsrecht, 1971, S. 6 ff. 6
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Einleitung
Enteignung durch den Verstoß gegen den Gleichheitssatz gekennzeichnet 7 ; aber auch generelle Beschränkungen v o n Eigentumsbefugnissen sind als Enteignung zu werten, wenn sie den Wesensgehalt der Eigentumsgarantie tangieren 8 . Das B V e r w G hat sich v o n diesem formalen Ansatz betont abgesetzt u n d als A b grenzungskriterium die materielle Schwere der Betroffenheit durch den E i n griff herangezogen 9 . I m Ergebnis freilich ist die Rechtsprechung der beiden Gerichte, w i e von Kreft 10 i m einzelnen nachgewiesen, so weit gar nicht entfernt; hinzu kommt, daß auch der B G H i n neuerer Zeit die Gleichheitsfrage j a (auch) unter Einbezug der Schwere des Eingriffs beantwortet hat. I n der Rechtswissenschaft ist, sieht m a n einmal von den v o r Inkrafttreten des Grundgesetzes entwickelten Abgrenzungstheorien — so insb. die Z u m u t barkeitstheorie (Stödter) 11 , Schutz Würdigkeitstheorie (W. Jellinek) 1 2 , Substanzminderungstheorie (Scheicher) 13 u n d Zweckentfremdungstheorie (Kutscher) 1 4 — ab, als eigenständige Abgrenzungstheorie vor allem die Privatnützigkeitstheorie Reinhardts hervorgetreten 1 5 . Eine Reaktivierung dieser Theorie hat neuerdings F. K l e i n unternommen 1 6 . D i e P r i v a t n ü t z i g k e i t s t h e o r i e R e i n h a r d t s w a r w o h l die einzige w e s e n t l i c h n e u a r t i g e A b g r e n z u n g s t h e o r i e , die nach I n k r a f t t r e t e n des G r u n d gesetzes e n t w i c k e l t w o r d e n w a r . Sie w a r „ a u s der Sicht des P r i v a t r e c h t l e r s " 1 7 g e b o r e n ; u n m i t t e l b a r n a c h w e i s b a r e n E i n f l u ß a u f die Rechtsprec h u n g s p r a x i s h a t sie, w e n n auch eine t e i l w e i s e sachliche D e c k u n g m i t A u f f a s s u n g e n des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesgerichtshofes u n d des B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t s h e r g e s t e l l t w e r d e n k a n n , k a u m 7
Vgl. ζ. Β . Β G H Z 6, 270, 295; 13, 265, 319; 15, 268, 278; 27, 15, 23. Vgl. Β GHZ 23, 30, 32; BGH, U r t . v. 25. 3. 1957 = B B 1957, 493; Urt. v. 9. 12. 57 = M D R 1958, 220 = B B 1958, 324; Urt. v. 16. 3. 1959 = M D R 1959, 558 = L M A r t . 14 GrundG (Cb), Nr. 5; U r t . v. 11. 12. 1961 = B B 1962, 355; s. auch Hußla, Die Enteignungsentschädigung f ü r ein Bauverbot nach der Rechtsprechung des BGH, i n : Festschrift f ü r O. Riese zum 70. Geburtstag, 1964, S. 331. 9 B V e r w G E 5, 143, 145; 7, 297, 299; 11, 68, 75; dagegen insb. H. Krüger, V e r fassungsänderung u n d Verfassungsauslegung, DÖV 1961, S. 721 ff. 10 F. Kreft, Grenzfragen des Enteignungsrechts i n der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs u n d des Bundesverwaltungsgerichts, i n : Ehrengabe f ü r B. Heusinger, 1968, S. 167 ff. 11 Stödter, öffentlich-rechtliche Entschädigung, 1933, S. 197, 210 ff. 12 W. Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1931, S. 413; ders., Gutachten f ü r den 36. DJT, 1931, Bd. 1, S. 292 ff., 317. 13 W. Scheicher, Gesetzliche Eigentumsbeschränkung u n d Enteignung, AöR Bd. 57 (1930), S. 321 ff., 350. 14 H. Kutscher, Die Enteignung. E i n Beitrag zur Lehre von der Enteignung u n d von dem Eigentum, 1938, S. 123. 15 R. Reinhardt, Wo liegen f ü r den Gesetzgeber die Grenzen, gemäß A r t . 14 des Bonner Grundgesetzes über I n h a l t und Schranken des Eigentums zu bestimmen? i n : Reinhardt/Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, 1954, S. 1 ff. 16 F. Klein, Rudolf Reinhardts Beitrag zur Abgrenzung der Enteignung von der Eigentumsbindung, i n : Festschrift für R. Reinhardt zum 70. Geburtstag, 1972, S. 451 ff.; kritisch gegen Reinhardts Theorie aber schon sehr f r ü h D. Haas, System der öffentlich-rechtlichen Entschädigungspflichten, 1955, S. 13. 17 F. Klein, Reinhardt-Festschrift, S. 455. 8
§ 3 Dogmatische Nachbar- und Folgeprobleme
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gehabt 18 . I n der vorliegenden Arbeit w i r d ein Gegenstück zu der Reinhardtschen Privatnützigkeitstheorie entwickelt; sie ist aus der Sicht des Verfassungs-, nicht des Zivilrechtlers kreiert. Da sie ihre wesentliche Begründung aus dem Gebot der Interessenabwägung bei Gewährung von Entschädigungen für (rechtmäßige) Eigentumseingriffe herleitet, könnte man sie als „Abwägungstheorie" charakterisieren. Die Entwicklung der „Abwägungstheorie", ihre verfassungsdogmatische und auch aus der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes herleitbare Begründung w i r d später bei der Konkretisierung des Abwägungsgebotes durchgeführt (vgl. § 13 V I I ) ; bei der Behandlung der einzelnen Sachbereiche, i n denen Enteignungsentschädigungspflichten relevant werden können (§§ 16-19) werden ihre praktischen Konsequenzen deutlich. Wodurch setzt sich die entwickelte „Abwägungstheorie" von der erwähnten Privatnützigkeitstheorie und anderen Abgrenzungstheorien ab? I m Schlußteil der Arbeit (§ 28) werden w i r zeigen, daß damit historisch gesehen eine Mittellinie erreicht wird, die eine Synthese darstellt. Daher hier nur zwei grundsätzliche Bemerkungen zur Funktion der entwickelten Theorie. Unproblematisch sind auch heute noch solche Eingriffe i n das Eigent u m i. S. d. A r t . 14 GG, die als GüterbeschaffungsVorgänge zu qualifizieren sind. Die Probleme treten erst auf, wo es um andere Eingriffe geht 1 9 . Hier stellt sich die Frage, ob eine sog. „Aufopferungsenteignung" 20 anzunehmen ist. Für diese Frage liefert die Arbeit eine aus Art. 14 Grundgesetz hergeleitete 21 Lösung. Ist damit eine Patentlösung zur Abgrenzung von Eigentumsbindung und Enteignung? Die Frage kann nur verneint werden. Die Bestimmung des Enteignungsbegriffs hat multifunktionalen Charakter. Denn i n mehrfacher Weise muß der zwingend entschädigungspflichtige, also enteig18
Nachweise bei F. Klein, Reinhardt-Festschrift, S. 458 f. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1, Allg. Teil, 10. Aufl., S. 339. 20 Diese m. E. sehr glückliche Wortschöpfung stammt von W. Weber, Eigent u m u n d Enteignung, i n : Neumann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 2, S. 370 ff. 21 Die K r i t i k v o n Haas (Fußn. 16) S. 13 gegen die Privatnützigkeitslehre Reinhardts weist zutreffend darauf hin, daß Reinhardt — w e n n er auch die Eigentumsgarantie des A r t . 14 GG i n Verbindung m i t A r t . 2 GG als Grundlage seiner Theorie heranzieht — der Sache nach doch, wie es dem Zivilrechtsdenken nahe liegt, p r i m ä r aus A r t . 2 GG die Abgrenzung entwickelt hat. Bemerkenswert allerdings bei Reinhardt, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 22, die E i n schränkung des Prinzips der funktionsgerechten Verwendung aus privater I n i t i a t i v e i m Bereich von G r u n d u n d Boden, zumal 1953 ( = Zeit des Vortrags v o n Reinhardt) die Entwicklung der Bodenrechtsfragen i n ihrer heutigen D i mension noch nicht absehbar war. 19
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Einleitung
nende Eingriff von anderen Einwirkungen auf das Eigentum abgegrenzt werden. Es sind also zahlreiche Einzelaspekte zu berücksichtigen. N u r hoheitliche Eingriffe können Enteignungsqualität besitzen; dies auch n u r dann, w e n n der Eingriff im Allgemeininteresse, nicht n u r zum Schutz v o n Individualinteressen erfolgt 2 2 . Streitig ist, ob auch durch Unterlassen eine E n t eignung erfolgen kann. Die BGH-Rechtsprechung hat dies f ü r den Regelfall verneint 2 3 . Nach der Rechtsprechung w i r d weiterhin ein unmittelbares Eingreifen i n das geschützte Rechtsgut gefordert 2 4 ; die Bedeutung dieses Merkmals hat sich allerdings gewandelt 2 5 . M i t dieser Frage hängt das Problem zusammen, ob eine Enteignung n u r bei gezielten Eingriffen angenommen werden kann; seit dem Waldbrandfall 2 6 ist hier eine Wende eingetreten 2 7 .
A u f das Bündel dieser Einzelfragen gibt das i m Laufe der Untersuchung entwickelte Abgrenzungskriterium keine Antwort. Wohl aber beantwortet es — hergeleitet aus der Regelung i n A r t . 14 GG — eine grundsätzliche Frage, die bei der Diskussion um den „richtigen" Enteignungsbegriff stets auftaucht: Wann ist ein Eingriff von den Auswirkungen auf den Betroffenen aus gesehen als so gravierend anzusehen, daß der Gesetzgeber nach A r t . 14 GG gezwungen ist, ihn als (Aufopferungs-)Enteignung zu behandeln? Die A n t w o r t w i r d — als Folgewirkung — aus der Aktualisierung des Interessenabwägungsgebotes des A r t . 14 Abs. 3 GG hergeleitet 28 . Das hat i n der theoretischen Ausgangsposition starke Parallelen zur sog. Schweretheorie des Bundesverwaltungsgerichts, weicht aber i n den praktischen Ergebnissen ganz erheblich davon ab, wie zu zeigen sein wird.
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Maßnahmen der Zwangsvollstreckung u n d des Konkursverfahrens w i r ken daher nicht enteignend, BGH, N J W 1959, S. 1085; B B 1967, S. 941. 23 B G H Z 12, 52, 56; 32, 208, 211. Z u den zugelassenen Ausnahmen s. Kröner, Die Eigentumsgarantie i n der Rechtsprechung des BGH, 2. Aufl., 1969, S. 16 f ; f ü r einen Einbezug i n stärkerem Umfang Maunz, i n : Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 14, A n m . V 13. 24 B G H Z 23, 235, 240; 37,44, 46 f.; 48, 46,49; 49, 340, 343. 25 s. die Übersicht bei Maunz, i n : Maunz/Dürig Herzog, A r t . 14, A n m . V 18. 26 B G H Z 37,44,47 (Schießübungen auf einem Truppenübungsplatz). 27 Grundsätzlich zum Problem neuerdings V. Gronefeld, Preisgabe u n d E r satz des enteignungsrechtlichen Finalitätsmerkmals, 1972. 28 Unten § 13 V I I .
Erster
Teil
Interpretationsanalyse A. Die Grundtendenz der Verfassungsentscheidung in der Entschädigungsfrage § 4 Das Abwägungsgebot als M i t t e l w e g zwischen Verkehrswertbindung u n d totalem Entschädigungsspielraum I . Grundsätzliche Alternativen A u c h nach d e m i n d e r E i n l e i t u n g n ä h e r c h a r a k t e r i s i e r t e n h a m b u r g . D e i c h u r t e i l des Bundesverfassungsgerichts, d e m sich auch der B u n d e s gerichtshof i m G r u n d s a t z inzwischen, w i e e r w ä h n t , angeschlossen h a t 1 , i s t die Frage, a n welche E n t s c h ä d i g u n g das Grundgesetz d e n Gesetzgeber f ü r E n t e i g n u n g e n b i n d e t , w e i t e r äußerst h e f t i g u m s t r i t t e n . E i n e r h e b l i cher T e i l der staatsrechtswissenschaftlichen L i t e r a t u r v e r t r i t t nach w i e v o r die A u f f a s s u n g , das Grundgesetz gebiete E n t s c h ä d i g u n g i n H ö h e des Verkehrswertes, jedenfalls f ü r den Regelfall 2. Andere L i t e r a t u r s t i m m e n gelangen zu einer bemerkenswert paradoxen B e s t i m m u n g der E n t schädigungspflicht 3 . Dagegen i s t v o n d e n P r a k t i k e r n des Bodenrechts 1
Dazu i m einzelnen unten § 10 I. So z . B . die Mehrheit der neueren Auflagen der Staatsrechtslehrbücher, vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 6. Aufl., 1973, S. 185; E. Stein, Lehrbuch des Staatsrechts, 2. Aufl., 1971, S. 176; A . A . i m Sinn der Bejahung einer gewissen Entschädigungsflexibilität offenbar Maunz, Dt. Staatsrecht, 19. Aufl., 1973, S. 186. I m alten Sinn weiter auch Forsthoff, Lehrbuch des V e r w a l tungsrechts, Bd. 1, A l l g . Teil, 10. Aufl., 1973, S. 351 f. m i t Gleichsetzung v o n Grundgesetzregelung u n d „angemessener" Entschädigung i n der Weimarer Reichsverfassung, auf die Begründung i m hamburg. Deichurteil des BVerfG w i r d nicht eingegangen, n u r von „Verunsicherung" der bisherigen Rechtsgrundsätze gesprochen; ähnlich F. Freundling, Z u m Maß der Enteignungsentschädigung, BayVBl. 1972, S. 10 ff. u n d Leisner , Sozialbindung des Eigentums, 1972, Exkurs S. 109 ff. W. Weber, Das Eigentum und seine Garantie i n der Krise, i n : Festschrift für K . Michaelis, 1972, S. 316 ff., 322, A n m . 7, gelangt zu der Auffassung: „ . . . daß eine starre, allein am M a r k t w e r t orientierte E n t schädigung dem Grundgesetz fremd sei u n d dem Enteigneten nicht stets das volle Äquivalent für das Genommene ersetzt zu werden b r a u c h e . . . w i r d sich bei näherer Prüfung schwerlich halten lassen." Bemerkenswerterweise w e r den von Weber aber neuerdings Abschöpfungen von Planungsgewinnen davon ausgenommen (S. 322, A n m . 7). 2
3 Opfermann
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I. A. Die Grundtendenz der Verfassungsentscheidung
die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Teil geradezu m i t Befreiung aufgenommen und herangezogen worden 4 . Vor der Frage, wie der vom Bundesverfassungsgericht angenommene Entschädigungsspielraum i m einzelnen näher zu konkretisieren ist, ist die Frage zur Entscheidung gestellt, ob nicht — die unterschiedliche Aufgabenstellung von Rechtswissenschaft und Rechtsprechung soll dabei nicht verkannt werden — der Sache nach die genannte Literatur Recht hat, da sie i n der Verfassungsauslegung die stärkeren Gründe für sich geltend machen kann. Die A n t w o r t auf diese Kernfrage ergibt sich aus der Untersuchung der grundsätzlich, nicht i n Detailfragen von der Verfassung bezogenen Position. Es geht hier also um die Frage, wie nach dem Zusammenspiel der einzelnen Methoden der Verfassungsauslegung der Grundgehalt der Entscheidung der Verfassung zur Entschädigungsbemessung zu bestimmen ist. Welche grundsätzlichen Regelungsalternativen sind nun denkbar, wenn w i r die Frage beantworten wollen, ob das Grundgesetz eine generelle Bindung an den Verkehrswert bei Enteignungen vorgeschrieben hat? Die A n t w o r t auf diese Frage ist leicht aus der Entwicklung des deutschen Enteignungsrechts zu geben. Drei grundsätzliche Alternativen eröffnen sich hier. (1) Zum einen kann, wie ein Teil der Literatur annimmt, das Grundgesetz generell, d. h. allenfalls von geringfügigen Ausnahmen abgesehen, zur Entschädigung i n Höhe des jeweiligen Verkehrswertes der Sache oder des Rechts verpflichten, das entzogen wird. Das ist die Entschädigung i n Höhe des sog. „gemeinen Wertes". Diese Entschädigungsalternative beherrschte weitgehend das klassische Enteignungsrecht des 19. Jahrhunderts 5 . Sie lag auch der Interpretation des Gebots der 3 So z. B. Schmidt-Bleibtreu/Klein, K o m m , zum GG, 3. Aufl., 1973, A r t . 14, Rdnr. 21 m i t der Variante, daß einerseits auf die These des Bundesverfassungsgerichts (nicht stets Marktwert) zurückgegriffen w i r d , andererseits aber gleichw o h l grundsätzlich auf die alte BGH-Rechtsprechung von der Pflicht zur V e r kehrswertentschädigung abgestellt w i r d ; ganz entsprechend Model/Müller, GG, Taschenkommentar, 7. Aufl., 1972, A r t . 14 A n m . 9. 4 Vgl. z.B. Ernst, Rechtsfragen des Städtebauförderungsgesetzes, S. 29: „ . . . Das Bundesverfassungsgericht h a t . . . andere von den erwähnten Rechtssätzen (erg.: des BGH) abweichende Grundlagen f ü r das Entschädigungsrecht geschaffen." Ä h n l i c h das GEWOS-Gutachten „Verfassung, Städtebau, Bodenrecht", S. 146 ff., Bielenberg, Reform des Städtebaurechts u n d der Bodenordnung i n Stufen, S. 26 u n d ders., Ist die Bemessung der Enteignungsentschädigung nach dem Verkehrswert i m Bundesbaugesetz verfassungswidrig?, DVB1. 1974, S. 113 ff. 5 Vgl. Grünhut , Das Enteignungsrecht, 1873, S. 100: Grundelement der E n t schädigung ist der Verkaufswert des enteigneten Grundstücks, d. h. der allgemeine Schätzwert des Grundstücks nach Marktverhältnissen; Eger, Das Gesetz über die Enteignung von Grundeigentum v. 11. 6. 1874, 2. Aufl., Bd. 1, 1902, Erl. zu § 8, S. 139: Der entschädigungspflichtige Wert ist der reichlich bemessene
§ 4 Das Abwägungsgebot als M i t t e l w e g der Entschädigungsbindung
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„angemessenen E n t s c h ä d i g u n g " des A r t . 153 A b s . 2 Satz 2 W R V d u r c h das Reichsgericht z u g r u n d e 6 . (2) A r t . 14 A b s . 3 Satz 3 G G b e s t i m m t : „ D i e E n t s c h ä d i g u n g i s t u n t e r gerechter A b w ä g u n g der Interessen der A l l g e m e i n h e i t u n d der B e t e i l i g t e n z u b e s t i m m e n . " D a m i t k a n n z u m zweiten g e m e i n t sein, daß d e r Gesetzgeber e i n e n totalen Entschädigungsspielraum besitzt. Das e n t spräche auch i n gewisser Weise deutscher V e r f a s s u n g s t r a d i t i o n ( w e n n auch n i c h t d e r k o n k r e t e n E n t e i g n u n g s r e c h t s p r a x i s ) . D e n n A r t . 153 A b s . 2 Satz 2 W R V sah f ü r d e n Reichsgesetzgeber j a die M ö g l i c h k e i t v o r , schlechthin f ü r a l l e F ä l l e die E n t e i g n u n g s e n t s c h ä d i g u n g ganz o d e r t e i l weise z u versagen. Dieser Alternative k a m i n den ersten Jahren nach Inkrafttreten des G r u n d gesetzes bekanntlich ein T e i l der Rechtswissenschaft sehr nahe, w e n n er sich nicht sogar v o l l m i t i h r deckte. Von i h m w a r die Auffassung vertreten w o r den, die Fassung des Grundgesetzes i n A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 lasse dem Gesetzgeber Spielraum bis zur bloß nominellen Entschädigung 7 . Da letzterem schon Genüge getan wäre, w e n n n u r eine symbolische Entschädigung von z. B. 1,— D M i n einem Enteignungsfall gezahlt würde, läuft diese Meinung i n der praktischen Konsequenz darauf hinaus, daß die Interessenabwägung des A r t . 14 GG keine anderen Rechtswirkungen besitzt, als w e n n die Enteignungsentschädigung einfachem Gesetzesvorbehalt unterliegt. (3) E i n e dritte A l t e r n a t i v e besteht d a r i n , daß das Grundgesetz sich i n der Entschädigungsbemessung f ü r e i n e n M i t t e l w e g z w i s c h e n der E n t s c h ä d i g u n g nach d e m g e m e i n e n W e r t u n d der v o l l e n E n t s c h ä d i g u n g s f r e i h e i t entschieden h a t . D e r Gesetzgeber s o l l z w a r g r u n d s ä t z l i c h e i n e n E n t s c h ä d i g u n g s s p i e l r a u m besitzen, dieser l ä ß t aber n i c h t n o t w e n d i g i n j e d e m F a l l eine A b k e h r v o n d e r V e r k e h r s w e r t e n t s c h ä d i g u n g z u u n d e r f ü h r t auch keineswegs bis h i n z u r t o t a l e n Entschädigungsversagung.
objektive Wert, welchen das Grundstück f ü r jedermann hat u n d haben kann, d.h. der volle K a u f w e r t ; ähnlich Scheicher, Die Rechtswirkungen der Enteignung nach gemeinem und sächsischem Recht, 1893, S. 294 ff., Layer, Principien des Enteignungsrechts, 1902, S. 506 f. Daß darüber hinaus zum großen T e i l auch der sonstige Vermögensschaden als entschädigungspflichtig angesehen wurde (vgl. Layer, S. 513, Scheicher, S. 357 ff., dagegen Eger, S. 140), spielte zwar i n zahlreichen einzelnen Enteignungsfällen eine wichtige Rolle; f ü r die H a u p t masse der Fälle w a r aber die Orientierung am „gemeinen Wert" das ausschlaggebende Entschädigungsprinzip. 6 Vgl. insb. RGZ 112, 189, 192; 116, 268, 274; 128, 18, 34; das Reichsgericht trennte auch unter der Weimarer Reichsverfassung k l a r zwischen Enteignungsentschädigung nach dem Verkehrswert u n d Schadensersatzentschädigung, vgl. dazu insb. RGZ 112, 189, 192; 116, 268, 274. Z u zahlreichen Entscheidungen des Reichsgerichts v o r 1900, i n denen auf den Verkehrswert abgestellt wurde, vgl. z. B. die Nachweise bei Eger (Fußn. 5), S. 139 f. 7 Z u m einzelnen I n h a l t dieser Auffassungen s. näher unten die Methodenanalyse der früheren Behandlung des Abwägungsgebotes i n der Rechtswissenschaft i n § 9. 3*
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I. A. Die Grundtendenz der Verfassungsentscheidung I I . Entscheidung der Verfassung für die mittlere Alternative
1. Legt man eine Verfassungsvorschrift aus, so kann sich ergeben, daß bestimmte Auslegungsmomente für die eine, andere Momente für die andere Alternative sprechen. Hier beginnt dann die eigentliche Crux des sich dogmatisch gebunden fühlenden Verfassungsinterpreten. Bei der Auslegung des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 Grundgesetz liegen die Dinge aber keineswegs so kompliziert. Legt man diese Verfassungsvorschrift nach Wortlaut, Funktion der Regelung und nach historischem Verfassungsvergleich aus, so ergibt sich, daß das Grundgesetz weder das Gebot einer stets zu leistenden „angemessenen", d. h. generell am Verkehrswert orientierten Entschädigung i n Höhe des vollen Marktäquivalentes enthält, noch die Entschädigung unter vollen Gesetzesvorbehalt stellt; vielmehr zeigt die Fassung der Entschädigungsregelung, daß hier ein Mittelweg der Entschädigungsverpflichtung zwischen dem Gebot der „angemessenen Entschädigung" einerseits und der totalen Entschädigungsfreiheit des Gesetzgebers andererseits eingeschlagen ist. 2. Zunächst läßt die Grundgesetzfassung i n mehrfacher Hinsicht erkennen, daß A r t . 14 GG keine Fortführung eines strikten Gebotes der „angemessenen Entschädigung" enthält. Schon der Wortlaut der Regelung spricht dagegen, daß das Grundgesetz ein starres Gebot der Marktwertentschädigung aufstellt. Von der Orientierung am Verkehrswert ist weder direkt noch indirekt i n Art. 14 I I I S. 3 GG die Rede. Gewichtiger aber ist der Nachweis, daß eine starre Bindung an die Verkehrswertentschädigung mit der eindeutig formulierten Funktion der Verfassungsbestimmung nicht vereinbar ist. Denn nach A r t . 14 GG soll die Entschädigungsbemessung ja Resultat der Interessenabwägung sein. Sieht man darin aber die Fortführung der „angemessenen" ( = Marktwert-) Entschädigung, so w i r d die Interessenabwägung sowohl überflüssig wie auch praktisch unmöglich gemacht: Überflüssig ist die Interessenabwägung, weil die Entschädigungsverpflichtung ohnehin schon feststeht; unmöglich ist die Interessenabwägung, w e i l diese voraussetzt, daß zumindest i n bestimmten Fällen zugunsten der Interessen der Allgemeinheit i n der Entschädigungshöhe variiert werden kann. Dieser Befund w i r d zusätzlich noch durch den i m Bereich der Verfassungsinterpretation besonders aussagekräftigen historischen Verfassungsvergleich bekräftigt. Es läßt sich kaum der Schluß von der Hand weisen, daß, wenn das Grundgesetz eine Fortführung der Bemessung der Entschädigungshöhe i n Höhe des Verkehrswertes intendiert hätte, sich dies in der Weise sprachlich i n Art. 14 GG niedergeschlagen hätte, daß das GG das gleiche K r i t e r i u m des Gebots der „Angemessenheit" der Entschädigung übernommen hätte, das nach der Rechtsprechung des
§ 4 Das Abwägungsgebot als M i t t e l w e g der Entschädigungsbindung
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Reichsgerichts zu A r t . 153 WRV nur ein synonymer Ausdruck zum Gebot der Verkehrswertentschädigung war. Hinzu kommt noch eine weitere Erwägung. Bekanntlich hatte es das Reichsgericht ausdrücklich abgelehnt, die Interessen der Allgemeinheit auch i n der Entschädigungsfrage zu berücksichtigen 8 . Eine stärkere Absetzung von einer starren Bindung an die „angemessene" Entschädigung kann wohl kaum objektiv i m Wortlaut der Verfassung verankert werden, als wenn, wie i m Grundgesetz, ausdrücklich die Interessen der Allgemeinheit als gleichrangiger Faktor i n der Entschädigungsbemessung i n den Verfassungstext eingeführt werden. 3. Aus der verfassungsrechtlichen Regelung ist aber zugleich zu ersehen, daß auch das andere Extrem eines freien Entschädigungsspielraumes des Gesetzgebers nicht aus A r t . 14 GG hergeleitet werden kann. Gegen eine solche Interpretation der Interessenabwägungsklausel läßt sich zum einen einwenden, daß der adäquate Weg zu seiner Einführung die Einführung des einfachen Gesetzesvorbehaltes gewesen wäre. Zum anderen — und das ist das wesentlichere Gegenargument — würde diese Auffassung ebenfalls der Funktion der Abwägungsregelung nicht gerecht. Denn bei dieser Interpretation hätte der Gesetzgeber ja die Möglichkeit, sich ausschließlich an den Interessen der Allgemeinheit zu orientieren; er wäre nicht mehr gezwungen — und darin liegt eine wichtige Garantiefunktion der Abwägungsregelung — zwischen den beiden genannten Interessen abzuwägen. Diese Garantiefunktion erfordert aber die Rechtskonsequenz, daß bestimmte Entschädigungsregelungen nichtig sind, weil sie zu stark die Interessen der Allgemeinheit i n den Vordergrund rücken. Die bisherigen Feststellungen zum grundsätzlichen Gehalt der Interessenabwägungsregelung werden i n einem für andere grundrechtliche Regelungen wohl nur selten entsprechend starken Grad bestätigt, wenn man die Beratungen des Parlamentarischen Rates zur Entschädigungsregelung des Art. 14 Abs. 3 S. 3 GG heranzieht. Denn auch aus der Analyse der Beratungen i m Pari. Rat ergibt sich eindeutig, daß die Entschädigungsregelung nach dem K r i t e r i u m der Interessen bewußt als ein Mittelweg zur Begrenzung der Entschädigungslasten gedacht war, der unter spezifischer und bewußter Abkehr gerade von der Rechtslage des Gebotes der „angemessenen" Entschädigung gewählt wurde. I I I . Der Beratungsverlauf im Parlamentarischen Rat
Der Rückgriff auf die sog. subjektive Auslegungsmethode, d. h. auf den historischen Entstehungsprozeß einer Gesetzes- oder Verfassungsnorm begegnet häufig i n Rechtswissenschaft und -praxis großen Vor8
RGZ 128,18, 33.
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I. A. Die Grundtendenz der Verfassungsentscheidung
behalten. Auch das Bundesverfassungsgericht bekennt sich ja i n seiner Rechtsprechung durchweg zur Dominanz der sog. objektiven Auslegungsmethode 9 . Der Vorbehalt gegenüber der subj. Auslegung hat einen berechtigten Kern, schießt aber häufig über das Ziel hinaus. Eine differenzierte Beurteilung ist nötig, die mehrere Aspekte des Beratungsprozesses klar trennt. Selbstverständlich hat die Einstellung nur einzelner Mitglieder des parlamentarischen Gremiums keinen Aussagewert für die Ermittlung des Gehalts einer Norm 1 0 . Aber auch wenn Meinungsäußerungen der Mehrheit des Gremiums festgestellt werden können, muß nochmals differenziert werden. I m m e r wenn man daran geht, den Beratungsprozeß einer i n ihrem Gehalt nicht eindeutigen, gleichwohl praktisch sehr bedeutsamen Verfassungsnorm zu bestimmen, sollte m a n sich vergegenwärtigen, daß k l a r unterschieden w e r den muß zwischen der Motivanalyse einerseits u n d der eigentlichen Gehaltsanalyse einer N o r m andererseits. Die Heranziehung von M o t i v e n ist i m m e r problematisch, denn aus M o t i v e n k a n n n u r bedingt auf eine bestimmte Rechtsfolge geschlossen werden: einerseits w i r d m a n sich z. B. bei Kompromißregelungen aus ganz unterschiedlichen, j a vielleicht widersprechenden M o t i v e n heraus zur gleichen Rechtsfolge entschließen; andererseits können mehrere Personen trotz des gleichen Motivs durchaus verschiedene rechtliche Regelungen durchzusetzen versuchen (z. B. w e i l sie unterschiedlicher Auffassung über den besten Weg der Zielverwirklichung sind).
Von stärkerer Aussagekraft als die bloße Motivanalyse (dazu unten § 5 I.) ist daher die normative Gehaltsanalyse selbst. Hier w i r d nicht gefragt, welche Ziele die einzelnen Gruppen i n den Beratungen verfolgten, sondern welche rechtlichen Regelungsgehalte bunden wurden.
mit der Norm ver-
Die neuartige Fassung des jetzigen A r t . 14 I I I S. 3 GG wurde keineswegs, wie dies gelegentlich durchaus i n der Literatur anklingt, als eine Fortführung des Gebotes der „angemessenen" Entschädigung oder, was weitgehend dasselbe ist, des Gebots der Entschädigung des „gemeinen" Wertes angesehen, sondern ganz bewußt als neuartige verfassungsrechtliche Regelung i n das System des Enteignungsrechts eingeführt. Neuartig hieran war, daß die Verfassung den Gesetzgeber gerade nicht binden sollte, stets die „angemessene" Entschädigung zahlen zu müssen. Hierfür gibt es eine Fülle von Belegen. Schon bei der Einführung des neuen Abwägungskriteriums wurde ausdrücklich hervorgehoben, daß man die von der Rechtsprechung des Reichsgerichts 9
Vgl. BVerfGE 1, 299, 312; 8, 274, 307; 10, 234, 244; 18, 38, 45. Nach BVerfGE 27, 71, 84 (Bezug von DDR-Zeitungen) soll hingegen die Entstehungsgeschichte bei der Verfassungsauslegung jedenfalls dann besonders bedeutsam sein, w e n n eine grundrechtliche Vorschrift des Grundgesetzes neuartig ist; überträgt m a n dies Prinzip auf A r t . 14 GG, dann k o m m t der Entstehungsgeschichte auch für das Interessenabwägungsgebot bei Enteignungsentschädigungen besondere Bedeutung zu. 10 Vgl. BVerfGE 10, 234, 244; 11,126,131.
§ 4 Das Abwägungsgebot als M i t t e l w e g der Entschädigungsbindung
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entwickelte Gleichsetzung von „angemessener" Entschädigung m i t der M a r k t wertentschädigung nicht fortführen w o l l t e 1 1 .
Stärker noch als dieser Nachweis, daß die Einführung der Interessenabwägung den Gesetzgeber von der starren Bindung an die Verkehrswertentschädigung befreien sollte, ist die weitere Behandlung dieser Neuregelung i m Beratungsverlauf geeignet, die Grundfunktion der Interessenabwägung zu verdeutlichen. Wie i n neuerer Zeit insbesondere von J. Schulthes ausführlich dargelegt 12 , ist i m Verlauf der Beratungen i n insgesamt sechs verschiedenen Anträgen bis hin zur entscheidenden Schlußabstimmung i m Plenum versucht worden, statt des Parameters der Interessenabwägung den alten Parameter der „angemessenen" Entschädigung verfassungsrechtlich vorzuschreiben. Alle diese Anträge wurden abgelehnt. Daraus ist m i t einer Eindeutigkeit, die selten i m Grundrechtsteil sonst belegbar ist, feststellbar, daß die Bindung an die „angemessene Entschädigung" nicht Art. 14 GG zugrunde liegt. „Es ist leicht und m i t Sicherheit zu sagen, was der Verfassunggeber m i t Art. 14 Abs. I I I GG nicht wollte: er wollte keine starre Bindung der Entschädigung an den objektiven Wert 1 3 ." Diese Eindeutigkeit der Ablehnung des starren Gebots der Verkehrswertentschädigung m i t der Tendenz des erweiterten Entschädigungsspielraumes des Gesetzgebers läßt sich zusätzlich noch belegen durch einen ganz eigenartigen Antrag, dessen Existenz völlig unvereinbar ist m i t der geläufigen Auffassung, daß die Interessenabwägung i n ihrem Gehalt m i t der angemessenen Entschädigung zumindest inhaltlich praktisch identisch sei. Als die unterlegende Minderheit gegen Ende der Beratungen sah, daß sie die „angemessene" Entschädigung jedenfalls nicht als generellen Entschädigungsparameter aufrechterhalten konnte, versuchte sie, die angemessene Entschädigung zumindest partiell zu retten. Daher wurde noch für die Schlußabstimmung des Plenums des Pari. Rates der Antrag gestellt, daß die Enteignung „ n u r gegen angemessene Entschädigung erfolgen (dürfe), soweit nicht das Gesetz i n 11 s. die erste Lesung des A r t . 14 (damals A r t . 17) i m Grundsatzausschuß i n der Sitzung v o m 7.10.1948, Kurzprotokoll, S. 64 ff. 12 Schulthes, Die Höhe der Enteignungsentschädigung, S. 69; vgl. auch die Darstellung bei Kimminich, Bonner Komm., Zweitbearbeitung, A r t . 14 GG, v o r den Erläuterungen. Neuerdings w i r d von Freundling, Z u m Maß der E n t eignungsentschädigung, BayVBl. 1972, S. 12 gegen die Position des Bundesverfassungsgerichts i m hamburg. Deichurteil geltend gemacht, die Entstehungsgeschichte zeige, daß der Grundgesetzgeber m i t der Neufassung die Gefahr vermeiden wollte, einen A r t . 153 Abs. 2 Satz 2 W R V entsprechenden Gesetzesvorbehalt einzuführen. Das Argument ist angesichts der Quellenlage unhaltbar. Gewiß läßt, w i e anschließend zu zeigen sein wird, das Grundgesetz einen totalen Entschädigungsspielraum nicht zu; aber die entschiedene Ablehnung v o n Gegenanträgen bei den Beratungen bezog sich i n erster L i n i e auf den Versuch, die strikte Verkehrswertbindung einzuführen. 13 Schulthes, S. 69.
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I. A. Die Grundtendenz der Verfassungsentscheidung
Fällen dringenden öffentlichen Bedürfnisses bestimmt, daß die Entschädigung unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu erfolgen hat" 1 4 . Es ist offensichtlich, daß hiernach auch die unterlegene Minderheit davon ausging, daß die Interessenabwägung keineswegs den Gehalt einer Bindung an die „angemessene" Entschädigung besaß, sondern gegebenenfalls eine deutliche Reduzierung der Entschädigung zuließ. Sonst wäre es ja sinnlos gewesen, die gewählte Mischform vorzuschlagen, weil trotz tatbestandlicher Differenzierung zwischen dem Normalfall und den „Fällen dringenden öffentlichen Bedürfnisses" beidesmal die gleiche Rechtsfolge angeordnet worden wäre. Was ist damit nachgewiesen? Es ist aufgezeigt, daß objektive Auslegung der zentralen Verfassungsnorm und Beratungsprozeß sich jedenfalls insoweit decken, als die hartnäckig heute noch vertretene Auffassung von der Fortführung der „angemessenen" d. h. generell gebotenen Verkehrswertentschädigung aus Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG nicht herleitbar ist. Dieses Entschädigungsgebot gilt allenfalls, weil man es so w i l l , nicht weil die Verfassung es anordnet. Doch damit ist die Analyse des Beratungsverlaufs i m Parlamentarischen Rat 1948/49 noch nicht erschöpft. Wie steht es denn m i t der anderen, oben i n I genannten Extremalternative des totalen Entschädigungsspielraumes des Gesetzgebers? Denkbar ist, daß jedenfalls die Mehrheit des Pari. Rates damals bereit war, dem Gesetzgeber hier freie Hand einzuräumen. Doch auch dies war nachweislich keineswegs der Fall. Es läßt sich vielmehr zeigen, daß die Entscheidung für den Mittelweg ein Kompromiß war. Er kam zustande, indem die zwei genannten anderen Alternativen, nämlich einmal die Bindung an die klassische Verkehrwertentschädigung, zum anderen die Einräumung der totalen Entschädigungsfreiheit durchaus Sprecher i m Pari. Rat fanden, sich zum Teil zunächst auch durchsetzten, dann aber zugunsten des Mittelweges abgelehnt wurden. Da diese Entwicklung des BeratungsVerlaufs i m Pari. Rat zum Mittelweg bisher i n der Literatur kaum dargestellt wurde, zugleich aber sehr deutlich belegt, daß der Gesetzgeber i n der Entschädigungsfrage keineswegs tun können sollte, was er w i l l , seien die wichtigsten Etappen des Durchringens zur letztlich verbindlichen Entscheidung etwas ausführlicher dargestellt. Weil die Beratungen i m Pari. Rat i n ständigem Bezug zu der Entschädigungsregelung i n der Weimarer Zeit standen, sei hierbei der Beratungsverlauf auf dem Hintergrund der Regelung i n der Weimarer Reichsverfassung dargestellt. 14
A n t r a g v. 2. 5.1949, Drs. 770; s. dazu auch JöR Bd. 1, S. 153.
§ 4 Das Abwägungsgebot als M i t t e l w e g der Entschädigungsbindung
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Der neue Parameter der Interessenabwägung setzte sich i n doppelter Weise von seinem Vorgänger, der Entschädigungsregelung i n Art. 153 WRV ab. Die erste Veränderung bestand darin, daß der i n Art. 153 Abs. 2 Satz 2 WRV enthaltene Gesetzesvorbehalt der „Soweit"-Klausel i n das Grundgesetz nicht aufgenommen wurde. Das bedeutete, daß die (rechtsstaatlich systemwidrige) Regelung des A r t . 153 WRV, wonach eine Entschädigung nicht gezahlt werden mußte, sofern nur der Gesetzgeber dies ausdrücklich beschloß, bewußt nicht mitübernommen wurde. Die zweite Veränderung bestand darin, daß statt des Angemessenheitskriteriums jetzt das K r i t e r i u m der Gerechtigkeit der Entschädigung nach der Interessenabwägung ausschlaggebend sein sollte. Diese beiden Absetzungen waren bereits i n der ersten grundsätzlichen Beratung über die neue Entschädigungsregelung des Grundgesetzes enthalten 1 4 3 . Das hatte Konsequenzen für den weiteren Beratungsverlauf. Es liegt auf der Hand, daß i n den weiteren Beratungen i m Pari. Rat die Neuregelung des Abwägungsgebotes des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG — je nach politischem Standort — entweder deshalb i n ihrer Absetzung von Weimar bekämpft werden würde, weil sie wegen Streichung des Gesetzesvorbehaltes dem Gesetzgeber nicht vollen Spielraum ließ oder umgekehrt deshalb, weil sie dem Gesetzgeber gestattete, dann von der Marktwertentschädigung abzugehen, wenn dies nach der Gesamtabwägung gerechtfertigt war. Die Analyse des Beratungsfortganges nach der Einführung der neuen Entschädigungsregelung des A r t . 14 I I I S. 3 GG zeigt nun, daß beide eben theoretisch analysierten Alternativen zur schließlich geltenden Regelung i n den weiteren Beratungen zur Diskussion standen und beide ganz eindeutig abgelehnt wurden. a) Kampf um völlige Ungebundenheit des Gesetzgebers: Das neue K r i t e r i u m der Bestimmung der Entschädigungshöhe bei Enteignungen nach der Interessenabwägung hatte sich zunächst gegen Versuche zu wehren, den i n A r t . 153 WRV enthaltenen Gesetzesvorbehalt der „Soweit"-Regel wieder aufzunehmen. Hierzu wurde zunächst i m Grundsatzausschuß und i m Allgemeinen Redaktionsausschuß m i t Mehrheit zusätzlich zum Parameter der Gesamtabwägung der allgemeine Gesetzesvorbehalt der „Soweit"-Regel eingeführt 1 5 . Wäre diese Regel Verfassungsrecht geworden, dann hätte dies zur Folge gehabt, daß der Gesetzgeber auch dann eine gegenüber dem Marktwert reduzierte Entschädigung hätte festsetzen dürfen, wenn dies bei den konkreten Umständen nach der Interessenabwägung nicht zu rechtfertigen gewesen wäre. 14a
s. Fußn. 11. Sitzung d. Grundsatzausschusses v. 7. 10. 1948 u n d des Rechtsausschusses V. 16.11.1948, vgl. dazu auch JöR Bd. 1, S. 150. 15
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I. A. Die Grundtendenz der Verfassungsentscheidung
Die Hinzufügung des Gesetzesvorbehaltes zum Abwägungsgebot wurde aber nicht aufrechterhalten. Vielmehr entschied sich bereits der Grundsatzausschuß i n der Sitzung v o m 1. 12. 1948 dafür, den — politisch hochbedeutsamen — Gesetzesvorbehalt wieder zu streichen. Damit w a r diese erste grundsätzliche Alternative zum jetzt geltenden Verfassungsrecht, nämlich dem Gesetzgeber einen über die Schranke der Interessenabwägung hinausgehenden Spielraum einzuräumen, ausgeschieden; i n den weiteren Beratungen zur Enteignungsentschädigung tauchten, soweit ersichtlich, keine Anträge zur Einführung des allgemeinen Gesetzesvorbehaltes mehr auf.
b) Der vergebliche Kampf u m die Angemessenheitsregelung: Nach Ablehnung des allgemeinen Gesetzesvorbehaltes blieb nur noch übrig, daß politische Gruppierungen den neuen Entschädigungsrahmen auch für diejenigen Fälle ausschalten wollten, i n denen eine Entschädigung unter dem Marktwert nach der Interessenabwägung gerechtfertigt ist. Das wäre dadurch möglich gewesen, daß als geltendes Verfassungsrecht die Angemessenheitsregelung des A r t . 153 WRV ohne dessen Gesetzesvorbehalt eingeführt worden wäre. I n der Tat war (wie sich bereits aus der Darstellung i n JöR I S. 132 - 134 ergibt) die gesamte weitere Beratung zur Höhe der Enteignungsentschädigung von diesen Versuchen gekennzeichnet. Das führte, wie bereits erwähnt, zur Ablehnung von insgesamt sechs verschiedenen Anträgen auf Einführung der „angemessenen" Entschädigung. Die detaillierte Analyse des Beratungsprozesses i m Parlamentarischen Rat hat gezeigt, daß die Entschädigungsregelung des Grundgesetzes nicht nur von seiner objektiven Fassung aus gesehen einen Mittelweg darstellt, sondern auch nach den Vorstellungen i m Pari. Rat als eine derartige Mittellösung gedacht war. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob man wegen der besonderen strukturellen Eigenschaften verfassungsrechtlicher Regelungen i n der Verfassungsinterpretation der subjektiven Interpretation besondere Bedeutung zumißt 1 6 , oder ob man sich primär an der objektiven Grundgesetzfassung orientiert. Auch nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts kommt der Entstehungsgeschichte ja insofern Bedeutung zu, als diese die Richtigkeit einer nach objektiven Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die die Formulierung verursacht 17 . Eine derartige Bestätigung liegt hier i n eindrucksvoller Form vor. 16 Eine Betonung der Bedeutung der subj. Interpretation aus gerade diesem Grund bei E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, S. 16 ff. 17 BVerfGE 1, 117, 127; 8, 274, 307; 10, 234, 244; 11, 126, 130 f.; weitergehend, w i e oben i n Fußn. 9 dargelegt, f ü r neuartige Grundrechtsregelungen jetzt BVerfGE 27, 71, 84. I m hamburg. Deichurteil, E 24, 367, 420 f. stellte das BVerfG ausschließlich auf die sog. objektiven Interpretationselemente ab; ergänzend
§ 5 Ergänzende Interpretationsanalyse
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A u s dieser m e h r f a c h e n Ü b e r e i n s t i m m u n g der A u s l e g u n g s e l e m e n t e d ü r f t e auch, v o n d e m anschließend zu b e h a n d e l n d e n A r g u m e n t aus A r t . 14 A b s . 3 Satz 2 G G ( J u n k t i m k l a u s e l ) ganz abgesehen, eines k l a r nachgewiesen sein: die f r ü h e r g e l e g e n t l i c h v e r t r e t e n e A u f f a s s u n g z u r R e t t u n g der g e n e r e l l e n V e r k e h r s w e r t b i n d u n g , die I n t e r e s s e n a b w ä g u n g sei p r i m ä r a u f die Art, n i c h t a u f die H ö h e d e r E n t e i g n u n g s e n t s c h ä d i g u n g bezogen 1 8 , v e r f e h l t d e n G e h a l t der N e u r e g e l u n g des A r t . 14 A b s . 3 Satz 3 Grundgesetz19.
§ 5 Ergänzende Interpretationsanalyse I . Die Motivation der neuen Entschädigungsregelung V o n d e r Frage, wofür ( u n d w o f ü r nicht) sich e i n Gesetz oder eine V e r f a s s u n g entschieden h a t , m u ß , w i e dargelegt, die F r a g e u n t e r s c h i e d e n w e r d e n , warum m a n diese u n d n i c h t jene E n t s c h e i d u n g g e t r o f f e n hat. Der Rückgriff auf die M o t i v a t i o n einer gesetzlichen oder verfassungsrechtlichen Regelung ist immer dann i n der Auslegung problematisch, wenn nachweisbar ist, daß verschiedene M o t i v e der gewählten Regelung zugrunde lagen. Umgekehrt w i r d m a n aber sagen können, daß einer Verfassungsinterpretation dann besondere Uberzeugungskraft zukommen w i r d , w e n n es gelingt, eine Konkretisierung der Verfassungsnorm zu finden, die allen einschlägigen M o t i vationen gleichermaßen gerecht w i r d . A n a l y s i e r t m a n u n t e r diesen V o r a u s s e t z u n g e n die d e r N e u f a s s u n g des E n t s c h ä d i g u n g s p a r a m e t e r s z u g r u n d e l i e g e n d e n M o t i v e , so i s t z u m e i n e n festzuhalten, daß b e i der Einführung des A b w ä g u n g s k r i t e r i u m s d e r G e d a n k e beherrschend w a r , insbesondere f ü r das Bodenrecht d ü r f e n i c h t d u r c h eine s t r i k t e B i n d u n g a n die V e r k e h r s w e r t e n t s c h ä d i g u n g d e r W e g f ü r neue städtebauliche R e g e l u n g e n d u r c h z u hohe E n t s c h ä d i gungslasten v e r s p e r r t w e r d e n 1 . hätte hier durchaus — auch v o m Interpretationsvorverständnis des Gerichts aus — noch die Fülle der Belege aus dem Beratungsprozeß herangezogen w e r den können. 18 So z. B. W. Weber, Eigentum u n d Enteignung, i n : Neumann/Nipperdey/ Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 2, S. 388. 19 So auch Schulthes, Die Höhe der Enteignungsentschädigung, S. 78 u n d jetzt dezidiert Bielenberg, Ist die Bemessung der Enteignungsentschädigung nach dem Verkehrswert i m Bundesbaugesetz verfassungswidrig?, DVB1. 1974, S.115. 1 Das k a m deutlich i n den Ausführungen des Abg. Schmid i n der ersten L e sung i m Grundsatzausschuß zum Ausdruck; s. Kurzprotokoll, S. 64 ff. u n d hierzu JöR I, S. 149 f. sowie Schulthes (§ 1 Fußn. 4), S. 68. Wenn zugleich auch auf die Entschädigungsreduzierung zum Zweck „struktureller Änderungen der Wirtschaftsverfassung" hingewiesen wurde (so ebenfalls der Abg. Schmid i n der Sitzung des GA), so bezog sich dies erkennbar p r i m ä r auf die Entschädigungsregelung des A r t . 15 GG.
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I. A. Die Grundtendenz der Verfassungsentscheidung
Neben dieser sachlich-gegenständlich orientierten Motivation wurde von einem anderen, wohl geringeren Teil der Mitglieder des Pari. Rates eine abstraktere Motivation bei der Absetzung der neuen Entschädigungsregelung vom Verkehrswertprinzip genannt. Es handelte sich darum, daß die Änderung der Entschädigungsregelung als Mittel einer A r t sozialer Verwirkung eingesetzt werden könne 2 . Gerade diese Deutung wurde zum Anlaß genommen, um nachzuweisen, daß auf die Beratungen des Pari. Rates nicht zurückgegriffen werden dürfe, denn diese seien i n sich nicht auf einen Nenner zu bringen 3 . Die genauere Analyse zeigt jedoch, daß zwischen der Intention, bewußt einen Mittelweg einzuschlagen, um insbesondere i m Bereich der Bodenordnung die Entschädigungslasten für die Allgemeinheit zu reduzieren und dem, was m i t der „sozialen Verwirkung" gemeint war, sachlich überhaupt kein Gegensatz vorlag. Wie von Mangoldt später auf der Tagung der Deutschen Staatsrechtslehrervereinigung i m Jahre 1951 ausgeführt hat, ging es auch bei dieser Auffassung der Mindermeinung von der Einführung einer „sozialen Verwirkung" i m K e r n nicht um das Begriffspaar „nominelle" - „volle" Entschädigung, sondern darum, i n den Fällen, i n denen „der Erwerber selbst nur einen sehr geringen Vermögenseinsatz gemacht hat, bei denen er also bei einer späteren Enteignung, schon aus der sozialen Gestaltung des Grundgesetzes heraus, m i t dem Verkehrswert überentschädigt wäre, eine differenzierte Entschädigungslösung zuzulassen" 4 . Das sachliche Anliegen auch dieser Meinung bestand demgemäß also darin, daß der Verkehrswert dann nicht als verbindlich angesehen werden sollte, wenn er die Eigenleistung des Betroffenen wesentlich übersteigt. Da, wie unten i m einzelnen gezeigt werden wird, das Übersteigen der Eigenleistung durch den Verkehrswert gerade i m Bodenrecht vorliegt, ergibt sich die Konsequenz, daß die beiden scheinbar divergierenden Motivationen i m praktischen Ergebnis wohl weitgehend nur unterschiedliche Formulierungen desselben A n liegens darstellten. Π . Argumente für oder gegen die starre Bindung an den Verkehrswert außerhalb der Abwägungsregelung selbst
Die Interpretation des Gehaltes der Entschädigungsregelung des A r t . 14 I I I S. 3 GG muß sich nicht darauf beschränken, allein diese Regelung zu betrachten. Häufig gewinnt man ja gerade durch die Erweiterung 2
Die Auffassung wurde i n den Beratungen insb. von dem Sprecher der CDU, v. Mangoldt , geäußert; s. JöR I, S. 151. 3 So insb. W. Weber , Eigentum u n d Enteignung, Die Grundrechte I I , S. 389. 4 Vgl. W D S t R L , H. 10, S. 152. Hierauf verweist neuerdings zutreffend auch Sendler , Die Konkretisierung einer modernen Eigentumsverfassung durch Richterspruch, DÖV 1971, S. 26, A n m . 106.
§ 5 Ergänzende Interpretationsanalyse
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des Blickfeldes über die spezielle Norm hinaus, insbesondere durch eine Analyse der systematischen Verortung der Regelung i m gesamten Grundgesetz weitere Aufschlüsse, die zu einer Bestätigung oder Abschwächung des bisher gewonnenen Ergebnisses führen. Versucht man i n dieser Weise zur Bestimmung des Umfangs des gesetzlichen Entschädigungsspielraumes bei Enteignungen zusätzliche Argumentationselemente zu gewinnen, so kann auf zwei weitere Argumente über die Regelung des Abwägungsgebotes selbst hinaus verwiesen werden. Das Argument aus der sogenannten „ Junktim-Klausel" Die sowohl i m System des Grundgesetzes wie auch sachlich zu Art. 14 I I I S. 3 GG i n größter Nähe stehende Regelung ist die sogenannte Junktim-Klausel des A r t . 14 I I I S. 2 GG. Für die Frage nach dem von der Verfassung eingeräumten Entschädigungsspielraum ergibt sich bei einer Analyse der Junktim-Klausel folgendes: Da w i r festgestellt haben, daß es grundsätzlich drei Lösungsmöglichkeiten gab, nämlich dem Gesetzgeber entweder totale Entschädigungsfreiheit zu lassen oder i h n strikt an den Verkehrswert zu binden oder ihn einer zwischen beiden Extremen liegenden differenzierenden Bindung zu unterwerfen, ist zu fragen, für welche dieser drei Regelungsalternativen sich aus der Junktim-Klausel Feststellungen gewinnen lassen. Dann ergibt sich zwar, daß aus der Junktim-Klausel keine Auskunft gewonnen werden kann, ob die erste der drei Lösungsalternativen (totaler Spielraum des Gesetzgebers) ausgeschlossen werden sollte oder nicht. Wohl aber ergibt sich, daß jedenfalls die Auffassung von der strikten Bindung des Gesetzgebers an den Verkehrswert durch die Junktim-Regelung nicht abgestützt wird, sondern i m Gegenteil zusätzlich als aus dem Grundgesetz heraus nicht legitimiert anzusehen ist. Denn es liegt auf der Hand, daß eine Regelung des Ausmaßes der Entschädigung durch das Gesetz nur dann sinnvoll ist und daher dem Gesetzgeber als Aufgabe aufgegeben ist, wenn das Entschädigungsmaß als solches eben nicht festliegt, wie dies bei der Bindung an den Verkehrswert ja der Fall ist, sondern der Gesetzgeber einen Differenzierungsspielraum i n der Entschädigungshöhe besitzt. Andererseits läßt die Regelung der Junktim-Klausel völlig offen, nach welchen Kriterien der Gesetzgeber die Entschädigung i n den einzelnen Sachbereichen festlegen soll. Diese Kriterien finden sich erst i n dem auf die Regelung der Junktim-Klausel folgenden Abwägungsgebot des A r t . 14 I I I 3. Geht man davon aus, daß der Regelungsgehalt einer Verfassung nicht nur isoliert durch Analyse einzelner Verfassungsbestimmungen, sondern zugleich unter Berücksichtigung des systematischen Zusammenhanges mehrerer Verfassungsbestimmungen zu gewinnen ist, so w i r d also das
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I. A. Die Grundtendenz der Verfassungsentscheidung
bereits i n § 4 gewonnene Ergebnis zusätzlich bekräftigt, daß das Grundgesetz keine strikte Bindung an die Verkehrswertentschädigung enthält. Denn es wäre i n sich widersprüchlich, wenn das Grundgesetz einerseits i n der Junktim-Regelung von einem Spielraum des Gesetzgebers ausgeht, andererseits i n dem Abwägungsgebot aber der Spielraum wieder praktisch auf N u l l reduziert wird, indem dort die Entschädigung nach dem Verkehrswert verbindlich vorgeschrieben wird. Gerade der Rückgriff auf die Junktim-Klausel ist vom Bundesverfassungsgericht zur Bekräftigung der Auffassung von der Abkehr des Grundgesetzes vom Verkehrswertprinzip ja auch schon früh herangezogen worden 5 . Argument aus der analogen Regelung in Art. 15 GG Wenn man über die spezielle Regelung des Abwägungsgebotes i n A r t . 14 GG hinausgeht, so ist neben dem Rückgriff auf die JunktimKlausel eine weitere Verfassungsnorm zu bedenken; dies ist die zweite unmittelbar die Eigentumsordnung betreffende Regelung des Grundrechtsteiles des Grundgesetzes, nämlich die Regelung der Sozialisierungsermächtigung i n A r t . 15 GG. Zwar kann die Frage, nach welchen Kriterien i m einzelnen die i n A r t . 15 Satz 2 GG angeordnete Entschädigungspflicht zu bestimmen ist, hier nicht erörtert und beantwortet werden, da die vorliegende Untersuchung sich ausschließlich auf Fragen der Entschädigungspflicht bei enteignenden Maßnahmen i m Sinne des Art 14 GG bezieht. Wohl aber läßt sich die Regelung i n A r t . 15 S. 2 GG unter anderer Hinsicht für unsere Fragestellung fruchtbar machen. I n der Rechtswissenschaft ist m a n sich gegenwärtig einig, daß die Regelung des A r t . 15 S. 2 GG durch den Verweis auf die Entschädigungsregelung i n A r t . 14 Abs. 3 die Rechtsfolge anordnet, daß i n gleicher Weise w i e nach dem Abwägungsgebot des A r t . 14 I I I S. 3 GG auch bei sozialisierenden Maßnahmen eine Entschädigung zu leisten ist. Da die herrschende Meinung bisher — von der Entwicklung seit den) U r t e i l des Bundesverfassungsgerichts v o m 18. 12. 1968 einmal abgesehen — auf dem Standpunkt stand, daß die Regelung i n A r t . 14 I I I GG i m Grundsatz eine Fortführung der Verpflichtung zur V e r kehrswertentschädigung enthält, führte dies dahin, daß auch f ü r Sozialisierungsmaßnahmen die w o h l herrschende Meinung die Auffassung vertrat, daß grundsätzlich bei jeder sozialisierenden Maßnahme der volle Verkehrswert zu entschädigen sei®. 5
BVerfGE 4, 219, 235. Die Feststellung gilt m i t dem Vorbehalt, daß bei Äußerungen zu A r t . 15 GG n u r bedingt von einer herrschenden Meinung gesprochen werden kann. Die Behandlung der Entschädigungsfrage f ü r Sozialisierungen stellt i n den K o m mentierungen zum Grundgesetz offenbar einen wunden P u n k t dar. Das zeigt sich darin, daß ζ. Τ. auch i n neueren großen Kommentierungen zu dieser p r a k tisch sehr bedeutsamen Frage keine nähere Stellung genommen w i r d (so bei Maunz , i n : Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, A r t . 15 GG, Rdnr. 26). A u c h 6
§ 5 Ergänzende Interpretationsanalyse
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Richtig ist an dieser Auffassung, daß es unzulässig wäre, aus dem besonderen gesellschaftspolitischen Charakter der Sozialisierungsmaßnahmen heraus für Maßnahmen der Sozialisierung ein Entschädigungsprivileg des Gesetzgebers i n der Weise zu entwickeln, daß der Entschädigungsmaßstab i n A r t . 14 Abs. 3 auf A r t . 15 deshalb nicht anzuwenden wäre, w e i l er den politischen Zielen einer Sozialisierung der Wirtschaft Hindernisse bereiten würde. Eine solche Privilegierung sozialisierender Maßnahmen durch A n nahme einer geringeren EntschädigungsVerpflichtung i n A r t . 15 GG setzte voraus, daß die Verfassung i n irgendeiner Weise i n der Entschädigungsregelung des A r t . 15 GG zum Ausdruck gebracht hätte, daß sozialisierende Maßnahmen i n der Entschädigungsbelastung besser von der Verfassung behandelt würden als dies bei allgemein enteignenden Maßnahmen i n A r t . 14 Abs. 3 GG der Fall ist. Eine solche Differenzierung geht aus den verfassungsrechtlichen Bestimmungen der A r t . 14 und 15 GG nicht hervor; vielmehr läßt die Verweisungsregelung des Art. 15 S. 2 GG gerade erkennen, daß die besondere politische Zielsetzung sozialisierender Eingriffe als solche bei der Bestimmung des Entschädigungsmaßstabes keine Rolle spielen sollte. Hätte die Verfassung etwas anderes gewollt, so hätte dies durch eine veränderte Fassung dadurch zum Ausdruck gebracht werden müssen, daß i n A r t . 15 GG eine inhaltlich andersartige Entschädigungsregelung gegenüber der Regelung des A r t . 14 I I I GG festgelegt worden wäre. Die Richtigkeit der von der bisher 7 herrschenden Meinung zur Entschädigungsregelung der A r t . 14 und 15 GG geäußerten Auffassung andere Kommentierungen verweisen n u r lapidar auf die zu A r t . 14 GG gemachten Ausführungen, so z.B. Hamann/Lenz, 3. Aufl., A r t . 15, A n m . Β 6; Schmidt-Bleibtreu/Klein, 2. Aufl., A r t . 15 Rdnr. 8; Brinkmann, A r t . 15, A n m . I 3; Kimminich, B K , Zweitbearbeitung, A r t . 15, Rdnr. 41. Ausdrücklich auf die „angemessene" Entschädigung w i r d abgestellt i n v. Mangoldt-Klein, das B o n ner GG, 2. Aufl., A r t . 15, A n m . I X 3. Dort auch Nachweise über die differenzierte ältere Literatur. Eine a. A . vertraten früher insb. W. Apelt, Betrachtungen zum Bonner Grundgesetz, N J W 1949, S. 481 ff.; W. Weber, Z u r Problematik v o n Enteignung u n d Sozialisierung nach neuerem Verfassungsrecht, N J W 1950, S. 401 ff.; Ipsen, Enteignung und Sozialisierung, V V D S t R L 10 (1952), S. 113 ff. 7 Da das BVerfG i n BVerfGE 24, 367 ff. die Auffassung v e r t r i t t , daß k e i neswegs A r t . 14 I I I S. 3 GG schlechthin Ersatz des „vollen Äquivalentes" gebietet, sondern dem Gesetzgeber einen Spielraum einräumt, k a n n folgerichtig w o h l auch das BVerfG, da A r t . 15 GG j a auf A r t . 14 I I I S. 3 GG verweist, k a u m eine differenzierte Entschädigungsbestimmung auch f ü r A r t . 15 GG ausschließen. Das entspräche durchaus auch der sonst v o m BVerfG vertretenen A u f fassung, daß das Grundgesetz — jedenfalls innerhalb eines gewissen rechtsstaatlichen Rahmens — i n der Entscheidung f ü r eine Wirtschaftsordnung neut r a l ist (vgl. BVerfGE 4, 7 (17 f.); 7, 377 (400); 12, 341 (347)). Die Auffassung des einzelnen Verfassungsinterpreten, wirtschaftspolitisch eine Sozialisierung f ü r v ö l l i g verfehlt zu halten, bleibt davon unberührt, muß aber aus der Verfassungsinterpretation u n d -konkretisierung herausgehalten werden.
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I. A. Die Grundtendenz der Verfassungsentscheidung
findet aber zugleich bei diesem Ergebnis ihre Grenze. Denn gerade aus dem Befund, daß beide Verfassungsbestimmungen, wenn auch unterschiedliche Sachbereiche betreffend, so doch die gleichartige Entschädigungsregelung enthalten, läßt sich umgekehrt für das Ausmaß der i n A r t . 14 I I I GG angeordneten EntschädigungsVerpflichtung wohl ein weiteres Indiz dafür finden, daß die von der bisher herrschenden Meinung angenommene Theorie von der starren Bindung an die Verkehrswertentschädigung schwerlich m i t den Hegelungen des Grundgesetzes vereinbar ist: Bekanntlich war die Frage, ob i m Grundgesetz neben der i m (späteren) A r t . 14 enthaltenen Eigentumsgarantie und Enteignungsregelung zusätzlich eine Sozialisierungskompetenz verankert werden sollte, kaum umstritten. Vielmehr ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen8, die Frage, ob i m Grundgesetz eine Sozialisierungskompetenz enthalten sein sollte, i n überraschend großem Umfang bejaht worden 9 . Unterschiedliche Auffassungen bestanden darüber, welche sachlichen Voraussetzungen für die Sozialisierungsmaßnahmen verfassungsrechtlich vorgeschrieben sein sollten, welchen Umfang die Sozialisierungskompetenz besitzen und ob nur dem Bund oder auch den Ländern ein Recht zur Sozialisierung zustehen sollte 10 . Geht man davon aus, daß die persönliche Einstellung des jeweiligen Grundrechtsinterpreten zur Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit von Sozialisierungsmaßnahmen für die Frage nach dem geltenden Verfassungsrecht nicht maßgeblich sein kann und legt zugrunde, daß jedenfalls die damalige Mehrheit der verfassunggebenden Versammlung sich für die Zulässigkeit der Sozialisierung entschieden hat, so läßt sich mit diesem nun einmal zu akzeptierenden Befund kaum vereinbaren, daß die vom Grundgesetz zunächst klar und deutlich eingeräumte Sozialisierungsbefugnis i m Ergebnis weder dadurch zunichte gemacht werden solle, daß die Verfassung hinterrücks durch die Verpflichtung zur Verkehrswertentschädigung bei Sozialisierungen die Ausübung der Sozialisierungsermächtigung weitgehend unmöglich macht. Legt man bis zum Beweis des Gegenteils die Vermutung zugrunde, daß eine Verfassung unterschiedliche, aber aufeinander bezogene Rechtsnormen i n sinnvoller Weise 8 So v o n der DP, vgl. den A n t r a g der D P v. 5. 5. 1949 auf Streichung der Sozialisierungsbestimmung, JöR I, S. 158. 9 So hatte auch die F D P sowohl am Anfang w i e auch am Ende der pari. Beratungen die Zulässigkeit von Sozialisierungsmaßnahmen i m Grundgesetz akzeptiert; vgl. dazu die gemeinsame Variante der Abg. v. Brentano und Dehler i m Allg. Redaktionsausschuß ν. 16. 11. 1948 einerseits (JöR I, S. 155) u n d den A n t r a g des Abg. Dehler i n der Sitzung des Hauptausschusses v. 5. 5.1949 (JöR I, S. 158) andererseits. 10 E i n ausschließliches Sozialisierungsrecht des Bundes wurde (vergeblich) v o n der FDP beantragt; s. JöR I, S. 158.
§ 6 Regelungstheoretische Konsequenzen des Mittelweges
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einander zugeordnet hat, so muß eher angenommen werden, daß die Verweisungsregelung des A r t . 15 Satz 2 GG nicht die Funktion besitzen sollte, die Sozialisierungsermächtigung praktisch zu blockieren, sondern daß durch Einführung des Abwägungsmaßstabes eine von der Pflicht zur Verkehrswertorientierung losgelöste Regelung getroffen worden w a r 1 1 . I n der Tat läßt sich aus den Beratungen i m Pari. Rat zu Art. 15 GG nachweisen, daß der Versuch, für Sozialisierungsmaßnahmen das Gebot einer „angemessenen", d. h. Verkehrswertentschädigung vorzuschreiben, ebenfalls wie bei A r t . 14 GG abgelehnt wurde 1 2 . Fassen w i r das Ergebnis der ergänzenden, auf sonstige Verfassungsnormen außerhalb des Abwägungsgebotes selbst zurückgreifenden Auslegung zusammen, so läßt sich festhalten: Die Annahme der Entscheidung des Grundgesetzes für einen Mittelweg i n Loslösung von der strikten Verkehrswertbindung w i r d durch die Fassung der sog. Junktimklausel noch gestützt; die Entschädigungsparallele i n A r t . 15 GG ist zwar i n dieser Hinsicht nicht eindeutig, spricht aber eher für als gegen die Natur des Mittelweges. § 6 Regelungstheoretische Konsequenzen der Entscheidung für den M i t t e l w e g
Halten w i r zunächst erst einmal inne. Es gilt, bevor weitere Einzelfragen der Auslegung der Entschädigungsregelung i m Grundgesetz beantwortet werden, zunächst kurz festzuhalten, wie regelungstheoretisch, d. h. von einem speziellen Aspekt der neueren Systemtheorie aus der grundsätzliche Gehalt der Entscheidung für den skizzierten Mittelweg i m System des Enteignungsrechts zu sehen ist. 11 Das ist m. E. von niemandem so deutlich ausgesprochen wie von W. Weber, Z u r Problematik von Enteignung und Sozialisierung nach neuerem Verfassungsrecht, N J W 1950, S. 401 ff. Auch f ü r Ipsen, Enteignung u n d Sozialisierung, V V D S t R L H. 10, S. 113 w a r es „banal-zutreffend", daß A r t . 15 GG „auch i n der Entschädigungsfrage unterschiedliches zuläßt". Heute w i r d nicht gern an den Stand dieser Auffassungen i n den ersten Jahren nach Inkrafttreten des Grundgesetzes erinnert. Die Diskussion über Sozialisierungen k r a n k t i n der neueren Zeit nicht selten daran, daß m a n glaubt, m i t der Bejahung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit v o n Sozialisierungen auch ihre wirtschaftspolitische Vernünftigkeit m i t zu bejahen. Davon k a n n natürlich keine Rede sein. Respekt vor einer verfassungsrechtlichen Ermächtigungsnorm u n d Eintreten f ü r die Anwendung dieser N o r m sind zwei ganz verschiedene Dinge. 12 Bei den Beratungen zu A r t . 15 GG wurde durchweg eine Entschädigungsregelung angenommen, die auf A r t . 14 GG, d. h. aber auf eine von der „angemessenen" Entschädigung losgelöste Entschädigung Bezug nahm. E i n von der FDP gestellter A n t r a g auf Einführung des Gebots einer „angemessenen" E n t schädigung wurde i n der abschließenden Beratung des Grundgesetzes zweimal abgelehnt; vgl. A n t r a g Dr. Dehler f ü r die Sitzung des Hauptauschusses v. 5. 5. 1949, Drs. 731, A n t r a g Dr. Heuß f ü r die 2. Lesung des Plenums am 6. 5. 1949, Drs. 863 u n d Hauptausschuß-Prot. S. 747 f., Plenar-Prot. S. 179.
4 Opfermann
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I. A. Die Grundtendenz der Verfassungsentscheidung I . Die bisherige regelungstheoretische Situation
Nachdem dargelegt worden ist, daß die i n Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG enthaltene Regelung die Funktion eines Mittelweges besitzt, erhebt sich die entscheidende Frage, wie die vom Grundgesetz gewählte neue Regelung i m einzelnen zu konkretisieren ist. M i t dieser Frage des Aufbaus eines neuen dogmatischen Systems zur Konkretisierung des Abwägungsgebotes werden w i r uns später i m zweiten Teil der Arbeit beschäftigen. Da die dort vorgenommene Konkretisierung sich zwar i n sehr weitgehendem Maße auf das Grundgesetz stützen, gleichwohl aber nicht eine derartig eindeutige Geltung für sich i n Anspruch nehmen kann, wie es der Feststellung des Mittelweges selbst zukommt, ist vor der eigentlichen Konkretisierung auf einen grundsätzlichen Funktionswechsel hinzuweisen, der sich aus der Entscheidung der Verfassung für den Mittelweg ergibt. Dieser Funktionswechsel betrifft den regelungstheoretischen Charakter des alten Entschädigungssystems und des Entschädigungssystems bei der Aktualisierung des Mittelweges. Er kann unabhängig davon festgestellt werden, ob die i m zweiten Teil vorgenommene Konkretisierung übernommen w i r d oder nicht. Der regelungstheoretische Funktionswandel bei der Anerkennung des Mittelweges läßt sich kurz dahingehend charakterisieren, daß das bisherige Entscheidungsmodell sich auf eine bloße „entweder-oder"-Differenzierung i n der Tatbestandsfeststellung beschränkte, ein neues den „Mittelweg" aktualisierendes Entschädigungssystem aber zusätzlich einen Differenzierungsspielraum i n der Rechtsfolgenentscheidung zuläßt. Die Bedeutung dieser Funktionsveränderung w i r d ersichtlich, wenn man analysiert, welche Konsequenz die starre Bindung an den Verkehrswert unter regelungstheoretischem Aspekt, genauer unter dem Aspekt der System-Umwelt-Differenzierung 1 m i t sich gebracht hatte und welche neuen Wege der Regelung sich eröffnen, wenn man den Gehalt des Abwägungsgebotes durch Einräumung eines gesetzgeberischen Entschädigungsspielraumes aktualisiert. Die bisher entscheidende Frage i m System des Enteignungsrechts war — die Rechtmäßigkeit des hoheitlichen Eingriffs vorausgesetzt — diejenige, ob der hoheitliche Eingriff als inhaltliche Bindung und/oder Schrankenziehung i. S. des Art. 14 I S. 2 GG einerseits oder als Enteignung i. S. des A r t . 14 I I I GG andererseits anzusehen war. I m 1
Z u r System-Umwelt-Theorie m i t reichhaltigen Nachweisen der angelsächs. L i t e r a t u r s. insb. Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalität, 1968, S. 117 ff.; i n Luhmanns institutioneller Untersuchung „Grundrechte als I n s t i tution", 1965, w a r allerdings zur Enteignungsentschädigung jede differenzierende Betrachtung vergeblich zu suchen, vgl. S. 108 ff., S. 124 f.; man w i r d sagen können, daß L u h m a n n sich dort nicht am Grundgesetz selbst orientierte, sondern die damals herrschende Lehre systemtheoretisch beschrieb.
§ 6 Regelungstheoretische Konsequenzen des Mittelweges
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ersten Falle wurde der Entschädigungsanspruch verneint, i m letzten Fall wurde er bejaht m i t der Maßgabe, daß die Höhe der Entschädigung sich rein danach richtete, welchen Verkehrswert das entzogene Recht oder Teilrecht i n seiner spezifischen Marktqualität jeweils besaß. Alle weiteren Fragen (so z. B. die vielfältigen Stichtagsprobleme) 2 betrafen nicht die Grundstruktur dieses starren „Wenn-Dann"-Schemas, sondern die Frage, wie die einzelnen Fallkonstellationen der Eingriffe i n Eigentum oder i h m gleichgestellter Rechte innerhalb dieses Grundschemas einzuordnen waren. Die wichtige Konsequenz dieser Regelungsstruktur bestand darin, daß sie, gleichgültig, welcher enteignungsrechtliche Sachverhalt der Beurteilung zugrunde lag, nur zwei Alternativen zur Verfügung stellte, nach denen entschieden werden konnte: Entweder man bejahte, daß es sich um eine Enteignung handelte. Dann waren die Entschädigungsfolgen bereits i m Prinzip festgestellt. Es galt nur zu ermitteln, welchen Wert das entzogene Recht seiner Qualität nach i m Markt besaß. Oder aber die Enteignungsqualität wurde (mit welcher Begründung auch immer) verneint. Dann war festgelegt, daß jedenfalls verfassungsrechtlich eine Entschädigungspflicht für den Eingriff nicht bestand. Die Konsequenzen dieser Einzwängung i n die beiden aufgezeigten Alternativen sind offenkundig. Selbst dann, wenn man der Auffassung war, eigentlich rechtfertige sich eine verfassungsrechtliche Entschädigungspflicht, nur nicht i n der vollen Höhe des Verkehrswertes, ließ das alte Entscheidungsschema keinen Raum, um i n dieser Weise zu differenzieren. Regelungstheoretisch bedeutet diese Einzwängung i n ausschließlich zwei Entscheidungsalternativen, obwohl i n vielen Fällen eine dritte Alternative sehr sinnvoll sein könnte, daß eines der wichtigsten Gesetze der modernen kybernetischen Systemtheorie außer acht gelassen worden ist. Dies ist das wohl erstmals von W. Ross Ashby ausdrücklich formulierte „Gesetz der erforderlichen Varietät" eines beliebigen Regelungssystems3. Weil das bisherige Entscheidungssystem für enteignungsrechtliche Entschädigungen nur zwei prinzipielle Differenzierungsstufen (Entschädigung nach dem Verkehrswert oder überhaupt keine Entschädigung) 2 Z u den komplizierten Stichtagsproblemen der bisherigen Rechtsprechung m i t Unterscheidung des Stichtags der Qualitätsermittlung einerseits u n d Stichtags der Entschädigungsberechnung andererseits s. insb. die Darstellung bei Geizer, Der Umfang des Entschädigungsanspruchs aus Enteignung und enteignungsgleichem Eingriff, Schriftenreihe der N J W H. 2, 1969, S. 9 ff., 15 ff., 59 ff. 3 W. Ross Ashby, A n Introduction to Cybernetics, London 1956, S. 206 ff. Eine Darstellung des Gesetzes u n d seiner Folgen auch bei Stafford Beer, K y bernetik u n d Management, S. 68 f.
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I. A. Die Grundtendenz der Verfassungsentscheidung
kannte, war es besonders einfach. Der Nachteil aller einfachen Regelungssysteme besteht aber darin, daß sie darauf angewiesen sind, daß auch die „ U m w e l t " des Systems, d. h. der zu regelnde Bereich ebenso einfach aufgebaut ist und keine größeren Differenzierungsbedürfnisse enthält als das Regelungssystem selbst sie aufweist. Ist dies nicht der Fall, d. h. ist die Varietät des regelnden Systems geringer als die Varietät der Umwelt, so liegt die Fehlerhaftigkeit der Bewältigung der Probleme nicht (oder zumindest nicht ausschließlich) an einem Mangel der Ausführung durch das Regelsystem, sondern i n der Verletzung des Gesetzes der erforderlichen Varietät unmittelbar begründet. Die Regelsysteme können i n diesem Fall „erst gar nicht einen Fehler machen, da sie von vornherein nicht funktionieren. N u r die Varietät i m Regelsystem kann die Varietät des zu regelnden Systemes erfolgreich bändigen" 4 . I m Bereich der Regelung der Enteignungsentschädigung bedeutet dies konkret: Läßt das bisher angenommene dogmatische System der Entschädigungsregelung nur Raum für die beiden Entschädigungsalternativen der Verkehrswertentschädigung oder der Entschädigungsversagung, erfordert eine sachgerechte Lösung evtl. für manche Bereiche, so insb. für den Bereich des Bodenrechts aber eine über diese Varietät hinausgehende Differenzierung, so ist es verfehlt, den Fehler einfach darin suchen zu wollen, daß bisher zu viele Fälle von Eingriffen i n Vermögenswerte Rechte als Enteignungen angesehen wurden und zu fordern, daß — um die Allgemeinheit von zu hohen Entschädigungsfolgen zu befreien — eine größere Anzahl von Fällen aus dem Enteignungsbegriff herausgenommen und den inhaltlichen Bindungen und Schrankenziehungen i. S. des A r t . 14 I S. 2 GG zugewiesen werden. Eine solche Lösung ist zwar möglich, sie beseitigt aber nicht den strukturellen Mangel des Regelungssystems. Dieser besteht darin, daß man mit einer Verneinung der Verfassungspflicht zur Verkehrswertentschädigung zugleich die Rechtsfolge i n Kauf nehmen muß, daß dann überhaupt keine Entschädigung als verfassungsrechtlich geboten angesehen werden kann. M i t h i n bleibt nur die Wahl, dem je nach Standpunkt geringerem Übel den Vorzug zu geben 5 . 4
Stafford Beer , Kybernetik u n d Management, S. 68. Diese Einengung ist, wie i n neuerer Zeit von Sendler, Die Konkretisierung einer modernen Eigentumsverfassung durch Richterspruch, DÖV 1971, S. 27 hervorgehoben wurde, nicht zuletzt durch die verfehlte Begrenzung der Fragestellung auf die Alternativen der Verkehrswertentschädigung u n d der „ N o minalentschädigung" verursacht worden. Dadurch wurde der Eindruck hervorgerufen, „als gäbe es zwischen Alles oder Nichts nicht auch noch andere Lösungsmöglichkeiten" (Sendler). Die Beschränkung von Entscheidungen auf die „Alles oder Nichts"-Alternativen dürfte vermutlich zu den häufigsten A n wendungsfällen der Verletzung des systemtheoretischen Varietätsgesetzes gehören, w e i l sie jede Differenzierung unmöglich macht. 5
§6
egelungstheoretische Konsequenzen des Mittelweges
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I I . Regelungstheoretische Konsequenz der Aktualisierung des Abwägungsgebotes
Während i m bisher als verfassungsrechtlich geltend angenommenen Entschädigungssystem die entscheidende Weichenstellung i n der Entscheidung darüber lag, ob ein Eingriff enteignenden oder nichtenteignenden Charakter besitzt, ergibt sich bei einer Aktualisierung des Abwägungsgebotes aus der Funktion des Mittelweges folgende grundsätzliche Änderung: Wenn aufgrund des dargelegten Interpretationsbefundes angenommen wird, daß eine grundsätzliche Bindung an die Entschädigung nach dem Verkehrswert aus der Verfassung nicht ableitbar ist, so muß — gleichgültig nach welchen Methoden i m einzelnen das Abwägungsgebot konkretisiert w i r d — bei der Entscheidung über einen verfassungsrechtlichen Entschädigungsanspruch wegen rechtmäßiger Eingriffe stets zwischen zwei Schritten unterschieden werden. Zunächst ist zu entscheiden, ob einem Eingriff überhaupt Enteignungsqualität zukommt. Verneint man die Frage, so ist bereits dem Grunde nach der verfassungsrechtliche Anspruch auf eine Entschädigung verneint. Bejaht man hingegen das Vorliegen eines enteignenden Eingriffs, so liegt ein Tatbestand vor, bei dem ein Entschädigungsanspruch nur dem Grunde, nicht aber der Höhe nach feststeht. Daher muß noch i m Wege der Interessenabwägung ermittelt werden, welche Entschädigungshöhe verfassungsrechtlich zulässig nicht unterschritten werden darf. Damit verändert sich der Varietätsbereich des enteignungsrechtlichen Systems grundlegend. Der Gesetzgeber ist nicht mehr vor die Alternative gestellt, entweder überhaupt nicht oder aber eine Entschädigung nach dem gesamten Verkehrswert zubilligen zu müssen, er kann vielmehr i n der Höhe der Entschädigung so variieren, wie es der jeweilige Sachbereich seiner Auffassung nach erfordert. Freilich muß hierbei stets beachtet werden, daß, wie oben i n § 4 I I I i m einzelnen dargelegt, auch die Alternative des totalen Spielraumes des Gesetzgebers von der Verfassung abgelehnt worden ist. Unter regelungstheoretischem Aspekt läßt sich die Einführung des neuen Parameters der Interessenabwägung daher so qualifizieren, daß die Varietät des Regelungssystemes nicht absolut, sondern nur relativ bestimmt werden kann, je nach dem, ob der potentielle oder der aktuelle Spielraum i n der Entschädigung gemein ist: Potentiell kann der Spielraum des Gesetzgebers alle denkbaren Entschädigungsstufen einnehmen, da die Verfassung ja keinen festen Unterwert angibt. A k t u e l l ist der Spielraum für den Einzelfall aber
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I. A. Die Grundtendenz der Verfassungsentscheidung
abhängig davon, welche Entschädigung die Interessenabwägung als verfassungsrechtliches M i n i m u m i m Einzelfall zuläßt 6 . § 7 Einzelfragen des Abwägungsschemas I . Bisher ungelöste Unterfragen
M i t der Erkenntnis allein, daß es sich bei der Regelung i n A r t . 14 Abs. 3 GG um die Entscheidung für einen mittleren Weg i n der Entschädigungsbindung handelt, ist es nicht getan. Wenn daran gegangen wird, die Verfassungsentscheidung näher zu konkretisieren, stellen sich vielmehr sogleich die folgenden Unterfragen: (1) Welche Bedeutung kommt dem Ausdruck „Beteiligte" i n dem Abwägungsschema zu und welches sind ihre Interessen? (2) Welcher A r t sind die Interessen der Allgemeinheit, die m i t den Interessen der Beteiligten abzuwägen sind? (3) Wann ist eine Entschädigungsregelung nach dem Grundgesetz als „gerecht" anzusehen? (4) Was ist unter „Abwägung" der Interessen zu verstehen? (5) Wer ist Adressat der Abwägung — Gesetzgeber oder Richter? Die Beantwortung dieser Unterfragen ist naturgemäß besonders dringlich geworden, nachdem durch das hamburg. Deichurteil der Weg zu einer neuen Sicht des Abwägungsgebotes frei gegeben worden ist. Aber auch vorher waren diese Fragen für die damals herrschende Entschädigungslehre von Bedeutung; ohne ihre Beantwortung blieb die Auslegung des A r t . 14 GG notwendig fragmentarisch, zumal gerade die Entschädigungsfrage zu den für die Praxis wichtigsten Fragen der Anwendung des Art. 14 GG gehört. Greift man indes auf die Standardlehrbücher zum Verfassungsrecht oder auch auf die größeren Kommentierungen zum Grundgesetz zurück, so erhält man kaum, häufig sogar praktisch keinerlei Hilfe zur Beantwortung der Fragen. Das überrascht, wenn man z. B. bedenkt, i n welchem Umfang zu A r t . 14 GG die Frage erörtert wird, was als „Eigentum" i. S. d. Art. 14 GG anzusehen ist. Ganz überwiegend findet man i n den Kommentaren keinerlei K l ä r u n g der Frage, wer denn n u n als „Beteiligter" i. S. d. A r t . 14 Abs. 3 GG anzusehen ist 1 . 6 Z u den Konsequenzen der Unterscheidung zwischen aktuellem u n d potentiellem Entschädigungsspielraum s. unten §§16 ff. 1 Erörterungen hierüber fehlen z. B. v ö l l i g bei GieselSchunck, Grundgesetz, 8. Aufl., Erl. zu A r t . 14; Hamann/Lenz, Das Grundgesetz, 3. Aufl., A r t . 14, A n m . Β 13; Schmidt-Bleib treu/Klein, K o m m . z. GG, 3. Aufl., A r t . 14, Rdnr. 21, aber auch bei Kimminich, Bonner Komm., Zweitbearbeitung, A r t . 14, Rdnr.
§ 7 Einzelfragen des Abwägungsschemas
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Vereinzelt w i r d die Auffassung vertreten, „Beteiligte" i. S. d. A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG seien der v o m Eingriff Betroffene u n d der durch i h n u n m i t t e l bar Begünstigte 2 . Das Schweigen erstreckt sich i n gleicher Weise auf die Frage, was als „Interesse der Beteiligten" anzusehen sei. Ein etwas differenzierteres B i l d findet sich bei der Erörterung des „Interesses der Allgemeinheit". Z u m Teil w i r d schlechthin geleugnet, daß überhaupt auf das Interesse der Allgemeinheit abzustellen sei, die bewußt neuartige Entschädigungsregel also als verfehlt interpretiert 3 . Bei der sonstigen L i t e r a t u r w i r d zwar keine positive Bestimmung des Allgemeininteresses gegeben; w o h l aber w i r d festgestellt, daß jedenfalls die „fiskalischen Interessen" nicht zu den Interessen der Allgemeinheit gehören 4 . Z u den übrigen Fragen gibt es ebenfalls k a u m eingehende Äußerungen. Das Schweigen i s t n a t ü r l i c h n i c h t z u f ä l l i g . D i e herrschende M e i n u n g h a t t e sich n a t u r g e m ä ß i n e i n e n Zugzwang begeben: W e n n m a n o h n e h i n die E n t s c h ä d i g u n g s r e g e l u n g des Grundgesetzes als F o r t f ü h r u n g d e r B i n d u n g a n die V e r k e h r s w e r t e n t s c h ä d i g u n g ansah, d a n n k a m es a u f die A u s l e g u n g d e r e i n z e l n e n E l e m e n t e der R e g e l u n g des A r t . 14 A b s . 3 Satz 3 G G i n der T a t n i c h t m e h r a n u n d d u r f t e es auch n i c h t . S y m p t o m a t i s c h h i e r f ü r d ü r f t e auch sein, daß i n d e r großangelegten n e u e r e n U n t e r s u c h u n g v o n Häberle z u m „ Ö f f e n t l i c h e n Interesse als juristisches P r o b l e m " 5 n u r a n e i n e r e i n z i g e n S t e l l e m i t bloß a u f z ä h l e n d e r F u n k t i o n a u f die E n t s c h ä d i g u n g s r e g e l u n g des A r t . 14 A b s . 3 Satz 3 G G h i n g e w i e s e n wird6. D e m g e g e n ü b e r h a t t e die rechtswissenschaftliche B e s c h ä f t i g u n g m i t d e n e i n z e l n e n A b w ä g u n g s u n t e r f r a g e n i n d e r F r ü h z e i t d e r G e l t u n g des Grundgesetzes häufiger z u e i n e r S t e l l u n g n a h m e g e f ü h r t 7 . A u c h die n e u e r e n spezialrechtlichen U n t e r s u c h u n g e n , die die G r u n d p o s i t i o n des 137 ff.; Maunz, i n : Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 14, Abschn. V I I = Rdnr. 111 ff.; v. Mangoldt/Klein, Grundgesetzkomm., 2. Aufl., Bd. 1, A r t . 14, A n m . V I I 9; ähnlich W .Weber, Eigentum u n d Enteignung, i n : Neumann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 2, Abschn. I V , S. 387 ff. 2 Brinkmann, i n : Brinkmann/Hackenbroch, Grundrechtskomm. zum GG, A r t . 14, A n m . I 7 a α. 3 Brinkmann, A n m . I 7 a; so auch nach dem hamburg. Deichurteil noch Freundling, Z u m Maß der Enteignungsentschädigung, BayVBl. 1972, S. 10 f. 4 So z.B. Hamann/Lenz, Das GG, A r t . 14, A n m . Β 13; W. Weber, Eigentum und Enteignung, Die Grundrechte Bd. 2, S. 392. 5 P. Häberle, Das öffentliche Interesse als juristisches Problem, Hab. Schrift 1970. 6 S. 34 f. Daß Häberles Schrift auf die Frage nicht eingeht, k a n n i h r w o h l k a u m angelastet werden; sie zeigt damit nur treffend die bis dahin angenommene Bedeutung des Abwägungsgebotes auf. 7 s. insb. Diester, Enteignung u n d Entschädigung nach altem und neuem Recht, 1953, S. 162 ff.; Knoll, Eingriffe i n das Eigentum i m Zuge der Umgestaltung gesellschaftlicher Verhältnisse, AöR Bd. 81 (1956), S. 157 ff., 342 ff., insb. S. 393 ff.; auch Scheuner, Grundlagen und A r t der Enteignungsentschädigung, i n : Reinhardt/Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, 1954, S. 63 ff., insb. S. 121 ff.
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I. A. Die Grundtendenz der Verfassungsentscheidung
Bundesverfassungsgerichts i m hamburg. Deichurteil aufgreifen, wenden sich verstärkt wieder der Bedeutung der einzelnen Elemente der Abwägungsregelung zu 8 . Man w i r d der Begriffsbestimmung der einzelnen Bedeutungselemente allerdings nur komplementäre, nicht dominierende Funktion bei Bestimmung des Gehaltes des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG zuweisen dürfen; andernfalls besteht zu leicht die Gefahr, daß durch eine geschickte Einzelbegriffsdeutung der Verfassungsinterpret der Regelung insgesamt eine Bedeutung gibt, die ihren Sinn verfehlt. Da der Wortlaut des Abwägungsgebotes über die genannten Bedeutungselemente keine nähere Auskunft gibt, muß auf die systematische Funktion dieser Regelung und auch auf die Vorstellungen i m Pari. Rat zur Beantwortung der Unterfragen zurückgegriffen werden. Man w i r d zwar nicht erwarten können, daß daraus für alle fünf Unterfragen eine so weitgehende Klärung erzielt wird, daß die Konkretisierung des Mittelweges i n der Entschädigungsbemessung bereits als geleistet angesehen werden kann. Wohl aber sind doch für diese Konkretisierung i n Teilbereichen erhebliche Hilfen zu erwarten. I I . Zur Gerechtigkeit und Methode der Abwägung
Für diese beiden Fragen ergeben sich direkt durch Auslegung kaum Konkretisierungshilfen. Weder ist aus den Beratungen zum Grundgesetz unmittelbar zu erkennen, wie man sich die Durchführung der Abwägung i m Einzelnen dachte, noch ist ein allgemeingültiges Gerechtigkeitskriterium von der Mehrheit des Pari. Rates erkennbar zugrunde gelegt worden. Wohl aber läßt sich i n zweifacher Hinsicht zur „Gerechtigkeit" der Enteignungsentschädigung eine gewisse Präzisierung angeben. Zum einen ist indirekt aus den Motiven der für das Abwägungsgebot stimmenden Mehrheit des Pari. Rates der Hinweis zu entnehmen, daß es offenbar als ungerecht angesehen wurde, wenn i m Bereich der Bodenordnung nach dem K r i t e r i u m der „angemessenen" Entschädigung i n jedem Fall der Verkehrswert gezahlt werden müßte (vgl. § 5 I). Zum anderen zeigen die gesamten Beratungen zum Pari. Rat, daß die i n der überkommenen Entschädigungslehre häufig zum wesentlichen Gesichtspunkt erhobene Gleichheitsfrage i n der Entschädigungsbemessung jedenfalls nicht als der zentrale Gerechtigkeitsfaktor bei Bestimmung des nicht unterschreitbaren Entschädigungsminimums nach Art. 14 GG anzusehen 8 So insb. jetzt Hauke, Das Interessenabwägungsgebot nach A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG bei der Bestimmung der Enteignungsentschädigung, Diss. 1972, S. 21 ff.; vgl. auch das GEWOS-Gutachten „Verfassung, Städtebau, Bodenrecht", 1969, S. 96 ff.
§ 7 Einzelfragen des Abwägungsschemas
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i s t 9 . A u s den B e r a t u n g e n des P a r i . Rates ist, s o w e i t der Verfasser dies ü b e r s i e h t , k e i n e einzige Ä u ß e r u n g nachweisbar, i n der e x p l i z i t auf die Gleichheitsfrage als ausschlaggebendem G e r e c h t i g k e i t s f a k t o r B e z u g genommen wurde10. Dieser E r h e l l u n g aus der Entstehungsgeschichte 1 1 d a r f m a n deshalb eine gewisse, w e n n auch n i c h t a l l e i n maßgebliche B e d e u t u n g zumessen, w e i l j a b e k a n n t l i c h i n der Rechtswissenschaft e i n eindeutiges u n d operat i o n a l i s i e r b a r e s K r i t e r i u m f ü r die G e r e c h t i g k e i t rechtlicher R e g e l u n g e n fehlt. Die traditionelle Rechtsphilosophie ist über die v o n Aristoteles i n der N i k o machischen E t h i k 1 2 entwickelte triadische Gerechtigkeitslehre von der U n t e r scheidung von justitia commutativa, just, distributiva u n d B i l l i g k e i t k a u m hinausgekommen 1 3 . Allenfalls insoweit ist eine Veränderung zu bemerken, als i n neuerer Zeit Ansätze zu verzeichnen sind, „der Gerechtigkeitsfrage von einer instrumentalen Seite beizukommen" 1 4 . Hervorzuheben sind insb. die Ansätze von Kriele 15 u n d Perelman 16. Beide helfen hier aber nicht weiter; der vorwiegend sprachanalytische Ansatz von Kriele läßt sich auf die Frage, was normativ die grundgesetz-„gerechte" Enteignungsentschädigung ist, nicht übertragen; Perelman liefert mehr Argumentationsformen als inhaltliche Ergebnisse. Schließlich w i r d teilweise der Begriff der „Gerechtigkeit" i m rechtswissenschaftlichen Schrifttum als Leerformel ohne jeden Gehalt angesehen 17 .
9 So schon Schulthes, Die Höhe der Enteignungsentschädigung, S. 67 ff.; dort auch (S. 74) Nachweise der Geringachtung des Gleichheitssatzes i n den ersten Jahren nach Inkrafttreten des Grundgesetzes. 10 Das schließt freilich nicht aus, daß dem Gleichheitssatz auch bei Annahme eines Mittelweges der Entschädigungspflicht eine wichtige Bindungswirkung zukommt; vgl. dazu i m einzelnen unten §§ 25 ff. Die Gerechtigkeitsfrage ist bei Annahme eines Mittelweges aber v i e l komplizierter als dies bisher regelmäßig angenommen wurde. Es muß zwischen zwei Gerechtigkeitsebenen unterschieden werden: Gerechtigkeit als Vermeidung ungerechtfertigter Interessennach setzung i. S. d. A r t . 14 Abs. 3 GG u n d Gerechtigkeit aus der Sicht des Gleichheitssatzes; beide erfüllen verschiedene Schutzfunktionen; vgl. dazu unten § 25. 11 Z u r Bedeutung der Entstehungsgeschichte gerade für neuartige grundrechtliche Verfassungsnormen jetzt auch BVerfGE 27, 71, 84. 12 Aristoteles, Nikomach. Ethik, Buch V ; dazu Trude, Der Begriff der Gerechtigkeit i n der aristotel. Rechts- und Staatsphilosophie, S. 93 ff. 13 Vgl. dazu z. B. die Darstellungen bei Henkel, Einführung i n die Rechtsphilosophie, 1964, S. 301 ff.; Radbruch, Rechtsphilosophie, 8. Aufl., 1973, S. 119 ff.; Zippelius, Das Wesen des Rechts, 2. Aufl., 1969, S. 68 ff. 14 Zippelius, S. 68. 15 Kriele, K r i t e r i e n der Gerechtigkeit, 1963; zu Kriele, zugleich auch zur traditionellen Gerechtigkeitsdiskussion, jetzt M. Disselhorst, K r i t e r i e n der Gerechtigkeit, i n : Festschrift für K . Michaelis zum 70. Geburtstag, 1972, S. 63 ff. 16 Ch. Perelman, Über die Gerechtigkeit, 1967. 17 So insb. Kelsen, Das Problem der Gerechtigkeit, i n : Reine Rechtslehre, 2. Aufl., 1960, Anhang S. 355 ff.
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I. A. Die Grundtendenz der Verfassungsentscheidung I I I . Der „Beteiligte" und sein Interesse
Zur Klärung dieser Frage kann die Auslegung zunächst auf die Funktion der Verfassungsregelung, dann auch auf die Vorstellungen i m Pari. Rat zurückgreifen. a) Gehen w i r zunächst i m Wege der Funktionsanalyse vor. Art. 14 GG setzt eine Abwägung, d. h. eine Gewichtung der Interessen der Beteiligten und der Allgemeinheit voraus 18 . Eine solche Gewichtung hat zur Grundlage, daß die beiden Interessenseiten i n einem Spannungsfeld zueinander stehen. Andernfalls wäre eine Abwägung i n Form eines Gewichtsvergleichs (wessen Interessen sind i n welchem Fall als höher gewichtig anzusehen?) ja überflüssig. Damit kommt, auch wenn rein sprachlich der Ausdruck „Beteiligter" i n weiterem Sinn verstanden werden könnte, bei der Abwägungsregel des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG aus funktionalen Gründen als „Beteiligter" der jeweils von der hoheitlichen Maßnahme Betroffene i n Frage, also derjenige, i n dessen Rechte durch die enteignende Maßnahme eingegriffen wird. Denn sein Interesse an möglichst hoher Entschädigung kollidiert mit dem Interesse der Allgemeinheit an geringer Entschädigung. b) Dieser Befund w i r d bestätigt, wenn man die Verfassungsberatungen i m Pari. Rat unter dieser Fragestellung analysiert. Danach ist zunächst statt des Begriffs des „Beteiligten" der Begriff des „Betroffenen" i n Ausnahmefällen auch der Begriff des „Berechtigten" oder der des „Eigentümers" gebraucht worden 1 9 . Man ging, wie diese drei Begriffe übereinstimmend zeigen, also ebenfalls von dem oben aus funktionalen Gründen hergeleiteten Spannungsverhältnis aus; der sog. Enteignungsbegünstigte war i n der Abwägung nicht eigens miterfaßt. Sein Interesse kann allenfalls durch das der Allgemeinheit berücksichtigt werden. Erst relativ spät wurde dann i n den Beratungen zum Grundgesetz auf Vorschlag des Abgeordneten Z i n n der Ausdruck „Betroffener" durch den Ausdruck „Beteiligte" ersetzt. Damit war aber eindeutig nicht das Ziel verfolgt, eine Sinnänderung i n das Abwägungsgebot hineinzubringen 20 . 18 Das w i r d neuerdings von Freundling , BayVBl. 1972, S. 11 m i t der E r w ä gung bestritten, w i e der Schaden so sei auch die Entschädigung grundsätzlich durch die Interessen des Entschädigten bestimmt. Eine Abwägung der I n t e r essen der Beteiligten und der Allgemeinheit scheide daher aus. Das ist kaum haltbar, wenn m a n der Verfassung nicht den Befolgungsgehorsam aufkündigen w i l l . Das Grundgesetz geht eben k l a r (und, wie die Entstehungsgeschichte zeigt, ganz bewußt) davon aus, daß nicht allein das Entschädigungsinteresse des Enteigneten ausschlaggebend sein soll. 19 Vgl. die zahlreichen i n der Darstellung der Entstehungsgeschichte zu A r t . 14 GG i n JöR Bd. 1, S. 149 - 152 aufgeführten Fassungen, aus denen sich k l a r ergibt, daß stets die Abwägung zwischen dem betroffenen Eigentümer (bzw. sonstigen Berechtigten) und der Allgemeinheit gemeint war. 20 Das zeigen k l a r die Äußerungen des Abg. Z i n n bei der Einführung des Wortes „Beteiligter" an Stelle des Wortes „Betroffener"; s. 47. Sitzung des Hauptausschusses v o m 8. 2. 1949, Prot. S. 617. F ü r die Frage, warum der Aus-
§ 7 Einzelfragen des Abwägungsschemas
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c) Welche Interessen des B e t e i l i g t e n , d. h. j e w e i l s v o n d e m E i n g r i f f B e t r o f f e n e n i n der A b w ä g u n g z u beachten sind, ist d a m i t zugleich k o n k l u d e n t m i t b e a n t w o r t e t : dies i s t das Interesse, b e i d e m j e w e i l i g e n e n t e i g n e n d e n E i n g r i f f eine E n t s c h ä d i g u n g ( u n d z w a r n a t u r g e m ä ß eine m ö g l i c h s t hohe) zu b e k o m m e n 2 1 . Diese Teilergebnisse z u m B e g r i f f des „ B e t e i l i g t e n " u n d seines I n t e r esses i m S i n n des A b w ä g u n g s g e b o t e s s i n d i n z w i s c h e n auch, f r e i l i c h m e h r i n t u i t i v u n d ohne R ü c k g r i f f auf z. B . die i n s o w e i t k l a r e E n t stehungsgeschichte des Grundgesetzes, s o w o h l i n der Rechtsprechung des B u n d e s v e r f a s s u n g s g e r i c h t s 2 2 w i e auch i n der sich n e u e r d i n g s a n das h a m b u r g . D e i c h u r t e i l a n l e h n e n d e n 2 3 Rechtsprechung des B u n d e s g e r i c h t s hofes 2 4 a n e r k a n n t . I V . Das Interesse der Allgemeinheit im Abwägungsgebot I n der b i s h e r i g e n D i s k u s s i o n des A b w ä g u n g s g e b o t e s , n a m e n t l i c h i n d e n f r ü h e n e n t e i g n u n g s r e c h t l i c h e n A r b e i t e n ist, sofern die F r a g e ü b e r h a u p t e r ö r t e r t w u r d e , h ä u f i g die A n s i c h t v e r t r e t e n w o r d e n , u n t e r d e m „Interesse der A l l g e m e i n h e i t " sei das Interesse a n der V o r n a h m e des E i n g r i f f s selbst anzusehen. Das f ü h r t e d a n n zu der j e d e n f a l l s f r ü h e r als ganz herrschend anzusehenden M e i n u n g , als „Interesse d e r A l l g e m e i n h e i t " k ö n n e n i e das fiskalische Interesse des Staates v e r s t a n d e n w e r d e n 2 5 . druck „Beteiligter" statt des (klareren) Ausdruckes „Betroffener" gewählt wurde, gibt es eine interessante, n u r aus der damaligen Situation verständliche Erklärung: Offenbar hatte das Wort „Betroffener" damals einen negativen Beigeschmack durch seinen Gebrauch i n den Entnazifizierungsmaßnahmen. So erklärte z. B. der Abg. Heuß i n der 32. Sitzung des Grundsatzausschusses v o m 11. 1. 1949 laut Prot. S. 65: „Ich habe auch eine gewisse Sympathie dafür, daß w i r das Wort „Betroffener" durch „Eigentümer" ersetzen, w e i l das Wort „Betroffener" i n den Entnazifizierungssprachgebrauch hineingekommen ist u n d es w i r d bei diesem Wort immer so etwas w i e Schuld angenommen." 21 So früher schon Diester, Enteignung und Entschädigung, S. 182; offenbar auch Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 132 jedenfalls i m Ergebnis (nicht bei der Abwägung zu berücksichtigen ist die Leistungsfähigkeit des Begünstigten). A. A. Hauke, Das Interessenabwägungsgebot, 1972, S. 32 f. unter Rückgriff auf ältere L i t e r a t u r ; die klare Entstehungsgeschichte bleibt unbeachtet. 22 Vgl. BVerfGE 24, 367, 421: „Die Enteignungsentschädigung soll das E r gebnis eines Interessenausgleichs sein u n d nicht die einseitige Bewertung der Interessen des Betroffenen, aber auch nicht allein die der Allgemeinheit darstellen." (Hervorhebung v o m Verf.) 23 Dazu ausführlich unten § 101. 24 s. z. B. B G H Z 59, 250, 254: „Der Gesetzgeber k a n n (vielmehr) — als Ergebnis einer gerechten Abwägung der Interessen der Betroffenen einerseits u n d der Allgemeinheit andererseits — auch eine unter dem vollen Ersatz liegende Entschädigung bestimmen." Ä h n l i c h B G H Z 60, 126, 144: Danach w a r zwischen dem Grundstückseigentümer u n d der Allgemeinheit abzuwägen; der Gegenpart der Allgemeinheit ist also der Betroffene.
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I. A. Die Grundtendenz der Verfassungsentscheidung
Diese Auffassung hält einer genaueren Nachprüfung nicht stand. Sie widerspricht sowohl der Funktion des Abwägungsgebotes, als auch der systematischen Einteilung des gesamten Abs. 3 des A r t . 14 GG sowie den Vorstellungen i m Pari. Rat. Weil gerade diese Auffassung eine effektive Aktualisierung des Abwägungsgebotes maßgeblich verhindert hat, ist es erforderlich, auf diese Frage ausführlicher einzugehen. Daß als „Interesse der Allgemeinheit" i. S. des A r t . 14 I I I S. 3 GG gerade auch das fiskalische Interesse gemeint sein muß, ergibt zunächst schon die Berücksichtigung der Funktion dieser Regelung. Das Abwägungsgebot des Abs. 3 S. 3 betrifft die Entschädigungsfrage. Interessen der Allgemeinheit werden i n der Entschädigungsfrage dadurch berührt, daß die öffentliche Hand (oder sonstige Begünstigte) gezwungen ist, für Enteignungen zu zahlen. M i t h i n ist das fiskalische Interesse an einer Reduktion der Entschädigungslasten das i n Art. 14 Abs. 3 S. 3 GG bei der Abwägung zu berücksichtigende Interesse. Zum gleichen Ergebnis kommt man zwingend, wenn man die Regelung des Abwägungsgebotes nicht isoliert, sondern i n seiner Verortung i m System des ganzen Absatzes 3 des Art. 14 GG betrachtet. Wenn ein hoheitlicher Eingriff i n Eigentum oder i h m gleichgestellter Rechte mit enteignender Wirkung eingreift, kann dieser Eingriff zweierlei Interessen des Betroffenen verletzen: Zum einen das Interesse an der Ausnutzung des Rechtes selbst, zum anderen das Interesse, zumindest den Wert dieses Rechtes erhalten zu bekommen. Entsprechend gibt es auf der Seite des eingreifenden Staates ebenfalls zwei Interessenebenen: einerseits das Interesse, den Eingriff selbst vorzunehmen, zum anderen das Interesse, für den Eingriff nicht ungerechtfertigt hohe Entschädi25 Explizit i n diesem Sinn z. B. Diester , Enteignung u n d Entschädigung, S. 181; Hamann/Lenz, Das Grundgesetz, 3. Aufl., A r t . 14, A n m . Β 13); F. Schack , Die Berücksichtigung des Interessenausgleichs bei der Enteignungsentschädigung, DÖV 1966, S. 549 ff.; W. Weber , Eigentum u n d Enteignung, Die Grundrechte, Bd. 2, S. 392. Nach Schack , DÖV 1966, S. 551 „besteht Einigkeit über diesen Rechtssatz". Es ist denkbar, daß auch bei Autoren, die diese These nicht explizit vertreten haben, sie gleichwohl unausgesprochen eine tragende E r wägung war, die die Stellungnahme zur Entschädigungsfrage maßgeblich beeinflußt hat. Differenzierend aber schon früher Scheuner , Verfassungsschutz des Eigentums, S. 131: „Was zunächst das „Interesse der Allgemeinheit" anbelangt, so darf hierin keineswegs etwa ein Hinweis auf die Berücksichtigung nur fiskalischer Interessen gesehen werden." (Hervorhebung von mir.) Jedenfalls i n einem Teilbereich ist auch der B G H neuerdings von der früher ganz herrschenden Meinung abgerückt. So w i r d i n der Tankstellenentscheidung v o m 16. 3. 1970, N J W 1970, S. 1178 f. ausdrücklich hervorgehoben, daß es ein „berechtigtes Anliegen" der öff. Hand sei, „eine Enteignungsentschädigung niedrig zu halten oder ganz zu vermeiden." Daraus muß geschlossen werden, daß das Gericht i m Gegensatz zu den oben angeführten Autoren den fiskalischen Gesichtspunkt jedenfalls nicht als einen f ü r die Bemessung der E n t eignungsentschädigung unzulässigen Gesichtspunkt angesehen hat.
§ 7 Einzelfragen des Abwägungsschemas
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gungen zahlen zu müssen. Da das erste, eigentliche Eingriffsinteresse durch die Regelung des A r t . 14 Abs. 3 S. 1 GG erfaßt wird, bleibt vom System des Art. 14 Abs. 3 GG her gesehen für den Satz 3 nur das fiskalische Interesse übrig. Andernfalls liefe das Gebot des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3, auch die Interessen der Allgemeinheit zu berücksichtigen, leer, weil die nichtfiskalischen Interessen bereits i n Abs. 3 Satz 1 erfaßt werden 2 6 . Freilich enthält die Auffassung, fiskalische Gesichtspunkte könnten nicht als „Interesse" i. S. des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG angesehen werden, einen berechtigten Kern. Welche Befürchtungen sich m i t dieser A u f fassung verbinden liegt auf der Hand. Diese Auffassung geht zunächst von dem zutreffenden Gesichtspunkt aus, daß das bloße Ziel der Reduktion einer Entschädigungsbelastung der öffentlichen Hand nicht ausreichen kann, um i m Einzelfall die Entschädigung zu versagen oder auch nur unter den Verkehrswert zu drücken 27 . Das bedeutet aber nicht, daß es auf das Interesse der öffentlichen Hand, sich vor ungerechtfertigt hohen Entschädigungsforderungen zu schützen, bei der Abwägung nicht ankommt. Die Grenze der Berücksichtigung solcher fiskalischer Interessen stellt vielmehr das i n A r t . 14 I I I S. 3 GG enthaltene Erfordernis dar, daß dem Interesse der öffentlichen Hand nur dann Raum gegeben wird, wenn dies Interesse größeres Gewicht als das Interesse des Betroffenen an der Entschädigungsleistung besitzt. Es ist daher unkorrekt, fiskalische Interessen, bloß, weil sie bei zu starker Berücksichtigung zu untragbaren Ergebnissen führen könnten, aus der Abwägung ganz heraus zu nehmen. M i t der gleichen Begründung könnte man auch die finanziellen Interessen der durch eine Enteignung Betroffenen deshalb als für die Abwägung irrelevant ansehen, weil andernfalls i n manchen Fällen dem Interesse der Betroffenen zu großes Gewicht beigelegt werden könnte. Auch aus den Beratungen i m Pari. Rat läßt sich belegen, daß die bisher herrschende Meinung, fiskalische Interessen gehörten nicht zu denen des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG, nicht als Wille der Verfassung angesehen werden kann. Denn wenn man die Motive bei der Einführung der Abwägungsregelung berücksichtigt, so führt dies zu einer Bestätigung des bisher an Hand objektiver Interpretationselemente gefundenen Ergebnisses. Wie oben i n § 5 I dargelegt, wurde das Abwägungsgebot 26 Daß umgekehrt fiskalische Interessen nicht zu den bei der Auslegung des Allgemeinwohlvorbehaltes des A r t . 14 Abs. 3 Satz 1 GG zu berücksichtigenden Interessen gehören, bedarf w o h l keiner näheren Darlegung. Enteignungen d ü r fen nicht vorgenommen werden, um f ü r die öffentliche Hand Gewinne zu erzielen. Erst wenn aus Gründen des Allgemeinwohls Enteignungen erforderlich sind, k o m m t das fiskalische Entschädigungsinteresse nach A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG ins Spiel. 27 Andernfalls brauchte j a nie entschädigt zu werden.
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I. A. Die Grundtendenz der Verfassungsentscheidung
als Neuerung gegenüber der Weimarer Verfassungspraxis bewußt deshalb eingeführt, w e i l die Rechtsprechung des Reichsgerichts gerade i m Bereich der Bodenordnung zu einer unerträglichen Belastung der Gemeinden geführt hatte 2 8 . Es waren also gerade die fiskalischen Konsequenzen der früheren Entschädigungsauffassung 29 , die bei den Beratungen zum Grundgesetz eindringlich vor Augen standen und zur Einführung der neuartigen Regelung der Interessenabwägung führten. V. Der Adressat des Abwägungsgebotes
Wer ist Adressat des Abwägungsgebotes? Der Gesetzgeber oder die Gerichte? Die Staatsrechtswissenschaft hat sich — das ist eine Folge der fehlenden Anerkennung der Abwägungsregel als neuartige Entschädigungsbestimmung sowohl gegenüber Weimar wie gegenüber dem klassischen Enteignungsrecht — bisher nicht sehr um diese Frage gekümmert. Die Frage hatte sich naturgemäß für sie weitgehend erledigt: Wenn die Verkehrswertentschädigung das grundsätzliche, d. h. allenfalls i n geringen Ausnahmefällen durchbrechbare Entschädigungsminimum darstellte, dann band dieses M i n i m u m den Gesetzgeber; zugleich mußte zwingend der Richter die Einhaltung dieses Minimums überwachen. Ein besonderes Adressatenproblem tauchte also nicht auf. Maunz vertritt die Auffassung, daß als primärer Adressat des Abwägungsgebotes wohl der Richter anzusehen sei 30 . Dem steht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entgegen; sie weist explizit und nachdrücklich dem Gesetzgeber die Adressatenrolle zu 3 1 . Greift man auf Wortlaut, Funktion und Vorstellungen i m Pari. Rat zurück, so führt dies zu einer differenzierenden und damit wohl auch i m Ergebnis als besonders sachgerecht zu empfindenden Lösung. Man muß zwischen dem grundsätzlichen und dem sekundären Adressaten des Abwägungsgebotes unterscheiden. 28 Z u nennen ist hier insb. das U r t e i l i n RGZ 128, 18 ff. zur Freiflächenausweisung nach dem preuß. Fluchtliniengesetz von 1875. Die finanziellen K o n sequenzen dieser Entscheidung konnten erst durch die zweite Notverordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen v o m 5. 6.1931 (RGBl. I, S. 279) korrigiert werden. Das Reichsgericht hat später (RGZ 144, 325 ff.) die Konsequenzen seiner früheren Entscheidung selbst so geschildert: „Es k a n n keinem Zweifel unterliegen, daß zur Verhütung eines finanziellen Zusammenbruchs der Städte u n d die hieraus drohenden Gefahren f ü r die öffentliche Sicherheit u n d Ordnung ein schleuniges Eingreifen geboten war." 29 Hofacker, Die Auslegung der Grundrechte, 1931, S. 40, berichtet, daß allein die Stadtgemeinde B e r l i n durch die Fluchtlinienentscheidung des Reichsgerichts v o m 28. 2. 1930 m i t Entschädigungsprozessen i n Höhe von 300 M i l l i o n e n Reichsm a r k bedroht wurde. Durch Erstreckung auf andere Gemeinden wurde dieser Betrag nochmals vervielfacht. 30 Maunz, Dt. Staatsrecht, 19. Aufl., 1973, S. 186. 31 Vgl. BVerfGE 4, 219, 233 u n d 24, 367,419.
§ 7 Einzelfragen des Abwägungsschemas
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1. Der Grundadressat des Abwägungsgebotes ist der Gesetzgeber; er hat bei der gesetzlichen Entschädigungsregelung die Interessen der Betroffenen und der Allgemeinheit abzuwägen. Das folgt zunächst schon einmal aus dem klaren Wortlaut der—insoweit als Einheit anzusehenden — Regelung i n den Sätzen 2 und 3 des Art. 14 Abs. 3 GG. Nach der sog. Junktimklausel (Satz 2) ist dem Gesetzgeber die Aufgabe übertragen, das Ausmaß der Entschädigung zu bestimmen. Allein mit dieser Lösung w i r d man auch der Funktion der Abwägungsregel gerecht. Wenn das Grundgesetz i n der Entschädigungsfrage sich für einen Spielraum entschieden hat, dann würde die Übertragung der Abwägungsaufgabe auf die Gerichte als primäre Adressaten zu einer willkürlichen Inanspruchnahme dieser Flexibilität führen. Eine gleichmäßige Durchführung der Interessenabwägung wäre nicht gewährleistet. U m zufällige Einzelreduzierungen der Entschädigung zu verhindern, muß der Gesetzgeber die Abwägung vornehmen 32 . Wortlaut- und Funktionsauslegung decken sich m i t einem weiteren Auslegungsergebnis, nämlich der Sinnermittlung aus der historischen Sicht. Das Gebot der Interessenabwägung ist ja bewußt als verfassungsrechtliche Neuregelung gegen die Rechtsprechung des Reichsgerichts eingeführt worden. Diese Reichsgerichtsrechtsprechung war aber hauptsächlich nicht deshalb als untragbar erschienen, weil das Reichsgericht selbst keine Abwägung der Interessen bei der Gesetzesanwendung durchführte, sondern deshalb, weil es Entschädigungsregelungen des (Landes-) 33 Gesetzgebers für verfassungswidrig erklärte 3 4 . Das, was an der alten Reichsgerichtsrechtsprechung bei den Beratungen zum Grundgesetz so störte, war also die Beschränkung des gesetzlichen Entschädigungsspielraumes gewesen; es war nicht der Umstand, daß das Reichsgericht selbst keine aktive Entschädigungsreduzierung vornahm.
32 Hauke, Das Interessenabwägungsgebot, S. 37 f. w i l l offenbar auch die Verwaltungsbehörden i n verstärktem Umfang i n den Adressatenkreis des A b w ä gungsgebotes einbeziehen. Das begegnet größten Bedenken. Die Höhe der Enteignungsentschädigung muß f ü r die V e r w a l t u n g aufgrund der gesetzlichen Regelung zwar nicht unbedingt bestimmt, aber doch bestimmbar sein. Alles andere widerspricht nicht n u r der i n A r t . 14 Abs. 3 Satz 2 und 3 getroffenen Zuweisung an den Gesetzgeber; man bedenke auch, welche Quelle von Aushandlungs- u n d Korruptionsfällen sich eröffnet, wenn die V e r w a l t u n g nach ihren Abwägungsvorstellungen über die Geldbeträge entscheidet, die auszuzahlen sind. 33 F ü r den Reichsgesetzgeber galt dies j a nicht wegen des i n A r t . 153 Abs. 2 Satz 2 W R V enthaltenen Gesetzesvorbehaltes. 34 Vgl. insb. das U r t e i l i n RGZ 128, 18 ff.; auch RGZ 109, 310, 322 richtete sich direkt gegen den Gesetzgeber; letztere Entscheidung ließ die von Anschiitz (Komm, zur Reichsverf., A r t . 153 A n m . 5) gegebene Konstruktion außer acht, daß der Landesgesetzgeber über die „Angemessenheit" i n den i h m offen gebliebenen Regelungsbereichen zu entscheiden habe.
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I. A. Die Grundtendenz der Verfassungsentscheidung
2. Sekundärer Adressat des Abwägungsgebotes sind aber auch die Gerichte. D. h., daß das Abwägungsgebot auch von ihnen zu beachten ist und infolgedessen auch sie eine Interessenabwägung vorzunehmen haben. Nur sind Funktion und Reichweite der Adressatenrolle der Gerichte gegenüber derjenigen des Gesetzgebers verschieden. I n zweifacher Hinsicht kommt, obwohl der grundsätzliche Adressat des Abwägungsgebotes der Gesetzgeber ist, auch auf die Gerichte die Abwägungsrolle zu. aa) Ebenfalls Adressat des Abwägungsgebotes sind die Gerichte zunächst einmal aufgrund der ihnen zugewiesenen Prüfungsfunktion. Haben die Gerichte auch i n der Regel die Interessenabwägung nicht selbst durchzuführen, so haben sie doch die Aufgabe, die vom Gesetzgeber durchgeführte Interessenabwägung auf Einhaltung der vom Grundgesetz gezogenen Grenzen zu überwachen. Diese Prüfungsfunktion ergibt sich nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 35 zwar nicht aus der Rechtsweggarantie des A r t . 19 Abs. 4 GG, da die Gesetzgebung nicht zur öffentlichen Gewalt i. S. d. A r t . 19 Abs. 4 GG gehört 36 . Wohl aber folgt sie daraus, daß, wie oben nachgewiesen wurde, das Grundgesetz i n der Entschädigungsfrage eben — anders als die Weimarer Verfassung für Reichsgesetze — keinen totalen Spielraum i n der Entschädigungsbemessung gewährt hat. Würde man die Prüfungsfunktion der Gerichte verneinen, dann liefe dies auf die faktische Einräumung eines solchen Gesetzes Vorbehaltes hinaus. Als verfassungsrechtliche Grundlage der genannten Prüfungsfunktion und damit der sekundären Adressatenrolle auch der Gerichte w i r d man zum einen generell das Abwägungsgebot des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 3 GG ansehen müssen; diese Grundlage w i r d ergänzt durch die Rechtsweggarantie des Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG. bb) Neben der Prüfungsfunktion w i r d man aber i n begrenztem Umfang auch partiell eine originäre Abwägungsaufgabe der Gerichte selbst annehmen müssen. Worauf gründet sie sich und worin besteht sie? Die eigenständige Abwägungsfunktion der Gerichte bei der Rechtsprechung über Enteignungsentschädigungen gründet sich auf eine Aus35 BVerfGE 24, 33, 49; 24, 367, 401; 25, 352, 365. Das Bundesverfassungsgericht tendiert aber — sozusagen als Ausgleich — dahin, eigentlich der vollziehenden Gewalt zugehörige Maßnahmen n u r i n beschränktem Maße v o m Gesetzgeber durchführen zu lassen; vgl. hierzu insb. die Beschränkung der Zulässigkeit der Legalenteignung gegen den Wortlaut des Grundgesetzes i m hamburg. Deichu r t e i l E 24, 367, 401 f. 38 Die Frage w a r u n d ist auch heute noch stark umstritten; zum früheren Streitstand s. Dürig, i n : Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 19 Abs. 4, A n m . 31d); zu neueren Auffassungen u n d Einzelfragen s. die Ubersicht bei Schmidt-Bleibtreu / Klein, K o m m , zum GG, 3. Aufl. 1973, A r t . 19, Rdnr. 26.
§ 7 Einzelfragen des Abwägungsschemas
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legung des A r t . 14 Abs. 3 Satz 2 und 3 GG i m Wege der sog. teleologischen Reduktion 37. Die Zuweisung der Abwägung als Pflichtaufgabe an den Gesetzgeber hat, wie erwähnt, ihre Begründung darin, daß nur so ein diffuses, zu willkürlichem Abweichen von der Verkehrswertbindung führendes Gebrauchmachen des Entschädigungsspielraumes des Grundgesetzes vermieden wird. Hinzu kommt, daß nach dem Gleichheitssatz des A r t . 3 Abs. 1 GG teilweise die Abkehr vom Verkehrswert nur zulässig ist, sofern der Gesetzgeber sog. „flankierende Maßnahmen" anordnet 38 . Entfallen i n Teilbereichen des Enteignungsrechts solche Generalisierungs- und Flankierungsaufgaben, so ist es das Recht, ja die Pflicht der Gerichte, selbst eine Abwägung der Interessen i m Sinn des Art. 14 GG vorzunehmen. Diese beschränkte Zuerkennung einer originären Abwägungsdurchführung durch die Gerichte widerstreitet auch nicht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Junktimklausel. Nach Auffassung des BVerfG sind es zwei Gründe, die die Zuweisung der Adressatenrolle der Abwägung an den Gesetzgeber tragen: Zum einen sind die Gerichte nicht befugt, gesetzesvertretend die Entschädigung zu bestimmen; zum andern sind sie nicht befugt, gesetzesderogierend sich über den Willen des Gesetzgebers hinwegzusetzen und eine andersartige Entschädigung festzusetzen 39 . Beides ist, wenn man i m Wege teleologischer Reduktion eine begrenzte Eigenabwägung der Gerichte i m beschriebenen engem Umfang zuläßt, weiterhin ausgeschlossen. Wie w i r k t sich i n der Praxis diese eng begrenzte originäre Eigenabwägung der Gerichte aus? Hierzu n u r ein Beispiel. Einen solchen Anwendungsfall stellt die i n der neuen Entscheidung des Bundesgerichtshofs v o m 25. 1. 1973 vorgenommene Entschädigungsreduzierung dar 4 0 . Es ging hier u m die Enteignungsentschädigung wegen Untersagung von Kiesabbau. Der B G H bejahte zunächst die Frage, daß überhaupt eine Enteignung vorlag. Das ist durchaus zweifelhaft; nach Auffassung des B G H reicht es zur Annahme einer Enteignung schon aus, daß eine „wirtschaftlich vernünftige Nutzung" des Grundstücks verwehrt w i r d , die unmittelbar bevorsteht 4 1 . Die folgende Durchführung einer eigenen, d. h. gerichtlichen Abwägung der Interessen ist aber korrekt i m Sinn der oben angegebenen teleologischen Reduktion. Der B G H geht davon aus, daß die Abwägung der Interessen des Grundstückeigentümers u n d der Träger der Wasserversorgungsanlagen (als Repräsentant der Allgemeinheit) eine erhebliche Reduzierung der Enteignungsentschädigung erzwingt: Wenn die Kiesgewinnung nicht untersagt worden wäre, hätte der Kläger gewichtige Auflagen ohne jede Entschädigung erfüllen müssen; das hätte nach Auffassung des 37 Dazu immer noch am eingehendsten Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl., 1969, S. 369 ff. 38 Dazu unten § 27. 39 Vgl. BVerfGE 4, 219, 230 ff. 40 W M 1973, S. 416 ff. 41 W M 1973, S. 419. Eingehende K r i t i k dieser Position unten i n § 19 I I 4 (Interessenabwägung) u n d § 27 I V 1 (Gleichheitssatz).
5 Opfermann
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I. A. Die Grundtendenz der Verfassungsentscheidung
Gerichts zu einer Minderung des Reinertrags u m etwa 75 °/o geführt. Diese 75 % waren nach dem B G H - U r t e i l von der Enteignungsentschädigung abzuziehen. Die Inanspruchnahme der eigenen Abwägungskompetenz des Gerichts w a r i n diesem F a l l i n der Tat problemlos. Willkürlichkeiten i n der Reduzierung der Verkehrswertentschädigung traten nicht auf, w e i l die konkrete Sachsituation (Kosten der hypothetisch angenommenen Auflagenpraxis) bereits den festen Entschädigungsrahmen angab. M a n kann auch nicht sagen, daß (i. S. d. J u n k timrechtsprechung des BVerfG) hier das Gericht seine Auffassung an die Stelle des Gesetzgebers gerückt hätte. Denn die den vorliegenden F a l l charakterisierende Sonderlage hatte der Gesetzgeber m i t Sicherheit nicht bedacht. V I . Zusammenfassung
Fassen w i r das Ergebnis der Untersuchung zu Unterfragen der Anwendung des Abwägungsgebotes zusammen, so lassen sich als Hilfen für die Konkretisierung des Abwägungsgebotes die folgenden präzisierenden Leitlinien aufstellen: 1. Das „Interesse der Allgemeinheit" i. S. der Abwägungsregelung ist das finanzielle, insb. fiskalische Interesse an der Verhinderung ungerechtfertigt hoher Entschädigungsbelastungen. 2. Unter dem „Beteiligten" i. S. d. Abwägungsgebotes ist der von dem Eingriff jeweils Betroffene zu verstehen. 3. Allgemeine Kriterien für die Frage, wie die Abwägung der Interessen vorzunehmen ist und wann sie als gerecht anzusehen ist, lassen sich weder aus dem objektiven Verfassungstext noch aus den Beratungen entnehmen. Ein Indiz für die Gerechtigkeit der Entschädigungsbestimmung i m Sinn des Grundgesetzes ist darin zu sehen, daß das Grundgesetz insb. zu einer Entlastung der öffentlichen Hand i m Bereich der Bodenordnung tendiert. Die Gleichheitsproblematik kann ferner jedenfalls nicht als der nach dem Grundgesetz dominierende Gerechtigkeitsfaktor angesehen werden. 4. Hauptadressat des Abwägungsgebotes ist der Gesetzgeber. Die Gerichte sind zum einen zusätzliche Adressaten des Abwägungsgebotes i m Rahmen der ihnen zukommenden Prüfung von Entschädigungsgesetzen auf ihre Verfassungsmäßigkeit; zum anderen muß ihnen i m Wege teleologischer Auslegung eine begrenzte originäre A b wägungsaufgabe eingeräumt werden.
Β. Methodenkritische Untersuchung der bisherigen Behandlung des Abwägungsgebotes § 8 D i e spezifische Fragestellung der Methodenanalyse I . Die Ausgangslage der Fragestellung
Das Ergebnis des ersten Abschnittes der Untersuchung zum Gehalt der Entschädigungsbestimmung i m Grundgesetz bestand darin, daß eigentlich kaum interpretatorische Argumente dafür angebbar sind, daß die Verfassung i n A r t . 14 GG dem Gesetzgeber ein striktes Gebot der Verkehrswertentschädigung auferlegt. Eine Fülle von Argumenten spricht vielmehr für eine bewußt eingeräumte Entschädigungsflexibilität. Angesichts dieses Befundes ist frappierend, daß langjährig i m Schrifttum die herrschende Meinung die Auffassung von der generellen Verkehrswertbindung vertreten hat. I n der Rechtsprechung war die Lage bis zum hamburg. Deichurteil anders. Der Bundesgerichtshof vertrat, wie i m einzelnen noch zu zeigen sein wird, i n ständiger Rechtsprechung ebenfalls die Grundposition der Verkehrswertbindung. Demgegenüber hatte das Bundesverwaltungsgericht, wie wenig bekannt, in einigen Entscheidungen ganz ausdrücklich einen Entschädigungsspielraum des Gesetzgebers angenommen 1 . Freilich ist hierbei zu berücksichtigen, daß nach der Rechtweggarantie des Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG die Höhe der Entschädigung für Enteignungen ja allein zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört 2 . 1 Die Entscheidungen des BVerwG, i n denen explizit gegen die sich verfestigende herrschende Meinung ein Entschädigungsspielraum des Gesetzgebers angenommen wurde, sind der Beschluß vom 3. 5. 1956 u n d das U r t e i l v o m 27. 2. 1957; sie sind wiedergegeben bei Buchholz, 424.10 Südd. Bodenreform, Allg. Nr. 3, S. 10 f. und Buchholz, 406.18 § 12 Hess. Aufbaugesetz Nr. 1 S . 2 = DVB1. 1957, S. 541, 42. I n der ersten Entscheidung nahm das Gericht sogar an, daß die Entschädigung i n Höhe des vollen Marktwertes eher als Ausnahme anzusehen sei. Beide Entscheidungen sind i n den Kommentaren zum Grundgesetz praktisch nicht zu finden. 2 Diese Kompetenzgarantie geht interessanterweise auf die i n der Entschädigungsfrage unterlegene Minderheit der Anhänger der strikten Verkehrswertentschädigung zurück: erst ganz zum Schluß, als diese sahen, daß sie die Orientierung an der „angemessenen" Entschädigung nicht als Grundgesetzbestimm u n g durchsetzen konnten, setzten sie die Rechtsweggarantie des A r t . 14 Abs. 3 Satz 4 GG durch; das führte also i m praktischen Ergebnis zu einem Sieg der Minderheit, da j a der B G H langjährig die Auffassung von der „angemessenen" Entschädigungspflicht vertreten u n d damit ζ. B. i n erheblichem Umfang die Beratungen zum Bundesbaugesetz beeinflußt hatte. 5*
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I. Β . Die bisherige Behandlung des Abwägungsgebotes
Praktische Bedeutung hat daher, bis zum hamburg. Deichurteil des BVerfG, nur die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gehabt. Es erhebt sich die Frage, wie es dazu kommen konnte, daß eine verfassungsrechtliche Regelung, die nachweisbar 1949 als eine entschiedene Neufassung und Absetzung von den Entschädigungsverpflichtungen des klassischen Enteignungsrechts und der vom Reichsgericht zur Weimarer Verfassung vorgenommenen Auslegung i n das Grundgesetz eingefügt wurde, über so lange Jahre keine Relevanz entfaltete. J. Schulthes hatte i n seiner vielbeachteten, aber wirkungslos gebliebenen Untersuchung i m Jahre 19653 dies damit zu erklären versucht, daß durch die Fixierung auf den Gleichheitssatz die Interessenabwägung praktisch beseitigt wurde 4 . Damit ist sicher ein wesentlicher Erklärungsfaktor erfaßt. Doch liegen die Dinge komplizierter. Der Gleichheitssatz führt — jedenfalls wenn man aus i h m nicht mehr an Bindungswirkung herleitet als bei der Regelung sonstiger Materien durch den Gesetzgeber — keineswegs zu einer Verdrängung der Interessenabwägung. Das w i r d weiter unten i m einzelnen noch aufzuzeigen sein (vgl. §§25 ff.). Eine ausreichende Erklärung erhält man erst dann, wenn man untersucht, wie die bis zum hamburg. Deichurteil vorgetragenen Auffassungen methodisch m i t dem Interessenabwägungsgebot verfahren sind. Untersuchungsgegenstand der folgenden beiden §§ 9 und 10 ist daher eine kritische Methodenanalyse der Stellungnahmen der Staatsrechtswissenschaft einerseits und der Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes andererseits. Bei der Methodenanalyse müssen wir, was die Äußerungen der Staatsrechtswissenschaft angeht, die Untersuchung gegenständlich beschränken. W i r können nicht alle (außerordentlich zahlreichen) Äußerungen der Literatur zur Entschädigungsfrage erfassen. W i r werden den Schwerpunkt der Analyse daher mehr darauf legen, die ihrem Einfluß nach vermutlich wichtigsten Stellungnahmen daraufhin zu untersuchen, wie das Abwägungsgebot i n ihnen behandelt wurde. I I . Zum Verhältnis von Rechtsprechung und Rechtswissenschaft in der Methodenanalyse
Die Weichen zur Rückkehr auf die alte Grundposition der generellen Verkehrswertbindung wurden — das gilt für Rechtswissenschaft und BGH-Rechtsprechung gleichermaßen — i n den ersten zehn Jahren nach Inkrafttreten des Grundgesetzes gestellt. Sowohl i n der Rechtswissenschaft wie i n der BGH-Rechtsprechung wurde die Beantwortung der 3 Schulthes, Die Höhe der Enteignungsentschädigung v o m Preuß. Enteignungsgesetz bis zum Bundesbaugesetz, 1965. 4 Schulthes, S. 67 ff.
§ 8 Die spezifische Fragestellung der Methodenanalyse
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Frage nach der vom Grundgesetz zwingend gebotenen Entschädigungshöhe i n spezifischer Form geführt; sie erfolgte durchweg i n Auseinandersetzung mit dem Begriff der „angemessenen" Entschädigung i m Sinn der Reichsgerichtsrechtsprechung zu Art. 153 Abs. 2 WRV. Letztere war aber zu einem Synonym der Verpflichtung zur Entschädigung i n Höhe des Marktwertes geworden. Die Methodenanalyse muß sich dem anpassen; sie untersucht daher, wie die Rückkehr zur „angemessenen" Entschädigung (Entschädigungspfiicht i n Höhe des gemeinen Wertes) aus dem Grundgesetz begründet wurde. Bevor i m einzelnen die Stellungnahmen i n der Literatur und i n der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes untersucht werden, erhebt sich die Frage, wie der Anteil beider an der Verursachung der bisher eingetretenen Entwicklung gewertet werden kann. Es liegt nahe, den Schwerpunkt hier i n der Behandlung des Entschädigungsspielraumes des Gesetzgebers durch die Rechtsprechung zu sehen. Allein eine solche Betrachtungsweise wäre nach Auffassung des Verfassers zu einseitig. Wenn auch i n den unmittelbaren Auswirkungen der Schwerpunkt i n den Entscheidungen der Rechtsprechung gesehen werden muß, k o m m t doch der Berücksichtigung der Stellungnahmen der Rechtswissenschaft zur Entschädigungsregelung des Grundgesetzes mittelbar ebenfalls eine sehr bedeutsame Rolle zu. Sie gründet sich zum einen i n der allgemeinen Tatsache, daß die Rechtsprechung ohnehin bei der Interpretation nicht eindeutiger normativer Regelungen auf die Meinungen der L i t e r a t u r zurückgreift u n d diese daher i n die gerichtlichen Entscheidungen einfließen 5 . I m Bereich der Konkretisierung des Abwägungsgebotes des A r t . 14 I I I S. 3 GG k a m der Rechtswissenschaft aber eine w o h l gesteigerte Rolle der mittelbaren Einflußnahme zu. U m diese Rolle verstehen zu können, muß m a n sich die Differenz k l a r machen zwischen dem, was die Rechtswissenschaft bei der Aktualisierung des Abwägungsgebo-
tes hätte leisten können und dem, was sie tatsächlich geleistet hat.
Gehen w i r von dem hypothetischen Fall aus, die Rechtswissenschaft hätte die Regelung des A r t . 14 I I I S. 3 GG i n ihrer überwiegenden Mehrheit schon vor 20 Jahren als das angesehen, als was sie nach dem Interpretationsbefund angesehen werden muß, nämlich als bewußte Absetzung vom starren Gebot des Verkehrswertes, so hätte die Behandlung der Entschädigungsregelung des Grundgesetzes durch die Rechtswissenschaft zwei grundlegende Unterschiede zum tatsächlichen Verlauf nehmen können.
5
Vgl. hierzu insb. die ausführliche Auseinandersetzung des B G H m i t der bis dahin erschienenen L i t e r a t u r zur Entschädigungsfrage i n B G H Z 19, 129, 144. Dieser Entscheidung kam, w i e unten i n § 10 I I näher dargelegt, eine gewisse Weichenstellung innerhalb des Entschädigungsrechts zu, da hier die ausführlichste Auseinandersetzung m i t andersartigen Meinungen, zugleich aber auch die letzte grundsätzliche Erörterung der Frage stattfand, ob das Grundgesetz eine generelle Verkehrswertentschädigung gebietet.
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I. Β. Die bisherige Behandlung des Abwägungsgebotes
Die Konkretisierungsfunktion Der erste wichtige Unterschied zur tatsächlich eingetretenen Entwicklung hätte darin bestehen können, daß die Rechtswissenschaft die Aufgabe i n Angriff genommen hätte, die sich unmittelbar aus der Änderung des Entschädigungsparameters i n der Neufassung des A r t . 14 I I I S. 3 GG ergab. Diese Aufgabe bestand darin, das Gebot der Abwägung so zu aktualisieren, daß für die einzelnen Fallgruppen von enteignenden Eingriffen (in dem weiten heute angewendeten Sinn) jeweils ausreichend präzis hätte ermittelt werden können, welche Zurechnungsgesichtspunkte für die Interessen der Betroffenen und der Allgemeinheit jeweils geltend gemacht werden konnten und welche Rechtsfolgen aus der Abwägung dieser Zurechnungsgesichtspunkte für die einzelnen Sachbereiche zu ziehen waren. Diese Konkretisierungsarbeit war von der Verfassung her gerade der Rechtswissenschaft aufgegeben, weil die verfassungsrechtliche Regelung selbst ja nur ein Schema festgesetzt hatte, infolgedessen erst durch Konkretisierung dieses Schemas und Übertragung seiner Rechtsfolgen auf die einzelnen Sachbereiche des Enteignungsrechts das Abwägungsgebot unmittelbare rechtliche Relevanz bekam 6 . Hierbei w a r die Rechtsprechung deshalb i n besonderer Weise auf die M i t w i r k u n g der Rechtswissenschaft angewiesen, w e i l es sich bei der Abwägungsregelung j a u m eine verfassungsrechtliche Neuschöpfung handelte, die Rechtsprechung also nicht — w i e es der Bundesgerichtshof tatsächlich dann doch getan hat — zulässigerweise auf die überkommenen Entscheidungsschemata des Reichsgerichts zurückgreifen konnte 7 .
Hätte die Rechtswissenschaft diese Konkretisierungsaufgabe gelöst, so hätte dies bedeutet, daß die Gerichte auf entwickelte Konkretisierungsmodelle hätte zurückgreifen können. Solche Modelle lagen aber, wie anschließend gezeigt wird, außer einigen unzureichenden Aktualisierungen des Abwägungsgebotes 8 kaum vor. Die Annahme ist plausibel, daß auch die Behandlung des Abwägungsgebotes des Art. 14 I I I S. 3 GG durch die Gerichte, insbesondere durch den Bundesgerichtshof, eine gänzlich andere Entwicklung hätte nehmen können, wenn die Gerichte β M a n muß sich vergegenwärtigen, daß die Konkretisierung schwerlich vom Verfassunggeber i n den Beratungen des Pari. Rates selbst geliefert werden konnte. Bei einer Verfassungsberatung können nur Grundlinien des Gehalts von Verfassungsnormen angegeben werden; ein differenziertes ausgebautes System der Konkretisierung muß dann v o n Rechtswissenschaft u n d Rechtsprechung entwickelt werden. 7 Diese Sicht w i r d offenbar auch neuerdings v o m Bundesgerichtshof selbst geteilt; vgl. dazu F. Kreft, Die Bemessung der Enteignungsentschädigung i n der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, DRiZ 1973, S. 335: „ I m Grundgesetz — GG — (Art. 14 Abs. 3) u n d i n sonstigen einschlägigen Gesetzen . . . finden sich n u r sehr allgemeingehaltene Bestimmungen über die Höhe der E n t eignungsentschädigung. Auch die Rechtslehre hat sich der (Enteignungs-) Entschädigungsproblematik n u r sehr wenig angenommen, so daß die Rechtsprechung w e i t h i n auf sich selbst gestellt ist."
§ 9 Methodische Behandlung der Abwägung i. d. Hechts Wissenschaft
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durch solche rechtswissenschaftlichen Vorarbeiten zu einem Teil i n ihrer Entscheidungsfindung entlastet worden wären. Die kritische Kontrollfunktion
der Rechtswissenschaft
Selbst wenn es nicht soweit gekommen wäre, daß die Rechtswissenschaft konkrete Abwägungsmodelle als Konkretisierung des Gebots des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG entworfen hätte, sie aber wenigstens doch i n ihrer Mehrheit den Schluß gezogen hätte, daß der Verfassungsgeber sich bewußt von dem Gebot der angemessenen d. h. Verkehrswertentschädigung gelöst hat, hätte dies insofern Auswirkungen gehabt, als jedenfalls die A r t und Weise, i n der die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sich über das Abwägungsgebot des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG hinweggesetzt hat (nämlich, wie unten i n § 10 dargelegt wird, praktisch durch einfaches Nichtentscheiden der Grundfrage des Gehalts des Abwägungsgebotes) auf erhebliche rechtswissenschaftliche K r i t i k gestoßen wäre. Die Beeinflussung der Rechtsprechung durch die Rechtswissenschaft hätte also den umgekehrten Weg nehmen können i m Vergleich zur tatsächlichen Entwicklung: Statt durch faktische Gleichsetzung der Regelung des A r t . 14 I I I S. 3 GG m i t dem „Angemessenheits"-Gebot des Art. 153 WRV die Rechtsprechung darin zu bestätigen, einen gegen die verfassungsrechtliche Regelung laufenden Weg einzuschlagen, hätte die Rechtswissenschaft zumindest darauf hinweisen können, daß die vom Bundesgerichtshof aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG gezogenen Schlußfolgerungen für die Höhe der Entschädigung als gegen Wortlaut und Sinn der verfassungsrechtlichen Regelung verstoßend angesehen werden müssen. § 9 Z u r methodischen Behandlung des Abwägungsgebotes i n der Rechtswissenschaft I. Die drei Hauptgruppen von Stellungnahmen
Da bei der methodischen Faktorenanalyse das Ziel der Untersuchung darin besteht, nicht nur den Stand der Meinungen i n der Literatur als solchen festzuhalten, sondern zu ergründen, wie methodisch zu erklären ist, daß die jeweiligen Auffassungen das Abwägungsgebot praktisch nicht für relevant hielten, richtet sich das Hauptaugenmerk der Untersuchung darauf, die A r t und Weise des Rückgriffs auf die 8 Eine Mindermeinung hatte früher bekanntlich, gestützt gerade auf die noch frische Kenntnis der entschiedenen Ablehnung der „angemessenen" E n t schädigung, das Abwägungsgebot dadurch aktualisiert, daß sie dem Gesetzgeber einen Entschädigungsspielraum zubilligte. Z u der unzureichenden Weise, i n der dies aber geschah, s. anschließend § 9 I V .
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I. Β . Die bisherige Behandlung des Abwägungsgebotes
Verfassung genauer zu analysieren. Hierbei ist es zweckmäßig, die einzelnen Äußerungen i n der Literatur zur Entschädigungsfrage, soweit es möglich ist, in sich deckenden Sachgruppen zusammenzufassen, um den Uberblick über die einzelnen Stellungnahmen nicht zu verlieren. Analysiert man die zahlreichen Stellungnahmen i n der Rechtsliteratur zur verfassungsrechtlichen Regelung der Enteignungsentschädigung, so zeigt sich, daß w i r neben einer Mindermeinung, die das Abwägungsgebot des A r t . 14 I I I S. 3 GG tatsächlich aktualisiert hatte (wenn auch unzureichend), innerhalb der ganz herrschenden Meinung, die das Abwägungsgebot praktisch nicht berücksichtigte, zwei Hauptgruppen unterscheiden müssen. Der Unterschied zwischen beiden besteht darin, ob das Abwägungsgebot überhaupt als relevant angesehen wurde oder nicht. Insgesamt erhalten w i r demnach die folgenden drei Hauptgruppen von Meinungen: a) Gruppe der „reinen Fortführungstheorie" I n dieser Gruppe fassen w i r alle diejenigen Stellungnahmen zusammen, die die veränderte verfassungsrechtliche Regelung gegenüber der Weimarer Reichsverfassung nicht einmal i n ihrer N a t u r als neuartige N o r m zur Kenntnis nahmen, sondern einfach i n der Weise vorgingen, als sei gar keine andere als die zu Weimar geltende Verfassungsbestimmung getroffen worden. b) Gruppe der „praktischen Fortführungstheorie" Unter dieser Bezeichnung fassen w i r alle diejenigen Stellungnahmen zusammen, die zwar bei der Interpretation des Grundgesetzes „ a n sich" zu dem E r gebnis kamen, der Gesetzgeber habe eine neue Regelung getroffen, i n der Sache aber nicht n u r gleichwohl v o m generellen Gebot der Verkehrswertentschädigung ausgingen u n d damit die Angemessenheitsregelung fortführten, sondern i n den Auswirkungen (so insbesondere f ü r das praktisch vorwiegend bedeutsame Bodenrecht) infolge der inzwischen eingetretenen Entwicklung K o n sequenzen zogen, die w o h l diejenigen der Rechtsprechung des Reichsgerichts noch übertreffen. c) Gruppe der Spielraumtheorie: Z u dieser Gruppe gehören alle Stellungnahmen, welche, gestützt auf das Abwägungsgebot, zu dem Ergebnis kamen, daß der Gesetzgeber bei der Bemessung der Enteignungsentschädigung einen Spielraum i n der Weise besitzt, daß grundsätzlich u n d nicht n u r i n Ausnahmefällen die Entschädigung nicht am Verkehrswert orientiert sein muß.
Bei der Analyse der einzelnen Stellungnahmen i n der Literatur werden wir, um i n möglichst genauer Weise erklärbar zu machen, warum die Abwägungsregel keine praktische Wirkung gehabt hat, jede einzelne Gruppe für sich untersuchen. Bei der Einordnung der Auffassungen der Literatur i n die drei unterschiedenen Hauptgruppen werden w i r Grenzfälle, also Stellungnahmen, die zwischen den drei Hauptgruppen stehen, derjenigen Gruppe zuordnen, der sie nach Auffassung des Verfassers am nahesten kommen.
§ 9 Methodische Behandlung der Abwägung i. d.
echtsissenschaft
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I I . Stellungnahmen der „reinen Fortführungstheorie"
Die Anzahl derjenigen Autoren, die die Auffassung vertreten oder vertreten haben, das Grundgesetz führe unmittelbar die Angemessenheitsregelung des A r t . 153 WRV (selbstverständlich ohne den dort enthaltenen Gesetzesvorbehalt) fort, wurde, nachdem i n Bd. 1 des Jahrbuchs des öffentlichen Rechts der Verlauf der Beratungen i m Pari. Rat dargestellt war, relativ gering 1 . Man w i r d aber sagen müssen, daß gerade Vertreter dieser Auffassung die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes maßgeblich beeinflußt haben. Die von diesen Autoren vertretene These, das Grundgesetz führe i n Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG die Angemessenheitsregelung des A r t . 153 WRV fort, ist, wie mehrfach ausgeführt wurde, rechtswissenschaftlich nur schwer haltbar, weil kaum Interpretationselemente aus A r t . 14 angeführt werden können, die diese These stützen, umgekehrt vielmehr praktisch alle Interpretationselemente gegen eine Fortführung des Gebots der angemessenen Entschädigung sprechen. Man fragt sich damit natürlich, inwieweit die Vertreter dieser Lehre ihre Auffassung an der grundgesetzlichen Regelung des Entschädigungsmaßes abgestützt haben. Die genauere Analyse ergibt, daß diese Auffassung der reinen Fortführungstheorie überhaupt nicht als an Art. 14 GG orientiert angesehen werden kann. U m diese Behauptung zu belegen, sei i m folgenden eine detaillierte Analyse derjenigen Stellungnahmen gegeben, die vermutlich von allen Vertretern dieser Auffassung den größten Einfluß auf die Bildung der herrschenden Meinung zur Entschädigungsfrage ausgeübt haben. Dies sind die früheren Stellungnahmen von Forsthoff , Giese und W. Weber. Die Stellungnahme
von Forsthoff
Ausgangspunkt Forsthoffs bei seiner Stellungnahme zur Entschädigungsregelung des Grundgesetzes 2 ist die Feststellung, daß Art. 153 WRV die angemessene Entschädigung, d. h. die Garantie des vollen 1 Z u nennen sind hier insb. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1, Allg. Teil, soweit ersichtlich konstant von der 2. Auflage an; vgl. z. B. 9. A u f l . (1966), S. 324; Giese, Enteignung u n d Entschädigung, S. 32 u n d ders., Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik, A r t . 14, Erläut. (soweit ersichtlich i n allen A u f lagen); Hamann, Rechtsstaat u n d Wirtschaftslenkung, S. 92 f.; Ipsen, Enteignung u n d Sozialisierung, V V D S t R L H. 10 (1952), S. 98; E. R. Huber , Wirtschaftsverwaltungsrecht, 2. Aufl., Bd. 2, S. 56; i m Grundsatz auch Ehrenforth , E n t eignungsentschädigung u n d Bodenreform, Deutsche Rechtszeitschrift 1949, S. 270 ff. u n d ders., Die Enteignungsentschädigung nach A r t . 14 GG, DVB1.1950, S. 266 ff., 169. Zumindest nahe an die reine Fortführungstheorie k a m W. Weber, Eigentum und Enteignung, i n : Neumann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 2,1954, S. 388 ff. 2 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, z.B. 2. Aufl. (1951), S. 261; 9. Aufl. (1966), S. 324.
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I. Β. Die bisherige Behandlung des Abwägungsgebotes
Vermögenswertes gewährleistete. Der Verfasser fährt fort: „Daran hat Art. 14 GG nichts geändert. Die ,unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten 4 bestimmte Entschädigung ist die angemessene Entschädigung i. S. des Art. 153 I I Weim. Verf." Sucht man nach einer Begründung für diese Behauptung, so zeigt sich: Eine Abstützung an Art. 14 I I I S. 3 GG w i r d nicht gegeben. Weder w i r d auf die i n Art. 14 I I I S. 3 GG ausdrücklich angeführte und neuartige zweite Komponente (Einbezug der Interessen der Allgemeinheit) überhaupt eingegangen noch w i r d die Tatsache berücksichtigt, daß die Regelung des A r t . 14 I I I S. 3 GG nach der Entwicklung der Beratungen i m Pari. Rat zu einer der entschiedensten Absetzungen von der Weimarer Regelung gehörte. Statt dessen findet sich nur die folgende Begründung: „Entsprechend der Garantiefunktion des A r t . 14 GG bezeichnet die i n i h m vorgeschriebene Entschädigung (d. h. also: die Entschädigung nach dem vollen Verkehrswert) 3 eine Mindestgrenze..." Dieser Satz ist freilich keine Begründung für die gezogene Rechtsfolge, sondern allenfalls eine Erklärung dafür, wieso der Autor die Fortführung der Regelung von Weimar von seinem persönlichen Standpunkt aus begrüßt: Denn welche Garantiefunktion das Grundgesetz enthält, kann ja erst aus der spezifischen verfassungsrechtlichen Regelung ermittelt werden, nicht aber umgekehrt kann diese Regelung durch eine i m Wege subjektiver Setzung erfolgte Postulierung der Garantiefunktion verdrängt werden. Die Stellungnahme
von Giese
I n der für die Konkretisierung der Entschädigungsregelung des A r t . 14 Abs. 3 S. 3 GG außerordentlich bedeutsamen Schrift „Enteignung und Entschädigung früher und heute" kommt Giese bei der „Hauptfrage nach dem Ausmaß der Entschädigung" 4 zu dem Ergebnis, daß „die Wortfassung i n A r t . 14 GG, äußerlich auf Interessenausgleich hinweisend, sachlich nicht als Modifikation der „Angemessenheit" der Entschädigung, sondern nur als gleichgerichtete, den Begriff der Angemessenheit lediglich näher erklärende Wendung aufgefaßt werden (darf)". Daran schließt sich die erstaunliche Wendung an: „ M i t anderen Worten: Das Grundgesetz hat i n A r t . 14 das bisherige Recht inhaltlich nicht geändert, das Gebot angemessener Entschädigung nicht gemindert oder abgeschwächt, sondern mit anderen Worten neu ausgesprochen, lediglich konkreter (sie!) gefaßt 5 ." Diese Ausführungen bewegen sich, man kommt wohl kaum um diese Feststellung herum, i m Rahmen reiner Setzung und 3
Ergänzung von m i r . Giese, Enteignung u n d Entschädigung, S. 30. 5 S. 32; der Sache nach ebenso Ipsen, Enteignung u n d Sozialisierung, W D S t R L H. 10, S. 74 ff., 98. 4
§ 9 Methodische Behandlung der Abwägung i. d.
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lassen j e d e n R ü c k g r i f f a u f die V e r f a s s u n g selbst vermissen. D e m e n t sprechen sonstige S t e l l u n g n a h m e n des A u t o r s a n a n d e r e r S t e l l e 6 . Sind schon diese Stellungnahmen des Verfassers methodisch unzulänglich, so w i r d das Verfahren k a u m noch vertretbar, wo Giese ausdrücklich die Beratungen des Pari. Rates verwendet. So w i r d i m Kurzkommentar des Verfassers ausdrücklich zur Begründung auf die Darstellung der Beratungen des Pari. Rates i n Bd. 1 JöR hingewiesen, obwohl diese Darstellung nachweislich, wie oben i n § 4 I I eingehend dargelegt, zeigt, daß sich der Pari. Rat bewußt von der Angemessenheitsregelung distanzierte 7 . D i e B e g r ü n d u n g , m i t der v o n Giese die F o r t f ü h r u n g d e r Angemessenh e i t s r e g e l u n g des A r t . 153 W R V v e r t r e t e n w u r d e , k a n n d a h e r o b j e k t i v n u r als schlichtes Außerachtlassen d e r tatsächlichen B e g e b e n h e i t e n a n gesehen w e r d e n 8 . Die Stellungnahme
von W. Weber in „Eigentum
und
Enteignung"
A l s d r i t t e s B e i s p i e l e i n e r w i c h t i g e n S t e l l u n g n a h m e z u m G e h a l t des A b w ä g u n g s g e b o t e s , die die „ r e i n e F o r t f ü h r u n g s t h e o r i e " v e r t r i t t oder doch i h r z u m i n d e s t nahe k o m m t , sei die B e h a n d l u n g d e r R e g e l u n g des A r t . 14 A b s . 3 Satz 3 G G i n der K o m m e n t i e r u n g der verfassungsrechtlichen Regelung v o n „ E i g e n t u m u n d Enteignung" i n der gleichnamigen D a r s t e l l u n g W . Webers i m H a n d b u c h der G r u n d r e c h t e , B d . 2, 1954 a n geführt. 6 So Giese, Z u r Frage nach der Enteignungsentschädigung nach dem Bonner Grundgesetz, N J W 1950, S. 290 ff. Differenzierter aber noch ders., Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik, Komm., 1. Aufl. 1949, A r t . 14 Erl. I I 5, wo n u r festgestellt w i r d , daß „jedenfalls eine Entschädigung des Betroffenen" geboten ist. 7 Vgl. z. B. Giese, Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik, 4. Aufl. (1955), A r t . 14 Erl. I I 8; so auch noch neuerdings Schunck, in: Giese/Schunck, Grundgesetz für die Bundesrepublik, 8. Aufl. (1970), A r t . 14 Erl. 8 m i t dem verblüffenden E r gebnis, daß auf die abweichende neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 24, 367 ff.) zwar verwiesen w i r d , zugleich aber der v ö l l i g den Sachverhalt verkehrende Hinweis auf die Darstellung i n JöR Bd. 1, S. 144 ff. aufrechterhalten bleibt. 8 Spätestens seit Erscheinen der Darstellung des Beratungsverlaufs i n JöR Bd. 1, S. 149 ff. i m Jahre 1952 w a r ganz offenkundig, daß die „angemessene" Entschädigung jedenfalls nicht aus subjektiver Sicht des Pari. Rates übernommen werden sollte; vgl. auch die ausführliche Darstellung der Entstehungsgeschichte des Interessenabwägungsgebotes bei Kimminich, Bonn. Komm., Zweit bearb., A r t . 14, vor den Erläuterungen. Auch w e n n man den sog. subjektiven Auslegungselementen bei der Verfassungsinterpretation keine wesentliche Bedeutung zumißt, hätte doch i m Laufe der Zeit eine K o r r e k t u r der Darstellung erfolgen müssen. Die Stellungnahme von Giese i n der Entschädigungsfrage w a r gerade f ü r die Weichenstellung der BGH-Rechtsprechung von besonderer Bedeutung: Wie unten i n § 10 dargelegt, hat sich der B G H — bis auf die neue Entwicklung nach dem hamburg. Deichurteil des BVerfG — letztmals i n B G H Z 19, 139 ff. grundsätzlich m i t dem Verhältnis von A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG zur „angemessenen" Entschädigung befaßt; zur Bestätigung seiner Auffassung verwies der B G H insb. auch auf die Meinung von Giese und darauf, daß dessen Auffassung sich ebenfalls auf die Verhandlungen des Pari. Rates stütze.
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I. Β. Die bisherige Behandlung des Abwägungsgebotes
I n „Eigentum und Enteignung" ist die Orientierung an dem jeweiligen Verkehrswert strikt als Entschädigungsminimum nach A r t . 14 GG postuliert 9 . Wie kommt es zu diesem Ergebnis? Es w i r d zunächst durchaus eingeräumt, daß der Wortlaut des Grundgesetzes gegen die Fortführungsthese spricht; weiter w i r d ausgeführt, daß auch der Beratungsverlauf i m Pari. Rat gegen diese These spricht 10 . Die Argumente, die daraufhin für die Fortführung des Gebots der generellen Verkehrswertentschädigung gebracht werden, sind hauptsächlich solche subjektiver, dem früheren Enteignungsrecht entlehnter rechtspolitischer Überzeugung; nicht aber solche, die aus der Regelung des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG herleitbar sind. Es ist — um das Eingangsmotto von Anschütz heranzuziehen — zu viel von der eigenen Gerechtigkeitsvorstellung, zu wenig vom (Verfassungs-) Recht die Rede. Diese Argumente hätten also bei der Debatte i m Pari. Rat gegen die Abwägungsklausel ihre rechte Verortung gehabt; bei der Auslegung der Verfassung können sie aber schwerlich als Begründung akzeptiert werden 1 1 . Wenn schließlich ergänzend darauf abgestellt wird, daß man nicht hinter die „klärenden Entscheidungen des Reichsgerichts" zurückgehen dürfe 1 2 , so ist dieses Argument jedenfalls für die Bestimmung der Höhe der Enteignungsentschädigung deshalb nicht anwendbar, weil ja gerade die Konkretisierung des Gebots der „angemessenen" Entschädigung i n den „klärenden" Entscheidungen des Reichsgerichts der Anlaß gewesen war, den neuen Entschädigungsparameter des Abwägungsgebotes einzuführen 13 . 9 W. Weber, Eigentum u n d Enteignung, S. 390 ff.; vgl. insb. S. 391: Der gemeine Wert, d. h. der Preis i m gewöhnlichen Geschäftsverkehr, „ist i n der Tat der Richtsatz u n d zugleich das M i n i m u m der Entschädigung, die i m Rahmen des A r t . 14 Abs. 3 GG bei der klassischen Enteignung gefordert sind". S. 392/393 w i r d die Grundposition dann auf die sog. Aufopferungsenteignung erstreckt. (Verkannt w i r d S. 391 allerdings, daß § 10 des Baulandbeschaffungsgesetzes, auf den Weber verwies, durchaus Reduzierungen zuließ.) 10 S. 388 f. ; unerwähnt blieb allerdings, daß keineswegs n u r i m Plenum des Pari. Rates, sondern auch ständig i n den vorangegangenen Beratungen der Ausschüsse die Forderung nach Rückkehr zur Reichsgerichtsinterpretation der „angemessenen" Entschädigung abgelehnt worden war. 11 Die Möglichkeit differenzierter Betrachtung der Entschädigungsproblem a t i k wurde bei W. Weber erschwert durch die Verknüpfung m i t der A b w e h r konfiskatorischer Bestrebungen; vgl. S. 389/390: „Die Enteignung ist jedenfalls nicht das Einfallstor f ü r Unterwanderungen der überlieferten Eigentums- u n d Sozialverfassung, sondern das Gegenteil davon. Sie kann i n diesem ihrem Charakter nicht von der Entschädigungsgestaltung her verändert werden." Beide Probleme muß man trennen. E i n Nachweis dafür, wieso die Eigentumsbrdnung eigentlich „unterwandert" w i r d , w e n n der verfassungsrechtliche Schutz, wie dies unten i n den §§12 ff. geschieht, nach Leistungskriterien bestimmt w i r d (womit für den Schutz von gewerblichen Unternehmen eine neue dogmatische Begründung geliefert wird), müßte erst erbracht werden. 12 Eigentum u n d Enteignung, S. 389. 13 Vgl. oben §4 sowie die Darstellung bei Schulthes, Die Höhe der Enteignungsentschädigung, S. 68; bei letzterem (S. 69) und bei Sendler, DÖV 1971,
§ 9 Methodische Behandlung der Abwägung i. d.
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I I I . Analyse der „praktischen Fortführungstheorie" W i e oben dargelegt, s o l l u n t e r d e r „ p r a k t i s c h e n F o r t f ü h r u n g s t h e o r i e " d i e j e n i g e A u f f a s s u n g v e r s t a n d e n w e r d e n , die z w a r i n i h r e m A u s g a n g s p u n k t durchaus das A b w ä g u n g s g e b o t des A r t . 14 A b s . 3 Satz 3 G G als eigenständige R e g e l u n g i m V e r h ä l t n i s z u m G e b o t d e r „angemessenen" E n t s c h ä d i g u n g des A r t . 153 W R V ansah, der Sache nach aber g l e i c h w o h l p r a k t i s c h die gleiche Rechtsfolge zog, die auch d e n K e r n d e r I n t e r p r e t a t i o n d e r angemessenen E n t s c h ä d i g u n g des A r t . 153 W R V d u r c h das Reichsgericht b i l d e t e , n ä m l i c h die Rechtsfolge, daß g r u n d s ä t z l i c h d e r V e r k e h r s w e r t d e r j e w e i l s entzogenen Sache oder Rechtsposition g a r a n t i e r t sei. D i e A u f f a s s u n g , daß die R e g e l u n g des A r t . 14 I I I S. 3 G G n i c h t als F o r t f ü h r u n g der R e g e l u n g der W e i m a r e r Reichsverfassung angesehen w e r d e n k ö n n e , w u r d e nach Erscheinen der D a r s t e l l u n g d e r B e r a t u n g e n i m Pari. Rat v o n relativ vielen Stellungnahmen i n der L i t e r a t u r z u m Entschädigungsrecht v e r t r e t e n 1 4 . Dieser A u f f a s s u n g h ä t t e i n d e r K o n k r e t i s i e r u n g des A b w ä g u n g s g e b o t e s eine Schlüsselposition z u k o m m e n k ö n nen, da diese P o s i t i o n j a i m m e r h i n v o n d e r E x i s t e n z eines a n d e r e n E n t s c h ä d i g u n g s p a r a m e t e r s als d e m d e r R e g e l u n g des A r t . 153 W R V ausging. Wenn gleichwohl auch diese Auffassung i m Ergebnis zu einer faktischen Fortführung der Regelung unter der Weimarer Reichsverfassung gelangte, so müssen die Gründe, w a r u m auch diese Stellungnahmen das Abwägungsgebot nicht aktualisiert haben, anderer Art sein als die Gründe, die bei den Vertretern der „reinen Fortführungstheorie" vorlagen. Das ist auch i n der Tat der Fall. U m zu verstehen, wieso auch diese Rechtsmeinung i m praktischen Ergebnis sich weitgehend m i t der Meinung der „reinen Fortführungstheorie" deckte, ist es erforderlich, genauer die einzelnen methodischen Stufen zu analysieren, die notwendig durchschritten werden müssen, u m das Abwägungsgebot des A r t . S. 26 ebenfalls deutliche K r i t i k an der Behandlung der Ergebnisse des Beratungsverlaufs i m Pari. Rat zu A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG durch Giese u n d W. Weber. 14 Das galt zum einen für die Mindermeinung, die auch i m Ergebnis eine andere Rechtsfolge vertrat. Neben den anschließend unten i n I V . 1. näher analysierten Lösungsansätzen von Abraham u n d Knoll gehören dazu v. Mangoldt, K o m m , zum GG, 1. Aufl., A r t . 14, A n m . 5 u n d ders ., AöR Bd. 75, S. 289 sowie v. Turegg/Kraus, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 4. Aufl., S. 205. Keine reine Fortführung i n der Theorie, aber gleichwohl Deckung m i t der „angemessenen" Entschädigung i m Ergebnis nahmen z. B. an (in alphabetischer Reihenfolge) Danckelmann, K o m m , zum LandbeschG, §19 A n m . 3; Diester , Enteignung u n d Entschädigung nach altem u n d neuem Recht, S. 170 ff.; Hamann/Lenz, Das Grundgesetz, z. B. 3. Aufl., A r t . 14, A n m . Β 13; Klein, i n : v. Mangoldt/Klein, K o m m , zum GG, 2. Aufl., Bd. 1, A r t . 14, A n m . V I I 9; Maunz , Das Verhältnis der Baulandentschädigung zum Grundgesetz, S. 12 ff., 48; F. Schack , Das Maß der Enteignungsentschädigung, M D R 1953, S. 195 ff. u n d ders., Die Berücksichtigung des Interessenausgleichs bei der Enteignungsentschädigung, DÖV 1966, S. 549 ff.; differenzierender w o h l Scheuner, in: Reinhardt/Scheuner, V e r fassungsschutz des Eigentums, S. 129.
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I. Β. Die bisherige Behandlung des Abwägungsgebotes
14 I I I S. 3 GG überhaupt f ü r die Entschädigungsbemessung effektiv werden zu lassen u n d dann zu untersuchen, i n w i e w e i t die einzelnen Stellungnahmen diese Schritte vollzogen haben.
Notwendige Schritte bei der Abwägungsdurchführung Geht man davon aus, daß bei Enteignungen die Entschädigung generell nach dem Verkehrswert zu bemessen ist, dann ergeben sich theoretisch keine wesentlichen Schwierigkeiten mehr für die Entschädigungsfrage. Die weiteren Probleme konzentrieren sich vielmehr auf die Frage, wie i n der Praxis der jeweilige Verkehrswert der enteigneten Sache oder Rechtsposition ermittelt werden kann. Die Sachlage w i r d wesentlich komplizierter, wenn man daran geht, das Abwägungsgebot des Art. 14 Abs. 3 S. 3 GG zu aktualisieren. Das liegt daran, daß es sich bei diesem Gebot zwar ebenfalls um eine bindende Regelung handelt, diese aber zunächst einmal i n Form eines Schemas, nicht aber i n Form einer strikten Entschädigungsbegrenzung formuliert ist. U m dieses effizient zu machen, ist es erforderlich, daß die folgenden zwei Schritte bei der Konkretisierung vorgenommen werden: Erster Schritt: Ersetzung der einseitigen Interessenorientierung durch das dualistische Zweierschema: Dieser Schritt besteht i n Folgendem. Der Kernpunkt der Neufassung der Entschädigungsregelung des Art. 14 I I I S. 3 GG bestand darin, daß die grundsätzliche Orientierung allein an den Interessen der Enteignungsbetroffenen aufgegeben wurde zugunsten eines neuartigen Schemas, das zwei Interessenkomponenten enthält. Danach setzt jede Entscheidung der Frage, ob eine gesetzliche Entschädigungsregelung verfassungsrechtlichen Bestand hat, voraus, daß jeweils neben den Interessen der Enteignungsbetroffenen stets auch die Interessen der Allgemeinheit berücksichtigt werden. Der erste Schritt besteht also darin, daß die Interessen der Allgemeinheit als grundsätzlich gegenüber den Interessen des Einzelnen gleichberechtigt anerkannt werden. Zweiter Schritt: Durchführung der Abwägung durch Angabe der konkreten Rechtsfolge: Dieser zweite Schritt besteht darin, daß analysiert wird, i n welchen Fällen i n welcher Höhe jeweils der Verkehrswert unterschritten werden darf, weil die Interessen der Allgemeinheit hier gegenüber den Interessen der Enteignungsbetroffenen durchgreifen. Dieser Schritt ist für die Praxis insofern der entscheidende, als er die konkreten Rechtsfolgen des Abwägungsgebotes zieht und damit den Umfang der verfassungsrechtlichen Schrankenwirkung des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG angibt. Er ist gleichzeitig derjenige Schritt, bei dem i n der Konkretisierung des Abwägungsgebotes die entscheidende Arbeit zu leisten ist.
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Einzelanalyse von Stellungnahmen Nachdem w i r d die zwei Schritte unterschieden haben, die sich bei einer effektiven Aktualisierung des Abwägungsgebotes ergeben, kann erklärt werden, warum gleichwohl die Vertreter der praktischen Fortführungstheorie zu dem Ergebiüs kamen, daß die Regelung des Abwägungsgebotes des Grundgesetzes m i t dem Gebot der angemessenen Entschädigung der Weimarer Reichs Verfassung „ i m wesentlichen übereinstimmt, oder sich nicht weit von i h r entfernt und lediglich eine leichte Differenzierung zuläßt" 1 5 . Die genauere Analyse der Stellungnahmen ergibt: a) Ein Teil der Stellungnahmen zur Entschädigungsregelung, die nicht die Fortführung der Angemessenheitsregelung behaupteten, vollzog nicht einmal den ersten Schritt i n der Weise, daß das Interesse der Allgemeinheit überhaupt als gleichwertiger Faktor bei der Bemessung der Entschädigung zugrundegelegt wurde. Vielmehr wurde so verfahren, daß zwar das Abwägungsgebot des A r t . 14 I I I GG zitiert wurde, aber der zweite darin enthaltene Faktor i n der praktischen Konsequenz nicht weiter berücksichtigt wurde 1 6 . I m Ergebnis ging man daher nicht anders vor als das Reichsgericht, das schon bei der Interpretation der „angemessenen Entschädigung" sich geweigert hatte, die Interessen der Allgemeinheit als relevanten Faktor bei der Entschädigungsbemessung anzuerkennen 1 7 . Das wiederum führte notwendig dazu, daß auch keine konkrete Abwägung erfolgen konnte. Denn w e n n der zweite Abwägungsfaktor der Sache nach übergangen wurde, so konnte die Rechtsfolge n u r darin bestehen, die alte, ausschließlich am Verkehrswert orientierte Entschädigungsregelung des A r t . 153 W R V zu übernehmen.
b) Von einem anderen Teil der Vertreter der „praktischen Fortführungstheorie" ist der erste Schritt insoweit vollzogen worden, als erkannt wurde, daß die Interessen der Allgemeinheit bei der Entschädigungsbemessung i n gleicher Weise als Bemessungsfaktor berücksichtigt werden müssen wie die Interessen der Enteignungsbetroffenen an einer möglichst hohen Entschädigung 18 . Von einigen Vertretern dieser Auffassung ist dies so formuliert worden, daß das GG i n der Entschädigungsfrage „sowohl individualistisch wie auch gemeinschaftsbezogen" denkt 1 9 . Es muß befremden, daß auch die eben genannten Vertreter der Eigenständigkeit der Regelung des GG doch zur „angemessenen" Entschädigung 15 So die an sich durchaus zutreffende Charakterisierung der damals w o h l schon herrschenden Meinung i n B G H Z 19,139,145. 16 Deutlich z.B. bei Klein, i n : v. Mangoldt/Klein, A r t . 14, A n m . V I I 9 und bei Hamann/Lenz, Das GG, 3. Aufl., A r t . 14, A n m . Β 13. 17 Vgl. RGZ 128,18, 33. 18 So explizit F. Schack, M D R 1953, S. 196 u n d i h m folgend Diester, S. 175; ähnlich auch Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 129. 19 Schack, M D R 1953, S. 196; Diester, S. 175.
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I. Β. Die bisherige Behandlung des Abwägungsgebotes
zurückkehrten. Es verwundert daher auch nicht, wenn sich leicht ganz erhebliche Mängel i n den Begründungen dieser Auffassungen feststellen lassen. Ein erster Mangel besteht darin, daß die Rückkehr zur „angemessen" Entschädigung widersprüchlich begründet wurde. Wenn man die Auffassung vertritt, die Interessenabwägung sei keineswegs eine überkommene Umschreibung der „angemessenen" Entschädigung, so kann man nicht i m Ergebnis doch wieder eine Reduzierung der Entschädigung unter diese Grenze für verfassungswidrig erklären und die Vorteilsanrechnung als einzigen Fall zulässiger Entschädigungsreduzierung akzeptieren 20 , da doch auch das Reichsgericht mit der „angemessenen" Entschädigung und auch schon vor Weimar durchaus die Vorteilsanrechnung zugelassen hatte 2 1 . Ein zweiter Mangel betrifft die A r t und Weise, i n der i n anderen Stellungnahmen ein Unterschied zu Weimar künstlich konstruiert wurde. Zuweilen wurde die Auffassung vertreten, A r t . 14 GG lasse allenfalls eine „leichte Differenzierung" gegenüber der angemessenen Entschädigung also gegenüber dem Verkehrswert zu 22 .Das muß wohl so verstanden werden, daß leichte Abstriche am gemeinen Wert zulässig sind. Sicher wäre es aber kein sinnvolles Ergebnis, wenn etwa statt des vollen Verkehrswertes rein formal ζ. B. 90 °/o dieses Wertes als M i n i m u m anzusehen wären. Auch die Lösung, stets einen festen Betrag vom Verkehrswert abziehen zu dürfen, wäre kein sinnvoller Weg, das Absetzen des Grundgesetzes von der „angemessenen" Entschädigung zu konkretisieren 2 3 . I V . Aktualisierung des Entschädigungsspielraumes des Gesetzgebers in der Mindermeinung
Widerlegbare
Aktualisierungswege
Ein Teil der Mindermeinung hatte zwar die Absetzung des Grundgesetzes von Weimar aktualisiert, ist aber von der h. M. durchaus i m Ergeb20 So ganz offensichtlich ζ. B. bei Klein i n : v. Mangoldt/Klein, A r t . 14, A n m . V I I 9b, wo einerseits ganz dezidiert die Auffassung vertreten w i r d , das Grundgesetz habe keineswegs m i t der Interessenabwägung die überkommene Umschreibung der „angemessenen" Entschädigung geliefert, dann aber doch n u r die Vorteilsanrechnung als zulässige Entschädigungsreduzierung anerkannt wird. 21 RGZ 57, 242, 246; 67, 173; auch RG i n Gruchot, Bd. 66 (1923), S. 596 ff., S. 604 ff. 22 So ausdrücklich Hamann/Lenz, Das GG, 3. Aufl., A r t . 14, A n m . Β 13; nach Maunz, Das Verhältnis der Baulandbeschaffung zum GG, S. 12 ff., 48 sollten geringfügige Minderungen zulässig sein. 23 E i n solcher Lösungsweg k r a n k t daran, daß man v o m Umfang der Reduzierung der Entschädigung ausgeht, anstatt, w i e es allein vernünftig ist, nach dem Grund zu fragen.
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nis zu Recht abgelehnt worden. Denn die Aktualisierung der Interessenabwägung geschah i n einer A r t und Weise, die ebenfalls als keineswegs durch die Verfassung gedeckt angesehen werden kann oder sogar bestimmten Entscheidungen des Verfassunggebers direkt zuwiderläuft. Z u nennen sind hier insbesondere die Auffassungen von Abraham und von Knoll. 1. Nach der Auffassung von Abraham besitzt der Gesetzgeber freien Spielraum i n der Weise, daß i h m überlassen bleibt, ob nur eine nominelle oder eine darüberliegende oder eine volle Entschädigung angeordnet w i r d 2 4 . Gegen diese Konkretisierung lassen sich mehrere gewichtige Einwände erheben, so daß diese Auffassung, obwohl sie das Abwägungsgebot durch Abrücken von der Verkehrswertbindung aktualisiert, kaum als m i t der verfassungsrechtlichen Regelung des Grundgesetzes vereinbar angesehen werden kann. Der erste Einwand gegen diese Form der Konkretisierung besteht darin, daß diese Meinung die Funktion der Abwägungsregelung völlig verleugnet. Denn die Regelung des A r t . 14 GG läßt nur eine solche Entschädigungsfestsetzung zu, die m i t der Abwägung der Interessen vereinbar ist. Weist man die Bestimmung der Entschädigungsregelung aber rein dem (politischen) Ermessen des Gesetzgebers zu, indem man i h m freie Hand läßt, dann kommt es auf das Abwägungsgebot des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG gar nicht mehr an. Die von Abraham gezogene Rechtsfolge führte also i n Wahrheit nicht zu einer Konkretisierung, sondern zu einer Beseitigung des Abwägungsgebotes als einer nach A r t . 1 I I I GG auch den Gesetzgeber bindenden grundrechtlichen Schrankenziehung. Der zweite Einwand gegen diese Lösung besteht darin, daß i m Ergebnis damit die gleiche Rechtsfolge erzielt wird, als ob statt des Abwägungsgebotes des A r t . 14 GG ein einfacher Gesetzesvorbehalt zugunsten des Gesetzgebers eingeführt worden wäre. Wie oben i n § 4 aber eingehend dargestellt, war diese Lösung des Gesetzesvorbehaltes zwar i m Pari. Rat ausdrücklich diskutiert, aber — als die eine Extremmeinung — eindeutig abgelehnt worden zugunsten des „mittleren Weges" i n der Entschädigungsfrage. Auch aus diesem Gesichtspunkt heraus kann die Lösung vom ungebundenen Spielraum des Gesetzgebers nicht als m i t dem Grundgesetz vereinbar angesehen werden 2 5 . 24
Bonner K o m m , zum GG, Erstbearbeitung, A r t . 14, A n m . 3. Nach Ernst , Die Kernprobleme des Bundesbaugesetzes, i n : Grundsatzfragen der Baugesetzgebung, S. 10 f. wurde bei den Diskussionen vor Erlaß des Bundesbaugesetzes teilweise die Forderung erhoben, zu dem Rechtszustand der Weimarer Verfassung zurückzukehren, also dem Bundesgesetzgeber die Befugnis zu geben, die Entschädigungspflicht f ü r Enteignungen einfach auszuschließen. Das wäre natürlich eine K a p i t u l a t i o n vor der eigentlichen K o n k r e t i sierungsaufgabe des Interessenabwägungsgebotes gewesen. I n diesem Sinn w i r d man w o h l auch die Stellungnahme von Abraham als eine gewisse K a p i t u lation v o r der Konkretisierungsproblematik ansehen müssen. 25
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2. Die — atypische — Lösung von Knoll 26 ist eine der Arbeiten i m Rahmen des Enteignungsrechts, die i n besonders ausführlicher Weise sich m i t dem Problem einer Konkretisierung des Abwägungsgebotes des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG beschäftigt haben. K n o l l legte ausführlich dar, daß sich der Pari. Rat m i t der Einführung des Abwägungsparameters eindeutig von der Fortführung des Gebots der angemessenen Entschädigung abgesetzt hat 2 7 . Die daraufhin aber von K n o l l getroffene Lösung ist m i t Recht von der herrschenden Meinung nicht übernommen worden. Diese Lösung geht so vor, daß grundsätzlich für einzelne enteignende Eingriffe i m Wege des Güterbeschaffungsvorganges der Verkehrswert als gebotene Entschädigung angesehen wird, für Maßnahmen i m Zuge gesellschaftlicher Umgestaltungen, soweit sie A r t . 14 GG unterfallen, aber differenziert wird: Eigentum an Grund und Boden über eine bestimmte Höhe (so ab etwa 100 ha) genießen als solche überhaupt keinen Eigentumsschutz, sonstige Eingriffe, die zum Zwecke gesellschaftlicher Umgestaltung durchgeführt werden, sollen nach dem Ertragswert entschädigt werden 2 8 . Das Atypische dieser Lösung besteht darin, daß sie die Abwägungsklausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG aktualisiert, indem sie, um die Entschädigungspfücht für Maßnahmen der gesellschaftlichen Umgestaltung zu vermeiden, Eigentum ab einer bestimmten Höhe ganz aus dem Schutz der Verfassung herausnimmt. Gegen diese Lösung ist zum einen einzuwenden, daß das System des Art. 14 GG eine solche Verwirkungsregelung nach Höhe des Vermögens nicht kennt. Zumindest genauso schwerwiegend ist aber der Einwand, daß i n den Beratungen des Pari. Rates zwar eingehend diskutiert worden ist, ob die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG gegenständlich „auf das der persönlichen Lebenshaltung oder der eigenen Arbeit dienende Eigentum" beschränkt werden solle, diese sehr einschränkende Eingrenzung aber von der Mehrheit nicht übernommen wurde 2 9 . Sonstige Stellungnahmen
der Mindermeinung
Bei der Untersuchung sonstiger Stellungnahmen, die die These vom Spielraum des Gesetzgebers i n der Entschädigungsregelung vertraten, ist leicht erkennbar, warum diese Auffassung praktisch überhaupt keinen Einfluß auf die Entwicklung der Lehre zur Höhe der verfassungsrechtlich 26 Knoll, Eingriffe i n das Eigentum i m Zuge der Umgestaltung gesellschaftlicher Verhältnisse, AöR Bd. 79 (1953), S. 455 ff. und AöR 81 (1956), S. 157 ff. u n d S. 342 ff. 27 AöR Bd. 79, S. 492 f.; AöR Bd. 81, S. 393 ff. 28 Vgl. AöR Bd. 79, S. 492 f.; AöR Bd. 81, S. 393 ff. 29 Vgl. die Darstellung bei Doemming/Füsslein/Matz, Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes, JöR Bd. 1, S. 145/146.
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gebotenen Entschädigung genommen hat. Der einfache Grund liegt darin, daß die Vertreter dieser Lehre zwar i n der Regel explizit betont haben, daß der Gesetzgeber i n der Entschädigungsfrage einen Spielraum besitzt, aber für die entscheidende Frage, wie dieser Spielraum i n einzelnen auszufüllen sei und welche Rechtsfolgen sich daraus für die einzelnen Sachbereiche des Enteignungsrechts ergeben, keine Antwort geliefert haben. Denn der bloße Hinweis darauf, daß die Entschädigung so zu bemessen sei, „wie es der gerechte Ausgleich der beteiligten Interessen fordert" 3 0 oder der Hinweis, daß das Grundgesetz eben „auf den Einzelfall abstellt" 3 1 , läßt gerade die Frage offen, was der Interessenausgleich fordert bzw. was i m Einzelfall denn zu gelten habe. V. Resultat der Analyse
Die Einzelanalyse der A r t und Weise, i n der die verschiedenen Meinungen i n der Rechtswissenschaft zum Gehalt des Abwägungsgebotes des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG Stellung genommen hatten, zeigt, daß die Frage, wieso eine der entschiedenen Neuerungen des Grundrechtsteils des Grundgesetzes bis zum Deichurteil des BVerfG kaum Beachtung i n der Rechtswissenschaft gefunden hat, nicht i n der Weise beantwortet werden kann, daß nur ein einzelner Grund dafür angegeben wird. Vielmehr ist es nur möglich, eine Summe von Faktoren zu nennen, die zu dieser außergewöhnlichen Situation geführt haben. Fassen w i r das Ergebnis der Analyse schwerpunktartig zusammen, so ist festzuhalten: Ein wichtiger Faktor besteht darin, daß ohne Abstützung an der grundgesetzlichen Regelung von einem Teil der Rechtswissenschaft die Fortführung der Verkehrswertentschädigung als generelles Gebot der Verfassung behauptet worden ist. Ein zweiter wichtiger Faktor besteht darin, daß ein Teil der Rechtswissenschaft zwar theoretisch erkannt hatte, daß der Verfassunggeber sich bewußt von der Regelung des A r t . 153 WRV i n Richtung auf eine Minderung der Entschädigungslasten abgesetzt hat, der entscheidende Schritt, die Interessen der Allgemeinheit auch konkret zur Geltung kommen zu lassen, aber nicht getan wurde. Ein dritter Umstand besteht schließlich darin, daß einige rechtswissenschaftliche Stellungnahmen zwar zutreffend die grundsätzliche Abkehr des Grundgesetzes von der Entschädigungspflicht nach dem Verkehrswert als Regelentschädigung feststellten, entweder aber mit dem Grund30
So v. Mangoldt , K o m m , zum GG, 1. Aufl., A r t . 14, A n m . 5; ähnlich, wenn auch dann abschwächend Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 129 („Weiter Spielraum i n der Bewertung"). 31 So v. Turegg/Kraus, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 4. Aufl., S. 205. 6·
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gesetz nicht vereinbare Lösungen vorlegten oder aber die entscheidende Frage unbeantwortet ließen, wie die Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes i n den einzelnen Bereichen des Enteignungsrechts konkret auszufüllen sei. Blickt man vom heutigen Zeitpunkt auf die Entwicklung der Enteignungsentschädigungslehre nach 1949 zurück, so w i r d man freilich zweierlei nicht unberücksichtigt lassen dürfen. Dies mag zu einem Teil jedenfalls die Weichenstellung der ersten Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes erklären. Die Diskussion u m das Enteignungsrecht und damit auch um die Entschädigungspflichten wurde überschattet von den Konfiskationsvorgängen i m anderen Teile Deutschlands 32 . Zum zweiten war i n der Zeit der Weichenstellung der 50er Jahre ein Umstand wesentlich verschieden gegenüber der späteren Zeit. Enteignungsrecht ist, wenn auch nicht ausschließlich, so doch vor allem ein Recht, das sich auf Grundstücke und Rechte an Grundstücken bezieht. Die Steigerung der Bodenpreise m i t der Erzielung leistungsloser Gewinne — ein für die Interessenabwägung nach A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG zentraler Umstand — ist erst nach der genannten Weichenstellung i n extremem Maße eingetreten. Man konnte daher bei Beginn der Weichenstellung auf Rückkehr zur generellen Pflicht zur Marktwertentschädigung noch nicht absehen, welche Entschädigungskonsequenzen dies später m i t sich bringen würde. N u r ist i m heutigen Rückblick zu fragen, ob es angesichts der Fragwürdigkeit der Abstützung der eingenommenen Grundposition am Grundgesetz des Abwartens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts i m hamburg. Deichurteil bedurfte 3 3 , u m eine Wende i n der früher angenommenen Entschädigungsauffassung einzuleiten und zu einer differenzierteren Betrachtung zu gelangen 34 . § 10 D i e Behandlung des Abwägungsgebotes i n der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes I . Die neuere Abkehr
Die ständige Rechtsprechung des B G H zum Enteignungsrecht war bis vor kurzem ebenso wie die früher ganz herrschende Meinung i m Schriftt u m von der Grundposition geprägt, daß grundsätzlich, d. h. i n aller 32 So deutlich bei W. Weber , Eigentum u n d Enteignung, S. 389 f. u n d ders., Z u r Problematik v o n Enteignung u n d Sozialisierung nach neuerem Verfassungsrecht, N J W 1950, S. 403. 33 Die Schrift von Schulthes, Die Höhe der Enteignungsentschädigung, 1965, w a r wirkungslos geblieben. 34 M a n beachte aber die bereits i m Jahre 1953 formulierte weitgehende E i n schränkung des Prinzips der Privatnützigkeit f ü r das Bodenrecht bei Reinhardt , i n : Reinhardt/Scheuner, Verf. Schutz des Eigentums, 1954, S. 22.
§ 10 Die Abwägung i n der Rechtsprechung des B G H
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Regel der Verkehrswert der entzogenen Sache das von der Verfassung gebotene Entschädigungsminimum sei. Inzwischen ist durch mehrere neue Entscheidungen des B G H ein deutlicher Umbruch eingetreten. I m Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts i m hamburg. Deichurteil geht auch der Bundesgerichtshof nunmehr davon aus, daß aufgrund der Regelung des Interessenabwägungsgebotes des Art. 14 Abs. 3 GG die Enteignungsentschädigung „nicht immer das volle Äquivalent des Genommenen sein" muß 1 . Diese Abkehr betrifft aber nur die grundsätzliche Haltung des B G H zur Frage nach dem vom Grundgesetz geforderten Entschädigungsminimum. Konkrete Aussagen über den Weg, den der B G H i n Zukunft einschlagen wird, sind noch kaum möglich, da bisher zu wenige Entscheidungen vorliegen. Die Absetzung von der bisherigen Rechtsprechung erfolgt, was die p r a k tischen Folgen angeht, zunächst verständlicherweise zögernd. Konkrete Rechtsfolgen i n Richtung auf eine Reduzierung der Enteignungsentschädigung sind erst wenig gezogen worden; so z. B. hinsichtlich der Höhe der Verzinsung von Enteignungsentschädigungen 2 w i e bei der Berücksichtigung der W i r k u n g von potentiellen Auflagen für die Höhe der Enteignungsentschädigung 3 .
Immerhin läßt sich aber schon heute sagen, daß offenbar ein neuer Begriff i n der Enteignungsrechtsprechung des B G H eine zentrale Bedeutung bekommen wird. Dies ist der Begriff des „Genommenen" 4 . Daß dieser Begriff, wie zu befürchten ist, aber weniger eine klärende, als eine verwirrende Funktion haben wird, kann schon jetzt vermutet werden. Denn es tauchen ja sofort zwei Probleme auf: Was ist genommen? sowie: Was ist das Genommene wert 5 ? Man w i r d gespannt sein dürfen, wie die neuere Rechtsprechung des B G H sich weiter entwickelt. Bis zum hamburg. Deichurteil des BVerfG und noch darüber hinaus hatte der B G H die Position der Verkehrswertbindung vertreten. Das ist 1 So U r t e i l v o m 5. 4. 1973, W M 1973, S. 702; die Wende wurde, soweit ersichtlich, m i t dem U r t e i l v o m 28. 9. 1972, B G H Z 59, 250, 254 eingeleitet; vgl. auch U r t e i l v o m 25.1.1973, B G H Z 60,126,144. 2 U r t e i l v o m 5. 4. 1973, W M 1973, S. 702. Der B G H hielt eine niedrigere V e r zinsung als i m Wirtschaftsleben f ü r zulässig; der früher beliebte Rückgriff auf den Gleichheitssatz wurde also beiseite geschoben. 3 B G H Z 60, 126, 144 (Kiesgewinnung). Der B G H folgerte aus dem Gebot der Interessenabwägung, daß die W i r k u n g von Auflagen, die bei dem (untersagten) Kiesabbau eingehalten werden müßten, einzubeziehen seien. Nach dem U r t e i l müssen infolgedessen Entschädigungsreduzierungen bis zu 75°/o i n K a u f genommen werden; das I n s t i t u t der Vorteilsausgleichung bei Bemessung der Enteignungsentschädigung w i r d so durch eine A r t „Nachteilsausgleich" ergänzt. 4 Vgl. dazu die grundsätzlichen Ausführungen bei F. Kreft, Die Bemessung der Enteignungsentschädigung i n der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, DRiZ 1973, S. 335 ff. 5 So auch Kreft, DRiZ 1973, S. 335.
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I. Β . Die bisherige Behandlung des Abwägungsgebotes
zwar nie ganz deutlich i n der Rechtsprechung des Gerichts ausgesprochen worden. Der B G H hatte i n seiner früheren Rechtsprechung nicht schlechth i n die Position vertreten, die Enteignungsentschädigung müsse sich stets am Verkehrswert nach Marktverhältnissen richten. So hat Pagendarm (der langjährige Vorsitzende des für die Enteigungsentschädigung zuständigen Zivilsenates) darauf hingewiesen, daß ζ. B. für sog. Enteignungen auf der „Grünen Wiese" der B G H bisher noch nie zur Höhe der vom Grundgesetz gebotenen Entschädigung Stellung genommen habe 6 . Das ist richtig, liefert aber wohl kein zutreffendes B i l d von der jedenfalls von außen, d. h. von Gesetzgeber und der rechtsanwendenden Verwaltung ersichtlichen Position des Gerichts i n der Entschädigungsfrage. Abgesehen davon, daß die genannte vorsichtige Absetzung von der Verkehrswertbindung erst relativ spät erfolgte, hatte der B G H i n der vor dem Deichurteil liegenden Rechtsprechungsphase deutlich ausgesprochen, daß nur i n Ausnahmefällen die Enteignungsenfschädigung niedriger angesetzt werden könne als es dem Verkehrswert des Enteigneten entspricht 7 . Der B G H hatte i n dieser Zeit auch nur einen einzigen Fall einer solchen zulässigen Durchbrechung genannt, nämlich die Fallsituation, daß eine generalisierte Regelung des Gesetzgebers i m Einzelfall zu der Konsequenz der Entschädigungsbemessung unterhalb des Verkehrswertes führe 8 . Die Qualität gerade dieser Ausnahme zeigt deutlich, daß eigentlich nicht materielle, sondern nur regelungstechnische Gründe vom B G H i n seiner früheren Rechtsprechung als ausreichend zur Reduzierung der Entschädigung unterhalb des Verkehrswertes angesehen worden waren. Man kommt also wohl nicht u m die Feststellung herum, daß das Abwägungsgebot des Grundgesetzes zur Entschädigungshöhe i n der früheren BGH-Rechtsprechung „praktisch auf Minimalkorrekturen der Verkehrswertentschädigung eingeengt" gewesen war 9 . Der Bundesgerichtshof war damit wieder zur Position des Reichsgerichts i n der Auslegung der Weimarer Verfassung zurückgekehrt. Das zeigte sich auch deutlich i n der früheren BGH-Rechtsprechung selbst. Da das Reichsgericht i n Auslegung des A r t . 153 WRV die Verkehrswertentschädigung m i t der „angemessenen" Entschädigung gleichgesetzt hatte 1 0 , wurde i n der BGH-Rechtsprechung die Frage nach dem vom Grundgesetz geforderten Entschädigungsminimum so diskutiert, daß erörtert wurde, ob die Entschädigung nach der Interessenabwägung mit der „angemes6 Pagenarm, Die Bemessung der Enteignungsentschädigung i n der Rechtsprechung des BGH, W M 1965, Beil. Nr. 5, S. 14. 7 s. z.B. B G H Z 13, 395, 398; weitere Nachweise bei Kröner, Die Eigentumsgarantie i n der Rechtsprechung des BGH, 2. Aufl., S. 91. 8 B G H Z 14,138,144 f. 9 Schmidt-Assmann, Grundfragen des Städtebaurechts, S. 290. 10 Vgl. oben § 4, Fußn. 6.
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senen" E n t s c h ä d i g u n g i d e n t i s c h sei. U n t e r r ü c k b l i c k e n d e m m e t h o d e n k r i t i s c h e m G e s i c h t s p u n k t ist deshalb zu fragen, w i e der B u n d e s g e r i c h t s h o f i n der Rechtsprechung bis z u m h a m b u r g . D e i c h u r t e i l aus A r t . 14 Grundgesetz heraus b e g r ü n d e t h a t , daß das Grundgesetz die Pflicht z u r „angemessenen" E n t e i g n u n g e n t s c h ä d i g u n g e n t h ä l t 1 1 . Dies ist nicht die einzige Ebene, auf der die frühere Enteignungsrechtsprechung des B G H methodenkritisch untersucht werden kann. M a n kann auch grundsätzlich die Frage stellen, w i e i m Selbstverständnis der BGH-Rechtsprechung der Sinn und Zweck der Enteignungsentschädigung zu verstehen ist u n d dann nur anhand dieser Funktionsbeschreibung des B G H die Konsistenz der Rechtsprechung untersuchen. Es läßt sich dann zeigen, daß drei grundlegende Funktionsbegründungen unterschieden werden müssen: Der Zweck der E n t eignungsentschädigung als Garantie der Wiederbeschaffungsmöglichkeit (Wiederbeschaf fungsfunktion), der Zweck der Herstellung von Gleichheit i n v e r mögensmäßiger Sicht m i t den Nichtenteigneten (Gleichheitsfunktion), der Zweck der Wahrung der Eigentumsgarantie. Der Verfasser ist an anderer Stelle dieser Frage i m einzelnen nachgegangen 12 . D i e folgende U n t e r s u c h u n g der B G H - R e c h t s p r e c h u n g w i l l n i c h t die v i e l ä s t e l i g e f r ü h e r e Rechtsprechung i m einzelnen aufzeigen; dazu l i e g e n auch ausreichende D a r s t e l l u n g e n v o r 1 3 . V i e l m e h r soll u n t e r s u c h t w e r d e n , w i e die E n t s c h ä d i g u n g s r e g e l u n g i n A r t . 14 G G v o m G e r i c h t g r u n d s ä t z l i c h b e h a n d e l t w o r d e n ist. H i e r z u müssen m e h r e r e Phasen u n t e r s c h i e d e n werden. I I . Etappen der Behandlung des Abwägungsgebotes 1. D e r Beschluß des G r o ß e n Senats v o m 10. 6. 1952 1 4 w i r d häufig als die w i c h t i g s t e E n t s c h e i d u n g des B G H z u m Recht der E n t e i g n u n g s e n t schädigung angesehen. R i c h t i g h i e r a n ist, daß es sich dabei u m die erste E n t s c h e i d u n g h a n d e l t , i n der g r u n d s ä t z l i c h e a l l g e m e i n e E r w ä g u n g e n z u r E n t e i g n u n g s e n t s c h ä d i g u n g angestellt w o r d e n s i n d u n d daß auf diesen Beschluß i m m e r w i e d e r i n späteren E n t s c h e i d u n g e n des Gerichts z u r B e g r ü n d u n g v e r w i e s e n w o r d e n ist. 11 W i r untersuchen daher i m folgenden n u r solche Entscheidungen, die A r t . 14 GG auslegen. 12 Opfermann, Entschädigung i m Bodenrecht. Z u r F u n k t i o n der Enteignungsentschädigung i n der Rechtsprechung des BGH, in: Recht i m sozialen Rechtsstaat, 1973, S. 165 ff. Die folgende Darlegung deckt sich partiell m i t Ergebnissen dieser Untersuchung. 13 s. dazu — neben den ausführlichen Darstellungen bei Maunz i n Maunz/ Dürig/Herzog, A r t . 14, Rdnr. 69 ff., 111 ff. u n d Kimminich, Bonner Komm., Zweitbearbeitung, A r t . 14, Erl. I I 20 — insb. Kröner (Fußn. 7), Geizer, Der U m fang des Entschädigungsanspruchs aus Enteignung und enteignungsgleichem Eingriff, Schriftenreihe der NJW, H. 2, 1969; Pagenarm, Bemessung der E n t eignungsentschädigung nach der Rechtsprechung des BGH, W M 1958, S. 1350 ff.; W M 1965, Sonderbeilage Nr. 5; W M 1972, S. 2 ff. 14 B G H Z 6, 270 ff.
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Ein völlig neues B i l d ergibt sich aber, wenn man unter dem oben i n § 8 aufgezeigten methodologischen Aspekt die Entwicklung der Rechtsprechung des B G H betrachtet, d. h. wenn man danach fragt, inwieweit grundsätzlich zur Frage des Verhältnisses der Angemessenheitsregelung des A r t . 153 WRV und dem Abwägungsgebot des A r t . 14 Absatz 3 GG Stellung genommen wurde und inwieweit der B G H Gründe dafür anführt, warum das starre Gebot der Entschädigung nach dem Verkehrswert sich aus A r t . 14 GG herleiten läßt. Der B G H hat i m Beschluß vom 10. 6. 1952 zwar ganz explizit die Frage des Verhältnisses von Art. 14 I I I S. 3 GG zu A r t . 153 WRV gestellt, aber ausdrücklich offengelassen, „ob die Entschädigung gem. Art. 14 GG, die unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen ist, die angemessene Entschädigung i. S. des A r t . 153 Weimarer Verfassung ist" 1 5 . Damit hatte der B G H die prinzipielle Frage, inwieweit das Grundgesetz dem Gesetzgeber einen Spielraum i n der Entschädigungsfrage läßt, eigentlich unentschieden gelassen und nur für den — atypischen — Fall der Staatshaftung für rechtswidrige Maßnahme entschieden, daß i n diesen Fällen die volle Vermögenseinbuße ersetzt werden muß, „ w e i l (auch) bei Berücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit kein sachlich vertretbarer Gesichtspunkt ersichtlich ist, der i n diesen Fällen eine niedere Festsetzung der Entschädigung rechtfertigen könne" 1 6 . 2. Da der B G H i n der Entscheidung i n BGHZ 6, 270 ff. die Grundfrage nach dem Entschädigungsspielraum nicht eindeutig entschieden hatte und auch offenlassen konnte, wäre zu er warten gewesen, daß i n späteren Entscheidungen diese sowohl für die Gerichtspraxis wie auch für den Gesetzgeber äußerst relevante Frage ausdrücklich entschieden worden wäre. Insbesondere wäre zu vermuten, daß, je mehr sich die Folgen der starren Verkerhrswertbindung gerade i m Bodenrecht als wichtigstem Anwendungsbereich zeigten, einerseits Klarheit über den Gehalt des Abwägungsgebotes geschaffen worden wäre und andererseits die Ergebnisse der Rechtsprechung an der Verfassungsregelung selbst kritisch überprüft worden wären. Beides ist nicht der Fall gewesen; vielmehr verlief der Entscheidungsund Begründungsprozeß geradewegs umgekehrt. Der B G H hat es nicht nur bis zuletzt unterlassen, die Frage nach dem grundsätzlichen Verhältnis von „angemessener" Entschädigung und Abwägungsentschädigung eindeutig zu entscheiden, sondern i n den späteren zu dieser Grundfrage getroffenen Stellungnahmen wurde die explizite Beschäftigung mit dem Gehalt des Abwägungsgebotes und die methodische Rückbesinnung auf 15 16
B G H Z 6, 294. S. 295.
§ 10 Die Abwägung i n der Rechtsprechung des B G H
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die R e g e l u n g i n A r t . 14 G G i m m e r g e r i n g e r , o b w o h l f ü r die P r a x i s i m m e r d r i n g l i c h e r . F ü r die nach d e m Beschluß v o m 6.10.1952 ergangenen E n t s c h e i d u n g e n lassen sich zwei Phasen unterscheiden: a) I n der ersten, e t w a bis 1955 reichenden Phase h a t der B G H w e n i g stens die F r a g e des V e r h ä l t n i s s e s des Gebots der „angemessenen" E n t schädigung z u r E n t s c h ä d i g u n g nach der I n t e r e s s e n a b w ä g u n g a u s d r ü c k l i c h d i s k u t i e r t . A l s B e i s p i e l seien die b e i d e n w i c h t i g e n E n t s c h e i d u n g e n B G H Z 13, 378 ff. u n d B G H Z 19, 139 ff. n ä h e r a n a l y s i e r t , die beide z u m hess. Auf baugesetz v o m 25.10.1948 e r g i n g e n . Die erste Entscheidung hatte sich m i t dem Problem zu befassen, ob es v e r fassungsrechtlich zulässig wäre, die Entschädigung f ü r enteignetes Grundeigentum nach Aufhebung der Preisstopbestimmungen dann unter Berücksichtigung der Preisstopbestimmungen festzusetzen, wenn die Enteignung während ihrer Geltung vollzogen war. Das Gericht bejahte dies. Hierbei v e r f u h r der B G H methodisch i n der Weise, daß er, w i e schon i n B G H Z 6, 270 ff. auf beide Regelungen zurückgriff. Der B G H stellte fest, daß eine Berücksichtigung der Schwarzmarktpreise bei der Enteignungsentschädigung „weder i. S. des A r t . 153 W R V " angemessen sein, noch „der gerechten Abwägung der I n t e r essen der Allgemeinheit u n d der Beteiligten" gem. A r t . 14 I I I GG entsprechen würde 1 7 . D i e E n t s c h e i d u n g v o m 25. 11. 1955, BGHZ 19,139 ff., die e i n T r ü m m e r g r u n d s t ü c k b e t r a f , ist aus m e h r e r e n G r ü n d e n v o n besonderem Interesse. Z u m e i n e n k a m der E n t s c h e i d u n g deshalb besondere B e d e u t u n g zu, w e i l sie sich m i t d e n K o n s e q u e n z e n d e r P r e i s s t o p a u f h e b u n g befaßte, also eine entscheidende F r a g e d e r B o d e n s p e k u l a t i o n b e h a n d e l t e . Z u m a n d e r e n h a n d e l t es sich h i e r b e i w o h l u m d i e j e n i g e Entscheidung, i n d e r d e r B G H sich a m a u s f ü h r l i c h s t e n m i t d e m S t a n d der M e i n u n g e n z u m E n t s c h ä d i g u n g s s p i e l r a u m des Gesetzgebers auseinandersetzte. D e r E n t s c h e i d u n g k o m m t d a h e r f ü r die spätere E n t w i c k l u n g eine gewisse Weichenstellung zu. Der B G H geht i n dieser Entscheidung ausführlich und, soweit ersichtlich, letztmalig ausdrücklich auf die zentrale Frage ein, ob das Grundgesetz eine gegenüber der Angemessenheitsregelung des A r t . 153 W R V veränderte E n t schädigungsregelung t r i f f t . Er läßt aber auch i n dieser Entscheidung dahingestellt, „ w o r i n i m einzelnen genau der Unterschied der beiden Verfassungsvorschriften (erg: des A r t . 14 I I I S. 3 GG u n d des A r t . 153 WRV) liegt bzw. ob ein solcher überhaupt gegeben ist". Das Gericht k o m m t zum Ergebnis, daß, selbst w e n n m a n bei der gerechten Abwägung nach der Vorschrift des A r t . 14 I I I GG den Interessen der Allgemeinheit besonderes Gewicht beimißt, jedenfalls der Bewertungsstichtag aus der Zeit v o r zwei Jahrzehnten m i t v ö l l i g anderen wirtschaftlichen Verhältnissen dem Normsinn nicht entspräche (a.a.O., S. 146/147). Etwas später f ü h r t es aus, daß es für den vorliegenden F a l l keiner allgemeineren Erörterung bedürfe, welchen Gesichtspunkten grundsätzlich bei der gerechten Abwägung i. S. des A r t . 14 I I I GG besonderes Gewicht beizumessen sei (a.a.O., S. 151). 17
B G H Z 13, 387.
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I. Β. Die bisherige Behandlung des Abwägungsgebotes
b) I n späteren Entscheidungen hat das Gericht zwar teilweise auf die Abwägungsregelung zurückgegriffen, hierbei aber nicht mehr zur grundsätzlichen Frage des Verhältnisses von „angemessener" d. h. Verkehrswertentschädigung und Entschädigung nach der Abwägung der Interessen Stellung genommen. Das nach BGHZ 19, 139 ff. eingeschlagene Verfahren besteht vielmehr darin, daß die bisher noch offene Grundfrage nicht etwa beantwortet, sondern nun einfach behauptet wird, die Regelung enthalte das Gebot der „angemessenen" Entschädigung. Dies, obwohl ja noch i n BGHZ 19, 139 (146) ausdrücklich das Verhältnis von Art. 153 WRV zu A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG offen gelassen war. Wie wurde die neue Position eingebracht? Dies geschah dadurch, daß einfach von „angemessener" Entschädigung gesprochen wird. So w i r d i n dem wichtigen Freiburger Bausperrenurteil, BGHZ 30, 338 (351) für die Enteignungsentschädigung auf die „angemessene Entschädigung für einen hoheitlichen Eingriff" abgestellt. I n einer anderen Entscheidung aus dem Jahre 1963 w i r d ausdrücklich unter Berufung auf Art. 14 GG von der Pflicht zur angemessenen Entschädigung gesprochen 18 . I n einer weiteren Entscheidung aus dem Jahre 1965 w i r d festgestellt, daß die Pflicht zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung „ i n erster Linie aus Art. 14 GG" folgt 1 9 . I n dem Umklassifizierungsurteil vom 28. 2. 1966 w i r d lapidar festgestellt: „ F ü r den Unterschied des Wertes des Grundbesitzes vor und nach der Umklassifizierung steht dem Eigentümer eine angemessene Entschädigung nach Art. 14 GG zu 2 0 ." Die Beispiele ließen sich vermehren. Auch die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts i m hamb. Deichurteil, BVerfGE 24, 367 ff., daß das Grundgesetz mit der Interessenabwägung eine eigenständige Regelung i n Absetzung von der „angemessenen" Entschädigung getroffen hat, hatte daran zunächst nichts geändert 21 . 18 U r t e i l v o m 31. 1. 1963 = M D R 1963, 478 = DÖV 1963, 355: „Die angemessene Entschädigung, die die Klägerin beanspruchen darf (Art. 14 GG), bemißt sich..." 19 U r t e i l v o m 6.12.1965 = N J W 1966, 493, 495 = L M A r t . 14 (Cf) Nr. 29. 20 N J W 1966,1075. 21 Vgl. ζ. Β. das U r t e i l v o m 29. 3. 1971, W M 1971, S. 829 ff., 831: „Die Pflicht zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung folgt jetzt i n erster L i n i e aus A r t . 14 GG." Da j a die Interessenabwägung als Absage an die „angemessene" Entschädigung i n das Grundgesetz eingeführt wurde, ist es — wie sich j a schon aus BVerfGE 24, 420 ergibt — auch nicht zulässig, die Interessenabwägung und die „angemessene" Entschädigung k u m u l a t i v nebeneinander zu verwenden; dies jedenfalls nicht, wenn man — wie der B G H — die „angemessene" Entschädigung i m Sinn des Verständnisses des Reichsgerichts verwendet. So aber ζ. B. der B G H i m Frankfurter U - B a h n - U r t e i l v o m 20. 12. 1971, N J W 1972, 243, 246: „Die Entschädigung bei einer Enteignung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen (Art. 14 GG). Sie muß angemessen sein u n d soll grundsätzlich den eingetretenen Vermögensverlust ausgleichen."
§ 10 Die Abwägung i n der Rechtsprechung des B G H
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I I I . Wertung der Behandlung des Abwägungsgebotes
1. Geht man daran, die Behandlung des Abwägungsgebotes i n der Rechtsprechung des B G H nach rechtswissenschaftlichen Kriterien zu werten, so muß deutlich unterschieden werden, ob man inhaltliche K r i t i k an den Stellungnahmen des Gerichts zu Art. 14 I I I S. 3 GG äußert oder ob unabhängig vom Ergebnis methodische Mängel gerügt werden. Zur Begründetheit der BGH-Auffassung vom verfassungsinterpretativen Standpunkt aus ist bereits oben in §§ 4 und 5 ausreichend Stellung genommen. Hier geht es nur um das methodische Verfahren, nach welchem i n Form eines längeren Entwicklungsprozesses die BGH-Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt war, A r t . 14 GG führe die Pflicht zur „angemessenen" Entschädigung, d. h. aber zur generellen Marktwertentschädigung fort. Bevor methodische K r i t i k geübt wird, muß indes klargestellt werden, welches der Gegenstand der K r i t i k ist und worauf sich infolgedessen die K r i t i k nicht bezieht. Gegenstand der Untersuchung und damit auch der Methodenkritik ist nicht die Frage, ob die vom B G H i n der Enteignungsrechtsprechung niedergelegten Entschädigungsgrundsätze unter allen Gesichtspunkten methodisch korrekt entwickelt wurden. So muß j a stets unterschieden werden, ob der B G H jeweils die Rechtsfolge zur Entschädigungshöhe durch Auslegung einfachen Gesetzesrechts oder durch Abstellen auf die Eigentumsgarantie des A r t . 14 GG herleitet. N u r letzteres ist Gegenstand der hier vorgenommenen Untersuchung. Aus diesem G r u n d w u r den i n der oben vorgenommenen Darstellung der Entwicklung der beiden Phasen der BGH-Rechtsprechung n u r Entscheidungen des Gerichts berücksichtigt, i n denen zur Frage Stellung genommen wurde, inwieweit aus Art. 14 GG bestimmte Entschädigungsgrundsätze hergeleitet werden müssen.
Noch ein zweiter Vorbehalt bei der Methodenkritik der BGH-Rechtsprechung muß gemacht werden. Bei der Würdigung der auf A r t . 14 GG bezogenen Stellungnahmen des B G H muß berücksichtigt werden, daß es ja auch bei Annahme eines i n A r t . 14 Abs. 3 S. 3 GG eingeräumten Entschädigungsspielraumes für den Regelfall nicht die Aufgabe der Gerichte, sondern des Gesetzgebers ist, die Abwägung vorzunehmen und damit gegebenenfalls eine unterhalb der Verkehrswertentschädigung liegende Entschädigungspflicht anzuordnen 22 . Man kann daher dem B G H nicht vorwerfen, er habe es unterlassen, das Abwägungsgebot zu aktualisieren. Eine den Gerichten (und nicht dem Gesetzgeber) überlassene Abwägung kann n u r dort angenommen werden, wo von der Exekutive unter Mißachtung der Gesetze Eingriffe i n das Eigentum vorgenommen wurden, d. h. i n den Fällen des enteignungsgleichen Eingriffs. F ü r den enteignungsgl. Eingriff hat der B G H auch i n — jedenfalls methodisch korrekter Weise — schon i n B G H Z 6, 270 (295) eine Abwägung entsprechend A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG vorgenommen 22 Vgl. oben § 7 V m i t Unterscheidung verschiedener Adressatenrollen von Gesetzgeber u n d Gerichten bei der Interessenabwägung.
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I. Β . Die bisherige Behandlung des Abwägungsgebotes
und ausgeführt, daß auch bei Berücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit in diesen Fällen (erg. des enteignungsgl. Eingriffs) kein sachlich vertretbarer Gesichtspunkt ersichtlich sei, eine niedere Entschädigung zuzulassen 23 .
Wenn es auch nicht Aufgabe der Gerichte ist, die Interessenabwägung bei der Enteignungsentschädigung selbst vorzunehmen, so müssen sie doch darauf achten, daß sie die Aktualisierung eines dem Gesetzgeber von der Verfassung eingeräumten Entschädigungsspielraumes nicht verhindern. A n dieser Stelle hat nicht nur die interpretatorische, sondern auch die immanent methodenkritische Bewertung der Rechtsprechung des B G H anzusetzen. aa) Der erste und schwerste Mangel der methodischen Behandlung der Interessenabwägung betrifft den aufgezeigten Wechsel i n der A r t , wie der B G H sich grundsätzlich zur Frage des Verhältnisses von „angemessener" und Abwägungsentschädigung äußerte. Die unzulängliche Behandlung des Problems besteht darin, daß zunächst ausdrücklich die Frage nach dem Verhältnis von „angemessener" und Abwägungsentschädigung offen gelassen wurde, dann aber ohne neue Begründung einfach dem Grundgesetz unterstellt wurde, es enthalte i n A r t . 14 GG das Gebot der „angemessenen", d. h. strikten Verkehrswertentschädigung. Anstatt die bis dahin formell unentschiedene Frage endlich methodisch sauber durch Rückgriff auf die Verfassung zu entscheiden, wurde sie dadurch entschieden, daß man die noch offene Grundfrage einfach überging und schlicht dasjenige Ergebnis als zwingendes Verfassungsrecht statuierte, das nicht zu übernehmen gerade Ziel der neuen Regelung gewesen war. Dieser innere Widerspruch i n den Stellungnahmen des B G H zur nach A r t . 14 GG zwingend gebotenen Entschädigungshöhe zeigt sich auch deutlich i n zusammenfassenden Darstellungen der Entschädigungsrechtsprechung — ohne daß dies bisher auf K r i t i k der Rechtswissenschaft gestoßen wäre. So w i r d ζ. B. i n der bekannten Übersicht von Kröner einerseits darauf hingewiesen, der B G H habe bisher offen gelassen, ob die Bestimmungen über die Entschädigungshöhe i n A r t . 14 GG u n d A r t . 153 WeimVerf sich decken; andererseits w i r d i n dieser Darstellung die Rechtsprechung zur v o n A r t . 14 GG geforderten E n t schädigungshöhe bezeichnenderweise lapidar unter der Überschrift „Die »angemessene' Entschädigung" zusammengefaßt 24 .
bb) Ein zweiter methodischer Mangel liegt schließlich darin, daß die Behandlung des Abwägungsgebotes durch den B G H auch zu der Zeit, als der B G H noch nicht ohne nähere Begründung das Gebot der „angemessenen" Entschädigung einfach unterstellte, nicht als konsistent angesehen werden kann. 23 N u r w i r d m i t dem hamburg. Deichurteil dem „Erst-recht"-Schluß des B G H partiell der Boden entzogen; dazu ausführlich oben die Behandlung der Folgeprobleme einer Aktualisierung des Abwägungsgebotes i n § 3 I. 24 Kröner, Die Eigentumsgarantie i n der Rechtsprechung des BGH, 2. Aufl., S. 83 u n d 89 ff.
§ 10 Die Abwägung i n der Rechtsprechung des B G H
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Die Frage des Verhältnisses zwischen dem Gebot der „angemessenen" Entschädigung und der zwingend nach der Interessenabwägung des A r t . 14 GG zu zahlenden Entschädigung hätte der B G H nur dann dahingestellt sein lassen können, wenn er bis zur letzten grundlegenden Erörterung dieser Frage i n BGHZ 19, 139 ff. sich einer Stellungnahme darüber enthalten hätte, ob nun A r t . 14 GG eine „angemessene", d. h. Verkehrswertentschädigung zwingend gebietet oder nicht. Eine Analyse der Entscheidungen des B G H zeigt indes, daß er i n Wahrheit auch zu dieser Zeit, methodisch unsauber, die Frage latent i. S. einer Fortführung der Bindung an die Verkehrswertentschädigung entschieden hatte. So hatte der B G H bereits i n v o r B G H Z 19, 139 ff. liegenden Entscheidungen festgestellt, daß nur in Ausnahmefällen die Enteignungsentschädigung unterhalb des gemeinen Wertes festgesetzt werden dürfe 2 5 . Er hatte, wie erwähnt, überhaupt erst i n einem F a l l ausdrücklich zugelassen, daß eine gesetzliche Regelung zu einer Entschädigung unterhalb des gemeinen Wertes führen darf, nämlich aus dem Grund, daß sich notwendige Generalisierungen des Gesetzgebers i m Einzelfall als Entschädigung unterhalb des gemeinen Wertes ausw i r k e n 2 6 . Es erhebt sich zwangsläufig die Frage, wie der B G H zu dem Ergebnis kommen w i l l , daß, v o n Ausnahmen abgesehen, der gemeine Wert auch nach A r t . 14 GG die Regel bildet, w e n n er zuvor nicht unter Rückgriff auf die V e r fassung ermittelt, ob das Grundgesetz eine Fortführung des Gebotes der „angemessenen" Entschädigung überhaupt enthält 2 7 .
2. Auch wenn die Behandlung des Abwägungsgebotes durch den B G H als methodisch unzulänglich anzusehen ist, ist freilich zugunsten des Gerichtes ein Moment zu berücksichtigen, das evtl. zu einem Teil die A r t und Weise des Vorgehens des B G H zu erklären vermag. Dieses Moment besteht darin, daß allein die Tatsache, daß der B G H zutreffend das Abwägungsgebot als bewußte Absetzung von dem Gebot der Verkehrswertentschädigung erkannt hätte, für sich allein noch nicht ausgereicht hätte, um zu einer befriedigenden Lösung zu gelangen. Denn das Kernproblem für den B G H bestand darin, daß die Wirkung seiner Rechtsprechung sich ausschließlich auf Enteignungsfälle beschränkt und hier wiederum nur auf solche, bei denen es zum Entschädigungsprozeß kommt. Nur ein gemeinsames Vorgehen von Rechtsprechung und Gesetzgebung kann daher den Weg zur sachgerechten Entschädigungsdifferenzierung nach A r t . 14 I I I Satz 3 GG ebnen (zu den Schranken, die dem Gesetzgeber hierbei speziell aus dem Gleichheitsgrundsatz auferlegt sind, siehe unten § 25 ff.). Gerade gesetzgeberische Lösungen, die sowohl dem Anliegen der Interessenabwägung wie dem Gleichheitssatz gerecht werden, setzten aber voraus, daß der B G H festgestellt hätte, daß die Eigentumsgarantie des 25 26 27
s. B G H Z 13, 395, 398 u n d Kröner, S. 91. B G H Z 14,138,144 f. Auch B G H Z 6,270, 295 l i t t schon selbst an diesem Widerspruch.
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I. Β. Die bisherige Behandlung des Abwägungsgebotes
Art. 14 GG die Entschädigung nach dem Verkehrswert nicht starr gebietet. Erst aufgrund dieser Feststellung wäre es als zusätzliche Aufgabe auf den Gesetzgeber zugekommen, Lösungen zu entwickeln, die neben der Beachtung der Abwägung bei der Entschädigung aus Art. 14 GG auch die Probleme des Gleichheitssatzes lösen. Man w i r d wohl m i t Recht annehmen dürfen, daß die Mehrheit des Pari. Rates jedenfalls alles andere eher für möglich hielt als die Tatsache, daß das zuständige Bundesgericht in seiner Rechtsprechung die Absetzung von der Verkehrswertentschädigung praktisch gar nicht zur Kenntnis nahm.
Zweiter
Teil
D i e Konkretisierung § 11 Ausgangslage und Hauptaufgaben der Konkretisierung I. Ausgangslage der Konkretisierung
Die Ausgangslage der Konkretisierung des Abwägungsgebotes des A r t 14 Abs. 3 Satz 3 GG besteht darin, daß zur Bestimmung des dem Gesetzgeber i n A r t . 14 GG von der Verfassung eingeräumten Entschädigungsspielraumes diejenigen Konkretisierungsleitlinien zugrunde zu legen sind, die sich aus dem gesamten oben i n den §§ 4, 5 und 7 dargestellten interpretatorischen Befund ergeben. Danach ergibt sich als Hauptleitlinie der Konkretisierung die Feststellung, daß (wie Wortlaut, historischer Vergleich, funktionale Analyse und subjektive Interpretation übereinstimmend ergeben) die Konkretisierung des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG einen Mittelweg i n der Bindung des Gesetzgebers ergeben muß. Das heißt, daß die Konkretisierung weder dazu führen darf, daß sie dem Gesetzgeber schlechthin erlaubt, jeden beliebigen Betrag für die Höhe der Enteignungsentschädigung festzusetzen, noch daß er i n jedem Fall dazu verpflichtet ist, stets nach dem Verkehrswert des entzogenen Rechtes oder Gutes zu entschädigen. Neben dieser Leitlinie, die auf das Ergebnis der Konkretisierung zielt, enthält die Regelung des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG eine weitere grundsätzliche Entscheidung, die die Methode der Konkretisierung betrifft. Danach ist die Konkretisierung durch Abwägung durchzuführen, nämlich durch Abwägung zwischen den Interessen der Beteiligten und denjenigen der Allgemeinheit, die sich jeweils für die einzelnen Enteignungssituationen ergeben. Hierbei leistet wesentliche Hilfe die oben i n § 7 I I I gegen die früher h. M. ausführlich begründete Feststellung, daß es sich sowohl bei den Interessen der Beteiligten wie denjenigen der Allgemeinheit um finanzielle Interessen handelt. Als weitere für die Konkretisierung behilfliche Ergebnisse können schließlich aus der Motivationsanalyse die Feststellungen herangezogen werden, daß eine Konkretisierung, die besonders i m Bereich der Bodenordnung dem Gesetzgeber einen Differenzierungsspielraum einräumt, i n verstärktem Maße verfassungsrechtliche Legitimität beanspruchen kann, weil dieses Motiv für die Einführung des neuen Entschädigungsparameters i n die Verfassung ausschlaggebend war.
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I I . Konkretisierung I I . Hauptaufgaben der Konkretisierung
Bevor man i m einzelnen daran geht, eine Konkretisierung zu finden, die für einzelne Sachbereiche des Enteignungsrechts angibt, welche Rechtsfolgen sich für sie aus dem Abwägungsgebot ergeben, sollte grundsätzliche Klarheit bestehen, welche Hauptaufgaben bei einer als befriedigend anzusehenden Konkretisierung zu lösen sind. Hierbei lassen sich drei grundsätzliche Aufgaben unterscheiden. Die erste und zentrale Hauptaufgabe, vor die sich jeder zum Abwägungsgebot unternommene Konkretisierungsversuch gestellt sieht, besteht darin, einen Entschädigungsrahmen für gesetzliche Regelungen der Enteignungsentschädigung zu finden, der i n möglichst großem Umfang den i m ersten Teil der Untersuchung unter A aufgeführten Ergebnissen der Interpretationsanalyse Rechnung trägt. Die Erfüllung dieser Aufgabe kann aber nicht allein ausreichen, um von einer geglückten Konkretisierung des Abwägungsgebotes zu sprechen. Vielmehr ergeben sich zwei weitere ebenfalls zu erfüllende A u f gaben, die bei seiner Inhaltsbestimmung zu leisten sind. Eine zusätzliche Aufgabe besteht darin, eine Konkretisierung zu finden, die der Funktion der Abwägungsregelung als für die Gesetzgebung und Rechtsprechung handhabbares Entscheidungsprogramm genügt. Das bedeutet, daß es nicht genügen kann, eine A r t Billigkeitsregelung derart einzuführen, daß je nach sozialer Bedürftigkeit der Betroffenen oder nach den jeweiligen aktuellen Erfordernissen bestimmter Zeitumstände oder ähnlichen Kriterien die Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes bestimmt wird. Es kommt vielmehr darauf an, Abgrenzungskriterien zu entwickeln, die i n der Beurteilung der einzelnen Sachbereiche des Enteignungsrechts berechenbare Ergebnisse erzielen lassen. A n dernfalls käme man zu dem bereits oben i n der Einleitung i n § 1 bei der Analyse des hamburgischen Deichurteils des Bundesverfassungsgerichts gerügten Ergebnis, die Entscheidung den Umständen des einzelnen Falles zu überlassen. Das führt dann dazu, daß der Gesetzgeber wieder völlig i m Unklaren gelassen würde, wie weit der i h m zugewiesene Entschädigungsspielraum reicht. Angesichts dieser Aufgabenstellung ist m a n einigermaßen enttäuscht über eine Lösung, die i n der neuen Dissertation von Hauke zur Konkretisierung vorgeschlagen w i r d 1 . Hauke sieht zunächst zutreffend die i n A r t . 14 GG getroffene Regelung als deutliche Absage an das Gebot der „angemessenen" E n t schädigung an; f ü r die entscheidende Frage nach der v o m Grundgesetz gebotenen Enteignungsentschädigung, insbesondere nach der zwingenden U n t e r grenze der Entschädigung erhält die Rechtspraxis aber keine handfeste Hilfe. 1 G. Hauke, Das Interessenabwägungsgebot nach A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG bei der Bestimmung der Enteignungsentschädigung, Diss. Heidelberg, 1972.
§ 11 Ausgangslage u n d Hauptaufgaben der Konkretisierung
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Nach Hauke liegt „die untere Grenze der Enteignungsentschädigung etwa i n der M i t t e zwischen dem Verkehrswert und dem sozialen Lastenausgleich" 2 . Das läßt alles unklar. Angenommen, die Entschädigung würde n u r nach dem „sozialen Lastenausgleich" bemessen, w i e hoch muß sie dann sein? Selbst wenn diese Frage ausreichend beantwortet wäre — w i e ist dann die „etwaige M i t t e " z w i schen Verkehrswert (W v ) u n d „Sozialwert" (W s ) 3 zu bestimmen? Wenn der „Sozialwert" bei einer Enteignung z. B. bei 10 000 D M , der Verkehrswert bei 40 000 D M liegt, wieso soll dann gerade bei etwa 25 000 D M die verfassungsrechtlich zwingende Untergrenze liegen? Kurzum, eine Bestimmung der Untergrenze (U) nach der Formel U= W s + W v — W s 4 erscheint als formal konstruiert 5 . 2 Auch das i m Jahre 1969 vorgelegte Gemeinschaftsgutachten „Verfassung, Städtebau, Bodenrecht" 6 vermag aus ähnlichen Gründen i n der Durchführung der Abwägung nicht v o l l zu überzeugen. Dies gilt, obwohl i m übrigen gerade dieses Gutachten eine Fülle von beachtlichen neuen Gedanken u n d Lösungswegen zum Problem der Enteignungsentschädigung aufgezeigt hat. Die Untersuchung, die sich bewußt auf das Baurecht beschränkt 7 , unterscheidet i n K o n kretisierung der Abwägung eine Fülle v o n allgemeinen Belangen der A l l g e meinheit 8 . So wichtig alle diese Aspekte 9 sind — eine f ü r die Rechtspraxis daraus herleitbare handfeste Grenzziehung, die das ununterschreitbare E n t schädigungsminimum angibt, ist damit nicht möglich. Aus den genannten Aufgaben k a n n die Untergrenze j a nicht ermittelt werden, w e i l sonst, i m m e r wenn solche Aufgaben vorliegen, Reduzierung bis auf N u l l möglich wäre. N u r i n einer Hinsicht k o m m t die Untersuchung zu einer dezidierten Entschädigungsverpflichtung. „Untergrenze jeder Minderung (erg.: der Entschädigung unterhalb des Verkehrswertes) ist der Wert der ausgeübten Nutzung, w e n n diese rechtmäßig ist und nicht i n der Bewertung Einschränkung durch inhalts2
S. 79. Ausdruck von m i r . 4 So lautet die mathematische Fassung der Ilaukeschen Formel; sie lautet äquivalent auch 3
2 5
M a n w i r d die Lösung von Hauke w o h l als Anwendung des an sich f ü r viele Grundrechtsprobleme sehr fruchtbaren Gedankens ansehen müssen, verfassungsrechtliche Grundprinzipien und Garantien möglichst nicht gegeneinander, sondern i n Harmonie, i n „praktischer Konkordanz" zueinander zu k o n kretisieren; vgl. dazu insb. K . Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 6. Aufl., 1973, S. 28 f. u n d F. Müller, N o r m s t r u k t u r und Normativität, S. 213 ff. N u r geht dies k a u m i n der Weise, daß man i m Sinne Haukes eine A r t mathematischalgebraischen Mittels aus „rechtsstaatlicher Entschädigung" u n d „sozialstaatlicher Entschädigung" konstruiert. 6 GEWOS-Gutachten, erstattet von Schwender, Bielenberg, Förster, Iden, Scharnberg u n d Zinkahn. 7 S. 13. 8 S. 122 ff., Rdnr. 270 ff. 9 Es werden u. a. detaillierte Ausführungen zum Verstädterungs- und V e r dichtungsprozeß, zur Vergrößerung der Bevölkerungszahl, zu Anforderungen aus der Hebung des Lebensstandards u n d aus der Änderung der Wirtschaftsstruktur der Abwägung zugrunde gelegt. 7 Opfermann
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I I . Konkretisierung
bestimmende Gesetze . . . erfährt 1 0 ." Das ist aber n u r thesenartig gesetzt, ohne selbst durch die Abwägung begründet worden zu sein.
Eine dritte schließlich bei der Konkretisierung zu erfüllende Hauptaufgabe besteht darin, dem besonderen Umstand Rechnung zu tragen, daß das Abwägungsgebot des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG sich primär an den Gesetzgeber wendet. Das bedeutet, daß es bei der Konkretisierung des Abwägungsgebotes nicht Aufgabe der Verfassungsinterpreten oder der Gerichte ist, dem Gesetzgeber i m einzelnen vorzuschreiben, wie er die Entschädigungsbemessung vorzunehmen hat. Damit würde ja an Stelle des Gesetzgebers das Gericht oder der Verfassungsinterpret als Abwägungsinstanz tätig. Der Gesetzgeber hätte dann nur noch das aus der Interessenabwägung hergeleitete Ergebnis durch den Gesetzesbeschluß in geltendes Recht umzusetzen. Andererseits besitzt das Abwägungsgebot keineswegs die Funktion eines Gesetzesvorbehaltes. Es muß daher den Gerichten, insb. dem Bundesverfassungsgericht, die Prüfung vorbehalten bleiben, zu kontrollieren, ob die jeweils vom Gesetzgeber getroffene Entschädigungsregelung als noch mit der Abwägung zwischen den Interessen der Enteignungsbetroffenen und der Allgemeinheit vereinbar angesehen werden kann. Dieser Prüfungsvorbehält ergibt sich zwingend schon aus Art. 1 Abs. 3 GG 1 1 . W i l l man beiden genannten Umständen (Abwägungskompetenz des Gesetzgebers/Prüfungskompetenz der Gerichte) gerecht werden, dann läßt sich die Konkretisierung des Abwägungsgebotes durch Angabe der aus i h m sich ergebenden Rechtsfolgen wohl nur i n der folgenden Weise sachgerecht lösen. Die Verfassungsinterpretation kann hier nur so erfolgen, daß zum einen die äußersten Grenzen nach unten angegeben werden, innerhalb deren sich bei Berücksichtigung sowohl der Interessen der von Enteignungen Betroffenen wie der Interessen der Allgemeinheit der Gesetzgeber stets zu halten hat. Die Verfassungsinterpretation kann damit bestimmen, i n welchen Fällen welches Entschädigungsminimum zwingend nach Art. 14 GG nicht unterschritten werden darf. D. h., es werden K r i terien dafür geliefert, wann eine Entschädigungsbemessung durch den Gesetzgeber als schlechthin die Interessen der Enteignungsbetroffenen gegenüber den Interessen der Allgemeinheit zu gering beachtend anzusehen und deshalb verfassungswidrig ist. Zum zweiten w i r d angegeben, nach welchem Leitprinzip der Gesetzgeber sich orientieren kann und (da die Entschädigungsregel des Art. 14 GG als Abwägungsverpflichtung, nicht nur als Ermächtigung gefaßt ist) 1 2 10
S. 139 = Rdnr. 319. Vgl. dazu schon oben § 7 V. 12 Z u den schwierigen Problemen dieser Fassung und einzelnen Detailfragen s. ausführlich unten § 24. 11
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soll, wenn er die Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes i n A n spruch nimmt. Dem Gesetzgeber w i r d damit nur die Richtung gewiesen, i n der die Grundgesetzentscheidung aktualisiert werden sollte, es w i r d i h m nicht vorgeschrieben, wie weit er i m einzelnen hierbei geht. Der i n den folgenden Paragraphen entwickelte Konkretisierungsweg w i l l nicht so verstanden werden, daß er i n den Ergebnissen oder i n der A r t der Durchführung Ausschließlichkeit i n dem Sinn beansprucht, daß nur er allein als mit Wortlaut, System und Ziel der Abwägungsregelung vereinbare Konkretisierung aufzufassen wäre. Vielmehr ist es durchaus denkbar, daß auch andere Konkretisierungen den durch Wortlaut, System und dem Ziel der Norm gesetzten Anforderungen Genüge tun. Freilich zeigt die nachweisbar vollständige Übereinstimmung der Lösung mit den durch die Interpretationsanalyse vorgegebenen Anforderungen (Nachweis unten § 23 I), daß dieses Lösungsmodell wohl i n besonders hohem Maße für sich i n Anspruch nehmen kann, den Willen der Verfassung zu verwirklichen. Da das folgende Konkretisierungsmodell Verfassungswortlaut, System des A r t . 14 Abs. 3 GG und dem subjektiven Willen des Pari. Rates gleichermaßen gerecht wird, ergibt sich zudem, daß es völlig gleichgültig ist, ob man mit einem Teil der Rechtswissenschaft das Schwergewicht i n der Übereinstimmung m i t den sog. „objektiven" Interpretationselementen sieht 1 3 oder — wofür sich ja speziell i m Bereich der Verfassungsinterpretation gute Gründe anführen lassen 14 — den Intentionen des Verfassunggebers besonderes Gewicht beimißt. Denn der Streit erledigt sich naturgemäß, wenn, wie hier, sich i m Ergebnis herausstellt, daß beiden Interpretationstheorien i n vollem Umfang Genüge getan ist.
§ 12 Grundsätzliche Bestimmung des Entschädigungsminimums nach der Interessenabwägung I . Orientierung am stärkeren Gewicht der Interessen
Ziel der neuen Abwägungsregelung des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG sollte es sein, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten (oder i m Wortlaut des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG: vor nicht „gerechten") Entschädigungsbelastungen zu schützen. Das ergaben historischer Vergleich mit der Weimarer Verfassung, Wortlaut der Regelung, Wortlaut der Junktimklausel und die Intention des Pari. Rates gleichermaßen. Andererseits verpflichtet 13 So weitgehend die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, neuerdings aber m i t besonderer Betonung der Bedeutung der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes f ü r die Auslegung neuartiger grundrechtlicher Bestimmungen; zu beidem bereits oben § 4, Fußn. 9. 14 Vgl. oben § 4, Fußn. 17.
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I I . Konkretisierung
die Regelung des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG, i n jedem Enteignungsfall die Interessen des jeweiligen Betroffenen an einer Erhaltung des vor der Enteignung bestehenden Vermögens ebenfalls zu berücksichtigen. Denn erst, wenn auch diese Interessen einbezogen sind, kann eine Abwägung zwischen ihnen und denen der Allgemeinheit erfolgen. Da die Regelung des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG die Interessen der Betroffenen und die der Allgemeinheit i n gleicher Weise nennt, kann keine von beiden prinzipiellen Vorrang beanspruchen, vielmehr sind beide als gleichermaßen legitim anzusehen. Gleichwohl muß, was sich ja aus dem Gebot der Abwägung ergibt, jeweils i m konkreten Enteignungsfall i n bezug auf bestimmte Vermögenswerte entweder das eine oder das andere Interesse als weniger gewichtig angesehen werden, da beide Interessen (die Interessen der Allgemeinheit an möglichst geringer Entschädigung, die des Betroffenen an möglichst hoher Entschädigung) nicht gleichzeitig befriedigt werden können. W i r erhalten somit für die Frage, wie die Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes näher bestimmt werden kann und muß, ein allgemeines Leitprinzip: Für jeden anstehenden Enteignungsfall bzw. für jede Fallgruppe gleichartiger Enteignungen muß „gewogen" werden, ob jeweils die Interessen des Betroffenen oder die der Allgemeinheit größeres Gewicht besitzen und deshalb durchschlagen. W i r können dieses Prinzip die Interessenentscheidung nach dem Vorrang des jeweiligen Gewichtes beider Interessen nennen 1 . Wie ist bei dieser Gewichtabwägung zu verfahren? Eine Klärung ergibt sich, wenn man sich überlegt, welcher Orientierungsweg aus dem Sinn der Abwägung heraus nicht akzeptabel ist. Gehen w i r davon aus, daß die gewollte und ausdrücklich i n der Verfassung angeordnete Grundfunktion der Entschädigungsregelung darin besteht, zwischen den finanziellen Interessen der Betroffenen und der Allgemeinheit eine Vermittlung herzustellen, dann ist offensichtlich, daß für die Interessenabwägung weder entscheidend sein kann, welche Entschädigungstüünsche von Seiten der Betroffenen, noch welche Entschädigungswünsche von Seiten der Allgemeinheit geltend gemacht werden. Denn die Betroffenen möchten naturgemäß eine möglichst hohe Entschädigungssumme. Würde man sie als ausschlaggebend ansehen, so 1
Die Interessenbefriedigung einer von beiden Seiten muß also letztlich zurücktreten. Welche Seite dies ist, ergibt die Abwägung. Es handelt sich also u m den F a l l einer Abwägung bei kollidierenden Interessen. Das ist ein f ü r rechtliche Interessenabwägungen zentraler Falltypus; vgl. dazu Hubmann, Grundsätze der Interessenabwägung, AcP n.F. Bd. 35 (1956), S. 85 ff.; zum V e r such einer Mathematisierung der Abwägung widerstreitender Interessen als gesetzgeberische Aufgabe s. ders., Die Methode der Abwägung, i n : Festschrift f ü r L . Schnorr v. Carolsfeld zum 70. Geburtstag, 1973, S. 173 ff., 190 ff.
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blieb für einen Einbezug der Interessen der Allgemeinheit kein Raum. Andererseits gilt: das allgemeine Interesse, die finanziellen Entschädigungslasten bei Enteignungsfällen zu reduzieren, kann nie ausreichender Grund sein, um i m konkreten Einzelfall die Entschädigung unterhalb des Verkehrswertes anzusetzen oder sie gar ganz zu versagen. Das läßt sich auch so formulieren: legitime (oder sogar vom Allgemeinwohl dringend erwünschte) Zielvorstellungen des Gesetzgebers oder sonstiger I n stitutionen sind i m Enteignungsbereich nie ein ausreichender Grund, um i m Einzelfall beliebige daraus ableitbare Wirkungen zu rechtfertigen 2 . Wenn das allgemeine Interesse an der Reduzierung von Entschädigungslasten unbeschränkt ausschlaggebend sein könnte als Begründung für die Entschädigungsversagung, bedeutete dies i m Ergebnis wiederum, daß von der Verfassung dem Gesetzgeber ein totaler Spielraum eingeräumt würde. Denn eine Berufung auf die Notwendigkeit, die Allgemeinheit vor zu hohen finanziellen Folgelasten zu bewahren, ist praktisch immer möglich. Als Konsequenz für die Konkretisierung des Abwägungsgebotes bleibt somit übrig, daß das Abwägungsgebot nur i n der Weise zulässig konkretisiert werden darf, daß Kriterien entwickelt werden, die für jeden (!) einzelnen Entschädigungsfall garantieren, daß eine Reduzierung unterhalb des Verkehrswertes nicht nur allgemein vom Ziel der Etatentlastung her, sondern zusätzlich aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles gerechtfertigt ist. Eine solche Konkretisierung, die eine Berücksichtigung der Umstände jedes Einzelfalles garantiert, ist möglich, wenn man fragt, welche Zurechnungsfaktoren sachlich dafür sprechen, bei dem Schutz von Vermögenswerten die Interessen der Allgemeinheit an einer Reduzierung der Entschädigungslasten zu berücksichtigen und welche Zurechnungsfaktoren andererseits gebieten, die Interessen der Enteignungsbetroffenen an vollem Ersatz des Verkehrswertes zu respektieren. Solche Zurechnungsfaktoren müssen wiederum allgemein empirisch feststellbar sein, da andernfalls die Intersubjektivität der Abwägung nicht ausreichend gewahrt ist.
2 Diese Rechtsfolge, die hier unmittelbar aus der Interessenabwägung abgeleitet werden kann, gilt aus anderen Gründen entsprechend auch sonst i m Grundrechtsbereich. Denn die Grundrechte haben j a gerade die Funktion, die Durchführung bestimmter erlaubter oder sogar gemeinwohlwichtiger Zwecke in bestimmte Bahnen zu lenken und damit bestimmte Formen der Zweckverfolgung auszuschließen. F ü r das Ergebnis der Unmaßgeblichkeit der Wünsche beider Seiten liefert Hubmann (Fußn. 1), AcP Bd. 35, S. 95 noch eine weitere Begründung, die für jede Interessenabwägung gelten dürfte. Danach k a n n bei Interessenabwägungen die subjektive Stärke des Begehrens nicht maßgebend sein, „ w e i l i m Streit jede Partei i h r Bedürfnis für das wichtigere hält".
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I I . Konkretisierung I I . Der Leistungsparameter als Resultat der Interessengewichtung
Jede Entschädigungsregelung des Gesetzgebers bei Enteignungen, die nicht den vollen Verkehrswert der entzogenen Sache, Nutzungsart oder Rechtsposition erstattet, hat die folgende Konsequenz: Sie entzieht dem Enteignungsbetroffenen dadurch einen Vermögenswert, als er, wenn er nicht von der Enteignung betroffen wäre, ja i n Höhe des Verkehrswertes die Sache oder Nutzungsmöglichkeit oder Rechtsposition hätte veräußern können. Das bedeutet, daß w i r jeden einzelnen Fall, i n dem der Gesetzgeber eine Entschädigungsregelung unterhalb des Verkehrswertes anordnet, als Zugriff auf den Wert des Gegenstandes ansehen können. Ein solcher Zugriff kann verschiedene Intensität besitzen. Die geringste Zugriffsintensität (die selten vorkommt) liegt vor, wenn überhaupt kein effektiver Schaden entstanden ist. Das ist der Fall, wenn der Eingriff dem Betroffenen durch andere Umstände zugleich vermögensmäßige Vorteile bringt (dazu unten § 13 V). Neben diesem Sonderfall erleidet der Betroffene immer insoweit einen Schaden, als er bei nicht voller Entschädigung nach dem Verkehrswert finanziell schlechter dasteht, als er ohne Enteignung dastehen würde oder zumindest dastehen könnte. Es gilt daher i n diesen Fällen effektiven Schadens des Betroffenen abzuwägen, inwieweit die Interessen des Betroffenen oder die der Allgemeinheit größeres Gewicht besitzen. Nun gibt es i m Bereich des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes einen Sonderbereich, bei dem eine analoge Problemlage bereits vom Bundesverfassungsgericht zu entscheiden war und i n der vorgenommenen Abwägung zu einer fast allseits anerkannten sachgerechten Lösung geführt hat. Dies ist der Problembereich der Abgrenzung zwischen verfassungsrechtlich garantierten oder nichtgarantierten öffentlich-rechtlichen Vermögenspositionen. Das vom Bundesverfassungsgericht bei der Abwägung, inwieweit die Interessen der einzelnen Betroffenen gegenüber den Interessen des Staates (an einer Reduzierung der jeweils bestehenden öffentlich-rechtlichen Ansprüche) Bestand haben, zugrunde gelegte K r i t e r i u m besteht darin, daß Vermögenswerte immer dann als verfassungsrechtlich geschützt angesehen werden, wenn sie auf eine Leistung des Betroffenen in Form eines Kapital- und!oder Arbeitseinsatzes zurückführbar sind. Entscheidend ist für die Bewertung eines Rechts als i n seinem Wert garantiertes Eigentum, inwieweit es sich „als Äquivalent eigener Leistung erweist" 3 . Das entspricht der schon früh 3 Vgl. BVerfGE 11, 221, 226; 14, 188, 2931; 18, 392, 397; 22, 241, 253; i n der Tendenz noch ablehnend E 1, 264, 275 ff.; 2, 380, 399 ff.; i n der Grenzziehung noch u n k l a r E 4, 219, 240; 15, 167, 200. Siehe auch BSGE 5, 40 u n d 9, 127. Das Bundesverwaltungsgericht folgt ebenfalls einer differenzierenden Lösung, die
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vom Bundesverfassungsgericht geäußerten Ansicht, daß nach „den heute allgemein herrschenden gesellschaftlichen Auffassungen, das, was der Einzelne sich durch eigene Leistung und eigenen Kapitalaufwand erworben hat, i n besonderem Sinne als sein Eigentum anzuerkennen und gegenüber Eingriffen als schutzwürdig anzusehen" sei 4 . Führt man diese Differenzierung i n der verfassungsrechtlichen Behandlung öffentlich-rechtlicher Vermögenspositionen auf den ihr zugrunde liegenden sachlichen Kern zurück, so liegt diesem K r i t e r i u m des verfassungsrechtlichen Vermögensschutzes i n Höhe des „Leistungsäquivalentes" die Erkenntnis zugrunde, daß einerseits das Ziel des Staates, seinen Etat zu entlasten, als solches nicht ausreicht, um vermögensrelevante Rechtspositionen einzelner (oder bestimmter Gruppen) zu schmälern und daß i n der differenzierten, auf funktionale Arbeitsteilung angelegten Industriegesellschaft auf eigener Leistung beruhende Vermögenspositionen unabhängig von der Rechtsnatur des Rechts dem einzelnen erhalten bleiben müssen, weil i n der modernen Industriegesellschaft eine eigenverantwortliche Sicherung der Existenzgrundlage nur dann gewährleistet ist, wenn das Vertrauen i n durch eigene Leistungen erbrachte Vermögenswerte nicht beliebig gesetzlich beseitigt werden kann. Dem entspricht andererseits, daß der Gesetzgeber i n den Fällen, i n denen eine solche eigene Leistung nicht nachweisbar ist, zwar auch Vermögenspositionen gewähren und bestehen lassen kann, er aber, verfassungsrechtlich gesehen, auch den Spielraum besitzen muß, notfalls diese Vermögenspositionen zu reduzieren. Übertragen w i r dieses i n einem speziellen Teilbereich des Eigentumsschutzes entwickelte differenzierte Modell des verfassungsrechtlichen Vermögensschutzes i n Höhe der Leistungsäquivalenz auf den Problembereich der Konkretisierung des Abwägungsgebotes des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG, so zeigt sich, daß hier ganz entsprechende Abwägungsprobleme zu lösen sind: Auch für Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG gilt allgemein (und sogar von der Verfassung ausdrücklich formuliert), daß der Gesetzgeber i n der Entschädigungsregelung eine Entschädigungsflexibilität besitzen soll, innersich weitgehend an der BVerfG-Rechtsprechung orientiert; die Grenzziehung w i r d aber nicht immer klar, vgl. B V e r w G E 2, 110; 3, 226; 11, 68; 13, 331; 20, 19; 25, 210. A. A. i m Sinn umfassenden Einbezugs i n die Eigentumsgarantie ist der Bundesgerichtshof; vgl. z.B. B G H Z 6, 270, 278; 27, 69, 73. Hier zeigt sich — parallel zu der oben i n § 10 geschilderten allgemeinen Behandlung des Enteignungsentschädigungsrechts i n der früheren BGH-Rechtsprechung — ein Defizit der Berücksichtigung auch der Belange der öffentlichen Hand. Ganz anders, nämlich i n Form sehr ausgewogener Differenzierung ist hingegen die BGH-Rechtsprechung hinsichtlich des Schutzes des Gewerbebetriebes durch A r t . 14 GG; vgl. dazu unten die Spezialdarlegung zum Verhältnis Enteignungsentschädigungsrecht u n d Gewerbebetrieb i n § 18. 4 BVerfGE 1, 264, 275 ff.
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I I . Konkretisierung
halb deren er die Entschädigung bestimmen kann. Diesen Spielraum kann er aber nicht danach variieren, inwieweit zu verschiedenen Zeiten ein verschieden großes Bedürfnis der Etatentlastung besteht, sondern der Spielraumumfang kann nur danach bestimmt werden, inwieweit i n den konkreten einzelnen Enteignungsfällen sachliche Faktoren angebbar sind, nach denen die Interessen der Allgemeinheit an einer Reduzierung der Entschädigungslasten vom Gesetzgeber berücksichtigt werden können, weil von Seiten des einzelnen keine Gründe angeführt werden können, die i n ihrem Gewicht gegen die Berücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit durchschlagen. Nun gilt i n gleicher Weise wie i n dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Spezialbereich der öffentlich-rechtlichen Ansprüche, daß ganz allgemein i m Entschädigungsrecht ein Interesse des einzelnen Enteigneten an einer seine Leistung übersteigenden Entschädigung zwar verständlich ist, aber kein sachlicher Grund angebbar ist, warum die Allgemeinheit eine vermögensmäßige Belastung zwingend i n Kauf nehmen muß, um dem Enteigneten Gewinne zu verschaffen, die nicht erarbeitet worden sind. Das bedeutet, daß eine Konkretisierung des Abwägungsgebotes des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG i n der gleichen Weise als sachgerechte Interessenentscheidung angesehen werden muß, wenn sie generell eine Differenzierung der Entschädigungsregelung danach zuläßt, welche effektiven Leistungen i n dem Vermögenswert der jeweils entzogenen Rechtspositionen, Nutzungsmöglichkeiten oder Sachgegenstände enthalten sind. Diese Orientierung an der Leistung ist f ü r den Eigentumsschutz subj.öffentlicher Rechtspositionen i n den 50er Jahren besonders von Dürig theoretisch ausgebaut worden 5 . Der Leistungsaspekt hat v o r kurzer Zeit auch auf der Tagung der Vereinigung der Staatsrechtslehrer unter dem Leitthema der „Grundrechte i m Leistungsstaat" eine umfassende Ausweitung der Dimension erfahren 6 ; zum Enteignungsentschädigungsrecht selbst sind dort aber i n den Referaten von Martens 7 und Häberle 8 n u r geringe Bezüge hergestellt worden. 5 Dürig, Zurück zum klassischen Enteignungsbegriff, JZ 1954, S. 4 ff., S. 9, Fußn. 27; ders., A n m e r k u n g zum Kassenpraxisurteil des B V e r w G v o m 19. 3. 1957, JZ 1958, S. 22 ff.; ders., Der Staat und die Vermögenswerten Berechtigungen seiner Bürger, i n : Staat u n d Bürger, Festschrift für W. Apelt zum 80. Geburtstag, 1958, S. 13 ff., S. 37 ff.; i n der letzteren Untersuchung auch (S. 53) ein bemerkenswerter Hinweis gerade auf die Fluchtlinienentscheidung des Reichsgerichts, d. h. auf die spezielle Problematik der Entlastung der öffentlichen Hand i m Bodenrecht. Generell zur Entwicklung der Rechtsprechung zum Schutz öffentlicher Rechte bis M i t t e der 60er Jahre W. Weber, öffentlich-rechtliche Rechtstellungen als Gegenstand der Eigentumsgarantie i n der Rechtsprechung, i n : AöR Bd. 91 (1966), S. 382 ff. 0 „Grundrechte i m Leistungsstaat", V V D S t R L Bd. 30,1972. 7 I m Referat Martens mittelbar zum Problem der Herausnahme reiner V e r mögensbeeinträchtigungen aus der Garantie des A r t . 14 GG, V V D S t R L Bd. 30, S. 15 f.
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Es ist, wenn man — was die Verfassung gebietet — sowohl die Interessen der Betroffenen wie die der Allgemeinheit wahren w i l l , kaum eine andere Schrankenziehung als Lösung denkbar: Zieht man die grundsätzliche Schranke zur Bestimmung des Minimums mehr i n Richtung der Begünstigung des Einzelnen, so führt dies dazu, daß die A l l gemeinheit Vermögenswerte aus ihren Mitteln abgeben muß, obwohl der Betroffene keine Leistung geltend machen kann; zieht man die Grenze mehr i n Richtung auf eine Begünstigung der Allgemeinheit, so hat dies zur Folge, daß die Allgemeinheit, wenn sie die Leistung des Betroffenen nicht grundsätzlich respektiert, geschaffene Werte des einzelnen ohne Bezahlung erwerben bzw. ohne Entschädigung i m Allgemeininteresse zerstören kann. Wenn man daher überhaupt eine Konkretisierung des Abwägungsgebotes erreichen w i l l , die i m Ergebnis zu einem Mittelweg zwischen starrer Bindung an den Verkehrswert und totalem Spielraum des Gesetzgebers führt, so erscheinen andere grundsätzliche Differenzierungskriterien als das Leistungskriterium nur schwer hierfür geeignet. Gleichwohl stellt die Heranziehung des Leistungskriteriums nicht einfach eine plausible Mittellösung dar, sondern ist verfassungsdogmatisch i n besonderer Weise an der Eigentumsgarantie des Art. 14 I GG abgestützt. Dies i n doppelter Hinsicht: Geht man davon aus, daß die Eigentumsgarantie dem Rechtsinhaber einen Freiheitsraum eigenverantwortlicher Tätigkeit i m vermögensrechtlichen Bereich sicherstellen soll 9 , dann führt das notwendig zum besonderen Schutz der Leistung. Denn eigenverantwortliche Lebensgestaltung setzt Abstellen auf Leistung (statt auf Staatsgewährung) und Schutz der Leistung voraus. Eine zweite verfassungsdogmatische Abstützung des Leistungskriteriums ergibt sich aus dem Verhältnis der Eigentumsgarantie zu anderen Grundrechten, insb. aus der neueren sachgerechten Abgrenzung der Funktion der Eigentumsgarantie von der Garantie der Berufsfreiheit des Art. 12 I GG i n der Rechtsprechung des BVerfG. Danach beinhaltet, wie insb. i n der sog. Mineralölbevorratungsentscheidung hervorgehoben wurde 1 0 , die Berufsfreiheit eine tätigkeitsbezogene, die Eigentumsgaran8 Bei Häberle andeutungsweise i n der Garantieverstärkung der Rentenversicherung u n d -abschwächung i m Bodenrecht, V V D S t R L Bd. 30, S. 86; stärker u n d grundlegender i n den nicht vorgetragenen Ausführungen (S. 101) : Der Wandel des Eigentumsbegriffs führe dazu, daß insb. solche Positionen als „Eigent u m " geschützt sind, die an die Arbeitsleistung u n d den individuellen Arbeitseinsatz anknüpfen. 9 BVerfGE 14, 367, 389 m i t Hinweis der Auswirkungen sowohl auf die Garantie des Eigentums als Rechtsinstitut wie als individuelles Grundrecht; den Zusammenhang zwischen Eigentumsgarantie u n d selbstverantwortlicher Lebensgestaltung betonte auch B G H Z 6, 270, 276. 10 BVerfGE 30, 334 f. unter Hinweis auf BVerfGE 28, 142.
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I I . Konkretisierung
tie hingegen eine „objektbezogene" Gewährleistungsfunktion. Die Eigentumsgarantie schützt hiernach keine bloßen Chancen und Verdienstmöglichkeiten, sondern das Erworbene als Ergebnis der Betätigung. Läßt man sich von dieser Grundfunktion auch bei der Beantwortung der Frage leiten, wann und inwieweit die Interessen des Betroffenen i n der Entschädigungsbemessung als vorrangig anzusehen sind, dann ergibt sich, daß dies i n dem Umfang der Fall ist, als der Verkehrswert des enteigneten Gegenstandes „Ergebnis der Betätigung" des Betroffenen ist, d. h. ein Leistungsäquivalent darstellt. I I I . Die Konsequenz
Für beliebige enteignende Eingriffe i n Eigentum und ihm gleichgestellte Rechte können w i r damit folgende grundsätzliche Rechtsfolge für die Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes feststellen. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Verlassens der Marktwertentschädigung, also des „vollen Äquivalentes" hängt nicht davon ab, in welchem prozentualen Anteil (10 °/o, 50%, 80%) der Gesetzgeber i n der Entschädigungsregelung den Verkehrswert unterschreitet. Vielmehr sind bei jeder Beurteilung einer gesetzlichen Entschädigungsregelung stets zwei Alternativen zu unterscheiden: a) es bleiben nur Vermögenswerte unentschädigt, die kein Äquivalent eigener Leistung des Betroffenen sind. b) es bleiben auch Vermögenswerte unentschädigt, die auf erbrachte Arbeits- oder Kapitalleistungen zurückgeführt werden können. Bei Vorliegen eines sachlichen Grundes 11 bleibt der Gesetzgeber immer dann innerhalb des Entschädigungsspielraumes, den Art. 14 GG gewährt, wenn er sich i m Bereich der ersten Alternative bewegt. Damit erhalten w i r eine Differenzierung, die neuerdings auch von Sendler 12 angeregt worden ist. Zugleich erhalten w i r einen generellen und zudem weitgehend wertungsfreien Beurteilungsmaßstab für beliebige Sachgebiete des Enteignungsrechts. Denn die — i m Wege empirischer Analyse (!) erfolgende — Untersuchung der Verkehrswerte nach dem Leistungsaspekt ist in allen Sachbereichen möglich. Die aus der strikten Gewichtung der Interessen der Betroffenen und der Allgemeinheit gezogene Rechtsfolge, daß über die Leistungsgrenze hinausgehende Interessen der Betroffenen an einem Erhalt des Verkehrswertes nicht als zwingend verfassungsrechtlich geschützt behandelt 11 Unsachlichkeit läge z. B. vor, wenn der Gesetzgeber gezielt von der E n t schädigungsflexibilität Gebrauch machen würde, u m bestimmte Personen zu treffen. 12 Sendler, Die Konkretisierung einer modernen Eigentumsverfassung durch Richterspruch, DÖV 1971, S .21.
§ 13 Einzelfragen der Anwendung des Leistungskriteriums
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werden, bedeutet keineswegs, daß nicht auch diese Interessen als legitim angesehen werden. Das sind sie ebenfalls. Sie werden aber, nachdem die Auslegung des Grundgesetzes eine klare Entscheidung für die Entschädigungsflexibilität ergeben hat, nicht mehr aus ausreichend gewichtig behandelt werden können. M i t dem Leistungsparameter erhält man zunächst zum einen die grundsätzliche Entschädigungsuntergrenze, die der Gesetzgeber zu beacht hat. Zugleich ist aber — ohne daß die Frage in bezug auf ihre endgültigen Rechtsfolgen hier schon voll entschieden werden kann 1 3 — aus dem Umstand, daß das Grundgesetz die Beachtung auch der Interessen der Allgemeinheit vorgeschrieben hat, damit eine Richtung für den Gesetzgeber i n der Entschädigungsdifferenzierung vorgegeben. Er muß, u m das Interessenabwägungsgebot i n Art. 14 GG als keine bloße „farcon de parier" zu behandeln, bei Entschädigungsregelungen den Umstand berücksichtigen, daß häufig Entschädigungsansprüche erhoben werden, ohne daß für sie Leistungsschutzinteressen geltend gemacht werden können. I n diesem Fall muß der Gesetzgeber, ohne daß das Ausmaß der Berücksichtigung i m einzelnen vom Grundgesetz vorgeschrieben ist, aufgrund des „dualistischen" Charakters 14 der Entschädigungsbestimmung des Grundgesetzes Überlegungen anstellen, ob und wie er den Interessen der Allgemeinheit an Entschädigungsentlastung durch eine differenzierende gesetzliche Regelung entgegenkommt. § 13 Einzelfragen der A n w e n d u n g des Leistungskriteriums I . Der Grundsatz des konkreten Leistungsschutzes
Wenn das Leistungskriterium zur Beantwortung der Frage herangezogen wird, i n welchen Fällen der Gesetzgeber verfassungsrechtlich verpflichtet ist, trotz Abkehr von der „angemessenen" Entschädigung die Entschädigung weiterhin i n Höhe des Marktwertes festzusetzen, so ergibt sich, daß jede Sachlage je für sich beurteilt werden muß. Denn bei jedem einzelnen durch eine Enteignung erfaßten Gegenstand muß jeweils gefragt werden, inwieweit sich Leistungsfaktoren i n dem Wert des Gegenstandes zeigen. Andernfalls würde nicht garantiert, daß die Leistung auch voll berücksichtigt ist. Hieraus ergibt sich als wichtige Rechtsfolge der Grundsatz, daß die Entschädigung nach dem Prinzip des effektiven oder konkreten Leischutzes angelegt sein muß: 13 Eingehend dazu unten § 24. M a n k a n n die Frage sinnvoll erst dann diskutieren, wenn das Ausmaß der A b k e h r von der „angemessenen" Enteignungsentschädigung übersehbar ist. Dies geschieht i n den Darlegungen der §§ 16 - 22. 14 So schon ein T e i l der früheren Verfassungsauslegung, die aber — i m Rahmen der „praktischen Fortführungstheorie" — zu keiner Effektuierung dieses Prinzips gekommen w a r ; vgl. dazu i m einzelnen oben § 9 I I I .
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I I . Konkretisierung
Der Gesetzgeber darf i n der Absicht, von der i m Grundgesetz niedergelegten Entschädigungsflexibilität Gebrauch zu machen, nicht pauschal i n der Weise zu verfahren, daß nur garantiert wird, daß i n aller Regel leistungsäquivalente Werte entschädigt werden. Dann bliebe noch offen, daß doch i n einigen Fällen keine Rücksicht auf Leistungen des Betroffenen genommen wird. Vielmehr muß der Gesetzgeber dafür Sorge tragen, daß i n jedem Fall das nach dem Leistungsgedanken entwickelte Entschädigungsminimum ausbezahlt wird. I I . Grundfälle der Entschädigungsbemessung
Typische Fallgruppen Es lassen sich zwei Grundfälle unterscheiden, die die Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes näher konkretisieren. Fallgruppe I: Partielle Verkehrs Wertentschädigung Ist der durch einen Gegenstand (Sachobjekt, das entzogen w i r d ; enteignetes Nutzungsrecht) repräsentierte Marktwert nur zu einem Teil auf Leistungen des Inhabers zurückzuführen, so w i r d eine Entschädigungsregelung von der Interessengewichtung der beiden Interessen (dem des Betroffenen an nicht zu geringer, dem der Allgemeinheit an nicht zu hoher Entschädigung) dann gerecht, wenn sie den Betroffenen für seine Leistung entschädigt. Hierbei eröffnen sich zwei Unterfälle. Z u m einen k a n n der Restbereich des Verkehrswertes auf unmittelbar nachweisbare Einzelleistungen der Allgemeinheit zurückzuführen sein. Oft ist dies aber nicht der Fall. Es ist möglich, daß bei mangelndem Leistungsbezug eines Teiles des Verkehrswertes direkt spezifizierbare Leistungen der Allgemeinheit nicht belegbar sind. Dann k a n n die Steigerung des Verkehrswertes darauf zurückzuführen sein, daß erhöhte Nutzungsmöglichkeiten letztlich erst durch die Fülle infrastruktureller Leistungen der Allgemeinheit ermöglicht worden sind. Auch w e n n solche Leistungsfaktoren von Seiten der Allgemeinheit nicht nachweisbar sind, ändert sich aber an der Zulässigkeit der Entschädigungsreduzierung unterhalb des Verkehrswertes nichts. Das Grundgesetz stellt auf eine Abwägung, d. h. Gewichtung des Interesses des Enteignungsbetroffenen m i t denen der Allgemeinheit ab. Fehlt es an Leistungsbezügen auf seiten des Betroffenen, dann ist das, was zu seinen Gunsten f ü r eine höhere Entschädigungspflicht geltend gemacht werden kann, immer noch von nicht ausreichendem Gewicht, u m eine zwingende Entschädigungspflicht begründen zu können.
Fallgruppe II: Volle Verkehrswertentschädigung Ist der Wert eines zu entschädigenden Gegenstandes seiner gesamten Höhe nach leistungsbezogen, dann ergibt sich i n der Interessenabwägung, daß zwar ein Interesse der Allgemeinheit an einer Entschädigung unterhalb des Verkehrswertes bestehen mag, daß aber für dieses Interesse
§ 13 Einzelfragen der Anwendung des Leistungskriteriums
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kein Raum verbleibt. I n diesen Fällen ändert sich daher gegenüber dem Gebot der „angemessenen" Entschädigung i n der verfassungsrechtlichen Entschädigungspflicht nichts. Hier liegt eine Umkehrung der Gewichtung i m Verhältnis zur Fallgruppe I vor. Natürlich w i r d stets die öff. Hand bestrebt sein, die Entschädigungslast möglichst zu reduzieren. Dies Interesse ist bei Leistungsbezug des gesamten Verkehrswertes aber zu gering, u m durchschlagen zu können, mag es auch u m noch so hohe Beträge gehen.
Durch Vergleich der beiden Fallgruppen I und I I sieht man deutlich, worauf die Interessenabwägung hinausläuft. Das Grundgesetz hätte sich i n der Absetzung von der alten Reichsgerichtsrechtsprechung auch zu der Regel entschließen können: „Es besteht keine Entschädigungspflicht i n Höhe des Verkehrswertes." Dann wäre i n keinem Enteignungsfall der Verkehrswert mehr verbindlich. Durch Einführung der Interessenabwägung bleibt der Verkehrswert aber weiter Orientierungspunkt, wo das Gewicht des Interesses des Betroffenen zu stark ist, u m übergangen zu werden. Atypische
Fallgruppen
Die eben aus dem Leistungskriterium entwickelten Rechtsfolgen bringen nur insoweit eine Konkretisierung des gesetzgeberischen Entschädigungsspielraumes, als sie allgemein angeben, wann der Zugriff auf den Verkehrswert eines bestimmten Sachobjektes oder Rechtes gar nicht oder teilweise erlaubt ist. Aus dem Leistungskriterium heraus ergeben sich aber neben diesen allgemeinen Fallgruppen bei besonderen Situationen veränderte Rechtsfolgen. Hierzu sind zwei Fallgruppen hervorzuheben: Fallgruppe III: Überschreitung des Verkehrs wertes I n Sonderfällen ist denkbar, daß das bloße Abstellen auf den Verkehrswert des entzogenen Gegenstandes nicht einmal ausreicht, um den Enteigneten nach Leistungsgesichtspunkten zu entschädigen. Das ist dann gegeben, wenn die Eigenleistung des von einer Enteignung Betroffenen höher ist, als die nach dem reinen Verkehrswert des entzogenen Objektes oder beeinträchtigten Rechtes allein zu zahlende Entschädigung. Eine solche Konstellation kann insb. dann eingreifen, wenn durch den Eingriff nicht nur Vermögenswerte an dem entzogenen Objekt selbst, sondern darüber hinausgehende Vermögenswerte betroffen sind (Folgeschäden). Hier ergibt die Abwägung i n Form des Ausgleichs i n Höhe der effektiv betroffenen Leistung: Die beeinträchtigten Vermögenswerte sind, sofern sie sämtlich auf eigene Leistung des Betroffenen zurückführbar sind, auch als Folgeschäden voll zu ersetzen. Ist dies nicht der Fall, so darf
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die Entschädigung wiederum soweit vom Gesetzgeber versagt werden, als es sich um keine Leistungsäquivalente handelt. Fallgruppe IV: Ausgleich zwischen privaten Beteiligten I n Ausnahmefällen kann es vorkommen, daß ein Eingriff zwar nach der Allgemeinwohlklausel des Art. 14 I I I S. 1 GG gerechtfertigt ist, i n der Entschädigungsfrage aber keinerlei Interessen der Allgemeinheit auf dem Spiele stehen. Das ist z. B. dann möglich, wenn ein Ausgleich zwischen mehreren Personen bei wirtschaftlichen Beteiligungen vorzunehmen ist. Das Gesetz soll hier für die Entschädigung nicht eine Lösung i m Spannungsverhältnis einzelner Betroffener/Allgemeinheit, sondern zwischen privaten Beteiligten finden. Da sachliche Gründe für eine Bevorzugung eines der Beteiligten ausscheiden, ist die „gerechte" Lösung der vermögensmäßigen Wertzuordnung darin zu sehen, daß jedem derjenige Vermögenswert zugewiesen wird, den er selbst eingebracht hat bzw. den seine Einlage jetzt wert ist. Dies ist auch vom Bundesverfassungsgericht i m sog. Feldmühleurteil klar ausgesprochen worden 1 . I I I . Die entschädigungsrechtliche Behandlung gezahlter Kaufpreise
Eine besondere Problematik ergibt sich, wenn der Marktwert des enteigneten Gegenstandes zwar zum erheblichen Teil auf Leistungen der Allgemeinheit oder auf niemandem zurechenbaren Sonderfaktoren beruht, aber der Enteignungsbetroffene den Gegenstand vorher durch eine Übereignung erworben hatte (Fall der „Übereignungskette"). Dann hat der Erwerber i n der Regel einen Kaufpreis gezahlt, der der Höhe des damaligen Verkehrswertes entsprach. Hier taucht die Frage auf, ob der Gesetzgeber, auch wenn der Wert des Gegenstandes nicht ausschließlich auf Leistungsfaktoren zurückführbar ist, gehalten ist, einmal gezahlte Kaufpreise zwingend nach A r t . 14 GG bei der Entschädigungsbemessung zu respektieren. Für die Bejahung einer solchen zusätzlichen Entschädigungsschranke könnte sprechen, daß auch bei Annahme einer solchen Sperrwirkung gezahlter Kaufpreise i n stärkerem Maße als nach der Theorie des Gebots der „angemessenen Entschädigung" ein Entschädigungsspielraum für den Gesetzgeber verbliebe. Denn zum einen gibt es zahlreiche Fälle, i n denen solche Vorübereignungen nicht gegeben sind. Zum anderen geböte eine solche Sperrwirkung ja nur, den früher bezahlten Kaufpreis (einschließlich der Verzinsung seit Erwerb des Grundstückes durch den Enteigneten) zu berücksichtigen; nicht aber müßte (so die „angemessene" Entschädigung) auf den Verkehrswert i m Zeitpunkt der Enteignung abgestellt werden. 1
BVerfGE 14, 263, 284.
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Der Enteignete könnte sich i n vielen Fällen des Vorerwerbs auch darauf berufen, daß zwar der Verkehrswert teilweise nicht leistungsbezogen gebildet ist, aber er selbst durch den Kaufpreis eine zu berücksichtigende „Leistung" erbracht habe. Beide Begründungen vermögen aber gleichwohl, so plausibel sie zunächst erscheinen, keine absolute Sperrwirkung einmal gezahlter Kaufpreise zu begründen. Der Gesetzgeber kann zwar bei Ausnutzung seines Entschädigungsspielraumes so verfahren, daß er jeden einmal gezahlten Kaufpreis als absolutes Entschädigungsminimum behandelt; dazu ist er aber nach A r t . 14 GG nicht verpflichtet. Denn gegen die absolute, d. h. verfassungsrechtlich gebotene Sperrwirkung spricht die folgende Überlegung. Läßt man i n derartigen Fällen stets den einmal von dem bisherigen Rechtsinhaber gezahlten Kaufpreis als unterste Entschädigungsgrenze gelten, so ist klar, daß damit der Umgehung der von der Verfassung eingeräumten Entschädigungsabwägung Tor und Tür geöffnet ist. Droht dem A eine Enteignung, w e i l die öffentliche Hand den von A geforderten sehr hohen Kaufpreis nicht zu zahlen bereit ist, dann w i r d gegebenenfalls A m i t Β noch schnell einen Kaufvertrag über diese Höhe abschließen (und erforderlichenfalls den Β an der erreichten Überhöhung des Entschädigungsbetrages beteiligen), u m die lästigen Konsequenzen des dem Gesetzgeber eingeräumten Entschädigungsspielraumes zu umgehen. Der Erfindungsreichtum der möglicherweise von Enteignungen betroffenen Rechtsinhaber, ohne eigene Leistung gebildete Verkehrswerte sich zu sichern, sollte nicht unterschätzt werden.
Geht man von einer absoluten Sperrwirkung einmal gezahlter Kaufpreise aus, so müßte die öffentliche Hand, obwohl A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG einen Entschädigungsspielraum einräumt, letztlich weitgehend doch voll entschädigen. Es nutzt auch wenig, offensichtliche Fälle solcher Umgehungen von der Sperrwirkung auszunehmen. Denn das Umgehungsmotiv ist nur schwer nachweisbar. Eine Rechtsfolge, die — obwohl von dem Sinn der Verfassungsnorm ausgehend — letztlich diese i m Ergebnis wieder i n ihr Gegenteil verkehren würde, kann nicht als adäquate Verfassungskonkretisierung angesehen werden. W i l l man daher einerseits den gesetzgeberischen Entschädigungsspielraum nicht ins Leere laufen lassen, andererseits die Enteigneten bei leistungsüberhöhten Kaufpreisen entschädigungsrechtlich nicht vollends schutzlos stellen, so muß man die Fallsituation differenziert behandeln. Ausschlaggebend kann nicht der gezahlte Kaufpreis selbst, sondern der vorliegende Vertrauenstatbestand bei Zahlung überhöhter Kaufpreise sein. Die Konsequenzen der Unterscheidung lassen sich an der Bezahlung leistungsüberhöhter Preise für Bauland oder Bauerwartungsland aufzeigen. Nach
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gesetzlicher Einführung von l i m i t i e r t e n Enteignungsentschädigungspflichten ist dem Käufer die Konsequenz der neuen Regelung klar. Wer gleichwohl erw i r b t , obwohl er weiß, daß das Grundstück einem evtl. Enteignungsrisiko ausgesetzt ist, kann sich auf keinen Vertrauenstatbestand berufen (keine ex-nuncSperrwirkung). Dem Gesetzgeber steht auch frei, durch geeignete Vorschriften dafür zu sorgen, daß die Sperrwirkung bei langwierigen Gesetzesberatungen vorverlegt w i r d . Die ohne solche Risikolagen früher einmal gezahlten Kaufpreise müssen h i n gegen, einschließlich Verzinsung, i n ihrem Leistungscharakter sonstigen L e i stungsfaktoren gleichgestellt werden (ex-tunc-Sperrwirkung).
Auch für andere Fallgruppen des Enteignungsrechts gilt: Man w i r d den Interessen der Enteigneten einerseits wie auch der i m Grundgesetz eingeräumten Entschädigungsflexibilität andererseits am ehesten gerecht, wenn man eine absolute ex-tunc-Sperre gezahlter Kaufpreise verneint, eine ex-nunc-Sperre aber i n dem aufgezeigten Rahmen akzeptiert. I V . Zurechnung der Leistung dritter Personen?
Als ebenfalls noch offener Problembereich muß die Frage beantwortet werden, wie nach dem Abwägungsgebot die Fälle zu behandeln sind, i n denen zwar nicht der durch eine Enteignung Betroffene selbst eine Leistung erbracht hat, wohl aber bestimmte dritte Personen eine solche Leistung vorgenommen haben. Bisher haben w i r bereits vereinzelt darauf hingewiesen, daß nicht die Leistung des Betroffenen selbst schlechthin ausschlaggebend ist. Das haben w i r angedeutet, indem darauf abgestellt wurde, daß der Vermögenswert nach der Entschädigungsregelung i n A r t . 14 GG dann geschützt ist, wenn und soweit er auf Leistungen des Betroffenen „oder i h m zurechenbarer dritter Personen" zurückgeführt werden kann. Dieser Ausweitung der Wertgarantie nach dem Abwägungsgebot des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG liegt die folgende Erwägung zugrunde. Ergebnis der Gewichtung der Interessen des einzelnen am Erhalt des vollen Verkehrswertes und dem Interesse der Allgemeinheit an einer Reduzierung der Entschädigungslasten war die Erkenntnis, daß immer, aber auch nur dann, wenn Leistungen des einzelnen den Vermögenswert bewirkt (d. h. erst geschaffen oder erworben haben), diese Vermögenswerte verfassungsfest sind; andernfalls führt die Versagung einer Entschädigung zu einer Bereicherung des Staates (oder der sonst durch die Enteignung Begünstigten), da dieser ohne Gegenleistung Werte erhält. Unter dem Leistungsgesichtspunkt ist es aber gleichgültig, ob die Leistung tatsächlich von dem durch die Enteignung Betroffenen selbst oder von einem Dritten stammt, sofern der Dritte den Vermögenswert dem konkret Betroffenen zugewendet hat. Als wichtiger Anwendungsfall hierfür dürfte einerseits der Fall i n Betracht
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kommen, daß eine dritte Person durch Kapital — und/oder Arbeitseinsatz den Wert eines Objektes erhöht bzw. die Sache erst erwirbt und dann i m Wege der Schenkung den Wert dem später durch die Enteignung Betroffenen zugewendet hat. Als zweiter wichtiger Fall kommt die Zuwendung i m Wege der erbrechtlichen Nachfolge i n Betracht. Auch hier muß es vom Aspekt des Leistungskriteriums aus gesehen als gleichgültig angesehen werden, wer die konkrete Leistung erbracht hat. Das folgt daraus, daß andernfalls zwar nicht ein auf eigener Leistung des von der Enteignung Betroffenen beruhendes Vertrauen, wohl aber das Vertrauen des Zuwendenden am Bestand seiner Leistung und dem damit verbundenen Verwendungszweck beeinträchtigt wird. Ob der Zuwendende den durch Kapital — und/oder Arbeitseinsatz geschaffenen Vermögenswert für sich oder für dritte verwendet, ist Angelegenheit seiner Entscheidung, nicht der des Staates 2 . Als Rechtsfolge ist aus dieser Erwägung daher nach dem Abwägungsgebot des A r t . 14 I I I S. 3 GG die Konsequenz zu ziehen, daß die beiden Umstände, ob die Leistung von dem Betroffenen selbst oder einer diesem zurechenbaren Person erfolgte, vom Gesetzgeber als austauschbar zu behandeln sind 3 . V. Die Vorteilsanrechnung aus Leistungssicht
Daß die Vorteilsausgleichung bei der Bemessung der Enteignungsentschädigung zulässig ist und deshalb zu einer Reduzierung des Verkehrswertes führen darf, ist auch vom B G H auf dem Boden der praktischen Fortführung des Gebotes der „angemessenen" Entschädigung anerkannt worden 4 . Die für die Praxis wichtigste gesetzliche Anerkennung findet sich i n § 93 I I I des Bundesbaugesetzes, das ja strikt auf der Annahme der Pflicht zur „angemessenen" Entschädigung konzipiert wurde. 2 Zutreffend ist die Bemerkung Dürigs, i n : Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 3 Abs. 1, A n m . I I I 9b, Fußn. 2: die Leistungsverlängerung i n diesem Sinn besteht häufig i n eigenem Konsumverzicht. J. Richter, Die Rechtsprechung des BVerfG zum Eigentumsbegriff des A r t . 14 GG, S. 61 gebraucht — i n anderem Zusammenhang — den treffenden Ausdruck, es komme nicht auf die Eigenleistung an, sondern darauf, daß zumindest eine derivative Leistung vorliegt. 3 So auch i m Ergebnis f ü r die Behandlung subjektiv-öffentlicher Ansprüche Brammen, Die Ausdehnung der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie auf Rechte des öffentlichen Rechts, S. 98. 4 s. z.B. B G H Z 21, 388, 398; U r t e i l v o m 4. 7. 1958, W M 1957, 1031, 1032 u n d das U r t e i l v o m 29. 3. 1971, W M 1971, 829, 831 m. w . N.; bereits B G H Z 6, 270, 295 hatte die Zulässigkeit der Vorteilsanrechnung festgestellt, wobei allerdings j a noch offen gelassen wurde, ob das Grundgesetz die „angemessene" Entschädigung fortführt. Z u r Zulässigkeit der Vorteilsausgleichung nach der früher herrschenden Meinung i m Schrifttum s. insb. W. Weber, Eigentum u n d Enteignung, Die Grundrechte, Bd. 2, S. 391 f.
8 Opfermann
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Geht man davon aus, daß das Grundgesetz mit der Interessenabwägung eine eigenständige Entschädigungsregelung getroffen hat, so ergibt sich zunächst i n der Begründung der Zulässigkeit der Vorteilsanrechnung eine Verschiebung gegenüber der bisherigen Begründung aus der „angemessenen" Entschädigung. Zugleich ergibt sich damit aber auch teilweise eine gewisse Veränderung i n der Rechtslage, weil i n Randbereichen eine stärkere Vorteilsanrechnung als zulässig angesehen werden muß, als dies bisher praktiziert wurde. Geht man davon aus, daß die Enteignungsentschädigung „angemessen" sein muß, d. h. einen materiellen Ausgleich für das wertmäßige Opfer liefern soll, so ist der Vorteilsausgleich damit zu rechtfertigen, daß andernfalls ja nicht ein Ausgleich, sondern ein mehr als der Vermögensausgleich an Entschädigung geliefert würde. So ist auch von der Rechtsprechung des B G H die Vorteilsanrechnung grundsätzlich gerechtfertigt worden, wobei — das entspricht der Fortführung der „angemessenen" Entschädigung — teilweise auf Entscheidungen des Reichsgerichts zurückgegriffen wurde 5 . Geht man dagegen nicht ausschließlich von der Sicht des Betroffenen aus, sondern legt die Interessenabwägung zugrunde, so ist zu fragen, ob es von der Gewichtung der Interessen des Betroffenen (den Vorteil nicht angerechnet zu bekommen) und der Interessen der Allgemeinheit (solche Vorteile anzurechnen) her zulässig ist, solche Vorteile auszugleichen. Die A n t w o r t hierauf erlaubt zugleich einen Schluß auf den Umfang der zulässigen Anrechnung von Vorteilen nach dem Grundgesetz. Offensichtlich handelt es sich bei den Fällen der Vorteilanrechnung um nichts anderes als eine besondere Anwendung des Leistungsprinzips: Einem Betroffenen, dem durch eine Enteignung Vorteile zufließen, w ü r den zusätzliche nicht auf seine Leistung zurückführbare Vermögenswerte verschafft, wenn diese Vorteile i n der Entschädigungsbemessung nicht angerechnet werden. Denn solche Vorteile beruhen ja auf den Maßnahmen der enteignenden Behörde, nicht aber auf eigenem Kapital- oder Arbeitseinsatz. Die Vorteilsanrechnung ist daher vom Leistungsgedanken her genauso gerechtfertigt wie sonstige Reduzierungen der Entschädigung unterhalb des Verkehrswertes. Da die Zulässigkeit der Vorteilsanrechnung bei der Abkehr von der „angemessenen" Entschädigung aus der Gewichtung der Interessen, d. h. aber vom Leistungsgedanken her zu bestimmen ist, kommt es nur darauf an, ob durch die Enteignung Vorteile eingetreten sind, nicht aber, wie diese Vorteile entstanden sind. D. h. es kommt nur auf die Existenz tatsächlicher Vorteile an, nicht aber auf den Verursachungs5 B G H Z 6, 270, 295; 15, 268, 291; 21, 388, 398; 48, 291 f.; vgl. auch B V e r w G E 26, 259, 262.
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modus. Daraus ergibt sich, daß alle überhaupt durch die Enteignung oder ihr vorausgehenden behördlichen Maßnahmen entstandenen, finanziell meßbaren Vorteile angerechnet werden können. Eine Vorteilsanrechnung ist daher nach A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG auch zulässig, wenn Vorteil und Nachteil aus mehreren, der äußeren Erscheinung nach selbständigen Ereignissen entspringen. Sofern der B G H teilweise die strengere Auffassung vertreten hat, Vorteil und Nachteil müßten aus demselben Ereignis entstanden sein 6 , kann dies jedenfalls nicht als von A r t . 14 GG geboten angesehen werden. Die Anrechnung von Vorteilen i m weiten eben beschriebenen Sinn ist ein aus A r t . 14 GG folgendes Gebot, das nicht nur der Gesetzgeber, sondern auch die Rechtsprechung zu konkretisieren hat. Hier liegt also ein weiterer Anwendungsfall der oben i n § 7 V beschriebenen sekundären Adressatenrolle der Rechtsprechung vor. Denn die sonst allgemein geltenden Gründe der primären Zuweisung der Abwägung an den Gesetzgeber greifen auch hier nicht ein. Wenn die Rechtsprechung Vorteile i m umfassenden Sinn anrechnet, indem sie auf die Interessenabwägung des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG verweist, dann w i r d dies einerseits Fälle betreffen, i n denen das Gesetz zwar allgemein eine Vorteilsanrechnung anordnet, deren Umfang aber offen läßt; zum anderen w i r d es die Fälle erfassen, i n denen — so zumal die älteren Enteignungsgesetze — die Vorteilsanrechnung gar nicht aufgeführt war. I n beiden Fällen kann man, wenn die Rechtsprechung von sich aus stärker auf Reduzierung der Enteignungsentschädigung bedacht sein wird, als dies bisher der Fall war, weder von Gesetzesvertretung, noch von Gesetzesderogation sprechen; auch bisher schon galt die Vorteilsanrechnung ohne gesetzliche Bestimmung als zulässig. Die Zuweisung der A k t u a l i sierung des Interessenabwägungsgebotes an den Gesetzgeber ist also auch für diesen Fall teleologisch zu reduzieren (vgl. § 7 V). Die weite Bejahung der Zulässigkeit der Vorteilsausgleichung nach dem Grundgesetz stellt teilweise eine Abkehr von der bisherigen Praxis dar. Sie w i r d daher m i t Gewißheit auf Widerspruch stoßen7. Daß sie aber m i t A r t . 14 GG vereinbar ist, wenn man m i t dem Bundesverfas6
So i m U r t e i l vom 28. 2.1966, W M 1966, 497; anders i m U r t e i l v o m 28. 5.1962, W M 1962, S. 925 u n d i m U r t e i l v o m 29. 3.1971, W M 1971, 831. 7 F ü r eine starke Beschränkung der Vorteilsanrechnung aufgrund der alten Grundposition früher z. B. Schuler, Keine Vorteilsausgleichung bei Zwangsabtretung, BayVBl. 1957, S. 172 ff.; weitgehende Vorbehalte auch bei Luhmann, öffentlich-rechtliche Entschädigung rechtspolitisch betrachtet, S. 185. Nach letzterem dient „das Zurückschneiden der Vorteilsanrechnung" der „ Z e n t r a l i sation der Staatstätigkeit u n d damit der politischen Kontrolle". Das Gebot des Einbezugs der Interessen der Allgemeinheit an Entschädigungsentlastung bleibt dabei v ö l l i g unberücksichtigt. 8*
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sungsgericht die oben beschriebene Grundposition des mittleren Weges teilt 8 , dürfte schwerlich bestreitbar sein, wenn folgende Erwägung berücksichtigt w i r d : Das Grundgesetz hat sich für die Abkehr vom generellen Gebot der Verkehrswertentschädigung entschieden. Das führt dahin, daß — jedenfalls i n bestimmten Fällen — dem Enteignungsbetroffenen weniger erstattet werden muß, als er nach dem Marktwert besessen hatte; er w i r d also vermögensmäßig geschädigt. Dann kann es schlechterdings nach A r t . 14 GG nicht unzulässig sein, sämtliche Vermögensvorteile anzurechnen, die — sei es adäquat oder unadäquat, mittelbar oder unmittelbar — i h m durch die Enteignung oder ihr vorausgehende Entscheidungsprozesse zufließen. Denn hier w i r d er durch die Enteignung nicht einmal geschädigt V I . Durchbrechungen der Leistungsschranke als Ausnahme
Sofern der Verkehrswert eines entzogenen Gutes oder Rechtes seinem ganzen Umfang nach ein Äquivalent für Leistungen des Betroffenen darstellt, muß er, obwohl A r t . 14 I I I S. 3 GG sich von der „angemessenen" Entschädigung gelöst hat, grundsätzlich voll ersetzt werden. Eine Ausnahme kann nach der Abwägung ( = Gewichtung) der Interessen nur i n Sonderfällen gemacht werden; nämlich dann, wenn solche besonderen Umstände vorliegen, daß auch das Vertrauen i n den Ersatz des Leistungsäquivalentes gegenüber dem Interesse des Staates an einer Entschädigungsentlastung nicht mehr als höher gewichtig angesehen werden kann und deshalb nicht mehr durchschlägt. Als derartiger besonderer Umstand kann nie ein besonders dringlicher Enteignungszweck angesehen werden. Denn dieser kann ja stets nur den Eingriff selbst, nicht aber die Entschädigungsversagung erzwingen. Geld läßt sich i. d. R. ja stets beschaffen, indem es von anderen (weniger wichtigen) Aufgaben abgezogen wird. Die Anerkennung von Ausnahmefällen, die eine Durchbrechung der Leistungsschranke darstellen, kann daher auf der Grundlage des Interessenabwägungsgebotes des A r t . 14 Abs. 3 S. 3 GG nur damit gerechtfertigt werden, daß besondere Umstände auf Seiten des Betroffenen vorliegen, die dem Vertrauen des Enteigneten i n die Garantie der geschaffenen oder erworbenen Werte teilweise die Grundlage entziehen. Der wichtigste Anwendungsfall einer solchen Sonderlage liegt bei Mitverschulden des Betroffenen am durch die Enteignung entstandenen Schaden vor. „Mitverschulden" ist hier i m weiteren Sinn zu verstehen, 8
Also auch dann, w e n n m a n nicht, w i e hier, v o l l auf das Leistungskriterium zurückzugreifen bereit ist.
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d. h. als Verletzung der dem Enteigneten auferlegten Obliegenheit, den durch die Enteignung eingetretenen Schaden möglichst gering zu halten. Diese Obliegenheit kann sowohl dann verletzt sein, wenn der Enteignete die Entstehung von Teilschäden hätte ganz verhindern wie auch wenn er den Umfang des Schadens durch geeignete Maßnahmen hätte geringer halten können. Die frühere, an der „angemessenen" Enteignungsschädigung orientierte, d. h. primär aus der Sicht des Betroffenen tätige Rechtsprechung des BGH hatte Mitverschulden i m Sinn der Obliegenheit zur Schadensverhütung oder -minderung nur zögernd als entschädigungsmindernd anerkannt 9 . Durch die Anerkennung des Interessenabwägungsgebotes als eigenständige Verfassungsnorm gewinnt der Einbezug der Obliegenheit des Enteigneten eine neue Legitimitätsgrundlage. Zu schützendes Interesse ist nach A r t . 14 GG nicht nur das des Betroffenen an der Entschädigung, sondern auch das der Allgemeinheit an Reduzierung der bei Enteignungen auftretenden Entschädigungslasten. Das geht so weit, daß auch das Leistungsäquivalent i n diesem Sonderfall keine Sperrw i r k u n g gegen Entschädigungsreduzierungen mehr bildet 1 0 . I n den Fällen der Obliegenheitsverletzung besitzt das Interesse des Enteigneten am vollen Ersatz des Leistungsäquivalentes deshalb geringeres Gewicht als i n den sonstigen Enteignungsfällen, weil der Enteignete durch sein Tätigwerden ja hätte verhindern können, daß i h m weniger als das Leistungsäquivalent ersetzt wird. Freilich w i r d der Enteignete evtl. einwenden, daß es gar nicht seine Aufgabe sei, den Enteignungsschaden abzuwenden, die Obliegenheit der Schadensverminderung dürfe i h m daher nicht auferlegt werden. Dieser Einwand ist aber, 9 Der B G H hatte zunächst offen gelassen, ob ein Mitverschulden bei der E n t eignungsentschädigung zu berücksichtigen sei; vgl. B G H Z 23, 157, 310; L M Nr. 76 zu A r t . 14 GG. Später wurde der Mitverschuldensgedanke ausgedehnt auf Impfschäden (BGHZ 45, 290) und auf den Anspruch auf enteignungsgleichen Eingriff (BGHZ 56, 57). I m Frankfurter U - B a h n - U r t e i l v o m 20. 12. 1971, B G H Z 57, 359 = N J W 1971, 243 ff. hat der B G H dann den Einbezug des Mitverschuldens i. S. einer Obliegenheitsverletzung als offenbar selbstverständlich behandelt: Bejahung des Erfordernisses, gegebenenfalls Personal zu entlassen, u m Unkosten f ü r den Betrieb bei zeitweiliger Stillegung zu senken; i m konkreten Fall wurde Obliegenheitsverletzung abgelehnt, w e i l das Personal erforderlich war. § 93 Abs. 3 S. 2 BBauG ordnet die entsprechende Anwendung des § 254 B G B an. Nach Schmidt-Assmann, i n : Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BBauG, § 93, Rdnr. 64 k a n n von dem „nunmehr gesicherten u n d verfassungsrechtlich u n bedenklichen Geltungsgrund des § 254 B G B i m Rahmen der § 93 ff. BBauG" ausgegangen werden; die Rechtfertigung liefert m. E. aber erst die Interessenabwägung, w e i l n u r aus i h r erkennbar ist, daß bei Bestimmung der Enteignungsentschädigung auch auf die Entschädigungsentlastung der Allgemeinheit zu achten ist. 10 Praktisch relevant w i r d dies v o r allem f ü r Enteignungsentschädigungen bei Eingriffen i n Gewerbebetriebe; dazu eingehender unten § 18.
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I I . Konkretisierung
gerade weil Art. 14 GG eine neuartige Entschädigungsbestimmung enthält, nicht stichhaltig: A r t . 14 GG erlaubt nicht nur, sondern gebietet sogar dem Gesetzgeber, neben den Interessen der Enteigneten auch die der Allgemeinheit (an Verringerung der Entschädigungsbelastungen) zu achten. Diesem Gebot folgt der Gesetzgeber, wenn er dem Enteigneten die Obliegenheit auferlegt, den Enteignungsschaden nach Kräften zu mildern 1 0 a . Als zweiten Anwendungsfall einer (teilweisen) Durchbrechung der Leistungsschranke kann man auch die verminderte „ex-nunc"-Sperrw i r k u n g von gezahlten leistungsüberhöhten Kaufpreisen ansehen (s. oben III). V I I . Rückwirkung auf den Begriff der Aufopferungsenteignung?
1. Die bisherigen Darlegungen dieses und des vorigen Paragraphen haben Hauptfragen beantwortet, die sich stellen, wenn man die Entscheidung des Grundgesetzes i n der Entschädigungsfrage als Mittelweg ansieht. Vorausgesetzt war, daß einem Eingriff i n das Eigentum (im weiten Sinn des A r t . 14 Abs. 1 GG) enteignende Qualität zuerkannt war. Man könnte sich damit begnügen 11 und ausschließlich die Frage beantworten, wie die Entschädigungspflichten nach dem Grundgesetz zu bestimmen sind, wenn eine Enteignung vorliegt. Die Frage ist aber, ob von den das Enteignungsrecht beherrschenden Sachproblemen aus gesehen nicht eine Erweiterung der Fragestellung gefordert ist. Stellt man sich die Frage, wann und inwieweit von der Verfassung bei rechtmäßigen hoheitlichen Eingriffen i n das Eigentum zwingend entschädigt werden muß, so zeigt sich, daß i n vielen Fällen die Entschädigungsfrage eine zusätzliche Problematik enthält, die mitgelöst werden muß. Zwar enthält dem logischen System nach die Regelung des A r t . 14 GG i n der Entschädigungsfrage eine klare Trennung. Alle Eingriffe, die Eigentumsbindungen i. S. d. A r t . 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellen, sind entschädigungslos zu dulden. Alle Eingriffe, die Enteignungen i. S. d. A r t . 14 Abs. 3 Satz 1 GG sind, sind i m Rahmen des Abwägungsgebotes zu entschädigen. Dieses System ist — rein logisch gesehen — gewiß i n Ordnung. Sachlich ist es aber schon i n der bisherigen Praxis gesprengt worden, soweit 10a
Die gelegentlich i n der L i t e r a t u r vertretene Auffassung, ein M i t v e r schulden sei n u r bei sonstigen Vermögensnachteilen, nicht auch beim Rechtsverlust selbst anzurechnen (so Schrödter, BBauG, Komm., 3. Aufl., 1973, §93, A n m . 3 am Ende) ist nicht m i t dem Interessenabwägungsgebot des A r t . 14 GG verträglich. 11 Insofern ist die i m folgenden dargelegte Auffassung auch als unabhängig gegenüber dem Vorangegangenen zu betrachten.
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sie sich a m G e b o t der „angemessenen" E n t s c h ä d i g u n g o r i e n t i e r t e ; auch b e i e i n e r A k t u a l i s i e r u n g des A b w ä g u n g s g e b o t e s des A r t . 14 A b s . 3 Satz 3 G G d u r c h B e j a h u n g eines E n t s c h ä d i g u n g s s p i e l r a u m s k o m m t m a n n i c h t u m die Tatsache h e r u m , daß schon b e i der Frage, w a n n eine E n t e i g n u n g vorliegt, i n vielen, w e n n nicht i n den meisten Fällen der Entschädigungsaspekt die zentrale R o l l e spielt. Daß die strikte logische Trennung zwischen Eigentumsbindungen und enteignenden Eingriffen i n der Entschädigung strage schon i n der bisherigen enteignungsrechtlichen Lehre u n d Praxis nicht durchführbar war, erweist sich schon aus der Tatsache, daß sowohl die tragenden Erwägungen, die der B G H zur Begründung der Sonderopfertheorie angestellt hat 1 2 , w i e die Erwägungen, die das Bundesverwaltungsgericht zur Begründung der sogenannten Schweretheorie zugrunde legte 1 3 , jeweils als entscheidende Frage für die Abgrenzung diejenige angesehen haben, ob dem einzelnen zugemutet werden kann, den hoheitlichen Eingriff ohne Entschädigung zu dulden oder nicht. M a n entscheidet s o m i t b e i der B e j a h u n g oder V e r n e i n u n g der E n t eignungsqualität über zwei Fragen: I s t der E i n g r i f f so beschaffen, daß der b i s h e r i g e Rechtsinhaber n u r aus z w i n g e n d e m E r f o r d e r n i s z u g u n s t e n der A l l g e m e i n h e i t i h n d u l d e n muß? I s t d e r E i n g r i f f so beschaffen, daß e r n u r gegen E n t s c h ä d i g u n g d e m Betroffenen zugemutet werden kann? D i e erste F r a g e k a n n m a n n i c h t losgelöst v o n d e r z w e i t e n b e a n t w o r t e n 1 4 . Das g i l t auch d a n n , w e n n m a n aus A r t . 14 G G g e r i n g e r e E n t schädigungspflichten h e r l e i t e t , als dies die T h e o r i e v o n d e r „angemessen e n " E n t s c h ä d i g u n g v e r t r a t . D e n n z u e i n e r r e d u z i e r t e n P f l i c h t der E n t schädigungsbemessung k o m m t m a n g a r n i c h t m e h r , w e n n bereits die Enteignungsqualität verneint wird. 12
Deutlich ist dies schon i n B G H Z 6, 270, 282 ausgesprochen, wo ausgeführt w i r d , daß letztlich die Entschädigungsfolgen den Enteignungsbegriff konturieren müssen: Da der Staat i n immer stärkerem Maße auf das Eigentum der Bürger zugreife, müsse „sich n u n der Eigentumsschutz dem erweiterten staatlichen Enteignungsbegriff anpassen u n d dabei das Schwergewicht auf die Entschädigungsfrage legen". 13 Bereits i n dem die Schweretheorie des Bundesverwaltungsgerichts einleitenden Urteil, B V e r w G E 5, 143 ff. k a m es letztlich n u r auf die Entschädigungsfolgen an: W a r eine Enteignung zu bejahen, so mußte eine (im Rahmen von A r t . 14 Abs. 3 GG liegende) Entschädigung gesetzlich verankert sein; lag keine E n t eignung vor, so w a r dies nicht nötig. Eine deutliche Bestimmung der Enteignungsqualität von der Entschädigungsbedürftigkeit her auch i m U r t e i l v o m 14. 6. 1968, DVB1. 1969, 214: Die Frage, w a n n eine Änderung der Bauwichvorschriften enteignende W i r k u n g haben kann, w i r d davon abhängig gemacht, daß die Anspruchsposition so verfestigt sein muß, daß sie nicht ohne Z u b i l l i gung einer Entschädigung entzogen werden kann. Ähnlich i m U r t e i l v o m 18.7.1968, DÖV 1969, 426: Enteignung dann, w e n n nicht zugemutet werden kann, sonstige eigene M i t t e l einzusetzen. Die Beispiele ließen sich vermehren. 14 Den Zusammenhang betont auch, freilich noch auf der Position der „angemessenen" Entschädigung, N. Luhmann, öffentlich-rechtliche Entschädigung rechtspolitisch betrachtet, S. 151.
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I I . Konkretisierung
Obwohl die eigentliche Rechtsfolge (Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG) sich logisch erst i m zweiten Schritt nach Bejahung einer anderen Frage (Enteignung?) zu stellen scheint, greift sie immer schon auf den ersten Schritt vor. Eine Ausnahme davon gäbe es nur, wenn eine Verfassung (wohl undenkbar) auch für jede Sozialbindung des Eigentums ebenfalls eine Entschädigungspflicht strikt anordnen würde. Jedenfalls i n den Fällen, i n denen die Eingriffsqualität der Enteignung zweifelhaft ist, treffen die Gerichte primär Entschädigungsentscheidungen, weniger Entscheidungen über die UnStatthaftigkeit des Eingriffs. 2. Was für Schlußfolgerungen sind daraus zu ziehen? Man kann sich auf den Standpunkt stellen, daß dieser Sachzusammenhang zwar nicht zu verleugnen ist, aber für die Beantwortung der Frage nach dem grundgesetzgemäßen Enteignungsbegriff aus den genannten logischen Gründen nichts zu bedeuten hat 1 5 . W i r glauben, daß man damit dem aufgezeigten zwingenden Zusammenspiel zwischen Enteignungsbegriff und verfassungsrechtlich zwingender Entschädigungspflicht nicht gerecht wird. Man sollte die Konsequenz ziehen, daß jedenfalls i n den Fällen, i n denen die Frage, ob eine Enteignung vorliegt, vor allem praktisch bedeutsam ist (nämlich beim Problem „Aufopferungsenteignung oder Sozialbindung?"), von den für die Entschädigung geltenden Prinzipien aus beantwortet wird. Dieser Schluß von der Konkretisierung des Abwägungsgebotes auf die Tatbestandsentscheidung bei Zweifeln über die Enteignungsqualität einer Eigentumseinschränkung ist auch nach Verfassungsauslegungsgrundsätzen mehrfach als legitimiert anzusehen; er kann daher wohl für sich i n Anspruch nehmen, i n besonderer Weise einen Enteignungsbegriff zu verwenden, der dem Willen des Grundgesetzes entspricht. a) Das Bundesverfassungsgericht hat speziell zur Verfassungsinterpretation die These entwickelt, das vornehmste Interpretationsprinzip sei die Orientierung an der Einheit der Verfassung als eines logischideologischen Sinngebildes, das eine Ordnung des menschlichen Zusammenlebens gewährleisten müsse 16 . Ob man in der Betonung der Einheit der Verfassung soweit gehen kann, sei hier dahingestellt. Jedenfalls w i r d man, wie vom Bundesverfassungsgericht an anderer Stelle formuliert wurde, sagen müssen, daß die einzelnen Verfassungsnormen i n einem Sinnzusammenhang gesehen werden müssen und nicht isoliert für sich zu betrachten und auszulegen sind 1 7 . Dieser Auslegungsgrund15 So w o h l Forsthoff, Verfassungsrechtliche Bemerkungen zum Bausperrenurteil des BGH, DÖV 1955, S. 194. 16 BVerfGE 19, 206, 220. 17 BVerfGE 1,14, 32.
§ 13 Einzelfragen der Anwendung des Leistungskriteriums
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satz der Sinneinheit hat auch Bedeutung für die hier gestellte Frage nach dem grundgesetzgemäßen Enteignungsbegriff. „ A r t . 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 GG definiert nicht die Enteignung, sondern setzt deren Begriff voraus 18 ." Infolgedessen muß, wenn man nicht von außen einen Enteignungsbegriff an das Grundgesetz herantragen will, aus der Sinneinheit zwischen Enteignungsbegriff und Entschädigungsverpflichtung von letzterer her für die Zweifelsfälle die Frage nach der Enteignungsqualität beantwortet werden. b) Es gibt schließlich noch ein weiteres Auslegungsargument, das den beschriebenen Bezug zwischen Enteignungsbegriff und Interessenabwägung stützt. Es folgt aus der subjektiven Auslegung des Grundgesetzes, genauer aus der Zielrichtung, mit der 1948/49 die Interessenabwägung i n das Grundgesetz als neuartige Entschädigungsbestimmung eingeführt wurde. Man könnte das Gegenargument formulieren, daß bei dem Rückgriff auf das Interessenabwägungsgebot zur Beantwortung der Frage, wann eine Aufopferungsenteignung vorliegt und wann dies nicht der Fall ist, dem Grundgesetz ein Enteignungsbegriff unterschoben wird, der damals bei den Beratungen zum Grundgesetz nicht gewollt war. Das Argument ist aber nicht stichhaltig; gerade ausweislich der Protokolle des Pari. Rates ist ersichtlich, daß die Abhängigkeit der Bestimmung des Enteignungsbegriffes von der Aktualisierung des Abwägungsgebotes durchaus den damals maßgebenden Intentionen gerecht wird. Die Interessenabwägung als neuer Entschädigungsparameter war, w i e oben i n § 4 dargelegt, zu Beginn der Beratungen des Grundgesetzes eingeführt w o r den, u m i n Absetzung von den den Städtebau extrem belastenden Entscheidungen des Reichsgerichts, namentlich i m Fluchtlinienurteil 1 9 . Entlastung i n den Entschädigungsverpflichtungen zu bringen 2 0 . Das Bundesverfassungsgericht 2 1 hat hieraus 2 2 den Schluß gezogen, daß gerade i m Bereich der Bodenordnung die (entschädigungslose) Sozialgebundenheit des Eigentums w e i t reicht.
Nun handelte es sich aber gerade bei der durch das Fluchtlinienurteil ausgelösten Schockwirkung 23 nicht um eine solche, die aus der Annahme einer zu hohen Entschädigungspflicht durch das Reichsgericht i n einem 18 So treffend Bauschke/Kloepfer, Enteignung, enteignungsgleicher Eingriff, Aufopferung, NJW1971, S. 1233. 19 RGZ 128, 18 ff.; dazu Bertram, Das Fluchtlinienurteil des Reichsgerichts, VerwArch. Bd. 35 (1930), S. 411 ff.; die Folgen des Urteils wurden dann durch die Notverordnung des Reichspräsidenten v o m 5. 6. 1931 (RGBl. I, S. 279) beseitigt. 20 Vgl. 8. Sitzung des Grundsatzausschusses des Pari. Rates v o m 7. 10. 1948, Prot. S. 64 ff. 21 BVerfGE 21, 72, 83; 25,112,117. 22 Vgl. den Hinweis i n BVerfGE 21, 72, 83 auf die 8. Sitzung des Grundsatzausschusses. 23 Z u i h r später selbst RGZ 144, 325 ff.
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I I . Konkretisierung
zweifelsfreien Enteignungsfall resultierte; vielmehr hatten die Städte vorher i n den von der Reichsgerichtsentscheidung erfaßten Fluchtlinienfestsetzungen gar keinen Enteignungsfall gesehen. I m Sinn der heutigen Terminologie ging es also um die Frage, ob die Freiflächenausweisung als Aufopferungsenteignung oder als entschädigungslose Sozialbindung zu qualifizieren war. Wenn man daher aus der Konkretisierung des Abwägungsgebotes eine A r t „Abwägungstheorie" zur Abgrenzung von Sozialbindung und Aufopferungsenteignung entwickelt, stellt man einen Zusammenhang her, der auch bei den Beratungen zu Art. 14 GG gesehen wurde. Bereits Leisner hat scharfsinnig darauf hingewiesen, daß die Annahme einer Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes bei Enteignungen notwendige Konsequenzen für den Enteignungsbegriff selbst hat 2 4 . Er hat daraus einen gänzlich umgekehrten Schluß gezogen. Nach Leisners Auffassung ist gerade wegen des Zusammenhanges zwischen Entschädigung und Enteignungsbegriff die Aufgabe der generellen Marktwertentschädigungspflicht nicht zulässig, denn sie führe zu einer Abschwächung der Bedeutung der Unterscheidung von Sozialbindung und Enteignung 25 . Dreht man Leisners Gedankengang um, so w i r d das Ergebnis plausibel: Gerade weil nachweisbar ist (vgl. §§ 4 und 5), daß das Grundgesetz bei (zweifelsfreien) Enteignungen nicht i m vollen Umfang eine Marktwertentschädigung gebietet, liegt die Annahme nahe, daß auch nicht alles, was bisher auf der Position der „angemessenen" Enteignungsentschädigung als Aufopferungsenteignung angesehen und dam i t als entschädigungspflichtig deklariert wurde, nach dem Willen des Grundgesetzes dieses Prädikat verdient. 3. Aufgrund der vorangegangenen Überlegungen erhalten w i r folgendes Ergebnis. Aus der Konkretisierung der Interessenabwägung i n Art. 14 Abs. 3 GG gewinnen w i r zugleich eine Theorie, die die Frage nach dem grundgesetzgemäßen Enteignungsbegriff beantwortet (Abwägungstheorie). Sie ist, anders als die bisher vorgelegten Theorien, kombinierter Natur. Sie behandelt Eingriffe i n das Eigentum, die Güterbeschaffungsvorgänge sind, als unzweifelhafte Enteignungsfälle, die keiner näheren Begründung ihrer Enteignungsqualität bedürfen. Erst für die sonstigen Fälle, i n denen i n der Praxis das Problem der Abgrenzung relevant wird, gibt die Theorie eine A n t w o r t ; diese erfolgt nach den gleichen Prinzipien, die ansonsten das Ausmaß der Entschädigungsverpflichtung bestimmen.
24 25
W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, 1972, S. 101 ff. Sozialbindung des Eigentums, S. 106 f.
§ 14 Entschädigungsspielraum und übergreifende Verfassungsnormen 123 § 14 Einschränkungen der Entschädigungsflexibilität durch übergreifendeVerfassungsprinzipien?
Die Bestimmung des Entschädigungsspielraumes des Gesetzgebers durch Interessengewichtung nach dem Leistungskriterium bzw. (in selteneren Fällen) nach der effektiven Vorteilsausgleichung gibt nur an, welche verfassungsrechtlichen Entschädigungsgrenzen aus dem Abwägungsgebot des A r t . 14 I I I S. 3 GG heraus zu beachten sind. Es erhebt sich die Frage, ob über diese Regelung hinaus zusätzliche verfassungsrechtliche Einschränkungen den Entschädigungsspielraum des Gesetzgebers verkürzen. I n Betracht kommen einerseits zusätzliche sich aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG ergebende Beschränkungen, andererseits Eingrenzungen aus übergreifenden verfassungsrechtlichen Prinzipien, die nicht nur für die Eigentumsgarantie, sondern für alle oder doch die meisten grundrechtlichen Garantien gelten. Die Bestimmung der sich aus Art. 3 GG ergebenden Rechtsfolgen für die gesetzliche Festlegung der Enteignungsentschädigung bedarf einer speziellen und detaillierteren Darlegung 1 . Als übergreifende verfassungsrechtliche Grundsätze, die den Entschädigungsspielraum des Gesetzgebers über die aufgezeigten Differenzierungsstufen hinaus begrenzen oder begrenzen könnten, kommen Eingrenzungen aus dem Rückwirkungsverbot, dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit des Zugriffs auf den Vermögenswert und der Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 I I GG i n Frage. I . Das Rückwirkungsverbot
Das Grundgesetz enthält nur für einen speziellen Sachbereich (Verbot der Rückwirkung von Strafgesetzen i n A r t . 103 I I GG) eine explizite Regelung des Verbotes rückwirkender Gesetze. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 2 sowie nach der ganz herr1 Der Gleichheitssatz legt keine absolute, d. h. isoliert aus der Situation des Enteignungsbetroffenen bestimmbare Entschädigungsfolge fest; er unterscheidet sich damit seiner logischen Struktur, seiner rechtlichen Problematik u n d seinen Rechtsfolgen nach grundlegend von den aus der Interessenabwägung des A r t . 14 GG sich ergebenden Entschädigungsverpflichtungen. Diese sind, wenn m a n die Differenzierung anhand der Leistung akzeptiert, f ü r den E n t eigneten bestimmbar — ohne daß es eines Vergleichs m i t der entschädigungsrechtlichen Behandlung anderer Enteigneter oder des Vergleichs von Enteigneten m i t Nichtenteigneten bedarf. Erst der Rückgriff auf den Gleichheitssatz des A r t . 3 GG f ü h r t zum notwendigen Einbezug dieser beiden Dimensionen (unten §§ 25 - 27). Dagegen entfalten die i m folgenden erörterten Verfassungsprinzipien unter der Voraussetzung, daß sie zusätzliche Einschränkungen m i t sich bringen, wiederum isoliert f ü r den einzelnen Enteigneten bestimmbare Schutzwirkungen. 2 Vgl. BVerfGE 11, 139, 145 f.; 13, 274 ff.; 14, 288, 297; 21,117,132; 27, 167, 173 f.
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I I . Konkretisierung
sehenden Meinung i n der Rechtswissenschaft 3 sind rückwirkende Gesetze jedoch auch außerhalb des Straf rechts nur begrenzt zulässig. Legt man die inzwischen gefestigte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde, so ist zwischen „echter" und „unechter" Rückwirkung zu unterscheiden. Gesetze m i t belastender „echter" Rückw i r k u n g sind i. d. R. rechtsstaatswidrig, d. h. sie sind nichtig, wenn nicht bestimmte besondere Umstände vorliegen; solche Ausnahmen sind insb. gegeben, wenn der Bürger mit der Neuregelung rechnen mußte, wenn der Gesetzgeber eine nichtige Norm rückwirkend durch eine andere ersetzt und wenn das geltende Recht verworren und deshalb klärungsbedürftig war. Bei „unechter" Rückwirkung hingegen ist zwischen dem Vertrauen des Bürgers und der Bedeutung des gesetzgeberischen A n liegens für das Gemeinwohl abzuwägen 4 . Das BVerfG wendet allerdings zur Unterscheidung zwischen „echter" u n d „unechter" R ü c k w i r k u n g zwei unterschiedliche, sich nicht v o l l deckende K r i terien an. Herkömmlicherweise w i r d darauf abgestellt, ob es sich u m „abgeschlossene Tatbestände" handelt, i n die eingegriffen w i r d 5 . I n anderen Fällen 6 w i r d nicht auf den abgeschlossenen Tatbestand, sondern darauf abgestellt, ob f ü r einen vergangenen Zeitraum an die Stelle einer bisherigen Rechtslage nachträglich eine neue t r i t t 7 .
Ein Spezialfall entschädigungsrechtlicher Rückwirkungsproblematik wurde bereits oben i n § 13 I I I bezüglich des Schutzes bisher gezahlter Kaufpreise erörtert. Es kann hier daher nur darum gehen, inwieweit auch sonst über die Interessenabwägung des Art. 14 Abs. 3 GG hinaus sich aus dem Rückwirkungsverbot zusätzliche Schranken für den Gesetzgeber ergeben. Unproblematisch sind die Fälle, i n denen das Vertrauen i n die Zahlung der Entschädigung nach dem Verkehrswert dadurch beeinträchtigt wird, daß bei leistungsorientierten Vermögenswerten die Entschädigung versagt w i r d oder den Verkehrswert nicht voll erreicht. Hier entfällt i. d. R. bereits die Zulässigkeit der Entschädigungsversagung nach A r t . 14 Abs. 3 S. 3 GG, so daß es des Rückgriffs auf das Rückwirkungsverbot nicht bedarf. Die Sachlage stellt sich anders dar bei Verkehrswerten, die teilweise keinen Leistungsbezug besitzen. Soweit das bisherige Entschädigungs3 Daß belastende rückwirkende Gesetze nicht schlechthin zulässig sind, ist w o h l allgemeine Meinung; s. dazu die neuere Ubersicht bei Hamann/Lenz, Grundgesetz, 3. Aufl., Einf., S. 90. Streit besteht darüber, w o das allgemeine Rückwirkungsverbot zu verankern ist (Art. 2, A r t . 20 GG o. a.). 4 Vgl. die i n Fußn. 2 zitierten Entscheidungen. 5 So i n BVerfGE 11,139,145 f.; 14, 288, 297; 19,119,127; 22, 240, 248. 6 So z. B. i n BVerfGE 13, 279, 282. 7 Eine detailliertere Unterscheidung von einzelnen Phasen der Rechtsprechung des BVerfG zum Rückwirkungsproblem findet sich bei Klein/Barbey, Bundesverfassungsgericht u n d R ü c k w i r k u n g v o n Gesetzen, S. 37 f.
§ 14 Entschädigungsspielraum und übergreifende Verfassungsnormen 125
recht eine Verpflichtung zur Verkehrswertentschädigung aussprach, konnte der Eigentümer davon ausgehen, daß der Verkehrswert i n gewisser Weise einen unerschütterlichen, weil zugriffsfesten Bestandteil seines Vermögens darstellte. Denn wenn keine Enteignung eintritt, kann er den Gegenstand durch privaten Verkauf i n Höhe des Verkehrswertes veräußern. W i r d der Eigentümer enteignet, so erhält er ebenfalls den Verkehrswert. Diese Sicherheit w i r d aufgehoben, wenn i n Zukunft für bestimmte Enteignungen nicht mehr der volle Verkehrswert bezahlt werden muß. Bei der Beurteilung dieser Auswirkungen nach den Grenzen der zulässigen Rückwirkung ist zu differenzieren zwischen der generellen Zulässigkeit des Abrückens vom Verkehrswert und speziellen Ausformungen dieses Abweichens von der Verkehrswertentschädigung. a) Die generelle Zulässigkeit des Abrückens vom Verkehrswert w i r d durch das Verbot „echter" Rückwirkungen nicht i n Frage gestellt. Das gilt gleichermaßen, ob man für die Unterscheidung zwischen „echter" und „unechter" Rückwirkung darauf abstellt, ob i n „abgeschlossene Tatbestände" eingegriffen w i r d oder darauf sieht, ob für einen vergangenen Zeitraum an die Stelle der bisherigen Rechtslage eine neue Rechtslage tritt. Beide Kriterien sind nicht erfüllt, wenn der Gesetzgeber für die Zukunft i n den Grenzen des i h m nach dem Leistungskriterium zustehenden Entschädigungsspielraumes bisher bestehende gesetzliche Entschädigungsregelungen zuungunsten der Enteigneten abändert. Daß das zweite K r i t e r i u m (Rückverschiebung der Rechtslage) nicht erfüllt ist, ist offensichtlich, da bei Regelungen für die Zukunft ein vergangener Zeitraum gar nicht betroffen wird. I n gleicher Weise liegt auch kein Eingriff i n einen „abgeschlossenen" Tatbestand vor, wenn die gesetzliche Änderung sich nur auf noch nicht einmal existente Eingriffe bezieht. Da es sich nach beiden Kriterien um den Fall einer unechten Rückw i r k u n g handelt, kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die gesetzliche Änderung nur dann verfassungswidrig sein, wenn ausnahmsweise trotz Fehlens echter Rückwirkung das Vertrauen des Bürgers so stark beeinträchtigt ist, daß die aus dem Rechtsstaatsprinzip sich ergebenden Grenzen überschritten werden 8 . Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht aber nicht soweit, daß dem Staatsbürger jegliche Enttäuschung zu ersparen ist, vielmehr ist das Vertrauen des einzelnen auf den Fortbestand einer bestimmten gesetzlichen Regelung m i t der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl 8
Vgl. BVerfGE 14, 288, 297 f.; 15, 313, 324 f.; 27, 231, 238.
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I I . Konkretisierung
der Allgemeinheit abzuwägen 9. Das ist insoweit evident, als andernfalls die gesetzlichen Regelungen nur den Charakter begünstigender Einbahnstraßen nehmen dürften. Wäre das Vertrauen i n eine bestehende günstige Rechtslage stets verfassungsfest, so könnte der Gesetzgeber die Begünstigung nur erhöhen, sie aber nie reduzieren 10 . Für die Entschädigungsregelung nach A r t . 14 GG braucht eine weitere Abwägung nicht vorgenommen zu werden, u m nachzuweisen, daß kein Ausnahmefall vorliegt, bei dem trotz Vorliegens einer unechten Rückw i r k u n g der Verkehrswert nicht reduziert werden darf. Denn diese Abwägung hat die Verfassung selbst ja schon dadurch entschieden, daß sie sich i n A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG bewußt von der Verkehrswertentschädigung als generellem Entschädigungsmaßstab abgesetzt hat 1 1 . b) Ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot könnte allerdings bei bestimmten Durchführungen des nach A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG gegebenen Entschädigungsspielraumes vorliegen. Ein solcher Fall wäre — und zwar sowohl nach dem K r i t e r i u m des Eingriffs i n „abgeschlossene Tatbestände" wie nach dem K r i t e r i u m der Rechtslagenrückverschiebung — gegeben, wenn der Gesetzgeber nicht nur für zukünftige Enteignungsfälle, sondern auch für bereits abgeschlossene Enteignungen die Entschädigungshöhe reduzieren würde. Letztlich würde das darauf hinauslaufen, daß man nachträglich wieder einen Teil des bisher für Enteignungen gezahlten, verfassungsrechtlich aber nicht notwendig zu zahlenden Entgeltes zurückverlangen würde. M a n könnte geneigt sein, solche gesetzliche Regelungen als f ü r die Praxis nicht bedeutsam anzusehen. Aber ein Einbezug auch bereits abgeschlossener Enteignungstatbestände i n die gesetzliche Herabsetzung der Enteignungsentschädigung liegt deshalb an sich nicht außerhalb vernünftiger Erwägungen, w e i l es unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der von Enteignungen Betroffenen eigentlich n u r als gerecht anzusehen wäre, wenn man bei einer H e r absetzung der Enteignungsentschädigung f ü r zukünftige Enteignungsfälle i n bestimmten Sachbereichen bei gleichartigen zurückliegenden Enteignungsfällen ebenfalls einen T e i l der gezahlten Entschädigung zurückverlangen würde. 9
BVerfGE 14, 288, 300; 22, 240, 248. Das Argument der Unakzeptabilität n u r begünstigender Einbahnstraßen gilt entsprechend auch f ü r die Differenzierungstheorie zum Schutz subjektivöffentlicher Rechte durch A r t . 14 GG; dazu s. insb. Dürig, Der Staat und die Vermögenswerten Berechtigungen seiner Bürger, i n : Apelt-Festschrift 1958, S. 53 f.; ähnlich schon vorher Forsthoff, Eigentumsschutz öffentlich-rechtlicher Rechtsstellungen, N J W 1955, S. 1249, 1250 f. Eine Warnung i m beschriebenen Sinn allgemein f ü r die Bemessung der Enteignungsentschädigung vor dem hamburg. Deichurteil bereits bei Schulthes, Die Höhe der Enteignungsentschädigung, 1965, S. 99. 11 Daß die Reduzierung der Enteignungsentschädigung unterhalb des V e r kehrswertes je nach den vorliegenden Umständen jedenfalls nicht generell gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen kann, hat das BVerfG inzident ebenfalls angenommen, indem es i n BVerfGE 24, 367 ff. eine solche Entschädigung f ü r verfassungsrechtlich zulässig hielt. 10
§ 14 Entschädigungsspielraum und übergreifende Verfassungsnormen 127
Auch wenn der Gleichheitsgedanke hier einen Rückgriff auf bereits abgeschlossene Tatbestände nahelegt, schiebt das Rückwirkungsverbot dem einen Riegel vor. I I . Das Verhältnismäßigkeitsgebot
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bindet und beschränkt als Verhaltensvorschrift m i t Verfassungsrang alle staatlichen Eingriffe. Das ist vom Bundesverfassungsgericht gerade i n jüngerer Zeit mehrfach hervorgehoben worden 1 2 und kann inzwischen als allgemeine Uberzeugung der Rechtswissenschaft gelten 1 3 . Damit gilt, daß auch die I n anspruchnahme der Interessenabwägung durch den Gesetzgeber i n keinem Fall zu unverhältnismäßigen Eingriffen führen darf. Wie bei der Anwendung des Rückwirkungsverbotes ist bei den sich aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergebenden Rechtswirkungen danach zu unterscheiden, ob sie bestimmte nach der Interessenabwägung, d. h. Leistungsdifferenzierung zulässige Entschädigungsformen schlechthin (absolut) verbieten und solchen Rechtswirkungen, die sich nur auf bestimmte Formen der Anwendung des Entschädigungsspielraumes beziehen und diese untersagen. Letzteres nennen w i r die Fälle der „modalen UnVerhältnismäßigkeit".
Die LeistungsOrientierung
als Anwendung der Verhältnismäßigkeit
Absolute UnVerhältnismäßigkeit der Entschädigungsversagung läge dann vor, wenn unabhängig von der A r t und Weise des gesetzlichen Heruntergehens unter den Verkehrswert zwischen den negativen Auswirkungen für den Betroffenen und den Vorteilen für die Allgemeinheit kein Verhältnis bestünde. Nach diesem K r i t e r i u m ist die Bestimmung des Entschädigungsspielraumes des Gesetzgebers durch die Unterscheidung der Vermögenswerte nach Leistungsbezügen grundsätzlich unbedenklich. Denn die Konkretisierung der Interessenabwägung wurde ja so durchgeführt, daß nach dem spezifischen Gewicht der Interessen der Betroffenen und der Allgemeinheit gefragt wurde. Aus dem hieraus abgeleiteten differenzierten gesetzlichen Entschädigungsrahmen ergab sich, daß für jeden beliebigen enteignungrechtlichen Sachverhalt garantiert wird, daß die Interessen der Allgemeinheit nicht zum Zuge kommen, wenn ihnen auf der Seite der Betroffenen Interessen größeren Gewichts gegenüber stehen. 12 s. insb. BVerfGE 23,127,133 f. m i t ausführlichem Nachweis der älteren einschlägigen Entscheidungen; an neueren Entscheidungen vgl. BVerfGE 24, 367, 404; 27, 211, 219; 28, 264, 280; 29, 312 ff. 18 Grundlegend immer noch Lerche, Übermaß u n d Verfassungsrecht, S. 223 ff.
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I I . Konkretisierung
W i r können damit sogar über die Feststellung der bloßen Vereinbarkeit m i t dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hinausgehen und die oben anhand der Leistungsorientierung gezogenen Rechtsfolgen als die allgemeinen Auswirkungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf die Eigentumsgarantie unter ihrem speziell vermögensmäßigen Aspekt qualifizieren: Verhältnismäßig ist eine auf die Absage an die Marktwertorientierung i n A r t . 14 GG gestützte Reduzierung der Entschädigung, sofern keine auf Leistung des Enteigneten zurückführbaren Vermögenswerte tangiert werden. Unverhältnismäßig wäre sie, wenn letzteres der Fall ist — es sei denn, besondere Umstände auf Seiten des Betroffenen liegen vor 1 4 . Das Verbot „modaler UnVerhältnismäßigkeit" der Entschädigungsreduzierung Auch wenn eigentlich i m Ergebnis die Entschädigungsversagung von A r t . 14 GG her zulässig ist, kann gleichwohl die A r t und Weise, wie der Gesetzgeber von dem i h m an sich zustehenden Entschädigungsspielraum Gebrauch macht, unverhältnismäßig den Enteigneten treffen und deshalb verfassungswidrig sein. Das ist gegeben, wenn eine Unverhältnismäßigkeit besteht zwischen den spezifischen Vorteilen der konkreten Durchführungsweise für die Allgemeinheit und den Nachteilen, die gerade diese Durchführung für den Enteigneten m i t sich bringt. Von praktischer Bedeutung kann dies insb. i m Bodenrecht werden: Dort besteht zwar eine besondere Reichweite der Anwendung der Entschädigungsabwägung des A r t . 14 I I I Satz 3 GG, aber hier können sich auch i m Einzelfall besondere Härten für den Enteigneten ergeben. Das ist z. B. der Fall, wenn sich die Kreditsicherung für ein Darlehen auf die Garantie des Verkehrswertes des Grundstückes eingestellt hatte und sich erst umstellen muß. Unverhältnismäßig ist der Enteignete dann zwar nicht durch den Entzug nichtleistungsbezogener Werte selbst, aber wegen der zusätzlichen Schäden durch Wegfall der Sicherungsgrundlage getroffen. I n diesen und vergleichbaren anderen Fällen ist von der Verfassung dem Gesetzgeber die Verpflichtung auferlegt, erforderlichenfalls eine Übergangsregelung vorzusehen 15 . Sie muß dafür Sorge tragen, daß dem Betroffenen ausreichend Zeit verbleibt, um sich auf den Umstand einzustellen, daß er i n Zukunft nicht mehr mit dem gesamten Verkehrs14 Dazu gehört v o r allem der F a l l der Entschädigungsreduzierung trotz L e i stungsbezügen i m Bereich der Enteignungsentschädigung bei Eingriffen i n Gewerbebetriebe wegen Mitverschulden; dazu näher unten § 18. 15 Z u m Gebot v o n Übergangsregelungen als speziellem Ausfluß der Verhältnismäßigkeit s. BVerfGE 21,173,182 f. und 25, 236, 248.
§ 14 Entschädigungsspielraum u n d übergreifende Verfassungsnormen 129
wert als gesichertem Vermögensbestandteil rechnen kann, sondern (bei extremer Ausnutzung des i n A r t . 14 GG eingeräumten Entschädigungsspielraumes) nur noch mit dem nach Leistungskriterien zu bemessenden Entschädigungswert 1®. I I I . Entschädigung nach Art. 14 G G und Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 G G
Nach A r t . 19 Abs. 2 GG darf i n keinem Fall ein Grundrecht i n seinem Wesensgehalt angetastet werden. Aus dieser eindeutigen Formulierung ist zu Recht gefolgert worden, daß auch nicht ausnahmsweise ein gesetzlicher Eingriff zulässig ist, der den Wesensgehalt des jeweiligen Grundrechts beeinträchtigt 17 . Daraus ergibt sich, daß die Bestimmung des Entschädigungsspielraumes nach der Interessenabwägung des A r t . 14 Abs. 3 GG auch nicht i n einem einzigen Fall dazu führen darf, daß das Eigentum i n seinem Wesensgehalt eingeschränkt wird. I n Betracht kommt hier allerdings nur der reine Wertaspekt der Eigentumsgarantie. Anhand dieser Prämissen sind zwei grundsätzliche Fragen zu unterscheiden. Die erste Frage geht dahin, ob durch den Zugriff auf den Wert von enteigneten Sachen, Rechten u. ä. überhaupt die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 GG tangiert werden kann. W i r d die Frage verneint, so erübrigt sich naturgemäß eine weitere Analyse des Gehalts der Wesensgarantie; w i r d sie bejaht, so stellt sich die entscheidende Frage, ob und gegebenenfalls i n welchen Fällen die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 GG den Entschädigungsspielraum des Gesetzgebers beschränkt. 1. Die Frage, ob A r t . 19 I I GG überhaupt auf den bloßen Wertaspekt des Eigentums anwendbar ist, kann dahingestellt bleiben, wenn man der Auffassung ist, daß diese Garantie nur deklaratorische Bedeutung besitzt, der Wesensgehalt eines Grundrechts also dort beginnt, wo die (gegebenenfalls differenzierenden) Möglichkeiten zulässiger Begrenzung enden 18 . Ebenso kann die Frage dahingestellt bleiben, wenn man, wie 16
Das k a n n aber i n K o n f l i k t m i t dem oben i n § 13 I I I bei Behandlung des Schutzes gezahlter Kaufpreise erörterten Umgehungsproblem geraten: Je zögernder der Gesetzgeber eine Entschädigungsreduzierung unterhalb des Verkehrswertes i n A n g r i f f n i m m t , u m so mehr werden Umgehungsversuche zu erwarten sein; eine adäquate Lösung, die beiden Aspekten (Vermeidung u n verhältnismäßiger Härten bei gleichzeitiger Reduzierung der Entschädigung) gerecht w i r d , läge darin, daß bei Verlust der Kreditbasis Darlehenshilfen durch die öffentliche Hand gewährt werden. Auch dann noch w i r d die öffentliche H a n d gegenüber der jetzigen Entschädigungspraxis erheblich entlastet. 17 BVerfGE 7, 377,411. 18 So insb. P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 G r u n d gesetz, 2. Aufl., 1972, S. 234 ff.; i h m folgend Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 6. Aufl., 1973, S. 138 f. 9 Opfermann
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I I . Konkretisierung
dies von der Rechtsprechung teilweise angenommen w i r d 1 9 , den Wesensgehalt durch Abwägung bestimmt. Denn i n diesem Fall w i r d man wieder auf die Abwägung verwiesen, die Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG ohnehin anordnet. Entsprechendes gilt, wenn man den zentralen Gehalt der Wesensgehaltsgarantie i m Gebot der strikten Wahrung der Verhältnismäßigkeit jeden Eingriffs sieht 20 . Man kann freilich bezweifeln, ob diese Auffassungen der besonderen Abwehrfunktion ausreichend gerecht werden, die nach systematischer Stellung i n der Verfassung und historischer Intention 2 1 dieser Regelung zugewiesen ist. Es liegt daher nahe, der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 I I GG die zusätzliche Schutzfunktion zuzuordnen, daß sie, sofern A r t . 19 I I GG auf ein bestimmtes Grundrecht anwendbar ist, dieses i n seinem Kernbereich garantiert 2 2 . 2. Auch von dieser Auffassung der Kernbestandsgarantie aus gewinnt die Wesensgehaltsgarantie für die Bestimmung des gesetzlichen Entschädigungsspielraumes aber nur dann Relevanz, wenn der bloße Wertaspekt überhaupt zum Kern der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG gerechnet werden kann. Diese Frage stellt sich für A r t . 14 GG i n besonderer Weise, weil die Regelung des Abwägungsgebotes des A r t . 14 I I I Satz 3 GG ausdrücklich von vornherein die Entschädigungspflicht durch eine Interessenabwägung beschränkt. Damit ergibt sich die Frage,, ob durch diese Relativierung der Entschädigungspflicht der reine Wertaspekt überhaupt fähig ist, die Wesensgehaltsgarantie für sich i n Anspruch zu nehmen. Auch wenn man die Frage verneint, bedeutet dies ja nicht, daß man für die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG die Regelung des Art. 19 I I GG als unbeachtlich ansieht, sondern nur, daß man sie ausschließlich als für die Bestandsgarantie des A r t . 14 GG anwendbar hält. Aus der atypischen Struktur der Regelung des Abwägungsgebotes des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG ergibt sich eine differenzierte Beantwortung der Frage. Richtig ist es, daß, wenn die Verfassung die Entschädigungspflicht ausdrücklich von der Abwägung m i t den Interessen der Allgemeinheit abhängig gemacht hat, jedenfalls das Vertrauen i n eine stets volle Entschädigung des Verkehrswertes nicht zum unabänderlichen 19 So z. B. B V e r w G E 1, 244, 246: „überwiegendes Interesse der Allgemeinh e i t " ; ähnlich BVerfGE 22, 180, 219 speziell f ü r das Grundrecht des A r t . 2 Abs. 2 Satz 2 GG. 20 So BGH, DVB1. 1953, 371; BGHSt. 4, 375, 377. Güterabwägung u n d V e r hältnismäßigkeitsprüfung decken sich freilich häufig. 21 Aus den i m Parlamentarischen Rat zur Wesensgehaltsgarantie öfter w i e derkehrenden Begründungen ergibt sich, daß der Bestimmung des A r t . 19 Abs. 2 GG zwar nicht notwendig ein zusätzlicher Gehalt, w o h l aber eine zusätzliche Sicherungsfunktion zugewiesen wurde; vgl. dazu die Darstellung bei Doemming/Füsslein/Matz, Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes, JöR Bd. 1, S. 177 ff. u n d unten A n m . 24. 22 So i m Ergebnis auch Klein i n v. Mangoldt/Klein, A r t . 19, A n m . V 4d.
§ 14 Entschädigungsspielraum u n d übergreifende Verfassungsnormen 131
„substanziellen" Bestand der Eigentumsgarantie gehören kann 2 3 . A n dernfalls würde man einen über das Grundrecht selbst hinausschießenden Schutzbereich nicht nur i n das Grundrecht einbeziehen, sondern sogar zum substanziellen Kern der Eigentumsgarantie erklären. Andererseits ist die Wesensgehaltsgarantie gerade für die Interessenabwägung bedeutsam. Denn da die Interessenabwägung dem Gesetzgeber die Aufgabe der näheren Durchführung zuweist, besteht gerade hier die Gefahr einer Überstrapazierung des Allgemeininteresses, gegen die A r t . 19 I I GG eine Zusatzsperre errichten w i l l 2 4 . Als Konsequenz ergibt sich, daß nicht jedes Vertrauen auf Erhalt des jeweiligen Vermögenswertes, sondern nur ein solches Vertrauen als i m Kernbestand der Eigentumsgarantie enthalten anzusehen ist, das als zentrales Grundelement die Eigentumsordnung eigentlich prägt. Geht man zutreffender Weise m i t dem Bundesverfassungsgericht davon aus, daß nach den die Eigentumsordnung tragenden Grundauffassungen dasjenige i n besonderem Maße als Eigentum anzuerkennen und gegenüber Eingriffen als schutzwürdig anzusehen ist, was der einzelne sich durch eigene Leistung und eigenen Kapitalaufwand erworben hat 2 5 , so muß man konsequenterweise solche Rechte als i n ihrem Wert ebenfalls besonders geschützt ansehen, die den Niederschlag eigener Leistungen des Inhabers bilden. 3. Damit ergeben sich für das Verhältnis von Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 I I GG und Gebot der Interessenabwägung des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG die folgenden Rechtsfolgen: Das Leistungskriterium ist nicht nur adäquates Unterscheidungsmerkmal zur Bestimmung des durch die Interessenabwägung des A r t . 14 GG dem Gesetzgeber zustehenden Entschädigungsspielraums, sondern umschreibt zugleich den Kernbestand der Wertgarantie des A r t . 14 GG, der nach A r t . 19 GG durch eine Abkehr des Gesetzgebers von der Verkehrswertentschädigung nicht verletzt werden darf. Wendet man die Interessenabwägung i n der hier vorgelegten Form an, so führt dies dementsprechend zu einer weitgehenden Deckung des Schutzbereiches von A r t . 14 GG und Art. 19 I I GG bezüglich der Enteignungsentschädigung. 23 Inzident so wiederum auch das hamburg. Deichurteil, BVerfGE 24, 367 ff., indem die Entschädigungsreduzierung unterhalb des Verkehrswertes als nicht m i t dem Grundgesetz unvereinbar angesehen wurde. 24 Vgl. hierzu die Ausführungen des Vors. des Grundsatzausschusses des Pari. Rates, v. Mangoldt, i n der Sitzung v o m 7. 10. 1948 zur F u n k t i o n der Wesensgehaltsgarantie. Danach sei i n allen Grundrechtsartikeln gesagt worden: Das Grundrecht steht i m Rahmen der Gemeinschaftsinteressen u n d zum Schutz der Gemeinschaftsinteressen ist i n einer gewissen Konkretisierung die Möglichkeit gegeben, durch Gesetz die Grundrechte zu beschränken. Gerade deshalb müsse aber zum Ausdruck gebracht werden, daß das Grundrecht nicht i n seiner Substanz ausgehöhlt würde (Prot. S. 65 f.). 25 BVerfGE 1, 264, 277 f.
9'
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I I . Konkretisierung
Die Wesensgehaltsgarantie gewinnt eine über A r t . 14 GG hinausgehende begrenzende Wirkung für den Entschädigungsspielraum daher nicht für die vorgelegte Abwägungskonkretisierung, sondern für andere Konkretisierungsalternativen: Selbst wenn man den Entschädigungsspielraum des Gesetzgebers nach A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG i n anderer Weise bestimmt als dies hier geschehen ist, so muß jedenfalls nach A r t . 19 I I GG das Leistungskriterium als Grenze der Entschädigungsversagung angesehen werden. Auch andere Festlegungen des Entschädigungsspielrauems des Gesetzgebers durch i n andersartiger Weise vorgenommene Interessenabwägungen sind damit möglicherweise als m i t A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG der Auslegung nach verträglich anzusehen, sie sind aber jedenfalls nach A r t . 19 Abs. 2 GG unzulässig, wenn sie ohne Vorliegen besonderer (insb. Mitverschuldens-) Gründe Vermögenswerte unentschädigt lassen, die auf eigenen Kapitaloder Arbeitseinsatz zurückzuführen sind 2 6 . § 15 Zusammenfassung der Rechtsfolgen der Abwägungskonkretisierung i n einem Entscheidungsschema
Obwohl die Konkretisierung des Abwägungsgebotes bisher nur auf abstrakter, theoretischer Ebene erfolgte, hat sie doch ein komplexes Rechtsfolgemuster als Resultat der gleichgewichtigen Behandlung der Interessen der Allgemeinheit i n der Entschädigungsfrage erbracht. Bevor daher i m nächsten Teil der Arbeit für einzelne Rechtsgebiete aufgezeigt wird, welche Konsequenzen die Aktualisierung der Interessenabwägung mit sich bringt, seien der Übersichtlichkeit halber die wichtigsten entwickelten Rechtsfolgen der Aktualisierung des Mittelweges der Entschädigungsgarantie nach dem Grundgesetz zusammengefaßt. 1. A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG setzt sich dadurch von der generellen Marktwertentschädigung ab, daß ein Herabgehen unter den Verkehrswert nur verfassungswidrig ist, wenn zwingend ein Übergewicht des Entschädigungsinteresses des Betroffenen gegenüber dem finanziellen Entlastungsinteresse der Allgemeinheit gegeben ist. Dies ist i n dem Umfang der Fall, i n dem der Verkehrswert des enteigneten Gegenstandes ein Äquivalent der Leistung des Betroffenen ist. 20 Das würde, w e n n ich die Ausführungen des Verfassers richtig verstehe, auf die Lösung von Hauke, Das Interessenabwägungsgebot nach A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG bei der Bestimmung der Enteignungsentschädigung, Diss. Heidelberg, 1972, S. 79 f. zutreffen: Danach wäre es z. B. i m Straßenbau bei Enteignung des Hauses eines vermögenden Eigentümers, der auf die Entschädigung nicht angewiesen ist, zulässig, den Verkehrswert zu unterschreiten, obwohl der E n t eignete das Haus auf eigene Kosten hatte errichten lassen. Das ist m. E. m i t der Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG nicht vereinbar; die Eigentumsgarantie des A r t . 14 GG w i r d damit i n ihrem Wertaspekt zu einer sozialen Schutzfunktion entwertet.
§15 Zusammenfassung der Hechtsfolgen
133
Auch bei Einräumung eines grundsätzlich nach A r t . 14 GG bestehenden Entschädigungsspielraumes des Gesetzgebers bei Enteignungen sind daher nicht i n jedem Fall Unterschreitungen der „angemessenen" Entschädigung zulässig. 2. Der eigenen Leistung des Betroffenen steht die Leistung von diesem zurechenbaren Personen gleich. 3. Werden durch Enteignungen Folgeschäden verursacht, so müssen diese ebenfalls als entschädigungspflichtig angesehen werden, soweit durch sie auf Leistung zurückgehende Vermögenswerte betroffen sind. 4. Hatte der Rechtsinhaber den Gegenstand vor der Enteignung rechtsgeschäftlich erworben („Ubereignungskette"), so ist zu differenzieren. Sind leistungsüberhöhte Preise gezahlt worden, so greift nicht eine absolute Wertgarantie ein, sondern es ist auf die Vertrauenstatbestände abzustellen. Bisher bezahlte Preise sind entschädigungsfest (ex-tunc-Sperre). Bei einer künftigen Änderung des Bodenrechts können leistungsüberhöhte Verkehrswerte unberücksichtigt bleiben, soweit bei Kaufpreiszahlung aus freiem und bekanntem Risiko gehandelt wurde. 5. Auch bei nicht auf Leistung zurückführbaren Vermögenswerten muß der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden. Das Vertrauen der Betroffenen i n den Bestand des Verkehrswertes darf i m Verhältnis zu den Interessen der Allgemeinheit an der sofortigen Durchführung der Änderung der Entschädigungsregelung nicht unverhältnismäßig hart getroffen werden. Erforderlichenfalls sind Übergangsregelungen geboten. 6. Die Vorteilsanrechnung stellt einen besonderen Anwendungsfall der Nichtentschädigung mangels Leistung des Betroffenen dar. Es kommt für die Zulässigkeit des Umfangs der Vorteilsanrechnung nach A r t . 14 GG nicht auf den Verursachungsmodus, sondern nur auf den Eint r i t t tatsächlich nachweisbarer Vorteile überhaupt an. 7. Nichtentschädigung von Vermögenswerten, die Äquivalente eigener Leistung darstellen, ist nur i n Sonderfällen m i t A r t . 14 GG vereinbar. Solche Sonderfälle liegen vor, wenn der Enteignete durch eigenes Tun den Schadenseintritt teilweise hätte verhindern oder den Schadensumfang hätte vermindern können. 8. Wenn ein rechtmäßiger hoheitlicher Eingriff keinen Güterbeschaffungsvorgang darstellt, w i r d die Entschädigungsfrage dadurch vorabentschieden, daß ermittelt wird, ob es sich überhaupt um eine Enteignung (Aufopferungsenteignung) oder um eine Sozialbindung i. S. d.
134
I I . Konkretisierung
A r t . 14 I 2 GG handelt. I n diesen Fällen ist das Leistungskriterium entsprechend dafür heranzuziehen, ob der Eingriff so schwer ist, daß es sich um eine Enteignung handelt (Abwägungsabgrenzung zwischen Aufopferungsenteignung und Sozialbindung).
Dritter
Teil
Anwendung der theoretischen Konkretisierung auf ausgewählte Sachbereiche des Enteignungsrechts Jede juristische Theorie gewinnt Anschaulichkeit erst dadurch, daß aufgezeigt wird, wie i n der Praxis ihre Rechtsfolgen aussehen. Auf unsere Problemstellung der „Enteignungsentschädigung nach dem Grundgesetz" angewendet, bedeutet dies vor allem, aufzuzeigen, wie sich die A b kehr von der Annahme einer verfassungsrechtlichen Pflicht zur „angemessenen" Entschädigung auswirkt. W i r geben diesen Nachweis i n zweierlei Form. I m ersten Abschnitt A zeigen w i r für einige ausgewählte Sachbereiche auf, ob und gegebenenfalls inwieweit die Entschädigung des A r t . 14 GG sich von der „angemessenen" Entschädigung absetzt. I n einem zweiten Abschnitt Β gehen w i r auf der Grundlage eines Rechtsvergleichs mit dem niederländischen Bodenrecht i n Form eines Exkurses auf ein besonders aktuelles Problem des geltenden Bodenrechts ein und zeigen hierfür Alternativen zum geltenden Recht auf. Der Verfasser w i l l nicht ausschließen, daß auch dann, wenn man die hier grundsätzlich eingenommene Position teilt, man i n einzelnen Detailfragen zu unterschiedlichen Ergebnissen in der Bewertung der Umstände aus dem Leistungsgedanken kommen mag. Aber die grundsätzliche Dimension der Bestimmung der Entschädigungspflicht nach dem Grundgesetz dürfte auch bei solchen Divergenzen dieselbe bleiben. Eine Vorbemerkung noch vorab: Nicht näher eingegangen w i r d i m folgenden auf die Frage, welche A r t der Enteignungsentschädigung der Gesetzgeber wählt. Für die Praxis relevant ist i n allererster Linie die Geldentschädigung. Soweit eine Entschädigung i n Land i n Betracht kommt, gilt nach den oben i n § § 12-14 entwickelten Prinzipien die einfache Regel: es darf i n nicht geringerem Umfang entschädigt werden, als der Geldentschädigung nach Leistungskriterien entspricht.
Α. Zum geltenden deutschen Entschädigungsrecht § 16 W e i t e r h i n Bindung an den Verkehrswert als Regelentschädigung
Das Abwägungsgebot des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG eröffnet, wenn es i m Sinn der §§ 12-15 konkretisiert wird, dem Gesetzgeber zwar grundsätzlich einen Entschädigungsspielraum. Das bedeutet aber nicht, daß i n jedem Fall die Entschädigung unterhalb des Verkehrswertes angesetzt werden darf. Vielmehr ist zwischen dem potentiellen und dem aktuellen Entschädigungsspielraum zu unterscheiden: Potentiell erlaubt das Abwägungsgebot i n jedem Fall, von dem Verkehrswert abzuweichen, w e i l das Grundgesetz eine Bindung an den Verkehrswert als generelle Regel ja nicht kennt. A k t u e l l erlaubt es dies i m konkreten Fall aber nur dann, wenn ein Sachverhalt vorliegt, bei dem der durch den Eingriff dem Betroffenen entzogene Vermögenswert ganz oder teilweise nicht auf Leistung des Betroffenen (oder i h m zurechenbarer Personen) zurückführbar ist oder ein Fall des effektiven Vorteilsausgleichs vorliegt. W i r geben zwei Fallgruppen an, in denen nach den oben i n § 15 dargelegten Grundsätzen der Interessenabwägung kein aktueller Entschädigungsspielraum des Gesetzgebers besteht, d. h. die Entschädigung nach dem vollen Verkehrswert weiterhin i n der Regel verfassungsrechtlich zwingend vorgeschrieben ist, der Entschädigungsspielraum des Gesetzgebers sich aufgrund der vorliegenden Umstände also gewissermaßen „auf N u l l reduziert". I . Entschädigung nach dem Bundesleistungsgesetz
1. Die erste allgemeine Fallgruppe, i n der der Entschädigungsspielraum des Gesetzgebers sich wegen der vorliegenden Umstände nicht aktualisiert, also der volle Verkehrswert zu entschädigen ist, obwohl die Regelung des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG eine Bindung an den Verkehrswert nicht kennt, ist in den Fällen der Zwangsleistung für Zwecke der öffentlichen Sicherheit, der Verteidigung u. ä. nach dem Bundesleistungsgesetz (BLG) 1 gegeben. W i r greifen die wohl wichtigsten Fälle der Inanspruchnahme nach diesem Gesetz heraus. 1
I n der Fassung v o m 27.9.1961 (BGBl. I, S. 1770).
§ 16 Bindung an den Verkehrswert als Regelentschädigungsrecht
137
Nach dem B L G kann sowohl die Überlassung von Gegenständen zum Gebrauch, wie die Entziehung des Eigentums 2 , wie die Überlassung von baulichen Anlagen als Leistung angefordert werden. Gleiches gilt für die Duldung von Einwirkungen auf bewegliche und unbewegliche Sachen. Für alle diese Fälle enthält das B L G eine Entschädigungsregelung. Nach § 20 B L G ist i n dem Fall der Eigentumsentziehung der gemeine Wert der Sache, i n den Fällen der Gebrauchsüberlassung und der Duldung von Einwirkungen derjenige Wert zu zahlen, der für vergleichbare Leistungen i m Wirtschaftsverkehr als übliches Entgelt zu entrichten ist. Für alle diese Fälle ist also nach dem Gesetz der volle wirtschaftliche Gegenwert zu entrichten. Gleiches gilt für Schäden, die an Grundstücken, baulichen Anlagen u. ä. durch Manöver verursacht werden (dies dürfte der in Friedenszeiten wichtigste Entschädigungsfall des B L G überhaupt sein). Nach § 77 I B L G bemißt sich bei Manöverschäden i m Fall der Zerstörung die Ersatzleistung nach dem gemeinen Wert, i m Fall der Beschädigung nach der Höhe der notwendigen Wiederherstellungs- bzw. Instandsetzungskosten 3 . Es fragt sich, ob diese einzelnen gesetzlichen Regelungen auch bei Anerkennung eines grundsätzlich bestehenden Entschädigungsspielraumes des Gesetzgebers verfassungsrechtlich zwingend vorgeschrieben sind, weil i m konkreten Fall die Abwägung zum gleichen Ergebnis wie das Gebot der „angemessenen" Entschädigung führt. Das ist nach den Rechtsfolgen der Leistungsorientierun/g i n der Regel der Fall: Fälle der Vorteilsausgleichung kommen praktisch bei der Inanspruchnahme nach dem Bundesleistungsgesetz nicht vor. Also ist nur das Leistungskriterium maßgeblich. W i r d zum Zwecke der Verteidigung o. ä. die Überlassung von beweglichen Gegenständen zum Eigentum angeordnet, so handelt es sich, da der Gegenstand entweder durch Arbeit oder durch Kapitaleinsatz (oder beides) des Betroffenen oder i h m zurechenbarer Personen erworben ist, bei dem Wert des Gegenstandes um einen Wert, der als Äquivalent eigener Leistung anzusehen ist. Infolgedessen 2
Beides allerdings nur bei beweglichen Sachen; vgl. § 2 Nr. 1 u n d 2 B L G . W i r lassen die Fallgruppe, daß eine Entschädigung nicht f ü r Eingriffe i n Gegenstände, sondern f ü r auferlegte Arbeitsleistungen zu entrichten ist (vgl. z. B. § 2 I Nr. 9 BLG), i m folgenden außer Betracht. Hier stellt sich i n manchen Fällen die Frage, ob überhaupt ein von A r t . 14 GG erfaßtes Recht beeinträchtigt ist. Sofern eine Enteignung auch i n diesen Fällen zu bejahen wäre, ist klar, daß nach dem Leistungsgedanken zwingend die Entschädigung i n Höhe des allgemeinen marktmäßigen Entgeltes zu erfolgen hat, da j a der Marktpreis bei Arbeitsleistungen sich an dem erforderlichen A u f w a n d und dem erbrachten Werk orientiert. Das gilt freilich nur, w e i l die Leistung hier nicht dem L e i stenden, sondern der Allgemeinheit zugute kommt. Daher k a n n diese Regel nicht auf andere Sachbereiche übertragen werden, wenn dort zwar i m öffentlichen Interesse Leistungspflichten auferlegt werden, der Leistungsertrag aber dem Leistenden selbst zugute k o m m t (so z. B. bei Baugeboten u. ä.). 3
138
I I I . Α. Vergleich m i t dem deutschen Entschädigungsrecht
liegt, wenn der durch die Inanspruchnahme eingetretene Schaden nicht voll ersetzt wird, ein Überschreiten der Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes vor. Da bei beweglichen Sachen der Marktwert regelmäßig sich nach dem zur Herstellung des Gegenstandes erforderlichen Material- und Arbeitseinsatz bestimmt, muß, u m der Verfassung Genüge zu tun, grundsätzlich i n voller Höhe des Verkehrswertes entschädigt werden. Für den Spielraum des Gesetzgebers bleibt infolgedessen kein Raum. Gleiches gilt für die Fälle, in denen bewegliche Sachen zum Gebrauch überlassen und dabei beschädigt worden sind. I n diesem Fall ist der gesamte Schaden zu ersetzen, weil der gesamte Umfang der Wertbeeinträchtigung Werte betrifft, die auf Leistung des Betroffenen zurückführbar sind. Für den Ersatz von Manöverschäden an Grundstücken, baulichen Anlagen u. ä. (§ 77 BLG) gilt entsprechendes, wenn auch der Sachverhalt hier teilweise etwas anders liegt: W i r d in bauliche Anlagen eingegriffen, so handelt es sich um Eingriffe in geschaff ene Werte, deren Auf Wendungen sich im Marktpreis ausdrücken. Also ist voll zu entschädigen. Führt die Benutzung eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücks bei Manövern oder anderen Übungen einerseits zu Schäden, andererseits zu Ertragsminderungen 4 , so gilt ebenfalls nach dem Leistungskriterium: Besteht der Schaden darin, daß die Ernte oder daß Holzbestände vernichtet werden, so handelt es sich um Werte, die durch Arbeits- und Kapitaleinsatz geschaffen worden sind. Sonderfaktoren, wie die Unvermehrbarkeit von Gütern, treten hierbei nicht auf. Es ist daher i n voller Höhe zu entschädigen. Ebenso gilt für den Fall der bloßen Ertragsminderung, daß der Eingriff hier Werte vernichtet, die auf Leistung des Betroffenen (Bestellen des Feldes, Pflege des Waldes, Anlage von Baumsetzlingen usw.) zurückführbar sind. Infolgedessen stellt auch die Regelung des § 77 Abs. 2 BLG, wonach in diesen Fällen „angemessener" Ersatz zu leisten ist, keine über das verfassungsrechtliche M i n i m u m hinausgehende Entschädigungszuweisung dar, sondern entspricht auch bei einer Aktualisierung des Abwägungsgebotes des A r t . 14 Abs. 3 S. 3 GG einer Verfassungspflicht. 2. Das Ergebnis der bisherigen Analyse der Inanspruchnahme nach dem Bundesleistungsgesetz besteht darin, daß i n der Regel in Höhe des vollen Verkehrswertes nicht nur nach der einfachen gesetzlichen Regelung, sondern auch nach dem Grundgesetz zu entschädigen ist. Die Einführung des Abwägungsgebotes als Absetzung von der „angemessenen" Entschädigung hat daher an der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Ent4 I n der Praxis handelt es sich v o r allem u m die sog. Flurschäden, s. Bauch/ Danckelmann/Kerst. K o m m , zum B L G , 2. Aufl., § 77, Anm. la.
§ 16 Bindung an den Verkehrswert als Regelentschädigungsrecht
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Schädigung nach dem Verkehrswert für diese Fälle nichts geändert. Anderes gilt aber dann, wenn die Inanspruchnahme nach dem Bundesleistungsgesetz nicht mehr i n Normalzeiten erfolgt. Hier hängt es davon ab, ob sich Entschädigung nach dem Leistungskriterium und Entschädigung nach dem Verkehrswert noch weiterhin decken. Das kann, muß aber nicht unbedingt der Fall sein. Nach dem Leistungskriterium ergibt sich, daß die Verkehrswertentschädigung dann nicht mehr als verfassungsrechtliche Grenze (die nicht unterschritten werden darf) angesehen werden kann, wenn Sonderfaktoren sich dahin auswirken, daß der Verkehrswert sich nicht mehr an der zur Herstellung erforderlichen Leistung, sondern zumindest teilweise auch an der Bedeutung des Gegenstandes in einem Notfall orientiert. Die Frage könnte z. B. praktisch werden, wenn bei Krisenzeiten bestimmte Güter knapp werden und sich ihr Verkehrswert wegen dieser Verknappung erhöht. Wenn es dann erforderlich ist, solche Gegenstände aus Verteidigungszwecken zum Gebrauch oder zur völligen Überlassung dem Inhaber zu entziehen, gilt nach dem Leistungskriterium, daß nach dem Grundgesetz nicht i n Höhe des Verkehrswertes der Krisenzeit zu entschädigen ist, sondern man w i r d denjenigen Verkehrswert als Entschädigungsuntergrenze ansehen müssen, der vor Entstehung der Krisenzeit üblicherweise gezahlt wurde. Diese Ausnahme v o m Grundsatz der Verkehrswertentschädigung ist bedeutsam, w e i l zwar i n § 20 I B L G f ü r die Fälle der Dienstleistungen u n d der zeitweiligen Überlassung angeordnet w i r d , daß sich die Entschädigung „nach dem f ü r vergleichbare Leistungen i m Wirtschaftsverkehr üblichen Entgelt bemißt", also eine Beschränkung der Entschädigung i n dem eben dargelegten Sinn zuläßt, andererseits aber nach § 20 I I B L G f ü r die Fälle der Eigentumsüberlassung generell angeordnet ist, daß der gemeine Wert der Sache i n demjenigen Zeitpunkt ausschlagebend ist, i n dem das Eigentum an der Sache übergeht 5 . Nach der letzteren Bestimmung könnte sich der Betroffene i n Krisenfällen also auf Kosten der Allgemeinheit an dem Notstand bereichern.
Schon nach dem Rechtsgefühl erscheint eine solche Regelung als unbillig. Nach dem Leistungskriterium besteht auch i n der Tat vom Grundgesetz her keine Pflicht, hier den vollen Verkehrswert zu entrichten. Vert r i t t man die Auffassung, daß das Abwägungsgebot des Art. 14 I I I S . 3 GG nicht nur als Sollvorschrift, sondern als strikte Gebotsnorm anzusehen ist (dazu unten § 24), dann w i r d man sogar sagen müssen, daß die Regelung des § 20 I I S. 1 B L G verfassungskonform für diesen Sachverhalt dahingehend eingeschränkt werden muß, daß i n dem erörterten Ausnahmefall nicht die Zeitbestimmung dieser Regelung, sondern das K r i t e r i u m
5
Z u einem Sonderfall der Anwendung dieser Bestimmung s. B G H Z 41, 385.
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I I I . Α. Vergleich m i t dem deutschen Entschädigungsrecht
des „im Wirtschaftsverkehr scheidend sein muß 6 .
üblichen Entgelts"
des § 20 I S. 1 B L G ent-
N i m m t die Preissteigerung i m Verteidigungsfall oder ähnlichen Krisen bei wichtigen verknappten Gütern überhand, so w i r d u. U. nichts anderes übrig bleiben, als für diese Güter einen Preisstop zu erlassen. Dieser stellt eine besondere Form der Sozialbindung dar und kann sich zum Nachweis dafür, daß es sich keineswegs um einen enteignenden Eingriff (i. S. d. Aufopferungsenteignung) handelt, auf das Leistungskriterium berufen. Π . Entschädigung beim polizeilichen Notstand
Die zweite allgemeine Fallgruppe, bei der die Entschädigung auch nach dem Abwägungsgebot i n der Regel zwingend in Höhe des Verkehrswertes geleistet werden muß, betrifft die Fälle, i n denen Gegenstände unbeteiligter Dritter herangezogen werden müssen, um Gefahren für die A l l gemeinheit oder für einzelne Personen i m Wege des polizeilichen Notstandes zu beseitigen. A r t . 14 GG ist allerdings nur dann einschlägig, wenn man die Fälle der Inanspruchnahme aufgrund polizeilichen Notstandes als „Aufopferungsenteignung" (W. Weber) ansieht 7 . I n Frage kommt hier sowohl der Fall, daß Gegenstände bei der polizeilichen Inanspruchnahme in ihrem Wert beeinträchtigt werden, wie auch derjenige, daß sie bei der Verwendung total zerstört, ihr Wert also ganz vernichtet wird. Da ein Vorteilsausgleich äußerst selten sein dürfte, ist für das Entschädigungsminimum entscheidend, ob die Werte Äquivalente von Leistung darstellen oder nicht. Nun gilt bei allen hergestellten Sachen, also 6 So i n der Tendenz BVerfGE 24, 365 ff. (421); danach zwingt A r t . 14 I I I S. 3 GG u. U. den Gesetzgeber, „auf situationsbedingte Besonderheiten des Sachverhaltes und die Zeitumstände Rücksicht zu nehmen". Z u den damit aber auftauchenden Problemen gerade von der Junktimklausel her i m einzelnen unten § 24 I I . 7 Geht man m i t dem B G H davon aus, daß stets, wenn durch einen Einzelakt i n materielle Güter eingegriffen ist, eine Enteignung anzunehmen ist u n d A u f opferungen n u r auf immaterielle Eingriffe beschränkt sind, so ist auch die I n anspruchnahme i m polizeilichen Notstand bei Vorliegen bestimmter weiterer Voraussetzungen als Enteignung anzusehen. Die polizeirechtliche L i t e r a t u r läßt nicht selten offen, wie der polizeiliche Notstand i n das System der öffentlich-rechtlichen Ersatzleistungen einzuordnen ist. Die Möglichkeit einer Enteignung bei Inanspruchnahme als Nichtstörer w i r d bejaht von Viel Rasch, Allg. Polizei- u n d Ordnungsrecht, § 14 P V G Rdnr. 46; ebenso Rietdorf/Heise/Böckenförde/Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht i n NRW, Komm., 2. Aufl., 1972, § 41 OBG, Rdnr. 2, 7 f. u n d Reiff/Wöhrle, K o m m , zum Polizeigesetz f ü r Baden-Württemberg, 2. Aufl., 1971, §41, Rdnr. 1; w o h l auch von Götz, Allg. Polizei- u n d Ordnungsrecht, S. 94 f.
§ 16 Bindung an den Verkehrswert als Regelentschädigungsrecht
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sowohl bei beweglichen Sachen wie auch bei Zugriffen auf Gebäude 8 , daß der von diesen Gegenständen repräsentierte Wert auf Leistung des Betroffenen oder aber i h m zurechenbarer Personen beruht. Denn der Betroffene hat den Gegenstand, u m den es sich handelt, entweder selbst geschaffen oder entgeltlich erworben oder er ist i h m von dritten Personen zugewendet worden, die ihrerseits den Gegenstand erworben haben müssen. Es gilt daher auch i n diesen Fällen, daß das Interesse der öffentlichen Hand, möglichst die Entschädigungslast zu reduzieren, zwar legitim bleibt, aber nach der Abwägung zur Berücksichtigung dieses Interesses kein Raum verbleibt. Die i n den Polizeigesetzen angeordnete Pflicht zur vollen Entschädigung für den durch den Eingriff i m polizeilichen Notstand eingetretenen Schaden9 ist daher nicht nur nach einfachem Gesetzesrecht, sondern auch nach Verfassungsrecht zwingend vorgeschrieben. Nach dem K r i t e r i u m der Leistungsäquivalenz ergibt sich zugleich, daß, wenn man A r t . 14 GG als einschlägig ansieht, die umstrittene Frage 10 der Ersatzpflicht für entgangenen Gewinn bei Inanspruchnahme als Nichtstörer differenzierend zu entscheiden ist. Es kommt darauf an, ob und inwieweit der entgangene Gewinn als auf Leistung des Betroffenen zurückführbar angesehen werden kann. Hier ist keine einheitliche Beantwortung der Frage möglich. Der gewöhnliche Verdienst oder das gewöhnliche Nutzungsentgelt für eine entzogene Sache ist genauso auf die Leistung des Betroffenen (in Form der Herstellung oder des Erwerbs der Sache) zurückführbar wie der Verkaufswert der Sache. Denn ohne die Leistung des Betroffenen wäre die Nutzung überhaupt nicht und auch nicht i n diesem Umfang möglich; vielmehr gilt bei gewöhnlichem Nutzungs- und Verdienstentgelt, daß gerade um dessen willen die Sache angeschafft bzw. hergestellt w i r d 1 1 . Anders ist es hingegen, sofern nicht gewöhnliche, sondern außergewöhnliche Nutzungsmöglichkeiten entfallen, die bei der Herstellung bzw. dem Erwerb der Sache nicht vorhersehbar waren, sondern sich als reine günstige Ausnutzungschancen ergeben. Obwohl der Nichtstörer auch i n diesem Fall rein vermögensmäßig schlechter dasteht als er ohne Inanspruchnahme stehen würde, entfällt verfas8 Denkbar ist z. B. der Fall, daß zur Vermeidung einer Feuersbrunst ein Haus niedergerissen werden muß, dessen Eigentümer f ü r den B r a n d nicht als Störer verantwortlich ist. 9 Vgl. z. B. § 70 preuß. PVG; § 38 bad.-württ. PolG; A r t . 511 bay. PAG. 10 s. dazu Ule/Rasch, a.a.O. (Anm. 7), §70 PVG, Rdnr. 9 u n d Götz, a.a.O. (Anm. 7), S. 95, jeweils m i t weit. Nachw. 11 So bei dem i n Anm. 8 gebrachten Beispiel: Muß ein Mietshaus abgerissen werden, u m ein durch Brandstiftung D r i t t e r verursachtes Feuer an der Ausbreitung zu hindern, so muß der Mietausfall ersetzt werden. Denn die Leistung des Inhabers (Errichtung des Hauses) geschah gerade zu dem Zweck der Nutzung des Gegenstandes u n d erhielt dadurch ihren Sinn.
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I I I . Α. Vergleich m i t dem deutschen Entschädigungsrecht
sungsrechtlich eine Pflicht des Gesetzgebers, eine E n t s c h ä d i g u n g h i e r f ü r anzuordnen12. § 17 Bodenrecht und Entschädigungspflicht I m F o l g e n d e n beschränken w i r uns darauf, f ü r einige besonders zent r a l e F r a g e n des Bodenrechts anzugeben, w i e sich die E n t s c h ä d i g u n g s flexibilität des A r t . 14 Grundgesetz a u s w i r k t . H i e r b e i lassen w i r — n e b e n der gesonderten B e h a n d l u n g des P r o b l e m s der U m w i d m u n g v o n l a n d w i r t s c h a f t l . g e n u t z t e m G e l ä n d e zu B a u l a n d i n d e n §§ 20 - 2 2 — auch einige S p e z i a l p r o b l e m e aus, die z w a r auch f ü r das B o d e n r e c h t v o n B e d e u t u n g sind, aber i n a n d e r e n Sachbereichen eine größere A k t u a l i t ä t besitzen. So w e r d e n ζ. B . die F r a g e n des Ersatzes v o n Folgeschäden u n d des Ersatzes des e n t g a n g e n e n G e w i n n e s b e i der E n t s c h ä d i g u n g w e g e n E i n g r i f f e n i n G e w e r b e b e t r i e b e (§ 18) e r ö r t e r t ; die Entschädigungspflicht b e i B e s c h r ä n k u n g v o n A b b a u m ö g l i c h k e i t e n v o n N a t u r s c h ä t z e n u. ä. w i r d b e i m Wasserrecht u n d N a t u r s c h u t z dargelegt (§19). B e v o r w i r a u f E i n z e l f r a g e n eingehen, noch zwei grundsätzliche Bemerk u n g e n v o r a b . D i e r e d u z i e r t e Entschädigungspflicht des Grundgesetzes b e i E i n g r i f f e n i n E i g e n t ü m e r b e f u g n i s s e ist n a t ü r l i c h v o n z e n t r a l e r B e d e u t u n g f ü r die g e g e n w ä r t i g e D i s k u s s i o n einer Ä n d e r u n g des g e l t e n d e n Bodenrechts. V·! Die L i t e r a t u r zu dieser Frage ist k a u m noch übersehbar. Auch die spezifisch rechtswissenschaftliche L i t e r a t u r (die gerade i m Bodenrecht natürlich nicht ausreicht, u m die komplexe Problematik zu erfassen) bezieht sich auf eine Fülle verschiedenartiger Aspekte. Dazu gehören grundsätzliche Erörterungen über die Stellung des Bodeneigentums i n der Industriegesellschaft 1 , Spezialprobleme der Abschöpfung von Planungsgewinnen oder Spezialfragen der Stadtentw i c k l u n g 2 sowie Fragen einer Änderung des allgemeinen Baurechts 3 . Die M e i 12 Die Verfassungsrechtslage w i r d daher zutreffend von §42 des nordrh.westf. Ordnungsbehördengesetzes u n d von § 53 des brem. PolG wiedergegeben; danach ist der entgangene Gewinn stets i n Höhe des gewöhnlichen Verdienstes oder Nutzungsentgeltes zu ersetzen. 1 Z u r Grundsatzproblematik sei ζ. B. hingewiesen auf H. Hattenhauer, Zur Neudefinition des Eigentumsbegriffs i m Bodenrecht, in: Die neue Ordnung, 1969, H. 1, S. 46 ff. (Ersetzung der umfassenden Sachherrschaftsgarantie durch die Garantie der Sachnutzfreiheit) und auf den bereits 1966 vorgelegten Ansatz von Pernthaler, Funktionen und Schranken des Grundeigentums i n der heutigen Rechtsordnung, Schriftenreihe der sozialwiss. Arbeitsgemeinschaft Wien, S. 16 f. (Entwicklung eines „öffentlichen Obereigentums an G r u n d und Boden"); i n ähnlicher Richtung durch Erwägung einer Kommunalisierung v o n G r u n d u n d Boden neuerdings auch E. Küchenhof f, Neue Entwicklungsmöglichkeiten i m sozialen Bodenrecht, in: Gerechtigkeit i n der Industriegesellschaft, 1972, S. 245 ff. ; zurückhaltender E. W. Böckenförde, Eigentum, Sozialbindung des Eigentums, Enteignung, in: Gerechtigkeit i n der Industriegesellschaft, S. 215 ff.; s. auch Rüfner, Bodenordnung und Eigentumsgarantie, JuS 1973, S. 593 ff. 2 Z u r Abschöpfung von Planungsgewinnen s. Schauwecker, Vorschläge f ü r einen Planungswertausgleich i m BBauG, Diss. Köln, 1972; E. Schumann, Steuer-
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nungen der verschiedenen politischen Gruppen sind natürlich weitgehend k o n trovers; sie sind oft auch innerhalb der einzelnen politischen Parteien nicht einheitlich 4 . E n t n i m m t m a n d e m Grundgesetz n u r eine Entschädigungspflicht nach L e i s t u n g s k r i t e r i e n , so scheinen indes z w e i K l a r s t e l l u n g e n als n ü t z l i c h . (1) N i c h t selten w i r d m a n einer A b k e h r v o n der b i s h e r i g e n E n t s c h ä d i g u n g s p r a x i s a b l e h n e n d gegenüber stehen, w e i l m a n die G e f a h r sieht, daß so E i n g r i f f e i n das E i g e n t u m e r l e i c h t e r t u n d d a m i t die b i s h e r i g e U m w e l t des Menschen noch s t ä r k e r u m g e s t a l t e t w i r d , als es die T e c h n i s i e r u n g der L e b e n s w e l t o h n e h i n schon e r z w i n g t . G e w i ß , i n w e i t e m U m f a n g e r l e i c h t e r t die E n t s c h ä d i g u n g s f l e x e b i l i t ä t des Grundgesetzes solche P r o zesse, sei es b e i m S t r a ß e n b a u , der A n l a g e neuer H o c h g e s c h w i n d i g k e i t s b a h n e n oder d e m B a u v o n F l u g h ä f e n . D a n e b e n g i b t es e i n e n w e i t e n B e reich v o n A u s w i r k u n g e n , die neutral s i n d 4 a . D a r ü b e r h i n a u s aber g i b t es e i n e n w i c h t i g e n T e i l b e r e i c h des Bodenrechts, i n d e m es gerade d a r u m geht, die bisherige L e b e n s u m w e l t des Menschen vor Veränderung zu schützen, ohne d a r a n d u r c h eine überzogene A n n a h m e v o n E n t s c h ä d i gungspflichten g e h i n d e r t zu sein. Diese P r o b l e m a t i k beherrscht w e i t g e h e n d das Stadtentwicklungsrecht. A u c h w e n n m a n heute noch n i c h t a b sehen k a n n , w o h i n die S t a d t e n t w i c k l u n g v e r l ä u f t 5 — sicher w e r d e n aber liehe Maßnahmen zur Verbesserung des Bodenmarktes, i n : Gerechtigkeit i n der Industriegesellschaft, S. 257 ff.; zur verfassungsrechtlichen Problematik einer Bodenwertzuwachssteuer auch jüngst F. Klein, Bodenwertzuwachssteuer u n d A r t . 14 GG, DÖV 1973, S. 433 ff. Z u Fragen der Stadtentwicklung s. insb. Schmidt-Assmann, Grundfragen des Städtebaurechts, 1972, passim u n d ders., Gesetzliche Maßnahmen zur Regelung einer praktikablen Stadtentwicklungsplanung, i n : Raumplanung — Entwicklungsplanung, 1972, S. 101 ff.; auch (mehr grundsätzlicher) Schamberg, Bodenspekulation oder sozialer Städtebau, in: Gerechtigkeit i n der Industriegesellschaft, S. 191 ff. 3 Z u r Reform des Bundesbaugesetzes s. insb. Vorschläge des Dt. Städtetages zur Nov. des BBauG, Dt. Städtetag 1973, S. 383 u n d die Erörterung auf dem 49. Dt. Juristentag 1972, insb. die Beiträge von Ernst, Scharnberg u n d Bielenberg, Empfehlen sich weitere Vorschriften i m städtebaulichen Bereich?, i n : Verhandlungen des 49. DJT, 1972; s. auch Gnädinger, Das Städtebauförderungsgesetz und seine Weiterentwicklung, i n : Gerechtigkeit i n der Industriegesellschaft, S. 233 ff. Speziell zur verfassungsrechtlichen Problematik der Enteignungsentschädigung i m Bodenrecht s. insb. M. Dietlein, Verfassungsrechtliche Probleme der Enteignungsentschädigung, D Ö V 1973, S. 258 ff. 4 E i n Vergleich der verschiedenen Vorstellungen der Parteien des Dt. B u n destages bei C. Ott, Bodenrecht, i n : Recht i m sozialen Rechtsstaat, 1973, S. 129 ff.; eine bemerkenswerte Untersuchung zur Baulandproblematik m i t praktischen Lösungsvorschlägen stellt auch der Zwischenbericht des interminister. Arbeitskreises Bad.-Württ., Staatsanzeiger Baden-Württemberg, 1973, Beilage, dar. 4a Dazu gehören w o h l vor allem die Möglichkeiten der Baulandbeschaffung zu sozial akzeptablen Preisen i m Wege sog. transitori scher Enteignungen (vgl. unten §§ 20 - 22) : Gebaut wurde auch bisher schon, n u r mußten oft wegen der Quasimonopolstellung der alten Grundstückseigentümer extreme Preise gezahlt werden.
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die Fragen der Erhaltung lebenswerter bisheriger Zustände i n den Städten 5 * 1 i n Zukunft neben den traditionellen, schon i n der klassischen Bodenreformdiskussion diskutierten Bodenrechtsproblemen steigende Bedeutung bekommen. Vieles spricht auch dafür, daß Fehler i n diesem Bereich wesentlich schwerwiegender sind, weil sie kaum noch korrigierbar sind. Kurzum, worauf mit dieser Grundsatzbemerkung besonders hingewiesen werden soll, ist die Doppelfunktion einer Reduzierung der Entschädigungspflicht auf den Leistungsschutz: Sowohl das Bestreben, Bestehendes zu bewahren als auch das Bemühen, Änderungen der bisherigen Lebensumstände zu erleichtern — beide Zielvorstellungen gewinnen durch die (bloß) leistungsbezogene Entschädigungspflicht erweiterten Gestaltungsraum 6 . (2) Noch eine zweite Klarstellung ist erforderlich; sie betrifft das Verhältnis von verfassungsrechtlichem Entschädigungsminimum einerseits zu den konkreten gesetzlichen Ausgestaltungen von Entschädigungspflichten andererseits. Bisher war die Situation dadurch gekennzeichnet, daß zwischen gesetzlicher Regelung und Ergebnis der Auslegung des A r t . 14 GG weitgehend eine Deckung bestand: Man entnahm letzterem das Gebot genereller Verkehrswertentschädigung und faßte die Entschädigungsbestimmungen der Gesetze i n diesem Sinn (vgl. §§ 93,141 BBauG) oder legte das Gebot der „angemessenen" Entschädigung i n den Enteignungsgesetzen i n dieser Weise aus. Aufgrund dieser gewohnten Parallelität von Verfassungsauslegung und gesetzlicher Regelung könnte auch die Annahme naheliegen, daß bei einer veränderten Auslegung des A r t . 14 GG ebenfalls die Orientierung am verfassungsrechtlichen Entschädigungsminimum stets eine adäquate gesetzgeberische Lösung darstellt. Das 5
Die fesselnde Studie von Toynbee, Unaufhaltsam wächst die Stadt, 1971 („Cities on the move", London 1970) zieht i n gesamthistorischer Betrachtung einen scharfen Schnitt zwischen den traditionellen Stadtstrukturen u n d dem A u f k o m m e n der „mechanisierten Städte" als Folge der industriellen Revolution; nach Toynbee geht der Trend unaufhaltsam zur Entwicklung einer umfassenden Weltstadt (S. 161 ff.). 5a z. B. A b w e h r des Abrisses von intakten Wohnhausgruppen zugunsten des Baues von Hochhäusern oder Bürohäusern. Das Problem besteht offenbar weniger darin, daß die politischen Instanzen den Änderungswünschen einzelner Grundstücksinhaber nicht entschieden genug widerstehen als daß noch vor wenigen Jahren noch nicht erkannt wurde, was man i n K a u f nehmen muß, w e n n m a n die Stadtentwicklung weiter zu treiben läßt. Vielfach ist das, was heute i n seinen Auswirkungen sichtbar w i r d , v o r wenigen Jahren j a noch als ideal angesehen worden. I m folgenden w i r d aufzuzeigen sein, daß das G r u n d gesetz auch da entschädigungsflexibel ist, wo rechtlich bestimmte Nutzungen zugelassen waren. 8 Das ist auch wiederum ganz natürlich. Das Grundgesetz enthält j a keine Patentlösung u n d auch, von Rahmenbegrenzungen durch die Grundrechte abgesehen, keine verbindlichen Festlegungen i n der Frage, wie die Bodenrechtsordnung i n der Z u k u n f t zu gestalten ist.
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ist aber keineswegs der Fall. Man wird, wenn man Art. 14 Abs. 3 GG einen Entschädigungsspielraum entnimmt, vielmehr umdenken und zwei Fragen strikt trennen müssen: Wann unterschreitet eine Entschädigung trotz Annahme eines Spielraumes des Gesetzgebers die verfassungsrechtlich zwingende Untergrenze? Wann hat der Gesetzgeber eine Lösung gewählt, die rechtspolitisch als beste Antwort auf die jeweilige Sachproblematik anzusehen ist? Bei anderen Grundrechten ist es selbstverständlich, daß aus der Bestimmung des Umfangs des verfassungsrechtlich Erlaubten i. d. R. noch keine A n t w o r t auf die Frage gefunden werden kann, wie der Gesetzgeber den Normbereich regeln sollte. So können z. B. aus der Auslegung der Garantie der Berufsfreiheit des Art. 12 GG i n Form der sog. Stufentheorie des Bundesverfassungsgerichts nur Randbedingungen für gesetzliche Regelungen des Berufsrechts entnommen werden; es ist aber nicht möglich, z.B. aus Art. 12 GG unmittelbar eine bestimmte Konzeption der Regelung des Handwerksrechts herzuleiten. Ähnlich muß das Verhältnis von Art. 14 GG und gesetzlicher Ausgestaltung des Entschädigungsrechts gesehen werden, wenn man Art. 14 GG keine feste Entschädigungshöhe entnimmt. Welche Konsequenzen hat das für die bodenrechtliche Entschädigungsproblematik? Bei der hier eingenommenen Grundposition (Leistungsorientierung) w i r k t sich zwar die Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes i m Bodenrecht am stärksten aus. Man kann für das Bodenrecht aber nicht angeben, wie der Gesetzgeber die Entschädigungsregelungen für Enteignung auszugestalten hat. Vielmehr ist es nur möglich, durch Unterscheidung einzelner Aspekte der Entschädigungsausgestaltung eine komplexe Antwort auf die Frage zu geben, welche verfassungsrechtliche Ausgangslage (verfassungsrechtliche „Randbedingungen") der Gesetzgeber vorfindet. Von dieser Sicht ist auch die Struktur der folgenden Darlegungen geprägt. Zunächst ist zu fragen, wie für die klassischen Fälle der Enteignung als Güterbeschaffungsvorgänge sich die verfassungsrechtliche Lage stellt. Für sie ist einerseits das allgemeine verfassungsrechtliche Entschädigungsminimum zu bestimmen (I) ; weiter ist zu untersuchen, welche besonderen Einschränkungen, sei es i n der Behandlung bezahlter Kaufpreise, sei es aus der i n Art. 14 GG enthaltenen Beschränkung auf Interessen der „Allgemeinheit" zu beachten sind (II). Einen Sonderfall stellt die Behandlung der sog. Planungsschäden dar. Zunächst ist zu fragen, wie die noch geltende Regelung und die geplante Änderung des Bundesbaugesetzes aufgrund der hier angenommenen Grundposition zu beurteilen sind; da w i r die Entschädigungspflicht aber i n Analogie zur differenzierten Rechtsprechung des BVerfG zum Schutz sog. subjektiv-öffentlicher Rechtspositionen entwickelt hatten (vgl. oben 10 Opfermann
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§ 12 II), erhebt sich die Frage, ob nicht schon aus dieser Rechtsprechung bestimmte Einschränkungen der Entschädigungspflicht herzuleiten wären (zu beidem unten III). Die entschädigungsrechtliche Erörterung muß sich auch dem Problem stellen, daß als „natürlicher", d. h. außer juristischer Maßstab häufig nur der jeweilige Verkehrswert sich unmittelbar anbietet. Soweit dieser aber nach Art. 14 GG nicht zwingend ist, taucht die Frage auf, wie denn sonst i n Enteignungsgesetzen die Entschädigungshöhe zu bestimmen ist. Ein wichtiger Lösungsweg besteht darin, daß der Gesetzgeber, statt einen abstrakten Entschädigungsmaßstab zu bestimmen, selbst konkrete Entschädigungssätze festlegt (IV). Daran schließen sich Beispiele dafür an, wie Entschädigungssysteme aussehen könnten, die anders als das Städtebauförderungsgesetz von 1971 oder die geplante Novellierung des Bundesbaugesetzes von dem Entschädigungsspielraum des A r t . 14 GG Gebrauch machen (V). Zum Schluß sei die Frage erörtert, wie i n Einklang mit Art. 14 GG die Vorteilsanrechnung ausgedehnt werden könnte (VI). I. Allgemeine Entschädigungsuntergrenzen
1. Gravierende Auswirkungen hat das Leistlingskriterium bei der Entschädigung für unbebaute Grundstücke; dies insbesondere dort, wo der Verkehrswert der Grundstücke sich ohne Leistung der Inhaber i n den letzten Jahren extrem gesteigert hat. Das ist vor allem, aber nicht nur dort der Fall, wo bisher als Ackerland, Gartenland o. ä. genutzte Grundstücke dadurch einen Funktionswechsel unterliegen oder ein solcher Funktionswechsel zu erwarten ist, daß das Land i n der Gegenwart oder Zukunft als Bauland, industriell zu nutzendes Land o. ä. genutzt werden kann. Das Unbehagen an der bisherigen Entschädigungspraxis ist in keinem Bereich so groß wie bei der Regelung für die Entschädigung solcher Grundstücke. Hier zeigt sich, wie die Statistiken der letzten 10 Jahre deutlich aufweisen 621 , in der krassesten Form die ungehemmte Ausnutzung eines Mißverhältnisses von Angebot und Nachfrage wegen der Unvermehrbarkeit des Bodens. Dieses Unbehagen braucht sich gar nicht auf die in Art. 14 Abs. 2 GG statuierte Sozialpflichtigkeit des Eigentums zu berufen, sondern kann unmittelbar auf das Gebot der Interessenabwägung in Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG zurückgreifen. I n der vorliegenden Form berücksichtigt unser bisheriges Grundstücksentschädigungsrecht, sieht man von dem bisher noch wenig praktizierten Städtebauförderungsgesetz einmal ab, ausschließ6a s. dazu unten i n § 20 I I I die Darstellung der Entwicklung der Preise f ü r unbebaute Grundstücke i n der Bundesrepublik i m Vergleich zu den Niederlanden.
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lieh die Interessen der Enteignungsbetroffenen an möglichst hoher Entschädigung, ohne die Konsequenzen für die Allgemeinheit aus der sich daraus ergebenden Entschädigungsbelastung mit einzubeziehen. M i t h i n kann bei der bisherigen Rechtspraxis sachlich begründet nicht davon gesprochen werden, daß die Bestimmung der Entschädigungshöhe von einer Gesamtabwägung der Interessen sowohl der Beteiligten wie der Allgemeinheit abhängig gemacht wird. Zu einer solchen Abwägung führt die Differenzierung des Entschädigungsminimums nach dem Leistungskriterium. Bei Anwendung dieses Kriteriums ist zwischen bebauten und unbebauten Grundstücken zu unterscheiden. Lassen w i r Sonderfälle, auf die w i r anschließend noch eingehen werden, zunächst außer Betracht, so ergibt sich: gleichgültig ob ein Grundstück von der Qualität des Ackerlandes zu der eines Bauerwartungslandes, zu der eines Rohbaulandes oder eines Baulandes wechselt — i n allen Fällen schlägt sich zwar i n der Regel die Qualitätsveränderung i n einer erheblichen Veränderung des Marktpreises je Flächeneinheit nieder, hier beruht aber die Marktwerterhöhung auf keinen Eigenleistungen des Grundstücksinhabers, sondern entweder auf meßbaren oder nichtmeßbaren Leistungen der Allgemeinheit oder auf dem Sonderfaktor der Unvermehrbarkeit des Bodens oder auf beiden Faktoren. Nach dem K r i t e r i u m des Ausgleichs nur effektiv erbrachter Leistungen ergibt sich demnach, daß i n der Regel der gesamte den Ackerlandpreis eines Grundstücks überschreitende Teil des Verkehrswertes unabhängig von der jeweiligen Grundstücksqualität nicht ersetzt werden muß, weil insoweit der Grundstücksinhaber keine Leistungskomponente anführen kann 7 . Gleiches gilt für die vielfältigen Stichtagsprobleme des geltenden Entschädigungsrechts 8. Nur dann, wenn die Verkehrswertentschädigung als i n Art. 14 GG garantiert angesehen werden kann, ist man gezwungen, auch jede zeitliche Veränderung zu berücksichtigen, die Änderungen i m Verkehrswert zur Folge hat. Anders ist es bei der Differenzierung nach 7 Weitgehend i n diesem Sinn schon, offenbar ohne Kenntnis des hamburg. Deichurteils, Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 14 GG, Erl. V I I 6 = Rdnr. 116: Danach ist eine Entschädigung für bloße Möglichkeiten etwaiger späterer, noch nicht konkretisierter Ausnutzbarkeit des Enteignungsgegenstandes wie z. B. von Ackerland als Bauland nicht von A r t . 14 GG geboten, w e n n noch keine Anstalten zur Umgestaltung der Bewirtschaftung getroffen waren. Partiell, obwohl der Interessenabwägung i. S. d. A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG ganz distanziert gegenüberstehend, neuerdings w o h l auch Leisner, Sozialbindung des Eigentums 1972, S. 128: „Staatsverursachte" Wertsteigerungen gehörten nicht zum Begriff des verfassungsgeschützten Eigentums, sondern seien „ w i r t schaftlich" gesehen Eigentum des die Wertsteigerung verursachenden Hoheitsträgers; das Recht habe daher hierfür dementsprechend keinerlei Entschädigung zu gewähren. 8 Eine ausführliche Darstellung der Stichtagsprobleme und ihre Behandlung nach der „angemessenen" Entschädigung gibt Geizer, Der Umfang des Entschädigungsanspruchs, S. 9 ff., 15 ff., 59 ff.
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Leistungskriterien. Auch für die Fälle, i n denen zwischen dem Tag der Zustellung des Enteignungsbeschlusses (als maßgeblichem Stichtag für den „Eingriff") und dem Tag der Unanfechtbarkeit des Entschädigungsbeschlusses (bzw. i n gewissen Fällen: dem Tag der letzten mündlichen Verhandlung des befaßten Gerichts) ein größerer Zeitraum liegt und daher erhebliche Veränderungen des Grundstückspreises vorliegen können, gilt danach, daß keine verfassungsrechtliche Verpflichtung der öffentlichen Hand besteht, diese Preiserhöhungen dem Grundstücksinhaber zukommen zu lassen9. Bei Gartenland kann nach dem Leistungskriterium nicht der Ackerlandpreis die unterste Grenze darstellen, da sich in dem (i. d. R. höheren) Gartenlandpreis auch spezifische Leistungen in Form von Arbeitseinsatz (besondere Pflege und Herrichtung des Bodens u. ä.) niederschlagen können. Das aus A r t . 14 GG sich ergebende verfassungsrechtliche Entschädigungsminimum bei Enteignung solchen Bodens ist jedenfalls dann nicht unterschritten, wenn bei der Entschädigung von Gartenland der — sich vorwiegend nach dem Ertragswert richtende — bisherige Verkehrspreis für gleichartiges Gartenland gezahlt wird. Auch hier kann sich gegenüber dem Verkehrswert eine ganz erhebliche Entschädigungsreduzierung ergeben, wenn der Grundstücksmarkt das Gartenland i n seinem Wert nicht mehr am Ertrag, sondern an der möglichen zukünftigen Nutzung als Bauland eingestuft hatte. Da nach dem Leistungskriterium der gesamte es überschreitende Verkehrswert i m Entschädigungsspielraum des Gesetzgebers liegt, bestehen ferner nach A r t . 14 GG keine Bedenken dagegen, wenn der Gesetzgeber nicht durch Versagung einer höheren Enteignungsentschädigung auf den überschießenden Betrag zugreift, sondern durch eine steuerrechtliche Regelung 10 der nicht auf Eigenleistung beruhende Marktwert abgeschöpft 9 Das gilt auch f ü r die Unterscheidung zwischen dem Stichtag der Qualitätsu n d dem Stichtag der Entschädigungsberechnung: soweit die Qualitätsänderung nicht leistungsbezogen ist, muß der Gesetzgeber diese Differenzierung bei Ausnutzung der Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes nicht übernehmen. 10 F ü r Zulässigkeit der steuerlichen Abschöpfung nach A r t . 14 GG f ü r realisierte wie auch grundsätzlich für nichtrealisierte Gewinne auch Klein, Bodenwertzuwachssteuer u n d A r t . 14 GG, DÖV 1973, S. 433 ff.; f ü r letztere w i r d allerdings die Zulässigkeit auf Abschöpfung bis zu etwa 6 0 % beschränkt. M a n w i r d die Problematik der Besteuerung unrealisierter Gewinne w o h l etwas anders sehen müssen. Die Wertbesteuerung als solche haben w i r auch i n der Schenkungs- und Vermögenssteuer. Bedenken können sich allerdings wegen der speziellen Folgen des Einbezugs der nichtrealisierten Gewinne ergeben. Die Besteuerung darf nicht dazu führen, daß eine „Verdrängung v o m Eigent u m " erzwungen w i r d ; jedenfalls bei Inanspruchnahme des Eigentums zu beruflichen Zwecken, insb. bei landwirtschaftl. Nutzung von Grundstücken wäre eine Besteuerung nichtrealisierter Gewinne w o h l wegen Verstoßes gegen die Eigentumsgarantie des A r t . 14 GG i n seiner F u n k t i o n als Bestandsgarantie
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w i r d 1 1 . Wohl aber ergeben sich i n praktischer Hinsicht starke Zweifel, ob eine solche Lösung tatsächlich funktionsfähig ist und nicht zu einer Überwälzung dieser Abschöpfungen auf den Neuerwerber führt 1 2 . 2. Bei der Entschädigung für bebaute Grundstücke kann nicht i n der gleichen Weise wie für unbebaute Grundstücke einfach bestimmt werden, welches verfassungsrechtliche Entschädigungsminimum anzunehmen ist. Dies liegt daran, daß sich der Kapital- und Arbeitseinsatz des Inhabers oder i h m zurechenbarer Personen bei bebauten Grundstücken wesentlich differenzierter niederschlagen kann als bei unbebauten Grundstücken. Generell läßt sich hierzu die folgende Antwort geben: Ebenso wie i m bisherigen Entschädigungsrecht für bebaute Grundstücke w i r d auch bei der Ermittlung der verfassungsrechtlich zulässigen Reduzierung der Entschädigung unterhalb des Verkehrswertes zwischen den Entschädigungsschranken bei der Entschädigung des Bodenanteiles selbst und der Entschädigung für die Bauteile („Bausubstanz") getrennt werden müssen. Denn nur bei einer solchen Trennung ist es möglich, jeweils zu bestimmen, inwieweit konkret der Vermögenswert auf effektive Leistungen des Inhabers zurückführbar ist. Bei der Entschädigung für die Bausubstanz ergibt sich allgemein, daß der Verkehrswert regelmäßig einen Niederschlag eigenen Kapital- und/ oder Arbeitseinsatzes darstellt. Für die Frage, inwieweit der Verkehrswert des Bodenanteiles verfassungsrechtlich zulässig unterschritten werden darf, gilt grundsätzlich zunächst das gleiche wie bei der Entschädigung für unbebaute Grundstücke. Das heißt, daß insbesondere sich allein aus der jeweiligen Lage des Grundstückes ergebenden Verkehrswerte zwar von dem Inhaber privatrechtlich ausgenutzt werden können, bei notwendigen enteignenden Maßnahmen i n ihrem Verkehrswert aber nicht als schlechthin geschützt angesehen werden können. Allerdings ergibt sich hier in besonders vielen Fällen eine Eingrenzung des gesetzgeberischen Spielraumes durch die Sperrwirkung bei Übereignungsketten, weil hier wiederum das Leiverfassungswidrig; anders bei Besteuerung von Grundstücken, die i n E r w a r tung von Preissteigerungen unbebaut bleiben. Die aufgezeigten Probleme lassen sich aber durch entsprechende Einräumung von Freibeträgen und Ausnahmeklauseln lösen. 11 Darauf k o m m t es freilich n u r an, w e n n man entgegen der st. Rspr. des BVerfG der Auffassung ist, daß A r t . 14 GG auch gegen die Auferlegung v o n Geldleistungspflichten schützt, wenn diese Aufwendungen noch nicht über jedes Maß ansteigen bzw. die Vermögensverhältnisse des Betroffenen nicht grundlegend beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 4, 7 (17); 14, 221 (241). Eine grundsätzliche K l ä r u n g dieser „offenen Flanke der Eigentumsgarantie" (K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 6. Aufl., S. 180) steht noch aus. 12 Vgl. dazu unten i n § 20 I die Darlegung einzelner ausländischer Lösungsversuche, die das Überwälzungsproblem nicht lösen konnten.
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stungskriterium eine besondere Schranke setzen kann (vgl. dazu anschließend II.). 3. Als Gesamtergebnis erhalten w i r für das Bodenrecht die Rechtsfolge, daß i n der Entschädigung für den Substanzwert von Gebäuden, sonstigen Einrichtungen u. ä. sich nichts wesentliches gegenüber dem Gebot der „angemessenen" Entschädigung ändert, die Entschädigungsreduzierung sich aber voll dort auswirkt, wo neue Nutzungsmöglichkeiten im freien Kapitalmarkt sich sofort i m Preis niederschlagen, ohne auf Leistungskriterien Rücksicht zu nehmen. M i t diesem Ergebnis erhalten w i r zwar eine gegenüber der bisherigen Entschädigungspraxis wesentlich veränderte Lösung, diese Beschränkung auf das Leistungsäquivalent stellt aber keineswegs eine i n der Geschichte des deutschen Enteignungsrechts völlig unbekannte Lösung dar. Denn bereits das alte preußische Enteignungsgesetz von 1874 enthielt i m § 10 I eine Regelung, die bei konsequenter Durchführung ihres Leitgedankens schon damals für wichtige Teilbereiche der Enteignungsentschädigung durchaus zu einer Berücksichtigung des Leistungsgedankens hätte führen können. Diese Regelung bestimmte, daß bei der Entschädigung für die bisherige Nutzungsart nur bis zu demjenigen Geldbetrag Entschädigung zu leisten war, „welche erforderlich ist, damit der Eigentümer ein anderes Grundstück i n derselben Weise und mit gleichem Ertrag benutzen kann". Die Regelung ist vom Reichsgericht bereits wenige Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes dadurch für praktisch bedeutungslos erklärt worden, daß jede bloße Möglichkeit einer anderen finanziell vorteilhafteren Benutzungsweise bei der Entschädigung ebenfalls zu berücksichtigen sei 13 . Damit war aber die Funktion der Regelung, den Erwerb eines Grundstückes zur Weiterführung der bisherigen Nutzung zu ermöglichen, außer Kraft gesetzt. Anders ist es hingegen, wenn das Entschädigungsminimum nach dem Prinzip der Leistungsäquivalenz bemessen wird. Dann erhält der Betroffene für sämtliche hergestellten Sachen m i t Hilfe des Verkehrswertes genau den 13 So RGZ 8, 238 (239), fortgeführt i n RGZ 17, 162 ff. (die letztere Entscheidung gibt einen instruktiven Einblick i n die i n den Jahren 1862 - 1882 herrschende Grundstücksspekulation: Die Kläger verlangten u. a. f ü r einen V o r garten von 796 q m den fünffachen Wert des i n der 1. Instanz zuerkannten Betrages, insgesamt ca. 25 000 M a r k — an heutiger K a u f k r a f t ein ganz außerordentlich hoher Betrag). Das RG konnte sich allerdings darauf berufen, daß bei den Beratungen zu § 10 I pr. Enteig.G an andere Lösungsprobleme als an die Reduzierung der Enteignungsentschädigung unterhalb des Verkehrswertes gedacht w a r ; vgl. dazu die eingehende Darstellung der Entstehungsgeschichte zu § 10 pr. Enteig.G bei Eger, Das Gesetz über die Enteignung von Grundeigentum v o m 11. 6. 1874, 1. Bd., 3. Aufl., 1911, § 10, A n m . 79 (S. 337 ff.). Die Situation bei A r t . 14 I I I 3 GG ist ganz andersartig, da hier die objektive Neufassung des Entschädigungsparameters durch den Beratungsverlauf i m Pari. Rat entschieden bestärkt wird.
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Betrag, der ihn i n den Stand setzt, sich eine Sache gleicher A r t wieder zu verschaffen. Bei bisherigem Ackerland wiederum w i r d es i h m ebenfalls ermöglicht, durch den Kauf neuen Ackerlandes die bisherige Nutzung fortzuführen. I I . Einschränkungen der Entschädigungsreduzierung
1. Führt die Unvermehrbarkeit des Bodens dazu, daß der Preis für unbebaute Grundstücke sich gerade i n Ballungsgebieten, aber auch sonst i n der Nähe größerer und mittlerer Städte ohne Rücksicht auf Arbeitsund Kapitaleinsatz extrem gesteigert hat, so bedeutet dies nicht, daß i n jedem Fall bei der Enteignung von bebaubarem Land der Kapital- oder Arbeitseinsatz erheblich unterhalb des Verkehrswertes liegt. Den wichtigsten Anwendungsfall, bei dem gleichwohl Leistungsfaktoren vorliegen, stellen die Fälle dar, i n denen der jetzige Eigentümer an einen früheren Eigentümer einen erheblich über dem Leistungsniveau liegenden Verkaufspreis gezahlt hat. Hier greift die oben i n § 13 I I I näher dargelegte teilweise Sperre bei „Übereignungsketten" ein. Werden daher z. B. für einen Straßenbau, für bauplanerische Zwecke u. ä. mehrere Grundstücke enteignet, so muß gegebenenfalls i n der Entschädigungsregelung differenziert werden, falls zwar die Betroffenen Grundstücke gleichen Verkehrswertes besitzen, aber nur einige Eigentümer das Land zu diesem Preis erworben hatten. Lagen die Erwerbstatbestände vor der Einführung einer veränderten Entschädigungsregelung, so ist der damals gezahlte Kaufpreis das unterste Entschädigungsminimum. Der Gesetzgeber muß daher für diese Fälle eine Sonderregelung vorsehen. Die gezahlten Kaufpreise sind andererseits nach dem K r i t e r i u m des freien Risikos jedenfalls immer dann unbeachtlich, wenn der Enteignete den Grundstückserwerb (vielleicht sogar gerade deshalb) durchgeführt hat, weil die Enteignungsmöglichkeit schon absehbar war 1 4 . 2. Eine zweite wichtige besondere Einschränkung des Entschädigungsspielraumes des Gesetzgebers betrifft die sich unmittelbar aus dem Abwägungskriterium ergebende Konsequenz, daß das Leistungskriterium nur angewendet werden darf, um eine Entschädigungsreduzierung zugunsten der Allgemeinheit durchzuführen. Aus diesem Grundsatz ergibt sich als Rechtsfolge, daß die Entschädigungsversagung bei Vermögenswerten, die nicht leistungsbezogen sind, nicht dazu führen darf, daß der Neuerwerber seinerseits i n dem gleichen Maß die unverdienten Gewinne realisieren kann, wie dies der Altbesitzer vor der Enteignung tun konnte. 14 Das gilt insbesondere, wenn der Gesetzgeber sich entschließen sollte, eine dem niederländischen Weg entsprechende Lösung zur K o r r e k t u r der U m widmungsspekulation zu wählen; vgl. dazu unten §§ 20 - 22.
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I I I . Α. Vergleich m i t dem deutschen Entschädigungsrecht
Von einer Begünstigung der Allgemeinheit und damit von einem Uberwiegen der Interessen der Allgemeinheit gegenüber den Interessen des Betroffenen (Art. 14 I I I S. 3 GG) kann nur gesprochen werden, wenn entweder der Staatsetat bzw. der Etat der Kommunen unmittelbar begünstigt wird, weil er sonst höhere Entschädigungsbeträge zahlen müßte oder wenn es sich u m durch eine (zur Steigerung des Gemeinwohls durchgeführte) Enteignung begünstigte Personen oder Unternehmen handelt, diese aber die Differenz zum Venkehrswert selber nicht durch Weiterverkauf realisieren können. Insgesamt kann diese Konsequenz so umschrieben werden, daß Art. 14 GG zwar eine Herabsetzung der Entschädigung unterhalb des Verkehrswertes grundsätzlich erlaubt, daß die Ausnutzung dieses Entschädigungsspielraumes es aber nicht gestattet, unverdiente Werte umzuadressieren. Daraus ergeben sich insbesondere für eine gesetzliche Änderung der Entschädigung für unbebaute Grundstücke Konsequenzen. Werden unbebaute Grundstücke enteignet, bei denen es sich um Bauerwartungsland handelt und daher i n erheblichem Maße der Verkehrswert den Wert als Ackerland übersteigt, so ist es zulässig, wenn nur der reine Ackerlandwert entschädigt wird. Zusätzlich muß aber dafür gesorgt werden, daß der „überschießende" Wertantqil nicht umadressiert wird. Zuweilen schließt bereits der zukünftige Verwendungszweck des Grundstückes eine solche Umadressierung aus. So bestehen ζ. B. keine Bedenken, wenn das Land in Zukunft beim Straßenbau verwendet wird. Gleiches gilt, wenn das Land für Schulen, sonstige öffentliche Gebäude, Grünflächen u. ä. gebraucht wird. Anderes gilt hingegen, wenn von den Gemeinden durch Bereitstellung von Grundstücken „aktive Wohnungsbaupolitik" betrieben werden soll. Hier ist zu differenzieren. W i r d i n Ballungszentren, i m Randgebiet von Städten u. ä. zum Zweck des Wohnungsbaues enteignet, weil die bisherigen Eigentümer das Land zurückhalten, um nur zu hohen Verkehrsmarktpreisen zu verkaufen, so ist die Entschädigung nach Leistungskriterien nur zulässig, wenn gesichert ist, daß die zukünftigen Besitzer des Bodens nicht zu höheren Preisen das Grundstück später wieder veräußern können. I n gleicher Weise ist auch bei der sonstigen Weitergabe an private Unternehmen zu differenzieren (so ζ. B. an Industrieunternehmen, Gewerbebetriebe u. a.). Welche Wege i m einzelnen eingeschlagen werden, um eine solche Umadressierung des überschießenden Wertanteiles zu verhindern, ist von Art. 14 GG her gesehen gleichgültig. Es liegt auf der Hand, daß ein besonders adäquates M i t t e l hierzu die T)loße Vergabe von Erbbau- und Erbpachtrechten an Bauwillige darstellt; aber auch andere Lösungsmöglichkeiten sind denkbar. Hinzuweisen ist hier ζ. B. auf die i m Reichsheimstättengesetz vom 10. 5. 1920 (RGBl. S. 962) in den §§ 9 ff. vorgesehenen Veräußerungsbeschränkungen 143 .
§17 Bodenrecht u n d Entschädigungspflicht
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I I I . Herabstufung unbebauter und Herabzonung bebauter Grundstücke
1. Ein weiterer wichtiger Unterschied gegenüber der vom strikten Verkehrswertprinzip getragenen Auffassung ergibt sich, wenn man das Leistungskriterium auf die Fälle der Herabstufungen und Umklassifizierungen, insbesondere also auf die Fälle anwendet, i n denen nachträglich die bauliche Nutzung von Grundstücken ganz aufgehoben oder i n seiner spezifischen A r t geändert wird. Für die noch geltende Entschädigungspraxis ist hier der „Auffangtatbestand" 1 5 des § 44 I Satz 1 Bundesbaugesetz maßgebend. Danach ist ein Eingriff immer dann voll zu entschädigen (mit Ausnahme der Sanierungsklausel des § 44 I Satz 2 BBauG), wenn „eine bisher zulässige . . . bauliche Nutzung aufgehoben oder geändert w i r d " und „dadurch eine nicht nur unwesentliche Wertminderung des Grundstücks eintritt". Diese Regelung entspricht der sowohl vom B G H 1 6 wie vom BVerwG 1 7 vertretenen Auffassung, daß es bei einer Beschränkung der zulässigen baulichen Nutzung nicht darauf ankommt, ob von dieser Nutzung Gebrauch gemacht worden ist. Maßgebend sei allein, ob die beabsichtigte Nutzung bisher rechtlich zulässig und tatsächlich möglich war. Die i m § 44 I Satz 1 BBauG enthaltene Entschädigungsregelung ist nicht nur ein besonders krasses Beispiel dafür, wie sich die Auffassung, eine einmal erworbene legale Rechtsposition dürfe nur dann entzogen werden, wenn sie i n ihrem Verkehrswert voll entschädigt wird, i n gesetzlichen Regelungen ausdrücklich niederschlägt. Darüber hinaus ist sie ein besonders anschaulicher Beleg für den Einfluß, den die Rechtsprechung auf die gesetzliche Kodifikation des Baurechts gehabt hat. Denn i n den ursprünglichen Entwürfen zum BBauG war eine andere Regelung vorgesehen, die später gerade wegen der vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung zu A r t . 14 GG geändert wurde 1 8 . 14a
Bei solchen Realisierungsmöglichkeiten sind auch schon der Enteignung selbst Grenzen gesetzt; vgl. Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat, 1. Jg. (1962), S. 449 ff., 477. Allgemein zur Zulässigkeit sog. Durchgangsenteignungen bei der Baulandbeschaffung s. unten § 22. 15 So Zinkahn-Bielenberg, K o m m , zum BBauG, § 44, Rdnr. 17. 16 Nach Auffassung des B G H k o m m t es grundsätzlich ausschließlich darauf an, ob eine gesteigerte Nutzungsmöglichkeit bisher rechtlich zulässig u n d t a t sächlich möglich war. Vgl. U r t e i l v o m 25. 6. 1959, DVB1. 1959, S. 779 = L M A r t . 14 (Ce) Nr. 21; U r t e i l v o m 9. 5. 1960, DVB1. 1960, S. 559; B G H Z 37, 269; siehe auch Zinkahn-Bielenberg, K o m m , zum BBauG, Vorb. zu §§ 4 0 - 4 4 , Rdnr. 98. 17 Nach BVerwGE 5, 143 ist die Entziehung vorhandener Baulandqualität stets ein schwerer Eingriff m i t Enteignungscharakter, ohne daß es darauf ankommt, ob von der rechtlichen Zulässigkeit der Bebauung Gebrauch gemacht wird. Soweit ersichtlich hat das B V e r w G es bisher offengelassen, ob dies auch f ü r bloße Umklassifizierungen gilt. 18 Noch der 4. E n t w u r f eines BBauG der Bundesregierung v o m 16. 4. 1958 versuchte, die finanziellen Folgen von Planungsänderungen zugunsten der A l l -
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I I I . Α. Vergleich m i t dem deutschen Entschädigungsrecht
2. Bei der Aktualisierung des Abwägungsgebotes des Art. 14 Abs. 3 S. 3 GG nach dem Leistungskriterium ergibt sich für die vorliegenden Fälle das folgende Entscheidungsschema. Da die Eingriffe keine Güterbeschaffungsvorgänge darstellen, ist nach Leistungskriterien zu entscheiden, ob der Eingriff überhaupt so schwer ist, daß es sich überhaupt um eine Aufopferungsenteignung handelt (vgl. § 13 VI, Abwägungstheorie). Hiernach ist zu differenzieren. W i r d eine bisher zulässige bauliche Nutzung eines Grundstückes durch nachträgliche Änderung des Bebauungsplanes wieder aufgehoben oder so verändert, daß der Verkehrswert des Grundstückes damit sinkt, so entfällt i n der Regel eine verfassungsrechtlich zwingende Entschädigungspflicht nach Art. 14 GG. Denn die nachträglich entzogene „gesteigerte" Nutzungsart beruhte nicht auf Leistungen des Betroffenen, sondern auf rechtlicher Verleihung oder besonders günstigen Lagen des Grundstücks. Der bloße Entzug der Chance zur gesteigerten Nutzung hält sich noch i m Bereich der Sozialbindung des Eigentums i. S. d. Art. 14 I S . 2 GG. Eine Ausnahme gilt aber .teilweise i n den Fällen, in denen der jetzige Inhaber das wieder herabgestufte Grundstück i m Hinblick auf die bereits rechtlich zulässige Baunutzung erworben und einen entsprechend hohen Preis gezahlt hatte (vgl. § 13 III). Handelt es sich um Kaufpreise, die vor einer Änderung des bisher geltenden Entschädigungsrechts (insb. § 44 BBauG) 1 9 gezahlt wurden, so stellen diese das Entschädigungsminimum dar. gemeinheit dadurch zu reduzieren, daß bei Planungsänderungen aus insbes. überörtlichen Gründen nur dann eine Entschädigungspflicht bestehen sollte, wenn i n concreto dem einzelnen Eigentümer ein besonderes Opfer auferlegt würde. Bereits diese Differenzierung hätte die finanziellen Folgelasten bei Planungsänderungen w o h l erheblich reduzieren können (vgl. Dt. BT, 3. W a h l periode, Drs. 336). Der Bundesrat ging sogar noch weiter und schlug vor, eine Entschädigungspflicht n u r f ü r die Fälle anzuordnen, i n denen die bisher zulässige bauliche Nutzbarkeit eines bebauten Grundstückes entzogen w i r d . I n den weiteren Beratungen des Ausschusses für Wohnungswesen, Bau- u n d Bodenrecht wurde (im damaligen § 35a) die jetzt geltende Regelung getroffen, daß der Verkehrswert f ü r jede einmal erlangte legale Rechtsposition (von den Ausnahmen des jetzigen § 44 I 2 BBauG abgesehen) zu ersetzen sei. I n der Begründung wurde ausdrücklich auf die bisher vorliegende höchstrichterl. Rspr. zu A r t . 14 GG hingewiesen (vgl. Dt. BT, 3. Wahlperiode, Drs. 1794, § 35a und Begründung hierzu. Dort auch zum Lösungsvorschlag des Bundesrates. I n der Begründung w i r d zwar zugleich auch auf verfassungsrechtliche Bedenken der BReg. hingewiesen, aber diese wären sicher nicht vorhanden gewesen, wenn die Rspr. solche nicht hervorgerufen hätte). 19 Nach dem letzten Stand der Planung einer Teiländerung des Bundesbaugesetzes soll der Planungsschaden auf die Entschädigung bei Eingriffen i n die ausgeübte Nutzung beschränkt werden; vgl. dazu Bielenberg, DVB1. 1974, S. 114, Fußn. 9; dort auch ein Hinweis darauf, daß der Gesetzgeber 1960 evtl. die BGH-Rechtsprechung i m Umfang der Entschädigungspflicht überinterpretiert haben könnte. Letzteres mag stimmen. Es ist aber zu berücksichtigen, daß — von den Zwängen der Junktimklausel ganz abgesehen — der Gesetz-
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Diese differenzierte Lösung der Beachtung des Vertrauens auf eine einmal durch Bauplanung eingeräumte Rechtsposition zeigt besonders deutlich, daß eine rechtliche Behandlung der Entschädigungspflicht, die sowohl den Vertrauensgesichtspunkt zugunsten der Betroffenen wie aber auch die Interessen der Allgemeinheit berücksichtigt, durchaus möglich ist. Die bisher geltende Entschädigungsregelung kann hingegen in keinem Fall als eine Durchführung der Interessenabwägung des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG angesehen werden. Denn diese Garantie der Planungsgewinne führt dazu, daß die Allgemeinheit zwar (unmittelbar durch bauplanerische Entscheidungen, mittelbar durch die Aufwendungen der Infrastruktur) Vermögen zuweisen, diese Zuweisung aber bei Vorliegen öffentlicher Interessen nicht wieder aufheben darf, auch wenn der Betroffene gar keinen konkreten Schaden durch die Planungsänderung davonträgt. Von einer gleichberechtigten Behandlung der Interessen der Betroffenen und der Allgemeinheit kann hier keine Rede sein. Die Heranziehung des Leistungskriteriums für die Frage der verfassungsrechtlichen Entschädigungspflicht w i r d in Zukunft vermutlich besondere Bedeutung gewinnen, wenn in einem veränderten Bodenrecht Maßnahmen gegen die Verödung von Innenstädten getroffen werden sollten. Eine der bedeutsamsten Änderungen des geltenden Bodenrechts muß darin bestehen, daß verhindert^wird, daß einzelne Stadtteile von Großstädten oder deren gesamte Innenstadt ihre gewachsene Struktur ändern, weil die Bodennutzung sich ausschließlich nach dem Grundsatz maximaler Raumausnutzung, der maximalen Ausnutzung der wirtschaftlichen Ertragsfähigkeit eines Straßenzuges richtet. (Es sei hier nur an das bekannte Beispiel des Frankfurter Westends erinnert.) Wenn es galt, Veränderungen des bisherigen Baucharakters (z. B. Ersatz von Wohnhäusern durch Kaufhäuser, durch Verwaltungsbauten) abzuwehren, konnte die bisherige Praxis zuweilen auf bauordnungsrechtliche Vorschriften zurückgreifen, (z. B.: Wollte der Inhaber eines dreigeschossigen Wohnhauses ein an sich zulässiges sechsgeschossiges Verwaltungsgebäude errichten, dann mußten für letzteres stärkere Bauwichvorschriften eingehalten werden; w a r dies nicht möglich, so konnte die Veränderung entschädigungslos unterbunden werden.) I n allen Fällen, i n denen aber der bisherige Baunutzungscharakter nur durch die Untersagung noch nicht ausgenutzter gesteigerter Nutzung aufrechterhalten werden kann, ist bisher nach §44 eine Entschädigungspflicht gegeben.
geber damals sich der Situation gegenüber gesehen hatte, daß der B G H i n seinen Entscheidungen dezidierte Äußerungen hinsichtlich der Fälle getan hatte, i n denen zwingend zu entschädigen sei, kaum aber Klarstellungen gab, w o keine Entschädigung von A r t . 14 GG geboten war. Der Gesetzgeber ist aber, jedenfalls i n gewissem Ausmaß, auf eine solche Symmetrie der K l ä r u n g der Entschädigungspflichtigkeit angewiesen.
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I I I . Α. Vergleich m i t dem deutschen Entschädigungsrecht
3. E i n e entsprechende d i f f e r e n z i e r t e B e t r a c h t u n g s w e i s e ist auch d a n n geboten, w e n n b e i e i n e m atypischen H e r a b z o n u n g s v o r g a n g d u r c h Ä n d e r u n g der p l a n u n g s r e c h t l i c h e n V o r s c h r i f t e n die E n t s c h ä d i g u n g s g a r a n t i e des § 44 B B a u G n i c h t e i n g r e i f t u n d deshalb zu f r a g e n ist, ob der d u r c h die P l a n ä n d e r u n g B e t r o f f e n e u. U . u n m i t t e l b a r aus A r t . 14 G G e i n e n Entschädigungsanspruch h e r l e i t e n k a n n . Einen solchen F a l l hatte kürzlich das O L G Düsseldorf 2 0 zu entscheiden; es hat i n bemerkenswerter Weise genau den hier vorgeschlagenen differenzierten Weg der Bestimmung einer Entschädigungspflicht gewählt. Dem U r t e i l lag folgender F a l l zugrunde: Das Grundstück des Antragstellers w a r zunächst als Reihengrundstück bebaubar, erhielt aber durch eine Verlegung der Baufluchtlinie auf einem Nachbargrundstück den Charakter eines Teileckgrundstücks. Daraufhin errichtete der ASt. ein Wohn- u n d Geschäftshaus m i t 2 Ladenlokalen. 2 Jahre später verlegte die Stadt wegen drohender Entschädigungsansprüche anderer Beteiligter die Fluchtlinie wieder zurück. Das Grundstück erhielt dadurch wieder den Charakter eines Reihengrundstückes. Das O L G lehnte, nachdem die Anwendbarkeit des § 44 BBauG zutreffend verneint war, auch weitgehend einen Anspruch aus A r t . 14 GG ab: Der bloße Entzug der Teilecklage führe noch zu keiner Entschädigungspflicht, obwohl der Wert des Grundstücks als Geschäftsgrundstück erheblich reduziert wurde u n d obwohl hier eine rechtliche Qualitätsbestimmung vorlag; n u r wenn durch die Fluchtlinienrückführung konkrete Investitionen nutzlos geworden wären, wäre eine Entschädigung nach A r t . 14 GG geboten. 4. D i e R e d u z i e r u n g v o n E n t s c h ä d i g u n g e n f ü r Ä n d e r u n g e n auch rechtl i c h b i s h e r e i n g e r ä u m t e r N u t z u n g s m ö g l i c h k e i t e n nach d e n G r u n d s ä t z e n des b l o ß e n A u f w e n d u n g s s c h u t z e s w i r d d e n S t ä d t e n i n den P l a n u n g e n größere F l e x i b i l i t ä t , zugleich aber auch größere M ö g l i c h k e i t e n der E r haltung bisheriger Zustände vor Veränderungen bringen. Gleichwohl w i r d eine Ä n d e r u n g der b i s h e r g e ü b t e n E n t s c h ä d i g u n g s p r a x i s des B u n desbaugesetzes sicher a u f e r h e b l i c h e n W i d e r s t a n d stoßen. Es g e h t aber u m nichts anderes als eine B e s c h r ä n k u n g u n g e h e m m t e r A n w e n d u n g des P r i v a t n ü t z i g k e i t s g e d a n k e n s i m B e r e i c h v o n G r u n d u n d Boden, ohne dad u r c h der A l l g e m e i n h e i t uferlose Entschädigungslasten a u f z u b ü r d e n . I n T e i l b e r e i c h e n h ä t t e m a n d e n f e h l e n d e n verfassungsrechtlichen Z w a n g z u m Ersatz v o n Planungsschäden indes schon m i t d e n bis B e g i n n der 60er J a h r e e n t w i c k e l t e n G r u n d p r i n z i p i e n zu A r t . 14 G G b e g r ü n d e n k ö n n e n . Das gilt ζ. B. für die Aufhebung der Baurechtsfähigkeit von Ackerland durch Änderung von Bebauungsplänen. M a n w i r d die alte Streitfrage, ob einem Grundstück aus der Eigentumsgarantie des A r t . 14 GG bei Baufähigkeit auch eine Baufreiheitsgarantie zuzugestehen ist, n u r differenziert beantworten können. I n Einzelfällen mag dies bei Bauplätzen innerhalb von Ortschaften der Fall sein, wenn die Bebauung sich zwingend aufdrängt 2 1 . Jedenfalls i n den 20
U r t e i l v o m 20. 4.1973, W M 1973, S. 711 ff. Auch i n diesem Fall bleibt natürlich zu beachten, daß bei einer evtl. späteren Enteignung eine Entschädigungsreduzierung unterhalb des Verkehrswertes den Betroffenen weniger hart t r i f f t , als wenn der M a r k t w e r t reduziert w i r d , wo voller K a p i t a l - oder Arbeitseinsatz vorlag. 21
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Fällen der Neuerschließung von Baugebieten an den Rändern von Städten u n d Dörfern ist die Situation heute eine ganz andere. Welche Gemarkung, d.h. welche Gruppe von Grundstücken als Bauland ausgewiesen, welche nicht zum Bauland erklärt w i r d , w i r d durch hoheitliche Planungsentscheidung bestimmt. Die Entscheidung erfolgt hierbei nicht etwa aus spezifischen Qualitäten, dem „Wesen" gerade dieses Grundstückes. Auch Grundstücke m i t schlechter Tragfähigkeit können m i t den heute zur Verfügung stehenden M i t t e l n stets baureif gemacht werden. Damit unterscheidet sich der heutige Umwidmungsprozeß von Acker- zu Bauland erheblich von der früheren, geschichtlich überkommenen u n d die Vorstellung prägenden Stadt- u n d Dorfentwicklung 2 2 . Früher entwickelte sich — jedenfalls weitgehend — der Baulandcharakter eines Grundstückes aus seiner natürlichen Lage; die rechtlichen Bebauungsregelungen w a r eher „regulierende als konstituierende Faktoren" (Böckenförde). Heute hingegen hat, jedenfalls i n dem beschriebenen Teilbereich, die Festsetzung der Bebaubarkeit Zuteilungscharakter 23. Welche S c h l u ß f o l g e r u n g h ä t t e bereits zu B e g i n n der 60er J a h r e daraus gezogen w e r d e n k ö n n e n ? W e n n j e d e n f a l l s i n d e n S t a d t r a n d g e b i e t e n die B a u f r e i h e i t aus h o h e i t l i c h e r Z u t e i l u n g erwächst, d a n n ist sie i h r e r N a t u r nach e i n begünstigendes subjektiv-öffentl. Recht. Das g i l t nach a l l e n geläufigen T h e o r i e n der A b g r e n z u n g v o n P r i v a t - u n d Ö f f e n t l . R e c h t 2 4 . D a n n h ä t t e m a n — anstelle der R e g e l u n g des § 44 B B a u G — a u f die schon damals v o r l i e g e n d e Differenzierungstheorie z u r ü c k g r e i f e n k ö n n e n , nach der s u b j . - ö f f . Rechte n u r gegen E n t z u g i n s o w e i t geschützt sind, als A r b e i t s - oder K a p i t a l e i n s a t z sie entschädigungsfest machen. Es i s t daher i n der B e h a n d l u n g d e r Planungsschäden des B a u p l a n u n g s rechts eine gewisse P a r a l l e l e z u der a l l g e m e i n e n B e h a n d l u n g der v o m Bundesverfassungsgericht z u m Interessenabwägungsgebot des A r t . 14 G G 22 E. W. Böckenförde, Eigentum, Sozialbindung des Eigentums, Enteignung, in: Gerechtigkeit i n der Industriegesellschaft, 1972, S. 220 ff. 23 Die Erkenntnis setzt sich heute immer durch; vgl. neben Böckenförde, S. 222 auch Brohm, Staatslexikon der Görresgesellschaft, 6. Aufl., Ergänzungsband 3, A r t i k e l Städtebau I I I (Recht), Sp. 345 ff.; Bielenberg, DVB1. 1971, S. 442, 444; Rüfner, Festschrift f ü r U. Scheuner zum 70. Geburtstag, 1973, S. 518; w o h l auch Schmidt-Assmann, Grundfragen des Städtebaurechts, S. 268 ff. 24 Nach der Subjekttheorie (H. J. Wolff), w e i l das Recht zur Nutzung als Baugrundstück n u r von den dazu bestimmten Hoheitsträgern festgesetzt w e r den kann; das Recht folgt — jedenfalls i n den genannten Fällen, i n denen nicht gerichtlich auf Zuteilung des Baulandcharakters geklagt werden k a n n — nicht aus dem Privatrecht Eigentum nach § 903 B G B ; nach der Subordinationstheorie (Forsthoff), w e i l die Berechtigung zum Bauen nicht i m Wege gleichrangigen Aushandelns von verschiedenen Eigentümern, etwa durch privatrechtl. V e r trag, konstituiert werden kann. Nach der Interessentheorie (Eyermann/Fröhler) ergibt sich der Charakter als spezifisch öffentliches Recht, w e i l die Bestimmung, ob diese oder jene Gemarkung zum Bauland erklärt w i r d , aus übergeordneten Interessen der Allgemeinheit zu erfolgen hat. Eine Entscheidung i n spezifischem Privatinteresse (z. B. u m einen bestimmten Grundstückseigentümer m i t den steigenden Grundstückswerten zu beglücken) k a n n die Planungsentscheidung sogar rechtswidrig machen; die Gemeindeordnungen enthalten dementsprechend f ü r solche Fälle auch Befangenheitsvorschriften f ü r die Beschlüsse des Gemeinderates.
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entwickelten Grundsätze festzustellen: Bereits i m Jahre 1955 hatte das BVerfG i n der sog. Junktimentscheidung explizit auf den „dem Gesetzgeber bei der Festsetzung der Enteignungsentschädigung vom Grundgesetz eingeräumten weiten Ermessensbereich" hingewiesen; nur „die äußersten Grenzen dieses Ermessens" seien von den Gerichten überprüfbar 2 5 . Die Praxis und auch das rechtswissenschaftliche Schrifttum waren darüber hinweggegangen. I n ähnlicher Weise hat man bisher die vom BVerfG zum Schutz öffentlich-rechtlicher Positionen entwickelten Grundsätze i m Bauplanungsrecht übergangen. Dabei ist nicht bezweifelbar, daß — jedenfalls i n der Mehrzahl der Fälle — die Bebaubarkeit von Grundstücken Ausfluß planerischer Entscheidungen ist; die Wertsteigerung der Grundstücke diesen also nicht wesensimmanent ist. Letzteres w i r d bei der rechtsvergleichenden Gegenüberstellung des deutschen Bodenrechts mit der niederländischen Umwidmungspraxis (vgl. §§ 20 - 22) nochmals besonders deutlich werden. Wenn der Rückgriff auf die Differenzierungstheorie zum Schutz öffentlich-rechtlicher Positionen auch i n dogmatisch-konstruktiver Sicht neuartig ist, so ist er i m Ergebnis keineswegs gegenüber den früher, d. h. zur Weimarer Zeit oder auch zu den i n den ersten Jahren nach Inkrafttreten des Grundgesetzes vertretenen Auffassungen als extrem entschädigungsfeindlich anzusehen. Hier ist insb. nochmals darauf hinzuweisen, daß gerade der Vater der Privatnützigkeitslehre, R. Reinhardt, 1953 i n dezidierter Form darauf hingewiesen hatte, daß auch seiner Auffassung nach i m Bereich von Grund und Boden die Privatnützigkeit des Eigentums erheblich eingeschränkt werde müsse, um der dortigen besonderen Situation gerecht zu werden 2 6 . 25
BVerfGE 4, 219, 236. R. Reinhardt i n Reinhardt/Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 22 f.: die private I n i t i a t i v e ist einzuschränken, wo diese den „ A n f o r d e r u n gen funktionsgerechter Verwendung des Grund u n d Bodens nicht allein gerecht würde" (unter Hinweis auf die Ortsgebundenheit des Bodens und Monopolstellungen der Grundeigentümer gerade i n Ballungsgebieten). Wenn ich R. richtig verstehe, hat er damals die Zubilligung einer Enteignungsentschädigung wegen Reduzierung rechtlicher Nutzungsmöglichkeiten auch i n ganz anderer Hinsicht gemeint als dies dann i n der Rechtsprechung durchgeführt wurde. Reinhardt unterschied damals (S. 47 ff.) bei der Abgrenzung der entschädigungspflichtigen von den entschädigungslosen Tatbeständen (also: i n heutiger Terminologie zwischen Sozialbindung und Aufopferungsenteignung) folgendermaßen: Entschädigungspflichtigkeit besteht, wenn z.B. eine Fabrik auf einem Gelände errichtet wurde, das später zum Wohngelände erklärt wurde. Dann muß f ü r die Stillegung bzw. Verlegung der Fabrik Enteignungsentschädigung gezahlt werden. Bei unbebautem, aber rechtlich als Bauland ausgewiesenem Gelände sind die Fälle zu bedenken, i n denen „ i m Hinblick auf die Planung f ü r ganz bestimmte Zwecke zu entsprechenden Preisen" Grundstücke erworben 26
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B e r ü c k s i c h t i g t m a n ferner, daß auch u n t e r G e l t u n g der W e i m a r e r Reichsverfassung e i n e r h e b l i c h e r T e i l des S c h r i f t t u m s f ü r die g e n a n n t e n F ä l l e eine Entschädigungspflicht v e r n e i n t h a t t e 2 7 , u n d das Grundgesetz, w i e o b e n i n § 4 dargelegt, gegenüber der W e i m a r e r Z e i t eine Entschäd i g u n g s e n t l a s t u n g , n i c h t eine E n t s c h ä d i g u n g s v e r s t ä r k u n g b r i n g e n w o l l t e , d ü r f t e a n der Z u l ä s s i g k e i t der E i n s c h r ä n k u n g der E n t s c h ä d i g u n g s t a t b e stände nach d e n G r u n d s ä t z e n des A u f w e n d u n g s s c h u t z e s w o h l k a u m e i n Z w e i f e l bestehen. I V . Gesetzliche Fixierung fester Entschädigungswerte 1. G e h t m a n d a v o n aus, daß d e m Gesetzgeber d u r c h das A b w ä g u n g s gebot des A r t . 14 A b s . 3 Satz 3 G G e i n EntschädigungsSpielraum einger ä u m t w o r d e n ist, so b e d e u t e t dies, daß er i n der Bemessung der Entschädigungshöhe j e nach d e n U m s t ä n d e n v a r i i e r e n darf. E r muß f r e i l i c h n i c h t i m m e r v a r i i e r e n . V i e l m e h r ist es — v o n d e m S o n d e r p r o b l e m der sich aus A r t . 3 G G zusätzlich ergebenden G r e n z e n abgesehen — n i c h t erforderlich, daß der Gesetzgeber eine m ö g l i c h s t d i f f e r e n z i e r t e Entschädigungsregel u n g t r i f f t , s o n d e r n er k a n n i n der Weise generalisieren, daß er e i n h e i t worden oder bereits kostspielige Vorbereitungen f ü r Bauvorhaben getroffen waren. Offenbar aus diesen Gründen plädierte Reinhardt auch f ü r Ersatz, wenn durch Planänderung der Wert von Grundstücken drastisch sinkt. Keine Rede w a r davon, daß der bloße Entzug von Chancen als solcher entschädigungspflichtig sein sollte. W i r differenzieren entsprechend, i n dem gezahlte K a u f preise ersetzt werden müssen. 27 W. Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1931, S. 414, ging — dezidiert gegen die damalige Reichsgerichtsrechtsprechung gerichtet — so w e i t : „Ganz allgemein würde die Aufhebung der Baufreiheit zugunsten des Städtebaus durch Gesetz oder ermächtigte Satzung keine Enteignung darstellen." U m so mehr muß das gelten, wenn n u r bestimmte gesteigerte Baunutzungen rechtlich zurückgenommen werden. Hinter der Jellinekschen Sicht steht ein zentraler, z. T. schon von O. Mayer m i t Entschiedenheit vertretener Gedanke (vgl. Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., S. 412 m i t Hinweis auf O. Mayer), der heute genauso seine Gültigkeit besitzt: Die Grenzen des Eigentums dem Staat gegenüber sind keineswegs dieselben wie gegenüber Privaten. A u f das Entschädigungsrecht bezogen heißt das: Nicht immer, wenn ich einem Privaten gegenüber etwas n u r gegen Bezahlung hergebe, muß auch der Staat entschädigen, sofern er Befugnisse zurückschneidet. Die Berechtigung f ü r diese Differenzierung liegt i m allgemeinen Unterschied zwischen Privat- u n d ö f f . Recht: Der Gesetzgeber n i m m t i m allgemeinen Interesse Befugnisse zurück; der E i n zelne kauft Befugnisse i n individuellem Interesse ab. Dagegen kann auch nicht der beliebte Grundsatz der Lastengleichheit eingewendet werden; hier geht es nämlich gar nicht u m Lasten (vgl. dazu eingehend unten § 27 I). Auch f ü r M. Wolff, der vor allem die Ausweitung der Entschädigungspflichten theoretisch begründet hat, w a r es noch klar, daß ein i m öffentlichen Interesse auferlegtes Bauverbot, grundsätzlich keine Enteignung ist (Reichsverfassung u n d Eigentum, Kahl-Festgabe, 1923, S. 29/30; Ausnahme n u r dann, wenn dem Staat private Rechte eingeräumt würden). M a n muß das immer wieder ins Gedächtnis rufen; erst dann w i r d deutlich, was es bedeutet, daß das G r u n d gesetz i n der Entschädigungsfrage ein weniger, nicht ein mehr bringen wollte.
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liehe Entschädigungsregelungen für unterschiedliche Fallgruppen trifft. Vorausgesetzt ist nur, daß i n jedem Einzelfall garantiert ist, daß das verfassungsrechtliche Entschädigungsminimum nicht unterschritten ist. Den Extremfall einer solchen Generalisierung stellt die Lösung dar, daß i m Entschädigungsgesetz selbst schon ein fester Zahlenwert angegeben ist, mit dem nur noch die Flächeneinheit zu multiplizieren ist, um den jeweiligen Entschädigungsbetrag zu bestimmen. I n diesem Fall kommt der Verwaltung nur noch die Aufgabe der Ausrechnung des Ergebnisses zu. Für die Gerichte ergeben sich ebenfalls daraus Beschränkungen ihrer Aufgabe: I m Rahmen der Verwaltungskontrolle ist die Prüfung des Gerichts darauf beschränkt, ob die jeweilige Rechnung der Verwaltung richtig ist; i m Rahmen der inzidenter erfolgenden Gesetzeskontrolle ist zu prüfen, ob der fixierte gesetzliche Entschädigungsbetrag verfassungsrechtlich zulässig ist 2 8 . 2. Geht man von dem strikten Gebot der Verkehrswertentschädigung aus, so ist offensichtlich, daß eine solche gesetzliche Fixierung der Entschädigungsregelung unzulässig ist, wenn es auch nur einen einzigen Anwendungsfall gibt, i n dem der Verkehrswert den gesetzlichen Entschädigungssatz überschreitet. Die Sachlage ist anders bei Einräumung eines grundsätzlichen Entschädigungsspielraumes des Gesetzgebers als Konsequenz des Abwägungsgebotes des Art. 14 Abs. 3 GG 2 9 . Nach der i m hamb. Deichurteil vom Bundesverfassungsgericht geäußerten Auffassung ist das Verfahren der gesetzlichen Anordnung von Entschädigungssätzen grundsätzlich sowohl nach der Bestimmung der Junktimklausel wie nach dem Abwägungsgebot zulässig 30 . Danach gebietet das Grundgesetz nicht, daß der Gesetzgeber immer einen abstrakten Maßstab wählt. Dem ist i m Grundsatz insofern zuzustimmen, als jedenfalls bei Einräumung eines verfassungsrechtlichen Entschädigungsspielraumes keine Bedenken gegen eine gesetzliche Fixierung von Entschädigungswerten bestehen können, wenn i n allen Fällen das i n A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG geforderte M i n i m u m gewahrt ist. Nicht v o l l überzeugend ist allerdings die Begründung, m i t der das Gericht die Zulässigkeit solcher gesetzlich fixierter Entschädigungsbeträge darlegt und 28
Vgl. BVerfGE 24, 367 ff. (418). Die Frage fester Entschädigungssätze ist v o r allem bei Enteignungen von unbebauten Grundstücken von praktischem Interesse. W i r beschränken daher die folgende Untersuchung darauf, f ü r diese Fallgruppe anzugeben, i n w e l chem Umfang nach A r t . 14 I I I 3 GG grundsätzlich dieser Weg der gesetzlich fixierten Entschädigungsbemessung gewählt werden darf. Sollte dieser Weg auch f ü r andere Enteignungsbereiche relevant werden, müßten die i m folgenden dargestellten Grundsätze entsprechend übertragen werden. 30 Vgl. BVerfGE 24, 367 (418 ff.). Dem Gericht lag als Sachverhalt die Regelung i n § 5 des hamb. D O G vor; danach w a r die Entschädigung auf 1,— D M bzw. 0,57 D M je q m festgelegt, soweit die Fläche bisher n u r zur Grasgewinnung genutzt wurde. 29
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weitere Rechtsfolgen hieraus zieht. Nach dem BVerfG ist die W a h l eines solchen konkreten fixierten Entschädigungsmaßstabes dann unzulässig, w e n n nach den tatsächlichen Verhältnissen eine differenzierende Bemessung der Entschädigung i m Interesse einer gerechten Entschädigung geboten ist. Zulässig ist nach Auffassung des BVerfG dies Verfahren aber dann, w e n n bei den enteigneten Gegenständen kein wertmäßig bedeutsamer Unterschied i n den wertbestimmenden Faktoren besteht 3 1 . Diese Stellungnahmen bedürfen einer gewissen K o r r e k t u r oder besser einer Präzisierung. Das ist auch nicht unwichtig, w e i l die Frage, welche technischen Verfahren der Gesetzgeber einschlagen darf, u m zu einer sachgerechten Entschädigungsregelung zu finden, i n manchen Enteignungsbereichen von großer praktischer Bedeutung ist. D e r erste T e i l der B e g r ü n d u n g g e h t d a v o n aus, daß d e r Gesetzgeber n i c h t selbst d e n k o n k r e t e n Entschädigungsmaßstab b e s t i m m e n d ü r f e , w e n n die tatsächlichen V e r h ä l t n i s s e eine d i f f e r e n z i e r e n d e E n t s c h ä d i g u n g e r f o r d e r n . Das i s t i n s o w e i t z u eng, als u n m i t t e l b a r d u r c h d e n Gesetzgeber d u r c h g e f ü h r t e E n t s c h ä d i g u n g s f e s t l e g u n g (sog. „ k o n k r e t e r " E n t s c h ä d i gungsmaßstab) u n d G e b o t der d i f f e r e n z i e r e n d e n E n t s c h ä d i g u n g sich k e i neswegs schlechthin ausschließen. V i e l m e h r m u ß m a n n u r f o r d e r n , daß der Gesetzgeber diese M e t h o d e des k o n k r e t e n Maßstabes d a n n i n der Weise a n w e n d e t , daß d i f f e r e n z i e r e n d e Ergebnisse als R e s u l t a t g e w o n n e n w e r d e n . Das ist i n m e h r e r e r Weise m ö g l i c h . Z u m einen k a n n dies dadurch geschehen, daß der Gesetzgeber mehrere feste Entschädigungssätze festlegt u n d bestimmt, w a n n jeweils welcher Entschädigungssatz zum Zuge kommt. Es ist offensichtlich, daß damit eine differenzierende Bemessung der Entschädigung erreicht w i r d , gleichwohl aber der Gesetzgeber keineswegs zur Methode des abstrakten Maßstabes zurückgekehrt ist. E i n anderer Weg besteht darin, daß generell ein fixer Entschädigungssatz angeordnet w i r d , für bestimmte näher umschriebene Härtefälle oder sonstige Ausnahmefälle aber davon abweichende Entschädigungsmaßstäbe festgelegt sind. W i r d damit dem Differenzierungsbedürfnis Genüge getan, so bestehen gegen die Beibehaltung des konkreten Entschädigungsmaßstabes als genereller gesetzlicher Lösung ebenfalls keine Bedenken. D e r z w e i t e T e i l d e r B e g r ü n d u n g m u ß ebenfalls t e i l w e i s e k o r r i g i e r t w e r den. N a c h A u f f a s s u n g des B V e r f G k o m m t es d a r a u f an, ob b e i d e n v e r schiedenen e n t e i g n e t e n Gegenständen „ e i n w e r t m ä ß i g b e d e u t s a m e r U n t e r s c h i e d i n d e n w e r t b e s t i m m e n d e n F a k t o r e n " besteht oder n i c h t . Diese A u f f a s s u n g l ä ß t sich n i c h t w i d e r s p r u c h s l o s m i t a n d e r e n z e n t r a l e n Aussagen des Gerichts i n der gleichen E n t s c h e i d u n g v e r e i n b a r e n 3 2 . G e h t m a n m i t d e m G e r i c h t d a v o n aus, daß das Grundgesetz keineswegs ge31 BVerfGE 24, 420. Die Orientierung an den „wertbestimmenden" Faktoren ist offenbar noch ein A n k l a n g an die überkommene Verkehrswertbetrachtung des BGH. 32 Die Entscheidung BVerfGE 24, 267 ff. enthält i n den Ausführungen zur von A r t . 14 GG garantierten Entschädigung, ungeachtet ihrer zutreffenden grundsätzlichen Betonung des Abrückens des GG von dem starren Gebot der Verkehrswertentschädigung, i n den Stellungnahmen zur Entschädigungsfrage auch sonst innere Widersprüche. So w i r d trotz der Feststellung v o m Entschä-
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bietet, jeweils das „volle Äquivalent für das Genommene" zu geben und daß der Verfassung eine starre Orientierung am Marktwert fremd ist, so kann nicht entscheidend sein, ob die einzelnen enteigneten Gegenstände i n den wertbestimmenden Faktoren übereinstimmen. Denn der Marktwert ist ja schon nach Auffassung des Gerichts, erst recht nach dem Leistungskriterium gar nicht das entscheidende K r i t e r i u m für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der jeweils getroffenen Entschädigungsregelung. Dann können auch die wertbestimmenden Faktoren nicht als solche schlechthin ausschlaggebend sein. Legt man das Leistungskriter i u m zugrunde, so ist vielmehr folgendermaßen zu präzisieren: Besteht bei den einzelnen enteigneten Grundstücken kein Unterschied i n den für die Entschädigungsbemessung maßgeblichen Leistungsfaktoren, so ist der Gesetzgeber auch nicht gehindert, für alle Grundstücke den gleichen Entschädigungssatz anzuordnen. 3. Nach diesen Überlegungen ergibt sich aufgrund der Prämisse, daß nur i n Höhe des jeweiligen Leistungsäquivalentes eine zwingende verfassungsrechtliche Entschädigungsverpflichtung besteht, die folgende Beurteilung der Zulässigkeit von festen, bereits i m Gesetz verankerten Entschädigungssätzen. Legt der Gesetzgeber bei Enteignungen von unbebautem Ackerland, Bauerwartungsland, Rohbauland o. ä. einen festen Entschädigungssatz pro qm fest, so ist diese Regelung als zulässigerweise i m Entschädigungsspielraum des Gesetzgebers liegend anzusehen, wenn sie keinen Anwendungfall enthält, i n dem insgesamt der Enteignete weniger erhält, als dem Betrag seiner erbrachten Leistungen entspricht. Der Gesetzgeber muß hierbei keineswegs, wie es der starr am Marktwert orientierten Rechtsprechung des B G H entsprechen würde, verschiedene Entschädigungssätze danach staffeln, ob der — durch die Bodenknappheit geprägte — freie Markt einzelne unbebaute Grundstücke i m Preis wesentlich höher einstuft als dies bei anderen Grundstücken der Fall ist. Insbesondere braucht der Gesetzgeber keineswegs i n der Entschädigungsfestlegung eine Grundstücksklasseneinteilung vorzunehmen, die die Unterscheidung zwischen Ackerland, Bauerwartungsland und Rohbauland nachvollzieht. Denn unter Leistungsgesichtspunkten unterscheiden sich diese drei Fallgruppen nicht voneinander. Der Gesetzgeber muß aber vorsehen, daß dann, wenn zwar herkömmlicherweise der Entschädigungssatz ausdigungsspielraum des Gesetzgebers weiter daran festgehalten, daß bei zulässiger Enteignung die Bestandgarantie sich i n eine Eigentumswertgarantie umwandelt (a.a.O., S. 397). Das ist natürlich n u r haltbar, wenn man i n jedem Fall den Verkehrswert als verfassungsrechtliches Entschädigungsminimum ansieht. Das widerspricht aber der Auffassung, A r t . 14 GG gebiete keineswegs stets Ersatz des „vollen Ä q u i valentes" für das Genommene u n d auch k l a r der Intention der neuen G r u n d gesetzregelung.
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reichend ist, für bestimmte einzelne Grundstücke 33 oder Grundstücksarten 3 4 aber zu niedrig ist, für diese Grundstücke eine andere Regelung getroffen wird. Weiter ist das mehrfach genannte Prinzip der teilweisen Sperre der gezahlten Kaufpreise der Enteigneten zu berücksichtigen. Statt einen einzigen festen Entschädigungssatz festzulegen, ist es auch verfassungsrechtlich zulässig, wenn der Gesetzgeber mehrere Entschädigungssätze unterschiedlicher Höhe festlegt. Eine solche differenzierte Festsetzung ist aus mehreren Gründen von praktischer Bedeutung. Eine gesetzliche Entschädigungsregelung, die sich strikt am Leistungsäquivalent orientiert, nimmt zwar niemandem etwas an Vermögenswert, den er sich erarbeitet hatte, führt aber gerade i n Ballungsgebieten zu einer abrupten Änderung der Vermögenserwartungen. Es liegt daher nahe, daß der Gesetzgeber, wenn er sich bei unbebauten Grundstücken für den Lösungsweg fester vorgeschriebener Entschädigungssätze entscheidet, die Höhe der Entschädigungssätze regional staffelt. Bei dieser Staffelung wäre der Wechsel vom alten Entschädigungssystem auf ein neues nicht so krass. Damit würden auch die Ubergangsprobleme der „modalen Verhältnismäßigkeit" der Entschädigungsregelung geringer (vgl. § 1 4 I I ) . V. Alternative Entschädigungssysteme
Geht man davon aus, daß das Grundgesetz einen festen Entschädigungsmaßstab enthält, dann liefert man dem Gesetzgeber unmittelbar eine feste Richtschnur, nach der er die Entschädigungsregelung zu treffen hat. Geht man hingegen von einem Entschädigungsspielraum des Gesetzgebers aus, so kann man dem Gesetzgeber nur die Grenze angeben, i n der er sich zu halten hat, und die Richtung, i n der von dem Entschädigungsspielraum Gebrauch gemacht werden soll. Nach A r t . 14 Abs. 3 S. 2 GG soll der Gesetzgeber das „Ausmaß" der Entschädigung bestimmen. Es ist daher weder Aufgabe der Gerichte noch die der Verfassungsinterpreten, die zweckmäßigste Lösung zu suchen. Die Staatsrechtswissenschaft kann allenfalls angeben, inwieweit Alternativen zum geltenden Entschädigungsrecht verfassungsrechtlich zulässig sind. I m folgenden soll nur kurz auf 2 denkbare Alternativen zum geltenden Entschädigungsrecht hingewiesen werden. 1. Ein denkbarer Weg der Änderung des geltenden Bodenrechts besteht darin, daß zur Beschaffung preisgünstigen Baulandes die i m früheren 33 So z. B., wenn ein einzelner Grundstücksinhaber bereits spezielle A u f wendungen gemacht hatte, die den Wert des Grundstückes über das Normale erhöhen. 34 So dürfen z. B. Gärtnereien, bei denen intensivere Bodenbearbeitungen, also zusätzliche Leistungen investiert sind, m i t Ackerland nicht gleichgesetzt werden.
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Baulandbeschaffungsgesetz vom 3. 8. 1953 (BGBl. I., S. 720) eingeschlagene Lösung herangezogen wird. Wenn der Gesetzgeber beabsichtigen würde, die i m Baulandbeschaffungsgesetz verankerte Entschädigungsregelung auf die heutige Situation zu übertragen, so wäre er nach den i n § 14 zusammengefaßten Grundsätzen verpflichtet, folgendes zu beachten: § 10 BaulBG ging davon aus, daß auf die Wertverhältnisse der Grundstücke am 17. 10. 1936 abgestellt wurde; die seitdem eingetretenen Wertänderungen sollten unberücksichtigt bleiben, sofern es sich um Werterhöhungen handelte, die durch die Möglichkeit der Änderung der Nutzung oder die Aussicht hierauf entstanden waren — es sei denn, daß der Eigentümer für diese Werterhöhungen Kapital oder Arbeit aufgewandt hatte. Uberträgt man diese Regelung auf die heutige Situation, so w i r d der Gesetzgeber nicht auf die Wertverhältnisse von 1936 abstellen dürfen, sondern müßte einen festen Entschädigungssatz, d. h. eine A r t Grundbetrag je qm für die Entschädigung festsetzen. Er kann auch hierbei nach der bisherigen, regional verschiedenen Bodenpreisentwicklung den Grundsatz staffeln. Beides ist grundsätzlich unbedenklich (vgl. oben IV.). Ubernimmt der Gesetzgeber dazu die Regelung, daß Werterhöhungen der Grundstücke, die durch die Aussicht oder Möglichkeit einer Nutzungsänderung entstehen, nur berücksichtigt werden, wenn der Eigentümer für diese Werterhöhungen Kapital oder Arbeit aufgewendet hat, so ist dies von Art. 14 GG her unbedenklich. Denn i n dieser Entschädigungsbeschränkung kommt ja gerade das Leistungsprinzip zum Ausdruck. Es muß nur beachtet werden, daß den Aufwendungen des Eigentümers die Aufwendungen dritter zurechenbarer Personen gleichgestellt werden müssen. Eine Sonderregelung muß hier aber wiederum für einen Teil derjenigen Enteignungen getroffen werden, bei denen der Eigentümer selbst einen höheren Preis gezahlt hat, als das Entschädigungsgesetz als Grundbetrag festgesetzt hat. Hier ist wieder zwischen ex-tunc-Sperre und ex-nuncSperre zu differenzieren. Die vor Erlaß des neuen Baulandbeschaffungsgesetzes gezahlten Kaufpreise bilden entschädigungsrechtlich das nach Art. 14 GG gebotene Minimum. Bei den nach Erlaß des neuen Gesetzes gezahlten Kaufpreisen kommt es auf das K r i t e r i u m des Erwerbs nach freiem Risiko an. Sofern das neue Gesetz zielstrebig angewendet wird, ist nach dem beschränkten Vertrauensschutz i. d. R. keine verfassungsrechtliche Pflicht gegeben, den Grundbetrag übersteigende Kaufpreise bei der Bemessung der Entschädigung zu respektieren. Denn der Grundstückserwerber hätte hier ja auf
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die von den Gemeinden betriebene Baulandbeschaffung ausweichen können. (Die Gemeinden werden sich ohnehin bei einer solchen Regelung bemühen, Grundstücke von denjenigen zu erwerben, die selbst hierfür noch nicht teuer bezahlt haben.) 2. Statt einer Neufassung des Baulandbeschaffungsgesetzes kann der Gesetzgeber auch i n anderer Form von dem Grundsatz der „angemessenen" Entschädigung abweichen. Ein einleuchtendes anderes Entschädigungssystem besteht darin, daß der Gesetzgeber sich an dem i n der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oft betonten, von diesem Gericht aber nicht konsequent durchgeführten Gedanken der Wiederbeschaffung sfunktion der Enteignungsentschädigung orientiert. Diese A l ternative zum geltenden Entschädigungsrecht ließe sich wohl umfassend i n allen Enteignungsbereichen anwenden, ist also nicht auf die Baulandbeschaffungsprobleme beschränkt. Der B G H hat i n früheren Entscheidungen mehrfach zur Begründung des Gebots der „angemessenen" Entschädigung auf die Wiederbeschaffungsfunktion der Entschädigung abgestellt 35 . Die Wiederbeschaffungsfunktion wurde sogar von Vertretern des Gerichts als „Angel- und Ausgangspunkt" der gesamten Rechtsprechung des B G H zur Höhe der Enteignungsentschädigung bezeichnet; aus dieser Funktion werde daher i n fast allen Zweifelsfällen die Begründung für die vom B G H gefundene Entscheidung entnommen 36 . I n neuerer Zeit ist der Rückgriff auf die Wiederbeschaffungsfunktion vom B G H aber wieder aufgegeben worden (ohne daß diese vorher praktische Relevanz bekommen hätte). U m das bisherige funktionelle Verständnis der Enteignungsentschädigung aufgeben zu können, bediente sich der B G H einer „Bildtheorie". Danach ist der Rückgriff auf die Wiederbeschaffung nur „bildhaft" gemeint. M i t i h m solle nur „bildhaft" zum Ausdruck gebracht werden, daß dem Enteigneten für die Entschädigung das volle Äquivalent für das Genommene gegeben werde, er also den vollen Wert des entzogenen Gegenstandes erhalten müsse 37 . Ein i n sich geschlossenes Entschädigungssystem, das sich von dem starren Gebot der Verkehrswertentschädigung löst und damit stärker von dem Entschädigungsspielraum des A r t . 14 I I I S. 3 GG Gebrauch macht, 35 Bereits i m Jahre 1954 wurde i n B G H Z 14, 106 ausgeführt, durch die E n t eignungsentschädigung solle der Enteignete „ f ü r die Regel i n den Stand gesetzt werden, sich m i t Hilfe der Entschädigung eine Sache gleicher A r t und Güte zu verschaffen". I n B G H Z 26, 373 wurde, unter Hinweis auf B G H Z 11, 156, sachlich übereinstimmend ausgeführt, der Zweck der Entschädigung bestehe darin, „den Enteigneten i n die Lage zu versetzen, sich ein gleichwertiges Objekt zu verschaffen". 36 So Pagendarm, W M 1958,1351. 37 B G H Z 41, 358 unter Hinweis auf das U r t e i l v o m 4. 6.1962, N J W 62,1441.
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gewinnt man, wenn man die Bestimmung der Entschädigungshöhe davon abhängig macht, wieviel an Entschädigung für die Wiederbeschaffung eines gleich nutzbaren, nicht aber notwendig gleichwertigen Objektes erforderlich ist. Eine solche gesetzgeberische Lösung, deren Detailregelung hier nicht i m einzelnen angegeben werden kann, müßte von den folgenden Grundgedanken ausgehen. Die Enteignungsentschädigung muß zunächst stets alle leistungsäquivalenten Werte voll ersetzen (folgt schon zwingend aus A r t . 14 GG). Bei den sonstigen Vermögenswerten ist es nur Sinn der Enteignungsentschädigung, Kontinuität i n der bisher ausgeübten Nutzung des Gegenstandes zu ermöglichen. Aus dieser Aufgabe der Enteignungsentschädigung ist demgemäß die Höhe der zu zahlenden Entschädigung zu begrenzen: Immer dann, wenn eine das Leistungsäquivalent überschreitende Entschädigung nicht von der Wiederbeschaffungsfunktion getragen ist, ist sie zu versagen. Ein derart konzipiertes Entschädigungssystem, dessen Zulässigkeit nach A r t . 14 GG nach der hier vorgenommenen Konkretisierung des Abwägungsgebotes nicht problematisch ist, geht also von einer materialen, nicht von einer valutativen Wiederbeschaffungsaufgabe aus. Aus diesem Unterschied ergibt sich in vielen Fällen eine beachtliche Änderung der gebotenen Entschädigungspflicht gegenüber dem geltenden Entschädigungsrecht. Die Abweichungen beruhen auf zwei Ursachen. Zum einen gewinnt die öff. Hand i n der Entschädigung Spielraum, indem sie dem Enteigneten die Weiterführung der tatsächlich ausgeübten Nutzung billiger als nach den Regeln der „angemessenen" Entschädigung anbieten kann; zum anderen kann die öff. Hand eine Entschädigung über Leistungshöhe versagen, wenn i m konkreten Enteignungsfall eine Fortführung der bisherigen Nutzungstätigkeit nicht i n Betracht kommt. Die Änderungen gegenüber dem strikten Gebot einer „angemessenen" Entschädigung lassen sich gut an dem Beispiel der Enteignung von Bauerwartungsland und Bauland zeigen. Muß ζ. B. bei einem Bauernhof ein bisher landwirtschaftlich genutztes Grundstück m i t Bauerwartungsqualität zu Straßenbauzwecken enteignet werden, so braucht dem Eigentümer des Bauernhofes der Bauerwartungswert n u r dann gezahlt zu werden, w e n n eine tatsächliche Möglichkeit besteht, ein anderes Grundstück zur weiteren landwirtschaftlichen Nutzung zu erwerben und w e n n das neue Grundstück ebenso teuer i m Preis w i e das enteignete Grundstück ist. Ist hingegen das enteignete Grundstück am Stadtrand gelegen, k a n n f ü r den Bauernhof aber wesentlich billiger ein Grundstück i n größerer Stadtferne u n d deshalb m i t wesentlich geringerer Bauerwartung erworben werden (so häufig), dann hat die V e r w a l t u n g das Recht, n u r den geringeren Preis zu zahlen. Ob der Enteignete dann das Geld tatsächlich zum K a u f eines neuen Objektes verwendet, ist seine Sache; der materialen Wiederbeschaffungsfunkt i o n ist schon Genüge getan, wenn i h m hierzu die Möglichkeit geboten wurde.
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Muß der ganze Hof enteignet werden, so muß nach Leistungskriterien ohnehin v o n Verfassungswegen der (heutige) Verkehrswert f ü r die Gebäudesubstanz gezahlt werden. Auch hier kann die öff. Hand aber erhebliche Einsparungen machen. Liegt z. B. der Hof am Rand einer Groß- oder Mittelstadt, so braucht die Entschädigung nicht so bemessen zu sein, daß der Eigentümer sich ein gleich großes Areal wiederum i n Stadtnähe kaufen kann. Der Wiederbeschaffungsf u n k t i o n ist Genüge getan, wenn durch die Entschädigung der Enteignete i n den Stand versetzt w i r d , sich i n einer noch nicht von Bauerwartungen geprägten Gemarkung niederzulassen. Das ist auch sinnvoll, wenn m a n die Wiederbeschaf fungsmöglichkeit unter Kontinuitätsgesichtspunkten sieht: w i r d der neue landwirtschaftliche Betrieb auf Bauerwartungsland gebaut, so muß er evtl. i n 20 Jahren doch wieder weichen.
Schließlich w i r d es nicht wenige Fälle geben, i n denen die Wiederbeschaffung eines neuen Gegenstandes zur Nutzungsfortführung entfällt. Da hier die Enteignungsentschädigung die Wiederbeschaffungsfunktion gar nicht erfüllen kann, reicht es, wenn der Enteignete nach Leistungskriterien entschädigt wird. Die hier für die Enteignung von unbebautem Land aufgezeigte Differenzierung der Entschädigungshöhe nach der Wiederbeschaffungsaufgabe läßt sich entsprechend auch auf die Enteignung von bebautem Land übertragen. W i r d z. B. ein gewerbliches Grundstück m i t zusätzlichem, bisher nicht ausgenutztem „Entwicklungswert" enteignet, dann würde es genügen, wenn (neben der Gebäudeentschädigung) für das Grundstück selbst soviel bezahlt wird, daß ein gleich nutzbares, aber nicht unbedingt auch gleich wertvolles Grundstück erworben werden kann. Schmidt-Assmann hat die Orientierung der Enteignungsentschädigung an der realen, nicht nur bildlich gemeinten Wiederbeschaffungsfunktion i n seiner neueren grundlegenden Untersuchung zum Städtebaurecht i n die Nähe der nationalsozialistischen Enteignungslehre gerückt 38 . Man kann das nur bedauern. Es denkt auch niemand daran, die damals besonders betonte Entschädigung i n Land statt i n Geld für spezifisch nationalsozialistisch zu halten. Charakteristisch für die damalige Zeit war die besondere ideologische Einordnung der Landwirtschaft i n das Gemeinwesen. Der Rückgriff auf die klassische Enteignungslehre beweist aber eindeutig, daß die Orientierung an dem Wiederbeschaffungsgedanken als solche damit nichts zu tun hat. Die Rechtfertigung der Enteignungsentschädigungshöhe aus der Wiederbeschaffungsaufgabe gehört, wie man wohl sagen kann, zu den zentralen Elementen der älteren Enteignungslehre und -rechtsprechung des 19. Jahrhunderts. Immer wieder findet man, wenn man die Begründungen dieser Zeit zur Höhe der Entschädigung untersucht, den Rückgriff auf dieses Prinzip 3 9 . Auch das Reichs38
Schmidt-Assmann, Grundfragen des Städtebaurechts, 1972, S. 296. Vgl. Grünhut, Das Enteignungsrecht, 1873, S. 99: „ F ü r die Höhe der E n t schädigung hat als Princip zu gelten, daß der Enteignete durch die V e r w a l t u n g 39
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gericht hatte — jedenfalls der Theorie nach — gerade i n der Zeit der Enteignungen zum Eisenbahnbau i m vorigen Jahrhundert auf diese Funktion der Enteignungsschädigung abgestellt 40 . V I . Ausweitung der Vorteilsanrechnung
Bereits oben i n § 13 I V wurde dargelegt, daß die Vorteilsanrechnung bei der Bemessung von Enteignungsentschädigungen nur ein besonderer Fall der Berücksichtigung des Leistungsgedankens ist. Denn wenn man solche Vorteile nicht anrechnen würde, dann führte dies zur Verschaffung leistungsloser Gewinne auf seiten des Enteignungsbetroffenen, die die Allgemeinheit belasten. Es wurde oben auch schon grundsätzlich ausgeführt, daß es, anders als i n der traditionellen Enteignungslehre, aus der Sicht der Interessenabwägung des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG überhaupt nicht darauf ankommen kann, woraus der Vorteil herrührt, wenn er überhaupt nur Folge der Enteignung oder der ihr vorausgehenden Entscheidungsprozesse ist. Es wurde weiter darauf hingewiesen, daß wenn schon das Grundgesetz für den Normalfall (d. h. für den Fall, in dem keine Vorteile durch die Enteignung entstehen) eine Entschädigung unterhalb des Verkehrswertes zuläßt, keinerlei Gründe angebbar sind, i n den Fällen der Vorteilsanrechnung zurückhaltend die Interessen der Allgemeinheit an Entschädigungsentlastung zu berücksichtigen. Denn i m ersten Fall erleidet bei Reduzierung der Entschädigung unterhalb des Verkehrswertes der Betroffene immerhin einen Schaden durch die Enteignung; i m letzteren Fall ist dies nicht gegeben. Denkt man die Enteignung weg, so wäre ja auch der Vorteil nicht vorhanden. I m folgenden sei daher nur kurz auf einige besondere Fragen eingegangen.
so v i e l als möglich i n die Lage versetzt werden müsse, sich m i t Hilfe der E n t schädigungssumme dieselben Rechte u n d Vorteile zu verschaffen, welche i h m durch die Enteignung i m Namen des allgemeinen Interesses entzogen w u r den." Ä h n l i c h Eger, Das Gesetz über die Enteignung v o n Grundeigentum v o m 6. 11. 1874, 2. Aufl., 1902, Erl. zu § 8, S. 139 f.; Seydel, Das Gesetz über die Enteignung von Grundeigentum v o m 11. 6.1874, 2. Aufl., 1887, S. 46. 40 Vgl. U r t e i l v o m 27. 1. 1870: Die Enteignungsentschädigung „hat i n der Regel u n d zunächst die E r m i t t l u n g des Preises zur Grundlage zu nehmen, welchen der Eigentümer nach Ort und Zeit unter günstigen Verhältnissen bei f r e i w i l ligem Verkauf des enteigneten Grundstücks zu erlangen i m Stande ist. I n dem hiernach zu bemessenden Entschädigungsbetrage w i r d der Eigentümer zugleich die M i t t e l erhalten, welche i h n zur Anschaffung eines ausreichenden Ersatzes i n den Stand setzen". (Zitiert nach Eger, Fußn. 39, S. 139; dort auch Hinweis auf weitere die Wiederbeschaffungsfunktion betonende Entscheidungen des Reichsgerichts.) Vgl. auch die auf die Wiederbeschaffungsfunktion abstellende Vorschrift des § 10 Abs. 2 Preuß. Enteignungsgesetz; zu den Gründen, aus denen nach der subjektiven Auslegungsmethode diese Vorschrift gegen die „materiale" Wiederbeschaffungsfunktion ausgelegt werden konnte, oben Fußnote 13.
§ 17 Bodenrecht u n d Entschädigungspflicht
169
1. D i e f ü r die P r a x i s w o h l s t r i t t i g s t e F r a g e i s t die, ob auch generelle oder ob n u r spezielle V o r t e i l e anzurechnen s i n d u n d ob diese a u f die gesamte E n t e i g n u n g s e n t s c h ä d i g u n g oder n u r a u f spezielle E n t s c h ä d i g u n g s l e i s t u n g e n anzurechnen sind. Lange vor der Betonung der Regelung des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG als eigenständiger Entschädigungsregelung gegenüber der traditionellen Sicht der „angemessenen" Entschädigung i m hamburg. Deichurteil des B V e r f G 4 1 hatten sich vier Meinungen gebildet 4 2 . Nach der ersten, früher w o h l herrschenden M e i nung waren n u r die besonderen Wertsteigerungen eines von einer Enteignung betroffenen Grundstücks, diese aber ganz anrechenbar. Eine zweite Meinung, die vor allem v o r dem Grundgesetz vertreten wurde, w o l l t e ebenfalls n u r die speziellen Vorteile, diese aber auch n u r auf die Entschädigung sonstiger V e r mögensnachteile anrechnen lassen. Die dritte u n d vierte Meinung läßt die A n rechnung aller Vorteile zu, gleichgültig, ob diese n u r dem Enteigneten oder auch anderen zugute gekommen sind; ein T e i l dieser Auffassungen beschränkte dies aber auf die Entschädigung sonstiger Nachteile, ließ es also nicht f ü r die Substanzentschädigung selbst zu 4 3 . A u c h ohne die I n t e r e s s e n a b w ä g u n g als solche b e t o n t der „angemessenen" E n t s c h ä d i g u n g gegenüberzustellen, ist i n neuerer Z e i t w o h l eine Tendenz z u r umfassenden Z u l a s s u n g der V o r t e i l s a u s g l e i c h u n g i m S c h r i f t t u m festzustellen; z u r B e g r ü n d u n g w i r d auf die neue Sicht des B o d e n rechts a u f g r u n d d e r B a u p l a n u n g s e n t s c h e i d u n g e n h i n g e w i e s e n 4 4 . D i e Rechtsprechung e r g i b t , noch ganz ohne die I n t e r e s s e n a b w ä g u n g e i n z u beziehen, e i n differenziertes B i l d . A m dezidiertesten h a t b i s h e r w o h l das Bayerische Oberste Landesgericht eine v o l l e A n r e c h n u n g b e j a h t 4 5 . Es h a t sie aus der klassischen Sicht der „ A u s g l e i c h s f u n k t i o n " der E n t e i g n u n g s entschädigung begründet 46 u n d Gleichheitserwägungen demgegenüber
41 M a n k a n n zur Zeit noch nicht absehen, wie durch die Neusicht des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG die Meinungsbildung sich entwickeln w i r d . Daß die Ausweit u n g der Vorteilsanrechnung nicht das einzige und primäre Ergebnis der Betonung der Interessenabwägung als neuartiger Entschädigung sein kann, ist nach der Intention des Grundgesetzes eindeutig: man wollte sich j a nicht etwa v o m Reichsgericht absetzen, w e i l m a n dessen Rechtsprechung zur Vorteilsanrechnung nicht billigte. 42 Dazu s. auch v. Hammerstein, Die Vorteilsausgleichung bei der Enteignungsentschädigung, Diss. Göttingen, 1972, S. 6 f. m i t aber teilweise unzutreffenden Zitaten. Eine gute Darstellung gibt — indes auf der Position einer D i stanz zur Interessenabwägung als neuartiger Entschädigungsbestimmung — Schmidt-Assmann i n Zinkahn/Bielenberg, § 93 BBauG, Rdnrn. 41 ff., insb. 49 ff. 43 Etwa i m Sinn der Regelung des § 96 BBauG. 44 So Schmidt-Assmann, § 93 BBauG, Rdnr. 51 m i t Betonung eines „Spannungsverhältnisses zwischen A r t . 14 Abs. 3 S. 3 GG und A r t . 3 Abs. 1 GG". 45 U r t e i l v o m 5. 7.1965, BRS Bd. 19, Nr. 89. 46 Nach Auffassung des Gerichts besagt der A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 G G nicht, daß der Teilenteignete i m Verhältnis zu den nichtenteigneten Anliegern nicht schlechter gestellt werden dürfe. Zweck der Enteignungsentschädigung ist n u r der Ausgleich des dem Enteigneten auferlegten Vermögensschadens.
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I I I . Α. Vergleich m i t dem deutschen Entschädigungsrecht
nicht gelten lassen 47 . Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist schwankend. I n Abkehr von einer zunächst geäußerten Auffassung 48 hat der B G H später die Position eingenommen, daß jedenfalls der Gesetzgeber einen Vorteil auch dann anrechnen dürfe, wenn andere, nicht von der Enteignung betroffene Grundeigentümer den gleichen oder einen entsprechenden Vorteil erlangen 49 . Hierbei hatte der B G H es dahingestellt sein lassen, ob für das allgemeine Enteignungsrecht auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung die Trennung zwischen allgemeinen und besonderen Vorteilen aufrecht zu erhalten sei. I n einer neueren Entscheidung scheint der B G H die Trennung zwischen allgemeinen und besonderen Vorteilen wieder aufzugreifen 50 . Der B G H kehrt hier also wieder zu einer Beschränkung der Vorteilsanrechnung zurück, die das Reichsgericht bereits sehr früh vorgenommen hatte 5 1 . Das ist aus Art. 14 GG heraus nicht geboten. Art. 14 GG geht ja nicht von dem K r i t e r i u m der Vergleichbarkeit mit Nichtenteigneten, sondern von dem K r i t e r i u m des Gewichtsvergleichs zwischen den Interessen der Betroffenen und denen der Allgemeinheit aus; infolgedessen ist es nach dem Grundgesetz von Art. 14 GG her zulässig, auch i n diesen Fällen alle effektiv eintretenden Vorteile anzurechnen. W i r d daher von einem Grundstück ein Teil enteignet und erwachsen dem Restgrundstück durch die Enteignung oder ihr vorausgehende Maßnahmen nachweisbar bestimmte vermögensmäßig bezifferbare Vorteile, so können diese Vorteile von Art. 14 GG her gesehen angerechnet werden, wobei gleichgültig ist, ob diese Vorteile nur das Grundstück speziell betreffen oder ob es sich um sogenannte allgemeine Vorteile handelt, die die Enteignung allen Anliegern bringt 5 2 . Die Ausdehnung der Vorteilsanrechnung w i r d man zwar als nur schwache Anwendung des Interessenabwägungsgebotes ansehen müssen (vgl. oben § 13 IV). Gegen sie kann auch nicht, um der späteren Darlegung 47 Geht man, wie unten (§§ 25, 27) dargelegt, davon aus, daß auch der Gleichheitssatz n u r rechtsbezogene, nicht aber jedes Sonderopfer zu beachten gebietet, dann ist bei den hier behandelten Problemen gar kein echtes Spannungsverhältnis zwischen A r t . 14 GG u n d A r t . 3 Abs. 1 GG gegeben. Die Besserstellung der Nichtenteigneten ist bloß tatsächliches Sonderopfer der Enteigneten. 48
B G H Z 15, 268, 292; 19,139,153. B G H Z 21, 388, 399. 50 So i m U r t e i l v o m 2. 10. 1967; zitiert nach Kröner, Die Eigentumsgarantie i n der Rechtsprechung des BGH, 2. Aufl., S. 192. 51 Das RG hatte bereits i m Jahre 1887 entschieden, daß die einem Restgrundstück erwachsenden allgemeinen Vorteile, die die Enteignung allen Anliegern bringt, gegen die Entschädigung i n keinem F a l l aufgerechnet werden dürfen: vgl. J W 1888, S. 46, Nr. 107. 52 So auch schon, betont auf die Neuregelung des Grundgesetzes abstellend, Schulthes, Die Höhe der Enteignungsentschädigung, S. 78. 49
§ 17 Bodenrecht u n d Entschädigungspflicht
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vorzugreifen (vgl. unten § 27), der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG angeführt werden. Der Gleichheitssatz verpflichtet, was oft übersehen wird, nur zu einer Gleichheit bei rechtlichen Regelungen von zwei Personen oder Gruppen; soweit andere Personen (bloß) faktisch besser dastehen als andere Personen, zu deren Lasten Vorteile angerechnet werden, ist dagegen vom Gleichheitssatz aus nichts zu sagen. Nur mit Verwunderung kann man schließlich verfolgen, daß bei der Erörterung der Zulässigkeit der Anrechnung allgemeiner Vorteile gegen die Entlastung der Allgemeinheit vor zu hohen Entschädigungsverpflichtungen mit dem Argument gekämpft wird, die Enteignung sei „jedenfalls nicht das Einfallstor für Unterwanderungen der überlieferten . . . Eigentums· und Sozialverfassung" 53 . Dieser Topos war — wie oben gezeigt wurde, m i t unglücklichem Einfluß 5 4 — als Abwehr gegen konfiskatorische Anwendungen des Enteignungsinstituts gemeint. Aber was hat die Vorteilsanrechnung i m Bodenrecht mit Konfiskationen zu tun? Hier geht es um die Anwendung der Verfassungsbestimmung zur Entschädigungsfrage i m Bau-, insb. Städtebaurecht 55 . 2. Die Interessenabwägung läßt schließlich auch Raum für eine Ausdehnung des Zeitfaktors bei der Vorteilsanrechnung. Nach der gegenwärtigen Entschädigungspraxis ergibt sich z. B. eine gewichtige Begrenzung der Vorteilsanrechnung insoweit, als Vorteile, die vor der abgeschlossenen Enteignung eintreten, angerechnet werden, Vorteile, die danach eintreten, nicht mehr anrechnungsfähig sind. Z u m T e i l ergibt das ganz w i l l k ü r l i c h e u n d auch als ungerecht beklagte Differenzierungen. Hat z. B. ein Eigentümer bei einer Teilenteignung den Rest des Grundstücks verkauft u n d ist der Verkauf zu dem günstigen Preis erst durch die Enteignung möglich geworden, so k a n n dieser V o r t e i l bisher n u r angerechnet werden, w e n n der Eigentümer vor, nicht aber erst nach der abgeschlossenen Enteignung veräußert hat 5 6 .
Von Art. 14 GG her ist eine solche Differenzierung nicht geboten; sie widerstrebt sogar dem Gebot des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG, auch an die Interessen der Allgemeinheit zu denken. Es ist daher zulässig, daß jedenfalls der Gesetzgeber i n einer Klärung der Rechtslage entscheidet, daß auch nachträgliche Vorteilsausnutzungen von der öffentlichen Hand gel-
53
v. Hammerstein, Die Vorteilsausgleichung (Fußn. 41), S. 69 f. Vgl. oben § 9. 55 Das Interessenabwägungsgebot w i r d denn auch bei v. Hammerstein betont distanziert behandelt; vgl. S. 62. Der dort bezogene Rückgriff auf die gegenteilige Auffassung des Bundesgerichtshofes ist inzwischen überholt; vgl. dazu oben § 101. 56 s. dazu insb. die Darstellung der geltenden Entschädigungspraxis bei Geizer, Der Umfang des Entschädigungsanspruchs, S. 46 f. m. w . N. 54
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I I I . Α. Vergleich m i t dem deutschen Entschädigungsrecht
tend gemacht werden können, so daß gegebenenfalls der Entschädigungsbetrag noch nachträglich reduziert werden kann 5 7 . 3. Die Interessengewichtung des Art. 14 GG läßt dem Gesetzgeber somit durchaus ein weites Feld zur Ausweitung der Vorteilsanrechnung über die bisherige Praxis hinaus. Die entscheidende Frage ist somit nicht die der Qualität der Vorteile, sondern die, ob solche finanziellen Vorteile auch konkret nachgewiesen werden können. Denn es muß vorausgesetzt werden, daß es sich überhaupt um finanziell meßbare Vorteile handelt. Bloße Annehmlichkeiten als Folge von Enteignungen rechtfertigen keine Entschädigungsreduzierung. Es muß sich vielmehr um echte Vermögensvorteile wirtschaftlicher A r t handeln 58 . Darüber hinaus muß vorausgesetzt werden, daß der Vorteil dem Betroffenen auch tatsächlich zufließt. Sofern es sich um bloße Chancen von Vorteilen, ζ. B. u m unbestimmte Wertsteigerungen i n der Zukunft handelt, ist eine Anrechnung nicht zulässig 59 . Es bleibt, wie eben i n 2. dargelegt, dem Gesetzgeber ja die Möglichkeit, gegebenenfalls eine nachträgliche Erfassung von Vorteilen für den Zeitpunkt anzuordnen, i n dem die Vorteile dann wirtschaftlich gesehen eintreten.
§ 18 Eingriffe in Gewerbebetriebe
Nach dem Bodenrecht ist die verfassungsrechtliche Entschädigungspflicht bei Eingriffen i n Gewerbebetriebe wohl das für die Praxis bedeutsamste Teilgebiet des Enteignungsentschädigungsrechts 1 . Bei der Behandlung von Eingriffen i n Gewerbebetriebe taucht, wenn man aufgrund der Entscheidung des Grundgesetzes für einen Mittelweg die Entschädigungspflichtigkeit nach Leistungskriterien bemißt, zunächst eine Sonderfrage auf. Man könnte geltend machen, daß die in einem Gewerbebetrieb verkörperten Werte i n der Regel leistungsbezogen sind, aber nicht allein durch die Leistung des bzw. der Inhaber, sondern durch die Gesamtleistungen der i n dem jeweiligen Gewerbebetrieb jetzt oder früher Beschäftigten hervorgebracht wurden. Diesen Umstand zu leugnen, hieße wesentliche Eigenschaften des modernen Industriezeitalters verkennen. Auf diesem Gedanken beruht ja auch die i n der neueren M i t 57 So auch B G H Z 15, 268, 292, wo darauf hingewiesen w i r d , daß es dem Gesetzgeber obliege, dafür zu sorgen, daß nachträgliche Vorteile ebenfalls erfaßt werden. 58 So schon B G H Z 6, 270, 295. 59 Vgl. i n diesem Sinne Kessler, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Bundesleistungsgesetz, DRiZ 1964, S. 366; Brügelmann/Pohl, BBauG, Komm., § 93, Bern. 3 b. 1 Zwischen beiden Bereichen gibt es auch gelegentliche Überschneidungen; darauf k a n n hier aber nicht näher eingegangen werden.
§18 Eingriffe i n Gewerbebetriebe
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bestimmungsdiskussion erhobene Forderung der „Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit". Den genannten Zusammenhang sehen und ihn für die Bemessung der Enteignungsentschädigung heranzuziehen sind zwei verschiedene Dinge. Er ist zentral bei der Frage zu berücksichtigen, inwieweit es von der Eigentumsgarantie des A r t . 14 Abs. 1 GG aus zulässig ist, bestehende Eigentümerrechte der Unternehmensinhaber zu begrenzen. Bei der Frage, wie bei Enteignungen i. S. von A r t . 14 Abs. 3 Satz 1 GG die Höhe der Entschädigung zu bestimmen ist, hat der Gesichtspunkt aber auszuscheiden. Das ergibt sich aus der eindeutigen Funktion, die die Enteignung i. S. d. A r t . 14 Abs. 3 GG nach den Vorstellungen i n der Grundgesetzberatung haben sollte. Die Enteignung i. S. d. A r t . 14 GG ist — anders als die Sozialisierung des A r t . 15 GG 2 — nach den Äußerungen, die bei der Grundgesetzberatung zu Art. 14 GG laut wurden, nicht als Instrument zur Änderung der Wirtschaftsverfassung verstanden worden. Vielmehr bewegte man sich i n den klassischen Bahnen einschließlich des Einsatzes zu bodenreformerischen Zwecken 3 . Dieses Funktionsverständnis des Grundgesetzes ist zu respektieren. Der Sache nach läuft dies — was den Schutz von Gewerbebetrieben bei der Bemessung der Enteignungsentschädigung angeht — auf das berühmte Postulat der Enteignungslehre Lorenz v. Steins hinaus. Danach „erscheint die Enteignung als diejenige Form der Entwährung, welche es mit keiner socialen Frage (mehr) zu thun hat" 4 . Die Rechtskonsequenz gilt freilich nicht, weil die Verfassungsauslegung etwa verpflichtet ist, die Enteignungslehre L. v. Steins als unabdingbare Grundlage zu übernehmen, sondern nur, weil das Grundgesetz sich hinsichtlich der Funktion der Enteignungen 5 i n diesem Sinn entschieden hat 6 . 2 Hier w a r bewußt die Möglichkeit „struktureller Änderungen der W i r t schaftsverfassung" einbezogen; vgl. insb. die Äußerung des Abg. C. Schmidt, 8. Sitzung des Grundsatzausschusses v o m 7.10.1948, Prot. S. 64 ff. 3 Vgl. die Äußerung des Abg. Dr. K r o l l (CSU), 8. Sitzung des Grundsatzausschusses: die „angemessene" Entschädigung sei nicht mehr haltbar; es gehe u m die Neufassung i n Richtung auf ein Bodengesetz i m Stile der Damaschkeschen Bodenreform, Prot. S. 69; auch der Bericht des Abg. v. Mangoldt an das Plenum über die Intentionen der Veränderung der Entschädigungsregelung läßt i n keiner Weise erkennen, daß es bei der Enteignung i. S. d. A r t . 14 Abs. 3 GG u m gesellschaftspolitische Veränderungen gehen sollte; vgl. Schlußbericht S. 12 (Drs. 850, 54 des Pari. Rates). 4 L. v. Stein, Verwaltungslehre, 7. Teil, 1868, S. 292. 5 Bemerkenswerterweise hatte, was zugleich auch w o h l aus Bestätigung dieser Funktionssicht anzusehen ist, die K P D f ü r die technische Enteignung sogar m i t der Minderheit für die Beibehaltung der „angemessenen" Enteignungsentschädigung plädiert, f ü r die Sozialisierung aber eine andere Entschädigung nach Billigkeitserwägungen befürwortet; vgl. 2. Lesung i m Grundsatzaus-
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I I I . Α. Vergleich m i t dem deutschen Entschädigungsrecht
Nach dieser Vorüberlegung ist i m folgenden aufzuzeigen, wie aus der Sicht des Leistungskriteriums die Enteignungsentschädigungspflicht bei Eingriffen i n Gewerbebetriebe zu bestimmen ist. W i r werden hierbei nachweisen, daß die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hier als sehr ausgewogen bezeichnet werden muß. Diese Feststellung gilt auch und gerade dann, wenn man, durch die Behandlung des Interessenabwägungsgebotes des A r t . 14 GG i n der bisherigen Rechtsprechung eigentlich vorgewarnt (vgl. § 10), die Rechtsprechung zum Entschädigungsschutz für Gewerbebetriebe kritisch daraufhin überprüft, ob die Interessen der A l l gemeinheit gegenüber dem Entschädigungsbegehren einzelner Betroffener ausreichend berücksichtigt worden sind. Darüber hinaus w i r d das Leistungskriterium i n einer weiteren Weise relevant werden. Das Enteignungsentschädigungsrecht für Gewerbebetriebe gehörte bisher zu den i n besonderer Weise von kasuistischen Einzelentscheidungen geprägten Rechtsgebieten 7 . W i r wollen i m folgenden aufzeigen, daß gerade die Orientierung am Leistungskriterium i n der Lage ist, eine weitreichende dogmatische Grundlegung für diese Kasuistik zu liefern. Sie ermöglicht die Einordnung der Einzelkasuistik i n ein System weniger überschaubarer Leitprinzipien oder „Grundsätze" i m Sinne Essers 6. I. Die dogmatische Sonderlage
1. Nach heute fast allgemein anerkannter Meinung fällt das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (R. a. e. u. a. G.) unter schuß v o m 30. 11. 1948, Prot. S. 26; wären auch technische Enteignungen i. S. d. A r t . 14 Abs. 3 GG als gesellschaftspolitisches Instrument verstanden worden, so wäre die Stimmabgabe der K P D sicher anders ausgefallen. 6 Nicht entschieden für die Enteignungslehre L . v. Steins hat sich das G r u n d gesetz i n der Entschädigungsfrage als solcher; i n L. v. Steins Entwährungslehre w a r ein Kernstück die Äquivalenz von Gut und Wert, d. h. die strikte Bindung an die Verkehrswertentschädigung, vgl. Verwaltungslehre, 7. Teil, 1868, S. 298; Handbuch der Verwaltungslehre, 2. Aufl., 1876, S. 586. A u f dieser Lehre baut heute noch Forsthoffs Entschädigungsauffassung auf; vgl. Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., 1973, S. 335. Es muß aber dem Grundgesetz w o h l unbenommen sein, sich von (Teilen!) der Entwährungslehre L . v. Steins zu lösen. 7 Z u r Darstellung der Entschädigungsgrundsätze bei Gewerbebetrieben s. insb. Badura, Entschädigung nach Enteignungsgrundsätzen anhand ausgew. Entscheidungen des B G H exempl. dargestellt f ü r den Eigentumsschutz des Anlieger-Gewerbebetriebes, 1971; Zuck, Gewerbebetrieb u n d Enteignungsentschädigung, 1971; s. weiterhin Battis, Erwerbsschutz durch Aufopferungsentschädigung, 1969. A l l e drei Darstellungen beziehen das Interessenabwägungsgebot als neuartige Entschädigungsbestimmung des Grundgesetzes i. S. d. hamburg. Deichurteils noch nicht ein; der Sache nach deckt sich die hier vertretene Sicht aber w o h l weitgehend m i t der Position von Battis. 8 Esser, Grundsatz u n d N o r m i n der richterlichen Fortbildung des P r i v a t rechts, 2 .Aufl., 1964, insb. S. 51 ff., S. 87 ff.
§ 18 Eingriffe i n Gewerbebetriebe
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den Begriff des Eigentums i. S. d. A r t . 14 GG 9 . Damit besteht, soweit ein enteignender Eingriff i n dieses Recht vorliegt, eine Entschädigungspflichtigkeit nach A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG. Hier taucht aber sofort ein spezifisches Problem auf, das nicht nur, aber insbesondere für die Entschädigungsfrage relevant w i r d und bei der zivilrechtlichen Behandlung des R. a. e. u. a. G. nach § 823 BGB eine Entsprechung besitzt. Es handelt sich u m die bekannte Frage, ob jede Einschränkung einer gewerblichen Betätigung Sereits als Eingriff i n den Gewerbebetrieb angesehen werden kann. I m Privatrecht w i r d das Problem so gelöst, daß man das R. a. e. u. a. G. nicht wie ein sonstiges absolutes Recht behandelt, sondern als ein unscharfes Rahmenrecht, dessen nähere Grenzen erst i m Wege der Interessenabwägung für die einzelnen Fallbereiche näher präzisiert werden müssen 10 ; andernfalls müßte jede direkte Benachteiligung von Gewerbebetrieben mit vermögensmäßigen Nachteilen bei Fehlen besonderer Rechtfertigungsgründe Entschädigungspflichten auslösen. Vor einer entsprechenden Problemlage steht man auch bei der Frage, wann gesetzliche oder administrative Einschränkungen des R. a. e. u. a. G. zwingend verfassungsrechtliche Entschädigungen auslösen. Würde man jeden „besonders" wirkenden Eingriff als Enteignung behandeln, sofern er nur bestimmte Gruppen oder einzelne Inhaber trifft, so könnten sich uferlose Entschädigungspflichten ergeben. 2. Eine saubere dogmatische Lösung ergibt sich aus der folgenden Erwägung. Das R. a. e. u. a. G. stellt ein besonderes Recht, nämlich ein Recht mit noch konkretisierungsbedürftigem Schutzbereich dar. Es muß daher auch für das Verfassungsrecht zunächst entschieden werden, was zur verfassungsrechtlich geschützten Rechtssphäre gehört und was außerhalb dieses Rechts verbleibt. Ist aber das Leistungskriterium adäquates Unterscheidungskriterium i n den herkömmlichen Fällen der Bestimmung des Entschädigungsminimums nach A r t . 14 Abs. 3 GG, so ist es auch adäquates K r i t e r i u m zur Bestimmung des Umfangs der entschädigungsrechtlich geschützten Sphäre bei Einwirkungen auf Gewerbebetriebe, sofern nur die
9 s. B G H Z 45, 296 ff.; Kimminich, Bonner Komm., Zweitb., A r t . 14, Rdnr. 20; Maunz, i n : Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 14, Rdnr. 32 m. w. N.; a. A. wohl, w e n n auch nicht eindeutig, Wiethölter, Z u r politischen F u n k t i o n des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, K r i t . Justiz, Bd. 3 (1970), S. 121 ff., 131; Wiethölters vehemente K r i t i k bezieht sich i n allererster Linie aber auf den Einbezug i n § 823 Abs. 1 BGB. 10 Vgl. B G H N J W 1963, 484, 485; N J W 1966, 1617, 1618 sowie die nähere Darstellung bei Soergel/Zeuner, § 823 BGB, Bern. 74 ff. Z u m „Rahmenrecht" auch Fikentscher, Schuldrecht, 4. Aufl., 1973, S. 619 ff.; ders., Das Recht am Gewerbebetrieb (Unternehmen) als „sonstiges Recht" i. S. d. § 823, Abs. 1 B G B i n der Rspr. des Reichsgerichts und des BGH, in: Kronstein-Festschrift 1967, S. 261 ff.; m i t sehr kritischen Vorbehalten zu dieser Behandlung des Gewerbebetriebes aber Ramm, Einf. i n das Privatrecht/Allg. T e i l des BGB, Bd. I I , § 42, S. 575 ff.
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I I I . Α. Vergleich m i t dem deutschen Entschädigungsrecht
besondere Lage des Tätigwerdens als Inhaber eines Gewerbebetriebes berücksichtigt wird. Danach muß das Leistungskriterium, u m der Unternehmerrolle gerecht zu werden, auf die Faktoren bezogen werden, an denen der gewerblich Tätige seine Investitionen ausrichtet. Das unternehmerische Risiko ist dadurch geprägt (wenn es seine Bezeichnung rechtfertigt), daß besonderen Risiken besondere Gewinnmöglichkeiten gegenüberstehen. Dem Tätigen muß selbst die Beurteilung überlassen bleiben, zu entscheiden, ob er vorsichtig oder gewagter investiert. Nur bei den Faktoren, die der Investition zugrunde liegen, kann das Leistungskriterium zur Entscheidung herangezogen werden. Diese Überlegungen rechtfertigen es und zwingen sogar dazu, bei Einschränkungen gewerbebetrieblicher Betätigungen eine Entscheidungsteilung vorzunehmen und das Leistungskriterium i n doppelter Weise einzusetzen. I m ersten Schritt ist es anzuwenden, u m über die Entschädigungsfähigkeit bestimmter Einschränkungen schlechthin zu bestimmen, d. h. anzugeben, wann überhaupt i n ein durch Art. 14 GG geschütztes Recht eingegriffen w i r d sowie wann dies nicht der Fall ist. I m zweiten Schritt ist es dann nochmals heranzuziehen, um festzustellen, wann und i n welcher Höhe bei Bejahung des Vorliegens einer Rechtsbeeinträchtigung eine Entschädigungspflicht zwingend nach Art. 14 GG gegeben ist. I I . Der Umfang des von Art. 14 G G entschädigungsmäßig geschützten Rechtes
1. Hier besteht die Aufgabe darin, aus den beiden Elementen des unternehmerischen Risikos (besonderes Risiko — dafür besondere Gewinnmöglichkeit) heraus das Leistungskriterium anzuwenden, um den Umfang des von Art. 14 GG geschützten Rechts zu bestimmen und damit anzugeben, wann auch bei tatsächlichem „Sonderopfer" nie eine Enteignung vorliegt. Entscheidend ist daher nicht die Investition als solche (auch nicht die Investitionsmöglichkeit, deren Entzug u. U. ganz erhebliche Vermögensschäden mit sich bringt), sondern die Leistungsgeprägtheit der Grundlagen der Investition. Untersucht man daraufhin die von der Rechtsprechung entwickelten näheren Grundsätze zur Frage des Umfanges des Schutzes gewerbebetrieblicher Betätigungen nach A r t . 14 GG, so ist festzustellen, daß bereits seit langem eine sachgerechte Differenzierung vorgenommen wurde, weil die Rechtsprechung sich, teils ausgesprochen, teils inzidenter, ebenfalls i n der dargelegten Weise am Leistungskriterium orientiert hat. Das zeigt sich, wenn man i m einzelnen untersucht, wo von der Rechtsprechung die Grenzen des Schutzes, damit aber auch die Grenze der Qualifizierung als Enteignung gezogen worden ist.
§18 Eingriffe i n Gewerbebetriebe
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a) Nach der Rechtsprechung ist die bloße Vernichtung von Chancen, Gewinnaussichten und Hoffnungen auf wirtschaftliche Betätigungsmöglichkeiten ohne Eingriff i n sonstige Rechtspositionen nie als Rechtseingriff anzusehen und stellt damit keine Enteignung dar 1 1 . Vom Leistungskriter i u m her gesehen ist das zutreffend, da bei bloßen Chancen des Betroffenen durch Arbeits- oder Kapitaleinsatz geschaffene Werte nicht berührt werden, obwohl auch durch bloße Chancenvernichtungen erhebliche Vermögensverluste eintreten können. b) Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz beschränkt sich auf Betriebe, die „eingerichtet und ausgeübt" sind. Das ist wiederum nicht selbstverständlich. Rein theoretisch wären zu dem Grundsatz, daß der „eingerichtete und ausgeübte" Gewerbebetrieb verfassungsrechtlich geschützt ist, zwei grundsätzliche Alternativen denkbar. Die erste Alternative bestünde darin, daß nicht n u r der eingerichtete u n d ausgeübte Gewerbebetrieb, sondern auch der noch nicht eingerichtete u n d ausgeübte Betrieb als der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie unterliegend anzusehen wäre; die zweite Alternative darin, daß auch der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb nicht als verfassungsrechtlich geschützt angesehen würde.
Beide Alternativen sind aber mit dem Leistungsprinzip nicht vereinbar. Denn die erste Alternative würde den verfassungsrechtlichen Schutz zu weit, die zweite hingegen den Schutzbereich zu eng fassen: Entzöge man auch dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb grundsätzlich den verfassungsrechtlichen Schutz, so würde dies bedeuten, daß man Vermögenswerte aus der Eigentumswertgarantie entließe, die zumindest teilweise, wenn auch nicht notwendig gänzlich, auf eigenen Kapital- und/ oder Arbeitseinsatz des Betriebsinhabers oder i h m zurechenbare Personen zurückgeführt werden können. Würde man andererseits auch den noch nicht eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb schlechthin dem verfassungsrechtlichen Schutz unterstellen, so hätte dies zur Folge, daß regelmäßig auch die Enttäuschung von bloßen Hoffnungen als entschädigungsauslösend angesehen werden müßte, wenn diese Enttäuschung i m Interesse der Allgemeinheit erfolgte. c) Nach der Rechtsprechung kann zwar nur ein Eingriff in die Substanz des e. u. a. Gewerbebetriebes eine Entschädigungspflicht auslösen. Zur 11 Dazu i m einzelnen Kröner, Die Eigentumsgarantie i n der Rspr. des BGH, 2. Aufl., S. 52 ff. m i t Nachweis zahlreicher Entscheidungen. Wenn der Verfasser es richtig versteht, zielt auf diese Beschränkung auch die Verwendung des Begriffs des „Genommenen" i n der allerjüngsten BGH-Rechtsprechung; vgl. dazu F. Kreft, Die Bemessung der Enteignungsentschädigung i n der Rspr. des BGH, DRiZ 1973, S. 335 ff.; wenn dem so ist, dann sollte dies klarer ausgesprochen werden (die oben i n § 10 I geäußerte K r i t i k ist i n diesem Sinn zu relativieren); zudem ist zu berücksichtigen, daß die Orientierung an dem „Genommenen" dann n u r auf das Gewerberecht, nicht auch auf das Bodenrecht paßt; sonst gelangt man unversehens wieder zur vollen Marktwertorientierung als genereller Grundgesetzentschädigung.
12 Opfermann
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I I I . Α. Vergleich m i t dem deutschen Entschädigungsrecht
Substanz gehört hierbei aber grundsätzlich nicht nur der gegenständliche Bestand des Betriebes, sondern der Betrieb als „Sach- und Rechtsgesamtheit", d. h. dazu gehören nicht nur Betriebsgrundstücke, Betriebsräume, Einrichtungsgegenstände, Warenvorräte und Außenstände, sondern auch geschäftliche Beziehungen und der Kundenstamm 1 2 . Auch diese Ausweitung des Schutzbereiches ist nicht selbstverständlich. W i l l man diese Ausdehnung dogmatisch fundieren, so erhebt sich die Frage, wie aus der Verfassung heraus begründet werden kann, daß die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG nicht nur Eingriffe i n die Substanz des Betriebes i m engeren Sinn, sondern den Betrieb als Rechts- und Sachgesamtheit schützt. Diese Rechtfertigung liefert wiederum das Leistungsprinzip. Nach dem Prinzip der Wertgarantie als Garantie i m Rahmen der Leistungsäquivalenz kann die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG deshalb nicht auf die Substanz des Gewerbebetriebes i m engeren Sinn, also auf die gegenständliche Einrichtung beschränkt werden, weil auch die „unkörperlichen" Elemente wie Geschäftsbeziehungen, die Kundschaft u. ä. jedenfalls teilweise auf Leistungen des Betriebes zurückführbar sind. Würde man diese Elemente daher ganz aus dem Schutz der Eigentumsgarantie herausnehmen, so würde dies dazu führen, daß Vermögenswerte nicht entschädigungsfähig wären, obwohl sie leistungsbezogen sind. d) Schließlich ist auch für die Frage, ob bei Eingriffen i n das Vertrauen auf das Bestehenbleiben der Rechtslage eine Enteignung anzunehmen ist, die grundsätzliche Grenzziehung gerade vom Leistungskriterium her einfach und i n sich sehr plausibel. Der Wert eines Gewerbebetriebes kann erheblich dadurch beeinträchtigt werden, daß Betriebe ihre Produktion auf den Bestand einer bestimmten gesetzlichen Regelung ausgerichtet haben. Es erhebt sich auch hier die Frage, in welchen Fällen die Enttäuschung des Vertrauens i n die einmal bestehende Rechtslage verfassungsrechtlich zwingend mit Entschädigungspflichten verknüpft ist. Dieses Problem ist besonders unter dem Gesichtspunkt eines Plangewährleistung sanspruches diskutiert worden 1 3 . Der B G H hat einen solchen Plangewährleistungsanspruch bisher zu Recht nicht voll anerkannt 1 4 , sondern die Berufung auf das Vertrauen 12
B G H Z 23,157; 45, 83; U r t e i l vom 7.12.1967 = N J W 1968, 293. Z u r Entwicklung des Plangewährleistungsanspruchs s. insb. Ehlermann, Wirtschaftslenkung und Entschädigung, 1957, S. 42 ff.; zu den nach 1949 vorgeschlagenen wichtigsten Lösungsansätzen insb. von Scheuner, Krüger, Ipsen, Kriele, Burmeister s. Egerer, Der Plangewährleistungsanspruch, 1971, S. 45 ff. 14 Entgegen erheblich weitergehenden Auffassungen i n der L i t e r a t u r ; s. dazu Egerer (Fußn. 13). A m weitestgehenden i n Bejahung einer verfassungsrechtlich aus A r t . 14 GG hergeleiteten Pflicht w o h l Burmeister, Z u r Staatshaftung für Planschäden der Wirtschaft, i n : Die V e r w a l t u n g Bd. 2 (1969), S. 21 ff., S. 43: bereits die begründete Aussicht auf die Planverwirklichung sei entschädigungsfeste Rechtsstellung i. S. d. A r t . 14 GG. Das i n A r t . 14 GG ent13
§18 Eingriffe i n Gewerbebetriebe
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i n das Bestehenbleiben der Rechtslage mit dem Argument zurückgewiesen, daß diese Fälle i n das unternehmerische Risiko gehören 15 . Eine Ausnahme gelte nur für den Fall, daß durch besondere Umstände i m Einzelfall ein Vertrauenstatbestand begründet werde, so wenn der Unternehmer von behördlicher Seite „unter Hinweis auf geltende Bestimmungen und ein öffentliches Interesse zu erhöhten Aufwendungen und Investitionen veranlaßt worden" ist 1 6 . Die Ablehnung des Einbezugs i n die Entschädigungsgarantie bei solchen Eingriffen ist wiederum nicht selbstverständlich. Denn der wirtschaftliche Wert eines Betriebes kann i n erheblichem Maße von dem Bestehenbleiben der Rechtslage abhängig sein. Erst das Leistungskriterium liefert hier auch die Begründung, daß die Veränderung der Rechtslage als solche die Enteignungsqualität noch nicht begründen kann. Die Begründung, m i t der der B G H selbst grundsätzlich die Entschädigungspflicht i n diesen Fällen verneint, ist ebenfalls ausdrücklich am Leistungsgedanken orientiert. Wie der B G H ausführt, beruht die Versagung der Entschädigung wegen Vertrauens auf die einmal bestehende Rechtslage auf den „ g r u n d sätzlichen Erwägungen", daß „nicht alle tatsächlichen Umstände u n d bestehenden Rechtsregelungen, die sich günstig f ü r den Gewerbebetrieb auswirken und die der Inhaber sich zunutze macht", nach A r t . 14 GG als geschütztes Eigent u m anzusehen sind, denn „der Inhaber des Betriebes kann die gegebene Rechtslage nutzen, er schafft u n d gestaltet sie (aber) nicht" 1 7 .
2. Insgesamt erhalten w i r somit das Ergebnis, daß gerade das Leistungskriterium für die kasuistisch aufgesplitterte Rechtsprechung zum R.a.e.u.a.G. eine dogmatisch allgemein tragfähige Begründung dafür abgibt, warum i n den einzelnen Randbereichen dieses Rechts die Grenzziehung vom verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz her gerade so und nicht anders gezogen werden muß. Bei rein wirtschaftlicher Betrachtungsweise, die nicht die materielle Zurechnung nach der Leistung interessiert, hätte es näher gelegen, rein die Differenz zwischen tatsächlichem und denkbarem Vermögensstand als ausschlaggebend anzusehen und immer dann, wenn ein solcher Vermögensschaden einzelne besonders trifft, eine Enteignung anzunehmen. Wenn gleichwohl der B G H hier i n so starkem Maß auf das Leistungskriterium abgestellt hat, (was i m Ergebnis zu einer stärkeren Berücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit führt) so verwundert es, daß der B G H — von Ausnahmen abhaltene Gebot, bei Bemessung des Umfangs von Entschädigungspflichten auch an das Entlastungsinteresse der Allgemeinheit zu denken, w i r d hierbei übergangen und n u r aus der Sicht des Betroffenen für möglichst weiten Vertrauensschutz plädiert. 15 s. insb. B G H Z 45, 83 ff. (Schutzzoll); N J W 1964, 769 (Märchenfilm); N J W 1968, 293 (Kfz-Ausrüstung) sowie die Übersicht über die Rechtsprechung zum Problem i n der A n m e r k u n g von R. Schmidt, N J W 1968, 791. 16 B G H Z 45, 87 f. u n d N J W 1968, 294. 17 N J W 1968, 293/4. 12*
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I I I . Α. Vergleich m i t dem deutschen Entschädigungsrecht
gesehen 18 — nicht auch i m Bodenrecht zu diesem K r i t e r i u m gegriffen hat, u m zu einer differenzierenden Bestimmung des Entschädigungsminimums zu gelangen. I I I . Entschädigung bei enteignenden Eingriffen
1. Liegt einmal ein enteignender Eingriff i n einen Gewerbebetrieb vor, so w i r d zwar zwingend nach der Verfassung die i n Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG enthaltene Entschädigungspflicht ausgelöst, das bedeutet aber keineswegs, daß hiermit stets der gesamte Schaden ersetzt werden muß. Schon die frühere Rechtsprechung des BGH, die ja unzutreffenderweise von einer faktischen Gleichsetzung von „angemessener" Entschädigung m i t Entschädigung nach der Interessenabwägung ausging, enthielt den Grundsatz, daß die Enteignungsentschädigung m i t vollem Schadensersatzanspruch nicht identisch ist 1 9 . Der B G H hatte damit die in der Literatur vereinzelt gestellte Forderung abgelehnt, die Enteignungsentschädigung zum Schadensersatzanspruch auszubauen 20 . Noch stärker muß von der Schadensersatzebene abgerückt werden, wenn man den Charakter der Interessenabwägung als bewußten Mittelweg zwischen freiem Entschädigungsspielraum des Gesetzgebers und Bindung des Gesetzgebers an die „angemessene" Entschädigung berücksichtigt. Das gilt unabhängig davon, ob man, wie i n der vorliegenden Weise, das Leistungskriterium heranzieht, oder ob man i n sonstiger Weise von einem gebundenen Entschädigungsspielraum des Gesetzgebers ausgeht. Denn auch schon nach der vom Bundesverfassungsgericht explizit vertretenen Auffassung (BVerfGE 24, 367, 420 f.) entscheiden ja erst die jeweiligen Umstände darüber, ob und inwieweit das volle Äquivalent zu dem Genommenen ersetzt werden muß. 2. Eine Entschädigungsreduzierung ist schon immer ohne Rücksicht auf Leistungskriterien i n dem Umfang zulässig, i n dem der Schaden i n bestimmter Höhe durch beliebige, aber konkret belegbare finanzielle Vorteile des Gewerbebetriebes ausgeglichen wird. Hierfür kann hinsichtlich des zulässigen Umfanges i m wesentlichen auf die oben i n § 17 I V gemachten Ausführungen verwiesen werden. 18 Eine bemerkenswerte Ausnahme findet sich i m Waldfriedhofsurteil, B G H Z 28, 160, 162 f.; dort w i r d festgestellt, wenn auch i m Rahmen eines „obiter dict u m " , daß eine andere Betrachtung (d. h. eine Berücksichtigung bei der E n t schädigung) f ü r den Sonderfall geboten sei, daß der Grundstückseigentümer die Qualität des Grundstücks durch eigene Leistung (!) verbessert hat. 19 s. die Übersicht bei Kröner (Fußn. 11), S. 89. 20 So insb. E. Schneider. Rezension der BGH-Entscheidung v o m 6. 12. 1956, N J W 1966, 495.
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Problematisch kann die Zulässigkeit der Vorteilsanrechnung werden, wenn zweifelhaft ist, ob es sich überhaupt um Vorteile des Gewerbebetriebes handelt. Hier w i r d man, zugegebenermaßen topisch, differenzieren müssen, ob es sich um Vorteile handelt, die der Betroffene als „ B ü r ger unter Bürgern" oder i n seiner Eigenschaft als Inhaber des Gewerbebetriebes erfährt 2 1 . Die Unterscheidung kann von praktischer Relevanz werden, wenn zweifelhaft ist, ob bestimmte Vorteile bloße nichtanrechenbare Annehmlichkeiten darstellen, oder ob es sich um echte Vorteile handelt. Immer dann, wenn der Gewerbebetrieb als Betrieb nachweisbar finanzielle Vorteile durch die Enteignung erhält, muß es als gerechtfertigt angesehen werden, wenn die Entschädigungsbelastung zugunsten der öffentlichen Hand entsprechend reduziert wird. Muß z. B. ein Gewerbebetrieb einen kleineren T e i l eines Betriebsgrundstückes f ü r Straßenbauveränderungen abgeben u n d ergibt sich hieraus eine Erweiterung der Parkflächen i n unmittelbarer Umgebung des Betriebes, so kann diese Veränderung nicht angerechnet werden, sofern n u r der Inhaber als solcher eine bequemere Parkmöglichkeit dadurch erhält. K a n n hingegen nachgewiesen werden, daß geplante zukünftige Garagen f ü r Betriebsfahrzeuge oder erforderliche Parkflächen f ü r Betriebsangehörige durch die Enteignung gespart werden, so steht v o n A r t . 14 GG her gesehen nichts i m Wege, w e n n solche Vorteile angerechnet werden 2 2 . Nötigenfalls müssen auch hier die finanziellen Vorteile f ü r den Betrieb geschätzt werden.
3. I n den meisten Enteignungsfällen durch Eingriffe in Gewerbebetriebe werden keine Vorteilsanrechnungen zum Zuge kommen. Dann ergeben sich für das verfassungsrechtliche Entschädigungsminimum die folgenden einzelnen Folgerungen aus dem Leistungskriterium. Alle hergestellten Sachen, also Betriebsgebäude, Maschinen usw. sind nach dem Verkehrswert zu entschädigen. Denn i n i h m drückt sich jeweils die aufgewendete Arbeit und der aufgev/endete Kapitaleinsatz aus. Das gilt auch, wenn der Verkehrswert für die Substanz des jeweiligen Gegenstandes steigt. Es spielt also keine Rolle, wenn der momentane Verkehrswert der Sache größer ist als der Verkehrswert bei Errichtung des Gebäudes, wenn sich i n dem unterschiedlichen Preis nur die Veränderung der jeweils erforderlichen Herstellungskosten ausdrückt (Preissteigerung für Material, für Löhne usw.). Bei derartigen Kostensteigerungen ist der gegenwärtige Preis als adäquates Leistungsäquivalent anzusehen. 21 Anders offenbar z. T. die französische Enteignungslehre, worauf Luhmann, öffentlichrechtl. Entschädigung rechtspolitisch betrachtet, S. 160 ff., 184, h i n weist; danach kommt es w o h l nicht darauf an, ob es sich u m allgemeine oder betriebliche Vorteile handelt. 22 Unwichtig ist aber, w i e bereits oben analog zum Bodenrecht dargelegt (§ 17 IV), ob nur dieser Betrieb oder auch andere i n den Genuß der (finanziell meßbaren) Vorteile kommen. Das Grundgesetz hebt, wie A r t . 14 GG klarstellt, p r i m ä r auf die Interessengewichtung, nicht auf den Vergleich m i t anderen ab, die n u r tatsächlich besser dastehen.
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Bei sonstigen Vermögenswerten muß jeweils i m einzelnen geprüft werden, i n welchem Ausmaß der jeweilige Vermögensschaden auf Leistungen zurückführbar ist. Hierzu w i r d auf die i n I 1 a) - d) enthaltenen Ausführungen verwiesen. I V . Der Ersatz von Folgeschäden und entgangenem Gewinn
1. Bereits oben i n § 13 I I (Fallgruppe III) wurde darauf hingewiesen, daß u. U. nach der Interessenabwägung der Verkehrswert für das entzogene Gut oder die Rechtsbeeinträchtigung nicht ausreicht, um das mit Art. 14 GG vereinbare Entschädigungsminimum zu erreichen. Ein solcher Fall liegt insbesondere bei den sog. Folgeschäden vor. I m Ergebnis deckt sich dies teilweise mit der i n der Rechtsprechung bereits anerkannten zwingenden Verpflichtung zum Ersatz von Folgeschäden 23 . Nach dem oben i n den §§ 4 und 5 dargestellten Interpretationsbefund ergibt sich indes eine völlig andere theoretische Begründung des Ersatzes von Folgeschäden und ζ. T. auch des Umfanges des zwingenden Ersatzes solcher Folgeschäden. Der Ersatz von Folgeschäden ist gesetzlich i n § 96 BBauG wie auch i n mehreren Landesgesetzen 24 verankert. Nach der Auffassung des B G H stellt die Entschädigung solcher Nachteile, die für den Betroffenen als erzwungene und unmittelbare Folge der Enteignung eintreten, nicht nur eine gesetzliche Verpflichtung, sondern „einen allgemeinen Grundsatz des Enteignungsrechts dar", der seine „Grundlage heute i n der Entschädigungsregelung des Art. 14 GG" findet 25. Die vom B G H gegebene Begründung 2 6 geht davon aus, daß die Neueinführung der Interessenabwägung i m Grundgesetz zur Folge habe, daß zuweilen das Grundgesetz eine über die „angemessene" Entschädigung von Weimar hinausgehende Entschädigung gebiete, weil besondere Umstände aus der Interessenabwägung eine gesteigerte Entschädigung über den Stand der angemessenen Entschädigung erzwingen. 23 s. insb. B G H N J W 1966, 493 ff. und B G H Z 55, 294 ff.; jeweils m i t Hinweis auf frühere Entscheidungen des BGH. Eine zusammenfassende Darstellung des Standes bis 1969 gibt Kröner (Fußn. 11), S. 89 f. 24 Vgl. § 5 hamb. EnteigG; § 4 beri. EnteigG; § 5 brem. EnteigG. 25 B G H Z 55, 294, 297. 26 So insb. i n der f ü r die Behandlung von Folgeschäden besonders bedeutsamen „Schlachthof-Entscheidung" v o m 6. 12. 1965, N J W 1966, 493, 495; i n i h r w i r d ausgeführt, daß die Nichtanerkennung von Folgeschäden zu einer „oft als unangemessen empfundenen Lösung" geführt habe. Das ist ein — von A r t . 14 GG aus betrachtet — stets problematischer Topos: er verführt leicht dazu, die Entschädigungsbemessung n u r von den (legitimen) Wünschen der Betroffenen aus zu bestimmen, anstatt, wie es A r t . 14 GG vorschreibt, auch die Interessen der Allgemeinheit an Entschädigungsentlastung als gleichberechtigt zu behandeln.
§18 Eingriffe i n Gewerbebetriebe
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Die Begründung kann i n dieser Form nicht oder jedenfalls nur i n sehr modifizierter Weise aufrechterhalten werden. Art. 14 GG hat, wie oben i n §§ 4, 5 belegt, ja die Entschädigungspflicht an sich nicht gegenüber der „angemessenen" Entschädigung erhöhen, sondern verringern sollen. Nun galt ja schon nach der „angemessenen" Entschädigung für Enteignungen, daß nur der Substanzverlust, nicht der gesamte Schaden zu ersetzen war 2 7 . Greift man ohne Berücksichtigung dieses Tatbestandes auf die Interessenabwägung zurück, um eine Billigkeitserwägung (Ersatz über den Substanzwert hinaus) damit verfassungsfest zu machen, so verkehrt man den Sinn der Verfassungsregelung und übergeht die klare Intention der Verfassung, nicht noch über den Stand der „angemessenen" Entschädigung hinaus die öffentliche Hand zu belasten. Erst recht ist die Begründung unhaltbar, daß der Entschädigungsanspruch nach Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG einem echten ScKadensersatzanspruch gleichzustellen wäre, weil die Sozialgebundenheit des Eigentumes keinen Erklärungswert besitze 28 . Diese Auffassung führt zu einer völligen Umkehr der dem Abwägungsgebot von dem Verfassunggeber zugedachten Funktion. Die Begründung für den Ersatz von Folgeschäden muß daher umgekehrt verlaufen. Obwohl die Interessenabwägung den Gesetzgeber nicht einmal an die „angemessene" Entschädigung binden w i l l , erfordert bei bestimmten Folgeschäden das Abwägungsgebot sogar eine über den Verkehrswert hinausgehende Entschädigung, weil nämlich in diesen Fällen die gleichen Gründe, die sonst die Reduzierung der Entschädigung rechtfertigen, hier die Erhöhung der Entschädigung über dem Verkehrswert gebieten (Schutz geschaffener Werte). Nicht jeder Folgeschaden ist danach aufgrund von Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG verfassungsrechtlich zwingend zu ersetzen, sondern immer nur derjenige hierbei betroffene Vermögensschaden, der auch dann zu ersetzen wäre, wenn er sich unmittelbar als Substanz"-Schaden darstellen würde. Das bedeutet, daß bei der Bestimmung der Entschädigungspflicht zu differenzieren ist. Ist der Folgeschaden seiner gesamten Höhe nach so beschaffen, daß ausschließlich durch eigenen Kapital- und/oder Arbeitseinsatz geschaffene Werte vernichtet oder entzogen werden, so ist der gesamte Folgeschaden zu ersetzen; ist dies nur teilweise der Fall, so muß in dessen Höhe der Schaden ausgeglichen werden. Handelt es sich schließlich um Folgeschäden, die ausschließlich nicht durch eigene Leistung geschaffene oder nicht mit eigenem Vermögen erworbene Werte betreffen, so entfällt eine Entschädigungspflicht gänzlich. 27 Z u den Konsequenzen f ü r die Berücksichtigung von Folgeschäden i n der Rechtsprechung des Reichsgerichts s. die Übersicht bei Eger, Preuß. Enteignungsrecht, 3. Aufl., Bd. 1, S. 185 ff. 28 So explizit E. Schneider, Rezension der SchlachthofentScheidung des BGH, N J W 1966, 495.
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2. Anhand dieser grundsätzlichen Einordnung des Ersatzes von Folgeschäden i n die Interessenabwägung ergeben sich ζ. B. die folgenden Differenzierungen. a) Wertminderung des Restbereiches: Die Typik dieser Schäden besteht darin, daß über den entzogenen Gegenstand hinaus andere Gegenstände eine Wertminderung erlitten haben. I n diesen Fällen muß analysiert werden, ob die zusätzliche Wertminderung Leistungsfaktoren berührt. W i r d ζ. B. von einem Grundstück ein Teil enteignet, und verliert dadurch das Restgrundstück an Wert, so ist zu unterscheiden. Hat die überschießende Wertminderung ihren Grund i n besonderen sich aus der jeweiligen Lage des Grundstücks ergebenden Faktoren, so entfällt eine Entschädigungspflicht für diesen Folgeschaden. Denn die besondere Lage war nur ein günstiger Umstand, den der Betroffene zwar nutzen durfte, dessen vermögensmäßige Auswirkungen aber nicht nach A r t . 14 GG verfassungsrechtlich entschädigungsfest garantiert sind. Anders ist es für solche Auswirkungen, bei denen i n dem Restgrundstück Werte vernichtet werden, die durch Arbeits- und Kapitaleinsatz geschaffen wurden. Ein solcher Fall liegt ζ. B. vor, wenn Gebäude oder bestimmte Einrichtungen durch die Teilabtretung des Grundstückes ihren Sinn verlieren oder zumindest nur gemindert genutzt werden können. I n diesen Fällen muß der Folgeschaden ebenfalls zwingend ersetzt werden. b) Entschädigung von Neuerwerbskosten: Hierzu gehören Folgeschäden i n Form von zusätzlichen Maklerkosten, sonstigen zusätzlichen Vertragskosten, aber auch Aufschließungskosten für ein neues, bisher nicht baureifes Gelände, der Kaufpreis für den Erwerb eines gleichartigen neuen Grundstücks und ähnliches. Der B G H hatte insbesondere i n der „Schlachthof-Entscheidung" Grundsätze für den Ersatz solcher Folgeschäden aufgestellt 29 . Danach sind weder der Kaufpreis f ü r ein gleichartiges neues Grundstück noch die M a k l e r - und Vertragskosten zu erstatten. Denn diese Kosten gelten nach Auffassung des Gerichts als durch den „reichlich bemessenen" Entschädigungsbetrag abgegolten. Auch die Baukosten f ü r die Herstellung eines neuen Betriebes sowie die Kosten f ü r die Aufschließung eines neuen bisher nicht baureifen Grundstückes sind nicht zu ersetzen. Dagegen müsse „nach geläuterter, verfassungskonformer Auslegung des Preuß. Enteignungsgesetzes" Ersatz f ü r die Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung oder Rechtsverfolgung sowie für höhere Steuerzahlungspflichten als Folge der Enteignung geleistet werden, sofern sie von einem „verständigen Eigentümer i n der gegebenen Lage vernünftigerweise getroffen" worden waren.
Diese Grundsätze sind wiederum auf der Grundlage der „Fortführungstheorie" m i t positiver Ausweitungstendenz entwickelt, d. h. sie gehen von der Auffassung aus, A r t . 14 GG beinhalte grundsätzlich das Gebot der „angemessenen" Entschädigung und lasse darüber hinaus i m , 3
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Wege der Interessenabwägung zusätzlichen Ersatzansprüchen Raum. Sie können daher nur i n modifizierter Form übernommen werden, wenn man davon ausgeht, daß i n Art. 14 GG mit der Interessenabwägung eine schwächere Entschädigungsbelastung als mit der „angemessenen" Entschädigung eingeführt wurde. Einer Revision bedarf zunächst die Begründung, bestimmte Neuerwerbskosten seien deshalb grundsätzlich nicht entschädigungspflichtig, weil sie durch den „reichlich bemessenen Entschädigungsbetrag" m i t abgegolten sind. Eine solche Entschädigungsbemessung ist von der Verfassung her nicht gefordert, vielmehr widerspricht es dem Sinn des Abwägungsgebotes, eine solche Entschädigungsbemessung gesetzlich anzuordnen. Sofern die Substanzentschädigung über das Minimum des A r t . 14 GG allerdings hinausgeht und „reichlich" bemessen ist, steht von A r t . 14 GG her nichts i m Wege, ja ist es von der Interessenabwägung sogar gefordert, daß dieser Umstand bei der Entschädigungsbemessung für Folgeschäden berücksichtigt wird. Wenn der Gesetzgeber i n der Substanzentschädigung indes „keine reichliche" Entschädigung bestimmt hat, sondern sich auf das Entschädigungsminimum beschränkt, muß anders differenziert werden. Es kommt dann darauf an, ob und inwieweit bei fehlendem Ersatz der Wiederbeschaffungskosten auch Werte unersetzt bleiben, die auf Leistung des Betroffenen zurückgeführt werden können. Alle günstigen bloßen Umweltfaktoren des entzogenen Gutes oder Rechtes, so die besondere Lage des Grundstückes, die Lage des Gewerbebetriebes u. ä., stellen Faktoren dar, die auf glücklichen Umständen beruhten und dem Betroffenen ermöglichten, sie für eine Zeitlang besonders gewinnbringend zu nutzen. Solche Faktoren sind aber grundsätzlich nicht entschädigungspflichtig. Muß der Betroffene, um ein gleichartiges neues Grundstück zu erwerben, also z. B. einen wesentlich höheren Kaufpreis entrichten, zusätzliche Makler- oder Vertragskosten bezahlen, so besteht nach Art. 14 GG keine Verpflichtung zum Ersatz dieser Schäden. Andernfalls käme man zum Ergebnis, einen ohne eigenes Zut u n ausnutzbaren günstigen Umstand in alle Zukunft vermögensmäßig verfassungsfest zu machen. Anders ist es hingegen mit Baukosten für ein neues Gebäude und Aufschließungskosten für ein bisher nicht baureifes Gelände, auf dem ein neuer Betrieb errichtet werden muß. Da nach dem Prinzip des Leistungsäquivalentes alles entschädigt werden muß, was der Betroffene an Geld oder Arbeitseinsatz bisher i n zulässiger Weise investiert hatte, sind auch zusätzliche Baukosten und Aufschließungskosten zu ersetzen. Gleiches gilt dann auch für Maklergebühren und sonstige Vertragskosten. 3. Bei der Enteignungsentschädigung für Eingriffe i n Gewerbebetriebe spielt eine besondere Rolle die Frage, ob der entgangene Gewinn ent-
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schädigungspflichtig ist. Bei der Beantwortung dieser Frage ist ebenso wie bei den Folgeschäden zu differenzieren. Sofern bereits bei der reinen Substanzentschädigung eine reichlichere Entschädigung erfolgte, als es der Interessenabwägung des Art. 14 GG entspricht, kann dies bei der Entschädigung des entgangenen Gewinnes berücksichtigt werden. I m übrigen ist wiederum nach Leistungskriterien zu unterscheiden. Danach ist für den Einbezug des entgangenen Gewinnes maßgeblich, inwieweit dieser von Leistungsfaktoren bestimmt wird. Sofern der entgangene Gew i n n nur die gewöhnliche Amortisation erbrachten Kapitaleinsatzes oder erbrachter Arbeitsleistung darstellt, ist er zwingend von Art. 14 GG her zu entschädigen. Das ist ζ. B. bei Verlust von Mieteinkünften für Wohnungsgebäude wie für gewerblich genutzte Gebäude regelmäßig der Fall. Anders ist die Rechtslage, sofern nur die reine Vermietungs- oder Verpachtungsmöglichkeit zukünftig zu errichtender Gebäude entzogen wird. Sowreit hier keine bereits erbrachten Investitionen nutzlos werden, braucht nicht entschädigt zu werden. Auch bei Eingriffen in Geschäftsbetriebe sollte unterschieden werden. Muß ein Geschäft verlegt werden, so kommt es für die Frage, ob der entgangene Gewinn zu entschädigen ist, darauf an, worauf sich dieser eigentlich stützt. I n vielen Fällen ist der Umsatzverlust i n großem Ausmaß lagebedingt, also nicht auf Leistung des Betroffenen zurückführbar. Dann ergibt sich eine zwingende Entschädigungspflicht nur und insoweit, als der Inhaber nachweisen kann, daß er wegen dieser Lage einen Kaufpreis bezahlt hat, der den reinen Substanzwert des Geschäftes übersteigt. I n den übrigen Fällen ist das verfassungsrechtliche Minimum erfüllt, wenn die öffentliche Hand ζ. B. dem bisherigen Inhaber anbietet, die Kosten für die Errichtung des Betriebes i n gleichem Umfang an anderer Stelle zu tragen, wobei diese Stelle aber nicht dieselbe günstige Lage haben muß, wie diejenige, von der der Inhaber verdrängt worden ist. Handelt es sich hingegen nicht um Verlust des entgangenen Gewinnes durch ζ. B. Entzug der Laufkundschaft, sondern um feste, also durch Werbung, Geschäftskontakt u. ä. erst herangezogene Kundschaft, so muß auch der entgangene Gewinn als auf Leistung des Betroffenen zurückführbar angesehen werden. Freilich zeigt sich hier, daß es einer Entschädigung dann insoweit weitgehend nicht bedarf. Denn wenn dem Betroffenen die Kosten für die Errichtung eines Betriebes an anderer Stelle ersetzt werden, w i r d die Stammkundschaft i n der Regel erhalten bleiben. V. Entschädigung bei Eingriffen durch Straßenbauarbeiten 30
1. Bei der Frage, inwieweit Beeinträchtigungen von Gewerbebetrieben, insbesondere von Geschäften, durch Straßenbauarbeiten nach der 30
s. dazu auch die Fallsammlung von Badura (Fußn. 7), S. 33 ff.
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Interessenabwägung des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG entschädigungspflichtig sind, ist scharf zwischen vermeidbaren, unverhältnismäßigen oder sonst rechtswidrigen Eingriffen einerseits und rechtmäßigen Beeinträchtigungen andererseits zu unterscheiden. W i r beschränken uns wiederum ausschließlich auf die Frage, welche Entschädigungsregelungen als verfassungsrechtliches M i n i m u m bei der letzteren Fallgruppe anzusehen sind und daher vom Gesetzgeber nicht unterschritten werden dürfen 3 1 . Ausgangspunkt der Bestimmung des Entschädigungsminimums ist wiederum das Leistungskriterium. Es zeigt sich dann aber, daß bei Beeinträchtigungen der Verkehrsverhältnisse durch Bauarbeiten eine ganz spezielle Falltypik vorliegt, so daß nur durch eine differenzierte Bestimmung des Entschädigungsminimums sachgerecht dem Leistungsgesichtspunkt Rechnung getragen werden kann. Einerseits gilt, daß der vorüberfließende Verkehr i n seiner jeweiligen Stärke und Beschaffenheit (Autoverkehr, Fußgänger-Verkehr usw.) es dem Geschäftsinhaber ermöglicht, i n besonders starkem Ausmaß nicht auf eigener Leistung beruhende Faktoren auszunutzen. Bei diesen Faktoren handelt es sich teilweise um verkehrsimmanente Umstände, teilweise um verkehrslenkende Maßnahmen der Behörden 32 . I n beiden Fällen ergibt sich, daß, auch wenn der Wert des Geschäftes ganz wesentlich von diesen Umständen bestimmt sein mag, es bei solchen Vermögenswerten nur um die Ausnutzung von Chancen, nicht aber um Leistungsäquivalente geht. Andererseits gilt aber, daß zwischen dem Kapital- und Arbeitseinsatz durch Errichtung und Erhaltung eines Geschäftes oder sonstigen Gewerbebetriebes und dem Gemeingebrauch eine besondere sachliche Beziehung besteht. Diese Beziehung besteht darin, daß zwar die Qualität des Gemeingebrauches, die Dichte des jeweiligen Verkehrsflusses, die A r t der Verkehrsteilnehmer (Autostraße, Fußgängerstraße, Haupt- oder Nebenstraße) nicht auf Leistungen des Betroffenen beruht, aber die Leistungen der Gewerbeerrichtung als solche schlechthin sinnlos werden, wenn es nicht mehr möglich ist, den Verkehr zu nutzen, weil der Zugang zur Straße entzogen wird. I n diesem Fall w i r d nicht nur das »Wie' der Ausnutzung der Umstände der Verkehrssituation, sondern das ,Ob' tangiert. Während i m ersten Fall der Betroffene sich selbst entscheiden kann, ob er i m Vertrauen auf das 31 Soweit es u m die Enteignung von Acker-, Wiesen- oder Forstgelände zu Straßenbauzwecken geht, kann auf die oben i n § 17 zum Bodenrecht dargelegten Grundsätze verwiesen werden. I m Folgenden geht es n u r u m speziell gewerberechtliche Probleme. 32 Eine detaillierte Analyse der einzelnen Faktoren findet sich bei Ganzschezian-Finck, Schädigung von Gewerbebetrieben durch Beschränkung des Straßenverkehrs, N J W 1969, S. 161 ff.
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Bestehen der Verkehrslage stärker investiert und damit höheres Risiko trägt (damit aber auch größeren Gewinn erzielen kann) oder nicht, ist i m anderen Fall der Zugangssperre eine solche Entscheidungsalternative m i t Risiko-Gewinn-Symmetrie™ nicht gegeben. Sofern der Zugang selbst versperrt wird, w i r d nicht nur eine bestimmte gesteigerte Investition, sondern praktisch jede Investition sinnlos. Dem kann der Inhaber daher auch nicht durch vorsichtiges Disponieren begegnen. Eine leistungsbezogene Bestimmung der Entschädigungspflicht bei Einwirkungen von Straßenbauarbeiten ist daher dann gegeben, wenn sie den aufgezeigten charakteristischen Eigenheiten der Beziehung zwischen Kapital- und Arbeitseinsatz des Geschäftsinhabers einerseits und den Veränderungen der Verkehrslage, des Gemeingebrauchs sowie der Angewiesenheit auf den Zugang andererseits Rechnung trägt. Das geschieht dadurch, daß eine Vertrauensgarantie i n Form zwingender Entschädigung nur bei Entzug der Zugangsmöglichkeit selbst anzunehmen ist. I n diesen Fällen ist daher auch ein enteignender Eingriff zu bejahen. Anders ist es hingegen dann, wenn es sich um Leistungen handelt, bei denen durch sonstige Veränderungen der Verkehrslage, des Gemeingebrauchs usw. die Ausnutzbarkeit sich verringert und der Geschäftsinhaber Schäden erleidet. Hier k o m m t als Ausdruck des unternehmerischen Risikos v o l l zum Tragen, daß es Sache des Betroffenen ist, dafür zu sorgen, daß seine Investitionen sich den Veränderungen i n der f ü r i h n günstigen U m w e l t rasch genug anpassen können. U n b i l l i g ist dies auch nicht gegenüber anderen durch hoheitliche enteignende Eingriffe Betroffenen, bei denen nach dem Leistungskriterium jeder Kapitaleinsatz grundsätzlich geschützt ist. Denn bei der Ausrichtung auf günstige Umstände der Verkehrslage u n d ähnliche Faktoren hat der unternehmerisch Tätige j a die Chance, ganz unabhängig v o n der Leistung erhebliche Gewinne zu erzielen (wer ein Geschäft an einer günstigen Hauptstraße eröffnet, verdient bei gleicher Leistung eben wesentlich mehr als der Inhaber eines gleichartigen Geschäfts i n einer 100 m entfernten Nebenstraße).
2. Die Rechtsprechung hat bisher schon genau diesen besonderen Beziehungen zwischen Leistungsschutz und unternehmerischem Risiko sachgerecht Rechnung getragen, indem sie differenziert hat. Danach gilt 3 4 , daß die rechtmäßigen Veränderungen der Gemeingebrauchsqualität oder der reinen Verkehrslage als solche keinen Entschädigungsanspruch auslösen können. Das gilt auch dann, wenn der Vermögensschaden sehr erheblich ist und den einzelnen Geschäftsinhaber i m Vergleich zu anderen ungleich t r i f f t und von i h m als „besonderes Opfer" empfunden wird. Wohl zutreffend hat die Rechtsprechung hingegen eine nach Art. 14 1 GG 33 A u f die Risiko-Gewinn-Symmetrie hebt, wenn auch ohne diese Bezeichnung, auch Kreft als entscheidende Begründung der restriktiven Entschädigungsverpflichtung ab; vgl. Kreft, Aufopferung u n d Enteignung, S. 20. 3 . in B 7, f .
§18 Eingriffe i n Gewerbebetriebe
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geschützte Rechts- und nicht nur tatsächliche Position angenommen, soweit der Zugang zur Straße selbst betroffen ist 3 5 . Freilich ist es von der Verfassungskonkretisierung des A r t . 14 GG her gleichgültig oder genauer: funktional äquivalent, ob m a n m i t der h. M . ein solches Zugangsrecht als Bestandteil des Anliegerrechtes als Ausfluß des Grundeigentums ansieht 3 6 oder ob m a n ein eigenständiges, v o m Grundeigentum losgelöstes Anliegerrecht annimmt. Denn die Eigentumsgarantie des A r t . 14 GG läßt j a die konstruktiven Wege offen, i n denen i m einzelnen das gleiche E r gebnis erzielt w i r d .
Bei der Höhe der Entschädigung muß, wenn i n das Anliegerrecht durch Zugangssperre oder wesentliche Beeinträchtigung des Zugangs enteignend eingegriffen wird, wiederum differenziert werden, inwieweit der dadurch verursachte Schaden leistungsorientiert ist oder nicht. Sofern durch Straßenbauarbeiten die Zufahrt zu einem anliegenden Grundstück unmöglich w i r d oder wesentlich erschwert wird, ist der Aufwand zu entschädigen, den die Schaffung der notwendigen neuen Zufahrtsanlagen erfordert 3 7 . Anders ist es hingegen, sofern nicht permanent die Zufahrt beschnitten wird, sondern nur zeitweilig blockiert wird. Hier erscheint es zweckmäßig, auf einen Grundgedanken des Hamburgischen Wegegesetzes v. 4. 4. 196138 zurückzugreifen. Nach dieser Regelung w i r d für vorübergehende Beeinträchtigungen durch Bauarbeiten zunächst ein Entschädigungsanspruch bei Existenzgefährdung gegeben. Das ist zwar, wie dargelegt, von A r t . 14 GG her nicht für jeden Fall einer Beeinträchtigung durch Bauarbeiten geboten; wohl aber ist es sachgerecht, bei Sperrung der Zufahrt entsprechend dieser hamburgischen Regelung 39 als verfassungsrechtliches Entschädigungsminimum eine Entschädigung i n der Höhe zu verlangen, daß das Unternehmen bei Anspannung eigener Kräfte vor der Vernichtung bewahrt wird. Sinnvoll ist es wiederum, entsprechend dieser hamb. Regelung eine — den bloßen Erhalt des Betriebes sichernde — Entschädigung dann zu überschreiten, wenn der Zugang über eine ungewöhnlich lange Frist versperrt oder wesentlich erschwert bleibt und i n diesem Fall über die reine Betriebserhaltung hinaus auch den durchschnittlichen früheren Umsatz anteilig zu ersetzen 40 .
35
s. B G H Z 30, 241, 244; auch B V e r w G E 32, 222 ff. Vgl. B G H Z 30, 241, 244; B V e r w G E 32, 222, 226; Kodal, Handbuch des Straßenrechts, S. 32 ff., 35; Wolff , Verwaltungsrecht I, § 58 I I I b 2. 37 So auch B G H Z 30, 241. 38 GVB1. S. 117. 39 Vgl. § 37 hamburg. Wegegesetz. 40 So i m hamburg. Wegegesetz bei Baubeeinträchtigungen von mehr als 3 Jahren. 36
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I I I . Α. Vergleich m i t dem deutschen Entschädigungsrecht V I . Anrechnung von Mitverschulden auch bei Leistungsfaktoren
Bereits oben i n § 13 V wurde bei Darstellung der allgemeinen Rechtsfolgen der Interessenabwägung hervorgehoben, daß sich eine Durchbrechung der Garantie des Leistungsäquivalentes rechtfertigt, wenn der Betroffene den Schaden vermeiden oder jedenfalls verringern konnte. Hierbei genügt nicht nur Verschulden i m engeren Sinn, sondern auch die bloße Möglichkeit der Schadensverhinderung oder -reduzierung. Diese Durchbrechung gewinnt gerade bei der Entschädigung für Eingriffe i n Gewerbebetriebe besondere Aktualität. Solche Durchbrechungen des Leistungsschutzes sind ζ. B. dann anzunehmen, wenn der Betroffene zwar eigene Arbeitsleistung oder eigenen Kapitaleinsatz investiert hat, aber bereits bei der Investition damit rechnen mußte, daß eigentlich die Voraussetzung der Investition fehlt. I n diesen Fällen bleibt es dem Betroffenen unbenommen, die Chance auszunutzen, daß gleichwohl sein Einsatz sich rentiert, die Gleichrangigkeit der Interessen der Allgemeinheit mit denen des Betroffenen in Art. 14 GG gebietet es jedenfalls aber nicht (verbietet es unter Umständen sogar), daß Gesetzgeber und Gerichte das Risiko solcher Investitionen der öffentlichen Hand zumuten. Aus diesen Erwägungen heraus ergeben sich gegen einen T e i l der neueren Rechtsprechung des B G H Bedenken. Der B G H hatte sich insbesondere i m sog. Bärenbaude-Fall 4 1 u n d i m Buschkrugbrücke-Fall 4 2 m i t der Frage zu beschäftigen, inwieweit Investitionen auf eigenes Risiko anzusehen sind und inwieweit hier eine Entschädigungspflicht anzurechnen sei. Das Gericht hat i n beiden Fällen eine Schadensminderungsobliegenheit insoweit angenommen, als es darauf hingewiesen hat, daß eine vorsichtigere Betriebsführung i n Anbetracht der i n Gang befindlichen Straßenbauten zumutbar war. Nach Auffassung des B G H w a r deshalb näher zu untersuchen, ob ζ. B. die Aufnahme teurer und hoher Kredite angesichts der Sachlage erforderlich u n d sachgerecht w a r 4 3 bzw. ob der Betroffene während der Beschränkungen des Kundenbetriebes das I n v e n tar des Betriebes aufwendig erneuert hat 4 4 . Der B G H hat es aber damals abgelehnt, darüber hinaus allgemein die Hinnahme einer Gefahr u n d die E i n w i l l i gung i n einen gefährlichen Zustand auf Enteignungsansprüche zu übertragen u n d hat darauf hingewiesen, daß insofern ein Unterschied zu deliktischen u n d Vertragsansprüchen bestehe 45 .
Geht man davon aus, daß i n der Interessenabwägung des Art. 14 GG die Interessen der Allgemeinheit an einer Entschädigungsreduzierung als gleichrangig neben den Interessen des Betroffenen anerkannt sind, so kann es dem Erwerber zugemutet werden, sich den Erwerb solcher Betriebe zu überlegen und es kann nicht als verfassungswidrig angesehen 41 42 43 44 45
M D R 1964, 656 = B B 1964, 660. N J W 1965,1907 = L M A r t . 14 (Cf) Nr. 27. So i m Bärenbaudeurteil. So i m Buschkrugfall. Buschkrugentscheidung, N J W 1965,1907,1911.
§ 19 Entschädigung i m Wasserrecht, N a t u r - u n d Landschaftsschutz
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werden, wenn der Gesetzgeber auch i n solchen Fällen eine entsprechende Entschädigungsreduzierung anordnet. Ein Unterschied zu dem Verhältnis zwischen Vertragspartnern oder zwischen Schädiger und Geschädigtem ist jedenfalls nicht dahingehend gerechtfertigt, daß die öffentliche Hand weniger schutzwürdig ist als eine rechtswidrig seine Vertragspflichten oder absolute Rechte Dritter verletzende Privatperson. I n späteren Urteilen scheint auch der BGH einem verstärkten Einbezug des Schadensverhütungsgedankens zuzustimmen. So hat der BGH i n einer 1966 ergangenen Entscheidung auf neuere Gesetze hingewiesen, die für die Bemessung einer Entschädigung wegen Enteignung ebenfalls die Berücksichtigung eines Mitverschuldens anordnen 46 . Das Gericht betont, daß die neueren Gesetze von dem Betroffenen erwarten, „daß er gegebene Möglichkeiten nutzt, um einen Schaden, der seinem Vermögen infolge des Eingriffs droht, zu verhindern, abzuwenden oder wenigstens zu mindern". I n gleicher Weise w i r d i n einer anderen Entscheidung 47 darauf hingewiesen, daß der von der Stillegung des Betriebes Betroffene (hier als Abdecker durch Schließung seines Abdeckereibetriebes) seine freigewordene Arbeitskraft an anderer Stelle (in der Landwirtschaft, durch Holzfuhrarbeiten) wieder einsetzen muß; er darf sich nicht darauf versteifen, mit Hilfe der Entschädigung eine andere Abdeckerei zu übernehmen 48 . § 19 Entschädigungspflichten i m Wasserrecht, N a t u r - und Landschaftsschutz
I m folgenden sei für einige Sonderbereiche anhand von Beispielfällen dargelegt, welche Entschädigung zwingend von Art. 14 GG geboten ist. I. Entschädigungen im Wasserrecht
1. Einen weiteren Sachbereich des Enteignungsrechts, i n dem sich keine strikte Bindung an den Verkehrswert ergibt, sondern die Höhe der nach Art. 14 GG nicht zu unterschreitenden Entschädigung von den Umständen abhängt, stellen die Enteignungsfälle i m Wasserrecht (Recht der Wasserwirtschaft und der Wasserwege), z. B. die Enteignungen aufgrund des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) i. V. mit den speziellen landesrecht46 B G H Z 45, 290, 295. Der B G H verwies hierbei auf § 93 Abs. 3 BBauG; § 32 Abs. 2 B L G und § 13, Abs. 2 SchutzbereichG. 47 U r t e i l vom 29. 5.1967 = L M A r t . 14 (Cf), Nr. 35. 48 Z u r Anwendung des Mitverschuldens s. auch die Überlegung i m F r a n k f u r ter U - B a h n - U r t e i l v o m 20. 12. 1971, B G H Z 57, 359 ff.; der B G H hielt hier offenbar die Heranziehung des Mitverschuldensgedankens bezüglich A r t . 14 GG für unproblematisch — man w i r d aus A r t . 14 GG sogar eine Verpflichtung zur Entschädigungsreduzierung annehmen müssen.
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I I I . Α. Vergleich m i t dem deutschen Entschädigungsrecht
liehen Wassergesetzen dar. § 20 I W H G geht von dem Grundsatz aus, daß für die nach diesem Gesetz zu leistende Entschädigung 1 der eingetretene Vermögensschaden „angemessen" auszugleichen ist. Hierbei ist für Grundstücke ausdrücklich angeordnet, daß die Minderung des gemeinen Wertes zu ersetzen ist. I m übrigen wird, da der Verkehrswert oft schwer zu ermitteln ist, auf die Minderung des tatsächlichen bzw. möglichen Ertragswertes abgestellt 2 . Danach kommt es auf das Maß der Beeinträchtigung der gezogenen Nutzungen an; sind Maßnahmen zur Nutzungssteigerung getroffen worden, so sind nachweisbare dadurch eingetretene Ertragsminderungen ebenfalls zu berücksichtigen. Dieser i n § 20 W H G enthaltene Entschädigungsmaßstab ist von Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG nach den oben i n § 15 festgelegten Entschädigungspflichten i n vielen Fällen nicht geboten. Vielmehr ist, wenn statt des Verkehrswertes der Nutzungsschaden zu ersetzen ist, dieser daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit ein Schaden auf Leistungsfaktoren zurückführbar ist. Gleiches gilt bei Vollenteignungen i m Wasserwegerecht. Soweit i m Wasserwegerecht Grundstücke vollenteignet werden müssen, gelten die gleichen Grundsätze, wie sie oben i n § 17 allgemein zum Bodenrecht entwickelt worden sind. Auch bei Enteignungen zur Errichtung von Anlegestellen, Häfen, Wasserstraßen, bei der Enteignung überstauter Flächen von Anliegergrundstücken u. ä. braucht, sofern der gemeine Wert leistungslose Teilelemente aufweist, von A r t . 14 GG aus gesehen nicht darauf Rücksicht genommen zu werden. Dagegen muß, soweit solche Enteignungen die Übernahme oder Zerstörung von Gebäuden, sonstigen Einrichtungen u. ä. m i t beinhalten, der volle Verkehrswert der Gebäudesubstanz bzw. der Einrichtungen ersetzt werden, weil der Verkehrswert bei solchen hergestellten Sachen als Leistungsäquivalent anzusehen ist. Bei der Minderung von Erträgen von Grundstücken kommt es weiter darauf an, ob Vorteilsanrechnungen möglich sind oder sonstige Ausgleichsmaßnahmen vorliegen. Die Landesgesetze gehen zum Teil davon aus, daß zunächst die „Entschädigung" durch technische Ausgleichsmaßnahmen zu leisten ist und die Entschädigung i n Geld nur subsidiär eingreift 3 . W i r d durch solche technischen Ausgleichsmaßnahmen u. U. dem Betroffenen ein gleich hoher oder höherer finanziell meßbarer Vorteil zugewiesen, so braucht nicht entschädigt zu werden, auch wenn die technische Ausgleichsmaßnahme nicht i n direktem Zusammenhang mit 1 Diese Regelung betrifft nicht n u r Enteignungen, erfaßt aber alle Enteignungen nach dem W H G . 2 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum (damaligen) § 24 W H G , Dt. Bundestag, 2. Wahlperiode, Drs. 2072. 3 So ζ. B. nach A r t . 74 Abs. 2 BayWHG.
§ 19 Entschädigung i m Wasserrecht, N a t u r - u n d Landschaftsschutz
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dem Eingriff steht oder wenn sie auch anderen Personen zugute kommt. Bestehen solche Möglichkeiten der Vorteilsanrechnung nicht, so ist der landwirtschaftliche Ertrag vor dem Eingriff bei Fehlen besonderer Umstände als Entschädigungsuntergrenze anzusehen. W i r d durch einen (rechtmäßigen) enteignenden Eingriff der bisherige Wasserverlauf so verändert, das installierte Anlagen ganz oder teilweise unbrauchbar werden, so ist der hierdurch eingetretene Schaden zu ersetzen, da der Inhaber ja Arbeit und Kapital einsetzen mußte, um die Anlagen zu errichten. Es ist nach A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG allerdings zulässig, wenn gesetzlich bestimmt w i r d 4 , daß der Schaden durch Leitung von Energie oder andere Ausgleichsformen ausreguliert wird. Unter diesen Umständen muß man aber verlangen, daß die Kosten für zusätzliche technische Installationen 5 zur Aufnahme der Energie nicht dem Betroffenen auferlegt werden dürfen, sofern solche Installationen sich nicht i m Rahmen üblicher technischer Betriebsrenovierungen halten. Landesgesetze, die schlechthin für diesem Fall dem Betroffenen die Kosten der Neuinstallation auferlegen, sind insoweit wegen Verstoßes gegen A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG verfassungswidrig 6 . 2. Bei der Festlegung von Wasserschutzgebieten und ähnlichen Maßnahmen 7 muß differenziert werden. I n Frage kommen vor allem Schutzanordnungen, i n denen eine mögliche Bebaubarkeit oder eine tatsächliche oder mögliche Ausbeutung des Grundstückes untersagt wird. Nach der bisher wohl h. M. stellt jede Schutzanordnung eine Enteignung dar, wenn einem Grundstück i m Wasserschutzgebiet die rechtliche Baulandqualität entzogen wird. Daraus ergab sich die strikte Konsequenz, daß stets nach A r t . 14 GG voll entschädigt werden mußte, auch wenn sich an der bisherigen Nutzung nichts änderte 8 . Nach Leistungskriterien entspricht das nicht der Verfassungslage, so daß es dem Gesetzgeber in vielen solcher Fälle freisteht, eine Entschädigung zu versagen. Für beliebige 4 So nach A r t . 74 Abs. 3 BayWHG. Als Entschädigung kommt danach auch die Lieferung elektrischer Energie i n Betracht, w e n n ein Triebwerk nicht mehr i m bisherigen Umfang seine Wasserkraft verwerten kann. Die Lieferung von elektrischer Energie statt einer Geldentschädigung ist für Enteignungsfälle geradezu als ein Schulbeispiel für die gesetzliche Regelung der „ A r t " der E n t schädigung nach A r t . 14 I I I S. 2 GG anzusehen. 5 Es k o m m t z. B. der Bau neuer techn. Leitungen, von Transformatoren u. ä. i n Betracht; vgl. Fritzsche, Das Wasserrecht i n Bayern, A r t . 75 BayWHG, A n m . 4. 6 Das gilt damit f ü r A r t . 74 I I I S. 2 BayWHG, soweit sich diese Regelung auf Enteignungen bezieht. 7 Z u den einzelnen Maßnahmen s. den Uberblick bei Sieder-Zeitler, Komm, z. WHG, § 19, Rdnr. 35 ff. 8 Vgl. z. B. Sieder-Zeitler, Komm. z. WHG, § 19, Rdnr. 44 unter Hinweis auf B V e r w G 5, 143 ff.; Bullnig-Finkenbeiner, W G f ü r Bad.-Württ., § 24, A n m . 1, 3.2.
13 Opfermann
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I I I . Α. Vergleich m i t dem deutschen Entschädigungsrecht
wasserrechtliche Schutzmaßnahmen gilt, daß die bloße Umwidmung von der rechtlichen Bauqualität zum Bauverbot grundsätzlich keine Entschädigungspflicht erzeugt. Denn der eingetretene Vermögensschaden ist nicht auf Leistung des Betroffenen zurückführbar. Anders ist es nach den i n § 13 I I I entwickelten Grundsätzen dann, wenn der Betroffene i m Vertrauen auf die rechtliche Baulandqualität des Grundstücks einen höheren Betrag für das Grundstück gezahlt hatte. Dieser muß ihm, weil der Schaden durch die Umwidmung insoweit auf Kapitaleinsatz zurückführbar ist, ersetzt werden. Gleiches gilt, soweit der Betroffene i m Vertrauen auf die Baulandqualität bereits Investitionen vorgenommen hatte und diese nutzlos geworden sind. Unter Gleichheitsgesichtspunkten ist die grundsätzliche Versagung einer E n t schädigungspflicht bei bloßer U m w i d m u n g zu Nichtbauland durch Schutzmaßnahmen auch keineswegs unbefriedigender als die bisher von der Praxis angewendete Rechtsfolge. Nach der bisherigen Praxis ergab sich, daß landwirtschaftlich genutzte Gebiete entschädigungslos von vornherein zu Wasserschutzgebieten erklärt werden konnten, andere Gebiete hingegen, die als Baugebiete ausgewiesen u n d dann umgewidmet wurden, entschädigt werden mußten. Das wurde gerade vom Gleichheitssatz als u n b i l l i g gerügt 9 . Die Differenzierung nach Leistungskriterien behandelt hingegen nur diejenige Gruppe privilegiert, die infolge des Vertrauens auf den alten Rechtszustand einen echten Schaden durch vergeblichen K a p i t a l - oder Arbeitseinsatz erlitten hat. Diese Differenzierung muß v o m Gleichheitsgedanken her als zumindest ebenso sachgerecht angesehen werden.
I n entsprechender Weise ist für die Ausbeute eines Grundstückes als Kies-Sand- oder Tongrube o. ä. zu differenzieren. Zum Teil w i r d davon ausgegangen, daß eine Enteignung jedenfalls dann vorliegt, wenn die von der Natur der Sache her gegebene und bisher stets ungestört ausgeübte Benutzungsart wesentlich eingeschränkt w i r d 1 0 oder dann, wenn auch ohne bisherige Ausübung die Gewinnung hochwertiger Materialien aus Wasserschutz- oder Naturschutzgründen untersagt w i r d 1 1 . Richtig ist es, bei der Frage nach dem verfassungsrechtlichen Entschädigungsminimum i n diesen Fällen nicht auf die Chance abzustellen, daß ohne das Schutzverbot wesentlich gewinnträchtigere Nutzungsmöglichkeiten denkbar gewesen wären. Vielmehr kommt es darauf an, wie sich i m einzelnen Leistungsfaktoren zeigen. Danach ist i m Grundsatz jedes bloße Ausnutzungsverbot einer bisher nicht ausgeübten gesteigerten Nutzung nicht verfassungsrechtlich zwingend entschädigungspflichtig. Entschädigungspflichtig w i r d sie aber, wenn der Erwerber i m Vertrauen auf die Zulässigkeit der gesteigerten Nutzung das Grundstück erst erworben hat; hier darf die Entschädigung den Erwerbspreis (nebst angemessener Verzinsung) nicht unterschreiten. 9
Vgl. Sieder-Zeitler, K o m m , ζ. WHG, § 19 WHG, Rdnr. 44. So der B G H i m bekannten Gipsbruchfall, DÖV 1959, 750. 11 So ζ. B. A. Lorz, Naturschutz-, Tierschutz- und Jagdrecht, 2. Aufl., S. 66. 10
§ 19 Entschädigung i m Wasserrecht, N a t u r - und Landschaftsschutz
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Entschädigungspflichtigkeit besteht auch, wenn der Inhaber, ohne das Grundstück eigens zur gesteigerten Nutzung erworben zu haben, vor Erlaß der Schutzmaßnahme bereits investiert hatte. Es w i r d also nicht anders differenziert, als die Rechtsprechung, wie oben i n § 18 i m einzelnen dargelegt, ohnehin bei der Behandlung der Beeinträchtigungen von Gewerbebetrieben unterscheidet. W i r d i n einen bereits ausgeübten Gewerbebetrieb so eingegriffen, daß nur ein Teil des Abbaues verboten 1 2 oder der Ausbeutung nur eine andere Richtung gegeben wird, so w i r d man die Frage, ob und i n welcher Höhe verfassungsrechtlich zwingend entschädigt werden muß, ebenfalls davon abhängig machen müssen, inwieweit davon Investitionen betroffen sind. Werden Anlagen eines Betriebes infolge des Verbotes, einen Teil des Grundstücks auszubeuten, vorzeitig wertlos, so muß dies entschädigt werden. Die bloße Chance, das gesamte Grundstück ausbeuten zu dürfen, kann zwar gesetzlich ebenfalls entschädigt werden, dazu besteht aber kein Verfassungszwang 13 . Unbillig ist das, auch unter Gleichheitsgesichtspunkten, wiederum nicht. Denn wäre das Verbot schon früher ergangen, so hätte der Inhaber i m Gegensatz zum vorliegenden Fall nicht einmal einen Teil des Materiales ausbeuten können. I I . Natur- und Landschaftsschutzmaßnahmen
1. Für die Frage nach dem verfassungsrechtlichen Entschädigungsminimum bei Enteignungen i m Bereich des Natur- und Landschaftsschutzes kann teilweise auf die Ausführungen zum Wasserrecht, zum Bodenrecht und zu den Eingriffen i n Gewerbebetriebe verwiesen werden. W i r erörtern hier daher nur einige spezielle Problembereiche des Natur- und Landschaftsschutzes. 2. Für Enteignungen aufgrund des RNatSchG 14 ergibt sich unter entschädigungsrechtlichen Aspekten zunächst ein ganz spezielles Problem. Der generelle Ausschluß von Entschädigungen auch für Enteignungen i m § 24 RNatSchG ist nach allgemeiner Meinung ungültig. Geht man andererseits nach allerdings bestrittener Meinung 1 5 davon aus, daß, da die 12
So i m Gipsbruchfall, DÖV 1959, 750. I m Gipsbruchfall bestand daher, soweit der Sachverhalt ersichtlich ist, keine aus A r t . 14 GG herleitbare Entschädigungspflicht. Z u einem ähnlichen F a l l s. nochmals unten I I 4. 14 Die Frage der Einordnung des RNatSchG i n das Gesamtsystem der bundesrepublikanischen Gesetzgebungszuständigkeit (vgl. dazu BVerfGE 8, 186) kann hier nicht erörtert werden. 15 Ursprünglich neigte man der Auffassung zu, daß infolge der Nichtigkeit des generellen Entschädigungsausschlusses i n § 24 RNatSchG aufgrund dieses Gesetzes überhaupt nicht mehr enteignet werden dürfe; so Patschke, N a t u r schutz- u n d Enteignung, BayVBl. 1959, S. 277; Hof mann, Die rechtl. Grundlagen 13
13*
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I I I . Α. Vergleich m i t dem deutschen Entschädigungsrecht
Junktimklausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG für dies Gesetz ja nicht gilt, keineswegs Enteignungen aufgrund dieses Gesetzes unzulässig sind, so kann das Reichsnaturschutzgesetz auch weiterhin noch als Ermächtigungsgrundlage herangezogen werden; nur ist der Entschädigungsausschluß des § 24 des Gesetzes unbeachtlich. Geht man nun aber zutreffend m i t dem Bundesverfassungsgericht davon aus, daß dem Gesetzgeber aufgrund der Interessenabwägung bei Enteignungen ein Entschädigungsspielraum zusteht, so ergibt sich die spezielle Frage, welche Entschädigungsmaßstäbe die Behörden anzuwenden haben, sofern Enteignungen noch auf das Reichsnaturschutzgesetz gestützt werden. Sollen sie das verfassungsrechtliche Entschädigungsminimum des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG zugrunde legen, sollen sie nach dem bisherigen K r i t e r i u m der „angemessenen", d. h. Verkehrs Wertentschädigung verfahren oder steht es i n ihrem Belieben, den Spielraum auszunutzen, den A r t . 14 GG gegebenenfalls zuläßt? Die A n t w o r t hierzu läßt sich nur aus der speziellen Situation gewinnen, die für vorkonstitutionelle Enteignungsgesetze gegeben ist. Danach ist zwar davon auszugehen, daß Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG zumindest eine Sollensvorschrift enthält (die Entschädigung „ist" unter Abwägung . . . zu treffen). Dieses Abwägungsgebot richtet sich aber an den Gesetzgeber, nicht an die Behörde, denn nur er kann durch allgemeine Regeln dafür sorgen, daß von dem Entschädigungsspielraum gleichmäßig Gebrauch gemacht w i r d (siehe dazu auch unten §§ 25 -27). Da das Abwägungsgebot speziell eine Ermächtigung an den Gesetzgeber darstellt, je nach den Umständen vom „angemessenen", d. h. Verkehrswert abzugehen, liegt es auch bei Nichtigkeit des Entschädigungsausschlusses i n § 24 RNatSchG an ihm, jeweils anzugeben, inwieweit vom Verkehrswert abgewichen wird. Man w i r d daher der Situation am ehesten gerecht, wenn man davon ausgeht, daß die Behörden sich, sofern nicht der Landesgesetzgeber von dem Entschädigungsspielraum des A r t . 14 GG Gebrauch gemacht hat, zunächst auch i n Zukunft an der „angemessenen" Entschädigung orientieren müssen. 3. I m Natur- und Landschaftsschutz spielt eine besondere Rolle die Entschädigungspflichtigkeit für Verwertungsverbote. Bekanntgeworden ist hier vor allem das Buchendomurteil des B G H 1 5 a . Die i n diesem Urteil des Naturschutzes u n d ihre besonderen Probleme i m Bau- und Wasserrecht, 1963, S. 50 ff.; Lorz, Naturschutz, Tierschutz und Jagdrecht, 1961, § 24 R N a t SchG, A n m . 2. Die neuerdings w o h l herrschende Meinung geht dahin, daß das RNatSchG durchaus weiter Enteignungen zuläßt; vgl. Mang, Naturschutzrecht i n Bayern, 2. Aufl., S. 10; ders., Erwiderung auf Patschke, BayVBl. 1959, S. 279; Zwanzig, Die Fortentwicklung des Naturschutzrechtes i n Deutschland nach 1945, 1962, S. 208 ff.; Mayer, Privateigentum und Recht auf Naturgenuß, DVB1. 1964, S. 302 ff.; Kimminich, Das Recht des Umweltschutzes, 1972, S. 92. 15a DVB1.1957,861.
§ 19 Entschädigung i m Wasserrecht, N a t u r - u n d Landschaftsschutz
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verwendete Argumentation ist bisher primär als „deutliche Hinwendung zu dem Moment der Schwere und Tragweite" des Eingriffes verstanden worden 1 6 . Diese Würdigung ist zwar zutreffend, bedeutsamer ist aber für unser Problem, daß der B G H hier für die Frage, wann denn eine solche Schwere vorliege, daß die Grenze zur Sozialbindung überschritten ist, ein nicht nur wertendes und damit intersubjektiv kaum nachprüfbares, sondern ein empirisch überprüfbares Kriterium, nämlich gerade das Leistungskriterium herangezogen hat. Danach liegt die Grenze zwischen der bloßen Pflichtigkeitsaktualisierung und der Enteignung (d. h. aber letztlich: zwischen Entschädigungspflichtigkeit und -losigkeit) „dort, wo das schützenswerte Gut des Eigentümers nach der konkreten Situation von i h m als vernünftig wirtschaftlich denkendem Menschen als W i r t schaftsobjekt zu wirtschaftlichen Zwecken vorher erst geschaffen oder erworben worden ist" 1 7 . Gerade dieser F a l l zeigt, daß das Abstellen auf die „Schwere" allein nicht präzis genug ein Entscheidungskriterium angibt, w e i l offengelassen w i r d , w o r i n der entscheidende Faktor der Schwere zu sehen ist. Erst die Hinzunahme des Leistungsgedankens f ü h r t zu einer ausreichenden Konkretisierung. Nach dem vorliegenden F a l l wurde eine früher einmal zulässige Verwertungsart nachträglich zugunsten der Allgemeinheit untersagt. Das traf den Inhaber ungleich gegenüber anderen Besitzern gleicher Lage, deren Bestand nicht unter Naturschutz gestellt wurde. Der dem Inhaber durch das Verwertungsverbot entstandene Schaden belief sich auf zumindest w o h l mehrere tausend M a r k 1 8 , so daß von einer rein vermögensmäßigen Betrachtung her w o h l eine Schwere anzunehmen wäre. Anders ist es, wenn man die Intensität der Beeinträchtigung von der Leistungsorientierung her beurteilt. Als leistungsbezogen k a n n m a n hier allenfalls den Betrag ansetzen, der erforderlich wäre, u m neue Buchen zu erwerben u n d einzupflanzen, also vermutlich ein irrelevanter Betrag. Anders wäre hingegen, worauf auch der B G H abzustellen scheint, zu entscheiden, wenn v o r Erlaß des Verwertungsverbotes der Betroffene die jeweiligen Gegenstände erworben hätte, u m sie zu verwerten.
Die Orientierung am Leistungskriterium zeigt zugleich, daß andere Begründungen des BGH, insbesondere der Rückgriff auf die Denkweise des „vernünftigen Eigentümers" 19, nicht tragfähig genug sind, um die Entschädigungspflicht zu begründen oder auszuschalten. Hätte jemand i m Buchendomfall die Bäume zuvor teuer erworben oder w i r d z. B. ein Steinbruch i n Betrieb genommen und erst, nachdem kostspielige Installationen (Abbauvorrichtungen, Maschinen usw.) errichtet sind, der Abbau aus Landschaftsschutzgründen untersagt, so hilft das K r i t e r i u m des „vernünftigen und einsichtigen Eigentümers" zu keiner Klärung. Der vernünftige Eigentümer w i r d einsehen, daß er übergeordneten Gründen 18
So Kimminich, Bonner Komm., Zweitb., A r t . 14 GG, Rdnr. 69. DVB1.1957, 862. 18 Es handelte sich u m sieben Buchen, die bereits 1925 unter Denkmalsschutz gestellt waren, deren Entschädigung aber erst nach 1945 eingeklagt wurde. 19 So der B G H i m Buchendomfall, DVB1.1957,862. 17
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I I I . Α. Vergleich m i t dem deutschen Entschädigungsrecht
des A l l g e m e i n w o h l s w e i c h e n m u ß ; er w i r d aber i n diesen F ä l l e n n i c h t einsehen, daß zulässig z u v o r i n v e s t i e r t e r A r b e i t s - u n d K a p i t a l e i n s a t z ohne E n t s c h ä d i g u n g b l e i b e n soll. A u c h der „ v e r n ü n f t i g e " , d. h. sozialdenk e n d e E i g e n t ü m e r w i r d also d i f f e r e n z i e r e n . D e n E i n g r i f f selbst w i r d er d u l d e n , w e n n das A l l g e m e i n w o h l es v e r l a n g t . D i e Entschädigungslosigk e i t w i r d er aber a l l e n f a l l s d a n n a k z e p t i e r e n , w e n n i h m bloße C h a n c e n g e n o m m e n , n i c h t aber, w e n n u n d i n s o w e i t i n v e s t i e r t e L e i s t u n g e n v e r nichtet werden. 4. D a w i r die P r o b l e m a t i k des A b s t e l l e n s a u f d e n „ v e r n ü n f t i g e n " E i g e n t ü m e r h i e r , d. h. b e i d e n L a n d s c h a f t s s c h u t z m a ß n a h m e n b e h a n d e l t haben, müssen w i r i n diesem Z u s a m m e n h a n g nochmals auf die bereits oben b e h a n d e l t e P r o b l e m a t i k des V e r b o t s v o n K i e s a b b a u z u r ü c k k e h r e n . D e n n i n der j ü n g s t e n Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu diesen F ä l l e n i s t ebenfalls e i n R ü c k g r i f f auf d e n Topos des „ v e r n ü n f t i g e n " E i g e n t ü m e r s a n z u t r e f f e n , der z u e i n e r n u r als b e d e n k l i c h z u bezeichn e n d e n A u s w e i t u n g des U m f a n g s der entschädigungspflichtigen T a t bestände f ü h r t 2 0 . Der B G H hatte die Frage zu entscheiden, ob eine Enteignung i n dem F a l l zu sehen ist, daß bei einem Grundstück jahrelang ein Wasserwerk betrieben worden war, später der Grundstückseigentümer den Abbau v o n Kies i n Erwägung zog, aus wasserwirtschaftlichen Gründen der Abbau aber nicht genehmigt wurde. Obwohl der Bundesgerichtshof i n dieser Frage noch nicht p r ä j u d i z i e l l gewesen war, da Entscheidungen, von einem Sonderfall abgesehen 21 , noch nicht ergangen waren, obwohl weiterhin die bis dahin überwiegende Meinung die Untersagung einer noch nicht begonnenen und vorbereiteten Kiesgewinnung aus wasserwirtschaftlichen Gründen als entschädigungslose Sozialbindung angesehen hatte 2 2 u n d der B G H selbst darauf hinwies, daß ζ. B. das schweizerische Recht (ohne Abwägungsgebot) i n solchen Fällen den Abbauw i l l i g e n als (latenten) Störer behandelt, sah das Gericht den Entzug der Kiesabbaumöglichkeit trotz allem als zwingend nach A r t . 14 GG entschädigungspflichtige Enteignung an 2 3 . D i e P r o b l e m s t e l l u n g i s t v o n grundsätzlicher, Wasserrecht w i e N a t u r u n d Landschaftsschutz g l e i c h e r m a ß e n b e t r e f f e n d e r B e d e u t u n g 2 3 3 . W o r 20 B G H Z 60, 126 = N J W 1973, 623; dazu — unter dem Aspekt des u n m i t t e l baren Rückgriffs auf das Interessenabwägungsgebot durch die Gerichte statt den Gesetzgeber — auch oben § 7 V 2. 21 W M 1970,1488. 22 Vgl. dazu die Übersicht i n B G H Z 60, 126, 132 f.; ausführlicher i n N J W 1973, S.625. 23 Allerdings m i t der oben § 10 Fußn. 3 dargelegten Reduktion der Entschädigung. Doch ist eine solche Reduktion häufig nicht möglich. 23 a Die Frage gewinnt auch großes Gewicht f ü r neuere Bestrebungen, i m Rahmen des Umweltschutzes den Bodenabbau stärker den Belangen der L a n d schaftspflege anzupassen; vgl. hierzu ζ. B. das Bodenabbaugesetz von Schleswig-Holstein v o m 15. 3.1972 (GBl. S. 137) und das Landesgesetz über den A b bau u n d die Verwertung von Bimsvorkommen (Bimsgesetz) von RheinlandPfalz i n der Fassung des Änderungsgesetzes vom 20.11.1969 (GVB1. S. 179).
§ 19 Entschädigung i m Wasserrecht, N a t u r - u n d Landschaftsschutz
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auf konnte der BGH die Annahme einer Aufopferungsenteignung stützen? Allein darauf, daß die Kiesgewinnung eine „naheliegende Möglichkeit der wirtschaftlichen Ausnutzung der Grundstücke" darstelle, da sie sich „aus den Gegebenheiten der örtlichen Lage und der Beschaffenheit der Grundstücke bei vernünftiger und wirtschaftlicher Betrachtungsweise für den Eigentümer" anbiete 24 . Eine solche, zu extensiver Bejahung von Aufopferungsenteignungen führende Sicht entspricht nicht der Entschädigungsentscheidung des Grundgesetzes. Die Position, die der BGH hier einnimmt, ist m i t derjenigen des Reichsgerichts gegen Ende der Weimarer Zeit vergleichbar. Die Belastung der Allgemeinheit (hier: Verteuerung der Wassergebühren) bleibt bei der Frage, wann eine Enteignung vorliegt, gänzlich ausgeklammert. Das einzige, worauf sich der Eigentümer hier berufen kann, ist der Entzug der Chance, günstige Naturzustände nutzen zu können. Das reicht nicht aus. W i r haben oben 25 näher dargelegt, daß die Intention des Grundgesetzes bei Entscheidung für die Interessenabwägung auch dahin ging, nicht vorschnell Enteignungen anzunehmen. Wenn aber überhaupt etwas die Beschränkung der Annahme von Aufopferungsenteignungen rechtfertigt, dann sind es gerade solche Fälle, i n denen bloße Chancen gesteigerter Nutzung, die sich auf keinerlei rechtlichen Vertrauensschutz berufen können (der Kiesabbau war ja noch nicht als m i t wasserwirtschaftlichen Belangen vereinbar qualifiziert gewesen), untersagt wird. Die BGH-Rechtsprechung stellt sich mit solchen Uberdehnungen der Enteignungsbejahung auch in Widerspruch zu den allgemeinen und als ausgewogen zu bezeichnenden Prinzipien, die sie beim Schutz von Gewerbebetrieben anwendet; der Entzug bloßer Chancen reicht dort keineswegs aus, um eine Enteignung anzunehmen. Vielmehr geht dort der Bundesgerichtshof bekanntlich i n der Berücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit sogar so weit, daß Änderungen der Verkehrslage auch dann nicht als Enteignung anzusehen sind, wenn ein Gewerbebetrieb wesentlich auf diese angewiesen ist 2 6 . Das ist, wie oben i n § 18 dargelegt, aus dem Gedanken der Symmetrie von Gewinn und Risiko des Unternehmers gerechtfertigt 27 . Aber wieso soll dann die bloße, i m Allgemeininteresse erforderliche (also nicht etwa rechtswidrige, weil vermeidbare) Beschränkung von Abbaumöglichkeiten eine Enteignung
24
B G H Z 60, 126, 131. Das ist nach der ganzen Anlage des Urteils der letztlich tragende Grund zur Bejahung ausreichender „Schwere". 25 § 13 V I 2. 26 Vgl. insb. den Soldatengaststättenfall, U r t e i l v o m 8. 2. 1971, N J W 1971, 605. 27 Oben§18VI.
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I I I . Α . Vergleich m i t dem deutschen Entschädigungsrecht
darstellen 28 ? Es bleibt nur zu hoffen, daß der Gesetzgeber durch K l a r stellung der Rechtslage solche extensiven Annahmen von Aufopferungsenteignungen abwehrt 2 9 .
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Die Diskrepanz w i r d besonders deutlich, w e n n man sich überlegt, w i e die Entscheidung des B G H i n B G H Z 60, 126 ff. von der Sicht der bekanntlich als (latente) Störer behandelten (und auch i n B G H Z 60, 126 zum Vergleich herangezogenen) Schweinemäster aussieht: Der Schweinemäster w i r d , obwohl er — oft ohne die spätere Entwicklung absehen zu können — K a p i t a l - u n d Arbeitseinsatz investiert hatte, als latenter Störer behandelt; er hat den Schaden bei notwendiger Verlegung des Betriebes also selbst zu tragen. Der Eigentümer eines sich später als zum Kiesabbau tauglich herausstellenden Grundstückes, der nichts investiert hatte, bekommt für den bloßen Chancenentzug Entschädigung (was hatte er denn dafür geleistet?). Der Schweinemäster muß eine solche Differenzierung unter vermeintlicher Abstützung an der Eigentumsgarantie doch w o h l als Lotterie empfinden. 29 Auch hierzu wäre es indes von grundlegender Hilfe f ü r die parlamentarische Arbeit, wenn das Bundesverfassungsgericht näher präzisieren würde, was jedenfalls noch nicht als (Aufopferungs-)Enteignung anzusehen ist. Das würde keineswegs eine Neuorientierung der Rechtsprechung des B V e r f G bedeuten, sondern sich vielmehr als Fortführung und Klarstellung einer bereits v o m Gericht eingenommenen Grundposition für diese Fälle darstellen: „ I n t e r essen, Chancen, Verdienstmöglichkeiten werden durch A r t . 14 GG nicht geschützt" (BVerfGE 28, 119, 142); „ A r t . 14 Abs. 1 GG schützt das Erworbene, das Ergebnis der Betätigung"; die Gewährleistung des Eigentums erkennt „dem Einzelnen vor allem den durch eigene Arbeit u n d Leistung erworbenen Bestand an Vermögenswerten Gütern" zu (BVerfGE 30, 292, 334 f. unter Hinweis auf Wittig, Festschrift für Gebhard Müller, 1970, S. 575 ff.), s. auch § 28 I I .
B.Exkurs: Niederländische Umwidmungspraxis und Grundgesetz Vorbemerkung Besondere Aktualität und, wie i n § 17 näher ausgeführt, auch besondere Reichweite besitzt die Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes i m Bodenrecht. Es kann nicht Ziel einer verfassungsrechtlichen Untersuchung sein, i m einzelnen anzugeben, wie der Gesetzgeber die schwierigen Probleme des Bodenrechts lösen sollte; nur die Richtung, i n der jedenfalls bei Rückgriff auf die Interessenabwägung die Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes zu aktualisieren ist, war zu verdeutlichen. I m übrigen ist es die primäre Aufgabe einer verfassungsrechtlichen Untersuchung, aufzuzeigen, welche rechtlichen Grenzen der Gesetzgeber nach dem Grundgesetz zu beachten hat, zugleich aber auch darzulegen, i n welchem Umfang solche Grenzen nicht bestehen. Für einen speziellen Teilbereich des Bodenrechts soll i m folgenden Exkurs davon eine Ausnahme gemacht werden. Er behandelt die Frage, inwieweit i n einem der gegenwärtig aktuellsten Probleme des Bodenrechts, nämlich der Umwidmung von Ackerland zu Bauland die Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes den Weg zu neuen Lösungen eröffnet. Als A n t w o r t auf diese Frage soll von dem Modell ausgegangen werden, das i n den Niederlanden i n dieser Hinsicht eingeschlagen worden ist* Zwei Gründe sind es, die den Verfasser bewogen haben, gerade das niederländische Modell als Lösungsalternative zu diskutieren. Der erste Grund besteht darin, daß der Vorschlag eigenständiger theoretischer Entwürfe, also die Präsentation von „Schreibtischlösungen" immer Probleme m i t sich bringt. Man konzentriert sich hierbei leicht auf Faktoren, die abgeändert werden sollen und überschaut oft genug nicht, welche negativen Konsequenzen damit i n Kauf genommen werden müssen. Demgegenüber ist das i n den Niederlanden, einem anerkannt rechtsstaatlich geprägten Land (mit i m Grunde weitgehend konservativer Mentalität der Bevölkerung) herangezogene Modell seit Jahrzehnten praktiziert. Man kann i h m also einen gewissen Bewährungsnachweis nicht absprechen. I m Ergebnis hat der niederländische Weg, wie noch darzulegen sein wird, praktisch zu einem völligen Ausschluß jeder Spekulation bei Umwidmungen von Acker-, Wiesen- oder Gartenland zu Bauland geführt.
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I I I . Β. Niederländische Umwidmungspraxis und Grundgesetz
Der zweite Grund betrifft die bereits oben i n § 2 I I diskutierte Forderung, Rechtswissenschaft (auch) als „Wirklichkeitswissenschaft" (Wieacker/Häberle) zu betreiben. Was bedeutet das i m und für das Enteignungsrecht? Wenn eine der zentralen Fragen des Enteignungsrechts sich darauf bezieht, ob vom Grundgesetz stets Entschädigungen i n Höhe des Verkehrswertes geboten sind, dann erfordert die wirklichkeitswissenschaftliche Betrachtungsweise, daß man i n die Erörterung einbezieht, was diese Konsequenz eigentlich in der Praxis bedeutet. Berücksichtigt man, daß das Grundgesetz mit der expliziten Einführung der Interessenabwägung gebietet, auch an die durch die Enteignungsentschädigungen auf die Allgemeinheit zukommenden Entschädigungslasten zu denken 1 , dann bliebe die Erörterung dieser Entschädigungsverpflichtungen ohne realen Bezug zur konkreten Wirklichkeit, wenn man außer acht läßt, um welche Größenordnungen es sich jeweils handelt. Gerade der Vergleich der Umwidmungslösung der Niederlande mit der unter Geltung des Bundesbaugesetzes i n der Bundesrepublik eingeschlagenen Entwicklung macht die konkrete Wirklichkeit wie m i r scheint besonders deutlich. Zugleich hofft der Verfasser mit der Erörterung des niederländischen Weges auch Gründe dafür zu bringen, daß man vielleicht gegenüber der Enteignung als bodenrechtlichem Instrument eine differenziertere Einstellung einnehmen könnte und sollte, als dies häufig bisher anzutreffen ist. Die Enteignung w i r d nicht selten als ein schwerer Einbruch i n die Eigentumsgarantie angesehen, den es soweit als irgend möglich abzuwehren gilt. Diese heute oft anzutreffende Sicht war wohl nicht einmal i m Zeitalter der klassischen Enteignungslehre des 19. Jahrhunderts, als von der Sozialbindung des Eigentums 2 in Verfassungen noch nicht 1 Es ist hier gleichgültig, ob die öffentliche Hand selbst unmittelbar davon belastet ist oder ob sog. begünstigende Unternehmen die Entschädigung zu tragen haben. Auch i n letzterem Fall w i r d , was bei nicht wirklichkeitsbezogener Erörterung der Zusammenhänge leicht übersehen w i r d , i n aller Regel die A l l gemeinheit der Bürger betroffen: Wenn Wasser Versorgungsunternehmen für Untersagung von Kiesabbau (vgl. § 19) hohe Entschädigungen zahlen müssen, schlägt sich das i n höheren Wassergebühren nieder; die Enteignungsentschädigungen bei Anlage neuer Schnellverkehrsstrecken der Bundesbahn werden durch Zuschüsse aus Steuermitteln bezahlt oder schlagen sich i n höheren Bahntarifen nieder; Entschädigungen für Minderung von Bauerwartungsmöglichkeiten bei Anlage von Hochspannungsleitungen oder beim Bau von Pipelines schlagen i m Elektrizitäts- oder ölpreis zu Buche usf. Solche Kosten können, anders als i m Wirtschaftsleben bei der Produktion von Gütern, j a auch nicht durch Rationalisierung teilweise aufgefangen werden; hier gibt es nichts zu rationalisieren. Letztlich w i r d also praktisch immer, sei n u n der Staat selbst oder ein begünstigter Unternehmer entschädigungspflichtig, die Allgemeinheit, d. h. die Gesamtheit der Bürger von der Entschädigungslast betroffen. Eine Ausnahme gilt n u r i n den oben i n § 13 I I i n Anlehnung an das Feldmühleurteil eingegrenzten Sonderfällen (Fallgruppe IV). 2 Funktional, wenn auch nicht dogmatisch i. S. d. A r t . 14 GG gehört das Duldenmüssen von Enteignungen natürlich zu den Anwendungen der Sozialbindung des Eigentums.
§ 20 Grundprinzipien des niederländischen Umwidmungsweges
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explizit die Rede war, generell so stark vertreten. Ohne das Instrument der Enteignung wäre die Erschließung neuer Verkehrswege (Eisenbahnen, Straßen, Kanäle) i n der damaligen Zeit gar nicht möglich gewesen; ohne sie wäre wohl auch die industrielle Entwicklung des 19. Jahrhunderts mangels ausreichender infrastruktureller Bedingungen nicht denkbar gewesen. Dem entspricht, daß gelegentlich, gerade auch von privatrechtlicher Seite, die Enteignung in geradezu pathetischen Worten als positives Instrument hervorgehoben wurde 3 . Es kommt auch heute, wo die Probleme natürlich teilweise ganz anders als i m 19. Jahrhundert liegen, bei „wirklichkeitswissenschaftlicher" Betrachtung der Enteignung darauf an, sehr genau darauf zu achten, wo jeweils die Enteignung eingesetzt wird, welches ihre Ziele sind und in welcher Weise sie i n den Eigentumsbestand des alten Inhabers eingreift. Die Enteignung als Zerstörung der bisherigen Lebens(um)welt des Grundeigentümers ist, jedenfalls i n diesem Sinn, grundlegend verschieden von ihrem Einsatz i n den Fällen, i n denen ohnehin der Eigentümer sich von dem Grundstück lösen würde, aber nur zu bestimmten (insb. finanziellen) Bedingungen hierzu bereit ist. § 20 Grundprinzipien des niederländischen Umwidmungsweges 1 I. Die niederländische Lösung i m internationalen Vergleich
Die Umwidmung von bisher land- oder forstwirtschaftlich genutztem Land i n Bauland ist einer der Teile der bisherigen bundesrepublikani3 R. v. Jhering, Der Zweck i m Recht, Bd. 1, 4. Aufl., S. 526 f.: „Die Bedeutung der Expropriation w i r d meines Erachtens v ö l l i g verkannt, wenn man i n i h r einen Eingriff i n das Eigentum, eine Abnormität erblickt, die m i t der „Idee" desselben i n Widerspruch stehe. I n diesem Lichte k a n n sie n u r demjenigen erscheinen, der das Eigentum lediglich vom Standpunkt des Individuums erfaßt (individualistische Eigentumstheorie). Dieser Standpunkt ist aber f ü r das Eigentum nicht minder ein verkehrter als f ü r den Vertrag. Der allein richtige ist der der Gesellschaft (gesellschaftl. Eigentumstheorie). Von diesem Standp u n k t erscheint die Expropriation so wenig als eine Abnormität oder ein V e r stoß gegen die Eigentumsidee, daß sie umgekehrt durch letztere selber i n u n abwendbarer Weise gefordert wird. Die Expropriation enthält die Lösung der Aufgabe, die Interessen der Gesellschaft m i t denen des Eigentümers zu vereinigen, sie macht das Eigentum erst zu einem praktisch lebensfähigen Instit u t ; ohne sie würde es sich zu einem Fluch der Gesellschaft (sie!) gestalten." 1 Der niederländische Lösungsweg hat i n der deutschen Enteignungsrechtsu n d bodenrechtlichen L i t e r a t u r bisher bemerkenswert wenig Beachtung gefunden. Das liegt nicht zuletzt w o h l daran, daß (wie der Verfasser auch Gesprächen i n den Niederlanden m i t dortigen Bodenrechtlern entnehmen konnte) dort weniger theoretische Reflexionen über die Behandlung der Bodenrechtsfragen als eine praktische Einstellung zu den Fragen anzutreffen ist. Einen einfachen Überblick über das niederländische Bodenrecht gibt de Cler i n : Bodenrecht, Bodenpolitik und deren Einfluß auf den Städtebau, S. 96 ff.; s. auch den Uberblick von H. Jans, Planungs- und Bodenrecht i n den Niederlanden, Archiv für Kommunalwissenschaften, Jg. 7 (1968), S. 318 ff.
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sehen Bodenordnung, i n der sich am krassesten reine Planungsgewinne, d. h. ohne jegliche Leistungsfaktoren erzielte Vermögen ergeben haben 2 . Hierbei ist die Ursache der Preisentwicklung nur zu einem geringen Teil auf spekulative Vorgänge i m engeren Sinn zurückzuführen, d. h. darauf, daß Grundstücke ohne eigene Bauabsicht nur zum Zweck der Ausnutzung weiterer Bodenpreissteigerungen erworben werden. Der wohl überwiegende Teil der Bodenpreissteigerung beruht vielmehr auf der starken Stellung der alten Bodeneigentümer, die sich von der Erwägung leiten lassen, daß sie — um es pointiert auszudrücken — nur dumm wären, wenn sie nicht den höchsten Preis verlangen würden, den der Grundstücksmarkt infolge der (zwar nicht technischen, aber infrastrukturellen) Begrenzung der Vermehrbarkeit des Baubodens hergibt 3 . Geht man daran, durch gesetzgeberische Regelungen und administrative Maßnahmen die Bodenspekulation bei Umwidmungen zu bekämpfen, so eröffnen sich mehrere grundsätzliche Lösungsansätze. Zum einen kann man daran denken, die Monopolstellung der alten Grundeigentümer m i t spezifisch kartellrechtlichen M i t t e l n zu kontrollieren und zu versuchen, auf diesem Wege Mißbräuche zu verhindern bzw. zu reduzieren 4 . Ein solcher Weg scheint international bisher kaum begangen zu sein. Bei den nichtkartellrechtlichen Lösungsansätzen ergeben sich vor allem zwei verschiedene Wege. Der erste Weg besteht darin, die Bodenspekulation zunächst sich entwickeln zu lassen, aber nachträglich die Ergebnisse der Spekulation dadurch zu korrigieren, daß man auf irgendeine A r t die Gewinne wieder abschöpft. Der zweite Weg geht so vor, daß man nicht nachträglich die unerwünschten Ergebnisse wieder beseitigt, sondern überhaupt verhindert, daß die bisherigen Grundstücksinhaber die Knappheitslage bei der Umwidmung ausnutzen können 5 . 2 Nach Tiemann, Die Baulandpreise u n d ihre Entwicklung, Der Städtetag, 1970, S. 562 ff. beträgt der Wertzuwachs allein durch U m w i d m u n g von Grundstücken f ü r die Jahre 1960 - 1969 49,9 M i l l i a r d e n DM, die öffentlichen M i t t e l f ü r den Wohnungsbau betrugen i n diesem Zeitraum 41,8 M i l l i a r d e n DM. s. auch die neue Untersuchung von Jans Tiedemann, Baulandpreise. Spiegelbild des Bodenrechts u n d der Eigentumsgarantie, 1972; Gött. Akad. Beiträge Bd. 58, zugleich jur. Diss. Hamburg. 3 So auch W. Ernst, Die Reform des städtischen Bodenrechts als Aufgabe der Gesetzgebung, i n : Ernst/Bonczek, Z u r Reform des städtischen Bodenrechts, S. 6. 4 Diesen Weg schlug H.-H. Barnikel, Kartellgesetz u n d Bodenspekulation, Die Verwaltung, 1971, S. 423 ff. vor. Es erscheint m i r sehr fraglich, ob die spezifischen Techniken des Kartellrechts hier helfen können. 5 Schöpft man ohne sonstige ergänzende Maßnahmen einfach ab, so hat zwar der alte Eigentümer keinen Spekulationsgewinn mehr; die Regelung besitzt dann aber eigentlich nicht den Charakter einer Spekulationsbekämpfung, sondern eher den einer Umadressierung des Spekulationsgewinnes an den Staat: dem Neuerwerber bleibt ja auch hier nichts anderes übrig, als den erhöhten Wert zu bezahlen.
§ 20 Grundprinzipien des niederländischen Umwidmungsweges
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Der erste Weg der nachträglichen Preiskorrektur läßt zwar unterschiedliche Alternativen zu 6 , ist aber m i t grundsätzlichen Vorbehalten zu versehen. Bemerkenswert ist, daß nicht nur i n der Bundesrepublik der i m Bundesbaugesetz vorgesehene Weg einer Baulandsteuer schon nach kurzer Zeit wieder aufgegeben wurde 7 , sondern daß auch andere Wege nachträglicher Korrektur i n anderen Ländern skeptisch stimmen müssen. So w u r d e n i n Großbritannien mehrfach verschiedene Ansätze einer nachträglichen Abschöpfung unternommen, die alle, der letzte Ansatz erst i m Jahre 1971 schließlich scheiterten 8 . Nach früheren Abschöpfungsversuchen wurde i m Jahre 1947 das sogen. Stadt- u n d Landplanungsgesetz (Town and Country Planning Act) erlassen, das (unter anderem) die Abschöpfung von Entwicklungsgebühren (development charges) vorsah. Das Gesetz wurde 1953 wieder aufgehoben. 1967 wurde, nachdem die Labour-Party die Regierung wieder übernahm, der L a n d Commission A c t 1967 (Gesetz zur Errichtung einer staatlichen Bodenanstalt) erlassen. E r sah zum einen die Errichtung einer öffentlichen Anstalt f ü r den Erwerb v o n Boden vor, zum anderen die Wiedereinführung einer Wertzuwachssteuer (Betterment Levy) zur Abschöpfung des Planungsmehrwertes. I m Gegensatz zu den 1953 weggefallenen Regelungen des Planungsgesetzes v o n 1947 sollten nicht 100 °/o, sondern zunächst n u r 40 °/o des Planungsmehrwertes weggesteuert werden. Auch dieser letzte Versuch der Abschöpfung des Planungsmehrwertes wurde i m Jahre 1971 wieder aufgegeben 9 . I n ähnliche Richtung gehen die i n den vergangenen Jahren i n Frankreich m i t der Abschöpfung v o n Planungsgewinnen gemachten Erfahrungen. Hier wurde durch ein Finanzgesetz v o n 1964 eine Steuer eingeführt, die zum E i n kommenssteuersatz die beim Verkauf unbebauten Baugeländes erzielten Gewinne erfassen sollte 1 0 . Diese Steuer sollte den A n t r i e b zu zu hohen Preisforderungen verringern u n d dem Staat Einnahmen verschaffen. Beides wurde nicht erreicht, sondern häufig gerade eine Verschlechterung des bisherigen Zustandes erzielt. Denn es ergab sich, w e n n man einmal von den Fällen der 6 Z u den bei der Beratung des Bundesbaugesetzes diskutierten grundsätzlichen Alternativen s. Ernst!Zinkahn/Bielenberg, BBauG, Einleitung Rdnr. 65 f. Allgemeine Grundzüge des niederländischen, französischen, belgischen u n d italienischen Bodenrechts v o m Stand des Jahres 1970 finden sich i n der Vortragssammlung „Bodenrecht, Bodenpolitik u n d deren Einfluß auf den Städtebau", 1970, passim. 7 Aufgehoben durch das Gesetz zur Änderung grundsteuerlicher Vorschriften v o m 10. 6.1964 (BGBl. I, S. 347). 8 s. dazu, m i t Ausnahme der neuesten Entwicklung i m Jahre 1971, die Darstellungen von Haman, Bodenwert u n d Stadtplanung, S. 56 ff. u n d von H. Weyl, Entwicklung der Bodenverfassung i n Großbritannien, i n : Bodenordnung? (hrsg. v. F. Schreiber), S. 87 ff. 9 Die „ L a n d Comission" u n d die „betterment levy" wurden am 8. 4.1971 durch den „ L a n d Commission Dissolution A c t " wieder abgeschafft; s. dazu U. Pfeiffer, Die „ L a n d Commission A c t " — eine fehlgeschlagene Reform?, i n : Stadtbauwelt 32, S. 316 ff. 10 s. dazu den Überblick über das französische Bodenrecht durch den Generalinspekteur des Bauwesens i m französischen Wohnungsbauministerium, P. Randet, i n : Bodenrecht, Bodenpolitik u n d deren Einfluß auf den Städtebau, S. 29 ff. (54). Dort auch ein Überblick über sonstige charakteristische Merkmale der neuen französischen Bodenordnung.
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I I I . Β. Niederländische Umwidmungspraxis u n d Grundgesetz
k a u m vermeidbaren Vereinbarung „schwarzer" Preise absieht, zum einen, daß die Grundeigentümer m i t hohem Einkommenssteuersatz den Grund und Boden zurückhielten; sofern hingegen verkauft wurde, bezogen die Verkäufer, soweit es irgend möglich war, den Steuerbetrag i n den Grundstückspreis m i t ein. Damit w u r d e eine allgemeine Preissteigerung b e w i r k t und genau der falsche Adressat, nämlich der Grundstückskäufer m i t der zusätzlichen Belastung getroffen.
Diese Beispiele zeigen, daß die nachträgliche Abschöpfung des Planungsgewinnes i n der Tat (unter mehreren anderen Nachteilen) stets ein zentrales Handicap besitzt: es ist wohl kaum zu verhindern, daß, solange eben der Boden insgesamt oder i n bestimmten Gebieten knapp ist, die Abschöpfung übergewälzt wird 1 1 .Hinzu kommt, daß Abschöpf ungsregeln ein großes Maß an komplizierten Anwendungsvorschriften voraussetzen. Der niederländische Lösungsweg hebt sich demgegenüber i n mehrfacher Weise vorteilhaft ab. Dort ist es gelungen, praktisch jede Bodenpreisspekulation für die reine Umwidmung von Acker- und Gartenland 1 2 zu Bauland oder industriell verwendetem Land, schon i m Keim zu ersticken. Hieraus folgt — das ist eine Folge des andersartigen Lösungsansatzes —, daß Abwälzungen von Preiserhöhungen nicht auftreten. Es ergibt sich zugleich der frappierende Befund, daß, obwohl Enteignungen zur Verhinderung der Erfüllung zu hoher Preisforderungen eine wichtige Rolle spielen, auch das Enteignungsrecht selbst relativ populär ist 1 3 — dies nicht deshalb, weil die Enteignungsentschädigungen i m Vergleich zu anderen Ländern absolut hoch sind, sondern deshalb, weil bei freiem Verkauf der Eigentümer sogar etwas weniger bekäme, als er bei Enteignungen erhält. Das praktische Verfahren und die konkreten Ergebnisse des niederländischen Weges werden anschließend näher darzulegen sein. Zuvor soll noch auf einen besonderen Umstand hingewiesen werden: Daß es in den Niederlanden gelang, die Bodenpreisentwicklung in einem für die Bundesrepublik unglaublich erscheinenden Maß zu verhindern, d. h. 11 Eine besonders eingehende Analyse der Abwälzungsprozesse liegt offenbar f ü r die Überwälzung der Entwicklungsgebühr nach dem britischen Stadtplanungsgesetz von 1947 vor; s. dazu die bei Haman, a.a.O. (Anm. 8), gegebenen Hinweise auf amtliche Berichte, i n denen die Überwälzung näher untersucht wurde. 12 Für die Preisentwicklung innerhalb von Städten selbst, so insb. f ü r Preisentwicklungen von Geschäftsgrundstücken i n Orientierung an besonderen L a gevorteilen u. ä. gilt die Feststellung nicht; der Ausschluß jeder unerwünschten Bodenspekulation bezieht sich auf die reine Umwidmungsspekulation bei Bauerwartungsland. 13 Diese Popularität der Enteignung betont auch de Cler, a.a.O. (Anm. 1), S. 22. Z u einem wichtigen Grund f ü r diese Popularität s. unten die nähere Darstellung i n § 21 I I I : obwohl die ehemaligen Eigentümer wesentlich weniger an Entschädigung als ζ. B. i n der Bundesrepublik bekommen, ist für sie die Enteignung finanziell durchaus günstig.
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alle s p e k u l a t i v e n E l e m e n t e auszuschalten, ist besonders u n t e r d e m Ges i c h t s p u n k t d e r Bevölkerungsdichte hervorzuheben. Die Niederlande besitzen m i t einer d u r c h s c h n i t t l i c h e n E i n w o h n e r z a h l v o n 367 E i n w o h n e r n je k m 2 n i c h t n u r die höchste d u r c h s c h n i t t l i c h e B e v ö l k e r u n g s d i c h t e i n E u r o p a ü b e r h a u p t , s o n d e r n gegenüber der B u n d e s r e p u b l i k (238 E i n w . / k m 2 ) eine d u r c h s c h n i t t l i c h e i n e i n h a l b m a l so große B e v ö l k e r u n g s k o n z e n t r a t i o n . H i n z u k o m m t , w a s w i r später i m einzelnen noch belegen w e r den, daß der B o d e n p r e i s i n d e n N i e d e r l a n d e n auch i n d e n Ballungsgebieten k e i n e r l e i n e n n e n s w e r t e Preis Verschiebung gegenüber den Lagen v o n m i t t l e r e n Städten und reinen Landgebieten aufweist. I I . Die entscheidenden Faktoren 1 4 1. D i e G r u n d p r i n z i p i e n des n i e d e r l ä n d i s c h e n Weges lassen sich, gerade w e n n m a n v o m deutschen E n t e i g n u n g s - u n d B o d e n r e c h t ausgeht, d u r c h S t u d i e n der gesetzlichen R e g e l u n g e n a l l e i n n i c h t verstehen. E r s t der E i n b e z u g der k o m m u n a l e n P r a x i s v e r d e u t l i c h t d e n L ö s u n g s w e g . H i e r b e i müssen auch die besonderen B o d e n v e r h ä l t n i s s e der N i e d e r l a n d e ber ü c k s i c h t i g t w e r d e n . Sie s i n d z w a r n i c h t ausschlaggebender G r u n d f ü r die d o r t eingeschlagene L ö s u n g , h a b e n aber m a ß g e b l i c h e n A n t e i l daran, daß der d o r t i g e W e g ohne große politische S c h w i e r i g k e i t e n eingeschlagen wurde. Rechtsgrundlagen 15 der niederländischen Regelung sind insb. A r t . 165 der niederländischen Verfassung und die Bestimmungen des noch gültigen Enteignungsgesetzes von 1851; von wesentlicher Bedeutung ist ferner das Wohnungsgesetz (Woningwet) v. 22. 6. 1901. A r t . 165 der Verf. enthält keine Regelung über die Höhe der Enteignungsentschädigung, sondern bestimmt n u r (neben der Festlegung, daß eine Enteignung nur zulässig ist, wenn der allgemeine Nutzen sie erfordert), daß die Enteignung n u r gegen i m Voraus geleistete oder zugesicherte Entschädigung zulässig ist. 14 Der folgende Bericht stützt sich auf eine persönliche Analyse der niederländischen Umwidmungslösung durch den Verfasser. Neben Gesprächen m i t Mitarbeitern der jeweiligen Grundbetriebe der i n § 21 näher aufgeführten Gemeinden stützt sich der Verfasser auf persönliche Auskünfte i m niederländischen Wohnungsbauministerium und i m Schätzungsbüro i n Rotterdam. Bereitwillige Hilfe leisteten insb. M r . Ferweda, Mej. Dr. Lohmann u n d Mr. de Joode v o m Wohnungsbauministerium i n Den Haag, Mej. Dr. Sohn vom Schätzungsbüro Rotterdam, M r . Sybrandy von der Stadtverwaltung Amsterdam sowie M r . Verkerk von der Gemeindeverwaltung Zoetermeer. Z u danken habe ich weiterhin der Gemeindeverwaltung Entschede f ü r Auskünfte über die Grunderwerbspraxis. 15 Eine Darstellung des niederländischen Enteignungsrechts enthalten J. F. Jansen, Onteigenen, 1965; C. H. Telders , Schadeloosstelling voor Onteigening, 1968 (insb. ausführliche Darstellung der Entschädigungsrechtsprechung) sowie die umfassende Kommentierung von Van WijmenlHamming, Onteigeningsrecht, T e i l V der „Juridische Bibliothek", Deel I (Enteignungsverfahren), bearb. von Van Wijmen, Deel I I (Entschädigung), bearb. von Hamming, Loseblattausgabe 1958 ff.
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Nach A r t . 40 des Enteignungsgesetzes von 1851 ist allein der wirkliche, nicht der „denkbare oder eingebildete" Wert (d. i. der Wert, den der Gegenstand ausschließlich f ü r die Person des Eigentümers hat; i n der deutschen klassischen Enteignungslehre entsprechen dem w o h l die Begriffe „subjektiver W e r t " u n d „Affektionsinteresse") entscheidend. Das Wohnungsgesetz von 1901, das i n z w i schen mehrfach geändert wurde, änderte das alte Enteignungsgesetz v o n 1851 dahingehend ab, daß generell die Enteignung f ü r die Zwecke der Erstellung von Wohnungen, insb. auch der Erlangung der Verfügung über unbebaute Grundstücke zum Zweck des Wohnungsbaues zulässig wurde (Titel I V des Enteignungsgesetzes). V o n Interesse ist noch die 1956 eingeführte Bestimmung des A r t . 40a des Enteignungsgesetzes. Sie führt ein bemerkenswertes Poolprinzip ein, indem sie beim Erwerb v o n Grundstücken zum Wohnungsbau alle Grundstücke als E i n heit betrachtet u n d dann einen M i t t e l w e r t der Entschädigung festlegt.
Die i m Art. 40 des niederl. Enteignungsgesetzes festgelegte Entschädigungsregelung geht, wie auch die bisherige Praxis der Bundesrepublik bis zum Bundesbaugesetz m i t der „angemessenen" Entschädigung, vom Prinzip des vollen Ausgleichs des Wertes der enteigneten Sache durch die Entschädigung aus. Dieses Prinzip war bereits Mitte des 19. Jahrhunderts durch die höchstrichterliche Rechtsprechung als festes Element der Enteignungspraxis zugrunde gelegt worden 1 6 . Das Prinzip hat sich bis heute unverändert i m Grundsatz gehalten und w i r d auch von der herrschenden Meinung der niederländ. Rechtswissenschaft vertreten. Ausgleichsentschädigung i m Sinn des niederländischen Enteignungsrechts und Ausgleichsentschädigung i n der bisherigen deutschen Praxis anhand der „angemessenen" Entschädigung sind aber gleichwohl gänzlich unterschiedliche Dinge. Der Unterschied läßt sich auf eine einfache Formel bringen: Nach dem System des dt. Bundesbaugesetzes regiert der Verkehrswert der durch Angebot und Nachfrage bestimmten Marktverhältnisse von Bauerwartungs- und Bauland die Höhe der Enteignungsentschädigung und damit auch den Preis, den ein Baulanderwerber dem Verkäufer zu zahlen hat. Nach dem niederländischen Umwidmungsweg hingegen regiert der Enteignungswert für bisheriges Bauerwartungsland den Verkehrswert der i m Umwidmungsprozeß befindlichen Grundstücke und bildet zugleich die Grundlage für die Preise, die Bauwillige zu zahlen haben. Wie ist diese Umkehrung zu erklären? Sie beruht zum einen auf dem genannten Umstand, daß nach dem Wohnungsbaugesetz von 1901 (Woningwet) die Gemeinden schlechthin das Recht haben (und es ausnützen), Grundstücke zur Bereitstellung von Bauland i m Enteignungsverfahren zu erwerben. Zum anderen ist historisch gesehen die besondere Situation des niederländischen Bodens für diese 16 Bereits i m Jahre 1864 erging eine derartige Entscheidung des Hohen Rates, die das Prinzip klarstellte; vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung ausführlich Telders, passim.
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Umkehrung als maßgeblicher Faktor anzusehen; der letztere Umstand bildet aber keineswegs eine notwendige Bedingung für die Anwendung des niederländischen Lösungsmodells. Das niederländische Bodenwesen weist gegenüber dem bundesrepublikanischen den charakteristischen Unterschied auf, daß, von geringen Ausnahmen i m Osten des Landes abgesehen, die Bebaubarkeit des Bodens außerordentlich erschwert ist. Das bisher landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte L a n d ist ohne weitere Maßnahmen zur Bebauung ungeeignet, w e i l es weder Wohngebäude noch industriell genutzte Einrichtungen tragen kann. Es müssen daher alle Grundstücke, u m „baureif" gemacht zu werden, erst durch Sandaufschüttungen u n d -aufschwemmungen sowie durch Einebnungs- u n d Entwässerungsmaßnahmen bebauungsfähig gemacht werden. Solche Maßnahmen sind nicht n u r außerordentlich kostspielig, sondern erfordern i n der Regel auch ein koordiniertes Vorgehen bei der Erschließung v o n Grund u n d Boden, sei es zur Bereitstellung f ü r den Wohnungsbau, sei es zur Verfügungstellung f ü r industrielle Nutzungen.
Da nach dem zweiten Weltkrieg i n den Niederlanden ebenfalls eine große Wohnungsnot herrschte, entschlossen sich die Gemeinden i n noch stärkerem Ausmaß als seit der Jahrhundertwende, i m Wege der sog. „aktiven Bodenpolitik" selbst die Erschließung i n die Hand zu nehmen. Das Ergebnis war, daß seit dem zweiten Weltkrieg praktisch das gesamte Land, wenn es von der Nutzungsstufe der landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Nutzung i n die Nutzungsstufe als Bauland übergeht, von den Gemeinden erworben (d. h. aufgekauft oder enteignet) wird, von diesen dann unter Zuhilfenahme privater Unternehmer baureif gemacht wird, wobei die notwendigen Straßen, Leitungen, Kanalisationen, A n lagen u. ä. angelegt werden, um dann an Wohnungsbaugesellschaften (sogen. Wohnungsvereine), sonstige an Bau und Vermietung interessierte Kapitalgesellschaften oder an private Bauwillige abgegeben zu werden. Hierbei werden die Erschließungskosten anteilig auf die nutzbare Wohnfläche verteilt. Der Weiterveräußerungspreis , der von den Gemeinden für Bauland berechnet werden darf, richtet sich nach dem erweiterten Erschließungsbeitrag. D. h. daß, anders als i n der Bundesrepublik, nicht nur die Erschließungskosten i m engeren Sinn auferlegt werden dürfen, sondern auch anteilige Kosten, die den besonderen Wohnwert der Gemeinde ausmachen, wie Sportstätten, Hallenbäder u. ä. gegebenenfalls m i t einbezogen und umgelegt werden können. Letzteres ist freilich i n der Praxis nur bei der Anlage neuer Stadtgebiete der Fall. Da das bebaute Land, von geringen Ausnahmen abgesehen, nicht i m Eigentum der Gemeinde verbleibt, bedeutet dies i m Ergebnis, daß i n den Niederlanden das Land nicht etwa für immer kommunalisiert, also i n spezifischer Form „sozialisiert" wird, sondern daß die Gemeinden ein faktisches Interimsmonopol ausüben, das es ihnen erlaubt, den Preisprozeß beim Ubergang vom landwirtschaftlich und gärtnerisch genutzten Land zum Bauland völlig zu kontrollieren. 14 Opfermann
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2. Nur unter Berücksichtigung dieses faktisch bestehenden (keineswegs also gesetzlich vorgeschriebenen) Interimsmonopols i m Wege des zeitlichen Zwischenerwerbs der Gemeinden sind die folgenden charakteristischen Merkmale des niederländischen Umwidmungsprozesses zu sehen und zu verstehen. Es gibt i n den Niederlanden einen rein rechtlich gesehen freien, d. h. grundsätzlich weder gesetzlich unterbundenen noch durch Preisstopvorschriften reglementierten Grundstücksmarkt sowohl für Acker- und Gartenland, wie für Bau- und Bauerwartungsland. Der Verkehrswert für Ackerland richtet sich nach der realen Nachfrage, je nachdem, wieviel Erwerber Ackerland auch weiter als Ackerland benutzen wollen; für zukünftiges Bauland hingegen gibt es zwar auch einen rechtlich nicht beschränkten Verkehrswert, dieser Verkehrswert kann und w i r d faktisch aber durch die Gemeinden bewußt auf niedrigem Niveau gehalten. Die Enteignung ist effektiv einsetzbar, um zukünftiges Bauland preisgünstig für Bauwillige zu erwerben, wenn die alten Inhaber das Land deshalb nicht freiwillig verkaufen, weil sie es zu einem höheren Preis veräußern wollen. Die Rechtsprechung arbeitet hierbei Hand i n Hand m i t den Gemeinden, indem darauf abgestellt wird, daß es bei einem „redlichen", d. h. spekulationsfreien Enteignungspreis verbleibt. Die Berufung auf vereinzelte, zumeist durch Sonderfaktoren bedingte, erhöhte Preise, lassen die Gerichte nicht zu, da die Gemeinden darauf hinweisen können, daß infolge ihres Interimmonopols allgemein i m Land ein durchschnittlich wesentlich geringerer Preis gezahlt wird. Die Enteignungsentschädigung und die Entschädigung für gekauftes zukünftiges Bauland sind gleich hoch; der Preis liegt i n beiden Fällen etwa auf der Höhe des Doppelten des rein innerlandwirtschaftlichen Verkehrspreises. Die Gemeinde zahlt i n beiden Fällen für Ackerland 1 6 3 je Landeinheit gewissermaßen einen „Trostzuschlag" dafür, daß der Eigentümer sein Land abgeben muß. Aus diesen Grundzügen des niederländischen Umwidmungsverfahrens ergibt sich die folgende Konsequenz: jeder Bauwillige kann natürlich, wenn er später i n einem Neubaugebiet bauen w i l l , schon das Ackerland als „Bauerwartungsland" kaufen. Er w i r d hierbei aber aus zweierlei Gründen keinen höheren Preis zahlen, als i h m die Gemeinde für späteres Bauland berechnet, ja sich sogar sehr überlegen, ob er überhaupt das Land vorher schon erwerben soll. Zum einen kann er, wenn der bisherige Eigentümer, also i n der Regel ein Bauer oder ein Gärtner, 16a Bei gärtnerisch genutztem L a n d ist dies nicht der Fall; hier w i r d als Entschädigung ebenfalls der f ü r Ackerland einschließlich des Zuschlages gezahlte Wert gezahlt.
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einen höheren Preis verlangt, ja zur Gemeinde gehen und dort das Land wesentlich billiger erhalten. Zum anderen hat der Erwerber ohnehin nicht viel von dem früheren Verkauf, weil das Land i n der Praxis ja doch nicht von i h m baureif gemacht wird, sondern dies von der Gemeinde geschieht. 3. Bei der Bemessung der Entschädigung für zu kaufendes oder zu enteignendes Land w i r d von den Gemeinden folgendermaßen verfahren. Zunächst w i r d der für Ackerland oder Wiesenland gezahlte Verkehrswert als Grundorientierung zugrunde gelegt. Dieser Wert beruht, da er sich letztlich an dem Ertrag des jeweiligen Bodens orientiert, auf einer sachlichen Grundlage und nicht auf der Monopolstellung der Grundeigentümer. Die Entschädigung für sowohl gekauftes wie für durch Enteignung erworbenes landwirtschaftlich genutztes Land w i r d bestimmt, indem die Gemeinden einen kleinen Zuschlag zu dem Ackerlandpreis gewähren 17 . Dieser Zuschlag läßt sich damit rechtfertigen, daß dem ehemaligen Eigentümer insoweit ein Sonderopfer auferlegt wird, als nur er, nicht aber alle Acker- und Weidelandbesitzer zugunsten des öffentlichen Wohles einen Teil des Besitzes oder den ganzen bisherigen Betrieb aufgeben müssen. Neben dieser Substanz-Entschädigung werden zusätzlich alle Folge- und Nebenschäden (Kosten für die Neuerrichtung einer Gärtnerei, eines Hauses u. ä.) ersetzt. W i r d dem bisherigen Eigentümer die Erwerbsgrundlage genommen, so w i r d so verfahren, daß i h m i n der Regel der entgangene Gewinn für 13 Jahre dadurch ersetzt wird, daß das Zehnfache des Jahresgewinnes vergütet w i r d 1 8 . 4. Aus dieser Bezahlung i n Orientierung an dem innerlandwirtschaftlichen Ackerlandpreis mit „Trostzuschlag " durch die Gemeinden und die damit verbundene Möglichkeit, den Preisprozeß bei Umwidmungen völlig zu beherrschen, erklärt sich eine charakteristische Eigenschaft des niederländischen Bodenrechts, die zu einem grundsätzlichen Unterschied i m Verhältnis zu der gegenwärtigen Situation i n der Bundesrepublik führt. Die Befugnis der Gemeinden zur Enteignung kann i n den Niederlanden für den Fall, daß der alte Eigentümer zu hohe Preise verlangt, tatsächlich als ein Druckmittel eingesetzt werden, um eine gütliche Einigung zu erzielen 19 . Diese Tatsache bleibt unverständlich, 17 D. h., daß die Preisfestsetzung über den innerlandwirtschaftlichen V e r kehrswert nicht aus marktimmanenten Gründen erfolgt, sondern daß bewußt hier ein f r e i w i l l i g erhöhter Preis gezahlt w i r d , dessen Erhöhung aber beherrschbar bleibt. Dieser Preis gewinnt dann über die Gleichbehandlungsmaxime, von kleineren Differenzierungen abgesehen, W i r k u n g auch für spätere Enteignungen und f ü r die Entscheidungen der Gerichte. 18 Die Differenz zwischen 13jähriger Schadensspanne und (nur) lOfacher Vergütung erklärt sich daraus, daß bei sofortiger Auszahlung des lOfachen Jahresgewinnes durch die Verzinsungsmöglichkeit u n d sonstige Ausnutzung des Kapitals ein höherer Ausgleich entsteht. 19 Hierauf weist auch de Cler, a.a.O. (Anm. 1), S. 21 f. hin.
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wenn man (was bei juristischer Betrachtungsweise naheliegen könnte), nur die rechtliche Konstruktion der niederländischen Enteignungsentschädigung selbst betrachtet. Denn da auch i n den Niederlanden das Prinzip der Verkehrswertentschädigung für Enteignungen gilt (Art. 40 des Enteignungsgesetzes von 1851), ist zunächst kaum ersichtlich, warum i n den Niederlanden gleichwohl diese Bindung an den gemeinen Wert es ermöglicht, die spekulative Baulandpreiserhöhung zu verhindern. Die Lösung ist eben darin zu sehen, daß ja wegen des beschrienen faktischen Zwischenmonopols der Gemeinden i n Wahrheit nicht ein durch das freie Kräftespiel von Angebot und Nachfrage bestimmter, sondern ein allgemeinwohlorientierter regulierter „Verkehrswert" vorliegt, der seine entscheidende Orientierung dadurch erhält, daß die Gemeinden darauf achten, daß der Preis für Acker- und Weideland nicht zu stark überhöht w i r d 2 0 . Da der durch die Gemeinden bestimmte „regulierte Verkehrswert" von Bauerwartungsland bekannt und — das ist sehr wichtig — von geringfügigen Änderungen abgesehen zeitlich praktisch konstant ist 2 1 , ergibt sich als Folge, daß es sich nicht lohnt, allein aus der Hoffnung heraus, eventuell höhere Preise für Bauerwartungsland zu bekommen, sich einer gütlichen Einigung durch privatrechtlichen Verkauf zu dem von den Gemeinden vorgeschlagenen Preis zu widersetzen. Da auch bei einer Enteignung kein höherer Preis als der von der Gemeinde vorgeschlagene Preis zu zahlen ist (nämlich der niedrige Ackerlandwert mit Trostzuschlag), lädt der alte Eigentümer i m allgemeinen allenfalls ein Prozeßrisiko auf sich. A n dem niederländischen Lösungsweg bestätigt sich somit die Erkenntnis, daß ein gutes Enteignungsrecht nicht zuletzt daran erkennbar ist, daß es seine eigene Anwendung weitgehend überflüssig macht — nämlich i n den Fällen, i n denen es nur durch die Hoffnung des Eigentümers auf hohe Entschädigung i n Gang gesetzt würde 2 2 . 20 Die niederländische Öffentlichkeit ist sehr kritisch, wenn dieser Zuschlag auch n u r etwas angehoben w i r d . So erhob sich ζ. B. heftige K r i t i k , als bei dem unten i n § 21 I beschriebenen Projekt Zoetermeer M i t t e der 60er Jahre statt bisher 3,50 fl/m 2 n u n 4 fl/m 2 gezahlt wurden. 21 Das gilt bei reinen Umwidmungen von Bauerwartungsland auch über Zeiträume von 1 6 - 2 0 Jahren, auch i n der Nähe von Großstädten; s. dazu unten die i n § 21 I aufgeführten Großprojekte. Die Preiskonstanz gilt — was zu beachten ist — nicht f ü r die Nebenschäden (Ersatz f ü r Gebäude, Installationen u. ä.), da diese durch die gewerbliche Baupreisentwicklung bestimmt werden. Dazu näher unten § 21 I I . 22 Das deutsche Enteignungsrecht des BBauG fordert durch die Verkehrswertentschädigung ohne jede Rücksicht auf Leistungsfaktoren geradezu dazu heraus, möglichst den Bewertungsstichtag f ü r die Entschädigung hinaus zu schieben, fördert also den Antrieb des ehemaligen Inhabers, jedes M i t t e l anzuwenden, u m das Verfahren für die Landabgabe durchzusetzen, das den höchsten Preis verspricht, s. hierzu ζ. B. die Analyse von D. Münch, Grundstücksenteignungen i n deutschen Städten, Gemeinnütziges Wohnungswesen
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I I I . Die Wirkung des niederländischen Weges
Die bisherigen Darlegungen schilderten das theoretische Modell des niederländischen Weges. Wie der Unterschied zwischen dieser Lösung und der Entwicklung i n der Bundesrepublik durch Freilaufenlassen der Marktpreise ohne rechtfertigende Grundlage für die Marktlösung 2 2 a sich konkret auswirkt, ergibt erst der Vergleich der tatsächlich i n beiden Ländern eingetretenen Preisentwicklung. Ein solcher Vergleich w i r d i m folgenden durch generalisierte Gegenüberstellung durchgeführt; er stützt sich, neben der angeführten statistischen Literatur, auch auf Auskünfte des niederländ. Wohnungsbauministeriums und des für die Schätzung von Acker-, Garten- und Bauland zuständigen Schätzungsbüros i n Rotterdam dem Verfasser gegenüber. I n § 21 werden die Daten nochmals konkret veranschaulicht. 1. Bei der Bodenpreisentwicklung in den Niederlanden für zukünftiges Bauland 2 3 muß streng zwischen den durchschnittlichen SubstanzEntschädigungssätzen, die für reines Acker-, Wiesen- und Gartenland gezahlt werden einerseits, und den durchschnittlichen Entschädigungssätzen unter Einbezug von Folgekosten (z. B. Abbruch landwirtschaftl. Gebäude, gärtnerischer Betriebe u. ä.) andererseits unterschieden werden. Die letzteren Durchschnittswerte orientieren sich an den Kosten, die für die Neuerrichtung abgerissener Anlagen zu zahlen sind, mithin von den Lohnkosten u. ä. abhängen. Diese Kosten sind daher stark konjunkturbedingt. Infolgedessen ergibt sich für diese Durchschnittssätze i n den letzten 10 Jahren auch i n den Niederlanden ein erheblicher Preisanstieg, der freilich m i t der Unvermehrbarkeit des Bodens nicht zusammenhängt. Für die eigentliche Problematik der Bodenpreisentwicklung wegen funktionaler Umwidmung von Agrar- und Gartenland zu Bauland und Industrieland ist hingegen die Differenz der reinen Durchschnittssätze ohne solche Zusatzkosten entscheidend. 1969, S. 323 ff. I n dieser eingehenden Analyse von 2494 Enteignungsverfahren bei 31 mittleren bis großen Städten aus den Jahren 1953 - 1968, die primär aus städtebaulichen Gründen durchgeführt wurden, wurde festgestellt, daß i n fast 80 °/o der Fälle zu hohe Entschädigungsforderungen der Eigentümer die überwiegende oder ausschließliche Ursache der Enteignungsanträge darstellten. 22a Das Modell des „laissez-faire" stützt sich darauf, daß die Verknappung von Gütern und die daraus folgende Preissteigerung den Anreiz zu einer E r höhung des Mengenangebotes liefert; dies führt später dann wieder zu Preissenkungen. Da Grund u n d Boden aber unvermehrbar sind u n d zudem — aus infrastrukturellen Gründen — nicht planlos gebaut werden darf, können die Inhaber von Grundstücken bestimmter Lagen hier also ein Quasimonopol (Monopol nicht durch Herstellungsexklusivität, sondern durch Lagemacht) ausnutzen: sie verkaufen nur, w e n n genug geboten w i r d . 23 Die i m deutschen Enteignungsrecht geläufige Unterscheidung zwischen Ackerland, Bauerwartungsland u n d Rohbauland ist für die Niederlande bedeutungslos. Es ist n u r zwischen Ackerland und Rohbauland zu unterscheiden.
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Für rein landwirtschaftlich genutztes Land (also Acker- und, i n den Niederlanden besonders häufig, Weideland) hat sich i n den Niederlanden ein rein marktwirtschaftlich orientierter Verkaufspreis 24 von 1 - 1,50 DM/m 2 gebildet 25 . Bei gärtnerisch genutztem Land liegt der „innergärtnerische" Verkaufspreis bei 3,50 - 4,— DM/m 2 , seltener bei 4,50 DM/m 2 . Für die von den Gemeinden gezahlte Entschädigung für Land, das nach den Bebauungsplänen (sog. „Bestimmungspläne") der Gemeinden bebaut oder industriell genutzt werden soll, aber erst baureif gemacht werden muß, läßt sich der folgende Rahmen angeben, der zwar i n einzelnen Pfennigbeträgen Vagheiten aufweist, i n der Dimension aber i m ganzen Land konstant ist. Die unterste Grenze des rein für den Erwerb von zukünftigem Bauland zu zahlenden Preises für Weiden- und Ackerland liegt bei 2,— DM/m 2 , die oberste bei 4,— DM/m 2 . Für die überwiegende Anzahl des erworbenen oder enteigneten Landes liegt der „regulierte Verkehrswert" zwischen 2,25 D M / m 2 und 3,50 DM/ m 2 . Der gezahlte „Trostzuschlag" als Differenz zwischen dem „innerlandwirtschaftlichen" Verkehrswert und dem Preis für das zukünftige Bauland liegt also bei landwirtschaftlich genutztem Land zwischen der Spanne von 1,— D M / m 2 als M i n i m u m und 3,— D M / m 2 als Maximum 2 6 . 2. Von besonderem Interesse gerade i m Vergleich zur Bundesrepublik ist, wie sich das System allgemeinwohlregulierter Preise i n den beiden Kerndimensionen der Umwidmungsspekulation auswirkt. Das ist einerseits die Preisveränderung i n Abhängigkeit von der Nähe zu Großstädten und sonstigen Ballungsgebieten und zweitens die zeitliche Veränderung der Bodenpreise. I n den Niederlanden w i r d für zukünftiges Bauland i n der Nähe von Ballungszentren keineswegs ein höherer Preis als auf dem Flachen Land gezahlt 27 . Hinzu kommt, daß das niederländische Umwidmungsmodell keinen nennenswerten Problemen vom Zeitfaktor her gesehen ausgesetzt ist. So ergibt sich, eben w e i l der Verkehrswert für umgewidmetes Land bewußt unter Kontrolle gehalten wird, daß jede Befürchtung eines höheren Preisanstiegs bei zu spätem Grundstückserwerb durch die Gemeinde entfällt. Die Gemeinden gehen notfalls i m Wege der Enteignung vor und lassen sich von den Gerichten bestätigen, daß die Beibehaltung der bisher gezahlten Preise zu einer „redlichen" Entschädigung führt. Daraus ist zu erklären, daß auch bei 24 Das ist der „innerlandwirtschaftliche" Verkehrswert des §57 I V des Städtebauförderungsgesetzes. 25 W i r gehen i m folgenden der Einfachheit halber von dem gegenwärtigen Paritätsverhältnis 1 fl. = ca. 1 D M aus. Geringfügige Wechselkursänderungen zwischen der Bundesrepublik und den Niederlanden spielen i m vorliegenden Vergleich keine Rolle, da ja n u r die Dimensionsunterschiede der Entschädigungsergebnisse dargestellt werden sollen. 26 Z u r Veranschaulichung s. die unten i n § 21 gegebenen Beispiele. 27 Vgl. unten i n § 211 die Beispiele Amsterdam u n d Zoetermeer.
§20 Grundprinzipien des niederländischen Umwidmungsweges
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Großprojekten die Bodenpreisentschädigung über Jahrzehnte verläßlich kalkuliert werden kann, so daß die Gemeinden keineswegs gezwungen sind, sich möglichst früh an einem allgemeinen Run des Grundstückserwerbes zu beteiligen. Denn sie können sicher sein, daß, wenn sie zunächst nur die gerade benötigten Grundstücke erwerben, noch 10 Jahre später beim freihändigen Kauf benachbarter Grundstücke der alte Preis gültig ist. 3. I n der Bundesrepublik liegt eine amtliche Statistik der Bodenpreisentwicklung seit dem Erlaß des Gesetzes über die Preisstatistik vom 9. 8. 1958 (BGBl. I S. 341) vor, aufgrund dessen i m Statistischen Jahrbuch für die BRD die durchschnittlichen Preise laufend veröffentlicht werden. Hinzu kommen eine Reihe neuerer Untersuchungen, i n denen allgemein 28 oder für spezielle Ballungsgebiete 29 die Bodenpreisentwicklung dargestellt ist. Beim Vergleich zwischen den Niederlanden und der Bundesrepublik muß für letztere unterschieden werden, ob es sich um Bauerwartung island, Rohbauland oder baureifes Land handelt. Denn die Bodenpreise schwanken stark je nachdem, welches Stadium i m Umwidmungsprozeß das jeweilige Land gerade erreicht hat. Ein Vergleich der Ergebnisse der niederländischen Lösung mit dem i n der Bundesrepublik eingetretenen Zustand ist daher nur i n der Weise möglich, daß einzelne Durchschnittssätze m i t dem niederländischen Ergebnis verglichen werden. Herbei ist zu berücksichtigen, daß es, um das effektive Ausmaß des gesamten Unterschiedes beider Lösungen zu ersehen, eigentlich unzulässig ist, nur einen Vergleich zwischen dem regulierten niederländischen Umwidmungswert und den deutschen Preisen für Bauerwartungsland zu ziehen. Vielmehr vollzieht sich die Spekulation i n der Bundesrepublik, wenn man die Trennung zwischen Bauerwartungsland, Rohbauland und baureifem Land beibehält, i m extremen Fall i n drei Schüben: Denn auch i m gesteigerten Preis des Rohbaulandes und des baureifen Landes w i r d ja nochmals ohne Leistung des Betroffenen der neue Umwidmungszweck berücksichtigt. Das niederländische Modell hingegen verhindert, weil der regulierte Verkehrswert konstant bleibt, daß mit der zeitlichen Nähe der Umwidmungsrealisierung immer höhere Preise 28 Eine Darstellung der Relation von Baulandpreisentwicklung u n d Lebenshaltungskosten findet sich i n der Abhandlung von W. Bonczek, Die Reform des kommunalen Bodenrechts aus städtebaulicher Sicht, S. 70 f. Eine detaillierte Darstellung der Bodenpreisentwicklung f ü r einzelne Städte, getrennt nach Bauerwartungs-, Rohbau- u n d baureifem Land, findet sich bei M. Tiemann, Die Baulandpreise u n d ihre Entwicklung, i n : Der Städtetag 1970, S. 562 ff. 29 Einzelne „Agglomerationen" untersucht O. Aule, Analyse der Baulandpreise i n der Bundesrepublik Deutschland unter regionalen Gesichtspunkten, 1967, S. 37 ff. unter Darstellung charakteristischer Strukturmerkmale einzelner Ballungsgebiete.
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durch die Monopolstellung der bisherigen Inhaber erzielt werden können. I m folgenden soll nur der Unterschied i n der Dimension zu den Niederlanden verdeutlicht werden. Es kommt dabei nicht darauf an, ob man den reinen Ackerlandpreis i m „innerlandwirtschaftlichen" Markt der Bundesrepublik bei 1 - D M / m 2 oder bei 2 - 3 D M / m 2 annimmt 3 0 . Nach der i m Statistischen Jahrbuch für die BRD von 1972 enthaltenen Gegenüberstellung für 1962, 1965 - 1971 ergibt sich, daß schon für Rohbauland der gezahlte Preis von 9,50 D M / m 2 (1962) kontinuierlich über ζ. B. 14,61 D M i n 1966 auf 17,88 DM/m 2 i n 1969 und 21,10 D M i m vierten Vierteljahr 1971 gestiegen w a r 3 1 . Daraus folgt, daß — statt eines kontrollierten, weil bewußt gezahlten Zuschlages von i. d. R. 1 - 2 D M / m 2 i n den Niederlanden — i n der BRD schon für Rohbauland ζ. B. ein durchschnittlicher Erwartungszuschlag von zumindest 6,50 D M / m 2 (1962) bzw. 11,60 D M / m 2 (1966) bzw. 14,88 D M / m 2 (1969) und 18,10 DM/ m 2 (1971) zugelassen wurde. Noch größer w i r d der Unterschied zu den Niederlanden, wenn berücksichtigt wird, inwieweit sich die Preise an der spezifischen Größe und sonstigen Lage der Gemeinden orientieren, zu der das Grundstück gehört. Nach der von Tiemann 3 2 aufgestellten Ubersicht ergibt sich für die Umwidmung von Ackerland in Bauland i m städtischen Bereich für 1960 ein Wertzuwachs von 16,— DM/m 2 und für 1969 ein Zuwachs von 30,— DM/m 2 . Der Erwartungszuwachs für Rohbauland 33 beträgt, je nach der Qualität der Wohnlage, für Großstädte für 1969 darüber hinaus sehr häufig 30,— bis 50,— DM/m 2 , teilweise aber auch von 70,— bis 150,— D M / m 2 3 4 . Der jeweilige Wertzuwachs ist von 1960 bis 1969 i. d. R. zumindest um das doppelte, oft um das drei- bis vierfache gestiegen. Daraus w i r d der Prozeß der Spekulation durch bloßes „Kommenlassen" des Käufers unmittelbar erklärlich 3 5 .
30 Auch der jetzige Ackerlandpreis i n der B R D ist ja, jedenfalls i n der Nähe größerer Städte, bereits erwartungsgeladen, auch wenn noch keinerlei Bebauungsaussichten bestehen (Bauerwartungserwartungsland). Nach Munzert, Vhdlg. d. 49. DJT, Bd. 2, 1. Teilb., S. L 101, hat das I n s t i t u t f ü r A g r a r p o l i t i k der Univ. Bonn ermittelt, daß ζ. B. i n Nordrhein-Westfalen Ende 1971 der durchschnittliche reine Agrarpreis 2,63 D M i m Kreisbereich betrug 31 Statistisches Jahrbuch f ü r die BRD 1972, S. 451. (Nach dieser Übersicht w a r die Preisentwicklung i m 2. Vierteljahr 1971 geringfügig rückläufig.) 32 Tiemann, a.a.O. (Anm. 28), S. 572. 33 Das ist w o h l die Erwartungskategorie m i t dem stärksten Umwidmungsgewinn. 34 s. Tiemann, a.a.O., S. 564/565. 35 E i n Beispiel: Bei einer Preiserhöhung von 60 D M / m 2 auf 150 D M / m 2 f ü r Rohbauland i n mittlerer Lage am Rand von Stuttgart (Werte nach Tiemann, a.a.O.) hat der Inhaber eines 1 ha großen Grundstückes allein durch Verkaufsverweigerung fast 1 M i l l i o n D M ohne jede Leistung „verdient".
§20 Grundprinzipien des niederländischen Umwidmungsweges
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I V . Niederländischer Weg und Städtebauförderungsgesetz
Das StFG vom 27. 7. 1971 (BGBl. I S. 1125) hat, da es erst seit kurzer Zeit in Geltung ist, noch nicht zeigen können, inwieweit m i t i h m neben der Durchführung der Stadtsanierung auch die Bodenspekulation bekämpft werden kann. Die entscheidenden Rechts Verordnungen nach § 91 StFG, durch die die Anwendung gleicher Grundsätze bei der Ermittlung der Grundstücks- und Gebäudewerte, die Erhebung der Ausgleichsbeiträge u. ä. garantiert werden soll, sind erst zum Teil erlassen 35a , so daß über die Anwendung des StFG schon aus diesem Grund kein abschließendes Urteil möglich ist. I m Folgenden soll nur kurz verglichen werden, inwieweit sich grundsätzliche Unterschiede zwischen dem niederländischen Weg und dem i m StFG zur Verfügung gestellten Instrumentarium für die eben erörterten Umwidmungsprozesse von Acker- und Weideland i n Bauland ergeben 36 . 1. Vom Regelungsgegenstand her ergibt sich zunächst eine gewisse Parallelisierung zwischen den Befugnissen nach §§ 53 ff. StFG und dem niederländ. Weg. So sind die Entwicklungsmaßnahmen nach dem StFG ausdrücklich dazu bestimmt, neue Orte zu schaffen, vorhandene zu neuen Siedlungseinheiten zu entwickeln bzw. u m neue Ortsteile zu erweitern (§ 1 I I I StFG). Nach § 1 V I StFG sollen hierbei nach Möglichkeit Grundeigentum oder äquivalente Rechte „für weite Kreise der Bevölkerung begründet werden". Die Gemeinde soll hierzu die Grundstücke i m städtebaulichen Entwicklungsbereich erwerben (§ 54 I I I StFG); notfalls kann sie, wenn eine gütliche Einigung scheitert, enteignen (§ 57 I I I StFG). Soweit die gekauften oder enteigneten Grundstücke nicht für öffentliche Zwecke benötigt werden, sind sie nach der Erschließung an Bauwillige zu veräußern (§ 59 I). Schließlich gilt, daß nach § 57 I i. V. m. § 23 I I StFG bei der Bemessung der Entschädigungsleistungen Werterhöhungen, die nicht durch zulässige eigene Aufwendungen bewirkt wurden, also auf Leistung zurückgeführt werden können, nicht berücksichtigt werden dürfen. Gleichwohl enthält das Instrumentarium des StFG gegenüber dem niederländ. Weg insbesondere zwei entscheidende Schwächen i n bezug auf die Aufgabe, die Bodenpreisspekulation bei der Umwidmung von Ackerland i n Bauland zu bekämpfen. a) Wie eben i n I I I beim Vergleich der in den Niederlanden und i n der Bundesrepublik gezahlten Preise für zukünftiges Bauland dargestellt, ist die Preisentwicklung i n den Ballungsgebieten der Bundes35a RVO zu Nr. 1 und 2 durch Änderung und Ergänzung der Wertermittlungsverordnung, s. WertermittlungsVO i. d. F. vom 15. 8. 1972 (BGBl. I, S. 1417), insb. §§ 21 ff. 36 Bei diesem Vergleich ergibt sich zweckmäßigerweise eine Beschränkung auf die Regelungen f ü r sog. Entwicklungsmaßnahmen (§§ 1 I I I , 53 ff. StFG), da diese f ü r den Umwidmungsprozeß speziell einschlägig sind.
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I I I . Β. Niederländische Umwidmungspraxis und Grundgesetz
republik bereits soweit fortgeschritten, daß größere Projekte kaum noch durchführbar sind oder aber zu einer kaum mehr zumutbaren Belastung einzelner Bauwilliger oder der öffentlichen Hand führt. Infolgedessen muß es das Ziel einer jeden auch nur annähernd befriedigenden Neuregelung des Bodenrechts sein, den bisher erreichten Preisstand wieder abzubauen. Denn das Bestehenlassen der bisherigen Preise führt zu einer erheblichen Verteuerung oder gar Vereitelung zahlreicher privater Wohnungsbauvorhaben, weil einfach das Geld zum Grundstückserwerb fehlt 3 7 . Nach der Konstruktion des StFG ist aber ein derartiger Abbau kaum möglich. Denn die i n § 57 I Nr. 9 i. V. m. § 23 StFG angeordnete Bemessung der Ausgleichs- und Entschädigungsleistungen ist nicht darauf angelegt, den bisher erreichten Spekulationsstand abzubauen, sondern nur zukünftige Preissteigerungen zu verhindern. Nach § 23 I I 2 StFG müssen Änderungen i n den allgemeinen Wertverhältnissen auf dem Grundstücksmarkt berücksichtigt werden. Die Gemeinde muß daher die Preisentwicklung i m Entwicklungs- (bzw. Sanierungs-) Gebiet der Preisentwicklung i n den sonstigen Gebieten gegenüberstellen 38 . Die Konsequenz hiervon ist, daß, selbst wenn das StFG i n den nächsten Jahren zügig angewendet werden würde, i n Gegenden, i n denen der Bauerwartungswert i n den letzten Jahren bereits extrem angestiegen war, auch nach dem StFG weitgehend hilflos der bisherige status quo akzeptiert werden muß 3 9 . b) Es ist das Ziel des StFG, daß wenigstens für die förmlichen Entwicklungsbereiche die zukünftigen durch Entwicklungsmaßnahmen oder die Aussicht hierauf eingetretenen Wertsteigerungen nicht dem Eigentümer verbleiben. Hierbei werden nach dem StFG insbesondere zwei Mittel eingesetzt. Zum einen sollen bei der Entschädigung Nachteile, die sich als bloßer Entzug von Planungsgewinnen darstellen, nicht entschädigt werden (§ 57 I i. V. m. § 23). Zum anderen soll die Gemeinde 37
Bezeichnend ist, daß noch i m Jahre 1965 der damals höchste Beamte des BWohnbauMin. es f ü r eine hypothetische F i k t i o n hielt, daß der Staat die Bodenpreise i n den Verdichtungsräumen „ i n märchenhafte Höhen entschwinden lassen würde, nämlich über 100 D M / q m u n d mehr" (vgl. W. Ernst, Rechtliche u n d wirtschaftliche Probleme der Erneuerung unserer Städte u n d Dörfer, S. 17). Inzwischen ist diese märchenhafte Höhe teilweise sogar auch i n kleineren Großstädten bereits erreicht. 38 Vgl. Gehrmann, K o m m , zum StFG, A n m . zu § 23, Abs. 2; s. auch § 21 Abs. 3 WertermittlungsVO. 39 Bei der Begründung des Regierungsentwurfs wurde auch offen zugegeben, daß bei der v o m StFG gewährten Entschädigungsregelung f ü r die i n A n spruch genommenen Grundstücke keineswegs der Rahmen ausgeschöpft sei, den das Bundesverfassungsgericht m i t der Auslegung des A r t . 14 I I I S. 3 GG dem Gesetzgeber eingeräumt habe; vgl. die Ausführungen des Abg. Ahr ens i n der 127. Sitzung des 6. Dt. B T v o m 16. 6.1971, Sitzungsprotokoll, S. 7334 B.
§ 20 Grundprinzipien des niederländischen Umwidmungsweges
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das Grundstück oder Recht nach der Durchführung der Entwicklungsmaßnahmen zu dem (erhöhten) Wert veräußern, der sich durch die rechtliche und tatsächliche Neuordnung des Entwicklungsbereiches ergibt (§ 59 V). Die letztere Regelung ist bewußt geschaffen worden, um zu erreichen, daß die Gemeinden durch die Veräußerung zu dem neuen nach den Entwicklungsmaßnahmen eingetretenen Grundstückswert zusätzliche Mittel i n die Hand bekommen, um die entstandenen Kosten der Durchführung der Entwicklungsmaßnahmen ganz oder teilweise zu decken 40 . Bei der Anwendung dieser Regelung liegt eine grundsätzliche Gefahr auf der Hand. I n den Niederlanden ist der Weg gewählt worden, die Kosten der Gemeinden für die Errichtung und Aufrechterhaltung der kommunalen Infrastruktur spezifiziert zu ermitteln und anteilig den Erwerbern neuer Baugrundstücke zu berechnen. Das führt dazu, daß jedem Bauherrn gegenüber genau gerechtfertigt werden kann, warum man von i h m den jeweiligen Erwerbspreis für das baureife Grundstück verlangt. Nicht gewählt wurde der Weg, pauschal eine Wertsteigerungsvergütung auf den Erwerbspreis zu schlagen. Das StFG hingegen schreibt jedenfalls nicht zwingend vor, daß die Gemeinden eine solche spezifizierte anteilige Berechnung des Ausgleichsbetrages vornehmen. Zudem ist das i n § 48 StFG enthaltene Gewinnerzielungsverbot für Entwicklungsmaßnahmen nicht entsprechend übernommen worden. Aus dieser Konstruktion des StFG ergibt sich folgende Gefahr: Ebenso wie der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des Bundesbaugesetzes i m Jahre 1960 irrtümlich annahm, daß durch die bodenrechtlichen Vorschriften eine Bodenpreisberuhigung eintreten würde, kann auch beim StFG eine gründliche Diskrepanz zwischen Hoffnung des Gesetzgebers und tatsächlichen Auswirkungen des Gesetzes eintreten. Ergibt sich nämlich, daß der Bodenpreisentwicklung m i t dem StFG nicht beizukommen ist, so w i r d es nicht lange dauern, bis die Gemeinden „den Spieß herumdrehen" und sich ihrerseits an der Erhöhung der Bodenpreise beteiligen — um dann i n den förmlichen Entwicklungsgebieten u m so größere Beträge abzuschöpfen. Den Nachteil hat der Bürger 4 1 .
40 Vgl. den Regierungsentwurf zum StFG, BT-Drs. V I , 510, allg. Vorbem. zum 3. T e i l und Begründung zum damaligen §49 Abs. 4 (jetzt §59 Abs. 5) StFG. 41 Ähnliche Probleme tauchen bei der geplanten Novellierung des Bundesbaugesetzes als Folge der beabsichtigten Einführung einer 50 °/oigen Planwertabschöpfung auf. Der genauere Vergleich zwischen niederländischer Lösung und den vermutlichen Wirkungen der geplanten Novellierung des Bundesbaugesetzes muß einer gesonderten Untersuchung vorbehalten bleiben, da die Entscheidung der Regierungskoalition und der Bundesregierung über das konkrete Ausmaß der Abschöpfung erst während der Drucklegung erfolgte.
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I I I . Β . Niederländische Umwidmungspraxis u n d Grundgesetz § 21 Einzeldaten aus der Umwidmungspraxis in den Niederlanden
N a c h d e m die w i c h t i g s t e n G r u n d p r i n z i p i e n u n d W i r k u n g e n des n i e d e r ländischen Weges d a r g e s t e l l t w u r d e n , m i t dessen H i l f e es g e l u n g e n ist, p r a k t i s c h jede B o d e n s p e k u l a t i o n f ü r die N e u a n s i e d l u n g u n d E r w e i t e r u n g v o n Wohngebieten zu verhindern, soll durch Darstellung einiger k o n k r e t e r Beispiele u n d V e r m i t t l u n g sonstiger D a t e n d e m Leser anschaul i c h gemacht w e r d e n , w i e i m e i n z e l n e n der niederländische W e g i n der Praxis verläuft. I. Konkrete Beispiele 1. B e r e i t s oben i n § 20 w u r d e e r w ä h n t , daß i n d e n N i e d e r l a n d e n auch i m B e r e i c h der e i g e n t l i c h e n B a l l u n g s z e n t r e n f ü r R o h b a u l a n d 1 d e r gleiche R a h m e n des k o n t r o l l i e r t e n V e r k e h r s w e r t e s v o n 2,— bis 4,— D M / m 2 w i e i n m i t t l e r e n u n d k l e i n e r e n G e m e i n d e n g i l t . H i e r z u einige Beispiele. Projekt
Zoetermeer
Es handelt sich hierbei u m die Anlage einer Satellitenstadt vor Den Haag, die diese Großstadt entlasten soll. Z u diesem Zweck wurde die vor Den Haag liegende bisherige Landgemeinde Zoetermeer planmäßig ausgebaut. Das Projekt stellt das größte derartige Bauvorhaben i n Holland überhaupt dar. Die Gemeinde Zoetermeer besaß v o r Beginn des Projektes (1963) etwa 11 000 E i n wohner und soll von 1963 - 1983, also i n einem Zeitraum von 20 Jahren, auf 100 000 Einwohner wachsen. Die Gesamtfläche des Baugebietes f ü r die Stadterweiterung erfaßt ein Areal von 900 ha. Hiervon waren bis 1971 bereits 600 ha von der öffentlichen Hand erworben worden. Sowohl das bisher erworbene wie das auch noch i n Z u k u n f t zu erwerbende L a n d w i r d v o n der Gemeinde aufgekauft 2 und baureif gemacht. Danach w i r d es teils an Wohnungsbaugesellschaften, teils an sonstige private Unternehmen (die i h r Geld i n Errichtung u n d Vermietung von Wohnungen anlegen), teils an private Bauwillige abgegeben. Den Hauptteil stellen Bauten i m Rahmen des sozialen Wohnungsbaus (Bauten nach der „Woningwet") dar. F ü r das (ab 1964) e r w o r b e n e L a n d w u r d e von Anfang an e i n b e s t i m m t e r Preis f ü r das R o h b a u l a n d festgelegt. E r b e l i e f sich a u f 4,— D M / m 2 ( K o s t e n f ü r Gebäudeersatz u. ä. n i c h t i n b e g r i f f e n ) 3 . D e r Preis w u r d e k o n s t a n t bis j e t z t , d. h. bis 1972 b e i b e h a l t e n , auch w e n n das L a n d erst 1 Wie bereits erwähnt, ist es für die Niederlande nicht sinnvoll, die Abstufung zwischen Ackerland, Bauerwartungsland, Rohbauland und Bauland zu übernehmen. Häufig w i r d dort bei dem von den Gemeinden erworbenem L a n d von Rohbauland gesprochen. 2 Das Geld wurde von der niederländischen Regierung vorgeschossen u n d muß m i t 6 °/o Zinsen zurückgezahlt werden. 3 Hierbei handelte es sich u m den höchsten i n den Niederlanden bisher allgemein f ü r landwirtschaftlich genutztes L a n d bezahlten Preis bei größeren Flächen. I n der Öffentlichkeit führte schon diese Anhebung auf 4,— D M zu längeren Diskussionen u n d Vorwürfen.
§ 21 Einzeldaten aus der Umwidmungspraxis i n den Niederlanden
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i n späteren Jahren erworben wurde. Auch für das noch zu erwerbende Land i n der Größenordnung von etwa 300 ha bleibt dieser Preis erhalten, so daß von 1963 - 1983 keinerlei Preisverschiebung eintritt. Die Konstanthaltung des Preisniveaus ist praktisch problemlos, weil die Gemeinde gegenüber den späteren Verkäufern stets auf den bisher bezahlten Preis verweisen kann. Bemerkenswert ist weiterhin, daß es bei der gesamten bisher erworbenen Fläche von immerhin 600 ha seit 1964 keinen einzigen Enteignung sproze β gab. Ein denkbarer Grund hierfür ist, daß, wie erwähnt, der gezahlte Preis der absolut höchste i n den Niederlanden (bei 4,— DM/ m 2 !) ist. Zudem wissen die bisherigen Inhaber, daß sie vom Gericht auch nicht größere Entschädigungssätze zugesprochen bekämen. Stadterweiterung
Amsterdam
Das zweite Beispiel betrifft eine Erweiterung der Stadt Amsterdam durch ein neu erschlossenes Gebiet, auf dem teils Wohnungen, teils Industrieanlagen errichtet werden. Das Gebiet schließt unmittelbar an die bisherige Stadtgrenze von Amsterdam (ca. 900 000 Einw.) an; es handelt sich also um ein klassisches Ballungsgebiet. Die insgesamt von der Gemeinde erworbene Fläche umfaßt ein Gebiet von mehr als 2 000 ha (!). Das gesamte Gebiet war vorher rein landwirtschaftlich (Wiesen- oder Ackerland), nicht gärtnerisch genutzt. Das Gebiet wurde erst in den Jahren 1968 - 1970 aufgekauft. Das Beispiel läßt also besonders anschaulich einen Vergleich m i t dem i n der Bundesrepublik erreichten Stand der Umwidmungsspekulation zu. Der Erwerbspreis für die Gemeinde Amsterdam lag bei durchschnittlich 3,50 DM/m 2 . Stadter Weiterung
Enschede
Als drittes Beispiel sei die Erweiterung von Enschede i m Osten der Niederlande angeführt. Dies Beispiel ist bei dem Vergleich m i t den bundesrepublikanischen Verhältnissen von besonderem Interesse: Oben i n § 20 I I wurde darauf hingewiesen, daß i n den Niederlanden weitgehend eine wesentlich ungünstigere Bodenbeschaffenheit als i n der Bundesrepublik besteht. Das gilt aber nicht für die gesamten Niederlande, insbesondere nicht für weite Teile der Ost-Niederlande. Für Enschede gelten zum Beispiel praktisch die gleichen natürlichen Bodenund damit Baubedingungen wie für das angrenzende deutsche Westmünsterland. A n Hand dieses Beispiels läßt sich daher der denkbare Einwand widerlegen, die niederländische Lösung sei entscheidend von der besonderen dortigen Bodenbeschaffenheit abhängig.
222
I I I . Β . Niederländische Umwidmungspraxis u n d Grundgesetz
Bei der Erweiterung von Enschede handelt es sich um die Erweiterung einer kleinen Großstadt (1965: 134 000 Einw.). Von dem anschließend noch darzustellenden Projekt des Ankaufs von Gelände für Bauten der neuen Technischen Hochschule abgesehen, sollen die Daten für vier Wohnungsbauerweiterungen der Stadt angegeben werden. Den größten Teil der Erweiterungen betrifft ein Wohnungsbauprojekt am Rande der Stadt, das aus drei Teilprojekten besteht und zum ganz überwiegenden Teil (80 - 90 °/o) für Bauten i m Rahmen des sozialen Wohnungsbaues bestimmt ist. Die Erweiterungen betieffen insgesamt ca. 725 ha. Hierbei ergibt sich i m einzelnen die folgende Preislage: Die benötigte Fläche wurde i n mehreren Phasen aufgekauft bzw. enteignet. Der erste Teil wurde 1962 erworben. Damals wurde das Land für 1,70 - 2,00 D M / m 2 gekauft. Bemerkenswert an diesem ersten Teil ist, daß ein ganz erheblicher Anteil des Landes, nämlich ca. 40 °/o enteignet werden mußte. Das geht weit über die allgemeine Enteignungsrate beim Grundstückserwerb von Bauerwartungsland durch die Gemeinden (ca. 5 - 7 °/o) hinaus. Der Grund hierfür war, daß die Betroffenen über die bisherigen Preise hinausgehende Forderungen stellten. Die Gerichte bestätigten aber, daß das Beibehalten der Preise rechtmäßig war. Der zweite u n d dritte T e i l der Erweiterungen f ü r Bauten i m Rahmen des sozialen Wohnungsbaues betrifft eine Fläche von ca. 250 ha bzw. von 150 ha; hiervon sind 8 5 % bzw. 25 °/o bereits erworben (1972). Der Erwerb der Flächen begann ab 1965. F ü r beide Teile liegt der gezahlte Preis bei 2,00 - 2,25 D M / m 2 . Die Erhöhung gegenüber dem f ü r den ersten T e i l gezahlten Preis von 0,25 D M / m 2 w i r d m i t einer Anpassung an die konjunkturelle Entwicklung gerechtfertigt.
Neben der eben genannten Erweiterung für den sozialen Wohnungsbau gibt es eine Erweiterung für den völlig freien Wohnungsbau, bei dem für Privatbauherren Baugrund zur Verfügung gestellt wird. Dieses Baugebiet betrifft eine Baulücke direkt innerhalb der bisherigen Bebauung der Stadt m i t einem Umfang von ca. 75 ha. Das Land ist i n den letzten Jahren zu 85 - 90 °/o erworben (teils durch Kauf, teils durch Enteignung). Der von den Gemeinden gezahlte Preis beim Erwerb zum freien Wohnungsbau wurde bewußt geringfügig gegenüber dem Gelände für sozialen Wohnungsbau erhöht, nämlich auf 2,25 - 2,50 D M / m 2 ; d. h., daß etwa 0,25 D M / m 2 mehr als beim Erwerb für Bauten i m sozialen Wohnungsbau gezahlt wurden. Das zeigt, daß auch bei dem (in den Niederlanden selteneren) freien Wohnungsbau 4 von keinerlei Umwidmungsspekulation gesprochen werden kann. Vielmehr w i r d hier das gleiche System des bewußten Zuschlages auf den Ackerlandpreis an4 E i n Grund dafür, daß der freie Wohnungsbau i n den Niederlanden relativ selten ist, dürfte sein, daß die Mieten i m Rahmen des sozialen Wohnungsbaus sehr b i l l i g gehalten werden.
§ 21 Einzeldaten aus der Umwidmungspraxis i n den Niederlanden
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gewandt. Bei dem gegenwärtigen innerlandwirtschaftlichen Ackerlandpreis von 1-1,20 D M / m 2 i n den Niederlanden liegt der Umwidmungsgewinn der bisherigen Eigentümer also auch i n diesem Fall, wo sich zur Bebauung geradezu anbietendes Ackerland für den freien Wohnungsbau zur Verfügung gestellt wird, bei nur 1,15 - 1,50 DM/m 2 . Das Land selbst wird, einschließlich aller Erschließungskosten, zu 45 - 50,— D M / m 2 an die privaten Bauherren verkauft. Als Erwerber kommt jeder Interessent i n Frage. Diese Spanne zwischen Erwerb- und Wiederveräußerungspreis macht zweierlei deutlich. Zum einen zeigt sie, daß die Gemeinde durch die Weitergabe aller Erschließungskosten stark entlastet wird. Zum anderen ergibt sich, daß der Neuerwerber auch dort den Boden nicht geschenkt bekommt, sondern für alle Leistungen der Kommunen bezahlen muß. Diese Erwerbskosten sind aber nicht nur streng kalkulierbar (und nicht innerhalb weniger Jahre völlig verschiebbar), sondern beinhalten, von dem „Trostzuschlag" abgesehen, keine Spekulationsteile und stellen daher gegenüber Preisen i n vergleichbaren deutschen Stadtlagen oft nur einen Bruchteil dar. 2. Die gezeigten Beispiele lassen deutlich werden, daß es sich bei dem Vergleich zwischen der Entschädigungspraxis i n den Niederlanden und i n der Bundesrepublik nicht um ein bloßes mehr, sondern um eine Unterscheidung in Entschädigungsdimensionen handelt. U m dies zu verdeutlichen, sei nur gegenübergestellt, welche Folgen sich ergeben, wenn ein Projekt gleicher Größenordnung wie das eben aufgeführte Beispiel der Stadterweiterung Amsterdam i n der Bundesrepublik bei vergleichbarer Lage durchgeführt würde. Nehmen w i r den hypothetischen Fall, daß in unmittelbarem Anschluß an die bisherige Stadtgrenze von München (das ist eine vergleichbare Größenordnung zu Amsterdam) ein Gebiet gleicher Größe von der Gemeinde erworben werden sollte. Nach Tiemann 5 lag 1969 i n München der Durchschnittspreis für Rohbauland selbst i n der schlechtesten Wohnlage bei 120,— DM/m 2 . Nehmen w i r an, daß bisher als Ackerland genutztes Land zu 80,— D M / m 2 erworben würde. Dann erhält man die folgende Gegenüberstellung. Für Amsterdam ergibt sich für die 2 000 ha = 20 Mill, qm bei einem Durchschnittspreis von 3,50 D M / m 2 ein Gesamtbetrag (ausschließlich von Nebenschäden wie Gebäudeersatz u. ä.) von 70 Mill. DM. Für das hypothetische Beispiel München erhalten w i r (ebenfalls ohne Nebenschäden) den Betrag von 1,6 Milliarden DM. Also, um es deutlich zu machen i n Holland: 70 Millionen D M i n der Bundesrepublik: 1 600 Millionen D M 5 M. Tiemann, Die Baulandpreise u n d ihre Entwicklung, Der Städtetag, 1970, S.565.
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I I I . Β . Niederländische Umwidmungspraxis u n d Grundgesetz
Natürlich kann man einwenden, daß der Vergleich hypothetisch ist, denn einen Betrag von 1,6 Mrd. D M kann weder eine Gemeinde bezahlen, noch w i r d i h n ein Land für ein solches Projekt aufbringen. Was eine einzige Gemeinde aber nicht aufbringen kann, müssen nach der Praxis des Bundesgesetzes mehrere Gemeinden in der Summe bzw. die einzelnen privaten Bauwilligen und Mieter direkt oder indirekt 6 aufbringen. Wie oben i n § 20 I V dargelegt, ist es auch mehr als zweifelhaft, ob das Städtebauförderungsgesetz von 1971 hier eine Abhilfe bringen kann, nachdem die Bodenpreise bereits einen so extremen Stand erreicht haben 7 . 3. Die Umwidmungsspekulation betrifft nicht nur den Wohnungsbau, sondern alle Bauten, bei denen bisher landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutztes Land zu bebautem Land wird, namentlich auch Großprojekte der öffentlichen Hand. Hier können sich die Dimensionsunterschiede manchmal noch deutlicher zeigen. Als Beispiel möchten w i r kurz auf die Aufwendungen hinweisen, die beim Grundstückserwerb für Bauten der neuen Technischen Hochschule Enschede gezahlt werden mußten 8 . Für Neubauten der T H Enschede wurden 100 ha benötigt. Die Gemeinde erwarb hierfür ab 1966 insgesamt 50 - 60 ha bis zum Zeitpunkt der Information an den Verfasser. Der Erwerb vollzog sich in mehreren Schritten. 1966/67 wurden 20 ha Ackerland an der Grenze der Stadt und später 1971/72 nochmals weitere Flächen erworben. Sowohl für das enteignete wie auch für das freihändig erworbene Land wurden 2,25 bis 2,50 D M / m 2 gezahlt. Der Preis blieb 1971/72 gegenüber 1966/67 völlig konstant. I n diesem Zeitraum sind bekanntlich auch in der Bundesrepublik mehrfach, bedingt durch die Studentenexplosion, große Areale von bisher land- oder forstwirtschaftlich genutztem Gelände für Universitätsbauten erworben worden. Die Entschädigung hierfür bewegte sich wiederum i m Vergleich zu den Niederlanden nicht einfach i n einer anderen Höhe, sondern i n anderen Dimensionen. Bei einer Größenordnung von 100 ha muß man wohl, je nachdem wie diese Preise für das Land lagen (an Randgebieten größerer Städte, wo allein Universitätsneubauten großen Umfangs möglich sind, liegt wohl immer Bau6 I n d i r e k t ζ. B. bei Abwälzung des Erwerbspreises f ü r das Baugrundstück auf die Mieten. 7 Der Lösungsansatz des StFG, n u r noch f ü r die Z u k u n f t weitere Bodenspekulationen auszuschließen, läßt sich m i t dem Verfahren vergleichen, daß ein Kartellgesetz sich zwar grundsätzlich dem K a m p f gegen wettbewerbsbeseitigende Abreden verschrieben hat, sich i n der Praxis aber darauf beschränkt, neu hinzukommende Abreden zu unterbinden. 8 Die Darstellung beruht auf persönlichen Auskünften der Gemeinde E n schede an den Verfasser.
§ 21 Einzeldaten aus der Umwidmungspraxis i n den Niederlanden
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erwartungsland i. S. der bisherigen Rechtsprechung des B G H vor) Kaufpreis- bzw. Enteignungsentschädigungsverpflichtungen zwischen etwa 30 und 70 Millionen D M veranschlagen. Legt man demgegenüber die niederländischen Werte zugrunde, so kommt man (ohne Ersatz von Gebäudeschäden, Folgeschäden usw.) auf etwa 2 Millionen DM. I I . Gesamtentwicklung der Erwerbskosten
1. Das bisher zur Umwidmungspraxis der Niederlande vorgelegte Datenmaterial beruht, wie erwähnt, auf persönlichen Erhebungen des Verfassers. Der Korrektheit halber und um Mißverständnisse zu vermeiden, sei zusätzlich ein Überblick über die Gesamtentwicklung der niederländischen Erwerbskosten beim Erwerb von zukünftigem Bauland gegeben9. Von der Frage, wie i n den Niederlanden die Spekulation bei der Umwidmung von Acker-, Weide- und Gartenland verhindert w i r d und welche Preise sich hieraus als Durchschnittssätze ergeben, ist zu unterscheiden, welche Durchschnittssätze unter Einbezug der Kosten für die Neuerstellung von Häusern, für den Abriß von Gärtnereianlagen, den Ersatz für die Aufgabe der bisherigen Existenz u. ä. sich ergeben. Bei den letzteren Kosten zeigt sich auch i n den Niederlanden eine erhebliche Preissteigerung i n den letzten Jahren. Sie ist aber nicht auf irgendwelche Monopol- oder Quasimonopolstellungen der bisherigen Eigentümer zurückzuführen, sondern ausschließlich auf die allgemeinen Preissteigerungen und Kaufkraftentwertungen, insbesondere auch auf Preissteigerungen i m Baugewerbe durch Lohnerhöhungen. Für die Entwicklung der Gesamtdurchschnittssätze, die beim Erwerb von zukünftigem Bauland durch die Gemeinden gelten, liegt eine umfangreiche veröffentlichte Statistik i n der amtlichen Monatsstatistik des Baugewerbes (Maand statistick van de bouwnijverheid) 1 0 vor. Der Leser w i r d daher, sofern ihn einzelne Zahlenangaben interessieren, auf diese Veröffentlichungen verwiesen. Da diese Übersicht zugleich die Kosten für die Sonderbelastungen enthält, kann sie nicht i n Vergleich zur Entwicklung der reinen Rohbaulandpreise i n der Bundesrepublik gesetzt werden. Gleichwohl ergeben sich auch hier noch beträchtliche Unterschiede. So ergibt sich zum Beispiel nach dieser Statistik 1 1 als Durchschnittspreis unter Einbezug der genannten Sonderkosten für den Erwerb von Ackerland und Weideland eine Steigerung von 4,— D M / m 2 9 Die Darstellung beschränkt sich auf die Wiedergabe der Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Erhebung, das ist Winterhalbjahr 1971/72. 10 Herausgegeben v o m zentralen statistischen Büro (cbs), Den Haag. 11 So nach Heft M a i 1971, S. 219.
15 Opfermann
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(1965) über 5,60 D M / m 2 (1966), 6,50 DM/m 2 (1967), 6,60 DM/m 2 (1968) auf 9,30 DM/m 2 (1969). 2. Es liegt auf der Hand, daß unter Leistungskriterien die Anpassung an die allgemeine Preisentwicklung für den Ersatz solcher Zusatzschäden nicht nur berechtigt, sondern sogar geboten i s t l l a . Denn bei diesem Ausgleich kann wirklich zu Recht davon gesprochen werden, daß der Betrag dazu dienen muß, „sich mit Hilfe der Entschädigung eine Sache gleicher A r t und Güte zu verschaffen" 12 . War es daher möglich, vor 10 Jahren einen bestimmten Betrieb samt Einrichtungen für ζ. B. 150 000,— D M wieder aufzubauen, muß heute aber ein Betrag von 250 000,— D M dafür aufgewendet werden, so führt nur eine Orientierung an den neuen Preisen zu einer leistungsgerechten Entschädigung, weil der Wert des früher einmal investierten Arbeits- und Kapitaleinsatzes (abzüglich natürlich der sich ergebenden Abnutzung) real nur durch die neuen Preise erfaßt wird. I I I . Die Popularität der Enteignung
Ein charakteristischer und gerade aus der Sicht der Bundesrepublik interessanter Zug des niederländischen Bodenrechts ist die relative Popularität der Enteignung. Das verwundert zunächst angesichts des Umstandes, daß i n den Niederlanden ja die absoluten Beträge, die bei Enteignungen von Ackerland und Weideland gezahlt werden, i m Verhältnis zur Bundesrepublik jedenfalls am Rande größerer Orte fast unvorstellbar niedrig sind. Fragt man nach den Gründen, so muß hierbei zwischen den Fällen unterschieden werden, in denen ein freiwilliger Erwerb scheitert, weil der alte Inhaber grundsätzlich eine Abgabe des Landes verweigert und den Fällen, i n denen es i h m praktisch nur oder vorwiegend auf einen günstigen Preis ankommt. I n den ersteren Fällen w i r d die Enteignung nie populär sein; i n den letzteren dagegen hängt die Popularität nicht vom absoluten Betrag, sondern nur von dem Vergleich m i t den Nichtenteigneten gleicher Lage ab. Der Grund für die relative Popularität der Enteignung von Ackerund Weideland zu Umwidmungszwecken w i r d ersichtlich, wenn man die realen Auswirkungen des niederländischen Weges berücksichtigt. Dann ergibt sich: Da der durchschnittliche Ackerlandpreis bei gegenlla Die Fallproblematik dürfte nochmals verdeutlichen, daß die gerade i n der ersten Zeit nach dem Grundgesetz vertretene Auffassung des Entschädigungsspielraumes schlechthin bis zu einer n u r nominellen Entschädigung nicht mehr als m i t der Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes vereinbar angesehen werden kann; v. Mangoldt hat sich denn auch später (vgl. W D S t R L H. 10, 1952, S. 152 f.) davon gelöst, ohne zur Bindung an den Verkehrswert zurückzukehren. 12 B G H Z 14,106,107; fast gleichlautend B G H Z 26, 373, 374; 41, 385, 390.
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wärtig 1,20 - 1,50 D M / m 2 liegt, beträgt bei einem Erwerbspreis von z. B. 3,50 D M / m 2 (was etwa die gegenwärtige Regel sein dürfte), der ohne Leistung erzielte Gewinn etwa 2 - 2,30 DM/m 2 . Selbst wenn man annimmt, daß der alte Inhaber zum Neuerwerb von Ackerland einen extremen Preis von 1,80 D M / m 2 zahlen muß, also über dem durchschnittlichen Ackerlandpreis erwirbt, ergibt sich noch ein Gewinn von 1,20 bis 1,50 DM/m 2 . Muß ein Landwirt ζ. Β. 1 ha bisheriges Ackerland abgeben, so erzielt er, nachdem er ein neues Stück Land erworben hat, zusätzlich einen Gewinn von 12 000 bis 15 000 DM, bei einer Abgabe von 10 ha einen zusätzlichen Gewinn von 120 000 - 150 000 DM. Fürwahr eine „reichliche Entschädigung" für das Sonderopfer 13 , das darin besteht, daß nur er, nicht aber auch andere vergleichbare Eigentümer auf ihr bisheriges Land verzichten müssen. I V . Bemerkungen zur praktischen Durchführung
1. Der Leser w i r d evtl. daran interessiert sein, nähere Details über die praktische Durchführung des Gemeindezwischenmonopols zu erfahren. Von besonderem Interesse dürfte einerseits die praktische Ausgestaltung der Phase des zwischenzeitlichen Erwerbs des Eigentums durch die Gemeinden, andererseits die Praxis der Weitervergabe des Landes sein. Die gesetzlichen Regelungen sind, was die nähere Ausgestaltung dieser beiden Fragen betrifft, dürftig. Das gesamte Gemeindezwischenmonopol, das ja zentrale Bedeutung für die Vermeidung der Umwidmungsspekulation besitzt, stützt sich auf das alte Enteignungsgesetz von 1851 einschließlich der Abänderung durch das Wohnungsgesetz (Woningwet) von 190114. Eine Kernfrage taucht natürlich vor allem auf. Wie geht die praktische Handhabung i n der Weitervergabe vor sich. Hier ergeben sich erhebliche Probleme. Der Verfasser muß gestehen, daß er hierzu aufgrund nicht ausreichender Auskünfte i n den Niederlanden keine voll befriedigende A n t w o r t geben kann. Es werden daher nur weiter unten (vgl. V) überwiegend numerische Daten der Wiederverkaufspreise wiedergegeben. 18 I m Sinn der Lehre Lorenz v. Steins (Unterscheidung der Zugriffsebenen des Gutes und des Wertes) handelt es sich u m ein Sonderopfer auf der Ebene des „Gutes", nicht des „Wertes" der Sache. Ein Sonderopfer auf der Ebene des Wertes gibt es i n den Niederlanden nicht, sondern vielmehr auf dieser Ebene einen „Sonderbonus", w e i l die bisherigen Eigentümer sogar noch einen W e r t zuschlag bekommen. Das wiederum ist aber n u r möglich, w e i l keine Möglichkeit f ü r den bisherigen Landinhaber besteht, das Unverhältnis von Angebot und Nachfrage durch freie Verkehrspreisbildung auszunutzen. 14 Das Woningwet von 1901 ist inzwischen durch ein neues Woningwet von 1965 ersetzt worden; an der praktischen Handhabung des Gemeindezwischenmonopols hat sich aber nichts geändert.
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E i n zentrales Problem besteht darin, zu verhindern, daß i n der V e r w a l t u n g Begünstigungsprozesse am laufenden Band vorkommen. Wer bekommt welches Grundstück 1 5 ? I n den Niederlanden ist das Problem etwas dadurch entschärft, daß der ganz überwiegende T e i l des Baulandes i m sozialen Wohnungsbau bebaut w i r d . (Der Verfasser w i l l gern gestehen, daß er manche dort gebauten Großblöcke nicht sehr ästhetisch findet; aber davon kann ja auch bei uns i n der Bundesrepublik nicht immer die Rede sein.) Weiter ist zu berücksichtigen, daß ζ. B. ausgesprochene Hanglagen m i t besonderer Bebauungsattraktivität (Villa m i t Blick ins Rheintal o. ä.) i n den Niederlanden k a u m vorhanden sind. Gleichwohl: das Problem der kontrollierten unparteiischen Vergabe ist damit auch f ü r die Niederlande w o h l nicht beiseite zuschieben. Bereits i m V o r w o r t wurde aber darauf hingewiesen, w i e diese Frage m. E. allein beantwortbar ist: Z u r K l ä r u n g der Frage, w i e i n dieser Hinsicht i n den Niederlanden verfahren w i r d , müßte v o r allem der interne Verwaltungsablauf studiert werden. Das könnte, da hier die informellen Entscheidungsfaktoren oft wichtiger sind als die formellen Begründungen, w o h l n u r i n einer eigenständigen, längerfristigen u n d repräsentativen (d. h. verschiedenartige Gemeinden erfassenden) sozialwissenschaftlichen Untersuchung geklärt werden. I m folgenden daher n u r einige kurze Hinweise zu institutionellen Aspekten des Gemeindeerwerbs.
2. Da die Baureif machung der Grundstücke praktisch ausschließlich von den Gemeinden betrieben w i r d und die Gemeinden zudem nur durch ihre bewußte Bodenvorratspolitik die Spekulation bei Umwidmungsprozessen ausschalten können, bedarf der Erwerb des Landes bei größeren Wohnungsgebietserweiterungen eines eigenständigen Verwaltungsapparates. Hierzu gibt es i n den Gemeinden den sogenannten „Grundbetrieb" (gror.dbedrijf) als Teil der Kommunal Verwaltung. Alle größeren Gemeinden besitzen einen solchen Grundbetrieb. Mehrere kleinere Gemeinden haben häufig einen gemeinsamen Grundbetrieb. 3. Eine zentrale Frage für jeden freiwilligen oder auch durch Enteignung vorgenommenen Erwerb von Grundstücken ist die Taxierung der Entschädigungssumme. Die Gemeinden bedienen sich hierbei häufig eines Schätzungsbüros, das ursprünglich vom Wohnungsbauministerium eingerichtet wurde, inzwischen aber auf privater Basis arbeitet 1 6 . Dieses Büro liefert für etwa 2 000 Fälle i m Jahr eine Schätzung der Entschädigungshöhe. Hierbei beläuft sich — von dem oben i n § 19 erörterten Zuschlagsprinzip aus — die Entschädigung zwischen 2,— D M / m 2 bis 3,50 DM/m 2 , selten bis 4,— D M / m 2 für bisheriges Ackerland. Die große Anzahl der von diesem Büro bearbeiteten Fälle läßt also sehr gut eine repräsentative Aussage zu.
15 Vgl. hierzu auch Brohm, A r t i k e l Städtebau I I I (Recht), in: Staatslex. der Görresgesellschaft, 6. Aufl., Ergänzungsband 3,1970, Sp. 345. 16 Stichting Adviesburo Onroerende Zaken, Rotterdam. Die folgenden Zahlen verdanke ich den Angaben der Leiterin des Büros.
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Von den i n diesem Büro geschätzten Fällen gehen etwa 5 °/o zum Gericht. Hierbei werden aber, wenn der Kläger überhaupt Erfolg besitzt, allenfalls 0,25 - 0,50 D M / m 2 an Erhöhung für bisheriges Nichtbauland zugebilligt. Als Konsequenz ergibt sich, was von den Mitarbeitern dieses Büros auch bestätigt wird, daß die niederländische Regelung damit kaum einen Anreiz auf den Betroffenen ausübt, aus Entschädigungsgründen zum Gericht zu gehen. V. Zur Weiterveräußerung von Bauland durch die Gemeinden
1. Bei der Vergabe von Bauland sind die Gemeinden berechtigt, die von ihnen für die Erschließung erbrachten Kosten i m weitesten Sinn dem Käufer anteilig zu berechnen. Das bedeutet, daß jedenfalls bei dem Bau von neuen Satellitenstädten oder der Erweiterung von Städten auf die mehrfache Einwohnerzahl nicht nur spezielle Erschließungskosten, wie nach deutschem Recht, sondern auch die übergreifenden Kosten für besondere kommunale Anlagen berechnet werden dürfen (also z. B. Kosten für Sportplätze, Hallenbäder u. ä.) 17 . I n dieser Berechnung drückt sich also gleichsam die Umkehrung des Leistungsgedankens aus: Zum einen muß der Bauwillige — m i t Ausnahme des Trostzuschlages — keine Erhöhung des Baupreises für die Bereiche hinnehmen, i n denen der alte Inhaber keine Leistung vorweisen konnte, zum anderen muß er aber zahlen, sofern die Gemeinde tatsächlich übergreifende Leistungen erbringt (die gegebenenfalls den Wohnwert steigern). Zu diesen anteiligen Kosten kommen dann noch die i n den Niederlanden äußerst hohen Kosten für die Baureif machung des jeweiligen Geländes (fast jedes Grundstück bedarf erst einer Aufschüttung mit Sand oder ähnlichen Maßnahmen, um tragfähig zu sein). Diese Kosten übertreffen die reinen Erwerbskosten häufig um ein Vielfaches. Bei der Berechnung des Endverkaufspreises w i r d dann so vorgegangen, daß m i t Hilfe eines Indexsystems der Durchschnittssatz differenziert bestimmt wird, nach dem die Fläche zu bezahlen ist. Hierbei w i r d für Geschäfte der höchste Index angewandt, für Industrie i n der Regel der zweithöchste und bei Wohnungen der geringste Index, wobei nochmals nach sozialgeförderten und sonstigen Wohnungen differenziert wird. Die besonders hohe Vergabe an die Geschäfte w i r d damit gerechtfertigt, daß dort durch den schnellen Umsatz das Aufbringen des Erwerbspreises leichter fällt als für private Wohnungsbauten. Die anteilige Verteilung der Kosten auf die Grundstückserwerber w i r d vom Wohnungsbauministerium überprüft, so daß weder die Erzielung von Gewinn durch überhöhte Verkaufspreise noch unverhältnismäßige Ver17
Ob davon auch allgemein oder n u r i n einzelnen Gemeinden tatsächlich Gebrauch gemacht w i r d , entzieht sich meiner Kenntnis.
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Schiebungen innerhalb der Erwerbsbereiche (Geschäfte, Industrie, Wohnungsbauten) zugelassen sind. 2. Die Zusammensetzung des Wiederverkaufspreises sei anschaulich gemacht, indem w i r für das oben i n I. 1. beschriebene Projekt der Erweiterung von Amsterdam aufgrund der dem Verfasser zur Verfügung gestellten Unterlagen die einzelnen Elemente des gesamten Durchschnittspreises aufführen. Dieser Betrag w i r d so ermittelt, daß die gesamte Nutzungsfläche zusammengerechnet und dann je m 2 der Nutzungsfläche der Kostenanteil berechnet wird. Gewinnerzielungsmöglichkeiten gibt es somit für die Gemeinde, jedenfalls bei kontrollierter Durchführung dieses Prinzips, nicht. Der anteilige Erwerbspreis pro m 2 Nutzungsfläche betrug einschließlich der Sonderschäden (also einschließlich des Ersatzes von Gebäuden usw.) 7,12 D M / m 2 (bei 3,50 D M / m 2 f ü r die reine Bauerwartungslandentschädigung). Z u diesem Erwerbspreis k a m ein weiterer Erschließungsbetrag von 75,60 D M / m 2 hinzu. Dieser zunächst sehr hoch erscheinende Preis für die A u f w e n dungen der Gemeinde zerfiel i n einen Anteil, der sich auf die Erschließung des Wohnviertels selbst bezog u n d einen Anteil, der Erschließungskosten außerhalb des Wohnviertels betraf. Der erste A n t e i l der Erschließungsbeteiligung betrug 49,— D M / m 2 (und zwar: 10,— D M / m 2 für Aufschüttung des Bodens, 3,50 D M / m 2 f ü r Brücken, Pumpanlagen u. ä., 17,50 D M / m 2 für Straßen und Wege des Viertels, 13,50 D M / m 2 für Kanalisation u n d 4,50 D M / m 2 f ü r Bepflanzungen). Der zweite A n t e i l der Erschließungsbeteiligung (anteilige Kosten außerhalb des eigentlichen Wohnviertels) betrug nochmals 26,60 D M / m 2 (und zwar: für Hauptverkehrswege 18,60 D M / m 2 , darunter 13,— D M / m 2 allein für Brücken; 4,60 D M / m 2 für Parks u n d Spazierwege u n d nochmals з,20 D M / m 2 für Kanalisation). Insgesamt ergab sich damit ein Gesamtanteil von ca. 82,— D M für jeden m 2 Nutzungsfläche 18 .
Das Beispiel zeigt, daß i m Ergebnis auch dort häufig für den Erwerber das Grundstück nicht gerade billig ist. Es ist allerdings zu berücksichtigen, daß ein ganz erheblicher Teil der Kosten bei vergleichbarer Anwendung i n der Bundesrepublik wohl wegfiele, da die besonderen Aufschüttungsmaßnahmen, die Errichtung von Brücken, Pumpanlagen и. ä. entfallen. Für das oben i n 1.1. aufgeführte Beispiel der Erweiterung von Enschede, wo die Bodenbeschaffenheit weitgehend m i t der Lage i n der Bundesrepublik vergleichbar ist, ergibt sich ζ. B. ein erheblich geringerer Wiederverkaufspreis von 45 bis 50 D M / m 2 für den freien Wohnungsbau. 3. Man kann natürlich auf dem Standpunkt stehen, daß es nicht gerecht ist, die Erschließungsbeiträge soweit auszudehnen, daß der einzelne Bauwillige mit den Erwerbskosten die Finanzierung der von den Gemeinden zu erfüllenden Aufgaben derart entlastet. Das ist eine Frage, die der Ge18 V o n der anteiligen Umlegung der Kosten für zusätzliche kommunale E i n richtungen wurde offenbar kein Gebrauch gemacht (anders aber i m F a l l Zoetermeer oben 11).
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setzgeber entscheiden sollte. Die Grundkonzeption der Niederlande ist völlig unabhängig davon, welchen Anteil an den Erschließungs- und anderen Kosten die Gemeinden nach den gesetzlichen Vorschriften i n dem Wiederverkaufspreis berechnen. Denkbar wäre also z. B., daß nur 25 DM/ m 2 als Wiederverkaufspreis verlangt würden, indem man etwa 20 D M / m 2 als Erschließungsbeitrag einsetzen würde.
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Der durchgeführte Vergleich zwischen der niederländischen Lösung und dem deutschen Bodenrecht hat deutlich gemacht, daß auch das Städtebauförderungsgesetz es den Gemeinden nur geringfügig gestattet, bei der Baulandbeschaffung zu sozial vertretbaren Preisen wirklich Abhilfe zu schaffen. Das gilt auch für die geplanten Änderungen des Bundesbaugesetzes. Vom praktischen Ergebnis der Minderbelastung der öffentlichen Hand und privater Bauwilliger her braucht die niederländische Lösung nicht weiter erörtert zu werden. Es bleibt daher nur die Frage der verfassungsrechtlichen Wertung einer solchen Lösung. Bevor w i r die verfassungsrechtliche Lage diskutieren, sei indes kurz auf einige praktische Gesichtspunkte, zugleich auch auf denkbare pragmatische Einwände eingegangen. I. Pragmatische Aspekte
1. Die Darlegung des niederländischen Lösungsweges i n der Baulandfrage soll i n der gegenwärtigen Bodenrechtsdiskussion eine Hilfe für die Erörterung praktischer Modelle anstelle überwiegend theoretischer oder bloß negatorischer 1 Überlegungen bringen. Und es ist zwar i m Nachhinein eine nur hypothetische, aber gewiß gleichwohl reizvolle Überlegung, sich vorzustellen, wie vielleicht die Beratungen zum Bundesbaugesetz i n den Jahren 1955 - 1960 hätten verlaufen können, wenn nicht die damalige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes — unterstützt von einem großen Teil des Schrifttums — den Weg zu einer zumindest partiellen Übernahme des niederländischen Lösungsmodells von vornherein verbaut hätte 2 . 1 Es ist nicht viel gewonnen, wenn man darlegt, wie ein Problem schlecht gelöst ist, sofern nicht, jedenfalls i m Ansatz, pragmatische Gegenalternativen aufgezeigt werden. 2 Die bis 1960 vorliegende Rechtsprechung des B G H hatte zudem nicht n u r i n der Entschädigungsfrage den Weg zu solchen Überlegungen blockiert; auch i n der Frage, ob eine Bodenvorratspolitik der Gemeinden notfalls i m Weg der Enteignung erzwingbar wäre, hatte der Bundesgerichtshof sich dezidiert negativ geäußert; dazu anschließend unten, vgl. Fußn. 21.
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D i e S i t u a t i o n s i e h t heute, n a c h d e m schon fast 15 J a h r e seit I n k r a f t t r e t e n des Bundesbaugesetzes v e r g a n g e n sind, anders aus. I n F r a g e k ä m e w o h l , j e d e n f a l l s i n absehbarer Z e i t , n u r eine partielle Ü b e r n a h m e des n i e d e r l ä n d i s c h e n U m w i d m u n g s w e g e s . D . h., daß sich die Regelung, u m n i c h t a l l z u l a n g e Z e i t f ü r die p a r l a m e n t a r i s c h e B e r a t u n g z u benötigen, d a r a u f k o n z e n t r i e r e n m ü ß t e , n u r f ü r die d r i n g e n d s t e n Bereiche eine solche L ö s u n g e i n z u f ü h r e n . Das s i n d insb. die R a n d z o n e n v o n b i s h e r l a n d oder f o r s t w i r t s c h a f t l i c h g e n u t z t e m Gelände i n der N ä h e d e r m i t t l e r e n u n d Großstädte. Eine solche Lösung w i r d neuerdings, neben anderen Alternativen, gerade unter Hinweis auf die Niederlande stark i m Zwischenbericht des interministeriellen Arbeitskreises der Landesregierung Baden-Württemberg befürwortet 3 . Einen dieser Lösung nahekommenden Ansatz, der gegenständlich beschränkter ist, stellte auch der schon i m Jahre 1963 v o n Vie erwogene Gedanke dar, speziell f ü r den Bau v o n Entlastungsstädten Sonderregelungen zu treffen 4 . Der Ule'sche Weg ging dahin, durch Preisstoppvorschriften f ü r Entlastungsstädte Erleichterungen i n der Baulandpreisfrage zu erreichen. Damit aber treten w i e derum die alten Probleme auf, insb. die Frage, w i e verhindert werden kann, daß der alte Eigentümer den Kaufinteressenten zwingt, entgegen dem notariell vereinbarten Kaufpreis unter der Hand überhöhte Preise zu zahlen. M a n könnte aber daran denken, den Ule'schen Ansatz auf das Modell der niederländ. Lösung zu übertragen u n d zunächst einmal f ü r die Entwicklung neuer Stadtteile (einschließlich von Großprojekten der öffentlichen Hand w i e den i n § 21 genannten Universitätsbauten) die Umwidmungslösung der Niederlande einzuführen 5 . Insgesamt k ö n n t e , w e n n d e r Gesetzgeber eine p a r t i e l l e E i n f ü h r u n g des n i e d e r l ä n d i s c h e n U m w i d m u n g s w e g e s e r n s t h a f t a n s t r e b e n w ü r d e , die E i n f ü h r u n g i n drei u n t e r s c h i e d l i c h e n P h a s e n v e r l a u f e n . Z u n ä c h s t w ü r d e , w e i l dies w o h l a m d r i n g l i c h s t e n ist, eine S o n d e r r e g e l u n g f ü r die E r w e i t e r u n g v o n S t a d t t e i l e n i n B a l l u n g s g e b i e t e n geschaffen; d e m schlösse sich später eine E r w e i t e r u n g a u f d e n S t a d t u m l a n d b e r e i c h v o n a l l e n 3 Zwischenbericht des interministeriellen Arbeitskreises Bad.-Württ. über Maßnahmen zur Verbesserung des Bodenrechts und zur Entspannung des Baulandniarktes, Beilage J u l i 1973 zum Staatsanzeiger Bad.-Württ., P u n k t 2.2, S. 11 ff. Der Zwischenbericht charakterisiert zutreffend diese Lösung als Gegenstück zu den Abschöpfungsmodellen (S. 12). Zweifel sind n u r angebracht gegenüber der Vorstellung, daß der Baulandmarkt f ü r die diskutierten T e i l bereiche für „begrenzte Zeit durch verstärkte Einschaltung der öffentlichen H a n d korrigiert werden sollte." (S. 11 f.). M a n w i r d die Dinge realistisch sehen müssen; solange die Finanzkraft der Bevölkerung zum Wohnungsbau ausreicht und Bedarf an neuen Wohnungen besteht (letzteres ist wiederum von den Lebensstandarderwartungen abhängig, also relativ), w ü r d e die n u r befristete Einführung des Durchgangerwerbs von Gemeinden dazu führen, daß nach Beendigung der Frist die Umwidmungsspekulation weiter geht. 4 C. H. Ule, Preisstopp f ü r Bauland i m Bereich von Entlastungsstädten, VerwArch., Bd. 54 (1963), S. 345 ff. 5 Bei den genannten Großprojekten bliebe natürlich das Eigentum ganz i n öffentlicher Hand; das ist ja auch heute der Fall, ohne daß dem die Bestandsgarantie des A r t . 14 GG entgegensteht. N u r muß bisher wesentlich mehr dafür bezahlt werden.
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Großstädten an 6 . Schließlich könnte i n einer dritten Phase auf Randgebiete von mittleren Städten der Durchgangserwerb der Gemeinden ausgeweitet werden 7 . Z u r technischen Lösung der Entschädigungsbemessung sei hier nochmals darauf hingewiesen, daß v o m Grundgesetz her, auch nach der neueren, aber etwas unklaren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, es auch zulässig ist, daß der Gesetzgeber selbst statt abstrakter Maßstäbe numerisch feste Entschädigungsbeträge, u. U. nach einzelnen Lagen gestaffelt, festlegt (vgl. § 17 V).
2. Schließlich sei noch, bevor w i r zu den eigentlich verfassungsrechtlichen Fragen einer — partiellen — Übertragung des niederländischen Weges kommen, kurz auf einige denkbare pragmatische Einwände eingegangen. Ein erster Einwand könnte geltend machen, die Verhältnisse der Niederlande und der Bundesrepublik seien schon wegen der unterschiedlichen Bodenstruktur nicht vergleichbar. Der Verfasser glaubt, gerade durch Hinweis auf das Beispiel der Stadterweiterung Enschede (§ 21 I am Ende) dieses Argument bereits ausreichend entkräftet zu haben. Gewiß hat die überwiegend i n den Niederlanden anzutreffende besondere Bodensituation (vgl. § 20 I I 1) es politisch erleichtert, den dortigen Weg einzuschlagen. Praktische Einwände dagegen, i n anderen Ländern m i t besseren Bodenbedingungen ebenfalls diesen Weg einzuschlagen, sind aber unbegründet. I m Gegenteil: Das niederländische Modell könnte i n der Bundesrepublik sogar, weil ja die Baureif machung der Grundstücke hier nicht so aufwendig ist, zu einer erheblichen Senkung der Weitervergabepreise führen. Zum zweiten könnte evtl. eingewandt werden, daß, anders als in der Bundesrepublik, den Gemeinden in den Niederlanden das Recht zusteht, unter bestimmten Voraussetzungen den Zuzug zur Gemeinde zu versagen. I n der Praxis hat aber diese partielle Beschränkung der Freizügigkeit keine als ausschlaggebend oder auch nur als mitursächlich anzusehende Bedeutung für die Verhinderung der Umweltspekulation: Zum einen w i r d die Genehmigung praktisch fast immer (nach Auskunft der i n § 21 I angeführten Gemeinden zu über 90 °/o) erteilt. Zum anderen ist diese Regelung zwar für die Frage, wo man wohnen kann, nicht aber für die Monopolstellung aufgrund der Unvermehrbarkeit des Bodens von Einfluß. Denn diese Monopolstellung ist von den Eigentü6 Hier sind auch die verwaltungsmäßigen Voraussetzungen der Durchführung durch die Gemeinden am ehesten gegeben; der niederländische Weg setzt ja die Schaffung bestimmter kommunaler Einrichtungen voraus (vgl. zu den Grundbetrieben der Niederlande oben § 21 IV). 7 V o m Gleichheitsgesichtspunkt bestehen gegen diese Differenzierung keine Bedenken; es ist sachlich, wenn der Gesetzgeber nach Dringlichkeit i n v e r schiedenen Phasen vorgeht; vgl. unten §§ 26, 27.
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mern unabhängig davon ausnutzbar, ob volle Freizügigkeit besteht oder nicht. Auch bei der reduzierten Freizügigkeit in den Niederlanden brauchte ein Grundstücksinhaber einem Bauwilligen, der die Zuzugsgenehmigung erhalten hat, ein Baugrundstück nur verkaufen, wenn dieser auf seine Preisbindung eingeht. Es läßt sich also zusammenfassend, wie dem Verfasser auch von den Gemeindeverwaltungen und i m Wohnungsbauministerium der Niederlande auf diesbezügliche Fragen bestätigt wurde, festhalten: Die i n den Niederlanden bestehende (praktisch aber nur eng angewendete) Freizügigkeitsbeschränkung ist weder notwendige noch hinreichende Bedingung zur Regulierung des Bauerwartungslandpreises in gemeinwohlverträglicher Höhe 8 . Ein dritter pragmatischer Einwand könnte schließlich darauf abstellen, daß zwischen den Niederlanden und der Bundesrepublik ein entscheidender Unterschied besteht, weil bei ersteren die Entwicklung der Bauerwartungspreise bereits verhindert wurde, hier aber das Modell zur Reduzierung der Erwartungspreise führen soll. Der Funktionsunterschied soll nicht geleugnet werden. Er führt auch, was die Entschädigungsregelung des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG anbetrifft, zu besonderen, aber lösbaren Problemen; andererseits kann gerade die Reduzierungsfunktion sich in besonderer Weise auf den Sinn der neuen Entschädigungsbestimmung des Grundgesetzes berufen (zu beidem unten III). I n praktischer Hinsicht ergibt sich aus dem (teilweisen) Funktionsunterschied aber kein ernst zu nehmender Einwand. Man kann hier vielmehr sogar die historische Entwicklung i n den Niederlanden als Beleg dafür anführen, daß eine Reduzierung von Baulandpreisen mit Hilfe dieses Modells gut möglich ist. Wie oben dargelegt, bewegt sich der Preis für den Erwerb von Bauerwartungsland durch die Gemeinden i n den Niederlanden i n der Regel zwischen 2 und 3,50 DM, i n Grenzfällen bei 4 D M je Quadratmeter (§ 20 III). Bei der Erweiterung von Amsterdam seit 1963 lag ζ. B. der Erwerbspreis bei durchschnittlich 3,50 D M (vgl. § 21 I). Eberstadt berichtet nun in seiner ausführlichen Darstellung des niederländischen Bodenrechts vor dem ersten Weltkrieg 9 , daß damals eine Gemengelage in der Behandlung der Umwidmung vorgelegen hatte. So war ζ. B. damals i n Utrecht bei der Stadterweiterung die Umwidmung privaten Grundbesitzgesellschaften überlassen worden, die sich m i t dem Erwerb und Verkauf von unbebautem Gelände beschäftigten. Das Gelände wurde zum 2 bis 6fachen des von den Urbesitzern (Bauern, Gärtner) erhaltenen Prei8 Es spricht sogar einiges dafür, daß m i t Freizügigkeitsbeschränkungen die Unterlegenheit des Bauinteressenten gegenüber dem Bodenverkäufer noch verstärkt würde: Wenn ich n u r an wenigen Orten rechtlich die Möglichkeit habe, zu bauen, werde ich u m so eher bereit sein, an einem dieser Orte überhöhte Preise zu zahlen, da sich m i r ja weniger Alternativen bieten. 9 R. Eberstadt, Städtebau u n d Wohnungswesen i n Holland, Jena 1914 = Neue Studien über Städtebau und Wohnungswesen Bd. I I , S. 202 ff.
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ses i n die Gesellschaften eingebracht. Hier hat also die (seit 1945 umfassende) Durchgangsenteignung bzw. der freiwillige Durchgangserwerb der Gemeinden ebenfalls zu einer nachträglichen Beseitigung spekulativer Bodenerwerbsprozesse geführt. Ein letzter Einwand schließlich könnte geltend machen, daß i n politischer Hinsicht die verstärkte Heranziehung der Enteignung zur Baulandbeschaffung i n der Bundesrepublik schwierig ist, weil sie auf große Vorbehalte i n der Bevölkerung stoßen würde. Zugegeben, so populär wie i n den Niederlanden (vgl. § 21 III) ist die Enteignung bei uns nicht. Sie w i r d auch bei den negativ Betroffenen, d. h. den Grundstücksinhabern, die i n ihren Vermögensbeschenkungserwartungen enttäuscht würden, stets auf Widerstand stoßen. Ob dies indes auch allgemein i n der Bevölkerung der Fall wäre, ist nach Auffassung des Verfassers sehr zweifelhaft, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt werden, die auch sonst bei Reformüberlegungen bedacht werden sollten. Solche geplanten Erweiterungen der Enteignung müßten, damit sie i n der Bevölkerung auf ein positives Echo stoßen, i n ihrer Reichweite transparent und i n ihrer Funktion bürgerbezogen ausgerichtet werden. D. h., daß einerseits gerade i n dieser Frage sehr deutlich gemacht werden müßte, worauf die Erweiterung der Enteignungsbefugnis abzielt und wo der Umfang des Instrumentariums endet. Das allein würde gewiß schon manche Vorbehalte abbauen. Zum zweiten müßte i n der Öffentlichkeit klar dargelegt werden, was konkret für den Bürger, hier also für die privaten Bauwilligen oder (bei gemeinnützigen Wohnungsbau u. ä.) für die Mieter von Wohnungen (durch Mietersparnis) durch die Änderung des bodenrechtlichen Instumentariums „herauskommt". Letzteres hängt natürlich nicht zuletzt auch davon ab, wie die gesetzlichen Regelungen ausgestaltet würden. I I . Durchgangsenteignung und Art. 14 G G
Bevor die — partielle — Anwendung des niederländischen Umwidmungsweges i n die bundesrepublikanische Praxis umgesetzt werden könnte, muß sie sich zunächst der verfassungsrechtlichen Frage stellen, ob und i n welchem Umfang die Einführung des niederländischen Weges m i t dem Grundgesetz vereinbar ist. W i r haben oben i n § 17 dargelegt, daß von der Entschädigungsbestimmung des Grundgesetzes aus keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Anwendung des niederländischen Modells bestehen. Wohl aber könnte die Anwendung des niederländischen Weges an der verfassungsrechtlichen Vorfrage scheitern, ob die Enteignung als Mittel einer gemeindlichen Bodenvorratspolitik ihrem Typus nach m i t dem Grundgesetz überhaupt vereinbar ist. Dies ist, wie noch näher dargelegt wird, gerade i n neuerer Zeit verschiedentlich und mit Entschiedenheit bestritten worden.
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Die Beantwortung dieser Vorfrage setzt die Erörterung einer Reihe von Unterfragen voraus: Zunächst ist klar herauszuarbeiten, welches denn eigentlich die spezifischen Merkmale gerade dieser Enteignungsform sind. Es zeigt sich, daß die bodenpolitische und die juristisch-dogmatische Funktion dieses Enteignungstypus zu unterschiedlichen Beantwortungen führen (1.). Es schließt sich die Frage an, ob das Grundgesetz nach der allgemein die Enteignung regelnden Bestimmung des Art. 14 Abs. 3 GG diesen Enteignungstypus überhaupt mitumfaßt (2.). Weiter ist zu erörtern, ob eventuell zwar nicht aus Art. 14 Abs. 3 GG, wohl aber aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG ein Verbot von Durchgangsenteignungen i m niederländischen Sinn zu entnehmen ist (3.). Schließlich ist das Verhältnis von Allgemeinwohlvorbehalt des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG und den genannten Durchgangsenteignungen zu klären (4.). 1. Bei der Frage, inwieweit sich die Enteignung der niederländischen Umwidmung von den herkömmlichen sonstigen Enteignungen ihrem Typus nach unterscheidet, sind zwei verschiedene Antworten möglich. Dies liegt daran, daß die Besonderheit dieses Enteignungstypus einmal unter bodenpolitischem Aspekt gesehen, zum andern aber das Besondere dieser Enteignungsform von der juristisch-dogmatischen Sicht aus erfaßt werden kann. Beide Gesichtspunkte sind für sich gesonderte Betrachtungsweisen, die erst i n ihrer Zusammenschau die charakteristische Eigenart dieses Enteignungstypus voll wiedergeben. Unter bodenpolitischem Aspekt w i r d die Eigenart der Enteignung des niederländischen Umwidmungsmodells nicht durch ihre Funktion der Güterbeschaffung als solche, sondern durch die von ihr ausgehenden Wirkungen auf die Bodenpreisentwicklung bestimmt. Das w i r d deutlich, wenn w i r einen Vergleich zu entsprechenden Enteignungen nach dem Recht des deutschen Bundesbaugesetzes von 1960 herstellen. Auch das Bundesbaugesetz sieht i n § 85 Abs. 1 Nr. 1 vor, daß ein Grundstück enteignet werden kann, u m es entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplanes zu nutzen oder eine solche Nutzung vorzubereiten; darüber hinaus läßt § 85 Abs. 1 Nr. 2 zu, daß unbebaute oder geringfügig bebaute Grundstücke auch außerhalb eines Bebauungsplanes innerhalb bebauter Ortsteile enteignet w e r den können, u m sie, insb. zur Schließung von Baulücken, entsprecht den baurechtl. Vorschriften zu nutzen oder einer baul. Nutzung zuzuführen. Weigerte sich daher ein Grundstücksinhaber, ein bisher unbebautes Grundstück zur Bebauung frei zu geben, obwohl Bebauungspläne dies vorsahen, so konnte auch nach dem Recht des Bundesbaugesetzes das Grundstück erforderlichenfalls zwangsweise der neuen W i d m u n g zugeführt werden. Das Enteignungsrecht des Bundesbaugesetzes läßt es aber nicht zu, m i t Hilfe der Enteignung auch auf die Bodenpreisentwicklung beim Umwidmungsprozeß von Ackerland zu Bauland Einfluß zu nehmen. Denn nach § 87 Abs. 2 BBauG setzt die Enteignung zu dem eben dargelegten Zweck voraus, daß der Antragsteller der Enteignung sich ernsthaft u m den freihändigen Erwerb „zu
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angemessenen Bedingungen", d. h. aber i n Höhe des Verkehrswertes des Grundstückes bemühte. Hatte wegen der zukünftig zu erwartenden veränderten Nutzung der Preis f ü r das L a n d den reinen Ackerlandpreis aber schon weit überschritten, so blieb den Gemeinden n u r übrig, sich i n ihrem Angebot des freihändigen Erwerbs diesem Marktgeschehen anzupassen. Aus dem gleichen Grund konnte auch das den Gemeinden nach §§ 24, 25 BBauG eingeräumte Vorkaufsrecht keine die Bodenpreisentwicklung dämpfende W i r k u n g entfalten. Denn auch hier waren die Gemeinden ja gezwungen, die sich rein nach Marktgesetzen bildenden Kaufpreisvereinbarungen zwischen Grundstücksverkäufer u n d ursprüngl. Vertragspartner zu übernehmen.
Nicht i n der Güterbeschaffungsmöglichkeit als solcher, sondern i n den Konsequenzen für die Bodenpreisentwicklung, hier wiederum insb. an den Randgebieten größerer Städte, unterscheidet sich die niederländische Bodenvorratsenteignung demnach bodenpolitisch gesehen zentral von den vergleichbaren Enteignungen des Bundesbaugesetzes von 1960. I n juristisch-dogmatischer Sicht interessiert weniger die bodenpolitische Wirkung der Enteignung als die Frage, wie diese Bodenvorratsenteignungen von dem Eingriff i n die Rechtsposition, hier also i n die Grundeigentümerposition her zu qualifizieren ist. Die Baulandbeschaffungsenteignung hat den Zweck, privaten Dritten zu sozial vertretbaren Bedingungen den Erwerb von Grundstücken zu ermöglichen. Damit unterscheidet sie sich grundlegend von der Funktion, die die Enteignung seit Anfang des 19. Jahrhunderts bei der Bereitstellung von Grundstücken für den Eisenbahn-, Kanal- und Straßenbau besaß. I n diesen Fällen ging es (und geht es auch heute noch) vor allem darum, aus übergeordnetem Interesse den Widerstand zu brechen, den der bisherige Eigentümer gegen die Hergabe des Grundstückes als solchen entfaltet, weil andernfalls das bestimmte Unternehmen (Anlegung einer Eisenbahntrasse, Schaffung eines neuen Straßenzuges u. ä.) zu scheitern droht, W i r d die Enteignung hingegen als bodenvorratspolitisches Instrumentarium eingesetzt, so zeigt sich eine Funktionsverschiebung. Das Charakteristische dieser Enteignungen ist es, daß nicht zugunsten eines bestimmten öffentlichen oder wirtschaftlichen Unternehmens enteignet wird, um dieses überhaupt erst zu ermöglichen, sondern daß das Ziel der Enteignung darin zu sehen ist, wieder Privateigentum von Bauwilligen (bzw. von Wohnungsbaugesellschaften, die entsprechend günstigere Mietpreise festsetzen können) oder Erbbaurechte zu akzeptablen Preisen zu begründen. Diese A r t des enteignenden Eingriffs ist i n Anlehnung an Erman 10 neuerdings von Forsthoff wegen des genannten besonderen Eingriffs-
10 Erman, Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3, 1930, S. 283 ff.
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Zweckes als „transitorische Enteignung" bezeichnet worden 1 1 . I n ähnlicher Weise hat jüngst Schmidt-Assmann von „qualifizierter Durchgangsenteignung" gesprochen 12 ; diese Begriffsverwendung ist allerdings wohl mißverständlich 13 . 2. Die verfassungsrechtliche Problemstellung geht nun dahin, ob überhaupt und i n welchem Umfang derartige transitorische Enteignungen zum Zweck der Bodenvorratspolitik der Gemeinden vom Gesetzgeber eingeführt werden können. Geht man unbefangen i m Wege der Auslegung an das Grundgesetz heran, so sieht man zunächst, was den veränderten Typus der Enteignung angeht, überhaupt keine Probleme. A r t . 14 Abs. 3 Satz 1 GG läßt keine Orientierung an irgend einem speziellen Typus von Enteignungen erkennen, sondern stellt vielmehr nur eine allgemeine Voraussetzung für alle Enteignungen auf. Danach ist eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Dieser Bestimmung ist, wie das Bundesverfassungsgericht gerade auch i m mehrfach erwähnten hamburg. Deichurteil betont hat, zu entnehmen, daß die Enteignung ultima ratio sein muß; sie darf nur angewendet werden, wenn es keine anderen rechtlich und wirtschaftlich vertretbaren Lösungen gibt 1 4 . Weiter hat das Bundesverfassungsgericht aus dem übergeordneten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit den Schluß gezogen, daß — wohl gegen den Wortlaut des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG — eine Legalenteignung, also Enteignung unmittelbar durch Gesetz nur i n eng begrenzten Fällen zulässig ist 1 5 . Daraus müßte man eigentlich bei unbefangener Auslegung den Schluß ziehen, daß Durchgangsenteignungen i m Sinn des niederländischen Weges nicht mehr und nicht weniger zulässig sind, als andere Enteignungen auch; nämlich immer dann und nur dann, wenn sie vom Allgemeinwohlvorbehalt des Art. 14 Abs. 3 GG getragen sind. Das war auch i n der Tat die Sichtweise i n den ersten Jahren nach Inkrafttreten des Grundgesetzes. Probleme i n dem Sinn, daß Art. 14 GG keine solche Durchgangsenteignungen zuließe, waren damals nicht als relevant betrachtet worden. Hätte man i n dieser Hinsicht Bedenken geäußert, dann wären sie unmittelbar bei der Erörterung des Baulandbe11 Forsthoff, Z u r Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, i n : Festgabe f ü r Th. Maunz, 1971, S. 89 ff. 12 Schmidt-Assmann, Grundfragen des Städtebaurechts, 1972, S. 218. 13 I m Sinn der Forsthoffschen Begriffsverwendung der „transitorischen" Enteignung, der w i r uns hier anschließen, ist dies die eigentliche Durchgangsenteignung. 14 BVerfGE 24, 367, 404 f. 15 BVerfGE 24, 367, 405. Die letztere Einschränkung spielt keine Rolle bei der Frage, inwieweit die niederländische Lösung m i t A r t . 14 GG vereinbar ist; der niederländische Weg greift nicht auf das M i t t e l der Legalenteignung zurück.
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schaffungsgesetzes v o n 1953 sichtbar g e w o r d e n . I n diesem Gesetz, das b e k a n n t l i c h das erste Enteignungsgesetz des B u n d e s ü b e r h a u p t d a r s t e l l te, w a r sogar das gesamte G r u n d z i e l der R e g e l u n g e n d a r a u f abgestellt, die E n t e i g n u n g z u r B a u l a n d b e s c h a f f u n g einzusetzen 1 6 . Z w a r w a r die V e r e i n b a r k e i t des Baulandbeschaffungsgesetzes m i t d e m Grundgesetz w e g e n dessen E n t s c h ä d i g u n g s r e g e l u n g sehr u m s t r i t t e n 1 7 . I n d e n f r ü h e n S t e l l u n g n a h m e n z u m Baulandbeschaffungsgesetz 1 8 w a r aber die generelle Z u l ä s s i g k e i t der E i n g r i f f s f o r m t r a n s i t o r i s c h e r E n t e i g n u n g e n s o w e i t ersichtlich a l l g e m e i n a n g e n o m m e n w o r d e n . A u d i i n den S t a n d a r d w e r k e n zu A r t . 14 G G w i r d ganz a l l g e m e i n , w e n n ü b e r h a u p t a u f die F r a g e e i n gegangen w i r d , die transitorische E n t e i g n u n g z u r B a u l a n d b e s c h a f f u n g als e i n U n t e r f a l l der E n t e i g n u n g i. S. d. A r t . 14 A b s . 3 G G angesehen 1 9 . Nach e i n i g e n dieser S t e l l u n g n a h m e n w i r d diese E n t e i g n u n g a u s d r ü c k l i c h als e i n A n w e n d u n g s f a l l d e r klassischen E n t e i g n u n g bezeichnet 2 0 . N e u e r d i n g s w i r d indes v o n Forsthoff 21 die A u f f a s s u n g v e r t r e t e n , daß schon die transitorische Enteignung als solche eine E i n g r i f f s f o r m d a r stelle, die nach d e m Grundgesetz unzulässig sei. Infolgedessen sei auch 16 Vgl. die allgemeine Zielbestimmung i n § 1 BaulandbeschG. Daß m i t diesem Gesetz eine Abweichung von dem üblichen Typus der Enteignung verbunden war, wurde auch bei den Beratungen zu diesem Gesetz k l a r ausgesprochen, ohne daß die Zulässigkeit solcher Enteignungen nach dem Grundgesetz bezweifelt wurde; vgl. die Ausführungen des Berichterstatters des Ausschusses f ü r Bau- und Bodenrecht, Abg. Jacobi, Verhandlungen des Dt. BT, 1. Wahlp., A n i . 3 zum Sten.Bericht der 270. Sitzung, S. 13380. 17 Nach § 10 BaulandbeschG w a r bei der E r m i t t l u n g des Wertes der Grundstücke von den Wertverhältnissen am 27.10.1936 auszugehen. 18 Vgl. Dittus/Zinkahn, BaulandbeschG., 1954, Einl. S. 41 ff.; Diester, E n t eignung und Entschädigung, 1953, S. 73 ff.; Scheuner i n Reinhardt/Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, 1954, S. 131 ff. 19 So z. B. Hamann/Lenz, Das Grundgesetz, 3. Aufl., A r t . 14, A n m . Β 6 am Ende; W. Weber, Eigentum u n d Enteignung, Die Grundrechte Bd. 2, S. 381 f. 20 So W. Weber, Eigentum und Enteignung, S. 381; ders., DÖV 1953, S. 353 f. I m Ergebnis auch Ipsen, Die hess. Bodenreform vor dem BVerfG, DVB1. 1953, 617, 619 unter Berufung auf W. Weber u n d Forsthoff (!). Wie anschließend gezeigt w i r d (unten 3.), v ö l l i g zu Recht; auch vor dem 1. Weltkrieg w a r dieser Typus schließlich anerkannt worden. 21 Forsthoff, Maunz-Festgabe, S. 98 ff. Die dortigen Ausführungen beziehen sich zwar auf den damaligen E n t w u r f des Städtebauförderungsgesetzes, gelten aber generell für transitor. Enteignungen. Auch der Bundesgerichtshof hatte i n seiner enteignungsrechtlichen Rechtsprechung vor Jahren dezidiert v e r neint, daß die Enteignung als Instrument zur Verschaffung preiswerten L a n des eingesetzt werden dürfe. I n B G H Z 26, 375 wandte sich das Gericht gegen die „gelegentlich zutage tretende Tendenz der öffentlichen Hand, . . . Grund u n d Boden i m Wege der Enteignung möglichst b i l l i g zu erwerben" und führte dazu aus: „Die Enteignung ist zwar das Institut zur zwangsweisen Beschaffung eines zur Bewältigung einer öffentlichen Aufgabe nötigen, w e i l andersw e i t nicht zu erwerbenden oder zu ersetzenden Gutes gegen angemessene E n t schädigung, aber nicht das Mittel, u m sich ein konkretes Gut unter Einsatz der Hoheitsmacht des Staates billiger zu verschaffen, als es auf dem freien M a r k t seinem allgemeinen Verkehrswert entsprechend angeboten w i r d und erworben
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die i m Städtebauförderungsgesetz enthaltene Ermächtigung zu solchen Durchgangsenteignungen m i t der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes unvereinbar 2 2 . Dies w i r d damit begründet, daß zwar die Weimarer Reichsverfassung i n A r t . 155 Abs. 2 WRV für die Bodenverteilung und Bodennutzung ausdrücklich eine besondere Norm enthielt, die zu transitorischen Enteignungen ermächtigt hatte; dieser spezielle Falltypus von Enteignungen sei aber vom Grundgesetz nicht übernommen worden und daher unzulässig. T r i f f t die gezogene Rechtsfolge für das Städtebauförderungsgesetz zu, dann sind erst recht jeglicher Anwendung des niederländischen Weges i n der Bundesrepublik (jedenfalls vor einer Verfassungsänderung) zwingende Hindernisse entgegengestellt. Der Forsthoffschen These liegt ein Lückenschluß als spezieller Unterfall des allgemeinen e contrario-Schlusses zugrunde. Er läßt sich auf die folgende Kurzform bringen: Die Weimarer Verfassung enthielt i n A r t . 153 eine allgemeine Regelung der Enteignung, daneben i n A r t . 156 (Vergesellschaftung) und A r t . 155 (Enteignung von Grundbesitz zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses, Förderung der Siedlung und der Landwirtschaft) zwei besondere enteignungsrechtliche Regelungen. Von den drei Regelungen sind nur zwei i m Grundgesetz explizit aufgeführt (Art. 14 und A r t . 15 GG); also muß die Lücke als bewußt gewollt angesehen werden. Das reicht natürlich noch nicht aus, um den e contrario-Schluß zu rechtfertigen. Die moderne juristische Logik hat nachgewiesen, daß sowohl der sog. Analogieschluß wie der e contrario-Schluß zunächst nur Denkformen sind, keineswegs aber logisch gültige Schlüsse. Ob ein solcher „Schluß" 2 3 begründet ist, hängt von materialen, d. h. inhaltlichen Erwägungen ab 2 4 . Was bedeutet das für unser Problem? Der e contrario-Schluß Försthoffs ist zum einen nur dann tragfähig, wenn allgemein i m Verhältnis von Grundgesetz und Weimarer Reichsverfassung aus der NichtÜbernahme von Einzelregelungen geschlossen werden kann, daß das Grundgesetz werden kann." Diese Auffassung des BGH, die sich allerdings i n keiner weiteren Entscheidung des Gerichts so deutlich wiederfindet, w a r sicher v o n der i n z w i schen aufgegebenen (vgl. § 10 I) Grundposition beeinflußt, das Grundgesetz gebiete unter allen Umständen bei Enteignungen die Entschädigung nach dem vollen Verkehrswert der entzogenen Sache. 22 Die Konsequenz wurde von Forsthoff zwar nicht explizit ausgesprochen, ergibt sich aber zwingend aus seiner Grundposition. 23 M a n sollte, u m das genannte Mißverständnis zu vermeiden, daher besser den Ausdruck „Schluß" f ü r die Logik reservieren und konsequent n u r von Analogie- u n d e contrario-„Argumentationen" oder -„Denkformen" sprechen. 24 B e i m Analogie „Schluß" sind dies materiale Ähnlichkeitserwägungen; vgl. dazu ausführlich Klug, Jurist. Logik, 3. Aufl., 1965, S. 97 ff.; auch Engisch, Einführung i n das juristische Denken, 5. Aufl., 1971, S. 142 ff.
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damit dem i n der nichtübernommenen Regelung enthaltenen Normgehalt eine Absage erteilt. Aber auch dann, wenn man allgemein zur Bejahung dieser Frage neigen müßte, ist noch nicht zwingend für unseren Spezialfall entschieden, daß das Schweigen des Grundgesetzes eine gewollte Absage bedeutet. Wie wäre es, wenn nachgewiesen wird, daß eindeutig nach den Beratungen i m Parlament. Rat die i n A r t . 155 WRV speziell geregelte transitorische Enteignung zu bodenreformerischen Zwecken als von A r t . 14 Abs. 3 GG gedeckt angesehen wurde? Dann müßte man wohl schließen, daß jedenfalls für diesen Ausnahmefall dem Schweigen des Grundgesetzes keine Ausschlußfunktion zugewiesen werden kann. Beginnen w i r m i t der ersten denkbaren Begründung für den e contrario-Schluß. Forsthoff zieht eine Rechtsfolge durch Vergleich zwischen den Regelungen des Grundgesetzes und der Weimarer Reichsverfassung. Nun kann sicher gerade i m Bereich der Verfassungsinterpretation der historisch-vergleichende Aspekt eine sehr aussagekräftige Interpretationshilfe sein. Das setzt aber voraus, daß die Begründung eines Unterschiedes zwischen beiden Verfassungsregelungen vom System beider Verfassungen aus haltbar ist. Das ist i m vorliegenden Fall des Lückenschlusses aus Art. 155 Abs. 2 WRV offenbar unmöglich. Immer wenn aufgrund v o n Unterschieden zwischen der Weimarer Reichsverfassung u n d dem Grundgesetz bestimmte Rechtsfolgen gezogen werden, muß berücksichtigt werden, daß, w i e j a bekannt ist, i n der Durchnormierung von Grundrechtsbestimmungen u n d damit zusammenhängenden Regelungen zwischen dem System des Grundgesetzes u n d dem System der Weimarer Reichsverfassung gravierende Unterschiede bestehen. Hierzu gehört nicht n u r der oft hervorgehobene Umstand, daß die letztere Verfassung i m Gegensatz zu den Regelungen des Grundgesetzes zu einem ganz erheblichen T e i l Programmsätze enthält, sondern auch der Umstand, daß das Grundgesetz i m Grundrechtssystem durchweg knapper, dafür aber allgemeiner gefaßt ist. Das führt dazu, daß die Weimarer Reichsverfassung häufig zur Regelung eines bestimmten Lebensbereiches mehrere Grundrechtsartikel enthält, das Grundgesetz sich hingegen m i t einer einzigen Regelung begnügt.
Aus diesem Unterschied i m System beider Verfassungen ergibt sich, daß rein aus dem Fehlen einer bestimmten Norm der Weimarer Reichsverfassung kein e contrario-Schluß für das Grundgesetz gezogen werden kann. Denn gerade, weil bereits bei der Konstruktion des Grundgesetzes die Auffächerung der Weimarer Verfassung i n vielfältige Einzelbestimmungen vermieden werden sollte, kann aus der NichtÜbernahme einer einzelnen Regelung nicht geschlossen werden, daß das Grundgesetz dam i t einem bestimmten Rechtszustand der Weimarer Verfassung eine Absage erteilen wollte. Vielmehr ist nur aus der i m Grundgesetz selbst enthaltenen Bestimmung, hier also aus Art. 14 GG, entscheidbar, ob die transitorische Enteignung durch NichtÜbernahme der Bestimmung von Art. 155 Abs. 2 WRV unzulässig ist. 16 Opfermann
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Ergibt schon der allgemeine Vergleich des Systems der Grundrechtsteile von Weimar und dem Grundgesetz, daß ein e contrario-Schluß kraft Lückenbefundes nicht tragfähig ist, so zeigt auch die Übertragung dieses Schlußverfahrens auf andere Sachbereiche, daß diese Begründung kaum haltbar ist. Der Lückenschluß i n der bei A r t . 155 W R V verwendeten Form ist, seinem methodischen Charakter nach, an keinen speziellen Sachbereich gebunden. Infolgedessen müßte, w e n n man i h n für tragfähig hielte, i n analoger Weise auch in anderen Fällen dort eine zu Weimar verschiedene Rechtslage angenommen werden, wo die gleiche Konstellation wie i m Verhältnis von A r t . 153 u n d 155 W R V einerseits u n d A r t . 14 GG andererseits vorliegt. Das führt aber, wie leicht anhand eines anderen Beispieles nachweisbar ist, zu offensichtlich kaum haltbaren Konsequenzen.
Nicht nur i m Bereich der Enteignung, sondern auch i n sonstigen die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie betreffenden Bestimmungen war die Weimarer Reichsverfassung weitschweifiger und i n ihren Regelungen zersplitterter als das Grundgesetz. So enthält ζ. B. i m Grundgesetz nur eine einzige Bestimmung (Art. 14 I GG) eine das Eigentum garantierende Norm. Die WRV hatte hingegen zum einen die unserem jetzigen Art. 14 Abs. 1 GG entsprechende allgemeine Eigentumsgarantie i n Art. 153 Abs. 1, zugleich aber i n Art. 158 Abs. 1 WRV die spezielle Gewährleistung des sog. „geistigen Eigentumes" 25 , nämlich das Recht der Urheber, Erfinder und Künstler auf Schutz der Erzeugnisse der geistigen Arbeit. Da das Grundgesetz darauf verzichtet hat, analog der Weimarer Verfassung eine spezielle Garantie für das „geistige Eigentum" zu statuieren, müßte demnach entsprechend i m Lückenschluß gelten, daß der spezielle Bereich von Art. 158 WRV von der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG nicht erfaßt ist. Ein solcher e contrario-Schluß ist, soweit ersichtlich, bisher noch nie gezogen worden 2 6 . Beispiele dieser A r t ließen sich vermehren. Aber schon das angeführte Beispiel zeigt auf, warum aus einem Lückenbefund i m Verhältnis zwischen Grundgesetz und Weimarer Reichsverfassung kein Gegenschluß ohne Rückgriff auf besondere Umstände aufgebaut werden kann: Wären solche Lückenschlüsse zwischen einer früheren und einer späteren Verfassung schon qua Lückenbefund begründet, dann wäre nämlich eine jede neue Verfassung — um e contrario-Schlüsse bei der späteren Verfassungsinterpretation auszuschließen — gezwungen, auf jede spezielle Regelung der vorigen Verfassung einzugehen und zu bekräftigen, daß kein Ausschluß gemeint ist. 25 So die Formulierung bei Anschütz, K o m m , zur WRV, 13. Aufl., A n m . zu A r t . 158 WRV. 26 Z u m Schutz der Urheberrechte aus der Eigentumsgarantie des A r t . 14 GG s. auch neuerdings die 5 Beschlüsse des BVerfG i n BVerfGE 31, 229 ff.; 248 ff.; 255 ff.; 270 ff.; 275 ff.
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Schließlich ergibt auch ein Rückgriff auf die Beratungen im Parlamentarischen Rat, daß von einer bewußten Einschränkung der i n Weimar zugelassenen Enteignungsbefugnisse i m Bereich des Bodenrechts keine Rede sein kann. W i r haben oben i n § 5 dargelegt, daß die Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes gerade auch i m Hinblick auf die Anwendung i m Bodenrecht eingeführt wurde. Schon das spricht dafür, daß man geneigt war, i n bezug auf die enteignungsrechtlichen Instrumentarien dem Gesetzgeber keine Restriktionen gegenüber der Weimarer Verfassung bei Bekämpfung der Bodenspekulation aufzuerlegen. Zum anderen lassen sich aber sogar direkt Nachweise dafür bringen, daß ganz offensichtlich davon ausgegangen wurde, daß die in A r t . 155 WRV enthaltenen bodenreformerischen Instrumentarien jetzt als von Art. 14 Abs. 3 GG miterfaßt angesehen wurden. Äußerungen einzelner Mitglieder bei den Beratungen zeigen, daß man — wie j a auch dann nach 1949 offenbar die einschlägigen Gesetze — gewissermaßen m i t Selbstverständlichkeit davon ausging, daß A r t . 14 GG auch die speziellen Enteignungen zugunsten der Bodenreform, wie sie i n A r t . 155 W R V angesprochen waren, mitumfaßte. So erklärte z. B. der Abg. D r Kroll i n der wichtigen Sitzung des Grundsatzausschusses v. 7. 10. 48, i n der w o h l zum ersten M a l grundsätzlich die Probleme des verfassungsrechtl. Enteignungsrechts behandelt wurden, daß man bei der Enteignung i. S. d. A r t . 14 GG (auch) an Bodengesetze i m Stile der Damaschke'schen Bodenreform denke 2 7 . Auch spätere Erörterungen zur Junktimregelung des A r t . 14 Abs. 3 Satz 2 GG zeigen, daß man davon ausging, daß Enteignungen bei Bodenreformen zu den Enteignungen i. S. d. A r t . 14 Abs. 3 GG gehören 2**.
Wenn auch hier die Bedeutung der Äußerungen einzelner Mitglieder des Pari. Rates nicht überschätzt werden soll, jedenfalls ist ihnen doch zu entnehmen, daß von einer gewollten Absicht, die transitorische Enteignung abzulehnen, keine Rede sein kann. 3. Wenn der Durchgangserwerb der Gemeinden mit dem Hilfsweg der Enteignung auch nicht als Eingriffstypus durch Art. 14 Abs. 3 GG ausgeschlossen ist, könnte aber eingewendet werden, aus der Instituts gar antie des Art. 14 Abs. 1 GG oder aus sonstigen, der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes entnommenen Gewährleistungen verstoße die Einführung des niederländischen Weges gegen Art. 14 GG. Es w i r d i n der Tat i n diesem Sinn geltend gemacht, transitorische Enteignungen zu limitiertem Preis stellten unzulässige Umschichtungen dar; denn damit wäre die „gesamte Verteilung des Grundeigentums zur Disposition des Gesetzgebers gestellt" 2 9 . 27
s. Kurzprot. der 8. Sitzung des GA, S. 69. Vgl. die Frage der Abg. Nadig i n der 26. Sitzung des GA v o m 30. 11. 1948 u n d dazu die A n t w o r t des Vorsitzenden v. Mangoldt, Prot. S. 35. 29 So Forsthoff (Fußn. 21) ; i h m folgend w o h l auch K. Meyer, Betrachtungen über das Städtebauförderungsgesetz i m Spannungsfeld des Grundgesetzes, AöR Bd. 97 (1972), S. 12 ff., 19; Bedenken auch bei Rüfner, Bodenordnung und 28
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Auch hier gilt wiederum, daß die enteignungsrechtliche Literatur i n den ersten Jahren des Grundgesetzes einen solchen Einwand gegenüber der Zulässigkeit von transitorischen Enteignungen zur Baulandbeschaffung offenbar nicht einmal diskutierte. Bei näherer Nachprüfung erweist sich dieser Einwand i n der Tat auch als unbegründet. Selbst wenn man einmal unterstellt,, daß die durchaus noch näher prüfungs- und differenzierungsbedürftige These vom Verbot von sozialen Umschichtungen durch das Grundgesetz 30 richtig ist, ergeben sich daraus für die Einführung von transitorischen Enteignungen zur Baulandbeschaffung keine Bedenken. Unter sozialen Umschichtungen sind — als Gegenbegriff zur Konfiskation einerseits wie auch zur Enteignung i m technischen Sinn andererseits — Eigentums- und Vermögensüberführungen anzusehen, die durch Sozialisierung oder Auflösung des Großgrundbesitzes oder ähnliche Depossedierungsvorgänge bestimmte Eigentümerklassen treffen wollen 3 1 . M i t alledem hat der Durchgangserwerb der Gemeinden i m Sinn der niederländischen Lösung nichts zu tun. Es geht hier nicht darum, bestimmte Eigentümerklassen zu treffen; der Durchgangserwerb dient ja nicht dazu, ζ. B. die Landwirte als Klasse (wenn man hier von Klasse überhaupt sprechen kann) zu treffen. Vielmehr werden nur die Eigentümer bestimmter Grundstücke i n Sonderlagen (Randgebiete von Städten, insb. von Großstädten) durch Inanspruchnahme der Sozialbindung des Eigentums an der Ausübung von Monopolstellungen 32 gehindert. Diese Inanspruchnahme dient dazu, eine bestimmte konkrete öffentliche Aufgabe (Förderung des Wohnungsbaus) zu erleichtern. M i t Sozialisierung oder Auflösung des Großgrundbesitzes ist das alles nicht vergleichbar. Eigentumsgarantie, JuS 1973, S. 593 ff., 594, Fußn. 15. Keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine Enteignung f ü r Siedlungs- oder Wohnungsbauzwecke aber bei Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, i n : Der Staat, 1. Jg. (1962), S. 449 ff., 477. Bullinger weist aber a.a.O. zutreffend darauf hin, daß rechtliche Vorkehrungen dagegen getroffen werden müssen, daß die enteigneten Grundstücke später privaten Spekulationszwecken zugeführt werden. 30 Gerade bei solchen Globalthesen muß stets, bei aller Respektierung der Eigentumsgarantie des A r t . 14 Grundgesetz, genau geprüft werden, ob nicht durch derartige Generalisierungen der Grundsatz verletzt w i r d , daß das Grundgesetz wirtschaftspolitisch neutral ist (BVerfGE 4, 18 f.; 7, 400; 12, 363). Hier schleichen sich sehr schnell persönliche Ordnungsvorstellungen ein, die eigene Auffassungen verfassungsfest machen. M a n mag (so z. B. Forsthoff, B B 1965, S. 382) persönlich der altliberalen Auffassung von Humboldts anhängen; die bewußte Ablehnung des Grundgesetzes, sich f ü r eine bestimmte Wirtschaftsund Sozialordnung zu entscheiden, verbietet es aber, solche Auffassungen zum zwingenden Verfassungsrecht zu deklarieren; differenzierend u n d ausgewogen demgegenüber Maunz i n : Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 14 GG, A n m . 14d. 31 Vgl. W. Weber, Eigentum u n d Enteignung, Die Grundrechte, Bd. 2, S. 348 f. 32 Z u r Betonung der Beschränkung der Privatnützigkeit bei Monopolstellungen an Grund und Boden i n Ballungsgebieten schon 1954 R. Reinhardt i n : Reinhardt/Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 22.
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Es bliebe daher bei einem unmittelbaren Rückgriff auf A r t . 14 Abs. 1 GG nur noch das denkbare Argument zu erwägen, daß die Institutsgarantie des A r t . 14 Abs. 1 GG verletzt sei, weil die Einführung des Durchgangserwerbs der Gemeinden das Eigentum nicht so schütze, wie das „bürgerliche Recht und die gesellschaftlichen Anschauungen" es geformt haben 33 . Selbst wenn man einmal außer acht läßt, daß i n der neueren Verfassungsrechtsprechung dieser Topos i n anderer Sicht, nämlich stärker gerade i n Richtung auf eine leistungsbezogene Garantie verstanden w i r d 3 4 , können aus dieser Erwägung keine Bedenken gegen die partielle Einführung des niederländischen Weges hergeleitet werden. Bei Beantwortung der Frage, ob die Einführung transitorischer Enteignungen als Flächenenteignungen zur preiswerten Baulandbeschaffung m i t der deutschen Rechtstradition verträglich ist, steht man auf relativ festem Grund. Es geht hier nicht um Wertungs- oder Auslegungs-, sondern um historische Fakten. Nachdem bereits die Weimarer Reichsverfassung i n Art. 155 WRV die Enteignung von Grund und Boden zum Zweck der Verschaffung von Bauland verankert hatte, kann schon nicht mehr davon gesprochen werden, durch Zulassung gesetzlicher Regelungen i n Anlehnung an das niederländische Modell würde das Rechtsinstitut „Eigentum" i n seiner überkommenen Form tangiert 3 5 . Hinzu kommt, zur Abrundung des historischen Bildes, ein weiteres. Es wäre ein Irrtum, anzunehmen, daß — sozusagen als Folge einer Umwälzung der richtigen Eigentumsvorstellungen durch die Wirren der Jahre 1918/1919 — erst i n der Weimarer Reichsverfassung die transitorische Enteignung m i t Flächenwirkung i n das deutsche Enteignungsrecht eingeführt worden ist. Richtig ist daran nur, daß m i t Art. 155 WRV erstmals auf Verfassungsebene ausdrücklich die transitorische Enteignung eigens geregelt wurde. Aber auch i n der Spätzeit der „klassischen Enteignung", d. h. zwischen dem Zeitpunkt des Erlasses des preußischen 33
So z. B. BVerfGE 1, 278; 2, 402; 11, 70; 28,142. BVerfGE 28, 119, 142 fährt unmittelbar nach dem genannten Topos fort (was n u r als Klarstellung verstanden werden kann): „Interessen, Chancen, Verdienstmöglichkeiten werden durch A r t . 14 GG nicht geschützt." Folgericht i g w i r d i n BVerfGE 30, 292, 334 f. dann die dogmatische Konsequenz gezogen, A r t . 14 GG besitze „objektbezogene" Gewährleistungsfunktion durch Schutz des Erworbenen. Der Topos der Eigentumsgarantie i. S. d. überlieferten gesellschaftlichen Anschauungen bleibt hier unerwähnt. Vieles spricht indes m. E. dafür, daß die restriktive Annahme zwingender verfassungsrechtlicher E n t schädigungsverpflichtungen i n älterer Zeit (wie sie z. B. dezidiert von Anschütz zur Preuß. Verfassung vertreten worden war) ihren Grund nicht zuletzt darin hatte, daß man k l a r sah, daß andernfalls uferlos bloße Interessen und E r w a r tungen als verfassungsfest deklariert würden. 35 s. auch den betonten Hinweis gerade auf eine Aktualisierung dieser E n t eignungsermächtigung bei M. Wolff, Reichsverfassung und Eigentum, K a h l Festgabe, 1923, S. 18. 34
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Enteignungsgesetzes von 1874 bis zum ersten Weltkrieg waren solche Enteignungen i n Teilbereichen schon zugelassen und auch praktiziert. Hierauf hat gerade Schmidt-Assmann neuerdings hingewiesen 36 . Bekanntlich war die Regelung des Abs. 1 und 2 des Art. 155 WRV als (positive) A n t w o r t auf die Forderungen der „Bodenreformer" gedacht 37 . Die Forderungen der Bodenreformer waren aber schon lange vor Entstehung der Weimarer Reichsverfassung erhoben worden 3 8 . Als Ergebnis dieser Forderungen, insbesondere der Wirkung der Schriften und politischen Tätigkeit von A. Damaschke 39 ist bereits i m Jahre 1905 i m preußischen Kanalgesetz vom 1. 4. 190540 die Ermächtigung zu transitorischen Enteignungen eingeführt und damit auf einem Teilgebiet die Regelung des Art. 155 Abs. 2 WRV vorweggenommen worden. Nach § 16 dieses Gesetzes — es bezog sich vorwiegend auf Maßnahmen zum Bau des Mittellandkanals — wurde ein Enteignungsrecht über die für den Bau des Kanales erforderlichen Maßnahmen hinaus zugelassen, um auch Enteignungen zum Zweck der Schaffung von neuem Siedlungsland zu ermöglichen 41 . Das Enteignungsrecht war hierbei für einen Streifen von 1 k m Breite auf jeder Seite des Kanales verliehen. Diese Regelung des preußischen Kanalgesetzes von 1905 war erst nach mehreren Eingaben des Bundes Deutscher Bodenreformer i n dieser spezifischen Form erlassen worden 4 2 . Nach den Darstellungen von Damaschke war das zuständige preußische Ministerium erst nach dem Aufweis des großen Interesses i n der Bevölkerung an der Ermächtigung zu Enteignungen zu diesem Zweck geneigt, „eine so neue folgenreiche Ausdehnung des Enteignungsrechts" zu unterstützen 43 . Da die mit dem Kanalgesetz von 1905 gemachten Erfahrungen i n enteignungsrechtlicher Hinsicht sehr günstig gewesen waren 4 4 , wurde dessen 36
Schmidt-Assmann, Grundfragen des Städtebaurechts, S. 42. Vgl. Anschütz, K o m m , zur WRV, 13. Aufl., A r t . 155, A n m . 2; Erman, Bodenrecht ( = Kommentierung von A r t . 155 WRV) i n : Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverf., Bd. 3 (1930), S. 285. Z u r Bodenreform s. auch neuerdings K.-H. Peters, Die Bodenreform. Ende eines Kompromisses, 1971. 38 s. hierzu Peters (Fußn. 37), S. 28 ff. u n d den A r t i k e l „Bodenreform" i m Ev. Staatslex., 1966, S. 191, bearb. von C. v. Dietze. 39 Dieser w a r seit 1898 Vorsitzender des Bundes Deutscher Bodenreformer. 40 Das Enteignungsrecht w a r nach § 16 des Gesetzes ursprünglich bis zum 1. 7. 1909 befristet. Es wurde durch Gesetz v o m 1. 8. 1909 (Pr. GS S. 735) f ü r den größten T e i l des erfaßten Gebietes nochmals bis 1. 7.1912 verlängert. 41 Die Bedeutung dieser Regelung betont auch Erman (Fußn. 37). 42 Vgl. die Darstellung bei Damaschke, Die Bodenreform, 10. Aufl. 1915, S. 142 f. 43 Nach Damaschke, S. 142 f. ist die Regelung erst eingeführt worden, nachdem der B u n d Dt. Bodenreformer 94 000 Unterschriften gesammelt hatte, die die Regelung unterstützten. 44 Vgl. ν . Bitter, Handwörterbuch der Preuß. Verw., 2. Bd., 1928, A r t i k e l „Schiffahrtskanäle", S. 554. 37
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Regelung später sowohl i n Reichs- wie i n Landesgesetzen aufgegriffen. I n Preußen wurde mit dem Mittellandkanalgesetz vom 4. 12. 1920 (GS 1921, S. 67) die alte Form der transitorischen Enteignung fortgeführt 4 5 . I m Reich wurde eine entsprechende Regelung i n dem Gesetz über die Kanalisierung von Neckar, Main und Donau getroffen 46 . Das Gesetz enthielt explizite Vorschriften gegen die Spekulation durch Wiederverkauf, war, durch Beseitigung des Vorkaufsrechts der alten Eigentümer, gegen die Reprivatisierung an die Alteigentümer gerichtet und legte eine limitierte Entschädigungspflicht fest 47 . Aber auch das Kanalgesetz von 1905, welches durchaus noch dem „klassischen Enteignungsrecht" zuzurechnen ist, hatte bereits klar die beiden zentralen Ziele zum Gegenstand, die auch heute bei der Einführung der Enteignung als Mittel der Bodenvorratspolitik i m Vordergrund stehen würden. Zum einen sollte das eingeführte Enteignungsrecht verhindern, daß die Spekulation bei den m i t erheblichen Mitteln der Allgemeinheit durchgeführten Kanalbauten die plötzlich erheblich i m Preis gestiegenen Grundstücke zurückhielt und damit den preisgünstigen Erwerb solcher Grundstücke unmöglich machte. Zum anderen sollte aber auch der Fiskus für die bei den Kanalbauten aufgewendeten Kosten entlastet werden, indem er an den durch die Kanalbauten erst eingetretenen Wertsteigerungen teilnahm. Zunächst mußte dafür gesorgt werden, daß auch w i r k l i c h Bauwillige, denen das L a n d bisher nicht gehörte, i n den Genuß der neuen Siedlungsflächen zu beiden Seiten des Kanals kamen. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn bei dem Land, das nicht unmittelbar f ü r die Kanalbauten gebraucht wurde, eine Reprivatisierungspflicht an die Alteigentümer bestanden hätte. Diese hätten entweder das L a n d m i t Mietswohnungen bebauen oder aber zu erhöhten Preisen an Dritte veräußern können. Das preuß. Enteignungsgesetz von 1874 sah i n § 57 Abs. 2 und 3 vor, daß der Eigentümer des enteigneten Grundstückes ein gesetzliches Vorkaufsrecht wegen aller Grundstücksteile oder gesamter Grundstücke besaß, die zunächst enteignet worden waren, aber zu dem Zwecke des Unternehmens nicht mehr notwendig waren oder veräußert werden sollten. Diese Regelung w a r m i t dem Gedanken der Enteignung zur Baulandbeschaffung zu preisgünstigen Bedingungen f ü r Dritte nicht vereinbar. Infolgedessen 45 § 10 enthielt eine zum Kanalgesetz von 1905 v ö l l i g parallele Regelung: Enteignung zu Siedlungszwecken bis zu 1 k m rechts u n d links des M i t t e l l a n d k a n a l s , Fristsetzung bis zum 1. J u l i 1930. 46 Gesetz über die Enteignung von Grundeigentum u n d über die Beitragsleistung bei der Kanalisierung des Neckars von Mannheim bis Plochingen u n d des Mains von Aschaffenburg bis Bamberg sowie zum Ausbau der Donau von Passau bis Kelheim v o m 3. August 1920 (RGBl. S. 1613). 47 Vgl. § 2 Abs. 2: „Grundstücke u n d Rechte an Grundstücken, die aufgrund des Abs. 2 entzogen worden sind, dürfen an D r i t t e n u r unter solchen Bedingungen weiterveräußert werden, die einen spekulativen Mißbrauch ausschließen." §3 schloß das Reprivatisierungsgebot an die Alteigentümer aus; §4 Abs. 1 verbot die Berücksichtigung von Wertsteigerungen, die durch die Aussicht auf das Kanalunternehmen begründet waren.
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stellte das Ergänzungsgesetz v o m 17. J u l i 1907 i n § 6 fest, daß bei der Wiederveräußerung der Grundstücke das gesetzliche Vorkaufsrecht des § 57 prEnteigG nicht galt. U m den Fiskus wegen der durch den Kanalbau entstandenen Kosten zu entlasten, wurde i n dem Ergänzungsgesetz v o m 1. 8.1909 i n § 2 explizit festgelegt, daß die Erlöse aus der Wiederveräußerung der i n Rede stehenden Grundstücke zur Tilgung v o n Staatsschulden zu verwenden waren.
Ebenfalls Gebrauch machten von dem Institut der Durchgangsenteignung später das Reichssiedlungsgesetz vom 11. August 1919 (RGBl. S. 1429) und das Reichsheimstättengesetz vom 10. Mai 1920 (RGBl. S. 962). Das erste Gesetz ließ Enteignungen zur Schaffung neuer Ansiedlungen und zur Hebung bestehender Kleinbetriebe zu (§ 1). I n der Entschädigung sah es vor, daß bei Enteignungen von Moor-, Heide- und Ödland die Orientierung i n der Regel an dem bisherigen Ertragswert erfolgen sollte; dem kam nicht unerhebliche Bedeutung zu, da auch bei derartigem Land durchaus die Möglichkeit bestand, daß die neue Zweckbestimmung des Landes zu erheblichen Preissteigerungen (Erwartungswerten) führte 4 8 . Da das Reichssiedlungsgesetz von 1920 noch keine allgemeine — von A r t . 155 Abs. 2 WRV ja gedeckte — Bodenvorratspolitik der Gemeinden ermöglichte, wollte der Entwurf eines Bodenreformgesetzes eine solche Bodenvorratspolitik ermöglichen und den Gemeinden sogar verpflichtend vorschreiben 49 . Daß es dazu nicht mehr gekommen ist, ist wohl vor allem darauf zurückzuführen, daß später die wirtschaftlichen Probleme die Bodenrechtsproblematik verdrängten. Zusammenfassend dürfte damit folgende Feststellung berechtigt sein: Die Durchgangsenteignung ist ein seit Ende des vorigen Jahrhunderts i m deutschen Enteignungsrecht doch so häufig feststellbarer Enteignungstypus, daß nicht davon gesprochen werden kann, ihrer Heranziehung stünden von der Institutsgarantie des Grundgesetzes bei Anwendung des niederländischen Modells i n Teilbereichen Bedenken gegenüber. Wenn hier, wie dargelegt, i n neuerer Zeit gelegentlich von unzulässigen „ U m schichtungen" gesprochen wird, dann ist dies ein Rückfall i n eine Denkweise, die schon unter Weimar überwunden war. Wenn schließlich auch unter der preußischen Verfassung von 1850 die Funktionsausweitung der Enteignung zugelassen worden war, dann sollte das gerade auch solchen Meinungen i n der Literatur zu denken geben, die sich der klassischen Enteignungslehre besonders verpflichtet fühlen 5 0 . 48 Erman (Fußn. 37), S. 305 spricht davon, daß der Preis nicht selten auf das Zwanzigfache steigen konnte. 49 Erman, S. 306. 50 H i n t e r der Forsthoffschen These steht natürlich eine von Forsthoff auch k l a r mehrfach zum Ausdruck gebrachte Grundposition, die letztlich w o h l auf die v o n i h m vertretene These der Unvereinbarkeit von Rechtsstaat u n d Sozialstaat zurückgeht: Der Gesetzgeber hat i n sich i m freien Spiel der K r ä f t e erge-
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Weder das Verhältnis von Grundgesetz zur Weimarer Reichsverfassung noch die Institutsgarantie des A r t . 14 GG stehen demgemäß der — partiellen — Einführung des niederländischen Weges entgegen. Man w i r d auch vom Ergebnis her dieses Resultat der Verfassungsauslegung nur begrüßen können. Denn die als Alternative hierzu von der Gegenmeinung angebotene Lösung vermag kaum zu überzeugen. Danach w i r d zur Lösung des Problems, angesichts der Bodenspekulation notfalls i m Zwangswege die Monopolstellung der bisherigen Bauland- und Bauerwartungslandinhaber zu brechen, auf die Sozialisierungsermächtigung i n A r t . 15 GG verwiesen 51 . A n dieser Ermächtigung ist i n der Tat auch nicht zu zweifeln, da die Verfassung ja ausdrücklich auch für Grund und Boden den Gesetzgeber ermächtigt, eine Überführung i n Gemeineigentum „oder i n andere Formen der Gemeinwirtschaft" vorzusehen. Nach der Forsthoffschen Auffassung gibt es aber nur die beiden Alternativen, entweder auf eine Enteignung zum Ziel der Schaffung neuen Eigentums i n der Hand einzelner Privater ganz zu verzichten oder aber den Weg zu wählen, Grund und Boden zu sozialisieren bzw. Eigentum von Wohnungsbauunternehmen zu gründen. M i t einer solchen Einschränkung der gesetzgeberischen Möglichkeiten w i r d der bisher schon bestehende Trend zur Ballung von Grundstücken i n der Hand anonymer Baugesellschaften oder der öffentlichen Hand indes nur noch mehr gefördert 52 . 4. Wenn Durchgangsenteignungen zur Verschaffung von Eigentum für dritte Personen auch nicht als grundsätzlich m i t A r t . 14 GG unvereinbar anzusehen sind, bedeutet dies keineswegs, daß schlechthin transitorische Enteignungen zulässig sind. Die Grenze gibt hier A r t . 14 Abs. 3 Satz 1 GG an. Da nach dem Allgemeinwohlvorbehalt dieser Vorschrift die Enteignung nur als „ultima ratio" i n Frage kommt 5 3 , ist die Zulässigkeit gebende Vermögenszuordnungen, seien dies auch n u r Erwartungschancen, nicht einzugreifen. Die These fand ihre w o h l extreme Zuspitzung i n der Auffassung, die Regelung des 2. Vermögensbildungsgesetzes sei nicht n u r wegen Umgehung des A r t . 110 GG bedenklich (darüber k a n n m a n i n der T a t verschiedener M e i nung sein), sondern stelle sogar einen enteignungsgleichen Eingriff allein wegen der Auferlegung von Geldleistungspflichten an die Arbeitgeber dar; vgl. Forsthoff, Der E n t w u r f eines zweiten Vermögensbildungsgesetzes, B B 1965, S. 381 ff., 387 f. Konsequenterweise w a r f ü r Forsthoff die Begründung des Gesetzes durch den B A r b M i n . Katzer ein „Rückfall i n polizeistaatliche Vorstellungen" (BB 1965, S. 382, Fußn. 5). 51 Forsthoff, Maunz-Festschrift, 1971, S. 98 ff. 52 Teilweise liegt bereits der ganz überwiegende T e i l des Grundvermögens i n der Hand solcher Institutionen. So soll nach W. Brohm, A r t i k e l „Städtebau" I I I (Recht), i n : Staatslex. der Görresgesellschaft, 3. Ergänzungsband 1970, Sp. 348 i n Hamburg der A n t e i l der Baugesellschaften und der öffentlichen Hand am Grundvermögen über 70 °/o betragen. 53 BVerfGE 24, 367, 404 f.
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setzlicher Ermächtigungen zu transitorischen Enteignungen eng begrenzt. Diese Grenze zulässiger Durchgangsenteignungen folgt unmittelbar aus deren Funktion. Transitorische Enteignungen haben die Aufgabe, einen Eigentümertausch zu erzwingen, wenn anders als zu sozial erträglichen Preisen ein solcher Tausch nicht zustande kommt. Aus dieser Zielrichtung ergibt sich eine grundsätzliche Grenzziehung für die Zulässigkeit transitor. Enteignungen. Enteignungen dürfen nur zugunsten des Allgemeinwohls erfolgen (Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG). Das bedeutet, daß der jeweils vorgenommene Eigentümertausch vom Allgemeininteresse getragen sein muß. Als unzulässig is daher die Durchgangsenteignung dann anzusehen, wenn nach dem Eigentümertausch der neue Eigentümer in keiner anderen Beziehung zur Sache stehen würde als der alte Eigentümer. Denn dann kann der neue Eigentümer nur ein individuelles, persönliches Interesse am Eigentümertausch geltend machen. Das widerspricht dem Allgemeinwohlvorbehalt des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG. Was bedeutet das i n der Praxis? Daraus folgt zum einen, daß i n herkömmlichen Wirtschaftsbereichen die transistorische Enteignung in aller Regel verfassungswidrig ist. Denn ein besonderes, das individuelle Interesse des potentiellen Neuerwerbers übersteigendes Allgemeininteresse w i r d kaum nachweisbar sein. (Es besteht kein Interesse der A l l gemeinheit daran, daß statt des Herrn X der Herr Y Inhaber des Betriebes Β oder des Autos A ist.) Aber auch i m Bodenrecht sind nach der eben entwickelten Grenzziehung Durchgangsenteignungen zur Verschaffung von Eigentum für Dritte keineswegs immer zulässig, obwohl dem Grundgesetz keine Absage an die bodenreformerischen Ermächtigungen des Art. 155 Abs. 2 WRV zu entnehmen ist. Wenn ζ. B. ein neuer Eigentümer Ν ein bisher unbebautes Grundstück zum Bau eines Miethauses benutzen wollte, der alte Eigentümer A aber anbietet, die gleiche Leistung zu erbringen, wäre eine Enteignung ebenfalls unzulässig, bzw. das Grundstück müßte i m Wege der Reprivatisierung an den Alteigentümer zurückgegeben werden. Denn die Beziehung zwischen dem Neueigentümer und dem Grundstück wäre keine andere als der Alteigentümer sie herstellen würde. Entsprechend gilt nach der gleichen Grenzziehung, daß eine Reprivatisierungspflicht an den Alteigentümer besteht, wenn dieser das Grundstück zum eigenen Wohnhausbau in Anspruch nehmen w i l l und er i n Konkurrenz mit einem anderen Bauwilligen tritt. Hier liegt ebenfalls eine Austauschbeziehung vor; die Weitergabe läßt sich nicht mit dem Allgemeinwohlvorbehalt des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 vereinbaren 54 . 54 M a n könnte, i n Anlehnung an das Zivilrecht, für diese grundsätzliche Begrenzung von Durchgangsenteignungen von einer „bonum communis"-causa sprechen.
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Schon aus dieser — differenzierenden — Grenzziehung ist ersichtlich, daß die Befürchtung unbegründet ist, mit der Zulässigkeit transistorischer Enteignungen würde die „gesamte Verteilung des Grundeigentums zur Disposition des Gesetzgebers gestellt" (Forsthoff). Neben den spezifischen Grenzen für Durchgangsenteignungen, die bisher behandelt worden sind, muß die Einführung des niederländischen Weges i n Teilbereichen des Bodenrechts auch den allgemeinen Voraussetzungen genügen, die allgemein für Enteignungen von Art. 14 Abs. 3 GG gefordert sind. I n dieser Hinsicht erscheint die Einführung des niederländ. Modells wohl als wenig problematisch. Das Interesse der A l l gemeinheit zur Einführung dieser Lösung beruht darin, der öffentlichen Aufgabe gerecht zu werden, zur Förderung des Wohnungsbaus Bauland zu vertretbaren Preisen zu verschaffen 55 . Man könnte daher allenfalls einwenden, die Ermächtigung zu Enteignungen sei nicht erforderlich, um dieses Ziel zu erreichen. (Bestreitung der ultima-ratio-Situation.) Das dürfte jedenfalls i n der gegenwärtigen Lage der deutschen Bodenordnung kaum haltbar sein. Der Appell an ethische Überlegungen der Grundstücksinhaber, auf leistungslose Gewinne zu verzichten, ist offensichtlich wirkungslos 5 6 . Die Schwierigkeit, Abschöpfungsmodelle nicht nur zu entwerfen, sondern auch so zu praktizieren, daß keine Überwälzung der Abschöpfung eintritt (was den Bauwilligen ja nur noch mehr belasten muß!), ist eine international wie nur wenig andere bodenrechtliche Erkenntnisse belegbare Tatsache (vgl. oben § 20 I). Legt man daher — vom ultima ratio-Gedanken ausgehend — an die partielle Einführung des niederländischen Weges nicht schärfere Maßstäbe als sie bisher für andere Enteignungszwecke (Bau neuer Straßen, Flughäfen etc.) angelegt werden, dann kann die Vereinbarkeit der Einführung mit Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG wohl kaum zweifelhaft sein. 55 Der abstrakte Begriff des Allgemeinwohls deckt eine Vielfalt von Sachverhalten u n d Zwecken, ist — anders als z. T. i n den Enteignungsgesetzen des 19. Jahrhunderts — nicht auf bestimmte spezifizierte Zwecke festgelegt; vgl. BVerfGE 24, 367, 403 f. Es ist daher Sache des Gesetzgebers, i n einzelnen Sachbereichen jeweils die öffentliche Aufgabe zu bestimmen, die von Gemeinwohlvorstellungen getragen ist. Daß die Förderung des Wohnungsbaus zur Verbreitung der Schicht der Eigentümer (an Eigentumshäusern, Wohneigentum, Erbbaurecht usw.) zu den v o m Gemeinwohl legitimierten Zwecken gehört, ist bisher w o h l noch nicht bestritten worden. 56 Erst m i t Beschluß v o m 11. 5. 1970 hat das Bundesverfassungsgericht der undifferenzierten Privilegierung der Landwirte i n der steuerlichen Behandlung von Veräußerungsgewinnen weitgehend ein Ende gemacht, BVerfGE 28, 227 ff. Bedenkt man, daß bei der Veräußerung landwirtschaftlich genutzter Grundstücke Gewinne bis zum Hundertfachen u n d mehr des Besteuerungswertes erzielt werden (so der Bundesfinanzhof i n seiner Vorlage, vgl. BVerfGE 28, S. 231), so muß die Privilegierung v o m hier vertretenen Leistungsaspekt geradezu als korrumpierend qualifiziert werden: Einkommen aufgrund v e r mehrter Leistung w i r d i m Wege der Progression verstärkt besteuert; die landwirtschaftlichen Veräußerungsgewinne wurden, obwohl leistungslos, auch noch privilegiert behandelt.
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I I I . Β. Niederländische Umwidmungspraxis u n d Grundgesetz I I I . Niederländischer Weg und Entschädigungsgebot des Art. 14 GG
1. Bei der Einführung des niederländischen Weges für Teilbereiche der Umwidmung von Acker-, Wiesen- oder Forstland in Bauland muß i n entschädigungsrechtlicher Hinsicht zwischen der generellen Zulässigkeit der Anwendung dieses Weges und der besonderen Einführungssituation i n der Bundesrepublik bei nachträglicher Korrektur der Bodenpreisentwicklung unterschieden werden. Grundsätzlich handelt es sich bei dem niederländischen Weg nicht nur um eine Lösung, die erweislich seit Jahrzehnten i n der Praxis gut handhabbar ist, sondern zugleich um einen Weg, der der Art. 14 Abs. 3 GG zu entnehmenden verfassungsrechtlichen Verpflichtung besonders gerecht wird, die Allgemeinheit nicht m i t Entschädigungsforderungen überzubelasten, soweit diese jeden Leistungsbezug verloren haben. Das Problem ist i n den Niederlanden umfassend gelöst worden. Die ganze Fülle von Entschädigungsverpflichtungen, die dem deutschen Enteignungsrecht bisher geläufig sind — ζ. B. Entschädigung für Bauerwartungswerte beim Straßenbau, bei der Anlage von Hochspannungsleitungen, bei der Errichtung öffentlicher Gebäude usw. — tauchen i n den Niederlanden nicht auf. Die Niederlande haben weiterhin m i t ihrer Lösung für den Umwidmungsprozeß i m Gegensatz zur Regelung des Bundesbaugesetzes und weit über das Städtebauförderungsgesetz die Konsequenz aus der, auch vom Bundesverfassungsgericht geteilten, Einsicht gezogen, daß der Grund und Boden „ i m Rechtsverkehr nicht wie eine mobile Ware behandelt werden" kann und seine Unvermehrbarkeit es verbietet, „seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des einzelnen vollständig zu überlassen" 57 . Aufgrund der Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes bestehen, wie i m Prinzip auch bereits oben i n § 17 dargelegt, keine grundsätzlichen Bedenken gegen die partielle Einführung einer enteignungsunterstützten Bodenvorratspolitik der Gemeinden, die i n den besonders dringenden Bereichen der Randgebiete von Städten beim Erwerb von Grund und Boden drastisch unterhalb des bisherigen Verkehrswertes geht. Es handelt sich zugleich — damit greifen w i r der entschädigungsrechtlichen Gleichheitsbetrachtung vor (vgl. ausführlich unten § 27 II) — u m eine Lösung, die i n den Niederlanden dem Sonderopf erg e danken der (jedenfalls früheren) Bundesgerichtshofrechtsprechung i n geradezu vorbildlicher Weise Rechnung trägt und auch bei Anwendung i n der Bundesrepublik eine besonders „elegante" Lösung der Gleichheitsproblematik bringen würde. 57
BVerfGE 21, 73, 82 f.
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Zu beachten ist ferner, daß i m Verhältnis zur „angemessenen" Entschädigung eine zunächst paradox erscheinende Wirkung eintritt. Wenn der niederländische Weg erst einmal konsequent durchgeführt sein sollte, also z. B. für zukünftige Umwidmungen von Ackerland zu Bauland auch i n Ballungsgebieten nur noch ca. 4 - 8 D M / m 2 gezahlt würden, weil die Gemeinden durch regulierende Verkäufe i n Kürze das aufgestaute spekulative Preisgefüge korrigieren würden, ergäbe sich als Konsequenz, daß — ohne jeden Preisstop — der Verkehrswert selbst wieder nur noch aus dem Ackerlandpreis m i t Zuschlag bestehen würde. Der nichtinnerlandwirtschaftliche Verkehrswert wäre dann auch derjenige, der bei Enteignungen gezahlt würde. Für die weitere Zukunft würde dann der Spielraum des Gesetzgebers, bei Umwidmungsprozessen auch unterhalb des Verkehrswertes gehen zu können, weitgehend unnötig werden. Das zunächst verblüffende Ergebnis besteht also darin, daß dem Entschädigungsspielraum i n A r t . 14 GG zunächst elementare Bedeutung für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Einführung des neuen Bodenordnungsmodells zukommt, nach Einführung des Modells jedoch ein Gebrauchmachen vom Entschädigungsspielraum kaum noch erforderlich ist, da der Verkehrswert dann wesentlich geringer ist 5 8 . Dieser besondere Effekt der Anwendung des Interessenabwägungsgebotes bei den Umwidmungsprozessen entspricht durchaus der Funktion, die dem Abrücken vom Verkehrswert i n den Beratungen zum Pari. Hat zugedacht war. Die Abwägungsregelung war hier nachweislich bewußt als eine auf Krisenbewältigung ausgerichtete Korrekturregelung angelegt. Das läßt sich mehrfach belegen. Zum einen ergibt sich die Funktion der Krisenkorrektur aus der Zielvorstellung, daß nicht jeder Verkehrswert unterschritten werden können sollte, sondern nur und gerade derjenige, der sich erheblich von der Leistungsorientierung entfernt 5 9 . I n dieser Richtung geht aber auch die grundsätzliche Motivation, nach Ablehnung des Einbezuges des Allgemeininteresses i n die Entschädigungsfrage durch das Reichsgericht 60 die Berücksichtigung dieses Interesses i n der Verfassung explizit zu verankern. Es liegt auf der Hand, daß, wenn der Verkehrs wert für Grund und Boden beim Umwidmungsprozeß selbst „allgemeinwohlreguliert" ist, nicht mehr unterhalb des Verkehrswertes gegangen zu werden braucht. 58 W i r erinnern daran (vgl. oben § 20 I I 1), daß auch i n den Niederlanden das Prinzip der Enteignungsentschädigung nach dem Verkehrswert g i l t ; n u r ist dieses eben ein allgemeinwohlregulierter, kein rein aus Marktpositionen resultierender Verkehrswert. 59 So die Zusammenfassung des Zieles, w o r i n sich die Mehrheit des Pari. Rates bei den Beratungen jedenfalls einig war, später durch v. Mangoldt auf der Staatsrechtslehrertagung 1952, vgl. V V D S t R L H. 10, S. 152. 60 RGZ 128, 18, 33. Z u den Konsequenzen dieser Rechtsprechung oben §7 Fußn. 28/29.
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Schließlich würde selbst die engere, abgelehnte Alternative, nach der nicht stets, sondern nur unter erschwerten Voraussetzungen (nämlich „ i m Falle dringenden öffentlichen Bedürfnisses") 61 die Entschädigung zu einer Unterschreitung der „angemessenen" Entschädigung führen dürfe, i m vorliegenden Fall das Abgehen von der Verkehrswertentschädigung tragen. Denn bei dem gegenwärtig erreichten Stand der Bodenpreisentwicklung läßt sich ein dringendes öffentliches Bedürfnis zur Korrektur dieses Zustandes schwerlich verneinen. 2. Wenn die Einführung des niederländischen Weges auch generell gemäß Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG zulässig ist, so ergeben sich doch gewisse Beschränkungen für die A r t und Weise der Einführung dieses Weges. Zunächst liegt eine Begrenzung darin, daß bei Enteignungen von zukünftigem Bauerwartungs- oder Rohbauland zu einem Ackerlandpreis m i t kontrolliertem Aufschlag die i n § 13 I I I dargelegte Zugriffssperre bei Ubereignungsketten zu beachten wäre. Die Gemeinden dürften daher nicht bei solchen Grundstücken die Entschädigung i n dieser Weise beschränken, bei denen bisher der Inhaber einen höheren Kaufpreis bereits gezahlt hatte 6 2 . Freilich würde für die Zukunft dieses Sperrprinzip vermutlich keine große Bedeutung mehr besitzen, wenn die öffentliche Hand durch die Möglichkeit, bei Enteignungen kräftig unterhalb des bisherigen, spekulativ aufgeheizten Verkehrswertes zu gehen, den Grundstücksmarkt korrigieren würde, indem sie, wie i n den Niederlanden, i n den oben i n 1.1. genannten Bereichen als marktprägender Grundstücksverkäufer auftreten würde. Denn dann würden für die Zukunft vermutlich kaum solche überhöhten Preise gezahlt werden, weil das bisherige Niveau des Verkehrswertes zusammenbrechen würde. Das Sperrprinzip bei Ubereignungsketten gewinnt dann für die Praxis vor allem den Charakter einer Übergangserscheinung. Als vielleicht als unangenehm empfundener Effekt ergäbe sich für die bisherigen Erwerber von Bauland, Rohbauland oder Bauerwartungsland, daß neue Bauwillige faktisch bessergestellt sind, weil sie zukünftig Bauland preisgünstiger erwerben könnten als frühere Erwerber. Verfassungsrechtlich ist dies nicht zu beanstanden. Denn die Eigentumsgarantie gibt keinen Anspruch darauf, daß ein einmal vorhandener Verkehrspreis sich nur nach oben, nicht aber auch nach unten bewegen darf. 3. Eine weitere Beschränkung ergibt sich daraus, daß auch dann, wenn keine absolute Wertgarantie nach Art. 14 GG gegeben ist, doch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch i n spezifisch vermögensmäßiger 81 So ζ. B. der modifizierte A n t r a g der DP m i t Subsidiarität der Interessenabwägung, vgl. oben § 4, Fußn. 14. 62 Umgehungsgeschäfte bleiben ausgenommen. Es könnte w o h l auch ein neuer Stichtag eingeführt werden, ab dem für die Zukunft das Sperrprinzip nicht mehr beachtet w i r d .
§ 22 Der niederländische Weg und A r t . 14 GG
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Sicht zu beachten ist*53. Hier ist i n besonderem Maße zu berücksichtigen, daß eine Einführung des niederländ. Weges Mitte der 70er Jahre eine andere Sachlage vorfinden würde, als wenn eine solche Einführung bereits i n den 50er Jahren oder anstelle des Bundesbaugesetzes erfolgt wäre. Auch wenn der Verkehrswert von Grundstücken sehr häufig nicht auf Leistung des Inhabers bezogen werden kann, w i r d i m Wirtschafts- und Kreditverkehr doch auf den Verkehrswert, nicht auf die in ihm enthaltene Leistungsorientierung abgestellt. Das ist i n sich sachlich aus dem Prinzip heraus begründet, daß bei der Sicherung von Forderungen u. ä. auf reale Vermögenswerte zurückgegriffen wird, ohne zu berücksichtigen, wie diese Vermögenswerte entstanden sind. Es ist daher denkbar, daß i m Einzelfalle besondere Übergangsregelungen erforderlich wären, um unverhältnismäßige Auswirkungen zu vermeiden, die dadurch entstehen, daß sich der Kredit- und Wirtschaftsverkehr nicht schnell genug umstellen konnte. Das kann freilich nur dann angenommen werden, wenn die Härte für den einzelnen Betroffenen so groß ist, daß zwischen dem dringenden Interesse der Allgemeinheit, Konsequenzen aus der Unvermehrbarkeit des Bodens zu ziehen und den Auswirkungen auf den Betroffenen kein Verhältnis mehr besteht 64 . Zwar gilt auch bei Hypotheken und anderen Rechten, daß weitgehend sich die Sicherung an leistungsbezogenen Sachwerten, nämlich Gebäuden u. ä. orientiert. Das schließt aber nicht aus, daß häufig auch der spezifische spekulative Grundstückswert bei der Sicherung eine Rolle spielt. Der Gesetzgeber müßte, wenn nachweisbar i n diesen und ähnlichen Fällen eine UnVerhältnismäßigkeit zwischen spezifischem Vorteil der Allgemeinheit an sofortiger Einführung des neuen Lösungsweges und der Schwere der negativen Auswirkungen für den Betroffenen nicht ausgeschlossen werden kann, besondere Regelungen für diese Fallgruppen vorsehen 65 . 63
Dazu oben generell § 14 I I . Der Rückgriff auf den Verhältnismäßigkeitsgedanken verpflichtet dazu, immer beide Seiten zu sehen. Neben dem (berechtigten und schutzwürdigen) Interesse der bisher auf den Verkehrswert vertrauenden Grundstückseigentümer an Vermeidung von Härten muß auch das Interesse der Allgemeinheit an alsbaldiger Änderung der sich immer mehr verschlimmernden Situation der Preisentwicklung beim Bauerwartungsland einbezogen werden. 65 I n Frage käme vor allem die Einräumung von Darlehenshilfen f ü r Härtefälle. Erforderlich i. S. eines zwingenden verfassungsrechtlichen Gebotes wäre dies aber n u r dann, wenn die Zeit der Umstellung auf die veränderten V e r kehrswerte gering wäre. Solange eine grundsätzliche Umstellung des Bodenrechts i n der Umwidmungsfrage langjährige Beratungen i n Anspruch nehmen sollte (so insb. bei phasenverschiedener Einführung des niederländischen M o dells i n Einzelschritten i. S. von oben I 1 für die von späteren Phasen Betroffenen), bestände keine verfassungsrechtliche Pflicht zu solchen Hilfen; der Gesetzgeber könnte sie natürlich gleichwohl anordnen, u m die Umstellung politisch zu erleichtern. 64
C. Schlußbetrachtung zu Art. 14 Grundgesetz § 23 Ubereinstimmungsnachweis und dogmatische Konsequenzen I . Der Ubereinstimmungsnachweis
Sowohl die theoretische Konkretisierung des Abwägungsgebotes des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG (§§ 12 - 13) wie auch seine konkrete Anwendung auf einzelne Sachbereiche (§§ 16 - 19) und der Aufweis grundsätzlicher Lösungsalternativen für das Baulanderwerbsproblem (§§ 20 - 22) gehen davon aus, daß nur leistungsbezogene Vermögenswerte als entschädigungsfest, d. h. zwingend entschädigungspflichtig behandelt werden. Dieser Standpunkt deckt sich weitgehend m i t der auch i n der neueren Literatur zum Bodenrecht immer häufiger eingenommenen Auffassung, nur das Vertrauen i n durchgeführte Investitionen zu schützen, die Möglichkeiten der Bebauung von Grundstücken oder der baulichen Erweiterung aber als nicht entschädigungsfest zu behandeln 1 . Es werden aber auch — bei grundsätzlicher Betonung der bodenrechtlichen Probleme — gegenüber dieser Auffassung Zweifel oder (stärker) verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet 2 . I n der Tat wäre es nicht problemlos, eine gegenüber früheren Auffassungen grundsätzlich reduzierte Entschädigungspflicht allein daraus herleiten zu wollen, daß die Sozialbindung des Eigentums stärker betont oder etwa nur auf veränderte gesellschaftliche Auffassungen oder Zeitumstände verwiesen wird. Zwar kommt die Verfassungsanwendung ohne eine Fortentwicklung nicht aus; andererseits sollen die Grundrechtsgarantien ja besondere Schutzwirkungen auch gegenüber veränderten Zeitvorstellungen entfalten. Laufen solche Anschauungsänderungen oder auch neue Bedürfnisse dem Gehalt von Verfassungsnormen eindeutig quer, dann sollte der (zugegebenermaßen dornige) Weg der Verfassungsänderung beschritten werden. 1 I n dieser Richtung Scharnberg, Referat auf dem 49. DJT, Verhandlungen des 49. DJT, Bd. 2, S. L 31 f.; Sendler, Die Konkretisierung einer modernen Eigentumsverfassung durch Richterspruch, DÖV 1971, S. 23 f.; Umbach, E m p fehlen sich weitere bodenrechtliche Vorschriften i m städtebaulichen Bereich?, JZ 1972, S. 460. 2 Zweifelnd z. B. Schmidt-Assmann, Grundfragen des Städtebaurechts, S. 263 f. (insb. zum Planungsschadenersatz) ; grundsätzlichere Bedenken bei Rüfner, Festschrift f ü r Scheuner, 1973, S. 518. Vgl. auch die grundsätzliche an der „angemessenen" Entschädigung festhaltende Meinung i m Schrifttum, s. oben § 4 Fußn. 2 u n d 3.
§ 23 Übereinstimmungsnachweis u n d Dogmatische Konsequenzen
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Es ist daher zu fragen, ob m i t der hier angenommenen erheblichen Reduzierung zwingender verfassungsrechtlicher Entschädigungspflichten eine Verfassungslage beschrieben wird, die an das Grundgesetz herangetragen w i r d oder aber eine solche, die — freilich entgegen der i n den vergangenen Jahren herrschenden Meinung — als dem Grundgesetz des Jahres 1949 entsprechend anzusehen ist. W i r glauben, daß sich letzteres nicht nur vertreten, sondern i n noch stärkerem Maße bestätigen läßt. Denn nachdem w i r anhand des Leistungskriteriums i n den einzelnen Sachbereichen des Enteignungsrechts aufgezeigt haben, welche Entschädigungspflichten sich jeweils ergeben, können w i r die oben i n § 11 I I I aufgestellte Behauptung verifizieren, daß diese Bestimmung der Entschädigungspflicht des Grundgesetzes praktisch allen Interpretationselementen der Entschädigungsfestlegung des Art. 14 GG gerecht wird. a) Die Unterschiede i n den Rechtsfolgen gegenüber der „angemessenen" Entschädigung zeigen zunächst deutlich, daß die hier entwickelte Entschädigungsverpflichtung wirklich das Gebot einer echten Interessenabwägung ausführt. Dies i n doppelter Weise. Die Differenzierung nach dem Leistungskriterium macht Ernst m i t der Gleichrangigkeit der Interessen der Allgemeinheit neben den Interessen der Betroffenen, so daß die zentrale Regelung des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG nicht mehr als zwar geschriebener, aber i m Ergebnis irrelevanter Bestandteil des Art. 14 GG behandelt wird. Zum zweiten führt dies i n der Tat zu einer Gewichtung, d. h. Abwägung der Interessen: den Entschädigungsinteressen der Betroffenen w i r d nicht schlechthin, sondern nur dort die Priorität eingeräumt, wo diese Leistungsbezug zeigen. b) Da durch die Differenzierung nach Leistungsfaktoren dem Gesetzgeber eine beträchtliche Entschädigungsflexibilität eingeräumt ist, w i r d auch die Bestimmung des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG aktualisiert; dem Gesetzgeber w i r d — anders als wenn der Verkehrswert ohnehin die Regelentschädigung ist — die Aufgabe zugewiesen, das jeweilige Ausmaß der Entschädigung oberhalb des Entschädigungsminimums festzulegen. c) Der charakteristischen Eigenart der Grundintention der neuen Entschädigungsbestimmung des Grundgesetzes, nämlich einen Mittelweg darzustellen (vgl. oben § 4), ist damit ebenfalls Genüge getan. Die Rechtsfolgen weichen teilweise ganz erheblich von der „angemessenen" Entschädigung ab, gleichwohl ist das andere Extrem des freien Spielraumes des Gesetzgebers analog A r t . 153 WRV ebenfalls abgelehnt, so daß für kein einziges Enteignungsgebiet der Gesetzgeber allein aus Rücksicht auf die Belastung der öffentlichen Hand unkontrolliert die Entschädigung reduzieren kann. 17 Opfermann
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I I I . C. Schlußbetrachtung zu A r t . 14 Grundgesetz
d) Schließlich werden die Rechtsfolgen der Zugriffsdifferenzierung handgreiflich den beiden genannten Motiven der die Neuregelung beschließenden Mehrheit des Pari. Rates gerecht. Dem einen Motiv (keine Bindung an den Verkehrswert bei Fehlen eines Leistungsbezuges) dadurch, daß man als Konsequenz der Interessengewichtung ebenfalls zum Leistungskriterium kommt; für das andere Motiv (Erleichterung der Entschädigungslasten i n der Bodenordnung und Eröffnung neuer Wege i n diesem Bereich) ergibt sich die Konsequenz aus den i m einzelnen i n den §§ 17, 20 - 22 dargestellten Rechtsfolgen. Anhand dieses Ausmaßes an Übereinstimmung besitzen rein formale Beteuerungen des Inhaltes, A r t . 14 GG gebiete eine starre Verkehrswertentschädigung, keinen Beweiswert. Wenn daher noch i n einer neueren Darstellung die Konsequenzen der Entschädigungspraxis i m vom starren Verkehrswert geprägten bisherigen Bodenrecht damit gerechtfertigt werden, daß die Rechtsprechung des B G H „ihre Überzeugungskraft stets aus der sorgfältigen Ableitung aus A r t . 14 GG schöpfte" und darüber hinaus festgestellt wird, daß „auch die schärfste K r i t i k an der Entschädigungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht leugnen (kann), daß ihre verfassungsmäßige Verankerung unangreifbar ist" 3 , so läßt sich das mit den Tatsachen nicht vereinbaren. Betrachtet man den Unterschied i n den praktischen Konsequenzen einer starren Verkehrswertbindung und einer differenzierten Festsetzung des Entschädigungsminimums, so w i r d auch durchaus erklärlich, daß so erbittert i m Pari. Rat für und wider die „angemessene" Entschädigung gekämpft wurde. Nachdem sich i n der Praxis der Weimarer Verfassung die Auffassung durchgesetzt hatte, daß damit praktisch ein voller Ausgleich der auferlegten Vermögenseinbuße gemeint war 4 , war allen Beteiligten klar, was es bedeutete, wenn einerseits die strikte Bindung an die „angemessene" Entschädigung i. S. d. Reichsgerichtsrechtsprechung verfassungsrechtlich verankert worden wäre und andererseits dieser Orientierung eine Absage erteilt würde. Daß Grund für den erbitterten Streit um die Festsetzung des zwingenden Entschädigungsminimums bestand, w i r d sich gewiß, stärker noch als in der bisherigen bodenrechtlichen Diskussion, zeigen, wenn i n Aktualisierung des Interessenabwägungsgebotes der Gesetzgeber einige der bisher entstandenen Vermögensbeschenkungserwartungen i m Bodenrecht i n Zukunft enttäuschen sollte.
3 Kimminich, Rechtsgutachten zu den eigentumsrechtlichen Bestimmungen des Entwurfs eines Städtebau- u n d Gemeindeentwicklungsgesetzes, 1969, S. 32. 4 Eine Ubersicht hierzu bei Schack, Das Maß der Enteignungsentschädigung, M D R 1953, S. 195 f.; s. auch oben § 4 Fußn. 6.
§ 23 Übereinstimmungsnachweis u n d Dogmatische Konsequenzen
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I I . Abwägungsgebot und Gesamtsystem des Art. 14 G G
Für die hier vorgenommene Aktualisierung des Abwägungsgebotes ist charakteristisch, daß — von dem Rückgriff i n Form einer „Abwägungstheorie" zur Entscheidung der Frage „Sozialbindung oder Aufopferungsenteignung?" (vgl. oben §§ 3 I I u. 13 VI) abgesehen — die eigentliche Weichenstellung nicht i n der Bejahung oder Verneinung der Enteignungsqualität liegt, sondern i n der Beurteilung der Entschädigungspflichten für den Fall, daß eine Enteignung vorliegt. Nun stellen häufig Heranziehung des Abwägungsgebotes einerseits und Bejahung der Sozialbindung andererseits i m Ergebnis sog. funktional äquivalente Mittel 5 dar, u m als ungerechtfertigt erscheinende Entschädigungspflichten abzuwehren. Es ist daher auch der Schluß gezogen worden, daß es bei Bestimmung der verfassungsrechtlichen Entschädigung, die Sanierungs- und Entwicklungsgewinne ausschließt, eines Rückgriffs auf A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG, d. h. auf die Abwägung der Interessen nicht bedarf, weil der Ausschluß bereits auf A r t . 14 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 GG gestützt werden kann 6 . Das erscheint nicht ganz korrekt. Man muß zwischen funktionaler und rechtsdogmatischer Betrachtungsweise trennen. Wenn das Grundgesetz überhaupt keine explizite Enteignungsentschädigungsregelung enthalten würde, wäre ein solcher Rückgriff sicher richtig. Bei dem vorliegenden System des A r t . 14 GG ist dies aber m. E. nicht zulässig, weil funktional äquivalente Lösungswege nicht auch als dogmatisch äquivalent angesehen werden dürfen. Hat der Gesetzgeber oder die Verfassung eine bestimmte Variante gewählt, so muß der Interpret sich an diese Variante halten. Das gilt unabhängig von dem jeweiligen Rechtsgebiet, dessen Probleme es zu lösen gilt. Da hier das Grundgesetz als entscheidendes K r i t e r i u m für die Entschädigungsregelung die Interessenabwägung bestimmt hat, müssen die Fragen nach dem verfassungsrechtlich gebotenen Entschädigungsmaß daher auch aus dieser Regelung entschieden werden 7 . Es zeigt sich auch, daß die Entscheidung der Verfassung, die Entschädigung von einer Interessenabwägung abhängig zu machen, sehr wohl durchdacht war. Zwei gewichtige Gründe sprechen für diese Lösung. Zum einen garantiert das Erfordernis der Abwägung stärker, 5 Z u diesem Begriff s. insb. Luhmann, Funktionen u n d Folgen formaler O r ganisation, S. 109 f. sowie ders., Zweckbegriff und Systemrationalität, S. 162 ff. 6 So Bielenberg, Verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie und Sozialbindung i m Städtebau, DVB1.1971, S. 444 f. 7 So i m Ergebnis auch das GEWOS-Gutachten „Verfassung, Städtebau, Bodenrecht", Rdnr. 241 ff.; nach Bielenberg, DVB1. 1971, S. 445, Fußn. 23 auch die Arbeit von Witzel, Eigentumsgarantie u n d städtisches Bauland, Diss. Saarbrücken (die Arbeit w a r dem Verf. nicht erhältlich).
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I I I . C. Schlußbetrachtung zu A r t . 14 Grundgesetz
daß i n jedem Fall zwischen berechtigten oder unberechtigten Belangen der Betroffenen einerseits und denen der Allgemeinheit auch abgewogen wird. Die Berufung auf die Inhaltsbestimmung durch den Gesetzgeber (Art. 14 I 2) oder die Sozialpflichtigkeit (Art. 14 II) läßt hingegen durchaus zu, daß i m Einzelfall eine Rechtsfolge gebilligt wird, die unter Abwägung beider Interessen nicht zu halten ist. Der zweite, gewichtigere Gesichtspunkt besteht darin, daß es viele Fälle gibt, i n denen nicht eine gesamte, sondern nur eine partielle Nichtentschädigung gerechtfertigt ist 8 . Solche Fälle sind gerade i m Bodenrecht häufig. Hier hilft dann systematisch korrekt ebenfalls nur die Lösung des Grundgesetzes, daß eine Enteignung bejaht und das Entschädigungsminimum aus der Abwägung heraus bestimmt wird.
§ 24 Die Abwägungsregelung — Verpflichtungs- oder Ermächtigungsnorm?
Von der Problemstellung, i n welchem Umfang eine Entschädigungsreduzierungsmöglichkeit des Gesetzgebers gegenüber der „angemessenen" Enteignungsentschädigung besteht, ist die Frage zu trennen, i n welchem Umfang der Gesetzgeber eventuell sogar verpflichtet ist, hiervon Gebrauch zu machen. Die letztere Frage kann naturgemäß sinnvoll, d. h. unter Erkennung ihrer Tragweite nur beantwortet werden, nachdem, wie i n den §§ 16-22 gezeigt, das Ausmaß der zulässigen Abweichung vom jeweiligen Verkehrswert ermittelt worden war. I . Entwicklung der Rechtsauffassungen bis heute
Die Frage, ob der Gesetzgeber nach dem Grundgesetz verpflichtet ist, eine bestimmte Entschädigungshöhe nicht zu überschreiten, ist i n der enteignungsrechtlichen Literatur durchaus häufig behandelt worden. Untersucht man die unterschiedlichen Auffassungen, so stellt man einen Wandel i n den letzten Jahren fest. Maßgeblichen Einfluß hat auch hier wiederum das hamburg. Deichurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1968 ausgeübt. Die frühere, langjährig herrschende Meinung der Rechtswissenschaft ging eindeutig dahin, daß aus dem Grundgesetz keinerlei Verpflichtung i n dem Sinn herzuleiten sei, daß das von A r t . 14 GG festgelegte M i n i mum der Entschädigung nicht auch nach oben überschritten werden dürfte. Diese Feststellung gilt sowohl für die Vertreter der Auffassung, das Grundgesetz verpflichte weiterhin strikt zur Entschädigung des 8 Das ist eine Folge des oben i n § 6 beschriebenen allgemeinen regelungstheoretischen Prinzips der erforderlichen Varietät (Ashby).
§ 24 Die Abwägung — Verpflichtungs- oder Ermächtigungsnorm?
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Verkehrswertes 1 wie auch für die Vertreter der Mindermeinung von der Einräumung einer Entschädigungsflexibilität i m Grundgesetz 2 . I n neuerer Zeit indes mehren sich die Stimmen, die jedenfalls partiell aus der Abwägungsregel des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG die Folgerung ziehen, daß eine gesetzliche Entschädigungsregelung verfassungswidrig sein könne, weil sie mangels Inanspruchnahme der Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes eine ungerechtfertigte Belastung der A l l gemeinheit bewirkt. Eine deutliche Wendung zur Pflicht zur Interessenabwägung findet sich i m hamburg. Deichurteil des Bundesverfassungsgerichts selbst. Dort w i r d ausgef ü h r t 3 : „Das Abwägungsgebot des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG ermöglicht es dem Gesetzgeber — zwingt ihn unter Umständen aber auch 4 — auf situationsbedingte Besonderheiten des Sachverhaltes u n d die Zeitumstände Rücksicht zu nehmen." Die Wendung „zwingt i h n unter Umständen aber auch" muß i n dem Sinn verstanden werden, daß jedenfalls i n bestimmten Fällen (deren K r i t e r i e n freilich v ö l l i g offen bleiben) eine Entschädigungsregelung verfassungswidrig ist, w e i l sie ein zuviel an Entschädigung anordnet. I n ähnlichem Sinn hat sich, gestützt auf das hamb. Deichurteil, i n vorsichtiger Weise auch das gemeinschaftliche GEWOS-Gutachten geäußert 5 . I h m sind andere Stellungnahmen gefolgt 6 .
1
W. Weber, Eigentum u n d Enteignung, i n : Neumann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 2, 1954, S. 391: gemeiner Wert nur M i n i m u m ; ebenso Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1, A l l g . Teil, durchgehend i n den Auflagen, z. B. 9. Aufl. 1960, S. 325; Diester, Enteignung und Entschädigung nach altem und neuem Recht, 1953, S. 176; Hamann, Das Grundgesetz, 1. Aufl., 1960, A r t . 14, Anm. Β 13, S. 173; Kimminich, Bonner Komm., Zweitbearb., A r t . 14, Anm. 21, Rdnr. 137. 2 So ζ. B. Dittus!Zinkahn, K o m m , zum BaulandbeschG, 1954, Vorb. 3 vor § 9, S. 176: Die Enteignungsentschädigung kann nach dem Grundgesetz höher liegen als die „angemessene" E., sie k a n n aber auch darunter liegen; ebenso v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, 1. Aufl. 1953, A r t . 14, Anm. 5 am Ende. Eine Ausnahme bildete Schack, Das Maß der Enteignungsentschädigung, M D R 1953, S. 195 ff., 198: Rückkehr zum vollen Schadensersatz unzulässig; gegen Schack Scheuner, Grundlagen und A r t der Enteignungsentschädigung, i n : Reinhardt/Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, 1954, S. 130, A n m . 193. 3 BVerfGE 24, 367, 421. 4 Hervorhebung v o m Verf. 5 Verfassung, Städtebau, Bodenrecht, S. 96 (Rdnr. 192) und S. 146 ff. (Rdnr. 337 ff.). 6 Pagenarm, Bemessung der Enteignungsentschädigung nach der Rechtsprechung des BGH, W M 1972, S. 3; Bielenberg, Ist die Bemessung der E n t eignungsentschädigung nach dem Verkehrswert i m Bundesbaugesetz verfassungswidrig?, DVB1. 1974, S. 113 ff.; Umbach, Empfehlen sich weitere bodenrechtliche Vorschriften i m städtebaulichen Bereich?, JZ 1972, S. 460. Der Sache nach trennen Pagenarm u n d Bielenberg/Umbach allerdings Welten: Pagenarm geht es p r i m ä r darum, die „angemessene" Enteignungsentschädigung als Regelentschädigung zu zementieren, i n dem eine sie übersteigende Entschädigung als möglicherweise verfassungswidrig hingestellt w i r d ; Bielenberg argumentiert von der Position der Interessenabwägung als neuartiger Entschädigungsregelung aus, ebenso Umbach.
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I I I . C. Schlußbetrachtung zu A r t . 14 Grundgesetz I I . Die drei Funktionsalternativen des Abwägungsgebotes
Geht man davon aus, daß das Grundgesetz durch Einführung der Interessenabwägung sich i n dem aufgezeigten Umfang von der Pflicht zur „angemessenen" Enteignungsentschädigung absetzt, so eröffnen sich bei dem aufgeworfenen Problem nicht zwei, sondern i n Wahrheit drei unterschiedliche Funktionsalternativen. Sie können folgendermaßen charakterisiert werden. (1) Die Interessenabwägungsregelung ist bloße Ermächtigungsnorm begrenzten Abweichung von der Verkehrswertentschädigung.
zur
(2) Die Verfassungsnorm verpflichtet i m Sinn einer S oliv or schrift Abweichung von der strikten Verkehrswertorientierung.
zur
(3) Die Norm verpflichtet i m Sinn einer strikten Gebotsvorschrift zum Einbezug auch der Interessen der Allgemeinheit i n die Entschädigungsregelung; Resultat ihrer Verletzung ist die Verfassungswidrigkeit der jeweiligen Entschädigungsregelung. Sieht man die Abwägungsregelung des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG als bloße Ermächtigungsvorschrift an, so hat das Grundgesetz den Interessen der Allgemeinheit an Entschädigungsentlastung durchaus i n der Regelung der verfassungsrechtl. Eigentumsgarantie Gewicht eingeräumt; dies allerdings nur, indem es stärkere, früher aus der Weimarer Verfassung abgeleitete 7 Entschädigungsverpflichtungen nicht übernommen hat. Ob der Gesetzgeber von dieser Abweichung dann Gebrauch macht, ist den politischen Umständen, insb. den Kräfteverhältnissen i m Bundestag (ggf. auch i m Bundesrat) überlassen. A n w a l t der Interessen der Allgemeinheit i n der Entschädigungsfrage ist dann nicht mehr das Grundgesetz; dieses erlaubt nur dem Gesetzgeber, bei Berücksichtigung der Interessen der Entschädigungsbetroffenen (sofern diese von Gewicht sind) auch als Anwalt der Allgemeininteressen tätig zu werden. Sieht man hingegen die Interessenabwägungsklausel i n Art. 14 Abs. 3 GG als Sollvorschrift oder stärker noch als strikte Gebotsvorschrift an, so ist sie eine Grundrechtsregelung mit doppelter Schutzfunktion: Zum einen w i r d garantiert, daß der Staat i n den Entschädigungsregelungen i n nicht zu großem Ausmaß die Entschädigungsinteressen der Betroffenen unberücksichtigt läßt (Gewährleistung eines Minimums); zum andern w i r d zugleich garantiert, daß der Staat in nicht zu geringem Maß die Interessen der Allgemeinheit an Entschädigungsentlastung berücksichtigt. 7 Auch die Gleichstellung von „angemessener" Enteignungsentschädigung des A r t . 153 W R V m i t der Verkehrswertentschädigung durch die damalige Reichsgerichtsrechtsprechung w a r alles andere als zwingend gewesen; s. dazu die Nachweise bei Schulthes, Die Höhe der Enteignungsentschädigung, S. 21 ff. und Bielenberg, DVB1.1974, S. 113 f.
§ 24 Die Abwägung — Verpflichtungs- oder Ermächtigungsnorm?
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Welche der drei genannten Alternativen ist nun als die vom Grundgesetz gewollte anzusehen? Die A n t w o r t hierauf ist nicht einfach zu geben; es müssen mehr Faktoren berücksichtigt werden, als häufig angenommen wird. Zudem besteht die Gefahr, daß inkonsistente Schlußfolgerungen gezogen werden. Letzteres zeigt deutlich das hamb. Deichurteil des BVerfG selbst. Wie dargelegt, sieht grundsätzlich das BVerfG i n der Interessenabwägungsregel (auch) eine Schutzvorschrift zugunsten der Allgemeininteressen 8 . Das ist, da die starre Marktwertentschädigung nach Auffassung des Gerichts „dem Grundgesetz fremd" ist, also so zu verstehen, daß i n bestimmten, nicht näher angegebenen Fällen eine Verpflichtung zur A b k e h r von der Marktwertentschädigung besteht. Später aber 9 w i r d v o m Gericht ausgeführt: „Eine Entschädigung nach dem Verkehrswert steht i n jedem Fall m i t A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG i n Einklang." Das w i l l nicht recht zu der vorher geäußerten Auffassung passen. Offenbar hat sich hier wiederum die alte Tradition der Orientierung an der „angemessenen" Verkehrswertentschädigung nach Marktgrundsätzen eingeschlichen.
1. Zugunsten der reinen Ermächtigungsauffassung könnte zunächst sprechen, daß auch aus der Sicht der Allgemeininteressen sehr viel gewonnen ist, wenn das Grundgesetz dem Gesetzgeber eine wesentlich größere Entschädigungsflexibilität einräumt, als früher angenommen worden war. Die Interessenabwägung i n A r t . 14 Abs. 3 GG gewinnt, wie dargelegt, Eigengewicht als nachweisbar bewußt gewollte Neuregelung auch schon dann, wenn man sie als bloße Ermächtigungsnorm auffaßt. Es ist auch weiterhin der neuerdings von Kriele 10 warnend hervorgehobene Umstand zu bedenken, daß nicht die jeweils gegenteilige Auffassung zum Verfassungsgegner interpretiert werden darf. Das Grundgesetz ist auf eine gemeinsame Toleranzbasis angewiesen. Übertragen auf das Enteignungsentschädigungsrecht bedeutet dies: Muß man sich nicht mit dem Nachweis begnügen, daß das Grundgesetz i n bezug auf die Regelung von Enteignungsentschädigungen wesentlich flexibler ist als bisher angenommen worden ist? Überzieht man nicht die Abkehr von der bisherigen generellen Verkehrwertorientierung, wenn man sie nicht nur als vom Grundgesetz nicht geboten, sondern sogar in manchen Fällen als evtl. grundgesetzwidrig qualifiziert? So gewichtig die beiden genannten Argumente auch sind, sie schlagen nicht durch, um das Interessenabwägungsgebot des Art. 14 GG als bloße (begrenzte) Verkehrswertreduzierungsermächiigung zu interpretieren. Die Auslegung des Grundgesetzes spricht i n zu starkem Maß dagegen. 8 BVerfGE 24, 367, 421: Das Abwägungsgebot zwingt u. U. den Gesetzgeber, auf situationsbedingte Besonderheiten des Sachverhaltes und die Zeitumstände Rücksicht zu nehmen. 9 S. 423, T e i l I I I Nr. 7; nicht i n die Leitsätze übernommen. 10 M. Kriele, Das Grundgesetz i m Parteienkampf, ZRP 1973, S. 129 ff.
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I I I . C. Schlußbetrachtung zu A r t . 14 Grundgesetz
Gegen die Auffassung von der bloßen Ermächtigungsnorm spricht zunächst die klare Formulierung der Verfassung. Danach „ist" die Entschädigung unter Einbezug der Interessen der Allgemeinheit zu bestimmen, sie „darf" nicht nur unter deren Berücksichtigung erfolgen. Auch die neuartige Bestimmung der sog. Junktimklausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG spricht gegen die bloße Ermächtigungsauffassung. Das Grundgesetz geht, wie diese Ermächtigung zeigt, erkennbar davon aus, daß die Bestimmung von A r t und Ausmaß der Entschädigung eine jeweils bewußte Entscheidung des Gesetzgebers darstellt 1 1 ; damit ist kaum verträglich, die Interessenabwägungsregelung als bloße Ermächtigungsnorm anzusehen, von der u. U. überhaupt kein Gebrauch gemacht wird. Dieser aus der objektiven Fassung des Grundgesetzes gewonnene Befund w i r d zusätzlich noch durch die Beratungen i m Parlamentar. Rat gestützt. Die Frage „Ermächtigungs- oder Verpflichtungsnorm?" ist zwar, soweit ersichtlich, i n den Beratungen so explizit nicht gestellt worden. Die Ausführungen der in der Entschädigungsfrage unterlegenen Minderheit zur Bedeutung des Abwägungsgebotes zeigen aber deutlich, daß man, sofern das Interessenabwägungsgebot geltendes Verfassungsrecht würde, dann davon ausging, die Entschädigungspraxis würde von der Grundgesetzregelung direkt beeinflußt und nicht nur — wie es einer Ermächtigungsnorm entspricht — von dem freien Gestaltungswillen des Gesetzgebers abhängen 12 . Als Ergebnis ist also zunächst festzuhalten: Das Interessenabwägungsgebot ist eine Verpflichtungs-, keine bloße Ermächtigungsnorm. Es verpflichtet den Gesetzgeber und — i n der oben i n § 7 I V beschriebenen engeren Adressatenrolle — auch die Gerichte, die Interessen der A l l gemeinheit an Entschädigungsentlastung m i t einzubeziehen.
11
So auch BVerfGE 4, 219, 233; 24, 367,419. Vgl. die Ausführungen des Abg. Dr. Seebohm als dezidiertem Sprecher der die „angemessene" Enteignungsentschädigung verteidigenden Minderheit i n der 9. Sitzung des Plenums v o m 6. 5. 1949, Stenograph. Bericht des Pari. Rates, S. 178: „Wenn nunmehr der Begriff der angemessenen Entschädigung fällt, so w i r d damit ein Rechtzustand geschaffen, der unter keinen Umständen hingenommen werden darf." s. auch dessen Ausführungen etwas später zur bergrechtlichen Entschädigung. Daß zwischen Ermächtigungs- u n d Verpflichtungsnorm unterschieden wurde, zeigen auch die von der Minderheit zur Verteidigung der „angemessenen" E n t schädigung vorgebrachten Differenzierungsalternativen. So hatte die DP mehrfach (vgl. Drs. 609, 770) einen Abänderungsantrag gestellt, der lautete: „Die Enteignung darf n u r gegen angemessene Entschädigung erfolgen, soweit nicht das Gesetz i n Fällen dringenden öffentlichen Bedürfnisses bestimmt, daß die Entschädigung unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu erfolgen hat." Das w a r eine Regelung i n Form einer Ermächtigung an den Gesetzgeber; keine Verpflichtungsnorm. 12
§ 24 Die Abwägung — Verpflichtungs- oder Ermächtigungsnorm?
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2. D i e E r k e n n t n i s , daß das I n t e r e s s e n a b w ä g u n g s g e b o t als V e r p f l i c h t u n g s n o r m v e r s t a n d e n w e r d e n m u ß , l ä ß t z w e i Wege offen. Das A b w ä g u n g s g e b o t k a n n einerseits d e n C h a r a k t e r e i n e r S o l l - , z u m a n d e r n d e n einer s t r i k t e n G e b o t s n o r m besitzen. D e r entscheidende U n t e r s c h i e d besteht i n d e n Rechtsfolgen. N i m m t m a n letzteres an, so k a n n eine gesetzliche E n t s c h ä d i g u n g s r e g e l u n g v e r f a s s u n g s w i d r i g sein, w e i l sie e i n z u v i e l a n E n t s c h ä d i g u n g gebietet. I n diese R i c h t u n g geht, w e n n auch v o r s i c h t i g , e i n T e i l der n e u e r e n L i t e r a t u r 1 3 . A l s starkes A r g u m e n t f ü r die V e r f a s s u n g s w i d r i g k e i t s t h e s e 1 4 s p r i c h t eine Symmetrieerwägung. Es ist n i c h t l e i c h t zu b e g r ü n d e n , wieso, w e n n das Grundgesetz die Interessen d e r E n t e i g n u n g s b e t r o f f e n e n u n d der A l l g e m e i n h e i t g l e i c h r a n g i g n e n n t , n u r b e i V e r l e t z u n g v o n I n d i v i d u a l i n t e r e s s e n ( U n t e r s c h r e i t u n g des nach A r t . 14 G G gebotenen E n t s c h ä d i g u n g s m i n i m u m s ) , n i c h t aber b e i g r o b e r N i c h t b e r ü c k s i c h t i g u n g der Interessen d e r A l l g e m e i n h e i t E n t s c h ä d i g u n g s r e g e l u n g e n v e r f a s s u n g s w i d r i g sein s o l l e n 1 5 . Es ist freilich zu bedenken, daß nicht i n allen Fällen der Gegensatz zwischen den beiden Alternativen „Soll-/strikte Gebotsvorschrift" relevant w i r d . I n manchen Fällen lassen gesetzliche Regelungen offen, wie i m einzelnen die E n t schädigung zu bestimmen ist. Hier können die Gerichte, allerdings n u r i m Rahmen der ihnen zustehenden originären Abwägungsaufgabe (§ 7 IV), das I n t e r essenabwägungsgebot unmittelbar aktualisieren. Anders ist es aber bei solchen gesetzlichen Regelungen, die für den ganz überwiegenden Teil der Entschädigungsleistungen explizit u n d eindeutig festlegen, welche Entschädigungshöhe nicht unterschritten werden darf. Das gilt insb. f ü r die Regelungen des Bundesbaugesetzes. Nach § 95 Abs. 1 i. V. m. § 141 Abs. 2 BBauG ist zwingend E n t schädigung i n Höhe des nach den Marktgesetzen sich bildenden Verkehrswertes vorgeschrieben. Darauf ist später noch näher einzugehen. D i e F r a g e „ S o l l - oder Gebots Vorschrift?" k a n n n u r sachgerecht bea n t w o r t e t w e r d e n , w e n n die T r a g w e i t e der gegebenen A n t w o r t ü b e r b l i c k t w i r d . B e v o r daher abschließend S t e l l u n g bezogen w i r d , m u ß e i n weiteres, spezielles P r o b l e m einbezogen sein.
13 GEWOS-Gutachten „Verfassung, Städtebau, Bodenrecht", S. 146 ff.; Bielenberg, DVB1. 1974, S. 115; Pagenarm, W M 1972, S. 3 f.; entschiedener Umbach, JZ 1972, S. 460. Nach Bielenberg, S. 115 w a r i n der Bodenrechtskommission der GEWOS keine volle Einigung i n dieser Frage zu erzielen; die Mehrheit ging davon aus, daß starke Gründe für die Nichtigkeitsthese sprechen. Möglicherweise w a r die Minderheit durch die spezielle, m i t der Nichtigkeitsthese verbundene Problematik der Junktimklausel beeinflußt; dazu anschließend i m Text. 14 Nichtigkeit ex nunc ist damit nicht impliziert. I m Sinn der neueren Verfassungsrechtsprechung käme die Lösung i n Frage, daß der Gesetzgeber n u r zur Änderung der Entschädigungsregelungen verpflichtet ist; vgl. hierzu z. B. das neue Hochschulurteil des BVerfG v o m 29. 5.1973, BVerfGE 35, 79,148. 13 Verfassung, Städtebau, Bodenrecht, S. 147; Bielenberg, DVB1. 1974, S. 115 f.; Umbach, JZ 1972, S. 460. Das Argument hat auch, zusätzlich zu den oben angeführten, Bedeutung gegenüber der Auffassung von A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG als bloßer Ermächtigungsnorm.
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3. Von den sich, wenn auch vorsichtig, für eine potentielle Nichtigkeitsfolge von Entschädigungsregelungen aussprechenden Literaturmeinungen w i r d eigenartigerweise eine besondere Problematik, die mit der Nichtigkeit einer zuviel gewährenden Entschädigungsregelung verbunden ist, nicht gesehen, zumindest jedenfalls nicht erörtert. Dies ist die Rechtslage, die sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus der Funktion der Junktimklausel des A r t . 14 Abs. 3 Satz 2 GG ergeben soll. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 16 , zuletzt i m hamb. Deichurteil explizit bekräftigt 1 7 , ist, sofern eine Entschädigungsregelung nicht den Erfordernissen des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG entspricht, „das ganze Gesetz und nicht nur die Entschädigungsregelung verfassungswidrig" 18 . Die Konsequenz dieser Rechtsprechung ist, daß nach der genannten Nichtigkeitstheorie eine doppelte Nichtigkeit eintreten würde: Die Entschädigungsregelung ist verfassungswidrig, die Enteignungsermächtigung selbst ist es ebenfalls. Die Verwaltungsbehörden sind nicht mehr berechtigt, gegebenenfalls durch Enteignung wichtige Planungsvorhaben durchzuführen. Ganze Großprojekte könnten, erforderlichenfalls wohl i m Wege der einstweiligen Anordnung, zu langem Stillstand gebracht werden 1 9 . Die aufgezeigten praktischen Konsequenzen zeigen an, daß i n der Rechtsprechung des BVerfG zur Junktimklausel zwei extreme Rechtsfolgen aus dieser Regelung hergeleitet werden, die i n Wahrheit wenig miteinander zu t u n haben. A u f lange Sicht w i r d das BVerfG w o h l k a u m darum herumkommen, seine strikte Rechtsprechung i n dieser Hinsicht nochmals zu bedenken. Z u m einen hat das BVerfG aus der Junktimklausel den Schluß gezogen, daß i n Enteignungsgesetzen wegen des Junktims (auch) die Enteignungsermächtigung nichtig ist, sofern überhaupt keine Entschädigung angeordnet ist oder 16
Begründet i n BVerfGE 4, 219, 233. BVerfGE 24, 367, 418. 18 BVerfGE 24, 418. 19 Das führt zu ganz eigenartigen Folgen. Teilt man die von Bielenberg, DVB1. 1974, S. 113 ff. angedeutete Auffassung u n d zugleich die Klammerauffassung des BVerfG i n ihrem vollen Umfang, so könnte ein Grundstücksinhaber i m Prozeß u m die Rechtmäßigkeit der Enteignung sich damit wehren, daß er das „ Z u v i e l " an gesetzlich vorgeschriebener Entschädigung für verfassungsw i d r i g hält. Ist das über die Rechtmäßigkeit der Enteignung entscheidende Gericht der gleichen Auffassung, so w i r d es den Prozeß aussetzen u n d die Frage i m Wege der Normenkontrolle dem Bundesverfassungsgericht nach A r t . 100 GG vorzulegen haben. M a n könnte zwar meinen, das wäre doch ganz i m Sinn der Junktimklausel: Die V e r w a l t u n g darf eben keine Enteignungen vornehmen, bei denen sie ein Zuviel an Entschädigung zu bezahlen hat. Das verkennt aber grundlegend die Situation: I n diesem Fall ist die öffentliche Hand nämlich gezwungen, freihändig das jeweilige Objekt zu erwerben. Das k a n n n u r den Zwang zu noch höherer Bezahlung bedeuten — ein Ergebnis, das offensichtlich A r t . 14 GG w i d e r spricht. 17
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die Entschädigungsbestimmung praktisch auf die V e r w a l t u n g oder Gerichte delegiert worden war. Das führt zu den bekannten Schwierigkeiten i n den Fällen, i n denen der Gesetzgeber zunächst v o m Vorliegen einer Nichtenteignung ausging, die Gerichte aber eine solche annahmen. Diese Rechtsfolge wurde zwar gegen teilweise sehr heftigen Widerstand i m S c h r i f t t u m 2 0 gezogen, das sich an den großen Schwierigkeiten der Praxis orientierte; die Rechtsprechung des B V e r f G kann sich aber i m m e r h i n auf die klare Regelung i m Grundgesetz stützen, wonach i n ein u n d demselben Enteignungsgesetz Enteignungsermächtigung u n d Regelung von A r t u n d Ausmaß der Entschädigung geregelt sein müssen.
Die zweite Klammerwirkung der Junktimklausel besteht nach Auffassung des BVerfG darin, daß ein Enteignungsgesetz mitsamt der Enteignungsermächtigung nichtig wird, wenn es zwar A r t und Ausmaß der Enteignungsentschädigung klar regelt, diese aber nicht Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG entsprechen. Für diese Rechtsfolge hat das Gericht keine Begründung gebracht. Sie ist auch nicht einsehbar. Die Fassung der Junktimklausel fordert nur, daß i n dem Enteignungsgesetz die Entschädigungsfrage geregelt wird. Dem ist auch dann Genüge getan, wenn sich nachträglich herausstellen sollte, daß die Erfordernisse der Interessenabwägung nicht eingehalten sind. Die genannte vermeintliche zweite Klammerwirkung läßt sich auch nicht aus der funktionalen Begründung herleiten, die das BVerfG der Junktimklausel gegeben hat. Nach Auffassung des Gerichts hat das J u n k t i m die Funktion, daß „der Gesetzgeber sich des Enteignungscharakters seines Gesetzes jeweils bewußt und damit gezwungen wird, Erwägungen darüber anzustellen, i n welcher A r t und Höhe er Entschädigungen gewähren kann und w i l l " 2 1 . Das hat der Gesetzgeber getan, auch wenn seine Entschädigungsregelung gegenüber Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG keinen Bestand haben sollte. Auch bei Aufgabe der zweiten Klammerwirkung bleibt die vom BVerfG betonte Funktion der Junktimregelung also erhalten. Die Rechtsprechung des BVerfG zum Interessenabwägungsgebot einerseits und zur Junktimklausel andererseits ist also teilweise kaum verträglich. Die Betonung der wichtigen Funktion der Junktimklausel als solche ist, wenn sie auch i n ihren praktischen Konsequenzen lästig sein kann, richtig; wenn nicht per se das Marktgeschehen die Entschädigungshöhe festlegt, dann muß der Gesetzgeber dies tun. Daß das Grundgesetz hier eine einheitliche Regelung von Enteignungsermächtigung und Entschädigungsregel fordert, ist ebenfalls zweckmäßig. Nicht begründbar ist aber jedenfalls, daß dann, wenn die gesetzliche Regelung
20 Z u m früheren Meinungsstand s. statt vieler R. Rausch, Die Funktionen des Entschädigungsjunktims i m Enteignungsrecht, Diss. 1964, insb. S. 31 ff.; zu neueren Lösungsansätzen ders., Enteignungsrechtliche Probleme i m Lichte der Junktimklausel, DVB1.1969, S. 167 ff. 21 BVerfGE 4, 219, 235.
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zu weitgehend entschädigt, auch die Enteignungskompetenz nichtig ist. I m folgenden gehen w i r infolgedessen von der Position aus, daß jedenfalls i m Fall einer bis zum Grad der Verfassungswidrigkeit gehenden Gewährung eines „zuviel" an Entschädigung nicht über die Brücke der Junktimklausel auch die Enteignungsermächtigung nichtig w i r d ; w i r lassen dahingestellt, wie es bei Verfassungswidrigkeit der Entschädigungsregelung wegen Unterschreitung des nach Art. 14 GG gebotenen Minimums ist. 4. Nach Vorklärung der speziell durch die Junktimklausel aufgeworfenen Situation nun zur Beantwortung der Frage, ob Entschädigungsregelungen wegen Verstoßes gegen das Interessenabwägungsgebot „nach oben" verfassungswidrig sein können. Die Antwort hierauf erfolgt i m Wege einer Differenzierung. Nach Art. 1 Abs. 3 Grundgesetz binden die grundrechtlichen Regelungen des Grundgesetzes auch den Gesetzgeber als „unmittelbar geltendes Recht". Wenn von einer klaren Verletzung des Interessenabwägungsgebotes durch die gesetzliche Entschädigungsfestlegung gesprochen werden kann, muß damit auch Verfassungswidrigkeit der jeweiligen Entschädigungsregelung angenommen werden. Die Verfassungswidrigkeit folgt ferner auch aus der oben, zu Beginn von 2. dargelegten Symmetrieerwägung. Wann ist ein solcher Fall anzunehmen? Die Antwort ergibt sich aus der Funktion der Interessenabwägungsregel, wie sie A r t . 14 Abs. 3 Satz 2 und 3 GG gemeinsam festlegen. Danach ist es grundsätzlich zunächst Sache des Gesetzgebers, i n den Fällen, i n denen die Verkehrswertorientierung nicht geboten ist, auch die Interessen der Allgemeinheit zur Geltung zu bringen. Es stehen ihm hierfür viele Möglichkeiten offen; das Grundgesetz selbst enthält keine Patentlösung, die angibt, wie die Abkehr von der generellen Pflicht zur Verkehrswertentschädigung i n die Praxis umzusetzen ist. Es ist daher zunächst eine Entscheidung des Gesetzgebers, i n welchem Ausmaß er i m einzelnen bei fehlendem Leistungsbezug eine Entschädigungsentlastung der Allgemeinheit vornimmt. Zu seinen Gunsten muß auch eingeräumt werden, daß er bei komplexen Problemen oft nicht sofort aus dem Stand eine adäquate Lösung an die Stelle bisheriger Entschädigungsregelungen setzen kann. Nicht übertragbar auf das Interessenabwägungsgebot des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG erscheint daher eine neuere dogmatische Unterscheidung von Fehlern bei der Durchführung von Interessenabwägungen, wie sie namentlich für den Bereich der Bauplanung entwickelt worden ist. Danach kann eine fehlerhafte Abwägung darin bestehen, daß ein Abwägungsausfall, ein Abwägungsde/izit, eine Abwägungsfehleinschätzung
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oder eine Abwägungsdisproportionalität vorliegt 2 2 . Dieses Bündel von Kriterien ist, u m eine Verletzung des Abwägungsgebotes i n Art. 14 Abs. 3 GG zu ermitteln, auf unser Problem nicht übertragbar, wobei die Adäquanz der Differenzierung für das Bauplanungsrecht hier dahingestellt bleiben kann. Ist es nach dem Grundgesetz Sache des Gesetzgebers, die Abwägung vorzunehmen, so können die Gerichte eine getroffene Abwägung nicht deshalb für verfassungswidrig ansehen, weil ihrer Meinung nach ein weniger an Enteignungsentschädigung hätte gewährt werden dürfen. U m eine verfassungswidrige Verletzung des Interessenabwägungsgebotes bejahen zu können, müssen daher andersartige Voraussetzungen verlangt werden. U m sie zu gewinnen, ist es durchaus hilfreich, nochmals auf die genannte Erörterung der Abwägungsprobleme i m Bauplanungsrecht zurückzugreifen. Wie das Bundesverwaltungsgericht i n einer neueren Entscheidung zum Bauplanungsrecht ausgeführt hat 2 3 , haben Interessenabwägungsgebote (stets) zwei verschiedene Seiten. „Die eine bezieht sich auf das Abwägen als Vorgang, insbesondere also darauf, daß — i n einem bestimmten Zeitpunkt — überhaupt eine Abwägung stattfindet und daß bei dieser Abwägung bestimmte Interessen i n Rechnung gestellt werden. Bei der anderen, davon zu trennenden Seite geht es dagegen um das Abwägungsergebnis, d. h. um das, was bei dem Abwägungsvorgang herauskommt 24 ." M i t dieser Unterscheidung der beiden Seiten ist eine praktikable Grenzziehung gefunden, die einerseit die Durchführung der Interessenabwägung dem Gesetzgeber überläßt, andererseits die Bindung des Gesetzgebers an das Interessenabwägungsgebot nicht als unverbindlich behandelt. Wenn es Aufgabe des Gesetzgebers ist, die Abwägung durchzuführen, so sind — von dem nach Leistungskriterien bestimmten M i n i m u m an Entschädigung abgesehen — die Gerichte nicht befugt, das, was der Gesetzgeber durch Interessenabwägung als Enteignungsentschädigung vorgeschrieben hat, durch ihr eigenes Abwägungsergebnis zu ersetzen. Die die Enteignungsentschädigungsregelungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfenden Gerichte haben aber zu garantieren, daß überhaupt eine Abwägung stattfindet, d. h. daß auch die Interessen der Allgemeinheit an Entschädigungsentlastung als relevanter Faktor Einfluß gefunden haben. Verfassungswidrigkeit i. S. einer offensichtlichen 22 Vgl. U r t e i l des B V e r w G v o m 12. 12. 1969, B V e r w G E 34, 302, 309, aber noch ohne die terminologische Präzisierung. Die Bezeichnung der einzelnen Verletzungstatbestände geht zurück auf W. Hoppe, Die Schranken der planerischen Gestaltungsfreiheit, BauR, 1970, S. 15; eine ausführliche Unterscheidung der einzelnen Fälle m i t Beispielen aus der Rechtsprechungspraxis bringt K. Geizer, Bauplanungsrecht, 2. Aufl., 1972, S. 22 f. 23 BVerwGE 41, 67, 71. 24 Hervorhebungen v o m Verfasser.
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Verletzung des Interessenabwägungsgebotes i n A r t . 14 Abs. 3 GG kann daher (muß dann aber auch) nur i n einem Fall angenommen werden: Wenn die jeweilige Enteignungsentschädigung i n der Quantität der auferlegten Entschädigungslasten bedeutsam ist 2 5 und zugleich die Entschädigungsregelung durch ihren Gesamtcharakter zu erkennen gibt, daß die Interessen der Allgemeinheit an Entschädigungsentlastung überhaupt nicht als relevanter Faktor behandelt worden sind. Nur der direkte und von der Belastung her relevante Abwägungs ausfall 26 führt demnach zur Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Regelung wegen Gewährung von zuviel an Entschädigung. Die hier vertretene neuartige Sicht einer möglichen Verletzung des Interessenabwägungsgebotes durch Einräumung eines „zuviel" an Entschädigung läßt sich gut durch einen Vergleich mit den allgemeinen Lehren der Ermessensfehler i m Verwaltungsrecht verdeutlichen. Der „ A b wägungsausfall" als einziger Verletzungstatbestand stellt eine Analogie zur sog. Ermessensunter schreitung des Verwaltungsrechts dar: Dort liegt der Ermessensfehler i n einem derartigen Fall nicht darin, daß die Verwaltung den vom Gesetz festgelegten Rahmen des Ermessens nicht einhält (Ermessensüberschreitung) oder innerhalb des eingeräumten Spielraumes aufgrund unsachlicher Motive entscheidet (Ermessensmißbrauch). Vielmehr ist der Fehler darin zu sehen, daß die jeweilige Behörde i n ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt war, weil sie irrigerweise annahm, sie habe gar keine anderen Entscheidungsalternativen zur Verfügung gehabt. Die Entscheidung ist daher rechtswidrig, obwohl sie i m Ergebnis durchaus so ergehen dürfte. Ähnlich sind gesetzliche Entschädigungsregelungen i m Verhältnis zu Art. 14 GG zu beurteilen. Wenn einerseits das Grundgesetz i n der Entschädigungsfrage einen Spielraum gewährt, andererseits der Gesetzgeber, nicht die Gerichte diesen auszufüllen haben, dann haben die Gerichte doch eines zu prüfen: Die Gesetze dürfen die öffentliche Hand nicht schon deshalb entschädigungsmäßig extrem belasten, weil sie irrigerweise auf der Grundlage der Nichtannahme eines solchen Entschädigungsspielraumes konzipiert worden sind. 5. I n welchen Fällen ist nach der eben gegebenen differenzierten Lösung Verfassungswidrigkeit geltender gesetzlicher Entschädigungsregelungen wegen Abwägungsausfall schlechthin anzunehmen? Hierzu sei nur auf einen, den zugleich aber wohl auch wichtigsten Fall des geltenden deutschen Enteignungsentschädigungsrechts überhaupt hinge25 Da A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 eine Schutzvorschrift zugunsten der Entlastung der Allgemeinheit von zu hohen Entschädigungen ist, muß diese Einschränkung gemacht werden. 26 I m Sinn der genannten Terminologie von Hoppe und Geizer.
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wiesen. Aus den genannten Gründen w i r d man nicht umhin kommen, die Gesamtregelung der §§ 95 i. V. m. 141 des Bundesbaugesetzes als verfassungswidrig anzusehen 27 . Die Regelung des Bundesbaugesetzes bezieht nicht nur, anders als das Städtebauförderungsgesetz, den Leistungsaspekt als den für die Entschädigungsentlastung der Allgemeinheit zentralen Gesichtspunkt i n keinerlei Weise ein; sie orientiert sich auch nicht einmal an dem Verkehrswert des entzogenen Rechts, sondern an dem Verkehrswert des konkreten Grundstücks. Nicht das Vermögenswerte Recht, sondern das konkrete Vermögensobjekt w i r d damit als schützenswertes Entschädigungsobjekt behandelt — gleichgültig was es die Allgemeinheit kostet 28 . So werden z. B. Wertsteigerungen für die Entschädigungsbemessung schon dann relevant, wenn Land, obwohl noch auf Jahre hinaus als Ackerland zu nutzen, bereits i m Marktgeschehen als „Bauerwartungserwartungsland" 2 9 behandelt wird. Auch neuere Stellungnahmen der Staatsrechtswissenschaft, die dem Abwägungsgebot i n A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG grundsätzlich distanziert gegenüber stehen, halten 3 0 , zum Teil i n Gegensatz zu ihrer früheren Position 3 1 planungsbedingte Mehrwerte nicht mehr als bei der Enteignungsentschädigung berücksichtigungspflichtig 32 . Wenn man, wie hier angenommen, i n Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG auch eine Schutzvorschrift zugunsten der Allgemeinheit sieht, dann muß man weitergehen und, weil ja das Bundesbaugesetz pauschal i n der Entschädigungsregelung jeden Einbezug der Interessen der Allgemeinheit an Entschädigungsentlastung vermissen läßt, wegen Abwägungsausfall Verfassungswidrigkeit der Regelung annehmen. Entscheidend für das Verfassungswidrigkeitsverdikt ist nach der hier eingenommenen Grundposition nicht die Tatsache, daß das Bundesbau27 So i m Ergebnis, wenn auch ohne die hier vorgenommene Differenzierung zwischen Abwägungsausfall u n d Abwägungsdurchführung w o h l auch Bielenberg, DVB1. 1974, S. 116. Die Unverträglichkeit der Interessenabwägung i. S. d. A r t . 14 Abs. 3 GG und der allgemeinen Regelung i m Bundesbaugesetz betont auch, wenngleich ohne A u f weis einer konkreten Rechtsfolge, Birnbaum, Die Entschädigung für Planungsschäden nach dem Bundesbaugesetz u n d A r t . 14 GG, Diss. 1972, S. 139; i n dieser Richtung w o h l auch Umbach, J Z 1972, S. 460. 28 E. W. Böckenförde, Eigentum, Sozialbindung des Eigentums, Enteignung, i n : Gerechtigkeit i n der Industriegesellschaft, 1972, S. 228. 20 Den iterativen, die Entschädigungshypertrophie des Bundesbaugesetzes gut kennzeichnenden Ausdruck entnehme ich E. W. Böckenförde, Gerechtigkeit i n der Industriegesellschaft, S. 229. 30 W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, 1972, S. 125 ff.; W. Weber, Das Eigentum und seine Garantie i n der Krise, in: Festschrift für K . Michaelis, 1972, S. 322 A n m . 7. 31 Vgl. W. Weber, Eigentum und Enteignung, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 2,1954, S. 388 ff. 32 Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 128 geht sogar soweit, die „staatsverursachten" Planungswerte als gar nicht zum Eigentum des Betroffenen i. S. d. A r t . 14 GG gehörig zu qualifizieren.
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gesetz an sich so entschädigungsextensiv ist. Die Orientierung am Verkehrswert als Regelentschädigung ist zwar eine nicht notwendige, aber mit A r t . 14 GG vereinbare Entschädigung. Das entspricht auch der Sicht des Bundesverfassungsgerichts, obwohl dieses betont die Auffassung vertritt, daß das Grundgesetz die „angemessene" Entschädigung nicht übernommen hat (vgl. BVerfGE 24, 367, 423). Die Entscheidung für die strikte Verkehrswertentschädigung muß aber Ausdruck der bewußten Interessenabwägung durch den Gesetzgeber sein. Davon kann beim Erlaß des Bundesbaugesetzes i m Jahre 1960 keine Rede sein. Zu diesem Zeitpunkt hatten, anders als vielleicht noch Mitte der 50er Jahre, die ganz herrschende Meinung der staatsrechtl. Literatur wie auch die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Gesetzgeber i n der Entschädigungsfrage bereits präjudiziert. Da es nur auf die objektiven, nicht auf die subjektiven (Vorwerfbarkeits-) Momente der gesetzgeberischen Entscheidung von 1960 ankommt 3 3 , kann die Verfassungsgemäßheit des Bundesbaugesetzes nicht mit dem Argument geheilt werden, der damalige Gesetzgeber hätte sich wegen der vorliegenden Rechtsprechung gezwungen gesehen, sich am Verkehrswert als striktem Entschädigungsminimum zu orientieren. Die Feststellung ist richtig 3 4 . Aber gerade dies führt ja zwingend zur Erkenntnis, daß der Gesetzgeber objektiv i n Form des Abwägungsausfalls entschieden hatte. Dieser liegt vor, um nochmals das oben i n 3. zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu wiederholen, wenn bei der 33 Das ist insb. f ü r die Beachtung des Gleichheitssatzes mehrfach v o m B u n desverfassungsgericht ausgesprochen worden; vgl. z. B. BVerfGE 2, 266, 281; 4, 144, 155. Es g i l t aber generell für die Grundrechte, vielleicht die spezielle Situation bei A r t . 1 GG (Menschenwürde) ausgenommen. Hier hat das A b h ö r u r t e i l E 30, 1, 26 eine subjektiv bestimmte Vorwerfbarkeit, nämlich die „ v e r ächtliche Behandlung" des Menschen als Person gefordert; das erscheint w o h l entgegen der dazu laut gewordenen K r i t i k insofern als richtig, als bei „objekt i v e r " Sicht leicht die individuell-weltanschaulichen Vorstellungen v o m Wesen des Menschen ein spezifisches Menschenbild als oberstes Verfassungsleitbild festschreiben. Die Orientierung an objektiver Verfassungswidrigkeit, nicht an subjektiver Vorwerfbarkeit ist w o h l allgemein implizite Grundlage der Verfassungsprüfung von Gesetzen; vgl. z. B. das Apothekenurteil E 7, 377: ob der (bayer.) Gesetzgeber subjektiv vorwerf bar die Apothekenfreiheit begrenzt hatte, spielte keine Rolle; es k a m auf die objektive Nichterforderlichkeit der Einschränkung an (S. 413 ff.). 34 Vgl. z. B. das Gutachten des wissenschaftl. Beirates f ü r Fragen der Bodenbewertung beim Bundesminister f ü r Wohnungsbau „Vorschläge zur Ordnung des Baulandmarktes" ( = Schriftenreihe des B M i n W o Bd. 12), 1958, S. 72 f. zur Enteignung. Von einem „dem Gesetzgeber bei der Festsetzung der Enteignungsentschädigung v o m Grundgesetz eingeräumten weiten (!) Ermessensbereich" (so, aber unbeachtet geblieben, BVerfGE 4, 219, 236) w a r dort keine Rede. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hatte, durch die bewußte und häufig explizit ausgesprochene Gleichsetzung von „angemessener" u n d Grundgesetzentschädigung (vgl. § 10 II) eine Sperrwirkung erzeugt.
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„ A b w ä g u n g b e s t i m m t e Interessen (nicht) i n R e c h n u n g gestellt w e r d e n " . D i e Interessen der A l l g e m e i n h e i t k o n n t e n (durch Ü b e r l e g u n g e n , ob u n d i n w i e w e i t b e i b e s t i m m t e n U m s t ä n d e n der V e r k e h r s w e r t als L e i t k r i t e r i u m verlassen w e r d e n sollte) eben w e g e n dieser Rechtsprechung n i c h t i n Rechnung gestellt werden. D e r Nachweis, daß — i n h y p o t h e t i s c h e r B e t r a c h t u n g — die Entschäd i g u n g s r e g e l u n g des Bundesbaugesetzes auch b e i Z u g r u n d e l e g u n g eines Ermessens des Gesetzgebers so e x t e n s i v b e i b e h a l t e n w o r d e n w ä r e , l ä ß t sich w o h l k a u m e r b r i n g e n . D a f ü r s i n d die Belege f ü r die Einflüsse der f r ü h e r e n A u s l e g u n g des A r t . 14 G G a u f die B e r a t u n g des B u n d e s b a u gesetzes z u d e u t l i c h 3 5 .
35 Es wäre, nachdem das hamburg. Deichurteil des BVerfG die Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes klargestellt hat, eine eigene Untersuchung wert, aus heutiger Sicht (d. h. über J. Schulthes' verdienstvolle Untersuchung des Jahres 1965 hinaus) nochmals die einzelnen Etappen der Entwicklung zum extremen Stand der Entschädigungsregelung i n §§ 93, 95, 141 BBauG zu v e r folgen. Über die (vor allem v o m Bundesrat unternommenen) Versuche, h i n sichtlich der sog. „Planungsschäden" (die häufig gar keine echten Schäden, wie etwa i m Zivilrecht, sondern n u r Chancenverluste sind) eine restriktivere, d. h. die Allgemeinheit weniger belastende Entschädigungsregelung zu erlangen, bereits oben § 17, Fußn. 18. Aber auch i n der Grundsatzregelung der §§ 95, 141 BBauG w a r zunächst i n den Beratungen zum Bundesbaugesetz die spätere Orientierung am Verkehrswert als Entschädigungspflicht schlechthin keineswegs intendiert. So hatte z. B. der (interfraktionelle) E n t w u r f eines Bundesbaugesetzes v o m 26. 10. 1955 = I n i t i a t i v a n t r a g der Abg. Lücke, Jacobi u n d Gen. = Dt. BT, 2. Wahlperiode, Drs. 1813, f ü r die Entschädigungsregelung zunächst zwar die Orientierung am Verkehrswert vorgesehen (§ 184 Abs. 1, 2 u n d 3 des E n t wurfs, Drs. 1813, S. 45), i n § 184 Abs. 4 w a r aber dann weiter bestimmt: „ V o n der Vorschrift (d. h. Verkehrswertorientierung) k a n n ausnahmsweise abgewichen werden, w e n n Umstände dies erfordern, die nicht i n den persönlichen Verhältnissen der Beteiligten oder i n dem Erwerbszweck liegen. Die Gründe für die Abweichung sollen i n dem Schätzungsgutachten dargelegt w e r den." M a n w i r d w o h l nicht fehlgehen, wenn man hypothetisch annimmt, daß bei dem Bestehen einer solchen Regelung an Stelle der heute geltenden besonders krassen Entschädigungsverpflichtungen bei Enteignungen an den Randgebieten von Großstädten oder der Entschädigung von sog. „Planungsschäden" i n der Praxis zu einer differenzierten Entschädigungsbemessung geführt hätte. Denn die speziellen Umstände, die hier die Entschädigungsreduzierung tragen würden, hätten weder ihren Ursprung i n persönlichen Verhältnissen der Beteiligten noch i n der Orientierung an bestimmten Erwerbszwecken.
18 Opfermann
Vierter
Teil
Enteignungsentschädigung und Gleichheitssatz § 25 Grundfragen entschädigungsrechtlicher Gleichheitsbindung
I m folgenden w i r d zunächst das theoretische Grundnetz für die Diskussion des Problems entwickelt, inwieweit der Gleichheitssatz zwingende entschädigungsrechtliche Bindungen auferlegt. Zu Beginn sind, da w i r bisher das Verhältnis von Enteignungsentschädigung und Gleichheitssatz bewußt ausgeklammert haben, die Gründe für diese Abschichtung darzulegen. Da der Rückgriff auf den Gleichheitssatz i n der Vergangenheit nicht selten auf das Gebot der „gerechten" Enteignungsentschädigung gestützt wurde 1 , ist weiter aufzuzeigen, wie bei differenzierter Betrachtung die Gerechtigkeitsfrage zu beantworten ist. Nach diesen Vorüberlegungen sind mehr praxisbezogene Grundfragen zu erörtern. Hier ist zunächst die Frage, wie dogmatisch die Gleichheitsfrage sich bei der Betonung der Interessenabwägung als neuartiger Entschädigungsregelung stellt. Können w i r dann noch schlechthin von „dem" Gleichheitsproblem sprechen oder müssen w i r nicht mehrere Problemebenen unterscheiden? Es ist auch die Frage zu erörtern, ob, was heute heftig diskutiert wird, A r t . 14 Grundgesetz u. U. als lex specialis jede Gleichheitsbindung i m Bereich der Enteignungsentschädigung verdrängt. Nach Beantwortung dieser und einiger weiterer Grundsatzfragen werden dann i n den §§ 26 und 27 die einzelnen Bindungen des Gesetzgebers aus dem Gleichheitssatz diskutiert. I. Das Gebot der getrennten Betrachtungsweise
I n den bisherigen Darlegungen der Enteignungsentschädigung nach dem Grundgesetz ist — von ganz geringen Ausnahmen abgesehen — ein zentraler Aspekt völlig ausgeklammert worden. Mancher Leser w i r d schon ungeduldig auf die Behandlung dieser Frage gewartet haben. Es ist die bekanntlich die gesamte frühere Rechtsprechung des Bundesge1 So schon B G H Z 6, 270, 295; neuerdings auch wieder Badura , Eigentum i m Verfassungsrecht der Gegenwart, Verhandlungen des 49. DJT, Bd. 2, S. Τ 29. Z u beachten ist allerdings, daß der B G H i n der damaligen Grundsatzentscheidung die Frage nach dem Verhältnis v o n Interessenabwägung u n d „angemessener" Entschädigung gleichwohl offen gelassen hatte; vgl. oben § 10 I I .
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richtshofes zur Enteignungsentschädigung beherrschende Problematik der durch den Gleichheitssatz dem Gesetzgeber auferlegten Schranken bei der Bestimmung der Entschädigungshöhe. W i r haben die Abschichtung konsequent soweit durchgeführt, daß auch die Frage, welchen Entschädigungsspielraum der Gesetzgeber i n einzelnen Sachbereichen (Ansprüche nach dem Bundesleistungsgesetz, i m Bodenrecht, i m Gewerberecht, i m Wasserrecht usw.) besitzt, losgetrennt davon diskutiert wurde, ob nicht gegebenenfalls zusätzliche Bindungen des Gesetzgebers aus dem Gleichheitssatz zu beachten sind. Diese Aufspaltung der Betrachtungsweise ist, wie der Verfasser gern zugeben will, nicht ganz unproblematisch. Den Gründen, die gegen sie sprechen, lassen sich aber mehr und gewichtigere Gründe entgegenstellen, die -für eine solche Abschichtung geltend zu machen sind und nach Auffassung des Verfassers dafür sprechen, stets i n dieser Weise Enteignungsentschädigungsfragen zu diskutieren. Der w o h l stärkste G r u n d gegen eine Abschichtung i m hier durchgeführten Sinn ist ein pragmatischer: Wenn die Frage gestellt w i r d , ob u n d i n welchem Umfang i n einzelnen Sachbereichen ein Abgehen v o m Verkehrswert bei der Festsetzung der Enteignungsentschädigung nach dem Grundgesetz zulässig ist, dann w i l l man schlechthin die Grenzen des verfassungsrechtlich Zulässigen wissen. Erhält man die A n t w o r t , daß i n dem Sachbereich X von der Interessenabwägung des A r t . 14 GG aus eine Reduzierung i n Höhe y zulässig ist, ohne daß zugleich die sich evtl. aus dem Gleichheitssatz ergebenden Begrenzungen aufgezeigt wurden, so w i r d m a n dies m i t Recht n u r als Teilantwort empfinden.
Letzteres ist zwar richtig. Es lassen sich aber weitaus stärkere Gründe dafür angeben, i n der hier vorgeschlagenen Form der Abschichtung die Probleme zu diskutieren. Der erste und zugleich einer der stärksten Gründe ist, was die Rechtspraxis stets vor allem interessiert, aus den Rechtsfolgen einer Verletzung von Gleichheitsgeboten entnommen. Die Begrenzung der Entschädigungsfreiheit des Gesetzgebers durch die Bindungen aus dem Interessenabwägungsgebot einerseits und dem Gleichheitssatz andererseits können zusammen, d. h. als einheitliche Entschädigungsverpflichtung nur dann behandelt werden, wenn die Rechtsfolge einer Verletzung beider auch dieselbe ist. Das aber ist von vornherein keineswegs ausgemacht. Und w i r werden i n der Tat unten 2 darlegen, daß, wenn man einerseits das Abwägungsgebot des A r t . 14 GG aktualisiert, andererseits aber auch dem Gleichheitssatz zu seinem Recht verhilft, die Rechtsfolgen einer Verletzung des letzteren als ganz andersartig qualifiziert werden müssen, als wenn aufgrund eines Gesetzes unter Verletzung des Abwägungsgebotes einem Enteigneten zu wenig an Entschädigung oder keine Entschädigung gezahlt worden ist. 2
1*
s. T e i l V I dieses Paragraphen.
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Ein zweiter Grund, der die getrennte Betrachtungsweise erzwingt oder zumindest doch sehr nahelegt, folgt aus der spezifischen Funktion der Gleichheitserörterung. Gleichheitsfragen kann man immer erst dann sinnvoll, d. h. unter voller Erfassung ihrer Reichweite und Dimension erörtern, wenn man weiß, wie weit der Gesetzgeber an sich, d. h. ohne an Gleichheitsbindungen gefesselt zu sein, gehen darf. Diese Abschichtung ist der Staatsrechtswissenschaft eigentlich auch bei allen Grundrechtsproblemen außerhalb der Entschädigungsfragen bei Enteignungen geläufig. Bei ihnen gewinnt man Auskunft über die Verfassungslage, indem zunächst diskutiert wird, welche Grenzen der Gesetzgeber aus der spezifischen Sachgarantie zu beachten hat; erst daran anschließend kann ermittelt werden, welche zusätzlichen Bindungen aus dem Gleichheitssatz folgen. Wenige Beispiele genügen, u m dies zu verdeutlichen. Wenn es fraglich ist, ob eine bestimmte, die Bekenntnisfreiheit u n d Religionsausübung tangierende gesetzliche Regelung verfassungsgemäß ist, dann ist zunächst die Frage zu untersuchen, ob die Regelung m i t A r t . 4 Abs. 1 u n d 2 GG vereinbar ist. Erst wenn dies bejaht ist, ist sinnvollerweise die Zusatzfrage zu erörtern, ob möglicherweise die Regelung wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz verfassungswidrig ist. W i r d Verfassungswidrigkeit einer die Demonstrationsfreiheit begrenzenden Regelung behauptet, so sollte m a n erst ermitteln, ob A r t . 8 GG die Regelung zuläßt; ist dies bejaht, so k a n n gleichwohl der F a l l gegeben sein, daß die Regelung verfassungswidrig ist, w e i l sie — i m Rahmen des nach A r t . 8 GG Z u lässigen — w i l l k ü r l i c h mehrere Gruppen v o n Personen verschieden behandelt. Diese Trennung ist auch wichtig; denn die Rechtsfolge der Verletzung von A r t . 3 GG ist eine i n der Praxis ganz andere als die der Verfassungswidrigkeit wegen Verstoßes gegen A r t . 8 GG (vgl. dazu unten VI).
Noch ein drittes Argument schließlich sollte dazu führen, daß man strikt diese getrennte Betrachtung wählt. Trennt man nicht zwischen den aus der Interessenabwägung einerseits und den möglicherweise zusätzlich aus dem Gleichheitssatz sich ergebenden Bindungen des Gesetzgebers, so ergibt sich die große Gefahr, daß durch ausschließliche Orientierung an der letzteren Fragestellung die erste und vom Grundgesetz i m Komplex des Enteignungsrechts (Art. 14 Abs. 3) auch an erster Stelle genannte Entschädigungsbestimmung, nämlich die Interessenabwägung, verdrängt wird. Ein beredtes Beispiel für diese Verdrängungswirkung lieferte die frühere Rechtsprechung des BGH bis zum hamburg. Deichurteil des Bundesverfassungsgerichts. Nach der früheren Rechtsprechung gebot das Grundgesetz eine strikte Bindung der Entschädigung an den Verkehrswert, weil andernfalls der Gleichheitssatz verletzt würde 3 . Damit hatte 3
s. z. B. B G H Z 11,156,163 f.; 31, 238, 241.
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der B G H , w i e v o n Schulthes i m einzelnen d a r g e l e g t w o r d e n i s t 4 , v o r handene A n s ä t z e zu e i n e r A k t u a l i s i e r u n g des A b w ä g u n g s g e b o t e s w i e d e r v ö l l i g beiseite geschoben. A u c h i n n e u e r e n S t e l l u n g n a h m e n d e r Rechtswissenschaft z u der v o m Grundgesetz g e f o r d e r t e n Enteignungsentschäd i g u n g w i r d dieses G e b o t d e r g e t r e n n t e n B e t r a c h t u n g w o h l n i c h t ausreichend beachtet, w e n n sofort a u f die G l e i c h h e i t s p r o b l e m a t i k eingegang e n w i r d u n d aus i h r die P r o b l e m s t e l l u n g gelöst w i r d 5 . D a b e i w i r d auch v e r k a n n t , daß, w i e noch n ä h e r zu zeigen sein w i r d , es F ä l l e g i b t , i n denen i n u m f a s s e n d e r W e i s e G l e i c h b e h a n d l u n g g a r a n t i e r t w i r d , obwohl drastisch v o m bisherigen Verkehrs w e r t abgewichen w i r d 6 . M a n geht bei einem solchen R ü c k g r i f f auch z u schnell ü b e r die F r a g e h i n w e g , ob der G l e i c h heitssatz e i g e n t l i c h G l e i c h b e h a n d l u n g schlechthin gebietet oder ob er e v t l . n u r unsachliche D i f f e r e n z i e r u n g i m rechtlichen S i n n v e r b i e t e t . Richtigerweise hat das Bundesverfassungsgericht i m hamburg. Deichurteil hingegen Abwägungs- u n d Gleichheitsproblematik getrennt. Es hat zunächst durch Auslegung des Abwägungsgebotes des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG festgestellt, daß der Gesetzgeber grundsätzlich einen Entschädigungsspielraum besitzt, auf den zurückzugreifen auch seine Aufgabe ist 7 . Erst daran anschließend hat es (wenn auch i n knapper Form) die Frage erörtert, ob der Gesetzgeber das Gebot gleicher Behandlung dadurch verletzt habe, daß er f ü r die Entschädigung v o n Deicheigentum u n d bürgerlich-rechtlichem Eigentum unterschiedliche Beträge festgesetzt hatte. Diese Frage hat das Gericht verneint 8 . Wie der Bundesgerichtshof neuerdings das Verhältnis v o n Gleichheitssatz u n d I n t e r essenabwägung i n der Entschädigungsfrage sieht, k a n n noch nicht abschließend beurteilt werden. Die v o m hamburg. Deichurteil beeinflußten neueren grundsätzlichen Stellungnahmen lassen — ebenso w i e die hierzu jüngst gegebene Erläuterung von K r e f t 9 — jedenfalls den Schluß zu, daß eine ausschließliche Orientierung am Gleichheitssatz i n der früheren Form nicht mehr die zukünftige Rechtsprechung des Gerichts bestimmen w i r d . Z u m neuen zentralen Entscheidungstopos w i r d offenbar der Begriff des „Genommenen". Hier hängt es aber entscheidend davon ab, was alles zum Genommenen gerechnet w i r d ; 4 J. Schulthes, Die Höhe der Enteignungsentschädigung, S. 76 ff. Wie bei Schulthes näher dargelegt (S. 52 ff.), kann die Entwicklung der Entschädigungspraxis keineswegs als kontinuierlich verlaufend angesehen werden. Vielmehr gab es eine „Epoche der Interessenabwägung", die etwa von 1946 bis 1953 anzusetzen ist u n d erst durch die Gleichheitsargumentation des B G H aus den Angeln gehoben worden ist. 5 So Badura (Fußn. 1); w o h l auch W. Rüfner, Die Berücksichtigung der I n teressen der Allgemeinheit bei der Bemessung der Enteignungsentschädigung, i n : Festschrift f ü r U. Scheuner, 1973, S. 514 f. 8 Es w i r d nicht beachtet, daß die Prämisse schon i n tatsächlicher Hinsicht teilweise falsch ist: auch eine Entschädigung unterhalb des Verkehrswertes k a n n völlige Gleichbehandlung m i t den Nichtenteigneten herbeiführen, wenn diese nämlich infolge einer Bodenvorratspolitik der Gemeinden ebenfalls keine leistungslosen Gewinne erzielen können (vgl. §27 II). 7 E 24, 367,420 f. 8 E 24,422. 9 F. Kreft, Die Bemessung der Enteignungsentschädigung i n der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, DRiZ 1973, S. 335 ff.
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I V . Enteignungsentschädigung u n d Gleichheitssatz
auch bloße Chancen gesteigerter Nutzung? Diese n u r dann, wenn sie rechtlich verbürgt waren oder etwa — so die Grundposition dieser Arbeit — n u r der v o m Leistungsbegriff her bestimmte Bereich des „Genommenen" 1 0 ? I I . Die beiden Gerechtigkeitsebenen
Luhmann hat der Rechtsprechung des B G H zur Enteignungsentschädigung vor fast 10 Jahren vorgeworfen, sie orientiere sich, wenn sie auf den Gleichheitssatz zurückgreife, nicht an dem dieser Verfassungsnorm zugrunde liegenden Gehalt, sondern habe ein „sehr viel naiveres, gleichsam vorneuzeitliches Verhältnis zum Gleichheitsbegriff" 11 . Es ist deshalb auch die Frage gestellt worden, ob der Gleichheitsbegriff der Sonderopfertheorie des Bundesgerichtshofes, die sowohl die Abgrenzung der Enteignungen von den Sozialbindungen wie auch die Verpflichtung zur stets „angemessen" ( = strikten Verkehrswert-) Entschädigung legitimieren sollte, überhaupt auf Art. 3 Abs. 1 GG bezogen w a r 1 2 . Es gibt nur eine denkbare theoretische Möglichkeit, ohne Rückgriff auf den Gleichheitssatz des A r t . 3 GG dem Gesetzgeber entschädigungsrechtliche Gleichheitsbindungen qua Verfassungsrecht aufzuerlegen; dies ist der Rückgriff darauf, daß das Grundgesetz i n Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG zur „gerechten" Entschädigung verpflichtet; gerecht aber, so könnte man argumentieren, ist die Enteignungsentschädigung nur dann, wenn sie nicht zu willkürlichen Entschädigungszuteilungen und -versagungen führt. Ein Abstellen auf die „gerechte" Entschädigung i n dieser Form ist aber nicht tragfähig. Hinter dem „naiven GleichheitsVerständnis" (Luhmann) der — jedenfalls früheren — BGH-Rechtsprechung verbirgt sich i n Wahrheit ein zu einfaches GerechtigkeitsVerständnis. Es verkennt, daß i m Enteignungsrecht der vom Grundgesetz gestalteten Form zwei grundsätzliche und verschiedene Gerechtigkeitsebenen unterschieden werden müssen. Diese Erkenntnis hat auch unmittelbare Konsequenzen für die Frage, wo die Gleichheitsproblematik des Enteignungsentschädigungsrechts verfassungsdogmatisch zu verorten ist. 1. Bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit gesetzlicher Entschädigungsregelungen sind stets zwei Aspekte zu unterscheiden. Zum einen fragt sich, ob für einen einzelnen Betroffenen der gesetzlich angeordnete Entschädigungsbetrag verfassungsrechtlich zulässig ist. Daneben erhebt sich die Frage, ob die vom Gesetzgeber für diesen einzelnen Betroffenen festgelegte Entschädigungsregelung ihn nicht gegenüber anderen ver10
s. dazu oben § 10 I. Luhmann, öffentlichrechtliche Entschädigung rechtspolitisch betrachtet, S. 61. K r i t i k auch bei R. Schneider, Rechtsnorm und I n d i v i d u a l a k t i m Bereiche des verfassungsrechtl. Eigentumsschutzes, VerwArch. Bd. 58 (1967), S. 313. 12 J. H. Kaiser, Verfassungsrechtl. Eigentumsgewähr, in: Staat und P r i v a t eigentum, S. 5 ff., 34, A n m . 140. 11
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gleichbaren Personen rechtlich willkürlich behandelt, ihn diskriminiert. Unterscheidet man diese beiden Kernfragen jeglicher gesetzlicher Entschädigungsregelungen, so kann die Gleichheitsproblematik nicht mehr aus Art. 14 GG heraus beantwortet werden; diese Regelung gibt ja nur die Interessenabwägung als Orientierung an. I n der zweiten Kernfrage muß die Beantwortung sich daher auf Art. 3 GG als diejenige Verfassungsnorm stützen, die generell die Beachtung rechtlicher Gleichbehandlung von Personen gleicher Lage erfordert. Diese Trennung ist unmittelbar einleuchtend, wenn man überhaupt das Abwägungsgebot als eigenständige Entschädigungsregelung ernst nimmt. Denn durch dessen Konkretisierung w i r d zwar für jeden einzelnen Enteignungsfall für sich angegeben, ob das nach A r t . 14 GG geforderte Entschädigungsminimum gewahrt ist oder nicht. Die Frage, ob damit auch unter Gleichheitsgesichtspunkten die jeweilige Entschädigungsregelung verfassungsgemäß ist, läßt sich aber nicht vom Einzelfall her allein entscheiden, sondern setzt Vergleich des jeweils Enteigneten m i t anderen Personen voraus. Deshalb ist die Gleichheitsproblematik i n der Entschädigungsfrage systematisch richtig i n gleicher Weise einzuordnen wie dies bei anderen Grundrechten geschieht, nämlich i n Form einer Funktionsteilung: das einzelne Grundrecht gewährleistet, daß die Rechtstellung des Bürgers i n bestimmtem Umfang geschützt ist; A r t . 3 GG verbietet zusätzlich, daß auch an sich zulässige Einschränkungen den Betroffenen rechtlich w i l l kürlich treffen. Die eben genannte Funktionsteilung ist also eine Funktionsteilung von unterschiedlichen Gerechtigkeitsaufgaben: A r t . 14 Satz 3 GG garantiert, daß i m Verhältnis des Enteigneten zur Allgemeinheit keine ungerechte Abwägung vorgenommen wird. A r t . 3 I GG 1 3 hingegen garantiert, daß i m Verhältnis des Enteigneten zu anderen Privaten vergleichbarer Lage Gerechtigkeit i n Form des Willkürausschlusses gewahrt ist. 2. Die Zuweisung der Gleichbehandlungsanforderungen ausschließlich auf die Begrenzung gesetzlicher Regelungen aus dem Willkürverbot des Art. 3 I GG ist nicht nur aus dem eben angeführten systematischfunktionalen Gesichtspunkt und aus der objektiven Grundgesetzfassung (Art. 14 GG behandelt nur die Gerechtigkeit zwischen den Betroffenen und der Allgemeinheit) geboten. Vielmehr läßt sie sich zusätzlich auch aus der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes belegen. Wie oben i n den §§ 4, 5 und 7 I I dargelegt, läßt sich zwar ein ganzes Bündel von Motiven und sonstigen Hinweisen dafür angeben, daß ein Mittelweg i n der verfassungsrechtlich garantierten Entschädigungshöhe 13
Die speziellen Diskriminierungsverbote der Abs. 2 und 3 des A r t . 3 GG spielen i m Enteignungsrecht praktisch keine Rolle.
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I V . Enteignungsentschädigung u n d Gleichheitssatz
vorgeschrieben wurde. Die Gleichheitsproblematik hingegen wurde bei der Beratung der Funktion der Interessenabwägung und der Festlegung des verfassungsrechtlichen Entschädigungsminimums nicht nur als nicht ausschlaggebendes K r i t e r i u m angesehen, sondern nachweislich kaum gestreift. Es gibt sogar Indizien, daß man gegebenenfalls bereit war, Ungleichbehandlungen i n Kauf zu nehmen, wenn die Berücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit dies erforderte 14 . Daraus kann zwar nicht der Schluß gezogen werden, daß die Gleichheitsproblematik für die Entschädigungsregelung irrelevant sein sollte. Wohl aber ist daraus zu ersehen, daß auch i m Entschädigungsrecht die Gleichbehandlungsproblematik nicht spezifisch durch die Interessenabwägung erfaßt sein, sondern grundsätzlich so behandelt werden sollte, wie dies auch bei anderen Grundrechten der Fall ist. Dies wiederum geschieht dadurch, daß man auch i n der Entschädigungsfrage die Gleichheitsproblematik dem A r t . 3 GG zuweist. 3. Aus dieser Funktionsteilung zwischen A r t . 14 GG und Art. 3 I GG m i t grundsätzlicher Anerkennung eines Entschädigungsspielraumes aus A r t . 14 GG ergibt sich eine veränderte Situation für den Gesetzgeber. Der Gleichheitsgesichtspunkt w i r k t nur relativ. Der Zugriff auf Vermögenswerte oberhalb des Leistungsäquivalentes ist dem Gesetzgeber zwar nicht schlechthin erlaubt, steht aber, da Art. 14 GG ja insoweit keine absolute Wertgarantie erhält, nur unter einem Nivellierungsvorbehalt aus Art. 3 GG. Der Gleichheitssatz ist, um einen treffenden Ausdruck von Salzwedel aufzugreifen 15 , „akzessorisch". Er sichert niemandem ein Recht oder eine staatliche Leistung, sondern vermag nur zu garantieren, daß nicht rechtlich unsachlich andere von einer Belastung ausgenommen werden bzw. bestimmten Personen Begünstigungen verwehrt bleiben, wenn sie anderen zuerteilt werden. Hiermit wandelt sich der verfassungsrechtliche Bezugspunkt für den Gesetzgeber i n erheblichem Maß. Das gilt insbesondere für die Lösung der bodenrechtlichen Fragen. Denn die Verfassungsbeachtung w i r d i n 14 I n der Begründung zu einem A n t r a g der DP v o m 16.12.1948, Drs. 402 findet sich zum A n t r a g Β die Ausführung, daß „beim Ausnahmefall der Interessenabwägung dem Betroffenen ein Opfer zugunsten der Allgemeinheit bei besonderer Veranlassung" zugemutet werden könne. Damit dürfte gemeint sein, daß der Betroffene durchaus auch nach der i m Pari. Rat stets unterlegenen Minderheit i n diesem F a l l weniger als ein Nichtenteigneter gleicher Lage bekommen könne. Anzeichen dafür, daß die obsiegende Mehrheit i m Pari. Rat neben dem Ziel, die Allgemeinheit v o r zu großen Entschädigungsbelastungen zu bewahren, auch Gleichheitsgesichtspunkte von A r t . 14 GG erfaßt sehen wollte, habe ich i n den Protokollen zur Beratung des Grundgesetzes (Bibliothek des Deutschen Bundestages) überhaupt nicht finden können. 15 Salzwedel, Gleichheitsgrundsatz u n d D r i t t w i r k u n g , i n : Jahrreiß-Festschrift 1964, S. 339, 342.
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der Gleichheitsfrage gewissermaßen zu einem technischen Problem. Art. 14 GG gibt dem Gesetzgeber an, wieweit er überhaupt gehen darf; zusätzlich hat er die m i t der Ausnutzung des Entschädigungsspielraumes auftretenden Gleichheitsprobleme zu lösen.
I I I . Die Vergleichsebenen des enteignungsrechtlichen Innen- und Außen Verhältnisses
Was bedeutet es i m Enteignungsrecht, wenn der Gleichheitssatz „akzessorischer" Natur ist? Es müssen i m Enteignungsentschädigungsrecht, wie auch sonst allgemein bei Anwendung des Gleichheitssatzes, Vergleichspaare gebildet werden. Diese Erkenntnis führt dazu, daß zwei grundsätzliche Vergleichsebenen unterschieden werden müssen, w i l l man überhaupt i n den Griff bekommen, welche Gleichheitsprobleme es zu lösen gilt, wenn das Interessenabwägungsgebot des Art. 14 GG aktualisiert wird. W i r können die beiden Vergleichsebenen begrifflich als den Vergleich i m enteignungsrechtlichen (oder entschädigungsrechtlichen) „Innenverhältnis" und i m enteignungsrechtlichen „Außenverhältnis" oder kurz als „interne" und „externe" Vergleichsproblematik bezeichnen. M i t der Unterscheidung ist folgendes gemeint. Wenn der Gesetzgeber von dem i h m nach A r t . 14 Abs. 3 GG zustehenden Entschädigungsspielraum Gebrauch macht, so kann zum einen der Fall eintreten, daß er zwar i n einigen, nicht aber i n allen gleichgelagerten Fällen von der Entschädigungsreduzierung unterhalb des Verkehrswertes Gebrauch macht. Eine analoge Problematik liegt vor, wenn der Gesetzgeber zwar allgemein unterhalb des Verkehrswertes bleibt, aber nur i n einigen Fällen v o l l den Entschädigungsspielraum ausschöpft, i n anderen gleichartigen Fällen indes in geringerem Maße die Entschädigung unterhalb des Verkehrswertes ansetzt. I n beiden Fallgruppen w i r d ein Enteigneter m i t besonders ungünstiger Entschädigungsregelung sich fragen, warum er i m Vergleich zu anderen Enteigneten schlechter behandelt wird, obwohl jeweils die gleiche Sachlage vorliegt. Neben dem Vergleich eines einzelnen Enteigneten m i t anderen Enteigneten gleicher Lage ist stets i n der Entschädigungsfrage eine zweite Vergleichsebene gegeben und zu berücksichtigen. Macht der Gesetzgeber von seinem Entschädigungsspielraum bei Enteignungen Gebrauch, so kann (muß aber nicht unbedingt) eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung auch gegenüber Nichtenteigneten gleicher Lage eintreten. Jeder von einer Enteignung Betroffene wird, wenn er nur nach Leistungskriterien entschädigt wird, andere Personen vergleichbarer Lage aber nicht enteignet werden, sich fragen, welcher sachliche Grund angegeben werden kann, warum diese anderen Personen den Vermögenswert
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I V . Enteignungsentschädigung u n d Gleichheitssatz
des jeweiligen Gutes oder Rechtes auch dann (insbesondere durch Verkauf) realisieren können, wenn er nicht (oder teilweise nicht) auf Leistungen zurückgeführt werden kann. Wenn man die gesamte Gruppe von jeweils Enteigneten gleicher Lage zusammenfaßt, findet der Vergleich innerhalb des Kreises der Enteigneten durch Gegenüberstellung der jeweils geltenden Entschädigungsregelung statt. Aus diesem Grunde kann man die jeweilige Gleich- bzw. Ungleichbehandlung als eine solche i m „enteignungsrechtlichen Innenverhältnis" bzw. kurz als „interne" Gleichbehandlung bezeichnen. W i r d hingegen ein einzelner Enteigneter nicht mit einem anderen Enteigneten sondern m i t einem Nichtenteigneten verglichen, so verläßt der Vergleich den Kreis der Enteigneten; daher kann hier von Gleich- und Ungleichbehandlung i m „enteignungsrechtlichen Außenverhältnis" gesprochen werden 1 6 . Es liegt auf der Hand, daß der Vergleich eines Enteigneten m i t anderen Personen i m „Innenverhältnis" und i m „Außenverhältnis" sich auf eine völlig verschiedene Gleichbehandlungsproblematik bezieht. Infolgedessen ist die Schutzfunktion des Art. 3 I GG für beide Vergleichsebenen ganz unterschiedlich. I m Innenverhältnis zwingt der Gleichheitssatz des A r t . 3 I GG dazu, daß der Gesetzgeber die Entschädigungsregelung so einrichten muß, daß der Spielraum nicht nur auf einzelne Enteignete angewendet wird. Die Kontrollfunktion des A r t . 3 I GG führt hier also insbesondere zu einem Konsequenzgebot: Wenn der Gesetzgeber von dem Entschädigungsspielraum nach dem Leistungskriterium Gebrauch macht, dann muß er die Entschädigungsregelung so einrichten, daß eine gleichmäßige Ausnutzung des Entschädigungsspielraumes i n dem jeweiligen Anwendungsgebiet erreicht wird. I m enteignungsrechtlichen Außenverhältnis hingegen ergibt sich als Konsequenz des Gleichheitssatzes, daß der Gesetzgeber i n einer m i t A r t . 3 GG vereinbarten Weise von dem durch Art. 14 GG eingeräumten Entschädigungsspielraum nur dann Gebrauch macht, wenn damit keine unsachliche Benachteiligung gegenüber Nichtenteigneten i m rechtlichen Sinn verbunden ist. I V . Verdrängt Art. 14 GG den Gleichheitssatz?
Die hier eingenommene, i n den folgenden beiden §§ 26 und 27 näher konkretisierte Grundposition setzt sich allerdings i n Widerspruch zu 16 Der Name f ü r die hier gewählte Unterscheidung ist nicht entscheidend. Wichtig ist nur, daß stets k l a r beide Vergleichsebenen unterschieden werden.
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einer vor allem i n den letzten Jahren 1 7 , gelegentlich auch schon früher 1 8 und — interessanterweise — in der Weimarer Reichsverfassung analog schon von M. Wolff 19 vertretenen Auffassung. Nach dieser Auffassung hat das Interessenabwägungsgebot i n A r t . 14 GG zur Folge, daß bei der Regelung von Enteignungsentschädigungen durch den Gesetzgeber dieder sich nicht an die Bindungen zu halten hat, die sonst dem Gesetzgeber nach A r t . 3 Abs. 1 GG auferlegt sind. Man könnte hier von einer Dispenstheorie sprechen, da aus Art. 14 GG eine Dispens von eigentlich zu beachtenden Grundrechtsbindungen des Gesetzgebers entnommen wird. Als logische Konstruktion, mit der die rechtliche Verdrängungswirkung begründet wird, w i r d darauf zurückgegriffen, daß Art. 14 GG durch die Einführung der Interessenabwägung zu erkennen gegeben hat, daß hier eine lex specialis zu Art. 3 Abs. 1 GG getroffen worden ist 2 0 . Diese scharfe Abtrennung der Entschädigungsfrage von jeglicher Gleichheitsbindung vermag nicht zu überzeugen. Die rein formale Entgegensetzung der Interessenabwägung gegenüber dem Gleichheitssatz reicht als Begründung nicht aus, wenn auch i n Teilbereichen dieser Theorie richtige Erwägungen zugrunde liegen. Richtig an dem Grundansatz der Dispenstheorie ist die Erkenntnis, daß das Interessenabwägungsgebot nicht durch den Rückgriff auf den Gleichheitssatz überspielt werden darf. Aber dieser Erkenntnis kann man Genüge tun, indem man den Gesetzgeber i n der Entschädigungsfrage — anders als es die frühere BGH-Rechtsprechung getan hatte — nicht stärkeren Gleichheitsbindungen unterwirft, als dies sonst der Fall ist. Das bekommt zentrales Gewicht durch den Umstand, daß der Gesetzgeber auch i m Entschädigungsrecht nur verpflichtet ist, auf rechtliche Regelungen zurückgehende Benachteiligungen der Enteigneten gegenüber den Nichtenteigneten zu vermeiden (dazu anschließend V). Hinzu kommt noch ein weiterer gewichtiger Grund. Aus den genannten Stellungnahmen zugunsten der hier sog. Dispenstheorie ist nicht klar ersichtlich, welche Konsequenzen sie aus ihrer These i m einzelnen ziehen. Offenbar soll vor 17 Ernst, Rechtsfragen des Städtebauförderungsgesetzes, 1970, S. 29 f.; GEWOS-Gutachten „Verfassung, Städtebau, Bodenrecht", Rdnr. 80 ff., 90, 105 f.; w o h l zweifelnd Bielenberg, Städtebauförderungsgesetz, K o m m . 1973, Einl. B. Rdnr. 100, 116 f.; stärker aber ders., Urteilsanmerkung i n Bonath, Entsch. zum Planungsrecht, V, B G H 5.67 (I): Danach sei der Gleichheitssatz i n der Planung selbst zu beachten; er diene dann dazu, der Planungshoheit der Gemeinden Grenzen zu setzen. Der Gleichheitssatz könne aber nicht herangezogen werden, u m Vermögenswerte, die nicht nach A r t . 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützt sind, entschädigungspflichtig zu machen. 18 So w o h l Schulthes, Die Höhe der Enteignungsentschädigung, 1965, S. 72 ff. 19 M. Wolff, Reichsverfassung u n d Eigentum, Kahlfestschrift, 1923, S. 18 unter Bezugnahme auf A r t . 155 Abs. 3 WRV. 20 Vgl. Bielenberg, Städtebauförderungsgesetz, Komm., Einl. B, Rdnr. 100, 116 f.
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I V . Enteignungsentschädigung und Gleichheitssatz
allem der Vergleich m i t der Lage der Nichtenteigneten ausgeschaltet werden, um hierdurch eine zu starke Beschränkung des Entschädigungsspielraums des Gesetzgebers zu vermeiden. Wenn man Art. 14 GG als lex specialis zu A r t . 3 Abs. 1 GG ansieht, hat das aber viel weitergehende Folgen. Damit w i r d der Gesetzgeber zugleich auch von den Bindungen i m enteignungsrechtlichen Innenverhältnis freigestellt; d. h. daß der Gesetzgeber, solange er sich nur i m Spielraum des Art. 14 Abs. 3 GG bewegt, verschiedene Enteignete i n unterschiedlicher Weise entschädigen kann, ohne daß dem aus A r t . 3 I GG irgendwelche Grenzen gezogen sind. Die totale Beseitigung von Gleichheitsbindungen i m Enteignungsentschädigungsrecht durch formales Abstellen auf eine lex specialis-Konstruktion erscheint dann aber nicht schlüssig. Gerade wenn man dem Gesetzgeber einen Entschädigungsspielraum aus Art. 14 GG einräumt, bedarf es der besonderen Schutzfunktion des Art. 3 Abs. 1 GG, damit seine Inanspruchnahme nicht i n W i l l k ü r ausartet. V. Welche Bindungen legt Art. 3 GG auf?
Da entschädigungsrechtlich weder A r t . 14 GG als lex specialis zu Art. 3 Abs. 1 GG anzusehen ist noch andererseits das Grundgesetz für die Enteignungsentschädigung eine überschießende Gleichheitsbindung anordnet, ergibt sich als logische Konsequenz: Der Gesetzgeber ist nicht mehr und nicht weniger Bindungen i m Recht der Enteignungsentschädigung unterworfen, als er sonst bei gesetzlichen Regelungen zu beachten hat. Was bedeutet dies konkret? 1. Die Frage, wann eine gesetzliche Regelung als gleichheitswidrig i. S. einer Verletzung von Art. 3 I GG anzusehen ist, ist bisher noch alles andere als geklärt anzusehen. Vielmehr sind gerade i n neuerer Zeit die Auffassungen i n Bewegung geraten 21 . Das Bundesverfassungsgericht ist über gewisse stereotype Formeln bisher k a u m hinausgekommen. Das liegt nicht zuletzt w o h l auch daran, daß die Rechtswissenschaft einen entscheidenden Durchbruch i n der Frage, w a n n W i l l k ü r l i c h k e i t oder Unsachlichkeit gesetzlicher Regelungen vorliegt, bisher ebenfalls noch nicht zu verzeichnen hat. Nach dem BVerfG verbietet A r t . 3 I GG als allgemeines W i l l k ü r v e r b o t die Ungleichbehandlung gleicher oder i m wesentlichen gleicher Tatbestände und gebietet die Ungleichbehandlung u n gleicher Tatbestände 2 2 . Oder kurz: Gleiches sei gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln 2 3 . Die Unschärfe dieser Abgren21 s. dazu neuerdings Dürig, i n : Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 3 Abs. 1, Erl. X = Rdnrn. 275 ff. 22 Vgl. BVerfGE 1, 14, 52; 4, 144, 155; 9, 201, 206; 16, 6, 24 f.; einschränkend 4, 31 ff.; 20, 31, 33. Vgl. auch B V e r w G E 7, 325, 329; 18, 324, 328; 19, 68, 74; B G H Z 50,
180,188.
23 So die v o m BVerfG oft herangezogene Formulierung, vgl. BVerfGE 3, 58, 135; 4,144,155; 15,167, 201 ; 23, 98,107; 27, 364, 371.
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zungskriterien ist die Ursache dafür, daß, gerade i n neuester Zeit, v ö l l i g k o n träre Schlußfolgerungen aus ihnen gezogen werden. Einerseits w i r d A r t . 3 I GG infolge der bloßen Willkürbeschränkung als gänzlich verharmlost qualifiziert 2 4 , von anderer Seite wiederum w i r d der Rückkehr zur bloßen Rechtsanwendungsgleichheit das Wort geredet, w e i l der Rückgriff auf die Gleichheitsbindungen des Gesetzgebers überzogen worden sei 25 . Andere wiederum betrachten den Gleichheitssatz als „semantisch gehaltlos" u n d leiten aus i h m n u r eine Anweisung an den Richter ab, nach einem sachlichen G r u n d f ü r die Differenzierung zwischen verschiedenen Gruppen zu suchen 26 .
Die genannte Auffassung Eyermanns w i r d sich wohl (mit Recht) nicht durchsetzen können. Eine Reduzierung des Gleichheitssatzes auf die bloße Rechtsanwendungsgleichheit (d. h. volle Freistellung des Gesetzgebers von Gleichheitsbindungen außer der Abs. 2 und 3 des A r t . 3 GG) nimmt dem allgemeinen Gleichheitssatz seine eigentliche Funktion; die Rechtsanwendungsgleichheit ergibt sich wohl schon aus dem i n A r t . 20 GG enthaltenen Gebot der Bindung der Verwaltung und Gerichte an die Gesetze. Wenn auch i m übrigen bei dem bisherigen Stand der Gleichheitsproblematik vieles unklar bleibt — eine feste Kontur ist dem Gleichheitssatz jedenfalls zu entnehmen. Anders als etwa i m Arbeitsrecht 27 ist nicht schon die bloße tatsächliche Ungleichbehandlung von verschiedenen Gruppen geeignet, GleichheitsWidrigkeit i. S. eines Verstoßes gegen A r t . 3 I GG zu begründen. Nicht tatsächliche Gleichheit w i r d von A r t . 3 I GG geboten, sondern es wird, unter der Voraussetzung ihrer tatsächlichen Verschiedenartigkeit, eine Differenzierung von Personen oder Gruppen von Personen i n rechtlicher Hinsicht untersagt, sofern sachliche Gründe hierfür nicht angebbar sind. „Das Gleichheitspostulat der Verfassung besteht eben gerade darin, daß trotz ihrer tatsächlichen Verschiedenartigkeit die Menschen rechtlich in bestimmten Beziehungen gleichbewertet werden sollen 28 ." 24 Häberle, Referat „Grundrechte i m Leistungsstaat", V V D S t R L H. 30 (1972), S. 120. 25 Eyermann, Gleichheitssatz, Wurzel des Willkürverbots? i n : Festschrift zum 25jährigen Bestehen des BayVerfGH, 1972, S. 45 ff. 26 So (in Anlehnung an Luhmann), Podlech, Gehalt u n d Funktionen des a l l gemeinen verfassungsrechtl. Gleichheitssatzes, S. 77 ff. 27 Vgl. dazu Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. 1, 7. Aufl., 1963, S. 413 ff.; A. Söllner, Arbeitsrecht, 3. Aufl., 1973, S. 220 jeweils m. w . Nachweisen. Die Basis i m Arbeitsrecht einerseits u n d i n den sonstigen Rechtsdisziplinen (auch i m Enteignungsrecht) andererseits ist auch eine ganz v e r schiedene: I m Arbeitsrecht stellen die Arbeitnehmer eine Betriebsgemeinschaft dar; zwischen einzelnen Enteigneten u n d Nichtenteigneten fehlt es an jeglichem Gemeinschaftscharakter. 28 Dürig, i n : Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 3 Abs. 1 Rdnr. 1; zur näheren theoretischen Begründung der bloß rechtlichen Gleichbehandlung jetzt grundlegend Podlech, S. 33 ff.
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I V . Enteignungsentschädigung u n d Gleichheitssatz
Das hat, wie schon kurz angedeutet, ganz zentrale Konsequenzen gerade i m Enteignungsrecht. I m Verhältnis von Enteigneten untereinander (Innenverhältnis) sind Unterschiede i n vermögensmäßiger Hinsicht, d. h. durch Auszahlung verschiedenartiger Beträge immer solche rechtlicher A r t . Denn sie beruhen ja ausschließlich und i n vollem Umfang auf den gesetzlichen Regelungen. Ganz anders ist es hingegen i m Verhältnis von Enteigneten zu Nichtenteigneten. Hier ist, wenn der Gesetzgeber durch Inanspruchnahme des Entschädigungsspielraumes des A r t . 14 GG die Entschädigung reduziert, ein bestehenbleibender Unterschied zwischen Enteigneten und Nichtenteigneten zwar nicht immer, aber weitgehend nicht auf rechtliche, sondern auf tatsächliche Vorgänge zurückzuführen. Davon w i r d noch i m einzelnen die Rede sein (vgl. § 27). Die bloße tatsächliche Ungleichheit vermag aber einen Verstoß gegen A r t . 3 Abs. 1 GG nicht zu begründen. Kann der Gesetzgeber auch solche tatsächlichen Ungleichheiten vermeiden — um so besser; i n diesem Fall w i r d die Inanspruchnahme des Entschädigungsspielraumes des Art. 14 Abs. 3 GG auch politisch leichter durchzusetzen sein. Eine Pflicht dazu, neben rechtlichen auch tatsächliche Unterschiede voll auszugleichen, besteht nach Art. 3 I GG aber nicht 2 9 . Was folgt bei Trennung zwischen tatsächlicher und rechtlicher Ungleichbehandlung weiterhin aus dem Verbot unsachlicher rechtlicher Differenzierung? I h m ist ein Kerngehalt der Bindung des Gesetzgebers aus dem Gleichheitssatz zu entnehmen. Dies ist der Grundsatz der Beachtung systemgerechter Lösungen von Sachproblemen durch die Legislative. Der Gesetzgeber darf zwar, wenn sachliche Gründe dafür angebbar sind, i n seinen Regelungen differenzieren; Rechtsordnungen sind, um effektiv zu sein, sogar darauf angewiesen, Menschen rechtlich verschieden zu behandeln 30 . Soweit der Gesetzgeber aber die Rechtsunterworfenen differenziert behandelt, muß er dies in konsistenter Weise durchführen 31. Für die Enteignungsentschädigung bedeutet dies, daß der Gesetzgeber keineswegs anordnen oder zulassen darf, daß i m Einzelfall einer Enteignung die Entschädigung geringer angesetzt werden darf, als der Verkehrswert der Sache ist. Vielmehr muß er Gruppen von Enteigneten bilden. Nur wenn aufgrund bestimmter konsistenter Erwägungen ein sachlicher Grund angebbar ist, diese Gruppe von Enteigneten rechtlich anders als andere Gruppen von Enteigneten zu behandeln und zugleich i m Verhältnis zu Nichtenteigneten keine rechtliche, un29
So auch neuerdings w o h l Rüfner, Festschrift für U. Scheuner, 1973, S. 523. Podlech, S. 43 f. 31 Luhmann, öffentlichrechtliche Entschädigung, S. 59; Schmidt-Assmann, Probleme des modernen Städtebaus i n verfassungsrechtlicher Sicht, DVB1.1972, S. 627. Grundsätzlich zur Systemgerechtigkeit außerhalb des Enteignungsrechts s. auch Lange, Systemgerechtigkeit, Die V e r w a l t u n g 1971, S. 259 ff. 30
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sachliche Differenzierung vorliegt, hat die Entschädigungsreduzierung unterhalb des Verkehrswertes Bestand. Das läuft, da andernfalls kaum Sachlichkeit der Differenzierung zwischen einzelnen Gruppen nachweisbar ist, darauf hinaus, daß der Gesetzgeber vor allem Funktionsgruppen bilden darf, wenn er vom durch A r t . 14 GG eingeräumten Entschädigungsspielraum Gebrauch machen w i l l . D.h.: wenn bei Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben die Bemessung der Enteignungsentschädigungen von unmittelbarer Relevanz ist, darf der Gesetzgeber die hierbei betroffenen Grundstückseigentümer als eigenständige Gruppe behandeln, die nach spezifischen, aus der Sachlage dieser Gruppe entnommenen Kriterien entschädigt wird. 2. Das Verhältnis der Enteigneten zu den Nichtenteigneten stellt eines der neuralgischen Punkte des Enteignungsrechts dar. Die hier vertretene Position der bloßen Orientierung an rechtlicher, nicht notwendig tatsächlicher Gleichheit zwischen Enteigneten und Nichtenteigneteri schwächt das Gebot der Gleichbehandlung beider Gruppen erheblich ab. Nachdem die bisherige Enteignungsrechtspraxis sich — jedenfalls der Theorie nach — i m Verhältnis der Enteigneten zu den Nichtenteigneten an der Gleichheit auch i n tatsächlicher Hinsicht orientiert hatte, w i r d es gewiß starke Widerstände gegen die Position der Orientierung an bloßer Rechtsgleichheit geben. Die Gegenmeinung sollte aber nicht nur bedenken, daß sie aus Art. 3 GG für die Entschädigungsfrage strengere Rechtsfolgen herleiten w i l l , als allgemein sonst dem Gleichheitssatz entnommen werden. Sie sollte sich darüber hinaus fragen, ob es nicht eine innere, sachlogische Rechtfertigung der bloß beschränkten Gleichheitsbindung i m Enteignungsentschädigungsrecht gibt, die vorschnellen Billigkeitsargumentationen die Grundlage entzieht. Betrachtet man die Stellungnahmen zur Enteignungsentschädigung, die aus Gerechtigkeitserwägungen für eine strikte Bindung an den Verkehrswert plädieren, so könnte man den Eindruck gewinnen, der Kontroverse „ Interessenabwägungsaktualisierung/strikte Marktwertorien-^ tierung" liege folgende Problemkonstellation zugrunde: Wer die Interessenabwägung betont, gewährt der Allgemeinheit zwar Entschädigungserleichterung und behandelt die Entschädigungsbestimmung des Grundgesetzes als neuartige Regelung, so wie es 1949 gedacht war; er nimmt dafür aber eine Fülle willkürlicher vermögensmäßiger Ungleichbehandlungen i n Kauf. Wer umgekehrt weiter strikt an der Marktwertorientierung festhält, behandelt die Interessenabwägung zwar als Fortführung der „angemessenen" Entschädigungspflicht (entgegen der 1949 damit verbundenen Intention); dafür aber erreicht er, daß auch i n tatsächlicher Hinsicht, insb. auch i m Bodenrecht, zwischen verschiedenen Enteigneten einerseits wie auch zwischen Enteigneten und Nichtenteigneten und zwi-
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I V . Enteignungsentschädigung und Gleichheitssatz
sehen verschiedenen Nichtenteigneten unbillige Unterschiede der vermögensmäßigen Zuordnung von Werten vermieden werden. Gerade die Entwicklung i m Bodenrecht hat aber gezeigt, daß von einer Gewähr umfassender tatsächlicher Gleichbehandlung, die — sei es auch nur i m Regelfall — von willkürlichen, d. h. den einzelnen zufällig treffenden Vermögenszuordnungen frei ist, keine Rede sein kann. Die bisher geübte Bodenrechtspraxis, wie sie namentlich zur Rechtfertigung der Konzeption des Bundesbaugesetzes diente, ist zwar unter dem Panier des Ausschlusses zufälliger Vermögenszuweisungen angetreten, hat jedoch die Aufgabe, deren Erfüllung ihre Rechtfertigungsgrundlage war, nicht bewältigen können. Das bisherige System des Bodenrechts ist vielmehr von einer Fülle von Ungleichbehandlungen in tatsächlicher Hinsicht beherrscht. Dazu gehören z. B. die bekannten Ungleichbehandlungen als Folge der sog. Vorwirkung von Enteignungen. Dazu gehört weiterhin der Umstand, daß die Zuteilung der Baulandqualität für bestimmte Gemarkungen von Grundstücken unter übergeordneten Gesichtspunkten entschieden w i r d und damit zu völlig willkürlichen, aus der Sicht des einzelnen Grundstückseigentümers zufälligen Vermögensbeschenkungen führt. Die Beispiele ließen sich vermehren. Zusammenfassend ist demnach zu sagen: das Gerechtigkeitsgefühl sollte man als Gegenargument gegen das Gebot bloß rechtlicher Gleichbehandlung zwischen Enteigneten und Nichtenteigneten nicht ohne weitere Prüfung sprechen lassen; die geltende Bodenordnung ist, wie zum Teil von den an den Planungsprozessen Beteiligten auch schon vor Jahren drastisch formuliert worden w a r 3 1 3 , von einer Fülle von Ungerechtigkeiten beherrscht. Daraus sollte man, wie dargelegt, zwar nicht den Schluß ziehen, der Gleichheitssatz habe i m Bodenrecht nichts zu suchen; man sollte sich aber vor der Illusion hüten, man könne überhaupt, soweit es Privateigentum an Grund und Boden gibt, umfassend volle Gleichbehandlung i n tatsächlicher Hinsicht erreichen. V I . Die Rechtsfolgen der Verletzung von Art. 3 1 GG
W i r kommen zum Schluß der Behandlung von Grundsatzfragen der entschädigungsrechtlichen Gleichheit. Ein grundsätzliches Problem bedarf noch der Klärung. Es ist dies die Frage, wie die Rechtsfolgen einer Verletzung des Gleichheitssatzes durch Entschädigungsregelungen zu bestimmen sind. 31a Vgl. hierzu z. B. die Äußerungen der Bodenrechtspraktiker i n der Schlußansprache der Tagung der Hochschule Speyer über Städteerneuerung u n d Eigentumsordnung: das geltende Bodenrecht zwinge die Planer zu krassen vermögensmäßigen Ungleichbehandlungen; s. Städteerneuerung und Eigentumsordnung, 1964, S. 255.
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1. Gesteht man der Regelung des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG (Interessenabwägung) und dem Gleichheitssatz unterschiedliche, weil auf eigenständige Schutzfunktionen bezogene Bindungswirkungen zu, dann hat dies auch unmittelbare Konsequenzen für die Rechtsfolgen bei Verletzung der beiden Bestimmungen. Verletzt ein Gesetz die Regelung des Art. 14 GG, indem es zuwenig an Entschädigung (Unterschreitung des Minimums des Art. 14 GG) oder überhaupt keine Entschädigung gewährt, so führt dies zur absoluten Verfassungswidrigkeit der Entschädigungsregelung. Ganz anders steht es bei Verletzungen des Gleichheitssatzes des Art. 3 I GG durch Entschädigungsregelungen. Sie können, da der Schutz von leistungsbezogenen Werten ja schon durch A r t . 14 GG garantiert ist, insb. auf zweierlei zurückgehen. Entweder hat der Gesetzgeber i n sachlich nicht begründbarer Weise verschiedene Enteignete entschädigungsrechtlich unterschiedlich behandelt; dies z. B., indem er willkürlich bei einigen von der Entschädigungsreduzierungsermächtigung des Art. 14 GG Gebrauch macht, bei anderen aber nicht. Oder aber es werden ohne sachlichen Grund Enteignete und Nichtenteignete gleicher Lage rechtlich verschieden behandelt; dies z. B. dadurch, daß erforderliche „flankierende Maßnahmen" wie z. B. Abschöpfungen von Planungsgewinnen bei den Nichtenteigneten unterlassen worden sind (das ist aber keineswegs immer nach A r t . 3 GG geboten, vgl. § 27). I n beiden Fällen ist zu beachten, daß hier jeweils der Gleichheitsverstoß darin besteht, daß Begünstigungen sich nur auf die eine, nicht auch auf die andere Gruppe erstrecken. Nach den allgemeinen, i n der Bundesverfassungsrechtsprechung entwickelten Grundsätzen 32 gilt für solche Fälle, daß die Feststellung der Nichtigkeit einer Entschädigungsregelung nur dann zulässig ist, wenn mit Sicherheit anzunehmen ist, „daß der Gesetzgeber bei Beachtung des A r t . 3 GG die verbleibende Fassung gewählt, also das Gesetz auf alle i n A r t . 3 GG zu berücksichtigenden Grup-
32 Vgl. BVerfGE 27, 220, 230 f.; 28, 227, 242 f.; zu früheren Entscheidungen s. BVerfGE 23, 1, 10 f. m. w. Nachweisen. Einschränkend m i t der Tendenz, m i t telbar eine allgemeine Besserstellung erzwingen zu wollen, Dürig, i n : Maunz/ Dürig/Herzog, A r t . 3 Abs. 1, Rdnr. 351 ff.; das w i r d der Relativität des Gleichheitsgebots w o h l nicht gerecht. Die spezielle Rechtsfolgewirkung f ü h r t allerdings partiell zu gewissen Schwierigkeiten, die noch nicht als befriedigend gelöst angesehen werden können. Dazu gehört insb. die Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer konkreten Normenkontrollklage wegen Gleichheitsverstoßes nach A r t . 100 GG. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. E 8, 28, 35 ff.; 14, 308, 311; 15, 121, 125 f.; 21, 329, 337 f.) ist i n der Regel eine Vorlage nach A r t . 100 GG unzulässig; das Untergericht muß also trotz Verfassungswidrigkeit der Regelung entscheiden, statt auszusetzen; dagegen zu Recht R. Schneider, Rechtsschutz gegen verfassungswidriges Unterlassen des Gesetzgebers, AöR Bd. 89 (1964), S. 44 f.; Dürig, i n : Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 3 Abs. 1, Rdnr. 360.
19 Opfermann
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pen erstreckt haben würde" 3 3 . I n aller Regel kann eine solche Situation nicht angenommen werden. Das gilt auch für Verstöße gegen den Gleichheitssatz durch Entschädigungsregelungen. Differenziert z. B. der Gesetzgeber unsachlich zwischen mehreren Entschädigungsberechtigten i n der Weise, daß nur bei einigen, nicht aber bei allen Enteigneten der Entschädigungsspielraum ausgenutzt wird, dann kann der Gesetzgeber sich überlegen, ob er bei Feststellung des Gleichheitsverstoßes die Entschädigungsreduzierung auf beide Gruppen erstreckt oder aber bei der ungünstiger gestellten Gruppe aufhebt. Ebenso hat der Gesetzgeber, wenn er aus Art. 3 I GG verpflichtet sein sollte, bei Nichtenteigneten flankierende Maßnahmen anzuordnen, dies aber unterlassen hat, die beiden Alternativen, letzteres durchzuführen oder aber die Enteigungsentschädigung entsprechend zu erhöhen. 2. Als logische Konsequenz des aufgezeigten grundsätzlichen Rechtsfolgenunterschiedes einer Verletzung von Art. 14 Abs. 3 GG durch Unterschreitung des Entschädigungsminimums und einer Verletzung von A r t . 3 I GG ergibt sich, daß auch i m Verhältnis zur Junktimklausel des A r t . 14 GG ein grundsätzlicher Unterschied zu machen ist. Das Junktimgebot des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG bezieht sich erkennbar nur auf das Interessenabwägungsgebot des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG. Daraus muß geschlossen werden, daß bloße Verletzungen des Gleichheitssatzes des Art. 3 I GG die aus der Junktimklausel entnommenen Rechtsfolgen nicht auslösen. Bewegt sich daher eine Entschädigungsregelung i m Spielraum des Art. 14 Abs. 3 GG, verletzt aber den Gleichheitssatz, so ist keineswegs die Eingriffsermächtigung zur Enteignung damit beseitigt. Diese Unterscheidung entlastet i n der Praxis natürlich den Gesetzgeber ganz erheblich, ohne indes der Junktimklausel ihre Funktion zu nehmen; denn für alle Verletzungen des Entschädigungsgebotes des Art. 14 GG bleibt sie respektiert. Wenn man gleichwohl die Unterscheidung zwischen den dargelegten heterogenen Funktionsebenen der Abwägungsbindung und Gleichheitsbindung (einschließlich der wesentlichen Unterschiede der Rechtsfolgen der jeweiligen Verletzung) als nicht ausreichende Begründung für eine so weitreichende Begrenzung der Wirkungsweite der Junktimklausel ansehen sollte, so wäre ein weiterer Umstand zu bedenken: Nach dem neueren, vom Verfasser voll geteilten Auslegungsverständnis des Bundesverfassungsgerichts 34 kommt bei der Auslegung grundrechtlicher Bestimmungen der Entstehungsgeschichte des Grund33 BVerfGE 8, 28, 37. Einen solchen Fall nahm das BVerfG z. B. i n E 27, 220 an: Einbezug der Sozialhilfeempfänger i n den Kreis der Wohngeldberechtigten; nach Dürig, Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 3, Abs. 1, Rdnr. 367 handelte es sich u m einen „absoluten Grenzfall", da durch richterliche Ausdehnung i m m e r h i n 773 000 neue Empfangsberechtigte hinzukamen. 34 BVerfGE 27, 71, 84.
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gesetzes j e d e n f a l l s d a n n besondere B e d e u t u n g zu, w e n n es sich u m neuartige V e r f a s s u n g s b e s t i m m u n g e n h a n d e l t . Es erscheint als besonders ger e c h t f e r t i g t , diesen G r u n d s a t z b e i d e r A u s l e g u n g des Grundgesetzes z u r B e s t i m m u n g der R e i c h w e i t e der J u n k t i m k l a u s e l a n z u w e n d e n ; d e n n w e n n es i m B e r e i c h des A r t . 14 Grundgesetz ü b e r h a u p t eine N o r m g i b t , die als n e u a r t i g u n d deshalb, als „ C r u x d e r J u r i s t e n " ( J e l l i n e k ) i n d e r P r a x i s besonders s c h w i e r i g anzusehen ist, d a n n ist es diese Regelung. W i e bereits m e h r f a c h b e t o n t , i s t n u n b e i d e n B e r a t u n g e n i m P a r i . R a t z u r E n t s c h ä d i g u n g s b e s t i m m u n g i n A r t . 14 G G die Gleichheitsfrage n i c h t als r e l e v a n t e r F a k t o r einbezogen w o r d e n 3 5 . Es l ä ß t sich also gerade auch (zusätzlich) aus der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes r e c h t f e r t i g e n , daß m a n d e n W i l l e n des Grundgesetzes n i c h t v e r f e h l t , w e n n m a n die J u n k t i m k l a u s e l v o l l a k z e p t i e r t , i h r e R e i c h w e i t e aber n u r auf V e r l e t z u n g e n des S p i e l r a u m e s nach A r t . 14 G G , n i c h t auch a u f V e r l e t z u n g e n des A r t . 3 I G G stützt. Wenn der Verfasser es richtig sieht, w i l l das hamb. Deichurteil des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls, w e n n auch mehr implizit, die Folgen des J u n k tims auf eine Verletzung des Abwägungsgebotes beschränkt sehen; Verletzungen des Gleichheitssatzes berühren danach die Junktimklausel w o h l nicht. Das ergibt sich aus der schrittweisen Prüfung beider Aspekte i m U r t e i l 3 6 . A n der Fallsituation des hamb. Deichurteils lassen sich auch sehr gut die konkreten Folgen der hier durchgeführten Unterscheidung demonstrieren: Es ging dort u m die (Legal-)Enteignung von Grundstücken i m Deicheigentum einerseits u n d i m bürgerlich-rechtlichen Eigentum andererseits. Wäre die Entschädigungsbemessung für die Enteignung bei Deicheigentum (isoliert betrachtet) wegen Verstoßes gegen die Interessenabwägung des A r t . 14 GG verfassungsw i d r i g gewesen, dann hätte dies — als Folge des J u n k t i m s — auch zur Nichtigkeit der Legalenteignung selbst geführt. Das beruht auf der Schutzfunktion der Junktimklausel: keine Enteignung bei geringerer Entschädigung, als die Eigentumsgarantie gebietet. Wäre hingegen die Entschädigungsregelung f ü r das Deicheigentum (nur) wegen Verstoß gegen A r t . 3 I GG verfassungswidrig gewesen (z. B. w e i l der Gesetzgeber auch bei bürgerlich-rechtl. Eigentum die gleiche Entschädigung hätte gewähren können u n d müssen, also w i l l kürlich differenziert hätte), dann bliebe die Legalenteignung des Deicheigentums w i r k s a m ; der Gesetzgeber wäre n u r verpflichtet gewesen, eine gleichheitsgemäße neue Entschädigungsregelung zu treffen.
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Vgl. oben § 7 I I und i n diesem Paragraphen V 2. Zunächst spricht das Gericht aus, bei Verletzung der Erfordernisse des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG ist auch die Enteignung als nichtig anzusehen (S. 418). Dann p r ü f t es, ob die Entschädigung der Beschwerdeführer m i t A r t . 14 GG v e r einbar ist; das Gericht k o m m t zum Ergebnis, dies sei nach der Interessenabwägung der F a l l (S. 420 - 22, I I I Nr. 1, 2). Anschließend prüft es, ob etwa der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt sei, w e i l die Beträge f ü r Deicheigentum u n d bürgerlich-rechtliches Eigentum verschieden festgesetzt wurden. Das w i r d verneint. Allerdings läßt das Gericht offen, wo es dogmatisch die Gleichheitsbindungen verankert sehen w i l l ; bei A r t . 3 I GG (wie hier) oder auch, d. h. zusätzlich bei A r t . 14 GG; die getrennte Prüfung spricht f ü r die erste A l t e r native. 36
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I V . Enteignungsentschädigung u n d Gleichheitssatz § 26 Gleichheit i m entschädigungsrechtlichen Innenverhältnis
Unter Ungleichbehandlung i m entschädigungsrechtlichen (oder enteignungsrechtlichen) Innenverhältnis w i r d der Fall verstanden, daß ein Enteigneter gegenüber anderen ebenfalls Enteigneten vergleichbarer Lage entschädigungsrechtlich verschieden behandelt w i r d (§25 III). Für die Frage, wann und inwieweit Differenzierungen zwischen verschiedenen Enteigneten vergleichbarer Lage zulässig sind, kann keine Standardformel als A n t w o r t gegeben werden. Die Sachlichkeit der Differenzierung hängt für jede Fallgruppe von anderen Faktoren ab. Wohl aber ist es möglich, aus den allgemeinen, zum Gleichheitssatz entwickelten Grundsätzen Prinzipien zu entwickeln, die für den Gesetzgeber den Rahmen des Zulässigen jedenfalls i n Teilbereichen abstecken. W i r wollen hier vier Fragenkomplexe erörtern. Zum einen fragt sich, wie die neue Rechtslage der gegenwärtigen Spaltung des Bodenrechts durch die gleichzeitige Geltung des Bundesbaugesetzes und des Städtebauförderungsgesetzes unter Gleichheitsgrundsätzen zu beurteilen ist (I). Die Frage erörtern wir, obwohl nach Auffassung des Verfassers starke Gründe dafür sprechen, daß das Bundesbaugesetz i n seiner geltenden Form wegen Ausfalls der i n A r t . 14 Abs. 3 GG angeordneten Interessenabwägung verfassungswidrig ist. (Vgl. oben § 24 I I 5). Zum zweiten erörtern w i r einige Fragen der Einführung neuer Entschädigungsregelungen zur Baulandbeschaffung, da w i r i n einem Exkurs ja hierzu alternative Lösungsmodelle vorgeschlagen hatten (II). Ferner soll die für die Praxis wohl auch sehr interessante Frage behandelt werden, ob es zulässig ist, für bestimmte Sonderaufgaben abweichend von den allgemeinen Enteigungsgesetzen besondere Entschädigungsregelungen zu schaffen, die die Durchführung der Aufgaben erleichtern (III). Eine besondere Lage schafft schließlich das Bundesstaatsprinzip (IV). I. Städtebauförderungs- und Bundesbaugesetz
1. Durch das Inkrafttreten des StFG unter Beibehaltung des Bundesbaugesetzes ist eine grundsätzliche Dichotomie i m Bodenrecht eingetreten. Sie besteht solange, bis evtl. das Bundesbaugesetz umfassend an das erstere angeglichen sein sollte. Gegenwärtig gilt, daß unabhängig voneinander zwei unterschiedliche Entschädigungsprinzipien i m Bodenrecht Geltung besitzen. W i r d aufgrund des Bundesbaugesetzes enteignet, so muß grundsätzlich nach dem Verkehrswert entschädigt werden (§§ 95, 141). W i r d aufgrund des StFG enteignet, so brauchen die unverdienten sanierungsbedingten oder entwicklungsbedingten Wertsteigerungen nach § 23 I I StFG nicht entschädigt zu werden. Als Konsequenz ergibt sich eine „interne" Ungleichbehandlung von Enteigneten; Eigentümer i n Sanierungsgebieten oder förmlichen Entwicklungsgebieten werden näm-
§ 26 Gleichheit i m entschädigungsrechtlichen InnenVerhältnis
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lieh gegenüber anderen Eigentümern gleicher Lage, die außerhalb der förmlich festgelegten Gebiete enteignet werden, rechtlich schlechter behandelt. Letzteren kommt ja auch der Planungsgewinn voll zugute. Für die Zulässigkeit der unterschiedlichen Behandlung kann nicht entscheidend sein, daß der Gesetzgeber durch die Spaltung i n zwei Gesetze formal zwei unterschiedliche Rechtsbereiche geschaffen hat. Andernfalls könnte der Gesetzgeber authentisch die Eigenständigkeit von Fallgruppen als eigenen Lebensbereich festsetzen. Entscheidend muß vielmehr sein, ob gesichert ist, daß für diese Trennung jeweils neben gleichen Sachelementen zumindest auch unterschiedliche Sachelemente vorliegen, die die Einordnung i n den einen statt i n den anderen Gesetzesbereich und damit i n andere Rechtsfolgen tragen. Ein sachlicher Grund für die Differenzierung liegt sowohl i m Verhältnis der Enteigneten i n förmlichen Sanie rungs gebieten zu Enteigneten nach dem Bundesbaugesetz wie i m Verhältnis von Enteigneten i n förmlichen Entwicklungsgebieten 1 zu Enteigneten nach dem Bundesbaugesetz vor. I n beiden Fällen müssen gesteigerte Voraussetzungen vorliegen, um einen Enteigneten den besonderen Rechtsvorschriften für förmliche Sanierungsgebiete 2 bzw. Entwicklungsbereiche zu unterwerfen. Die besondere Regelung des StFG kommt somit nur besonders sanierungsbedürftigen bzw. entwicklungsbedürftigen Gebieten zugute. Hierfür besondere Rechtsfolgen aufzustellen, ist nicht unsachlich 3 . Bedenken könnten sich allenfalls daraus ergeben, daß es sich bei der Erklärung zum Sanierungsgebiet durch die Gemeinden bzw. zum Entwicklungsbereich durch eine Rechtsverordnung der Landesregierung um fakultative und nicht u m zwingende Erklärungen handelt. Das hat zur Folge, daß auch Gebiete den Entschädigungsregelungen des Bundesbaugesetzes unterworfen bleiben, die die gesteigerten Voraussetzungen der §§ 3 und 53 StFG aufweisen. Gleichwohl erscheint auch die damit verbundene differenzierte rechtliche Behandlung der Enteigneten je nachdem, ob vom StFG Gebrauch gemacht w i r d oder nicht, nicht als unsachlich. Der Grund der fakultativen Erklärung zum Sanierungsgebiet und 1 Z u den einzelnen Voraussetzungen der Erklärung zum städtebaul. E n t w i c k lungsbereich nach § 53 StFG, insb. zu Schwächen der geltenden Regelung gegenüber früheren Entwürfen s. Pohl, Das Städtebauförderungsgesetz als K o m promiß, Stadtbauwelt, Bd. 31, S. 205 ff. 2 Unter Gleichheitsgesichtspunkten ist ferner zu beachten, daß ohnehin von den i n § 3 Abs. 2 StFG genannten 3 Voraussetzungen f ü r förmliche Sanierungsgebiete die beiden ersten Alternativen sich m i t dem Entschädigungsausschluß des § 44 Abs. 1 Satz 2 BBauG decken. 3 A . A . Hein, StFG, § 23, A n m . 4; Bedenken auch bei Schrödter, BBauG, 3. Aufl., 1973, § 95, Rdnr. 9. Keine Bedenken offenbar bei Heitzer/Österreicher, BBauG u n d StFG, 5. Aufl., 1973, Erl. zu § 23; Lange/Pohl, StFG, 1972 ff., § 22, Rdnr. 10; Gehrmann, StFG, Einf. u n d Komm., Erl. zu § 23; Gaentzsch, StFG, 2. Aufl., 1972, Einführung, S. 14 f.
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I V . Enteignungsentschädigung und Gleichheitssatz
E n t w i c k l u n g s b e r e i c h l i e g t d a r i n , daß a u f g r u n d der F i n a n z i e r u n g s p r o b l e m e u n d der w i r t s c h a f t l i c h e n G e g e b e n h e i t e n n u r s c h r i t t w e i s e j e w e i l s e i n zelne Gebiete z u f ö r m l i c h e n S a n i e r u n g s - u n d E n t w i c k l u n g s g e b i e t e n e r k l ä r t werden können4. Die damit verbundenen Differenzierungsfolgen s i n d d a h e r m i t A r t . 3 I G G durchaus v e r e i n b a r . 2. A n d e r s v e r h ä l t es sich m i t d e m „ L a n d w i r t s c h a f t s p r i v i l e g " des § 57 I V S t F G . N a c h dieser V o r s c h r i f t ist b e i der E n t s c h ä d i g u n g v o n l a n d u n d f o r s t w i r t s c h a f t l i c h g e n u t z t e n G r u n d s t ü c k e n n i c h t dessen V e r k e h r s w e r t maßgebend, s o n d e r n d e r a u f d e m a l l g e m e i n e n G r u n d s t ü c k s m a r k t i n v e r g l e i c h b a r e n F ä l l e n z u erzielende W e r t . S i n n dieser Regel u n g , die „ e i n e der u n g l ü c k l i c h s t e n V o r s c h r i f t e n des Gesetzes" d a r s t e l l t 5 , ist es, d e n I n h a b e r n l a n d - u n d f o r s t w i r t s c h a f t l i c h e r G r u n d s t ü c k e d e n A n schluß a n d e n a l l g e m e i n e n G r u n d s t ü c k s m a r k t z u geben. Es i s t schon f r a g l i c h , ob die R e g e l u n g des § 57 A b s . 4 S t F G m i t d e m Interessenabwägungsgebot des A r t . 14 A b s . 3 Satz 3 G G v e r e i n b a r ist. E i n T e i l der L i t e r a t u r n i m m t die U n v e r e i n b a r k e i t m i t A r t . 14 G G a n 6 . M a n w i r d w o h l d i f f e r e n z i e r e n müssen. Jedenfalls k a n n m a n n i c h t jedes U b e r s c h r e i t e n des V e r k e h r s w e r t e s d u r c h eine E n t e i g n u n g s e n t s c h ä d i g u n g als v e r f a s s u n g s w i d r i g ansehen. Es k o m m t d a r a u f an, w i e dieses Ü b e r schreiten i n der P r a x i s aussieht 7 . Z u l ä s s i g w ä r e es sicher, a l l g e m e i n e i n e n 4 Daß die Schwierigkeit, bestimmter Regelungsmaterien H e r r zu werden, f ü r die Beurteilung der Sachlichkeit rechtlicher Differenzierungen von Relevanz ist, ist auch i n der allgemeinen Rechtsprechung des BVerfG zum Gleichheitssatz hervorgehoben worden; s. insb. BVerfGE 15, 167, 203: Der Gesetzgeber muß „ H e r r der Materie" sein. Angesichts der gerade das Bodenrecht beherrschenden Schwierigkeiten, die auch international belegt werden können (vgl. oben § 20 I), k a n n hier nicht davon gesprochen werden, daß der Gesetzgeber v ö l l i g frei über die Gestaltung entscheiden kann. Politische Schwierigkeiten der Durchsetzung von Regelungen bleiben freilich davon ausgenommen; hiergegen sollen (nicht nur, aber auch) die Grundrechte gerade Schutzwälle aufbauen. Davon w i r d noch anschließend beim Landwirtschaftsprivileg des § 57 Abs. 4 StFG die Rede sein. 5 Gehrmann, StFG, § 57, A n m . zu Abs. 4. 6 Heitzer/Österreicher, BBauG u n d StFG, 5. Aufl., § 57 StFG, A n m . 3: Bedenken aus A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG wie auch aus A r t . 3 GG; ebenso (doppelte Bedenken) Gaentzsch, StFG, 2. Aufl., §57, Anm. 3; w o h l auch bei Gehrmann, StFG, § 57, Anm. zu Abs. 4; bei letzterem auch der Hinweis, daß schon die Bundesregierung i n beiderlei Hinsicht Bedenken erhoben hatte. 7 Wie groß die Verlegenheit i n der Anwendung dieser Vorschrift ist, zeigt sich handfest i n der Regelung der neu gefaßten Wertermittlungsverordnung (i. d. F. v o m 15. 8. 1972, BGBl. I S, 1416) zu § 57 Abs. 4 StFG. Den zentralen Parameter gibt § 22 Abs. 3 der Verordnung an: „Hat sich ein nach Abs. 2 zugrundezulegender (d. h. den innerlandwirtschaftl. Wert übersteigender Verkehrs-) Wert nicht gebildet, so sind f ü r die E r m i t t l u n g des Bodenwertes V e r gleichspreise heranzuziehen, die auf dem allgemeinen Grundstücksmarkt i n vergleichbaren Fällen i n Gebieten m i t vergleichbarer Struktur, i n denen keine Entwicklungsmaßnahmen vorgesehen sind, gezahlt werden." Was ist hier der „allgemeine Grundstücksmarkt"? Wann sind die Fälle „vergleichbar"; w a n n haben die Gebiete „vergleichbare Struktur"?
§ 26 Gleichheit i m entschädigungsrechtlichen I n n e n e r h ä l t n i s
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„Trostzuschlag" auf den rein innerlandwirtschaftlichen Verkehrswert zu zahlen, der sich i n erträglichen Grenzen hält; so geschieht dies i n den Niederlanden (Zuschlag von etwa 1 - 2,50 fl./m 2; vgl. §§ 20, 21). Die Regelung des Städtebauförderungsgesetzes w i l l m i t dem Landwirtschaftsprivileg aber wohl anderes bezwecken; sie w i l l die i m Entwicklungsbereich liegenden Grundstücke entschädigungsmäßig „hochzonen". Auch dort, wo bisher der Grundstücksmarkt noch keine oder wenige Werterhöhungen infolge des Angebotsmonopols der Grundstückseigentümer aufzuweisen hat, soll dieser fingiert werden. Man w i r d daher eine solche Entschädigungsregelung als sogar über die Grundorientierung der klassischen Enteignungslehre (Abstellen auf tatsächliche Verkehrs werte, nicht auf fingierte) hinausgehend ansehen müssen. Gleichwohl erscheint es zweifelhaft, wegen Verstoßes gegen das Interessenabwägungsgebot Verfassungswidrigkeit der Regelung annehmen zu können. Sicher kann i n dieser speziellen Regelung kein Einbezug der Interessen der Allgemeinheit i. S. d. Art. 14 GG bei der Entschädigungsfrage gesehen werden. Die Regelung führt auch dazu, daß der Verwaltung verwehrt ist, entschädigungserleichternd gerade dort tätig zu werden, wo die Bodenspekulation noch nicht oder noch nicht deutlich ihre Spuren hinterlassen hat. Nach der hier vertretenen Position setzt Verfassungswidrigkeit wegen Verstoßes gegen das Interessenabwägungsgebot aber „Abwägungsausfall" voraus 8 . Das Städtebauförderungsgesetz läßt indes, anders als das Bundesbaugesetz 9 , erkennen, daß der Gesetzgeber bewußt auf der Grundlage der Annahme eines Entschädigungsspielraumes entschieden hat 1 0 . Jedoch w i r d man aus zwei anderen Gründen Verfassungswidrigkeit der Regelung annehmen müssen. Die geltende Rechtslage der Anwendung des Landwirtschaftsprivilegs ist dadurch charakterisiert, daß nicht einmal durch die — als Konkretisierung gedachte — zusätzliche Regelung der Wertermittlungsverordnung (§ 22 Abs. 3) für die Verwaltung bestimmbar wird, wie die Entschädigung zu bemessen ist 1 1 . Den Verwaltungen ist freie Hand eingeräumt, festzustellen, i n welcher Höhe zu entschädigen ist, da nicht 8 Das ist der einzige Fall, i n dem eine Entschädigungsregelung als gegen A r t . 14 GG verstoßend angesehen werden kann; vgl. oben § 24 I I 3. 9 Dazu oben § 24 I I 5. 10 Vgl. § 23 StFG. M a n k a n n daher i n bezug auf die Regelung des § 57 Abs. 4 nicht von einem Abwägungsausfall, sondern n u r von einem Abwägungs„defizit" i n bezug auf gerade diese Regelung sprechen. Das reicht m. E. nicht aus, u m eine Verfassungswidrigkeit wegen Verstoßes gegen das Interessenabwägungsgebot anzunehmen. 11 Vgl. oben Fußn. 7. I m Grunde läuft die Regelung der Wertermittlungsverordnung auf eine bloße Wiederholung des Gesetzestextes hinaus. Das liegt daran, daß dieser nicht zu erkennen gibt, wie die Entschädigung zu bemessen ist. § 57 Abs. 4 GG gibt n u r eine politische Zielfunktion an, keinen Entschädigungsmaßstab.
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I V . Enteignungsentschädigung u n d Gleichheitssatz
ausreichend angegeben ist, w i e die V e r g l e i c h e g e b i l d e t w e r d e n sollen. D a diese U n b e s t i m m b a r k e i t d e r Entschädigungshöhe aus d e r Fassung des § 57 A b s . 4 S t F G selbst r e s u l t i e r t , w i r d m a n sagen müssen, daß die Regel u n g des § 57 A b s . 4 S t F G gegen die Junktimklausel des A r t . 14 A b s . 3 Satz 2 G G v e r s t ö ß t 1 2 . W e i t e r h i n s p r i c h t v i e l d a f ü r , daß die R e g e l u n g des L a n d w i r t s c h a f t s p r i v i l e g s zugleich gegen A r t . 3 Abs. 1 GG verstößt, w e i l sie d e n G r u n d satz d e r Systemgerechtigkeit e k l a t a n t v e r l e t z t . D i e R e g e l u n g ist o f f e n sichtlich aus ganz spezifischen p o l i t i s c h e n G r ü n d e n ( D r u c k d e r L a n d - u n d F o r s t w i r t s c h a f t s v e r b ä n d e ) i n das Gesetz e i n g e f ü g t w o r d e n 1 3 . A l s K o n s e quenz e r g i b t sich, daß i m B e r e i c h v o n I n n e n s t ä d t e n eine W e r t a b s c h ö p f u n g e i n t r i t t , s o w e i t b e i Sanierungen das S t F G e i n g r e i f t ; b e i Entwicklungsgebieten h i n g e g e n s o l l p a r t i e l l n i c h t n u r n i c h t abgeschöpft w e r d e n , s o n d e r n sogar noch e i n h ö h e r e r als der tatsächliche V e r k e h r s w e r t gezahlt w e r d e n . Das m u ß als g r o b gegen S y s t e m u n d G r u n d k o n z e p t i o n des G e setzes v e r s t o ß e n d angesehen w e r d e n 1 4 . D i e g e l t e n d g e m a c h t e n B e d e n k e n k ö n n e n auch n i c h t i m Wege verfassungskonformer Auslegung g e h e i l t w e r d e n . E i n e n solchen V e r s u c h m u ß m a n w o h l i n der n e u e r d i n g s v o n Stich u n t e r n o m m e n e n A u s l e g u n g d e r R e g e l u n g des § 57 A b s . 4 S t F G sehen 1 5 . Nach Stich versteht m a n den „recht dunklen" Sinn der Vorschrift n u r dann richtig, w e n n man i n i h m das Bemühen erblickt, „eine sozial gerechte E n t schädigung zu gewähren, i n der zugleich ein Stück Härteausgleich i m Sinne des § 85" StFG stecke. Diese Auslegung w i r d damit begründet, es sei den L a n d u n d Forstwirten n u r schwer zumutbar, ihre Grundstücke zu einem an der bisherigen Nutzung bemessenen Verkehrswert abzugeben, obwohl die Grundstücke zu einem neuen Nutzungszweck benötigt werden; weiter sei zu erwägen, daß nicht selten L a n d w i r t e n durch die Wegnahme der Grundstücke ihre Existenz entzogen würde, so daß ihnen durch die erhöhte Entschädigungsbemessung die Schaffung einer neuen Existenz erleichtert werde. 12
Vgl. BVerfGE 4, 219, 236: Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, nicht der Gerichte, die „gerechte" Entschädigung i. S. d. Grundgesetzes zu bestimmen. I n der Praxis dürfte es aber so aussehen: Da § 57 Abs. 4 StFG nicht angibt (auch die WertermittlungsVO i n § 22 Abs. 3 nicht ausreichend), w i e zu vergleichen ist, w i r d die V e r w a l t u n g irgendeinen ähnlichen F a l l zum Vergleich heranziehen; den Gerichten steht, falls es zum Prozeß kommt, frei, ob sie diesen oder einen anderen oder einen dritten F a l l f ü r die F i k t i o n als vergleichbar ansehen. Sie können damit also über die Billigkeit der Entschädigung bestimmen. Das ist genau das, was durch BVerfGE 4, 219, 236 untersagt ist. 13 Daß diese Verbände hier nicht i n repräsentativer F u n k t i o n tätig geworden sind, braucht w o h l nicht näher ausgeführt zu werden. Es ist j a nicht so, daß alle oder auch nur die meisten L a n d - oder Forstwirte von den Bodenpreisen am Rand größerer Städte und i n Ballungsgebieten profitieren. 14 Entscheidend ist hierbei die v o m Gesetz selbst statuierte Sachgesetzlichkeit; vgl. BVerfGE 9, 20, 28 ff.; 11, 283, 292 ff.; 13, 331, 340; 15, 313, 318; 18, 366, 372 f.; 25, 236, 251 f.; zum Systemverstoß auch Gaentzsch, StFG, 2. Aufl., § 57, Anm. 3; w o h l auch Gehrmann, StFG, § 57, Erl. zu Abs. 4. 15 Meyer/Stich/Schlichter, K o m m , zum StFG, § 57, A n m . V, Rdnr. 15 ff.
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Dieser Weg zur Rettung des Land- und Forstwirtschaftsprivilegs ist nicht haltbar. A n sich wäre gegen eine Sondervorschrift zugunsten der land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücke i n dem von Stich erörterten Sinn eines Härteausgleichs nichts zu sagen. Die Problematik der Regelung des § 57 Abs. 4 StFG besteht indes darin, daß sie zwar i n einigen Fällen einen solchen Härteausgleich bewirken mag, aber ihrer gesamten Fassung nach nicht auf eine Sonderbehandlung gerade dieser Fälle zugeschnitten ist. Zum einen ist zu berücksichtigen, daß die Sonderregelung des Abs. 4 ausschließlich auf die Grundstückslage und -qualität, nicht aber auf die Betroffenen abstellt. Es w i r d daher auch Erben von Landwirten, die andere Berufe haben, sonstigen Grundstücksinhabern u. ä. i n gleicher Weise das Privileg eingeräumt. Aber auch bei Landwirten selbst besteht eine Gemengelage unterschiedlich Betroffener. Die Erklärung zum Entwicklungsgebiet kommt wohl vor allem i n Ballungsgebieten i n Frage, insb. bei dem Bau von Entlastungswohngebieten. Hier ist aber die Zahlung extrem hoher Bauerwartungspreise an Landwirte bis zu mehreren Millionen D M eines der Ärgernisse des geltenden Bodenrechts. Von Härteausgleich kann i n solchen Fällen keine Rede sein. Die Funktionsdeutung Stichs leidet daher an denselben Mängeln, die die bisherige einkommenssteuerliche Privilegierung der Landwirte bei Veräußerungsgewinn kennzeichnete 16 . I I . Die gleichmäßige Behandlung von Enteigneten bei Einführung einer Bodenvorratspolitik nach niederländischem Modell
W i r haben oben i n § 22 dargelegt, daß weder aus der Entschädigungsgarantie des Art. 14 Abs. 3 GG noch aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG noch aus einem e contrario-Schluß Bedenken gegen eine — partielle — Einführung des niederländischen Weges bestehen. Das bedeutet aber nicht, daß i n der Frage, wie der Gesetzgeber die Einführung regelt, verfassungsrechtliche Bindungen entfallen. 1. Als nicht mit Art. 3 I GG vereinbar muß eine Entschädigungsregelung angesehen werden, bei der der Gesetzgeber nur zu einer Anwendung des Entschädigungsspielraumes des Art. 14 I I I GG bei Enteignun16 Vgl. BVerfGE 28, 227 ff. zu § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG; die Regelung wurde v o m BVerfG f ü r verfassungswidrig erklärt. Entscheidend war, daß die P r i v i legierung der Landwirtschaft zwar auch dazu dienen konnte, z. B. dringend notwendige betriebliche Investitionen zu erleichtern; es blieb aber offen, ob zu diesem oder anderen Zwecken der Erlös verwandt werden sollte. Zudem wurden die „besonders unbilligen Konsequenzen . . . bei den Veräußerungen i n den Randzonen der Großstädte oder i n ähnlichen Fällen" (S. 242 f.) v o m Gesetz unbeachtet gelassen. Ganz genauso verhält es sich m i t der unterschiedslos anzuwendenden Regelung des § 57 Abs. 4 StFG; eine verfassungskonforme Auslegung i. S. des Härteausgleichs v o n Stich ist daher nicht möglich.
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gen ermächtigt, es aber der staatlichen Verwaltung und den Kommunen überläßt, inwieweit sie von dem Entschädigungsspielraum Gebrauch machen. Eine solche Änderung des geltenden Bodenrechts würde dazu führen, daß kaum kontrollierbar wäre, ob die Verwaltung nach Gutdünken, nach der Hartnäckigkeit des Enteignungsbetroffenen, aber auch nach der politischen und sozialen Stellung des Enteigneten von der Entschädigungsreduzierung Gebrauch macht. Um dies zu verhindern, erfordert die Gleichbehandlung der verschiedenen Enteigneten, daß der Gesetzgeber selbst bereits festlegt, inwieweit i n den einzelnen Fällen von dem Verkehrswert heruntergegangen werden soll. Die Konsequenz ist, daß einerseits, sofern vom Verkehrswert abgewichen wird, ein festes Reduzierungsgebot und nicht nur eine Reduzierungsermächtigung i n dem Gesetz festgelegt werden muß und andererseits die Höhe der jeweiligen Entschädigung zwar nicht unbedingt gesetzlich bestimmt, wohl aber aufgrund der gesetzlichen Regelung zumindest bestimmbar ist 1 7 . Die eben gezogene Konsequenz der Festlegung der Entschädigungshöhe schon durch den Gesetzgeber selbst ergibt sich unmittelbar aus dem Gebot der Gleichbehandlung verschiedener Enteigneter, weil nur in dieser Weise willkürliche Entschädigungszahlungen ausgeschlossen werden können. Diese Rechtsfolge ergibt sich aber auch aus anderen Verfassungsnormen. Neben dem allgemeinen Gleichheitssatz des A r t . 3 I GG sind hier zwei v/eitere Verfassungsbestimmungen einschlägig. So folgt aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 GG), daß es nicht dem Ermessen der Exekutive überlassen bleiben darf, wann von der i n Art. 14 GG enthaltenen Möglichkeit, die Entschädigung unterhalb des Verkehrswertes anzusetzen, Gebrauch gemacht wird. Andernfalls wären die Eingriffe der öffentlichen Gewalt (hier i n den Vermögenswert) weder ausreichend berechenbar noch vom Gewaltenteilungsprinzip her zulässig, das die Exekutive auf die Ausführung der Gesetze bei Eingriffen i n Rechte privater Personen beschränkt 18 . „Das Gesetz muß die Tätigkeit der Verwaltung inhaltlich normieren 1 9 "; das gilt insb. bei Zahlungspfiichten. Diese inhaltliche Normierung der Entschädigung durch den Gesetzgeber ergibt sich i m Enteignungsrecht zusätzlich aus der Junktimklausel 17 Dem steht nicht die v o m BVerfG zu Recht getroffene Feststellung entgegen, daß eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch ein Gesetz nicht schon dann angenommen werden könne, wenn beim Vollzug des Gesetzes einzelne unsachgemäße Maßnahmen getroffen werden; BVerfGE 1, 144, 149; 4, 7, 25. Die Sachlage ist, wenn der Gesetzgeber die Verwaltung n u r ermächtigt, von dem Entschädigungsspielraum des A r t . 14 GG Gebrauch zu machen, gänzlich anders. Es w i r d dann nicht durch einzelne Vollzugsmaßnahmen unsachlich differenziert, sondern das Gesetz als solches ist so angelegt, daß eine gleichmäßige Behandlung der einzelnen Enteigneten nicht erreicht werden kann. 18 Vgl. BVerfGE 13,153,161; 20,150,157. 19 So das BVerfG i m Sammlungsurteil, E 20,150,158.
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des A r t . 14 I I I Satz 2 GG, die ausdrücklich dem Gesetzgeber auferlegt, das Ausmaß der Entschädigung zu regeln 20 . Gerade hier erweist sich die Sinnhaftigkeit dieser Regel. Die Einräumung eines Entschädigungsspielraumes führt, wenn die Ausübung dieses Spielraumes der Verwaltung überlassen würde, wegen der oft auf dem Spiele stehenden Beträge zu einer weit größeren Konfliktmöglichkeit und der Gefahr unsachlicher Erwägungen als bei anderen Verwaltungsentscheidungen. Dem kann nur vorgebeugt werden, wenn der Gesetzgeber selbst die entscheidenden Maßstäbe setzt. Mag daher die Junktimklausel i m übrigen weiterhin „eine Crux für den Juristen" 2 1 darstellen und — i n der ihr eigentümlichen Kopplungswirkung zwischen Eingriffsermächtigung und Entschädigungsregelung — ihren rechtspolitischen Zweck verfehlt haben 22 , so ist sie doch zumindest teilweise eine notwendige Folge der Einräumung eines Entschädigungsspielraumes durch das Abwägungsgebot. 2. Eine weitere, i n der Praxis sehr wichtige Bindung des Gesetzgebers besteht darin, daß er bei der Freigabe einer aktiven Bodenpolitik der Gemeinden i m Wege partieller Übernahme des niederländ. Weges durch rechtliche Zusatzregelungen dafür Sorge tragen muß, daß die Reduzierung der Entschädigung unterhalb des bereits angestauten Verkehrswertes nicht zu einer willkürlichen Begünstigung einzelner Privatpersonen als Nutznießer der Bodenpolitik führt 2 8 . Das läuft insb. auf zwei Erfordernisse an ein verändertes Bodenrecht i n der Baulandbeschaffung hinaus; zum einen muß dem Gleichheitssatz ein Gewinnverschiebungsverbot , zum anderen das Gebot einer Vorteilsstreuung entnommen werden: Wenn den Gemeinden i n Zukunft das Recht eingeräumt werden sollte, jedenfalls i n bestimmten besonders dringlichen Bereichen Bauerwartungsland zum Ackerlandpreis (oder einem wenig darüber liegenden Preis) zu erwerben, so muß zum einen gesichert werden, daß nicht die Neubesitzer das Land preisgünstig erwerben und dann wieder teuer weiterveräußern können 2 4 . Zum anderen muß durch objektive Vertei20 s. dazu, unter Wiederholung der schon i m BVerfGE 4, 219, 232 ff. vertretenen Auffassung, das hamb. Deichurteil, E 24, 267,419. 21 W. Jellinek, Schadensersatz aus Amtshaftung u n d Enteignungsentschädigung, JZ 1955,147. 22 So ausdrücklich Maunz , in: Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 14, Rdnr. 126. 23 Die Problemstellung fällt etwas aus dem Rahmen des Vergleichs verschiedener Enteigneter heraus; sie paßt aber auch nicht i n die Vergleichsebene E n t eignete/Nichtenteignete. Sie sei daher hier miterörtert. Eigentlich gehört sie i n eine eigene Kategorie von Gleichheitsproblemen. 24 Einen solchen Weg der Spekulationsverhinderung sah die Regelung des Reichsheimstättengesetzes v o m 10. 5. 1920 (RGBl. S. 962) i n den §§ 9 ff. vor. Danach besaß der Grundstückausgeber ein Vorkaufsrecht und einen Heimanfallanspruch; beide Ansprüche hatten dingliche W i r k u n g m i t dem Rang einer
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lungsmaßstäbe gewährleistet werden, daß bei der Umwidmung von bisherigem Ackerland oder Wald zu Bauland vom Ackerlandpreis- oder Forstpreisniveau einheitlich Gebrauch gemacht wird. Es wäre unzulässig, wenn die gesetzliche Regelung es zuließe, daß etwa i n den Gemeinden, z. B. als Folge von persönlichen Beziehungen einzelner Interessierter, zugunsten bestimmter Bauwilliger von der Entschädigungsreduzierung Gebrauch gemacht wird, andere Bauwillige aber den vollen Verkehrswert bezahlen müssen. Zur Sicherung des Gebots der Vorteilsstreuung und des Verbots der Gewinnverschiebung w i r d es häufig mehrere funktional äquivalente Lösungen geben. Welchen der Wege der Gesetzgeber einschlägt, ist i h m überlassen 25 . I I I . Anwendung des Entschädigungsspielraumes auf spezifische Funktionsgruppen
1. Wenn das Grundgesetz i n Art. 14 GG dem Gesetzgeber ausdrücklich den Auftrag erteilt, „ A r t und Ausmaß" der Entschädigung durch Abwägung der Interessen der Betroffenen und der Allgemeinheit zu regeln 26 , dann braucht der Gesetzgeber nicht nur, wie dies etwa i m Städtebauförderungsgesetz geschehen ist und bei einer partiellen Einführung der niederl. Lösung ebenfalls der Fall wäre, für relativ weitgehende Bereiche solche Entschädigungsregelungen nach erfolgter Abwägung zu treffen. Das Grundgesetz läßt in Art. 14 Abs. 3 GG Enteignungen zu ganz unterschiedlichen Zwecken zu. Dementsprechend w i r d man annehmen müssen, daß der Gesetzgeber auch, je nachdem, wie dringlich er einzelne öffentliche Aufgaben sieht, zur Erleichterung der Erfüllung dieser Aufgaben i n unterschiedlicher Weise und Stärke auf das Abwägungsgebot des Art. 14 Abs. 3 GG zurückgreifen darf. Wenn daher bei einzelnen, vom Gemeinwohl getragenen Zwecken, die zugleich Enteignungen erforderlich machen (ultima ratio-Prinzip), die Entschädigungsfrage eine besondere Relevanz hat, ist dem Gesetzgeber nicht verwehrt, speziell für diese Aufgabenerfüllung Sonderregelungen zu schaffen 27 . Vormerkung. V o m Gesichtspunkt des Gewinnverschiebungsverbotes bedeutsam ist insb. die Regelung des § 15 I R H G : Danach hatte bei der Ausübung des Vorkaufs- oder Heimfallrechtes der Ausgeber als Kaufpreis höchstens den Wert zu entrichten, der bei Hingabe des Bodens festgesetzt war. N u r Baulichkeiten und Verbesserungen des Bodens durften entschädigungssteigernd angerechnet werden. 25 E i n denkbarer Weg, u m zumindest die gleichmäßige Ausübung i n preislicher Hinsicht zu gewährleisten, besteht darin, daß generell fixe Entschädigungssätze i m Gesetz vorgeschrieben sind, nach denen die Gemeinden sich bei K a u f und Verkauf zu richten haben. 26 Hierbei hatte, wie die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes u n d der historische Vergleich zur Weimarer Zeit zeigen, der Verfassungsgeber vor allem die Regelung des Ausmaßes dem Gesetzgeber zugewiesen; vgl. auch BVerfGE 4, 219, 233.
§ 26 Gleichheit i m entschädigungsrechtlichen Innen Verhältnis
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Nur i n einer Hinsicht könnten solche Regelungen verfassungsrechtlich bedenklich sein. Ihre Konsequenz ist, daß Enteignete, die von derartigen spezialrechtlichen Normen erfaßt sind, entschädigungsmäßig schlechter (u. U. sehr viel schlechter) gestellt sind, als sonstige Enteignete außerhalb der Reichweite des Gesetzes behandelt werden. Es taucht also wieder ein Gleichheitsproblem auf. Auch hier würde keineswegs etwa ein einzelner Enteigneter speziell von einer Entschädigungsreduzierung gegenüber dem Verkehrswert betroffen. Vielmehr würden mehrere, genauer wohl mehrere tausend Enteignete nach Funktionsgruppen zusammengefaßt und daher i m Verhältnis zueinander entschädigungsrechtlich gleich, i m Verhältnis zu vielen anderen Enteigneten aber rechtlich verschieden behandelt. Ob eine solche Funktionsdifferenzierung zulässig ist, kann einmal nach den allgemeinen, zum Gleichheitssatz entwickelten Grundsätzen beurteilt werden; zum anderen könnte man daran denken, speziell auf die Ermächtigung i n Art. 14 Abs. 3 GG zurückzugreifen. Nach den allgemeinen zum Gleichheitssatz des A r t . 3 I GG vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen ist eine solche Differenzierung, die zugleich eine Beschränkung der Inanspruchnahme des Abwägungsgebotes darstellt, nicht unzulässig. Es ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich Aufgabe des Gesetzgebers, „aus der Vielzahl der Lebenssachverhalte die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Gleich- oder Ungleichbehandlung" maßgebend sein sollen 28 . Sicher w i r d der gerade von dieser Funktionserfüllung betroffene Eigentümer die entschädigungsrechtliche Sonderbehandlung als unangenehm empfinden; der Entzug bloßer Gewinnchancen (d. h. Erzielung leistungsloser Gewinne durch höhere Entschädigung) t r i f f t aber nicht nur ihn, sondern die ganze Anzahl der von der Aufgabenerfüllung Betroffenen. Von „Zufälligkeit" der Betroffenheit kann also allenfalls i n abgeschwächtem Sinn gesprochen werden. Denn es geht nicht um den Gegensatz „Einzelbehandlung/einheitliche Behandlung", sondern um die Frage, wann der Gesetzgeber einzelne Enteignete als eigenständige Gruppe behandeln und gegenüber anderen Enteigneten absetzen darf. Bei der Gleichheitsprüfung entschädigungsrechtlicher Sonderregelungen für Funktionsgruppen von Enteigneten ist folgendes zu berücksichtigen. Wenn man, wie oben nachgewiesen (Vgl. Ubereinstimmungsnach27 Der Gesetzgeber darf natürlich die Enteignung zur Güterbeschaffung nicht zum Selbstzweck erheben oder anordnen, daß Enteignungen zulässig sind, u m der öffentlichen Hand Gewinne zu verschaffen. Erst wenn die Güterbeschaffung von einer außerhalb dieser Zwecke liegenden öffentlichen Aufgabe getragen ist, gewinnt dieser Abwägungsspielraum des A r t . 14 Abs. 3 GG Gewicht. 28 BVerfGE 17, 381, 388; ebenso 25, 371,400.
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I V . Enteignungsentschädigung u n d Gleichheitssatz
weis § 23 I) der Interessenabwägung eine weite Entschädigungsfreiheit entnimmt (bei allenleistungsbezuglosen Vermögenswerten und -chancen), dann hat der Verzicht auf Inanspruchnahme der Entschädigungsreduzierung i n einigen i n Frage kommenden Lebensbereichen zur Folge, daß Gruppen von Enteigneten besser behandelt werden als sie nach A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG behandelt werden müssen. Man muß das infolgedessen als einen — atypischen — A k t staatsgewährender Begünstigung von Enteigneten ansehen, da er ihnen ein weniger an Entschädigung geben könnte, als er anordnet. Für solche Fälle hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt ausgesprochen, daß dem Gesetzgeber ein besonders weiter Entschädigungsspielraum zusteht 29 . Bei dieser Problemstellung ist also zu beachten, daß i n der Zulässigkeit von Typisierungen, d. h. der Zusammenfassung von Betroffenen als eine Gruppe, dem Gesetzgeber eine sehr weitgehende Freiheit unter Gerechtigkeitsaspekten gewährt ist. Typisierungen des Gesetzgebers sind nicht schon dann als gegen A r t . 3 Abs. 1 GG verstoßend anzusehen, wenn sie unter einem denkbaren Gesichtspunkt als zufällig sich auswirkend erscheinen; vielmehr müssen die Regelungen — wenn der Gesetzgeber zu entscheiden hat, was als gleich und als ungleich anzusehen ist — unter keinem rechtlich vertretbaren Gesichtspunkt als gerechtfertigt erscheinen 3 0 ; die Unsachlichkeit der getroffenen Regelung muß hier evident zutage treten 3 1 . Wenn der Gesetzgeber zwischen verschiedenen Enteigneten i n der Entschädigungsbemessung differenziert, damit von ihm als besonders dringlich erachtete Aufgaben leichter erfüllt werden können, ist die Ungleichbehandlung zwischen den Gruppen von Enteigneten nicht ein „detournement de pouvoir" 3 2 , sondern gerade das Gegenteil davon. Nicht andere Gründe als die Orientierung am Gemeinwohl drängen den Gesetzgeber zur Differenzierung, sondern gerade diese. Legt man die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Gleichheitssatz zugrunde, so w i r d man Bedenken gegen solche funktionsspezifische Entschädigungsregelungen aus A r t . 3 I GG also nicht herleiten können. Es spricht schließlich sogar einiges dafür, daß das Bundesverfassungsgericht gerade i n der Entschädigungsfrage dem Gesetzgeber einen besonders weiten Spielraum einzuräumen bereit ist 3 3 . I n der sog. Junktimentscheidung M betonte das Gericht, dem Gesetzgeber sei bei Festsetzung 29
Zuletzt BVerfGE 32,173,190 f. Vgl. BVerfGE 7, 315; 11, 253; 13, 362; 14, 238. 31 BVerfGE 18,124; 23,60; 23,143. 32 Dazu Forsthoff, Verwaltungsrecht, A l l g . Teil, 10. Aufl., 1973, S. 97 f. m. w . Nachweisen. 33 Darauf weist auch Rüfner, Festschrift f ü r U. Scheuner, 1973, S. 513 hin. 30
§ 26 Gleichheit i m entschädigungsrechtlichen I n n e n e r h ä l t n i s
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der Enteignungsentschädigung ein „weiter Ermessensbereich" eingeräumt; es stehe den Gerichten nur zu, zu prüfen, ob die „äußersten Grenzen dieses Ermessens durch Festsetzung einer zweifelsfrei nicht gerechten Entschädigung überschritten sind, nicht aber, i m Rahmen dieses Ermessens die legislative Entscheidung durch eine eigene zu ersetzen". Wendet man dies auf unsere Fallproblematik, z. B. auf die anschließend exemplarisch erörterte Sonderregelung an, so dürften erst recht gegen solche Lösungen keine Bedenken bestehen. Das ist auch von der Sachproblematik gerade des Enteignungsentschädigungsrechts einleuchtend. Die adäquate Bewältigung der Probleme der Bodenspekulation" (d. h. die Bewältigung der besonderen Preisprobleme beim Boden als Folge besonderer Angebots- und Nachfragesituationen i m objektiven Sinn — subjektive Vorwürfe damit zu verbinden, ist häufig nicht angebracht) ist äußerst schwierig, wie auch der internationale Vergleich des Herangehens an diese Probleme zeigt. Es ist dann nicht unsachlich i. S. d. A r t . 3 I GG, wenn der Gesetzgeber zunächst versucht, durch schrittweises, d. h. auf Einzelaufgaben beschränktes Vorgehen dem Abwägungsgebot in der Praxis größeres Gewicht zu verleihen. 2. Wie kann i n der Praxis eine solche, mit A r t . 3 I GG vereinbare und die Interessenabwägung des A r t . 14 Abs. 3 GG spezifisch ausnutzende Funktionsdifferenzierung i n der Entschädigungsfrage aussehen? Hier hängt vieles von der Beweglichkeit des Gesetzgebers ab, aber auch davon, welches Gewicht er der Entschädigungsfrage bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben zumißt. Statt vieler denkbarer Möglichkeiten nur ein Beispiel. Wenn der Gesetzgeber es für besonders dringlich erachtet, den Bau von neuen Trassen i m Eisenbahnbereich voranzutreiben (Errichtung von Schnellbahnen, von Ergänzungsbahnen usw.), wobei neu eingetretene (Energiekrise) oder heute schärfer gesehene (Umweltschutz) Umstände eine Rolle spielen könnten, so steht nach den entwickelten Grundsätzen nichts i m Wege, wenn der Gesetzgeber speziell für den Bau solcher Anlagen die betreffenden Enteignungsgesetze ändert oder ein neues Gesetz erläßt 35 , das spezielle Entschädigungsregelungen trifft. Diese Entschädigungsbestimmungen müssen dafür sorgen, daß generelle (nicht aber notwendig abstrakte) 36 Entschädigungskriterien für die Enteignungen vorliegen, nach denen die Verwaltung sich zu richten hat. Eine solche Rege34
BVerfGE 4, 219, 236. Dem B u n d steht nach A r t . 74 Nr. 14 GG i m Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz die Befugnis zur Regelung des Enteignungsrechts auf allen i n A r t . 73 u n d 74 erfaßten Sachgebieten zu. 36 Es sei wiederum an die Zulässigkeit von festen Entschädigungssätzen erinnert; vgl. oben § 17 V. 35
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I V . Enteignungsentschädigung u n d Gleichheitssatz
lung könnte z.B. dahin führen, daß Bauerwartungswerte der Inhaber von bisher land- oder forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken erheblich niedriger entschädigt werden, als es dem Verkehrswert der Grundstücke entspricht. Auch soweit solche Trassen i n Innengebieten von Städten auf bisher unbebaute oder bebaute Grundstücke zugreifen müßten, wäre es — neben der Substanzentschädigung für Gebäude und sonstige Anlagen — zulässig, jedenfalls insofern eine Entschädigung zu versagen, als nicht die rechtliche Qualität des Grundstückes, sondern nur tatsächliche Umstände (z. B. die günstige Lage würde den Ausbau eines Geschäftes ermöglichen, Anstalten sind dazu bisher noch nicht getroffen, der Verkehrswert des Grundstückes ist aber allein wegen der potentiellen Nutzungssteigerung schon gestiegen) wertbestimmend sind 3 7 . I V . Gleichheit von Enteigneten und Föderalismus
Von der Grundposition eines Entschädigungsspielraumes nach A r t . 14 GG aus gewinnen weiterhin allgemeine Rechtsgrundsätze Bedeutung, die bisher i n der Entschädigungsfrage praktisch unbeachtet geblieben sind. Das gilt auch für das Verhältnis von Gleichheitsbindung und föderalistischem Prinzip. Bisher war die Situation die folgende: A r t . 14 Grundgesetz wurde generell als Regelentschädigung die Bindung an den Verkehrswert entnommen. Unter diese Höhe konnte also auch kein Bundesland gehen — jedenfalls nicht, wenn man auf die engen, von der früheren BGH-Rechtsprechung zugelassenen Ausnahmen abstellte 38 . Darüber zu gehen bestand aber bei den einzelnen Ländern kein Interesse. Die Entschädigungsbelastung war ohnehin hoch genug. Das föderalistische Prinzip wirkte sich daher — anders als z. B. i m Kulturbereich — i n der Frage der Regelung von Enteignungsschädigungen kaum aus. Demgegenüber kommt von der hier eingenommenen Grundposition vom Mittelweg des Grundgesetzes i n der Entschädigungsfrage dem föderalistischen Prinzip erhebliche Bedeutung zu. Geht man davon aus, daß es nicht gegen den Gleichheitssatz verstößt, wenn ein Landesgesetz von verwandten Regelungen i m Bund oder anderen Ländern abweicht 39 , so muß man es sowohl für zulässig halten, wenn der Bund i n bestimmten Sachbereichen die Entschädigung für Enteignungen nach dem Leistungskriterium bemißt, also bei Grundstücksbewertungen ggf. erheblich vom Verkehrswert abweicht, obwohl i n den Ländern weiter für Enteignungen 37 Insoweit verpflichtet der Gleichheitssatz nämlich auch nicht i m Verhältnis von Enteigneten zu Nichtenteigneten zu „flankierenden Maßnahmen"; dazu unten § 27 I I I . 38 Dazu oben § 101. 39 Vgl. BVerfGE 3, 58,158; 10, 354, 371; 12,139,143; 17, 319, 331.
§ 27 Gleichheit i m Außenverhältnis (Enteignete/Nichtenteignete)
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stets der volle Verkehrswert entschädigt wird, wie umgekehrt, wenn sich nur einzelne Länder auf den Entschädigungsspielraum des A r t . 14 I I I GG stützen. Es liegt auf der Hand, daß dieses Prinzip der Durchbrechung der Schranken des Art. 3 I GG aus der Eigenständigkeit der Länder Bedeutung gerade dann gewinnt, wenn i n einem einzelnen Bundesland, nicht aber i m Bund oder i n anderen Ländern die politischen Voraussetzungen zur verstärkten Berücksichtigung des Leistungskriteriums bei der Entschädigung von Land gegeben sind. Danach kann ein einzelnes Bundesland ohne Rücksicht auf andere Bundesländer und ohne Rücksicht auf die Regelungen i m Bund ungehindert den Entschädigungsspielraum des A r t . 14 I I I GG ausnutzen, soweit i h m die Gesetzgebungskompetenz zusteht. Macht ein Land hiervon Gebrauch, so t r i t t zwar die Situation ein, daß i n diesem Land die Enteignungsbetroffenen ggf. erheblich weniger Entschädigung erhalten als vergleichbare Enteignete i n anderen Bundesländern. Damit liegt eine, auch rechtliche, Ungleichbehandlung vor. Das föderalistische Prinzip läßt aber eine solche Aktualisierung des Abwägungsgebotes des A r t . 14 GG i n Beschränkung auf einzelne Länder durchaus zu, da der Landesgesetzgeber den Gleichheitssatz nur innerhalb des Geltungsbereichs seiner Landesverfassung zu wahren hat 4 0 .
§ 27 Gleichheit i m Außenverhältnis (Enteignete/Nichtenteignete)
Bereits nach A r t . 14 GG darf der Gesetzgeber i n der Bestimmung der Entschädigung ein — nach den jeweiligen Sachgebieten und Eingriffsfällen sehr unterschiedliches (vgl. §§16-19) — Entschädigungsminimum nicht unterschreiten. Enteignete werden gegenüber Nichtenteigneten vergleichbarer Lage also schon aufgrund der Entschädigungsgarantie des A r t . 14 Abs. 3 GG insoweit vermögensmäßig gleich behandelt, als ihnen alle leistungsbezogenen Anteile an Verkehrswerten ersetzt werden. Daher ist von praktischer Relevanz nur noch die Frage, inwieweit über die Interessenabwägung hinaus i n bestimmten Fällen der Gesetzgeber verpflichtet ist, das nach Leistungsfaktoren bemessene Entschädigungsminimum zu überschreiten oder auf andere Weise für Gleichheit zu sorgen (Relativität des Gleichheitsgebotes!), weil andernfalls der jeweilige Enteignete gegenüber Nichtenteigneten gleicher Lage i n verfassungswidriger Weise benachteiligt würde. 40 Z u m föderalistischen Prinzip u n d dem aus i h m folgenden Spielraum der Länder zur Regelung von Enteignungsentschädigungen s. auch neuestens BGH, U r t e i l v o m 5. 4. 1973, B G H Z 60, 337, 339 (Zinshöhenentscheidung): „Die V e r fassungsmäßigkeit eines Landesgesetzes kann grundsätzlich nicht deshalb i n Zweifel gezogen werden, w e i l das Landesgesetz von verwandten Regelungen i n anderen Bundesländern oder i m Bundesgebiet abweicht."
20 O p f e r m a n n
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I V . Enteignungsentschädigung u n d Gleichheitssatz I. Zum Grundsatz der sog. „Lastengleichheit"
Eine der klassischen Denkformen des Enteignungsentschädigungsrechts ist der Grundsatz der sog. „Lastengleichheit". Wie vieles andere, so muß auch diese Begründungsform i n bezug auf ihre Tragweite und -fähigkeit neu überdacht werden, wenn man dem Grundgesetz die Entscheidung entnimmt, daß keine volle Bindung an den jeweiligen Verkehrswert als generelle Entschädigungsregelung besteht. Auch nach 1949, d. h. nach Inkrafttreten des Grundgesetzes wurde das Gebot, den Enteigneten für seinen Vermögensverlust i n Marktwerthöhe zu entschädigen, nicht selten auf den Grundsatz der Lastengleichheit gestützt 1 . Hinter dieser Begründung steht die Erwägung, daß, wenn bestimmte Gegenstände zwingend zum öffentlichen Wohl dem einzelnen Rechtsinhaber entzogen werden, das vermögensmäßige Opfer von allen, nicht aber von dem Betroffenen allein zu tragen ist. Geht man indessen davon aus, daß das Grundgesetz i n Art. 14 GG ohnehin zwingend gebietet, den Verkehrswert eines Gegenstandes i n Leistungshöhe, bei Eingriffen i n Gewerbebetriebe i n weitem Umfang auch den entgangenen Gewinn zu entschädigen, so bedarf es für die Begründung der Entschädigungsverpflichtung i n diesen Fällen des Rückgriffs auf die Lastengleichheit nicht mehr. Denn hier greift schon die Entschädigungsverpflichtung nach der Interessenabwägung, d. h. ohne Rückgriff auf Gleichheitserwägungen ein. Der Grundsatz der Lastengleichheit könnte verfassungsrechtlich eigegenen Gehalt daher nur noch dann gewinnen, w7enn m i t i h m eine Entschädigung auch dort gefordert wird, wo die Entschädigung nicht als Äquivalent von Leistungen des Enteigneten (oder i h m zurechenbarer Personen) angesehen werden kann. I n diesen Fällen verliert der Grundsatz der Lastengleichheit aber seine Tragfähigkeit. Denn von einer Last, die von allen gleich zu tragen wäre und damit nicht dem Einzelnen 1 So z. B. Haas, System der öffentlich-rechtlichen Entschädigungspflichten, S. 22; Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 63 ff.; neuerdings auch noch Badura, Eigentum i m Verfassungsrecht der Gegenwart, Vhdlgen des 49. DJT, Bd. I I , S. Τ 29; zur Lastengleichheit s. auch B G H Z 6, 270, 285, 295. V e r schiedene Aspekte der Lastengleichheit werden unterschieden bei Urs Gueng, Die allgemeine rechtsstaatliche Entschädigungspflicht, 1967, S. 52 - 131. Der Topos selbst ist alt u n d i n der enteignungsrechtlichen L i t e r a t u r häufig zu finden, vgl. die Nachweise bei Stödter, öffentlichrechtliche Entschädigung, S. 108. Eine der prägnantesten Formulierungen findet sich bei GrünhiU, Das Enteignungsrecht, 1873, S. 10: „Die Enteignung ist eine Last, welche von dem Staate dem Einzelnen auferlegt w i r d ; die Staatslasten sollen i n einem gerechten, gleichen Verhältnisse verteilt sein; jede Gleichheit, jedes gerechte Verhältnis wäre aber zerstört, w e n n ein Einzelner je gehalten sein sollte, für die Gesamtheit Opfer zu bringen, zu denen die anderen Staatsangehörigen beizutragen nicht verpflichtet sind; daher bedarf es der vollen Entschädigung des i n seinen individuellen Rechten verletzten Einzelnen."
§ 27 Gleichheit i m Außenverhältnis (Enteignete/Nichtenteignete)
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aufgebürdet werden darf, kann sinnvollerweise nur dort gesprochen werden, wo zugunsten des allgemeinen Wohles ein erarbeiteter Ertrag aufgeopfert werden soll, nicht aber dort, wo nur unerarbeitete Gewinnchancen vernichtet werden. Die Reduzierung der Entschädigung bei unerarbeiteten Verkehrswertsteigerungen kann daher vom Gleichheitssatz nur wegen Verstoßes gegen die Chancengleichheit von Enteigneten und Nichtenteigneten, sich solche Gewinne zu verschaffen, nicht aber aus dem Grundsatz der Lastengleichheit heraus abgelehnt werden. Als verfassungsrechtliche der Lastengleichheit keine tung zukommt, wenn man rechtliche Leistungsgarantie
Konsequenz ergibt sich, daß dem Prinzip eigenständige verfassungsrechtliche Bedeuaus A r t . 14 GG schon eine entschädigungsherleitet.
I I . Die Gleichheit beim niederländischen Umwidmungsmodell
Eine der strukturellen, d. h. von der Denk/orm, nicht der Begründung i m einzelnen herrührenden Schwächen der früheren Enteignungsrechtsdiskussion bestand darin, daß man bei der Erörterung der durch den Gleichheitssatz aufgeworfenen Probleme dessen bloß relativen Charakter nicht oder nicht ausreichend würdigte. Man schloß vorschnell aus der sonst eintretenden Schlechterbehandlung des Enteigneten gegenüber Nichtenteigneten gleicher Lage, daß die Enteignungsentschädigung sich stets am Verkehrswert orientieren müsse. Daß diese Vorstellung jedenfalls teilweise auf einer falschen Prämisse beruhte, zeigt bereits deutlich das Städtebauförderungsgesetz. Durch die i n diesem Gesetz zugleich enthaltenen Abschöpfungsregelungen ist die Gleichheitsproblematik i m Verhältnis Enteignete/Nichtenteignete gegenstandslos geworden. Ein weiteres Beispiel, bei dem es gilt, umzudenken, ist die Anwendung des niederländischen Umwidmungsmodells für die Baulandbeschaffung. 1. Offenbar handelt es sich bei dem niederländischen Weg um eine Lösung, die (nur für die Umwidmungsprozesse), beide zentralen Kernprobleme der Enteignungsentschädigung i m Bodenrecht glatt gelöst hat. Das erste Hauptproblem besteht darin, die öffentliche Hand vor zu hohen Entschädigungsansprüchen zu bewahren. Das Problem ist dort, wie i n §§ 20, 21 dargelegt, sehr gut bewältigt. Zugleich löst das niederländische Modell aber auch vollkommen das zweite Kernproblem, nämlich die Verhinderung einer willkürlichen vermögensmäßigen Schlechterstellung der Enteigneten gegenüber den Nichtenteigneten sonst gleicher Lage. Dies liegt nicht, wie beim Städtebauförderungsgesetz daran, daß über Abschöpfungen Gleichheit i n vermögensmäßiger Sicht hergestellt wird. Der „Nivellierungsfaktor" ist 20*
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I V . Enteignungsentschädigung u n d Gleichheitssatz
hier vielmehr darin zu sehen, daß der Verkehrswert selbst sich nicht i m freien M a r k t „austoben" kann, sondern über die Enteignungsentschädigungen „allgemeinwohlreguliert" wird. Man muß das vom Gerechtigkeitsstandpunkt als eine bedeutsame Leistung ansehen. Denn es ist einfach (so ein Teil der Lehre, vgl. § 25 IV) über die These, A r t . 14 GG sei lex specialis, sich von den Gleichheitsbindungen i m Enteignungsentschädigungsrecht zu befreien. Schwieriger w i r d es, wenn man sich der Aufgabe stellt, die von Enteignungen Betroffenen nicht vermögensmäßig schlechter zu stellen als die Nichtenteigneten gleicher Lage. Dieses Problem ist durch das Zwischenmonopol der Gemeinden elegant gelöst worden. Ein weiterer frappierender Charakterzug der niederländischen Lösung betrifft die A r t und Weise, wie dieser Weg dem zentralen Grundgedanken der Sonderopfertheorie gerecht wird. Das Kernproblem der Enteignungsentschädigung aus der Sicht des B G H ist eine spezielle Gerechtigkeitsproblematik, die i n sich begründet, aber i n ihrer Verengung auf die Lösung ausschließlich dieses Problems unzureichend ist u n d damit den Sinn v o n A r t . 14 I I I Satz 3 GG verfehlte. Danach ist jeder E n t eignete gegenüber einem Nichtenteigneten gleicher Lage ohnehin schon durch die Enteignung schlechter behandelt, w e i l n u r er, nicht aber der Nichtenteignete, den Eingriff dulden muß. I h n jetzt auch noch vermögensmäßig, d. h. i n der Entschädigung schlechter zu stellen, ist demnach v ö l l i g ungerechtfertigt. Führt man diese Doppel-Sonderopferbetrachtung auf ihre sachlichen Grundlagen zurück, so bestehen sie bei der Grundstücksenteignung von Bauerwartungsland einfach darin, daß die enteigneten Grundstücksinhaber i h r Grundstück aufgeben, damit evtl. aus ihrem alten Lebenskreis herausgerissen w e r den, während dies bei den Nichtenteigneten nicht der F a l l ist, die das Grundstück behalten. Legt m a n das entscheidende Gewicht auf dieses Sonderopfer, so muß man die Trennungslinie sogar weiter ziehen; nämlich generell zwischen den Eigentümern, die i h r L a n d zum allgemeinen W o h l aufgeben u n d denen, die dies nicht t u n — gleichgültig, ob dies freiwillig, d. h. durch Verkauf an die öffentl. Hand oder unfreiwillig, d. h. durch Enteignung geschieht 2 .
Genau diesen Weg geht die niederländische Lösung m i t dem bewußten Zuschlag für die Abgabe des Landes gleichgültig, ob es freiwillig an die Gemeinde verkauft oder von dieser enteignet wird. Man kann daher sagen, daß für die bodenrechtliche Umwidmungsproblematik die niederländische Lösung eine Regelung darstellt, die nicht nur i n der Entlastung der öffentlichen Hand besonders herausragt, sondern auch (für die Umwidmungsprozesse) keine Sonderopferprobleme kennt. 2. Etwas anders stellt sich, wenn auch nicht grundsätzlich verschieden, vom Gleichheitsproblem die Lage dar, wenn partiell der niederländische Weg einer Bodenvorratspolitik i n der Bundesrepublik eingeführt würde. Wenn z. B. durch Gesetzesänderung i n einer „ersten Phase" nur für Rand2 Der Unterschied ist, was die Freiwilligkeit betrifft, ohnehin nicht so groß, w e n n die Enteignung bei Weigerung des freiwilligen Verkaufs droht.
§ 27 Gleichheit i m Außenverhältnis (Enteignete/Nichtenteignete)
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gebiete von Großstädten eine solche Bodenvorratspolitik eingeführt wäre, dann tauchten nach langjähriger Praktizierung eines solchen Weges wohl kaum Gleichheitsprobleme auf. Es gibt dann eben — ähnlich wie ganz allgemein i n den Niederlanden — i n den besonders prekären Randgebieten der Großstädte keine Nichtenteigneten, die die besondere Grundstückslage bei Umwidmungen ausnutzen können. Daß es an anderer Stelle, nämlich i n den Randgebieten kleinerer und mittlerer Orte, noch solche Gewinnmöglichkeiten gibt, ist vom Gleichheitssatz gesehen unproblematisch. Auch heute ist das Bodenrecht ja durch gänzlich unterschiedliche Gewinnmöglichkeiten i n den einzelnen Gebieten gekennzeichnet. Eine Gleichheitsproblematik schwächerer A r t ergibt sich allenfalls als „Ungleichheit i n der Zeit". Denn bei Einführung des Durchgangserwerbs von Gemeinden mit drastisch limitiertem Entschädigungswert ist zu beachten, daß ja erst die Möglichkeit der Enteignung zu unterhalb des Verkehrswertes liegenden Preisen für Bauerwartungsland sich auf dem Markt auswirken muß. Wenn sich auch diese Bemessung der bei Enteignungen zu zahlenden Entschädigung i n Einzelfällen sofort auf die Preisbildung auf dem Grundstücksmarkt auswirkt 3 , so w i r d es doch vermutlich einige Jahre dauern, bis eine nachhaltige Korrektur des jetzigen Standes der Bodenspekulation eingetreten sein wird. Die Sachlage ist dann die folgende: Nach der Einführung des neuen Umwidmungssystemes ergibt sich letztlich eine Regelung, die nicht nur die Interessen der Allgemeinheit i. S. d. A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG wesentlich stärker berücksichtigt, als dies gegenwärtig der Fall ist, sondern zugleich eine Regelung, die eine Fülle der mit dem geltenden Bodenrecht verbundenen Willkürlichkeiten der Vermögenszuteilung von nicht auf Leistung beruhenden Werten beseitigt oder zumindest abschwächt. Nur für eine Übergangszeit w i r d eine Ungleichheit von bestimmten Enteigneten gegenüber Nichtenteigneten gleicher Lage i n Kauf genommen, weil letztere für die Zwischenzeit, in der der Grundstücksmarkt sich noch nicht oder noch nicht voll den neuen, in der Enteignungsentschädigung gezahlten Werten angepaßt hat, durch Verkauf eine höhere Entschädigung realisieren können. Trotz solcher notwendiger Ubergangsungleichheiten bei einer Abänderung des geltenden Bodenrechts verstieße eine solche Regelung nicht gegen die Verfassung. Das folgt schon aus einer Lehre, die sich das Bundesverfassungsgericht i n zahlreichen Entscheidungen zu eigen ge3 So auch Ehrenforth, Z u r Reform der Bodenordnung, Gemeinnütziges Wohnungswesen 1972, S .75 ff., 82. Dort auch der zutreffende Hinweis, daß die Reduzierung der Enteignungsentschädigung gegenüber den gegenwärtigen Werten sehr erheblich sein muß, u m einen Erfolg auf dem Grundstücksmarkt zu erzielen.
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I V . Enteignungsentschädigung u n d Gleichheitssatz
macht hat und die von Lerche treffend als „Annäherungstheorie" bezeichnet worden ist 4 . Diese Lehre geht von der Vorstellung aus, daß eine mit dem Grundgesetz an sich nicht verträgliche oder nicht vollverträgliche Neuregelung dadurch legitimiert werden kann, daß sie näher am Grundgesetz steht als der zuvor gegebene Rechtszustand. Diese Lehre wurde zwar zumeist bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung vertraglicher Regelungen 5 , aber auch bei sonstigen Vereinbarkeiten rechtlicher Regelungen m i t dem Grundgesetz angewandt 6 . So wurde i n der Mühlenentscheidung BVerfGE 9, 63 (71 f.) darauf hingewiesen, daß es zulässig war, für eine kurze Übergangszeit i n einer m i t A r t . 12 GG sonst nicht zu vereinbarenden Weise Recht aus der Zeit der Zwangswirtschaft beizubehalten. I n BVerfGE 12, 337 ff. wurde dargelegt, daß der Wandel der Gerichtsorganisation i n die neue Ordnung des Grundgesetzes m i t ihrer grundsätzlichen Gleichstellung von fünf Gerichtszweigen „einen Prozeß darstellt, der erst allmählich ganz v e r w i r k l i c h t werden kann".
Uberträgt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Problembereich, dann muß es als zulässig angesehen werden, wenn für eine Ubergangszeit notwendig Ungleichheiten zwischen Enteigneten und Nichtenteigneten i n der vermögensmäßigen Behandlung hervorgebracht werden, nach Ablauf dieser Zeit aber ein Rechtszustand eintritt, der sowohl Art. 14 I I I Satz 3 GG wie Art. 3 I GG gerechter w i r d als das geltende Bodenrecht. Eine Ablehnung der Zulässigkeit solcher Ubergangsungleichheiten würde i n der Tat zu einer ganz unverständlichen Konsequenz führen. Denn obwohl Wege aufgezeigt sind, nach denen letztlich dem ausdrücklichen Gebot der Verfassung i n Art. 14 I I I GG, die Interessen der Allgemeinheit i n der Enteignungsentschädigung ebenfalls zu berücksichtigen, Genüge getan werden kann und dies auch unter Gleichheitsgesichtspunkten gerechter ist als der gegenwärtige Rechtszustand, sollen temporäre Ungleichheiten erzwingen, daß dem Gebot der Verfassung i n Art. 14 I I I Satz 3 GG nicht entsprochen w i r d und die Willkürlichkeit des geltenden Bodenrechts bestehen bleibt. I I I . Das Gebot rechtsbezogener Gleichheit bei sonstigen Lösungen
1. W i r haben bei der Erörterung von Grundsatzfragen der entschädigungsrechtlichen Gleichheit (§ 25 V) dargelegt, daß man dem Willen des Grundgesetzes wohl am ehesten gerecht wird, wenn man vom Gesetzgeber nur fordert, daß er i m Verhältnis von Enteigneten zu Nichtenteigneten vermögensmäßige Gleichheit i m rechtlichen Sinn herstellt. 4 P. Lerche, Das Bundesverfassungsgericht und die Vorstellung der „Annäherung" an den verfassungsgewollten Zustand, DÖV 1971, S. 721 ff. 5 So z. B. BVerfGE 4, 157, 168 ff.; 12, 281, 290 ff.; 15, 337, 348 f.; 18, 353, 365 f. 6 Vgl. BVerfGE 9, 63, 71; 12, 326, 337 f.; 26,100,112 f.
§27 Gleichheit i m Außenverhältnis (Enteignete/Nichtenteignete)
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Was bedeutet dies für die Praxis, insb. für Änderungen des geltenden Boden- oder sonstigen Rechts durch den Gesetzgeber? Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, Entschädigungslösungen zu wählen, die i n vollem Umfang tatsächliche vermögensmäßige Gleichbehandlung zwischen Enteigneten und Nichtenteigneten herstellen (so aber z. B. für Umwidmungen von Ackerland zu Bauland die teilweise Einführung der niederländ. Lösung); er muß nur rechtsbezogene Sonderopfer i n der Vermögenssphäre verhindern. Das hat etwa für die Behandlung von unbebauten Grundstücken bei Enteignungen, z. B. beim Straßenbau, die folgende Konsequenz: Der Gesetzgeber braucht sich nicht verpflichtet zu fühlen, bei Grundstücken, die bisher noch keine rechtliche Baulandqualität besaßen, aus Gleichheits- oder Gerechtigkeitsgründen die bisherigen Entschädigungsregelungen aufrechtzuerhalten 7 . Er kann vielmehr, da hier nur tatsächliche Umstände, die nicht rechtlich geprägt sind, zu einer höheren Bewertung auf dem Markt führen, die Entschädigung auf den Wert der bisher ausgeübten Nutzung reduzieren. Eine solche Regelung wäre auch (ganz davon abgesehen, daß es i m Enteignungsentschädigungsrecht stets zwei Gerechtigkeitsebenen zu unterscheiden gilt, § 25 II) so u n b i l l i g nicht. Der enteignete Bauerwartungslandinhaber, dem eine limitierte Entschädigung gezahlt w i r d , denkt n u r an andere Nichtenteignete, die die Möglichkeit haben, zu höheren Preisen als der begrenzten E n t schädigung ihre Grundstücke veräußern zu können. Es gibt aber viele andere Nichtenteignete, die, w e i l z. B. die Bauplanungen hier keinerlei Planungsglück oder Planungserwartungsglück ausgeteilt haben (zum Planungsglück B G H Urt. v. 22. 5. 1967, BRS Bd. 19, Nr. 100 - N J W 1967, S. 2306), nicht mehr an Wert durch einen Verkauf realisieren können, als der Enteignete m i t der l i m i tierten Entschädigung bekommt. Es hängt also immer v o m Bezugspunkt ab, den der Enteignete w ä h l t ; die menschliche Natur tendiert w o h l dahin, immer den günstigsten Vergleichspartner zu nehmen.
Bei bebauten Grundstücken ist, stellt man auf die Rechtsbezogenheit des vermögensmäßigen Sonderopfers ab, zu differenzieren. Hier darf der Gesetzgeber die Entschädigung i m Grundsatz nur dann nach Leistungskriterien bemessen, wenn er durch zusätzliche flankierende Maßnahmen dafür sorgt, daß zwischen Enteigneten und Nichtenteigneten eine Nivellierung eintritt. Diese Nivellierungspfiicht erstreckt sich aber auch hier wiederum nur auf die rechtsbezogenen Werte der jeweils enteigneten Gegenstände. Was an tatsächlichen Faktoren außerhalb der Rechtsbezogenheit zusätzlich werterhöhend wirksam ist, kann, muß aber nicht zwingend nach dem Gleichheitssatz bei Entschädigungen berücksichtigt werden. 7 So w o h l auch Rüfner, Scheuner-Festschrift 1973, S. 523: Der Gleichheitssatz hindere nicht, daß bei Enteignungen Bauerwartungswerte nicht berücksichtigt werden, w e n n zu Zwecken der Allgemeinheit enteignet wird. I m Ergebnis w o h l auch schon 1969 Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 14 GG, Rdnr. 116 m i t der Theorie der sog. „Sonderwerte".
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I V . Enteignungsentschädigung u n d Gleichheitssatz
I n der Praxis sieht die Differenzierung z. B. so aus: Ist i n Städten durch Bauplanungsentscheidungen eine bestimmte gesteigerte Nutzung rechtlich gewährt worden, so muß i n diesem Fall nach dem Gleichheitssatz des Art. 3 I GG der Enteignete jedenfalls i n der Höhe Entschädigung bekommen, als allgemein eine Wertsteigerung auf die gesteigerte rechtliche Nutzung zurückzuführen ist 8 — obwohl der Enteignete keine Leistungsfaktoren geltend machen kann. Häufig w i r d es aber bei den Bewertungen von bebauten Grundstücken nicht entscheidend auf die rechtliche Qualität der Nutzung, sondern auf die jeweilige Lage ankommen. Ein Geschäftsgrundstück i n einer Hauptstraße hat einen ganz anderen Verkehrswert als ein Geschäftsgrundstück i n einer nicht weit davon entfernten Nebenstraße. Das aber sind nur tatsächliche Faktoren, für die die Rechtsgestaltung der Nutzung nicht verantwortlich ist. Der Gesetzgeber kann, muß aber nicht unbedingt aus Gleichheitsgründen solche Lagevorteile i n die Enteignungsentschädigung einbeziehen. Nach diesen Grundsätzen ist die auf umfassende, nämlich auf tatsächliche Gleichheit abstellende Regelung des Städtebauförderungsgesetzes nicht als von Art. 3 I GG geboten anzusehen. Dessen Regelung ist spiegelbildlich ausgestaltet. Nach § 23 StFG sind Lagevorteile, die durch Sanierungen entstanden sind 9 , bei den Entschädigungs- und Ausgleichsleistungen zu berücksichtigen. Da bei Nichtenteigneten Ausgleichsbeträge die Sanierungsgewinne abschöpfen, ist hier nicht nur Gleichheit i m Rechtssinne gewährleistet. Der Gesetzgeber könnte über die dort gewählte Lösung hinausgehen, indem er durch bloßes Abstellen auf die rechtsbezogenen Wertsteigerungen die Entschädigungsregelungen der bisherigen Gesetze modifiziert. Ein praktisch plausibler Weg wäre der folgende: Wie oben i n § 18 dargelegt, könnte auch bei Enteignungen von Gewerbebetrieben, z. B. von Geschäften als neuartiges Entschädigungsprinzip i n Absetzung vom strikten Verkehrswert i n einer m i t A r t . 14 Abs. 3 GG konformen Weise auf den Wiederbeschaffungswert im materialen, nicht valutativen Sinn abgestellt werden. Müssen z. B. beim Straßenbau Geschäfte weichen, dann reicht es — auch nach dem 8
Das muß notfalls geschätzt werden; welche Wertsteigerungen haben alle Grundstücke allein durch die rechtliche Nutzungsqualität bekommen. A u f Schätzungen hat m a n auch bisher gerade i m Enteignungsentschädigungsrecht schon häufig zurückgreifen müssen. Das sollte also nicht hindern, die A l l gemeinheit zu entlasten. Probleme aus der Junktimklausel ergeben sich nicht; das Entschädigungskriterium ist ja als solches klar. Die V e r w a l t u n g hat also kein Entschädigungsermessen, sondern wäre gebunden, nach diesem L e i t k r i t e r i u m die Entschädigung zu ermitteln. 9 M a n denke z. B. daran, daß durch Sanierung eine bestimmte Straße, die vorher als Geschäftsstraße untergeordnete Bedeutung besaß, jetzt zu einer Fußgängerstraße w i r d .
§ 27 Gleichheit i m Außenverhältnis (Enteignete/Nichtenteignete)
313
Gleichheitssatz des Art. 3 I GG! — aus, wenn dem Eigentümer so viel an Entschädigung gewährt wird, daß er, z. B. i n einem anderen Stadtteil, ein vergleichbares Geschäft eröffnen kann (was er nicht t u n muß). Daß dieses Geschäft eine (u. U. erheblich) schlechtere Lage aufweisen kann, der Verkehrswert des Betriebes also niedriger liegt, hindert nicht die Zulässigkeit solcher Entschädigungsregelungen. Entsprechendes gilt für die Entschädigung von Fabriken, die umgesiedelt werden müssen u. ä. mehr. So extrem u n b i l l i g (darauf stellt das Grundgesetz ohnehin nicht allein ab), wie dies die bisherige Gleichheitsdiskussion zum Enteignungsrecht vermuten läßt, ist auch unter tatsächlichem, nicht rechtlichem Aspekt eine solche geänderte Entschädigungsregelung nicht. Gerade Faktoren wie die Verkehrsdichte, die A r t von Straßen (Fußgänger-, H a u p t - oder Nebenstraße, Durchgangs- oder Anliegerstraße) bestimmen zwar den Umfang des Verkehrs wertes; diese Umstände sind aber v o m einzelnen Inhaber aus gesehen weitgehend zufällig entstanden. E i n Enteigneter steht also m i t einer solchen l i m i t i e r t e n Entschädigung vermögensmäßig auch nicht schlechter da als viele andere Geschäftsinhaber m i t Betrieben vergleichbaren Umfangs 1 0 .
2. Soweit ein rechtsbezogenes (Vermögens-)Sonderopfer vorliegt, ist der Gesetzgeber zwar gehalten, für Nivellierung, d. h. Gleichheit zwischen Enteigneten und Nichtenteigneten zu sorgen. I h m stehen hier jedoch zwei grundsätzliche Wege offen (Relativität der Gleichheit). Er kann, u m Gleichbehandlung zwischen Enteigneten und Nichtenteigneten zu gewährleisten, i n der Entschädigungsregelung das „volle Äquivalent", d. h. vollen Ausgleich geben. Er kann umgekehrt aber auch so vorgehen, daß die Nichtenteigneten ebenfalls nicht in den Genuß der Ausnutzung leistungsloser Grundstückswertsteigerungen kommen (flankierende Maßnahmen). Welche Form flankierender Maßnahmen der Gesetzgeber wählt, um das (rechtlich konstituierte) Vermögensgefälle zwischen Enteigneten und Nichtenteigneten einzuebnen, ist gleichgültig. Verfassungsrechtlich kommt es nur auf das „ob", nicht auf das „wie" der flankierenden Maßnahme an. Beruht der Wertzuwachs auf Planungsmaßnahmen, so kommt die Einführung eines Planungswertausgleichs i n Betracht. Lassen sich die Bodengewinne nicht auf Planungsmaßnahmen der Gemeinden oder staatlicher Behörden zurückführen, sondern haben ihren Grund allein i n der Unvermehrbarkeit des Bodens, so ist an Erhebung einer Bodenwertzuwachssteuer zu denken. M a n w i r d aber bez. der praktischen Wirksamkeit mancher flankierender Maßnahmen skeptisch sein müssen. Hat der Gesetzgeber sie angeordnet, so hat er seine Pflicht nach A r t . 3 I GG erfüllt. Z u fragen ist aber, ob nicht die Nichtenteigneten faktisch solche Abgaben uberwälzen können. Dann ist n u r scheinbar 10 Anders ist es nur, w e n n und insoweit früher gezahlte Kaufpreise w e r t los werden. Dazu oben § 13 I I I . Hier greift ein Schutz bereits nach A r t . 14 GG ein; des Rückgriffs auf die Gleichheit bedarf es wiederum nicht.
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I V . Enteignungsentschädigung und Gleichheitssatz
für einen tatsächlichen Gleichstand zwischen Enteigneten und Nichtenteigneten gesorgt. Die letzteren müssen zwar die leistungslosen Gewinne ebenfalls abführen, bekommen diese aber durch den infolge der Abwälzung erhöhten Kaufpreis wieder ganz oder teilweise herein. (Diese Erwägung läßt es sogar als möglich erscheinen, daß die geplante Novellierung des Bundesbaugesetzes zu einem verstärkten Auftrieb der Bodenpreise führt.)
3. Nach dem gegenwärtigen Stand der parlamentarischen Beratungen zur Änderung bodenrechtlicher Vorschriften ist offenbar bei der Fassung von Entschädigungsregelungen nur an solche Lösungen gedacht, die eine volle tatsächliche Spiegelbildlichkeit zwischen Enteigneten und Nichtenteigneten i n vermögensmäßiger Hinsicht gewährleisten 11 . Sie w i r d — entsprechend der bisherigen Regelung des Städtebauförderungsgesetzes — durch Ausgleichsbeträge der Nichtenteigneten erzielt (so der Entwurf der Novelle zum Bundesbaugesetz). W i r haben dargelegt, daß eine derartig umfassende Spiegelbildlichkeit nicht vom Grundgesetz geboten ist und weiterhin nachzuweisen versucht, daß von „der" Spiegelbildlichkeit häufig auch nicht gesprochen werden kann. Es gibt zumeist viele Nichtenteignete, mit denen (limitiert entschädigte) Enteignete verglichen werden können. Man sollte daher nicht immer, wenn man auf die (in rechtspolitischen Erwägungen wichtige) Billigkeit von Lösungen abstellt, die günstigsten Fälle von vergleichbaren Nichtenteigneten heranziehen. Der Gesetzgeber sollte sich darüber hinaus überlegen, ob er nicht, durch Fixierung auf solche Spiegelbild-Modelle, vorschnell auf Möglichkeiten verzichtet, die die Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes nach Art. 14 Abs. 3 GG und auch nach Art. 3 I GG anbietet. Als Beispiel sei auf die oben i n § 26 I I I diskutierte denkbare Möglichkeit spezieller Entschädigungsregelungen f ü r bestimmte Funktionsgruppen von Enteigneten hingewiesen. Wenn es z. B. f ü r die Verkehrspolitik wichtig ist, die Entschädigungslast f ü r den Grundstückserwerb beim Bau neuer Eisenbahntrassen zu verringern, könnte der Gesetzgeber jedenfalls i n den Fällen, i n denen n u r Bauerwartungswerte geltend gemacht werden, i n m i t A r t . 3 I GG verträglicher Weise eine neuartige Entschädigungsregelung einführen, ohne daß er die (schwierigen) Instrumentarien einer Ausgleichsregelung für Nichtenteignete durch Gesetz einführt. Daß (gegenüber vielen, keinesfalls aber gegenüber allen vergleichbaren Nichtenteigneten) faktische Sonderopfer eintreten, hindert die Zulässigkeit der Einführung nicht. I V . Parallelitäten zum bisherigen Entschädigungsrecht
Schränkt man die Verpflichtung der Gleichbehandlung von Enteigneten und Nichtenteigneten auf bloße Nivellierung bei rechtsbezogenen Vermögenswerten ein, so führt das, wie dargelegt, zu erheblichen Reduzierungen der Gleichheitsbindung. Es w i r d daher an Versuchen 11
Vgl. Bielenberg, DVB1.1974, H. 3, S. 115.
§ 27 Gleichheit i m Außenverhältnis (Enteignete/Nichtenteignete)
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nicht fehlen, über den bisher i m Enteignungsrecht so mächtigen Sonderopfergedanken diese Beschränkung der Bindung wieder aufzuheben. Solche Ansätze müssen sich stets fragen, ob sie berücksichtigen, daß es i m Enteignungsrecht eben mehrere Gerechtigkeitsanforderungen gibt (§ 25 II), die nicht alle immer voll erfüllt werden können. Sie müssen sich weiter fragen lassen, ob das ausschließliche Abstellen auf Sonderopferüberlegungen als verfassungsrechtliche Pflicht angesehen werden kannlla. Darüber hinaus sollte aber berücksichtigt werden, daß auch dem bisherigen Enteignungsentschädigungsrecht, wenngleich nur partiell, die Differenzierung zwischen rechtlicher und bloß tatsächlicher Gleichheit bei der Gewährung von Entschädigungen geläufig war. 1. Diese Unterscheidung war zum einen zentrales Begründungselement i n der sog. Pflichtigkeitsrechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Durch das Abstellen auf die „Situationsgebundenheit" von Grundstücken hat der B G H schon früher, d. h. bevor das hamb. Deichurteil des Bundesverfassungsgerichts die Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes deutlich betonte, jedenfalls i n Teilbereichen einer Ausuferung der Entschädigungspflicht Grenzen gesetzt 12 . Von der Sicht der jeweils Betroffenen aus konnte dies dem Eingriff den Charakter eines Sonderopfers freilich nicht nehmen: es blieb ja der nicht zu leugnende Umstand, daß aus übergeordneten, den Einzelnen also „zufällig" treffenden Gründen des Allgemeinwohls einzelne Grundstücksinhaber mit einer Pflicht belastet wurden, während andere Grundstücksinhaber die konjunkturelle Entwicklung ausnutzen konnten. Zur Rechtfertigung der Unterschiede hat der Bundesgerichtshof, auch noch i n jüngster Zeit, gerade auf den — wie dargelegt (§ 25 V) auch allgemein dem Gleichheitssatz des Art. 3 I GG immanenten — Grundsatz zurückgegriffen, daß nicht schon tatsächliche, sondern nur rechtliche Sonderopfer entschädigungsrechtlich relevant seien 13 . Der Bundeslla Dem Leser w i r d k l a r geworden sein, daß w i r m i t der differenzierten Bestimmung der Entschädigungsbindungen einen Mittelweg zwischen Sonderopferbetrachtung und materialen Entschädigungstheorien einschlagen: Z u nächst bestimmen w i r das absolute Entschädigungsminimum material (Leistungsschutz); damit w i r d der Spielraum der Interessenabwägung k o n k r e t i siert. Dann w i r d zusätzlich Vermeidung rechtlicher Sonderopfer geboten; das gibt dem Gleichheitssatz eine eigene, aber beschränkte Relevanz. 12 L e i t f a l l ist das Grünflächenurteil, B G H Z 23, 30, 33 f.; vgl. auch B G H L M Nr. 60 zu A r t . 14 (Buchendom) und L M Nr. 70 zu A r t . 14 (Kapellenfall) ; weitere Nachweise bei Kröner, 2. Aufl., S. 64. 13 Vgl. z. B., was aber später nicht berücksichtigt wurde, i m U r t e i l v o m 25. 1. 1973, B G H Z 60, 126, 131: „Unerheblich ist es nach der Rechtsprechung des Senates, daß die aus der Sozialbindung des Eigentums folgenden Pflichtigkeiten u n d Pflichten zu ungleichen tatsächlichen Belastungen für die betroffenen Eigentümer führen können. Hier handelt es sich nicht u m Ungleichheiten i m Rechtssinne " (Hervorh. v o n mir.)
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I V . Enteignungsentschädigung u n d Gleichheitssatz
gerichtshof ist allerdings gelegentlich von dieser Differenzierung beim Grundeigentum abgewichen und hat, gestützt auf Art. 14 GG, eine Pflicht zur Entschädigung von bloßen Gewinnchancen, die jeden Leistungsbezug vermissen lassen, angenommen. So z. B. i n der i m Ergebnis nicht billigenswerten, w e n n auch instruktiven erwähnten Kiesabbauentscheidung B G H Z 60, 126 ff. 1 4 . M a n w i r d w o h l nicht fehlgehen, wenn man als wichtige Erklärungsursache f ü r dieses Ausufern i n extensive Bejahungen von Entschädigungspflichten aus dem Grundgesetz annimmt, daß der B G H sich von dem bekannten Denkmodell der sog. „ f u n k tionsgerechten Verwendung" (Reinhardt/Forsthoff) v o m Eigentum, namentlich v o m Grundeigentum leiten läßt u n d aus diesem Modell heraus auch die Gleichheitsfrage entscheidet. F ü r einen solchen Erklärungsansatz spricht, daß der B G H hier auf die Handlungsweise des „vernünftigen Eigentümers" abstellt (vgl. B G H Z 60,126 ff. m i t Nachweis anderer Entscheidungen).
Man w i r d aber, auch wenn es die Gleichheitsproblematik zu lösen gilt, bedenken müssen, daß jedenfalls in der heutigen Zeit die funktionsgerechte Verwendung beim Grundeigentum gar nicht mehr eindeutig bestimmbar ist (vgl. § 17 III). Das ist auch der sachlich berechtigte Kern, aufgrund dessen die Pflichtigkeitstheorie zwischen bloß potentieller Pflicht einerseits und Pflichtverdichtung unterscheidet. Der Topos der „Situationsgebundenheit" hingegen ist, seine positive Wirkung der Begrenzung der Entschädigungspflichten soll nicht verkannt werden, zumindest irreführend 1 4 a . Er geht davon aus oder legt doch die Annahme nahe, daß bestimmte Grundstücke aus ihrem „Wesen" heraus bestimmten besonderen Bindungen unterworfen sind, andere aus ihrem andersgearteten „Wesen" keine solche Bindungen enthalten. Diese Sicht verkennt, daß — nicht nur i m Bauplanungsrecht, auch bei sonstigen Nutzungsmöglichkeiten von Grundeigentum — häufig die „funktionsgerechte" Verwendung von Grundeigentum nur mehrdimensional bestimmbar ist. Ob ein „Sonderopfer" vorliegt, läßt sich daher i n diesen Fällen gar nicht durch Orientierung an einer Funktion bestimmen. Das Bauplanungsrecht hat z. B. zu berücksichtigen, daß sowohl Grundstücke benötigt werden, die zur Bebauung freigegeben werden, w i e solche, die bewußt weiter Wald-, Wiesen- oder Ackerflächen bleiben, u m Erholungszwecken zu dienen. V o n „der" funktionsgerechten Verwendung zu sprechen, ist daher bei Grundstücken weitgehend verfehlt, denn beide Funktionen werden i m menschlichen Zusammenleben gebraucht. Zudem ist häufig gleichgültig, w e l ches Grundstück die eine, welches die andere F u n k t i o n erfüllt. Auch beim A b bau von Bodenschätzen i m Tagebau, z. B. i n dem erwähnten Kiesabbauproblem, k a n n — jedenfalls i n der Regel — von „der" funktionsgerechten Verwendung nicht gesprochen werden. Sowohl der Abbau von Kies erfüllt wichtige Funktionen des Grundeigentums, denn m a n braucht i h n zum Straßen- und Wohnungsbau. Aber auch das Ruhenlassen des Abbaus kann funktionsgerecht 14
Dazu eingehend aus der Sicht der Interessenabwägung oben § 19 I I 4. i4a E.-W. Böckenförde, Eigentum, Sozialbindung des Eigentums, Enteignung, i n : Gerechtigkeit i n der Industriegesellschaft, 1972, S. 215, 221 f. (insb. zur Bauleitplanung und Zuteilung der Bebaubarkeit).
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sein; dies z. B. dann, wenn die Wasserversorgung der Bevölkerung es erfordert. Der „wirtschaftlich denkende Eigentümer" der BGH-Rechtsprechung — insoweit macht sich beim B G H hinsichtlich des Grundeigentums eben doch stark die rein zivilrechtliche Betrachtungsweise bemerkbar — sieht n u r eine F u n k tion, nämlich diejenige, bei der i n der Privatnutzung am meisten Ertrag erzielt wird.
Mögen auch einfache Gesetze die rein privatrechtliche Sicht teilen und daher schon bei solchen tatsächlichen Sonderopfern eine Entschädigung anordnen; dem Grundgesetz ist eine solche Beschränkung des Blickwinkels fremd (vgl. A r t . 14 Abs. 1 und 2 GG). Man kann daher jedenfalls keine verfassungsrechtliche Pflicht zur Entschädigung aus der eindimensionalen Betrachtung der „funktionsgerechten Verwendung" herleiten. 2. Während die entschädigungsrechtliche Behandlung des Schutzes des Grundeigentums i n der BGH-Rechtsprechung ein diffuses B i l d ergibt, ist seit jeher nahezu exemplarisch i m Sinn der hier vorgenommenen Unterscheidung zwischen bloß tatsächlichen und rechtlichen Sonderopfern die Rechtsprechung des B G H zum Schutz von Gewerbebetrieben vorgegangen. W i r haben oben i n § 18 i m Einzelnen dargelegt, daß aus der Sicht der Interessenabwägung des Art. 14 Abs. 3 Grundgesetz die Rechtsprechung als ausgewogen bezeichnet werden muß. Das gleiche gilt aber auch hinsichtlich der Frage, ob unter Berufung auf den Sonderopfergedanken Gewerbebetriebe nicht stärker geschützt, d. h. ihnen eine umfassende Entschädigung zuzubilligen war. Hier hat der Bundesgerichtshof dezidiert und ohne solche Durchbrechungen, wie sie beim Grundeigentum festzustellen waren, die Eingrenzung des Rückgriffs auf Gleichheitspostulate zu Recht dadurch verwirklicht, daß nur rechtliche, nicht schon tatsächliche Sonderopfer überhaupt enteignende W i r kung haben können 15 . Von der Sicht der Betroffenen aus ist das wiederum alles andere als umfassend „gerecht". Denn diese Differenzierung kann ja nicht verhindern, daß die aus übergeordneten, weil allgemeinwohlbezogenen Gründen erfolgten Eingriffe in die gewerbliche Tätigkeit dem Betroffenen als „zufällig" erscheinen müssen: bestimmte Inhaber von Betrieben erleiden dadurch (u. U. ganz erhebliche) Vermögensnachteile, andere bleiben davon verschont 16 . 15
Vgl. oben § 18; s. auch die zahlreichen Nachweise bei Kröner, S. 51 ff. Einige Beispiele statt vieler. Wenn ein neuer Damm gebaut w i r d , k a n n dies dazu führen, daß einzelne Fischereibetriebe wirtschaftlich enorme Zusatz kosten zu verkraften haben; andere vergleichbare Betriebe (die an einem anderen Küstenort angesiedelt sind), sind besser behandelt; so i m Krabbenfischerfall B G H Z 45, 150 ff.; zum Sonderopfer i n tatsächlicher Hinsicht insb. S. 161. Ä h n l i c h z.B. die Fischpachtbeschränkung an einem bestimmten Fluß (Moselausbau, B G H Z 49, 231 ff.). Beim Knäckebrotfall w a r ein tatsächliches Sonderopfer insb. dadurch gegeben, daß ausländische Hersteller M e h l erheblich billiger als inländ. Hersteller einkaufen konnten; vgl. B G H Z 45, 83,89 f. 16
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I V . Enteignungsentschädigung u n d Gleichheitssatz
Worin liegt der innere, sachliche Grund der Differenzierung zwischen bloß tatsächlichen Ungleichbehandlungen und Sonderopfern i m Rechtssinn? Der Topos, eine zwingende Entschädigungspflicht 17 sei nicht gegeben, weil das Recht gar nicht soweit reiche 18, reicht als Begründung nicht aus. Neben diesem formalen Argument müssen materiale Gründe die Auferlegung tatsächlicher Sonderopfer tragen. Als allgemeiner Grund wurde oben i n § 18 hinsichtlich der Gewerbebetriebe auf den Leistungsaspekt hingewiesen. Weiterhin ist dort, wie näher dargelegt, der Grundsatz der Symmetrie von unternehmerischem Risiko und Gewinnmöglichkeiten zu beachten 19 . Das reicht aber als Begründung nicht immer aus. Auch bei Beeinträchtigungen von Gewerbebetrieben gibt es „Sonderopfer", bei denen der Gefahr einer Verschlechterung wohl kaum eine besondere, hier eben nur nicht aktualisierte Gewinnchance gegenübergestellt werden kann. Bei Beschränkungen des Grundeigentums entfallen ohnehin Symmetrieerwägungen, die die bloße Entschädigungsrelevanz von rechtsbezogenen Sonderopfern rechtfertigen könnten. Man wird, statt formal aus A r t . 14 GG eine beschränkte Geltung des Gleichheitssatzes abzuleiten (vgl. § 25 IV) auf einen materialen Grundsatz zurückgreifen müssen, der, wie bereits kurz erwähnt 2 0 , schon von W. Jellinek unter Rückgriff auf Otto Mayer herausgearbeitet worden ist 2 1 : Der Umfang verfassungsrechtlicher Entschädigungspflichten kann 17
Dem Gesetzgeber bleibt, jedenfalls i n Härtefällen wie z. B. dem Krabbenfischerfall, unbenommen, gleichwohl eine Sozial„entschädigung" zu gewähren. Auch Subventionen an die Fischereiwirtschaft stellen w o h l schon Unterformen solcher Sozialhilfen dar. 18 So z. B. B G H Z 48, 58, 60 (Rheinuferstraße). 19 I n bayer. Kreisen w o h l auch als „Tropfentheorie" bekannt: Wer die guten Tropfen genießt, muß auch die schlechten i n K a u f nehmen. 20 Vgl. § 17 Fußn. 27. 21 W. Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1931, S. 412: „Es versteht sich i n der Tat keineswegs von selbst, daß die Grenzen des Eigentums dem Staate gegenüber dieselben sein müßten wie gegenüber Privaten." Daraus zog Jellinek dann erhebliche Einschränkungen der Entschädigungspflicht. Otto Mayer hatte, vgl. Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, 2. Aufl., 1917, S. 221 f., i n scharfer E n t gegensetzung von Dienstbarkeit (eines individuellen Bürgers) i m bürgerlichen Recht u n d öffentlichen Eigentumsbeschränkungen statuiert, daß hinsichtlich letzterer dem Grundeigentum eine „allgemein und i m Voraus anhängende Schwäche" eigen sei; sie beruhe „auf gewissen, allgemein anerkannten N o t wendigkeiten des geordneten Zusammenlebens". Wenn O. Mayer gleichwohl (vgl. S. 224 u n d § 53) für Sonderopfer eine umfassende Entschädigungspflicht postulierte, dann ist zu berücksichtigen, daß er dort auch und gerade Fälle zugrunde legte, die nach der hier vorgelegten Differenzierung zwingend entschädigungspflichtig sind. So hatte z. B. das Rayongesetz von 1871 i n § 43 den Festungskommandanten erlaubt, entschädigungslos von den Grundeigentümern gegebenenfalls den A b r i ß von Gebäuden zu verlangen (O. Mayer, S. 238). Solche Fälle wären (vgl. oben § 10 zum BLG) nach dem Leistungsschutzgedan-
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nicht, wenn der Staat rechtmäßig, d. h. i n Erfüllung öffentlicher Aufgaben handelt, mit dem Entschädigungsmechanismus beim Aushandeln zwischen Privaten verglichen werden. Bei letzterem stellt Jeder auf seine individuellen, personenbezogenen Interessen ab. Infolgedessen wird, wenn es um den Kauf und Verkauf von Gegenständen oder um die Einräumung von Dienstbarkeiten an Grundstücken zugunsten anderer geht, der Verkäufer auch jede Chance, die sich für die Nutzung des Gegenstandes bietet, preiserhöhend einbeziehen. Der Käufer ist dann genötigt, so viel zu zahlen, daß er den Forderungen des Verkäufers gerecht wird. Beschränkt hingegen der Staat i n hoheitlich rechtmäßiger Tätigkeit Nutzungsmöglichkeiten, so ist, auch wenn dies zu tatsächlichen Sonderopfern führt, die Entschädigungsfrage auf eine andere Grundlage gestellt. Hier w i r d i m Interesse aller gehandelt, auch wenn nicht alle dies i n gleicher Weise empfinden (Der kiesabbauberechtigte Grundeigentümer ist auch an sauberem Wasser interessiert; er würde aber schlechteres akzeptieren, wenn der Abbau entsprechenden Gewinn bringt. Der Inhaber eines Grundstücks i n einer Innenstadt w i r d allgemein an der Erhaltung historischer Stadtbilder interessiert sein; doch wenn bei seinem Grundstück dadurch gesteigerte Nutzungsmöglichkeiten verloren gehen, w i r d das letztere Interesse überwiegen). Der Unterschied zwischen privatem und staatlichem Tätigwerden darf nicht dazu führen, daß dem Gesetzgeber ein totaler Entschädigungsspielraum einzuräumen ist; die Grenze bietet der Leistungsschutz in seinen verschiedenen Gestalten (vgl. §§ 16-19). Dafür, daß bloße Chancen nicht uferlos entschädigt werden müssen, um tatsächliche Sonderopfer zu vermeiden, sollte der aufgezeigte Unterschied aber eine hinreichende materiale Begründung liefern.
ken absolut entschädigungsfest. Anschütz, Der Ersatzanspruch aus Vermögensbeschädigungen durch rechtmäßige Handhabung der Staatsgewalt, i n Verw. Arch. Bd. 5 (1897), S. 61 führte zwar demgegenüber aus: „Was heißt besonderes Opfer'? N u r rechtmäßige Handhabung der Staatsgewalt steht hier i n Frage. Die Wirkungen derselben aber, auch die schadenbringenden, über sich ergehen zu lassen, ist nicht Darbringung eines besonderen Opfers, sondern allgemeine Bürgerpflicht." Das ist das Gegenextrem zur umfassenden Entschädigungspflicht f ü r jedes Sonderopfer. Beide sind hier abgelehnt; so stellt sich denn unsere Lösung i n historischer Betrachtung als Synthese zwischen beiden dar (vgl. anschließend § 28 I).
Schluß teil § 28 D e r Leistungsbezug in historischer und aktueller Sicht I. Die Synthese
1. Es liegt auf der Hand, daß eine Bestimmung des Entschädigungsspielraumes von Art. 14 GG i m Wege der Leistungsdifferenzierung und i n Abweichung vom starren Prinzip der Verkehrswertentschädigung nicht nur i n den gegenwärtig besonders bedeutsamen Fragen des Bodenrechts zu einer wesentlich veränderten verfassungsrechtlichen Ausgangslage führt, sondern notwendig zu einer ebenfalls wesentlich veränderten Sicht des Umfangs und der Funktion der Eigentumsgarantie als „ I n d i v i dualgarantie", d. h. des Schutzes des individuellen Eigentums. Denn wenn das Leistungsprinzip als generelles Leitprinzip der Konkretisierung der Entschädigungsregelung des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG anerkannt wird, so hat dies eine grundlegende Änderung der Eigentumsgarantie i n ihrem zweiten Aspekt der Wertgarantie zur Folge. Der entscheidende Wandel besteht darin, daß nicht mehr die marktmäßige Bewertung eines einmal erworbenen Rechtes i m Zentrum der Schutzfunktion der Wertgarantie des A r t . 14 GG steht, sondern daß nur der Leistungsfaktor als Teil des Marktwertes verfassungsrechtliche Garantie besitzt. Auch wenn man mit dem Bundesverfassungsgericht der Auffassung sein sollte, daß es eine „heute allgemein herrschende gesellschaftliche Auffassung" sei, „das, was der Einzelne sich durch eigene Leistung und eigenen Kapitalaufwand erworben hat, i n besonderem Sinn als sein Eigentum anzuerkennen und gegenüber Eingriffen als schutzwürdig anzusehen" 1 , so zeigt doch das starre Festhalten vieler Stellungnahmen i m Enteignungsrecht an der Verkehrswertentschädigung, daß diese Auffassung jedenfalls i m Rechtsbewußtsein der Rechtswissenschaft bisher noch nicht als allgemeingültig angesehen werden kann. Man w i r d auch i n der Beurteilung nicht fehl gehen, wenn man die Beschränkung auf den Leistungsschutz als eine erhebliche grundsätzliche Funktionsverschiebung der Garantiefunktion der Eigentumswertgarantie betrachtet. Diese Verschiebung w i r f t die Frage auf, wie die Änderung der Wertgarantie unter historischdogmatischen Gesichtspunkten einzuordnen ist. Die Beantwortung der 1
So schon BVerfGE 1, 264, 277 f.
§ 28 Der Leistungsbezug i n historischer u n d aktueller Sicht
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Frage nötigt dazu, auf die tragenden inneren Gründe der bisherigen Entwicklung des Enteignungsrechts zurückzugreifen. 2. Das Institut der Enteignung hat seit seiner Entwicklung von der „klassischen" Enteignung i n seinem Schutzbereich insbesondere zwei zentrale grundsätzliche Erweiterungen erfahren. Zum einen wurde der Gegenstandsbereich der Enteignung dadurch ausgeweitet, daß, ausgehend von dem bahnbrechenden Beitrag von M. Wolff 2, anerkannt ist, daß der Eigentumsgarantie nicht nur das Sacheigentum i. S. des § 903 BGB unterfällt, sondern daß sämtliche privaten Vermögenswerten Rechte enteignungsfähig und damit i n gleicher Weise entschädigungspflichtig sind. Zum anderen wurde der Eingriffsbereich dadurch ausgedehnt, daß nicht nur bloße Güterbeschaffungsfälle, sondern auch die Fälle der „Aufopferungsenteignung" (W. Weber) dem Enteignungsbegriff unterfallen. Hinzu kommt, daß es nach neuerer Auffassung auf die Gezieltheit des Eingriffs nicht mehr ankommt 3 . Die primäre Rechtsfolge aller dieser Ausweitungen des begriffes lag i n der Ausweitung der Entschädigungspflicht. Fortentwicklung des Enteignungsrechts hat daher zu einer Verstärkung der Belastungen der öffentlichen Hand mit rechtlichen Entschädigungspflichten geführt.
EnteignungsDie bisherige fortlaufenden enteignungs-
Führt man das Leistungskriterium als Maßstab des verfassungsrechtlichen Entschädigungsminimums ein, so leitet man eine scheinbar entgegengesetzte Entwicklung ein, i n dem ebenso grundsätzlich, wie die bisherige dogmatische Weiterentwicklung des Enteignungsrechts eine Erweiterung der Entschädigungspflicht bewirkt hat, jetzt die Entschädigungspflicht auf Verfassungsebene verringert wird. Man könnte daher bei flüchtiger Betrachtung annehmen, daß die — nachweisbar vom Pari. Rat bewußt gewollte — Einführung der Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes zu einer Rückentwicklung i m Enteignungsrecht führt. Damit w i r d man dem Sachverhalt aber m. E. nicht gerecht, weil man von den inneren sachlichen Gründen absieht, die sowohl die Ausweitung der Entschädigungsgarantie in der bisherigen Entwicklung des Enteignungsrechts wie die Reduzierung der Entschädigungspflicht bei der vorgenommenen Konkretisierung der Interessenabwägung rechtfertigen. Betrachtet man die Entwicklung insgesamt unter dem Aspekt des Leistungskriteriums, so sollte man eher die auf A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG gestützte Rechtslage als Synthese ansehen, weil scheinbar divergierende Entwicklungen unter einem einheitlichen Leitprinzip nicht als 2
M. Wolff, Reichsverfassung und Eigentum, Festgabe f ü r W. K a h l , 1923. Vgl. insb. B G H Z 37, 44 (Truppenübungsfall). I m alten Sinn noch B G H Z 12, 52, 57: „Eingriff ist nur, was eingreifen soll, nicht was zufällig geschieht." 3
21 Opfermann
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Schlußteil
Gegensätze, sondern eher als sich gegenseitig rechtfertigend sind.
anzusehen
3. Bekanntlich ist die Ausweitung des Eigentumsbegriffes durch M. Wolff auf sämtliche privaten Vermögenswerten Rechte von diesem nicht eigentlich begründet, sondern — i n methodisch durchaus anfechtbarer Weise 4 — nur postuliert worden. Wenn sie sich gleichwohl binnen weniger Jahre sowohl i n der Rechtsprechung wie i n der Lehre durchsetzte 5 , so könnte als der innere Grund der Berechtigung dieser Ausweitung am ehesten gerade das Leistungskriterium angeführt werden. Denn wenn A r t . 153 WRV und jetzt A r t . 14 GG nicht lediglich das privatrechtliche Eigentum i. S. des BGB, sondern „jede positiv-rechtliche Ausprägung des Eigentumsgedankens schlechthin, d. h. der vom Individuum ausgeübten Sachherrschaft über Sachen und Rechte" 6 ergreift, so ist dies daraus zu rechtfertigen, daß ebenso wie das Eigentum i. S. des § 903 BGB auch jedes andere private Recht Vermögenswerte enthalten kann und i n der Regel enthält, die auf Leistung des Inhabers oder i h m zurechenbare Personen i n Form von Kapital- oder Arbeitseinsatz zurückgehen. Erfordert der Gesichtspunkt des Leistungsvertrauens den verfassungsrechtlichen Schutz für das Eigentum i. S. des BGB, so dann auch konsequenterweise für andere private Rechte. Das gilt i n besonderem Maße i n unserer modernen, auf Arbeitsteilung beruhenden W i r t schafteordnung. Dieser Bezug zwischen Ausweitung der Entschädigungsgarantie ihrem Gegenstand und Erstreckungsbereich nach und dem Leistungsgedanken ist auch schon bald nach 1949 gesehen worden, indem darauf hingewiesen wurde 7 , daß „neben dem Sacheigentum die sonstigen Vermögenspositionen einbezogen (werden müssen), m i t deren Hilfe die Individuen ihre wirtschaftliche Existenz aus eigener Kraft behaupten". Die Betonung der Selbstverantwortlichkeit der Lebensgestaltung, der Existenzsicherung „aus eigener K r a f t " ist ja weitgehend nur eine äquivalente Formulierung für das Abstellen auf den Schutz der Leistung des Betroffenen. 4 M. Wolff führte i n seinem Beitrag i n der Kahlfestgabe aus (S. 3), m a n sei „ m i t Recht darüber einig, daß nicht nur das Eigentum i m Sinne des heutigen bürgerlichen Rechts, sondern jedes private Vermögensrecht (Forderung, A k t i e , dingliches Recht, Urheberrecht) hiermit gewährleistet werden soll." I n W a h r heit wurde diese Auffassung, über die man sich „ m i t Recht einig sei", durch Wolff erst begründet. 5 Z u m Stand am Ende der Weimarer Republik s. Stödter, öffentlichrechtliche Entschädigung, S. 150 f., und W. Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, 2. Aufl., S. 339 ff. 6 So die Zusammenfassung des damaligen Standes bei Stödter, S. 151. 7 W. Weber, Eigentum u n d Enteignung, i n : Die Grundrechte, Bd. 2, S. 353. Dort auch zutreffend der Hinweis, daß die Begründung des B G H i m Beschluß v o m 10. 6. 1952, B G H Z 6, 270 ff., aus der umfassenden Zugriffsmöglichkeit des Staates sei die Ausweitung geboten, diese noch nicht trägt.
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Es kann daher, wenn man die Entwicklung des Enteignungsrechts nicht als blinden Zufallsprozeß, sondern als sachlich fundierte Veränderung der Rechtslage begreift, auch kein „Zurück zum klassischen Enteignungsbegriff" geben. Denn damit würde man der Einsicht zuwiderhandeln, daß auch bloße Eigentumsbeschränkungen solche Leistungsäquivalente zwar nicht notwendig treffen müssen, aber treffen können. Vom Leistungsgedanken her gesehen ist es schließlich dann nur eine Fortführung des gleichen Grundgedankens, wenn auch subjektive öffentliche Vermögenswerte Rechte immer dann nicht ohne Entschädigung entzogen werden können, wenn sie auf Arbeits- und/oder Kapitaleinsatz des Betroffenen zurückzuführen sind 8 . 4. Es liegt auf der Hand, daß die Ausweitung des Enteignungsbegriffes auch auf die Fälle der sog. „Aufopferungsenteignung" i n besonderem Maße die Frage dringlich werden läßt, wie die hierdurch ausgelösten Entschädigungspflichten eigentlich bezahlt werden sollen. Auch wenn man berücksichtigt, daß i n der Wirkung des Eingriffs solche Fälle den Betroffenen nicht weniger schutzwürdig machen als die Fälle der klassischen Enteignung, so ist damit ja doch das Problem noch nicht gelöst, wie die Entschädigungspflichten so begrenzt werden können, daß Staat und Kommunen überhaupt noch handlungsfähig bleiben und neue gesetzliche Antworten auf veränderte Verhältnisse nicht schon deshalb ausbleiben müssen, weil das Geld für die ausgelösten Entschädigungsansprüche fehlt 9 . Für den hier vorgelegten Lösungsweg ergibt sich, daß die gleichen Gründe, die die Ausweitung der Entschädigungspflicht tragen, auch bei der Bestimmung der Grenzen der absolut von der Verfassung geforderten Entschädigungspflichten herangezogen werden. Damit ist zweierlei erreicht. Zum einen gibt es keine rein formale Beschränkung der Entschädigungsgarantie durch die Verfassung auf bloß bestimmte Gegenstandsbereiche und Eingriffsformen. Zum anderen w i r d dem Gesetzgeber aber freie Hand gelassen, Vermögenserwartungen zu enttäuschen, wo dies vom Allgemeinwohl her erforderlich ist und ein Leistungsbezug fehlt. I m Ergebnis w i r d man so durchaus, wenn auch zum Teil auf ganz anderem Wege, dem Anliegen gerecht, das, wie erwähnt, nach 1949 vornehmlich von Dürig und vorher insbesondere von W. Apelt und C. Schmitt 10 vertreten worden ist. 8
Vgl. oben § 12, Fußn. 3. Die kritische eigene Sicht der Reichsgerichtsrechtsprechung durch dies Gericht selbst, vgl. RGZ 144, 325 ff., sollte auch heute noch zu denken geben. Das Reichsgericht hatte damals i m Fluchtlinienurteil auch selbst darauf hingewiesen, daß bei Erlaß des Fluchtliniengesetzes i m Jahre 1875 der Gesetzgeber dav o n ausging, daß derartige Einschränkungen des Eigentums keine Entschädigungsansprüche auslösten, s. RGZ 128, 29. 10 Dürig, Zurück zum klassischen Enteignungsbegriff, JZ 1954, S. 4 ff.; Apelt, (Fußn. 5), S. 341; C. Schmitt, Die Auflösung des Enteignungsbegriffs, J W 1929, S. 495 ff. 9
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Schlußteil
5. Die Anwendung des Leistungskriteriums bei der Bemessung des verfassungsrechtlich nach A r t . 14 GG zwingend gebotenen Entschädigungsminimums setzt sich allerdings in Widerspruch zu Auffassungen, nach denen bei dem Schutz von Eigentum i. S. des Art. 14 GG nicht darauf abgestellt werden dürfe, ob dieses auf eigener Leistung beruht oder nicht 1 1 . Soweit hierbei diese Position damit begründet wird, ein scharfes „geradezu hochliberales Leistungsprinzip" widerspreche der heutigen Sozialstaatlichkeit 12 , liegt die Unschlüssigkeit dieser Argumentation für die meisten Sachbereiche des Enteignungsrechts auf der Hand. Wo läßt sich denn z. B. nachweisen, daß die (preistreibende) Garantie von nichterarbeitetem Gewinn, wie sie i m Bundesbaugesetz verankert ist, aus sozialen Gründen erforderlich ist? Umgekehrt gilt doch, daß die Nichtberücksichtigung des Leistungsgedankens i m Bodenrecht nicht nur die öffentliche Hand belastet, sondern zugleich auch zu unsozialen Folgen führt (indem z. B. die Mieten hochgetrieben werden oder der Bauwillige einen wachsenden Teil des gesparten Kapitals allein für den Erwerb von Grund und Boden ausgeben muß). Von diesen und ähnlichen 13 Unschlüssigkeiten der Begründung abgesehen, sollte i n der Auseinandersetzung mit solchen grundsätzlichen Ablehnungen des Leistungskriteriums danach unterschieden werden, welche Gründe vorgetragen werden. Es mag dahingestellt bleiben, inwieweit i n nicht m i t der Enteignungsentschädigung zusammenhängenden Fragen der Eigentumsgarantie grundsätzlich die Ablehnung des Leistungskriteriums aus der Verfassung selbst abgeleitet werden kann und nicht primär von persönlichen gesellschaftspolitischen Vorstellungen des Verfassungsinterpreten getragen ist. Hier ist die bereits oben i m Motto zitierte Warnung von Anschütz angebracht, daß nicht alles, was man vom persönlichen Standpunkt aus für b i l l i g hält, auch verfassungsrechtlich fest ist. Für die Frage des verfassungsrechtlichen Entschädigungsminimums kommt es freilich auf die grundsätzliche Reichweite der Eigentumsgarantie nicht an. Entscheidend ist vielmehr hier, inwieweit aus Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG heraus eine andere Orientierung als die am Leistungsgedanken i n gleichem oder stärkerem Maße m i t dem i n den §§ 4 und 5 11 So insb. W. Leisner, Verfassungsrechtliche Grenzen der Erbschaftsbesteuerung, S. 24, 86 f.; ähnlich Maunz, i n : Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 14 GG, Rdnr. 37; Maunz entwickelt allerdings später (Rdnr. 116) eine, gerade auf den L e i stungsaspekt abstellende, Theorie der Sonderwerte: Versagung der B a u n u t zung w i e auch Untersagung von z. B. Abbau von Steinbrüchen ist nicht entschädigungspflichtig. 12 Leisner, Erbschaftsbesteuerung, S. 24. 13 Dazu s. Tipke, Erbschaftssteuerreform u n d Grundgesetz, ZRP1971, S. 158 ff.
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der Arbeit dargelegten Interpretationsbefund i n Übereinstimmung zu bringen ist. Ein solcher Nachweis steht noch aus. Einzuräumen ist freilich, daß — jedenfalls für die Enteignungsentschädigung — nicht nur die eigene Leistung, sondern das Vorliegen zurechenbarer individueller Leistung überhaupt entscheidend sein muß. Ob der Vermögenswert daher vom Enteigneten selbst stammt oder durch Kapital- oder Arbeitseinsatz dritter Personen herrührt, ist bei der Bestimmung des verfassungsrechtlichen Entschädigungsminimums gleichgültig. Es kommt damit, um den plastischen Ausdruck J. Richters 14 zu gebrauchen, nicht auf die Eigenleistung an, sondern darauf, ob zumindest eine „derivative Leistung" vorliegt (vgl. oben § 13 IV). Die Berufung auf den Schutz von Lotterie gewinnen schließlich 15 liefert für die Gesamtproblematik des Umfang der Eigentumswertgarantie die denkbar geringste Stütze. Von diesem Ausnahmefall her kann man nicht sachgerecht allgemeine Grundsätze für die Eigentumsordnung herleiten. Anderes könnte nur von der Vorstellung aus gelten, daß die gesamte Eigentumsordnung weitgehend die Natur eines nach Lotterieprinzipien gestalteten Mechanismus zur Vermögenszuweisung besäße. I I . Zur gegenwärtigen Lage: Die Klarstellungsaufgabe des Bundesverfassungsgerichts
Zum Schluß der Arbeit sei noch ein Wort zur aktuellen rechtspolit. Situation gestattet. Die Untersuchung hat sich bemüht, unter möglichst umfassender Bindung an die klassischen Auslegungsmethoden aufzuzeigen, i n welchem Umfang das Grundgesetz enteignungsrechtliche Entschädigungsverpflichtungen auferlegt. I m Ergebnis lief dies auf eine Bestätigung und einen Ausbau der vom Bundesverfassungsgericht dezidiert i m hamburg. Deichurteil, aber, wie dargelegt, ja auch schon früher 1 6 eingenommenen Grundposition hinaus. Gerade i n der neueren bodenrechtlichen Diskussion ist auch häufig betont worden, daß die Annahme einer enteignungsrechtlichen Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes dem Gesetzgeber mehr Spielraum gibt, als er bisher ausgenutzt hat. 14 Richter, Die Rspr. des Bundesverfassungsgerichts zum Eigentumsbegriff des A r t . 14 des Grundgesetzes, S. 61. 15 So Maunz, i n : Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 14 GG, Rdnr. 37; der Sache nach differenziert Maunz gleichwohl. Der Schutz von Lotteriegewinnen betrifft m. E. mehr das Sonderproblem des Einstehens f ü r einen geschaffenen Vertrauenstatbestand, weniger die Eigentumsgarantie als solche. Ich sehe keine Bedenken, wieso es unzulässig sein sollte, f ü r Lotteriegewinne auch die E i n k o m mensteuer analog per Gesetz einzuführen. Dagegen sprechen n u r praktische Gründe; erstens würde das nicht lohnen, zweitens würde dann wohl, der A t t r a k t i v i t ä t wegen, die Höhe der Ausschüttungen gesteigert. 16 Vgl. § 1, Beginn der Einleitung.
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Schlußteil
Das ist aber nur die eine Seite der Problematik. Die Kehrseite w i r d von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur sog. Junktimklausel des A r t . 14 Abs. 3 Satz 3 GG beherrscht. W i r haben uns bemüht, an den jeweils einschlägigen Stellen nachzuweisen, daß die Junktimklausel des Grundgesetzes keineswegs ein lästiges Übel ist, sondern bei Annahme einer Absetzung des Grundgesetzes von der „angemessenen" Enteignungsentschädigung wichtige Funktionen zu erfüllen hat. Man kann aber m. E. bei dieser Feststellung nicht stehen bleiben. Wenn das Bundesverfassungsgericht i n ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertritt, Eingriffsermächtigungen i n das Eigentum ohne ausreichende Entschädigungspflicht 17 führen stets auch zum Wegfall der Eingriffsermächtigung 18 , dann setzt sich das Bundesverfassungsgericht wohl selbst i n einen Verantwortungszwang. Er ergibt sich aus der Konsequenz dieser Rechtsprechung. Dem Gesetzgeber bleibt wegen der aufgezeigten Rechtsfolge oft keine andere Wahl, als vorsichtig zu disponieren. I m Zweifel w i r d er, auch wenn er sachlich aus Gründen des Allgemeinwohls eine geringere Entschädigungspflicht (den Tatbeständen oder der Höhe nach) für richtig hält, doch zu einer Ausweitung tendieren, um den Rechtsfolgen der Junktimklausel zu entgehen. Wie hätte z. B. der Gesetzgeber bei Beratung des Bundesbaugesetzes sich h i n sichtlich der Regelung von Planungsschäden verhalten sollen? Es mag sein, daß der Gesetzgeber damals, w i e heute vielfach angenommen w i r d 1 9 , die bis dahin vorliegende BGH-Rechtsprechung mißverstanden hat. Aber m a n muß auch die damalige Problemlage des Gesetzgebers sehen. Wichtig w a r ja auch, daß Planänderungen ermöglicht wurden. Solange Zweifel bestanden, w a n n übera l l eine Aufopferungsenteignung anzunehmen ist (und solche Zweifel waren jedenfalls durch die BGH-Rechtsprechung ausreichend geweckt), mußte der Gesetzgeber bei verantwortungsvollem Handeln unter der Drohung der J u n k timklausel sicher stellen, daß Planänderungen i n rechtlich zulässiger Weise möglich wurden; schließlich konnte er die Gemeinden nicht generell auf den Weg verweisen, i m Wege enteignungsgleichen, d. h. rechtswidrigen Eingriffs solche Planänderungen vorzunehmen.
M i r scheint, daß das Bundesverfassungsgericht — gerade wenn es zutreffend die Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes betont — dem Gesetzgeber mehr Hilfen als bisher geben muß, damit die Interessen der Allgemeinheit i n entschädigungsrechtlicher Hinsicht stärker zur Geltung kommen. Die Verantwortung aus judizieller Ingerenz, d. h. aus eigener (rechtsprechender) Tätigkeit des Gerichts bezieht sich hierbei auf zwei Bereiche. Zum einen auf die Präzisierung des dem Gesetz17 Das liegt einerseits vor, w e n n irrigerweise ein Eingriff v o m Gesetzgeber nicht als Enteignung qualifiziert w i r d und damit entschädigungslos bleibt oder andererseits, w e n n er zwar als Enteignung qualifiziert, aber zu gering entschädigt worden ist. 18 BVerfGE 4, 219,233; 24, 367,404. 10 Vgl. Umbach, JZ 1972, S. 460 Fußn. 65 m i t weiteren Nachweisen.
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geber eingeräumten Entschädigungsspielraumes, sofern zweifellos eine Enteignung vorliegt. Zum anderen aber auch auf die Frage, wann ein Eingriff i n das Eigentum (oder i h m nach Art. 14 GG gleichgestellte Rechte) ohne Rechtsübertragungs- oder Güterbeschaffungsvorgang vom Gesetzgeber zwingend als entschädigungspflichtiger Tatbestand (Aufopferungsenteignung) behandelt werden muß. Die Bundesverfassungsgerichtsrechtsprechung hat bisher, wie oben näher dargelegt 20 zur letzteren Frage noch keine explizite Stellung genommen. Der Verfasser hat versucht, für diese Frage einen Lösungsweg i n Form einer „Abwägungstheorie" zu entwickeln; sie ist u. a. auf die Entstehungsgeschichte der Interessenabwägung und das Postulat der Sinneinheit von Verfassungsgrundsätzen gestützt 21 . Auch wenn man diesen Lösungsansatz nicht teilt — er ist ja nur als ein denkbares, m. E. aber vom Grundgesetz besonders legitimiertes Modell zu verstehen — nachdem inzwischen 25 Jahre seit Inkrafttreten des Grundgesetzes vergangen sind, dürfte es wohl i n einer für die Praxis so außerordentlich wichtigen Frage Zeit sein, daß auch das höchste Verfassungsgericht jedenfalls i n Teilbereichen eigene Stellung bezieht, die dem Gesetzgeber Klarstellungshilfen bietet. Der Gesetzgeber steht ja nicht nur i m Bodenrecht vor der genannten Fragestellung. I n anderen Sachgebieten ist die gesetzgeberische Arbeit nicht weniger von dieser Problematik betroffen. Dazu ein Beispiel. Eine Klarstellung wäre z. B. auch sehr wichtig für die aktuellen Bemühungen um eine Fortentwicklung des Bergrechts. Die Bedeutung des Bergrechts ist gerade i n jüngster Zeit durch die neuen Energieversorgungsprobleme besonders bewußt geworden. Zur Zeit w i r d an dem Entwurf eines neuen Bergschadensrechts gearbeitet 22 . Eine der Kernfragen ist hierbei das Verhältnis von (fremdem) Grundeigentum und Bergbau 23 . Daß überhaupt grundsätzlich schon nach dem bisherigen Recht, von Ausnahmen abgesehen, der Bergwerks„eigentümer" das 20
Vgl. oben § 3 I I . § 13 VI,s. auch § 3 I I . 22 s. P. J. Heinemann, Bergschadensrecht i m Referentenentwurf eines B u n desberggesetzes, Der Betrieb, 1973, S. 315 ff. 23 Heinemann, Der Betrieb 1973, S. 315. Grundsätzlich zum Verhältnis beider H. Schulthe, Rechtsdogmatische und rechtspolitische Bemerkungen zum V e r hältnis Bergbau-Grundeigentum, Z f B Bd. 113, 1972, S. 166 ff. Die unterschiedlichen Grundpositionen werden besonders anschaulich i n der Kontroverse, die neuerdings zwischen Schulthe u n d Weitnauer ausgefochten w i r d ; s. dazu Weitnauer, Grundeigentum u n d Bergbau, JZ 1973, S. 73 ff. Hier geht es allerdings nicht darum, welche Vorstellungen dem Allg. Berggesetz f ü r die Preuß. Staaten von 1865 zugrunde lagen (dazu Weitnauer, S. 76, Fußn. 35), sondern u m die Frage, inwieweit bei einer Neuregelung des Bergrechts der Gesetzgeber durch das Grundgesetz des Jahres 1949 an Entschädigungsverpflichtungen gebunden ist. 21
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Schlußteil
Recht zum Abbau von Bodenschätzen hatte, ohne als solches dafür dem Grundeigentümer Entschädigung zahlen zu müssen, kann nur als einer der großen Freiräume angesehen werden, i n denen verhindert wurde, daß die Grundeigentümer ohne eigene Leistung indirekt den Mitbürgern immense Zahlungspflichten auferlegen 24 . Der Referentenentwurf zum Bergschadensrecht w i l l den Grundsatz der Schadensvergütung durch den der SchadensVerhütung ersetzen. Z u diesem Zweck soll die Möglichkeit der Festsetzung von Β erg schadens Schutzgebieten vorgesehen werden 2 5 . Hier taucht, w i e analog bisher schon bei Festsetzung von Wasser- oder Landschaftsschutzgebieten, als zentrales Problem die Frage auf, w a n n bei Eingriffen i n Nutzungsmöglichkeiten oder bisherige Nutzungen eine Aufopferungsenteignung anzunehmen ist, so daß der Gesetzgeber eine Entschädigungspflicht vorsehen muß. Berücksichtigt man, daß der Bundesgerichtshof i n neuerer Zeit i n einer die Fachwelt w o h l überwiegend überraschenden, sehr entschädigungsextensiven Weise zum Verhältnis Bergrecht/Grundeigentum Stellung bezogen hat 2 6 , muß eine K l ä r u n g als besonders dringlich erscheinen. Der B G H hatte i n dem genannten F a l l zwar die Entschädigungspflicht nicht aus A r t . 14 GG, sondern aus der Schadenersatzpflicht nach § 148 A G B hergeleitet 2 7 ; wenn der Gesetzgeber indes i m Wege der Neuregelung des Bergrechts solche extensiven Entschädigungsbelastungen ausschließen wollte, muß er aber die Gewißheit haben, daß nicht etwa i m Wege der Annahme einer A u f opferungsenteignung die gleiche Entschädigungsverpflichtung wieder v o n der Rechtsprechung bejaht w i r d 2 8 . Ähnliche Klarstellungsprobleme treten auch i n anderen Bereichen der Energieversorgung auf 2 9 . 24 M a n denke nur daran, daß etwa — entsprechend den Gutachterausschüssen des Bundesbaugesetzes — Institutionen geschaffen worden wären, die j e weils ermittelten, wieviel abgebaute Kohle welchen Grundstücken an der E r d oberfläche zugeordnet werden müßte u n d den Gegenwert hierfür feststellen würden. 25 Referentenentwurf, § 155. 26 B G H Z 59, 139 ff.: Der B G H bejahte eine Entschädigungspflicht f ü r fehlenden Einbezug eines zur Bebauung geeigneten Geländes i n die gemeindliche Planung; der Nichteinbezug ging auf zu erwartende bergbaubedingte Bodensenkungen zurück. 27 Vgl. B G H Z 59, S. 141 f. 28 Die Möglichkeit ist durchaus real. Die v o m Bundesverfassungsgericht betonte Sozialpflichtigkeit des Bodens hat sich i n der BGH-Rechtsprechung i m Verhältnis von Bergbau und Grundeigentum bisher noch nicht durchgesetzt. Vgl. z.B. B G H Z 57, 375, 388 unter Hinweis auf B G H Z 53, 226: „ I m Gegenteil könnte aus der Sicht des Grundeigentümers eher zweifelhaft erscheinen, ob die weitreichende Duldungspflicht, die dem Grundeigentümer gegenüber bergbaulichen Maßnahmen i n §§ 148 ff. A G B auferlegt ist, m i t dem Eigentumsschutz des A r t . 14 GG v o l l vereinbar ist." 29 Das gilt insb. f ü r die bisherige Entschädigungspraxis i m Stromversorgungsbereich. Dazu, statt vieler, n u r zwei Beispiele. Bei der Errichtung von Hochspannungsleitungen ist nach der BGH-Rechtsprechung eine Enteignungsentschädigung i n Höhe des Minderwertes des Bodens zu zahlen, auch w e n n hier bloße Vermögenschancen betroffen sind (vgl. B G H M D R 1960, S. 119). Der B G H hat es ausdrücklich abgelehnt, den Umstand zu berücksichtigen, daß die Energieversorgungsunternehmen dringende Interessen der Allgemeinheit w a h r nehmen u n d gehalten sind, der Gesamtbevölkerung ihre Leistungen zu möglichst geringen Tarifen zur Verfügung zu stellen (BGH W M 1960, S. 71 ; W M
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D i e Beispiele s o l l t e n ausreichen, u m eines zu belegen: W e n n das Bundesverfassungsgericht d e r A u f f a s s u n g sein sollte, das Grundgesetz verpflichte nach A r t . 14 G G keineswegs i n d e m U m f a n g z u E n t s c h ä d i gungen, w i e dies i n d e r P r a x i s b i s h e r a n g e n o m m e n w u r d e , d a n n sollte es, schon w e g e n d e r aufgezeigten P r o b l e m e der J u n k t i m k l a u s e l , v e r deutlichen, w i e der U m f a n g d e r entschädigungspflichtigen T a t b e s t ä n d e einerseits u n d d e r Entschädigungshöhe b e i V o r l i e g e n einer E n t e i g n u n g andererseits abzugrenzen ist. E r s t d a n n k ö n n t e m a n sagen, es l i e g t a m Gesetzgeber, w e n n er i n d e r Entschädigungsfrage Interessen der A l l gemeinheit wenig Beachtung einräumt.
1964, S. 229). Die Parallele zur Ablehnung des Interesseneinbezugs i n der Fluchtlinienrechtsprechung des Reichsgerichts zur Entschädigungsfrage ist offenkundig. Einer gesetzlichen Neuregelung dringend bedürftig wäre w o h l auch das Recht der sog. A V B . Der B G H hat i n einem neueren U r t e i l (NJW 1973, S. 508) entschieden, daß jedenfalls bei privatrechtlich betriebenen Unternehmen bei fehlender dinglicher Eintragung ein bürgerlich-rechtlichen Aufopferungsanspruch des Erwerbers eines leitungsüberzogenen Grundstücks trotz Kenntnis der Lage entsteht (vgl. dazu Kimminich, N J W 1973, S. 1479 ff.). Die Folgen des Urteils sind so gravierend, daß hier der Gesetzgeber einschreiten sollte. Das U r t e i l eröffnet, w i e Kimminich i m einzelnen dargelegt hat, die Möglichkeit, aus Hochspannungsleitungen fortwährend leistungslosen Gewinn zu schlagen; es w i r d direkt zum Handel m i t leitungsüberzogenen Grundstücken provoziert. Wenn der Gesetzgeber aber hier Abhilfe schaffen w i l l , indem er solche Mißstände durch Verneinung eines Entschädigungsanspruchs abstellt, muß er wissen, daß dies nicht etwa später als Aufopferungsenteignung anerkannt würde.
Zusammenfassende Thesen
I . Z u F u n k t i o n und Konkretisierung des Interessenabwägungsgebotes
1. Bei der Bestimmung der vom Grundgesetz zwingend geforderten Enteignungsentschädigung muß zwischen der durch das Interessenabwägungsgebot des A r t . 14 GG und der durch den Gleichheitssatz gebotenen Entschädigung strikt unterschieden werden. Die Konkretisierung des Interessenabwägungsgebotes gibt an, i n welchen Fällen und gegebenenfalls inwieweit i m Verhältnis von Allgemeinheit und Enteigneten der Gesetzgeber die Entschädigung unterhalb des Verkehrswertes ansetzen darf; der Gleichheitssatz legt zusätzlich zu beachtende entschädigungsrechtliche Pflichten i m Verhältnis des Enteigneten zu anderen Enteigneten bzw. zu Nichtenteigneten auf. 2. Sowohl die Auffassung von einer strikten Bindung an die Verkehrswertentschädigung wie die Annahme eines totalen Entschädigungsspielraumes des Gesetzgebers sind m i t dem Interessenabwägungsgebot des A r t . 14 GG unverträglich. Das Grundgesetz hat sich vielmehr für einen Mittelweg zwischen diesen beiden Alternativen entschieden. 3. Die überzeugendste Konkretisierung dieses Mittelweges erhält man, indem der Ermessensspielraum des Gesetzgebers dadurch bestimmt und zugleich begrenzt wird, daß der Verkehrswert in demjenigen Umfang verlassen werden darf, in dem der Wert des enteigneten Gegenstandes nicht auf Leistungen des Betroffenen zurückführbar ist. 4. Die i n Art. 14 GG enthaltene Absage an die Verkehrswertentschädigung führt nicht dazu, daß i n jedem Sachbereich des Enteignungsrechts der Verkehrswert verlassen werden darf. Den größten Spielraum gewährt das Grundgesetz i m Bodenrecht. Auch bei enteignenden Eingriffen i n Gewerbebetriebe kann der Gesetzgeber stärker als bisher von der Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes Gebrauch machen; andererseits liefert die Bestimmung der Entschädigungspflicht nach Leistungskriterien eine neue dogmatische Grundlage für die bisher kasuistisch entwickelte Rechtsprechung zum Schutz der Gewerbebetriebe durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG.
Zusammenfassende Thesen
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5. Es ist verfehlt, das von A r t . 14 GG geforderte Entschädigungsminimum m i t der rechtspolitisch für die einzelnen Bereiche des Enteignungsrechts adäquatesten Lösung der Entschädigungsfrage gleichzusetzen. Das verfassungsrechtliche Entschädigungsminimum besitzt vielmehr nur die Funktion einer Randbedingung für die Entscheidungen des Gesetzgebers. Ein sowohl für das Bodenrecht als auch für Eingriffe i n Gewerbebetriebe zulässiges und praktikables Entschädigungssystem stellt die Orientierung an der materialen Wiederbeschaffungsfunktion der Entschädigung (Sicherung der Kontinuität der bisherigen Nutzung statt Erhaltung des Marktwertes) dar. 6. Der Entschädigungsspielraum des A r t . 14 GG gibt auch Raum für eine Übernahme der niederländischen Lösung der Umwidmung von Acker-, Weide- und Forstland i n Bauland. Diese Lösung besitzt aufgrund ihres andersartigen Ansatzes (Verhinderung der Bodenpreissteigerung statt nachträglicher Abschöpfung) erhebliche praktische Vorzüge gegenüber der i m Städtebauförderungsgesetz enthaltenen Lösung. Die verfassungsrechtlich gegen die Durchgangsenteignung als Instrument der Bodenvorratspolitik erhobenen Einwände sind unbegründet. 7. Das Interessenabwägungsgebot i n Art. 14 GG enthält keine bloße Ermächtigung, i n bestimmten Fällen vom Verkehrswert abzuweichen, sondern ist als Gebotsnorm formuliert. Der Gesetzgeber darf nicht nur, sondern er muß neben den Interessen der Enteigneten auch diejenigen der Allgemeinheit an Entschädigungsentlastung berücksichtigen. Da es Sache des Gesetzgebers ist, von dem Entschädigungsspielraum des Art. 14 GG Gebrauch zu machen, können gesetzliche Entschädigungsregelungen allerdings nicht schon deshalb als gegen dieses Gebot verstoßend angesehen werden, weil sie durch extensive Verkehrswertentschädigung der Allgemeinheit große Entschädigungslasten auferlegen. Das Abwägungsgebot ist aber dann verletzt, wenn der Gesetzgeber — analog der Ermessensunterschreitung i m Verwaltungsrecht — nachweisbar bei der Festlegung der Entschädigungsregelung irrig von der Nichtexistenz eines Entschädigungsspielraumes ausging. Nach diesen Grundsätzen muß das Bundesbaugesetz von 1960 i n seiner noch geltenden Fassung als verfassungswidrig angesehen werden.
I I . Gleichheitsbindungen i m Enteignungsentschädigungsrecht
1. Bei der Bestimmung von Gleichheitsbindungen des Gesetzgebers i m Enteignungsentschädigungsrecht sind zwei verschiedene Schutzdimensionen zu unterscheiden: Ausschaltung willkürlicher Ungleichbehandlung von Enteigneten gegenüber anderen Enteigneten (Schutzfunktion i m
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Zusammenfassende Thesen
entschädigungsrechtlichen Innenverhältnis) und Verbot unzulässiger Schlechterstellung von Enteigneten gegenüber Nichtenteigneten gleicher Lage (Schutzfunktion i m Außenverhältnis). 2. Die i n neuerer Zeit vertretene These, das Interessenabwägungsgebot des Art. 14 GG sei lex specialis gegenüber der Gleichheitsbindung durch A r t . 3 GG, findet i m Grundgesetz keine ausreichende Stütze und kann auch der durch Annahme eines Entschädigungsspielraumes gegebenen Sachlage nicht gerecht werden. Vielmehr ist auch hinsichtlich der Gleichheitsproblematik dem Grundgesetz die Entscheidung für eine mittlere Lösung zu entnehmen: Der Gesetzgeber ist auch i m Enteignungsentschädigungsrecht an Gleichbehandlungsgrundsätze gebunden. Er ist aber nicht gehalten, für umfassende vermögensmäßige Gleichheit i n tatsächlicher Hinsicht zu sorgen; es besteht nur eine Pflicht zum Ausgleich bei rechtsbezogenen Verkehrswerten. 3. Verletzt der Gesetzgeber durch eine Entschädigungsregelung allein den Gleichheitssatz, so sind die Rechtsfolgen grundsätzlich andersartig als bei Verletzung des Interessenabwägungsgebotes durch Unterschreitung des Entschädigungsminimums nach Art. 14 GG. I m letzten Fall ist die Entschädigungsregelung schlechthin verfassungswidrig und muß korrigiert werden. I m ersten Fall besitzt der Gesetzgeber in der Regel die Wahl, entweder die Entschädigungsregelung zu korrigieren oder aber (bei unzulässiger Ungleichbehandlung gegenüber anderen Enteigneten) die anderen Entschädigungsregelungen zu ändern bzw. (bei unzulässiger Ungleichbehandlung gegenüber Nichtenteigneten) durch Schaffung von sog. flankierenden Maßnahmen für Gleichbehandlung zu sorgen. Bloße Verletzungen des Gleichheitssatzes lösen zudem nicht die spezifischen Rechtsfolgen der Junktimklausel aus. 4. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, die Enteignungsentschädigung bei fehlendem Leistungsbezug von Verkehrswerten global für sämtliche Enteignete zu reduzieren. Es ist zulässig, den Entschädigungsspielraum gezielt für einzelne Funktionsbereiche auszunutzen. 5. I m Verhältnis zu Nichtenteigneten führt die Reduzierung der Enteignungsentschädigung unterhalb des Verkehrswertes keineswegs stets zu einer Besserstellung der Nichtenteigneten; ob letzteres der Fall ist, hängt vielmehr von der Eigenart des jeweiligen gesetzlichen Systems ab. Umfassende Gleichbehandlung wäre z. B. bei Einführung des niederländischen Umwidmungssystems für die Baulandbeschaffung gewährleistet. Da der Gesetzgeber nur rechtsbezogene Gleichbehandlung zwischen Enteigneten und Nichtenteigneten gewährleisten muß, ist er auch in den sonstigen Fällen nicht verpflichtet, die Aktualisierung des Abwägungsgebotes auf sog. spiegelbildliche Lösungen zu beschränken.
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I I I . Z u m grundgesetzgemäßen Enteignungsbegriff
1. Ob ein rechtmäßiger hoheitlicher Eingriff i n das „Eigentum" i. S. d. A r t . 14 GG i m Rahmen entschädigungsloser Sozialbindung erfolgt oder als Enteignung i. S. d. A r t . 14 Abs. 3 GG anzusehen ist, ist in der Praxis nicht für alle Eingriffe i n gleicher Weise problematisch. Vielmehr stellen Eingriffe i n Form von Güterbeschaffungsvorgängen unzweifelhaft Enteignungen dar; nur bei den sonstigen Rechtsbeeinträchtigungen taucht das Abgrenzungsproblem auf (liegt eine sog. „Aufopferungsenteignung" vor?). Die bisher vorliegenden Versuche, Kriterien für die Bejahung einer Aufopferungsenteignung zu gewinnen, haben ihren Ursprung vorwiegend entweder i n der Tradition des Enteignungsrechts oder i m jeweiligen Vorverständnis des Rechtsanwenders. Sie müssen angesichts der Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes i n Art. 14 GG (Entschädigung nach der Interessenabwägung) neu überdacht werden. 2. Da das Grundgesetz die Entschädigungspflicht an der Interessenabwägung ausrichtet, sollte bei Eingriffen ohne Güterbeschaffungscharakter ebenfalls nach diesem K r i t e r i u m entschieden werden, ob eine Aufopferungsenteignung vorliegt (Abwägungstheorie). Dies entspricht — neben der Abstützung aus der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes — auch dem Gebot der systemeinheitlichen Auslegung des Grundgesetzes. Daher ist eine Enteignungstheorie i n besonderem Maße als grundgesetzgemäß zu bewerten, sofern sie eine Aufopferungsenteignung immer (aber auch nur dann) annimmt, wenn Rechtsbefugnisse m i t Leistungsbezug eingeschränkt oder aufgehoben werden. Dogmatisch kann sich diese Enteignungstheorie zugleich auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Grundfunktion der Eigentumsgarantie (Schutz des Erworbenen, des Ergebnisses der Betätigung) berufen. 3. Die leistungsorientierte Bestimmung des Begriffs der Auf Opferungsenteignung w i r k t sich vor allem i m Grundeigentum aus. Gesteigerte Nutzungsmöglichkeiten sind danach nicht entschädigungspflichtig, wenn der hoheitlich rechtmäßige Eingriff nur Nutzungs- oder Gewinnchancen beseitigt, nicht aber das Ergebnis der Betätigung zerstört. Diese Einschränkung des Enteignungsbegriffs stellt sich entwicklungsgeschichtlich als Synthese dar: die gleichen Gründe, die gegenüber dem klassischen Enteignungsrecht die „Ausuferung des Enteignungsbegriffs" zwingend erforderten, rechtfertigen die Begrenzung des Umfangs der entschädigungspflichtigen Enteignungstatbestände.
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averzeichnis Abschöpfung von Bodenpreisen 205 f. Abwägungsfehler des Gesetzgebers — denkbare 268 — Verfassungswidrigkeit durch A b wägungsausfall 270 ff., 294 Äquivalente Lösungen, funktionale u. dogmatische 259 Alles oder Nichts — Prinzip 52 Alternativen der Entschädigungspflicht, grundsätzliche 33 ff. Amsterdam, Stadterweiterung 221, 223,230 Amtshaftung 28 Anliegerrecht 189 „Annäherungstheorie" 311 Aufbaugesetz, hess. 89 Aufopferungsenteignung — Bedeutung f. Enteignungsbegriff 31 — Bestimmung nach Leistungskriterien 118 ff., 154 ff., 193 ff. — geschichtliche Entwicklung 320 ff. — Klarstellungsaufgabe des BVerfG 200, 325 ff. — K l ä r u n g durch Gesetzgeber 200, 327 f. Auslegung (von Verfassungsnormen) — Bedeutung subj. Auslegung 42 — Trennung v o n M o t i v - u. Gehaltsanalyse 38 Baulandbeschaffungsgesetz — Reaktivierung i n neuer Form 163 f. — u. Durchgangsenteignung 238 f. Baulandsteuer 205 Bergrecht 327 f. „Beteiligter" i. S. d. A r t . 14 Abs. 3 GG 58 f. Bodenpreise — i n Ballungsgebieten 214, 220 f. — f. Bau- u. Ackerland i. d. Niederlanden 203 ff., 220 ff. — i. d. Bundesrepublik 215 f.
Bodenrecht 33,142 ff., 201 ff. — allg. Entschädigungsspielraum 142 ff. — ausländ. Bodenrecht 203 ff. Bodenschätze, Versagung des Abbaus 194 f. Bodenspekulation — bei Kanalbauten 246 f. — Wege der Bekämpfung 204 f. Bodenvorratspolitik (durch Enteignungen) — i. d. Niederlanden 203 ff., 220 ff. — Vereinbarkeit m i t A r t . 14 GG 238 ff. „Buchendom"-Fall 196 f. Bundesbaugesetz — Regelung der Planungsschäden 153 ff. — Verfassungswidrigkeit durch A b wägungsausfall? 271 f. — Verhältnis z. Städtebauförderungsgesetz 292 ff. Bundesgerichtshof — A b k e h r v o n strikter M a r k t w e r t bindung 84 f. — Behandlung der Interessenabwägung 87 ff. Bundesleistungsgesetz 136 ff. Damaschke'sche Bodenreform 243, 246 Deichurteil v o m 18. 12. 1968 19 ff., 84, 90,160 ff., 277 — Behandlung von Gleichheitsfragen 277 — grundsätzliche Aussage zur E n t schädigung 19 f. Durchgangsenteignung — Anwendungen v o r 1945 264 ff. — i n dogmat. Sicht 237 — verfassungsrechtl. Zulässigkeit 238 ff., 249 ff. Eigentumsgarantie — als Institutsgarantie 243,245 ff.
Sachverzeichnis — u. Leistungskriterium 105 f., 324 f. — u. Wesensgehaltsgarantie 129 ff. Eigentumstausch (zwangsweiser) 250 f. Eigenwertung des Verfassungsinterpreten — Bindung an Auslegung 256 ff. — Unverzichtbarkeit 22 ff. Eisenbahnbau 303 f., 314 Enschede, Stadterweiterung 221 f., 224 Enteignung — als Druckmittel auf Bodenpreise 211 f. — v. Ihering'sche Rechtstheorie 203 — Popularität 206, 226 f. — positivere Sicht 202 f. Enteignungsbegriff — Bestimmung nach dem Leistungsk r i t e r i u m 31, 118 ff., 154 ff., 193 ff. — herkömmliche Abgrenzungen 29 ff. — i n historischer Sicht 320 ff. Enteignungsgleicher Eingriff 26 ff., 88 Enteignungslehre — klassische 202 f. — nationalsozialistische 167 — von L. von Stein 173 Entgangener Gewinn 141,185 f. Entschädigung — nach B i l l i g k e i t 21 — nach Funktionsgruppen 300 ff. — i n L a n d 135 — bei gesellschaftl. Umgestaltung 82 — „konkrete" Entschädigungsfestsetzung 159 ff., 233 — nominelle Entschädigung 35, 81 — zwingend nach Verkehrswert 136 ff., 139,181 Entschädigungsdimensionen 216, 223 f. Entschädigungsspielraum des Gesetzgebers — aktueller u. potentieller 53 f., 136 — Aktualisierung i. d. Rechtswissenschaft 80 ff., 96 f. — Anerkennung durch B G H 84 f. — Anerkennung durch B V e r w G 67 — Leitsätze zum E. 132 ff. — Umgehung des E. 111 Entschädigungswünsche 100 f. Ermessensunterschreitung 270 Ernteschäden 138 Erst-recht-Schluß (b. enteignungsgl. Eingriff) 27 ff.
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Feldmühle-Urteil 110 Feste Entschädigungswerte 159 ff., 233 „Flankierende Maßnahmen" 289, 311 ff. Fluchtlinienurteil 62,121 f. Föderalistisches Prinzip 304 f. Folgeproblem d. Entschädigungsspielraumes 26 ff., 118 ff. — f ü r enteignungsgl. Eingriff 26 ff. — f ü r Enteignungsbegriff 29 ff., 118 ff. Folgeschäden — als Falltypus d. Leistungsschutzes 109 f. — neue dogmatische Sicht 182 ff. „Fortführungstheorien" (zur M a r k t wertentschädigung — „praktische" F. 77 ff. — „reine" F. 73 ff. Französisches Bodenrecht 205 Funktionsgerechte Verwendung 316 ff. Gemeindemonopol (bei Umwidmung) 209, 227 ff. „Geistiges Eigentum" 242 Gerechtigkeit d. Entschädigung — rechtsphil. Lehren 56 f. — Vorstellung i m Pari. Rat 56 f. — zwei Ebenen der G. 274, 278 ff. Gewerbebetrieb — Entschädigungsgrundsätze 172 ff. — Rahmenrecht 175 Gleichheitssatz i m Entschädigungsrecht 30, 68, 93,194, 274 ff. — andere Enteignete 281 f., 292 ff. — Dispenstheorie 283 f. — Entschädigung nach Funktionsgruppen 300 ff. — Lastengleichheit 306 f. — Nichtenteignete 281 ff., 305 ff. — Rechtsfolge der Verletzung 288 ff. — rechtliche Ungleichheit 285 f., 310 ff. — Ungleichheit i n der Zeit 309 f. — Verhältnis z. Interessenabwägung 123, 274 ff. Grundbetriebe, niederländ. 228 „Interesse der Allgemeinheit" — ist fiskalisches Interesse 59 ff. — Verbot der Wertumadressierung 152
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averzeichnis
Interessenabwägungsgebot — Adressat 62 ff., 91 — als Kompromiß 40 ff . — als M i t t e l w e g 33 ff . — bloße Ermächtigungsnorm? 260 ff. — Hauptgruppen der Auslegung 71 f. — einzelne Elemente 54 ff. — kein Gesetzesvorbehalt 37 — Konkretisierung 78 ff., 95 ff. — Motive der Einführung 43 f. — Methodenkritik der Behandlung 67 ff. — regelungstheoret. Sicht 49 ff. — u. Gleichheitssatz 123, 274 ff., 282 f. Junktim-Entscheidung 19, 267, 326 f. Junktimklausel 21, 45 f., 65 f., 266 ff., 290 f., 198 f., 327 — Indiz f. Entschädigungsspielraum 45 f. — Klarstellungsprobleme als Folge 326 ff. — teleologische Reduktion 65 f., 115 — u. Verletzung des Gleichheitssatzes 290 f. — Zwang zur Abwägung 266 f. Kanalgesetze 246 ff. Kartellrecht 204 Kaufpreise als Entschädigungsschranke 110 ff., 151,154 f., 254 — allg. Grundsätze 110 ff. — i m Bodenrecht 151,154 ff. Kiesabbauverbot 65 f., 194 f., 198 ff. Konfiskationen 84 Kreditsicherung 255 Krisenpreise 139 Kundschaft als Entschädigungsfaktor 178 Landschaftsschutz 195 ff. „Landwirtschaftsprivileg" des § 57 StFG 294 ff. Lastengleichheit 306 f. Leistungskriterium — Bedeutung der Leistung 102 ff. — dogmatische Abstützung 105 f. — Fallgruppen, typische u. atypische 108 ff. fehlender Leistungsschutz 116 ff., 190 f.
— Leistung D r i t t e r (derivative L.) 112 f., 325 — Rückwirkung auf Enteignungsbegriff 118 ff. — Schutz von Kaufpreisen 110 ff. — i n historischer Sicht 320 ff. — u. Vorteilsausgleich 113 ff., 168 ff. Lückenschluß, sachlog. Voraussetzungen 241 f. Manöverschäden 137 f. Methodenkritik 67 ff. — der BGH-Rechtsprechung 84 ff. — der Rechtswissenschaft 71 ff. Mineralöl-Entscheidung 105 f. Mitverschulden 116 ff., 190 f. Naturschutz 195 ff. Niederländisches Bodenrecht — Beispiele aus Gemeinden 220 ff. — Gleichheitsfragen 297 ff., 307 ff. — Grundzüge der U m w i d m u n g 207 ff. — Übertragung auf die Bundesrepub l i k 231 ff. — u. A r t . 14 GG 235 ff. — u. StädtebauförderungsG 217 f. Neuerwerbskosten 184 Parlamentarischer Rat — K a m p f u m Entschädigungsregelung 37 ff. — Vorstellungen z. Gleichheit 56 f., 279 f. Pflichtigkeit v. Grundeigentum 315 f. Plangewährleistungsanspruch 178 f. Polizeilicher Notstand 140 ff. Preisstop (in Krisenzeiten) 140 Randbedingung, Verfassungsrecht als R. 145 Rechtslage, Garantie der R. 178 f. Regelungstheorie — u. Entschädigungszwang 49 ff. — Varietätsgesetz 51 f. Reichsheimstättengesetz 152,248 Reichsnaturschutzgesetz 195 f. Reichssiedlungsgesetz 248 Reprivatisierungspflicht — Gebot nach A r t . 14 GG 250 — keine i n den Kanalgesetzen 247 f. Rückwirkungsverbot 123 ff.
Sachverzeichnis „Schlachthof-Entscheidung" 184 Schweinemäster 200 Schweretheorie 30, 32,119,197 Situationsgebundenheit 316 f. Sonderopfer 188, 211, 227, 252, 308 f., 311 ff., 315 ff. Sonderopfertheorie 30, 119, 308 f., 315 ff. Sozialentschädigung 97,132 „Soziale V e r w i r k u n g " 44 Sozialisierung 48, 249 Sozialisierungsentschädigung 46 ff. Spiegelbildliche Lösungen 314 Stadtentwicklungsrecht 143 f. Städtebauförderungsgesetz — u. BBauG 292 ff. — Gleichheit i m Außenverhältnis 307 — Vergleich m i t Niederlanden 217 ff. Stichtage der Entschädigungsbemessung 51, 147 f. Straßenbauarbeiten 186 ff. Symmetrie — bei Verletzung der Abwägung 265 — zwischen Gewinn u. Risiko 176, 188,199, 318 Synthese der Entschädigungsgrundsätze 320 ff. Systemeinheit der Verfassung 120 Systemgerechtigkeit 286 f., 296 f. System-Umwelt-Differenzierung 50 Transitor. Enteignung s. Durchgangsenteignung Trostzuschlag bei Enteignungen 211, 214, 223 Trümmergrundstück-Entscheidung 89 Umadressierung von Werten 152 Umklassifizierung v o n Grundstücken 153 ff. Umschichtung, soziale 244 Universitätsneubau 224 f. Unternehmerisches Risiko — u. Leistungskriterium 175 ff. — Plangewährleistungsanspruch 178 ff. — bei Straßenbauarbeiten 186 ff. Varietätsgesetz (von Ashby) 51 ff. Verfassungsänderung (bez. Entschädigung) 81, 256
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Verhältnismäßigkeit 127 ff., 254 f. Verkehrswert — „allgemeinwohlorientierter" V. 212, 253 — abhängig v o n Bodenvorratspolitik 213 ff., 307 ff. — fingierter 295 Verkehrswertentschädigung — A b k e h r des Grundgesetzes 19 f., 33 ff. — weiterhin geboten 136 ff. „Vernünftiger Eigentümer" — Problematik des Topos 197 f. — u. Sonderopfertheorie 316 Verödung v o n Innenstädten 155 Verwertungsverbote 196 f. Vorteilsanrechnung — Ausweitung 168 ff. — aus Leistungssicht 113 ff. Vorverständnis 22 Wasserrecht 191 ff. Wasserschutzgebiete 193 f. Wegegesetz, hamburg. 189 Weimarer Reichsverfassung — Auslegung der Entschädigungsnormen 35, 62, 69,121 f., 159 — S t r u k t u r der Grundrechte 241 Wertungen i m Recht — Bindung an Auslegung 23 f., 256 ff. — S t r u k t u r des Wertungsprozesses 22 f. Wesensgehaltsgarantie u. Entschädigungsspielraum 129 ff. Wiederbeschaffungsfunktion — i n der BGH-Rechtsprechung 165 — neuartiges Entschädigungssystem 166 f. — u. Gleichheitssatz 312 f. W i l l k ü r l i c h k e i t des geltenden Bodenrechts 287 f. Wirklichkeitswissenschaftl. Betracht u n g 25 f., 202, 213 ff. Zoetermeer, Stadterweiterung 220 Zugangssperre beim Straßenbau 188 Zuteilungscharakter von Bodenwerten 157 f., 207 ff.