Die Briefe Kaiser Wilhelms I.: Band 2 1854–1869 [Reprint 2019 ed.] 9783111419183, 9783111054827


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German Pages 280 [284] Year 1931

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Vorwort
Zur Einführung
Verzeichnis der Briefempfängers
172 - 324
Personenregister
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Die Briefe Kaiser Wilhelms I.: Band 2 1854–1869 [Reprint 2019 ed.]
 9783111419183, 9783111054827

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Die Briefe Kaiser Wilhelms I. Herausgegeben vom

Kaiser-Wilhelm-Institut für deutsche Geschichte

Verlag Walter de Gruyter & Co. vormals G. I. Göschen'sche Verlagshandlung — 9. (Buttentag, Verlags­ buchhandlung — Georg Reimer — Karl A. Trübner — Beit L Comp.

Berlin

1931

Leipzig

Kaiser Wilhelms I. Briefe an Politiker und Staatsmänner Zweiter Band 1854—1869 Bearbeitet von

Johannes Schultze

Verlag Walter de Gruyter & Co. vormal- G. I. Göschen'sche Verlag-Handlung — I. Guttentag, Verlag-buchhandlung — Georg Reimer — Karl I. Trübner — Veit ck Tomp.

Berlin

1931

Leipzig

Druck von Waller de Gruyler & Co., Berlin W 10-

Vorwort Wie bereits in dem Vorwort zum ersten Bande bemerkt wurde, war als Grenze dieses Bandes das Jahr 1864 in Aussicht genommen. Es wurden aber darüber hinaus noch wenige Schreiben hinzugefügt, welche mit den gleichen Persönlichkeiten gewechselt wurden, so daß u. a. die Briefe an von Vincke-Olbendorf, August von der Heydt hier voll­ ständig vorliegen. Da ein weiterer Band für die folgenden Jahrzehnte erst in Vorbereitung ist, erhalten diese Bände durch ein gemeinsames Register einen vorläufigen Abschluß.

Berlin-Dahlem

Joh. Schultze

Zur Einführung Der erste Band führte bis zum Ausgange des Jahres 1853. Die Verwicklungen im Orient, der russisch-türkische Konflikt, in dem die Westmächte gegen Rußland für die Türkei eintraten, standen um diese Zeit im Mittelpunkte der Politik der europäischen Mächtex. In den liberalen Kreisen Preußens sah man jetzt die Gelegenheit gekommen, um mit dem russischen Despotismus, der Preußen mit seinen deutschen Bestrebungen in Olmütz unter das Joch gezwungen hatte, abzurechnen und in Anlehnung an die Westmächte die in Olmütz aufgegebene deutsche Politik wieder aufzunehmen. Diese Anschauung wurde auch inner­ halb der dem Prinzen Wilhelm nahe stehenden Partei des Preußischen Wochenblattes und von der Prinzessin ver­ treten. Ihr versuchte im besonderen der preußische Ge­ sandte in London, Bunsen, Geltung zu verschaffen. Seine Ansichten, die von den andern dem prinzlichen Kreise nahe stehenden und zur Wochenblattpartei gehörigen Diplomaten, wie Usedom, Albert Pourtalös und Robert von der Goltz, unterstützt wurden, dürften den Prinzen maßgebend be­ einflußt haben. Auch Wilhelm verfocht ein entschiedenes Zusammengehen Preußens mit den andern Großmächten, aber nur um Rußland eine Lektion zu erteilen. Er wollte sich damit doch nicht ganz den Westmächten verschreiben 1 Vgl. dazu die kürzlich erschienene Darstellung von Kurt Borries, Preußen im Krimkriege (1853—1856). Stuttgart 1930.

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und keinesfalls auf die Dauer einen Bruch mit Rußland herbeiführen. Er gedachte vielmehr mit einem solchen Schritt den wahren Interessen Rußlands zu dienen, um durch den einmütigen Druck den Zaren zu seinem eigenen Hecke zum Nachgeben zu nötigen und einen Krieg überhaupt zu verhindern. Er wollte die Fordemngen des Liberalismus und eine Orientierung im Sinne der Westmächte mit seiner alten tief wurzelnden Anhänglichkeit an das Zarentum in Einklang bringen und die Freundschaft mit ihm für die Zukunft nicht aufgeben. Eine Anschaung, die einen inne­ ren Widerspruch in sich barg und sich über die Folgen einer derartig zwiespältigen Politik täuschte. Der volle Grimm über die erlittene Niederlage hätte sich gegen Preu­ ßen äusgewirkt. Demgegenüber wollte der König die Neutralität Preußens bewahren, aber auch er blieb zunächst von den deutschen Ideen seiner liberalen Freunde nicht unbeeinflußt. Ende Dezember 1853 hatte er in vertraulicher Mission den Grafen Albert Pourtalös nach London gesandt, um die preußische Neutralität als den englischen Interessen ent­ sprechend zu verteidigen und als Lohn für diese Haltung freie Hand in der Ordnung der deutschen Angelegenheiten, d. h. die Möglichkeit zu einer Wiederaufnahme der in Olmütz aufgegebenen Radowitzschen Politik zu erlangen. Ein merkwürdiger ebenfalls widerspruchsvoller Plan, der doch nur im Gegensatz zu Österreich denkbar war und von England das zu erlangen dachte, was Rußland Preußen verweigert hatte. Die Mission des Grafen Pourtales blieb eine Episode. Uns interessiert daran, daß Prinz Wilhelm die hier eröffnete Aussicht auf eine Fortentwicklung der deutschen Frage im preußischen Sinne — Pourtales hatte eine militärische VII

Einigung unter preußischer Führung im Auge — mit Wärme aufnahm. „Die preußisch-deutschen Ideen" erschienen chm „von immenser Wichtigkeit". Die Vormachtstellung Preu­ ßens in Deutschland war ihm das letzte Ziel der preußischen Politik geblieben, aber er betrachtete die Pläne seiner poli­ tischen Freunde doch mit kritischem Auge, und er erkannte die ungeheuren Schwierigkeiten, die bei der damaligen Lage der Dinge derartigen Bestrebungen Preußens be­ gegnen mußten. Nur einem hätte er es zugetraut dieser Schwierigkeiten Herr zu werden, Radowitz, und der war nicht mehr. Der König hielt in der Folge an einer unbe­ teiligten Neutralität fest1. Die Spannung wuchs zwischen der russenfreundlichen Richtung am Berliner Hofe und den westmächtlich eingestellten Diplomaten, die am Hofe des Prinzen von Preußen Rückhalt suchten und fanden, und führte bei der Unbesonnenheit der letzteren, insbesondere infolge Bunsens phantastischer Pläne und Eigenmächtigkeit, bald zu einem offenen und scharfen Konflikt. Die Ratgeber und Freunde des Prinzenpaares, Bimsen, Bonin, Usedom, wurden kaltgestellt. Die Maßreglungen und die Art, wie sie erfolgten, verletzten den Prinzen Wilhelm tief. Er empfand sie nicht mit Unrecht auch als gegen ihn persönlich gerichtete feind­ selige Akte, mit denen die Kamarilla die Fronde am Hofe des Thronfolgers zu brechen versuchte. Tief gekränkt verließ Wilhelm Berlin, und ein ernstes Zerwürfnis zwischen dem König und seinem Bruder schien sich anzubahnen. Die fürs erste geschlagene Gegenpartei, die Prinzessin selbst und ihre Freunde, suchten ein solches Zerwürfnis zu schaffen 1 Bgl. darüber Borries a. a. O., wo auch die Stellungnahme des Prinzen Wilhelm und der spätere Konflikt eingehend behandelt ist.

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und zu vertiefen, um damit in Anlehnung an die öffentliche Meinung die Gegner ihrer Politik zu vernichten. Wenn Ufedom es versuchte (Nr. 187), den Prinzen zu einer offenen und entschiedenen Opposition zu drängen, so geschah dies ganz in Übereinstimmung mit der Prinzessin und ihren Gesinnungsgenossen. Wenige Tage später schrieb der Prinzregent Friedrich von Baden an den Herzog Ernst von Koburg: „Wenn der Prinz fest und unbeirrt auf der eingeschlage­ nen Bahn weiterschreitet, also nicht nachgibt, glaube ich, muß die nun herrschende Partei mit ihrem ganzen Anhänge in dem übrigen Deutschland gesprengt und vernichtet werden." Augusta sah in dem Gemahl jetzt den Träger des nationalen Prinzips, dem die Zukunft gehörte. Aber Prinz Wilhelm war kein Heißsporn, er dachte nicht daran, Führer einer Fronde 311 werden, deren politische Überzeugungen und Ziele doch in mancher Hinsicht mit seiner Anschauungsweise gar nicht im Einklang standen. Wenn man derartiges von ihm erwartete und ihn dahin drängen zu können vermeinte, so verkannte man völlig die Natur des Mannes, mit dessen ausgesprochenem preußischen Pflichtgefühl sich eine öffentliche Opposition gegen den königlichen Willen niemals vertrug und den bei seinem Schritte nur der Unwille gegen die Kamarilla, die unver­ antwortlichen Ratgeber des Königs, und das Gefühl einer persönlichen Kränkung geleitet hatte. Das damalige Vor­ gehen gegen die persönliche Umgebung des Prinzen zeigt auch, wie weit sich auf feiten dieser Kamarilla die Kampfeslust verstieg. Wilhelm wollte durch eine Beurlaubung wohl protestieren aber nicht frondieren, vielmehr lediglich abseits von den

ihm unerwünschten politischen Geschehnissen stehen, so lenkte er im Hinblick auf die weiter gehende Auslegung bald ein und folgte seiner Pflicht als erster Untertan. Als 9 Jahre später Wilhelms Sohn unter dem Drängen seiner liberalen Freunde in öffentlicher Ansprache als Thron­ erbe der Regierung des königlichen Vaters entgegentrat und einen ernsten Konflikt dadurch heraufbeschwor, da hat der Sohn sich durch den Hinweis auf jene Handlungen des Vaters zu rechtfertigen versucht. Mit Recht konnte der Vater solchen Vergleich ablehnen. Er glaubte damals eine persönliche Herausforderung unverantwortlicher Ratgeber zu erkennen, die ihn zu per­ sönlicher Stellungnahme zwang, und dann vor allem, er hatte niemals eine öffentliche Demonstration beabsichtigt. Daß der Konflikt ein öffentlicher wurde, war kaum seine Schuld. Im Zusammenhänge mit der Gegnerschaft zwischen Prinz Wilhelm und Kamarilla stehen offensichtlich auch die Angriffe, welche 1853 gegen den Freimaurerorden als die angebliche Pflanzstätte der Revolutionen und unchrist­ lichen Wesens erfolgten. Prinz Wilhelm war Freimaurer und Protektor der Preußischen Großlogen (seit 1840), 1853 hatte auch sein Sohn Prinz Friedrich Wilhelm sich dem Orden angeschlossen. Die Angriffe gingen aus von extrem orthodox gerichteter Seite, die enge Fühlung mit der Um­ gebung des Königs, insbesondere Leopold vonGerlach, hatte; sie mußten den Prinzen als eifriges Logenmitglied und Protektor der preußischen Landeslogen kompromittieren. Der Prinz hat die Tendenz dieser Bestrebungen auch richtig empfunden. Die Briefe an den Generalsuperintendenten Moeller und an den Präsidenten des Oberkirchenrats, in X

denen er diese Angriffe temperamentvoll und eindrucksvoll abwehrte, waren deshalb hier nicht auszuschließen. Die unheilbare Erkrankung des Königs legte dem Prin­ zen, was er für sich nicht mehr erwartet hatte, imHerbst 1857, zunächst als Stellvertreter, die Zügel der Regierung in die Hände. Ein Jahr später erfolgte die Übertragung der Regentschaft, mit der die in der preußischen Geschichte als „Neue Ara" bezeichnete Periode begann. Die Regierungs­ fähigkeiten Wilhelms hat man offenbar im engeren Kreise der prinzlichen Familie und ihrer politischen Freunde recht eigenartig cingeschätzt. Aus dem Briefwechsel seines Schwie­ gersohnes, des Großherzogs Friedrich von Badens, mit der Prinzessin Augusta und dem Prinzen Friedrich Wilhelm (Friedrich III.) wissen wir, daß man damals im Oktober 1857 daran dachte, ihm einen Ratgeber beizugeben, wobei der Herr von Schleinitz ins Auge gefaßt war. Die Prinzessin schrieb dem Großherzog am 25. Oktober 1857: „Es liegt im Wesen des Prinzen zu viel Wohlwollen, und er ist zu unfähig zu Intrigen, als daß er den Grad der Vorsicht besitzen sollte, der leider in einem solchen Berufe und in Zuständen wie den preußischen nötig ist. Er wird also jedenfalls von den Ministern usw. ausgebeutet werden und es zu spät erkennen, dagegen läßt sich nur durch die vereinte Anstrengung aller seiner Freunde etwas tun, meine schwachen Kräfte vermögen nichts." Aus den letzten Worten spricht bereits Resignation, hervorgerufen dadurch, daß der Prinz es in jenen kritischen Tagen sorgfältig vermied, der Gattin gegenüber prinzipielle Regierungsfragen zu 1 H. Oncken, Großherzog Friedrich von Baden und die deutsche Politik 1854-1871, Bd. 1, S. 52 ff.

berühren und ihre Meinung einzuholen. Aus einem Schrei­ ben vom 18. Oktober, dessen Schreiber und Empfänger nicht bekannt sind, erfahren wir näheres über die damals im Kreise der politischen Gesinnungsgenossen der Prinzessin Augusta erwogenen Pläne. Als die Regelung der Stell­ vertretung des Königs bevorstand, heißt es, habe die in Koblenz weilende Prinzessin fünfmal an den Prinzen die Bitte gerichtet, nach Berlin kommen zu dürfen. Jedesmal sei ein entschiedenes „Nein" die Antwort gewesen. Darauf­ hin war dem Prinzen vor jeglicher Regierungshandlung Ratserholung bei Herrn v. Usedom empfohlen worden. Bor einem Entschlüsse in der Frage der Regentschaft sollte Wilhelm zuvor das Gutachten „von dreien seiner geprüften rechtskundigen Freunde" vernehmen, als solche wurden die Herren v. Usedom, Alexander v. Schleinitz und Rudolf v. Auerswald vorgeschlagen und bei dem Ausfall eines von ihnen Heinrich v. Arnim als Ersatzmann. Es waren dies die Vertrauensmänner der Prinzessin, deren Zeit jetzt ge­ kommen schien, und von denen zwei (Schleinitz und Auers­ wald) ein Jahr später auch in das neue Ministerium des Regenten traten. Die starke Unterschätzung der Persönlichkeit WUhelms in diesem Kreise der „Hofopposition" der letzten Jahre tritt noch in einem Schreiben des ebenfalls dazu gehörigen Generals v. Wedel! aus dem August 1858 vor Eintritt der Regentschaft entgegen: „Ich fürchte aber sehr, daß er (Wllhelm) die Zügel nicht in der Hand behalten wird, und Kutscher und Borreiter in Hülle und Fülle erscheinen werden, um ihm Unterricht zu erteilen, und er nicht nach seinem Sinn, sondern nach dem von vielen andern hin und her gezogen wird, da er, obgleich er sehr barsch aussieht, doch

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eigentlich gar keinen eigenen Willen hat und die Sache noch übler werden kann, als sie jetzt schon ist." Man hatte sich gründlich geirrt. Der Prinz übernahm die Regentschaft mit dem festen Willen, selbst das Steuer zu führen und sich von niemandem lenken zu lassen. Einen Vorreiter hat er erst einige Jahre später nehmen müssen, aber erst nach reiflichem eigensten Entschlüsse einen, der den rechten Weg zu finden wußte, dem er mit Ver­ trauen folgen konnte. Der Briefwechsel mit den Ministern und Beamten nach Übernahme der Regierungsgeschäfte legt Zeugnis ab von der Selbständigkeit und Frische, mit welcher der Prinzregent alsbald alle Dinge angriff. Bismarck hat die Prinzessin Augusta als „Begründerin und Patronin" des ersten von Wilhelm als Regenten be­ tt fenen Ministerittms bezeichnet und die Stellung des Regenten gegenüber diesem Ministerium als stark abhängig geschildert *. Diese Auffassung erweist sich auch an der Hand unserer Briefe als nicht zutreffend. Bei der Haltung, die der Prinz in den vergangenen Jahren gegenüber dem Gange der äußeren und inneren Politik der preußischen Regierung eingenommen hatte und die ihn zeitweise in eine ausgesprochene Gegnerstellung gegen deren Urheber drängte, war es unausbleiblich, daß der Übernahme der Regentschaft durch Wilhelm auch ein Wechsel in den leitenden Persönlichkeiten folgen nmßte. Wenn man aber hoffte oder fürchtete, daß jetzt ein ausgesprochenes Parteiprogramm sür den Gang der Dinge bestimmend werden könnte, so war solches bei der Abneigung Wilhelms gegen jede Partei1 Gedanken und Erinnerungen I, Kap. 9, IV. Vgl. dazu auch Ernst Berner, Der Regierungsanfang des Prinz-Regenten von Preußen und seine Gemahlin. Berlin 1902.

doktrin, bei seiner ausgeprägten Eigenwilligkeit und bei

seinem ausgesprochen konservativen Sinn ganz unbegründet. Es war nicht anders zu erwarten, als daß der Regent die neuen Männer aus den Kreisen wählte, mit deren An­

sichten sich seine Anschauungen in den letzten Jahren während des Gegensatzes zwischen Koblenz und Sans Souci mehr oder weniger begegnet hatten.

Eine innere Abhängigkeit

des Prinzen von den Wünschen der Gemahlin ist in dieser

Auswahl nicht gegeben.

Zwei der im November 1858 be­

rufenen Minister, Rudolf v. Auerswald und General von Sonin, waren nach Ansicht des Prinzen seinetwegen einst der Maßreglung verfallen, sie standen ihm besonders per­

sönlich nah, und er wollte ihnen jetzt Gerechtigkeit widerfahren

lassen.

Alexander von Schleinitz und Bethmann-Hollweg

gehörten zwar zu den Freunden der Prinzessin und waren sicherlich auch Männer chrer Wahl, doch genossen sie als

führende Politiker der Wochenblattspartei schon lange ebenso das Vertrauen des Regenten. In den politischen Anschauungen Wilhelms und Augustas hatte die gemein­

same Gegnerschaft gegen die Kamarilla zu einer Annäherung geführt, die, wenn sie auch nur oberflächlich war und nicht in grundsätzlicher Übereinstimmung fußte, jetzt auch bei der

Den ent­

Ministerwahl zum Ausdruck kommen mußte.

schiedenen Bruch mit der Vergangenheit — wie er den Wünschen der Prinzessin entsprach — wollte Wllhelm mit seinem Regierungsantritt keinesfalls verbinden.

Einem

Abgleiten in das ihm unliebsame liberale Fahrwasser und der zu weit gehenden Ausdeutung seines

Programms

suchte er von vornherein vorzubeugen, indem er zwei

Männer des früheren Ministeriums behielt, von denen er den widerstrebenden August von der Heydt mit besonderer XIV

Hartnäckigkeit zum Bleiben zu bestimmen wußte. In diesem Sinne war auch die Wahl des sehr gemäßigten Fürsten Karl Anton von Hohenzollern zum Ministerpräsidenten und des Innenministers v. Flottwell gedacht, während andererseits Usedom und PourtaW, die dem Ministerium eine einheit­ liche Farbe im Sinne der Prinzessin gegeben haben würden, übergangen wurden. Wilhelm bezeichnete seine Einstellung, das Programm seiner Regierung als „konservativ-liberal". Der Schwerpunkt lag dabei für ihn selbst in dem ersten Bestandteil der Bezeichnung. Sein Liberalismus be­ schränkte sich doch im wesentlichen darauf, daß er ehrlich auf dem Boden des neuen Konstitutionalismus stand, mit den gegebenen Verhältnissen rechnete und allen reaktio­ nären Bestrebungen ablehnend gegenüberstand. Auf diesem Wege lag für ihn „die goldene Mittelstraße". Schon 1846 hatte er sich geäußert (9tr. 29): „Ich huldige dem Fortschritt, da das Reaktionäre oder Stagnante den Unter­ gang in allem bringt." Er fügte aber hinzu: „Wer Sprünge wlll ich niemals und keine Veräußerung der Kronrechte." Was er wollte, war ein Fortschritt auf lange Sicht und mit erheblicher Begrenzung. In dieser Hinsicht hatte sich seine Auffassung nicht verändert. War der Prinz von Koblenz aus den liberalen Fordemngen zugänglicher erschienen, und erwartete man deshalb von ihm als Herrscher eine Fort­ entwicklung in dieser Richtung und ein liberales Regiment, so übersah man jene Gewissensbindungen. Man bedachte nicht, daß die bisher rein kritische Einstellung Wllhelms zu den Dingen eine andere werden mußte von dem Augenblicke an, wo er selbst als verantwortlicher Leiter an die Spitze trat und dadurch sein Selbstbewußtsein und das Gefühl der Gebunden­ heit an altpreußische Tradition sich steigerten. Wilhelm wollte

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im Sinne der besten seiner Vorfahren auf dem preußischen Throne selbst herrschen, selbst den Weg bestimmen, auf den ihn Überzeugung und Gewissen führten, und über den Par­ teien stehen, sie unter einer weisen, gerechten und starken Regierung in gemeinsamer Hingabe für Preußens Macht und Ehre vereinen. So meinte er, die liberale Richtung, der er in seinem ersten Ministerium einen Platz anwies, in die von ihm gewollten Bahnen ziehen zn können, nicht aber ihren Grundanschauungen oder der öffentlichen Meiiiuitg zu willfahren. Das Selbstbewußtsein, das ihn damals erfüllte, kommt auch in der bekannten Äußerung zu Bismarck zum Ausdruck, er werde selbst sein Minister des Auswärtigen und des Krieges sein. Er sah die Schwächen seiner Ratgeber, aber er glaubte sie durch die eigene Persönlichkeit ausgleichen zu können, er hatte einen festen Willen, ein bestimmtes reales Ziel und unbedingtes Gottvertrauen. Die von Kindheit an in ihm wurzelnde Religiosität fand durch die Anschauung von dem Königtum von Gottes Gnaden, von dem unmittelbaren Verhältnis, in das er als Herrscher zu dem göttlichen Lehnsherrn trat, stärkere Bedeutung. Der konservative Grundzug seines Wesens trat gleich in der ersten Kundgebung des Regenten in den Vordergrund, wenn diese auch liberaler Gesichtspunkte, wie sie durchaus im Sinne des Prinzen lagen, nicht entbehrte. Jegliche Reform sollte sich langsam aus dem wirklichen Bedürfnis heraus entwickeln, nicht etwa als ein Zugeständnis gegenüber

liberalen Fordemngen in Erscheinung treten. Die allgemeine Strömung der öffentlichen Meinung suchte eine raschere Bewegung und ließ sich so einfach durch den königlichen Willen nicht auf die Dauer eindämmen

oder anhalten, zumal die gewählten Mitarbeiter nicht ein gleicher einheitlicher Geist erfüllte. An die Person des neuen Herrschers hatten sich Er­ wartungen geknüpft, die auf eine alsbaldige Erfüllung drängten und, je länger eine solche auf sich warten ließ, Mißstimmung und Opposition erzeugten, die auch positive Teilerfolge übersah. So konnte die beiderseitige Enttäuschung nicht aus­ bleiben. Die Wege des Herrschers und des Liberalismus mußten bald und immer weiter auseinander führen. Es folgt zwangsläufig der offene Konflikt, in dem das unein­ heitliche Ministerium stürzt imb dem hartnäckigen Verfechter des monarchischen Prinzips der Sieg verbleibt. Der Thronfolger pflegt stets Kristallisationspunkt von Erwartungen zu sein, die sich selten im Sinne derer, die ihre Hoffnungen an ihn knüpfen, erfüllen. Trat dies früher in der absoluten Monarchie, wo es nur einen Willen gab, weniger in Erscheinung, so gewann es jetzt zum ersten Male auf dem Boden einer neuen Staatsform und in dem Spiele der zur Macht emporsteigenden öffentlichen Parteien größere Bedeutung. Wilhelm mußte es alsbald erfahren, daß die Bestrebungen, denen er sich entgegenstemmte, ihren Rückhalt wieder bei dem Erben suchten. Auch Friedrich Wilhelm dürfte, wenn ihm länger und früher die Regierung beschieden gewesen wäre, den Liberalismus trotz aller be­ rechtigten Hoffnungen, die er gab, bald enttäuscht haben. Dem Streben nach der deutschen Einheit hatte der Prinz schon frühzeitig verständnisvoll gegenübergestanden. Die Nnionspolitik des Generals von Radowitz hätte er mit Eifer unterstützt, er war bereit gewesen, den äußersten Einsatz dabei zu wagen.

Würde er nun als Regent Preußens deutsche Politik treiben und den Hoffnungen des Volkes entsprechen? Die Wege, auf denen Wilhelm das Ziel der deutschen Einheit allein für erreichbar hielt, waren zu verschieden von denen, welche die öffentliche Meinung suchte, die in dem Willen des Volkes den entscheidenden Faktor sah. Nachdem das Geschick Wilhelm auf den Platz der preußi­ schen Könige gestellt hatte, erfüllte ihn allein die Idee dieses starken unabhängigen Königtums, auf dem Deutsch­ lands Zukunft ruhen sollte. Die deutsche Einheit nmßte seiner Ansicht nach zwangsläufig mit der Steigerung des Ansehens Preußens von selbst kommen, sie lag auf dem Wege, der Preußen seit Friedrich dem Großen vorgeschrie­ ben war, sie war nur durch Kampf erreichbar und stand ihm deshalb noch in nebelhafter Ferne. Die Stärkung der Großmacht Preußen, ihre Wehrhaftmachung für die Aufgaben, welche die Zukunft barg, war daher das Ziel, das er fich in richtiger Erkenntnis der wirk­ lichen Verhältnisse steckte, das Ziel, von dem er weiß, daß er es erreichen kann und wird. In Deutschland kann und will Preußen jetzt nur „moralische Eroberungen", d. h. durch Steigerung seines Ansehens machen. Daß man mehr im Augenblick von ihm erwartete, ließ ihn an den Menschen fast verzweifeln (Nr. 288). Wie Friedrich Wil­ helm I. die Grundlage schuf, auf der Friedrich einst größeres vollbringen konnte, so will auch er die Mittel erst bereiten, die später vielleicht dem Sohne den Erfolg gewinnen sollen. Ein Verfechter deutsch-nationaler Wünsche in An­ knüpfung an die Bewegung von 1848 wird und kann er nie sein. Die Rolle eines Viktor Emanuel liegt ihm nicht. Schon gleich nach Beginn der Regentschaft tritt in XVIII

diesem Punkte der Gegensatz zu der Einstellung des neuen leitenden Ministers in Erscheinung. Der Wahlaufruf eines Beamten hebt die preußische Fahne hoch und verpönt die Anhänger der schwarz-rot-goldenen Idee. Auerswald möchte den Verfasser, der dem neuen Regime den po­ pulären Wind aus deu Segeln zu nehmen droht, maß­ regeln, aber jener hat ganz im Sinne Wilhelms ge­ sprochen, „denn ich wüßte niemand", schreibt er, „der heute noch Schwarz-Weiß mit Schwarz-Rot-Gelb vertau­ schen will". Der Regent wird selbst der unermüdliche Verfechter des von ihm vertretenen Programms. Er unterschätzt die öffent­ liche Meinung nicht und sucht mit Wort und Schrift zur bessern Einsicht zu bekehren. Eifrig liest er die Tages­ zeitungen und kontrolliert mit kritischem Blick die offiziöse Presse. Er verweist der Regierung eine scharfe Polemik gegen rechts und fordert ein energisches Abrücken von Schlagworten des Liberalismus und von Hinneigungen zn parlamentarischen Negierungsformen. Was er vor allem immer wieder von der Regierungspresse fordert, das ist der nationale Schwung, die Belebung des preußischen Patriotismus unb der monarchischen Idee, des Königtums von Gottes Gnaden. Schon sieht er aus den Vorgängen des ersten Wahl­ kampfes ein bedenkliches Abgleiten nach Links und das drohende Aufsteigen und Wachsen hartnäckiger Opposition. Im Bewußtsein pflichtmäßigen Handelns fürchtet er auch den Kampf nicht. Durch Drohungen werde man ihn nie zur Nachgiebigkeit gegenüber einem Programm bringen. Es sind scharfe Töne, die er anschlägt; eine über seinen durchaus konservativen Charakter belehrende Epistel an

XIX

Karl von Vincke schließt mit den herrischen Worten: „Wo­ nach sich zu richten" (Nr. 262). Wilhelm blieb in seiner GinfteUimg gegenüber dem Liberalismus unerschütterlich der gleiche, er ist inmitten seines ersten Ministeriums die einzige charaktervolle klar umrissene Persönlichkeit. Die Wirksamkeit familiärer oder fremder Einflüsse ist, wenn wir hier von Fragen der aus­ wärtigen Politik absehen, nirgends in seinen Äußerungen und Handlungen zu erkennen. „Wenn man 64 Jahre alt ist", schrieb er 1861, „darf man Anspruch machen, sich selbst ohne anderer Eingebung ein Urteil zu bilden." Wie er seinen Ministern, deren Verhalten ihm häufig Einlaß zur Kritik gab, mündlich und schriftlich seine be­ stimmt gefaßten Anweisungen erteilte, so gab er sich auch gelegentlich redliche Mühe, um Abgeordnete mit der Feder zu seinen Auffassungen zu bekehren (Nr. 282, 283, 285, 299). Unablässig und 'beharrlich verfocht der König seine Meinung gegen die Widerstände von links und rechts. Es gelang nicht, wie er es wünschte, den preußischen Patriotismus anzublasen und das Vertrauen des Volkes, das Wilhelm trotz allem für seine eigene Person lebendig glaubte, seiner Regierung in den Wahlen wieder zu ge­ winnen. Die Wellen brandeten stärker gegen das von dem Mon­ archen gesteuerte Schiff, die liberalen Männer der Regie­ rung mußten über Bord, die „Neue Ara" war zu Ende. Trotz sichtbarer Erfolge verschärfte sich die Lage, auch das neue Ministerium wurde schwankend. König und Volks­ vertretung hatten sich in einen unüberbrückbaren Gegensatz verrannt. Nahezu vereinsamt in Haus und Land stand der in seinem Willen unbeugsame König da, als er in XX

Bismarck einen gleichgesinnten, znm weitern Kampf entschlossenen Helfer fand. Bekanntlich hatte sich der König, für den Nachgiebigkeit

in der Heeresfrage entgegen seiner gewissenhaften Über­ zeugung nicht in Frage kam, bereits entschlossen abzu-

danken.

Stand dieser Entschluß wirklich schon sö ernsthaft

fest, daß er ohne Bismarcks Dazwischentreten sogleich zur Wirklichkeit geworden wäre? Ein Entschluß, dessen Folgen

für den König und das Land bei der Lage der Dinge kaun: auszudenken war, denen gegenüber ein

Einlenken des

Königs selbst leicht wiegen mußte!

Wilhelm hatte

oft von seiner

äußersten Kampf gesprochen.

bestanden.

Entschlossenheit zum

Diese Probe war noch nicht

Neun Monate später äußerte er (Nr. 354),

daß man eine von Gott empfangene Krone nur mit dem

Tode abgeben könne, aber diesen Gesichtspunkt hatte ihm

erst sein Ministerium am 21.

September 1862 unter­

breitet, er hat ihn daher übernommen.

Schon am 10. September schrieb er an v. d. Heydt, daß er nur einen Ausweg kenne, wenn alles ihn int Stiche lasse!

Diese Andeutung war zweifellos zunächst

darauf berechnet, die Minister in der Gefolgschaft auf

seinem Wege zu erhalten.

Eine unbedingt zuverlässige

Stütze besaß der König noch in seiner militärischen Um­ gebung und im Heere.

Grade von ersterer Seite wurde

er in der unnachgiebigen Haltung bestärkt. Am 19. September schreibt er: „Wir müssen jetzt durch, in 30 Tagen ist alles verloren", das spricht noch von der Entschlossenheit zum Durchhalten.

Kurz vorher aber (17.

September abends) ruft der König bett Kronprinzen und setzt mit peinlicher Sorgfalt eine Abdankungsurkunde auf,

in der er nur das Tagesdatum offen ließ *). Der Grund lag in der schwankenden Haltung des Staatsministeriums. Wenn Wilhelm jetzt ernsthaft einen Schritt vorbereitete, der seiner Auffassung nach nur unheilvolle Folgen für die Monarchie nach sich ziehen mußte und allen Traditionen widersprach, so wollte er "doch wohl dadurch die sofortige Entscheidung der Minister (an die Berufung anderer Männer hatte er nicht mehr gedacht) für oder gegen chn erzwingen und feststellen, ob wirklich alles ihn und den monarchischen Gedanken im Stiche lasse. Diesen Zweck hat er erreicht. Am 21. Sep­ tember lag ihm die Eingabe des Gesamtministeriums vor, worin es in bewegten Worten die Unmöglichkeit eines derartigen Schrittes begründete und den König inständig bat, das landesherrliche Regiment bis zu seinem Tode zum Segen des Landes fortzuführen. Diese Vorstellungen mußten tiefen Eindruck auf den König machen, der einen von den Ministern so entschieden widerratenen und abgclehnten Akt niemals ohne weiteres vollzogen hätte. Wilhelm hat selbst bekannt, daß diese Kundgebung ihnr das Vertrauen, daß er von seinen Ministern nicht verlassen sei, wiedergegeben habe*2). Er fand es vollends in der Per­ son des neuen Ministerpräsidenten, den er am 22. Sep­ tember berief. Als ihm ein Jahr später von Vincke-Olbendorf eine Denkschrift „über den inneren Konflikt in Preußen" einreichte, da bemerkte der König hinsichtlich der bestehen­ den budgetlosen Regierung: „Wer dem Volke glauben *) Gebr.: Kaiser Friedrich III. Tagebücher von 1848—1866. Hrg. von H. O. Meisner (1929), S. 498 ff. Falsimile des Schlußteiles bei Egmont Zechlin, Bismarck und die Grundlegung der deutschen Großmacht (1931), S. 300. Zechlin vertritt die Auffassung, daß ohne Bis­ marcks Eingreifen die Abdankung sofort Tatsache geworden wäre. 2) Zechlin erblickt darin eine Selbsttäuschung Wilhelms.

macht, daß dies ein Berfassungsbruch sei, der will die Revolution! Da man sich alle Mühe gibt, dies dem Volke glauben zu machen, so werden wir auch die Revolution haben, und man wird sehen in Preußen wie überall, daß die Volksverführer die ersten sind, die nach der Dynastie das Schaffott besteigen müssen." Als der König Bismarck berief, lagen vier Jahre selb­ ständiger Regierung hinter ihm. Sie hatten trotz allem ehrlichen Willen, mühsamer Arbeit und Pflichttreue nur Enttäuschungen, Konflikte im eigenen Hause, mit Freunden und mit dem Volke gebracht. Diese Erfahrungen hatten dahin geführt, daß er sich jetzt einer Persönlichkeit an­ vertraute, an die er, wie er damals aufzeichnete, bisher „nie ernstlich" gedacht hatte. Der Kapitän, der solange selbst das Steuer führte, trat in der Folge auf den Kommandoturm zurück, das Steuer­ ruder ergriff mit sicherer Hand der Ministerpräsident. Sie haben beide das ihnen anvertraute Schiff in glücklicher Ergänzung durch alle Klippen zum Ziele geführt. Von den Briefen an Bismarck sind hier nur einige unveröffentlichte Stücke ausgenommen. Seit der Thronbesteigung hörte der bis da so eifrig und gern gepflegte Briefwechsel Wilhelms mit den Män­ nern, die ihm einst als Prinz aus dem Kreise der Offiziere und Politiker nahegetreten waren, nahezu auf. Bunsen und Leopold von Orlich starben 1860, Oldwich von Natzmer starb 1861, andere waren ihnen bereits voraus­ gegangen. Aber auch Karl von Vincke, der als unermüd­ licher Berater und Warner seine Stimme erhoben hatte, schrieb seltener und nur wenige Antworten Wilhelms liegen aus diesen Jahren an ihn vor. Vincke starb 1869. Das

deutsche Kaisertum hat er uicht erlebt. Die innere Ent­ fremdung hatte durch die politische Haltung des Königs zugenommen, seine Antworten auf die Vorstellungen des im anderen Lager befindlichen Politikers zeigten oft einen gereizten Ton. Eine Ermunterung zu weiteren politischen Erörterungen konnte das nicht bedeuten. Die überwiegende Mehrzahl der Briefe des Königs trägt einen amtlichen Charakter, sie ergänzen den münd­ lichen und den geschäftlichen Verkehr mit den Ministern. Von einer weiteren Heranziehllng des Aktenmaterials mußte dabei abgesehen werden.

Verzeichnis der Briefempfängers. Adolf Heinrich Graf von Arnim-Boyhenburg 299. Rudolf von Auerswald 178. 258. 259. 262. 263. 264. 265. 266. 270. 271. 272. 274. 276. 277. 278. 281. 286. 294. 295. 296. 305. 307. 308. 310. Moritz August von Bethmann-Hollweg 254a. Otto von Bismarck 352. 355. 356. Christian Karl Josias von Bunsen 172. 175. 177. 181. 183. 193. 195. 196. 199. 212. 215. 217. 230. 235. 242. 267. 273*. 275-. Herzog Ernst II von Sachsen-Koburg-Gotha 359. Karl Graf von der Gröben-Neudörfchen 180. 186. 188. 189. 191. 192. 208. 210. 211. 213. 216. 224. 238. 245. 268. 297. 301. 302. 303. 314. 350. 354. Robert von der Goltz 232. 236. 240. 353. August von der Heydt 257*. 315. 316. 317. 320. 322. 323. 325—328. 331—335. 337. 338-. 339*. 340. 342 \ 343. 344*. 345. 346*. 367. 368*. 369-. 370*. 371. 373. 374. 375. 377. 378*. 379. Alexander von Humboldt 197. Emil Jllaire 253. 256. Edwin von Manteuffel 203. 225. 365. Christian Meyer 280. 288. 347. Karl August Milde 282. 283. 285. Joh. Friedrich Moeller 205. 206. 207. 226. Robert Frh. von Patow 260. 279. 284. 298. 311. 312. 318. 319. 321. 324. 329. 341. Karl von Reyher 174. 194. 198. 204. 220. 239. Albrecht von Roon 310*. 379. Friedrich Theodor Schaafs 190. 202. 209. 219. 241. 287. 351. 363. 372. Alexander Frh. von Schleinitz 247*. 248*. 289. 290. 291. 292. 293.

l) Die mit Stern bezeichneten Nummern sind Schreiben der betr. Personen. Wilhelm I., Polit. Briefe. II.

XXV

Julius Frh. von Schleinitz 179. 200. 223. 237. Maximilian Graf von Schwerin-Putzar 341. Rudolf Graf von Stillfried-Rattonitz 309. Christian Friedr. Frh. von Stockmar 227. 231. 233. 234. 244. Rudolf von Uechtritz 214. 221. Guido Von Usedom 182. 184. 185. 187*. 228. 269. Karl Frh. von Vincke-Olbendorf 173. 176. 201. 222. 243. 246. 249.252. 255. 261. 304. 349. 358. 376. Ferd. Otto von Westphalen 250. 251. 254. Adolf Frh. von Willisen 348. Fritz Frh. von Wintzingerode 218. Hartmann von Witzleben 313. 330. Friedrich Frh. von Wrangel 300. 336.* 357. 360. 361. 362. 366. Unbekannt 306. 364.

172.

An

den Gesandten in London Karl Josias v. Bunsen

Christian

Coblenz, den 2. Januar 1854 1 7 Uhr A.

Die Posten gehen so entsetzlich langsam wegen des Schneefalles, daß Ihre Expedition vom 31. mir soeben erst zukam, und ich sie durch sofort zurücksende Ihrem Wunsche gemäß. Die ungeheure Wichtigkeit und Tragweite der Mitteilungen fühle ich durch und durch, sowohl die im preußischen Interesse als die orientalischen Mitteilungen. Die preußisch-deutschen Ideen sind von immenser Wichtig­ keit und sind dieselben Andeutungen, welche Mfanteuffelj und Bonin mir noch in Berlin machten. Aber ein Wort, das davon verlautet, wirft alles um, und dann stehet es schlimm um uns. Alles geheim, bis der Moment kommt, wo eine Entscheidung nötig ist, — aber alles vorbereitet dazu! Dann gebe Gott seinen Segen! Aber ich sehe selbst bei der geschicktesten Behandlung ungeheure Schwierig­ keiten voraus! Wie wird in jenem Moment uns Radowitz fehlen, den ich ewig betrauern werde!!! Der Brief2 wegen der katholischen Frage ist schwer zu verstehen, wenn man die Fragen nicht kennt, die Ihnen gestellt wurden. Ich habe Sfavigny'sj Stellung und Ein­ wirkung2 nicht so nachteilig bisher betrachtet, als Sie. Ich muß schließen, um die Post nicht zu versäumen. Wilhelm I., Polit. Briefe II. 1

1

[9?. @.]: Ich habe einen sehr eindringlichen Brief meiner Schwester, der Kaiserin, geschrieben!! 1 Er schreibt 53. — 2 Liegt nicht vor. — 3 Beischrift Bunsens: „in der Badenschen Sache".

173. An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf Coblenz, den 3. Januar 18541

... sDank für Wunsches. Sehr schwarz siehet die Zu­ kunft dieses Jahres aus, und man muß mehr wie je auf den Himmel blicken und ihm vertrauen. Schwerlich wird Rußland die nun wirklich von der Pforte angenommene Wiener Note2 annehmen, da der intempestive Befehl zum Vorgehen der kombinierten Flotten3 bei ihm alle Friedens­ vorschläge scheitern machen muß. So verstricken sich die Dinge im Moment, wo man der Lösung nahe sein konnte! Was Sie mir über die innere Entwicklung hinsichtlich der Gemeindeordnung sagen, stimmt seit langer Zeit zum Erstaunen mit meiner Ansicht überein. Sie sagen: „Wir gehen von der Ansicht aus, den Gemeinden so viele Selbstverwaltung ihrer inneren Angelegenheiten zu überlassen, als bei der Kulturstufe derselben irgend möglich ist, und die Aufsicht des Staats nur so weit auszudehnen, als die Einheit des Ganzen und die Un­ reife und Unbeholfenheit des Volkes es nötig macht, und so, die Nachteile einer zu starren büroksratischen) Zentralisation nach französischem Beispiel vermeidend, das Volk allmählich zu immer ausgedehnterer Selbst­ verwaltung seiner Gemeindeangelegenheiten heran­ zubilden und es so der Freiheit und Selbständigkeit fähig zu machen, welche das Ganze nicht schwächt und auflöset, sondern stärkt und lebenskräftig macht."

Dies ist es, was ich immer im Auge hatte, warum ich 1850 so entschieden gegen die Gemeindeordnung aufge­ treten bin, weil sie Ideale in den Gemeinden sah, die nicht vorhanden waren — und was ich auch vorig Jahr in der Pommerschen Audienz aussprach; an das Bestehende muß man anschließen das, was jetzt erst möglich ist! Da liegt der Stein der Weisen! * Er schreibt 53. — 2 Die auf der Konferenz der Westmächte in Wien festgestellten Friedensgrundlagen.— 3 Einlauf der westmächtlichen Flotten in das Schwarze Meer.

174.

An den Generalleutnant Karl von Reyher, Chef des Großen Generalstabes Coblenz, den 3. Januar 1854

... Sehr schwarz siehet dies Jahr bei seinem Beginn aus, und Ihre Kombinationen sind gewiß sehr richtig. Durch die Annahme der letzten Wiener Note in Konstantinopel ist freilich ein großer Friedensschritt geschehen; aber durch die unbesonnene Maßregel, die kombinierten Flotten wegen der Sinope-Niederlage ins Schwarze Meer einsegeln zu lassen, ist die Aussicht, daß Rußland jene Note annimmt, so gut wie unmöglich! Unsere Lage wird schwierig, weil sie zwischen Herz und Politik zu wählen hat. Wir Soldaten haben nur zu gehorchen und nehmen die Front ein, die unser Kriegsherr uns anzunehmen befehlen wird, und haben dann nur dafür zu sorgen, daß der Ruhm und die Ehre unserer Waffen erhalten und gemehret werde! Auf Wiedersehen am 18. fN. ©.]: Welche Verluste für den Staat und die Armee in 5 Tagen, Radowitz1 und Griesheim2! Die Verdienste und Eigenschaften des ersteren werden erst nach dem Tode

anerkannt werden, wo Parteihaß schweigt! Letzterer ist für uns persönlich hier unersetzlich! und für die Armee ist ein Mann verloren gegangen, auf den sie mit vollem Ver­ trauen zu rechnen berechtigt war!! 1 Vgl. Nr. 171.— • Karl Gustav v. G., Oberst u. Direktor im preuß. Kriegsministerium.

175.

An

den Gesandten in London Karl Josias von Bunsen

Christian

Coblenz, den 15. Januar 1854

In der Erwartung vielleicht morgen noch eine Expedition von Ihnen in Köln zu finden, fange ich diese Zeilen noch hier an und ersuche Sie die Einlage gütigst zu besorgen.

Mir scheinen die politischen Würfel geworfen, seitdem die Flotten ins Schfwarzef Meer1 eingelaufen sind! Was ich Ihnen unmittelbar nach der Schlacht von Sinope schrieb, wie ich hoffte, daß der Seesieg der Russen, keine anderen Folgen als ein Landsieg derselben haben möge, — ist leider nicht in Erfüllung gegangen, und alles müßte mich täuschen, wenn der Kaiser Nikolas nun noch auf Friedensvorschläge eingehet! Diese Bevormundung im Schtwarzenf Meer kann sich Rußland nicht gefallen lassen, und so wird dieser scheinbar den Krieg vermeiden sollender Akt grade den Krieg herbeiführen. Wenn so viele menschliche Anstrengungen scheitern, den Frieden zu erhalten, so muß man einer höheren Hand die Einwirkung zuerkennen, die einen großen Konflikt will! Gottes Wille geschehe! Sehr begierig bin ich, Pourtales2 zu sprechen; noch weiß ich offiziell nichts von seiner Mission! —

Cöln 16. Ich habe nichts hier von Ihnen erhalten und schließe daher diese Zeilen. Wir gehen morgen nach Berlin auf Wieviel werden diese 4—6 Wochen inklusive Weimar. 6 Wochen bringen und was? Ich habe es vermieden, dem Prinzen Aslberts jetzt zu antworten, damit nicht der deutsche Einfluß noch ärger spuke!! 1 Am 3. Januar 1854. — 2 Graf P. weilte Ende Dezember in beson­ derer Mission wegen der orientalischen Vorgänge in London. Er kehrte Anfang Januar nach Berlin zurück. B. berichtete am 31. Dezember über ihre beiderseitigen Schritte in London: „Wir fühlen beide tief den Ernst und die Verantwortlichkeit des uns gewordenen Auftrags. Ich weiß nur, daß wir nichts anders tun können: Neutralität aber nicht Neutralisierung. Keine Eroberung, keine Erweiterung, aber Deutschland als Bundesstaat mit Preußen an der Spitze."

176. An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf $ [erlitt], den 2. Februar 1864

Ihre Sendung war sehr interessant für mich. Sollte eine der Kammern das Gesetzt verwerfen und der König dies sanktionieren, so werden ich und mein Sohn einen Protest gegen diese staatsrechtliche Verletzung der Mediatisierten einlegen. 1 Deklaration der Verf.-Urkunde vom 31. 1. 1850 betr. die Rechts­ verhältnisse der mediatisierten deutschen Reichsfürsten wurde den Kammern am 22. Febr. vorgelegt.

177.

An

den Gesandten in London Karl Josias von Bunsen. Berlin, den

Christian

4. Februar 1854 1

Ihr letztes Schreiben? hat mich ungemein beschäftigt

da ich die ganze Wichtigkeit Ihrer Andeutungen empfand. Seitdem habe ich le projet de Convention 3 gelesen, und ich muß gestehen, daß ich die §§ 3 und 4 für zu weitgehend erklären muß. Preußen hat seine Stellung klar dargelegt nämlich so lange, als es irgend möglich ist, sich freie Hände zum Handeln zu erhalten, um dereinst, wenn eine Partei­ nahme nicht mehr zu verhindern ist, sein Gewicht in die Waagschale zu legen, welche ihm unter den dann obwaltenden Umständen als die zu beschwerende für richtig und nötig erscheint. Aus diesem Gesichtspunkt betrachtet werden Sie mit Freude und Anerkenntnis gesehen haben, daß die russischen Orloffschen* Budbergschen Propositionen znrückgewiesrn sind,5 wobei freilich außerdem noch die An­ sicht maßgebend war, daß Preußen die russische Politik seit einem Jahr überhaupt nicht gebilligt hat, wie dies die zweimaligen Wiener Noten beweisen. Wenn uns also jetzt von den Westmächten eine Konvention vorgelegt wird, die von Allianz spricht und von Anwendung aller uns zu Gebote stehenden Kräfte, um die gewissen Zwecke im Orient zu erreichen, — so stehet dies im Widerspruch mit unserer neugewonnenen Position. Noch ist ein europäischer Krieg nicht ausgebrochen, ja er ist noch nicht einmal zwischen Rußland und den Seemächten erklärt, also alles Momente, die uns keinerlei Veranlassung geben, unsere Position jetzt schon zu verlassen. Wie sehr es Preußen Ernst ist, den Frieden zu erhalten, beweiset wohl unumstößlich der eben nach Petersburg gegebene Refus. In diesem, nun auch von Österreich gegebenen Refus liegt m[einet] Ansicht nach die letzte Hoffnung zur Erhaltung des Friedens, denn Ruß­ land stehet nun ohne Alliierte und ohne NeutralitätsVersicherung seiner nächsten Nachbarn. Wenn dies den

Kaiser nicht stutzig macht und zur Umkehr geneigt macht, so ist er freilich nicht zu retten. Aber wie viel größer würden die Aussichten zur Nachgiebigkeit des Kaisers sein, wenn die Flottenpromenade im Schwarzen Meer° nicht statt­ gefunden hätte und wenn die englisch-französische Antwort nach Petersburg über Explikationen über die Instruktion an jene Flotten neutral gewesen wäre, statt herausfor­ dernd!! Denken Sie sich das glückliche Zusammentreffen, wenn der Berliner und Wiener obige Refus fast gleich­ zeitig nach Petersburg mit einer unparteiischen Erklärung über den Sinn jener Flotteninstruktion gekommen wäre! Dann hätte keine Gereiztheit beim Kaiser stattgefunden gegen die Seemächte, und die Überzeugung, bei seinen nächsten Freunden und Nachbarn kein Gehör gefunden zu haben, hätte ihn bestimmt auf geschmeidigere Ideen ein» gänzlich gemacht. Ich muß diese Flottenpromenade und deren Parteinahme für die Türken und gegen Rußland in der Form und Ausdehnung für einen ungemeinen Fehler der Seemächte erklären, und kann ich daher auch Ihrer Deduktion in Ihrer interessanten Depesche vom 28. Dezember an Manteuffel nicht in allen Punkten bei­ treten. übrigens verstehet es sich von selbst m[einet] Ansicht nach, daß die 4 Mächte auf Basis der Wiener Entente? vereint bleiben und in dieser Gemeinschaft ruhig den Er­ eignissen entgegensehen8. Ich gratuliere von Herzen zum wohlverdienten Roten Adlerkordon! 1 Der Prinz schreibt 53. — 2 Bunsen schrieb am 28. Januar: E. K. H. sind ohne Zweifel von dem kritischen Stande der Dinge unterrichtet und wissen also, daß in diesem Augenblick und für etwa sech?

oder sieben Tage die Entscheidung über Krieg oder Frieden in den Handen Preußens liegt. England und Frankreich tragen an eine in den zartesten Ausdrücken gehaltene Vereinbarung der Vier Mächte: die Wiener Proto­ kolle aufrecht zu erhalten und zur Ausführung zu bringen. Geht Preußen darauf ein, so tut es Österreich. Tut es Europa, so ist der Friede gesichert... Die beiden Seemächte haben absichtlich die beiden andern Groß­ mächte nicht in diese Verwicklung ^Erklärung der beiden Seemächte zu der Flottendemonstration^ hineingezogen. Sie haben an allen Ver­ handlungen der Vier fortdauernd Anteil genommen. Sie wollen sie jetzt besiegeln in zarter Weise, jedoch mit peremptorischer Frist, wie die Um­ stände sie gebieten. Diese Maßregel und sie allein rettet den Frieden, rettet auch den Kaiser, abgesehen davon, daß sie einem Weltbrande vor­ beugt ... Ich verbürge die gute Treue Englands und dieses hat Frank­ reich jetzt noch ganz in der Hand. Auch wünscht Napoleon aufrichtig den Frieden in diesem Augenblicke. Gnädigster Herr! Es handelt sich um die Monarchie Ihrer großen und glorreichen Ahnen, um den Thron, welchen nach menschlicher Vor­ aussicht Ihr Sohn zu besteigen berufen ist. Den edelsten König vor jeder Umgarnung zu sichern, ist jetzt die erste Angelegenheit des fürstlichen Herzens, welches nie dem Königlichen Bruder gefehlt hat. Gott wird seinen Segen dazu geben!... 3 Die vom russischen Gesandten in Berlin Frh. v. Budberg Ende Januar 1854 vorgelegte Proposition einer Konvention zwischen Rußland, Österreich und Preußen. — 4 Graf Orlow, außerordentl. russ. Gesandter, hatte in Wien einen gleichen Vorschlag gemacht. — 6 Erlaß Manteuffels an den Gesandten in Petersburg vom 31. Januar. — 6 Einfahrt der westmächtlichen Flotten ins Schwarze Meer am 3. Januar 1854. — 7 Wiener Konferenzprotokoll vom 5. Dezember 1853, welches eine freundschaft­ liche Intervention zur Herstellung des Friedens zum Ziele nahm. — 8 B. antwortete am 11. Februar, daß er der Ansicht, daß die Zeit zum Handeln noch nicht da sei, nicht beistimmen könne. Man müsse dem Kaiser zurufen: „Halt! nicht über die Donau." Am 22. März schrieb er, eine ab­ solute Neutralität sei nicht möglich. Preußen hätte Österreich vorangehen müssen. „Es muß großartig gehandelt werden in großen Sachen." Der Prinz müsse und könne das zur Geltung bringen.— Vgl. auch die Aufzeichnung des Prinzen „Die russisch-türkische Frage" vom 15/16. Febr. 1854 in K. BorrieS, Preußen im Krimkrieg, Stuttgart 1930, S. 347 ff.

178. An Rudolf v. Auerswald S3[erlin], den 27. März 1854

Der König hat mir sagen lassen, ich möchte Ihnen sagen, wie er ganz auf ihre Einwirkung rechne, damit die KreditBewilligung 1 eine gute Wendung nehme. Ich habe nur erwidern können, daß ich Ihre Auffassung der Lage voll­ kommen würdigte und daß es gewiß nicht an Ihnen liegen werde, wenn die Angelegenheit keine erwünschte Wendung nähme. Ich hoffe, Sie werden fortgesetzt diese meine Meinung rechtfertigen. 1 Erhöhung der Branntweinsteuer.

179. An

den

Regierungspräsidenten in Brom­ berg, Frh. Julius v. Schleinitz 93[erlin], den 5. April 18541

Ich danke Ihnen herzlich für Ihre lieben Wünsche bei Gelegenheit meines Geburtstages, der, wie Sie richtig bemerken, in eine verhängnisvolle Zeit fällt! Möge es Gott gestatten, Preußens Lenkern einen klaren bestimmten Blick zu verlechen, um seine Politik in diesem wichtigen Moment richtig zu leiten. Meiner Auffassung nach braucht man nur konsequent den Weg zu verfolgen, den wir seit dem Juli in Wien betraten. Ein Zerwürfnis mit dem Westen wäre ein Ruin unseres Welthandels, also auch der eines Hauptteils unserer Ressourcen! woher soll dann das Geld — der Kredit zum Kriegführen kommen? Daß nach Be­ seitigung des Orient-Streites dann wieder andere Fronten angenommen werden dürften, scheint gewiß; für jetzt scheint mir die Front aber nach Osten gehen zu sollen.

Ihre interessanten Mitteilungen über Ihren Regie­ rungsbezirk mit Karte und Notizen sind mir eine sehr schätzbare Zugabe gewesen, indem sie mich sehr befriedigend über manches mir ganz fremde orientieren, überrascht hat mich eine Anzahl der projektierten Straßen, die aber ein wahrer Segen zum Aufschließen dieses Landesteils sein werden, sowie zum Schluß die Schiffbarmachung der Netze bis zu Ihrem kolossalen Quellbassin! Viel ist im Frieden zu erreichen; wie störend würde ein Krieg auf das alles wirken! Was die Sicherheit des Landes betrifft, so wünsche ich Ihre Hoffnungen in Erfüllung gehen zu sehen! Glaube aber nicht recht daran. 1 Ungenau gebt.: Aus den Papieren der Familie v. Schleinitz, S. 361.

180. An General Graf Karl v. der Gröben-Neu­ dörfchen SB[ertin], den 19. April 1864

Tausend Dank für Ihre 2 Billette. Ich begegnete Heß *, als ich vom Diner kam, noch in Charlottenburg, was eine gute Vorbedeutung schien! Aber Herzog Georgs und die Königin arbeiten dahin, daß der König nichts unter­ zeichne, bis nicht Sonnabend die Antworten aus Peters­ burg kommen! Ein neuer Aufschub würde uns als mauvaise volonte ausgelegt werden müssen. Ich rechne auf Man­ teuffel, der nach dem Diner, nach dem Herzog Georg, Au­ dienz haben sollte und noch mit Heß zusammengetroffen sein muß. Ich triumphiere nicht, bis ich nicht Gewißheit habe! jN. ©.]: Auf der Rückfahrt habe ich noch den König sehr ernst über alles gesprochen!

1 Österreich. Feldzeugmeister wegen Unterzeichnung des Vertrages mit Österreich nach Berlin gesandt. Vgl. hierzu v. Gerlach, Denkwürdig­ keiten Bd. II, S. 137 ff. — » von Mecklenburg-Strelitz.

181. An

den Gesandten in London Karl Josias v. Bunsen

Christian

Berlin, den 24. April 1854

Nur 2 Worte um Sie zu avertieren, daß ich in Ihrer An­ gelegenheit 1 dem König vorgeschlagen habe, den Minister Alvensleben zu einer gründlichen Recherche Ihres Ver­ fahrens aufzufordern, damit ein klarer, unbeteiligter Mann sein Gutachten in einer Sache abgebe, die nur durch Partei­ bestrebungen und Konfusion bisher bearbeitet wurde. Legen Sie also alle Papiere, welche zur Aufklärung noch nötig sind und die vielleicht nicht hier sind, zurecht, um sie nach Aufforderung sogleich versenden zu können. Mit großer Spannung bin ich dieser, mir auf eine ganz unbegreifliche Weise geführte Angelegenheit gefolgt und habe Lanzen für Sie gebrochen, wo ich nur konnte! Noch heute hatte ich eine einstündige Unterredung deshalb mit dem König, in der Gröben3 zum Sekurs gerufen wurde! Wenn Sie auch in Ihrer Auffassung de la correction de la Carte de l’Europe 3 zu lebendig und feurig für dieselbe vorgegangen sind und sie gut heißen, so sehe ich darin noch keinen Grund zur Verfolgung Ihrer Person, die nun 2 Monat dauert; und die Sache mußte und konnte sofort abgemacht werden, wenn Sie die Weisung erneut erhielten, daß dies nicht die politische Auffassung des Kö­ nigs und seines Gouvernements sei. Somit wäre alles ins rechte Gleis gekommen und Sie hätten diese Weisung end­ lich befolgt. Wir müssen den Grnnd des orientalischen

Zerwürfnisses streng trennen von dem Ziele, das sich jetzt die Westmächte gesetzt haben und das zum 10 jährigen europäischen Krieg führen muß, aber nicht darf. Das anglo-französische Bündnis schließt freilich Länder-Ver­ größerung aus, also ist die Zerstückelung Rußlands auch außerdem unmöglich! 1 Die Maßnahmen gegen B. wegen der Rußlandfeindlichen Äußerungen. B. hatte in einer Depesche vom 4. März als Bedingungen Preußens für einen Anschluß gegen Rußland geäußert: Preußen solle beim einstigen Frieden die Garantie gegeben werden, daß es gegen Nordosten bleibend gedeckt werde, wo eS durchaus weder Grenzen noch Schutzmittel besitze, und es solle die Übermacht Rußlands in der Ostsee für immer gebrochen werden. „Clarendon und Walewsky haben sich für meinen Vorschlag erklärt, Palmerston und Argyll haben am meisten dafür gewirkt." Ms dem eigenhändigen Auszug des Prinzen Wilhelm dazu dessen Bemerkung: „(Nordostgrenze, d. h. Herstellung Polens!?!)". B. bat den Prinzen mehrmals um seine Vermittlung in dem Verfahren gegen ihn und über­

sandte ihm den Schriftwechsel in dieser Angelegenheit. Am 23. April schrieb Usedom in der Angelegenheit BUNM dem Prinzen: 1. Bunsen müsse nach Berlin kommen, um selbst den Spruch des Königs, ob er gehen oder bleiben solle, zu vernehmen. 2. die Königin Viktoria müsse zu erkennen geben, daß Bunsens Verbleiben ihr angenehm sei. Der Prinz möchte am nächsten Tage (24. April) mit dem König reden, daß kein zu rascher Schritt geschehe. Falls der Prinz diesen Standpunkt billige, wolle er an Bunsen schreiben und dem Prinzen dann aufwatten. Der Prinz vermerkte dazu sein „Ja" und bestellte Usedom für den 24. um 7 Uhr. Das vorliegende Schreiben wird nach der Besprechung mit Usedom abgefaßt sein. Am 26. April empfahl Usedom dem Prinzen, sich zur näheren Jnformatton Bunsens Akten kommen zu lassen. 8 Der Generaladjutant General Graf v. der G. reiste im März infolge der Bunsenschen Entgleisung nach London. Er warf B. falsche Vor­ spiegelungen vor. B. schrieb über ihn am 6. Aprll im Anschluß an ein Schreiben GröbenS: „Er ist dumm, daß das Insultierende darin auf den verwirrten Kopf deS Mannes selbst zurückfällt. Aber er beweist, daß von allen.stößigen Tieren der Schöps der gefährlichste ist." — 8 Vgl. Denk­ würdigkeiten Leopolds v. Gerlach H, S. 118 ff., 125.

182. An den Wirk!. Legationsrat Guido v. Usedom4 ® [erlitt], den 26. Tlpril 1854

Schneller wie der Wind ist Alvensleben3 zum Gutachten aufgefordert worden und hier ist schon seine nachteilige Antwort!3 Senden Sie mir dieselbe ja noch vor 10 Uhr zurück, weil ich Alvensleben zwischen 10 und 11 Uhr zu mir bestellt habe. Als Nochow 4 russische statt preußische Politik machte, ist ihn: kein Haar gekrümmt worden. 1 Geh,. St.-A. Berlin. — * Graf Albrecht v. Alvensleben-Erxleben, Minister a.. D. — ’ Beiliegend Abschrift eines Schreibens des Kö­ nigs an tuen Prinzen vom 25. April: „Hier bester Wilhelm ist Alvenslebens vont Dir gewünschter Bericht über Bunsens Angelegenheit. Ich sende Dir dies Aktenstück so schleunig als möglich, damit du, falls es nicht geschehen, mit Mvensleben sprechen und die Sache noch einmal durch­ reden kannst. Gott weiß, daß ich der treuste Freund des Mannes bin. Aber: ich glaube versichern zu können, daß die Freundschaft mich noch nie blind gemacht hat." — * Theodor H. R. v. R., preuß. General, 1845—54 Gesandter in Petersburg.

183.

An den Gesandten in London Karl Josias von Bunsen

Christian

Berlin, den 27. April 1854

Erlassen Sie es mir, Ihnen die Gefühle zu schildern, mit welchen ich heute die Feder ergreife! Hätte ich nicht das mein Gewissen beruhigende Bewußtsein, alles getan zu haben, um von Ihnen eine Katastrophe abzuwenden, die mindestens gesagt, eine Unbilligkeit enthält, — so würde ich mich schämen, Ihnen zu schreiben! Ja, ich würde mich vor mir selber schämen, wenn ich nicht pflicht-

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mäßig den König, von einem Schrittes mit allen mir zu Gebote stehenden Mitteln, abzustehen, beschworen hätte, — der nur nachteilig für ihn ausgelegt werden muß. Es war ein Fall, wo die Rücksichten der Politik mit denen für die Person zusammentrafen, wenn sie nicht die nach­ teiligsten Folgen nach sich ziehen sollten! Aber — diese Folgen wollen ja die Leute, die in diesen Folgen Segen für Preußen erblicken! Zu allen Zeiten sind Leute mit Blindheit geschlagen gewesen; hier ist es visible! Sie wissen, daß auch ich die revision de la carte de FEurope nicht billige, well sie zu einem 10 jährigen Krieg führt; aber in der russisch-türkischen Frage müssen wir geschlossen a 4 auf den Wiener Protokollen stehen bleiben und gehen! Wie wenig ich auf diese schleunige, ja hastige tele­ graphische Entscheidung gefaßt war, wird Ihnen mein Brief vom 24. bewiesen haben, sowie die mündlichen Be­ stellungen durch Ihren Sohn am 26. Als dieser gestern bei mir war, ahndete mir noch nicht, daß die Entscheidung schon den 28. fortgesetzt abends vorher gefällt war, was ich erst am Nachmittag er­ fuhr! Nochmals schrieb ich dem König und bat um Zu­ rücknahme, — und erhielt keine Antwort! — Alvenslebens Denkschrift ist in wenig Stunden gemacht worden und kannte nicht einmal Ihre geheime Denkschrift vom 1. März!! während ich eine gründliche Recherche erwartete und Sie darum um Bereithaltung der nötigen Papiere ersuchte, die Sie en temps et lieu einzusenden haben würden! Ich bin auf das tiefste verletzt und erschüttert über diese unbegreifliche Oberflächlichkeit, die freilich begreiflich wird, wenn man le dessous des cartes hier kennt. Daß Ihr Fall

von Petersburg ausgehet, ist mir gewiß, und habe ich es Allerhöchsten Orts nicht verschwiegen. Als vor einigen Wochen der König von dem zu oktroyierenden Urlaub sprach, von einer extraordinairen Mission und von Ihrer Wiederübernahme der Geschäfte, wenn die Königin Viktoria nichts dagegen hätte, konnte ich ihm versichern, daß die Königin Vfiltorias mehreremals meiner Frau über das Unbegreifliche des Verfahrens gegen Sie geschrieben habe, so daß sie gewiß nur für diese Wiederüberirahme sein würde. Aus allediesem schöpfte ich große Hoffnung für Sie!Aber es scheint, daß alle meine Vorschläge und ÄußerllNgen grade das Gegenteil von dem erzielten, was sie betpirken sollten! Welche Gefühle der Dankbarkeit mich an Sie fesseln seit 1848 brauche ich nicht zu wiederholen! Auch diese Ge­ fühle sind es, die mich für sie emsig handeln ließen, wenn es nicht Recht und Politik schon verlangt hätten. Seien Sie überzeugt, daß diese Gefühle Sie und die Ihrigen überall und in allen Lagen begleiten werden, Ihre politische Stellung mag sein, welche sie wolle. Welch eine Leere für mich in meinen Beziehungen zu England nun eintreten wird, weiß niemand besser als Sie! Das ist ein schwerer Verlust! So scheide ich denn von Ihnen in dieser Lage! Mit tief bekümmertem Herzen, stets Ihr Prinz von Preußen. 1 Abberufung Bunsens. — 2 Da der König die von B. geforderte ehrenrettende ErllSrung ablehnte, nahm B. den vorgeschlagenen Urlaub nicht an, sondern erbat den Abschied.

184.

An

den Gesandten Wirkt. Guido v. Usedom1

Legationsrat

«[erlitt], den 3. Mai 1854

Die Mitteilung, welche Sie mir gestern abend machten, war mir auch schon durch Herrn von Rosenberg2 zuge­ kommen, aber dabei bemerkt, daß der Minister von nichts wisse3. Le coup Monte wird immer klarer; da man mich nicht beseitigen kann, so sollen alle daran glauben, d. h. fortgeschafft werden, die mit mir gleich denken! Das wird mich nicht ändern! Ich hoffe Sie haben gehöriges Material, um die Ver­ leumdungen zurückzuweisen!4 1 Geh. St.-A. Berlin, Rep. 92. — 3 Legattonsrat Freiherr v. R. — 3 Usedom schrieb am 2. Mai dem Prinzen: Fünf verschiedene Personen waren heut bei mir, mir zu erzählen, daß ich seit Sonntag zur Dispo­ sition gestellt, weil ich Zeitungsartikel gegen den König in Londoner Blätter geliefert. H. v. Hinckeldey habe sich das Manuskript von London kommen lassen, worin man die Handschrift meiner Frau und meinen Stil erkannte usw. S. K. H. Prinz Karl hat das Faktum eines Geschwenktseins, wie man mir sagt, bereits am Sonntag verkündet. Mes dies, m. g. Herr, gehört mit zu dem coup montS und wir werden nächstens tveiteres in der Presse zu sehn bekommen... Ich will doch sehen, wohin sich die Frech­ heit der organisierten Lüge noch erstreckt." — *U. antwortete am 3. Mai. Der König solle dem Prinzen Georg von Mecklenburg gesagt haben, er habe U. zur Disposition gestellt. Man habe wohl seinen Namen statt Bunsen verstanden oder alles sei Erdichtung. Alle Verleumdungen seien erfunden.

185. An derselben 1 «[erlitt], den 5. Mai 1854

Der neue Mythus2 ist so erbaulich als der alte! Dagegen ist die Boninsche Wahrheit3 mehr als tragisch. Wenn kein Systemwechsel intentioniert wird, warum dann diese

Tragödie! Ich bin indigniert! Besuchen Sie mich doch morgen vormittag. Hierbei die kommentierte Anlage. 1 Geh. St.-A. Berlin Rep. 92. — 2 Usedom sollte danach in einer Audienz beim Könige um Gnade für Bunsen gebeten und sich dabei ganz ungebührlich betragen haben. Der König sollte darüber sehr zornig geworden sein und ihm am nächsten Tage durch den General v. Gerlach einen formellen Verweis gegeben haben. — 3 Die Entlassung v. Bonins. Vgl. die Schreiben an Ministerpräsident Otto v. Manteuffel vom gleichen Tage in v. Poschinger, Denkwürdigkeiten II, S. 441 ff.

186.

An

General Graf Neudörfchen

Karl

v.

der

Gröben-

Berlin, den 7. Mai 1854

Sie haben mir auf Befehl des Königs die Anzeige der Entlassung des Kriegsministers v. Bonin machen müssen, es ist daher nötig, daß Sie den Verfolg meiner Ihnen sofort getanen Äußerung, daß ich mich persönlich in dieser und anderen Destitierungen etc., die in den letzten Zeiten vor­ gekommen seien, verletzt fühlte, so daß es besser sei, mich eine zeitlang zu entfernen, — kennen lernen! Nachdem der König auf meine Bitte nicht eingegangen ist, Bonin zu erhalten, (wobei der König eine Stelle meines Briefes in einer Art verstanden hat, für die er mich nicht etwa nach Cüstrin zu senden hätte, sondern mir den Kopf vor die Füße legen lassen müßte — !)1 hat er mir einen Urlaub er­ teilt, den ich heute noch nach Baden antrete. Meine zeit­ weise Abwesenheit ist nötig, indem der König in nächster Zeit zu Entschlüssen genötigt werden dürfte, bei denen ich ein Hemmschuh sein würde. Der König schreibt mir näm­ lich: „er beharre zwar bei feiner bisherigen Politik in der orientalischen Frage, jedoch mit Kanonen gegen diejenigen,

die ihn in ihr Bündnis zwingen wollen". Da hier nur von den Westmächten die Rede sein kann, die Preußen vielleicht zu einer klaren Handlungsweise zwingen könnten, nachdem Preußen mit ihnen seit 10 Monaten bereits auf gleicher Linie stehet, so kann der Fall eintreten, daß die Kanonen gegen England und Frankreich gerichtet würden, was also sofort zu einer Allianz mit Rußland gegen ganz Europa inklusive Ostreich führt. Daß ich bei einer solchen Beschlußnahme ein Hemmschuh sein würde, ist natürlich, weil meiner Auffassung nach Preußen es seiner eigenen Politik und Erhaltung halber nicht zu jenem Zwingen kommen lassen muß, sondern franchement den Strang ziehen müßte, an dem es seit 10 Monaten ziehet. Da man bei Bonin eine ähnliche Auffassung vermutet, so ist dies der eigentliche Grund seiner Entlassung, denn der König schreibt mir: „Ich werde alle diejenigen brechen, die nicht meinen Weg gehen" 2. Da hat er ganz recht. Da aber Bonin bisher nur den Weg gegangen ist, den der König durch seine weltkundigen offiziellen Akte auch ge­ gangen ist, so muß die Zukunft bei Bonin infsj Auge gefaßt worden sein. Ob hierbei der Glaube vorherrscht, daß Bonin ungehorsam den Königlichen Befehlen sein würde, — was kein rechtlicher Preuße annehmen kann, — oder ob man fürchtete, daß sein Gutachten angenom­ men werden mögte (enthalten in den 3 ersten Zeilen dieser Seite)3, muß ich dahin gestellt sein lassen, aber daß diese Auffassungen ihn gestürzt haben, ist mir klar. Gibt es eine Veranlassung, so sagen Sie dem König, daß Bonin mich gebeten hatte, nichts in seiner Angelegen­ heit zu tun, mein Schreiben an den König ist also gegen seine Absicht geschrieben worden. Ebenso haben meine beiden

Adjudanten mir die größte und ruhigste Auffassung, Be­ sonnenheit und Ruhe, ich möchte sagen, gepredigt; darum habe ich den, wie Sie sahen, sofort feststehenden Beschluß bis zum späten Abend überdacht, geprüft und dann erst ausge­ führt. Auch dies werden Sie gewissenhaft mitzuteilen haben. Zum Schluß meinen unabänderlichen Grundsatz, der auch in diesem für mich sehr schweren Moment nicht eine Sekunde wankt: Ich bin der erste Untertan des Königs, also auch der erste, der ihm gehorchen wird, er mag be­ schließen, wie er will!!! 1 Der Prinz hatte am 5. Mai schriftlich gegen den Sturz Bonins „als erster Offizier der Armee" beim König Protest eingelegt imb um Rückgängigmachung ersucht. Der König antwortete daraus am 6. Mai: „Datz Protestieren im Namen der Armee ignoriere ich diesmal noch. Du selbst wirst Dir am besten beantworten, was jeder Militär. Vorgesetzter dem tun muß, der im Namen von Truppen gegen höhere Befehle pro­ testiert." Der Prinz bestritt darauf in seiner Antwort vom 6., „im Namen der Armee" protestiert zu haben, er habe nur sagen wollen, daß er nicht nur als Bruder und Thronerbe sondern auch als Soldat spreche. — 2 Am 6. Mai schrieb beic König: „Diejenigen meiner Diener, die mich in andere Wege leiten roollten, sind gebrochen, und die, welche mich dahinein leiten wollen, werden brechen. — Am 7.Mai schrieb der König an Wilhelm^ aus Unlaß der dem Prinzen zugeschobenen vorzeitigen Verlautbarung bett Entlassung Bonins: Der Prinz empfange noch immer die, deren Umgang er ihrm bereits zweimal „so herzlich als nachdrücklich" verboten habe. „Da Du' nicht aufhörst, mit solchen Männern der Partei zu verkehren, da Du menne Befehle mißachtest, so habe ich aufräumen müssen. Eins ist die Folige vom andern, denn regieren muß ich, solange mir Gott die Kräfte erhält". — 8 Die vor dem Absatz ausgesprochene Auffassung des Prinzen..

187.

Guido

v. Usedom an Baden-Baden

Prinz

Wilhelm in

Berlin, den 12. Mai 1854 Ew. K. H. glückliche Ankunft in Baden ist hier allgemein mit großer Freude vernommen worden. Ich darf mir erlauben, Höchstds. noch be-

sonders dazu Glück zu wünschen, je mehr ich Zeuge der schmerzlichen Erschütterungen gewesen bin, welche leider in letzter Zeit Ew. K. H. sooft bewegten. Ew. K. H. schleunige Abreise findet immer mehr den Beifall des um­ sichtigen, wohlmeinenden Publikums. Desto weniger freilich sind die Kreuzzeitungsrussen damit zufrieden. Sie fühlen, daß sie eine schwere moralische Niederlage dadurch erlitten haben. Ew. K. H. haben Sich durch Ihren Schritt von der zweideutigen, unpreußischen Politik getrennt, mit der jene Partei und ihre Helfer das Land ruinieren wird: Sie stellen Ihren Charakter in politischer Hinsicht so leicht und rein der Welt vor die Augen. Sie tun das in dem Augenblicke, wo Graf Alvensleben nach Wien geht, um den Österreichern zu beweisen, daß der Vertrag, der unter der Billigung Ew. K. H. zustande kam, eigentlich nichts enthält. Es fei (wie er sich ausgedrückt hat) eigentlich gar kein Vertrag, sondern ein Doku­ ment, welches nur beweise, daß man sich nicht einig geworden fei. Das ist ganz charakteristisch. Nachdem sich die preußischen Unterhändler vor dem Abschluß alle Mühe gegeben, Österreich zu beweisen, es stehe recht viel darin, damit Österreich nur annähme, beweist jetzt Alvensleben nach dem Abschluß, es stehe nichts darin! Es sollte mich indessen nicht wundern, wenn vielfache Versuche bei Ew. K. H. gemacht würden, Höchstds. nach Berlin zurückzuführen — so hat z. B. Graf Gröben die Idee des 7. Juni suggeriert. Man will um jeden Preis den wohltätigen Eindruck anullieren, welchen Ew. K. H. Abreise gemacht hat: denn freilich ist jene zweideutige Politik durch das Ereignis mehr als durch irgend ein anderes Symptom demaskiert worden und steht nunmehr öffentlich in ihrer Blöße da. Darf ich mir erlauben, Ew. K. H. mit voller Freimütigkeit einige Worte über Ihr Verhältnis zu unserer jetzigen Lage, wie es mir erscheint, zu sagen? Ich gehe davon aus, Höchddies. wollen der Sache, die Sie zu der Ihrigen gemacht haben, weil sie die Preußische ist, auch ferner Ihren Schutz und Beistand schenken. In dieser Hinsicht glaube ich, daß nichts so entschieden verderblich für diese preußische Politik sein würde, als Ew. K. H. verfrühte Rückkehr nach Berlin. So erwünscht es sein muß, das Verhältnis zu S. M. dem Könige ganz wie früher hergestellt zu sehen, so wäre doch für diesen Zweck wahr­ scheinlich erst zu überlegen, ob eine abermalige Herkunft Ew. K. H. hierfür wahrhaft dienlich sein könnte. Kaum läßt sich erwarten, daß bei der starken Strömung im Kreuzzeitungssinne, die hier jetzt herrscht, ein wünschenswertes Resultat dadurch erreicht werden kann. Es wird immer, wie auch bisher, das hiesige Streben sein, Ew. K. H. von Ihrer eigenen

richtigen Ansicht ab und auf die entgegengesetzte hinüber zu ziehen unb dann, wenn Sie widerstrebend nachgegeben, Ew. K.H. als mit Ihren Gegnern einverstanden zu proklamieren. Durch solche leidige Vermitt­ lungsversuche wird die Loyalität Ew. K. H. leicht dahin geführt, Maß­ regeln den Schein Ihrer Unterstützung zu leihen, welche im Grunde nicht die Ihrigen waren. In solcher Lage findet man sich gar zu bald auf der schiefen Ebene der ungewollten Konzessionen. Möchten Ew K. H. Sich überzeugen, daß Sie der Politik, welche hier voraussichtlich in nächster Zukunft getrieben wird, die Unterstützung Ihrer Anwesenheit nicht leihen dürfen. Ihre fortgesetzte Mwesenheit übt dagegen einen Druck aus, den diese Pseudopolitik auf die Länge schwerlich verträgt. Ihr Rat, wenn er gehört wird, verletzt und wird schwerlich befolgt. Es ist meine innigste Überzeugung, daß Ew. K. H. hier dem Könige sowie dem Lande durchaus nichts nützen, vielmehr den endlichen Durchbruch der richtigen Politik eher abschwachen und verzögern würden. Ich fürchte sehr, es wird bald ein Zeitpunkt kommen, wo Ihr Einschreiten, m. g. Prinz, in den hiesigen Verhältnissen zur unumgänglichen Notwendigkeit wird. Für diesen scheint es mir, müssen Sie Sich aufsparen. Es ist nämlich mit Gewißheit vorherzusehen, daß die mit Österreich verbündeten Westmächte sehr bald erkennen werden, wie sie nur mit Preußen stark genug sind, um Rußland den Frieden aufzudringen. Wollen sie dann nicht als Besiegte dastehn, so werden sie also & trois gegen Preußen eine Vergewaltigung eintreten lassen, deren Tragweite sich noch gar nicht absehen läßt, und gegen welche Rußlands Bündnis uns nicht schützen kann: es wird dieselbe Sachlage werden, deren unvorsichtige Erwähnung Gl. von Bonin ruiniert hat. Dann wird sich ohne Zweifel in Preußen und Deutschland nur eine Stimme allgemeinen Unwillens erheben und -war keineswegs gegen Österreich, England und Frankreich, sondern gegen diejenige Partei, welche Preußen zwingen will, für Rußland gegen ganz Europa zu fechten. In dieser schweren inneren wie äußeren LandeSnot werden sich alle Blicke auf Sie, m. g. Prinz, wenden. Sie werden dann den schönen und großen Beruf haben, dem einbrechenden Verderben den rettenden Schild Ihrer Gesinnung und Ihrer Tat entgegenzuhalten. Zu diesem Ende müssen Ew. K. H. aber alsdann im vollen und unge­ schwächten Besitze des öffentlichen Vertrauens sein, dessen Sie auch in politischer Hinsicht, in und außer dem Baterlande, jetzt genießen und welches Ihre bisherige Haltung Ihnen erworben. — Ew. K. H. müssen dann nicht den Schein tragen, als hätten Sie hier den Übeln beigestimmt, welche Sie zu heilen berufen sind. Dann kann sich die Gewalt des öffentlichen Hasses doch wenigstens nicht gegen die 21

Dynastie richten, und Ew. K. H. bleiben fähig, dieselbe, den König mit eingeschlossen, gegen jene Bewegung zu schützen. Ew. K. H. müssen die heuchlerische Scheinpolitik der Kreuzzeitungspolitik nicht nur einmal ösfentlich desavouiert haben, wie eben jetzt. Sie müssen vielmehr dieselbe durch Ihre Mwesenheit von hier fortwährend desavouiren. Andere mögen glauben, daß man durch den demonstrativen Lokalkrieg den Frieden erreicht, ich habe dazu wenig Hoffnung. Wäre aber auch nur ein Fünkchen Wahrscheinlichkeit da, daß jener kritische Augenblick nicht cintreten könnte, so sind es, glaube ich, Ew. K. H. S. Maj. und Ihrem Volke schuldig, Sich für diese neue rettende Tat intakt zu erhalten.

Mai 13. P. S. Ich erhielt soeben ein Handbillet S. Maj. des Königs, welches mich von meinem römischen Posten entläßt, und ich be­ richte morgen mehr.

188. An General Graf Karl v. der Gröben-Neu­ dörfchen Baden, den 16. Mai 1854

Es kommt mir das Gerücht zu, als lvolle man mir meinen Adjudanten Graf Goltz nehmen! [. .. Verweis auf den Brief vom 7.] Da ich die Antipathie der Umge­ bung des Königs feit langer Zeit gegen meine Umgebungen kenne, sie aber stets gegen die Angriffe derselben gegen den König siegreich verteidigen konnte, so weiß ich jetzt kein anderes Mittel, als mich an Sie zu wenden, um den König zu beschwören, mir meinen Adjudanten zu lassen. Wenn ich mein Wort verpfände, daß namentlich Goltz gar nicht der Frondeur ist, salsj den man ihn beim König anschwärzt— ja daß ich seiner Ruhe und Besonnenheit es verdanke, mich nur zu oft in einer großen Aufregung kalmiert zu haben, — daß er es ist, der auf seinen Bruder und Albert Pourtales in derselben beschwichtigenden Art einwirket, wenn diese Draufgänger waren, so muß doch dies alles, als völlig in der Wahrheit begründet, dem König, der mich wenig-

stens als wahrheitsliebenden Menschen kennt — wenn ich sonst auch meine Fehler habe, wie jeder, — Eindruck machen! Er selbst hat mir Boyen, Goltz, Pourtales nach London als Vertrauensmänner gesendet 1848, und sie haben sich in einer Art bewährt, die sie mir zeit­ lebens teuer machen müssen!! Ich muß es von des Königs Barmherzigkeit erbitten, mir doch jetzt nicht Männer zu nehmen, die mir Freunde geworden sind, in einer Zeit, wo ich schon so allein stehe, im Auslande dazu. Sind denn die Umgebungen des [Königs] noch nicht ge­ sättigt, daß sie alle meine politischen Freunde entlassen und vertreiben? Müssen sie mir auch noch meine intimen Umgebungen nehmen? Ich wünsche, daß Sie dies in meinem Namen dem Könige vvrtragen, um so mehr, da ich zum 11. Juni1 für meine Umgebungen Gnadenbezeugungen erbitten werde, wie [cd] bei der silbernen Hochzeit meines Bruders Karl auch stattfand. 1 Tag der silbernen Hochzeit.

189. An General Graf Karl v. der Gröben-Nendörfchen Baden, den 21. Mai 1854

Empfangen Sie meinen besten Dank für Ihren Brief v. 16. d. M., der mir erst gestern zugegangen ist, er hat sich mit dem meinigen vom 15(?) gekreuzt. Ihre Äußerung, daß der König mit meiner Erklärung in meinem Briefe vom 6. d. M. an ihn betreffs Gerierung als erster Offizier der Armee, im Brief vom 5. \ noch nicht zufriedengestellt sei und die Äußerung wünsche, daß es mir leid sei, eine Außenlng gebraucht zu haben, die mißverstanden werden

konnte, so habe ich feinen Moment angestanden, dies in der Anlage auszusprechen, wie ich es Ihnen bereits am 7. mündlich eingeräumt habe. Ich ersuche Sie die Anlage dem König selbst zu übergeben und darf ich nun annehmen, daß nunmehr keine Differenz mehr bestehen bleibt. Mein sogenanntes Zirkulare an die Prinzen ist in keinem anderen Sinne aufgesetzt, als um denselben darzustellen, warum ich momentan Berlin verließe. Wie ich damit in der Familie Parteien erzeugen kann, weiß ich nicht, da ich einfach meine Ansichten aussprach. Wenn ferner Sie schreiben, dem König sei berichtet worden, daß meine beiden Adjudanten in Berlin sich strafbar über meine Abreise geäußert hätten, so bitte ich Sie, den König veranlassen zu wollen, daß der Kriegs­ minister ad int. meine Adjudanten darüber vernehme, um nach Ausfall dieser Vernehmung das Straffällige fest­ zustellen. Denn auf bloße Verleumdung hin wird der König nie sein Urteil fällen, dies schlägt in das Feld, was mein letzter Brief an Sie enthält. Einen Schritt, wie der, den ich getan habe, muß man gewärtig sein, von zwei Seiten beurteilt zu sehen; werden da meine Adjudanten unbedingt straffällig erklärt werden können, wenn sie mich nicht un­ bedingt verurteilen?? Ich danke Ihnen von ganzem Herzen, daß Sie, auch ohne mein Schreiben vom 15. noch empfangen zu haben, doch schon nach meinem Schreiben vom 7. d. M. sich so ritterlich gegen den König über meine Adjudanten ausge­ sprochen haben. Das kann nur die erwünschte Folge haben, daß derselbe gründlich untersucht, ehe er entscheidet. Wenn Sie mir schreiben: „Hätte der König Sie vor Ihrer Abreise gesehen, so wie ich Sie sah, so hätte sich nichts

mehr zwischen Sie drängen können"; — so muß ich be­ merken, daß ich keineswegs die Absicht hatte, ohne Abschied zu scheiden; die Wendung, die der König am Schlüsse seines Schreibens vom 6. an mich brauchte, gab mir jedoch den Fingerzeig, daß Er nicht Abschied nehmen wolle, denn ich hatte ihm unter dem 5. keine Silbe von einer sofortigen und schleunigen Abreise etwas gesagt, die ein NichtAbschiednehmenwollen bezeichnete. Ich hatte mir im Ge­ genteil vorgenommen, zu der Kirchenparade am 7. nach Potsdam zu kommen, wenn ich vorher eine Antwort er­ hielte, ich erhielt sie, aber gedachte Wendung verbot mir, zu erscheinen!! [...] Ich sehe es als ein gutes Omen an, daß diese Ausgleichungsangelegenheit durch Ihre Hände gehet und vertraue auf Ihre Ritterlichkeit, Versöhnlichkeit und Gerechtigkeit. [... Reglementsexerzieren]. 1 Bgl. oben Nr. 186, Anm. 1.

190. An den Badischen Regierungsdirektor Geh. Rat Dr. Schaafs in Freiburg * Baden, den 25. Mai 1854

Empfangen Sie meinen besten Dank für Ihren Brief vom 23., sowie für Ihre gütigen Wünsche zu unserer be­ vorstehenden silbernen Hochzeit. Meine momentane Entfernung von Berlin war nötig, um mit meiner Vergangenheit nicht inkonsequent zu wer­ den; da es anzunehmen ist, daß man daselbst immer schwan­ kender wird. Gehorchen werde ich wie immer des Königs Wegen, aber ihm helfen andere Wege zu gehen, als die, auf denen ich ihm bisher folgte, war nicht angänglich. Daß Sie jetzt uns nicht besuchen können, begreife ich

vollkomme«, wenngleich ich es aufrichtig bedauere! Ihr Platz ist jetzt da, wo Pflicht und Beruf Sie fesseln. Ihre Ansicht über die Schwarzröcke ist ganz die meinige. Möge das Gericht nun die Schuld feststellen und die gehörige Strafe diktieren können, dann wird Baden ein gutes und erfolg­ reicheres Beispiel geben, als Preußen damals durch die polizeiliche Arretierung in Köln. Mit Mut, Recht und Konsequenz kommt man immer durch die Welt. 1 Generallandcsarchiv Karlsruhe.

191. An General Graf Karl v. der Gröben-Neu­ dörfchen Baden, den 28. Mai 1854

Nachdem ich gestern nachmittag Ihren Brief von: 25. erhalten hatte, traf Generalleutnant v. Schack mit dem Schreiben des Königs an mich ein, von dem Sie mich benachrichtigten. Ich bin imstande gewesen, den so brüder­ lich mir dargebotenen Weg zur Ausgleichung betreten zu können, indem ich die eigenen Worte, die der König mir zu gebrauchen angab, benutzen konnte, so daß ich nun mit aller Zuversicht annehmen kann, daß der 7. Juni ein wahrer Versöhnungstag sein wird. Es tut mir wahrhaft leid, daß Sie das so ritterlich begonnene Werk nicht haben zu Ende führen sollen. [. . . Militaria j. 192. An

General Graf Karl Neudörfchen

von

der

Gröben-

Baden, den 2. Juni 1854

Sie werden jetzt schon durch den König mündlich er­ fahren haben, daß mein Brief, den er in Eisenach erhielt, ihm völlig genügt hat und somit die persönliche Ausglei-

chung vollständig erfolgt ist. Ich danke Gott, daß es soweit ist, indem niemand besser als Sie weiß, wie ich niemals ein persönliches Zerwürfnis mit dem König beabsichtigte. Daß chm meine Abreise unangenehm sein mußte, ist mehr wie begreiflich. Aber hätte er nicht das Ruhen meines Wir­ kungskreises und das Nicht-Abschiednehmenwollen zu ver­ stehen gegeben, so wäre vor der Welt kein persönlicher Konflikt erschienen und die Sache sofort auch arrangiert gewesen. Durch jene 2 Tatsachen wurde die Sache an die große Glocke gehängt. Nochmals meinen herzlichen Dank sür alle Ihre Bemühungen. [... Empörung des Prinzen über das Verhalten Wrangels gegenüber den Adjudanten des Prinzen bei und nach deren Verhörs. Wie kann Wrangel sich unterstehen den Adjudanten zu verschweigen, daß der König zufrieden ist! Und nun gar die Forderung, den Verleumdern nicht nachforschen zu sollen!! Ist es denn dahin bei uns ge­ kommen, daß man verleumden darf und das Verbot erteilt, der Verleumdung nicht nachzuspüren??? Solche Zeichen unserer Zustände beweisen, daß die Immoralität ungestraft wuchern darf! Dem muß ein Ende gemacht werden.

193. An Christian Karl Josias v. Bunsen Flatow, den 24. Juni 1854

Sie haben mir eine wahre Freude bereitet, indem Sie unserer am 11.1 so freundlich gedachten! Gott hat uns ein schönes Fest gestattet zu begehen, aber die vielfachen Beweise, welche wir von Anhänglichkeit und Teilnahme empfingen, übersteigen so das Maß des Erwarteten, daß wir in Demut eingestehen müssen, das nicht verdient zu

haben! Tausend herzlichen Dank also für Ihre und Ihrer Familie treuen Wünsche. Hoffentlich sehe ich Sie im August in Baden, wo ich auf einige Tage die Prinzeß besuchen werde. Wie viel werden wir uns zu sagen haben!? Ich glaube nicht, daß die östreich.-preußische Sommation in Petersburg eine Krisis herbeiführt. Der Kaiser wird ausweichend und hinhaltend antworten, auf die fastbewerkstelligte Evakuation der Fürstentümer Hinweisen, und über Antworten und ferneren Explikationen wird der Herbst herankommen und mit ihm eine Waffenruhe! Möge sie den Frieden bringen! Bei dem, mindestens gesagt, nicht stattfindenden Fortschritte der russ. Operationen wird und kann der Kaiser nicht auf Negoziationen eingehen. Also was soll man wünschen? Gedenken Sie meiner, dem nichts übrig geblieben ist, als schweigender Zu­ schauer zu sein bei dem Drama, in dem ich sonst handeln konnte! 1 Silberne Hochzeit des Prinzen.

194. An den Generalleutnant Karl von Reyher, Chef des Generalstabes Coblenz, den 7. Oktober 1854

Besten Dank für Ihre zwei Briefe. Ich kann Ihnen ver­ sichern, daß ich in komplettem Fieber war über die: Tataren-Nachricht \ die, wenn auch nicht in chrer Übertrie­ benheit, so doch ein Faktum zuerst wahr erscheinen mußte. Als die 2. Version kam, daß Menzikoff sich in die Luft spren­ gen wollte, atmete ich auf, denn es wäre doch eine Tat gewesen. Nur reduziert sich alles auf ein verlorenes Treffen, nach welchem Menzikoff sich aus seiner rechten Flanke geschickt abgezogen zu haben scheint. Meiner Ansicht nach

hätte er von Haus aus, wenn er die Landung nicht hindern tonnte, sich bei Simferopol oder Baschti Sarai aufstellen müssen, um die Alliierten in chrer Flanke zu bedrohen und zur Teilung gegen ihn und Sewastopol zu nötigen. Seine Aufstellung an den 3 Flüssen, die Festung im Rücken er­ scheint mir fehlerhaft. Was nun weiter? Selbst wenn Sewastopol genommen würde, werden sich die Alliierten behaupten können? Können die Russen nicht starke Massen hinsenden, um die Krim wieder zu nehmen? Dies hängt freilich von Ostreichs Haltung ab. Ich fürchte, Wien und Petersburg reizen sich gegenseitig so, daß es zum Kriege kommen muß. Die russischen s Aufstellungen in Polen beweisen eine Inten­ tion auf Wien, aus dieser Erkennung erklärt sich die Truppen­ stellung bei Troppau und die Armierung Olmütz's. — Was werden wir tun?? Vermutlich nichts wie bisher, und unsere Großmachtsstellung verwünschen, wie Kammerherr Graf Finckenstein neulich in Sans Souci gesagt hat: Preußen würde erst wieder zufrieden fein, wenn es Schlesien und die Rheinprovinz aufgegeben habe!!!2 Dies ist f sKreuzf Zeitungspatriotismus!! 1 Ein türkischer Tatar brachte die Meldung vom Fall Sebastopols. Daher die allgemein üblich gewordene Bezeichnung: „Tatarennachricht". — 2 Vgl. auch das Schreiben an den Gesandten in London Graf Al­ brecht Bernstorff vom 1. August. Gedruckt: Graf Bernstorff, Im Kampfe für Deutschlands Ehre, S. 219; Brandenburg, S. 112.

195.

An Christian Karl Josias von Bunsen Coblenz, den 9. November 1854

Soeben erhalte ich vom Könige die Einlage für Sie zugesendet mit dem Auftrage sie sicher in Ihre Hände zu

bringen. Ich lasse sie also an einen unserer Generale nach Mainz gehen, der sie über Mannheim weiter besorgen wird, wodurch sie der Neugier zu ^[ranffurt] a. M. ent­ zogen wird. — Was die Einlage enthält schreibt mir der König nichts Er sprach mir in Sans Souci von seiner Ansicht über die jetzige Römische Mariä-Konferenz und fragte, ob Sie mir von seiner Ansicht gesprochen? Da ich nicht wußte, ob Sie dazu Erlaubnis gehabt haben, so wich ich der Antwort aus. Es schien mir aber, als habe der König seine frühere Ansicht modifiziert, und sprach ich mich dahin aus, daß man diese Römeriade sich selbst und der rise du monde überlassen müsse. In Politicis ist unbedingt in Berlin eine Schwenkung eingetreten, — auf wie lange? — wer vermag das zlt sagen! Bernstorffs Berichte haben hierauf großen Ein­ fluß geübt, Beweis genug, daß er in Ihrem Sinne auffaßt und berichtet!! — Um die Schwenkung meist zu motivieren und sie mit Konsequenz zu stempeln, behauptet man jetzt, eine katholische Ligue an der Donau, Tiber und Seine sei im Gange gegen den Protestantismus, der nur zertrüm­ mernd entgegengetreten werden könne, wenn man durch England in die westmächtliche Koalition einträte, wodurch jene Ligue anulliert würde. Dies finde ich ganz richtig, wenn jene Ligue überhaupt existiert, die aber gar nicht existieren würde, wenn Preußen korrekt und konse­ quent im April geblieben wäre. Existiert sie wirklich, so hat sie ihren Zweck erreicht, indem sie Preußen in die Koa­ lition treibt. Das Beste dabei bleibt die Auffassung, daß man sich England anschließen müsse. Die Existenz der Ligue will man daraus erkennen, wenn Ostreich die zu erwartende Petersburger Antwort nicht so ansehen sollte, wie Preußen2.

Man will dann also auch nicht weiter mit Petersburg schön tun, sondern also per London sich alliieren! So schrieb mir der König. Möglich, daß dieser Weg im Dezember auf Umwegen dahin führt, wohin wir im Mai hätten kommen können, auf geradem Wege!! 1 Der Brief betraf die kirchlichen Angelegenheiten. Er gelangte erst am 26. November in Bunsens Hände. — 1 Bunsen antwortete: „Ich wußte lange, daß die ultramontane Partei an einem Bunde Ostreichs und Frankreichs arbeitet, deren Hände der Papst zusammenlegen und weihen soll zum Kampfe gegen den Verfolger der h. Kirche. Napoleon ist bis jetzt nicht darauf eingegangen, allein ich zweifle nicht, daß, wenn er gegen Preußen vorgehen muß, er die Ligue annehmen wird, scheinbar gegen Rußland, in der Tat aber, um Deutschland den katholischen Fürsten in die Hände zu spielen oder wenigstens der Hierarchie zur Herr­ schaft zu verhelfen, wobei man mit Baden anfangen toirb[...]. Der Unter­ gang des Protestantismus ist der Preußens und so umgekehrt. Grade so sieht man die Sache in Buckingham Palace an, woher (Stfockmar)) die gestrigen Nachrichten fließen. Das ist ja eben das Unglück, daß der König das protestantische Mitgefühl Englands so ganz hartnäckig und blind verscherzt hat. Deshalb rate ich ihm, mit der Jmmaculöe nichts zu tun zu haben, da man glauben würde, er wolle den Papst warnen, daß er keinen so dummen Streich mache. Und ich wiederhole es E. K. H. feier­ lichst: nichts in der Welt ist imstande, das dadurch in England und in Deutschland festgewurzelte Mißtrauen gegen seine religiösen Gesinnungen zu beseitigen, solange er einen einzigen Pietisten und Jesuitenfreund um sich hat und ein ganz anderes kirchliches System laut ankündigt und aus­ führt. Allein das will er nicht, er hat mir sehr ungehalten noch neulich verwiesen, daß ich „ehrwürdige Männer mit Tritten bediene" (ich hatte Hengstenberg und Stahl als unprotestantische Männer geschildert). Ich habe ihm nun, da er es so haben will, eine Rechtfertigung zugesandt. Strauß (dem es doch zu arg wird) hat übernommen, dergleichen dem Könige vorzulegen und vorzulesen. Ich habe gesagt, Hengstenberg sei entweder ein unzurechnungsfähiger Schwärmer oder ein Heuchler, jedenfalls verrate er die protestantische Sache. Gut ists jedoch, daß Hinckeldey dem König Wind gegeben von der Ligue [...]. Ich beschwöre E. K. H. hieran [an dem mangelnden Vertrauen in Englands festzuhalten. Es steht Großes auf dem Spiele, und große Ereignisse bereiten sich vor. „Preußens und des Protestantismus Existenz scheint rettungslos verloren. Keine

31

menschliche Kraft kann Preußen retten, wie es jetzt regiert wirb", so lau­ tete die mir zugesandte getreue Botschaft. Gott stärke E. K. H.

196.

An denselben Berlin, den 29. November 1854

Ihren Brief nebst Einlage habe ich gestern erhalten und heute übergeben mit Anführung der unbegreiflichen Verspätung. Der König sagte mir, er habe Ihnen gerade gestern geschrieben und um Antwort gemahnt. Hier wiegt man sich mit Friedenshoffnungen. Wäre ein Waffenstill­ stand möglich, so glaubte ich an Friedensunterhandlungen. Versuchen müssen wir sie, nachdem Rußland so eingehend antwortete, aber wird es nicht wiederum heißen: trop tard. Was im März sein konnte und mußte, wird im No­ vember nicht mehr möglich sein. In der Krim ist nichts entschieden, aber ein ehrenvolles blutiges Duell gekämpft worden, so daß die Sekundanten, d. h. die April-BerbüN" beten wohl ein Halt! gebieten könnten. Wird es nicht gehört, dann müssen wir uns nur hüten, uns in die Neu­ tralität drängen zu lassen, die unwürdig und vielleicht nicht respektiert würde! Daß nun am Bundestage Einigung bevorstehet, ist immer wichtig genug, hätte aber im März auch schon ge­ schehen können und sollen!!! Wien hat sehr klug gehandelt, jetzt den Zusatzartikel zu zeichnen, da man chn hier, obgleich von hier vorgeschlagen, nicht mehr wollte! Verzeihen Sie die Eile, aber ich muß zur Trauung *! 1 Des Prinzen Friedrich Karl.

197.

An Alexander v. Humboldt Coblenz, den 30. März 1855

Empfangen Sie meinen herzlichen Dank für Ihre so

treuen Wünsche zum 22. März. Die ernsten Worte, welche Sie denselben anreihen, sind gewiß bedeutungsvoll in einer Zeit wie die jetzige! Wir bercieren uns mit der Illusion, stark und mächtig zu sein, — weil wir nichts taten — und sehen nicht, daß die Art, wie wir dahin gelangten, uns alles Vertrauen und Ansehn raubte im In- und Auslande! Ausschluß von den Friedenskonferenzen ist die erste Folge unserer Politik, die man so lobt, und will sich durch So­ phistereien überreden, daß es eigentlich sehr gut sei, daß die Großmacht Preußen nicht bei diesen Beratungen erscheint! Der König teilt diese Ansichten nicht, das beweisen seine Demarchen zum Eintritt, aber diese Art von De­ marchen sind alleinige Folge des lang Vorhergegangenen. Bekümmert, wenn auch nicht hoffnungslos Ihr treu ergebener

198.

An den General der Kavallerie Karl von Neyher, Chef des Generalstabes Coblenz, den 2. April 1855

[... Dank für Wünsche.s Wenn Sie so freundlich sind, zu glauben, daß uch auf Ihre Karriere dereinst einwirkte, so ist dies nur alleim Ihre Schuld, der ich nur half, Aner­ kennung zu verschaffen! — Ihre Enummerierung der russsifchenj und östsreijchsischen) Streitkräfte war mir sehr wichtig zu erhalten. Demnach wäre die kolossale russsischej Armee immer noch nicht auf allen Punkten im Übergewicht, da die östsreischsifchej sich auf beiden Kriegstheatern, inklusive der Reservearmee, der russsischenj überlegen zeigen könnte, selbst ohne Deutsche und Preußen. Denn daß diese beiden Wilhelm I., Polit. Briefe II. 3 ’J

nun unter allen Umständen passiv verbleiben werden, scheint mir sicher, namentlich von uns. Wien will mir noch immer nicht friedlich erscheinen trotz aller Zeitungen. Der Kaiser, der Frieden machen konnte, ist nicht mehr!, sein Nachfolger ist durch die ortho­ doxe Partei in seinen (inneren) friedlichen Absichten jn großer Vorsicht genötigt, darum glaube ich nicht an Frieden. Auf Wiedersehen Mitte des Monats.

199.

An Christian Karl Josias v. Bunsen Coblenz, den 4. April 1855

Herzlichen Dank für Ihre bedeutungsvollen Glück­ wünsche zu meinem Geburtstage.! Daß Gott nicht auf­ hören wird, über Preußen zu wachen, ist auch mein Glauben, und fast der einzige Trostanker in so verworrener Zeit, die Preußen wenigstens nicht entwirrt hat!! Das sogenannte Ultimatum, welches Drouyn de L’Huys von London nach Wien bringt, ist der Krieg! Es tut mir leid, daß die Westmächte nicht den Ausweg eines festen Platzes am Schwarzen Meere auf türkischem Gebiet sich auszubedingen, eingehen, weil das den Frieden unbedingt erzielt hätte*. Denn die Forderung der Reduzierung der russischen Flotte in jenem Meere, ohne siegreiche Vorteile über den Feind errungen zu haben, ist eine Forderung, die keine Macht eingehen kann und die den Fordernden den Schein aufdrückt, keinen Frieden zu wollen. Die vier Punkte mit der Forderung in jenem Sinne (d. h. Sinope, Trapezunt) wären, wie die Dinge zwischen West und Ost jetzt nach einem 1jährigen Krieg liegen, die nötige moralische Demütigung für Rußland gewesen. Ein Meh-

reres ohne bedeutenden Sieg zu verlangen, scheint mir nicht angänglich, und entscheidende Siege zu erreichen in diesem Jahre, will mir nach militärischen Berechnungen (ohne Preußen und Ostreich) eine Unmöglichkeit erscheinen. Mit diesen beiden Mächten ist natürlich der Sieg so gut wie gewiß, dem doch immer nur ein Frieden folgen würde, der auch nicht viel mehr als ein Waffenstillstand wäre wie der jetzt zu erreichende Friede; denn einen Krieg zu führen, der Rußland nötigte, seine europäische Stellung aufzu­ geben, wäre ein 30jähriger Krieg, und wer hätte dazu Lust? Je länger der jetzige Krieg dauert, je mehr gerät England ins französische Schlepptau und das ist zu schlimm für uns und für alles. Wohl weiß ich, daß unsere Politik dies Miß­ verhältnis ins Gleichgewicht bringen könnte durch eine osfene und bestimmte Wiederergreifung unseres Ver­ haltens vom Winter 1854, aber wo ist dazu Aussicht? — 1 B. antwortete hierauf, dieser Vorschlag sei schon ganz vertraulich vor einem Jahre von Petersburg nach Berlin und zu ihm gekommen. Die beiden Seemächte hätten dies aber aus näher bezeichneten Gründen mit Recht abgelehnt.

200. An den Regierungspräsidenten in Bromberg Freiherr Julius v. Schleinitz Coblenz, den 4. April 18551

[. . . Geburtstagswünsche. Tod des Zaren Nikolaus). Der Gedanke, daß es ihm fNikolaus I.] nicht vergönnt sein sollte, den falschen Zug des Jahres 1853 jetzt gerade in Wien wieder gut zu machen, schmerzt mein Freundes­ herz tief!! Franz Joseph bleibt nach wie vor unredlich — unzuverlässig! Wie sehr wir in Preußen des Friedens bedürfen, fühle

ich ganz mit Ihnen, da alles bei uns im gedeihlichen Ent­ wickeln war. Ich fürchte aber sehr, daß in Wien nicht Friede, sondern allgemeiner Krieg wird, weil Alexander nicht so nachgiebig sein kann, als Nikolas es sein konnte. Ihre Mitteilungen über die deutsch-polnischen Ver­ hältnisse waren mir erneut sehr interessant und teile ich ganz Ihre Auffassung über Bauer, Adel und Geistlichkeit! Ich will wünschen, daß Ihr Glas-Palast besser wie der Münchener gedeihe — sich en miniature den Londoner Resultaten nähere, da der Pariser uns noch keinen Maß­ stab gibt, wie denn überhaupt alles, was N. III beabsichtigt, nie im voraus zu bemessen ist, wohl aber nachher fast immer der Anerkennung sich erfreut. Sehr lieb ist es mir, daß Sie am 22. auch einiger Inva­ liden gedachten. Mögten wir deren Zahl sich nicht bald vermehren sehen! Der Tod Ladcnbergs 2 ist für mich unersätzlich! Ein fo treues, edles, klares, praktisches, patriotisches Gemüt ist schwer wieder zu finden, in einer Stellung, die mir fo nötig war! Seine Zeit zu erneuter schöner Stellung konnte nicht fern sein! Der Tod wütet gewaltig unter denen, die mir nahe standen. — [...] 1 Ungenau gebt.: Aus den Papieren der Familie v. Schleinitz, S. 362. - 15. 2. 1855.

201.

An

Karl Freiherr

von

Vincke-Olbendorf Koblenz, den 4. April 1855

[... Dank für Wünsche^. Daß auch Sie den Hintritt des großen Monarchen tief bedauern, war ich überzeugt, da1 Sie ihm mehrere Male so nahe standen. Mir ist ein unersätzlicher Freund genommen!

Wie hätte ich es gewünscht, daß die Vorsehung es chm ver­ gönnt, den falschen Schachzug der letzten Jahre aus seinem großen Regentenleben durch eine großmütige Tat jetzt in Wien vergessen zu machen! Es sollte nicht sein, und das schmerzt mich als Freund am tiefsten!! Daß Sie meine Reise in solchem Augenblick zu meiner Schwester ungern gesehen hätten, verstehe ich nicht, da hier nur von Gefühl die Rede sein konnte! Dagegen verstehe und teile ich völlig Ihre Ansicht über die ganz unbegreifliche Patow-Schlieffenfsches Angelegen­ heit 2! Nachdem ich mir von Gfenerals Gfrass v. d. Gröben3 die Sache vom Militär fischens Standpunkt hatte erzählen lassen, sehr weitläufig, war ich nichts andres imstande zu fragen: Wo ist nun also der Grund zum Duell?? Denn noch hatte ich keinen gehört!! Ich bin nicht Pfatowss politischer Freund, aber in dieser Geschichte ist militfärischs von oben unverantwortlich gehandelt worden, was ich nirgend verschwiegen habe. Daß Wien uns nicht Frieden bringt, scheint gewisser zu werden. Wem und was für Krieg es bringt, ist noch un­ berechenbar, namentlich in Preußen! Mögen nur die un­ glücklichen Naturereignisse sich im Vaterlande nicht noch mehren, denn wenn dann noch Kriegskalamitäten kommen, so siehet es schlimm aus, vorzüglich wenn eS Krieg gibt, der unsere Häfen blockiert.! 1 Er schreibt: daß. — • Robert Freiherr v. Patow duellierte sich am 2. März 1855 mit Graf Schliessen, einem jungen Offizier, nach Aus­ einandersetzung in der Kammer darüber, daß am 30. Mai 1848 v. P., damals Minister für Handel u. Gewerbe, vor den sein Haus stürmenden Arbeitslosen kapituliert hatte. — * General der Kavallerie, Generalad­ jutant des Königs.

202.

An den Badischen Regierungsdirektor Geh. Rat Dr. Schaafs in Freiburgs Coblenz, den 6. April 1855

[... Dank für Wünsche). Wohl haben Sie sehr Recht, daß in den wenigen Worten: Preußen nimmt nicht Teil an den Friedenskonferenzen — eine ganze Geschichte ent­ halten ist, und unsere politischen Unterredungen bewegen Sie zu dem wiederum so wichtigen Ausspruch, daß ich eine starke innere Beruhigung empfinden müsse! Dem ist auch wirklich so, wenngleich diese Beruhigung eine große Beun­ ruhigung in sich schließt!! Seit nun bald einem Jahre, wo ich mich von allen politischen Eimnischungen dispensiert habe, sind bei uns die Dinge von Inkonsequenz zu Inkon­ sequenz fortgeschritten und preise ich meine Haltung, die mich vor neuen Kompromittierungen schützte. Was unsere Zukunft sein wird, ist mir völlig dunkel, weil ich es ÜUfä gegeben habe, Kombinationen zu machen. Daß in Baden wenigstens ein kirchliches Kompromiß zustande kam, ist sehr erfreulich, und ich wünschte, der Orient begnügte sich auch mit dergleichen; die Lage der sich gegenüberstehenden Armeen berechtigt keinen Teil zu entscheidenden Forderungen, so daß man sich mit einem Frieden, der einem großen Waffenstillstand gleicht, zufrieden geben müßte. 1 Generallandesarchiv Karlsruhe.

203.

An Oberst Frh. Edwin von Manteuffel Berlin, den 6. Juli 1865

Für die zurückerfolgende Anlage1 sage ich Ihnen meinen besten Dank. Sie können denken, wie unendlich mich dessen 38

wehmütiger Inhalt interessiert und angesprochen hat! Immer mehr und mehr schmerzt es mich, daß eine so große Seele wie die Heimgegangene die letzten 2 Jahre ihres Daseins nicht in der Höhe und Reinheit politischer Größe sich bewahrt hat, die chr sonst so eigentümlich war! Dem herrlichen Kaiser wäre es möglich gewesen, auf den Wiener Konferenzen den Frieden zu bieten, den sein Nachfolger nicht bieten konnte, und somit hätte Jener das wieder gut machen können, was er gratuitement über Europa verhängt hat! Daß Ihm dies verweigert ward von der Vorsehung, werde ich zeitlebens betrauern! Meine 40jährige Freundschaft zum Kaiser hat stets darin bestanden, daß wir uns gegenseitig die Wahrheit sagten, auch wenn sie uns nicht gefiel. Dies tat ich 1850 in Warschau wie 1853 in Olmütz. Meine politische Auffassung seiner orientalischen Verhandlungen ist heute noch ebenso ent­ schieden streng und tadelnd wie zu Olmütz. Bor einer kompakten Europäischen Koalition hätte der Kaiser sich mit Ehren zurückziehen können; Preußen hat diese Kompaktheit zertrümmert, darum wollte und konnte er sich nicht zurückziehen, weil Ihm dadurch die Möglichkeit ward, siegreich aus seinem Unrecht hervorzugehen, und so wird es auch geschehen unter seinem Nachfolger. Dann tanzt Preußen und Deutschland nur nach Rußlands Pfeife, wie zu Jütland und Olmütz. 1 Anscheinend den Zaren Nikolaus I. betreffend.

204.

An den General der Kavallerie Karl von Reyher, Chef des Generalstabes Peterhoff, den 2S. Juli 1855

s...j Die besichtigten Reservetruppen sind in außer-

ordentlicher äußerer Erscheinung, obgleich sehr viel sehr alte Leute bemerkbar sind, die schwerlich den Anstrengungen einer Kampagne gewachsen sein mögten. Daneben stehen sehr junge Rekruten. Die Reserve-Eskadrons und Batterien haben prächtige Pferde; die Eskadron rückte nur zu 12 Rotten der Zug aus, da der Rest, der den Zug auf 20 Rotten bringen soll, nur aus 3jährigen Pferden, also noch nicht einstellungsfähigen, bestehet. In Politici fsj hört man natürlich hier nur diesseitige Auffassungen, wobei eine kleine Gedächtnisschwäche be­ merkbar, indem niemand sich des Ausgangspunktes und des Grundes zum Kriege mehr bewußt ist!!! Sym­ pathien für Frankreich sind unverkennbar, sowie Antipachien gegen England und Ostreich; uns lobt man natürlich, weil wir ihnen indirekt die Möglichkeit, in der Krim zu siegen, verliehen. Die Orchodoxen finden aber, daß Rußland durch das Eingehen auf die 4 Punkte von Preußen ge­ opfert sei!! Wir leben hier in tropischer Hitze. Die Kaiserin ist kräftiger, als ich erwartete, aber eben so tief gebeugt als äußerlich verändert.

205. An den Generalsuperintendenten D. Moeller in Magdeburg * 93[erlm], den 10. November 1855

Es ist zu meiner Kenntnis gekommen, daß Sie sich bei Bereisung der Provinz in Erfurt dahin geäußert haben, wie Sie alles anwenden würden, um die Geistlichen Ihrer Diözese zum Austritt aus dem Freimaurer-Orden zu ver­ anlassen. Ein so gewichtiger Ausspruch eines so hoch-

gestellten Mannes, als Sie es sind, kann nur durch tiefe Sachkenntnis und tiefes Studium der Verhältnisse be­ gründet sein. Daß dies nur möglich ist, wenn man selbst einer Korporation angehört, die zu verlassen man seine Untergebenen anhalten will, ist begreiflich. Wenngleich ich nun bisher nicht in Erfahrung gebracht habe, daß Sie dem Freimaurer-Orden angehören, dies aber nach dem Ebengesagten annehmen muß, so ersuche ich Sie, mir recht schleunig Ihre Wahrnehmungen im Orden mitteilen zu wollen, die Sie zu der Überzeugung geführt haben, daß also zunächst Ihr Verbleiben und das Ihrer Untergebenen in demselben unstatthaft sei. Als Protektor dieses Ordens muß es mir natürlich von größter Wichtigkeit sein, meine eigene Auffassung über eine so wichtige Frage geläutert zu sehen, da mir nach meiner eigenen Wahrnehmung bisher nichts aufgestoßen ist, was Ihre Auffassung auch nur im Entferntesten rechtfertigen könnte. Sollten Sie jedoch dem Orden nicht angehören, dann freilich muß ich Sie fragen, wie es Ihren gewissenhaften sonstigen Handlungen gleichen kann, über eine Korporation abzuurteilen, die, da sie sich in ein vom Staate anerkanntes Dunkel hüllt und nur durch sehr verfälschte Schriften in die Außenwelt dringt, — Ihnen ihrem innersten Wesen nach unbekannt geblieben sein muß? Wollen Sie Aufklärung über die Tunlichkeit des Verbleibens oder des Eintritts des Geistlichen in den Orden, so fragen Sie die Männer Ihres Standes, die dem­ selben angehören, warum sie trotz der Leichtigkeit und Mög­ lichkeit denselben zu verlassen, wenn er mit Ansichten, Gewissenspflicht und Wünschen nicht übereinstimmt und vereinbar gefunden wird, — dennoch in demselben ver­ bleiben? und forschen Sie über das amtliche Wirken Ihrer

Amtsbrüder nach, um sich ein Urteil zu bilden, ob sich irgend ein Nachteil in dieser Wirksamkeit zeigt, den man chrem Angehören des Ordens zuschreiben könnte? Nur nach einer solchen unparteiischen Prüfung kann ich als Protektor des Ordens eine Urteilsfällung zugestehen, die immer noch eine sehr gewagte fein würde, ohne selbst dem Orden anzu­ gehören, dem außerdem wohl alle Verdächtigung fern bleiben sollte, da die 2 presumtiven Thronerben Preußens2 an seiner Spitze stehen, deren Stellung in Staat und Kirche eben keine verdächtige ist. — 1 Seit dem Anfang der SOiger Jah^e erschienen in der preußischen Presse Angriffe gegen den Freimaurerorden, den man in politischer Hinsicht als Urheber aller Revolutionen, vom kirchlichen Standpunkte als Anhänger unchristlicher Weltanschauung verdächtigte. Die von Prof. Hengstenberg herausgegebene „Evangel. Kirchenzeitung" brachte Anfang 1853 mehrere Artikel, welche die Unvereinbarkeit des geistlichen Amtes mit der Freimaurerei verfochten. In gleichem Sinne lautete auch ein Erlaß des Ev. Oberkirchenrates an das Konsistorium der Provinz Sachsen vom März 1855. In diesen Zusammenhang fällt die den Anlaß zu diesem Schreiben bildende Aktion des Magdeburger Generalsuperintendenten Moeller in Erfurt. Da der Prinz Protektor der preußischen Großlogen und eifriges Mitglied war, drängt sich die Vermutung auf, daß die Ur­ heber der planmäßigen Hetze gegen den Orden damit eine Bloßstellung des Thronfolgers beabsichtigten. — 2 Prinz Friedrich Wilhelm (Frie­ drich III.) war 1853 eingetreten.

206.

An

Generalsuperintendent D. Moeller in Magdeburg Berlin, den 18. November 1855

Für die Offenheit, mit welcher Sie mein Schreiben unter dem 12. d. M. beantwortet haben, fage ich Ihnen meinen aufrichtigen Dank. Ihre Offenheit verlangt das nämliche nun auch fortgesetzt von mir. Leider sehe ich aus Ihrem Briefe, daß die 2. Auffassung, die ich von Ihrer

Wissenschaft über den Freimaurer-Orden aufstellte, die Ihrige ist, d. h. daß Sie nicht Maurer find, also nur nach Hörensagen diesen Orden kennen. Ja, Sie gestehen es wörtlich ein, „daß Sie sich niemals von Mitgliedern des Or­ dens haben referieren lassen, daß Sie die einschlagende Literatur nicht studiert hätten und daß die Beurtellung der Sache, so weit sie das staatliche und soziale Leben im allgemeinen anlangt, über Ihren Gesichtskreis hinausliegt; doch in ethischer Beziehung um derer willen, welche an der Spitze stehen, der Orden Anspruch auf Vertrauen mache." — Wenn Sie somit also eine sehr oberflächliche Kenntnis des Freimaurer-Ordens zu haben einräumen, wie können Sie da mit voller Überzeugung und Gewissen­ haftigkeit behaupten, daß die Ihnen Untergebenen: „kaum heilsame Schritte zu chrem Berufswirken tun, wenn sie jene Verbindung suchen und pflegen?" — Sie wollen zwar Beruhigung für diesen Ausspruch darin finden, daß Ihre Obern ähnlicher Auffassung huldigen; indessen grade mit diesen Ihren Obern stehe ich in demselben Kampfe wie mit Ihnen, da auch diese gar keine Kenntnis vom Orden besitzen, also eben so unberechtigt sind, die Geistlichen, die demselben angehören, scheel anzusehen und zu beurtellen. — Sie sprechen die Grundsätze aus, auf welchen Sie hinsichtlich der Religion, ihrer Ausübung und Pflege stehen, und neben diesem großen gottseligen Geheimnis keine an­ dere Geheimnisbewahrung zu dulden sei (Match. 10.26,27). Ist hierbei etwa jedes Geheimnis unerlmlbt? Ist denn hiermit nicht vielmehr nur den Geheimniserfindungen entgegengetreten worden, wie etwa die katholische Kirche sie als zu chren Hauptlehren neben jenem gottseligen Geheimnis aufstellt und für dieselben die nämliche An-

betung verlangt, die wir Evangelischen nur dem letztgedachten Geheimnis zollen? Indessen selbst zugegeben, daß jedes Geheimnis verpönt sei, wie kommt es, daß Sie es doch aussprechen können, „daß es noch viele, würdige und ehrenvolle Männer Ihres Standes gibt, vor denen sich zu beugen man Ursache habe, obwohl Sie dem Orden angehören!" — Dürfte irgend eine vorgesetzte Behörde bei Ihrer Auffassung von Geheimnis einen Geistlichen, der Maurer ist, 24 Stunden im Amte länger lassen? Da dies nun aber nicht geschiehet, so beweiset dies wohl hin­ reichend, daß man durchaus sich scheut, so gewaltsam zu Werke zu gehen, weil man die Sache nicht gehörig kennt und daher des Gefühls nicht Herr werden kann, eine Un­ gerechtigkeit zu begehen. Und dies ist der richtige Standpunkt für die, die außerhalb des Ordens stehen. — Wenn nun aber das erste Erfordernis eines Preußischen Maurers ist, daß er sich zu denen im Staate anerkannten christlichen Konfessionen bekenne; daß Religiosität, Sittlichkeit, brü­ derliche Liebe, unbeschadet der Pflichten gegen den Staat, die Kirche und die eigene Familie, die Kennzeichen des Ordens sind; wenn Treue gegen den König ein Hauptgesetz desselben ist, dagegen alle Diskussionen über Konfessionen und Politik bei den maurischen Borträgen untersagt sind, — dann frage ich Sie, was gegen eine solche Verbrüderung einzuwenden ist, bei der nichts Geheimnis ist als ihre Ge­ schäfte, Zeremonien und Erkennungszeichen?? Die christ­ liche Religion eines Menschen wird keine andere, wenn er Maurer wird; sie stehet in der Maurerei auf demselben Fundament, welches Sie annehmen, wie kann bei solchen Wahrheiten ein Geistlicher den andern verfolgen? Die

Zeiten, hoffe ich, liegen weit hinter uns, wo man von den

Freimaurern Geisterzitieren, Goldmacherei, Zauberkünste etc. und wer weiß was für Unsinn glaubte und träumte! Daß alles mißbraucht werden kann, werde ich niemals leugnen; aber, um Mißbrauch zu treiben, braucht man sich nicht in Verbrüderungen einzulafsen, das beweiset unsere Zeit leider an jedem Tage, sowohl in der Kirche als im staatlichen Leben; die letzten Monate wissen davon zu er­ zählen *! Daß aber die Preußische Maurerei, und nur von der spreche ich und nur für diese bin ich verant­ wortlich, keinen Mißbrauch treibt, dafür gebe ich Ihnen mein Fürstliches Wort und dazu im Geiste den Handschlag, auf den Sie in der Wirklichkeit ein solches Gewicht legten ', und der sich wiederholen wird, wenn ich Sie billig, gerecht, unparteiisch finde! Jetzt also die Hand aufs Herz: Warum sollen Geistliche nicht Freimaurer sein?? 1 Die damals aufgedeckten Briefdiebstähle. — 8 Bei dem Besuche des Prinzen in Magdeburg aus der Rückreise von England 1848, worauf Moeller in seinem Schreiben Bezug genommen hatte.

207.

An

Gcneralsuperintendent D. Moeller in Magdeburg S[erlin], den 26. November 1855

Indem ich Ihnen für Ihr Schreiben vom 25. meinen Dank ausspreche, spreche ich denselben zugleich für dessen Beilage aus. Diese Beilage1 enthält so vollkommen meine Überzeugung von dem christlich moralischen Standpunkt des Menschen, daß ich sie nur unterschreiben kann. Wie dieser „Versuch einer Rechtfertigung" pp. — indessen be­ weisen soll oder kann, daß Geistliche nicht Freimaurer sein sollen, ist mir durchaus unklar geblieben, und muß ich hiermit Ihnen versichern, daß so lange nur vorgefaßte

Meinungen gegen den Orden bestehen, und man sich nicht die Mühe geben will, seinen wahren und christ­ lichen Standpunkt kennen zu lernen, mein Widerspruch gegen die immer wachsende Agitation der Geistlichen gegen denselben sich gleichfalls steigern wird, und ich daher einem Konflikt entgegensehe, dem ich leider vergeblich durch meine Korrespondenz mit Ihnen vorzubeugen versuchte2. 1 „Versuch einer Rechtfertigung" bestand vornehmlich aus Bibel­ zitaten. — ’ Vgl. unten weiter Nr. 214, 221, 226.

208.

An General Graf Karl v. der Gröben-Nendörfchen Coblenz, den 1. Dezember 1855

[... Dank für Brief vom 29.] Die Explikation, die Ihnen Minister v. Wsestphalen] über die Arnsberger An­ gelegenheit gab, scheint mir den Fond der Sache vollkommen zu bestätigen, den ich anführte, nämlich daß Kommunen pp. mit der Nichtzuwendung von Vorteilen bedrohet werden, wenn sie sich erlauben, anderer Meinung als das Gouver­ nement in einigen Punkten zu sein. Das nenne ich Terro­ rismus der politischen Überzeugung. Ich wiederhole es Ihnen hier nochmals, daß ich weit entfernt bin, dem Gou­ vernement jede Einwirkung auf die Wahlen abzusprechen; im Gegenteil, dies muß und soll geschehen, aber nicht auf eine Art, wie es in diesem Jahre bei uns geschehen ist, wo man auf alle mögliche Art Wähler und Gewählte terro­ risiert, um nur Wahlen zu erhallen, die das ABC einer Partei nachbeten. Wer sich unterfängt, in diesem ABC irgend eine Abweichung zu wünschen, wird für einen Nichtpatrioten, für regierungsfeindlich, ja Demokraten ver-

schrien und verunglimpft, verdächtigt, verfolgt. Das zwingt zur Heuchelei, indem viele das gewünschte ABC nachbeten, ohne daran zu glauben, um nur in Amt und Brot zu bleiben, und ziehet die Entsittlichung der Menschen, zuerst der Beamten, nach sich. Jeder Beamte, der an seinem grünen Tisch ungehorsam ist, die Gesetze und Ver­ ordnungen nicht befolgt und seine Prinzipien an deren Stelle setzen will, muß kassiert werden. Wenn er aber in die Kammer berufen wird oder in den Provinziallandtag oder Kommunallandtag oder Staatsrat etc., so will man von ihm seine Ansichten, sein Gutachten und nicht das bloße Nachbeten des Vorgesagten, wie es vom Gouverne­ ment kommt; für diese seine Ansichten, Gutachten usw. darf niemand, also auch nicht der Beamte, verfolgt werden. So ist es aber nicht bei uns, denn hier soll nur die Schablone einer Partei gelten. Dieses beweiset am klarsten das von Ihnen angeführte Faktum, daß der König nichts gegen Schwerins Wahl und nichts gegen seine Präsidentschaft zum 7. Mal hätte \ Aber der Landrat seines Kreises, v. Ortzen hat die Instruktion gehabt — von wem? ? — Schwerins Wahl zu hintertreiben, und da chm dies durch die weltlichen Organe nicht gelang, steckte er sich hinter die Geistlichen, und diese brachten es dahin, daß Schwerin nur eine Stimme Majorität hatte, während er seit 1848 fast immer alle Stimmen seines früher geleiteten Kreises hatte. Hier hat Kleist-Retzow ebenfalls durch die Geistlichen die Wahlen von Bethmann-Hollweg vereitelt. Wenn ich nun weder Schwerins noch Bethmann H.'s Prinzipien nachbete, so frage ich Sie doch ganz einfach, wenn solche Leute von Gouvernements wegen verfolgt, perhorresziert etc. werden, was bedeutet das anderes, als daß man nur

Ja-Herren haben will, und alle, die sich unterstehen, eine andere Ansicht zu haben, ausschließen will, selbst gegen den Willen des Königs!!! — Das ist ein Zustand, der mir bittere Tränen auspreßt, denn das führt zu einer Ent­ sittlichung der Menschen, die sich nach Jahren furchtbar Bahn brechen wird!! — Aber man will nicht fehen, ob­ gleich man siehet! — Man freut sich einer Ja-HerrenVersammlung und vertuscht es, daß deren Zusammen­ bringung nur auf Kosten der Moralität der Massen er­ möglicht ward. Ja, man vermogte den König durch das Reskript an die Stadt Berlin, sich zum Parteimann zu stempeln, und in Ihrem Worte zu mir vom 25.: „Ich freue mich doch der Schlußworte jener Ordre, wo auf die Ein­ heit und Einigkeit hingewiesen wird" — sehe ich auch nichts anderes, als daß auch Sie diese Einheit nur im Jasagen entdecken und nicht im freien Ausspruch der eigenen An­ sicht, aus welcher Friktion nur das Gute und Wahre ent­ stehen soll und kann. Einigkeit soll entstehen, nachdem man über das Vorgeschlagene debattiert hat; aber nur ABCLeute gewählt sehen zu wollen, heißt keine Debatte haben wollen, und will das, warum dann überhaupt noch Kammern, Staatsrat, Provinzial-und Kommunal-Landtage? Was Sie über meine Abreise denken, begreife ich gar nicht, ich habe am 4. November reisen wollen, dann am 9., da kam die Kommission, mein Unwohlsein und sobald ich nun reisen konnte, reiste ich ab. Ich habe außer der Kammer­ eröffnung 1850 keiner einzigen beigewohnt. Voriges Jahr wollte ich chr beiwohnen wegen des 1. Zusammentritts des neuen Herrenhauses, — aber der König eröffnete die Sitzung nicht. — Wer solche Abnegation aller Einmischung in die Geschäfte wie ich seit 1V2 Jahren beweiset, dem

wird man schwerlich die Saat der Uneinigleit vorwerfen können. Also hoffe ich, werden Sie sich beruhigen. 1 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten II, S. 353.

209. An den Badischen Regierungsdirektor Geh. Rat Dr. Schaafs, Vizepräsident der 2. bad. Kammer1 (Loblenz, den 6. Dezember 1855

[. .. Dank für Wünsche zur Verlobung und Geburtstag der Tochters. Sie können leicht denken, wie glücklich die Wahl des Regenten uns gemacht hat. Seit Jahren habe ich ihn so genau kennen lernen und schätzen und lieben gelernt, ohne zu ahnden, daß er einst uns so nahe treten würde! Für mich persörilich ist dies frohe Ereignis noch ein doppelt gewichtiges, wie auch Sie es andeuten, daß ich, der ich berufen ward, einst Ihrem Land den Frieden wieder zu bringen, — nun berufen bin — so Gott will — durch mein Kind, Ihrem Lande auf dem Thron und in der Häuslichkeit den Frieden zu bereiten! 1 Generallandesarchiv Karlsruhe.

210.

An General Graf Karl v. der Gröben-Neu­ dörfchen Coblenz, den 7. Dezember 1855

Mit vielem Dank habe ich Ihre Antwort erhalten. Wir sind im Prinzip der behandelten Frage ganz einver­ standen und divergieren nur darin, ob gegen das Prinzip bei den letzten Wahlen verstoßen wurde und ob eine Notlvendigkeit dazu vorlag? Ich muß bei meiner Ansicht stehen bleiben, daß gegen unser Prinzip verstoßen worden ist, indem Dilhelm L, Polit. Briefe IT. 4

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Terrorismus ganz offen bei den Wahlen geübt worden ist, der in Berlin zur Reaktion führte und an den meisten an­ deren Orten fruchtete und dadurch zu Heuchelei verleitete und dieselbe erziehet. Wir find ferner zwar ganz einver­ standen, daß der Beamte und Untertan überhaupt gehorsam fein muß. Involviert dann aber die Wahl eines Mannes, von dem man hofft, er werde unheilbringende Maßregeln der Regierung aufdem ihm angewiefenenFelde bekämpfen und dadurch befsern,—involviert dies schon Ungehorsam??? In keinerlei Art! Weder der Wähler noch der Gewählte ist deshalb strafbar. Die Wühlereien bei den diesmaligen Wahlen beweisen aber, daß man solche rechtmäßige Be­ kämpfung, Beleuchtung, Besserung der Regierungsvor­ lagen nicht will, sondern pures Ja sagen verlangt. Wenn es darauf ankommt, Demokraten fern von der Landes­ vertretung abzuhallen, so muß man alle Mittel anwenden, — jedoch Strafe kann auch dann nicht angedroht werden. War denn aber bei uns von dergleichen Demokraten die Rede? Rein, sondern von Männern wie Schwerin, Kühne, Bethmann-Hollweg etc., die doch hundertmal mehr Pa­ triotismus in langen Dienstjahren bewiesen haben als die frisch gebackenen Landräte, die sich hinstellen und royali­ stischer als der König sein wollen! Also auch eine Notwen­ digkeit zu den Wahlumtrieben lag nicht vor, und das hat erbittert und die Früchte werden nicht ausbleiben, denn Entsittlichung ist unausbleiblich bei solchem Verfahren. Sie sagen: „Thron und Vaterland gehen immer voran!" Wer tritt dem nicht bei! Wer dient aber beiden mehr, der, der das Gute auch im Widerspruch zu erreichen hofft, oder der, der zu allem Ja sagt??? selbst gegen bessere Überzeugung! — Somit Gott befohlen.

211. An General Graf Karl v. der Gröben-Neu­ dörfchen Coblenz, den 12. Dezember 1855

Für Ihren heute erhaltenen Brief vom 9. sage ich Ihnen meinen verbindlichsten Dank. Unsere zufällig entstandene Korrespondenz hat zu einer Polemik geführt, aus welcher resultiert, daß jeder bei seiner Ansicht stehen bleibt, wenn­ gleich wir über die Mißbräuche, welche bei den Wahlen stattgefunden haben, ganz einverstanden sind. Daß Sie dem König meine beiden ersten Briefe gezeigt haben, ist mir sehr recht, denn da wo ich meine innersten Überzeugungen offen, klar und im Bewußtsein treuer erprobter Hingebung ausspreche, sollen Sie dem König nicht unbekannt sein, wobei ich sehr wohl weiß, daß solche Aussprachen die wahre Treue in sich schließen, wenn sie die Wahrheit darlegen, selbst bei unerfreulichen Veranlassungen, wo sie nicht immer gern gehört werden. Um so mehr freue ich mich der Mißbilligung des Königs über die vorgekommenen Mißbräuche der Wahlumtriebe — mögen diese gute oder schlechte Wahlen zuwege gebracht haben, denn Umtriebe und Mißbräuche entsittlichen die Menschen in dem einen wie in dem anderen Falle; — wogegen ich den Nachsatz, wie Sie chn als des Königs Ansicht aussprechen, nicht ver­ stehe. Unmöglich kann er sich auf Männer beziehen, die ich näher kennen soll und deren Gesinnungen von so reinem Patriotismus diktiert werden, daß sie, bei auch abweichender Meinung in einzelnen Punkten von der Regierung, niemals dieser oder gar dem Thron gefährlich werden können. Da mir die Wege und Entschlüsse der Regierung, auf welche Sie Hinweisen, unbekannt sind, so setze ich voraus, daß die-

selben in den Schranken weiser Mäßigung bleiben werden und nicht den Ausdruck einer retrograden Parteiansicht in sich tragen werden, damit die von Ihnen mit Recht gewünschte Eintracht int Lande grade jetzt wegen innerer und äußerer Gefahren nicht gehindert werde. Die Gegenwart übernimmt eine große Verantwortlichkeit für die fernere Entwicklung der Staaten, wobei uns das Beispiel des se­ ligen Königs immer vor Augen stehen sollte, der aus den Zeichen der Zeit deutlich erkannte, was not tat, unbeküm­ mert um Parteiinteressen, die er glücklich zum Wohle des Ganzeir überwand! Das Jahr 1848 ist ebenso ein solches Zeitzeichen für Preußen gewesen wie 1806, und mein ganzer Wunsch gehet dahin, daß es dereinst nicht heiße: Wir hätten nichts gelernt unb nichts vergessen!

212. An

Christian Karl Josias v. Bunsen Coblenz, den 5. Januar 1856

[... Dank für Wunsches. Sie entwerfen ein graues BUd des begonnenen Jahres, wie es sich für Preußen ge­ stalten kann, und ich kann nicht viel Weiß hinein malen, um es heiterer zu machen. Ihre Besorgnisse wie sie aus der verlangten Isolierung folgen werden, wie sie in den Zeitungen immer lauter ausgesprochen sich finden, das alles, sollte man glauben, werde die Augen in Berlin öffnen. Aber gewiß das Gegenteil wird geschehen; und selbst wenn man sehen sollte, so wird man sich in Invektiven über die schlechte Politik der andern ergießen, die {einige als die allein richtige bezeichnen und sich damit — trösten! — Was die andern tun werden, wenn nicht Friede wird, ist

zweierlei, entweder man überläßt uns unsererJsolierung sich frcuenb über dadurch konstatierte Degradation unserer Stel­ lung-oder man drängt uns, und wir müssen gezwungen nachziehen, also ohne irgend einen Vorteil .sich bedingen zu sönnen unb zu dürfen. Wehren wir uns gegen den Zwang, dann ist uns der Untergang gewiß geschworen und jetzt wohl schon verabredet. Ostreich mögte dann wohl nicht für uns sein, es bleibt also nur Rußland, und dann tritt das Bild Bonins ein, was er ungeschickt aber eben so wahr brauchte in der Kammerabteilung, was ihm die Stellung kostete *. Wir scheinen die neusten Propositionen, wie es die Zei­ tungen sagen, nicht uns zu eigen gemacht zu haben, aber doch Frieden in Petersburg zu predigen, — worauf man schwerlich hören wird, wissend, daß man von uns doch nichts zu besorgen hat. Wer weiß, ob nicht die Möglichkeit einer polnischen Insurrektion bei Gelegenheit des Erscheinens der Alliierten in den Ostseeländern jetzt schon benutzt wird von Rußland, um uns solidarisch für die Niederwerfung einer solchen Insurrektion zu verpflichten als uns selbst tangierend? wodurch wir eo ipso Rußlands Verbündete würden. Zugreifen mühte Preußen alsdann gewiß, aber nicht für Rußland, sondern für sich selbst contra Rußland. Tun wir es nicht, so tut es Ostreich und behält das König­ reich Polen für sich und umklammert uns dann noch mehr! Aber alles dies siehet und begreift man nicht bei uns! Ich bin neugierig, wie für mich die 5 Wochen in Berlin sich gestalten werden! Wenn ich die Zeit gekommen sehe, werde ich nicht schweigen. 1 v. B. hatte am 29. März 1854 als Kriegsminister gejagt, Colon habe den Vatermord nicht als unmöglich verpönt, es jei unmöglich, daß Preußen allein mit Rußland gehe

213. An General Graf Karl v. der Gröben-Neu­ dörfchen. $[etiin], den 14. Januar 1856

Mein Bruder Karl sagte mir gestern abend, Sie hätten chm mitgeteilt, der König fei für die Wahl des Grafen Stolberg zum Präsidenten des Herrenhauses. Mir hat der König gestern blau auf weiß geschrieben, daß er nur für den Fürst Hohenlohe sei und dies, soweit er es dürfe, ausgesprochen habe, indem er mit mir einverstanden sei, daß Stolberg zu unerfahren, als Nicht-Erblicher und als Landrat nicht passend erscheine. Da ich annehmen kann, daß auch Sie nur für Hohenlohe sein können, so teile ich Ihnen des Königs Ansicht mit, um dieselbe noch bekannt werden zulassen1. 1 Der Prinz Adolph zu Hohenlohe-Ingelfingen wurde gewählt. Graf Eberhard zu Stolberg-Wernigerode wurde Vizepräsident.

214. An

den Präsidenten von Uechtritz*

des

Oberkirchenrats

[SBetlin, . . Februar 1856] * Coblcnz, 31. Dezember 1855

Euer Hochwürden haben mir unter dem 29. d. M. den Entwurf zu einem Erlaß an die Königlichen Kon­ sistorien der Monarchie eingereicht, in welchem die Frage wegen der Stellung derjenigen Geistlichen, welche Frei­ maurer sind, behandelt wird8. Wenn ich zuvörderst Ew. pp. meinen ergebensten Dank ausspreche, daß Sie unserer Un­ terredung gemäß diesen Erlaß zu meiner Kenntnis bringen, bevor er zu seiner Bestimmung abgehet, so muß ich doch vermöge meiner Stellung zum Orden der Freimaurer hiermit erklären, daß gedachter Erlaß in der mir vorgelegten

Fassung einen Angriff auf diesen unter meinem Protekto­

rate stehenden Orden enthält, den ich nicht zulassen darf.

Aus unseren Unterredungen werden Ew.pp sich erinnern, daß ich von der Eröffnung, welche unter dem 10. März

d. I. vom Königlichen Evangelischen Oberkirchenrate an

das Konsistorium der Provinz Sachsen ergangen ist, keine

Kenntnis vor seiner Erlassung erhalten hatte und daß hieraus leider die schiefe Lage sich erklärt, in welche die

ganze Frage wegen Verbleibens oder Eintritts Evange­

lischer Geistlicher in den Freimaurer Orden geraten ist. Diese schiefe Lage wäre vermieden worden, wenn schon vor jenem Erlaß vom 10. März d. I. diese so zarte Frage zu meiner Kenntnis gebracht worden wäre, da vermöge

meiner Stellung zum gedachten Orden wohl nur ich ein

entscheidendes Gutachten abzugeben berufen sein kann.

Denn wenngleich die Freimaurerei keine geheime Gesell­ schaft ist, da ihre Zwecke durch Schriften bekannt sind, welche unter Vorwissen der Oberen desselben erscheinen, auch durch Edikte und Schutz und Gnadenbriefe der Könige

von Preußen der Orden anerkannt ist und demselben als geschlossener Gesellschaft die Rechte moralischer Personen

erteilt sind, — so besitzt er daneben doch Geheimnisse, die auf Geschichten und Gebräuche sich beziehen, welche denen

außer dem Orden Stehenden unbekannt bleiben sollen.

Wenn also die Frage erörtert werden soll, ob gewisse Ka­ tegorien von Untertanen wegen dieser Geheimnisse von dem Orden ausgeschlossen werden sollen, so liegt wohl nichts

näher, als daß man sich mit den Oberen desselben und mit den Geistlichen, welche Marons sind, in Verbindung setzt,

um deren Ansicht über jene Frage zu vernehmen.

Und

da mir durch meinen in Gott ruhenden Vater des Königs

Friedrich) 2S[i(l)elm] III. Majestät die Annnahrne des Protektorats über sämtliche in Preußen anerkannte Systeme der Freimaurerei Allerhöchst bewilligt worden ist, so lag es wohl auf der Hand, daß eine Verständigung mit mir eintreten mußte, bevor irgend ein offizieller Schritt geschah, der die Frage entscheidet, ob Geistliche Freimaurer sein können. Die Nichtergreifung dieser Verständigung hat nim also leider in: Erlaß vom 10. Februar 55 dahin geführt, daß der Oberkirchenrat den Ausspruch getan hat; „daß derselbe die Beteiligung der Geistlichen an dem FsreijMsaurerj-Orden nicht mit der Stellung und den Amts­ aufgaben eines Dieners des Evangelii für vereinbar er­ klärt, da der Geistlichen Pflicht es sei, keine anderen Bahnen einzuschlagen und keine anderen Mittel zu ergreifen, als die, welche die Kirche des HErrn und die gemeinsame Aus­ übung des Glaubens an Ihn darbieten, um die höchsten An­ gelegenheiten der Menschheit und die Förderung des Reiches Gottes, die Pflege der Nächstenliebe und des Gemeinsinns zu bewirken". Demnächst wird die Hoffnung ausgesprochen: „daß die wachsende Erkenntnis und Glaubenstiefe die Geist­ lichen von selbst dahin führen werde, dem Fsreij MsaurerjOrden fern zu bleiben, und daß die höhere Geistlichkeit da­ hin zu wirken habe, daß dies Ziel erreicht werde"; — wo­ bei der Ausspruch erfolgt: „daß von den Bedenken, welche von verschiedenen Seiten gegen den inneren Kern der Frei­ maurerei sich erheben, abgesehen werde, da bei dem Ge­ heimnisse, welches den Orden umgebe, darüber nicht zu urteilen sei". — Es war natürlich, daß, nachdem diese Ansichten des Evangelischen Oberkirchenrats zu meiner Kenntnis gekom­ men warsenj, ich auf eine Änderung derselben Bedacht

nehmen mußte, uttb daher zuvörderst eine mündliche Er­ örterung mit Ew. pp. herbeiführte. Ich gebe mich der Hoff­ nung hin, daß ich bei Ew. pp. teilweis eine andere, billigere und der Wahrheit des Freimaurerwesens gemäßere Auf­ fassung desselben erzeugt habe, indem der mir vorgelegte Erlaß eine mildere Absicht vorwalten lassen zu wollen scheint. Indessen die bereits publizierte Eröffnung vom 10. März 55 konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden, und somit trägt der projektierte Erlaß das Gepräge des Wollens, aber nicht Könnens. Denn nachdem die Ansicht ausge­ sprochen ist, die ich mit Freuden gelesen habe, daß die An­ griffe gegen die Maeonnerie wegen Beteiligung von Geistlichen an derselben eine zu tadelnde Maßlosigkeit erreicht hätten, — auch meiner Stellung zum Orden ge­ dacht ist, — heißt es: „daß die Überzeugung ungeschmälert (beim Oberkirchenrat) bestände, daß die Beteiligung der Geistlichen an der Freimaurerei eine bedenkliche bleibe, selbst bei Festhaltung der im Edikt [öom] 9. Februar 1796 bedingten Grundsätze". Wenn dies Edikt aber wörtlich sagt: „Daß Seine Majestät erwarteten, wie die Maeonnerie mit verdoppelten Kräften für das Wohl und die Glück­ seligkeit der Menschheit ohne Nachlaß arbeiten werde, wofür der Königliche Schutz und Schirm verheißen wird", — so stehet die Frage sehr nahe, warum Geistliche von einer Verbindung ausgeschlossen sein sollen und ihr Eintritt in dieselbe für bedenklich erklärt wird, die solche Aufgaben wie die angeführten verfolgt? Geschlossen wird dann der quästionierte Erlaß mit dem Bedenken, „daß vorerst ein Gebot des Aus- oder ein Verbot des Eintritts der Geistlichen in den Fsreij-Msaurers-Orden nicht als ge­ rechtfertigt erscheine, wogegen bei sich darbietenden Veran-

lassungen der allgemeine Grundsatz in Anwendung zu bringen sei". Die Unterlassung jenes Gebots und Verbots ist das Billige, welches ich in dem projeltierten Erlaß als Folge meiner Unterredungen mit Euer pp. erblicke, aber auch diesem Satz wird wiederum seine ganze Wirkung genommen, in dem das Wörtchen vorerst eingeschoben ist, sowie durch die Schlußworte. Da somit die Eröffnung vom 10. März 55 durch den jetzt projektierten Erlaß in chrem Grundsätze nach nicht nur vollständig aufrecht erhalten wird: daß die Stellung und die Amtsaufgabe des Geist­ lichen nicht mit der Beteiligung am Freimaurerorden vereinbar sei, sondern auch dahin verdeutlicht wird: daß der Eintritt derselben in den Orden bedenklich sei, so kann ich in diesem Grundsätze nur einen Angriff auf die ganze Freimaurerei erkennen, gegen welchen sie doch schon durch die königlichen Edikte, Schutz und Gnadenbriefe ge­ schützt fein sollte.

Worauf gründet sich nun dieser Angriff? Es wird ausgeführt,

I. daß die Geistlichen keine anderen Bahnen zur För­ derung der höchsten Angelegenheiten der Menschheit usw. (f. im Eingang) betreten sollten, als die, welche die Kirche des HErrn und die gemeinsame Ausbildung des Glaubens an Ihn darbieten;

II. daß die Geistlichen als Freimaurer verpflichtet würden, ihre Gemeindebrüder mit einer besonderen Bruderliebe zu umfassen;

III. daß hierdurch nicht nur eine Teilung der Liebe 58

sondern auch der Kraft bei Ausübung ihres Amtsberufs entstehe; und IV. daß dieselben das dem Orden innewohnende Hu­ manitätsprinzip auch in ihrer Amtsverwaltung durch­

blicken lassen. Wer Maurer ist, muß mit der größten Verwunderung und dem tiefsten Schmerze solche Urteile aussprechen hören! Aber auch dem außer dem Orden Stehenden kann bei ge­ nauer Prüfung dessen, was auch chm vom Orden bekannt ist, solche Ansichten nicht dauernd bei sich vorwalten lassen. Alle Schriften, welche von Maurern mit Vorwissen chrer Obern oder von diesen selbst ausgehen, zeigen überall das Fundament, auf welchem der Orden der Freimaurer gebaut ist; es ist dies in allen Systemen, welche in Preußen anerkannt sind, das lautere und wahre Christentum. Wer diesen Satz fest im Auge hält, wird sich leicht überzeugen, daß die oben angeführten Einwürfe gegen den Orden unhaltbar sind. ad I. Wenn Christen sich in engern Gemeinschaften zusammenfinden, um die höchsten Güter der Menschheit zu pflegen, zur Förderung des Reiches Gottes, der Nächsten­ liebe und des Gemeinsinns, wie können diese sich von der Bahn trennen, welche die Kirche des HErrn und die gemein­ same Ausblldung des Glaubens an Ihn ihnen bieten? Oder soll das Wort: Bahn hier bezeichnen, daß gewisse Zeremonien der Freimaurerei den Kern derselben, der jene Förderung ist, zerstören? Wenn dieser Einwurf ge­ gründet wäre, würde er dann nicht selbstredend auf alle häuslichen Andachten anzuwenden sein, bei denen vom Familienhaupte Anordnungen nach seinem Belieben ge­ troffen werden? Warum befragt man nicht Geistliche,

welche Maurer sind und die Achtung ihrer Mitchristen ge­ nießen, wie sie es mit chrem Gewissen vereinigen können, in einer Verbindung zu bleiben, von der die Außenwelt eine so nachteilige Auffassung hat? und die Antwort wird beweisen, daß das Urteil der Außenwelt ein völlig unbe­ gründetes ist. Diese Geistlichen werden wahrlich in chrem Tun und Treiben nicht beweisen, daß sie sich von der Bahn des wahren Christentums trennen; und tun sie es, so fehlen sie gegen die Vorschriften und Gesetze des Ordens wie gegen ihr Gewissen. ad II. Wenn der Orden der Freimaurer auf wahres Christentum gegründet ist, wie kann die in demselben ge­ forderte Bundesbruderliebe, mit der man sich umschließt, eine andere als die christliche Bruderliebe sein? Dieser ad II gemachte Vorwurf ist für uns Maurer wahrhaftig der schmerzlichste von allen Vorwürfen, da wir uns vor Gott und Menschen bewußt sind, in der Bruderliebe nur die wahre christliche Nächstenliebe zu pflegen. Wollte man den Einwurf wagen, daß es doch auch Maurer gibt, die diese christliche Tugend nicht überall blicken lassen, so wäre dies ein Einwurf, der das Christentum überhaupt träfe. Auch hier provoziere ich auf das Urteil der dem Orden an gehörenden Geistlichen. ad III. Es soll die Maoonerie die Geistlichen von ihrer Amtstätigkeit abziehen und ihre Kräfte teilen. Wenn dies geschiehet und sichtbar wird, so befolgt ein solcher Geist­ liche wahrlich nicht die Vorschriften und Lehren des Or­ dens, die gerade das Gegenteil verlangen, indem Stärkung zur Berufstreue eine feiner Aufgaben ist. Zeigen sich dergleichen Vernachlässigungen, so dürften sie andere Gründe haben als die ihrer Teilnahme am Orden. Überhaupt

müßte nach diesem Vorwurfe den Geistlichen jede andere als die theologische Beschäftigung untersagt sein, weil sie seiner Amtstätigkeit nachteilig werden könnte, — wohin würde ein solcher Grundsatz führen? Die Tätigkeit der Geistlichen in dem Orden ist aber grade eine ungemein heil- und wirksame, weil sie mit der seines Berufes in vollster Übereinstimmung stehet und nicht besser als mit der Wirk­ samkeit der sogenannten inneren Mission zu vergleichen ist. Nach dieser Darstellung zeigt es sich, welch ein wichtiges Glied die Geistlichen in der Kette der Freimaurer sind! ad IV. Wenn den Geistlichen vorgeworfen wird, daß sie das dem Freimaurerorden innewohnende Humanitäts­ prinzip auch in ihrer Amtsverwattung durchblicken ließen, so muß doch erst festgestellt und bewiesen werden, daß dies Prinzip im Orden bestehet. Dies ist aber keineswegs der Fall in den 3 Systemen, welche in Preußen durch König­ liche Edikte anerkannt sind. Grade hierin liegt der große Unterschied des Ordens, wie er in Preußen sich darstellt, mit der Lehre, wie sje teilweis außerhalb unserer Grenzen existiert. Während in Preußen nur das Christentum als alleinige Grundlage der Maeonerie anerkannt wird, ist in anderen Ländern das Humanitätsprinzip adoptiert wor­ den, weswegen in Lehre und Zeremonien Ändernngen ein­ getreten sind, um auch Nichtchristen anfnehmen zu können. Solchen Aufgenommenen können wir in Preußen den Be­ such unserer Logen nicht versagen, so lange wir in freund­ lichen Beziehungen mit jener Lehrart, wie sie namentlich in England bestehet, uns befinden. Aber in Preußen können Nichtchristen nicht ausgenom­ men werden. Nach dieser fach- und wahrheitgemäßen Auseinander-

setzung werden Ew. pp. mir zugestehen müssen, daß es nicht der Einfluß der Maurerei auf die Geistlichen sein kann, wenn diese in ihrer Amtsverwaltung das Humanitäts­ prinzip durchblicken lassen. Nicht ohne innere Bewegung habe ich diese Schrift verfassen können, da es mich schmerzlich ergreifen muß, daß Ew. PP. in Ihrer hohen Stellung so wenig mit einem Gegenstand sich vertraut gemacht haben, ehe Sie über denselben eine absprechende Ansicht aufstellten, während Sie bei mir Belehrung so wie Aufklärung bei allen Obern des Ordens und vor allem bei den Geistlichen, die Frei­ maurer sind und sich der ungeteilten Achtung und des Vertrauens ihrer Mitbürger erfreuen, — sich hätten ver­ schaffen können. Ich weiß, daß in Ew. pp. Händen sich 2 Denkschriften befinden: dürfen Geistliche Freimaurer j sein von General von Selassinssty4 vom Juni 1853 und Denkschrift über das Wesen und die Stellung der 9[tei]m[aureret] in Preußen vom 26. März 1855. In beiden Schriften werden Sie, nur ausführlicher, das gefunden haben, was ich hier als den Sinn, Geist und Zweck der Maurerei ausgesprochen habe. Nach Lesung dieser Denkschriften und nach vorstehender Auseinandersetzung werden Ew. pp. nunmehr selbst ein­ räumen müssen, daß ich den mir vorgelegten projektierten Erlaß in keinerlei Weise zur Veröffentlichung an die Kon­ sistorien geeignet halten kann. Ew. pp. würden jetzt bei Erlassung des in Rede stehenden Zirkulares einen wissent­ lichen Irrtum begehen, wozu Sie niemals die Hand bieten werden. Ich muß also einer gänzlich veränderten

Fassung des Erlasses entgegensehen und denselben über­ haupt nur für die Konsistorien, welche die Eröffnung von: 10. März 55 erhielten, als bestimmt erachten, um die fchroffen Auffassungen zu mildern, welche jene Eröffnung enthält. Dieser neuen Redaktion sehe ich wiederum vor chrer Veröffentlichung entgegen, um etwa doch noch sich einschleichenden Irrtümern aufs Neue begegnen zu können. Prinz [ttott] Preußen Berlin im Februar 56 beendigt. 1 Nach dem eigenhändigen Entwurf. H.«A. — 2 Vgl. die Notiz am Schluß. — * Vgl. oben Nr. 205—207. 1 v. S. stand als hervorragendes Mtglied des Freimaurerordens in nahen Beziehungen zum Prinzen und vermittelte diesem auch Materialien zu den Angriffen gegen die Freimaurer.

215. An Christian Karl Josias v. Bunsen Berlin, den 26. Februar 1856

Ihr Schreiben vom 20. d. M.1 enthält so vollkommen meine Ansicht über die verletzenden Äußerungen des p. v. Gerlach2, daß ich darin gern wiedereinmal die Überein­ stimmung unserer Gesinnungen, wenn auch getrennt, er­ kannte. Nicht nur ich, sondern wohl allgemein hier, — d. h. bei den denkenden Menschen und nicht Nachbetern, wie es jetzt fast verlangt wird! — hat diefe intempestlve Rede den unangenehmsten Eindruck gemacht, so daß Ger­ lach auch eine Reparation — tant bien que mal — gegeben hat, womit die Sache also abgemacht ist. Mer dies war ja nur eine Episode in dem Gebäude, an welchem feit Jahren gebaut wird und dem dies Jahr das Dach aufge­ setzt wird; indessen wohnbar wird es nicht werden, weil

der Baugrund nichts taugt.

Das Veraltete gedeihet nie

wieder! In der belegten Sache3 haben Sie vollkommen Recht

zu sagen, daß es ja ganz von dem Kommandeur abhängt, sich bei Annahme von Ofsizierskandidaten von deren Ge­ sinnung zu überzeugen, und was chnen dann doch noch

abgehet, das wird dem Adligen wie Unadligen von den

Kameraden anerzogen oder er gehet unter.

Wenn nun in

alter Zeit der Adel den überwiegenden Teil der Offizier­ stellen inne hatte, so ist die Gesinnung in diesen allerdings zunächst von jenem eingewurzelt worden und Pflanzt sich derart fort. Jetzt aber aus diesem Faktum ein pomme de

discorde zu machen, wo es geglückt ist, seit 50 Jahren in der

Armee und übrigen Beziehungen diese frühere Kluft auszusüllen, ist eine wahre Versündigung am Vaterlande.

Ich habe mich, wie gesagt, sehr laut darüber ausgesprochen, obgleich seit 10 Tagen an das Zimmer gefesselt. Ich autorisiere Sie, von diesen Zeilen Gebrauch zu machen, wie Sie wollen. 1 Liegt nicht vor. — 4 Des Präsidenten Ludwig v. G. Die beanstan­ dete Wendung lautete: „Bonaparte, du Schinderknecht, willst uns lehren das deutsche Recht". Vgl. Leop. v. G., Denkwürdigkeiten II, S. 391. — 4 Der Vorfall, aus den hier angespiclt wird, ist nicht bekannt.

216. An General Graf Karl v. der Gröben-Neu­ dörfchen Coblenz, den 3. April 1856

[... Dank für Wünsches.

Der Friede ist geschlossen —

nach meinem Plan und meiner Politik viel zu demütigend für Rußland. Nach meinem Wunsche sollte es weder Land,

Meer, Flotte, Menschen noch Geld einbüßen, also ohne 64

Krieg die moralische Lektion für seine infraction des traites erhaltenI Jetzt ist es viel schlimmer fortgekommen, als ich es wollte! — Wer hat es denn nun wahrhaft gut mit Rußland gemeint? Die, welche es zum Widerstände an­ feuerten mit Aussicht auf Allianzen, — oder die, welche es zum Nachgeben ohne Krieg zwingen wollten? Jetzt tritt für Preußen und namentlich für seine Armee eine ge­ waltige Krisis ein. Alle Staaten werden desarmieren und Preußen muß mit Heeresverstärkung hervor­ treten, wenn es einst auf sein Heer rechnen soll nach mensch­ lichen Kombinationen. Sie werden sehen, wie die Kam­ mern, um sich beliebt zu machen, den Patriotismus bei­ seite fetzend am Kriegsbudget Jahr für Jahr nagen werden. Die Offiziere gehen einer Katastrophe entgegen. Aus­ sicht auf Kriegsruhm ist verschwunden für nahe Zeiten. Ebenso Aussicht auf Avancement. Die Not des Lebens­ unterhaltes ziehet die jungen Offiziere immer mehr herab, ihre Rekrutierung ist nicht mehr vom alten Schrot und Korn. Was ist zu tun? Bessere Bezahlung und Avancement­ schaffung durch Alterskategorien, wodurch das Individuum an sein Ausscheiden gewöhnt wird, ohne den Kriegs­ herren dazu unbedingt zu verpflichten.

217. An Christian Karl Josias von Bunsen. Coblenz, den 5. April 1856

[... Dank für Wünsche f. Was am 20. 3., als Sie mir schrieben, noch in Aussicht stand, ist 10 Tage später in Erfüllung gegangen; — wir haben Frieden! Ob aber, wie Sie hoffen, eine allgemeine Desarmierung eintreten kann, die Abgabenerleichterung nach sich ziehet, muß ich für Preußen durchaus in Abrede stellenx. Das Jahr 1850

hat solche Mängel in unserer Militärorganisation gezeigt, daß wir sie mit dem bestehenden Heeresbudjet nicht aus­ gleichen können, sondern bedeutenden Zuschuß ver­ langen, damit es uns nicht wie den Engländern gehet, erst auf den Krieg aufmerksain zu werden, wenn es für vieles zu spät ist, und dann das 3 und 4 fache kostet, wenn man nachholen muß! Daß die f-Zeitungspartei mit dem Frieden eigentlich nicht zufrieden sein kann, begreift sich, denn sie ist russischer als die Russen! Daß dennoch in Berlin gejubelt wird über solchen Frieden, verstehe ich nicht, da man doch vor 2 Jahren diesen Frieden gewiß nicht hoffte und nicht wünschte. Nach meinem Plan wäre Rußland viel besser davon gekommen, aber freilich mit einer wohlverdienten Lektion. Jetzt hat man es dahin ge­ bracht, daß neben dieser auch noch eine viel derbere materielle Lektion hinzugekommen ist, weil man ihm auch die moralische ersparen wollte!!! Wie kurzsichtig war man doch im Frühjahr 1854! Das große Geheimnis Coblenz-London2 wird in we­ nigen Tagen eklatieren, wenngleich des Parlaments wegen keine offizielle Deklaration erfolgen wird. Daher nehme ich Ihre mir damals schon ausgesprochenen Wünsche mit herzlichem Dank an! Da die Herzen sich gefunden haben, so ist der Politik Rechnung getragen!! 1 B. meinte, der finanzielle und soziale Bankerott stehe vor der Tür. Es gäbe nur ein Mittel: die Verminderung der stehenden Heere, „welche im Frieden die Kräfte für den ersten Feldzug verkrüppeln, für den zweiten und dritten vernichten — mit Ausnahme Englands". Der Friede biete die Möglichkeit, die Abgaben zu erleichtern und für die nächste Zukunft wahre Sicherung durch innere Versöhnung und wahre Kräftigung zu erlangen. W— 1 Die Verlobung des Prinzen Friedrich Wilhelm, womit B. seine stillen Herzenswünsche erfüllt sah.

218. An

Fritz

Freiherr

v. Wintzingerode* C oblenz, den 5. April 1856

[... Dank für Wünsche). Aber wie siehet es bei uns aus, seitdem ich Sie zuletzt sprach! Unerwartet kommen mir alle diese faulen Erscheinungen nicht; denn ich habe oft genug gewarnt, daß man sie sich erziehe! Ein Besserwerden dieser Zustände sehe ich nicht voraus, wenn nicht in Preußen Änderungen eintreten, und dazu scheint trotz der unglaublichsten Enthüllungen? nicht die geringste Aussicht! — Gott bessre's. "

1 Nach dem Druck: Forsch, z. Brand, u. Preuß. Gesch. 41, S. 135.— Die Briefdiebstahlsasfäre.

219.

An den Badischen Regierungsdirektor Geh. Rat Dr. Schaafs1 Coblenz, den 5. April 1856

[... Dank für Wünsche) Der Regent hat den Tag bei uns zugebracht um zu feiern, was er vor einem Jahr erst erstrebte, und mit großer Freude sehe ich, wie innig sich das Verhältnis zwischen ihm und meiner Tochter ge­ staltet. Somit darf ich hoffen, daß meine Tochter Glück und Zufriedenheit in das Haus und damit auf den Thron Ihres Landes bringen wird. Ihr Land gibt ein schöneres Bild der Einigkeit zwischen Fürst und Volk, als bei uns. Wir scheinen von einem Extrem ins andere überschlagen zu sollen. Mein jahrelanges Aufmerksammachen, daß es dahin kommen würde, hat nichts gefruchtet, so daß ich mich von allem zurückgezogen habe. Endlich haben wir Frieden! Gott gebe, daß er nicht

Konstellationen nach sich ziehe, die schlimmer sind als der Krieg, der eben endigt! Regierungen und Völker müssen daher die Augen auf haben! 1 Generallandesarchiv Karlsruhe.

220.

An den General der Kavallerie Karl von Reyher, Chef des Generalstabes Coblenz, den 6. April 1866

Endlich komme ich dazu, Ihnen meinen herzlichen Dank auszusprechen für Ihre treuen und lieben Wünsche zu meinem Geburtstage; bei einigen 50 zu beantwortenden Briefen komme ich nur langsam zum Abtragen dieser freudigen Schuld. Wie gern hätte ich auch Sie nach jener Konferenz in Bellevue gesprochen, denn Ihre Ansicht der Deponierung eines großen Teils der Kriegsanleche im Schatz als Bereit­ haltung zu einer Mobilmachung hat außerordentlich viel für sich, so daß ich von hier aus den König nochmals auf dies, Ihr Projekt, aufmerksam gemacht habe. Aber freilich die 3 Millionen auf 2 Jahr für die von mir geforderten Zwecke, ehe sie etatisiert werden können; 3 Millionen für Spandau und 600,000 für Coblenz müssen vorweg in Ab­ zug kommen, so daß 9 Millionen deponiert würden, was mit 6 Mlllionen vorhandenen die Summe zur Mobil­ machung gibt. Nach Ihrem letzten Schreiben, wo Sie sagen: man müsse den äußerst günstigen Moment wahrnehmen, um unsere finanziellen Verhältnisse zur Erhöhung der allgemeinen Verteidigungsfähigkeit des Landes zu be­ nutzen

scheint mir aber anzudeuten, als wenn Sie von Ihrem damaligen Projekt der Deponierung der Summe wieder abgegangen sind und noch andere Gegenstände bedacht sehen wollen, als die sind, welche in Bellevue zur Sprache kamen. Wenn noch Zeit ist, daß wir darüber mündlich konferieren (ich denke Mite April auf einige Tage nach Berlin zu kommen und dann vom 1. Mai an auf länger), so ist mir das lieb; sollte aber Waldersee bald mit der Sache vor die Kammern treten müssen, so schreiben Sie mir doch sogleich Ihre Ansichten. General Fischer scheint zu glauben, daß Bodelschwingh auf ganz andere Verwendung dieser militair Summe hinaus will!?!? fN. ©.]: Soeben haben wir ein Gewitter; alles wird grün und blüht an den Obstbäumen.

221.

An den Präsidenten des von Uechtritz*

Oberkirchenrats

6[o]b[len]g, den 8. April 1856

Aus Ew. pp. Schreiben vom 26. v. M.2 in seiner An­ lage habe ich mit Zufriedenheit ersehen, daß der Ober­ kirchenrat unter dem 23. März den Beschluß gefaßt hat, von Publikation eines Erlasses an sämtliche Konsistorien in der Angelegenheit) der Freimaurer abzustehen, wo­ gegen derselbe indessen der Beschwerde des Gfeneralsj b[er] Jsnfanteries von Selasinsky wegen Verfolgung einzelner Geistlichen, welche Maurer sind, durch die geist­ lichen Vorgesetzten keine Folge zu geben, beschlossen hat. Wenngleich ich in keinerlei Art in dieser Zusammenstellung sehr verschiedenartiger Gegenstände ein Kompromiß er­ kennen werde, so will ich jedoch auch meinerseits für jetzt von weiterem Eingehen auf jene Beschwerden absehen in

der festen Hoffnung, daß die Gefühle der Billigkeit der Herren Geistlichen gegen die Freimaurerei im Zunehmen feien und von den höheren Behörden in dieser Hinsicht streng überwacht werden mögen. Jedenfalls behalte ich mir vor, erneute Verfolgung vorkommendenfalls, wie die von p. von Selafinsky angeführte, zur Kenntnis Ew. pp. und des Oberkirchenrats zu bringen. 1 Nach dem eigenhändigen Entwurf. H.-A.— 2 Antwort auf Nr. 214.

222.

An

Karl

Freiherr

von

Vincke-Olbendorf

Coblenz, den 8. April 1856

Vielen Dank für Ihre guten Wünsche zum 22. März. Der Tag war von trüben Ereignissen kurz zuvor umgeben x, daher nur in der Familie und Häuslichkeit Heiterkeit zu finden war. Daß in Schlesien wieder schlimme Ernteaussichten sich kund geben, ist höchst traurig. Der Frieden wird indessen doch auf die Preise wirken und dann ein Ernteausfall nicht so empfindlich fein. Die Friedensadressen-Angelfegenheits aus Breslau nach Petersburg ist unbegreiflich! Dem armen Kaiser zu solchem Frieden Glück zu wünschen, klingt stark nach Ironie! Was soll man denn da erst dem Sieger noch sagen?? Hat denn die f-Partei wohl diesen Frieden seit 3 Jahren gewünscht? Rußland sollte nach chrem Willen siegen, und nachdem es unterlegen hat und Frieden schließen muß, gratuliert man demselben zu dem Resultat! Comble de poltronnerie!!! Ihre Antwort auf das Zirkular wegen Gfrass Pfeil ist gewiß sehr richtig. — Die Seiffertfsches Druckschrift2 etc. hat denn doch endlich sogar in der Kammer zur Jnter-

pellation geführt. Ich habe vor 14 Tagen, als Lindenbergs31 2 lügenhafter Artikel4 erschien, das Staatsministerium um öffentliche gerichtliche Verfolgung des Depeschen­ diebstahls offiziell angegangen, aber noch keine Ant­ wort erhalten. — In der zurückerfolgenden Anlage habe ich Bemerkungen eingetragen, wie ich die Sache aus den Akten kennen gelernt habe, für deren Richtigkeit ich ein­ stehen kann3. Es ist eine tragische Geschichte, diese Hinckeldeyssches! — Seiffert et Consorten — Hinckeldey — Kammer-Verhandlungen — wie faul ist das alles!! — Die mir durch Gsenerast Fischer6 gesandte Schrift wird er Ihnen zurücksenden. Daß für Freundesherz 7 in derselben sehr viel Verletzendes vorkommt, begreifen Sie. Ich bin gewiß nicht blind über diesen meinen erhabenen Freund gewesen; aber eine Menge mir bekannter, in der Schrift aufgeführter Fakten sind in derselben generali­ siert: das ist das Gehässige in derselben bei vielem Wahrem! Ich hoffe, daß diese Schrift nie gedruckt wird. — 1 Tod des General-Polizeidirektors v. Hinckeldey am 10. März. — 2 Rechtfertigungsschrift des Vizepräsidenten der Oberrechnungskammer Seiffert wegen seiner Beteiligung bei dem von Techen veranlaßten Pots­ damer Depeschendiebstahl. Vgl. Denkwürdigkeiten des Ministerpräsidenten Otto Freiherrn v. Manteuffel III, S. 93 ff. — 3 Emil Lindenberg, Re­ dakteur der „Patriotischen Zeitung" in Mnden, hatte am 27. Juni 1855 ein den Prinzen Wilhelm verdächtigendes Schreiben an den General v. Gerlach gerichtet, welches durch die Briefdiebe entwendet wurde und schließlich zur Kenntnis des Prinzen gelangte. Gegen L. wurde deshalb ein Verfahren wegen Beleidigung des Prinzen eröffnet. — 4 Weserzeitung vom 18. März. — 5 Die Notizen über den Tod Hinckeldeys liegen bei. — G Leopold F. 1849—1851 erst Militärgouverneur, dann militärischer Be­ gleiter des Prinzen Friedrich (III.) Wilhelm. — 7 Herzog Ernst II.?

223.

An

den Regierungspräsidenten Julius v. Schleinitz

Freiherr

Coblenz, den 8. April 1856

[.. .Dank für Wünsche. 1 Ihre Notizen über die nicht weiter gegriffene Not, Ernteaussichten, Rinderpest, Kordon­ segnung haben mich fehr interessiert. Die Raupen können aber einen großen Schaden anrichten und zeigen sich auch in anderen Gegenden, wie ich lese. Was soll man zu der Hinckeldeyschen Sache sagen? Sie sprechen sich vollkommen zutreffend über dieselbe aus, und ebenso über das unglaubliche Benehmen des Präsi­ denten des Herrenhauses, der kein Wort über den Tod eines ausgezeichneten, so hochgestellten Beamten finden konnte, überhaupt die Kammern benehmen sich in keinerlei Art gut. Das Junkertum — ein Wort das ich höchst ungern gebrauche, nur der Kürze halber wähle — ist auf völlig falschem Wege und wird dereinst eine Reaktion gegen sich heraufbeschwören, die — Gott gebe — nicht wie in Galizien sich Luft machen möge. Wenn man dazu nun noch den Depeschendiebstahl zählt, so haben wir ein Bild unserer inneren Zustände, das nichts als Fäulnis verrät. Ihr Bruder ist bei uns seit einigen Wochen, ein großer Genuß in der hiesigen Einsamkeit, so daß wir chn immer länger festzuhalten suchen. 1 Gebr.: Ans den Papieren der Familie v. Schleinitz,