Die Briefe Kaiser Wilhelms I.: Band 1 1830–1853 [Reprint 2020 ed.] 9783112355480, 9783112355473


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German Pages 273 [430] Year 1930

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Die Briefe Kaiser Wilhelms I.: Band 1 1830–1853 [Reprint 2020 ed.]
 9783112355480, 9783112355473

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Die Briefe Kaiser Wilhelms I. Herausgegeben vom

Kaiser - Wilhelm - Institut für deutsche

Geschichte

Verlag Walter de Gruyter & Co. vormals G. I. Göschen'sche Verlagshandlung — I. Guttentag, Verlags­ buchhandlung — Georg Reimer — Karl I. Trübner — Veit eif[a[ung] geben. Die Burghaus et Kon­ sorten-Vorgänge 3 sind sehr bezeichnend, aber doch muß ich es doppelt bedauern und dem Graf Burghaus vor­ werfen, nicht gekommen zu sein, da er im gemäßigten Sinn gewirkt hätte, während nun jemand erschien, der im entgegengesetzten Sinn handelt. Das müßten alle Männer jetzt mehr wie je bedenken, daß ihre Stimmen

zweiten Male Italien zu betreten, „doch es galt einen Preis [Slifa], den selbst die teuerste und innigste Jugendfreundschaft und das Schöne der Reise nicht auswiegen konnten, und so sah ich ihn ziehen — folge ihm aber täglich in Gedanken auf seinen Wanderungen!" B. wurde bald darauf mit der Führung der Geschäfte an Niebuhrs Stelle betraut, 1827 wurde er Ministerresident beim päpstlichen Stuhl. Seit 1841 war er Gesandter in London.— 2 Über Bunsens Pläne vgl. L. v. Ranke, Aus dem Briefwechsel Friedrich Wilhelms IV. mit Bunsen, S. 72 ff. Prinz Wilhelm war 1844 bei seinem Aufenthalt in England mit B. in Gedankenaustausch getreten.

29. An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf Petersburg ’, den 12. Juli 1846

Tausend Dank für Ihren letzten Brief, sowie für die 3 früheren, die ich ans Mangel an Zeit unbeantwortet ließ, die mich aber alle ungemein interessierten als eine Stimme aus dem Volke. Ihrer damaligen Deduktion über die Lichtfreunde kann ich noch immer nicht meine ganze Beistimmung geben, weil ich sie zu sehr nach einer Seite Hinneigen sehe, während ich wie überall die Mittel­ straße wandeln will. Ihre Ansichten über die Wahl der Laien zur Synode teile ich zwar, doch war es freilich schwer, einen befriedigenden Modus zu finden, ehe nicht eine Presbyterialverfassung existiert, die ich mit der öffentlichen Mei­ nung herzlichst wünsche. Die Synode2 wird hoffentlich hierzu die Vorarbeit leisten und der König diese Presbt)t[erial]t>eif[a[ung] geben. Die Burghaus et Kon­ sorten-Vorgänge 3 sind sehr bezeichnend, aber doch muß ich es doppelt bedauern und dem Graf Burghaus vor­ werfen, nicht gekommen zu sein, da er im gemäßigten Sinn gewirkt hätte, während nun jemand erschien, der im entgegengesetzten Sinn handelt. Das müßten alle Männer jetzt mehr wie je bedenken, daß ihre Stimmen

jetzt wirklich wiegen. Daß'alles in Bewegung gesetzt war, die Synode in einer Richtung zu komponieren, erkenne ich leider mit Ihnen an; und es war über die Maßen gelungen! Dennoch sind die ersten Erscheinungen in ande­ rem Sinn ausgefallen; möge das Ende dem gleichen. Ist dies der Fall, dann müssen die Faiseurs die Augen aufmachen und sich überzeugen, daß die orthodoxe Partei nicht die Stimme des Volks für sich hat; dann kann alles gut noch werden. Machen sie aber die Augen nicht auf, sondern arbeiten in ihrem Sinn fort und suchen die Men­ schen und Verhältnisse nach diesem Sinn zu beglücken, so ist eine Reaktion unfehlbar! Das verhüte Gott, denn die Folge wäre unberechenbar! — Die Symbolfrage ist unzweifelhaft die wichtigste, aber auch sie scheint eine günstige Wendung nehmen zu wollen; doch darf man den Tag nicht vor dem Abend loben. Auch ich sage: was Menschen Werk ist, ist der Vervollkommnung fähig und daher der Revision zu unterwerfen; doch ist dies ein schweres Kapitel, da jedes Rühren daran in der einen wie der andern Richtung zu Schismen führt. Was die innere Verfassungsfrage betrifft, so kennen Sie darüber meine unveränderte Ansicht. Ich huldige dem Fortschritt, da das Reaktionäre oder Stagnante den Unter­ gang in allem bringt. Aber Sprünge will ich niemals und keine Veräußerung der Kronrechte! Umschifft man dies, so sage ich Ja, sonst Rein! 1 Der Prinz reiste am 3. Juli nach Petersburg zur Vermählung der Großfürstin Olga. — 2 Die zu Pfingsten 1846 berufene erste preußi­ sche evangelische Generalsynode tagte vom 2. Juni bis 29. August. — 3 Landschaftsdirektor Graf v. Burghaus gehörte zu den geladenen welt­ lichen Mitgliedern der Synode. Er lehnte aus Gesundheitsrücksichten ab, das gleiche taten aus anderen Gründen die an seine Stelle berufenen

Baron v. Köckeritz und Stadtgerichtsdirektor Wentzel. aufgeforderte Breslauer Stadtrat Froböß nahm an.

Erst der dann

30. An Regierungspräsident in Liegnitz v. Witz­ leben Peterhoff, den 18. sAugust^1 1846

Am 22. März ahndete Ihnen wohl nicht, daß Sie eine Antwort von mir aus dem hohen Norden vom August er­ halten würden!! Kaum darf ich jetzt noch einen Dank für Ihre damaligen Wünfche ausfprechen, was aber auch nicht nötig ist, da Sie ja wissen, wie ich Ihre Andenken und Ihre Teilnahme jedesmal aufnehme, wenn ich fie empfange. Sie berührten damals in Ihrem Briefe vielerlei Verhältniffe, die seitdem sich in geahndeter Art fortentwickelt haben! und wahrlich nicht zum Erfreulichen! Was ich für Tage im März, April und Juni verlebte, können Sie denken! Weniger beinah die Sache, als die Art und die Illusion hat mich erschüttert, mit welcher man diese nur zu ernsten Verhältnisse ansiehet. Ich habe gekämpft nach Pflicht und Gewissen und werde mich in vielen Punkten nicht unterwerfen, übrigens habe ich seit meinem Hiersein nicht eine Silbe mehr darüber erfahren. Am gespanntesten bin ich jetzt auf die Synode. Im allgemeinen scheint sie die Mittelstraße zu halten, doch da so sehr vieles an das Kirchenregiment zur Erledigung über­ wiesen wird, so erwarte ich nicht viel. Die polnische Episode 2 war eine echt polnische Wirt­ schaft! Traurig nur, daß sie so viel Menschen und Geld kostete und wir doch noch keineswegs am Ziele zu sein scheinen. Ich sehe sehr trübe in die Zukunft, da unsere

Baron v. Köckeritz und Stadtgerichtsdirektor Wentzel. aufgeforderte Breslauer Stadtrat Froböß nahm an.

Erst der dann

30. An Regierungspräsident in Liegnitz v. Witz­ leben Peterhoff, den 18. sAugust^1 1846

Am 22. März ahndete Ihnen wohl nicht, daß Sie eine Antwort von mir aus dem hohen Norden vom August er­ halten würden!! Kaum darf ich jetzt noch einen Dank für Ihre damaligen Wünfche ausfprechen, was aber auch nicht nötig ist, da Sie ja wissen, wie ich Ihre Andenken und Ihre Teilnahme jedesmal aufnehme, wenn ich fie empfange. Sie berührten damals in Ihrem Briefe vielerlei Verhältniffe, die seitdem sich in geahndeter Art fortentwickelt haben! und wahrlich nicht zum Erfreulichen! Was ich für Tage im März, April und Juni verlebte, können Sie denken! Weniger beinah die Sache, als die Art und die Illusion hat mich erschüttert, mit welcher man diese nur zu ernsten Verhältnisse ansiehet. Ich habe gekämpft nach Pflicht und Gewissen und werde mich in vielen Punkten nicht unterwerfen, übrigens habe ich seit meinem Hiersein nicht eine Silbe mehr darüber erfahren. Am gespanntesten bin ich jetzt auf die Synode. Im allgemeinen scheint sie die Mittelstraße zu halten, doch da so sehr vieles an das Kirchenregiment zur Erledigung über­ wiesen wird, so erwarte ich nicht viel. Die polnische Episode 2 war eine echt polnische Wirt­ schaft! Traurig nur, daß sie so viel Menschen und Geld kostete und wir doch noch keineswegs am Ziele zu sein scheinen. Ich sehe sehr trübe in die Zukunft, da unsere

Grenzprovinzen nicht unberührt von dem Gift zu sein scheinen, wie Sie am besten wissen werden. Die neue Methode, Rußland von polnischer Seite öffentlich zu adorieren, ergötzt den Kaiser täglich, da er besser wie irgend jemand weiß, was an dieser Nation dran ist; sie ist mir nie verächtlicher vorgekommen als jetzt! Ich fürchte, wir werden uns in Schlesien nicht sehen — durch die späte Verlegung der Revuen fallen dieselben genau mit meiner Inspektion in Österreich zusammen, wohin ich Mitte September abgehe. Den 29. August denke ich in Berlin zu sein3. Ich habe mich hier ordentlich erholt, durch das Familienleben sowohl als das Nichtstun und bei dem himmlischen Wetter, bei dem man aber so viel im Wasser als auf der Erde vegetiert. Da der Kaiser über unsere Ständischen Verhältnisse par principe nicht spricht mit mir, so ruhen diese scheinbar für mich hier auch; ich fürchte nrich daher vor der Rückkehr, als mit irgendeinem Gewitter drohend!! — Leben Sie wohl und empfehlen Sie mich angelegent­ lichst Ihrer Frau Gemahlin! Wie hat mich der Tod der armen Ffrauj Patow 4 geschmerzt! 1 Der Prinz schreibt: 18. Juli. Es muß aber wohl in August ver­ bessert werden, da er gleich zu Anfang schreibt „vom August", auch zwingt das Todesdatum Frau v. Patows (vgl. Schluß) dazu. — 2 Die Aufstandsbewegung. — 2 Er war am 28. in Königsberg. — 4 Die erste Gattin Roberts Frh. v. P. Amalie geb. v. Endell starb am 4. August 1846.

31. Der Gesandte in London Christian Karl Josias v. Bunsen an ^Prinzessin Augusta von Preußens1 Carlton Terrace, 1. Oktober 1846

[9Kmmt Bezug auf einen Vortrag, den er der Prinzessin gehalten hat über „die Grundideen, von denen ich 1844 und 1845 ausgegangen

Grenzprovinzen nicht unberührt von dem Gift zu sein scheinen, wie Sie am besten wissen werden. Die neue Methode, Rußland von polnischer Seite öffentlich zu adorieren, ergötzt den Kaiser täglich, da er besser wie irgend jemand weiß, was an dieser Nation dran ist; sie ist mir nie verächtlicher vorgekommen als jetzt! Ich fürchte, wir werden uns in Schlesien nicht sehen — durch die späte Verlegung der Revuen fallen dieselben genau mit meiner Inspektion in Österreich zusammen, wohin ich Mitte September abgehe. Den 29. August denke ich in Berlin zu sein3. Ich habe mich hier ordentlich erholt, durch das Familienleben sowohl als das Nichtstun und bei dem himmlischen Wetter, bei dem man aber so viel im Wasser als auf der Erde vegetiert. Da der Kaiser über unsere Ständischen Verhältnisse par principe nicht spricht mit mir, so ruhen diese scheinbar für mich hier auch; ich fürchte nrich daher vor der Rückkehr, als mit irgendeinem Gewitter drohend!! — Leben Sie wohl und empfehlen Sie mich angelegent­ lichst Ihrer Frau Gemahlin! Wie hat mich der Tod der armen Ffrauj Patow 4 geschmerzt! 1 Der Prinz schreibt: 18. Juli. Es muß aber wohl in August ver­ bessert werden, da er gleich zu Anfang schreibt „vom August", auch zwingt das Todesdatum Frau v. Patows (vgl. Schluß) dazu. — 2 Die Aufstandsbewegung. — 2 Er war am 28. in Königsberg. — 4 Die erste Gattin Roberts Frh. v. P. Amalie geb. v. Endell starb am 4. August 1846.

31. Der Gesandte in London Christian Karl Josias v. Bunsen an ^Prinzessin Augusta von Preußens1 Carlton Terrace, 1. Oktober 1846

[9Kmmt Bezug auf einen Vortrag, den er der Prinzessin gehalten hat über „die Grundideen, von denen ich 1844 und 1845 ausgegangen

bin in Beziehung auf das Anknüpfen einer definitiven Reichsverfassung an die geschichtlich-germanischen und insbesondere an die provinzial­ ständischen Institutionen Preußens". Er bittet um Erlaubnis, einen Aussatz vom 18. Juni 1844 2 dem Prinzen von Preußen, dem er im Herbst 1844 Vortrag gehalten, vorzulegen.] „Zwei Jahre Beobachtung in Deutschland und England haben es bei mir zur Lebensüberzeugung gemacht, daß ein definitiver Schritt allein die Monarchie sicher stellen kann, und daß dieser definitive Schritt in der gegenwärtigen Zeit und zwar so bald als möglich getan werden sollte. Ich sehe sonst großen Gefahren entgegen. Dabei habe ich auch die ebenso feste Überzeugung, daß der Verfassung zwei organische Edikte vorhergehen sollen: die Dotation für die evangelische Landeskirche nach den Verhältnissen der 300 000 Rtlr., welche der ka­ tholischen Kirche für die extra-parochial Verwaltung gezahlt werden müssen, und das 1844 im Ministerrate erörterte und in den Grundzügen festgestellte Adelsedikt. Beides läßt sich späterhin so wenig ein­ richten als das aristokratische Element." 1 Das Schreiben war auch für den Prinzen bestimmt. — 2 „Schluß­ betrachtungen über die Ständische Frage" liegt bei mit Randbemerkungen des Prinzen Wilhelm, in denen er sich meist zustimmend äußert. Zu der Ansicht B.'s, daß die Provinzialstände zu den Reichstagen nicht nur Mitglieder aus ihrem Schoße wählen dürfen, bemerkte der Prinz: „Mit Annahme dieses Grundsatzes fällt das Fundament des preußischen Stän­ dischen Prinzips und rollt in die Konstitution über, daher verwerfe ich die nun folgende Wahloperation usw." — Zu der Frage, ob die Stände bei Gesetzesvorschlägen ein Veto haben sollen, notiert er: „Dem nun folgenden Raisonnement kann ich nicht beitreten, weil das Veto ab­ solut unmöglich für Preußens Stellung ist." Den Staatsrat bezeichnet er als „sehr wichtig neben den Ständen".

32. An Wirk!. Geh. Ob.-Reg.-Rat Otto v. Manteuffel1 83 [erlitt], bett 4. September 1846

Ist Patow ein Antagonist des Differential-Zollsyste­ mes? In diesem Fall wünsche ich ihn noch heute um 7 Uhr abends zu sprechen, da ich die Verteidiger dieses Systemes

bin in Beziehung auf das Anknüpfen einer definitiven Reichsverfassung an die geschichtlich-germanischen und insbesondere an die provinzial­ ständischen Institutionen Preußens". Er bittet um Erlaubnis, einen Aussatz vom 18. Juni 1844 2 dem Prinzen von Preußen, dem er im Herbst 1844 Vortrag gehalten, vorzulegen.] „Zwei Jahre Beobachtung in Deutschland und England haben es bei mir zur Lebensüberzeugung gemacht, daß ein definitiver Schritt allein die Monarchie sicher stellen kann, und daß dieser definitive Schritt in der gegenwärtigen Zeit und zwar so bald als möglich getan werden sollte. Ich sehe sonst großen Gefahren entgegen. Dabei habe ich auch die ebenso feste Überzeugung, daß der Verfassung zwei organische Edikte vorhergehen sollen: die Dotation für die evangelische Landeskirche nach den Verhältnissen der 300 000 Rtlr., welche der ka­ tholischen Kirche für die extra-parochial Verwaltung gezahlt werden müssen, und das 1844 im Ministerrate erörterte und in den Grundzügen festgestellte Adelsedikt. Beides läßt sich späterhin so wenig ein­ richten als das aristokratische Element." 1 Das Schreiben war auch für den Prinzen bestimmt. — 2 „Schluß­ betrachtungen über die Ständische Frage" liegt bei mit Randbemerkungen des Prinzen Wilhelm, in denen er sich meist zustimmend äußert. Zu der Ansicht B.'s, daß die Provinzialstände zu den Reichstagen nicht nur Mitglieder aus ihrem Schoße wählen dürfen, bemerkte der Prinz: „Mit Annahme dieses Grundsatzes fällt das Fundament des preußischen Stän­ dischen Prinzips und rollt in die Konstitution über, daher verwerfe ich die nun folgende Wahloperation usw." — Zu der Frage, ob die Stände bei Gesetzesvorschlägen ein Veto haben sollen, notiert er: „Dem nun folgenden Raisonnement kann ich nicht beitreten, weil das Veto ab­ solut unmöglich für Preußens Stellung ist." Den Staatsrat bezeichnet er als „sehr wichtig neben den Ständen".

32. An Wirk!. Geh. Ob.-Reg.-Rat Otto v. Manteuffel1 83 [erlitt], bett 4. September 1846

Ist Patow ein Antagonist des Differential-Zollsyste­ mes? In diesem Fall wünsche ich ihn noch heute um 7 Uhr abends zu sprechen, da ich die Verteidiger dieses Systemes

Rönne usw. vorher spreche, indem ich morgen der König!. Handels-Konferenz beiwohnen soll. 1 Geh. St.-A. Dep. der K. W. G.

33.

An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf $[erlin], den 8. Januar 1847

Bielen Dank für Ihren Brief. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer! Dagegen lesen Sie in der heutigen Spenersschenf Zeitung unter Aachen die Stadtanträge auf Verminderung des Militärbudgets als Gegenstück. Auch können Sie aus Breslau dort lesen, daß sich daselbst en guise einer Schützengilde eine Nationalgarde bildet. Das ist der Anfang, dem Publikum und dessen Vertretern bei Ver­ sammlungen deutlich zu machen, daß es der Truppen nicht bedürfe (ssiehes: Köln, den 3.-6. August 46)1 zur Auf­ rechthaltung der Ordnung. Ist so aber erst die exekutive Macht dem Gouvernemeut entrissen und den Kommunen übergeben, so ist auch die Macht überhaupt vom König auf die Untertanen übergegangen. Das ist das Sinnen der Liberalen. 1 Unruhen bei Gelegenheit eines Kirchweihfestes. Deutsche Geschichte V, S. 597 (bort 1847 statt 1846).

34.

Vgl. Treitschke,

An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf Bserlins, den 28. Januar 1847

Im Westfälischen Friedenssaale stehet: Höre beede Parte! Das habe ich mir zur Lebensregel gemacht und daher werde ich erst den Bericht der Behörden abwarten, ehe ich über die Darstellung der Anlage1 entscheidend meine Ansicht abgebe. 1 Fehlt.

Rönne usw. vorher spreche, indem ich morgen der König!. Handels-Konferenz beiwohnen soll. 1 Geh. St.-A. Dep. der K. W. G.

33.

An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf $[erlin], den 8. Januar 1847

Bielen Dank für Ihren Brief. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer! Dagegen lesen Sie in der heutigen Spenersschenf Zeitung unter Aachen die Stadtanträge auf Verminderung des Militärbudgets als Gegenstück. Auch können Sie aus Breslau dort lesen, daß sich daselbst en guise einer Schützengilde eine Nationalgarde bildet. Das ist der Anfang, dem Publikum und dessen Vertretern bei Ver­ sammlungen deutlich zu machen, daß es der Truppen nicht bedürfe (ssiehes: Köln, den 3.-6. August 46)1 zur Auf­ rechthaltung der Ordnung. Ist so aber erst die exekutive Macht dem Gouvernemeut entrissen und den Kommunen übergeben, so ist auch die Macht überhaupt vom König auf die Untertanen übergegangen. Das ist das Sinnen der Liberalen. 1 Unruhen bei Gelegenheit eines Kirchweihfestes. Deutsche Geschichte V, S. 597 (bort 1847 statt 1846).

34.

Vgl. Treitschke,

An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf Bserlins, den 28. Januar 1847

Im Westfälischen Friedenssaale stehet: Höre beede Parte! Das habe ich mir zur Lebensregel gemacht und daher werde ich erst den Bericht der Behörden abwarten, ehe ich über die Darstellung der Anlage1 entscheidend meine Ansicht abgebe. 1 Fehlt.

Rönne usw. vorher spreche, indem ich morgen der König!. Handels-Konferenz beiwohnen soll. 1 Geh. St.-A. Dep. der K. W. G.

33.

An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf $[erlin], den 8. Januar 1847

Bielen Dank für Ihren Brief. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer! Dagegen lesen Sie in der heutigen Spenersschenf Zeitung unter Aachen die Stadtanträge auf Verminderung des Militärbudgets als Gegenstück. Auch können Sie aus Breslau dort lesen, daß sich daselbst en guise einer Schützengilde eine Nationalgarde bildet. Das ist der Anfang, dem Publikum und dessen Vertretern bei Ver­ sammlungen deutlich zu machen, daß es der Truppen nicht bedürfe (ssiehes: Köln, den 3.-6. August 46)1 zur Auf­ rechthaltung der Ordnung. Ist so aber erst die exekutive Macht dem Gouvernemeut entrissen und den Kommunen übergeben, so ist auch die Macht überhaupt vom König auf die Untertanen übergegangen. Das ist das Sinnen der Liberalen. 1 Unruhen bei Gelegenheit eines Kirchweihfestes. Deutsche Geschichte V, S. 597 (bort 1847 statt 1846).

34.

Vgl. Treitschke,

An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf Bserlins, den 28. Januar 1847

Im Westfälischen Friedenssaale stehet: Höre beede Parte! Das habe ich mir zur Lebensregel gemacht und daher werde ich erst den Bericht der Behörden abwarten, ehe ich über die Darstellung der Anlage1 entscheidend meine Ansicht abgebe. 1 Fehlt.

35.

An den preußischen Gesandten in London Christian Karl Josias v. Bunsen Berlin, den 31. Januar 1847

Vielleicht gleichzeitig mit diesen Ihnen sicher zukommen­ den Zeilen werden Sie die erlassenen ständischen Gesetze 1 erhalten. Nach langen, argen Kämpfen habe ich wenigstens die 2 Kammern, oder Bänke, oder Versammlungen er­ langt, wodurch ein großer Teil meiner früheren erheblichsten Bedenken gemildert find, fo daß ich unterschrieben habe! was ich ohne diese Modifikation nicht vermocht hätte Die Formation der Herrenbank ist zwar nicht nach Ihren Annahmen erfolgt, indem sie bis jetzt ganz rein aus den ständifchen Elementen des Grundbesitzes geschaffen ist, wie sie sich bereits vorfinden, eine weitere Ausdehnung ist vorbehalten. Die Zutaten, welche Sie wünschten, ent­ fernen sich freilich sehr von diesem Grundprinzip des Grund­ besitzes und haben daher manches gegen sich, weil, wenn dies Prinzip einmal verlassen ist, die Bresche offen ist für weitere Konzessionen auf diesem Gebiete, so daß man all­ mählich vom ständischen Gebiet auf das der Repräsentation geraten würde. Was übrigens im Schoße der Zukunft ruhet, kann Niemand wifsen. So fehen wir denn einer neuen Ära Preußens ent­ gegen! Möge sie so ruhmreich und groß sein, als die be­ schlossene es war! Ohne Gefahr sind die neuen Schöpfungen nicht! Aber ich kann dem Himmel nicht genug danken, daß er es zuließ, daß ich mich dem König wieder nähern konnte. So gepreßt mein Herz war, bis dies möglich wurde, so frei ist es, seitdem ein Strom von Tränen meinem Dank­ gefühl Luft machte! Aber freilich habe ich Opfer gebracht,

die, so Gott will, keinen Nachteil über das Vaterland bringen, über die ich mich aber doch so leicht nicht be­ ruhigen werde. Verzeihen Sie diese flüchtigen Zeilen, aber ich mußte Ihnen das Wenige doch sagen P 1 Patent vom 3. Februar. — 2 Vgl. das Schreiben an Mnister v. Bodelschwingh vom 1. Februar in G. v. Diest, Meine Erlebnisse i. I. 1848, S. 45; Berner I, S. 156 und an Fürst Metternich vom 19. Fe­ bruar 1847 in Histor. Bierteljahrschr. Jahrg. 23 (1926), S. 198. — 3 Bunsen antwortete hierauf am 16. Februar, in dem Schreiben heißt es: „Dann aber meine tiefe Dankbarkeit dafür, was E. K. H. bei dem großen Werke getan und durchgesetzt haben. Alles läßt in einer Ver­ fassung, die ja doch notwendig sich erst vollständig im Leben und in der Geschichte ausbildet, wenn sie wie die englische lebenskräftig ist, sich nach­ holen und ergänzen — nur nicht ein Herrenhaus. Den Keim dazu haben E. K. H. dem Reiche gesichert. Und einen lebensfähigen Keim! Das Herrenhaus ist nichts Gemachtes, Erkünsteltes, Erlogenes, Papiernes: es ist eine hochachtbare Geschichtlichkeit, Wirklichkeit, Wahr­ heit, Wesenheit. Es ist auch möglich, daß ich Unrecht habe in meinem Vorschläge, den ebenbürtigen Standesherren eine bevorzugte Stellung zu geben, und gegen die Erteilung von Sitzen an die Kuriatstimmen habe ich garnichts einzuwenden. Das Prinzip des großen, gesicherten Landbesitzes halte auch ich fest. Die von mir vorgeschlagenen amtlichen Mtglieder bilden damit keinen Widerspruch, denn sie würden ja nicht erblich sein ... sondern lebenslänglich sein, ja eigentlich nur sitzen, solange sie das Amt bekleiden und verwalten, welches ihnen jene Aus­ zeichnung verschaffen soll. Der Grund zu jenem Vorschläge aber liegt in der Notwendigkeit, dem Herrenhause zwei Eigenschaften zu sichern, durch deren Mangel nach aller Erfahrung es neben einem Hause der Gemeinen den kürzeren zieht: intellektuelle Eminenz und Geschäfts­ kunde in seinem Innern. Königliche Kommissare geben diese Eigen­ schaften so wenig als Krücken Beine und Gehkraft. Ich glaube gern, daß die Zahl in beiden Abteilungen der lebenslänglichen Herren (Ge­ nerale und Richter) 8 (oder 9) -j- 9 zu stark gegriffen ist, aber die Idee vermöchte ich nicht aufzugeben. Namentlich wäre ein Großkanzler höchst wünschenswert. . . . shält das 1844 in Sanssouci beratene Adelsedikt nach wie vor für unbedingt notwendig, „ohne ein solches fehlt der Ent­ wicklung des Herrenhauses die nationale Basis".— Die „auf die breiteste

und freisinnigste Basis zu hebende evangelische Landeskirche" müsse finanziell unabhängig gestellt werden. Hofft, daß die Ständeversamm­ lung die königliche Macht und die Stärke des Reiches „unglaublich verstärken" werdet Späte Geschlechter werden unter dem Schatten dieser Verfassung das Fürsten- und Brüderpaar segnen, durch deren segensreiche Zusammenwirkung das große Werk gegründet worden — und zwar grade in einem großen geschichtlichen Momente. Uber das, was anderwärts gegen Preußen gebraut wird, sende ich Bericht an des Königs Majestät in den nächsten Tagen. Peel und Aberdeen sind ebenso über das Ereignis erfreut als Lord John Russell und Lord Palmerston, Königin und Prinz Albert womöglich noch mehr." — ... [bet Prinz habe bei seinem Besuch in Blaise-Castle in einer weib­ lichen Gruppe mit ganz besonderem Wohlgefallen ein sehr jugendliches Köpfchen bemerkt, welches er als „Engelköpfchen" bezeichnet habe, und dies, eine Nichte der Mstr. Harford, seinem Sohn Ernst als Braut ge­ wünscht. Nun habe sich der älteste Sohn mit ihr verlobt^.

36. An Karl Frh. v. Bincke-Olbendorf Schloß Babelsberg, den 16. Juli 1847

Weder in Berlin nach in Breslan war es Absicht, wenn ich Sie in der letzten Zeit nicht sprach, sondern der offenbare Zeitmangel. Nie werden Sie bei mir die Ge­ sinnung finden, daß ich jemand es vorwerfe, wenn er seine Meinung unumwunden ausspricht, denn ich nehme dasselbe Vorrecht auch für mich in Anspruch! Leid wird es mir freilich immer tun, wenn Ideenaustausch nicht zur Verständigung führt. Und fo wird es uns wohl bei Be­ urteilung der 60er ergehen, die den Wahlakt verweigerten l. Sie wenden das Sprichwort an, daß man dem Feinde goldene Brücken bauen müsse. Wohlan, ich akzeptiere dies Bild mit Anwendung auf den Landtag. Hat das Gou­ vernement denn nicht in feinen verschiedenen Botschaften vom 22. April und 24. Juni der Opposition eine goldene Brücke gebaut? Und ist diese Brücke nicht vertrauensvoll

und freisinnigste Basis zu hebende evangelische Landeskirche" müsse finanziell unabhängig gestellt werden. Hofft, daß die Ständeversamm­ lung die königliche Macht und die Stärke des Reiches „unglaublich verstärken" werdet Späte Geschlechter werden unter dem Schatten dieser Verfassung das Fürsten- und Brüderpaar segnen, durch deren segensreiche Zusammenwirkung das große Werk gegründet worden — und zwar grade in einem großen geschichtlichen Momente. Uber das, was anderwärts gegen Preußen gebraut wird, sende ich Bericht an des Königs Majestät in den nächsten Tagen. Peel und Aberdeen sind ebenso über das Ereignis erfreut als Lord John Russell und Lord Palmerston, Königin und Prinz Albert womöglich noch mehr." — ... [bet Prinz habe bei seinem Besuch in Blaise-Castle in einer weib­ lichen Gruppe mit ganz besonderem Wohlgefallen ein sehr jugendliches Köpfchen bemerkt, welches er als „Engelköpfchen" bezeichnet habe, und dies, eine Nichte der Mstr. Harford, seinem Sohn Ernst als Braut ge­ wünscht. Nun habe sich der älteste Sohn mit ihr verlobt^.

36. An Karl Frh. v. Bincke-Olbendorf Schloß Babelsberg, den 16. Juli 1847

Weder in Berlin nach in Breslan war es Absicht, wenn ich Sie in der letzten Zeit nicht sprach, sondern der offenbare Zeitmangel. Nie werden Sie bei mir die Ge­ sinnung finden, daß ich jemand es vorwerfe, wenn er seine Meinung unumwunden ausspricht, denn ich nehme dasselbe Vorrecht auch für mich in Anspruch! Leid wird es mir freilich immer tun, wenn Ideenaustausch nicht zur Verständigung führt. Und fo wird es uns wohl bei Be­ urteilung der 60er ergehen, die den Wahlakt verweigerten l. Sie wenden das Sprichwort an, daß man dem Feinde goldene Brücken bauen müsse. Wohlan, ich akzeptiere dies Bild mit Anwendung auf den Landtag. Hat das Gou­ vernement denn nicht in feinen verschiedenen Botschaften vom 22. April und 24. Juni der Opposition eine goldene Brücke gebaut? Und ist diese Brücke nicht vertrauensvoll

beschritten worden? Man las zwischen den Zeilen, was am 22. April beruhigte und am 24. Juni zur Ausführung der Wahlen führte. Was geschieht aber im Kriege mit denen, die keinen Gebrauch von der goldenen Brücke machen oder machen wollen? Sie fallen in des Siegers Hände auf Gnade und Ungnade. So geschah es mit den 60. Daß diese so gut wie ihre 600 Genossen während 11 Wochen unverhohlen und unangefochten ihre Meinung aussprachen, macht ihnen niemand zum Vorwurf (wenn es wirklich ihre gewissenhafte Überzeugung war, was sie sagten, woran ich mehr wie zweifle!). Nun aber, nachdem an den Ausleger der Gesetze, den König, appelliert ist und dieser geantwortet hat, muß doch ein Ende in der Kontroverse eintreten. Wer dem König als höchstem Gesetzgeber das Recht nicht zu­ erkennt, Ausleger der Gesetze zu sein, der ist Rebell. Wer dieserhalb verweigert, die bestehenden Gesetze zu erfüllen, der ist Rebell. Wer erklärt, nur die Teile der Gesetze anerkennen und ausführen zu wollen, die ihm gefallen, ist Rebell. Dies alles haben die 60 getan. Am 22. April erklärt der König, daß die Stände keine anderen Rechte haben, als die Gesetze vom 3. Februar ihnen erteilen; demungeachtet erklären die 60 am 25. Juni, daß sie das Gesetz nicht ausführen wollen, weil sie es als nicht zu Recht bestehend in einzelnen Bestimmungen anerkennen; sie erklären also, daß sie die Auslegung des höchsten Gesetz­ gebers nicht anerkennen und nur einzelne Gesetzesstellen ausführen wollen und andere nicht. Wohin soll das führen? Dahin, daß die Stände die Ausleger der Gesetze werden sollen. Dies ist aber gegen die Gesetze; folglich muß der, der sich dem Gesetz nicht unterwerfen will, die Strenge der Gesetze wegen Ungehorsam erdulden.

Da haben Sie mein Räsonnement über die 60.' Was sie treffen wird und ob fie was treffen wird, weiß ich noch nicht; aber meine Meinung kennen Sie nun. Als Märtyrer mögen sie betrachtet werden, der ganze Landtag wurde mir als ein Märtyrer dargestellt, wenn der König es wagen sollte, die Periodizität etc. abzuschlagen. Er hat abgeschlagen und kein Mensch spricht vom Landtag als Märtyrer!! Als Konklusum noch das: Niemand wird wegen seiner freimütigen Äußerungen verfolgt werden auf dem Landtage; wenn diese Äußerungen indessen in oppo­ sitionelle Taten und Handlungen, in flagranten Un­ gehorsam übergehen, dann fängt für den Monarchen die Pflicht an, sich Gehorsam zu verschaffen. Tut er es nicht, dann ist es mit seinem Regiment zu Ende. Leben Sie wohl und fahren Sie fort zu fchreiben. Wie sind die drei Breslauer Deputierten in Breslau angeschrieben? 1 Wahl der Ausschüsse, welche von 58 Abgeordneten des Ver­ einigten Landtages unter Führung Georgs v. Vincke abgelehnt wurde (Ende Juni 1847).

37. An ^Generalleutnant z. D. v. Strantz^ Berlin, den 27. Juli 1847

... Für Ihre übrigen Mitteilungen danke ich Ihnen bestens. Dergleichen öffentliche Ehrenbezeugungen, wie wir fie für die Opposition nun sehen, sind nicht mehr zu hindern seit dem 3. Februar *! Man mußte sich alle Konsequenzen klarmachen, die an diesem Tage hingen, um sich mit keinen Illusionen zu wiegen. Ich habe es getan und mich über­ rascht daher nichts. Möge die Gesinnung der Massen nur noch gesund bleiben, so lange als möglich. Das Ge­ schrei der Massen bei Ovationen erschreckt mich noch nicht,

Da haben Sie mein Räsonnement über die 60.' Was sie treffen wird und ob fie was treffen wird, weiß ich noch nicht; aber meine Meinung kennen Sie nun. Als Märtyrer mögen sie betrachtet werden, der ganze Landtag wurde mir als ein Märtyrer dargestellt, wenn der König es wagen sollte, die Periodizität etc. abzuschlagen. Er hat abgeschlagen und kein Mensch spricht vom Landtag als Märtyrer!! Als Konklusum noch das: Niemand wird wegen seiner freimütigen Äußerungen verfolgt werden auf dem Landtage; wenn diese Äußerungen indessen in oppo­ sitionelle Taten und Handlungen, in flagranten Un­ gehorsam übergehen, dann fängt für den Monarchen die Pflicht an, sich Gehorsam zu verschaffen. Tut er es nicht, dann ist es mit seinem Regiment zu Ende. Leben Sie wohl und fahren Sie fort zu fchreiben. Wie sind die drei Breslauer Deputierten in Breslau angeschrieben? 1 Wahl der Ausschüsse, welche von 58 Abgeordneten des Ver­ einigten Landtages unter Führung Georgs v. Vincke abgelehnt wurde (Ende Juni 1847).

37. An ^Generalleutnant z. D. v. Strantz^ Berlin, den 27. Juli 1847

... Für Ihre übrigen Mitteilungen danke ich Ihnen bestens. Dergleichen öffentliche Ehrenbezeugungen, wie wir fie für die Opposition nun sehen, sind nicht mehr zu hindern seit dem 3. Februar *! Man mußte sich alle Konsequenzen klarmachen, die an diesem Tage hingen, um sich mit keinen Illusionen zu wiegen. Ich habe es getan und mich über­ rascht daher nichts. Möge die Gesinnung der Massen nur noch gesund bleiben, so lange als möglich. Das Ge­ schrei der Massen bei Ovationen erschreckt mich noch nicht,

weil ich immer an des Feldmarschalls Kalkreuth Äußerung denke: Eine Zeitlang lief man mir nach als Verteidiger Danzigs; nach 8 Tagen kam ein Tanzbär, und da lief man diesem nach und nicht mehr mir! — Darin liegt viel Wahres! 1 Geh. Staatsarchiv Rep. 94 IV P. 28. — 2 Patent und Ver­ ordnungen über die neuen ständischen Einrichtungen.

38. An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf Weimar, den 10. Oktober 1847

Daß unsere Ansichten über den Landtag nicht zusammen­ kommen, habe ich längst erkannt. Sie finden, daß die Opposition in allem recht hat und das Gouvernement über­ all unrecht, erstere stehe auf dem Rechtsboden; letzteres dagegen in der Luft; und diese Ansicht, welche der CanitzArtikel gewagt hat zu widerlegen und der Opposition ebenso keck entgegengetreten ist als diese dem Gouvernement, wird von Ihnen in Ihrem Brief zitiert, um zu zeigen, wie ver­ letzend man gegen die Opposition auftritt. Was der Oppo­ sition erlaubt wird, was man bei ihr hochpreiset, die Wahr­ heit zu sagen, wird beim Organ des Gouvernements ver­ pönt! Meine Überzeugung ist zur gewissenhaften gewor­ den (wie Sie verlangen, daß ich auch die der Opposition als solche anerkennen soll), daß nirgends eine Rechtsver­ letzung durch den 3. Februar gegen ältere Gesetze ein­ getreten ist; der Gesetzgeber hatte freie Hand die ältern Gesetze zu vervollständigen, zu ergänzen, zu verändern; nirgends sind die verheißenen Institutionen geschmälert, und die Kriegsschuldenfrage verstehet jedes Kind, nur nicht die Opposition. Eine ganz andere Frage ist, ob die neuen

weil ich immer an des Feldmarschalls Kalkreuth Äußerung denke: Eine Zeitlang lief man mir nach als Verteidiger Danzigs; nach 8 Tagen kam ein Tanzbär, und da lief man diesem nach und nicht mehr mir! — Darin liegt viel Wahres! 1 Geh. Staatsarchiv Rep. 94 IV P. 28. — 2 Patent und Ver­ ordnungen über die neuen ständischen Einrichtungen.

38. An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf Weimar, den 10. Oktober 1847

Daß unsere Ansichten über den Landtag nicht zusammen­ kommen, habe ich längst erkannt. Sie finden, daß die Opposition in allem recht hat und das Gouvernement über­ all unrecht, erstere stehe auf dem Rechtsboden; letzteres dagegen in der Luft; und diese Ansicht, welche der CanitzArtikel gewagt hat zu widerlegen und der Opposition ebenso keck entgegengetreten ist als diese dem Gouvernement, wird von Ihnen in Ihrem Brief zitiert, um zu zeigen, wie ver­ letzend man gegen die Opposition auftritt. Was der Oppo­ sition erlaubt wird, was man bei ihr hochpreiset, die Wahr­ heit zu sagen, wird beim Organ des Gouvernements ver­ pönt! Meine Überzeugung ist zur gewissenhaften gewor­ den (wie Sie verlangen, daß ich auch die der Opposition als solche anerkennen soll), daß nirgends eine Rechtsver­ letzung durch den 3. Februar gegen ältere Gesetze ein­ getreten ist; der Gesetzgeber hatte freie Hand die ältern Gesetze zu vervollständigen, zu ergänzen, zu verändern; nirgends sind die verheißenen Institutionen geschmälert, und die Kriegsschuldenfrage verstehet jedes Kind, nur nicht die Opposition. Eine ganz andere Frage ist, ob die neuen

Institutionen nicht anders hätten geformt sein können. Darüber kennen Sie meine Ansichten, und da stimme ich mit der Opposition zusammen und habe ich in den Vor­ beratungen beinah alles vorhergesagt, was eingetreten ist. Hier kommen wir auf das rechte Feld, das des Wünschens­ werten. Wünsche können und sollen ausgesprochen werden; sie sind ausgesprochen worden. Und wenn der Gesetzgeber seinen wünschenden Ständen (nicht mit Veto behafteten Ständen) antwortet, die Zeit und Erfahrung werde darüber entscheiden, so haben 540 Preußen sich als gehorsame Untertanen auf dem Landtage gezeigt und diese Antwort geduldig hingenommen. Nur 60 1 haben den Gehorsam verweigert. Sie finden darin nichts Straffälliges — nun gut, dann müssen doch die 540 straffällig sein, weil sie anders handelten? d. h. umgekehrt! Sie sagen, das Gouvernement könne noch viel wagen, ohne sdaßf es zum Riß zwischen ihm und dem Volke komme. Wer will es denn zu diesem Riß bringen? Das Gouvernement doch wahrlich nicht; wohl aber die, welche dem Volke unaufhörlich vorbeten, daß das Gouvernement der größte Feind des Volkes sei, daß es seine vermeinten Rechte kränke usw. Dies unauf­ hörliche Säen von Mißtrauen von unten nach oben muß unumgänglich zum Riß führen. Und wenn das Gouverne­ ment die Wege und Mittel ergreift, die solches Mißtrauen zerstören können, wird es verunglimpft als retrograd und die Interessen des Volkes nicht verstehend. Bei dergleichen Wortführern würde das Gouvernement nur Anklang finden, wenn es seine ganze Macht sofort veräußerte und ihnen übergäbe. Da dies aber keineswegs die Absicht und An­ sicht bei der Regierung ist, so wird dieser Kampf unablässig

bestehen und man muß erwarten, wer als Sieger bestehet. Wer Preußen vorwirft, noch nicht genug dem Fortschritt zu huldigen, der muß wahrlich nicht zu sättigen sein oder böswillige Absichten haben. Die Adresse der märkischen Ritterschaft^ und die Antwort des Königs sind mir aus der Seele geschrieben. Das ist Gesinnung des Danks für Fortschritt und nicht ungestümes Drängen von einem zum andern; da ist Vertrauen des Königs zum gesunden Sinn seines Volkes! Und wir haben vom Rhein mehrere Be­ weise gehabt, daß ein energischer und konsequenter Monarch, der die Guten von den Bösen scharf zu sondern weiß, voll­ kommen Anerkennung findet und die Verirrten zur Be­ sonnenheit zurückkehren. So v. d. Heydt, so die Stadt Biele­ feld. Was Sie mir über die Breslauer Ovationen 3 schrei­ ben, verstehe ich nicht ganz, nämlich, daß die ungnädige Anrede des Königs an den Magistrat diese Ovationen her­ vorgerufen habe, und daß man diese Anrede habe geheim halten wollen. Ehe ich zur Zeremonie der Statue ging, hatte ich bereits von drei Seiten Mitteilungen von dieser Anrede, und beim Diner sprachen mir fast Alle von der­ selben, mit denen ich mich unterhielt. Wie wäre es da wahrscheinlich, daß man sie hat geheim halten wollen und können?? Aber ebenso erfuhr ich schon damals in Breslau, daß der Opposition ein Fest bereitet werden würde wie überall. Gerade darrrm ersuchte ich Sie, mir nntzuteilen, was geschehen sei, um so mehr als Milde4 mit mir zugleich nach Breslau dampfte und er daher nicht sofort fetiert werden konnte während der Anwesenheit des Königs. Aus allen diesen Gründen kann ich keineswegs zugeben, daß die Anrede des Königs die Ovationen herbeigeführt hat!! Die Feuerwerksepifode muß doch nicht ganz schlecht gewirkt

haben, da Sie mir schreiben, daß im Magistrat nun ge­ mäßigte Wahlen stattgefunden haben, sowie daß das Nichtwählen der Ausschüsse durch die drei Bolkstribunen ge­ tadelt wird. Vertrauen Sie mir, das Gouvernement wird auf dem betretenen Wege keinen Riß hervorbringen, wohl aber die Opposition! 1 Vgl. oben N. 36. — 2 Dankadresse von ca. 40 Mitgliedern der matt. Ritterschaft. — 3 Bei der Anwesenheit des Königs aus Anlaß der Ent­ hüllung des Denkmals Friedrichs d. Gr. — 4 Karl Aug. M., Breslauer Fabrikant, gehörte als Abgeordneter des Vereinigten Landtages zu den 58 Renitenten, welche die Wahl der Ausschüsse verweigerten.

39. An Karl Frh. von Vincke-Olbendorf Bferlinf, 23. November 1847

Zwei Briefe mit einigen Anlagen, die ich remittiere, liegen von Ihnen vor mir. Es freut mich, zu lesen, daß Ihnen der Germanistenverein die Überzeugung gewährte, daß Preußens Aktien steigen. Mich wundert dies keinen Moment; der Liberalismus hat ja bei uns gesiegt! So­ bald aber Preußen durch diese gewonnene Stellung auch größeren Einfluß erlangen sollte, so wird auch sogleich alle Animosität gegen dasselbe wieder auftauchen, wie früher; und zwar zunächst von denjenigen, die es jetzt loben und preisen. Anno 1813—15 fchwor man bei Preußen; dann verfolgte man es! über die Tendenz der Deutschen Heidelberger Zeitung \ von der Sie behaupten, daß sie sich immer mehr nützlich für Preußen erweise, diverguiere ich sehr mit Ihrer An­ sicht; mir scheint gerade das Gegenteil stattzufinden. Auch darin stimme ich nicht mit Ihnen überein, daß es wünfchens-

haben, da Sie mir schreiben, daß im Magistrat nun ge­ mäßigte Wahlen stattgefunden haben, sowie daß das Nichtwählen der Ausschüsse durch die drei Bolkstribunen ge­ tadelt wird. Vertrauen Sie mir, das Gouvernement wird auf dem betretenen Wege keinen Riß hervorbringen, wohl aber die Opposition! 1 Vgl. oben N. 36. — 2 Dankadresse von ca. 40 Mitgliedern der matt. Ritterschaft. — 3 Bei der Anwesenheit des Königs aus Anlaß der Ent­ hüllung des Denkmals Friedrichs d. Gr. — 4 Karl Aug. M., Breslauer Fabrikant, gehörte als Abgeordneter des Vereinigten Landtages zu den 58 Renitenten, welche die Wahl der Ausschüsse verweigerten.

39. An Karl Frh. von Vincke-Olbendorf Bferlinf, 23. November 1847

Zwei Briefe mit einigen Anlagen, die ich remittiere, liegen von Ihnen vor mir. Es freut mich, zu lesen, daß Ihnen der Germanistenverein die Überzeugung gewährte, daß Preußens Aktien steigen. Mich wundert dies keinen Moment; der Liberalismus hat ja bei uns gesiegt! So­ bald aber Preußen durch diese gewonnene Stellung auch größeren Einfluß erlangen sollte, so wird auch sogleich alle Animosität gegen dasselbe wieder auftauchen, wie früher; und zwar zunächst von denjenigen, die es jetzt loben und preisen. Anno 1813—15 fchwor man bei Preußen; dann verfolgte man es! über die Tendenz der Deutschen Heidelberger Zeitung \ von der Sie behaupten, daß sie sich immer mehr nützlich für Preußen erweise, diverguiere ich sehr mit Ihrer An­ sicht; mir scheint gerade das Gegenteil stattzufinden. Auch darin stimme ich nicht mit Ihnen überein, daß es wünfchens-

wert sei, den Germanistenverein in Preußen sich versammeln zu lassen.

Geschehen wird es gewiß, aber wünschenswert

kann ich es nicht finden. Wir werden es Beide noch erleben, daß aus allen diesen Vereinen dereinst Revolutionsklubs

werden;

denn auf Konsolidierung des Bestehenden sind

deren Tendenzen nicht gerichtet, sondern nur darauf, auf­ merksam zu machen, daß, so wie die Dinge sind, sie nirgends

bleiben können. In bezug auf meine Ansicht über die Behandlung der

58 2 sagen Sie, daß, es geschehe was da wolle, das Nach­ geben in den Willen des Stärkeren das Vernünftigste sei, denn ein Wille und eine Ansicht müsse das Herrschende

sein pp, und die Opposition müsse dies erkennen. Worte sind mir aus der Seele gesprochen.

Diese

Wollte Gott,

daß Sie dieselben da sprächen, wo sie gehört werden sollten, dann würde vieles, ja alles bei uns besser stehen.

gerade das Gegenteil ist es ja, was gepredigt wird;

Aber der

Wille des Monarchen solle und müsse gebrochen werden;

der Wille der Majoritäten müsse regieren, und wo dies

nicht mit Gutem gehet, da müsse Gewalt, Ungehorsam etc. ans Ziel führen.

Das sind die Lehren des Tages.

Sie meinen nun, daß die Regierung stark sein wird,

wenn sie die 58 ignoriert.

Ich meine das Gegenteil.

Ein

ungestrafter flagranter Ungehorsam kann keine Regierung

stärken, sondern nur dreister machen und zu neuem Un­ gehorsam anspornen.

Diese 58 ungestraft zu sehen, ist

das Lieblingsthema der Ultraliberalen geworden, denen

alle Sophismen dienen müssen.

Blieben sie ungestraft, so

werden dieselben Liberalen das Gouvernement auslachen und der Poltronerie beschuldigen;

werden sie gestraft, so

wird über Ungerechtigkeit geklagt werden;

kurzum, recht

kann man es den Leuten nicht machen; darum gehe man den Weg, den Gewissen und Recht eingeben. Sollten die 58 ungestraft bleiben, so können Sie sicher sein, daß ich meine Stimme nicht dazu gab. Sie wünschen, mich zu überzeugen, daß die Führer der Opposition aus gewissenhafter Überzeugung handelten, und legen deshalb einen Brief des Hserrnf v. Roon bei. Sollte ich wohl glauben, daß diefe Leute irgend jemandem ein­ gestehen werden, daß sie opponierten, um Opposition zu machen und um dem Gouvernement Verlegenheiten zu bereiten?? Da ich dies nicht glaube, so finde ich es auch ganz natürlich, daß v. Rsoons unter Patriotismus seine Opposition verhüllt. Ein gefährliches Wort kommt aber in seinem Schreiben vor: es müsse eine Tat geschehen, weil die Worte nichts vermögt hätten. Die Definition dieser Tat mögte ich wohl kennen? — Wenn Sie sagen, daß der famose Reichenbach 3 wegen seines zuweitgehenden Radikalismus keine Anhänger findet, so kann ich Ihnen die Versicherung des Generallseutenanjt v. Lindheim entgegensetzen, der mir sagt, daß sein Anhang sich auf eine erschreckende Art vermehre und namentlich in den unteren Klassen^. Was es heißt, diese Klassen zu be­ arbeiten, sehen wir jetzt in der Schweiz; wie sind die Re­ gierungen verhöhnt worden, daß sie sich vor einem Phan­ tom in der Schweiz schützen wollten! Daß es kein bloßes Phantom war, liegt zutage. Und so werden auch bei uns alle Radikalen als ungefährlich geschildert, bis die Mine sprengungsfähig ist. Dann ist es freilich zu spät, die Zün­ dung abschneiden zu wollen! Den 28. Sie kritisieren auf eine Art die Eingabe der 40 Ritter5, die mir wehe getan hat! Sie sagen, sie fände

wenig Anklang; ich höre von vielen Seiten, daß sie sehr viel Anklang fand. Es kommt freilich darauf an, von welcher

Farbe die Leute sind, die Sie und ich hörten6.

Wenn Sie

dagegen die Eingabe der 40 Bauern7 zwar zu kraß finden, doch viel Wahres enthaltend, so hätte ich gehofft, daß we­

nigstens dieser Ausspruch auch an jene Eingabe von Ihnen

angewandt worden wäre. Wie verächtlich der ganze Schritt der 40 Bauern erscheint, kann Ihnen doch unmöglich ent­

gangen sein, da Sie wissen müssen, wer der Herr v. Holtzendorff ist, der ihn betrieb8.

Er ist nämlich wegen 13 er­

wiesener Bescholtenheitspunkte, worunter vorläufige Frei­ sprechung vom Meineid figuriert, von der Kreisstandschaft

ausgeschlosfen; ferner ist es erwiesen, daß er die Eingabe verfertigte oder in Kompagnie mit den famosen Hecker 9 und Jtzstein" sie fabrizierte, zu denen er sich unmittelbar

vorher begab; denn das haben die protokollarsischens Aus­

sagen der Bauer:: ergeben, daß ihnen vorgespiegelt worden ist, die Adresse enthalte nichts weiter als die Bitte um Ver­ minderung der Abgaben;

nur einige haben sie gelesen;

sogar einige Knaben sind unter den Unterschriebenen.

Und

ein aus so unlauterer Quelle entstandenes Machwerk er­ klären Sie die Sympathien der Mehrzahl zu besitzen?

Da

muß Täuschung bestehen, oder es stehet viel schlimmer um die Gesinnung im Lande, als ich ahndete. Daß eine Adresse im Trebnitzer und Olser Kreise nicht zustande kam, weiß ich ebenso gut, wie die Machinationen, welche es verhinder­

ten.

Sie können sich doch unmöglich darüber freuen, da

Sie ja selbst die Nichtwähler hart tadeln und diese Adresse ja dasselbe bezweckte?

Die Abschrift des Artikels der Deutschen Zeitung, sowie Ihre Bemerkung, daß alle Teile ehrlich und offen daran-

gehen müssen, den Versuch des Königs zu unterstützen und zu fördern, mit einem Parlament dennoch die absolute Machtvollkommenheit aufrecht zu erhalten, hat mich sehr gefreut und interessiert, weil das doch endlich eine Stimme ist, die beweiset, daß man den König verstehen will. Dies ist die einzige richtige und patriotische Tendenz! Wie lange sich des Königs Prinzipien halten lassen, sagen Sie, muß die Zeit lehren. Da haben Sie vollkommen recht. Wir haben die Zeiten des krassesten Absolutismus gehabt, sie sind vorbei; wir haben denselben in milderer Form gehabt, und sie ist auch erloschen; wir haben ihn mit Provinzial­ ständen gemildert gesehen, auch dies ist vorüber; nun ist er durch ein Parlament gemildert, und es wird sich zeigen, wie lange dies ausreicht. Wenn man also nur die Menschen oder vielmehr die Opposition dahin vermögen könnte, nicht unsinnig zu drängen, sondern der Zeit zu überlassen, was nur von dieser zu erwarten ist, so wäre alles gut! Aber um par force zum Ziel zu gelangen, säen sie Unzufrieden­ heit und Mißtrauen im Lande aus und berechnen nicht, daß daraus eine Revolution, aber kein Gedeihen entstehen kann. Auch schrecken diese Leute nicht vor der Idee der Revolution zurück, weil sie ihre Hände in Unschuld waschen, sagend, nicht wir, sondern die verblendete Regierung hat sie herbeigeführt. Preußens Könige sind von Gott gesegnet und geleitet worden, immer das Zeitgemäße zu erkennen und es zur rechten Zeit zu erteilen. Warum soll es nun mit einem Male anders sein, wo man den redlichsten Willen auf dem Thron siehet? Aber immer drängen, ohne zu berechnen, was daraus wird, das ist die Tendenz der Zeit, der eine weise Regierung fest entgegentreten muß, während sie andererseits die Bedürfnisse der Zeit

regeln und leiten muß. Es sind diesen eben so wenig Dämme entgegenzusetzen, die den Lauf hemmen sollen, als Einfriedigungsdämme aufzuführen, von denen man weiß, daß sie den bösen Strom nicht leiten können. Einverstanden bin ich mit Ihnen, daß es besser ge­ wesen wäre, die Vagabunden-Gnaden-Mte nicht zu publi­ zieren; aber so weit wie Ihre geliebte Deutsche Zeitung gehe ich in Beurteilung dieses Aktes doch nicht! — Wenn Sie sagen, daß die kirchlichen Wirren ein sehr gefährliches Element bei politischen Aufregungen sind, so wissen Sie seit lange, daß ich damit ganz einverstanden bin; denn sie können viel leichter der Hebel eines Auf­ standes werden, weil jeder Bauer es verstehet, wenn Pro­ pagandisten der Politik ihnen vorspiegeln, daß man ihrer Religion und Kirche zu nahe tritt. Und wie geschickt jene Propaganda ist, um die zarten oder wundigen Punkte zu finden, die ihren verräterischen Planen nutzen können, das sehen wir täglich! Ich werde es daher ewig be­ klagen, daß eine orthodoxe Richtung bei uns immer leb­ hafter wird. Ich bin der stärkste Antagonist des sogenannten Toleranzgesetzes gewesen, teils weil es das Auseinander­ fallen der evangselischens Kirche begünstigt, teils weil es in der Willkür der Machthaber liegen wird, zu bestimmen, welche Sekte mehr oder minder begünstigt werden soll. Indessen das Gesetz ist einmal vorhanden! und unter den gegebenen Umständen blieb nichts anderes zuletzt übrig. Daher finde ich auch die Anrede des Königs an die Magde­ burger vortrefflich und ganz vollkommen gesetzlich und weise, denn die Quintessenz derselben ist: „Wir befinden uns in einer religiösen Krisis; zur Aufklärung der Bedürfnisse sind die verschieden abgestuften Synoden konstituiert; wartet

also ab, was aus diesen Verhandlungen für Resultate er­ langt werden können;

wer sich aber in seinem Gewissen

gedrängt fühlt, nicht warten zu können, nun, für den ist das Toleranzgesetz da, es gestattet die Bildung neuer Re­ ligionsgesellschaften." Daß die Forderung der Magdeburger

eine völlig ungereimte war, ein König von Preußen solle

bestimmen, daß das Glaubensbekenntnis geändert oder ver­ ändert geglaubt werden solle, werden sie mir zugeben

müssen, denn der König wurde ja dadurch geradezu zum Papst konstituiert.

Anders verhält es sich mit dem Ver­

langen, die sogenannte mildere Praxis in Anwendung der Lithurgie wieder zu gestatten. Hier liegt aber der Fehler unserer Orthodoxen, daß sie zu schroff vorgehen und kon­ trollieren wollen.

Aber freilich, wenn dies einmal ge­

schiehet und Unrichtigkeiten entdeckt werden, so müssen sie geregelt werden. Ihren Vorschlag, das Glaubensbekenntnis verlesen zu lassen und vorherzusagen, so lautet das alte Bekenntnis, kann ich nicht gutheißeu.

Denn damit ist es

Jedem überlassen, an die [!] Gottheit Christi zu zweifeln, und wer das tut, der ist kein Christ mehr. Denn wer Christus

nur für den vollkommensten Sterblichen hält, der wird dessen Lehre auch nur insoweit befolgen, als sie ihm gerade

genehm ist; nicht.

vereidigen kann er sich auf Menschenworte

Erkennt man aber die Gottheit Christi an, dann

stehet es ganz anders um unsern Glauben.

Der Heiland

hat gesagt: Wer mich siehet, der siehet den Vater! also die Stelle des Glaubensbekenntnisses:

Wird

pp. den ein­

geborenen Sohn Gottes — in Zweifel gestellt oder in jedes Menschen Willen gestellt, daran zu glauben oder nicht, so fällt der ganze Glaube zufammen. Also rufe ich

jedem die Worte des Königs zu: Wartet ab;

wer nicht

dies will, der trete aus! — Nach dieser Ansicht werden Sie einsehen, daß ich mit der Ansicht, welche die zurückfolgende Anlage erithält, nicht einverstanden bin, obgleich dieselbe in anderen Punkten viel Gutes enthält. Aber das Losziehen über Matthis11 ärgert mich sehr, weil es die Tendenz der untersten Klassen ausspricht, keine Aufsicht irgendeiner Art gestatten zu wollen. Da haben Sie eine lange Epistel, die mir in einigen Mußestunden unter den Händen anschwoll. Leben Sie wohl. 1 Die im Juli begonnene und von Gervinus geleitete „Deutsche Zeitung". — 2 Vgl. oben N. 36. — 3 Der zur Opposition gehörige Schlesier Gras R. — ' v. B. bemerkt dazu: „In der unteren Klasse ist möglich." — 6 Vgl. oben N. 38 N. 2.—6 Hierzu bemerkte v. Vincke am Rande: „Niemand sagt E. K. H. etwas Unangenehmes." — 7 Eine durch den liberalen Uckermärker v. Holtzendorff veranlaßte Eingabe märkischer Landlcntc. — 8 v. Vincke bemerkte dazu: „Weiß ich nicht." — ’ Der badische Liberale Friedrich H. — 10 Joh. Adam v. I., badischer Liberaler. — 11 Ludwig Emil Mathis, damals Direktor im Ministerium des Innern, vertrat eine strengere kirchliche Richtung.

40. An Karl Frh. v. Bincke-Olbendorf Berlin, den 5. März 1848

Ihre Ansicht, was in dem jetzigen Augenblick Preußen und Deutschland zu tun habe, ist vollkommen richtig, und Gfenerajl Radowitz ist in diesem Sinne nach Wien ge­ sendet. Daß Deutschland indessen viel kränker ist, als Sie und titelse] bisher glauben wollten, beweisen Karlsruhe und Darmstadt. Ihr Räsonnement über Louis PHUipps retrograde Politik kann ich nicht anerkennen; er tat nichts weiter, als den Sturz des Thrones auf systematischem Wege zu hindern; gestürzt wäre er auf die eine oder andere

dies will, der trete aus! — Nach dieser Ansicht werden Sie einsehen, daß ich mit der Ansicht, welche die zurückfolgende Anlage erithält, nicht einverstanden bin, obgleich dieselbe in anderen Punkten viel Gutes enthält. Aber das Losziehen über Matthis11 ärgert mich sehr, weil es die Tendenz der untersten Klassen ausspricht, keine Aufsicht irgendeiner Art gestatten zu wollen. Da haben Sie eine lange Epistel, die mir in einigen Mußestunden unter den Händen anschwoll. Leben Sie wohl. 1 Die im Juli begonnene und von Gervinus geleitete „Deutsche Zeitung". — 2 Vgl. oben N. 36. — 3 Der zur Opposition gehörige Schlesier Gras R. — ' v. B. bemerkt dazu: „In der unteren Klasse ist möglich." — 6 Vgl. oben N. 38 N. 2.—6 Hierzu bemerkte v. Vincke am Rande: „Niemand sagt E. K. H. etwas Unangenehmes." — 7 Eine durch den liberalen Uckermärker v. Holtzendorff veranlaßte Eingabe märkischer Landlcntc. — 8 v. Vincke bemerkte dazu: „Weiß ich nicht." — ’ Der badische Liberale Friedrich H. — 10 Joh. Adam v. I., badischer Liberaler. — 11 Ludwig Emil Mathis, damals Direktor im Ministerium des Innern, vertrat eine strengere kirchliche Richtung.

40. An Karl Frh. v. Bincke-Olbendorf Berlin, den 5. März 1848

Ihre Ansicht, was in dem jetzigen Augenblick Preußen und Deutschland zu tun habe, ist vollkommen richtig, und Gfenerajl Radowitz ist in diesem Sinne nach Wien ge­ sendet. Daß Deutschland indessen viel kränker ist, als Sie und titelse] bisher glauben wollten, beweisen Karlsruhe und Darmstadt. Ihr Räsonnement über Louis PHUipps retrograde Politik kann ich nicht anerkennen; er tat nichts weiter, als den Sturz des Thrones auf systematischem Wege zu hindern; gestürzt wäre er auf die eine oder andere

Art, weil niemand mehr eine Macht über sich anerkennen will, höchstens neben sich. Wir werden dies bald allent­ halben sehen, wenn wir erst Preßfreiheit und -Frechheit haben, dann stehet kein Thron mehr lange! und die Re­ publik wird triumphieren. Ist sie doch hier bereits in den Handwerksvereinen besprochen worden und sind drei dieser­ halb geschlossen. Sagte ich es Ihnen in meinem letzten Brief nicht vorher, daß diese und andere dergleichen Vereine einst revolutionäre Klubs werden würden? Daß es so bald sich bewahrheiten würde, ahndete ich freilich nicht. Daß Europa Frankreich nicht provozieren wird, dafür können Sie sicher sein. Da man die Dynastie, die mit unserm Blut und unsern Bajonnetten nach Frankreich zurückkehrte, nicht wieder einsetzen wollte, wird man wohl weder unser Blut noch unsere Bajonnette verwenden, um eine Usur­ patorfamilie zurückzuführen, die jetzt ihren Lohn erhält; immer habe ich es gesagt, wenn Gerechtigkeit im Himmel ist, kann der Mann nicht ungestraft auf seinem Thron bleiben. Nun liegt er da, wo er gefunden wurde — in den Barrikaden. Ihre Wahl wird schwerlich bestätigt werden können, in­ dem in der Ritterschaft sehr selten Ausnahmen vom zehnjährigen Besitz gemacht werden, vorzüglich wenn in subsidio eine andere gute Wahl stattgefunden hat. Ihre Ansichten in Ihrem vorletzten Brief über den Ausschuß sind die meinigen; er hat zwar einige tendenziöse Abstimmungen geliefert, die häßlich waren, aber das Ganze ging gut. Morgen ist der Schluß 1 — Gott segne ihn! 1 Am 6. März Schluß der Vereinigten Ausschüsse mit einer die periodische Einberufung des Bereinigten Landtages verheißenden An­ sprache des Königs.

41. An Generalleutnant von Strantz II zu Degenfurth bei Breslau 1 93[erlin], 13. März [18]48

Tausend Dank für Ihre so interessanten Mitteilungen. Breslau, das radikale, stehet in diesem Moment vernünfti­ ger da wie Berlin und viele andere Städte. Die Depu­ tation^ ist sehr gnädig vom König empfangen worden, und

ich habe mit ihr ä coeur ouvert gesprochen. Aber was aus dem allen noch werden soll, weiß der Himmel! Deutsch­ land ist durch unblutige Revolution und Fürstenschwäche dahin gekommen, wo Louis Philipp 1830 anfing. Wohin wird es noch kommen? Jetzt zeigt es sich, wie konsequent die Radikalen gearbeitet haben, und wie sie sehr wohl wußten, wie sie mit Benagung des MMärbudgets die be­ waffnete Macht so schwächen und so wenig diszipliniert machen würden, daß die Fürsten im entscheidenden Augen­ blick keine Stütze in ihr finden würden. Und nun noch gar Nationalgarde; diese und die freie Presfe bringen in wenig Zeit Deutschland zur Republik. Leben Sie wohl und schreiben Sie mir, wenn es Inter­ essantes gibt. Wenn nur Breslau nicht noch umschlägt! 1 Generallandesarchiv Karlsruhe. Auszug bei Berner I, S. 172. — 2 Sie verband mit dem Danke für die bewilligte Periodizität des Land­ tages die Bitte um baldige Einberufung und um Preßfreiheit.

42. An Karl Frh. v. Bincke-Olbendorf (geschrieben Citadelle Spandau den 20. März 1848 Vormittags)

Auf das Feierlichste kann ich die Versicherung geben, daß ich weder am 18. März d. I. noch an einem der vorher­ gehenden Tage irgendeinen Befehl an die Truppen, welche

41. An Generalleutnant von Strantz II zu Degenfurth bei Breslau 1 93[erlin], 13. März [18]48

Tausend Dank für Ihre so interessanten Mitteilungen. Breslau, das radikale, stehet in diesem Moment vernünfti­ ger da wie Berlin und viele andere Städte. Die Depu­ tation^ ist sehr gnädig vom König empfangen worden, und

ich habe mit ihr ä coeur ouvert gesprochen. Aber was aus dem allen noch werden soll, weiß der Himmel! Deutsch­ land ist durch unblutige Revolution und Fürstenschwäche dahin gekommen, wo Louis Philipp 1830 anfing. Wohin wird es noch kommen? Jetzt zeigt es sich, wie konsequent die Radikalen gearbeitet haben, und wie sie sehr wohl wußten, wie sie mit Benagung des MMärbudgets die be­ waffnete Macht so schwächen und so wenig diszipliniert machen würden, daß die Fürsten im entscheidenden Augen­ blick keine Stütze in ihr finden würden. Und nun noch gar Nationalgarde; diese und die freie Presfe bringen in wenig Zeit Deutschland zur Republik. Leben Sie wohl und schreiben Sie mir, wenn es Inter­ essantes gibt. Wenn nur Breslau nicht noch umschlägt! 1 Generallandesarchiv Karlsruhe. Auszug bei Berner I, S. 172. — 2 Sie verband mit dem Danke für die bewilligte Periodizität des Land­ tages die Bitte um baldige Einberufung und um Preßfreiheit.

42. An Karl Frh. v. Bincke-Olbendorf (geschrieben Citadelle Spandau den 20. März 1848 Vormittags)

Auf das Feierlichste kann ich die Versicherung geben, daß ich weder am 18. März d. I. noch an einem der vorher­ gehenden Tage irgendeinen Befehl an die Truppen, welche

zur Aufrechterhaltung der Ordnung in Berlin ausgerückt waren, gegeben habe, also auch an den Schüssen schuldlos bin, welche die Katastrophe des 18. veranlaßt haben sollen. Ich habe, als diese Schüsse willenlos erschallten, am ersten Fenster des neuen Vortragszimmers des Königs gestanden, konnte also nicht auf dem Balkon des Neben'aals stehen, wie behauptet wird, und rief zu den Umstehenden, die Hände erhebend: Wenn nur niemand in den Fenstern blessiert ist! Es gingen nämlich diese beiden Schüsse aus der Mitte eines in rechtsum marschierenden Schützen­ zuges aus den aufrecht gehaltenen Gewehren los; der Zug marschierte auf dem Bürgersteig von der Breiten Straße nach der Kurfürstenbrücke; ein Mann der Tete dieses Zuges schoß, wahrscheinlich aus den hinter ihm los­ gegangenen Schüssen vermutend, es sei das Feuern be­ fohlen. Dies der genaue Hergang des Mißverständnifses.

43. An den Generalmajor Carl von Unruh, Militär-Gouverneur des Prinzen Friedrich Wilhelm 1 Pfauen-Jnsel bei Potsdam, 21. März 1848

Wir find ganz mit Ihrer Ansicht wegen Döberitz einver­ standen. Gott gebe feinen Segen! Für mich ist es noch Hauptfache, nahe von Potsdam zu bleiben, aber täglich andere Aufenthaltsorte zu wählen, die wir nachts erreichen. Sprechen Sie mit Oberstleutnant Graf Waldersee, der uns hierher dirigierte; er allein ist im Geheimnis. Jeden­ falls muß diesen Abend 9 Uhr eine Privatkalesche mit zwei Pferden, von einem Offizier, als Kutscher verkleidet, gefahren, an einem Punkt des Ufers gegenüber der hiesigen Meierei bereitstehen, um uns nach einem Orte im Havel-

zur Aufrechterhaltung der Ordnung in Berlin ausgerückt waren, gegeben habe, also auch an den Schüssen schuldlos bin, welche die Katastrophe des 18. veranlaßt haben sollen. Ich habe, als diese Schüsse willenlos erschallten, am ersten Fenster des neuen Vortragszimmers des Königs gestanden, konnte also nicht auf dem Balkon des Neben'aals stehen, wie behauptet wird, und rief zu den Umstehenden, die Hände erhebend: Wenn nur niemand in den Fenstern blessiert ist! Es gingen nämlich diese beiden Schüsse aus der Mitte eines in rechtsum marschierenden Schützen­ zuges aus den aufrecht gehaltenen Gewehren los; der Zug marschierte auf dem Bürgersteig von der Breiten Straße nach der Kurfürstenbrücke; ein Mann der Tete dieses Zuges schoß, wahrscheinlich aus den hinter ihm los­ gegangenen Schüssen vermutend, es sei das Feuern be­ fohlen. Dies der genaue Hergang des Mißverständnifses.

43. An den Generalmajor Carl von Unruh, Militär-Gouverneur des Prinzen Friedrich Wilhelm 1 Pfauen-Jnsel bei Potsdam, 21. März 1848

Wir find ganz mit Ihrer Ansicht wegen Döberitz einver­ standen. Gott gebe feinen Segen! Für mich ist es noch Hauptfache, nahe von Potsdam zu bleiben, aber täglich andere Aufenthaltsorte zu wählen, die wir nachts erreichen. Sprechen Sie mit Oberstleutnant Graf Waldersee, der uns hierher dirigierte; er allein ist im Geheimnis. Jeden­ falls muß diesen Abend 9 Uhr eine Privatkalesche mit zwei Pferden, von einem Offizier, als Kutscher verkleidet, gefahren, an einem Punkt des Ufers gegenüber der hiesigen Meierei bereitstehen, um uns nach einem Orte im Havel-

lande zu bringen, oder auch nur nach Marquard^t^I, wenn keine Truppen dort liegen, oder Kartzow, BuchowKarpzow — nur kein Ort auf der Chaussee. Wäre eine solche Tour zuviel für dieselben Pferde, so müßte ein anderer verkleideter Offizier mit zwei Relaispferden irgend­ wo disponiert werden. Ein anderer verkleideter Offizier, vielleicht Oberstleutnant Graf Waldersee, muß vor 9 Uhr hier fein, tim zu sagen, was angeordnet ist. Welche Lage, flüchtig zu sein, wegen Verleumdung!! 1 H.-A.

44. An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf London, den 21. Mai 1848l

Die Prinzeß hat mir Ihr Schreiben an sie vom 10. d. M. gesendet, in welchem Sie klagen, keine Antwort von mir erhalten zu haben auf Ihren Brief aus Ffrankfurtf a. M., und sagen, daß sich dieser Umstand nur so erklären lasse: entweder müsse ich den Verleumdungen gegen Sie Glau­ ben schenken oder unter ganz reaktionärem Einfluß stehen. — Die Antwort ist eine viel einfachere. Ich habe stets Fächer, in denen beantwortete und unbeantwortete Briefe liegen, jede gesondert, und ich schreibe zur Antwort, wie ich sie liegen finden nun habe ich aber Ihren Brief der Prinzeß gesendet, so daß er mir aus dem Gedächtnis kam und er unbeantwortet blieb. Voilä Paffaire! Uber die zwei Gründe zu meinem Schweigen gegen Sie, welche Sie nur für möglich halten, schweige ich, weil ich schmerz­ lich berührt bin, daß Sie gerade nur solche Gründe auf­ zufinden vermogten^ ich glaubte, daß Ihnen mein Karakter besser bekannt sei.

lande zu bringen, oder auch nur nach Marquard^t^I, wenn keine Truppen dort liegen, oder Kartzow, BuchowKarpzow — nur kein Ort auf der Chaussee. Wäre eine solche Tour zuviel für dieselben Pferde, so müßte ein anderer verkleideter Offizier mit zwei Relaispferden irgend­ wo disponiert werden. Ein anderer verkleideter Offizier, vielleicht Oberstleutnant Graf Waldersee, muß vor 9 Uhr hier fein, tim zu sagen, was angeordnet ist. Welche Lage, flüchtig zu sein, wegen Verleumdung!! 1 H.-A.

44. An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf London, den 21. Mai 1848l

Die Prinzeß hat mir Ihr Schreiben an sie vom 10. d. M. gesendet, in welchem Sie klagen, keine Antwort von mir erhalten zu haben auf Ihren Brief aus Ffrankfurtf a. M., und sagen, daß sich dieser Umstand nur so erklären lasse: entweder müsse ich den Verleumdungen gegen Sie Glau­ ben schenken oder unter ganz reaktionärem Einfluß stehen. — Die Antwort ist eine viel einfachere. Ich habe stets Fächer, in denen beantwortete und unbeantwortete Briefe liegen, jede gesondert, und ich schreibe zur Antwort, wie ich sie liegen finden nun habe ich aber Ihren Brief der Prinzeß gesendet, so daß er mir aus dem Gedächtnis kam und er unbeantwortet blieb. Voilä Paffaire! Uber die zwei Gründe zu meinem Schweigen gegen Sie, welche Sie nur für möglich halten, schweige ich, weil ich schmerz­ lich berührt bin, daß Sie gerade nur solche Gründe auf­ zufinden vermogten^ ich glaubte, daß Ihnen mein Karakter besser bekannt sei.

Ihre Schilderung an die Prinzeß, wie Sie die Sachen bei uns jetzt finden, nachdem weder Sie noch Dork ge­ wählt wurden, wobei Sie Beide, ohne Revolutionärs, Gott sei Dank, zu sein, doch die Erfahrung derselben ge­ macht haben, daß die Agitatoren zuerst über Bord ge­ worfen werden! — hat mich ungemein interessiert, aber nicht verwundert. Ich finde in derselben nur die Be­ stätigung, daß alles das eingetroffen ist, was ich vorhersah und warum ich bis zum 19. März den Versuchen zum Umsturz des Bestehenden so kräftig jahrelang entgegentrat und alles auf einem geregelten, besonnenen Wege sich ent­ wickeln sehen wollte. Was ich Ihnen hundertmal gesagt und geschrieben habe, ist eingetroffen. Das unmäßige Drängen nach Veränderungen unserer Verfassung, das ge­ flissentliche Verunglimpfen der Gesetze des 3. Februars waren alles Mittel und Wege, zu dem Resultate zu ge­ langen, wo wir nun sind! Viele haben unbewußt dazu beigetragen; sehr viele wußten aber, wohin sie kommen wollten, und diese müssen mit dem jetzigen Zustand aller­ dings vollkommen zufrieden sein; denn es ist ihr Werk. Aber selbst diese erschrecken vielleicht jetzt über das Werk, well sie, wie der Zauberlehrling, die eine Formel ver­ gessen haben (oder vielmehr nie gekannt haben), die zur Herstellung der Dinge gehört! Ruhe, Ordnung, Zucht, Gehorsam, Handel, Gewerbe, Wohlstand, Kredit, Zufrieden­ heit ------------ das alles besaßen wir vor dem 19. März; man versicherte aber dem Volke, daß wir das alles nicht besäßen, sondern erst durch Freiheit erlangen würden. Jetzt ist diese Freiheit errungen, wie man mir sagt, und mit ihr ist das alles verloren, was wir sonst hatten und wobei wir uns glücklich während 33 Friedensjahren fühlten. Diefe

Errungenschaften, modernes viel bezeichnendes Wort, ist der Preis der Barrikaden, und deren Verteidiger können stolz auf diesen Preis sein! Was über mich gekommen ist seit wenig Tagen, wissen Sie; in 14 Tagen soll ich in Berlin sein, dann werden Sie weiter von mir hören! Daß Ihre Aufopferung für mich 2 in jenen katastrophen Tagen [! ] Ihnen jetzt Nachteil bringt, sahen Sie voraus, daher ist Ihnen meine Dank­ barkeit doppelt und dreifach sicher. [N. S.] Den 22. Soeben suchte ich nach einem be­ antworteten Briefe und finde in dem Fache — Ihren aus Fsrankfurtj a. M. —, so daß ich Ihren Brief aus Hamburg nur der Prinzeß geschickt haben muß. Daher ist die ein­ gangs gegebene Entschuldigung eine unrichtige, und eine Konfusion der Aufbewahrungsfächer trügt die Schuld. — 1 Über die Einstellung des Prinzen zu den Ereignissen vgl. auch die aus den vorangehenden Wochen vorliegenden Schreiben an Otto v. Manteuffel vom 7. April (v. Poschinger I, S. 19, Berner I, S. 176, Brandenburg, S. 46); an Julius v. Schleinitz v. 19. April (aus den Papieren der Familie v. Schl., S. 333); an Bunsen vom 4. Mai (Springer, F. C. Dahlmann II, S. 235, Berner I, S. 178, Branden­ burg, S. 47); an L. v. Gerlach vom 16. Mai (L. v. G., Denkwürdig­ keiten I, S. 158, Berner I, S. 181, Brandenburg, S. 50). — Vgl. Deutsche Revue 1897, 3, S. 257 ff. Dort auch ein Schreiben an Bunsen vom 30. Mai 1848. — 2 Beihilfe bei der Flucht aus Berlin.

45. Aufzeichnung über das politische Programm des Prinzen sJuni 1848]

Mein Programm ist das Patent vom 18. März, das ich mit unterzeichnete. Die dort angedeutete Umgestaltung Deutschlands sollte eine moralische Einheit erzeugen. Eine Nivellierung der einzelnen Staaten, ein Aufgehen derselben

Errungenschaften, modernes viel bezeichnendes Wort, ist der Preis der Barrikaden, und deren Verteidiger können stolz auf diesen Preis sein! Was über mich gekommen ist seit wenig Tagen, wissen Sie; in 14 Tagen soll ich in Berlin sein, dann werden Sie weiter von mir hören! Daß Ihre Aufopferung für mich 2 in jenen katastrophen Tagen [! ] Ihnen jetzt Nachteil bringt, sahen Sie voraus, daher ist Ihnen meine Dank­ barkeit doppelt und dreifach sicher. [N. S.] Den 22. Soeben suchte ich nach einem be­ antworteten Briefe und finde in dem Fache — Ihren aus Fsrankfurtj a. M. —, so daß ich Ihren Brief aus Hamburg nur der Prinzeß geschickt haben muß. Daher ist die ein­ gangs gegebene Entschuldigung eine unrichtige, und eine Konfusion der Aufbewahrungsfächer trügt die Schuld. — 1 Über die Einstellung des Prinzen zu den Ereignissen vgl. auch die aus den vorangehenden Wochen vorliegenden Schreiben an Otto v. Manteuffel vom 7. April (v. Poschinger I, S. 19, Berner I, S. 176, Brandenburg, S. 46); an Julius v. Schleinitz v. 19. April (aus den Papieren der Familie v. Schl., S. 333); an Bunsen vom 4. Mai (Springer, F. C. Dahlmann II, S. 235, Berner I, S. 178, Branden­ burg, S. 47); an L. v. Gerlach vom 16. Mai (L. v. G., Denkwürdig­ keiten I, S. 158, Berner I, S. 181, Brandenburg, S. 50). — Vgl. Deutsche Revue 1897, 3, S. 257 ff. Dort auch ein Schreiben an Bunsen vom 30. Mai 1848. — 2 Beihilfe bei der Flucht aus Berlin.

45. Aufzeichnung über das politische Programm des Prinzen sJuni 1848]

Mein Programm ist das Patent vom 18. März, das ich mit unterzeichnete. Die dort angedeutete Umgestaltung Deutschlands sollte eine moralische Einheit erzeugen. Eine Nivellierung der einzelnen Staaten, ein Aufgehen derselben

in Deutschland -war dort nicht verlangt. Für Preußen ist dies Aufgehen undenklich, und wenn Preußens Selb­ ständigkeit durch Kreierung eines Reichsoberhauptes und durch das Parlament zu F. a. M. Eintracht [!] geschiehet, so muß Preußen aus Deutschland ausscheiden. Preußen soll aus denen im Patent vom 18. März an­ gegebenen Gründen ein konstitutioneller Staat werden. Es muß das 2 Kammersystem annehmen. Die 1. Kammer bestehe aus 60 erblichen Mitgliedern (8000 Rtlr.), 40 lebens­ länglichen vom König gewählten (4000 Rtlr.) und aus 50 Mitgliedern (2500 Rtlr.), welche die 2. Kammer auf 6Jahre wählt. Die 2. Kammer wird nach einem Wahlgesetz mit Zensus und indirekten Wahlen gewählt, 300 Mitglieder. Die innere Verwaltung bleibt vorläufig unverändert; Miß­ bräuche werden abgestellt. Das Ministerium ist verantwort­ lich. In der Gerichtspflege wird die Jury, Öffentlichkeit und Mündlichkeit eingeführt. Die jetzt sogenannten Feudallasten werden gegen Entschädigung aufgehoben, welches als Prinzip unumstößlich festzuhalten ist, wenn auch die Realisierung nicht sofort erfolgen könnte. Die Armee wird nicht auf die Verfassung vereidigt, weil sie dadurch zu einer deliberierenden Körperschaft ge­ macht würde, welche bei eintretendem Konflikt zwischen Monarch und Verfassung gezwungen wäre, zu wählen, für wen sie sich entscheiden wolle. Dies unhaltbare Verfahren bestehet deshalb auch nicht in England. 1 Eigenh.

Geh. St.-A. Rep. 94 IV Pa. 40.

46. An Graf Karl v. der Gröben-Neudörfchen1 Schloß Babelsberg, den 28. Juni 1848

Wie leid tut es mir, aus Ihrem gütigen Schreiben vom

in Deutschland -war dort nicht verlangt. Für Preußen ist dies Aufgehen undenklich, und wenn Preußens Selb­ ständigkeit durch Kreierung eines Reichsoberhauptes und durch das Parlament zu F. a. M. Eintracht [!] geschiehet, so muß Preußen aus Deutschland ausscheiden. Preußen soll aus denen im Patent vom 18. März an­ gegebenen Gründen ein konstitutioneller Staat werden. Es muß das 2 Kammersystem annehmen. Die 1. Kammer bestehe aus 60 erblichen Mitgliedern (8000 Rtlr.), 40 lebens­ länglichen vom König gewählten (4000 Rtlr.) und aus 50 Mitgliedern (2500 Rtlr.), welche die 2. Kammer auf 6Jahre wählt. Die 2. Kammer wird nach einem Wahlgesetz mit Zensus und indirekten Wahlen gewählt, 300 Mitglieder. Die innere Verwaltung bleibt vorläufig unverändert; Miß­ bräuche werden abgestellt. Das Ministerium ist verantwort­ lich. In der Gerichtspflege wird die Jury, Öffentlichkeit und Mündlichkeit eingeführt. Die jetzt sogenannten Feudallasten werden gegen Entschädigung aufgehoben, welches als Prinzip unumstößlich festzuhalten ist, wenn auch die Realisierung nicht sofort erfolgen könnte. Die Armee wird nicht auf die Verfassung vereidigt, weil sie dadurch zu einer deliberierenden Körperschaft ge­ macht würde, welche bei eintretendem Konflikt zwischen Monarch und Verfassung gezwungen wäre, zu wählen, für wen sie sich entscheiden wolle. Dies unhaltbare Verfahren bestehet deshalb auch nicht in England. 1 Eigenh.

Geh. St.-A. Rep. 94 IV Pa. 40.

46. An Graf Karl v. der Gröben-Neudörfchen1 Schloß Babelsberg, den 28. Juni 1848

Wie leid tut es mir, aus Ihrem gütigen Schreiben vom

9. zu sehen, daß Sie mich in Minden verfehlten! Wie gern

hätte ich Sie gesehen und gesprochen!! — Sie lassen meinem in Wesel ausgesprochenen Glaubensbekenntnis 2 Gerechtig­

keit widerfahren.

Alle, die es mit König und Volk wohl

meinen, stimmen mit meinen Worten überein.

Das ab­

getretene Ministerium Camphausen wollte dasselbe, ergriff aber nicht die erforderlichen Mittel, dennoch sehe ich C. ungern scheiden, denn ich halte ihn für einen rechtlichen,

edlen Menschen.

Das neue Ministerium vermag ich nicht

zu beurteilen, da ich die Personen nicht kenne.

Schrecken­

stein müßte die Seele desselben sein, wenn es gut gehen soll, er nimmt sich vortrefflich.

Aber es ist zuviel verloren­

gegangen, um so bald wieder aufbauen zu können!!

Gott

wird Preußen nicht verlassen! — obgleich es Momente jetzt noch gibt, wo einem sehr bange wird.

Ist Berlin

erst wieder in Ordnung, dann wird sich vieles bessern. Die Emeute in Paris wird den Vernünftigen zeigen,

daß auch Republiken nicht sicher davor sind und daß auch

sie Barrikaden erlebt, an denen Bürgerblut durch Truppen vergossen wird. — Gott sei Dank, daß unsere Armee so

hoch dastehet in allen Kämpfen, wo sie sich schlagen mußte;

unsere Militärverfassung hat sich herrlich bewährt, — dar­ um wollen die Wühler sie ändern! ... 1 Briefwechsel mit Graf K. v. der G. im Geh. St.-A. — 2 Am 4. Juni beim Empfang durch Magistrat und Garnison. Er führte aus, daß er als erster Untertan des Königs sich mit vollem Herzen den neuen Verhältnissen anschließe. Er wende sich aber mit ganzer Kraft gegen eine Anarchie.

47. An Ministerpräsident Rudolf v. Auerswald 1 Schloß Babelsberg, den 10. Juli 1848

Die Schlacht, der Sie morgen entgegengehen, kommt

9. zu sehen, daß Sie mich in Minden verfehlten! Wie gern

hätte ich Sie gesehen und gesprochen!! — Sie lassen meinem in Wesel ausgesprochenen Glaubensbekenntnis 2 Gerechtig­

keit widerfahren.

Alle, die es mit König und Volk wohl

meinen, stimmen mit meinen Worten überein.

Das ab­

getretene Ministerium Camphausen wollte dasselbe, ergriff aber nicht die erforderlichen Mittel, dennoch sehe ich C. ungern scheiden, denn ich halte ihn für einen rechtlichen,

edlen Menschen.

Das neue Ministerium vermag ich nicht

zu beurteilen, da ich die Personen nicht kenne.

Schrecken­

stein müßte die Seele desselben sein, wenn es gut gehen soll, er nimmt sich vortrefflich.

Aber es ist zuviel verloren­

gegangen, um so bald wieder aufbauen zu können!!

Gott

wird Preußen nicht verlassen! — obgleich es Momente jetzt noch gibt, wo einem sehr bange wird.

Ist Berlin

erst wieder in Ordnung, dann wird sich vieles bessern. Die Emeute in Paris wird den Vernünftigen zeigen,

daß auch Republiken nicht sicher davor sind und daß auch

sie Barrikaden erlebt, an denen Bürgerblut durch Truppen vergossen wird. — Gott sei Dank, daß unsere Armee so

hoch dastehet in allen Kämpfen, wo sie sich schlagen mußte;

unsere Militärverfassung hat sich herrlich bewährt, — dar­ um wollen die Wühler sie ändern! ... 1 Briefwechsel mit Graf K. v. der G. im Geh. St.-A. — 2 Am 4. Juni beim Empfang durch Magistrat und Garnison. Er führte aus, daß er als erster Untertan des Königs sich mit vollem Herzen den neuen Verhältnissen anschließe. Er wende sich aber mit ganzer Kraft gegen eine Anarchie.

47. An Ministerpräsident Rudolf v. Auerswald 1 Schloß Babelsberg, den 10. Juli 1848

Die Schlacht, der Sie morgen entgegengehen, kommt

mir nicht aus dem Sinn! Sie erinnern sich, wie ent­ schieden ich meine Ansicht bei Ihrer Unterredung mit dem König wegen des Protestes gegen die Art der Reichs­ verweserswahl und gegen die demselben zu erteilenden At­ tributionen aussprach. Sie können sich also denken, wie wenig ich mit der Reservation zufrieden bin, welche Sie in der Nationalversammlung vertagten und nun — doch noch zuweitgehend morgen angegriffen werden soll!2 — Die morgende Diskussion ist entscheidend für Preußens Zukunft, ob es mediatisiert werden soll oder ob es seine Selbständigkeit sich erhalten will! Ich muß Ihnen daher diesen Zuruf noch zukommen lassen: Halten Sie fest an der Reservation und suchen Sie sogar Terrain zu gewinnen, namentlich wenn die Diskussion auf die Attri­ butionen kommt, namentlich wegen Kommandos der Trup­ pen und der Gesandtschaften. Sogar Bayern will fein Armeekommando festhalten (siehe Depesche München vom 8. Juli) und die Attributionen scharf begrenzt wissen. Ich fürchte immer, Ihre Kollegen werden Sie zu einem ver­ mittelnden Schritt nötigen, und dann ist es mit Preußens Selbständigkeit aus, denn noch mehr nachgeben, als Sie schon taten, kann nur dazu führen, uns zu mediatisieren. Also ist mein Rat, es zur Kabinettsfrage zu machen, so daß die Möglichkeit gegeben ist, mit der Versammlung zu brechen, dieselbe aufzulösen und das Ministerium zu kon­ servieren. Gefaßt muß man dann auf alles sein, d. h. wenn die Versammlung sich nicht auflösen lassen will und sich permanent erklärt; wenn Berlin sie darin unterstützt, dann muß der Sitz der Regierung nach Potsdam verlegt werden, Berlin zerniert und zur Ergebung gezwungen wer­ den. — Sie sehen, daß mir alles klar ist in seinen Kon-

sequenzen, darum schwanke ich aber keinen Moment. kein Nachgeben morgen! — Gott mit uns!

Nur

1 Briefwechsel mit Rud. v. A. Geh. St.-A. — 2 In der Sitzung vom 4. Juli hatte der Ministerpräsident von der Zustimmung der Preuß. Regierung zur Wahl des Reichsverwesers Mitteilung gemacht und keine Einwendung dagegen erhoben, daß dem Erzherzog als Reichsverweser die von der deutschen Nationalversammlung am 28. Juni beschlossenen Attributionen beigelegt würden. Die Ausführungen schlossen mit den Worten: „Wenn übrigens die deutsche Nationalversammlung ihre Be­ schlüsse über die Konstituierung einer provisorischen Zentralgewalt ohne Mitwirkung der deutschen Regierungen gefaßt hat, so verkennt die Re­ gierung S. Maj. nicht, wie die Veranlassung dieses Verfahrens in der außerordentlichen, von mannigfachen Gefahren bedrohten Lage Deutsch­ lands und in der nunmehr bestätigten Überzeugung zu suchen ist, daß alle deutschen Regierungen S. K. H. dem Herzog Johann ihre Stimme ... geben würden. Die Regierung zweifelt deshalb nicht, daß aus dem Verhalten der deutschen Nationalversammlung in diesem außer­ ordentlichen Falle für die Zukunft Konsequenzen nicht werden gezogen werden". Dieser Vorbehalt hatte einen Antrag des Abgeordneten Dr. Jacoby zur Folge, der am 11. Juli zur Verhandlung kam. Er lautete: „Die Preuß, konstit. Versammlung kann den von der deutschen Nationalversammlung gefaßten Beschluß nicht billigen, durch welchen ein unverantwortlicher an die Beschlüsse der Nationalversammlung nicht gebundener Reichsverweser ernannt wird; die Preuß, konstit. Ver­ sammlung erklärt sich aber zugleich dahin, daß die deutsche National­ versammlung vollkommen befugt war, jenen Beschluß zu fassen, ohne vorher die Zustimmung der einzelnen deutschen Regierungen einzuholen, daß es daher der Preuß. Regierung nicht zustand, Vorbehalte irgend einer Art zu machen." Der Antrag wurde am 12. Juli nach längerer Debatte mit großer Mehrheit abgelehnt.

48. An Ministerpräsident Rudolf v. Auerswald und Kriegsminister Frh. Ludwig Roth v. Schreüenstein Schloß Babelsberg, den 24. Juli 1848

Der König hat mir seine Zuschrift an das Staats­ ministerium mitgeteilt vom gestrigen Tage, welche Bor-

sequenzen, darum schwanke ich aber keinen Moment. kein Nachgeben morgen! — Gott mit uns!

Nur

1 Briefwechsel mit Rud. v. A. Geh. St.-A. — 2 In der Sitzung vom 4. Juli hatte der Ministerpräsident von der Zustimmung der Preuß. Regierung zur Wahl des Reichsverwesers Mitteilung gemacht und keine Einwendung dagegen erhoben, daß dem Erzherzog als Reichsverweser die von der deutschen Nationalversammlung am 28. Juni beschlossenen Attributionen beigelegt würden. Die Ausführungen schlossen mit den Worten: „Wenn übrigens die deutsche Nationalversammlung ihre Be­ schlüsse über die Konstituierung einer provisorischen Zentralgewalt ohne Mitwirkung der deutschen Regierungen gefaßt hat, so verkennt die Re­ gierung S. Maj. nicht, wie die Veranlassung dieses Verfahrens in der außerordentlichen, von mannigfachen Gefahren bedrohten Lage Deutsch­ lands und in der nunmehr bestätigten Überzeugung zu suchen ist, daß alle deutschen Regierungen S. K. H. dem Herzog Johann ihre Stimme ... geben würden. Die Regierung zweifelt deshalb nicht, daß aus dem Verhalten der deutschen Nationalversammlung in diesem außer­ ordentlichen Falle für die Zukunft Konsequenzen nicht werden gezogen werden". Dieser Vorbehalt hatte einen Antrag des Abgeordneten Dr. Jacoby zur Folge, der am 11. Juli zur Verhandlung kam. Er lautete: „Die Preuß, konstit. Versammlung kann den von der deutschen Nationalversammlung gefaßten Beschluß nicht billigen, durch welchen ein unverantwortlicher an die Beschlüsse der Nationalversammlung nicht gebundener Reichsverweser ernannt wird; die Preuß, konstit. Ver­ sammlung erklärt sich aber zugleich dahin, daß die deutsche National­ versammlung vollkommen befugt war, jenen Beschluß zu fassen, ohne vorher die Zustimmung der einzelnen deutschen Regierungen einzuholen, daß es daher der Preuß. Regierung nicht zustand, Vorbehalte irgend einer Art zu machen." Der Antrag wurde am 12. Juli nach längerer Debatte mit großer Mehrheit abgelehnt.

48. An Ministerpräsident Rudolf v. Auerswald und Kriegsminister Frh. Ludwig Roth v. Schreüenstein Schloß Babelsberg, den 24. Juli 1848

Der König hat mir seine Zuschrift an das Staats­ ministerium mitgeteilt vom gestrigen Tage, welche Bor-

schlage und Ansichten über sofortige Verhandlungen zur Konstituierung eines Fürstentags und eines Fürstenrats beim Reichsverweser enthält, hervorgegangen zunächst aus dem Peukersschen^ Erlaß, am 6. August eine quasi Huldigung seitens der Truppen vis ä vis des Generalissimus statt­ sind en zu lassen *. Die königlichens Vorschläge scheinen ebensoviel Gutes als Notwendiges zu enthalten; indessen in diesem Moment kommt es nur darauf an, den questionierten 6. August aus der Welt zu fchaffen! Die Indignation bei unfern Truppen und in allen Volksklaffen, wie ich höre, ist Gott fei Dank so groß, daß für Preußen an die Aus­ führung dieser militärischen^ Huldigung garnicht zu denken ist, wenn man es nicht zu einem kolossalen militärischen^ Exzeß bringen und man nicht eine Offiziersabschieds-Eingabe en mässe erleben will. Die eingangs erwähnten königlsichens Ansichten können zwar sofort die Bafis eines Refus der Huldigung abgeben, die Verhandlungen über diefelben indessen sowohl mit den einzelnen Regierungen als mit dem Verweser können selbstredend nicht bis zum 6. August beendigt sein. Es kommt daher alles darauf an, daß der Refus auf jener Bafis dem Reichskriegsminister ange­ zeigt werde und den übrigen deutschen Kabinetten von unserer Ansicht und unserem Protestrefus Mitteilung ge­ macht werde, um möglichst ein gleichmäßiges Verfahren herbeizuführen. Sollte aber auch keine Regierung mit uns gleichmäßig handeln wollen, fo müssen wir demungeachtet unsrerseits so handeln. Denn der Moment drängt immer mehr, wo Preußen zeigen muß, daß es sich nicht mediati­ sieren läßt. Wenn wir jetzt einen Finger nachgeben, so ist in 6 Wochen die ganze Hand und dann das Ganze verloren. Die Stimmung im Lande spricht sich seit 14 Tagen so

entschieden preußisch aus, daß es eine Freude zu sehen ist (mit Ausnahme des Rheins vielleicht). Dies patriotische Gefühl muß man nicht nur nicht ignorieren, sondern man muß es pflegen und unterstützen, weil wir durch dasselbe unser Ziel gewinnen müssen. Das Spiel, welches zu ge­ winnen ist, ist aber unsere Selbständigkeit, und die muß erhalten, ja erkämpft werden, wenn es sein muß, und wir dürfen dieserhalb einen Bruch mit Fsrankfurts a. M. nicht scheuen, sondern wir müssen ihn sogar wünschen. Diese Möglichkeit müssen wir im Auge haben und darauf uns vorbereiten mit Geist und Körper. Die questfioniertenj Ideen des Königs, der dänische Waffenstillstand, die Pro­ klamierung und Installierung der Republik in Süddeutfchland können Anlaß zu diesem Bruch geben und wir haben die ganze preußsische^j Nation für uns, wenn in einem solchen Falle sofort die Armee mobil gemacht wird und eine große Konzentration der östlichen Kräfte bei Erfurt stattfindet. Nur das eine Ziel fest im Auge gehalten und Preußen muß selbständig bleiben. Daher Wachsamkeit gegen Fsrankfurtj a. M.-Jntrigen. [N. S.]: Noch eins: meiner Ansicht nach hat der EsrzjHferzogj Johann gar nicht das Recht, sich zum Generalissi­ mus zu machen, da er sich selbst ja einen Eid leisten müßte. Wenn es anerkannt werden muß, so könnte diese Er­ nennung am 6. August per Parolebefehl bekanntgemacht werden; dagegen darf niemals die Proklamation des Verwesers an die Deutschen unserer Armee verlesen werden, da der König doch niemals es zugeben darf, daß seiner Armee von einem fremden Herren gesagt wird, daß sein Volk bisher unter dem Druck gelebt hätte, denn mit dieser Tirade fängt jene Proklamation an!!! — Ich erfuhr

bereits, daß die Soldaten und in Berlin sogar die Land wehrmänner laut erklären, doß sie am 6. kein Hoch! rufen würden2. Um alles in der Welt jetzt Energie gegen die Anmaßung des 6. 1 General Ed. v. Peucker, seit dem 15. Juli Reichskriegsminister, erließ den Befehl, daß am 6. August alle deutschen Bundestruppen in Paradeuniform ausrücken und ein dreifaches Hoch auf den Reichsver­ weser ausbrmgen sollten. Da der Anordnung nur teilweise, in Preußen garnicht entsprochen wurde, trat er schon am 5. August von seinem Amte zurück. — 2 Der russische Gesandte in Berlin Peter v. Meyendorff berichtete am 28. Juli an Nesselrode: „Ici on est outre contre Francfort. L’armäe ferait quelqu’ acte d’insubordination, si Fon exigeait d’elle la reeonnaissance de PArchiduc-Regent. Tont le mond ici n'a qiTune opinion ä ce sujet: Berlin et les provinces — la propriötö et Pintelligence — la cour, l’armöe, Fadministration, la bourgeoisie, le peuple des campagnes.,< — Ein Artikel der „Berlinischen Nachrichten" vom 27. Juli bezeichnete den Erlaß als einen Eingriff in die Souveräni­ tätsrechte des preußischen Volkes. Das königliche Wort „Preußen geht in Deutschland auf" habe seit dem Zusammentritt der preußischen Nationalversammlung keine Bedeutung mehr.

49. An Ministerpräsident Rudolf v. Auerswald Schloß Babelsberg, den 25. Juli 1848

Der König hat mir gestern Abend gesagt, daß der 6. August durch eine Proklamation aus der Welt ge­ schafft werden soll. Die Fassung derselben ist von un­ erhörter Wichtigkeit!1 Sie haben sich überzeugt, daß ich mich nicht in die Regierungsmaßregeln einzumischen suche, da mir auch kein Vertrauen vom Gouvernement bewiesen wird, da niemals mein Rat und meine Ansicht verlangt wird. In dem vor­ liegendem Fall jener Proklamation indessen muß ich aus meiner Rolle fallen und Sie ersuchen, mir die Proklamation mitzuteilen, ehe sie vom Könige genehmigt ist. Ich werde

bereits, daß die Soldaten und in Berlin sogar die Land wehrmänner laut erklären, doß sie am 6. kein Hoch! rufen würden2. Um alles in der Welt jetzt Energie gegen die Anmaßung des 6. 1 General Ed. v. Peucker, seit dem 15. Juli Reichskriegsminister, erließ den Befehl, daß am 6. August alle deutschen Bundestruppen in Paradeuniform ausrücken und ein dreifaches Hoch auf den Reichsver­ weser ausbrmgen sollten. Da der Anordnung nur teilweise, in Preußen garnicht entsprochen wurde, trat er schon am 5. August von seinem Amte zurück. — 2 Der russische Gesandte in Berlin Peter v. Meyendorff berichtete am 28. Juli an Nesselrode: „Ici on est outre contre Francfort. L’armäe ferait quelqu’ acte d’insubordination, si Fon exigeait d’elle la reeonnaissance de PArchiduc-Regent. Tont le mond ici n'a qiTune opinion ä ce sujet: Berlin et les provinces — la propriötö et Pintelligence — la cour, l’armöe, Fadministration, la bourgeoisie, le peuple des campagnes.,< — Ein Artikel der „Berlinischen Nachrichten" vom 27. Juli bezeichnete den Erlaß als einen Eingriff in die Souveräni­ tätsrechte des preußischen Volkes. Das königliche Wort „Preußen geht in Deutschland auf" habe seit dem Zusammentritt der preußischen Nationalversammlung keine Bedeutung mehr.

49. An Ministerpräsident Rudolf v. Auerswald Schloß Babelsberg, den 25. Juli 1848

Der König hat mir gestern Abend gesagt, daß der 6. August durch eine Proklamation aus der Welt ge­ schafft werden soll. Die Fassung derselben ist von un­ erhörter Wichtigkeit!1 Sie haben sich überzeugt, daß ich mich nicht in die Regierungsmaßregeln einzumischen suche, da mir auch kein Vertrauen vom Gouvernement bewiesen wird, da niemals mein Rat und meine Ansicht verlangt wird. In dem vor­ liegendem Fall jener Proklamation indessen muß ich aus meiner Rolle fallen und Sie ersuchen, mir die Proklamation mitzuteilen, ehe sie vom Könige genehmigt ist. Ich werde

dem Könige diese Bitte selbst vortragen.

Denn wie die

erste Veranlassung ergriffen wird, um Preußens Stellung gegen Deutschlands Oberhaupt festzusetzen, gehet den Thron­ folger ziemlich nahe an. Ganz ähnlich muß ich aus meiner Passivität treten, wenn es zur Aufstellung der Ansichten des Königs und des Mini­

steriums kommt in bezug auf das saubere Machwerk der gestern erschienenen Konstitution!!!^ Denn dem Machwerk

gebe ich meine Zustimmung nicht!

Da Sie keine Zeit zum Antworten haben können, so senden Sie mir wohl Hferrnf v. Manteuffel, wenn Sie mir

eine Mitteilung in obiger Proklamations-Beziehung zu machen haben. Noch einmal: Der preußfische^ Sinn regt sich mächtig, selbst in Berlin, infolge der Übergriffe zu Ffrankfurts

a. M.;

also ein kräftiges Wort zur rechten Zeit jetzt

gesprochen, d. h. ein preußisches Wort! 1 Eine von Auerswald am 28. Juli in der Nationalversammlung zu der Angelegenheit abgegebene Erklärung (Er erblicke in der Auf­ forderung keine so große Schwierigkeit, daß nicht eine Verständigung möglich sei. Wie die Regierung die Einheit Deutschlands mit allen Mitteln fördern würde, so würde sie doch alles vermeiden, was die Selbständigkeit Preußens gefährde) bezeichnete der Prinz in einem Briefe an den König vom 29. Juli als eine „weiße Salbe-Erklärung", man hätte das aus diesem Anlaß erwachte preußische Nationalgefühl heben müssen „und Rudolphus gießt kaltes, sehr kaltes Wasser daraus". Er forderte deshalb unumgänglichen Erlaß der Ordre an die Armee. — 2 Der von Dahlmann, Beseler und Mittermaier ausgearbeitete Entwurf über die Kompetenz der deutschen Zentralgewalt. Der russi­ sche Gesandte Peter v. Mcyendorfs urteilte darüber in seinem Bericht an Nesselrode vom 28. Juli: „Le plan de Constitution definitive pour le pouvoir central ... annullerait completement l’ind6pendance des etats s6par6s et ferait les princes des etres oisifs, coüteux et inutiles. Ils n’auraient plus ni l’armäe, ni diplomatie, ni douanes, ni forteresses, ni chemins de fer et rivieres ä eux“ .. .

50. An Ministerpräsident Rudolf v. Auerswald Schloß Babelsberg, den 23. August 18481 Vzl2 Uhr Nachts

Mit der gespanntesten Aufmerksamkeit folge ich den Be­ gebenheiten; die Voraussagung, daß nach der Ernte eine republikanische Erhebung stattfinden werde, trifft völlig zu. Schweidnitz, Trier, Düsseldorf, Charlottenburg, Berlin, ganz Thüringen zeugen von einem montierten Coup; hierbei ist nichts zufällig. Ich weiß aus sicherer Quelle, daß an 60 000 Patronen in Bürgerhäusern in Berlin versteckt sind. Die Sache fängt vollständig so an wie im März. Damals wollten die Behörden an nichts Ernstliches glauben und ich wurde überhört! So dürfen Sie es nicht machen, denn Sie haben die Erfahrung des März und — Ihr demoliertes Haus als Richtschnur — für sich, was kommen wird. Leider habe ich gesehen, daß aber die Behörden nirgend eingeschritten sind, da sie doch die Gesetze für sich hatten. Das Assoziations­ recht unter freiem Himmel ist ohne polizeiliche Erlaubnis nicht gestattet; trotzdem ist die Versammlung auf dem Opernplatz und heute unter den Zelten geduldet worden. Wie kann bei solchem Verfahren das Gouvernement An­ sehen behalten?? Wozu sind die Gesetze, wenn sie nicht angewendet werden. Die drei ersten Paragraphen Ihres heute vorgelegten Gesetzes 2 bestehen seit drei Monaten und werden täglich verhöhnt!! Der morgende Tag ist ent­ scheidend. Daß das Gesetz nicht durchgehen sollte, kann ich mir nicht denken. Doch wenn es angenommen ist, dann bricht die republikanische Partei los. Sind Sie prä­ pariert darauf? Sind Truppen genug disponibel, um Berlin zu zernieren? Nur kein zweiter Straßenkampf;

und wenn die Bürgerwehr auch flehentlich darum bittet, nur kein Militär in der Stadt zum Kampfe verwendet. Sollte wider Erwarten das Gesetz nicht durchgehen, dann fallen nicht Sie, sondern die Kammer. Niemals darf der König nach einem Ministerium greifen, welches gegen jenes Gesetz ist. Also Auflösung der Kammer. Sind Sie darauf präpariert? Alles was eintritt nach Annahme des Ge­ setzes, tritt auch ein bei Verwerfung desselben. Also alles vorhin Gesagte greift auch hier Platz. Wir stehen auf einer geladenen Mine! Jetzt muß mit aller Energie verfahren werden, und daß der König nicht zum zweiten­ mal auf halbem Wege umkehre, dafür stehe ich ein; ehe das geschiehet, muß ich nicht mehr sein! Soeben lese ich im Staatsanzeiger3 die beiden unglaub­ lichen Erlasse des Efrz>Hferzogf Johann an General Hirsch­ feld und Oberpräsident Eichmann!!!^ Das darf und kann sich Preußen nicht gefallen lassen. Das ist ja der erste Schritt zur Mediatisierung. Gott gebe, daß beide Herren diesen Wisch nicht publiziert haben und erst hier anfragten. Sollte es nicht geschehen sein, so müssen Sie auf andere Satisfaktion denken. Hier muß ein ernstes Wort gefprochen werden oder wir verlieren alle Achtung bei den Großmächten Europas; also vorwärts, aber rasch; die Berliner Evene­ ments dürfen die Maßnahmen gegen diese Verweser-Erlasse nicht um eine Stunde aufhalten. Ich werde morgen Mittag den König fragen, was Sie vorgeschlagen haben. Sollten beide Herren hier angefragt haben, fo muß die Antwort lauten, daß die Erlasse comme non avenu zu betrachten sind. Preußen muß feststehen, fönst gehet es unter! 1 Vgl. das Schreiben an O. v. Manteuffel vom gleichen Tage ? Mit den Handlungen eines Konvents, durch Annahme der Wiedenbrugk'schen sieben Punkte! dessen erster3 Punkt

der Aufruf der Untertanen gegen ihre Fürsten ist! Ist das eine heilige Sache, wo Aufstand und Revolution zu auxiliair Truppen aufgeboten werden?? Preußen ist sich bewußt, sowohl durch feine Institutionen als durch seine Macht, der Revolution entgegengetreten zu sein, nicht aber sie zu seinem Alliierten zu wählen. Und darin wird es beharren. Wer uns nicht angreift, den werden wir gewiß in Ruhe lassen; wer unsere Hilse gegen die Revolution in Anspruch nimmt, dem werden wir sie leisten, wie jetzt in Dresden, mag F. a. M. noch so oft erklären, daß dazu nur ihm das Recht zustehe. Niemand erkennt die Krisis und die Gefahr, in welcher wir in Deutschland schweben, klarer als ich; aber gerade darum kann ich die Hand nicht dazu bieten, die Re­ volution aufzurufen, da ich sie nur dazu biete, sie schließen zil wollen. Wer schlägt sich denn in den Straßen Dresdens? Polen und Freischarer, zusammengelaufenes Gesindel, und das nennt man Bürgerkrieg, während die Bürgerwehr in Dresden und Leipzig, also doch die wirk­ lichen Bürger, sich nicht schlagen; das ist das Schreckbild, wie es jetzt stehet. Wohin freilich fortgesetztes Aufbieten der Revolution zuletzt führen wird, ist nicht abzusehen. Wenn gleich Sie annehmen, daß die preußische Armee eine Zeitlang noch treu und gehorsam sein wird, so teilen wir diese An­ nahme, hoffend, daß während dieser Zeitlänge — die Ver­ hältnisse sich ordnen werden. Sollte die Rheinprovinz uns abfallen, so wird hoffentlich Preußen so viel Macht haben, sie sich zurück zu erobern, wie 1831 Polen durch Rußland und 1848 Oberitalien durch Österreich und 1849 Sizilien durch Neapel zurückerobert ward. Stellen sich dann deut­ sche Truppen entgegen, um Preußen zu hindern, sein

Eigentum sich zurückzunehmen, so wird die Weltgeschichte wenigstens nicht dereinst sagen, daß Preußen den deutschen Bruderkrieg veranlaßt hat. Fallen uns andere Länder ab, nun so werden wir sie zu bezwingen suchen. Und sollte es beschlossen sein, daß die Hohenzollern untergehen sollen, — nun so werden sie nnt Ehren unterzugehen wissen! Sie klagen, daß man den Männern nicht Gerechtigkeit widerfahren lasse, die seit einem Jahre in F. a. M. für Deutschlands Recht tätig gewesen sind, und man werfe ihnen allein den Stein, daß es zu nichts komme. Ich glaube, daß alle gemäßigten Urteiler sagen, daß diese Männer mit großer Aufopferung von geistigen und körperlichen Kräften tätig gewesen sind, aber an einem Werke, was nach dem ersten Zuschnitt nicht lebensfähig war. Von dem Augen­ blick an, wo das Parlament einen Trumpf darauf setzte, sein Werk unverändert durchsetzen zu wollen, und ohne Mandat zur Kaiserwahl schritt, — zeigte sich diese Lebens­ unfähigkeit. Bei dem Widerspruch, den dieses Werk er­ fuhr, sowohl von Fürsten, Regierungen und Volksteilen, widerfuhr dem Parlament, das sich souvrän träumte, nichts anderes, als was dem Souvrän selbst ewig begegnet, — daß man es nämlich nicht allen Menschen recht machen kann! Möchten doch die Bekrittler aller Regierungsmaß­ regeln jetzt in ihren Busen fassen und sich sagen: jetzt fühlen wir, wir Parlaments-Mitglieder, was es heißt, in seinen Maßregeln nicht die allgemeine Zustimmung zu finden. Das, was alle Souvräne so oft erfahren und was sie ruhig tragen und dulden müssen, bis sie entweder durch die Zeit gerechtfertigt dastehen oder durch Modifikationen ihre Ein­ richtungen bessern, — dieses dulden ist dem Parlament nicht gegeben; es ist empört, daß sein Werk nicht allgemei-

neu Anklang findet, und statt ruhig zu dulden oder die Hand zu Modifikationen zu bieten, greift es von einer extremen Maßregel zur andern, verläßt täglich mehr die ihm bezeichnete Stellung und gräbt sich fo felbst sein Grab! — Bis auf einen gewissen Grad und bis zu gewissen Even­ tualitäten läßt man also allerdings dem Parlament Ge­ rechtigkeit widerfahren; seinen Überschreitungen und seinen extremen Maßregeln aber das Wort zu reden vermag ich wenigstens nicht.

Trotzdem, was geschiehet und noch geschehen mag, bleibe ich bei meiner Überzeugung, daß Preußen berufen ist, an die Spitze Deutschlands zu treten. Wann und wie, das ist die Frage, die von der Vorsehung gelöst werden wird; wir alle sind die Werkzeuge dieser Vorsehung und daher müssen wir nicht verzweifeln, wenn die Tage kommen, die uns nicht gefallen! Ist erst die Anarchie überwältigt, Gesetz und Ordnung wieder hergestellt in Deutschland, dann wird jede Regierung gewissenhaft an den Ausbau ihrer Konstitution gehen; das ist Pflicht und Recht. So lange aber Revolution und Anarchie heraufbefchworen werden, um einer Anficht Hilfe zu leisten, fo lange wird weder Recht noch Ordnung in Deutschland einkehren! Das ist mein politisches Glaubens­ bekenntnis. 1 Nach dem Druck in Deutsche Rundschau Bd. 109 (1901), S. 385 ff. — 2 Abgedruckt ebenda, S. 382 ff. — 3 Wahl Friedrich Wilhelms IV. zum Kaiser durch 290 Stimmen gegenüber Enthaltung von 248 Stimmen. — 4 Am 14. April. — 5 „Die Nationalversammlung fordert die Re­ gierungen, die gesetzgebenden Körper, die Gemeinden der Einzelstaaten, das gesamte deutsche Volk auf, die Verfassung des Deutschen Reiches vom 28. März d. I. zur Anerkennung und Geltung zu bringen."

62. An Genecalleuntnant Joseph Maria v. Rado-

witz 58[erlitt], den 10. Mai 1849

Ich höre, daß Canitz nach Wien gehet, um Ihr Projekt

der Union zu realisieren.

Können Sie mich heute noch

besuchen, so bitte ich mir die Stunde wissen zu lassen, wo Sie kommen können.

63. An Gustav v. 31^10^ 1 Berlin, den 26. Mai 1849

Ihr Schreiben vom 16. d. Mts.2 ist mir richtig zuge­ gangen und erkenne ich aus demselben Ihre Anhänglich­

keit an den König und sein Haus.

Wenn Sie sagen, daß

die deutsche Einheitsidee auch in Pommern Anklang findet,

und man die Annahme der deutschen Verfassung wünsche,

wie sie aus zweiter Lesung hervorgegangen ist, so bin ich von dem Wunsche jener Einheit ebenso durchdrungen, wie

irgendjemand. Aber gerade darum bin ich ganz entschieden gegen die Annahme jener Verfassung, und kann nur die

Weisheit des Königs loben, daß Er sie so, wie sie ist, nicht annahm.

Ich ersuche Sie, die Personen, welches Ranges

und Standes sie sein mögen, die sich für Annahme der

Verfassung aussprechen, zu fragen, ob sie dieselbe Para­ graph für Paragraph gelesen haben und, wenn dies ge­

schehen, ob sie die Paragraphen genau geprüft haben und sich davon überzeugt halten, daß die Stellung, die man deni sogenannten Kaiser gegeben hat, eine solche ist, die

Macht und Kraft verleiht, um

land zum Heile zu gereichen?

dem gesamten Deutsch­

Eine solche Prüfung wird

ergeben, daß alle Macht dem Parlament gegeben ist, und das Oberhaupt nur zum Schein bestehet, dessen man sich

62. An Genecalleuntnant Joseph Maria v. Rado-

witz 58[erlitt], den 10. Mai 1849

Ich höre, daß Canitz nach Wien gehet, um Ihr Projekt

der Union zu realisieren.

Können Sie mich heute noch

besuchen, so bitte ich mir die Stunde wissen zu lassen, wo Sie kommen können.

63. An Gustav v. 31^10^ 1 Berlin, den 26. Mai 1849

Ihr Schreiben vom 16. d. Mts.2 ist mir richtig zuge­ gangen und erkenne ich aus demselben Ihre Anhänglich­

keit an den König und sein Haus.

Wenn Sie sagen, daß

die deutsche Einheitsidee auch in Pommern Anklang findet,

und man die Annahme der deutschen Verfassung wünsche,

wie sie aus zweiter Lesung hervorgegangen ist, so bin ich von dem Wunsche jener Einheit ebenso durchdrungen, wie

irgendjemand. Aber gerade darum bin ich ganz entschieden gegen die Annahme jener Verfassung, und kann nur die

Weisheit des Königs loben, daß Er sie so, wie sie ist, nicht annahm.

Ich ersuche Sie, die Personen, welches Ranges

und Standes sie sein mögen, die sich für Annahme der

Verfassung aussprechen, zu fragen, ob sie dieselbe Para­ graph für Paragraph gelesen haben und, wenn dies ge­

schehen, ob sie die Paragraphen genau geprüft haben und sich davon überzeugt halten, daß die Stellung, die man deni sogenannten Kaiser gegeben hat, eine solche ist, die

Macht und Kraft verleiht, um

land zum Heile zu gereichen?

dem gesamten Deutsch­

Eine solche Prüfung wird

ergeben, daß alle Macht dem Parlament gegeben ist, und das Oberhaupt nur zum Schein bestehet, dessen man sich

bei Gelegenheit entledigen kann, um zur Republik zu ge­ langen. Die Republikaner wissen sehr wohl, daß Preußen aus diesem Grunde die Krone ablehnte; daher haben sie schon jetzt die Maske abgeworfen und suchen sofort auf dem Wege der Empörung gleich zu erreichen, was ihnen sonst noch jahrelang Anstrengung gekostet hätte, sie aber sicherer zum Ziele führte, wenn sie ein Schattenbild von Kaiser geschaffen hätten. Dies kann nicht der Gang sein, den die treuen Pommern gehen wollen, und es kommt nur darauf an, ihnen dies alles klar zu machen, statt nachzusprechen, was die Wühler erzählen. In wenig Tagen wird der König sprechen und die, welche hören, sehen und verstehen wollen, werden Ihn preisen für den Gang, den Er gehet. Die niederliegenden nrateriellen Interessen werden auf­ blühen, wenn Ordnung und Gesetz hergestellt sind; das Ministerium, was Vertrauen und nicht Mißtrauen ver­ dient, arbeitet unablässig an den Vorlagen dazu. Daher nur Mut gefaßt zum König, und Preußens Geschick wird sich erfüllen, d. h. es muh an die Spitze Deutschlands kom­ men, aber auf eine Art, die Dauer und Heil verspricht und beides erreicht man nur durch Kraft und Konsequenz; und indem man die Rechte anderer berücksichtigt und schont, erhält man sich sein eigenes Recht3. 1 Eigenhändiger Entwurf und eine spätere Abschrift des abge­ sandten Schreibens im H.-A. Der Druck folgt der letzteren. Das Schreiben mit der falschen Adresse: Frh. v. Stillfried gedr.: Berner I, S. 102; Brandenburg, S. 63. — 2 Aus Stolp, v. Z. verlangte so­ fortige Annahme der deutschen Verfassung, Ernennung eines volks­ tümlichen Ministeriums, sofortige Einberufung der aufgelösten zweiten Kammer oder einer neuen auf Grund des gleichen Wahlgesetzes. — 3 Vgl. auch das Schreiben an O. v. Natzmer vom 20. Mai Berner I, S. 202; Brandenburg, S. 62.

64. An Generalleutnant Joseph Maria v. Radowitz 58[erlitt], den 27. Mai 1849 1 /s8 Uhr Sim.

Graf Brandenburg wird Sie ersucht haben, heute früh um V2II Uhr zu mir zu kommen. Ich wünsche die Stunde auf Nachmittag 6 Uhr verlegt zu sehen, da ich um 9 Uhr 1 nach Potsdam muß, und, sollte meine Sendung nach War­ schau wirklich erfolgen, so kann sie nicht vor morgen Abend erfolgen, indem Gfenerafl Rauch heute Abend erwartet wird und sein Rapport doch vor allem abzuwarten ist. Ich habe niemand, nicht der Prinzeß, von dieser Sendung gesprochen, da ich eigentlich noch nicht ganz entschlossen bin, da die dänische Sache nach Gfraff Bülows 2 gestriger Mitteilung so liegt, daß das Erreichbare, wie man es hier will — weniger günstig erscheint als der Malmöer Waffen­ stillstand, d.h. teilweise gegenseitige Besetzung von Schleswig, — während vorig Jahr dies Land unbesetzt von Dänen blieb, und eine einige Regierung hatte. Wenn es nun hieße, daß ich diesen nachteiligeren Abschluß herbei­ geführt hätte, so ist meine öffentliche politische Position sehr gefährdet. 1 Über durchgestrichenem: jetzt— 2 Leiter der auswärtigen Politik.

65. An

den preußischen Gesandten in Christian Karl Josias v. Bunsen

London

Renchen bei Kehl, den 3. August 18491

Herzlichen Dank für Ihre ebenso interessanten als nicht satisfaisanten Mitteilungen über die Umtriebe gegen das Preußisch-deutsche Bündnis!2 Es ist zum Verzweifeln, daß man nur auf Mißtrauen und üblen Willen stößt, da wo wirklich redlicher Wille existiert. Freilich kann ich nicht

64. An Generalleutnant Joseph Maria v. Radowitz 58[erlitt], den 27. Mai 1849 1 /s8 Uhr Sim.

Graf Brandenburg wird Sie ersucht haben, heute früh um V2II Uhr zu mir zu kommen. Ich wünsche die Stunde auf Nachmittag 6 Uhr verlegt zu sehen, da ich um 9 Uhr 1 nach Potsdam muß, und, sollte meine Sendung nach War­ schau wirklich erfolgen, so kann sie nicht vor morgen Abend erfolgen, indem Gfenerafl Rauch heute Abend erwartet wird und sein Rapport doch vor allem abzuwarten ist. Ich habe niemand, nicht der Prinzeß, von dieser Sendung gesprochen, da ich eigentlich noch nicht ganz entschlossen bin, da die dänische Sache nach Gfraff Bülows 2 gestriger Mitteilung so liegt, daß das Erreichbare, wie man es hier will — weniger günstig erscheint als der Malmöer Waffen­ stillstand, d.h. teilweise gegenseitige Besetzung von Schleswig, — während vorig Jahr dies Land unbesetzt von Dänen blieb, und eine einige Regierung hatte. Wenn es nun hieße, daß ich diesen nachteiligeren Abschluß herbei­ geführt hätte, so ist meine öffentliche politische Position sehr gefährdet. 1 Über durchgestrichenem: jetzt— 2 Leiter der auswärtigen Politik.

65. An

den preußischen Gesandten in Christian Karl Josias v. Bunsen

London

Renchen bei Kehl, den 3. August 18491

Herzlichen Dank für Ihre ebenso interessanten als nicht satisfaisanten Mitteilungen über die Umtriebe gegen das Preußisch-deutsche Bündnis!2 Es ist zum Verzweifeln, daß man nur auf Mißtrauen und üblen Willen stößt, da wo wirklich redlicher Wille existiert. Freilich kann ich nicht

leugnen, ist die Radowitz'sche deutsche Verfassung so liberal, daß weder die unterzeichnenden noch beitretenden Mächte den Glauben haben können, daß sie so durchführbar fei. Ich habe es gleich an Rsadowitzs gesagt, daß aus dieser Art Liberalität Mißtrauen erwachsen werde wegen des Ge­ fühls der nicht unbedingten Durchführbarkeit. Wir arbeiten hier mit dem Bajonnett mit Glück, sagen uns aber alle Tage, daß diese Aufgabe leichter ist als diejenige, der wir nur vorarbeiten! Daß ich Ihrem Sohn habe behilflich sein können, sich seine Sporen zu verdienen, ist mir sehr erfreulich, ob Frau uud Kind ganz so erfreut find, weiß ich freilich nicht. Möge er vor jeder Gefahr geschützt bleiben. Sie sind so freundlich, mir Ihre Teilnahme bei Ge­ legenheit des ominösen Ingelheimer Schusses3 auszu­ sprechen, ich danke dem Himmel, daß Er auf diefe Art nrich nicht enden lassen wollte, doch tvtt der eine Schuß, wenngleich absichtlich, sehr in den Hintergrund gegen die vielen, denen man hier begegnen muß! Ich ersuche Sie, die Einlage an die liebenswürdige Lady Dsufferinj gelangen zu lassen, sie schreibt mir selbst von ihrem Akzident mit dem Pferde, das erschreckend ist. Wegen M. Vyner habe ich ihm selbst ein paar Zeilen für Prinz Aslbertj mitgegeben. 1 Notiz Bunsen: Erhalten 7. Juli. — 2 Die nachstehenden zwei Schreiben vom 25. Juni und 25. Juli.

London, den 25. Juni 1849 ... Mitteilungen über die Stellung der deutschen Höfe zu Preußen.^ Meine einzige Hoffnung beruht auf der unwiderstehlichen Macht der Ereignisse, auf der makellosen Redlichkeit der preußischen Politik, auf der Unzerstörbarkeit der im Herzen des deutschen Volkes gegründeten Einheit, auf der Tapferkeit und Unbesiegbarkeit des preußischen Heeres. Durch die letztere und durch das entschlossene Handeln und Vorgehen

E. K. H. allein ist der schlau berechnete Plan des Reichsverwesers ge­ scheitert. Wie traurig, daß der edle Erzherzog so endigt! Nichts kann uns retten— denn von Rettung handelt es sich— als festhalten an der deutschen Sache, am deutschen Volke und Vaterlande. Diese Stütze ist stark erschüttert. Gelingt es, sie jetzt zu befestigen, so ist der Gewinn sehr groß, daß Preußen die hohe und heilige Sache Deutsch­ lands getrennt hat von den revolutionären und zerstörenden Elementen, welche sich ihr angehängt hatten. Aber es ist die eilfte Stunde! Es muß deshalb gelingen! — Würtemberg muß sich jetzt anschließen. Der König ist, aus verletzter Eitelkeit und aus Eifersucht gegen Preußen, an Österreich verkauft. Römer ist eigentlich Republikaner und war für ein Direktorium. Die Diagonale zwischen beiden Richtungen ist An­ schließen an Preußen. Die Schwaben werden auch dafür sein, sobald sie sich klar werden. Die einzige Herrlichkeit des preußischen Heerwesens ist auch hier Gegenstand allgemeiner Bewunderung. Jedermann muß ja mit Händen greifen, w o der Schwerpunkt eines einigen „den Frieden der Welt erzwingenden" Deutschlands liegt. Preußens und Deutschlands Sache ist nun eine geworden. Niemand wird sie auseinanderreißen. Aber das Haus Wittelsbach spielt eine für es selbst höchst gefährliche Rolle! Schwarzenberg tut alles, um das Haus Habsburg zu verderben. Die edle Königin uiib Prinz Albert sind der Sache der deutschen Ein­ heit und also der Preuß. Hegemonie von Herzen ergeben und Gott wird sie dafür segnen!

Osborne House, den 25. Juli 1849 sPrinz Albert „sieht sehr schwarz" für die Zukunft Deutschlands, Stockmar hält die Sache für verzweifelt.^ Sowie Österreich mit den Ungarn fertig ist, schreibt es Deutschland und Preußen Gesetze vor. O Schatten des Großen Kurfürsten und Friedrichs d. Gr.! Nur des­ wegen gibt man in Italien jetzt in allem den Franzosen nach. Es bleibt dann Preußen nichts mehr übrig, als sich mit Österreich um die Polonisierung Deutschlands zu verständigen und unterzugehen, wenn es nicht den Kampf der Verzweiflung unternehmen will — ich sage der Verzweiflung, weil es sich die Sympathien der deutschen Völker zer­ stört und den Zauber seiner Macht selbst zerschlagen hat.... Der Friede mit Dänemark ist eine Niederlage wie der von Tilsit und wie dieser von zwei Großmächten diktiert. Aber kein Mensch konnte einen bessern machen als Schleinitz gemacht hat. Nichts kann uns retten, als daß der König die beiden andern Königs­ höfe festhält und noch im August die Wahlen für den Reichstag aus-

schreibt. Ich beschwöre E. K. H. zu glauben, daß ich sehr mit Bedacht schreibe. Es ist hier eine gute Warte zum Beobachten und eine kühle Luft.... — 3 Bei der Durchfahrt durch Nieder-Ingelheim war ein Schuß abgegeben worden.

66. An Generalleutnant Carl von Reyher, Chef des Generalstabes1 Offenburg, den 6. August 1849

Herzlichen Dank, bester Reyher, für Ihre teilnehmenden Zeilen bei Gelegenheit des ominösen Schusses von Ingel­ heim 2; lieb ist es mir, und ich danke Gott, daß Er mir durch solche Art keinen Schaden zufügen lassen wollte. Ebenso dankbar bin ich gegen Gott, daß Er seitdem sehr viel mehr Kugeln von mir und meinen Umgebungen ab­ wendete; wir haben deren einige genossen! Überhaupt sind unsere Verluste verhältnismäßig gering, wenngleich wir jetzt wohl zwischen 3—400 Verwundete haben mögen. Man­ chen guten Offizier haben wir verloren! Morgen besetzen wir Freiburg. Gegen 1000 Mann werden morgen dort das Gewehr strecken. Stündlich kom­ men Überläufer, so daß die Macht der Insurgenten ge­ brochen ist, um so mehr als die Hauptführer davongegangen sind, aber leider auch uns entkommen sind. Mieroslawsky ist hier als General angekommen und nach einigen Stunden en frac nach Straßburg abgereiset! Der Instinkt treibt dies Geschmeiß immer im richtigen Augenblick zur Flucht. Sorgen Sie nur, daß mehr Kräfte nach Mainz kommen; ich sende keinen Mann von der Operatsionsjarmee, solange sie operiert, dorthin. Auf Wiedersehen, wann? 1 Briefwechsel mit R. im H.-A. — 2 Vgl. Nr, 65 Sinnt. 2.

schreibt. Ich beschwöre E. K. H. zu glauben, daß ich sehr mit Bedacht schreibe. Es ist hier eine gute Warte zum Beobachten und eine kühle Luft.... — 3 Bei der Durchfahrt durch Nieder-Ingelheim war ein Schuß abgegeben worden.

66. An Generalleutnant Carl von Reyher, Chef des Generalstabes1 Offenburg, den 6. August 1849

Herzlichen Dank, bester Reyher, für Ihre teilnehmenden Zeilen bei Gelegenheit des ominösen Schusses von Ingel­ heim 2; lieb ist es mir, und ich danke Gott, daß Er mir durch solche Art keinen Schaden zufügen lassen wollte. Ebenso dankbar bin ich gegen Gott, daß Er seitdem sehr viel mehr Kugeln von mir und meinen Umgebungen ab­ wendete; wir haben deren einige genossen! Überhaupt sind unsere Verluste verhältnismäßig gering, wenngleich wir jetzt wohl zwischen 3—400 Verwundete haben mögen. Man­ chen guten Offizier haben wir verloren! Morgen besetzen wir Freiburg. Gegen 1000 Mann werden morgen dort das Gewehr strecken. Stündlich kom­ men Überläufer, so daß die Macht der Insurgenten ge­ brochen ist, um so mehr als die Hauptführer davongegangen sind, aber leider auch uns entkommen sind. Mieroslawsky ist hier als General angekommen und nach einigen Stunden en frac nach Straßburg abgereiset! Der Instinkt treibt dies Geschmeiß immer im richtigen Augenblick zur Flucht. Sorgen Sie nur, daß mehr Kräfte nach Mainz kommen; ich sende keinen Mann von der Operatsionsjarmee, solange sie operiert, dorthin. Auf Wiedersehen, wann? 1 Briefwechsel mit R. im H.-A. — 2 Vgl. Nr, 65 Sinnt. 2.

67. An Generalleutnant Carl von Reyher Frankfurt a/M, den 5. September 1849

Wie lange schon stehe ich [in] Ihrer Schuld, indem ich Ihnen auf Ihre glückwünschenden Zeilen zu unseren Sukzessen nicht dankend antwortete. Ja, wir haben viel Glück gehabt, und das muß der Soldat vor allem haben. Die Truppen haben aber auch ihre Schuldigkeit in vollem Maße getan, und es gibt nichts Lohnenderes, als ihnen dies dankend auszusprechen und dafür ihren Dank zu empfinden! Unsere Aufgabe, d. h. die des Schwerts ist rasch gelöset worden; die viel, viel schwierigere ist jetzt in Baden zu lösen, d. h. die Reorganisation des so kranken Landes, das seit 20 Jahren systematisch ruiniert worden ist unter der Firma des Fort­ schritts; jetzt sehen wir, wohin das geführt hat! Die Re­ gierung nimmt sich gut und vernünftig, aber es wird ihr schwer, die nötigen Organe zu finden nach einer solchen Revolution! Die Haltung unserer Regierung und der Kammern er­ scheint bisher eine ganz gute zu sein. Die deutsche Frage stehet sehr im Vordergründe und wir dürfen nicht Jnkonsequentien dulden, wobei immer ein Hauptaugenmerk bleibt, eine Verständigung mit Österreich herbeizuführen, weil sonst Krieg und wahrscheinlich Sieg der Revolution unausbleiblich ist. Diese Ansicht darf aber Preußen nicht hindern, den nun vor aller Augen offen vorliegenden Weg zu gehen; wir müssen das engere Bündnis fortführen, den Reichstag berufen und immerfort offenes Spiel spielen. Wer stark und gewissensrein ist, kann und muß so handeln; nur die Schwäche greift zur Intrige. Was ich von der Zündnadelidee höre, die in Berlin sich

jetzt bewege, beunruhigt mich, und bedauere ich doppelt,

daß ich nicht tätig dabei jein kann.

Ich habe dem König

meine Ansichten kurz mitgeteilt und gebeten, mein Gut­

achten zu hören, ehe entschieden wird.

Man lasse die Ba­

taillone bei ihren Regimentern und kommandiere kornpagnie-

weise ab, wo sie nötig sind; nur keine neuen Isolierungen wie vor 1806, das gibt einseitige Reginients- und Ba-

tsaillonsj-Ksommanjderire. — Die Schreiben an den Gesandten in London v. Bunsen voni 11. September, 31. Oktober und 5. Dezember 1849 (im Original nicht vorliegend) gedr.: Deutsche Revue 1897, 3, S. 266 ff.); Berner I, S. 215 und 218. Die ebenda, S. 220 ff. abgedruckte Denkschrift des Prinzen über die Revision der preußischen Verfassung vom 5. Dezember 1848 (eigenhändige Niederschrift Geh. St.-A. Rep. 92 O. v. Manteuffel) ist vom 12. und nicht vom 11. Dezember 1849 datiert (dies falsche Datum auch bei Poschinger und in allen späteren Drucke::).

68. An Karl Frh. von Vincke-Olbendors Carlsruhe, den 5. Januar 1850

Empfangen Sie meinen besten Dank für Ihre Wünsche

beim Jahreswechsel, die ich Ihnen zurückgebe.

Vieles muß

besser werden, wenn wir ein gutes Jahr erleben sollen. Daher wünsche ich mit Ihnen die baldige Publikation der

Verfassung und der verschiedenen wichtigen Gesetze — beides jedoch nicht in der jetzigen Gestalt.

Die beliebten Ver­

änderungen sind bei weitem nicht durchgreifend genug, um für Preußen eine glückliche Zukunft zu begründen.

Man

scheint völlig zu vergessen, daß der gesunde Sinn, der noch die Massen in Preußen durchdringt, daher rührt, daß wir

keine Institution bisher hatten, welche das Volk vergiftete. Jetzt will man Institutionen geben, die uns in 3 Jahren

jetzt bewege, beunruhigt mich, und bedauere ich doppelt,

daß ich nicht tätig dabei jein kann.

Ich habe dem König

meine Ansichten kurz mitgeteilt und gebeten, mein Gut­

achten zu hören, ehe entschieden wird.

Man lasse die Ba­

taillone bei ihren Regimentern und kommandiere kornpagnie-

weise ab, wo sie nötig sind; nur keine neuen Isolierungen wie vor 1806, das gibt einseitige Reginients- und Ba-

tsaillonsj-Ksommanjderire. — Die Schreiben an den Gesandten in London v. Bunsen voni 11. September, 31. Oktober und 5. Dezember 1849 (im Original nicht vorliegend) gedr.: Deutsche Revue 1897, 3, S. 266 ff.); Berner I, S. 215 und 218. Die ebenda, S. 220 ff. abgedruckte Denkschrift des Prinzen über die Revision der preußischen Verfassung vom 5. Dezember 1848 (eigenhändige Niederschrift Geh. St.-A. Rep. 92 O. v. Manteuffel) ist vom 12. und nicht vom 11. Dezember 1849 datiert (dies falsche Datum auch bei Poschinger und in allen späteren Drucke::).

68. An Karl Frh. von Vincke-Olbendors Carlsruhe, den 5. Januar 1850

Empfangen Sie meinen besten Dank für Ihre Wünsche

beim Jahreswechsel, die ich Ihnen zurückgebe.

Vieles muß

besser werden, wenn wir ein gutes Jahr erleben sollen. Daher wünsche ich mit Ihnen die baldige Publikation der

Verfassung und der verschiedenen wichtigen Gesetze — beides jedoch nicht in der jetzigen Gestalt.

Die beliebten Ver­

änderungen sind bei weitem nicht durchgreifend genug, um für Preußen eine glückliche Zukunft zu begründen.

Man

scheint völlig zu vergessen, daß der gesunde Sinn, der noch die Massen in Preußen durchdringt, daher rührt, daß wir

keine Institution bisher hatten, welche das Volk vergiftete. Jetzt will man Institutionen geben, die uns in 3 Jahren

dahin und weiter bringen, als 20 jährige moderierte Verfajsungen die süddeutschen Staaten brachten. Wenn wir daher in unserer Verfassung nicht bedeutende Modi­ fikation eintreten lassen, so sind wir in 3 Jahren so weit, wie Frankreich nach der ersten Revolution, d. h. nach 70 Jahren kann es sich nicht erholen. Aus denselben Gründen kann ich mit Ihnen nicht ein­ verstanden sein, daß man in Erfurt en bloc die Verfassung annehmen müsse. Dort werden wir schwerlich so konservativesn^I Elementesnf begegnen wie in den Berliner Kammern, die uns doch einige erquickliche Dinge brachten. Der Ansicht kann ich also nicht beitreten, daß man lieber eine schlechte Verfassung annehmen müsse, als die Dinge überhaupt in Frage lassen; das heißt ä la Paulskirche im April 1849 handeln. Diese Lehre dürfen wir doch nicht ganz unbeachtet lassen; sie zeigt, wohin es führt, wenn man die Rechnung ohne den Wirt macht. Die Gagernfschef Partei rührt sich und will wieder eine Rolle spielen. Auf welche Macht stützt sie sich?? Auf die Revolution und das bewaffnete Proletariat, wenn es not tut. Ich achte gewiß viele Männer dieser Partei, aber zurufen muß ich ihnen, daß sie aus ihrer Illusion erwachen mögen, zu glauben, ohne die Regierungen etwas zu ver­ mögen. Will sie eine Rolle wie 1848—49 spielen, so ver­ spielt sie von neuem. Daher schließe sie sich franchement uns an und verlange nicht, neben uns, sondern durch uns etwas zu vermögen. Dies habe ich nettement an Stettmann 1 gesagt, so wie hier, wo diese Partei in ihrer Verblendung einen Aufruf ans Volk machte, in der vom Regenten und seinem Gouvernement auch nicht eine Silbe vorkommt. Das ist die bekannte Arroganz.

1 Stedmann, Preuß. Abgeordneter aus dem Rheinland. Er ge­ hörte zu den 58 renitenten Abgeordneten des „Vereinigten Landtages". Der Prinz sprach mit St. in Koblenz. Vgl. den Brief des Prinzen an seine Gemahlin vom 5. Januar: „Aus dem literar. Nachlaß der Kaiserin Augusta" I, S. 399.

69. An Generalleutnant Joseph Maria v. Radowitz Ffrankfurt^ a/M, den 15. Februar 1850

Zu den interessanten Anlagen habe ich einige Rand­ glossen geschrieben. Hier noch einige Betrachtungen. Des Pudels Kern ist ein süd- und ein norddeutsches Bündnis. Wäre dies nicht der Fall, so siehet man nicht ein, wärmn Österreich eine bestimmte geographische Linie verlangt, die das engere Bündnis nicht überschreiten soll. Wenn Österreich mit an der Spitze des Ganzen stehet, so ist gar kein Grund einzusehen, eine solche geographische Linie ziehen zu müssen. Wir haben niemand zum Bündnis gezwungen; wir dürfen auch niemand zwingen auszuscheiden. Baden wird ohne Zwang nicht ausscheiden; Darmstadt freiwillig gehen. Halten wir Baden, so muß Darmstadt bleiben. Es kommt alles darauf an, daß Österreich offiziell einen politischen Grund wegen der Mainlinie angibt. Man muß versuchen, das ganze Projekt scheinbar an­ zunehmen, im Detail aber die Bestimmungen so zu treffen suchen, daß die Union wieder hervortritt. Ich kann mir die Möglichkeit denken, so an ein Ziel zu kommen. Nur keinen unüberschreitbaren Damm gezogen, der hindert, daß doch ganz Deutschland einst zum engeren Bündnis gehöre. Dieses muß seine Institutionen für sich behalten; was man dem dualistischen Zentrum für einen

1 Stedmann, Preuß. Abgeordneter aus dem Rheinland. Er ge­ hörte zu den 58 renitenten Abgeordneten des „Vereinigten Landtages". Der Prinz sprach mit St. in Koblenz. Vgl. den Brief des Prinzen an seine Gemahlin vom 5. Januar: „Aus dem literar. Nachlaß der Kaiserin Augusta" I, S. 399.

69. An Generalleutnant Joseph Maria v. Radowitz Ffrankfurt^ a/M, den 15. Februar 1850

Zu den interessanten Anlagen habe ich einige Rand­ glossen geschrieben. Hier noch einige Betrachtungen. Des Pudels Kern ist ein süd- und ein norddeutsches Bündnis. Wäre dies nicht der Fall, so siehet man nicht ein, wärmn Österreich eine bestimmte geographische Linie verlangt, die das engere Bündnis nicht überschreiten soll. Wenn Österreich mit an der Spitze des Ganzen stehet, so ist gar kein Grund einzusehen, eine solche geographische Linie ziehen zu müssen. Wir haben niemand zum Bündnis gezwungen; wir dürfen auch niemand zwingen auszuscheiden. Baden wird ohne Zwang nicht ausscheiden; Darmstadt freiwillig gehen. Halten wir Baden, so muß Darmstadt bleiben. Es kommt alles darauf an, daß Österreich offiziell einen politischen Grund wegen der Mainlinie angibt. Man muß versuchen, das ganze Projekt scheinbar an­ zunehmen, im Detail aber die Bestimmungen so zu treffen suchen, daß die Union wieder hervortritt. Ich kann mir die Möglichkeit denken, so an ein Ziel zu kommen. Nur keinen unüberschreitbaren Damm gezogen, der hindert, daß doch ganz Deutschland einst zum engeren Bündnis gehöre. Dieses muß seine Institutionen für sich behalten; was man dem dualistischen Zentrum für einen

Körper zur Seite stellen könnte, ist mir unklar noch.

Daß

Österreich diesen Dualismus aber anfängt anzunehmen, ist sehr wichtig;

darauf läßt sich weiterbauen, nur nicht in

der vorgeschlagenen Art.

Können Sie morgen vor der Sitzung mich besuchen, um diese Punkte zu besprechen, ehe Sie Ihre Antwort

fertig machen? Die Schreiben an den Gesandten in London v. Bunsen vom 17.Fe­ bruar und 7. März 1850 betr. die Unionspolitik (Original nicht vor­ liegend) u. a. gedruckt Berner I, S. 243 ff.

70. Minister v. Schleinitz an Prinz Wilhelm. Berlin, den 19. Februar 1850 .... ^Antwort auf Schreiben des Prinzen vom 16. d. M. betr. bevorzugte Stellung der Stadt Frankfurt im S8unbe§ftaoteSeine und des Grafen Brandenburg Zustimmung zu den Äußerungen.^ „Als eine Bedingung des Beitritts könnte dies freilich, wie E. K. H. ganz richtig bemerken, weder von Frankfurt verlangt noch von den verbünde­ ten Regierungen zugestanden werden. Dagegen spricht die Billigkeit unstreitig dafür, daß bei der definitiven Organisation des Bundesstaates die besonderen und historisch begründeten Verhältnisse der alten Reichs­ stadt nicht völlig unberücksichtigt bleiben, und Preußen wird sicherlich gern bereit sein, seinen Einfluß dahin zu verwenden, daß die künftige Stellung Frankfurts im Bundesstaate auf eine für dasselbe vorteilhafte und ehrenvolle Weise reguliert werde.... Mit großem Interesse sehe ich aus E. K. H. Schreiben, daß Höchstdieselben mit der gutachtlichen Äußerung des Generals v. Radowitz über die Bernstorff'sche Depesche einverstanden sind. Auch S. M. der König hat dieselbe gebilligt und Graf Bernstorff wird demnach unverzüglich in diesem Sinne instruiert werden. Nach einer gestern von letzterem eingegangenen Nachricht wäre der Abschluß der Verständigung zwischen Österreich und den 4 König­ reichen nun doch in den nächsten Tagen zu erwarten. Das Projekt wird wahrscheinlich von der Art sein, daß dessen Bekanntwerden unsrer Sache nur förderlich sein kann"." ... sDank für die Billigung, welche der Prinz dem Ministerium für die Behandlung der Verfassungs­ angelegenheit sollt2.]

1 Der Prinz hielt sich damals in F. auf. — 2 Am 18. März schrieb

Körper zur Seite stellen könnte, ist mir unklar noch.

Daß

Österreich diesen Dualismus aber anfängt anzunehmen, ist sehr wichtig;

darauf läßt sich weiterbauen, nur nicht in

der vorgeschlagenen Art.

Können Sie morgen vor der Sitzung mich besuchen, um diese Punkte zu besprechen, ehe Sie Ihre Antwort

fertig machen? Die Schreiben an den Gesandten in London v. Bunsen vom 17.Fe­ bruar und 7. März 1850 betr. die Unionspolitik (Original nicht vor­ liegend) u. a. gedruckt Berner I, S. 243 ff.

70. Minister v. Schleinitz an Prinz Wilhelm. Berlin, den 19. Februar 1850 .... ^Antwort auf Schreiben des Prinzen vom 16. d. M. betr. bevorzugte Stellung der Stadt Frankfurt im S8unbe§ftaoteSeine und des Grafen Brandenburg Zustimmung zu den Äußerungen.^ „Als eine Bedingung des Beitritts könnte dies freilich, wie E. K. H. ganz richtig bemerken, weder von Frankfurt verlangt noch von den verbünde­ ten Regierungen zugestanden werden. Dagegen spricht die Billigkeit unstreitig dafür, daß bei der definitiven Organisation des Bundesstaates die besonderen und historisch begründeten Verhältnisse der alten Reichs­ stadt nicht völlig unberücksichtigt bleiben, und Preußen wird sicherlich gern bereit sein, seinen Einfluß dahin zu verwenden, daß die künftige Stellung Frankfurts im Bundesstaate auf eine für dasselbe vorteilhafte und ehrenvolle Weise reguliert werde.... Mit großem Interesse sehe ich aus E. K. H. Schreiben, daß Höchstdieselben mit der gutachtlichen Äußerung des Generals v. Radowitz über die Bernstorff'sche Depesche einverstanden sind. Auch S. M. der König hat dieselbe gebilligt und Graf Bernstorff wird demnach unverzüglich in diesem Sinne instruiert werden. Nach einer gestern von letzterem eingegangenen Nachricht wäre der Abschluß der Verständigung zwischen Österreich und den 4 König­ reichen nun doch in den nächsten Tagen zu erwarten. Das Projekt wird wahrscheinlich von der Art sein, daß dessen Bekanntwerden unsrer Sache nur förderlich sein kann"." ... sDank für die Billigung, welche der Prinz dem Ministerium für die Behandlung der Verfassungs­ angelegenheit sollt2.]

1 Der Prinz hielt sich damals in F. auf. — 2 Am 18. März schrieb

Schleinitz: „Nach allen Seiten hin ist der Politische Horizont schwer umtoöHt, und es ist kaum abzusehen, wie ohne furchtbare Explosionen dieses drohende Ungewitter vorüberziehen sollte. Es ist immer meine Überzeugung gewesen, daß die tiefen moralischen Krankheiten, an denen unsere politischen und sozialen Zustände darniederliegen, nur durch gewaltige Gerichte Gottes wieder geheilt werden können, und wenn nicht alles täuscht, werden diese Gerichte bald über uns hereinbrechen"....

71. An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf Fsrankfurts a. M., den 21. Februar 1850

Empfangen Sie meinen Dank für Ihren teilnehmenden Brief bei Gelegenheit des Feuer-Akzidents *, aus dem mich die Vorsehung wieder einmal gnädig rettete. Ihre Mit­ teilungen über manche Kammererlebnisfe interefsierten mich fehr. Doch tut es mir leid, daß Sie zu denen gehörten, die gegen die sofortige Einführung der Pairie waren. Was in 2 Jahren im Prinzipe richtig ist, ist es auch heute, und ich kann nicht finden, daß die Jnkonfequenz der Kammerbefchlüsse vom Januar 50 mit denen von Oktober 49 da­ durch geringer wird, daß die Ausführung hinausgefchoben ist, es müßte denn sein, daß man wünscht, diese 2 Jahre dazu anzuwenden, eine Pairie dann unmöglich zu machen. Ich glaube viel Schlechtes von der jetzigen Menschheit, aber doch nicht solche Perfidie. Das Argument, was Sie für die Annahme nach 2 Jahren hat stimmen lassen, ist gerade das, was ich dem Arnimfschenf: Amendement vorwerfe als Motiv enthalten zu haben, nämlich daß die Pairie nicht hemmend auf die Agrargefetzfgebung^j wirken könne. Ge­ rade durch eine Einwirkung von Pairs auf diese ins Tollfej gehende Gesetzgebung wären die nötigen Modifikationen möglich geworden, was keine Hemmung, noch weniger Ver­ werfung heißen soll. Diese Gesetze, wie sie jetzt liegen,

Schleinitz: „Nach allen Seiten hin ist der Politische Horizont schwer umtoöHt, und es ist kaum abzusehen, wie ohne furchtbare Explosionen dieses drohende Ungewitter vorüberziehen sollte. Es ist immer meine Überzeugung gewesen, daß die tiefen moralischen Krankheiten, an denen unsere politischen und sozialen Zustände darniederliegen, nur durch gewaltige Gerichte Gottes wieder geheilt werden können, und wenn nicht alles täuscht, werden diese Gerichte bald über uns hereinbrechen"....

71. An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf Fsrankfurts a. M., den 21. Februar 1850

Empfangen Sie meinen Dank für Ihren teilnehmenden Brief bei Gelegenheit des Feuer-Akzidents *, aus dem mich die Vorsehung wieder einmal gnädig rettete. Ihre Mit­ teilungen über manche Kammererlebnisfe interefsierten mich fehr. Doch tut es mir leid, daß Sie zu denen gehörten, die gegen die sofortige Einführung der Pairie waren. Was in 2 Jahren im Prinzipe richtig ist, ist es auch heute, und ich kann nicht finden, daß die Jnkonfequenz der Kammerbefchlüsse vom Januar 50 mit denen von Oktober 49 da­ durch geringer wird, daß die Ausführung hinausgefchoben ist, es müßte denn sein, daß man wünscht, diese 2 Jahre dazu anzuwenden, eine Pairie dann unmöglich zu machen. Ich glaube viel Schlechtes von der jetzigen Menschheit, aber doch nicht solche Perfidie. Das Argument, was Sie für die Annahme nach 2 Jahren hat stimmen lassen, ist gerade das, was ich dem Arnimfschenf: Amendement vorwerfe als Motiv enthalten zu haben, nämlich daß die Pairie nicht hemmend auf die Agrargefetzfgebung^j wirken könne. Ge­ rade durch eine Einwirkung von Pairs auf diese ins Tollfej gehende Gesetzgebung wären die nötigen Modifikationen möglich geworden, was keine Hemmung, noch weniger Ver­ werfung heißen soll. Diese Gesetze, wie sie jetzt liegen,

stoßen alle Besitzenden vor den Kopf, nivellieren sie mit den Einsassen, machen sie arm — und dann ist es freilich natürlich, daß sie nicht mehr angefeindet werden als an­ gesehen! Ob das ein Glück sein wird, mag die Zukunft lehren; ich halte es für ein Unglück. Ich freue mich zu lesen, daß Sie in Erfurt für Modi­ fizierung der deutschen Verfassung nach den Prinzipien der modifizierten Preußfischenf stimmen werden. Wer für das Camphausenfschef Amendement zum § 112 1 stimmte, der kann und darf auch nicht anders in Erfurt handeln, denn sonst würde man ja mit vollem Bewußtsein an der Destruierung dessen arbeiten, was man eben in Berlin gebaut hat! Von der Gagernfschenf Partei urteile ich anders als Sie. Diese Partei hat nur sich im Auge; sie will Preußen unterstützen, um so wieder zu ihrem Hauptzweck zu kommen, d. h. die einzelnen Regierungen erst zu eklipsieren und dann zu — aneantieren, so daß dann fast tabula rasa zu machen übrig nur bleibt. Ich verlange daher, daß man zwar diese Partei nicht brüskiere und sie benutze, ihr aber keinen finger­ breit Terrain einräumt, das dahin zielt, sich an die Stelle der Regierungen zu stellen. Schmachvoll ist die Erinnerung des Frühjahrs 1848, wo dergleich möglich war, da die Re­ gierung ohnmächtig war. Jetzt wo die Regierungen wieder zur Macht gelangt sind, muß jene Partei fühlen, daß sie keine andere Macht hat, als wenn sie sich den Regierungen anschließt; tut sie es nicht, so hat sie keine andre Macht hinter sich als die Revolution, die sie 1848 momentan zum Ansehen hob. Somit haben Sie mein politisches Glaubensbekenntnis für Erfurt. Übrigens Ehre unsern Kammern, daß sie mit dem König

gingen vom 7. Januar an3, das gibt Zuversicht für die Zukunft, daß in solchen kritischen Momenten Preußen noch Männer aufzuweisen haben wird, die ihren Patriotismus höher stellen als Eitelkeit und Eigenliebe! 1 Am 13. Februar brach */28 Uhr morgens im Arbeitszimmer des Prinzen im Hotel „Russischer Hof" in Frankfurt a. M. infolge über­ heizten Ofens Feuer aus. Der Prinz verbrannte sich etwas die Hand beim Retten von Papieren. — 2 Der Versassungsurkunde vom 5. De­ zember 1848 betr. Revision dieser Verfassung. — 3 Zustimmung zu den Propositionen betr. die Versassungsrevision.

72. An Generalleutnant Carl von Reyher, Chef des Generalstabes Fsrankfurts am Main, 1. März 1850

Tausend Dank für Ihre freundliche Teilnahme bei dem Akzident *, das glücklich wieder an mir vorübergegangen ist. Es scheint die jüngste Kriegserfahrung meine Voraussicht zu bestätigen, daß ich im Frieden alle Kalamitäten an meinem Körper durchmachen müßte, um kugelfest zu sein. Jedoch: Unberufen, 3 mal! Sie wissen, daß ich den Kammern alle Anerkennung widerfahren lasse über ihr Verhalten seit dem 7. Januar; dasselbe tue ich für das Votum und die Art desselben der 18 Millionen. Wollte Gott, daß ich dasselbe über das Vo­ tieren in der inneren Gesetzgebung tun könnte!! Hätte das Ministerium doch auch darin im konservativen Sinne gehandelt, — vieles stünde für jetzt und für die Zukunft besser! Was wird Erfurt bringen? Die Beschlüsse des Ver­ waltungsrats gefallen mir gar nicht. Ist das die Tendenz unserer Verbündeten, dann stehet es schlecht um Preußen.

gingen vom 7. Januar an3, das gibt Zuversicht für die Zukunft, daß in solchen kritischen Momenten Preußen noch Männer aufzuweisen haben wird, die ihren Patriotismus höher stellen als Eitelkeit und Eigenliebe! 1 Am 13. Februar brach */28 Uhr morgens im Arbeitszimmer des Prinzen im Hotel „Russischer Hof" in Frankfurt a. M. infolge über­ heizten Ofens Feuer aus. Der Prinz verbrannte sich etwas die Hand beim Retten von Papieren. — 2 Der Versassungsurkunde vom 5. De­ zember 1848 betr. Revision dieser Verfassung. — 3 Zustimmung zu den Propositionen betr. die Versassungsrevision.

72. An Generalleutnant Carl von Reyher, Chef des Generalstabes Fsrankfurts am Main, 1. März 1850

Tausend Dank für Ihre freundliche Teilnahme bei dem Akzident *, das glücklich wieder an mir vorübergegangen ist. Es scheint die jüngste Kriegserfahrung meine Voraussicht zu bestätigen, daß ich im Frieden alle Kalamitäten an meinem Körper durchmachen müßte, um kugelfest zu sein. Jedoch: Unberufen, 3 mal! Sie wissen, daß ich den Kammern alle Anerkennung widerfahren lasse über ihr Verhalten seit dem 7. Januar; dasselbe tue ich für das Votum und die Art desselben der 18 Millionen. Wollte Gott, daß ich dasselbe über das Vo­ tieren in der inneren Gesetzgebung tun könnte!! Hätte das Ministerium doch auch darin im konservativen Sinne gehandelt, — vieles stünde für jetzt und für die Zukunft besser! Was wird Erfurt bringen? Die Beschlüsse des Ver­ waltungsrats gefallen mir gar nicht. Ist das die Tendenz unserer Verbündeten, dann stehet es schlecht um Preußen.

Wir müssen den Ton angeben und nicht immer abgestimmt werden. 1 Vgl. oben Nr. 71 Anm. 1. Schreiben an Bunsen vom 7. März 1850: Teutsche Revue 1897, 3, S. 269.

73. An den Großherzogl. Badischen Geheimen Rat Dr. Schaaff, z. Zt. in Erfurt1 Coblenz, den 21. März 1850

Empfangen Sie meinen besten Dank für Ihre freund­ lichen Zeilen mit Ihren treuen Wünschen zum morgenden Tag. Mit Freuden habe ich gelesen, daß Sie nach Erfurt ge­ wählt wurden und somit in doppelter Öffentlichkeit bem engeren und weiteren Vaterlande Ihre Dienste und Ihre Gesinnungen widmen werden. Daß Sie daneben auch Ihre Stellung zu mir und der Preuß. Armee2 behalten, ist mir sehr lieb, da wir uns gegenseitig kennen und eingelebt sind in das Geschäft. Der Eingang und Fortgang des Karlsruher Landtages ist sehr erfreulich und beweiset, daß das Volk doch geheilter für den Augenblick ist, als man glaubte. Zum Lohne dafür ignoriert das Münchener Bündnis auch Baden vollkommen! Das ist gewiß sehr bezeichnend in mehr denn einer Beziehung. 1 Generallandesarchiv Karlsruhe. — 2 Als Generalbevollmächtigter bei den preußischen Truppen.

74. An Generalleutnant Carl von Reyher, Chef des Generalstabes Coblenz, den 22. März 1850

Herzlichen Dank, bester Reyher, für Ihre freundlichen Zeilen zum heutigen Tage. Alle Wünsche für mich find

Wir müssen den Ton angeben und nicht immer abgestimmt werden. 1 Vgl. oben Nr. 71 Anm. 1. Schreiben an Bunsen vom 7. März 1850: Teutsche Revue 1897, 3, S. 269.

73. An den Großherzogl. Badischen Geheimen Rat Dr. Schaaff, z. Zt. in Erfurt1 Coblenz, den 21. März 1850

Empfangen Sie meinen besten Dank für Ihre freund­ lichen Zeilen mit Ihren treuen Wünschen zum morgenden Tag. Mit Freuden habe ich gelesen, daß Sie nach Erfurt ge­ wählt wurden und somit in doppelter Öffentlichkeit bem engeren und weiteren Vaterlande Ihre Dienste und Ihre Gesinnungen widmen werden. Daß Sie daneben auch Ihre Stellung zu mir und der Preuß. Armee2 behalten, ist mir sehr lieb, da wir uns gegenseitig kennen und eingelebt sind in das Geschäft. Der Eingang und Fortgang des Karlsruher Landtages ist sehr erfreulich und beweiset, daß das Volk doch geheilter für den Augenblick ist, als man glaubte. Zum Lohne dafür ignoriert das Münchener Bündnis auch Baden vollkommen! Das ist gewiß sehr bezeichnend in mehr denn einer Beziehung. 1 Generallandesarchiv Karlsruhe. — 2 Als Generalbevollmächtigter bei den preußischen Truppen.

74. An Generalleutnant Carl von Reyher, Chef des Generalstabes Coblenz, den 22. März 1850

Herzlichen Dank, bester Reyher, für Ihre freundlichen Zeilen zum heutigen Tage. Alle Wünsche für mich find

Wir müssen den Ton angeben und nicht immer abgestimmt werden. 1 Vgl. oben Nr. 71 Anm. 1. Schreiben an Bunsen vom 7. März 1850: Teutsche Revue 1897, 3, S. 269.

73. An den Großherzogl. Badischen Geheimen Rat Dr. Schaaff, z. Zt. in Erfurt1 Coblenz, den 21. März 1850

Empfangen Sie meinen besten Dank für Ihre freund­ lichen Zeilen mit Ihren treuen Wünschen zum morgenden Tag. Mit Freuden habe ich gelesen, daß Sie nach Erfurt ge­ wählt wurden und somit in doppelter Öffentlichkeit bem engeren und weiteren Vaterlande Ihre Dienste und Ihre Gesinnungen widmen werden. Daß Sie daneben auch Ihre Stellung zu mir und der Preuß. Armee2 behalten, ist mir sehr lieb, da wir uns gegenseitig kennen und eingelebt sind in das Geschäft. Der Eingang und Fortgang des Karlsruher Landtages ist sehr erfreulich und beweiset, daß das Volk doch geheilter für den Augenblick ist, als man glaubte. Zum Lohne dafür ignoriert das Münchener Bündnis auch Baden vollkommen! Das ist gewiß sehr bezeichnend in mehr denn einer Beziehung. 1 Generallandesarchiv Karlsruhe. — 2 Als Generalbevollmächtigter bei den preußischen Truppen.

74. An Generalleutnant Carl von Reyher, Chef des Generalstabes Coblenz, den 22. März 1850

Herzlichen Dank, bester Reyher, für Ihre freundlichen Zeilen zum heutigen Tage. Alle Wünsche für mich find

diesmal weniger wehmütig als seit 2 Jahren, aber doch sehr ernster Natur mit Hinblick auf die Vergangenheit und Zukunft. Unwillkürlich siehet man nach dem Degen, denn nur ihm scheint die Lösung Vorbehalten! Sollte mir wiederum eine Rolle bei dieser Lösung Vorbehalten sein, so dürfte sie nicht so leicht und nicht so glatt zu spielen sein als 1849, das uns eigentlich verwöhnt hat bei diesem ersten Auftreten der Armee. Wenn Sie sagen, daß die Armee Vertrauen zu mir hat, so ist dies leicht erkauft gewesen. Doch ich nehme es als ein Gnadengeschenk des Himmels an, das mir wichtig und nötig werden kann. Die Teilnahme, welche man in Berlin dem heutigen Tage öffentlich schenken will, mahnt an den Wechsel der Stimmung und der Gesinnung der Menschen. Ich bin dankbar für das, was der Augenblick zeigt, ohne zu viel Gewicht darauf zu legen und ohne mir Illusionen zu machen! — Was sagen Sie zum König von Württemberg? 1 Er hat dem Faß den Boden ausgestoßen; es ist kaum lesbar, was er sprach. Uns wird es nicht schaden, aber wohl ihm. 1 König Wilhelm I. von Württemberg hatte in der Thronrede vom 15. März sich gegen den deutschen Einheitsstaat als „das gefährlichste aller Traumbilder" und gegen das preußische Bündnis vom 26. Mai als „auf den politischen Selbstmord der Gesamtheit berechnet" ausgesprochen.

75. An den Großherzoglich Hessischen Kriegsminister Generalmajor Friedrich Frh. von SchaefferBernstein 1 Cfoblenzf, den 26. März 1850

Sie haben vor 3 Wochen mir unaufgefordert die Ver­ sicherung gegeben, daß das Großherzogtum Hsessenj fest an

diesmal weniger wehmütig als seit 2 Jahren, aber doch sehr ernster Natur mit Hinblick auf die Vergangenheit und Zukunft. Unwillkürlich siehet man nach dem Degen, denn nur ihm scheint die Lösung Vorbehalten! Sollte mir wiederum eine Rolle bei dieser Lösung Vorbehalten sein, so dürfte sie nicht so leicht und nicht so glatt zu spielen sein als 1849, das uns eigentlich verwöhnt hat bei diesem ersten Auftreten der Armee. Wenn Sie sagen, daß die Armee Vertrauen zu mir hat, so ist dies leicht erkauft gewesen. Doch ich nehme es als ein Gnadengeschenk des Himmels an, das mir wichtig und nötig werden kann. Die Teilnahme, welche man in Berlin dem heutigen Tage öffentlich schenken will, mahnt an den Wechsel der Stimmung und der Gesinnung der Menschen. Ich bin dankbar für das, was der Augenblick zeigt, ohne zu viel Gewicht darauf zu legen und ohne mir Illusionen zu machen! — Was sagen Sie zum König von Württemberg? 1 Er hat dem Faß den Boden ausgestoßen; es ist kaum lesbar, was er sprach. Uns wird es nicht schaden, aber wohl ihm. 1 König Wilhelm I. von Württemberg hatte in der Thronrede vom 15. März sich gegen den deutschen Einheitsstaat als „das gefährlichste aller Traumbilder" und gegen das preußische Bündnis vom 26. Mai als „auf den politischen Selbstmord der Gesamtheit berechnet" ausgesprochen.

75. An den Großherzoglich Hessischen Kriegsminister Generalmajor Friedrich Frh. von SchaefferBernstein 1 Cfoblenzf, den 26. März 1850

Sie haben vor 3 Wochen mir unaufgefordert die Ver­ sicherung gegeben, daß das Großherzogtum Hsessenj fest an

P treu Men) halten werde, wenn Psteu)ßten) keine weiter­ gehenden Mediattisierungs)pläne verfolge, als der Traktat vom 26. Mai ausfpreche. Ihnen hierüber die vollständigste Beruhigung zu geben, konnte mir nicht schwer werden. Ihrerseits erteilten Sie mir eine ähnliche Beruhigung über meine Besorgnis, daß in Dsarmstadt) ebensogut wie in Cassel ein Ministerwechsel, von außen infligiert, eintreten könne, indem Sie erklärten, dazu sei gar keine Aussicht vorhanden. Jetzt ist der 27. Febsruar)2 dem 26. Mai 49 gegenübergetreten. Es heißt so bestimmt, daß dieser Lock­ vogel für beide Hessen seinen Erfolg gehabt habe, und daß Ihr Herr und Sollvrän3 im Begriff stehe, sich von uns zu trennen, daß ich ihn heute offen um seinen Ausspruch gebeten habe. Die Sachen sind auf einen Punkt gekommen, wo man feine Freunde und ([eine] Feinde genau kennen muß. Es gehet daher mein Verlangen an Sie, sich gegen mich auszusprechen, was von den Nachrichten, die mir auch bereits von Berlin aus zugehen, zu halten ist, daß Ihr Gouvernement und Souvrän gesonnen ist, sich nach Ost­ sreich ]-B[a]y fern] zu wenden. Als Militär, Diplomat und nun auch als Minister werden Sie einsehen, von welcher Wichtigkeit es für mein Gouvernement und vor allem für mich bei meiner Kommandostellung ist, zu wissen, wie es mit den Staaten stehet, die meine Truppenaufstellung durchschneiden. — Sie haben sich im Sommer 48 und Winter 49 so entschieden für Preußens Oberstellung in Deutschland ausgesprochen, daß ich von Ihnen eine andere Ansicht nicht erwarten kann, am wenigsten aber annehmen, daß Sie sich einer Alliance anschließen werden, deren eines Glied Preußen skandalös ins Gesicht schlug!4 1 Nach dem eigenhändigen Entwurf. H.-A. — 2 Münchener Uber-

eintunft zwischen Bayern, Sachsen und Württemberg zwecks Erneuerung der deutschen Bundesversassung. — 3 Ludwig III. — 4 v. Sch. ant­ wortete hierauf ausführlich am 29. März. Er versicherte die Bundes­ treue Hessens und beklagte sich über das Mißtrauen in Berlin. Man werde, ehe man zu anderen Entschließungen gelange, offene Aussprache über die Lage mit Berlin suchen. Würde seinem Rate Gehör geschenkt, so dürfe sich der Prinz über alle Zweifel beruhigen. Im übrigen spreche er nur seine persönliche Überzeugung aus. Zu der Ausführung, er habe das Wort „Mediatisierung" nicht gebraucht, bemerkt der Prinz am Rande: „ist ganz speziel 2 mal geschehen", und zu seinen Äuße­ rungen über das Vertrauen znm König und Prinzen: „General Sch. verlangte die sofortige deutsche Oberhouptsstelle durch Preußen".

76. An Großherzog Darmstadt

Ludwig III.1 von HessenEfovlensz, den 26. März 1850

Bei der Offenheit, mit welcher wir seit 9 Monaten die politischen Verhältnisse Deutschflandsf besprochen haben, muß ich mich sofort an Dich offen wenden. Es heißt all­ gemein, daß Du infolge der Münchener Lockspeise vom 27. 2. gesonnen bist, den 26. Mai fallen zu lassen. Schon bei meiner letzten Anwesenheit in Dfarmstadtf sprach ich Dir die Besorgnis aus, daß Du dem Ostfreichischf-Bayfri­ schens Einfluß zuletzt unterliegen würdest und in Gemein­ schaft mit Casfel unser Bündnis vom 26. Mai verlassen werdest. Du wiesest mein Mißtrauen zurück mit der besümmten Versicherung, fest an Preußen halten zu wollen. — Anderen Tages hatte ich in Ffrankfurtf o[nt] Mfain) mit Gfeneralf von Schfaefferf über denfelben Gegenstand eine Unterredung und er gab mir unaufgefordert die Ver­ sicherung, daß, solange Preußfenf keine weitergehenden Mediatfisierungsfpläne als die Vorlagen des 26. Mai auf­ stellte, Heffen fest an Pfreufßfenf halten werde; das

eintunft zwischen Bayern, Sachsen und Württemberg zwecks Erneuerung der deutschen Bundesversassung. — 3 Ludwig III. — 4 v. Sch. ant­ wortete hierauf ausführlich am 29. März. Er versicherte die Bundes­ treue Hessens und beklagte sich über das Mißtrauen in Berlin. Man werde, ehe man zu anderen Entschließungen gelange, offene Aussprache über die Lage mit Berlin suchen. Würde seinem Rate Gehör geschenkt, so dürfe sich der Prinz über alle Zweifel beruhigen. Im übrigen spreche er nur seine persönliche Überzeugung aus. Zu der Ausführung, er habe das Wort „Mediatisierung" nicht gebraucht, bemerkt der Prinz am Rande: „ist ganz speziel 2 mal geschehen", und zu seinen Äuße­ rungen über das Vertrauen znm König und Prinzen: „General Sch. verlangte die sofortige deutsche Oberhouptsstelle durch Preußen".

76. An Großherzog Darmstadt

Ludwig III.1 von HessenEfovlensz, den 26. März 1850

Bei der Offenheit, mit welcher wir seit 9 Monaten die politischen Verhältnisse Deutschflandsf besprochen haben, muß ich mich sofort an Dich offen wenden. Es heißt all­ gemein, daß Du infolge der Münchener Lockspeise vom 27. 2. gesonnen bist, den 26. Mai fallen zu lassen. Schon bei meiner letzten Anwesenheit in Dfarmstadtf sprach ich Dir die Besorgnis aus, daß Du dem Ostfreichischf-Bayfri­ schens Einfluß zuletzt unterliegen würdest und in Gemein­ schaft mit Casfel unser Bündnis vom 26. Mai verlassen werdest. Du wiesest mein Mißtrauen zurück mit der besümmten Versicherung, fest an Preußen halten zu wollen. — Anderen Tages hatte ich in Ffrankfurtf o[nt] Mfain) mit Gfeneralf von Schfaefferf über denfelben Gegenstand eine Unterredung und er gab mir unaufgefordert die Ver­ sicherung, daß, solange Preußfenf keine weitergehenden Mediatfisierungsfpläne als die Vorlagen des 26. Mai auf­ stellte, Heffen fest an Pfreufßfenf halten werde; das

Ministerium sei darin entschieden. Auf meine Bemerkung, daß in Dsarmstadts das Msinisstseriumf ebenso gut wie in Cassel gestürzt werden könne und dann eine ganz, andere Politik selbst gegen die öffentliche Meinung verfolgt werden könne, erwiderte er, daß dazu gar keine Aussicht sei. Ich werde ihm dies heute in die Erinnerung zurückrufen und sehe also von Dir und ihm Antworten entgegen, ob wir länger auf Dsarmstadts rechnen können oder nicht? Wir müssen klar sehen, weil unsere Maßregeln schnell und ener­ gisch zu treffen fein werden 2. 1 Nach dem eigenhändigen Entwurf. H,-A. — 2 Der Großherzog richtete hierauf unter dem 1. April ein Schreiben an König Friedrich Wilhelm IV., in dem er seine Treue gegenüber dem Bündnis versicherte, aber auf die durch den Rücktritt bedeutender Mitglieder geschaffene Veränderung der Lage hinwies. ,Er erbat die Ansichten des Königs über die Münchener Übereinkunft vom 27. Februar und die Eröffnung des Wiener Kabinetts [tiorrr 13. März^ an die deutschen Regierungen und stellte anheim, im Hinblick darauf eine Vertagung des Erfurter Reichstages herbeizuführen.

77. An Generalleutnant Joseph Maria v. Radowitz Coblenz, 30. März 18501

Empfangen Sie meinen besten Dank für Ihre freund­ lichen, aber auch bedeutungsvollen Wünsche zum 22.2, die mir doppelt wert sind, nachdem wir in der neusten Zeit, und namentlich im mit nun abgelaufenen Lebensjahr, in noch näherer Berührung kamen als früher. Aber auch Ihnen habe ich einen Glückwunsch abzustatten, den zu Ihrem vortrefflichen Vortrage am 26. im Parlamente. Wer hören und sehen will, dem kann kein Schleier vor den Augen mehr die Wahrheit verdecken. Ihre Rede ist so würdig, einfach, wahr und gediegen, daß sie meinem

Ministerium sei darin entschieden. Auf meine Bemerkung, daß in Dsarmstadts das Msinisstseriumf ebenso gut wie in Cassel gestürzt werden könne und dann eine ganz, andere Politik selbst gegen die öffentliche Meinung verfolgt werden könne, erwiderte er, daß dazu gar keine Aussicht sei. Ich werde ihm dies heute in die Erinnerung zurückrufen und sehe also von Dir und ihm Antworten entgegen, ob wir länger auf Dsarmstadts rechnen können oder nicht? Wir müssen klar sehen, weil unsere Maßregeln schnell und ener­ gisch zu treffen fein werden 2. 1 Nach dem eigenhändigen Entwurf. H,-A. — 2 Der Großherzog richtete hierauf unter dem 1. April ein Schreiben an König Friedrich Wilhelm IV., in dem er seine Treue gegenüber dem Bündnis versicherte, aber auf die durch den Rücktritt bedeutender Mitglieder geschaffene Veränderung der Lage hinwies. ,Er erbat die Ansichten des Königs über die Münchener Übereinkunft vom 27. Februar und die Eröffnung des Wiener Kabinetts [tiorrr 13. März^ an die deutschen Regierungen und stellte anheim, im Hinblick darauf eine Vertagung des Erfurter Reichstages herbeizuführen.

77. An Generalleutnant Joseph Maria v. Radowitz Coblenz, 30. März 18501

Empfangen Sie meinen besten Dank für Ihre freund­ lichen, aber auch bedeutungsvollen Wünsche zum 22.2, die mir doppelt wert sind, nachdem wir in der neusten Zeit, und namentlich im mit nun abgelaufenen Lebensjahr, in noch näherer Berührung kamen als früher. Aber auch Ihnen habe ich einen Glückwunsch abzustatten, den zu Ihrem vortrefflichen Vortrage am 26. im Parlamente. Wer hören und sehen will, dem kann kein Schleier vor den Augen mehr die Wahrheit verdecken. Ihre Rede ist so würdig, einfach, wahr und gediegen, daß sie meinem

Gefühl nach bei Freund und Feind gleich tiefen Eindruck machen muß. Ich habe alles in derselben wieder auf­ gefunden, was wir so oft zusammen besprochen haben. Was Sie mir in Ihrem Schreiben von dem zu er­ wartenden Gange des Parlaments sagen, beruhigt mich sehr, doch finde ich in Ihren Aussichtenf!f und Bodelschwinghs Programm noch eine große Kluft, nämlich die völlige Igno­ rierung in letzterem der Revision. Die Zeitungen sagen seit gestern, daß der Verwaltungsrat dem Programm unter den Bedingungen beigetreten sei, die Sie mir grade auch anführen; aber noch erfuhr ich nicht, ob das Programm sie aufnahm — und was wird das Plenum tun? Ich finde überhaupt, daß Bodelschwingh zu sehr nach Gagern schmeckt; hoffentlich hat Brandenburg Ihnen und auch an Bodelschwingh meine niedergeschriebene Unterredung mit Gagern gezeigt, was ich ihm auftrug. Sie werden gesehen haben, daß ich ihm tüchtig die Wahrheit ins Gesicht sagte, und das ist bei dieser Art Leute nötig; denn seine Tirade über das Verfahren seiner Partei in den Stündeversammlungen der kleinen Staaten, um 1848 vorzuberei­ ten, beweiset hinlänglich das Selbstgefühl dieser Partei, und wie gefährlich sie werden wird, wie man sich ihr in die Arme wirft, statt sie nur zu benutzen Da ich in der Charwoche nicht gut einen Abstecher nach Darmstadt machen konnte, so habe ich gleich nach Empfang Ihres und Brandenburgs Brief, der dieselbe Aufforderung enthielt, an den Großherzog von Dsarmstadts und an den Gsenerafl Schäffer geschrieben4 und sie gradezu und offen aufgefordert mir zu schreiben, was an den laufenden Ge­ rüchten ihres Abfalls vom Maibündnis wahr sei. Noch habe ich keine Antwort, der 5. Tag; sie mögen allerdings

etwas in Verlegenheit sein, da ein geschriebenes Wort schwerer abzuleugnen ist, als ein mündliches; vielleicht hat auch Ihre Rede dort Eindruck gemacht. Ich schreibe Ihnen sofort, wenn ich Antwort erhalte. Dagegen können wir uns Badens nur vollständig be­ loben. Das Dankbarkeitsgefühl nach überstandener Not hat, wie es scheint, durchgeschlagen; die errungenen Fakten sind sprechend. Fast Einstimmigkeit in beiden Kammern für den 26. Mai und für den Ausmarsch der Truppen nach Preußen. Und wie erwidert unser Gouvernement dieses Entgegenkommen? Mit Demütigungen und Knausereien sondergleichen! Das Verlangen einer 6monatlichen Probe­ zeit bei uns, bevor man die Badenschen Truppen dem Preußischen Okkupationskorps in Geldabrechnung bringt, ist zu verletzend und hat sehr schlecht auf die Truppen gewirkt und so viel Zeit verschleppt, daß nun die Ostreicher in der Zentralkonmrission in Fa/M. Einspruch gegen den Ausmarsch erhoben haben. Die Kurzsichtigkeit unseres Staatsministeriums in der Badenfschenf Frage ist mir un­ erklärlich! Es ist komplett, als wenn die Kreuzzeitungs­ partei, da sie es nicht auf anderen Wegen erreichen konnte, die Ostreicher nach Baden zu bringen, es jetzt dem Mini­ sterium angetan hat, und indirekt, d. h. durch Verletzung des Ehrgefühls des Badenjschenj Gouvernements und durch Fingerzeige an Ostreich, Baden zurück in die Arnre Ostreichs stoßen wird. In diesem Moment, wo von Ostreich alle Intrigen losgelassen werden, um uns unsere Alliierten ab­ trünnig zu machen, stoßen wir den Staat, den wir gerettet, der voller Dankbarkeit unser festester Verbündeter bis jetzt ist, vor den Kopf!! Wie leichtes Spiel gewinnt dadurch die Intrige, wenn sie anderen Staaten zeigt, wie ver-

letzend und übermütig Preußen sich zeigt, so daß also seine Pläne, alles was sich ihm ergibt, brüskieren werdens!], deut­ lich zutage liegen! Ostreich hat schon angespielt, daß es gratis tun werde, wofür wir uns bezahlen lassen, d. h. das Badener Land zu okkupieren. Desgleichen hat Schön­ hals 5 den Moment benutzt, um die Mitbesetzung Rastatts wieder zu verlangen; Ostreich verliert keine Sekunde! — Und wir? wir öffnen dem unsicheren Freunde die Tore, um ihm unsere mit Blut errungene Position zu über­ lassen! Teilen wir Badens Besetzung jetzt mit Ostreich, so ist unser Einfluß, d. h. die Paralifierrmg des östreichischen in Süddeutschland verloren. Und grade in diesem Moment macht unser Ministerium den Antrag, um Geld zu sparen, 5000 Mann aus Baden zurückzuziehen, damit Baden 5000 Msanns seiner noch unorganisierten Truppen an deren Stelle setze??? in einem Moment, wo Bayern ein Korps bei Aschaffenburg zusammenziehet und seine Truppen in der Pfalz allnrählich verstärkt!! Solche Kurzsichtigkeit, ein­ gegeben aus Geiz, ist mir zu viel geworden und ich werde lieber meine Stelle niederlegen, als die Harid zu solchen Maßregeln zu bieten. Ich muß Sie inständigst bitten, mir beizustehen gegen das Staatsministerium, wenn die Badenssche^I Frage so ver­ griffen wird, wie in diesem Moment. Verzeihen Sie diese lange Epistel bei Ihren ander­ weitigen vielen Geschäften; aber dies ist auch ein Geschäft von Wichtigkeit. 1 Der Anfang gebt.: Berner I, 246; Jos. v.Radowitz, Nachgel. Briefe und Aufzeichnungen zur Geschichte der Jahre 1848—1853 hrsgb. von W. Moring, Nr. 155. — 2 Gebr.: Jos. v. Radowitz, Nachgel. Briefe usw., Nr. 148. — 3 Vgl. den Brief an die Gemahlin vom 4. März,

Bailleu-Schuster, Aus dem Literar. Nachlaß der Kaiserin Augusta, S. 416. — 4 Oben Nr. 75 und 76. — 5 Karl Ritter v. Schönhals, österreich. General u. Mitglied der Provisor. Bundeszentralkommission.

78. An Generalleutnant Joseph Maria v. Radowitz Fsrankfurt^ a. M., den 5. April 1850

Nur 5 Minuten bis zum Abgang der Post. Lesen Sie die Anlage 1 und senden Sie dieselbe so rasch als möglich an den König, bemerkend, daß Sie den Brief lasen, über Ihre Aiitteilung über Kriegs- irnd Friedensfragen, sie aus dem engeren an den weiteren Bund zu übertragen, geben Sie mir wohl Aufschluß, wenngleich er abortiert ist! [N. S.J: Schäffers Brief senden Sie mir zurück. 1 Wohl die in der Nachschrift erwähnte Antwort des großherzogl. Hess. Kriegsministers General v. Schäsfer-Bernstein auf den Brief vom 26. März. Vgl. Jos. v. Radowitz, Nachgel. Briefe usw., Nr. 158.

79. An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf Coblenz, den 13. April 1850

Herzlichen Dank für Ihre teilnehmenden Zeilen zum 22. März; seit 1848! ist doch viel Terrain wiedergewonnen, aber es gärt uns unter den Füßen! Gebe Gott, daß die neuen Institutionen, die wir uns gaben, nicht nach und nach so das Terrain minieren, daß wir einem 2. Stoß ebenso wenig widerstehen, wie die konstitutionellen Staaten von 1818—48, die sich noch nicht aufrichten können! In diesen Stunden kann Entscheidendes in Erfurt ge­ schehen. Während ich eine Zeitlang für die en bloe-Annahme mit sofortiger Revision war, bin ich jetzt für vor­ herige Revision, teils weil das erstere doch sehr gefährlich ist, nicht wissend, was die Parteien im Schilde führen,

Bailleu-Schuster, Aus dem Literar. Nachlaß der Kaiserin Augusta, S. 416. — 4 Oben Nr. 75 und 76. — 5 Karl Ritter v. Schönhals, österreich. General u. Mitglied der Provisor. Bundeszentralkommission.

78. An Generalleutnant Joseph Maria v. Radowitz Fsrankfurt^ a. M., den 5. April 1850

Nur 5 Minuten bis zum Abgang der Post. Lesen Sie die Anlage 1 und senden Sie dieselbe so rasch als möglich an den König, bemerkend, daß Sie den Brief lasen, über Ihre Aiitteilung über Kriegs- irnd Friedensfragen, sie aus dem engeren an den weiteren Bund zu übertragen, geben Sie mir wohl Aufschluß, wenngleich er abortiert ist! [N. S.J: Schäffers Brief senden Sie mir zurück. 1 Wohl die in der Nachschrift erwähnte Antwort des großherzogl. Hess. Kriegsministers General v. Schäsfer-Bernstein auf den Brief vom 26. März. Vgl. Jos. v. Radowitz, Nachgel. Briefe usw., Nr. 158.

79. An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf Coblenz, den 13. April 1850

Herzlichen Dank für Ihre teilnehmenden Zeilen zum 22. März; seit 1848! ist doch viel Terrain wiedergewonnen, aber es gärt uns unter den Füßen! Gebe Gott, daß die neuen Institutionen, die wir uns gaben, nicht nach und nach so das Terrain minieren, daß wir einem 2. Stoß ebenso wenig widerstehen, wie die konstitutionellen Staaten von 1818—48, die sich noch nicht aufrichten können! In diesen Stunden kann Entscheidendes in Erfurt ge­ schehen. Während ich eine Zeitlang für die en bloe-Annahme mit sofortiger Revision war, bin ich jetzt für vor­ herige Revision, teils weil das erstere doch sehr gefährlich ist, nicht wissend, was die Parteien im Schilde führen,

Bailleu-Schuster, Aus dem Literar. Nachlaß der Kaiserin Augusta, S. 416. — 4 Oben Nr. 75 und 76. — 5 Karl Ritter v. Schönhals, österreich. General u. Mitglied der Provisor. Bundeszentralkommission.

78. An Generalleutnant Joseph Maria v. Radowitz Fsrankfurt^ a. M., den 5. April 1850

Nur 5 Minuten bis zum Abgang der Post. Lesen Sie die Anlage 1 und senden Sie dieselbe so rasch als möglich an den König, bemerkend, daß Sie den Brief lasen, über Ihre Aiitteilung über Kriegs- irnd Friedensfragen, sie aus dem engeren an den weiteren Bund zu übertragen, geben Sie mir wohl Aufschluß, wenngleich er abortiert ist! [N. S.J: Schäffers Brief senden Sie mir zurück. 1 Wohl die in der Nachschrift erwähnte Antwort des großherzogl. Hess. Kriegsministers General v. Schäsfer-Bernstein auf den Brief vom 26. März. Vgl. Jos. v. Radowitz, Nachgel. Briefe usw., Nr. 158.

79. An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf Coblenz, den 13. April 1850

Herzlichen Dank für Ihre teilnehmenden Zeilen zum 22. März; seit 1848! ist doch viel Terrain wiedergewonnen, aber es gärt uns unter den Füßen! Gebe Gott, daß die neuen Institutionen, die wir uns gaben, nicht nach und nach so das Terrain minieren, daß wir einem 2. Stoß ebenso wenig widerstehen, wie die konstitutionellen Staaten von 1818—48, die sich noch nicht aufrichten können! In diesen Stunden kann Entscheidendes in Erfurt ge­ schehen. Während ich eine Zeitlang für die en bloe-Annahme mit sofortiger Revision war, bin ich jetzt für vor­ herige Revision, teils weil das erstere doch sehr gefährlich ist, nicht wissend, was die Parteien im Schilde führen,

wenn erst die en dloc-Annahme da ist, und dann, weil sie den Abfall vieler Verbündeter unbedingt nach sich ziehet. Die letzte Episode vom 3. April1 war sehr unerwünscht; ich habe es aber gleich gesagt, daß die Frage unbedingt durch Parteisucht und Zeitungsgewäsch absichtlich entstellt sein müßte. Und so ist es denn auch teilweis gewesen. Das beste bei dieser Episode ist, daß es offiziell zur Sprache kam, daß Preußen seine Selbständigkeit als europäische Großmacht seit 1848 nicht aufgegeben hat. Sie haben keinen Begriff, wie dieser Gedanke in diesen Tagen hier alles in Harnisch gebracht hatte, ehe man sah, daß die Aus­ legung des Eintritts aller unserer Provinzen in den Bund nicht die Preußens sei. Wer uns dies streitig macht, der soll es schwer büßen; ich würde mit Einziehung der Land­ wehr in meinem Bereich antworten und bis zum letzten Hauch kämpfen. Dies wäre einer der Momente, wo man einen Aufschwung erleben würde wie 1813. Sie sind also verabschiedeter Oberstleutnant, wer weiß, wie lange Sie es gerade jetzt sein können, während vor 6 Jahren dem nichts entgegengestanden hätte. [N. S.]: Vielen Dank für die Chappnissschej Mittei­ lung. 1 Gemeint ist wohl der Antrag v. Radowitz, das Recht des Krieges und Friedens der Unionsgewalt zu beschränken, der am 2. April ver­ worfen wurde.

80. An Regierungspräsident v. Witzleben Coblenz, den 13. April 1850

Tausend Dank für Ihre treuen Wünsche zum 22. März, in denen ich Ihre sich stets gleichbleibenden Gesinnungen wiedererkannte!

wenn erst die en dloc-Annahme da ist, und dann, weil sie den Abfall vieler Verbündeter unbedingt nach sich ziehet. Die letzte Episode vom 3. April1 war sehr unerwünscht; ich habe es aber gleich gesagt, daß die Frage unbedingt durch Parteisucht und Zeitungsgewäsch absichtlich entstellt sein müßte. Und so ist es denn auch teilweis gewesen. Das beste bei dieser Episode ist, daß es offiziell zur Sprache kam, daß Preußen seine Selbständigkeit als europäische Großmacht seit 1848 nicht aufgegeben hat. Sie haben keinen Begriff, wie dieser Gedanke in diesen Tagen hier alles in Harnisch gebracht hatte, ehe man sah, daß die Aus­ legung des Eintritts aller unserer Provinzen in den Bund nicht die Preußens sei. Wer uns dies streitig macht, der soll es schwer büßen; ich würde mit Einziehung der Land­ wehr in meinem Bereich antworten und bis zum letzten Hauch kämpfen. Dies wäre einer der Momente, wo man einen Aufschwung erleben würde wie 1813. Sie sind also verabschiedeter Oberstleutnant, wer weiß, wie lange Sie es gerade jetzt sein können, während vor 6 Jahren dem nichts entgegengestanden hätte. [N. S.]: Vielen Dank für die Chappnissschej Mittei­ lung. 1 Gemeint ist wohl der Antrag v. Radowitz, das Recht des Krieges und Friedens der Unionsgewalt zu beschränken, der am 2. April ver­ worfen wurde.

80. An Regierungspräsident v. Witzleben Coblenz, den 13. April 1850

Tausend Dank für Ihre treuen Wünsche zum 22. März, in denen ich Ihre sich stets gleichbleibenden Gesinnungen wiedererkannte!

Wir haben gewiß gutes Terrain seit Jahr und Tag ge­ wonnen; aber es freut mich, daß Sie meiner Worte ein­ gedenk sind, daß man die Augen stets auf dem Tisch haben muß, denn in der Tiefe und im Stillen wird emsiger als je gearbeitet, um das Terrain uns allmählich unter den Füßen wankend zu machen. Wir haben uns seit 1848 so rasch erhoben, weil der Boden unter uns noch gar nicht vor­ bereitet war; ist er es so erst, wie seit 15 Jahren in Süd­ deutschland geschah, dann wird es auch anders bei uns aussehen! Es nicht dahin kommen zu lassen, ist unsere Aufgabe; sie ist sehr schwierig bei den Institutionen, die wir uns gaben! Dennoch muß man den Mut nicht ver­ lieren. Wenn es auch oft schwankt, das Ziel muß erreicht werden, im Innern wie im Äußern, und Erfurt macht mich noch nicht bange. Die letzte Episode hat uns freilich sehr geschadet, aber auch sie wird hoffentlich ausgeglichen. Verläßt man uns, so werden wir noch zu stehen wissen, und darum ist mir die Klarheit, die in Erfurt zutage kam, daß unsere Preußische Selbständigkeit als Groß­ macht fortbestehet, sehr erwünscht.

81. An

Generalleutnant Carl des Generalstabes

von Reyher, Chef

Cloblenlz, den 26. April 1850

Meinen besten Dank für die Mitteilung Ihrer Ernennung zürn definitiven Chef des Generalstabes und meinen Glück­ wunsch dazu. In dieser Branche will mir eins noch immer nicht munden, nämlich die viel zu jungen Chefs des General­ stabes bei den Generalkommandos. Nicht spreche ich von Alter, sondern von der Anciennite. Ein junger Major soll

Wir haben gewiß gutes Terrain seit Jahr und Tag ge­ wonnen; aber es freut mich, daß Sie meiner Worte ein­ gedenk sind, daß man die Augen stets auf dem Tisch haben muß, denn in der Tiefe und im Stillen wird emsiger als je gearbeitet, um das Terrain uns allmählich unter den Füßen wankend zu machen. Wir haben uns seit 1848 so rasch erhoben, weil der Boden unter uns noch gar nicht vor­ bereitet war; ist er es so erst, wie seit 15 Jahren in Süd­ deutschland geschah, dann wird es auch anders bei uns aussehen! Es nicht dahin kommen zu lassen, ist unsere Aufgabe; sie ist sehr schwierig bei den Institutionen, die wir uns gaben! Dennoch muß man den Mut nicht ver­ lieren. Wenn es auch oft schwankt, das Ziel muß erreicht werden, im Innern wie im Äußern, und Erfurt macht mich noch nicht bange. Die letzte Episode hat uns freilich sehr geschadet, aber auch sie wird hoffentlich ausgeglichen. Verläßt man uns, so werden wir noch zu stehen wissen, und darum ist mir die Klarheit, die in Erfurt zutage kam, daß unsere Preußische Selbständigkeit als Groß­ macht fortbestehet, sehr erwünscht.

81. An

Generalleutnant Carl des Generalstabes

von Reyher, Chef

Cloblenlz, den 26. April 1850

Meinen besten Dank für die Mitteilung Ihrer Ernennung zürn definitiven Chef des Generalstabes und meinen Glück­ wunsch dazu. In dieser Branche will mir eins noch immer nicht munden, nämlich die viel zu jungen Chefs des General­ stabes bei den Generalkommandos. Nicht spreche ich von Alter, sondern von der Anciennite. Ein junger Major soll

im Behinderungsfall seines Chefs, d. h. des konimandierenden Generals, diesen in allen Stelten ersetzen. Meinem Gefühl nach müßten diese Generalstabschefs Generale sein und mindestens Obersten. Aber Willisen'! Ich habe nur eine Antwort: Das ist Er ganz und gar! — Sans souci, wenn es nur in seinen Kram paßt, für das revolutionäre Prinzip eingenommen, wenn es die Befriedigung der eigenen Eitelkeit gilt; denn diese ist in allem sein Triebrad. — Aber warum hat man denn von Untersuchung gegen ihn in der Zeitung halb offiziell gesprochen, wenn man, wie es jetzt heißt, alles gut sein läßt!? Das kompromittiert zu sehr! Den 5. oder 6. denke ich in Berlin zu sein. Wegen Baden werde ich scharf mit dem Ministerium zusammen­ geraten und werde meinen Willen durchsetzen — oder gehen! [N. S.]: Wegen Tuempling liegt sehr lange mit vielen anderen ein Vorschlag beim Großherzog, aber noch ohne Resultat. 1 Wilhelm v. W., Preuß. General a. D., übernahm April 1850 den Oberbefehl der schleswig-holsteinischen Armee. Vgl. den Briefwechsel Wilhelms mit Willisen aus d. I. 1827—1832. Deutsche Rundschau Jahrg. 34 (1908 Febr.), S. 187 ff.

82. An Karl Frh. von

Vincke-Olbendorf Coblenz, den 3. Mai 1850

Da noch alles im Chaos liegt, so antworte ich nur auf eine Frage Ihres Briefes vom 17. v. M., warum ich mit Bestimmtheit annehme, daß durch die en bloo-Annahme mehrere Regierungen sich vom Bündnis trennen würden. Darauf ist die Antwort ziemlich einfach, nämlich die, daß beide Hessen-Monarchen und deren Minister es mir selbst

im Behinderungsfall seines Chefs, d. h. des konimandierenden Generals, diesen in allen Stelten ersetzen. Meinem Gefühl nach müßten diese Generalstabschefs Generale sein und mindestens Obersten. Aber Willisen'! Ich habe nur eine Antwort: Das ist Er ganz und gar! — Sans souci, wenn es nur in seinen Kram paßt, für das revolutionäre Prinzip eingenommen, wenn es die Befriedigung der eigenen Eitelkeit gilt; denn diese ist in allem sein Triebrad. — Aber warum hat man denn von Untersuchung gegen ihn in der Zeitung halb offiziell gesprochen, wenn man, wie es jetzt heißt, alles gut sein läßt!? Das kompromittiert zu sehr! Den 5. oder 6. denke ich in Berlin zu sein. Wegen Baden werde ich scharf mit dem Ministerium zusammen­ geraten und werde meinen Willen durchsetzen — oder gehen! [N. S.]: Wegen Tuempling liegt sehr lange mit vielen anderen ein Vorschlag beim Großherzog, aber noch ohne Resultat. 1 Wilhelm v. W., Preuß. General a. D., übernahm April 1850 den Oberbefehl der schleswig-holsteinischen Armee. Vgl. den Briefwechsel Wilhelms mit Willisen aus d. I. 1827—1832. Deutsche Rundschau Jahrg. 34 (1908 Febr.), S. 187 ff.

82. An Karl Frh. von

Vincke-Olbendorf Coblenz, den 3. Mai 1850

Da noch alles im Chaos liegt, so antworte ich nur auf eine Frage Ihres Briefes vom 17. v. M., warum ich mit Bestimmtheit annehme, daß durch die en bloo-Annahme mehrere Regierungen sich vom Bündnis trennen würden. Darauf ist die Antwort ziemlich einfach, nämlich die, daß beide Hessen-Monarchen und deren Minister es mir selbst

gesagt haben. Sie begründen ihr Recht dazu auf die Re­ servationen, mit welchen sie dem Bündnis beitraten. Wenn jetzt ihr Austritt nicht erfolgt, so werde ich mich ungemein darüber freuen; erfolgt er aber, so ist daran allein die Gothaer Partei und ihre Mitläufer Schuld, da sie wissentlich ein Votum durchsetzten, das der Union Gefahr brachte. (: Worte von Radowitz:). Wenn also die Union auf ein Minimum zurückgedrängt wird, so kann unnlöglich das ganze Attirail der Verfassung auf dieselbe mehr Anwendung finden, und dann ist also der erstrebte Kurs wieder verloren, da für das Minimum nur eine Al­ liance und Militärconvention übrig bleibt. Am 23. Mai trat der Prinz eine Reise nach Warschau an, um die preußische Unionspolitik zu erläutern und zu rechtfertigen und den Zaren über die Stellung Rußlands bei einem preußisch-österreichischen Kon­ flikt zu sondieren. Der Prinz erbat dazu am 19. Mai telegraphisch aus Berlin von dem in Erfurt weilenden Radowitz einen versprochenen Aufsatz. Eine Instruktion des Ministers v. Schleinitz für diese Aufgabe datiert vom 23. Mai. Die Denkschrift des Prinzen über die deutsche Frage vom 19. Mai 1850 (Eigenh. Niederschrift im H.-A., gedruckt: Histor. Zeitschr. Bd. 70, S. 90 f.; Berner I, S. 249 ff.; Brandenburg, S. 74 ff.) ist zweifellos auch im Hinblick auf die russische Mission ent­ standen, indem sie einen Überblick über die Sachlage gibt und Preußens Unionspolilik verteidigt. Daß der Prinz diese Schrift in Rußland be­ nutzt hat, ergibt sich aus einem am Schlüsse in Peterhof am 13. Juni hinzugefügten Vermerk, daß die Aufzeichnung beistimmend gelesen sei von Prinz Fritz Karl, Major Aug. Kirchfeldt, Major Herm. v. Boyen, Hauptmann Max v. Schlegell, Rittmeister Graf Friedr, v. der Goltz, Hofmarschall Graf Herm. Pückler, General Friedrich v. Lindheim, Graf Friedr. Perponcher, Leutn. Graf Waldersee, Major E. v. Manteuffel. An dem gleichen 13. Juni setzte der Prinz in Peterhof noch eine weitere Schrift auf (H.-A.; Faksimile in „Ein Jahrhundert deutscher Geschichte. Reichsgedanke und Reich", Berlin 1829, Nr. 29), in der er ausgehend von den Bestimmungen der §§ 1, 2, 11 der Bundesakte und §§ 5, 6 der Wiener Schlußakte die Vereinbarkeit der preußischen

Bestrebungen damit und die Unzulässigkeit eines bewaffneten österrei­ chischen Vorgehens, sowie die Entwicklung des preußischen Projektes darlegte. Zum Schluß empfahl er als „Auskunftsmittel" einen „mittel­ europäischen Staatenbund" bestehend aus Österreich, der Union und den vier deutschen Königreichen mit ihren eigenen Institutionen unter einem Direktorium, „dessen Exekution Österreich und Preußen allein hätten". Vgl. auch über die Ergebnisse der Reise die Briefe des Prinzen an die Gemahlin (Bailleu-Schuster, „Aus dem Literarischen Nachlaß der Kaiserin Augusta" S. 421 ff.) und den Brief an Großherzogin Maria Paulowna vom 18. Juni (Weimarer Briefe I, S. 227 ff.). ■— Der Prinz reiste von Rußland zur Taufe des Prinzen Artur nach England. Am 2. Juli übermittelte Bunsen ihm dort den Wunsch des Königs, so schnell als möglich nach Berlin zu kommen. Am 9. Juli war er in Potsdam. Schreiben an Bunsen vom 17. Juli 1850 gebt.: Deutsche Revue 1897, 4, S. 86.

83. An Graf Karl v. der Gröben-Neudörfchen Berlin, den 31. Juli 1850

. . . Militärische Angelegenheiten f. Ob, wie Sie sagen, ich bei meinen verschiedenen Reisen 1 etwas genützt habe, ist schwer zu ermitteln. In den Zeitungen haben Sie Schwarzenbergs Zirkulare gelesen infolge meiner Unter­ redungen mit ihm^; ich glaube, daß ich danach besser vor der Welt dastehe wie er!! Der Kaiser Nsikolausf, den ich über viele Punkte be­ ruhigt hatte, ist in neuester Zeit wieder so empfindlich gegen uns geworden, daß ich ganz unglücklich bin! Er findet den Frieden' zu ungünstig für Dänemark und wütet, daß wir das Londoner Protokoll nicht unterschreiben wollen ------- c’est tont dire! In Frankfurts a. M. muß es nun zur Entscheidung kommen. Die Union wird zum Minimum, muß also binnen kurzem in einen Schutz- und Trutzbund übergehen, meiner Ansicht nach.

Bestrebungen damit und die Unzulässigkeit eines bewaffneten österrei­ chischen Vorgehens, sowie die Entwicklung des preußischen Projektes darlegte. Zum Schluß empfahl er als „Auskunftsmittel" einen „mittel­ europäischen Staatenbund" bestehend aus Österreich, der Union und den vier deutschen Königreichen mit ihren eigenen Institutionen unter einem Direktorium, „dessen Exekution Österreich und Preußen allein hätten". Vgl. auch über die Ergebnisse der Reise die Briefe des Prinzen an die Gemahlin (Bailleu-Schuster, „Aus dem Literarischen Nachlaß der Kaiserin Augusta" S. 421 ff.) und den Brief an Großherzogin Maria Paulowna vom 18. Juni (Weimarer Briefe I, S. 227 ff.). ■— Der Prinz reiste von Rußland zur Taufe des Prinzen Artur nach England. Am 2. Juli übermittelte Bunsen ihm dort den Wunsch des Königs, so schnell als möglich nach Berlin zu kommen. Am 9. Juli war er in Potsdam. Schreiben an Bunsen vom 17. Juli 1850 gebt.: Deutsche Revue 1897, 4, S. 86.

83. An Graf Karl v. der Gröben-Neudörfchen Berlin, den 31. Juli 1850

. . . Militärische Angelegenheiten f. Ob, wie Sie sagen, ich bei meinen verschiedenen Reisen 1 etwas genützt habe, ist schwer zu ermitteln. In den Zeitungen haben Sie Schwarzenbergs Zirkulare gelesen infolge meiner Unter­ redungen mit ihm^; ich glaube, daß ich danach besser vor der Welt dastehe wie er!! Der Kaiser Nsikolausf, den ich über viele Punkte be­ ruhigt hatte, ist in neuester Zeit wieder so empfindlich gegen uns geworden, daß ich ganz unglücklich bin! Er findet den Frieden' zu ungünstig für Dänemark und wütet, daß wir das Londoner Protokoll nicht unterschreiben wollen ------- c’est tont dire! In Frankfurts a. M. muß es nun zur Entscheidung kommen. Die Union wird zum Minimum, muß also binnen kurzem in einen Schutz- und Trutzbund übergehen, meiner Ansicht nach.

[N. S.]: Welche Blamage ist Willisens Debüt! Traurig die Verluste!4. — 1 Vgl. die vorstehenden Bemerkungen. — 2 Am 28. und 29. Mai in Warschau. — 3 Zwischen Preußen und Dänemark vom 2. Juli. — 4 Schlacht bei Idstedt am 24. und 25. Juli.

84.

An Generalleutnant Joseph Maria v. Radowitz Berlin, den 5. August 1850

Der König hat mir durch Generalleutnant Graf v. d. Gröben Ihr Schreiben von gestern1 mitteilen lassen!! Ich bin morgen vormittag hier und werde Sie gern sprechen zu einer Stunde, die Sie wählen wollen, von 8 Uhr an. 1 An den König gerichtet. Jos. v. Radowitz, Nachgel. Briese usw. Nr. 217.

85. An Generalleutnant Joseph Maria v. Radowitz Schloß Babelsberg, den 16. August 1850

Zu meinem Erstaunen fand ich in dem zwischen uns verabredeten Artikel für die Zeitllngen1 einen Zusatz — „mit den Räten der Krone" — der nicht von mir her­ rührt. Ich ließ mir mein Original vorlegen, und finde zu meinem Erstaunen, daß ich die Worte hinter: Einver­ ständnis — "mit dem Gl. v. R." — vergessen habe und der Redakteur die Worte: mit den Räten der Krone — im­ provisiert hat, um einen Sinn in den Satz zu bringen. Sie sehen, ich bin leider aus Unachtsamkeit Anlaß zu dieser Entstellung, die, wenn gleich der Schlußsatz doch noch die Hauptsache erreicht, mir sehr unangenehni ist. Ich erbitte mir die Anlage zurück. 1 Vgl. Spenersche Zeitung vom 15. August Notiz betr. die zwischen dem Prinzen und Radowitz stattgehabten Unterredungen.

[N. S.]: Welche Blamage ist Willisens Debüt! Traurig die Verluste!4. — 1 Vgl. die vorstehenden Bemerkungen. — 2 Am 28. und 29. Mai in Warschau. — 3 Zwischen Preußen und Dänemark vom 2. Juli. — 4 Schlacht bei Idstedt am 24. und 25. Juli.

84.

An Generalleutnant Joseph Maria v. Radowitz Berlin, den 5. August 1850

Der König hat mir durch Generalleutnant Graf v. d. Gröben Ihr Schreiben von gestern1 mitteilen lassen!! Ich bin morgen vormittag hier und werde Sie gern sprechen zu einer Stunde, die Sie wählen wollen, von 8 Uhr an. 1 An den König gerichtet. Jos. v. Radowitz, Nachgel. Briese usw. Nr. 217.

85. An Generalleutnant Joseph Maria v. Radowitz Schloß Babelsberg, den 16. August 1850

Zu meinem Erstaunen fand ich in dem zwischen uns verabredeten Artikel für die Zeitllngen1 einen Zusatz — „mit den Räten der Krone" — der nicht von mir her­ rührt. Ich ließ mir mein Original vorlegen, und finde zu meinem Erstaunen, daß ich die Worte hinter: Einver­ ständnis — "mit dem Gl. v. R." — vergessen habe und der Redakteur die Worte: mit den Räten der Krone — im­ provisiert hat, um einen Sinn in den Satz zu bringen. Sie sehen, ich bin leider aus Unachtsamkeit Anlaß zu dieser Entstellung, die, wenn gleich der Schlußsatz doch noch die Hauptsache erreicht, mir sehr unangenehni ist. Ich erbitte mir die Anlage zurück. 1 Vgl. Spenersche Zeitung vom 15. August Notiz betr. die zwischen dem Prinzen und Radowitz stattgehabten Unterredungen.

[N. S.]: Welche Blamage ist Willisens Debüt! Traurig die Verluste!4. — 1 Vgl. die vorstehenden Bemerkungen. — 2 Am 28. und 29. Mai in Warschau. — 3 Zwischen Preußen und Dänemark vom 2. Juli. — 4 Schlacht bei Idstedt am 24. und 25. Juli.

84.

An Generalleutnant Joseph Maria v. Radowitz Berlin, den 5. August 1850

Der König hat mir durch Generalleutnant Graf v. d. Gröben Ihr Schreiben von gestern1 mitteilen lassen!! Ich bin morgen vormittag hier und werde Sie gern sprechen zu einer Stunde, die Sie wählen wollen, von 8 Uhr an. 1 An den König gerichtet. Jos. v. Radowitz, Nachgel. Briese usw. Nr. 217.

85. An Generalleutnant Joseph Maria v. Radowitz Schloß Babelsberg, den 16. August 1850

Zu meinem Erstaunen fand ich in dem zwischen uns verabredeten Artikel für die Zeitllngen1 einen Zusatz — „mit den Räten der Krone" — der nicht von mir her­ rührt. Ich ließ mir mein Original vorlegen, und finde zu meinem Erstaunen, daß ich die Worte hinter: Einver­ ständnis — "mit dem Gl. v. R." — vergessen habe und der Redakteur die Worte: mit den Räten der Krone — im­ provisiert hat, um einen Sinn in den Satz zu bringen. Sie sehen, ich bin leider aus Unachtsamkeit Anlaß zu dieser Entstellung, die, wenn gleich der Schlußsatz doch noch die Hauptsache erreicht, mir sehr unangenehni ist. Ich erbitte mir die Anlage zurück. 1 Vgl. Spenersche Zeitung vom 15. August Notiz betr. die zwischen dem Prinzen und Radowitz stattgehabten Unterredungen.

86. An

den

Herzog!, nassauischen Minister Fritz v. Wintzingerode^

Frh.

Baden, den 7. September 1850

Ihr Herzog 2 hat mir heute seinem Versprechen gemäß Mitteilung der Stellung gemacht, die er zu Preußen und Österreich einzunehmen gedenkt. Es ist ein Zwitter! Ich habe ihm meine Meinung unumwunden ausgesprochen, wie Ihnen, daß ich meinem Karakter nach nur für ganze und nicht für halbe Maßregeln stimmen könne; wie er sich in der öffentlichen Meinung fchaden müsse und in einem Lande, wo nach seiner eigenen Angabe die Stimmung für Preußen stärker als für Österreich sei; wie bei der unge­ wissen Zukunft er doch an das halten möge, was bis jetzt eine Realität fei, die Union, die noch vielen Verbefserungen unterworfen werden follte; er werde durch feine intendierte Stellung weder Österreich gewinnen noch uns für ihn günstig stimmen, usw. — Ich wollte Sie nur hiervon benachrichtigen, indem die Wendung der Sache eine ganz andere noch geworden ist, als Sie selbst vermuteten. So ungern ich schon auf die Reservation hörte, von der Sie sprachen, so war sie mir doch lieber als diese projektierte Neutralität! Möge der Herzog bedenken, daß wer in kritischen Mo­ menten Treue hält, dereinst dafür Lohn empfangen wird, weil ein jeder, er mag gehören zu welcher Seite er will, den begünstigen wird, der Treue, Festigkeit und Karakterstärke bewiesen hat. Ich spreche hier viel mehr im Inter­ esse Ihres Herrn, als in dem unsrigen! Mögten Sie doch noch eine günstige Wendung erzielen können. 1 Nach dem Druck: Forsch, z. Brand, u. Preuß. Gesch. 41, S. 128. — 2 Herzog Adolf von Nassau.

87. An Generalleutnant Carl von Reyher, des Generalstabes

Chef

Baden, den 13. September 1850

. . . Was wird in Cassel werden? Der Kriegsminister will alle Detachements auflösen bei Kreuznach und Wetzlar, als wenn wir mitten im Frieden wären, und die Reserven abgehen lassen, ehe die Rekruten da sind. Ich verstehe Stockhausen gar nicht mehr. Natürlich remonstriere ich gegen alles dies.

88. An Minister Generalleutnant Joseph Maria' v. Nadowitz Baden-Baden, den 29. September 1850

Empfangen Sie meinen verbindlichsten Dank für Ihren Brief vom 26., der mir Ihre Ernennung zum Minister des Auswärtigen nntteilt2. Alles, was sich vor dieser Er­ nennung zugetragen und was sie herbeiführte3, weiß ich durch die gütigen Mitteilungen des H. v. Sydow. Alles, was Sie selbst gegen sich anführen, begreife und verstehe ich vollkommen. Ebenso aber fühle auch ich die Notwen­ digkeit und Wichtigkeit Ihrer Ernennung, da es bei dem gemischten Sinn des Ministeriums Ihnen allein in Ihrer jetzigen Stellung möglich sein wird, durch energische Maßregeln, dasselbe mit sich fortzureißen, und, so Gott will! durch glückliche Erfolge, — Vertrauen zu Ihnen und zu sich selbst zu geben! Da Sie das Ministerium Brandenburg-Manteuffel für das politische Lebensbedingnis Preußens erklären (:wofiir ich es bis jetzt auch halte:), so verstehe ich, was Sie im Sinn haben, wenn Ihnen das Fortreißen desselben

87. An Generalleutnant Carl von Reyher, des Generalstabes

Chef

Baden, den 13. September 1850

. . . Was wird in Cassel werden? Der Kriegsminister will alle Detachements auflösen bei Kreuznach und Wetzlar, als wenn wir mitten im Frieden wären, und die Reserven abgehen lassen, ehe die Rekruten da sind. Ich verstehe Stockhausen gar nicht mehr. Natürlich remonstriere ich gegen alles dies.

88. An Minister Generalleutnant Joseph Maria' v. Nadowitz Baden-Baden, den 29. September 1850

Empfangen Sie meinen verbindlichsten Dank für Ihren Brief vom 26., der mir Ihre Ernennung zum Minister des Auswärtigen nntteilt2. Alles, was sich vor dieser Er­ nennung zugetragen und was sie herbeiführte3, weiß ich durch die gütigen Mitteilungen des H. v. Sydow. Alles, was Sie selbst gegen sich anführen, begreife und verstehe ich vollkommen. Ebenso aber fühle auch ich die Notwen­ digkeit und Wichtigkeit Ihrer Ernennung, da es bei dem gemischten Sinn des Ministeriums Ihnen allein in Ihrer jetzigen Stellung möglich sein wird, durch energische Maßregeln, dasselbe mit sich fortzureißen, und, so Gott will! durch glückliche Erfolge, — Vertrauen zu Ihnen und zu sich selbst zu geben! Da Sie das Ministerium Brandenburg-Manteuffel für das politische Lebensbedingnis Preußens erklären (:wofiir ich es bis jetzt auch halte:), so verstehe ich, was Sie im Sinn haben, wenn Ihnen das Fortreißen desselben

mit Ihren Maßregeln nicht glücken sollte. Aber eine Frage ist dann zu stellen: Was dann?? wenn Sie abtreten müßten!—?— Ich beantworte diese Frage nicht, weil ich für jetzt beherzt und kräftig der nächsten Zukunft unter Ihrer Einwirkung entgegen sehe. Ihre Ansicht und Schilderung der preußisch-deutschen Lage, die sich in der hessischen Frage in diesem Moment verkörpert hat, unterschreibe ich von A bis Z. Der Teil Deutschlands, den Preußen vertritt, will nicht einseitig und allein Deutschlands Geschicke regulieren; eben des­ halb kann und will Preußen aber auch der anderen Hälfte nicht diese einseitige Handlung überlassen; der PseudoBundestag würde aber einseitig zum Ziele kommen und uns mit unsern Unierten nach sich schleppen, wenn wir ihn in Hessen gewähren ließen. Wir müssen ein Pfand haben, das uns berechtigt, mitzusprechen, und darum ist der Entschluß, so stark und so schnell als möglich Hessen von unserer Seite zu okkupieren, der allein richtige, wenn unsere Adversärs zur Intervention schreiten wollen. Ich erkenne mit dem Könige und Ihnen die volle Wichtigkeit und Folgenschwere dieses Schrittes. Aber wir sind so weit, daß nur un fait accompli irgendeine Entscheidung herbeiführen kann. Und stehen wir erst mit 30 OOO Msanns in Hessen, so wird man uns nicht so leicht Gesetze vor­ schreiben. Erst handeln und dann räsonieren, heißt es jetzt; das Entgegengesetzte haben wir nun 1V2 Jahr ver­ geblich angewendet. Aber die Besorgnis teile ich rnit Ihnen, wie ich die Dis­ positionen im Sommer kennen lernte, ob wir auch recht­ zeitig und stark genug bereit sein werden? Ich hoffe, Sie werden nicht ruhen, ehe Sie nicht auf dem Papier Mann-

schäft und Zeit berechnet sehen und dem König vorgelegt wissen. Kommen wir hier zu spät, dann ist es mit uns auf lange vorbei! Da Sie mir schreiben, Sie hätten vor­ läufig die Überzeugung, daß in 5 Tagen 7000 Mann bei Erfurt und ebensoviele bei Paderborn stehen können, so folgere ich daraus, daß keine Landwehr eingezogen wird. Dann begreife ich aber nicht, woher diese 14 000 Mann kommen sollen, wenn nicht aus Berlin und Umgegend die Truppen genommen werden. Es ist außerdem der schlimmste Moment, der gegenwärtig für die Stärke der Truppen eingetreten, indem die Rekrutierung beginnt. Trotz allen Vorstellungen habe ich vonr Kriegsminister nicht erlangen können, daß die Kavallerie-Regimenter bei Pader­ born und Wetzlar auf ihrem Etat bis zur Einstellung der Rekruten und Renionten, also bis zum März verbleiben. Er hat mir nur 30 Pferde und Mann pro Regiment auf 6 Wochen akkordiert, wogegen der überschießende Teil an Reserven und auszurangierenden Pferden entlassen worden ist, ein gar nicht wieder gut zu machender Übel­ stand! Und dies befiehlt er in einem Moment, wo solche Maßregeln, wie Sie mir berichten, festgestellt werden!! Die Eskadrons sind 70 Pferde stark, ein Regiment also 280. Ich bitte Sie also, wenn die Kavallerie-Regimenter in den Listen für Paderborn und Erfurt zu 500 Pferden berechnet stehen, um die 10 000 Mann darzustellen, sdaßs Sie entschieden nach der momentanen Ausrückungsstärke fragen. Auch bei der Infanterie sind mir nur 4 Wochen, vom 1. Oktober an, bewilligt, während welcher Zeit die Reserven zurückzubehalten sind, dann sollen diese ent­ lassen werden, um den 4-wöchentlichen Rekruten Platz zu machen! Dies ist der Zustand, in welchem unsere Truppen

in den nächsten 4 Wochen sich befinden werden, wahr­ scheinlich also in dem Moment, wo sie gebraucht werden

könnten!

Und dieser Zustand ist bedingt durch die Finanz­

frage, d. h. zu deutsch: die Angst des preußischen Kriegs­ ministers, notwendige Summen vor den Kammern ver­ teidigen zu müssen! — Hier zeigt es sich recht klar, in welche Lage Preußen durch konstitutionelle Verhältnisse kommen

wird, nämlich: politisch

wichtige

Maßregeln zu unter­

lassen, aus Angst vor den Kammern!!! — In meinem

gestrigen Brief an den König habe ich diese ungünstigen Stärke-Verhältnisse der Truppen auch schon zur Sprache gebracht und gerade dasselbe Prinzip aufgestellt, wie Sie es mir schreiben, daß wir nämlich im Fall eines Auftretens

in Hessen so stark erscheinen nmssen, daß die Leute in Aschaf­ fenburg etc.

nicht

Lust bekommen,

uns zu begegnen.

Schwierig indessen wird es immer sein, namentlich den

bayerischen Truppen aus Aschaffenburg zuvorzukommen. Sie können nämlich Hanau in einem Marsch erreichen,

jetzt schon mit 4 Bataillonen, 6 Eskadronen und 2 Batterien. Wenn dazu gerechnet wird, daß mit dem Bundesbeschluß in F. a. M. in derselben Stunde der Befehl nach Aschaffen­

burg abgehet, einzurücken, so kommen wir jedenfalls zu

spät, da erst der Telegraph nach Berlin melden muß, die Antwort zu erwarten ist, und dann unsere Truppen in

Bewegung zu setzen sind.

Die zuerst von unserer Seite

in Bewegung zu setzenden Truppen würde das GardeBataillon von Höchst nach

Bockenheim sein,

demnächst

die 3 Bataillone 3 Eskadrone und 1 Batterie von Wetzlar

nach Marburg, die in 4 Tagen von Kreuznach aus zu er­

setzen sind; das Garde-Bataillon aus Wetzlar würde am passendsten nach Bergen nördlich

von F. a. M. zu pla-

zieren sein. Aber es ist noch ein Umstand zu erwägen, näm­ lich der, daß der in Rede stehende Bundesbeschluß geheim­ gehalten wird, so daß wir denselben in F. a. M. erst durch Aufbruch der Truppen in Aschaffenburg erfahren dürften. Dies alles sind Eventualitäten, die ich Sie ersuchen nmß, genau mit dem Könige und dem Kriegsminister zu er­ wägen. Es dürfte daraus folgen, daß für gewisse Fälle der General Peucker oder Oberst v. Schlichting direkt zu instruieren wären, wie sie sich in diesen gewissen Fällen zu verhalten haben. Ich glaube, sie müßten autorisiert werden, in dem Falle ihnen der quest. Bundesbeschluß bekannt wird oder er ihnen nur durch den Aufbruch von Aschaffenburg nach Hessen ersichtlich wird, sofort Bockenheim und Marburg zu besetzen; und ich müßte autorisiert werden, in solchem Fall, die Truppen von Kreuznach so­ fort nach Wetzlar marschieren zu lassen. Die bei Paderborn können die direkten Befehle aus Berlin natürlich früher als durch mich erhalten. Natürlich habe ich Ihre Mitteilungen geheim gehalten und nur dem Major Kirchfeld sie gesagt, damit wir gemein­ schaftlich alles vorbereiten, um die Ausführung dereinst des Schleunigsten zu bewerkstelligen. Meinerseits glaube ich hiermit alles zur Sprache ge­ bracht zu haben, was momentan nötig erscheint. Gott gebe Ihnen seinen Segen in Ihrem schweren Amte und Er sei mit Preußen! Die Prinzeß nimmt den wärmsten Teil an alles [!], was Sie betrifft und dankt sehr für Ihr Andenken. [N. S.]: Die Anlage wollen Sie dem General v. Stock­ hausen geben. Ich habe natürlich die Absicht, zum 15. in Potsdam zu

sein.

Doch habe ich den König gestern gebeten, mit Ihnen

und Brandenburg zu beraten, ob es nicht besser sei, wenn

ich jetzt auf meinem Posten bleibe.

Ich werde mich so ein­

richten, daß ich am 12. mit meiner Inspektion in Köln endige, so daß in den Tagen eine telegraphische Mitteilung

von Ihnen oder Brandenburg, ob ich kommen kann oder nicht, mich anzuweisen hätte. 1 Teilweise gebt. Nationalzeitung vom 5. Februar 1893 und danach bei Berner I, 255 f.; Pagel, Der Alte Kaiser, Nr. 98. — 2 Jos. v. Radowitz, Nachgel. Briefe usw., Nr. 251.— 3 Der Prinz richtete auch ein nicht vorliegendes Schreiben an den zurückgetretenen v. Schleinitz. Schl, antwortete darauf am 10. Oktober: Die unverantwortliche Stellung Radowitz's den Kammern gegenüber wäre für den König kein Hinder­ nis gewesen, sich seines Rates zu bedienen. Nachdem aber diese Stellung Gegenstand heftiger Angriffe geworden sei, ergab sich die Alternative, v. R. ganz von den Geschäften zu entfernen oder ihm eine verantwort­ liche Stellung zu übertragen. Da die Wahl nicht zweifelhaft sein konnte, habe er den Schritt getan, der die Entscheidung für den zweiten Weg ermöglichte.

89.

An Minister Generalleutnant Joseph Maria v. Radowitz Sans Souci, den 24. Oktober 1850

Der König läßt dem Herzog v. Coburg sagen, daß Er die Jagdpartie auf den 4. November verlegt habe, was

ihnr auch durch Graf Keller noch angezeigt werden wird und durch den Hofjägermeister v. Pachelbl. Wegen eines Kommandos des Herzogs, so wünscht der

König, daß Sie mit General v. Stockhausen Rücksprache

nehmen, was man ihm geben könnte, wenn es Ernst wird; ob der Herzog mit dem Kommando der sächsischen Truppen

zufrieden sein würde oder grade Preußische zu befehligen

sein.

Doch habe ich den König gestern gebeten, mit Ihnen

und Brandenburg zu beraten, ob es nicht besser sei, wenn

ich jetzt auf meinem Posten bleibe.

Ich werde mich so ein­

richten, daß ich am 12. mit meiner Inspektion in Köln endige, so daß in den Tagen eine telegraphische Mitteilung

von Ihnen oder Brandenburg, ob ich kommen kann oder nicht, mich anzuweisen hätte. 1 Teilweise gebt. Nationalzeitung vom 5. Februar 1893 und danach bei Berner I, 255 f.; Pagel, Der Alte Kaiser, Nr. 98. — 2 Jos. v. Radowitz, Nachgel. Briefe usw., Nr. 251.— 3 Der Prinz richtete auch ein nicht vorliegendes Schreiben an den zurückgetretenen v. Schleinitz. Schl, antwortete darauf am 10. Oktober: Die unverantwortliche Stellung Radowitz's den Kammern gegenüber wäre für den König kein Hinder­ nis gewesen, sich seines Rates zu bedienen. Nachdem aber diese Stellung Gegenstand heftiger Angriffe geworden sei, ergab sich die Alternative, v. R. ganz von den Geschäften zu entfernen oder ihm eine verantwort­ liche Stellung zu übertragen. Da die Wahl nicht zweifelhaft sein konnte, habe er den Schritt getan, der die Entscheidung für den zweiten Weg ermöglichte.

89.

An Minister Generalleutnant Joseph Maria v. Radowitz Sans Souci, den 24. Oktober 1850

Der König läßt dem Herzog v. Coburg sagen, daß Er die Jagdpartie auf den 4. November verlegt habe, was

ihnr auch durch Graf Keller noch angezeigt werden wird und durch den Hofjägermeister v. Pachelbl. Wegen eines Kommandos des Herzogs, so wünscht der

König, daß Sie mit General v. Stockhausen Rücksprache

nehmen, was man ihm geben könnte, wenn es Ernst wird; ob der Herzog mit dem Kommando der sächsischen Truppen

zufrieden sein würde oder grade Preußische zu befehligen

wünscht, wäre zu ergründen; jedenfalls fei ihm Aussicht zu geben. [N. S.J: Prinz Albert von Coburg schrieb mir vor kurzem, ob es wahr sei, daß Bunsen aus Unzufriedenheit abberufen werden solle. Ich erwiderte ihm, daß mir garnichts der Art bekannt sei. Ist etwas daran? Der Prinz beschwor mich, alles anzuwenden, damit Bunsen bleibe.

90. An Minister Generalleutnant Joseph Maria v. Radowitz 1 Sans Souci, den 31. Oktober 1850

Der König befahl, daß ich Brandenburgs Vortrag bei­ wohnen sollte. Seine Eröffnungen nude genommen können nicht gefallen. Es kommt aber darauf an, diese Nackt­ heit an- d. h. einzukleiden. Der 1. Punkt ? scheint der schwierigste und ist doch einer der Hauptpunkte; man könnte ihn offenlassen. Der 2. Punkt3 ist zwar refusirt, weil Ostreich ihn nicht glaubt durchsetzen zu können, doch ist sogar der Kaiser Nikolas für diesen Punkt und will ihn unterstützen. Die andern Punkte sind angenommen, jedoch mit der Bedingung der offiziellen Aufgabe der Verfasfung. Das ist unmöglich. Aber es fragt sich, ob nicht eine Einkleidung zu finden wäre, in welcher die Sache möglich würde, da wir sie im factum als unausführbar anerkennen. Eine andere Verfassung muß aufgestellt werden, denn darauf kommt es ja grade den kleinen Staaten an, durch dieselbe und durch das Parlament Kraft und Halt wiederzuerlangen. Wollte man also den anderen Staaten der Union diese österreichische Idee darstellen, so müßte man zu-

wünscht, wäre zu ergründen; jedenfalls fei ihm Aussicht zu geben. [N. S.J: Prinz Albert von Coburg schrieb mir vor kurzem, ob es wahr sei, daß Bunsen aus Unzufriedenheit abberufen werden solle. Ich erwiderte ihm, daß mir garnichts der Art bekannt sei. Ist etwas daran? Der Prinz beschwor mich, alles anzuwenden, damit Bunsen bleibe.

90. An Minister Generalleutnant Joseph Maria v. Radowitz 1 Sans Souci, den 31. Oktober 1850

Der König befahl, daß ich Brandenburgs Vortrag bei­ wohnen sollte. Seine Eröffnungen nude genommen können nicht gefallen. Es kommt aber darauf an, diese Nackt­ heit an- d. h. einzukleiden. Der 1. Punkt ? scheint der schwierigste und ist doch einer der Hauptpunkte; man könnte ihn offenlassen. Der 2. Punkt3 ist zwar refusirt, weil Ostreich ihn nicht glaubt durchsetzen zu können, doch ist sogar der Kaiser Nikolas für diesen Punkt und will ihn unterstützen. Die andern Punkte sind angenommen, jedoch mit der Bedingung der offiziellen Aufgabe der Verfasfung. Das ist unmöglich. Aber es fragt sich, ob nicht eine Einkleidung zu finden wäre, in welcher die Sache möglich würde, da wir sie im factum als unausführbar anerkennen. Eine andere Verfassung muß aufgestellt werden, denn darauf kommt es ja grade den kleinen Staaten an, durch dieselbe und durch das Parlament Kraft und Halt wiederzuerlangen. Wollte man also den anderen Staaten der Union diese österreichische Idee darstellen, so müßte man zu-

gleich vorlegen, auf welchen Hauptprinzipien eine neue Verfassung berrchen müsse und solle. Wäre darin Ver­ ständigung erzielt, so könnte man vor der Welt hintreten und sagen: die alte gehet nicht, auf dieseu Basen soll eine neue gebildet werden. Aber die Kammern und das Par­ lament? Das ist das Schlimmste. Die Mobilmachung kam heute nicht zur Sprache. Soll­ ten östreichische Truppen fortwährend im Anmarsch aus Italien und Ungarn bleiben, so müssen wir entweder an­ fragen, was das soll, und nach ungenügender Antwort mobil machen, oder es sogleich tun, wenngleich der bayeri­ sche Einmarsch in Hessen aufgeschoben scheint 4. Verzeihen Sie diese flüchtigen Zeilen; ich schreibe sie, damit Sie nicht persönlich die Partie aufgeben, ehe nicht reiflich erwogen ist, was mit unserer Ehre verträglich ist. 1 Gebr. : Nationalzeitung vom 6. Februar 1897 u. Berner I, S. 256 f. — 2 Parität im Vorsitz der Konferenzen. — 3 Gemeinschaftliche Exe­ kutive durch Preußen und Österreich. -- * Der Bundestag hatte Exe­ kution zugunsten des Kurfürsten beschlossen. Die Baiern rückten am 1. November ein.

91. An Generalleutnant Joseph Maria v.Radowitz4 Schloß Babelsberg, den 4. November 1850

Leider verfehle ich Sie heute in Sans souci; hoffent­ lich sind Sie aber morgen noch in Berlin und da ich um 11 Uhr dort bin, so bitte ich Sie mich um diese Stunde ja zu besuchen, da ich noch so manches besprechen möchte. Unendlich wert ist es mir, daß Sie mir Ihr Votum sen­ deten, sowie Ihr Ausspruch der Teilnahme am 2.2; ich war vernichtet!3 Gott wird es Ihnen lohnen, was Sie zur Ehre Preußens wollten! Siehet Brandenburgs Zu-

gleich vorlegen, auf welchen Hauptprinzipien eine neue Verfassung berrchen müsse und solle. Wäre darin Ver­ ständigung erzielt, so könnte man vor der Welt hintreten und sagen: die alte gehet nicht, auf dieseu Basen soll eine neue gebildet werden. Aber die Kammern und das Par­ lament? Das ist das Schlimmste. Die Mobilmachung kam heute nicht zur Sprache. Soll­ ten östreichische Truppen fortwährend im Anmarsch aus Italien und Ungarn bleiben, so müssen wir entweder an­ fragen, was das soll, und nach ungenügender Antwort mobil machen, oder es sogleich tun, wenngleich der bayeri­ sche Einmarsch in Hessen aufgeschoben scheint 4. Verzeihen Sie diese flüchtigen Zeilen; ich schreibe sie, damit Sie nicht persönlich die Partie aufgeben, ehe nicht reiflich erwogen ist, was mit unserer Ehre verträglich ist. 1 Gebr. : Nationalzeitung vom 6. Februar 1897 u. Berner I, S. 256 f. — 2 Parität im Vorsitz der Konferenzen. — 3 Gemeinschaftliche Exe­ kutive durch Preußen und Österreich. -- * Der Bundestag hatte Exe­ kution zugunsten des Kurfürsten beschlossen. Die Baiern rückten am 1. November ein.

91. An Generalleutnant Joseph Maria v.Radowitz4 Schloß Babelsberg, den 4. November 1850

Leider verfehle ich Sie heute in Sans souci; hoffent­ lich sind Sie aber morgen noch in Berlin und da ich um 11 Uhr dort bin, so bitte ich Sie mich um diese Stunde ja zu besuchen, da ich noch so manches besprechen möchte. Unendlich wert ist es mir, daß Sie mir Ihr Votum sen­ deten, sowie Ihr Ausspruch der Teilnahme am 2.2; ich war vernichtet!3 Gott wird es Ihnen lohnen, was Sie zur Ehre Preußens wollten! Siehet Brandenburgs Zu-

stand nicht wie ein Gericht der Nemesis aus! Bitterkeit und kein Hohn beschleiche mich!

Doch keine

1 Gebr, (unvollständig): Nationalzeitung vom 6. Februar 1897 und danach Berner I, 258. — 2 Ratifikation der Olmützer Punktation am 2. November. In den Drucken unrichtig: an Lfadenbergf. — 3 Vgl. das Schreiben an die Gemahlin vom 2. November bei Bailleu-Schuster, S. 449 ff.

92. An Generalleutnant Joseph Maria v. Radowitz Berlin, den 5. November 1850

Peucker meldet von 5 Uhr heute nachmittag, daß das 4. österreichische Armeekorps seit dem 31. im Marsch durch Bayern nach Hessen ist! Das Hauptquartier des General Legeditsch ist seit dem 2. in Bamberg. Eine Division mar­ schiert von Bregenz über Kempens die andere soll die Bamberger Eisenbahn so früh als möglich benutzen. Sie sehen, daß in wenig Tagen noch sehr Ernstes ge­ schehen kann; könnten Sie daher Ihre Reise nicht auf­ schieben, wenigstens bis übermorgen? 1 = Kempten.

93. An

den nassauischen Minister v. Wintzingeirode 1

Frh.

Fritz

Schloß Babelsberg, den 8. November 1850

Aus Ihrem gefälligen Schreiben sowohl, als aus der dem Joh. Wilhelm Volpracht erteilten und mir von dem­ selben vorgelegten Instruktion habe ich gern ersehen, daß es noch einmal gelungen ist, Ihren Monarchen auf der Bahn festzuhalten, auf welcher er seit eineinhalb Jahren mit Preußen ging. Was indessen das endliche Resultat dieser beständigen Schwankungen bei den bodenständigen

stand nicht wie ein Gericht der Nemesis aus! Bitterkeit und kein Hohn beschleiche mich!

Doch keine

1 Gebr, (unvollständig): Nationalzeitung vom 6. Februar 1897 und danach Berner I, 258. — 2 Ratifikation der Olmützer Punktation am 2. November. In den Drucken unrichtig: an Lfadenbergf. — 3 Vgl. das Schreiben an die Gemahlin vom 2. November bei Bailleu-Schuster, S. 449 ff.

92. An Generalleutnant Joseph Maria v. Radowitz Berlin, den 5. November 1850

Peucker meldet von 5 Uhr heute nachmittag, daß das 4. österreichische Armeekorps seit dem 31. im Marsch durch Bayern nach Hessen ist! Das Hauptquartier des General Legeditsch ist seit dem 2. in Bamberg. Eine Division mar­ schiert von Bregenz über Kempens die andere soll die Bamberger Eisenbahn so früh als möglich benutzen. Sie sehen, daß in wenig Tagen noch sehr Ernstes ge­ schehen kann; könnten Sie daher Ihre Reise nicht auf­ schieben, wenigstens bis übermorgen? 1 = Kempten.

93. An

den nassauischen Minister v. Wintzingeirode 1

Frh.

Fritz

Schloß Babelsberg, den 8. November 1850

Aus Ihrem gefälligen Schreiben sowohl, als aus der dem Joh. Wilhelm Volpracht erteilten und mir von dem­ selben vorgelegten Instruktion habe ich gern ersehen, daß es noch einmal gelungen ist, Ihren Monarchen auf der Bahn festzuhalten, auf welcher er seit eineinhalb Jahren mit Preußen ging. Was indessen das endliche Resultat dieser beständigen Schwankungen bei den bodenständigen

stand nicht wie ein Gericht der Nemesis aus! Bitterkeit und kein Hohn beschleiche mich!

Doch keine

1 Gebr, (unvollständig): Nationalzeitung vom 6. Februar 1897 und danach Berner I, 258. — 2 Ratifikation der Olmützer Punktation am 2. November. In den Drucken unrichtig: an Lfadenbergf. — 3 Vgl. das Schreiben an die Gemahlin vom 2. November bei Bailleu-Schuster, S. 449 ff.

92. An Generalleutnant Joseph Maria v. Radowitz Berlin, den 5. November 1850

Peucker meldet von 5 Uhr heute nachmittag, daß das 4. österreichische Armeekorps seit dem 31. im Marsch durch Bayern nach Hessen ist! Das Hauptquartier des General Legeditsch ist seit dem 2. in Bamberg. Eine Division mar­ schiert von Bregenz über Kempens die andere soll die Bamberger Eisenbahn so früh als möglich benutzen. Sie sehen, daß in wenig Tagen noch sehr Ernstes ge­ schehen kann; könnten Sie daher Ihre Reise nicht auf­ schieben, wenigstens bis übermorgen? 1 = Kempten.

93. An

den nassauischen Minister v. Wintzingeirode 1

Frh.

Fritz

Schloß Babelsberg, den 8. November 1850

Aus Ihrem gefälligen Schreiben sowohl, als aus der dem Joh. Wilhelm Volpracht erteilten und mir von dem­ selben vorgelegten Instruktion habe ich gern ersehen, daß es noch einmal gelungen ist, Ihren Monarchen auf der Bahn festzuhalten, auf welcher er seit eineinhalb Jahren mit Preußen ging. Was indessen das endliche Resultat dieser beständigen Schwankungen bei den bodenständigen

Intrigen, die um Ihren Herrn gesponnen werden, sein wird, ist unschwer vorherzusehen, und ich kann mich nur freuen, Ew. Exzellenz so treu und fest bei allen diesen Kalamitäten bisher gefunden zu haben. Die Aufklärungen, welche mir der p. Volpracht über die Weigerung Ihrer Regierung, mehr preußische Truppen im Herzogtum Nassau aufzunehmen, gegeben hat, haben mir den Standpunkt bezeichnet, aus welchem diefe Wei­ gerung momentan entstanden fein foll. Die Versicherung, daß die vorhin berührte Schwankung die Schuld daran trägt, ist eine Beruhigung insofern für mich, als mit Weg­ fall diefer Schwankung für jetzt die Wiederholung solcher Weigerung ausgeschlossen ist, und um so erfreulicher ist, als wir auf die Bereitwilligkeit des Herzogs zur Dislozie­ rung unferer Truppen in größtem Maßstabe in seinem Lande von nun an rechnen müssen, wie dies die einge­ tretenen, höchst beklagenswerten Verhältnisse aus strategi­ schen Rücksichten Ihrem Herzog als General klarmachen werden. Ich darf daher mit Bestimmtheit darauf rechnen, daß die durch den Generalleutnant von Schreckenstein zu stellenden Aufforderungen in dieser Beziehung die früher so oft von Ihrer Regierung bewiesene Bereitwilligkeit finden werden, da entgegengesetztenfalls leicht berechenbare Kon­ sequenzen daraus folgen müßten. Gott wolle das Ungemach des Krieges noch einmal an uns vorüberziehen lassen, obgleich ich wenig Hoffnung dazu habe! 1 Nach dem Druck: Forsch, z. Brand, u. Preuß. Gesch. 41, S. 129.

94. An Karl Frh. v. Bincke-Olbendorf Babelsberg, den 13. November 1860

Aus Ihrem heut erhaltenen Brief sehe ich mit Be­ dauern, daß Sie bedeutend krank waren. Welchen Teil Sie an allem nehmen, was hier vorging, begreife ich. Der 2. Novfemfbferf ^war mir wie ein zweiter 19. März. Die Umkehr am 6.2 ist noch zur rechten Zeit gekommen und die Nation hat sich von neuem bewährt. Jedoch bin ich mit Ihnen einverstanden, daß für die rohe Masse ein unblutiges Ende dieser Krisis nach diesem Aufschwung ge­ fährlich ist. Für die Einsichtsvollen ist es alsdann die Aufgabe, dahin zu wirken, zu zeigen, wie die bloße Zu­ sammenberufung der Armee unsere Gegner einschüchterte. Aber freilich, die Resultate müssen dann auch in die Augen springend sein, die wir von Wien verlangen. Da aber die Männer vom 6. November auch die des 2. November sind, so ist die entamierte Negoziation nur auf einigen Punkten noch zu bessern möglich. Beim Zusammentritt der Kammern ist es von der unerläßlichsten Notwendigkeit, daß das Gouvernement nicht gedrängt werde und keine Herausforderungen gegen unsre Gegner stattfinden, bis wir nicht ganz gerüstet da­ stehen, was Sie leicht sich berechnen können, wie lange es noch dauert. Wenn Österreich uns jetzt nicht anfällt, so verstehet es sein Interesse nicht, denn jetzt würde es uns en detail schlagen, die Mobilmachung furchtbar stören und uns aufreibend bis hinter Weichsel und an den Rhein drängen. Ich rechne auf Sie, daß Sie als Soldat in der Kammer­ fraktion sich in diesem Sinne aussprechen. Sind wir erst

gerüstet und konzentriert, dann kann man ein festeres Wort sprechen; jetzt kommt alles darauf an, Zeit zu gewinnen. [N. S.J: Was Sie über des edlen Brandenburgs Tod 3 sagen, ist ganz meine Ansicht; er starb am Kampf über bessere Einsicht — als Handlung! 1 Ausgabe der Unionspolitik gemäß der Ansicht der Majorität des Ministeriums. — 2 Anordnung der Mobilmachung, welche mit Jubel im Lande begrüßt wurde. — 3 Am 6. November.

95. An den Badischen Geheimen Rat Dr. Schaaff in Karlsruhe 1 Schloß Babelsberg, den 14. November 1850

Empfangen Sie meinen besten Dank für Ihre inter­ essanten Mitteilungen im Verlaufe der Kammerdebatten über die preußische Militärkonvention. In diesem kritischen Momente schweigen alle solche Nebensragen und es gilt nur ein Ziel für Preußen — ehrenvolles Bestehen oder ehrenvoller Untergang! Wir stehen am Vorabend ver­ hängnisvoller Begebenheiten! Der Ausgang stehet bei Gott! Das Verlassen Badens seitens meiner Truppen ist für mich ein sehr schmerzliches Ereignis. Aber bei der Über­ macht des Feindes mußten wir auf Konzentration aller unserer Kräfte Bedacht nehmen. Somit erlischt nun auch meine Mission in Ihrem schönen Lande; daß sie mich mit Ihnen in so lange und nahe Ge­ schäftsverbindung brachte, wird mir stets eine sehr teure Erinnerung bleiben und muß ich Ihnen meinen herzlichen Dank sagen für die Bereitwilligkeit, mit welcher Sie sich um das Wohl unserer Truppen so unendlich verdient ge­ macht haben. So scheide ich mit Wehmut von einem Lande, das

gerüstet und konzentriert, dann kann man ein festeres Wort sprechen; jetzt kommt alles darauf an, Zeit zu gewinnen. [N. S.J: Was Sie über des edlen Brandenburgs Tod 3 sagen, ist ganz meine Ansicht; er starb am Kampf über bessere Einsicht — als Handlung! 1 Ausgabe der Unionspolitik gemäß der Ansicht der Majorität des Ministeriums. — 2 Anordnung der Mobilmachung, welche mit Jubel im Lande begrüßt wurde. — 3 Am 6. November.

95. An den Badischen Geheimen Rat Dr. Schaaff in Karlsruhe 1 Schloß Babelsberg, den 14. November 1850

Empfangen Sie meinen besten Dank für Ihre inter­ essanten Mitteilungen im Verlaufe der Kammerdebatten über die preußische Militärkonvention. In diesem kritischen Momente schweigen alle solche Nebensragen und es gilt nur ein Ziel für Preußen — ehrenvolles Bestehen oder ehrenvoller Untergang! Wir stehen am Vorabend ver­ hängnisvoller Begebenheiten! Der Ausgang stehet bei Gott! Das Verlassen Badens seitens meiner Truppen ist für mich ein sehr schmerzliches Ereignis. Aber bei der Über­ macht des Feindes mußten wir auf Konzentration aller unserer Kräfte Bedacht nehmen. Somit erlischt nun auch meine Mission in Ihrem schönen Lande; daß sie mich mit Ihnen in so lange und nahe Ge­ schäftsverbindung brachte, wird mir stets eine sehr teure Erinnerung bleiben und muß ich Ihnen meinen herzlichen Dank sagen für die Bereitwilligkeit, mit welcher Sie sich um das Wohl unserer Truppen so unendlich verdient ge­ macht haben. So scheide ich mit Wehmut von einem Lande, das

mir unendlich teuer geworden ist und in welchem ich so viele Beweise wahrer Dankbarkeit für demselben auf Be­ fehl des Königs geleistete Dienste empfing! Baden völlig pazifiziert und treu seinem Herrscher erst zu verlassen, wo­ rin ich die Vollendung meiner Mission erblickt hätte, sollte ein Traum bleiben. Daß ich nicht aufhören werde, die wärmste Teilnahme für Baden zu hegen, können Sie leicht denken; mögte ich es bald glücklich Wiedersehen und Sie in alter Gesinnung gegen mich wiederfinden! 1 Generallandesarchiv Karlsruhe.

96. An Ernst v. Saucken-Tarputschen 1 Schloß Babelsberg, den 18. November 1850

Ihr Schreiben vom 8.2 d. M. atmet Patriotismus, wie ich ihn immer bei Ihnen gekannt habe. Sie fangen damit an, mich zu fragen, ob ich noch der Meinung sei, daß Sie unrecht täten, unser Ministerium zu bezichtigen, einen fal­ schen Weg zu gehen? Was ich Ihnen damals sagte, war für jenen Moment meine vollkommene Überzeugung und auch heute noch. Ganz anders beantworte ich diese Frage heute. Schon in diesern Sommer trat ich dem schwanken­ den Ministerium schroff entgegen, noch schroffer am 2. No­ vember d.J. Denn es verließ die besonnene Bahn, die Preußen für Deutschland zu gehen hat. Der edle Mann, der den 2. November 1850 schuf, hat ihn nicht überlebt — wohl ihm und Friede seiner Asche! Am 6. November ist ein kühner Entschluß gefaßt worden — die Nation hat aus einem Munde geantwortet; sie steht unter den Waffen, weil man sich auf sie stützte. Jetzt kommt alles darauf an, diesen kühnen Griff zu benutzen, aber mit großem Be-

mir unendlich teuer geworden ist und in welchem ich so viele Beweise wahrer Dankbarkeit für demselben auf Be­ fehl des Königs geleistete Dienste empfing! Baden völlig pazifiziert und treu seinem Herrscher erst zu verlassen, wo­ rin ich die Vollendung meiner Mission erblickt hätte, sollte ein Traum bleiben. Daß ich nicht aufhören werde, die wärmste Teilnahme für Baden zu hegen, können Sie leicht denken; mögte ich es bald glücklich Wiedersehen und Sie in alter Gesinnung gegen mich wiederfinden! 1 Generallandesarchiv Karlsruhe.

96. An Ernst v. Saucken-Tarputschen 1 Schloß Babelsberg, den 18. November 1850

Ihr Schreiben vom 8.2 d. M. atmet Patriotismus, wie ich ihn immer bei Ihnen gekannt habe. Sie fangen damit an, mich zu fragen, ob ich noch der Meinung sei, daß Sie unrecht täten, unser Ministerium zu bezichtigen, einen fal­ schen Weg zu gehen? Was ich Ihnen damals sagte, war für jenen Moment meine vollkommene Überzeugung und auch heute noch. Ganz anders beantworte ich diese Frage heute. Schon in diesern Sommer trat ich dem schwanken­ den Ministerium schroff entgegen, noch schroffer am 2. No­ vember d.J. Denn es verließ die besonnene Bahn, die Preußen für Deutschland zu gehen hat. Der edle Mann, der den 2. November 1850 schuf, hat ihn nicht überlebt — wohl ihm und Friede seiner Asche! Am 6. November ist ein kühner Entschluß gefaßt worden — die Nation hat aus einem Munde geantwortet; sie steht unter den Waffen, weil man sich auf sie stützte. Jetzt kommt alles darauf an, diesen kühnen Griff zu benutzen, aber mit großem Be-

dacht muß noch verfahren werden. Unsere Gegner stehen gerüstet an unsern Grenzen — wir rüsten erst! Wir müssen noch 3—4 Wochen Zeit gewinnen (dies darf aber niemals öffentlich ausgefprochen werden). Damit die Gegner uns nicht ungerüstet, in unsere Grenze einfallend, finden, muß man ihnen den Grund und Vorwand dazil vorläufig noch benehmen. Sind wir um Weihnachten ganz gerüstet, dann kann eine andere Sprache geführt werden. Dies also sei Ihrer aller Programm in den Kam­ mern. Man dränge das Gouvernement jetzt noch nicht zum: Vorwärts! Man kann und muß Preußens Ehre zwar energisch und lebhaft in den Kammerdebatten obenan stellen; aber man hüte sich momentan noch, die Scheiden fortzuwerfen. Sie kommen auf die Frankfurter Kaiser­ krone zurück und reihen daran Betrachtungen. Diesen kann ich nicht folgen. Jene Krone entsproß der Volkssouveräni­ tät, denn niemand in F. a. M. hatte ein Mandat zu solchem Schritt. Hätten die Fürsten sie den König gebeten anzu­ nehmen, so wäre die Sache legal geworden. Mit der Ver­ fassung aber, die dieser Krone zur Seite stehen sollte, wäre heute kein Kaiser, kein Deutschland und kein Preußen mehr. Was ich Ihnen im Sommer 1848 hier an dieser Stelle sagte, ist und bleibt mein Wahlspruch: Preußen muß als Preußen an die Spitze Deutschlands kommen, nicht aber als Provinz in dasselbe ausgenommen werden, d. h. nicht in dasselbe aufgehen. Und fo wird es auch kommen. Wann? Das ist eine ganz andere Frage. Als Sie fehr unzufrieden mit mir waren, als ich Ihnen 1848 sagte, dies Jahr sei nicht dazu bestimmt, das von Ihnen erstrebte Ziel zu erreichen, hatte ich doch sehr recht; denn selbst Sie alle in F. a. M., die man gewähren ließ bis

zum Schluß des Jahres, konnten es nicht zum Schluß bringen 3. Die nächsten Tage 4 werden sehr entscheidend sein. Wir­ ken Sie auf Ihre Kammergenossen, damit von Hause aus kein Österreich provozierendes Drängen in den De­ batten stattfindet, bis wir gerüstet sind. Preußens Ehre aber immer obenan, dann folgt Deutschland von selbst. Sollte sich das Ministerium nicht halten (außer Laden­ berg 5), so nehme man tüchtig gesinnte Männer, aber keine Ideologen und Phantasten; wohin diese geschäftsunkundi­ gen Männer den Staat 1848 gebracht haben, weiß die Welt, und Preußen hat genug davon gehabt!! 1 Nach dem Druck in Deutsche Rundschau Bd. 109 (1901), S. 388 f. — 2 Gebr.: Ebenda, S. 387 f. — 3 Der Druck gibt hier offenbar die Vorlage unrichtig wieder, daher geändert. — 4 Kammereröffnung am 21. November. — 5 Suchte am 2. November die Entlassung nach, blieb aber, als die Mobilmachung beschlossen wurde. Im Dezember schied er aus.

97. General der Kavallerie Frh. Friedrich von Wrangel, Oberbefehlshaber in den Marken, an Prinz Wilhelm 1 Berlin, den 15. Dezember 1850

Ew. Königliche Hoheit danke ich ehrfurchtsvoll für die mir gnädigst mitgeteilte hiebei zurück­ folgende inhaltswichtige Denkschrift über die Preuß. Politik2. Ich bin wahrhaft glücklich daraus ersehen zu haben, daß Sie, mein Königlich ritter­ licher Prinz, das Ministserium^I Manteufel unterstützen wollen. (Randbe­ merkung des Prinzen: „unterstützen, nein, aber aus dem Schiffbruch retten, was zu retten ist.")— Denn es war für unser armes Vaterland eine gefahrvolle trostlose Zeit, als Ihre Königliche Hoheit mit den Ent­ schließungen Seiner Majestät des Königs nicht einverstanden [todten] und Ihre Unzufriedenheit mit den Ratschlägen der Minister offenkundig sagten —, und die Politik von Radotoitz, Ladenberg, die mit Vincke,

zum Schluß des Jahres, konnten es nicht zum Schluß bringen 3. Die nächsten Tage 4 werden sehr entscheidend sein. Wir­ ken Sie auf Ihre Kammergenossen, damit von Hause aus kein Österreich provozierendes Drängen in den De­ batten stattfindet, bis wir gerüstet sind. Preußens Ehre aber immer obenan, dann folgt Deutschland von selbst. Sollte sich das Ministerium nicht halten (außer Laden­ berg 5), so nehme man tüchtig gesinnte Männer, aber keine Ideologen und Phantasten; wohin diese geschäftsunkundi­ gen Männer den Staat 1848 gebracht haben, weiß die Welt, und Preußen hat genug davon gehabt!! 1 Nach dem Druck in Deutsche Rundschau Bd. 109 (1901), S. 388 f. — 2 Gebr.: Ebenda, S. 387 f. — 3 Der Druck gibt hier offenbar die Vorlage unrichtig wieder, daher geändert. — 4 Kammereröffnung am 21. November. — 5 Suchte am 2. November die Entlassung nach, blieb aber, als die Mobilmachung beschlossen wurde. Im Dezember schied er aus.

97. General der Kavallerie Frh. Friedrich von Wrangel, Oberbefehlshaber in den Marken, an Prinz Wilhelm 1 Berlin, den 15. Dezember 1850

Ew. Königliche Hoheit danke ich ehrfurchtsvoll für die mir gnädigst mitgeteilte hiebei zurück­ folgende inhaltswichtige Denkschrift über die Preuß. Politik2. Ich bin wahrhaft glücklich daraus ersehen zu haben, daß Sie, mein Königlich ritter­ licher Prinz, das Ministserium^I Manteufel unterstützen wollen. (Randbe­ merkung des Prinzen: „unterstützen, nein, aber aus dem Schiffbruch retten, was zu retten ist.")— Denn es war für unser armes Vaterland eine gefahrvolle trostlose Zeit, als Ihre Königliche Hoheit mit den Ent­ schließungen Seiner Majestät des Königs nicht einverstanden [todten] und Ihre Unzufriedenheit mit den Ratschlägen der Minister offenkundig sagten —, und die Politik von Radotoitz, Ladenberg, die mit Vincke,

Saucken, Camphausen vereinigt den Krieg wollten (Randbemerkung des Prinzen: „nicht mit diesen, sondern mit dem König wollte ich Kriegs­ rüstung und Krieg"), als die einzige richtige von Jhro Kgl. Hoheit be­ zeichnet wurde. — Hiedurch entstand die trostlose Spaltung im Mini­ sterium, welches die teuflischen Männer der Kammer Opposition mit Freuden benutzend, um ihre Pläne das Ministerium zu stürzen und den König zum Kriege zu zwingens!^, weil sie törigterweise Vorgaben, Preu­ ßens Ehre sei verletzt; — ja die Oppositionsmänner der Kammer, die von Ew. Königl. Hoheit gnädig empfangen worden sind, (Randbemer­ kung des Prinzen: „ich habe Männer aller Parteien gesprochen um mich zwischen den Parteien zu erhalten; daß daraus Jeder das seiner Partei Näherstehende ihr günstig auslegt, ist ihre und nicht meine Sache") brachten es unter den [! ] Leuten, daß ihre Ansichten vom Thronerben geteilt würden; — das war eine trostlose Zeit — wo diese Meinung anfing, Glauben zu erhalten. — Denn die Spaltung im Ministerium und den Kammern teilte sich mit Blitzesschnelle dem Lande mit, — und in dem Augenblick, wo Preußen, um stark nach außen zu sein, einig im innern sein sollte, — war es in sich zerrissen. — Doch der Allmächtige hat Preußen beschirmt — indem unser teurer König den Entschluß faßte, die Kammern zu vertagen. — Denn wenn diese 3 nicht erfolgte, war Preußen rettungslos in einem [ ! ] unheil­ vollen Kriege verwickelt.— Denn allein stand Preußen da und war im Begriff, das Schwert zu ziehen gegen fast alle gesalbten Häupter von Europa, — kein Alliirter wollte offen mit uns gehen, aber dennoch würden bei dem ersten Kanonen Schuß lausende und vielleicht ganze Völkerstämme wie aus Grabesdunkel erstehen — und sich drängen, um unter Preußens heiliger Standarte den Kampf mit uns zu machen. — Wehe und übermal wehe, wenn Preußen diese Rotte (Randbemer­ kung des Prinzen: „mit dieser Rotte würde Preußen nie sich alliiert haben, sie aber gewähren lassen; nach dem Siege hätte man sie nicht zu fürchten") zu ihrens!^ Bundesgenossen nehmen sollte, — uns würde die Strafe des Höchsten treffen, — denn diese Verbündete sind Eid­ brüchige und daher von Gott verflucht, weil sie ihren angestammten Fürsten sich widersetzen.

Preußens Ehre — dieses heilige Erbteil von unsren Vätern, für die auch ich mit Freuden mein Blut vergossen habe, wird von unsern [I] teuern König und durch Preußens tapfere Armee stets wohl bewahrt nnd verteidigt werden — kann aber nie durch eine Fehde gegen alle durch Gottes Gnaden auf den [! ] Thron sitzenden Fürsten erkämpft werden. —

Wer Preußens Ehre wahren will, der wende sich ab von der eid­ brüchigen Rotte, denn wer mit ihnen trinket aus einem Kelche — der trinkt sich selber das Gericht. — (Randbemerkung des Prinzen: „Preußens Ehre bestehet nicht darin, von Österreich im Gengelband genommen zu werden! und den Frieden ä tout prix zu wollen.") Das ist meine Politik, und wollen Ew. Kgl. Hoheit meine ehrfurchts­ vollen aber offen dargelegten Ansichten nicht mißdeuten; — sie haben ihren Ursprung in den [! ] festen und unerschütterlichen Willen, nie und nimmerdar, in der [! ] Opposition, gegen den von Gott eingesetzten Fürsten zu treten. In unwandelbarer ehrfurchtsvoller und treuer Anhänglichkeit an Ew. Kgl. Hoheit erhabenen Person verharre ich in tiefster Unterthänigkeit Wrangel General. sN. ©.]: Bevor die Konferenzen in Dresden nicht eine für Preußens gerechte Forderungen genügende Lösung und feste Garantie erhalten haben, würde ich jede fernere Reduktion der Armee pflichtmäßig ab­ raten. 1 Briefwechsel mit Wrangel H.-A. — 2 Vgl. Die Denkschrift v. 20. Feb. 1851 gedr.: v. Poschinger, Preußens auswärtige Politik I, S. 107 ff. und danach bei Benrer, Brandenburg und Pagel. — 3 Die Vertagung.

98. An

den General der Kavallerie Frh. von Wrangel, Oberbefehlshaber in den Marken Berlin, den 15. Dezember 1850

Empfangen Sie meinen besten Dank für Ihre Antwort von heutet Ich sehe mich aber genötigt, einen Irrtum bei Ihnen zu bekämpfen. Ich habe den Krieg nicht mit Radowitz, Ladenberg, Vincke, Camphaufen usw. gewollt, sondern mit dem König, als Er denselben als nötig fand. Die Mobilmachung, welche ich am 2. November auf das ent­ schiedenste mit dem Könige wollte, aus dem Grunde, der in Olmütz teilweis erreicht ist — hatte am 6. November schon eine ganz andere Bedeutung, denn die Konzessionen, welche am 2. nicht notwendig gewesen wären mit einer

Wer Preußens Ehre wahren will, der wende sich ab von der eid­ brüchigen Rotte, denn wer mit ihnen trinket aus einem Kelche — der trinkt sich selber das Gericht. — (Randbemerkung des Prinzen: „Preußens Ehre bestehet nicht darin, von Österreich im Gengelband genommen zu werden! und den Frieden ä tout prix zu wollen.") Das ist meine Politik, und wollen Ew. Kgl. Hoheit meine ehrfurchts­ vollen aber offen dargelegten Ansichten nicht mißdeuten; — sie haben ihren Ursprung in den [! ] festen und unerschütterlichen Willen, nie und nimmerdar, in der [! ] Opposition, gegen den von Gott eingesetzten Fürsten zu treten. In unwandelbarer ehrfurchtsvoller und treuer Anhänglichkeit an Ew. Kgl. Hoheit erhabenen Person verharre ich in tiefster Unterthänigkeit Wrangel General. sN. ©.]: Bevor die Konferenzen in Dresden nicht eine für Preußens gerechte Forderungen genügende Lösung und feste Garantie erhalten haben, würde ich jede fernere Reduktion der Armee pflichtmäßig ab­ raten. 1 Briefwechsel mit Wrangel H.-A. — 2 Vgl. Die Denkschrift v. 20. Feb. 1851 gedr.: v. Poschinger, Preußens auswärtige Politik I, S. 107 ff. und danach bei Benrer, Brandenburg und Pagel. — 3 Die Vertagung.

98. An

den General der Kavallerie Frh. von Wrangel, Oberbefehlshaber in den Marken Berlin, den 15. Dezember 1850

Empfangen Sie meinen besten Dank für Ihre Antwort von heutet Ich sehe mich aber genötigt, einen Irrtum bei Ihnen zu bekämpfen. Ich habe den Krieg nicht mit Radowitz, Ladenberg, Vincke, Camphaufen usw. gewollt, sondern mit dem König, als Er denselben als nötig fand. Die Mobilmachung, welche ich am 2. November auf das ent­ schiedenste mit dem Könige wollte, aus dem Grunde, der in Olmütz teilweis erreicht ist — hatte am 6. November schon eine ganz andere Bedeutung, denn die Konzessionen, welche am 2. nicht notwendig gewesen wären mit einer

Mobilmachung, waren am 6. schon gemacht von unserer Seite.

An diesem Tage konnte der Aufruf der Armee zu

den Waffen keinen andern Grund haben, als noch weitere Zumutungen Österreichs zurückzuweisen. Aber trotz der bereitstehenden Armee ist man, 3 Wochen nach dem 6. No­

vember, in Olmütz dennoch in neue Konzessionen einge­ gangen. Indem ich sie abwäge gegen die uns gemachten,

glaube ich mich auf den höchsten Stand der Unparteilich­

keit gestellt zu haben. Nie aber wird der Stachel in einem Soldatenherzen vernarben, der uns durch das Überrennen

der Bayern in Hessen eingedrückt wird.

Auch hierin habe

ich des Königs Ansicht für mich, indem er alle möglichen Befehle dem Gsenerasl Graf v. d. Gröben sendete, uni diese

Avanze den Truppen gelinder in der Ausführung erscheinen

zu lassen. Geschehen ist es dennoch nicht, und dieser Schmerz bleibt mir und uns allen!

Wenn Sie sagen, Sie sähen, daß ich Manteuffel unter­

stützen würde, so ist dies doch nur sehr relativ der Fall. Ich habe die Bedingungen, die Sie gelesen haben, unter

denen ich glaube, daß das Ministerium sich halten kann -gestellt.

Gehet das Ministerium aber den Gang Haßen-

flugs, d. h. mit Perfidie die Verfassung zu untergraben

und den König zum Meineid zu nötigen, — so trete ich

bestimmt gegen das Ministerium auf, ich mag in Memel, Berlin oder Saarlouis mich befinden. ich Sie auf meiner Seite finden! —

Und darin werde

Diese Ansicht halte ich nicht zurück, um so mehr als der König und Manteuffel mir schriftlich und mündlich ver­

sichert haben, daß sie an einen Verfassungsbruch nicht dächten.

Wenn gewisse Deputierte andere Ansichten als die hier

rasch zusammengefaßten über mich ausgesprengt haben, so haben sie gelogen; denn noch am 1. Dezember habe ich mein politisches Glaubensbekenntnis niedergeschrieben, gleich nach der Konferenz beim König, und dies lautet fo, wie ich es hier wiedergab, und nur so habe ich zu den Deputierten aller Farben, die bei mir waren, gesprochen. Die Kon­ servativsten indessen gingen in ihren Angriffen viel weiter als ich. 1 Nr. 97.

99. An den Gesandten in London v. Bunsen^ Berlin, 23. Dezember 1850

^Betr. Olmütz u. seine Folgens Gedruckt: Deutsche Revue 1897 und danach Berner I, 261; Brandenburg, S. 83. 1 Original nicht vorliegend.

100. Prinz Wilhelm an den nassauischen Minister Frh. Fritz v. Wintzingerode 1 Coblenz, den 29. Dezember 1850

Sehr dankbar bin ich Ihnen für Ihre gütigen Mit­ teilungen vom 23. d. M. und erfehe ich aus denselben die Ansichten und Hoffnungen festgehalten, die ich stets bei Ihnen gekannt habe. Um fo schmerzlicher vermisse ich Sie in Dresden in diesem Augenblick, und ist allgemein die Ansicht verbreitet, daß die Wahl auf H. v. Dungern aus nicht Preußischen Interessen gefallen fei! Trotz allem, was sich wichtiges und unerwartetes zu­ getragen hat, in deutsch-politischer Hinsicht, teile ich nach wie vor Ihre Auffassung, daß nämlich das Prinzip, welches der Idee der Union zum Grunde liegt, das allein richtige ist, wenn man an eine stabile Rekonstruierung Deutsch-

rasch zusammengefaßten über mich ausgesprengt haben, so haben sie gelogen; denn noch am 1. Dezember habe ich mein politisches Glaubensbekenntnis niedergeschrieben, gleich nach der Konferenz beim König, und dies lautet fo, wie ich es hier wiedergab, und nur so habe ich zu den Deputierten aller Farben, die bei mir waren, gesprochen. Die Kon­ servativsten indessen gingen in ihren Angriffen viel weiter als ich. 1 Nr. 97.

99. An den Gesandten in London v. Bunsen^ Berlin, 23. Dezember 1850

^Betr. Olmütz u. seine Folgens Gedruckt: Deutsche Revue 1897 und danach Berner I, 261; Brandenburg, S. 83. 1 Original nicht vorliegend.

100. Prinz Wilhelm an den nassauischen Minister Frh. Fritz v. Wintzingerode 1 Coblenz, den 29. Dezember 1850

Sehr dankbar bin ich Ihnen für Ihre gütigen Mit­ teilungen vom 23. d. M. und erfehe ich aus denselben die Ansichten und Hoffnungen festgehalten, die ich stets bei Ihnen gekannt habe. Um fo schmerzlicher vermisse ich Sie in Dresden in diesem Augenblick, und ist allgemein die Ansicht verbreitet, daß die Wahl auf H. v. Dungern aus nicht Preußischen Interessen gefallen fei! Trotz allem, was sich wichtiges und unerwartetes zu­ getragen hat, in deutsch-politischer Hinsicht, teile ich nach wie vor Ihre Auffassung, daß nämlich das Prinzip, welches der Idee der Union zum Grunde liegt, das allein richtige ist, wenn man an eine stabile Rekonstruierung Deutsch-

rasch zusammengefaßten über mich ausgesprengt haben, so haben sie gelogen; denn noch am 1. Dezember habe ich mein politisches Glaubensbekenntnis niedergeschrieben, gleich nach der Konferenz beim König, und dies lautet fo, wie ich es hier wiedergab, und nur so habe ich zu den Deputierten aller Farben, die bei mir waren, gesprochen. Die Kon­ servativsten indessen gingen in ihren Angriffen viel weiter als ich. 1 Nr. 97.

99. An den Gesandten in London v. Bunsen^ Berlin, 23. Dezember 1850

^Betr. Olmütz u. seine Folgens Gedruckt: Deutsche Revue 1897 und danach Berner I, 261; Brandenburg, S. 83. 1 Original nicht vorliegend.

100. Prinz Wilhelm an den nassauischen Minister Frh. Fritz v. Wintzingerode 1 Coblenz, den 29. Dezember 1850

Sehr dankbar bin ich Ihnen für Ihre gütigen Mit­ teilungen vom 23. d. M. und erfehe ich aus denselben die Ansichten und Hoffnungen festgehalten, die ich stets bei Ihnen gekannt habe. Um fo schmerzlicher vermisse ich Sie in Dresden in diesem Augenblick, und ist allgemein die Ansicht verbreitet, daß die Wahl auf H. v. Dungern aus nicht Preußischen Interessen gefallen fei! Trotz allem, was sich wichtiges und unerwartetes zu­ getragen hat, in deutsch-politischer Hinsicht, teile ich nach wie vor Ihre Auffassung, daß nämlich das Prinzip, welches der Idee der Union zum Grunde liegt, das allein richtige ist, wenn man an eine stabile Rekonstruierung Deutsch-

lands denkt und nicht bloß an eine momentane Verkleiste­ rung der gegenwärtigen Übel! Meiner Ansicht nach muß Preußen also in Dresden dahin wirken, daß die Stätte für das Prinzip der Union offen gehalten wird, während es nicht nötig, ja nicht einmal ratsam ist, die Konstituierung derselben sofort anzugreifen, indem dabei leicht unerwünschte Einflüsse und Gegenbemühungen dem Werke hinderlich wer­ den könnten und [e§] wohl gar völlig scheitern machen könnten. Daß diassau, meiner Überzeugung nach, nur in dem An­ schluß an Preußen seine Zukunft gesichert siehet, wissen Sie längst, und ich freue mich auch, Sie nach wie vor von dieser Ansicht durchdrungen zu finden. Mögen daher die nun sich entwickelnden deutschen Verhältnisse Sie auf Ihrem Posten erhalten, dann bin ich sicher, daß Nassau und Preußen gemeinschaftlich gut fahren werden. Ich würde mich sehr freuen, wenn bei der neuen Wehr­ verfassung Deutschlands die Individualität des Herzogs ge­ schont werden könnte, und denke ich mir dies wohl möglich, soweit dies dem großen Ganzen nicht hinderlich wird. In­ dessen werden Sie mir zugeben müssen, daß mir der Mo­ ment, wo Preußen der Welt das Schauspiel gewährt, seine Kriegsverfassung in einer Art ins Leben treten zu lassen, welche die kühnsten Berechnungen eines 35jährigen Friedens übertrifft, — wohl dazu gemacht ist, diese Kriegsbereitschaft allen seinen deutschen Kollegen zur Einführung zu empfehlen und sich ein Aufsichtsrecht über dieselbe zu wünschen. Was die Dislokation des 28. Jnf.-Regts. auf Nasfauischem Gebiet betrifft, so stehet mir darüber keine Einwirkung mehr zu, doch glaube ich, daß bei einer weitläufigen Dis­ lokation auf Ihren Wunsch wird Rücksicht genommen wer­ den können. Aber wie verschieden sind die Wünsche! Die

Anhaltinischen Herzöge haben grade den entgegengesetzten Antrag gestellt, bei der Auseinanderlegung meiner Armeen an der Elbe!... 1 Nach dem Druck: Forsch, z. Brand, u. Preuß. Gesch. 41, S. 129 f.

101. An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf Coblenz, den 5. März 1851

Anliegend sende ich Ihnen die mit mitgeteilten Schreiben zurück. Die Darlegung des Entstehens und Herganges der Abschiedsvisite mehrerer Mitglieder der 1. Kammer bei mir, wie sie Graf Rittberg gibt, ist vollkommen der Wahr­ heit getreu. Ich selbst hatte auf 6—8 Personen gerechnet und war daher sehr überrascht, gegen 40 Personen ver­ sammelt zu finden. Diese Überraschung drückte sich sogleich aus, worauf die stattgehabte Unterredung ganz den Charak­ ter einer Privatkonversation annahm: Was ich dabei ge­ äußert, ist ziemlich richtig in den Zeitungen wiedergegeben, nur nicht ganz dasjenige, was ich über die äußere Politik beim Scheiden sagte. Ich habe nämlich nicht gesagt: man werde sich überzeugen, daß das Ministerium so handle, wie ich dies angegeben — sondern ich habe gesagt, wie ich dies bei allen Audienzen und Offiziersversammlungen auf meiner Reise getan habe: man müsse wünschen, daß das Ministerium (die Herren von der Feder) die friedlichen Ver­ hältnisse mit Ehren zu Ende führen würde. Wenn, wie Sie mir schreiben, die Mitglieder der Linken gewünscht hätten, gleich denen der Rechten von mir Ab­ schied zu nehmen, so tut es mir leid, daß es keinem der­ selben eingefallen ist, sich bei mir anzumelden. Daß diesem Privatbesuch durch die unausstehliche Presse

Anhaltinischen Herzöge haben grade den entgegengesetzten Antrag gestellt, bei der Auseinanderlegung meiner Armeen an der Elbe!... 1 Nach dem Druck: Forsch, z. Brand, u. Preuß. Gesch. 41, S. 129 f.

101. An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf Coblenz, den 5. März 1851

Anliegend sende ich Ihnen die mit mitgeteilten Schreiben zurück. Die Darlegung des Entstehens und Herganges der Abschiedsvisite mehrerer Mitglieder der 1. Kammer bei mir, wie sie Graf Rittberg gibt, ist vollkommen der Wahr­ heit getreu. Ich selbst hatte auf 6—8 Personen gerechnet und war daher sehr überrascht, gegen 40 Personen ver­ sammelt zu finden. Diese Überraschung drückte sich sogleich aus, worauf die stattgehabte Unterredung ganz den Charak­ ter einer Privatkonversation annahm: Was ich dabei ge­ äußert, ist ziemlich richtig in den Zeitungen wiedergegeben, nur nicht ganz dasjenige, was ich über die äußere Politik beim Scheiden sagte. Ich habe nämlich nicht gesagt: man werde sich überzeugen, daß das Ministerium so handle, wie ich dies angegeben — sondern ich habe gesagt, wie ich dies bei allen Audienzen und Offiziersversammlungen auf meiner Reise getan habe: man müsse wünschen, daß das Ministerium (die Herren von der Feder) die friedlichen Ver­ hältnisse mit Ehren zu Ende führen würde. Wenn, wie Sie mir schreiben, die Mitglieder der Linken gewünscht hätten, gleich denen der Rechten von mir Ab­ schied zu nehmen, so tut es mir leid, daß es keinem der­ selben eingefallen ist, sich bei mir anzumelden. Daß diesem Privatbesuch durch die unausstehliche Presse

ein offizieller Charakter beigelegt worden ist, ist sehr begreif­ lich. Übrigens ist es mir sehr lieb, daß die Welt erfahren hat, was sie übrigens feit 3 Jahren wissen muß, wie ich über die 3 Fragen, welche besprochen wurden, denke. Ich habe mir den Beinamen des Reaktionärs auf gesetzlich ver­ fassungsmäßigem Wege gegeben. Dies ist mein Programm. Daß man also wisse, was ich mit und durch die Kammern im konservativen Sinn zu erlangen stets streben werde, ist sehr wichtig für Gegenwart und Zukunft. Wohl weiß ich, daß wir uns über viele Punkte nie verstehen werden, wie mir dies unsre letzte Unterredung wiederum bewies. Jeder von uns wird also gewissenhaft seinen Weg gehen. Sie sagen, daß durch konservativere Tendenzen der Thron ge­ fährdet werde — ich fage, er ist gefährdet durch die zu revolutionären Elemente, die unsern neuen Institutionen noch ankleben. Die Zukunft wird zwifchen uns entscheiden. Die unmäßige Opposition des vereinigten Landtages 1847 hat den Grund zum Zerwürfnis von 1848 zwischen Thron und Volk gelegt; daß das Volk nur betört war, hat der Herbst 1848 bewiesen. Diejenigen aber, welche heute noch behaupten, daß die Opponenten von 1847 dem Zer­ würfnis hätten vorbeugen wollen, sind dieselben, die heute die revolutionären Tendenzen in unsern modernen In­ stitutionen lieben und nicht modifizieren wollen; sie werden, so Gott will, das Volk nicht zum zweitenmal betören und aufstacheln, wie am 18. März! Diese Deduktion ist weit entfernt, die Tendenzen un­ seres Ministeriums in der äußern Politik bemänteln zu sollen. Diese werde ich nie gutheißen, solange ich sehe, daß Preußen von Österreich in den Gengelband genommen wird! Hand in Hand will auch ich mit Österreich gehen,

aber nur unter Bewahrung unserer Selbständigkeit, und diese Tendenz sehe ich noch nicht. 102. An den preußischen Gesandten in Christian Karl Josias v. Bunsen'

London

Coblenz, den 4. April 1851

Ihre freundlichen Zeilen zu meinem Geburtstage 1 sind mir ein unendlich werter Beweis Ihrer Freundschaft für mich gewesen. Ein Anerkenntnis meiner Haltung in einer unendlich schwierigen Lage in einer verhängnisvollen Zeit von einem Manne, der die Weltereignisse von einem höheren Standpunkte ansiehet, als gewöhnliche, den die Welt ehrt und schätzt, wie es sein welthistorischer Name verlangt — das ist ein Lohn, der mich stolz machen könnte, — wenn ich nicht durch ein vielbewegtes erfahrungsreiches Leben gelernt hätte demütig zu sein! Empfangen Sie aber meinen recht herzlichen Dank für Ihre treuen Gesinnungen. Sie müssen in diesen Stunden schon wissen, ob wir nach Frankfurt a. M. zu sehen haben oder wiederum nur nach Dresden. Ersteres wäre unter den Verhältnissen, wie wir sie uns de gaitee de coeur geschaffen haben, das Ein­ zige, was uns frommen könnte, um die Zukunft abzu­ warten. Aber darum wird man es uns nicht zugestehen und halbe Auskünfte finden, die uns immer mehr in Letargie werfen. Indessen die Vorsehung wacht. [N. S.]: Wir erfreuen uns fehr Ihrer Nichten in un­ serm Hause3. 1 Das Schreiben an Bunsen vom 16. März (Original nicht vorliegend) bett, die Ausstellung in London, Ministerkrise in England, Dresdener Konferenzen gedr.: Berner I, S. 275 f. — 2 Liegen nicht vor. 3 Die Schreiben des Prinzen an Bunsen vom 10., 16. und 26. April

aber nur unter Bewahrung unserer Selbständigkeit, und diese Tendenz sehe ich noch nicht. 102. An den preußischen Gesandten in Christian Karl Josias v. Bunsen'

London

Coblenz, den 4. April 1851

Ihre freundlichen Zeilen zu meinem Geburtstage 1 sind mir ein unendlich werter Beweis Ihrer Freundschaft für mich gewesen. Ein Anerkenntnis meiner Haltung in einer unendlich schwierigen Lage in einer verhängnisvollen Zeit von einem Manne, der die Weltereignisse von einem höheren Standpunkte ansiehet, als gewöhnliche, den die Welt ehrt und schätzt, wie es sein welthistorischer Name verlangt — das ist ein Lohn, der mich stolz machen könnte, — wenn ich nicht durch ein vielbewegtes erfahrungsreiches Leben gelernt hätte demütig zu sein! Empfangen Sie aber meinen recht herzlichen Dank für Ihre treuen Gesinnungen. Sie müssen in diesen Stunden schon wissen, ob wir nach Frankfurt a. M. zu sehen haben oder wiederum nur nach Dresden. Ersteres wäre unter den Verhältnissen, wie wir sie uns de gaitee de coeur geschaffen haben, das Ein­ zige, was uns frommen könnte, um die Zukunft abzu­ warten. Aber darum wird man es uns nicht zugestehen und halbe Auskünfte finden, die uns immer mehr in Letargie werfen. Indessen die Vorsehung wacht. [N. S.]: Wir erfreuen uns fehr Ihrer Nichten in un­ serm Hause3. 1 Das Schreiben an Bunsen vom 16. März (Original nicht vorliegend) bett, die Ausstellung in London, Ministerkrise in England, Dresdener Konferenzen gedr.: Berner I, S. 275 f. — 2 Liegen nicht vor. 3 Die Schreiben des Prinzen an Bunsen vom 10., 16. und 26. April

betr. die geplante Reise des prinzlichen Paares nach London (Originale nicht vorliegend) gedr.: Berner I, Nr. 139, 140, 143.

103. An Graf Karl v. der Gröben-Neudörfchen. Coblenz, den 4. April 1851

. . . fDank für Wünfchef. Aber wie auch Sie sagen, — besser wird es werden, aber wann?? Unser bekann­ tes Ultimatum 1 enthält wieder so viel Konzessionen, daß es gewiß in Wien angenommen wird, und dann siehet es schlecht mit Preußen aus. Dann wird das Schwert doch noch entscheiden inüssen, aber erst in einer sehr fernen Zeit, die wir nicht mehr erleben, aber wohl mein Sohn. Gott stärke ihn zu seinem schweren Werke dereinst. 1 Aufforderung vom 27. März zur Beschickung des Bundestags auf den 12. Mai.

104. An

den

Regierungspräsidenten in Brom­ berg Freiherr Julius v. Schleinitz1 Coblenz, den 19. April 1851

Sie haben mir eine wahrhafte Freude bereitet durch Ihre freundlichen Zeilen und treuen Wünsche zum 22. März. Alle Betrachtungen, welche Sie daran knüpfen, verdienen ebenso wie Ihre Wünsche, meinen herzlichen Dank. Ganz folge ich Ihrem JdeenGang, wenn Sie sagen, daß trotz der momentanen Erblassung von Preußens Stern er doch wieder hell leuchten wird, wenn nicht unerhörte Fehler gemacht werden! Gewiß wird Preußens Geschick der­ einst sich erfüllen und es an der Spitze von Deutschland stehen; alles drängt dahin, und so widerstrebend sich dem alle entgegenstemmen, — die Macht der Verhältnisse wird es doch dahin bringen.

betr. die geplante Reise des prinzlichen Paares nach London (Originale nicht vorliegend) gedr.: Berner I, Nr. 139, 140, 143.

103. An Graf Karl v. der Gröben-Neudörfchen. Coblenz, den 4. April 1851

. . . fDank für Wünfchef. Aber wie auch Sie sagen, — besser wird es werden, aber wann?? Unser bekann­ tes Ultimatum 1 enthält wieder so viel Konzessionen, daß es gewiß in Wien angenommen wird, und dann siehet es schlecht mit Preußen aus. Dann wird das Schwert doch noch entscheiden inüssen, aber erst in einer sehr fernen Zeit, die wir nicht mehr erleben, aber wohl mein Sohn. Gott stärke ihn zu seinem schweren Werke dereinst. 1 Aufforderung vom 27. März zur Beschickung des Bundestags auf den 12. Mai.

104. An

den

Regierungspräsidenten in Brom­ berg Freiherr Julius v. Schleinitz1 Coblenz, den 19. April 1851

Sie haben mir eine wahrhafte Freude bereitet durch Ihre freundlichen Zeilen und treuen Wünsche zum 22. März. Alle Betrachtungen, welche Sie daran knüpfen, verdienen ebenso wie Ihre Wünsche, meinen herzlichen Dank. Ganz folge ich Ihrem JdeenGang, wenn Sie sagen, daß trotz der momentanen Erblassung von Preußens Stern er doch wieder hell leuchten wird, wenn nicht unerhörte Fehler gemacht werden! Gewiß wird Preußens Geschick der­ einst sich erfüllen und es an der Spitze von Deutschland stehen; alles drängt dahin, und so widerstrebend sich dem alle entgegenstemmen, — die Macht der Verhältnisse wird es doch dahin bringen.

betr. die geplante Reise des prinzlichen Paares nach London (Originale nicht vorliegend) gedr.: Berner I, Nr. 139, 140, 143.

103. An Graf Karl v. der Gröben-Neudörfchen. Coblenz, den 4. April 1851

. . . fDank für Wünfchef. Aber wie auch Sie sagen, — besser wird es werden, aber wann?? Unser bekann­ tes Ultimatum 1 enthält wieder so viel Konzessionen, daß es gewiß in Wien angenommen wird, und dann siehet es schlecht mit Preußen aus. Dann wird das Schwert doch noch entscheiden inüssen, aber erst in einer sehr fernen Zeit, die wir nicht mehr erleben, aber wohl mein Sohn. Gott stärke ihn zu seinem schweren Werke dereinst. 1 Aufforderung vom 27. März zur Beschickung des Bundestags auf den 12. Mai.

104. An

den

Regierungspräsidenten in Brom­ berg Freiherr Julius v. Schleinitz1 Coblenz, den 19. April 1851

Sie haben mir eine wahrhafte Freude bereitet durch Ihre freundlichen Zeilen und treuen Wünsche zum 22. März. Alle Betrachtungen, welche Sie daran knüpfen, verdienen ebenso wie Ihre Wünsche, meinen herzlichen Dank. Ganz folge ich Ihrem JdeenGang, wenn Sie sagen, daß trotz der momentanen Erblassung von Preußens Stern er doch wieder hell leuchten wird, wenn nicht unerhörte Fehler gemacht werden! Gewiß wird Preußens Geschick der­ einst sich erfüllen und es an der Spitze von Deutschland stehen; alles drängt dahin, und so widerstrebend sich dem alle entgegenstemmen, — die Macht der Verhältnisse wird es doch dahin bringen.

Ich fürchte alle uns mitgeteilten Indizien einer neuen Revolution ebensowenig als Sie; aber deshalb leugne ich nicht, daß sie sich vorbereitet und von Frankreich kommend wird sie auch bei uns partiellen Anklang finden; da wir sie aber kennengelernt haben, so darf und wird sie uns nicht zum zweitenmal überraschen. Dazu gehört also, daß wir die Augen überall haben, vorbereitet sind und tüchtig ohne den Kopf zu verlieren, draufschlagen. Die Gesinnung, welche die Mobilmachung begleitete, war der Gedanke, daß der Moment gekommen schien, wo Preußen eine neue, größere Rolle spielen müsse. — Die Unterbrechung dieses Dramas kann schlimme Früchte tragen, weil alle Klassen mit derselben nicht einverstanden sind. Doch wer kann und darf der Vorsehung vorgreifen! Es war ein verfrühter Gedanke! Gott wird den wahren Zeitpunkt zeigen! Fahren Sie nur fort, auf Ihrer Stelle, fortgesetzt zu wirken wie bisher; wo Ihre Gesinnung hintrifft, wird sie so nachhaltig sein, als ich sie kennenlernte! — 1 H.-A.

105. Der preußische Gesandte in London Christian Karl Josias v. Bunsen an Prinz Wilhelm. London, den 26. Mai 1851

... [SBill dem Prinzen zwei Worte ans Herz legens. Das erste betrifft den König selbst, dessen schwere Stellung E. K. H. nicht minder Kummer macht als mir. Ich habe das Vertrauen in den hohen preußischen Sinn, welcher das große Herz des Monarchen erfüllt, daß er in Warschau das Opfer der Verfassung nicht gebracht hat, daß man es gefordert haben wird, daran zweifle ich so wenig als E. K. H. Eine tröstende Zusiche­ rung darüber... würde hinreichen, dem Könige die Stellung zu geben, die wir von Gott für ihn erflehen müssen. ... [bet Glaube an Preußen

Ich fürchte alle uns mitgeteilten Indizien einer neuen Revolution ebensowenig als Sie; aber deshalb leugne ich nicht, daß sie sich vorbereitet und von Frankreich kommend wird sie auch bei uns partiellen Anklang finden; da wir sie aber kennengelernt haben, so darf und wird sie uns nicht zum zweitenmal überraschen. Dazu gehört also, daß wir die Augen überall haben, vorbereitet sind und tüchtig ohne den Kopf zu verlieren, draufschlagen. Die Gesinnung, welche die Mobilmachung begleitete, war der Gedanke, daß der Moment gekommen schien, wo Preußen eine neue, größere Rolle spielen müsse. — Die Unterbrechung dieses Dramas kann schlimme Früchte tragen, weil alle Klassen mit derselben nicht einverstanden sind. Doch wer kann und darf der Vorsehung vorgreifen! Es war ein verfrühter Gedanke! Gott wird den wahren Zeitpunkt zeigen! Fahren Sie nur fort, auf Ihrer Stelle, fortgesetzt zu wirken wie bisher; wo Ihre Gesinnung hintrifft, wird sie so nachhaltig sein, als ich sie kennenlernte! — 1 H.-A.

105. Der preußische Gesandte in London Christian Karl Josias v. Bunsen an Prinz Wilhelm. London, den 26. Mai 1851

... [SBill dem Prinzen zwei Worte ans Herz legens. Das erste betrifft den König selbst, dessen schwere Stellung E. K. H. nicht minder Kummer macht als mir. Ich habe das Vertrauen in den hohen preußischen Sinn, welcher das große Herz des Monarchen erfüllt, daß er in Warschau das Opfer der Verfassung nicht gebracht hat, daß man es gefordert haben wird, daran zweifle ich so wenig als E. K. H. Eine tröstende Zusiche­ rung darüber... würde hinreichen, dem Könige die Stellung zu geben, die wir von Gott für ihn erflehen müssen. ... [bet Glaube an Preußen

wird durch den Einfluß der verfaffungsfeindlichen Partei erschüttert^. Hierin liegt die Schwierigkeit des Königs. E. K. H. Schwierigkeit liegt in einem gewiß mißverstandenen Worte, welches in Köln gesprochen worden *. Die Kölnische Zeitung hat ihre Fehler und Mängel wie jede Zeitung. Allein es sind zwei Umstände nicht zu vergessen. 1. Sie ist der mächtigste Hebel der öffentlichen Meinung der ganzen Bevölkerung der Rheinprovinz mit Ausnahme der Republikaner und Ultramontanen. Mehr aber als Hebel noch ist sie das Organ dieser öffentlichen Meinung und das Organ der preußischen und hohenzollernschen Gesinnung der ungeheuern Mehrheit. Sie hat fast ganz allein unter den einflußreichen Blättern Preußens im Jahre 1848 E. K. H. Partei genommen gegen die Jesuiten von Koblenz und gegen die Demokraten von Köln und Düssel­ dorf. Es kann nicht E. K. H. Absicht gewesen sein, dieseZeitung mit der wahrhaft bösen Presse des Umsturzes in eine Klasse zu setzen. Wäre die Kölnische Zeitung „die böse Presse", so wäre die Rheinprovinz bei der ersten europäischen Katastrophe für Preußen verloren. Ein Wort der Beruhigung würde goldene Früchte tragen. Die Städte wollen weder Republik noch Umsturz. Die einzige Stärke der Revolution liegt in der Apathie der Verzweiflung des Mittelstandes. 1 Bei der Durchreise wurde der Prinz am 24. April von dem Ge­ meinderat in Köln begrüßt. In der Antwort sprach er von dem Vulkan, auf dem man stehe, und von der Zuverlässigkeit der Armee im Falle eines Ausbruches. Er schloß mit den Worten: „Aber noch eins, meine Herren! die Presse ist schlecht, die Kölnische Presse muß sich bessern."

106. An den Gesandten in London v. Sunjen1 26. Juni 1851 fBetr. Anwesenheit in Dirschau, Äußerungen Nikolaus I. zur deutsch­ österreichischen Frage, Briefe der Königin Vittoria und des Prinzen Alberts. Gedr.: Deutsche Revue 1897; Berner I, S. 287. 1 Original nicht vorliegend.

107. An Rudolf v. Auerswald Baden, den 13. Juli 1851

Empfangen Sie meinen besten Dank für Ihre traurige — Meldung! Ich hatte gar keine Ahndung von diesem

wird durch den Einfluß der verfaffungsfeindlichen Partei erschüttert^. Hierin liegt die Schwierigkeit des Königs. E. K. H. Schwierigkeit liegt in einem gewiß mißverstandenen Worte, welches in Köln gesprochen worden *. Die Kölnische Zeitung hat ihre Fehler und Mängel wie jede Zeitung. Allein es sind zwei Umstände nicht zu vergessen. 1. Sie ist der mächtigste Hebel der öffentlichen Meinung der ganzen Bevölkerung der Rheinprovinz mit Ausnahme der Republikaner und Ultramontanen. Mehr aber als Hebel noch ist sie das Organ dieser öffentlichen Meinung und das Organ der preußischen und hohenzollernschen Gesinnung der ungeheuern Mehrheit. Sie hat fast ganz allein unter den einflußreichen Blättern Preußens im Jahre 1848 E. K. H. Partei genommen gegen die Jesuiten von Koblenz und gegen die Demokraten von Köln und Düssel­ dorf. Es kann nicht E. K. H. Absicht gewesen sein, dieseZeitung mit der wahrhaft bösen Presse des Umsturzes in eine Klasse zu setzen. Wäre die Kölnische Zeitung „die böse Presse", so wäre die Rheinprovinz bei der ersten europäischen Katastrophe für Preußen verloren. Ein Wort der Beruhigung würde goldene Früchte tragen. Die Städte wollen weder Republik noch Umsturz. Die einzige Stärke der Revolution liegt in der Apathie der Verzweiflung des Mittelstandes. 1 Bei der Durchreise wurde der Prinz am 24. April von dem Ge­ meinderat in Köln begrüßt. In der Antwort sprach er von dem Vulkan, auf dem man stehe, und von der Zuverlässigkeit der Armee im Falle eines Ausbruches. Er schloß mit den Worten: „Aber noch eins, meine Herren! die Presse ist schlecht, die Kölnische Presse muß sich bessern."

106. An den Gesandten in London v. Sunjen1 26. Juni 1851 fBetr. Anwesenheit in Dirschau, Äußerungen Nikolaus I. zur deutsch­ österreichischen Frage, Briefe der Königin Vittoria und des Prinzen Alberts. Gedr.: Deutsche Revue 1897; Berner I, S. 287. 1 Original nicht vorliegend.

107. An Rudolf v. Auerswald Baden, den 13. Juli 1851

Empfangen Sie meinen besten Dank für Ihre traurige — Meldung! Ich hatte gar keine Ahndung von diesem

wird durch den Einfluß der verfaffungsfeindlichen Partei erschüttert^. Hierin liegt die Schwierigkeit des Königs. E. K. H. Schwierigkeit liegt in einem gewiß mißverstandenen Worte, welches in Köln gesprochen worden *. Die Kölnische Zeitung hat ihre Fehler und Mängel wie jede Zeitung. Allein es sind zwei Umstände nicht zu vergessen. 1. Sie ist der mächtigste Hebel der öffentlichen Meinung der ganzen Bevölkerung der Rheinprovinz mit Ausnahme der Republikaner und Ultramontanen. Mehr aber als Hebel noch ist sie das Organ dieser öffentlichen Meinung und das Organ der preußischen und hohenzollernschen Gesinnung der ungeheuern Mehrheit. Sie hat fast ganz allein unter den einflußreichen Blättern Preußens im Jahre 1848 E. K. H. Partei genommen gegen die Jesuiten von Koblenz und gegen die Demokraten von Köln und Düssel­ dorf. Es kann nicht E. K. H. Absicht gewesen sein, dieseZeitung mit der wahrhaft bösen Presse des Umsturzes in eine Klasse zu setzen. Wäre die Kölnische Zeitung „die böse Presse", so wäre die Rheinprovinz bei der ersten europäischen Katastrophe für Preußen verloren. Ein Wort der Beruhigung würde goldene Früchte tragen. Die Städte wollen weder Republik noch Umsturz. Die einzige Stärke der Revolution liegt in der Apathie der Verzweiflung des Mittelstandes. 1 Bei der Durchreise wurde der Prinz am 24. April von dem Ge­ meinderat in Köln begrüßt. In der Antwort sprach er von dem Vulkan, auf dem man stehe, und von der Zuverlässigkeit der Armee im Falle eines Ausbruches. Er schloß mit den Worten: „Aber noch eins, meine Herren! die Presse ist schlecht, die Kölnische Presse muß sich bessern."

106. An den Gesandten in London v. Sunjen1 26. Juni 1851 fBetr. Anwesenheit in Dirschau, Äußerungen Nikolaus I. zur deutsch­ österreichischen Frage, Briefe der Königin Vittoria und des Prinzen Alberts. Gedr.: Deutsche Revue 1897; Berner I, S. 287. 1 Original nicht vorliegend.

107. An Rudolf v. Auerswald Baden, den 13. Juli 1851

Empfangen Sie meinen besten Dank für Ihre traurige — Meldung! Ich hatte gar keine Ahndung von diesem

Ereignisse1 und erfuhr es ganz zufällig als bevorstehend, sprach dieserhalb sofort mit Minister v. Westphalen und als ich die Gründe so unbegreiflich fand, schrieb ich sofort dem König, bittend, wenn er Ihr Verschulden anerkenne, Ihnen Allerhöchst einen Verweis zu geben, aber zu einer Entlassung sei in meinen Augen auch gar kein Grund. Ich erhielt keine Antwort, und als ich nach einigen Tagen den Premier danach fragte, erklärte er mir, daß die Ent­ lassung bereits erfolgt sei. Ich teilte meine Überraschung ihm unumwunden mit, ebenso wie über die Wahl ihres Nachfolgers!- Dieser kann allein durch seinen Charakter reüssieren, durch Manier und Grundsätze schwerlich! Daß ich den Rheinländern nichts schenke, wissen Sie am besten, aber il y a maniere et maniere, wie man jedermann das Wahre und Rechte fühlen läßt. Wenn Kfleistf Rfetzowf diese Manieren verabsäumt, so ist die Provinz auf jahre­ lang entfremdet. Was den Grund Ihrer Beseitigung betrifft, so muß ich mich in der Ständfischenf Frage mit dem Ministerium einverstanden erklären. Wenngleich dieser Schritt über­ raschend war, so ist er in meinen Augen nicht verfassungs­ widrig bis jetzt, und wenn man sich von der t Zeitungs­ partei nicht auf den fialschen Weg drängen läßt (: was mir fest versprochen worden ist:), so kann durch Revision der Kommunalordnung durch die nur ad hoc zusammen­ gerufenen ehemaligen Stände eine konservative Grund­ lage für die Zukunft gewonnen werden, auf der die Kam­ mern dereinst auch konservativer werden müssen. Wie leid ist es mir, daß unser Zusammensein3 ge­ stört ist — vielleicht ist es Grund geworden zu Ihrer Dis­ positionsstellung !4 Wie würdig! Mit alter Freundschaft . .

1 A. wurde am 30. Juni wegen seiner liberalen Haltung als Ober­ präsident der Rheinprovinz zur Disposition gestellt. Den Anlaß gab seine Stellungnahme gegen die Wiederherstellung der Provinziallandtage. Uber die Ansichten des Prinzen Wilhelm zu diesen Vorgängen äußerte sich der Bundestagsgesandte v. Rochow in einem Schreiben an den Minister­ präsidenten Otto v. Manteuffel vom 12. Juli. Vgl. H. v. Poschinger, Denkwürdigkeiten des Ministerpräsidenten O. Frhr. v. Manteuffel, Bd. II, S. 41. — 2 Hans v. Kleist-Retzow wurde am 3. Juli ernannt. — 3 In Koblenz. — 4 Durch die Beseitigung A.s und seine Ersetzung durch den konservativen Kleist sollte allerdings den liberalen Bestrebungen, die am prinzlichen Hofe ihren Stützpunkt fanden, entgegengewirkt werden.

108. An den Gesandten in London v. Bunsen1 Baden, den 5. September 1851 sBetr. Ultramontanismus und preußische Regierung, „Gefahren" der Londoner Ausstellung^. Gedr.: Brandenburg, S. 94.

1 Original nicht vorliegend.

109. Der preußische Gesandte in London Chri­ stian Karl Josias v. Bunsen an Prinz Wilhelm London, den 20. September 1851 ... E. K. H. werden von dem Plan einer konservativ konstitutionellen Wochenschrift gehört haben, welchen v. Bethmann und einige Freunde entworfen. Das Programm scheint uns sehr verständig. Es wäre noch Zeit für den König, sich aus der durchaus falschen Bahn zurückzuziehen. Allein die Werkzeuge sind gründlich verbraucht, und wer wird Minister werden wollen, solange Gerlach und Niebuhr um den König sind! Nur um Gotteswillen, was man tun will und muß, vor dem 15. No­ vember getan! Wo möglich vor dem 15. Oktober! Ich bin entschieden für die Provinzialisierung der Gemeindeordnung. Ich bin für eine Ent­ fernung der Volks wählen vom Oberhause, ja ich würde es noch jetzt für möglich halten, was ich 1844 vorschlug, den Rittergutsbesitzern eine Entschädigung zu zahlen in Staatsschuldscheinen als Siegel einer po­ litischen Versöhnung. Ich bin überzeugt, der König könnte das mit einem Ministerium, welches Vertrauen einflößt, noch in der nächsten Sitzung

1 A. wurde am 30. Juni wegen seiner liberalen Haltung als Ober­ präsident der Rheinprovinz zur Disposition gestellt. Den Anlaß gab seine Stellungnahme gegen die Wiederherstellung der Provinziallandtage. Uber die Ansichten des Prinzen Wilhelm zu diesen Vorgängen äußerte sich der Bundestagsgesandte v. Rochow in einem Schreiben an den Minister­ präsidenten Otto v. Manteuffel vom 12. Juli. Vgl. H. v. Poschinger, Denkwürdigkeiten des Ministerpräsidenten O. Frhr. v. Manteuffel, Bd. II, S. 41. — 2 Hans v. Kleist-Retzow wurde am 3. Juli ernannt. — 3 In Koblenz. — 4 Durch die Beseitigung A.s und seine Ersetzung durch den konservativen Kleist sollte allerdings den liberalen Bestrebungen, die am prinzlichen Hofe ihren Stützpunkt fanden, entgegengewirkt werden.

108. An den Gesandten in London v. Bunsen1 Baden, den 5. September 1851 sBetr. Ultramontanismus und preußische Regierung, „Gefahren" der Londoner Ausstellung^. Gedr.: Brandenburg, S. 94.

1 Original nicht vorliegend.

109. Der preußische Gesandte in London Chri­ stian Karl Josias v. Bunsen an Prinz Wilhelm London, den 20. September 1851 ... E. K. H. werden von dem Plan einer konservativ konstitutionellen Wochenschrift gehört haben, welchen v. Bethmann und einige Freunde entworfen. Das Programm scheint uns sehr verständig. Es wäre noch Zeit für den König, sich aus der durchaus falschen Bahn zurückzuziehen. Allein die Werkzeuge sind gründlich verbraucht, und wer wird Minister werden wollen, solange Gerlach und Niebuhr um den König sind! Nur um Gotteswillen, was man tun will und muß, vor dem 15. No­ vember getan! Wo möglich vor dem 15. Oktober! Ich bin entschieden für die Provinzialisierung der Gemeindeordnung. Ich bin für eine Ent­ fernung der Volks wählen vom Oberhause, ja ich würde es noch jetzt für möglich halten, was ich 1844 vorschlug, den Rittergutsbesitzern eine Entschädigung zu zahlen in Staatsschuldscheinen als Siegel einer po­ litischen Versöhnung. Ich bin überzeugt, der König könnte das mit einem Ministerium, welches Vertrauen einflößt, noch in der nächsten Sitzung

1 A. wurde am 30. Juni wegen seiner liberalen Haltung als Ober­ präsident der Rheinprovinz zur Disposition gestellt. Den Anlaß gab seine Stellungnahme gegen die Wiederherstellung der Provinziallandtage. Uber die Ansichten des Prinzen Wilhelm zu diesen Vorgängen äußerte sich der Bundestagsgesandte v. Rochow in einem Schreiben an den Minister­ präsidenten Otto v. Manteuffel vom 12. Juli. Vgl. H. v. Poschinger, Denkwürdigkeiten des Ministerpräsidenten O. Frhr. v. Manteuffel, Bd. II, S. 41. — 2 Hans v. Kleist-Retzow wurde am 3. Juli ernannt. — 3 In Koblenz. — 4 Durch die Beseitigung A.s und seine Ersetzung durch den konservativen Kleist sollte allerdings den liberalen Bestrebungen, die am prinzlichen Hofe ihren Stützpunkt fanden, entgegengewirkt werden.

108. An den Gesandten in London v. Bunsen1 Baden, den 5. September 1851 sBetr. Ultramontanismus und preußische Regierung, „Gefahren" der Londoner Ausstellung^. Gedr.: Brandenburg, S. 94.

1 Original nicht vorliegend.

109. Der preußische Gesandte in London Chri­ stian Karl Josias v. Bunsen an Prinz Wilhelm London, den 20. September 1851 ... E. K. H. werden von dem Plan einer konservativ konstitutionellen Wochenschrift gehört haben, welchen v. Bethmann und einige Freunde entworfen. Das Programm scheint uns sehr verständig. Es wäre noch Zeit für den König, sich aus der durchaus falschen Bahn zurückzuziehen. Allein die Werkzeuge sind gründlich verbraucht, und wer wird Minister werden wollen, solange Gerlach und Niebuhr um den König sind! Nur um Gotteswillen, was man tun will und muß, vor dem 15. No­ vember getan! Wo möglich vor dem 15. Oktober! Ich bin entschieden für die Provinzialisierung der Gemeindeordnung. Ich bin für eine Ent­ fernung der Volks wählen vom Oberhause, ja ich würde es noch jetzt für möglich halten, was ich 1844 vorschlug, den Rittergutsbesitzern eine Entschädigung zu zahlen in Staatsschuldscheinen als Siegel einer po­ litischen Versöhnung. Ich bin überzeugt, der König könnte das mit einem Ministerium, welches Vertrauen einflößt, noch in der nächsten Sitzung

erlangen, aber gewiß nicht, ohne die entsetzlichsten Gefahren für die Zukunft, später. Diese Zukunft, gnädigster Herr, ist die Ihrige wahr­ scheinlich, jedenfalls die Ihres Hauses.— Wenn Bsethmannj Hsollweg j sollte zu bewegen sein, das geistliche Ministerium zu übernehmen, so würde sich auch ein Minister des Auswärtigen finden, den jetzt der König macht. Usedom, Pourtales, Bernstorff sind die drei Möglichkeiten. Möge Gott E. K. H. baldige volle Herstellung gewähren und die rechte Freudig­ keit zu einer „rettenden Tat" in Berlin ...

110. An Frh. Fritz v. Wintzingerode1 Coblenz, den 26. Dezember 1851

Bei Öffnung Ihres Schreibens von gestern ahndete mir fein Inhalt. Leider täuschte ich mich nicht! Wenn­ gleich Sie mir nicht den zunächst liegenden Grund 1 an­ geben, der Sie bestimmt hat, Ihrem Herrn und Herzog Ihre Entlassung einzureichen, so kamt ich ihn niir doch er­ klären, da ich Ihre Gesinnung hinsichtlich der von den kleineren deutschen Fürsten zu befolgenden Politik seit Jahren kenne und als die allein richtige betrachte. Daher bebaute ich Ihren Austritt. Sie haben Ihren Herrn seit fast 3 Jahren in manchen kritischen Momenten immer auf der rechten Bahn zu erhalten gewußt. Jetzt wird es anders sein. Zu einer der erfreulichsten Erinnerungen meiner Tätigkeit in Deutschland wird mir Ihre Begegnung gereichen, indem unsere Ansichten so sehr übereinstimmten und ich Ihrer Einwirkung so manches verdanke, was ein anderer wohl nicht mit so viel Liebe und Lust getan hätte. Meine Dankbarkeit und Anerkennung wird Ihnen daher stets gewidmet bleiben, die Ihnen überhaupt und denen nicht fehlen wird, die Deutschlands wahres Wohl im Auge behalten. Möge dies Ihr dereinstiger Nachfolger tun. 1 Nach dem Druck: Forsch, z. Brand, u. Preuß. Gesch. 41, S. 131.— " Er war durch die Berfassungsändemng in Nassau gegeben.

erlangen, aber gewiß nicht, ohne die entsetzlichsten Gefahren für die Zukunft, später. Diese Zukunft, gnädigster Herr, ist die Ihrige wahr­ scheinlich, jedenfalls die Ihres Hauses.— Wenn Bsethmannj Hsollweg j sollte zu bewegen sein, das geistliche Ministerium zu übernehmen, so würde sich auch ein Minister des Auswärtigen finden, den jetzt der König macht. Usedom, Pourtales, Bernstorff sind die drei Möglichkeiten. Möge Gott E. K. H. baldige volle Herstellung gewähren und die rechte Freudig­ keit zu einer „rettenden Tat" in Berlin ...

110. An Frh. Fritz v. Wintzingerode1 Coblenz, den 26. Dezember 1851

Bei Öffnung Ihres Schreibens von gestern ahndete mir fein Inhalt. Leider täuschte ich mich nicht! Wenn­ gleich Sie mir nicht den zunächst liegenden Grund 1 an­ geben, der Sie bestimmt hat, Ihrem Herrn und Herzog Ihre Entlassung einzureichen, so kamt ich ihn niir doch er­ klären, da ich Ihre Gesinnung hinsichtlich der von den kleineren deutschen Fürsten zu befolgenden Politik seit Jahren kenne und als die allein richtige betrachte. Daher bebaute ich Ihren Austritt. Sie haben Ihren Herrn seit fast 3 Jahren in manchen kritischen Momenten immer auf der rechten Bahn zu erhalten gewußt. Jetzt wird es anders sein. Zu einer der erfreulichsten Erinnerungen meiner Tätigkeit in Deutschland wird mir Ihre Begegnung gereichen, indem unsere Ansichten so sehr übereinstimmten und ich Ihrer Einwirkung so manches verdanke, was ein anderer wohl nicht mit so viel Liebe und Lust getan hätte. Meine Dankbarkeit und Anerkennung wird Ihnen daher stets gewidmet bleiben, die Ihnen überhaupt und denen nicht fehlen wird, die Deutschlands wahres Wohl im Auge behalten. Möge dies Ihr dereinstiger Nachfolger tun. 1 Nach dem Druck: Forsch, z. Brand, u. Preuß. Gesch. 41, S. 131.— " Er war durch die Berfassungsändemng in Nassau gegeben.

111. An den preußischen Gesandten in London Christian Karl Josias v. Bunsen Coblenz, den 31. Dezember 1851

Für zwei der interessantesten Mitteilungen habe ich Ihnen nieinen besten Dank auszusprechen: den 2. De­ zember und der Sturz Palnrerstons!1 Letzteres Evenement war auf diese Art nicht vorherzusehen und man kann das triviale Sprichwort nur auf ihn anwenden: Der Krug gehet solange zu Waiser pp.! Nachdem Lord P. fast das ganze Europa nach und nach revolutioniert hat, malgre son gouvernenient, fällt er selbst in die Falle, und zivar, wie Sie richtig sagen, auf den ungünstigsten Boden. Die mir von Ihnen mitgeteilten Details sind mir von unend­ lichem Wert gewesen, weil die Prinzeß und ich dadurch in den Stand gesetzt wurden, allen Zeitungen zum Trotz, das Richtige zu wissen. Wir behielten es aber für uns, wie Sie es wünschten, und gaben nur nach und nach, wie die Zeitungen anfangen, die Wahrheit zu entdecken, unsere Vermutungen kund. Lord Granvilles Ernennung, den wir währeird der Exhibition so oft sahen, freut uns unge­ mein; der Prinz und die Königin bezeichneten ihn uns stets als jemand, der eine Zukunft im Gouvernenrent habe. Wenn Sie ihn sprechen, teilen Sie ihm doch unsere Ge­ nugtuung mit, ihn auf einer Stelle zu sehen, auf welcher großenteils die Geschicke Europas geleitet werden; welch eine Aufforderung, gewissenhaft zu sein! — Wenn Sie nur wieder schreiben, sagen Sie mir doch ein paar Worte, Ivie L. Palmerston persönlich und seine Familie das Evenement genommen haben? Es ist ein herber Fall, von solcher Höhe zu stürzen. Ihre Depeschen über den 2. Dezember

fassen dies Ereignis gewiß von der richtigen Seite auf. Meiner Ansicht nach muß man dasselbe nach zwei Gesichts­ punkten hin scharf auseinanderhalten; 1. das Ereignis an und für sich, 2. die Folgen und die Dauer der Existenz des neuen Zustandes der Dinge in Frankreich. — Ad 1 so ist Louis Nfapoleonf völlig Herr der Krisis an und für sich geworden und dadurch hat er Frankreich und Europa augenscheinlich vor einer Revolution bewahrt, die 1852 annonciert war. Atan muß ihm dafür Dailk wissen und anerkennen, daß er mit seltener Voraussicht und Umsicht den Staatsstreich vorbereitete und ihn im gehörigen Momeiit mit großer Energie uild vielem savoir faire durch­ führte. Vom Rechtsboden aus kann der coup d’etat niemals gerechtfertigt werden. Aber ihnr blieb nur die Wahl, ä. la Charles X und Louis Philipp zu fallen und die Welt der Anarchie preiszugeben oder das Prevenire zu spielen und die Ordnung gu erhalten. Sehr klug hat er gehandelt, seinen coup d’etat ganz der (scheinbaren), freiwilligen Beurteilung seiner Nation zu überlassen und durch ihren Entschluß feine Handlung zu legalisieren. Choisissez entre moi et le chaos — war seine Devise — und der Erfolg konnte nicht zweifelhaft sein. — Ganz anders stehet es mit der Beantwortung der Ansicht ad 2. Dauer und Folgen des Ereignisses sind unberechenbar, denn auf welchem Boden stehet der Präsident? Durch die größte Willkürs-Akte hat er sich von neuem zum Präsideuten empvrgeschwungen und diese wird legalisiert durch die Volks-Souveränität! Wo soll da Dauer und Sicher­ heit Herkommen? Ich bin zwar überzeugt, daß, wenn nicht eine Kugel ihn trifft, er durch seine Regierungsmaßregeln uns überraschen wird, wie er es seit 3 Jahren tut, indem

man ihm eine große Besonnenheit, Ruhe und Kenntnis der Situationen, in denen er lebt und zu handeln berufen ist, nicht absprechen kann, — indessen das Fundament, auf dem er stehet, sfchwankt^ und bei dem Charakter der Nation, die er zu leiten hat, fo wie bei den Antezedenzien so vieler Revolutionen ist an eine Beruhigung des Landes unter des Präsidenten Regierung nicht zu denken. Alle Parteien, welche ihn seit drei Jahren stürzen wollten, wollen ihn auch noch stürzen, und dies wird sich zeigen, sobald die Krisis überstanden ist, die durch die Gewalt der Waffen ersiegt worden ist und durch dieselben jetzt in Schranken gehalten wird. Will er das Säbelregime,lt perpetuieren, dann wird er bald alles gegen sich haben, und perpetuiert er es nicht, so erstehen alle Parteien, um ihn zu stürzen. Ein äußerer Krieg kann unbedingt ihn auf eine Zeitlang allen Parteien Taillieren. Aber, was dem Onkel als größten Feldherrn nicht gelang zu erhalten, wird dem Neffen noch weniger gelingen. Weder Marengo, noch Jena, noch Wagram, noch Moskwa konnten uns den Glauben nehmen, daß Napoleons Herrschaft nur eine zeitweise sein werde. Ebenso können uns 7—8 Millionen Stimmen in diesen Tagen über die nur zeitweise Dauer des Präsidenten Napoleon nicht täuschen. Was aber und wer soll dann Frankreichs Geschicke leiten? Sie haben vollkommen recht, wenn Sie sagen, mögen Henry V. so­ wohl wie der Graf von Paris ihre Stellung dereinst be­ greifen und deren Parteien alle Eifersucht beseitigen und nur das allgemeine Wohl Frankreichs int Auge haben. Meiner Überzeugung nach kann nur die Fusion zum Ziele führen, weil dann ein Prinzip zur Basis des Ganzen wieder gelegt ist, das der Gerechtigkeit der Vorsehung ent»

spricht. Der Graf von Paris statt und nicht nach Henry V. muß die Partei des letzteren immer zum Sturz des ersteren »vieder anspornen. Nach der Fusion indessen ist keine orleanistische Intrigue mehr berechtigt, Henry V. beseitigen zu wollen. Stürbe oder resignierte dieser, so wären die Orleans legitime Erben. Ob dies Intriguen-Blut sich zu erhalten vermögen wird, ist eine andere Frage! Vor der Hand also muß mau sich der Galgenfrist freuen, die Louis Napoleon uns verschafft hat, und sich auf die Mög­ lichkeit eines Krieges präparieren, den die Kontinental­ mächte gewiß nach ihrer jetzigen Attitüde nicht provozieren werden. Sie deuten eine bewaffnete Neutralität an, welche Preußen mit England für Deutschland, Holland, Belgien, die Schweiz und Sardinien anstreben möge, um die Selb­ ständigkeit dieser Staaten zu sichern. Diese Koalition brin­ gen Sie mit den letzten französischen Ereignissen wegen deren Unsicherheit in der Zukuilft zur Sprache als eine Sicherung gegen alles Unsichere, was uns von dort kommen wird. Damit wäre ich schon einverstanden, wenn Sie nicht zwei Staaten mit genannt hätten, die vollkommen ebenso revolutioniert und unsicher in der Zukunft sind als Frankreich. Die Schweiz nämlich und Sardinien kann man sich doch unmöglich zu Auxiliarien wählen, um gegen Frankreich sich zu sichern. Sie nennen Ihren Plan wohl unausführbar, weil Österreich und Rußland mit uns ver­ söhnt sind. Sie wissen, in welchem Maße ich das Opfer tadle, was wir brachten, um diese Versöhnung herbeizusühren; es ist eine Schmach, die auf Preußen lastet. Glau­ ben Sie aber wirklich, daß es geraten wäre, durch eine Koalition, wie Sie dieselbe Vorschlägen, Österreich und Ruß-

land gegen uns herauszufordern, während wir Frarckreich im Rücken haben? Eine solche Herausforderung der so­ genannten konservativen Großnrächte, während man die Wiege aller Revolutionen in einen ganz unberechenbaren politischen Zustand verfallen siehet und daher sich gegen diese sichern muß, erachte ich für sehr gewagt. Eine Allianz mit der Revolution, um die Revolution zu bekämpfen, habe ich am 2. November und 1. Dezember 1850 auf das ent­ schiedenste bekänrpft, als sie mir im Konseil als Folge eines Krieges mit Österreich gezeigt ward. Wir wollten damals unser Recht erstreiten. Wenn gleichzeitig die Revolution gegen Österreich Krieg führen wollte, fo konnte das dessen Streitkräfte gegen uns teilweis abziehen und das konnten wir nur gerne sehen; uns deshalb aber mit der Revolution zu alliieren habe ich entschieden verneint, eben weil wir unser Recht, die Revolution aber Unrecht von Österreich fordern wollte. Daß ich überhaupt unter Bekämpfen der Revolution nur deren Auswüchse verstehe, während das Wahre, welches in großen Zeitbewegungen liegt, erkannt und ihm Rechnung getragen werden muß, wissen Sie hin­ reichend; hat man letzteres getan, so bekämpft man ant besten die Revolution und ist um so gewissenhafter ver­ pflichtet, das Schwert gegen die Auswüchse zu gebrauchen. Was unsere inneren Angelegenheiten betrifft, so wissen Sie aus meinem früheren Brief, daß ich die nochmalige Konvokation der Provinzialstände als Notable[n] nicht für verfassungswidrig erkennen kann. Die Regierung hat sich bis jetzt auf diesem Boden gehalten, nur wäre es zu wün­ schen gewesen, daß sie nicht durch Schweigen sondern durch Atlßerungen ihre Nicht-Übereinstimmung mit der Auffassung einiger Provinzsialjlandtage, die sich als noch zu Recht be-

stehend erklärten, — zu erkennen gegeben hätte. Will das Gouvernement auf seiner Bahn verharren, so wird es hof­ fentlich die Opposition besiegen, die unmöglich le fait accompli das Votum der 8 Landtage ignorieren kann und dasselbe als non avenu betrachten. Dies wäre factieuse Opposition, nicht von der Linken sondern vom Zentrum, welches nur die Form der Voten verwirft, um das Ministeriunl zu stürzen, um dann selbst dasselbe zu schaffen, was dieses zu schaffen bereits begonnen hat. Einer solchen factieusen Opposition kann ich nicht das Wort reden. Da ist mir die Linke lieber, die das Ministerium stürzen will, um das nicht auszuführen, was dasselbe begonnen hat; dies ist wenigstens ehrlicher. Die Gefahr ist bei dem Ver­ fahren der Zentren nämlich die, daß gewiß der Sturz des Ministeriums nicht erfolgt oder doch nur durch Personen, die noch mehr rechts sind, ersetzt wird, so daß dann nur die Kammerauflösung übrig bleibt. Daß wir dann eine schlechte Kammer bekommen, ist sicher, da bei der Auf­ regung nach der Auflösung die Demokraten alles in Be­ wegung setzen werden, ihre Nichtbeteiligung bei der Wahl von 1849 wieder gut zu machen. Mit einer schlechten Kammer gelangen wir aber weder zu einer konservativen, in der Geschichte gewachsenen Kommunalordnung, noch zu einem vernünftigen ersten Kammergesetz, noch zu konser­ vativen Kreis-Provinzialvertretungen, so daß unsere ganze innere Gesetzgebung auf das Unbestimmte verschoben bleibt, statt daß wir in diesem Winter damit konservativ zustande­ kommen könnten. Ich trenne scharf die innere und äußere Politik unseres Gouvernements; in der inneren üerlange ich von den Kammern, daß sie mit dem Gouvernement gehen, und sind sie damit fertig, dann mögen sie das

Ministerium in der äußeren Politik schütteln, wie es ihnen gefällt. In meinem Memoire habe ich den König indessen auf die Gefahr einer Kammerauflöfung aufmerksam ge­ macht und zu einer Modifikation des Ministeriums geraten, lc cas echeant. Zugleich verlange ich ein offenes Hintreten des Ministeriums vor die Kamurern mit ihrem Plane im ganzen für die innere Gesetzgebung über Stände und Kammern. Es ist ungefähr gefchehen und ich habe Hoff­ nung, daß das, was davon in den Kammern nicht gut­ geheißen wird, in der Form eine Abänderung erleiden wird, ohne der Sache zu schaden. Bethmann-Hollwegs Plan ist gut, er hat aber durch sein erstes Programm den König und die Minister sich zu Feinden gemacht, was ich ihm vorher sagte und sehr ernstlich warnen ließ; das nämliche sagte ich vorher vom zweiten Programm wegen der Allianz und wiederum irrte ich nicht. Jetzt bringt diese Partei Trennung in die kon­ servative Fraktion der Kammern, und das ist, nach meiner hier gemachten Deduktion, momentan sehr bedauerlich. Die Wochenschrift ist vortrefflich redigiert; aber sie greift nur an, ohne Besseres anzugeben, d. h. coute qui coute die Minister zu stürzen, um dann deren Pläne selbst aus­ zuführen. Das kann ich nicht loben! 1. Januar 52. Nun, das neue Jahr wird uns ja offenbaren, was der Himmel über Preußen beschlofsen hat! Empfangen Sie und die Ihrigen meine treusten Wünsche zum Jahresantritt, auf daß es einem Jeden in seinem Innern Frieden gebe — dann kann man mutig der Außenwelt entgegengehen! 1 Bunsens Schreiben London, Weihnachten 1851: Mitteilung vom Sturz Palmerstons. Auf Grund eines Kabinettsschreibens der Königin

vom 6. an Russel, welches eine expektative Politik gegenüber Frankreich forderte, Kabinettsbeschluß vom 8., den Gesandten entsprechend zu in­ struieren. Depesche des Gesandten, daß Palmerston dem Grafen Malewski die englische Anerkennung des Präsidenten zugesagt habe. Daraufhin Russels Aufforderung an P. zu demissionieren.^ „Dies ist der vom Prinzen A. mir gestern im engsten Vertrauen mitgeteilte Verlauf, der hier noch vielen Ministern der Königin ein Geheimnis ist. Alles persönlich Gehässige ist somit endlich beseitigt. Man sollte nun unsererseits einmal sich bedenken, ob es nicht ein günstiger Moment wäre, in dieser unge­ heuern Krise sich umzusehen, ob man sich nicht an England hinsichtlich der Erhaltung der Selbständigkeit Deutschlands, Hollands, Belgiens und der Schweiz, sowie Sardiniens anschließen, und wenn die Ereignisse sich weiter entwickeln, eine bewaffnete Neutralität proklamieren sollte? Ich habe dies in meiner heutigen Depesche entwickelt, allein Österreich ist ja unser bester Freund und Rußland nach ihm unser erster Bundesgenosse! Unsere gefährlichsten Feinde aber sind die 30—40 Lumpen, Schufte, Abenteurer ohne Geld und Macht, welche die englische Freiheit des Asyls benützen, um lästerliche Redensarten zu führen! Unsere ganze Politik ist ä la Nanten de Hinckeldey — Polizei nicht Politik. Solange eine solche Blindheit vorherrscht, verhallen alle Ratschläge treuer Diener, wenn es noch welche gibt, die lieber für Narren oder Abtrünnige wollen gescholten werden als ihrem Gewissen den Mund stopfen! Möchten E. K. H. mit Ihrem guten Rate zu Hilfe kommen

112. An den Gesandten in London Christian Karl Josias v. Bunsen Coblenz, den 15. Januar 1852

Anliegend sende ich Ihnen die so sehr interessanten Mit­ teilungen zurück. Die Auszüge aus den früheren Schriften des Präsidenten Napoleon beweisen zur Genüge, wohin er eigentlich immer getrachtet hat; er stehet jetzt auf der Stelle, wo er seine Ideen zur Ausführung bringen kann — natür­ lich nur, um durch letztere endlich gestürzt zu werden. Denn ich kann mir nicht denken, daß er bei Vorhandensein so vieler Berechtigten zum alten Thron Frankreichs — be­ rufen sein sollte durch die Vorsehung, eine neue stable

vom 6. an Russel, welches eine expektative Politik gegenüber Frankreich forderte, Kabinettsbeschluß vom 8., den Gesandten entsprechend zu in­ struieren. Depesche des Gesandten, daß Palmerston dem Grafen Malewski die englische Anerkennung des Präsidenten zugesagt habe. Daraufhin Russels Aufforderung an P. zu demissionieren.^ „Dies ist der vom Prinzen A. mir gestern im engsten Vertrauen mitgeteilte Verlauf, der hier noch vielen Ministern der Königin ein Geheimnis ist. Alles persönlich Gehässige ist somit endlich beseitigt. Man sollte nun unsererseits einmal sich bedenken, ob es nicht ein günstiger Moment wäre, in dieser unge­ heuern Krise sich umzusehen, ob man sich nicht an England hinsichtlich der Erhaltung der Selbständigkeit Deutschlands, Hollands, Belgiens und der Schweiz, sowie Sardiniens anschließen, und wenn die Ereignisse sich weiter entwickeln, eine bewaffnete Neutralität proklamieren sollte? Ich habe dies in meiner heutigen Depesche entwickelt, allein Österreich ist ja unser bester Freund und Rußland nach ihm unser erster Bundesgenosse! Unsere gefährlichsten Feinde aber sind die 30—40 Lumpen, Schufte, Abenteurer ohne Geld und Macht, welche die englische Freiheit des Asyls benützen, um lästerliche Redensarten zu führen! Unsere ganze Politik ist ä la Nanten de Hinckeldey — Polizei nicht Politik. Solange eine solche Blindheit vorherrscht, verhallen alle Ratschläge treuer Diener, wenn es noch welche gibt, die lieber für Narren oder Abtrünnige wollen gescholten werden als ihrem Gewissen den Mund stopfen! Möchten E. K. H. mit Ihrem guten Rate zu Hilfe kommen

112. An den Gesandten in London Christian Karl Josias v. Bunsen Coblenz, den 15. Januar 1852

Anliegend sende ich Ihnen die so sehr interessanten Mit­ teilungen zurück. Die Auszüge aus den früheren Schriften des Präsidenten Napoleon beweisen zur Genüge, wohin er eigentlich immer getrachtet hat; er stehet jetzt auf der Stelle, wo er seine Ideen zur Ausführung bringen kann — natür­ lich nur, um durch letztere endlich gestürzt zu werden. Denn ich kann mir nicht denken, daß er bei Vorhandensein so vieler Berechtigten zum alten Thron Frankreichs — be­ rufen sein sollte durch die Vorsehung, eine neue stable

Dynastie in jenem Lande zu bilden, wie dies freilich in neuster Zeit in Schweden der Fall zu sein scheint. Un­ bedingt müssen wir alle auf unserer Hut sein und gerüstet sein. (Wozu Bonin hoffentlich der rechte Mann sein wird!) Ich sehe indessen aus Ihren Depeschen, daß Ld. Granvill Ihre Befürchtungen nicht ganz teilt bezüglich der dtapoleonischen Äußerungen im Dekret wegen der Grenzen der Militär-Divisionen. Wozu könnte die Straßburger Grenze mit so seltsamen Worten bezeichnet sein, wenn man nicht dem jungen Adler auf den Fahnen eine Zukunft sofort in Aussicht stellen wollte, wohin fein Flug sich dereinst zu richten haben werde? Sehr begierig bin ich, in Berlin, wohin ich heute auf Berufung wegen militärischer Be­ ratungen abgehe, zu erfahren, was man bei uns denkt und wie man fich nach Alliierten umstehet. Die Dinge würden sonderbar kompliziert, wenn Österreich sich mit Frankreich verbände, wozu Lust vorhanden sein soll. Wäre diese Per­ fidie gegen Preußen nahe, so fällt auch ganz Deutschland wieder auseinander und wir haben die alte Geschichte wieder. Wenn Preußen und England dann zusammen­ hielten und ein mächtiges Wort in Deutschland von uns geredet würde?------ so könnte manche Dynastie stürzen in den kleinen Staaten, die die Blicke nach Westen im Schlepptau von Österreich gerichtet hätten! Sollten wir uns wirklich auf 3 Jahre die Hände gegen Österreich ge­ bunden haben, wovon ich nie ein Wort offiziell hörte, so wäre dies in einem Moment, wo Österreich sich mit Frank­ reich verbände, natürlich kein Hindernis, da ein solches Händebinden dann zerrissen werden muß. Mir scheint da­ her vor allem es notwendig zu sein, Österreichs Beginnen gegen Frankreich scharf zu beobachten. Österreichs veile»

iteten nach einer deutschen Kaiserkrone, die ohne Wahl noch nicht existierte, bringen immer deutlicher durch; die k. k. apostolische Majestät zeugt auch davon. Rußland soll sich entschieden gegen solche Absichten ausgesprochen haben. Bei uns ist man sehr entschlossen, in einer solchen Eventualität entschieden zu handelu und, wie Bonin mir schreibt, „dazu braucht man eine tüchtige Armee!" Wenn man nur nicht wieder in der elften Stunde umkehrt! Daher halte ich es für sehr wichtig, daß ein Mann ins Ministerium tritt wie Bonin, der den Ministern in solchen Momenten eine Rich­ tung geben kann, die sie noch nicht haben, außer Man­ teuffel felbst. Dieser will unbedingt aus seiner an Händen und Füßen gebundenen Position von Olmütz heraus, hat aber keine Gehilfen, bis jetzt und darum kommt er, auch grace ä Le Coq1, zu nichts. Es scheint, daß Bismarck-SchönHausen in Berlin den Leuten die Augen geöffnet hat über die eigentlichen Absichteir Österreichs. Denn wenngleich er zur äußersten Rechten gehört, so ist er viel zu sehr Patriot, um Preußen unter Österreich belassen zu wollen. Viel­ leicht wird aber grade deshalb von der — Camarilla — nicht in F. a. M. mehr gewünscht werden! — Ich werde ungefähr drei Wochen in Berlin bleiben, so daß ich Ihre Depeschen im Original so lange lesen werde. Ihrer Familie 1000 Liebes, Ihre beiden Söhne sprach ich in Bonn und hörte, daß der Römer 2 wieder Vater ge­ worden ist, wozu ich gratuliere. 1 Unterstaatssekretär im Auswärt. Ministerium. — 2 Bunsens Sohn.

113. An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf Bserlins, den 29. Januar 1852

Ihr Schreiben von gestern soll mir beweisen, daß die

iteten nach einer deutschen Kaiserkrone, die ohne Wahl noch nicht existierte, bringen immer deutlicher durch; die k. k. apostolische Majestät zeugt auch davon. Rußland soll sich entschieden gegen solche Absichten ausgesprochen haben. Bei uns ist man sehr entschlossen, in einer solchen Eventualität entschieden zu handelu und, wie Bonin mir schreibt, „dazu braucht man eine tüchtige Armee!" Wenn man nur nicht wieder in der elften Stunde umkehrt! Daher halte ich es für sehr wichtig, daß ein Mann ins Ministerium tritt wie Bonin, der den Ministern in solchen Momenten eine Rich­ tung geben kann, die sie noch nicht haben, außer Man­ teuffel felbst. Dieser will unbedingt aus seiner an Händen und Füßen gebundenen Position von Olmütz heraus, hat aber keine Gehilfen, bis jetzt und darum kommt er, auch grace ä Le Coq1, zu nichts. Es scheint, daß Bismarck-SchönHausen in Berlin den Leuten die Augen geöffnet hat über die eigentlichen Absichteir Österreichs. Denn wenngleich er zur äußersten Rechten gehört, so ist er viel zu sehr Patriot, um Preußen unter Österreich belassen zu wollen. Viel­ leicht wird aber grade deshalb von der — Camarilla — nicht in F. a. M. mehr gewünscht werden! — Ich werde ungefähr drei Wochen in Berlin bleiben, so daß ich Ihre Depeschen im Original so lange lesen werde. Ihrer Familie 1000 Liebes, Ihre beiden Söhne sprach ich in Bonn und hörte, daß der Römer 2 wieder Vater ge­ worden ist, wozu ich gratuliere. 1 Unterstaatssekretär im Auswärt. Ministerium. — 2 Bunsens Sohn.

113. An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf Bserlins, den 29. Januar 1852

Ihr Schreiben von gestern soll mir beweisen, daß die

Auflagen hoch und drückend find. Das hat noch nienrand bezweifelt. Sie hatten mir vor 1848 sehr, fehr oft das konstitutionelle Prinzip als eins gefchildert, mit welchem man die Auflagen leicht erhöhen könne und namentlich für MWärzwecke. Ich habe stets erwidert, daß ich mit keinem Prinzip, welch' Namens es wolle, dem Volk die Haut über die Ohren ziehen wollte. So also auch jetzt. Jetzt fragt es sich einfach, ob nach den gemachten kurzen Kriegs- und Mobilmachungs-Erfahrungen unsere Land­ wehr in der Kriegsverfassung ist, wie man es sich während 33 Jahren (ich freilich nicht) — träumte? Die Antwort ist einfach: Nein! — Soll sie also kriegstüchtig gemacht werden oder nicht? Sagt man: Ja! fo weiß ein Kirrd, daß dies Geld kostet. Sagt man: Nein, die Kosten sind nicht zu erschwiugen — so erkläre man, daß n:an eine Macht zweiter Klasse sein will, und man gebe die Landwehr auf und halte 180 000 Linientruppen für Krieg und Frie­ den. Der selige König war diesem Gedanken sehr nahe! Den Mittelweg zu gehen, wissentlich ein nicht brauchbares Instrument zu haben und sich überredend, daß es doch vielleicht tüchtig sein könne — ist ein Weg, den ich nicht gehen werde. Darum erhebe ich jetzt meine Stimme so laut, damit wir uns vor Illusion bewahren. Sie scheinen dieser Illusion huldigen zu wollen, tnbein Sie als Kern Ihrer Deduktionen über den Modus der Budgetvorlage hinstellen wollen, daß eine neue Belastung zum Wohle der Arnlee sehr schwierig sei. Dieser Modus mag sein wie er wolle, er wird niemals fortrechnen, daß wir 1815 10% Mil­ lionen Einwohner und 52 Millionen Revenuen hatten und eine Arniee stärker als die jetzige erhielten und dafür fast die Hälfte der Staatsrevenuen ausgaben = 25 Millionen.

Jetzt ist die Bevölkerung 16% Millionen, die Revenuen 97 Millionen und die Armee kostete bis 1852 25 Millionen. Mir glauben zu machen, daß wir heute ärmer sind als 1815, wird matt sich vergeblich bemühen. Mit Schmerz sehe ich, daß Sie mich präparieren wollen, Sie gegen die Erhöhung des Militsär^Etats votieren zu sehen. Das ist Ihre Sache; als Soldat können Sie ein solches Votum aus Überzeugung nicht abgeben, das ist reine Unmöglichkeit. Sie können es also nur als Oppo­ sitionsmitglied abgeben und Sie werden es mit Ihren Gleichgesinnten zu verantworten haben, wenn die Land­ wehr dereinst wie bei Waghäusel, Upstadt \ Durlach, in Schleswig usw. indiszipliniert refüsiert, itts Feuer zu gehen. Warum gingen die rheittischen G arde-Land wehr-Bat saillonss bei schlechter politischer Stimmung dennoch unver­ zagt ins Feuer? Weil sie gehörig erzogen und durch tüchtige, brauchbare Offiziere und Unteroffiziere befehligt wurden. Etwas anderes will ich auch für die Provinzial-Landwehr nicht, aber dies will ich und muß ich für sie durchsetzen. Vermehrung der Armee bei wach­ sender Volkszahl muß auch sein, aber nicht durch Ver­ ringerung der Dienstzeit, denn das hieße wiederum: Illusion.

[N. S.J: Die Kölnsische) Zeitung muß zugeben, daß unser Beamtenstand und daher der ganze Staatszustand vor 1848 doch eigentlich besser als der jetzige war. So klug war ich schon lange! — 1 Ubstadt in Baden, wo 1849 ein Gefecht stattfand.

114. An den Gesandten in London Christian Karl Josias v. Bunsen Berlin, den 2. Februar 1852

Für zwei Ihrer Briefe habe ich Ihnen bestens zu danken; es sind die vom 16. und 29. v. M. Die, wie es scheint, unvermeidliche Ministerkrisis in England läßt noch keinen Blick in eine bestimmte Zukunft richten. Ich bin begierig, ob Lord Derby auf eine oder die andere Art ans Ruder kommen kann! Ihre Mitteilungen in den Depeschen über das Einverständnis Englands wegen der Kaiserfrage mit den großen Kontinentalmächten ist doch noch etwas aus Schrauben gestellt und ich vermag mir kein klares Bild über die eigentliche Tendenz des englischen Kabinetts vis ä vis Frankreichs zu machen. Ich bin ganz einverstmrden, daß wegen des Kaisertitels man dem Präsidenten keinen Krieg machen wird; aber irgendeine Reservation würde bei einer sogenannten Anerkennung hinsichtlich der Legiti­ mierten doch gut sein? Ich tue alles mögliche, um eine enge Verbindung mit England und uns als notwendig darzustellen; der Wille ist auch dazu da; aber das durch Palmerston be­ gründete Mißtrauen ist noch nicht ganz gewichen, und Ihre Mitteilung, daß L. John und Granville wohl Verständigung mit den Großmächten, aber nicht, wie Sie es so richtig betrieben zu sehen wünschen, eine Stipulation für gewisse Even­ tualitäten wollen, — hat die Annäherungsgedanken, wie es mir scheint, erschwert. Daß der König an keinen coup d’etat denkt, kann ich nur zum Hund erstenmale wiederholen. Ja im Gegenteil,

er will Verfassungsv eränderungen durch die Kam­ mern herbeigeführt sehen', während ich verlange, daß nach den vorgefallenen kleinen Gefechten in den Kammern das Gouvernement zuletzt die Initiative durch Veränderungs­ vorlagen ergreifen müsse, damit die nötigen Veränderungen nach einem System erfolgen. Die Kommunal-Kreis-Provinzialordnung ist momentan durch die angeregte Reorgani­ sation der ersten Kammer in den Hültergrund gedrängt. Das Prinzip des Antrags in der ersten Kammer2 ist das ganz richtige und der König ist sehr erfreut über den Antrag. Aber er findet keinen Anklang, weil er von einer Fraktion ausgehet, der man nichts konservatives zutraut. Dies Miß­ trauen hat etwas wahres an sich, gehet aber offenbar zu weit, wenn dieserhalb man einen im Prinzip richtigen Plan bekämpft, weil er von einer mißliebigen Seite des Hauses kommt. Auch in diesem Falle verlange ich die Initiative durch die Regierung; König und Ministerium wollen es auch, aber es kommen immer wieder Einwirkun­ gen, die noch hemmen. Sehr schlimm wäre es, wenn man so lange zögerte, bis der Antrag Hefter verworfen ist, denn dann ist das Gouvernement sehr im Nachteil!3 — Ihre in Ihrem Brief aufgestellten Ansichten über unsere einstige erste Kammer 4 sind vollständig die des Königs, nur Ihre Idee, die Provinzialstände die Wahl vornehmen zu lassen, ist neu, da der König nur an adliche Wahlkorpo­ rationen dachte, was auch Ihre Alternative ist3. Meiner Ansicht nach wird unsere erste Kammer be­ stehen: 1. Aus geborenen Pairs (Prinzen des Hauses und die Reichsständischen Fürstenhäuser), 2. aus vom König kreierten erblichen Pairs,

3. aus vom König ernannten lebenslänglichen Pairs (reicher Adel und Notabilitäten), 4. aus von adlichen oder ständischen Korporationen auf Lebenszeit erwählten, vom König bestätigten Mit­ gliedern. Der preußische Adel siehet scheel auf eine sogenannte Tren­ nung oder Scheidung seiner Geschlechter, diese Ansicht be­ kämpfe ich, indem eine Scheidung nicht stattfindet in der allgemeinen Stellung, sondern nur hinsichtlich ihres Sitzes in den verschiedenen Häusern. Die gesellschaftliche Stellung wird nicht inehr geändert als sie es schon heute ist, indem ein Graf Arnim Boitzenburg, Alvensleben eine andere Stel­ lung haben als ein von Wrochem etc. auf der Bühne in Berlin, Coblenz, Königsberg. Indessen die Opposition des Adels gegen eine Pairie entspringt aus diesen Ansichten, und es ist zu erwarten, daß nur die Ergreifung der Initiative durch die Krone die Sache glücken machen kann. Auf­ fallend ist es, daß bis jetzt in den sonst so gutgesinnten Kam­ mern über diese Frage die Meinungen am weitesten sich von der des Königs trennen. Es wäre nicht zu verschmerzen, wenn diese allein im Prinzip richtige Organisation der ersten Kammer manquirte. Schließlich zeigen Sie gütigst dem Prinzen Albert den richtigen Empfang seines sehr interessanten Briefes mit meinem Danke an, antworten werde ich mit dem nächsten Kurier, da ich nicht vor dem 14. von hier abgehe, so daß ich Ihre nächste Expedition hier oder in Weünar erhalten würde. Die Einlage an die ebenso schöne als liebenswürdige Künstlerin empfehle ich Ihrer Besorgung und beneide Sie nur, daß Sie dabei wohl eine Visite ihr machen werden!**

Die Familie Bunsen in allen ihren Gliedern bitte ich bestens zu grüßen. 1 Randbemerkung Bunsens: „Genügt vollständig." — 2 Antrag des Abgeordneten Heffter am 19. Januar betr. Zusammensetzung der Ersten Kammer. (Drucksachen der Ersten Kammer Nr. 66.) — 3 Randbemerkung Bunsens: „Warum erklärt sich der König nicht durch des Ministers Äuße­ rung zugunsten des Vorschlags? Und da Manteuffels anders will, warum m'acht S.M. nicht Bethmann-Hollweg u. Co. zu Ministern?" — 4 Da man in Preußen ein Haus aus erblichen Pairs nicht bilden könne, müsse man Pairs auf Lebenszeit haben. Diese dürfe die Krone nicht allein ernennen, es bliebe also nur übrig, die Wahl durch adlige Körper­ schaften oder durch die Provinzialstände zu bewirken, das einzig Richtige sei der letztere Weg.— 5 Bemerkung Bunsens: „aber die, welche ich ver­ werfe." — 6 Bemerkung Bunsens: „An Mss. Richards in Person abge­ geben, dankt schönst und malt ein sehr ausgezeichnetes Bildnis."

115. An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf B^erlin^, den 13. Februar 1852 sFrh. v. Vincke schrieb dem Prinzen am 13. Februar 1852 im Anschluß an eine Audienz, bei der er seine Ansicht über den Hefterschen Antrag 1 betr. Bildung der Ersten Kammer ausgesprochen hatte. Er hatte es danach unternommen, bei seinen Freunden dafür zu wirken. Inzwischen sei durch den Antrag der rechten Fraktionen 2 die Lage völlig verändert, da behauptet werde, der König habe den Antrag H.s fallen lassen. Dem Antrag der Rechten könnten er und seine Freunde nicht zustimmend

Darauf antwortete der Prinz urschriftlich: „Der Heftersche Antrag stellt dem König völlig anheim, nach lit. e die Mitglieder der 1. Kammer nach eigenem Er­ messen zu bestimmen, es ist also, wenn man so sagen dürfte, ein Vertrauensvotum für Seine Majestät. Man hat dem König vorgestellt, daß der Antrag nur Aussicht auf Gelingen habe, wenn man einigermaßen wüßte, wie Er die Kammer zusammenzusetzen gedächte. Der Antrag der Rechten ent­ hält demnach die Intention des Königs. Wer dem Mon-

Die Familie Bunsen in allen ihren Gliedern bitte ich bestens zu grüßen. 1 Randbemerkung Bunsens: „Genügt vollständig." — 2 Antrag des Abgeordneten Heffter am 19. Januar betr. Zusammensetzung der Ersten Kammer. (Drucksachen der Ersten Kammer Nr. 66.) — 3 Randbemerkung Bunsens: „Warum erklärt sich der König nicht durch des Ministers Äuße­ rung zugunsten des Vorschlags? Und da Manteuffels anders will, warum m'acht S.M. nicht Bethmann-Hollweg u. Co. zu Ministern?" — 4 Da man in Preußen ein Haus aus erblichen Pairs nicht bilden könne, müsse man Pairs auf Lebenszeit haben. Diese dürfe die Krone nicht allein ernennen, es bliebe also nur übrig, die Wahl durch adlige Körper­ schaften oder durch die Provinzialstände zu bewirken, das einzig Richtige sei der letztere Weg.— 5 Bemerkung Bunsens: „aber die, welche ich ver­ werfe." — 6 Bemerkung Bunsens: „An Mss. Richards in Person abge­ geben, dankt schönst und malt ein sehr ausgezeichnetes Bildnis."

115. An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf B^erlin^, den 13. Februar 1852 sFrh. v. Vincke schrieb dem Prinzen am 13. Februar 1852 im Anschluß an eine Audienz, bei der er seine Ansicht über den Hefterschen Antrag 1 betr. Bildung der Ersten Kammer ausgesprochen hatte. Er hatte es danach unternommen, bei seinen Freunden dafür zu wirken. Inzwischen sei durch den Antrag der rechten Fraktionen 2 die Lage völlig verändert, da behauptet werde, der König habe den Antrag H.s fallen lassen. Dem Antrag der Rechten könnten er und seine Freunde nicht zustimmend

Darauf antwortete der Prinz urschriftlich: „Der Heftersche Antrag stellt dem König völlig anheim, nach lit. e die Mitglieder der 1. Kammer nach eigenem Er­ messen zu bestimmen, es ist also, wenn man so sagen dürfte, ein Vertrauensvotum für Seine Majestät. Man hat dem König vorgestellt, daß der Antrag nur Aussicht auf Gelingen habe, wenn man einigermaßen wüßte, wie Er die Kammer zusammenzusetzen gedächte. Der Antrag der Rechten ent­ hält demnach die Intention des Königs. Wer dem Mon-

archen jenes Vertrauensvotum votieren wollte, weiß nun, avant la lettre, was er sonst erst bei Erscheinen der Ver­ ordnung erfahren hätte. Wer jetzt vom Hefterschen Antrag abspringt und nicht mit der König!. Intention gehet, der erklärt, daß jenes Vertrauensvotum ein falsches war, das seine arriere-pensees hatte, d. h. ein jesuitisches. Volks­ wahlen zu Pairs ist Unsinn. Wahl unter Gleichgestellten ist in Irland und Schottland gebräuchlich; da wir aber noch keine Pairs haben wie jene Länder, so kann man nur die Wahl auf konsolidierten großen Grundbesitz basieren, der dem zur erblichen Pairie Berechtigten am nächsten kommt" 3. 1 Vom 19. Januar. Vgl. „Denkwürdigkeiten des Ministerpräsidenten Otto Frh. v. Manteuffel", herausgegeben von H. v. Poschinger II, 127 und oben Nr. 114.— 2 Antrag des Grafen v. Alvensleben, Stahls und des Frh. v. Gafsron in der Ersten Kammer vom 8. Februar. Vgl. ebenda, S. 131 f. — 3 Vgl. die Denkschrift des Prinzen aus dem März 1852 über die Bildung der Ersten Kammer (Berner I, S. 298 ff.), in welcher er den Antrag Heffter-Koppe verteidigte.

116. An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf Bserlin^, den 1. März 1852

Indem ich Ihnen für Ihre Mitteilung danke, bemerke ich, daß ich nicht zu denjenigen gehöre, welche das Gute, wenn es auch von Personen und Parteien kommt, mit denen ich sonst nicht harmoniere — verwerfen. Darum bin ich zufrieden, wenn die 1. Kammerkonstituierung durch Ihre Fraktion unterstützt wird. Wünschen kann ich dabei freilich nur, daß diefer Konservatismus sich auch bei andern Ge­ legenheiten zeigen mögte!!

archen jenes Vertrauensvotum votieren wollte, weiß nun, avant la lettre, was er sonst erst bei Erscheinen der Ver­ ordnung erfahren hätte. Wer jetzt vom Hefterschen Antrag abspringt und nicht mit der König!. Intention gehet, der erklärt, daß jenes Vertrauensvotum ein falsches war, das seine arriere-pensees hatte, d. h. ein jesuitisches. Volks­ wahlen zu Pairs ist Unsinn. Wahl unter Gleichgestellten ist in Irland und Schottland gebräuchlich; da wir aber noch keine Pairs haben wie jene Länder, so kann man nur die Wahl auf konsolidierten großen Grundbesitz basieren, der dem zur erblichen Pairie Berechtigten am nächsten kommt" 3. 1 Vom 19. Januar. Vgl. „Denkwürdigkeiten des Ministerpräsidenten Otto Frh. v. Manteuffel", herausgegeben von H. v. Poschinger II, 127 und oben Nr. 114.— 2 Antrag des Grafen v. Alvensleben, Stahls und des Frh. v. Gafsron in der Ersten Kammer vom 8. Februar. Vgl. ebenda, S. 131 f. — 3 Vgl. die Denkschrift des Prinzen aus dem März 1852 über die Bildung der Ersten Kammer (Berner I, S. 298 ff.), in welcher er den Antrag Heffter-Koppe verteidigte.

116. An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf Bserlin^, den 1. März 1852

Indem ich Ihnen für Ihre Mitteilung danke, bemerke ich, daß ich nicht zu denjenigen gehöre, welche das Gute, wenn es auch von Personen und Parteien kommt, mit denen ich sonst nicht harmoniere — verwerfen. Darum bin ich zufrieden, wenn die 1. Kammerkonstituierung durch Ihre Fraktion unterstützt wird. Wünschen kann ich dabei freilich nur, daß diefer Konservatismus sich auch bei andern Ge­ legenheiten zeigen mögte!!

[Sedin], den 5. März 1852

^Beiliegendes Billet]: Meinen besten Dank für die wichtige und erfreuliche Mitteilung. Ich bin ganz zufriedengestellt. Wären wir nur in der 2. Kammer so weit! 117. An Karl Frh. v. Bincke-Olbendorf S[erlin], den 6. März 1852

Auf Ihr heutiges Billet erwidere ich mit Ihren Schluß­ worten: Ich kann irren in der Wahl der Mittel usw. Daß Sie und Ihre Parteigenossen in der Wahl der Mittel irren, um zu dem vorgesteckten Zweck zu gelangen, ist der Differenz­ punkt zwischen uns. Sie natürlich müssen sagen, daß ich im Irrtum bin. Übrigens irren Sie sehr, wenn Sie glau­ ben, daß ich alles guthieße, was das jetzige Ministerium tut und wie es tut. Ich befinde mich vis ä vis desselben grade in der Lage, wie gestern zu Ihrer Partei: ich er­ kenne das Gute, was es tut, wenn ich auch sonst in vielen Punkten von demselben divergiere. Aber es fragt sich nur: Was an seine Stelle setzen? Diese Frage mag Ihre Fraktion sich wohl noch nicht ganz klar gemacht haben!

118. An den Gesandten in London Christian Karl Josias v. Bunsen Coblenz, den 20. März 1852

Ihren Sohn, den Überbringer dieser Zeilen, heute bei mir eintreten zu sehen, war eine ebenso große Überraschung als Freude. Ich benutze seine Rückkehr zu Ihnen, um

[Sedin], den 5. März 1852

^Beiliegendes Billet]: Meinen besten Dank für die wichtige und erfreuliche Mitteilung. Ich bin ganz zufriedengestellt. Wären wir nur in der 2. Kammer so weit! 117. An Karl Frh. v. Bincke-Olbendorf S[erlin], den 6. März 1852

Auf Ihr heutiges Billet erwidere ich mit Ihren Schluß­ worten: Ich kann irren in der Wahl der Mittel usw. Daß Sie und Ihre Parteigenossen in der Wahl der Mittel irren, um zu dem vorgesteckten Zweck zu gelangen, ist der Differenz­ punkt zwischen uns. Sie natürlich müssen sagen, daß ich im Irrtum bin. Übrigens irren Sie sehr, wenn Sie glau­ ben, daß ich alles guthieße, was das jetzige Ministerium tut und wie es tut. Ich befinde mich vis ä vis desselben grade in der Lage, wie gestern zu Ihrer Partei: ich er­ kenne das Gute, was es tut, wenn ich auch sonst in vielen Punkten von demselben divergiere. Aber es fragt sich nur: Was an seine Stelle setzen? Diese Frage mag Ihre Fraktion sich wohl noch nicht ganz klar gemacht haben!

118. An den Gesandten in London Christian Karl Josias v. Bunsen Coblenz, den 20. März 1852

Ihren Sohn, den Überbringer dieser Zeilen, heute bei mir eintreten zu sehen, war eine ebenso große Überraschung als Freude. Ich benutze seine Rückkehr zu Ihnen, um

[Sedin], den 5. März 1852

^Beiliegendes Billet]: Meinen besten Dank für die wichtige und erfreuliche Mitteilung. Ich bin ganz zufriedengestellt. Wären wir nur in der 2. Kammer so weit! 117. An Karl Frh. v. Bincke-Olbendorf S[erlin], den 6. März 1852

Auf Ihr heutiges Billet erwidere ich mit Ihren Schluß­ worten: Ich kann irren in der Wahl der Mittel usw. Daß Sie und Ihre Parteigenossen in der Wahl der Mittel irren, um zu dem vorgesteckten Zweck zu gelangen, ist der Differenz­ punkt zwischen uns. Sie natürlich müssen sagen, daß ich im Irrtum bin. Übrigens irren Sie sehr, wenn Sie glau­ ben, daß ich alles guthieße, was das jetzige Ministerium tut und wie es tut. Ich befinde mich vis ä vis desselben grade in der Lage, wie gestern zu Ihrer Partei: ich er­ kenne das Gute, was es tut, wenn ich auch sonst in vielen Punkten von demselben divergiere. Aber es fragt sich nur: Was an seine Stelle setzen? Diese Frage mag Ihre Fraktion sich wohl noch nicht ganz klar gemacht haben!

118. An den Gesandten in London Christian Karl Josias v. Bunsen Coblenz, den 20. März 1852

Ihren Sohn, den Überbringer dieser Zeilen, heute bei mir eintreten zu sehen, war eine ebenso große Überraschung als Freude. Ich benutze seine Rückkehr zu Ihnen, um

einige Lebenszeichen von mir zu geben. Seitdem unsere Privatmitteilungen suspendiert wurden, durch Einsicht in Ihre Depeschen in Berlin, ist in England ein so gewaltiger Umschwung eingetreten, daß ich auf die früheren brieflichen Mitteilungen nicht mehr zurückzukommen brauche. Jetzt ist für England nur die Frage die: wird Lord Derby die Schwenkung zu den Peeliten machen oder wird er streng bei seinen früheren Ansichten bleiben. Sie werden sich erinnern, daß ich Ihnen vor 1% Jahren schrieb, wie ich überzeugt sei, Stanley (damals) habe in seinem Innern bereits die Schwenkung zu Peels Grundsätzen gemacht und warte nur auf den Moment, dies mit Ehren öffentlich auch tun zu können. So scheint es mir nun auch wirklich kommen zu wollen. Ein Koalitions-Ministerium wird die Folge davon sein, in welchem er verbleibt. Ob dieses neue Ministerium an eine Reform gehen wird, ist mir noch zweifelhaft, ich würde für Aufschub stimmen. Der Weltweise (Marcus Niebuhr genannt) hat in 12 Tagen England tief studiert und erklärt, daß weder Sie noch Prinz Albert England kennen und verstehen; ein Artikel in der Kreuz-Zeitung vom 17. oder 18. beweiset, daß Sie gar keine Stellung in England haben (wahrschein­ lich aus dieser Marcus-Feder geflossen!). So krasse Urteile müssen bei aller Nachsicht selbst beim König widerlichen Ein­ druck machen — hoffentlich wenigstens! Ihr Sohn sagt mir, daß Niebuhr Ihnen ein Memoire zeigte, was des Königs Ansichten enthalte über das ob und wie von Verfassungs­ veränderungen. Ich glaube Sie über die Ausführung jener Projekte beruhigen zu können. Daß wir an unserer Ver­ fassung noch sehr viel, aber auf legalem Wege, besfern wer­ den und wollen, verstehet sich von selbst. Jenes Memoire

enthält die Parteiansicht Niebuhrs, mit deren zu erreichen­ dem Ziel, in obigem Sinne, der König wohl einverstanden

ist, aber nicht mit den abstrakten Wegen dahin. Daß, wenn

durch Spezialgesetze vieles der Verfassung gemäß geschaffen oder gebessert ist, der Text der Verfassung fast überflüssig

ist, ist klar, dies sagt auch die kleine Broschüre von Prof.

Walter in Bonn; dies ist die Definition des sogenannten Freibriefes, übrigens kenne ich jenes Memoire nicht, sondern nur seine Ideen aus den Unterredungen mit dem

Könige, es kann daher mehr enthalten, als ich weiß.

Unsere sogenannte Peersfrage ist im Prinzip in erster Lesung glücklich erlangt worden. Leider muß ich in dieser

Frage mich für die rechte Seite der Kammer eines Aus­

drucks oder einer Bezeichnung bedienen, die sonst nicht über meine Lippen kommt, nämlich: Junkertum1

Ich

habe gewaltige Kämpfe geschlagen während sechs Wochen

in Berlin, aber die Parteistellung der Rechten zu einer

prinzipienvollen Motion der Linken, weil sie von der Linken kam, nicht besiegen können.

betrübt.

Das hat mich sehr

Indessen das Prinzip hat bis

jetzt gesiegt!

Man glaubt, daß in der Zweiten Kammer die Frage eine

ähnliche Lösung finden wird wie in der Ersten, obgleich

gewaltige Anstrengungen Lesung in der

gemacht

werden, bei zweiter

Ersten Kammer die Frage zu Falle zu

bringen 2.

Was mich in der äußeren Politik am meisten beschäftigt,

ist Englands Stellung zu Belgien,

angreift?

wenn Frankreich es

Preußen darf einen solchen Angriff nicht er­

lauben, seine Rolle ist also gegeben.

Weiß Frankreich,

daß England ebenfalls solchen Angriff nicht duldet, dann

ist der Weltfriede noch erhalten, sonst nicht. — Durch Ihre

jüngsten Söhne schreibe ich dem Prinzen Aslbertj und wünschte ich, daß er Ihnen meinen Brief zeigte, was Sie wohl veranlassen können. — Ihrer Familie 1000 Liebes. 1 Bunsen erwidert darauf: „so oft jene Kaste Einfluß gehabt, hat sie an niemanden gedacht als an sich selbst. Der Große Kurfürst und mancher seiner Vorfahren haben auch eine Geschichte darüber zu erzählen..." — 2 Vgl. die Denkschrift des Prinzen aus dem März (Berner I, S. 298 ff.).

119. An

den Gesandten in London Karl Josias v. Bunsen

Christian

Coblenz, den 24. März 1852

Nur zwei Worte des Dankes für Ihre treuen Wünsche zum 22., die ich, wie alles, was von Ihnen kommt, doppelt gern empfing. Manche Besorgnis, die Ihre Zeilen enthielten, hat viel­ leicht schon mein letztes Schreiben kalmiert. Ganz lassen sich Besorgnisse nicht heben, da die Individualität unseres Herren so oft unberechenbar ist. Aber er ist dabei so vor­ trefflich, daß das Wahre doch zuletzt durchdringt. In diesem Sinne suche ich stets die Lanze für den König zu brechen. Denn was hilft alles Lamentieren, da man eine Persön­ lichkeit doch nicht ändern kann im 57. Jahre. Aus dieser nicht gehörig beachteten Rücksicht entspringen so viele Un­ billigkeiten. Kein Mensch auf Erden macht alles dem anderen recht und zufriedenstellend. Wie sollte es ein König können, zumal wenn er sehr eigentümlicher, unge­ wöhnlicher Komplexion ist? Die Gefahr liegt in den Umgebungen, die aber grade wieder hinsichtlich ihrer Wahl in jener Komplexion ihren Aufschluß finden; und da ist das Bild: „daß ein Regen-

jüngsten Söhne schreibe ich dem Prinzen Aslbertj und wünschte ich, daß er Ihnen meinen Brief zeigte, was Sie wohl veranlassen können. — Ihrer Familie 1000 Liebes. 1 Bunsen erwidert darauf: „so oft jene Kaste Einfluß gehabt, hat sie an niemanden gedacht als an sich selbst. Der Große Kurfürst und mancher seiner Vorfahren haben auch eine Geschichte darüber zu erzählen..." — 2 Vgl. die Denkschrift des Prinzen aus dem März (Berner I, S. 298 ff.).

119. An

den Gesandten in London Karl Josias v. Bunsen

Christian

Coblenz, den 24. März 1852

Nur zwei Worte des Dankes für Ihre treuen Wünsche zum 22., die ich, wie alles, was von Ihnen kommt, doppelt gern empfing. Manche Besorgnis, die Ihre Zeilen enthielten, hat viel­ leicht schon mein letztes Schreiben kalmiert. Ganz lassen sich Besorgnisse nicht heben, da die Individualität unseres Herren so oft unberechenbar ist. Aber er ist dabei so vor­ trefflich, daß das Wahre doch zuletzt durchdringt. In diesem Sinne suche ich stets die Lanze für den König zu brechen. Denn was hilft alles Lamentieren, da man eine Persön­ lichkeit doch nicht ändern kann im 57. Jahre. Aus dieser nicht gehörig beachteten Rücksicht entspringen so viele Un­ billigkeiten. Kein Mensch auf Erden macht alles dem anderen recht und zufriedenstellend. Wie sollte es ein König können, zumal wenn er sehr eigentümlicher, unge­ wöhnlicher Komplexion ist? Die Gefahr liegt in den Umgebungen, die aber grade wieder hinsichtlich ihrer Wahl in jener Komplexion ihren Aufschluß finden; und da ist das Bild: „daß ein Regen-

tropfen zuletzt einen Stein höhlt" — freilich anwendbar. Aber es gibt Gott sei Dank auch Gegengift. Außerordentlich habe ich mich gefreut, nun Ihre drei Söhne gesehen zu haben. Zwei werden wohl am 27. bei Ihnen eintreffen, ein Jahrestag, der mich vor vier Jahren in Ihr Haus führte! Gott lohne es Ihnen und den Ihrigen, die ich herzlichst grüße, — was Sie alle damals für mich waren! Ich hatte keine Zeit, dem Prinzen Albert zu schreiben durch Ihre Söhne und werde nun den Kurier am 2. benutzen. [N. S.J: Anliegend sende ich Ihnen meine Ansichten über unsere Pairie \ die ich zirkulieren lasse, damit meine Stellung in dieser Frage richtig erfaßt werde. 1 Die schon oben erwähnte Denkschrift (Berner I, 298).

120. An

den

Gesandten in London Karl Josias v. Bunsen

Christian

Weimar, den 20. Mai 1852

Um gütige Besorgung der Einlagen Sie ersuchend, benachrichtige ich Sie, daß wir hoffen, den 26. Juni die überfahrt von Ostende nach Dover zu machen. Ihre letzten Expeditionen vom 11. bis 12. Mai habe ich gelesen. Seitdem scheint sich doch Entscheidendes in Konstantinopel zugetragen zu haben.

121. An Regierungspräsidenten in Bromberg Frh. Julius v. Schleinitz^ Coblenz, den 7. April 1852

... fDank für Wünsches. Die Auswanderungsanekdote, die leider blutig wurde, hat sogar meinen Namen miß-

tropfen zuletzt einen Stein höhlt" — freilich anwendbar. Aber es gibt Gott sei Dank auch Gegengift. Außerordentlich habe ich mich gefreut, nun Ihre drei Söhne gesehen zu haben. Zwei werden wohl am 27. bei Ihnen eintreffen, ein Jahrestag, der mich vor vier Jahren in Ihr Haus führte! Gott lohne es Ihnen und den Ihrigen, die ich herzlichst grüße, — was Sie alle damals für mich waren! Ich hatte keine Zeit, dem Prinzen Albert zu schreiben durch Ihre Söhne und werde nun den Kurier am 2. benutzen. [N. S.J: Anliegend sende ich Ihnen meine Ansichten über unsere Pairie \ die ich zirkulieren lasse, damit meine Stellung in dieser Frage richtig erfaßt werde. 1 Die schon oben erwähnte Denkschrift (Berner I, 298).

120. An

den

Gesandten in London Karl Josias v. Bunsen

Christian

Weimar, den 20. Mai 1852

Um gütige Besorgung der Einlagen Sie ersuchend, benachrichtige ich Sie, daß wir hoffen, den 26. Juni die überfahrt von Ostende nach Dover zu machen. Ihre letzten Expeditionen vom 11. bis 12. Mai habe ich gelesen. Seitdem scheint sich doch Entscheidendes in Konstantinopel zugetragen zu haben.

121. An Regierungspräsidenten in Bromberg Frh. Julius v. Schleinitz^ Coblenz, den 7. April 1852

... fDank für Wünsches. Die Auswanderungsanekdote, die leider blutig wurde, hat sogar meinen Namen miß-

tropfen zuletzt einen Stein höhlt" — freilich anwendbar. Aber es gibt Gott sei Dank auch Gegengift. Außerordentlich habe ich mich gefreut, nun Ihre drei Söhne gesehen zu haben. Zwei werden wohl am 27. bei Ihnen eintreffen, ein Jahrestag, der mich vor vier Jahren in Ihr Haus führte! Gott lohne es Ihnen und den Ihrigen, die ich herzlichst grüße, — was Sie alle damals für mich waren! Ich hatte keine Zeit, dem Prinzen Albert zu schreiben durch Ihre Söhne und werde nun den Kurier am 2. benutzen. [N. S.J: Anliegend sende ich Ihnen meine Ansichten über unsere Pairie \ die ich zirkulieren lasse, damit meine Stellung in dieser Frage richtig erfaßt werde. 1 Die schon oben erwähnte Denkschrift (Berner I, 298).

120. An

den

Gesandten in London Karl Josias v. Bunsen

Christian

Weimar, den 20. Mai 1852

Um gütige Besorgung der Einlagen Sie ersuchend, benachrichtige ich Sie, daß wir hoffen, den 26. Juni die überfahrt von Ostende nach Dover zu machen. Ihre letzten Expeditionen vom 11. bis 12. Mai habe ich gelesen. Seitdem scheint sich doch Entscheidendes in Konstantinopel zugetragen zu haben.

121. An Regierungspräsidenten in Bromberg Frh. Julius v. Schleinitz^ Coblenz, den 7. April 1852

... fDank für Wünsches. Die Auswanderungsanekdote, die leider blutig wurde, hat sogar meinen Namen miß-

braucht, wie die Zeitungen sagen. Ein eigenes Schicksal, da ich ein abgesagter Feind des Auswanderns nach Amerika bin, da ich alle Kräfte zu Wanderungen nach unbestellten Gegenden Preußens encouragieren mögte. Preußen hat seit y2 Jahr bedeutende Fortschritte gemacht. Das Zoll­ gebiet ist uns noch immer günstig gewesen und ich hoffe, so Gott will, werden wir es auch jetzt behaupten, wenn auch nicht ohne Kampf. Die Flottenfrage ist freilich kläglich für Deutschland aber brillant für Preußen ausgefallen, weil es sich auch hier wieder zeigte, daß ohne Preußen die großen Dinge in Deutschland nicht gehen. Nun haben wir eine Flotte und sie wird das Fundament einer deutschen einst werden2, das ist klar und somit ist das Sprichwort erfüllt: Wer andern eine Grube gräbt usw. Man wollte uns begraben und hat sich selbst begraben. 1 Gebr.: Aus den Papieren der Familie v. Schleinitz, S. 354.— 2 Vgl. das Schreiben an O. v. Manteuffel vom 13. April Berner I, S. 305 f.

122. An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf Coblenz, den 8. April 1852

... sDank für Wünfchef. Die zweite Abstimmung über die Erste Kammer ist gleich günstig wie die erste ausgefallen. Was die Zweite Kammer tut, ist sehr unsicher, da die Kommission mit Stim­ mengleichheit entschied. Der von der Kreuz-Zeitung herunter­ gerissene lithographierte Aufsatz1 ist allerdings von mir, und diese Herunterreißung beweiset, daß ich einschlug. Ich habe meine Gedanken niedergeschrieben, um dem preußsischenj Adel zu zeigen, wie hoch ich ihn stelle und

braucht, wie die Zeitungen sagen. Ein eigenes Schicksal, da ich ein abgesagter Feind des Auswanderns nach Amerika bin, da ich alle Kräfte zu Wanderungen nach unbestellten Gegenden Preußens encouragieren mögte. Preußen hat seit y2 Jahr bedeutende Fortschritte gemacht. Das Zoll­ gebiet ist uns noch immer günstig gewesen und ich hoffe, so Gott will, werden wir es auch jetzt behaupten, wenn auch nicht ohne Kampf. Die Flottenfrage ist freilich kläglich für Deutschland aber brillant für Preußen ausgefallen, weil es sich auch hier wieder zeigte, daß ohne Preußen die großen Dinge in Deutschland nicht gehen. Nun haben wir eine Flotte und sie wird das Fundament einer deutschen einst werden2, das ist klar und somit ist das Sprichwort erfüllt: Wer andern eine Grube gräbt usw. Man wollte uns begraben und hat sich selbst begraben. 1 Gebr.: Aus den Papieren der Familie v. Schleinitz, S. 354.— 2 Vgl. das Schreiben an O. v. Manteuffel vom 13. April Berner I, S. 305 f.

122. An Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf Coblenz, den 8. April 1852

... sDank für Wünfchef. Die zweite Abstimmung über die Erste Kammer ist gleich günstig wie die erste ausgefallen. Was die Zweite Kammer tut, ist sehr unsicher, da die Kommission mit Stim­ mengleichheit entschied. Der von der Kreuz-Zeitung herunter­ gerissene lithographierte Aufsatz1 ist allerdings von mir, und diese Herunterreißung beweiset, daß ich einschlug. Ich habe meine Gedanken niedergeschrieben, um dem preußsischenj Adel zu zeigen, wie hoch ich ihn stelle und

immer stellen werde — daß ich ihm aber in der Ersten Kammer keine Bevorzugung in seiner Gesamtheit ein­ räumen kann; diese gehört in die Zweite Kammer und ihre Spitzen nur in die Erste. Die Taktlosigkeit oder Ironie der Kreuz-Zeitung, den Autor jener Lithographie nicht kennen zu wollen, ist freilich stark, aber diesem Blatte ganz eigen, weshalb ich kein Wort darüber verlor. Daß die Kreisordnung Ihnen nicht gefallen würde, war vorherzusehen. Auch ich will nicht eine zu große Bevorzugung der Ritterschaft, aber doch immer eine Be­ vorzugung, da sie die Intelligenz und den Besitz für sich hat und den Konservatismus. Nun, wir werden ja sehen, was die Majorität der Ersten Kammer darüber urteilen wird. 1 Die oben mehrfach erwähnte Denkschrift. Vgl. Rr. 119. Schreiben an Bunsen vom 20. Juli 1852 s. Nachtrag.

123. An den Badischen Geheimen Rat Dr. Schaaff Baden, den 28. Juli 1852

Ihre gütige Erinnerung, die Sie mir unter dem 22. aussprechen, hat mir große Freude gemacht, und recht aufrichtig bedaure ich, daß Ihre bereits angetretene Reise nach Karlsruhe zum 23. auf unhebliche Hindernisse zur Ausführung stieß, da ich unter so vielen guten und lieben Bekannten aus jener wichtigen Zeit auch Sie gern ge­ sehen hätte. Wir haben unsern gefallenen Kameraden die letzten Ehren erwiesen und ein bleibendes Denkmal gesetzt. Möge es das Denkmal nicht überleben, welches Preußen in

immer stellen werde — daß ich ihm aber in der Ersten Kammer keine Bevorzugung in seiner Gesamtheit ein­ räumen kann; diese gehört in die Zweite Kammer und ihre Spitzen nur in die Erste. Die Taktlosigkeit oder Ironie der Kreuz-Zeitung, den Autor jener Lithographie nicht kennen zu wollen, ist freilich stark, aber diesem Blatte ganz eigen, weshalb ich kein Wort darüber verlor. Daß die Kreisordnung Ihnen nicht gefallen würde, war vorherzusehen. Auch ich will nicht eine zu große Bevorzugung der Ritterschaft, aber doch immer eine Be­ vorzugung, da sie die Intelligenz und den Besitz für sich hat und den Konservatismus. Nun, wir werden ja sehen, was die Majorität der Ersten Kammer darüber urteilen wird. 1 Die oben mehrfach erwähnte Denkschrift. Vgl. Rr. 119. Schreiben an Bunsen vom 20. Juli 1852 s. Nachtrag.

123. An den Badischen Geheimen Rat Dr. Schaaff Baden, den 28. Juli 1852

Ihre gütige Erinnerung, die Sie mir unter dem 22. aussprechen, hat mir große Freude gemacht, und recht aufrichtig bedaure ich, daß Ihre bereits angetretene Reise nach Karlsruhe zum 23. auf unhebliche Hindernisse zur Ausführung stieß, da ich unter so vielen guten und lieben Bekannten aus jener wichtigen Zeit auch Sie gern ge­ sehen hätte. Wir haben unsern gefallenen Kameraden die letzten Ehren erwiesen und ein bleibendes Denkmal gesetzt. Möge es das Denkmal nicht überleben, welches Preußen in

Baden überhaupt zurückgelassen hat, und das wiederzu-finden uns bisher zu so großer Genugtuung gereicht. Bleiben Sie uns stets derselbe, der Sie damals für uns waren! 1 Generallandesarchiv Karlsruhe.

124. An

Generalleutnant Joseph Radowitz

Maria von

Schloß Babelsberg, den 11. September 1852

Als ich bei meiner Durchreise durch Berlin Ihre gütige Meldung vorfand und die Benachrichtigung zugleich, daß Sie nach der Rückkehr des Königs aus Pommern hier eintreffen würden, unterließ ich es, Ihnen schriftlich meinen besten Dank für Ihren Brief zu sagen. Jetzt, wo ich Sie nicht eintreffen sah, war ärztliches Verbot schuld, daß ich nicht früher schrieb. Kopfverletzungen verlangen große Schonung, wenn auch mir bei meinem Unfall keine Be­ sorgnis zurückgeblieben sein dürfte. Ich freue mich aufrichtig, daß Ihre Kräfte der Armee wiedergegeben werden sollen L. Sie werden den prakti­ schen Gesichtspunkt der Bildung des Offizierstandes vor­ walten lassen, wobei man die hervorragenden Talente erkennt, mit denen allein man weiterschreiten kann; alle kann man nicht zu Gelehrten machen und braucht es auch nicht. Was Sie über den Eindruck sagten, den Ihre Reakti­ vierung in politischen Kreisen machen werde, ist nun be­ reits in Erfüllung gegangen! Es ist zu traurig, daß man mit vorgefaßten Meinungen die Dinge der Personen wegen ansiehet. Ich habe überall wiederholt, was Sie

Baden überhaupt zurückgelassen hat, und das wiederzu-finden uns bisher zu so großer Genugtuung gereicht. Bleiben Sie uns stets derselbe, der Sie damals für uns waren! 1 Generallandesarchiv Karlsruhe.

124. An

Generalleutnant Joseph Radowitz

Maria von

Schloß Babelsberg, den 11. September 1852

Als ich bei meiner Durchreise durch Berlin Ihre gütige Meldung vorfand und die Benachrichtigung zugleich, daß Sie nach der Rückkehr des Königs aus Pommern hier eintreffen würden, unterließ ich es, Ihnen schriftlich meinen besten Dank für Ihren Brief zu sagen. Jetzt, wo ich Sie nicht eintreffen sah, war ärztliches Verbot schuld, daß ich nicht früher schrieb. Kopfverletzungen verlangen große Schonung, wenn auch mir bei meinem Unfall keine Be­ sorgnis zurückgeblieben sein dürfte. Ich freue mich aufrichtig, daß Ihre Kräfte der Armee wiedergegeben werden sollen L. Sie werden den prakti­ schen Gesichtspunkt der Bildung des Offizierstandes vor­ walten lassen, wobei man die hervorragenden Talente erkennt, mit denen allein man weiterschreiten kann; alle kann man nicht zu Gelehrten machen und braucht es auch nicht. Was Sie über den Eindruck sagten, den Ihre Reakti­ vierung in politischen Kreisen machen werde, ist nun be­ reits in Erfüllung gegangen! Es ist zu traurig, daß man mit vorgefaßten Meinungen die Dinge der Personen wegen ansiehet. Ich habe überall wiederholt, was Sie

mir so oft feit zwei Jahren sagten, wie niemand weniger als Sie daran dächte, die Politik Preußens vom Jahre 1849 und 50 wieder aufnehmen zu wollen. Diese sei bei­ seite gelegt und unmöglich in der Art wieder aufzunehmen. Daß man deshalb jedoch Preußens Aufgabe in Deutsch­ land, wie sie seit Friedrichs des Großen Zeit sich kundge­ geben, nicht vergißt, verstehet sich dabei von selbst, aber auch diese Auffassung verlangt nicht eine sofortige Schild­ erhebung gegen Österreich. Die großen Ereignisfe ent­ wickeln sich langsam; 1850 glaubte ich mit Ihnen, der Mo­ ment sei gekommen, wo Preußen durch das Schwert sich seine Stellung in Deutschland erobern werde. Es sollte nicht sein — es war verfrühet! Ihre Reaktivierung koinzidiert mit einem sehr schmerz­ lichen Moment in der preußisch-deutschen Geschichte, — ich meine die Auflösung des alten Zollvereins, wenigstens sehe ich dies Ereignis am 15. unabweislich. Indessen es ist dies schmerzliche Ereignis besser als eine Nachgiebig­ keit wie in Olmütz. Die ganze öffentliche Meinung ist für uns, und das wird seine Früchte dereinst tragen. Es wird gewiß versucht werden, Ihnen Preußens Renitenz in dieser Frage aufzubürden, obgleich in derselben das Mi­ nisterium vom ersten Augenblick an korrekt geblieben ist. Nun, die Zukunft wird der Welt zeigen, daß, wie Sie es mir ausdrücken, Sie nicht gesonnen sind, Steine in den Weg des Gouvernements zu legen. Bald sehen wir uns hier; vielleicht noch vorher in Weimar, wo ich wahrscheinlich am 27. mit der Prinzeß eintreffen werde. Ihrer Frau bitte ich tausend Liebes von mir zu sagen. 1 v. R. wurde zum Leiter des Militärbildungswesens berufen.

125. An Frhr. Fritz v. $81^10961006 1 Schloß Babelsberg, den 19. Oktober 1852

Sie sönnen denken, wie sehr mich Ihr Räsonnement über die Zollfrage in Ihrem letzten Brief interessiert hat, nnd nur zn wahr haben Sie prophezeit, was seitdem ein­ getreten ist. Mer es stehet noch mehr bevor! Wenn die kleinen Monarchen fortfahren mit Nichtachtung der wahren Interessen ihrer Untertanen, um Kabinettspolitik zu treiben, um der preußischen Hegemonie zu entgehen, so werden diese Monarchen es dereinst persönlich zu büßen haben. Dies habe ich Ihrem Nachfolger 2 durch meinen Vetter Adolf wörtlich sagen lassen! — Das ist meine Überzeugung, wenn man seit 1848 nichts vergessen und nichts gelernt hat! Österreich betrachtet seine politische Aufgabe im 19. Jahrhundert so, daß es die Eman­ zipation Preußens aus dem 18. Jahrhundert wieder nieder­ werfen müßte. Dazu gehört die Wiedergewinnung Schle­ siens, die Wiederherstellung Sachsens und womöglich die Abnahme der Rheinprovinzen d’accord mit Frankreich, sowie der Abfall des katholischen Westfalens, — welches alles eine Verteilung und Vergrößerung der Länder in Aussicht stellt, die es mit Österreich halten. Hierzu zu ge­ langen, wird eine Allianz der Donau mit der Seine nicht abschrecken und der Tiber wird durch Jesuiten-Propaganda ein Erhebliches helfen müssen. Nun, Preußen wird seinen Mann zu stehn wissen! Unsere jetzige Konsequenz und Festigkeit hat bereits uns gehoben. Unsicherheit ist im andern Lager unverkennbar. Wir sind auf alles gefaßt. Im Verfolg Ihrer Anfragen, hat der König von neuem bestimmt, daß auf Ihren Wunsch durchaus Bedacht ge-

nommen werden soll. Da indessen in der Administration die Stellen weniger annehmbar hervortreten als in der Diplomatie, so dürfte für diese Weile noch keine Aussicht zur Erfüllung Ihres Wunsches sich zeigen. 1 Nach dem Druck: Forsch, z. Brand, u. Preuß. Gesch. 41, S. 134. — 2 Fürst Sayn-Wittgenstein-Berleburg als nassauischer Minister.

126. An

den Gesandten in London Karl Josias v. Bunsen

Christian

Schloß Babelsberg, den 6. November 1852

Diesen Brief als Danksagung für Ihr letztes Schreiben vom 2. d. M. muß sichs zunächst fortsetzen mit dem Dank für Ihre frühere Zusendung Ihres Porträts, was mir um so mehr eine große Freude machte, als ich es sprechend ähnlich finde. Und dabei ist es meisterhaft gemacht. Also tausend Dank. Es wird mir stets den Mann vergegen­ wärtigen, dem ich in schwerer Lage meines Lebens so viel verdanke! Welchen innigen und aufrichtigen Teil ich an der engli­ schen Nationaltrauer um den edlen alten Herzog Welling­ ton 1 nehme, braucht keine Versicherung. Es ist uns Sol­ daten zumute, als hätten wir alle unser Haupt verloren! Ein so reiches Siegesleben hat selten ein Feldherr ge­ sehen, und am Abend seines Lebens dem Lorbeer noch die Eichenkrone zuzugesellen, ist wenigen beschieden! Lord Hardings Ernennung hat mich außerordentlich gefreut, was Sie ihm ja sagen wollen, so wie meine obigen Gefühle für den alten Herzog Sie seinen contemporains nicht verschweigen wollen. Die Rüstungen Englands sind sehr wichtig, nicht wegen französischer debarquements*

nommen werden soll. Da indessen in der Administration die Stellen weniger annehmbar hervortreten als in der Diplomatie, so dürfte für diese Weile noch keine Aussicht zur Erfüllung Ihres Wunsches sich zeigen. 1 Nach dem Druck: Forsch, z. Brand, u. Preuß. Gesch. 41, S. 134. — 2 Fürst Sayn-Wittgenstein-Berleburg als nassauischer Minister.

126. An

den Gesandten in London Karl Josias v. Bunsen

Christian

Schloß Babelsberg, den 6. November 1852

Diesen Brief als Danksagung für Ihr letztes Schreiben vom 2. d. M. muß sichs zunächst fortsetzen mit dem Dank für Ihre frühere Zusendung Ihres Porträts, was mir um so mehr eine große Freude machte, als ich es sprechend ähnlich finde. Und dabei ist es meisterhaft gemacht. Also tausend Dank. Es wird mir stets den Mann vergegen­ wärtigen, dem ich in schwerer Lage meines Lebens so viel verdanke! Welchen innigen und aufrichtigen Teil ich an der engli­ schen Nationaltrauer um den edlen alten Herzog Welling­ ton 1 nehme, braucht keine Versicherung. Es ist uns Sol­ daten zumute, als hätten wir alle unser Haupt verloren! Ein so reiches Siegesleben hat selten ein Feldherr ge­ sehen, und am Abend seines Lebens dem Lorbeer noch die Eichenkrone zuzugesellen, ist wenigen beschieden! Lord Hardings Ernennung hat mich außerordentlich gefreut, was Sie ihm ja sagen wollen, so wie meine obigen Gefühle für den alten Herzog Sie seinen contemporains nicht verschweigen wollen. Die Rüstungen Englands sind sehr wichtig, nicht wegen französischer debarquements*

Befürchtungen, sondern weil England dadurch über­ haupt imstand wieder ist, ein bewaffnetes Wort spre­ chen zu können, le cas echeant. Die sieben Feldmarschallstäbe am Grabe Wellingtons ist eine Erscheinung, die die Welt noch nie sah! Wer es doch sehen könnte. Die Zukunft Lord Derbys interessiert mich fast ebenso sehr wie unsere eigene — innere Zukunft. Die Wahlen sollen 2/3 konservativ ausgefallen sein. Die zur Veränderung der Verfassung zu machenden Kammer­ vorlagen sind noch lange nicht reif und schon ist der Zu­ sammentritt der Kammern vor der Tür. Der König scheint im Prinzip zwar mit dem Ministerium einverstanden, aber nicht über die Form, die er in seiner reichen Phan­ tasie wieder sich ausdenkt und ausmalt. Das Ministerium will auf begutachtende Kammern2, die nur in Finanz­ fragen ein Veto haben sollen, hinaus; die Kommission will beschließende Kammern, aber durch ein beschränktes Wahlgesetz die moralische Gewißheit steter konservativer3 Kammern sich schaffen. Im letzteren Punkte stimmen Ministerium und Kommission überein, und wollen eine Interessenvertretung der Wähler aufstellen, die an keine Kriterien in der Wahl der Repräsentanten zu binden seien, nach Annahme des Ministeriums, während die Kom­ mission Beschränkungen dieser Wahl verlangt. Wie man zusammen noch kommen wird, weiß ich nicht! Nach Abhandlung dieser wichtigen Punkte bleibt mir nur noch einer übrig, und das ist der — des Feigenblatts!4 Wären die Bilder für mich allein, fo würde ich kein Blatt vor den------- Mund nehmen, da fie aber meiner Damen­ welt zur nahen Befchauung vorgestellt werden müssen, so dürfte diese Nähe sehr alteriert werden und oberflächlich

statt kritisch ausfallen, so daß ich mich für das Feigenblatt erklären muß. Dereinst Prussia-Haus mit feinem Embelissements zu sehen und zu bewohnen, würde ein wahres Entzücken für mich sein! Aber wann? Sollten Sie Lady Dufferin sehen, so schelten Sie sie doch, daß ich noch keine Antwort erhielt. sNS.s: Danken Sie Orlich vorläufig für seinen Brief. 1 Gestorben am 14. Oktober. — 2 Bemerkung Bunsens: „Wie kann man glauben, Kammein zu finden, die sich selbst den Hals abschneiden, um sich zu erhalten?" — 3 Bunsen bemerkt: „d. h. ministerielle." — 4 Bei einem von der Richards zu malenden nackten Putto, eine Jahreszeit dar­ stellend.

127. An

den

Gesandten in London Karl Josias v. Bunsen

Christian

Schloß Babelsberg, den 8. November 1852

Die Wiederherstellung des Napoleonischen Kaiserreiches in Frankreich ist vor der Tür. Es erscheint von der höchsten Wichtigkeit, daß die vier Großmächte die Entgegen­ nahme der Annonze dieser Tatsache in ganz gleichmäßiger Haltung verabreden und daß ebenso die zu erteilende Antwort und etwa an dieselbe zu knüpfende Bedingungen der Anerkennung eines Kaisers ganz gleichlautend er­ folgen. I. Was ist in dieser Beziehung geschehen? Sollte noch keine so, wie hier angedeutet ist, präzisierte Verabredung stattgefunden haben, so erscheint es von der höchsten Wich­ tigkeit, daß dies noch in den nächsten Tagen geschehe. Eine solche Präzisierung scheint um so notwendiger, da Österreich dadurch gebunden wird, indem dies bei

statt kritisch ausfallen, so daß ich mich für das Feigenblatt erklären muß. Dereinst Prussia-Haus mit feinem Embelissements zu sehen und zu bewohnen, würde ein wahres Entzücken für mich sein! Aber wann? Sollten Sie Lady Dufferin sehen, so schelten Sie sie doch, daß ich noch keine Antwort erhielt. sNS.s: Danken Sie Orlich vorläufig für seinen Brief. 1 Gestorben am 14. Oktober. — 2 Bemerkung Bunsens: „Wie kann man glauben, Kammein zu finden, die sich selbst den Hals abschneiden, um sich zu erhalten?" — 3 Bunsen bemerkt: „d. h. ministerielle." — 4 Bei einem von der Richards zu malenden nackten Putto, eine Jahreszeit dar­ stellend.

127. An

den

Gesandten in London Karl Josias v. Bunsen

Christian

Schloß Babelsberg, den 8. November 1852

Die Wiederherstellung des Napoleonischen Kaiserreiches in Frankreich ist vor der Tür. Es erscheint von der höchsten Wichtigkeit, daß die vier Großmächte die Entgegen­ nahme der Annonze dieser Tatsache in ganz gleichmäßiger Haltung verabreden und daß ebenso die zu erteilende Antwort und etwa an dieselbe zu knüpfende Bedingungen der Anerkennung eines Kaisers ganz gleichlautend er­ folgen. I. Was ist in dieser Beziehung geschehen? Sollte noch keine so, wie hier angedeutet ist, präzisierte Verabredung stattgefunden haben, so erscheint es von der höchsten Wich­ tigkeit, daß dies noch in den nächsten Tagen geschehe. Eine solche Präzisierung scheint um so notwendiger, da Österreich dadurch gebunden wird, indem dies bei

seinen augenscheinlichen Koketterien mit Frankreich dann nichts Zweideutiges einfließen lassen kann. Die Haltung des preußischen Gouvernements, des Hofes und der an demselben einflußreichen Personen bei der bevorstehenden Annonze des Kaiserreichs in Berlin bedarf eines ganz be­ sonderen Taktes! Kein Staat mehr als Preußen kann das Wiederaufkommen der Napoleoniden mehr anfeinden und beklagen, da er Ströme von Blut vergossen hat, um sie zu vertreiben, und diese Erinnerung ist gewiß noch wach in einem großen Teil der Nation. Wenn also der Empfang des zu erwartenden kaiserlichen Bevollmächtigten ein ge­ messener sein muß, so darf er doch auch keine Äußerung vernehmen, die als halboffiziell bezeichnet werden könnte, die eine Provokation des neuen Machthabers nach sich ziehen könnte, der, wie jeder Parvenu, doppelt empfindlich sein wird. Jede Provokation aber muß immer zunächst auf Preußen seinen verheerenden Einfluß aus­ üben, das feiner geographischen Lage zufolge jeden feindlichen Stoß Frankreichs zunächst zu parieren haben wird. Dieser Gesichtspunkt erheischt also auch, daß Preußen stets wachsam und gerüstet sein muß. Mit ihm in ganz gleicher Lage befindet sich Belgien und dann Holland, und durch diese Länder ist wiederum England am meisten in die Ereignisse verflochten, welche diesen Länderstrich Europas treffen. Diese vier Staaten sind also durch Po­ litik und Natur angewiesen, zunächst gemeinschaftlich einer von Frankreich drohenden Gefahr entgegenzutreten. Eine engere Verbindung unter ihnen, um der gemeinschaftlichen Gefahr gemeinschaftlich begegnen zu können, liegt auf der Hand.

II. Ist dieser Gesichtspunkt vom preußischen Kabinett ins Auge gefaßt? Wenn nicht, so ist es die höchste Zeit und von der höchsten Wichtigkeit, daß es geschehe! Die höchste Diskretion ist jedoch hierbei zu beobachten wegen der Provokationsgefahr. Wenn auf diese Gefahr wiederholentlich großes Gewicht gelegt wird, so wird deshalb keineswegs damit gemeint, daß darum auch jede Kriegs­ gefahr schwinde, wenn eine Provokation unterbleibt. Die Kriegsgefahr von Frankreich bleibt immer bestehen. Das Wortspiel welches mit der Rede in Bordeaux getrieben wird, statt: L’empire c’est la paix — zu setzen: L’empire c’est Fepee ist so inhaltschwer wie wahr! Louis Napoleon wird schwerlich seinem Onkel als Er­ oberer nacheifern wollen, am allerwenigsten, solange er Europa koalisiert gegen sich siehet. Aber la gloire fletrie de l’aigle, der nun neu erstanden ist, muß abgewaschen werden. Da könnte nun grade eine Provokation anderer Staaten, namentlich aber Preußens, ihm die erwünschte Gelegenheit geben, diese Gloire zu versuchen wiederherzu­ stellen. Wird aber der, der provoziert hat, so leicht Alliierte finden? Gewiß nicht! Eine andere Ursache, einen Krieg zu wagen, kann die sein, daß der neue Machthaber ihn als letzten Anker erkennt, um sich zu erhalten; und dann wird er ihn wagen, selbst wenn es ihm noch nicht gelungen sein sollte, das koalisierte Europa zu sprengen. Dazu ist jedoch für jetzt keine Aussicht und ebensowenig braucht Louis Napoleon für jetzt aus jenem Grunde zum Schwert zu greifen. Aber zwischen diesem Grunde zum Kriege und der Provokation liegt noch eine andere Möglichkeit, der: gloire! ein Genüge zu leisten. Es ist dies ein coup de main, den er so einzurichten wüßte, daß er bei der prä-

furnierten Friedensliebe aller Großmächte vorher siehet, daß er ihn wagen kann, ohne einen allgemeinen Krieg her­ beizuführen. Le fait accompli würde seine Devise sein. — Wenn man aufmerksam dem Verfahren folgt, welches der bisherige Präsident von Frankreich gegen Belgien beobachtet, so kann man sich nicht täuschen, daß er dies Land auf alle mögliche Art schikaniert und zwar mit einem Geschick, daß nicht die allgemeine Stimme gegen ihn sich in Belgien wendet. Er häuft Forderungen auf For­ derungen, die, wenn Belgien sie einräumt, dasselbe völlig in französische Abhängigkeit bringt, und räumt es sie nicht ein, so wird sich der Präsident oder baldige Kaiser gemüßigt sehen, an der Grenze Belgiens Truppen zu konzentrieren, um den Forderungen Nachdruck zu geben. Vielerlei Andeutungen und Nachrichten in den De­ peschen deuten darauf hin, daß infolge der Zolldifferenzen zwischen Frankreich und Belgien in letzterem Lande bereits Stimmen laut werden, namentlich in den Grenzdistrikten, die von einer Hinneigung zu Frankreich sprechen; man denke sich ein französisches Korps nahe diesen Grenzen, welches bestimmt ist, den Zollforderungen Erfüllung zu verschaffen, die jenen Grenzdistrikten den Ruin bringen müßten,------- und eine Bewegung zugunsten Frankreichs in denselben liegt sehr nahe. Ebensonahe liegt dann das Einrücken einer französischen Macht (das vielleicht mit Wegführung des Löwen vom Schlachtfelde von la belle Alliance endigt) — und somit ist der angedeutete coup de maln gemacht, le fait accompli liegt vor, — und was tut, (nicht was sagt) Europa, vor allem, was tun die Nachbarstaaten? III. Ist ein solches Ereignis bereits im Preußischen

Kabinett ins Auge gefaßt? und was ist für ein Beschluß in solchem Falle gefaßt? Es erscheint als unerläßlich, daß das Überschreiten der belgischen Grenze von französischen Truppen in feindlicher Absicht von Preußen, Holland und England nun und nimmermehr gelitten werden darf, und daß eine solidarische Verpflichtung für diese Staaten eintritt, sofort und augen­ blicklich eine dergleichen französische Invasion Belgiens mit gewaffneter Hand und allem Nachdruck zurückzuweisen. Daher ist die bereits früher angedeutete Verständigung dieser vier Mächte untereinander eine unumgängliche Not­ wendigkeit. Für Preußen und Holland ist die Integrität Belgiens eine Lebensfrage und für England ein Ehren­ punkt. Eine Allianz zwischen diesen vier Staaten für den französischen Jnvasionsfall in Belgien, unter welchem Prätext dies sein mag, von Preußen ausgehend und angeregt, kann nur den Beifall und die Zustimmung der betreffenden Staaten erwerben. Preußen tritt dabei end­ lich wieder als selbständig handelnd, mit einer selbständigen Politik auf und zwar mit einer Politik, die ganz im Inter­ esse der übrigen Großmächte, namentlich Rußlands und Österreichs ist, also sich auch deren Gutheißung zu erfreuen haben wird. Es ist aber für Preußens Selbständigkeit und Gewinnung neuen Ansehens und Vertrauens durch­ aus notwendig, daß diese Allianz zwischen den genannten vier Staaten geschlossen ist, ehe sie den zwei anderen Großmächten mitgeteilt wird. Für diese ist die be­ handelte politische Frage nur eine sehr wichtige, sie ist aber keine Lebensfrage für sie, wie für die andern. Darum ist der angedeutete Gang der Unterhandlungen der allein richtige. Aber nochmals sei es gesagt, das höchste Ge-

heimnis muß gehandhabt werden. Auch dürften die gewöhnlichen diplomatischen Organe dabei lieber aus dem Spiel zu lassen sein zur Entamierung der Verhand­ lungen. Sollte England sich weigern, eine solche Allianz zu zeichnen, so dürfte die Zeichnung zwischen Preußen, Belgien und Holland genügen vorläufig. IV. Wird Preußen diese Allianz betreiben?

128. An

Generalleutnant Joseph Radowitz

Maria von

83[erlinlz den 13. November 1852

Infolge unserer Unterredung habe ich mich veranlaßt gesehen, ein P(ro) M(emoria) für den König und Man­ teuffel aufzusetzen, dessen Abschrift ich Ihnen anliegend sendet Sie werden sehen, daß ich mich mit fremden Federn schmückte, enfin, es ist geschehen. Manteuffel findet das alles sehr richtig, sagt aber, daß die ewige belgische Neutralität einer Allianz ent­ gegenstehe; daß Hollands König napoleonistische Velleitäten bemerkbar mache, und daß England ssich die Hände nicht binden werdet2. 1. Ich habe erwidert, daß, wenn dem so sei, eine Ver­ abredung mit Belgien, was man mit England und Hol­ land zu beschließen gedächte, doch anginge, um Belgiens Zutritt zu dieser Allianz sich dahin zu versichern, wenn Frankreich es an greift, also seinerseits die Neutralität nicht respektiert. 2. Wenn man vor Schwierigkeiten rekuliere, so ge­ schehe, was Napoleon nur wünschen könne, nämlich daß er uns überrascht, die andern sich verblüfft ansehen, und — le fait accompli anerkennen.

heimnis muß gehandhabt werden. Auch dürften die gewöhnlichen diplomatischen Organe dabei lieber aus dem Spiel zu lassen sein zur Entamierung der Verhand­ lungen. Sollte England sich weigern, eine solche Allianz zu zeichnen, so dürfte die Zeichnung zwischen Preußen, Belgien und Holland genügen vorläufig. IV. Wird Preußen diese Allianz betreiben?

128. An

Generalleutnant Joseph Radowitz

Maria von

83[erlinlz den 13. November 1852

Infolge unserer Unterredung habe ich mich veranlaßt gesehen, ein P(ro) M(emoria) für den König und Man­ teuffel aufzusetzen, dessen Abschrift ich Ihnen anliegend sendet Sie werden sehen, daß ich mich mit fremden Federn schmückte, enfin, es ist geschehen. Manteuffel findet das alles sehr richtig, sagt aber, daß die ewige belgische Neutralität einer Allianz ent­ gegenstehe; daß Hollands König napoleonistische Velleitäten bemerkbar mache, und daß England ssich die Hände nicht binden werdet2. 1. Ich habe erwidert, daß, wenn dem so sei, eine Ver­ abredung mit Belgien, was man mit England und Hol­ land zu beschließen gedächte, doch anginge, um Belgiens Zutritt zu dieser Allianz sich dahin zu versichern, wenn Frankreich es an greift, also seinerseits die Neutralität nicht respektiert. 2. Wenn man vor Schwierigkeiten rekuliere, so ge­ schehe, was Napoleon nur wünschen könne, nämlich daß er uns überrascht, die andern sich verblüfft ansehen, und — le fait accompli anerkennen.

3. Wenn König Wilhelm III. konfuse Velleitäten zeige, so müsse er mit der Sprache heraus, wenn man mit ihm unterhandelt und wenn, wie ich 4. selbst annehme, daß England sich die Hände durch eine unterschriebene Allianz nicht binden wird, so werde seine Einwirkung auf Holland, sich mit Preußen zu alliieren, doch auf jeden Fall anzustreben sein. Manteuffel sagt zuletzt, er sei nicht abgeneigt, die Sache näher ins Auge zu fassen. Der König hat mir noch nichts erwidert. Ich bitte um Rückgabe der Anlage. 1 Liegt nicht bei. — 2 Satzschluß ist bei Übergang aus die nächste Seite ausgefallen.

129. An

Handelsminister

August v. der

Heydt1

Berlin, den 21. November 1852

Für die so ungemein interessante Mitteilung der Eisen­ bahnkorrespondenz sage ich Ihnen meinen besten Dank. Im Prinzip bin ich ganz mit Ihnen einverstanden, daß die großen Eisenbahnverbindungen von Staats wegen künftig gebaut werden müssen und die notwendigsten Linien nach und nach aus Privat- in Staatshände übergehen müssen2. Kleinere Linien kann man den Privaten über­ lassen. Hierzu wird sich trotz Bodelschwinghs Behauptung eine Grenzlinie finden lasfen. überhaupt bin ich entsetzt über Bfodelschwinghsj stereotype Verneinungen!2, in denen sich ein ökonomischer Departementschef, aber kein preußjischerj Staats minister erkennen läßt. Politisch halte ich die Luxemburg—Trierer—Saar­ brücker Linie für die nötigste. Dann folgt Sieg-Ruhr, aber mit unmittelbarer Fortsetzung nach Wiesbaden

3. Wenn König Wilhelm III. konfuse Velleitäten zeige, so müsse er mit der Sprache heraus, wenn man mit ihm unterhandelt und wenn, wie ich 4. selbst annehme, daß England sich die Hände durch eine unterschriebene Allianz nicht binden wird, so werde seine Einwirkung auf Holland, sich mit Preußen zu alliieren, doch auf jeden Fall anzustreben sein. Manteuffel sagt zuletzt, er sei nicht abgeneigt, die Sache näher ins Auge zu fassen. Der König hat mir noch nichts erwidert. Ich bitte um Rückgabe der Anlage. 1 Liegt nicht bei. — 2 Satzschluß ist bei Übergang aus die nächste Seite ausgefallen.

129. An

Handelsminister

August v. der

Heydt1

Berlin, den 21. November 1852

Für die so ungemein interessante Mitteilung der Eisen­ bahnkorrespondenz sage ich Ihnen meinen besten Dank. Im Prinzip bin ich ganz mit Ihnen einverstanden, daß die großen Eisenbahnverbindungen von Staats wegen künftig gebaut werden müssen und die notwendigsten Linien nach und nach aus Privat- in Staatshände übergehen müssen2. Kleinere Linien kann man den Privaten über­ lassen. Hierzu wird sich trotz Bodelschwinghs Behauptung eine Grenzlinie finden lasfen. überhaupt bin ich entsetzt über Bfodelschwinghsj stereotype Verneinungen!2, in denen sich ein ökonomischer Departementschef, aber kein preußjischerj Staats minister erkennen läßt. Politisch halte ich die Luxemburg—Trierer—Saar­ brücker Linie für die nötigste. Dann folgt Sieg-Ruhr, aber mit unmittelbarer Fortsetzung nach Wiesbaden

und Coblenz. Es folgen nun 3. Glogau—Breslau—Posen und die beiden Rhein—Hannovrifschens, 4. Kreuz—Cüstrin und Bromberg—Thorn; 5. Rhein—Brücken. Eine Anleihe erscheint mir unerläßlich und sehr ak­ zeptabel nach Ihrem Verzinsungsprojekt. Eine Anleihe zu allen möglichen Kriegsbereitschaften scheint aber ebenso nötig, denn zu den Kriegsvorbereitungen gehören auch die raschen Kommunikationsmittel. Es tut mir leid, Sie heute nicht mehr sprechen zu können, da ich heute abend abreise. 1 H.-A. — 2 Bgl. Bergengrün, Staatsminister August Frh. van der Heydt, S. 166 ff. — 3 Bgl. ebenda, S. 184 ff.

130. An

den Gesandten in London Karl Josias v. Bunsen

Christian

Coblenz, den 30. November 1852 1

Indem ich Ihnen für Ihre Zeilen vom 15. d. M. bestens danke, sende ich Ihnen anliegend die hier Vorgefundenen Abschriften zurück, die mich ungemein interessiert haben. Außerdem habe ich Ihren ersten Brief noch vom 18. an den König über die große Feier des großen Toten gelesen 2, der mich wahrhaft ergriff! — sowie auch noch eine andere Depesche über die griechische Frage. Seit Palmerstons Siege ist das Ministerium vorläufig befestigt, aber eine solche Hilfe verhilft auch zu einem solchen Associe, und das wäre in diesem Moment sehr zu beklagen, denn, wenn auch nach Ihrer Schilderung P. im allgemeinen die jetzige Politik aufrechterhalten und die Armierung gutheißen wird, fo ist doch vom Auslande zu diesem Mann kein Ver­ trauen zu fassen. Anliegend sende ich Ihnen s. p. r. ein P[ro] M[emoria],

und Coblenz. Es folgen nun 3. Glogau—Breslau—Posen und die beiden Rhein—Hannovrifschens, 4. Kreuz—Cüstrin und Bromberg—Thorn; 5. Rhein—Brücken. Eine Anleihe erscheint mir unerläßlich und sehr ak­ zeptabel nach Ihrem Verzinsungsprojekt. Eine Anleihe zu allen möglichen Kriegsbereitschaften scheint aber ebenso nötig, denn zu den Kriegsvorbereitungen gehören auch die raschen Kommunikationsmittel. Es tut mir leid, Sie heute nicht mehr sprechen zu können, da ich heute abend abreise. 1 H.-A. — 2 Bgl. Bergengrün, Staatsminister August Frh. van der Heydt, S. 166 ff. — 3 Bgl. ebenda, S. 184 ff.

130. An

den Gesandten in London Karl Josias v. Bunsen

Christian

Coblenz, den 30. November 1852 1

Indem ich Ihnen für Ihre Zeilen vom 15. d. M. bestens danke, sende ich Ihnen anliegend die hier Vorgefundenen Abschriften zurück, die mich ungemein interessiert haben. Außerdem habe ich Ihren ersten Brief noch vom 18. an den König über die große Feier des großen Toten gelesen 2, der mich wahrhaft ergriff! — sowie auch noch eine andere Depesche über die griechische Frage. Seit Palmerstons Siege ist das Ministerium vorläufig befestigt, aber eine solche Hilfe verhilft auch zu einem solchen Associe, und das wäre in diesem Moment sehr zu beklagen, denn, wenn auch nach Ihrer Schilderung P. im allgemeinen die jetzige Politik aufrechterhalten und die Armierung gutheißen wird, fo ist doch vom Auslande zu diesem Mann kein Ver­ trauen zu fassen. Anliegend sende ich Ihnen s. p. r. ein P[ro] M[emoria],

welches ich dem Könige und Manteuffel vorlegte, und was hauptsächlich die Frage ins Auge faßt: was die Groß­ mächte tun würden, wenn der Werde-Kaiser von Über­ morgen einen coup de tete nach Belgien unternimmt, wissend, daß dies kein casus belli wäre? Ein wirklicher Kriegseinfall in Belgien ist der europäische Krieg. Aber eine Pointe, wie ich sie darstelle, überrascht, verblüfft, und — le fait accompli wird stillhandelnd wenn auch nicht stillschweigend hingenommen! Darum dringe ich auf eine Allianz, mindestens Verständigung der Mächte: Preußen, England, Belgien und Holland. — Man hat mir erwidert: England bindet sich nie im voraus die Hände durch eine Allianz; Belgien darf keine Allianz schließen, bevor nicht seine ewige Neutralität verletzt ist; Holland hat eine halb unzurechnungsfähige Monarchie, die im Trüben fifcht, also zu keiner Allianz die Hand bietet. — Meine Antwort ist, daß in dieser Darstellung das: oser — seitens des Präsidenten Begründung findet. Ich verlange also trotzdem, daß man mit Holland sich ein­ ließe, damit es sich aussprechen muß, denn wir können einen unsicheren Nachbarn nicht in Flanke und Rücken liegen lassen, wenn wir in Belgien einrückten. England muß auf Holland wirken, cause commune mit uns für Belgien zu machen le cas echeant; ist nur diese Verstän­ digung unter uns dreien erfolgt, dann muß man Belgien auffordern, einer folchen Besprechung beizutreten, wenn Frankreich es überrumpeln will, d. h. eine quadruple Allianz ist besprochen und im entsprechenden Moment un fait accompli. Rußland und Österreich können das nur gutheißen. Aber Preußen muß den Impuls geben, um sich selbständig zu fühlen und zu zeigen und zu

beweisen, daß es einer selbständigen Auffassung in der höheren Politik noch fähig ist! Das ist meine HauptTendenz hierbei. — Der König will dies auf der KaiserKonferenz in London zur Sprache bringen, dann ist es aber keine selbständige Handlung Preußens, sondern nur ein preußischer Vorschlag! Was meinen Sie zu dem allen?3. 1 Eingangsvermerk vom 5. Dezember. — 2 Beisetzung des Herzogs von Wellington am 18. November. — 3 Bunsen schrieb am 16. Dezember: Die Denkschrift des Prinzen habe in Berlin gewirkt, aber nicht, wie er es wünschte. Er solle England zu einem Bündnis mit Preußen auffordern, um gemeinsam Belgien und Holland zu schützen mit gegenseitiger Garantie, alles dies in 14 Tagen. Dann sollten es die beiden Kaiser als fait accompli erfahren.

131. An Karl Frh. v. Viucke-Olbendorf Eoblenz, den 30. November 1852

Vielen Dank für Ihre Mitteilungen. Was Sie mir über die Wahlumtriebe schreiben, wundert mich nicht und ich wundere mich nur , daß Sie sich darüber wundern! Sie kennen meine Überzeugung schon so lange von diesem Repräsentationssystem, daß ich Ihnen nur zu wieder­ holen vermag, daß niemals in demselben die wahre Stimme des Volkes sich abspiegeln kann. Dies könnte nur ge­ schehen, wenn man jedermann die freie Wahl ließe. Da daraus aber ein Chaos oder der Turmbau zu Babel entstehen würde, so muß Einschränkung stattfinden, und in dieser sucht sich nun jeder Kandidat als den Besten darzustellen und den Nachbar zu verdächtigen. Dies ist das Konterfei dieser Jnstttution, und das soll man Volks­ stimme nennen?? Wir mokieren uns über die Umtriebe

beweisen, daß es einer selbständigen Auffassung in der höheren Politik noch fähig ist! Das ist meine HauptTendenz hierbei. — Der König will dies auf der KaiserKonferenz in London zur Sprache bringen, dann ist es aber keine selbständige Handlung Preußens, sondern nur ein preußischer Vorschlag! Was meinen Sie zu dem allen?3. 1 Eingangsvermerk vom 5. Dezember. — 2 Beisetzung des Herzogs von Wellington am 18. November. — 3 Bunsen schrieb am 16. Dezember: Die Denkschrift des Prinzen habe in Berlin gewirkt, aber nicht, wie er es wünschte. Er solle England zu einem Bündnis mit Preußen auffordern, um gemeinsam Belgien und Holland zu schützen mit gegenseitiger Garantie, alles dies in 14 Tagen. Dann sollten es die beiden Kaiser als fait accompli erfahren.

131. An Karl Frh. v. Viucke-Olbendorf Eoblenz, den 30. November 1852

Vielen Dank für Ihre Mitteilungen. Was Sie mir über die Wahlumtriebe schreiben, wundert mich nicht und ich wundere mich nur , daß Sie sich darüber wundern! Sie kennen meine Überzeugung schon so lange von diesem Repräsentationssystem, daß ich Ihnen nur zu wieder­ holen vermag, daß niemals in demselben die wahre Stimme des Volkes sich abspiegeln kann. Dies könnte nur ge­ schehen, wenn man jedermann die freie Wahl ließe. Da daraus aber ein Chaos oder der Turmbau zu Babel entstehen würde, so muß Einschränkung stattfinden, und in dieser sucht sich nun jeder Kandidat als den Besten darzustellen und den Nachbar zu verdächtigen. Dies ist das Konterfei dieser Jnstttution, und das soll man Volks­ stimme nennen?? Wir mokieren uns über die Umtriebe

in Frankreich, um Millionen Stimmen zu konzentrieren, und vergessen darüber, daß wir es ebenso machen. Die Regierung sucht ihre Kandidaten, die Opposition die ihrigen auf alle mögliche Art durchzubringen. Wo ist da der Unterschied? Und in dem edlen England, wie werden da nicht die Stimmen durch Gastmahle und Trink­ gelage gewonnen! Eine allgemeine Richtung ist stets die vorherrschende im Volke, und die vermag kein Mittel zu ändern; jetzt ist diese konservativ und nicht demokratisch, folglich triumphieret erstere und letztere boudieret, und nur dies ist ein Zeichen der Zeit. Und wäre die Majorität in den Kammern jetzt liberal, so würde sie dennoch nicht die Volksrichtung derselben.

132. An Handelsminister August v. der Heydt Coblenz, den 16. Dezember 1852

Die Niellonsche Eisenbahnunterhandlung mit Nassau 1 hat infolge unseres Refus, die Wiesbaden—Limburger Bahn für jetzt fortzufetzen und zu konzessionieren, die Folge gehabt, daß Nassau von dieser Linie abstrahiert und dagegen die im Rheintale bis Lahnstein dem Mellon konzessioniert hat. Die Vermessungs-pp.-Arbeiten sind in vollem Gange. Wenngleich in diesem Beschluß, dem die Klausel anhing, der Herzog von Nsassau^I überließe der Kompanie die Wahl zwischen Limburg-pp.-und RheintalBahn, — eine Ranküne gegen uns liegen kann, so kann er ebensogut ein Schreckschuß sein sollen, um uns zum Nach­ geben zu zwingen. Zu leugnen ist nicht, daß Nassau uns eine Zwickmühle spielen kann. Nämlich: baut es wirklich im Rheintal, so ist die einstige Fortsetzung im Preußischen fast unmöglich dann anders zu übernehmen, als gleich-

in Frankreich, um Millionen Stimmen zu konzentrieren, und vergessen darüber, daß wir es ebenso machen. Die Regierung sucht ihre Kandidaten, die Opposition die ihrigen auf alle mögliche Art durchzubringen. Wo ist da der Unterschied? Und in dem edlen England, wie werden da nicht die Stimmen durch Gastmahle und Trink­ gelage gewonnen! Eine allgemeine Richtung ist stets die vorherrschende im Volke, und die vermag kein Mittel zu ändern; jetzt ist diese konservativ und nicht demokratisch, folglich triumphieret erstere und letztere boudieret, und nur dies ist ein Zeichen der Zeit. Und wäre die Majorität in den Kammern jetzt liberal, so würde sie dennoch nicht die Volksrichtung derselben.

132. An Handelsminister August v. der Heydt Coblenz, den 16. Dezember 1852

Die Niellonsche Eisenbahnunterhandlung mit Nassau 1 hat infolge unseres Refus, die Wiesbaden—Limburger Bahn für jetzt fortzufetzen und zu konzessionieren, die Folge gehabt, daß Nassau von dieser Linie abstrahiert und dagegen die im Rheintale bis Lahnstein dem Mellon konzessioniert hat. Die Vermessungs-pp.-Arbeiten sind in vollem Gange. Wenngleich in diesem Beschluß, dem die Klausel anhing, der Herzog von Nsassau^I überließe der Kompanie die Wahl zwischen Limburg-pp.-und RheintalBahn, — eine Ranküne gegen uns liegen kann, so kann er ebensogut ein Schreckschuß sein sollen, um uns zum Nach­ geben zu zwingen. Zu leugnen ist nicht, daß Nassau uns eine Zwickmühle spielen kann. Nämlich: baut es wirklich im Rheintal, so ist die einstige Fortsetzung im Preußischen fast unmöglich dann anders zu übernehmen, als gleich-

falls im Rheintal am rechten Ufer fortzubauen. Dies ist in militärischer Beziehung ganz ungemein ungünstig, weil ein französsischesf Detachement im Kriege hinreicht, um die Communication jenseits zu beschließen, d. h. vom linken zum rechten Ufer, und durch Übersetzen von wenigen Mannschaften in jeder Nacht die Eisenbahn zerstört wer­ den kann. Wollen wir also diesem großen llbelstande aus dem Wege gehen, so müssen wir auf die Limburger Bahn dringen. Darin liegt also die Zwickmühle: entweder wir werden gezwungen, dereinst im Rheintal selbst zu bauen, oder wir müssen jetzt die Fortsetzung der Wies­ baden—Limburger konzessionieren. Denn ist erst die Wiesbadener Rheintal-Bahn bis Lahnstein fertig oder angefangen, so wird sich niemand finden, der nun eine Lahn-Bahn bis Limburg und darin über den Westerwald zur Sieg bauen könnte. Um aber der Wiesbaden—Rheintal-Bahn sofort ent­ gegenwirken zu können, müßte von Bundes wegen dieser Bau untersagt werden, aus denselben Gründen, die ich gegen das Fortbauen im preußischen Rheintal an­ führte. Ich werde dieserhalb sofort an Bismarck Schön­ hausen schreiben. Aber auch wir könnten dem Niellon sogleich wissen lassen, daß im preußischen Gebiete seine Rheintalbahn niemals fortgesetzt werden und keiner preu­ ßischen Dampfschiffahrts-Gesellschaft die Konzessionen zum Anlegen am Endpunkt dieser Bahn zu Lahnstein jemals erteilt werden würde.

1 Stunde später. Soeben verläßt mich eine nassauische Deputation mit Herrn Hergenhahn an der Spitze, um nochmals zu bitten,

das Unheil der Rheintal-Bahn für ihr Land abzuwehren durch Konzesfionierung der Niellonschen Limburger Bahn. Ich habe nur die früher von Ihnen ausgesprochene An­ ficht wiederholt, warum aus politischen Rücksichten diese Konzession in diesem Moment nicht möglich sei. Aber hin­ weisend auf die Verständigung zwischen Preußen und Österreich in der Zollfrage, die binnen kurzem hoffentlich eintreten werde [: aber nur mit preußischer Konsequenz:^ riet ich den Herren, alles anzuwenden, daß die Aktien­ zeichnung in London noch hinausgeschoben werde, damit, wenn die Zollverständigung stattgefunden hat und somit Friede zwischen Preußen und Nassau eintritt, — das Feld noch offen ist, um dann die gegen­ seitige Konzession zur Limburger Bahn ein­ treten zu lassen. Wenn diese Ansicht bei Ihnen vor­ waltet, so bitte ich, mir dies vielleicht mit wenig Worten telegraphieren zu lassen, weil General Mellon wahrscheinlich auf eine solche Aussicht hin die Aktienzeichnung hinaus­ schieben wird. Dies wäre das Wünschenswerteste, indem alsdann unsere und die nassauischen Interessen gleich­ mäßig, wenn auch etwas später, realisiert werden. Und es ist wohl wichtig, daß Preußen am Ende dem Länd­ chen Nassau den Vorteil verschafft, den ihm fein Regent aus antagonistischer Politik gegen Preußen vorenthält, wodurch das Ländchen dereinst, malgre son souverain, zufriedengestellt wird. Dieser Gesichtspunkt wiegt nicht gering in unserer Waagschale! Nun noch ein Wort in der Zollfrage, in der Jhnen^ den Zeitungen nach, die Unterhandlungen mit Bruck über­ tragen sind. Es liegt in Ihrer Hand, das Geschick Preußens triumphierend aus diesem jahrelangen Kampf hervorgehen.

zu sehen oder — neue Schmach ä la Olmütz über uns heraufzubeschwören!! Brucks gescheute Intrigen in Ver­ bindung mit der Liebenswürdigkeit des nun persönlich erschienenen Kaisers von Österreich ist die letzte Mine, die gegen uns geladen wird. Die Sache ist vortrefflich ein­ geleitet. Vor der Welt ist der Schein einer bereits voll­ führten Verständigung durch die Reife des Kaisers nach Berlin hingestellt; denn, muß ein jeder sich sagen, wie würde der Kaiser diesen Besuch machen, wenn nicht die Verständigung vorhergegangen ist. Da diese aber noto­ risch nicht vorhergegangen ist, so muß sie nachfolgen und zwar zum Triumph Österreichs, weil ja sonst diese Reise eine rasende Kompromittierung sein würde. Dies ist der feine Hebel, der gebraucht werden wird, um uns von einer Konzession zur anderen zu zwingen. Jedermann wird, der nicht Preuße ist, auf Sie eindringen mit der Vorstellung, daß nach einem so eklatanten Akte wie der Besuch in Berlin, es nun auch an Preußen sei, eklatante Schritte folgen zu laffen, die eine Anerkennung der Reise beweisen. Lassen wir uns durch dies alles verblenden und verführen und werden in unsrer bisher brillant bewahrten Konsequenz in der Zollfrage, die uns alle Stimmen außer die der Re­ genten zugeführt hat, — jetzt inkonsequent, so ist unser Ansehen vor der Welt ärger gebrochen als in Olmütz, alles Vertrauen, das sich mühsam zu uns wieder erhebt, ist von neuem und auf sehr, sehr lange gebrochen, und das mit vollem Rechte! Denn in dieser Frage stehet das Recht und die öffentliche Meinung ganz auf unserer Seite. Also: Konsequenz, Energie, Festigkeit und Würde dem letzten schlauen Angriff entgegengefetzt! Nrir Mut und preußi­ sches Ehrgefühl im Herzen, und wir sind und bleiben Herren

der Situation und

gehen als Sieger aus dieser Visite

hervor. Eine ungeheure Verantwortlichkeit liegt in Ihrer Hand und derer, die mit Ihnen in dieser Frage zu handeln haben, denen Sie diese Zeilen zeigen wollen. Jetzt oder niemals müssen wir, bei aller Form und Höflichkeit, über Österreich triumphieren! Gott gebe seinen Segen! 1 Es handelte sich zunächst um die Konzession zum Bau einer Bahn von Wiesbaden über Taunus und Westerwald nach Deutz für eine eng­ lisch-belgische Gesellschaft vertreten durch den belgischen Generalmajor a. D. Niellon.

133. An

den Gesandten in London Karl Josias v. Bunsen

Christian

Coblenz, den 16. Dezember 1852

Aus Aachen per Telegraph benachrichtigt, daß der Kurier statt dem 16. erst den 18. zurückkehrt, sende ich Ihnen heute Ihre interessanten Expeditionen vom 2. d. M. anliegend zurück. Aus Versehen haben Sie die versprochene Toast-Depesche Ihres Generals Dines nicht beigelegt und dieselbe mit der Nr. 219 verwechselt; vielleicht senden Sie mir den Toast noch nachträglich. Die Position des engli­ schen Ministeriums hat sich bis heute nicht wesentlich ge­ ändert seit jener Expedition, und nur die Budgetfrage ist seitdem klarer geworden. Daß ich immer sagte, Derby werde im Prinzip die Peelsche Gesetzgebung annehmen, werden Sie sich erinnern, ob sein Ministerium aber durch das Budget nicht einer Modifikation unterworfen werden wird, ist eine andere Frage, die ich bejahet sehen mögte, um mehr christliches Blut im Ministerium zu sehen! Die damals noch schwebende Angelegenheit hat England

der Situation und

gehen als Sieger aus dieser Visite

hervor. Eine ungeheure Verantwortlichkeit liegt in Ihrer Hand und derer, die mit Ihnen in dieser Frage zu handeln haben, denen Sie diese Zeilen zeigen wollen. Jetzt oder niemals müssen wir, bei aller Form und Höflichkeit, über Österreich triumphieren! Gott gebe seinen Segen! 1 Es handelte sich zunächst um die Konzession zum Bau einer Bahn von Wiesbaden über Taunus und Westerwald nach Deutz für eine eng­ lisch-belgische Gesellschaft vertreten durch den belgischen Generalmajor a. D. Niellon.

133. An

den Gesandten in London Karl Josias v. Bunsen

Christian

Coblenz, den 16. Dezember 1852

Aus Aachen per Telegraph benachrichtigt, daß der Kurier statt dem 16. erst den 18. zurückkehrt, sende ich Ihnen heute Ihre interessanten Expeditionen vom 2. d. M. anliegend zurück. Aus Versehen haben Sie die versprochene Toast-Depesche Ihres Generals Dines nicht beigelegt und dieselbe mit der Nr. 219 verwechselt; vielleicht senden Sie mir den Toast noch nachträglich. Die Position des engli­ schen Ministeriums hat sich bis heute nicht wesentlich ge­ ändert seit jener Expedition, und nur die Budgetfrage ist seitdem klarer geworden. Daß ich immer sagte, Derby werde im Prinzip die Peelsche Gesetzgebung annehmen, werden Sie sich erinnern, ob sein Ministerium aber durch das Budget nicht einer Modifikation unterworfen werden wird, ist eine andere Frage, die ich bejahet sehen mögte, um mehr christliches Blut im Ministerium zu sehen! Die damals noch schwebende Angelegenheit hat England

im angedeuteten Sinne seitdem erledigt, und ich bedauere aufrichtig, daß es die selbst angebotene Gesandtenkonferenz einseitig aufgegeben hat und den Volkskaiser mit — — Herzlichkeit begrüßte!! Wo ist das alte England geblieben, das den I. Napoleon niemals anerkannte und den III. in vier Tagen!? Aufrichtig muß ich es Ihnen gestehen, dies tut mir weh! Ich habe nur einen Entfchuldigungsgrund aufzufinden gewußt, nämlich den: daß England noch nicht gerüstet ist und daher alles aufbietet, um einen zu frühen Chok zu vermeiden. Aber auch hierzu war die Malmesburysche Herzlichkeit nicht nötig. Es verschnupft diese Wendung, wie ich leider sehe, die konti­ nentalen Kabinette, die nun wieder von: keinem Verlaß auf Englands Politik — sprechen, welche Chimäre durch die Verhandlungen bis zu dieser übereilten Kaiser-Aner­ kennung sehr beseitigt war. Wie die nordische Anerkennung beliebt wird, habe ich noch nicht erfahren, ich hatte fehr geraten, sie der engli­ schen nachzuahmen, jedoch ohne: Herzlichkeit! Der neue Kaiser hat gegen Hatzfeld sehr insolente Äußerungen getan inklusive seines auswärtigen Ministers hinweisend auf die Mächte, die ihn mit retenue anerkennen würden; aus diesen procedes würde er sein Benehmen und Ver­ fahren gegen dieselben einrichten und gegen die feindlich gesinnten werde er die Propaganda loslassen! Eine stärkere Terrorisierung ist mir noch nicht vorgekommen. Indessen wird er wohl keine Veranlassung an der Hand haben, diese Loslassung eintreten zu lassen. Unsere Kammer-Wirtschaft ist in diefem Jahr noch fo unklar, daß man sich kein Bild machen kann. Die katholi­ schen Gelüste und Stellungen sind höchst beklagenswert.

Gott gebe, daß die Kaiserliche Visite in Berlin keine Pliierung in der Zollfrage nach sich ziehe. Die Visite in diesem Moment ist so pfiffig eingerichtet wie nur möglich. Man soll glauben, daß schon alles applaniert ist, währeird noch nichts geschehen ist. Aber, wird geschrieen werden, nach solcher Freundschaftserweisung muß Preußen auch ein übriges tun, und — pliieren! Dann erhält jenes Glaubenmachen Wahrheit als Resultat. Ich habe dem König, Manteuffel *, Bonin, v. d. Heydt2 stark meine Meinung geschrieben. Hingereiset bin ich nicht, da es mir freigestellt wurde, und das werden Sie begreifen.

Dem Pz. Albert danke und schreibe ich nächstens. 1 Schreiben vom 14, und 15. Dezember gedr.: v. Poschinger, Preußens auswärtige Politik II, S. 8 ff.; Berner I, S. 322 ff.; Brandenburg, S. 98. — 2 Das vorstehende Schreiben vom 16. Dezember.

134. An denselben Coblenz, den 17. Dezember 1852

Kaum eine Stunde war mein gestriger Brief an Sie fort, als ich per Telegraph den Befehl des Königs er­ hielt, mich sofort nach Berlin wegen Anwesenheit des Kaisers von Österreich zu begeben, der in dieser Stunde 12—1 dort eintrifft. Ich sende Ihnen diese Zeilen, damit Sie wissen, warum ich nun doch nach Berlin gehe; stet» willig ging ich nicht; einem königl. Befehl muß ich ge­ horchen.

Gott gebe seinen Segen, daß ich vielleicht etwas Gutes dort nütze.

Gott gebe, daß die Kaiserliche Visite in Berlin keine Pliierung in der Zollfrage nach sich ziehe. Die Visite in diesem Moment ist so pfiffig eingerichtet wie nur möglich. Man soll glauben, daß schon alles applaniert ist, währeird noch nichts geschehen ist. Aber, wird geschrieen werden, nach solcher Freundschaftserweisung muß Preußen auch ein übriges tun, und — pliieren! Dann erhält jenes Glaubenmachen Wahrheit als Resultat. Ich habe dem König, Manteuffel *, Bonin, v. d. Heydt2 stark meine Meinung geschrieben. Hingereiset bin ich nicht, da es mir freigestellt wurde, und das werden Sie begreifen.

Dem Pz. Albert danke und schreibe ich nächstens. 1 Schreiben vom 14, und 15. Dezember gedr.: v. Poschinger, Preußens auswärtige Politik II, S. 8 ff.; Berner I, S. 322 ff.; Brandenburg, S. 98. — 2 Das vorstehende Schreiben vom 16. Dezember.

134. An denselben Coblenz, den 17. Dezember 1852

Kaum eine Stunde war mein gestriger Brief an Sie fort, als ich per Telegraph den Befehl des Königs er­ hielt, mich sofort nach Berlin wegen Anwesenheit des Kaisers von Österreich zu begeben, der in dieser Stunde 12—1 dort eintrifft. Ich sende Ihnen diese Zeilen, damit Sie wissen, warum ich nun doch nach Berlin gehe; stet» willig ging ich nicht; einem königl. Befehl muß ich ge­ horchen.

Gott gebe seinen Segen, daß ich vielleicht etwas Gutes dort nütze.

135. An denselben Coblenz, den 29. Dezember 1852

Ihre Expedition vom 16. erhielt ich noch in Berlin, was mir von großer Wichtigkeit war, weil ich Ihre Depeschen wegen des Getriebes nicht zu sehen bekommen habe. Ich freue mich, wenn meine Denkschrift zu der Ihnen ge­ wordenen Instruktion beigetragen hat \ Ich sprach dem König von Ihren Antworten, die er freilich nicht ganz genügend fand, aber hinzusetzte, Sie würden angewiesen werden, beim neuen Ministerium die Sache zu wieder­ holen. Ich meinerseits finde Malmesburys Antwort genügend. Wenn er auch sich die Hände nicht binden wollte, was meine Denkschrift vorhersah, so erklärte er doch Belgiens, Preußens und Westdeutschlands Grenze als durch Eng­ lands Ehre geschützt. Er war ferner einverstanden, daß man mit Holland anknüpfen solle, auf das England in gleichem Sinne wirke, und wünscht, daß wir mit Westdeutschland gleichfalls uns verständigen, also die Kräfte daselbst in die Hand nehmen. Das alles ist mir völlig recht und werde ich unablässig darauf zu wirken suchen. Daß sich England vis ä vis der italienischen Eventualitäten die Hände nicht binden würde, war vorherzusehen, gehört aber auch nicht in meinen jetzigen Plan. Ich schreibe über dies alles in der Anlage auch dem Prinz Albert, die ich zu übermachen Sie ersuche. Die Protestation vom 3., von den vier Gesandten^ unterschrieben, genügte mir vollkommen; der König tadelt den einen Passus, der zu sehr nach Gutheißung der Volksfouveränität aussähe. Österreich soll aber ganz wild darob fein!

Die Kaiserliche Visite scheint ganz zu unserem Sieg auszuschlagen. Dann kann sie mich nur freuen, daß sie erfolgte, und jedenfalls ist sie eine Soumission unter Preußen, und so müssen wir sie ausbeuten. Man war in jenen Tagen ganz fest und konsequent in der Zollfrage, trotz allem Murren und — Jmpertinenzien — Brucks. Möge man es nur jetzt auch bleiben, dann steigen unsere Aktien bedeutend. Daß Napoleon III. übrigens siehet, daß der Kontinent einig sein will, ist eine Friedensga­ rantie. Trotz dem allen trau ich Österreich nicht mehr wie zuvor. Allerdings glaube ich, daß es momentan sein Ge­ lüste, uns auf die Stufe vor 1740 zurückzudrängen, in den Hintergrund treten läßt, aber aufgeben wird es das­ selbe nicht. Und, seien wir gerecht. Auch wir lassen unsere Aufgabe, die uns seit 1740 gestellt ist, auch nur momentan ruhen, ohne sie aufzugeben. Die Zeit einst wird zeigen, welche von beiden Ruhenden zum Leben zurückkehren soll und blühen wird?? Ihr Räsonnement über die Notwendigkeit, daß bei einer französischen Landung in England dies zu seiner Verteidigung auf sich selbst und auf seine eigenen Kräfte angewiesen ist, und wie eine Unterstützung durch Konti­ nentaltruppen aus denen von Ihnen angeführten Gründen zur Unmöglichkeit wird, — unterschreibe ich durchaus. Aber es drängt sich dabei doch eine andere Frage auf. Wir Kontinentalen verlangen bei einer französischen Invasion Belgiens und Deutschlands stets die Gewißheit, daß Eng­ land uns helfen soll. Liegt es denn da nicht in der Rezi­ prozität, daß der Kontinent im umgekehrten Falle auch England helfe?? Da eine materielle Unterstützung aus den von Ihnen dargelegten Gründen nicht möglich ist

in England selbst durch Kontinentaltruppen, würde da nicht eine Verbindlichkeit vom Kontinent zu übernehmen sein, eine französische Landung in England durch eine Kriegserklärung der nordischen Mächte an Frankreich zu paralysieren? Der Gedanke mag neu sein, er ist aber, scheint mir, so in der Billigkeit begründet und in der Rezi­ prozität, daß man ihm doch nachgehen müßte. Aus Ihrem angeführten Räfonnement gehet hervor, daß die Unter­ stützung des Kontinents für England doch fchon zur Diskufsion gestellt sein muß. Und ich begreife dies sehr wohl, da England immer vom Kontinent gedrängt wird, seine Hilfe uns zu leihen und wir dieselbe auch in Italien sehen mögten, für Österreich. In dem Widerstände Englands, in letzterer Beziehung sich zu binden, liegt freilich dieselbe Schwierigkeit, Österreich zu meinem Plan geschmeidig zu machen. Österreich wird und kann allerdings mit einigem Schein von Recht sagen: wenn 1815 auch der gegenseitige Territorialbesitz garantiert ist, so beziehe sich dies viel mehr auf die neu zufammengesetzten und vergrößerten Staaten, als auf das unverändert gebliebene alte England; aber auf dessen neue Aquisitionen beziehet sich doch auch die Garantie? Daß mein Plan indessen ohne Österreich nicht ausführbar ist, indem nach demfelben die französische Landung in England einen kontinentalen Krieg nach sich ziehet, zu dem doch mindestens die drei nordischen Staaten und Deutschland gehören, — ist einleuchtend. Wie wäre nun Österreich dazu zu bestimmen? Am leich­ testen, wenn England die Integrität der österreichischen Staaten garantierte. Hiergegen sträubt es sich bisher stillschweigend. Aus welchem Grunde? Wünscht es aus höheren politischen Gründen, Österreichs Macht geschwächt

zu sehen und dadurch das europäische Gleichgewicht zu ändern? Oder ist es mehr eine Animosität gegen die Regierung und deren Formen, also zuletzt gegen die Per­ sonen, welche die Träger dieses Systems sind? In der Erledigung dieser Fragen liegt die Möglichkeit des Ge­ lingens meiner Idee. Die Veränderung des europäischen Gleichgewichts könnte nur zugunsten Preußens ausschlagen, und das bin ich ganz zufrieden. Es fragt sich nur, ob dies zu erlangen ist, indem man Österreich vertilgt oder nur schwächt. Das erstere ist eine Unmöglichkeit; letzteres dagegen möglich. Ist nun also Preußens Interesse, daß Ostreich seine italienischen Staaten verlöre, um schwächer zu werden? Ich glaube ja. Gewinnt Preußen dadurch aber schon an Macht und Größe? Ich glaube nein, denn eine Ländervergrößerung nach der Seite ist nicht an­ gänglich. Preußens Vergrößerung gehet nach einer andern Seite hin, und da dieses vorläufig keine Ländereroberung beabsichtigen kann, so muß es moralische (: politische:) Eroberungen in Deutschland machen. Es fragt sich also: liegt es in Preußens jetziger Politik, Österreich durch Be­ günstigung der Entreißung seiner italienischen Besitzungen zu schwächen, oder ist es für jetzt für Preußen wichtiger, Österreich zu gewinnen zu einer kontinentalen Operation gegen Frankreich, wenn dieses England angreift? Ich bin begierig, Ihre Ansicht hierüber zu hören. Die eigentlich doch unerwartete Ministerkrisis in Eng­ land, die Sie und ich nur auf christlichere Elemente sich beschränken werdend annahmen, ist also eingetreten und wir sehen eine — monströse — Fusion! Bei derselben fällt mir stets Stokmars Ansicht ein, daß nach dem Tode Peels es in England nur darauf ankommen könne, Torrys

und Whigs wieder streng herzustellen und die Peels-Fu­ sion aufzugeben, indem dieselbe ohne die Seele ihres Schöpfers nicht mehr lebenskräftig sei und England nur in jener strengeren Scheidung seiner politischen Parteien gedeihen werde. Dies war mit Derbys Ministerium be­ absichtigt. Jetzt ist grade das Gegenteil geschehen. Man muß also sehen, ob die Fusion in England auf die Dauer möglich ist. Es sind zu diesem Versuche alle möglichen Kapazitäten vereinigt worden und die Sache wird sehr interessant. Die Erscheinung Lord John Russels und Palmerstons in dieser Kombination verschnupft unbe­ dingt den Kontinent, und auch ich auguriere nicht viel Er­ sprießliches davon! Lord Aberdeens Charakter allein kann dieser Befürchtung die Spitze nehmen. In einer Unterredung, die ich mit dem jungen Kaiser in Berlin hatte, also noch vor Kenntnis der neuen Mi­ nisterkombination, trat u. a. auch die Gereiztheit gegen England hervor über die einseitige, rasche und herzliche Anerkennung Napoleons, sowie über die Protestation vom 3. Dezember3. Wenngleich ich über den ersten Punkt (: letzteren kannte ich in dem Moment der Unterredung noch gar nicht:) ihm beistimmen mußte, so machte ich ihn doch darauf aufmerksam, wie es dennoch die Aufgabe der drei Großmächte sei, mit England zusammenzuhalten, da dessen Gewicht doch schwer und entscheidend in der Waagschale wiege. Länger und ausführlicher behandelte ich diesen Gegenstand mit Graf Thun, dem ich über seine Ausfälle gegen England ziemlich ernst ripostierte. Auf meine Bemerkung gegen den Kaiser, daß er ja selbst die Gesandtenkonferenz, die zu einer gemeinschaftlichen An­ erkennung von England vorgeschlagen worden sei, refüsiert

habe, erwiderte er: eigentlich refüsiert habe ich sie nicht; ich fand nur die Vollmacht, die wir den Gesandten geben sollten, zu weitgehend, und dann wollte ich Rußlands Ansicht kennen und daher temporisieren. Sie sehen, ich habe die kurze Unterredung nicht un­ benutzt gelassen. Der Kaiser gab mir die erste Nachricht vom Falle des Ministeriums Derby (: y26 Uhr nachm. am 17. Dezember:), als er mir seine Visite nach dem großen Diner machte, zu dem ich gerade angelangt war um 1/22 Uhr. Was übrigens die Zeitungen von Enthusiasmus der Ber­ liner berichten, so ist dieser sehr mäßig gewesen; das Publi­ kum war freundlich, anständig und nur hin und wieder ein Vivat, nicht zu vergleichen mit dem Empfang des Kaifers Nikolas. Beim Galatheater war gar kein Empfang, weü es, zum ersten Male, ein ganz eingeladenes Publikum war. Dagegen war am 19. ein Publikums­ applaus, der wohl grade arrangiert war, weil er am 17. unterbleiben mußte. Ich muß dem sonst gesinnungs­ losen Berliner eine gemessene und anständige Haltung nachrühmen. Den 2. Januar 1853

Meine herzlichsten Wünsche für Sie und die Ihrigen beim Jahreswechsel. Wir haben die Freude gehabt, Ihre Söhne hier zu sehen. — Unsere napoleonische Anerkennungs­ note finde ich sehr passend, nobel und sich doch nichts ver­ gebend und nichts provozierend. 1 Vgl. oben Nr. 130, Anm. 3. — 2 Bunsen, Brunnow, Lord Malmes­ bury und Graf Colloredo unterzeichneten in London am 3. Dezember ein Protokoll, in welchem die vier Mächte die Gleichheit ihrer Grundsätze in Beziehung auf die Erhaltung der Territorialbasis aussprachen. — 3 Vgl. Anm. 2.

136. An

Karl Frh. v. Vincke-Olbendorf Coblenz, den 2. Januar 1853

Vielen Dank für Ihre Wünsche beim Jahreswechsel, die ich Ihnen bestens zurückgebe, hoffend, daß es auch Ihnen in dem neuen Zeitabschnitt gut gehen möge. über den Punkt des Repräsentationssystems, wie es im konstitutionellen Sinn verstanden wird, werden wir uns niemals verstehen. Eine Repräsentation, die Ideen und nicht Bedürfnisse darstellt, wird in meinen Augen nie wohltätig sein. Ihre Wahl in Trier und Arensberg, die ohne Ihr Zutun geschah, beweiset genau, was ich eben sagte. Was wissen Sie von den Bedürfnissen jener Gegenden, was von ihren Ideen [!] für Landeswohl?? Sie find vermutlich dort aufgestellt von Opponenten des Gouvernements, weil Sie selbst Opponent sind, und so ist die Wahl erfolgt, weil man dem Wähler vorerzählt hat — Sie verstünden das Wohl jener Gegenden vollkommen dem Gouvernement gegenüber zu vertreten. Kann es anders fein? Nur eine Vertretung nach den verschiedenen Bedürfnissen gewählt begreife ich, nennen Sie es Inter­ essen, Klassen, Stände etc., das ist mir gleich, aber dem Sinn nach werden Sie es verstehen. Solange aber eine Repräsentation nach Ideen, also für Theorien be­ stehet, wird sie nur Unruhe und Unsicherheit für die Völker erzeugen, da die Volksbeglückungstheorien bis jetzt noch nir­ gend Heil erzeugt haben. Freilich sagt man, daran tragen die Gouvernements die Schuld; Louis XVIII. und Charles X. verstanden sie nicht, Louis Philipp faszinierte sie, Ffriedrichj Wfilhelmj IV. begreift sie nicht usw. Dies alles sind Borwürfe gegen Gouvernements, die vollkommen einsehen,

daß sich mit der Institution, wie sie gemacht war, nicht regieren lasse, wenn man nicht untergehen wolle; und da sie sich erhalten wollten, so wurden sie gestürzt — von wem? Vom Volke? Welch' eine Verblendung; von einer Hand voll Leute, die auch die paisiblen Berliner und Wiener Bürger auf 48 Stunden verrückt machen konnten und die nur zu spät einsahen, daß sie verführt wurden! Die Vertretung, die ich will und die in Preußen be­ stehen muß nach den Edikten und Gesetzen von 1815, 1820, 1823 und 1847, ist die nach Bedürfnissen gewählte. Kam 1848 nicht, so wäre aus dem monströsen Vereinigten Land­ tag das Wahre und Richtigses entkeimt. Eine zeitgemäße revidierte Wahlordnung der Provinziallandtage und aus diesen eine gewählte Zentralversammlung, das war vor 1847 und ist auch nach 1848 mein Gedanke und mein Programm. Daß dahin nur auf legalem Wege gelangt werden muß, verstehet sich beim Eide des Königs von selbst. Eine parlamentarische Gesetzgebung, aber keine par­ lamentarische Regierung verlangt Preußen allein. — Wer auf diesem Wege gehet, der gehet mit mir.

137. An General Graf Karl v. der Gröben-Neu­ dörfchen Coblenz, den 6. Januar 1853

... sDank für Wünsche, Erlaß über die Manöver.] Der gestrige Tag, an welchem Preußen Napoleon anerkannte in Paris, ist ein schwer zu verwindendes Ereignis, vor allem für uns Preußen! Aber wer könnte anders handeln!? Die Vorsehung wird auch dies Ereignis sühnen lassen durch — Blut. Aber

daß sich mit der Institution, wie sie gemacht war, nicht regieren lasse, wenn man nicht untergehen wolle; und da sie sich erhalten wollten, so wurden sie gestürzt — von wem? Vom Volke? Welch' eine Verblendung; von einer Hand voll Leute, die auch die paisiblen Berliner und Wiener Bürger auf 48 Stunden verrückt machen konnten und die nur zu spät einsahen, daß sie verführt wurden! Die Vertretung, die ich will und die in Preußen be­ stehen muß nach den Edikten und Gesetzen von 1815, 1820, 1823 und 1847, ist die nach Bedürfnissen gewählte. Kam 1848 nicht, so wäre aus dem monströsen Vereinigten Land­ tag das Wahre und Richtigses entkeimt. Eine zeitgemäße revidierte Wahlordnung der Provinziallandtage und aus diesen eine gewählte Zentralversammlung, das war vor 1847 und ist auch nach 1848 mein Gedanke und mein Programm. Daß dahin nur auf legalem Wege gelangt werden muß, verstehet sich beim Eide des Königs von selbst. Eine parlamentarische Gesetzgebung, aber keine par­ lamentarische Regierung verlangt Preußen allein. — Wer auf diesem Wege gehet, der gehet mit mir.

137. An General Graf Karl v. der Gröben-Neu­ dörfchen Coblenz, den 6. Januar 1853

... sDank für Wünsche, Erlaß über die Manöver.] Der gestrige Tag, an welchem Preußen Napoleon anerkannte in Paris, ist ein schwer zu verwindendes Ereignis, vor allem für uns Preußen! Aber wer könnte anders handeln!? Die Vorsehung wird auch dies Ereignis sühnen lassen durch — Blut. Aber

sobald wohl nicht. Dem dritten Napoleon reüssiert ja alles im tiefsten Frieden, warum sollte er Krieg wollen? Aber kommen wird er doch, und er soll und muß uns bereit finden. Die Kaiservifite in Berlin ist, da sie zu unserm Siege ausschlug, ein günstiges Ereignis, aber auf diefen Ausgang war sie nicht angelegt. Möge man nur jetzt konsequent bleiben, dann steigen unsere Aktien tüchtig in der Welt.. . . 138. An den Gesandten in London Christian Karl Josias v. Bunsen Coblenz, den 16. Januar 1853

Anliegend übersende ich Ihnen die interessanten Piecen zurück. Aus Ihrem Schreiben und jenen Piecen, noch mehr aber aus Ihrer Depesche Nr. *, die mir Minister von Manteuffel im Original fandte, erfah ich, wie Sie die neue Gestellung der Dinge unter dem KoalitionsMinisterium betrachten und geschichtlich entwickelten2. Sie geben mir dadurch frischen Mut, den ich bis dahin nicht hatte; denn die Heterogönite dieses Ministeriums flößte mir keinen Mut, kein Vertrauen ein. Meiner Anficht nach unterfcheidet es sich vom Peelfchen dadurch, daß dies mehr torry- und das jetzige mehr v/big-Nuance enthält, ja sogar einen Radikalen2, so daß ich einmal nicht begreife, wie trotz allem guten WUlen und Patriotismus diefe Männer auf die Dauer zufammengehen können, und zum andern, daß ich vorhersehe, wie die Tendenz ultra und liberal, d. h. demokratisch werden muß. Dem vernünftigen Fortschritt, wissen Sie, bin ich immer zugetan. In einer demokrati­ sierenden Parlamentsreform sehe ich aber kein Bedürfnis in England, warum sich also einen Zustand mit Absicht herbeiziehen, der weder nötig noch heilsam ist. Als mir

sobald wohl nicht. Dem dritten Napoleon reüssiert ja alles im tiefsten Frieden, warum sollte er Krieg wollen? Aber kommen wird er doch, und er soll und muß uns bereit finden. Die Kaiservifite in Berlin ist, da sie zu unserm Siege ausschlug, ein günstiges Ereignis, aber auf diefen Ausgang war sie nicht angelegt. Möge man nur jetzt konsequent bleiben, dann steigen unsere Aktien tüchtig in der Welt.. . . 138. An den Gesandten in London Christian Karl Josias v. Bunsen Coblenz, den 16. Januar 1853

Anliegend übersende ich Ihnen die interessanten Piecen zurück. Aus Ihrem Schreiben und jenen Piecen, noch mehr aber aus Ihrer Depesche Nr. *, die mir Minister von Manteuffel im Original fandte, erfah ich, wie Sie die neue Gestellung der Dinge unter dem KoalitionsMinisterium betrachten und geschichtlich entwickelten2. Sie geben mir dadurch frischen Mut, den ich bis dahin nicht hatte; denn die Heterogönite dieses Ministeriums flößte mir keinen Mut, kein Vertrauen ein. Meiner Anficht nach unterfcheidet es sich vom Peelfchen dadurch, daß dies mehr torry- und das jetzige mehr v/big-Nuance enthält, ja sogar einen Radikalen2, so daß ich einmal nicht begreife, wie trotz allem guten WUlen und Patriotismus diefe Männer auf die Dauer zufammengehen können, und zum andern, daß ich vorhersehe, wie die Tendenz ultra und liberal, d. h. demokratisch werden muß. Dem vernünftigen Fortschritt, wissen Sie, bin ich immer zugetan. In einer demokrati­ sierenden Parlamentsreform sehe ich aber kein Bedürfnis in England, warum sich also einen Zustand mit Absicht herbeiziehen, der weder nötig noch heilsam ist. Als mir

Prinz Albert im vorigen Winter schrieb, man ginge in England einem schweren Kampf entgegen, indem eine Wahl­ reform propagiert werde, die nicht populär sei, antwortetfes ich ihm, daß ich nach dieser Bezeichnung diese Reform auch nicht weise nennen könne, indem ich wohl Präventivresormen verstände, wenn sie sich nach und nach im Volks­ willen kundgegeben hätten, nicht aber, wenn sie unpopulär seien. Ich fürchte, das neue Ministerium wird sich demo­ kratisch fortreißen lassen, was unter Peels Leitung nie geschehen wäre; Aberdeen, den ich sonst sehr achte und schätze und vertraue, traue ich aber bei den wbig-Nuancen seines Ministeriums nicht die Stärke seines Meisters, Peel, zu! — Enfin, qui vivera, verra! Meine Ihnen bekannten und von Ihnen gebMgten An­ sichten über Preußens Handeln in dem jetzigen Moment verfolge ich fortwährend. Schwierig bleibt es, von neuem unsern Einfluß in Südwestdeutschland zu etablieren. Das mauvais-humeur über die mankierten Absichten der Kaiservisite in Berlin4 hat sich auf ebenso eklatante als — dumme— Weise durch die Ernennung von Prokesch nach F. a. M. kundgegeben! Klarer konnte man es nicht aussprechen, daß man in Berlin nicht reüssiert habe, als durch diese Ranküne, und darum nenne ich dies Verfahren dumm. Indessen um so gefährlicher bleibt diese Ernennung, weil sie coute qui coute von Österreich zur Erlangung neuer Demütigungen über Preußen benutzt werden muß, um den Berliner Echec auszuwetzen. Dazu gehört das Festhalten an den Zollforderungen, die, wenn wir, Gott gebe es, konsequent bleiben, dennoch zur Ruptur des alten Zollvereins führen können (vielleicht inklusive des blinden Guelfen!). Dann ist es mit Preußens Einfluß in Westdeutschland wieder vor-

bei und somit also auch eine Verständigung mit demselben gegen französische Eventualitäten viel schwieriger und die Gefahr der Rheinbundstendenzen wieder größer. Ich hoffe immer auf die finanzielle Unmöglichkeit für die Darmstädter Koalierten, ohne Preußens Zollverein bestehen zu können, obgleich die Hebung des österreichischen Kredits ihnen wieder Hoffnung geben mag, die von Wien aus gehörig aus­ geschmückt werden wird. Die Verhandlungen in Berlin mit Bruck5 stocken fast schon, so daß das Bombardement auf uns, doch etwas für die Kaiservisite zu tun, beginnen wird. Da ist denn das Glas kaltes Wasser in der Gestalt Prokesch sehr zur rechten Zeit gekommen, um die eblouierten Preußen aufzuwecken. Noch immer ist es völlig dunkel in den Berliner Kam­ mern. Erst nachdem die Motion Waldbott6 abgemacht sein wird, kann sich vielleicht eine politische prädominierende Richtung herausstellen. Werden die Katholiken geschlagen, dann gehen sie permanent zur Opposition über, und kein Regierungsvorschlag kann auf Majorität rechnen; siegen sie, dann kann Spaltung unter ihnen nach ihren wahren po­ litischen Tendenzen eintreten und sich dann die Majorität für das Gouvernement bilden. Welch ein Zustand, daß eine katholische Kammerfraktion in Preußen den Ausschlag nach ihrer Laune in der Gestaltung des Staats geben kann? und darf!!? — Die Anerkennung des Empires von feiten der drei nordi­ schen Mächte ist, meiner Ansicht nach, ebenso würdig wie taktvoll erfolgt. Der russische Refüs, Monsieur mon fröre zu schreiben, hat die beiden andern Staaten nicht ins Schlepp­ tau genommen; dagegen hat aber deren Erklärung, daß eine Abweisung der russischen Anerkennung wegen Mangels dieser

courtoisie die Zurückhaltung auch ihrer Anerkennung zur Folge haben müßte, — den eben aus dem Ei kriechenden und doch schon so insolenten empereur zur Annahme be­ wogen, der dann auch die von ganz Deutschland auf dem Fuße folgte. Nach diesem Ausgange hätte ich wohl ge­ wünscht, daß auch wir die Courtoisie unterlassen hätten. Wir müssen alle uns vor allem hüten, daß Napoleon uns nicht durch seine Impertinenzen mit obligaten Kriegsdrohun­ gen von einer Konzession zur anderen drängt und uns so­ mit allen unsere Selbständigkeit raubt und am Gängelbande führt. Ich denke, wenn Hardings Armierungsunternehmun­ gen beendigt sein werden, wird England auch fester auf­ treten und sprechen gegen Paris, als bisher, wo die Furcht vor einer auch nur intendierten Landung, bei nicht ge­ höriger Berteidigungsmacht, doch sehr genierte bisher! Aus Ihrem Schreiben habe ich zuerst ersehen, daß die Königin Vsiktorias wieder ihre Familie vermehren wird 7 nach einem langen Stillstand von 2^ Jahren! Sollten Sie Gelegenheit finden, so legen Sie mich ihr zu Füßen mit meinen besten Grüßen an den Prinz Albert (King? Consort). Sollten Sie die jetzigen — Wellingtons — sehen, so bitte ich Sie, mich deren Andenken zu empfehlen. Von Lady Dufferin erhielt ich kein Lebenszeichen! Ahnde also auch nicht, wo sie existieren mag!? Mich Ihrer Familie bestens empfehlend 1 Lücke gelassen. — 2 Vgl. Denkwürdigkeiten aus dem Leben Leopold v. Gerlachs II, S. I. — 3 Molesworth. — Besuch des österreichischen Kaisers in Berlin am 17. Dezember. Bunsen schrieb am 1. Januar: „Ich bin als Preuße und Diener des Königshauses empört über den... (gottlob vereitelten) Überrumpelungsversuch im Kgl. Schlosse! Das alles wäre vermieden, hätte man von Anfang an gesagt: Zolleinigung nie! Zoll- und Handelsvertrag, so innig als ihr wollt. Der große blinde Politiker

Guelf in Hannover hat das mit einrühren helfen, wie Kielmannsegge mir zu verstehen gibt. Nur um Gotteswillen nichts versprechen, den Tarif zu erhöhen, den wir niedriger machen müssen, sobald wir können." — 6 Der österreichische bevollmächtigte Minister v. B. — 6 Frh. v. Waldbott-Bornheim stellte in der Zweiten Kammer einen Antrag betr. Aufhebung der Erlasse der Minister des Kultus und des Innern vom 22. Mai und 16. Juli 1852, welche die Abhaltung katholischer Missionen und die Niederlassung katholischer Geistlicher beschränkten. Vgl. Kreuzzeitimg vom 30. Januar 1853 und unten Nr. 140 und 142. — 7 Prinz Leopold, geboren am 7. April 1853.

139. An den Gesandten in London Christian Karl Josias v. Bunsen Coblenz, den 18. Januar 1853

Eine wirkliche Beantwortung Ihrer heute erhaltenen Ex­ pedition, die ungemein interessant ist, behalte ich mir zum 2. Februar vor. Da mit [!] aber die Prinzeß ihre Zeilen von heute an Sie lesen ließ, so füge ich denselben folgendes hinzu. Wir fassen beide ganz gleich Ihre Schilderung der Stellung der Königin auf. Die Persönlichkeit derselben, ihre Familienverhältnisse, ihr geordneter Haushalt, ihre wachsenden Regententugenden stellen sie höher wie viele ihrer Vorgänger; dadurch ist die Würde und das Ansehen der Krone ungemein gehoben. Ich bestreite nur, daß durch diese Erscheinungen auch die Macht der Krone gehoben ist. Denn vis-ä-vis den parlamentarischen Institutionen kann die Krone nicht an Macht gewinnen, möge deren Träger noch so würdig, ehrbar und rangiert sein. In einem kon­ stitutionellen Staate ist die Krone nur mächtig, wenn sie sich in Harmonie mit den Repräsentanten des Landes er­ hält. Hierauf kommt es also vor allem an, nicht auf die Würdigkeit des Souvräns. Ein würdiger Monarch läßt sich allerdings nicht gut von einem einsichtsvollen trennen. Ein

Guelf in Hannover hat das mit einrühren helfen, wie Kielmannsegge mir zu verstehen gibt. Nur um Gotteswillen nichts versprechen, den Tarif zu erhöhen, den wir niedriger machen müssen, sobald wir können." — 6 Der österreichische bevollmächtigte Minister v. B. — 6 Frh. v. Waldbott-Bornheim stellte in der Zweiten Kammer einen Antrag betr. Aufhebung der Erlasse der Minister des Kultus und des Innern vom 22. Mai und 16. Juli 1852, welche die Abhaltung katholischer Missionen und die Niederlassung katholischer Geistlicher beschränkten. Vgl. Kreuzzeitimg vom 30. Januar 1853 und unten Nr. 140 und 142. — 7 Prinz Leopold, geboren am 7. April 1853.

139. An den Gesandten in London Christian Karl Josias v. Bunsen Coblenz, den 18. Januar 1853

Eine wirkliche Beantwortung Ihrer heute erhaltenen Ex­ pedition, die ungemein interessant ist, behalte ich mir zum 2. Februar vor. Da mit [!] aber die Prinzeß ihre Zeilen von heute an Sie lesen ließ, so füge ich denselben folgendes hinzu. Wir fassen beide ganz gleich Ihre Schilderung der Stellung der Königin auf. Die Persönlichkeit derselben, ihre Familienverhältnisse, ihr geordneter Haushalt, ihre wachsenden Regententugenden stellen sie höher wie viele ihrer Vorgänger; dadurch ist die Würde und das Ansehen der Krone ungemein gehoben. Ich bestreite nur, daß durch diese Erscheinungen auch die Macht der Krone gehoben ist. Denn vis-ä-vis den parlamentarischen Institutionen kann die Krone nicht an Macht gewinnen, möge deren Träger noch so würdig, ehrbar und rangiert sein. In einem kon­ stitutionellen Staate ist die Krone nur mächtig, wenn sie sich in Harmonie mit den Repräsentanten des Landes er­ hält. Hierauf kommt es also vor allem an, nicht auf die Würdigkeit des Souvräns. Ein würdiger Monarch läßt sich allerdings nicht gut von einem einsichtsvollen trennen. Ein

einsichtsvoller wird sich also jene Harmonie zu bewahren suchen, oft aber gegen seine bessere Überzeugung

vielleicht.

In dieser Situation sehe ich also die Be­

schränkung der Krone;

der Träger mag noch so würdig

sein, seine Macht bricht sich an der Majorität der Reprä­

sentanten; nach dieser muß die Krone ihre Ratgeber wählen, also sehr, sehr häufig einen Wechsel derselben eintreten lassen, ganz gegen ihren Wunsch und ihre Überzeugung. Hierin liegt also die Divergenz der Auffassung der Prinzeß und

der meinigen.

Setzen wir den Fall, daß das jetzt von der

Königin Viktoria so gepriesene Ministerium mit allen seinen

eminenten Kapazitäten, welches auch in Ihren Augen so

hoch stehet, in einer der von Ihnen aufgestellten Fragen, der kirchlichen oder der der Reform, eine Mederlage er­ leidet und gewechselt werden müßte, wo bleibt die ge­ steigerte Macht der Krone alsdann vis-ä-vis dem Parla­

ment? trotzdem daß

dieselbe würdige Persönlichkeit sie

nach wie vor trägt?

Zugestanden soll unbedingt werden, daß eine solche hoch­ stehende Persönlichkeit die Gemüter und Personen sich zu

gewinnen weiß und daher mancherlei Schwierigkeiten da­ durch ausgeglichen werden können, wovon das jetzige Fu­ sionsministerium einen Beweis gibt.

Doch kann und wird

solche Erscheinung nicht von Dauer sein, und dann muß doch zu Personen gegriffen werden, die eine Parlaments­ majorität erwarten lassen.

Während also das moralische

Ansehen der Krone durch die Würdigkeit der sie tragenden

PersöMchkeit gehoben wird, vermag sie gegenüber den parlamentarischen Prinzipien die reelle Macht der Krone,

d. h. ihre bessere Überzeugung, nicht zur Erfüllung zu brin­ gen, wenn jene von der des Parlaments abweicht. Meiner

Ansicht [ncuf)] liegt also in der Natur dieser Institution die Nichtmöglichkeit, daß die individuelle Persönlichkeit des Mon­ archen durch mehr Würde oder mindere die physische Macht der Krone erhöhe. 140. An denselben Coblenz, den [1. Februar) 1853 1

Leider muß ich mich mit meiner heutigen Expedition nur kurz fassen, da ich einen leichten Anfall von Grippe habe, also etwas matt bin. Ihre Depesche Nr. 5 hat einen Teil meiner Befürchtungen über die Lage und Zukunft des englischen Ministeriums, wie ich sie in meinem letzten Brief aussprach, gehoben, indem Wahl und Kirchenreform mindestens ajourniert sind, und das ist von unendlicher Wichtigkeit. Aber es zeigt sich auch wieder aus Ihrer inter­ essanten Darstellung, wie schwer es ist, ein vom Thron ausgesprochenes Wort Verheißung nachzukommen, wenn diese verfrüht war! — Was die russisch-französische mögliche Allianz betrifft, so hat mich dieser Gedanke allerdings geschmerzt und namentlich, daß er in England aufkommt2. Möglich ist freilich sehr vieles in der Welt, also auch eine solche Allianz. Wie aber jetzt, wo Rußland in seiner An­ erkennungsart am schroffesten gegen Napoleon aufgetreten ist und in dieser Position verharrt, — gerade an eine Alli­ anz zwischen diesen Staaten gedacht werden kann, wlll mir nicht in den Kopf, ganz abgefehen von meiner persön­ lichen Stellung zum Kaiser Nikolas. Bei den möglichen orientalischen Verwickelungen, die Frankreich unbedingt dazu benutzen wird, um Rußlands Kräfte und teilweis auch die Österreicher nach jener Himmelsgegend zu beschäftigen, um dann bei sich darbietender Gelegenheit über uns, die

Ansicht [ncuf)] liegt also in der Natur dieser Institution die Nichtmöglichkeit, daß die individuelle Persönlichkeit des Mon­ archen durch mehr Würde oder mindere die physische Macht der Krone erhöhe. 140. An denselben Coblenz, den [1. Februar) 1853 1

Leider muß ich mich mit meiner heutigen Expedition nur kurz fassen, da ich einen leichten Anfall von Grippe habe, also etwas matt bin. Ihre Depesche Nr. 5 hat einen Teil meiner Befürchtungen über die Lage und Zukunft des englischen Ministeriums, wie ich sie in meinem letzten Brief aussprach, gehoben, indem Wahl und Kirchenreform mindestens ajourniert sind, und das ist von unendlicher Wichtigkeit. Aber es zeigt sich auch wieder aus Ihrer inter­ essanten Darstellung, wie schwer es ist, ein vom Thron ausgesprochenes Wort Verheißung nachzukommen, wenn diese verfrüht war! — Was die russisch-französische mögliche Allianz betrifft, so hat mich dieser Gedanke allerdings geschmerzt und namentlich, daß er in England aufkommt2. Möglich ist freilich sehr vieles in der Welt, also auch eine solche Allianz. Wie aber jetzt, wo Rußland in seiner An­ erkennungsart am schroffesten gegen Napoleon aufgetreten ist und in dieser Position verharrt, — gerade an eine Alli­ anz zwischen diesen Staaten gedacht werden kann, wlll mir nicht in den Kopf, ganz abgefehen von meiner persön­ lichen Stellung zum Kaiser Nikolas. Bei den möglichen orientalischen Verwickelungen, die Frankreich unbedingt dazu benutzen wird, um Rußlands Kräfte und teilweis auch die Österreicher nach jener Himmelsgegend zu beschäftigen, um dann bei sich darbietender Gelegenheit über uns, die

wir dann allein stehen, herzufallen, ist mir viel glaub­ licher [!], und daher muß Preußen mehr wie je jede Provo­ kation gegen Frankreich vermeiden, was jedoch nicht soviel heißt, sich alles von diesem gefallen zu lassen, was einem Ins Schlepptau-nehmen gleichkommen würde. Die vielgeliebten Überraschungen hat Napoleon denn wieder einmal grandios in Ausführung gebracht. Ich finde seine Mariage ganz analog seiner Stellung und freue mich, daß kein altes Fürstengeschlecht in die Verlegenheit kommt, sich mit ihm zu verbinden. Aber eine Ohrfeige bleibt diese Heirat namentlich für diejenigen, die ihn Monsieur mon frere titulieren, denen er nun Mademoiselle de Teba 3 als Madame soeur auf die Nase setzt. Seine Rede 4 war in seinem Sinne ganz vortrefflich abgefaßt, mit Verstand, prä­ zis und vielen Leuten das Wort von der Zunge nehmend, daß er ein Parvenü sei! Daß Österreich die mariage brigue 5 ruhig hinnimmt, wundert mich; wenigstens habe ich nichts von einer Remonstration gehört. Napoleons Ver­ fahren kommt mir fortwährend wie das eines Baumeisters vor, der einen Stein zum andern fügt, aber beim Schluß­ stein siehet, daß eine Verrechnung irgendwo stattfand, und das Gebäude trotz aller Berechnungen — ecroulierte. Daß in Holland von unserer Seite endlich Eröffnungen gemacht wurden wegen Belgiens vis-a-vis Frankreich und diese guten Anklang fanden, auch von Sir Ralf Abercrombys unterstützt wurden, werden Sie wissen, obgleich mir die Sache unter dem tiefsten Siegel der Verschwiegenheit mit­ geteilt wurde. Hoffentlich wird das englische Gouvernement nun seinerseits helfen. Der sehr unangenehme katholische Kammerfraktions­ antrag (Waldbott)7 wird wahrscheinlich durch Tagesordnung

beseitigt werden, da die Minister beschwichtigende Erklärun­ gen geben. Aber was soll aus dieser ganzen Tendenz werden, der man auch in England mit Spannung folgt?

Der unglückliche Verfassungs-Paragraph hindert ja, wie figura zeigt, jedes Auftreten, um den Übergriffen der Hierarchie entgegenzutreten. Die evangelische Kirche muß mit geistigen Waffen dagegen auftreten; aber ich sehe nichts der Art. Was die transatlantische Linie1 betrifft, so haben Sie mir zuerst die Wichtigkeit derselben gelehrt; noch habe ich aus Berlin nichts darüber gehört. Matt und fiebrig endige ich. 1 Der Prinz schreibt: 2.1. 53. Der Brief muß aber Ende Januar oder Anfang Februar geschrieben sein. Vielleicht sind die Zahlen umzustellen: 1.2. Vgl. das vorige Schreiben.— 2 Der Gedanke daran tauchte auch schon 1845 bei dem russischen Gesandten in Berlin, Peter v. Meyendorff, auf in dessen Schreiben an Nesselrode vom 27. Januar.— Bunsen schrieb am 15. Januar 1853: „Ich selbst bin von der Gefahr einer russisch-französischen Allianz durchdrungen. In diesem Augenblick schon schützt uns davor nur der per­ sönliche Charakter des Kaisers. Aber selbst dieser Kaiser kann keinen europäischen Krieg machen gegen Frankreich, ohne zu wissen wofür, d. h. was Rußland dafür gewinnt. Erstlich wegen der Gefahr einer natio­ nalen Unzufriedenheit, welche nach der Geschichte sich nicht lange unter­ drücken läßt, zweitens wegen der Finanzen. Unbezwingbar, ja fast un­ angreifbar im Innern, ist Rußland schwach im Angriffskriege, außer gegen die Türkei. Die diktatorische Stellung Rußlands ist das Werk außer­ ordentlicher Umstände. Die jetzige politische Ohnmacht Österreichs und Preußens, auf welcher diese Diktatur ruht, kann nicht immer dauern. Sie hört für Preußen mit dem Tage auf, wo der preußische Einfluß in Deutschland, den Österreich nun einmal nicht üben kann, den es uns aber zu verderben vermag, hergestellt ist. Aber in diesem Augenblick haben wir allerdings in Europa keine Stimme, wir gehen im Schlepptau, Eng­ land weiß es und Napoleon läßt es uns schmählich empfinden. Ja, gnädig­ ster Herr, es wird und muß zum Kampfe kommen. Gott gebe, daß dieser Kampf nicht eher ausbricht, als bis die Regierung sich aufrichtig zu der

beschworenen Verfassung bekennt" ... Nur bei einer Regierung im Geiste der englischen Verfassung könnte sich Preußen gegenüber den es rimgebenden gigantischen Kräften behaupten.—3 Napoleon heiratete am 29. Januar 1853 Eugenie von Portocarrero, Gräfin von Teba und Montijo. — 4 Vor den Kammern am 22. Januar.— 6 Napoleon hatte gesagt, daß sich Öster­ reich um die Verbindung der Marie Luise mit Napoleon I. beworben habe. — 15 Englischer Gesandter im Haag. — 7 Vgl. oben Nr. 138 Aum. 6. — 8 Bon Cherbourg aus.

141.

An Christian Friedrich Frh. v. Stodmar 1 Coblenz, den 11. Februar 1853

Sie haben uns einen großen Dienst erwiesen durch Ihr ausführliches Memoire, das uns ungemein interessiert hat und für welches ich Ihnen meinen herzlichsten Dank aus­ spreche. Aber ich fordere mehr! Denken Sie sich den Schrei­ ber dieser Zeilen als den, der die englische Verfassung nicht begreift, um auf Preußen angewendet zu werden, und orientieren Sie ihn in einem zweiten Memoire über diesen Punkt. Der Prinz Albert sagte mir einst: Die englische Berfassung läßt sich in 5—6 Punkte zusammenfassen. Könn­ ten Sie mir diese niederschreiben? Dann aber müssen Sie mir auch zeigen, wie und worin sie auf Preußen applikabel ist, damit ich, um bei Ihrem Gleichnis stehen zu blei­ ben, das Tannenholz erkenne, aus welchem in Preußen eine solche Verfassung gezimmert werden kann, da wir kein Eichenholz dazu haben, bis durch Eichenflicke einst ein eichenes Ganze entstehe. Ungläubig bin ich noch immer in dem Punkte, daß die Preußen sich je daran gewöhnen werden, ihren König noch mächtig und groß sich zu denken, wie sie ihn seit 150 Jahren kennen, wenn er vom Majoritätswillen abhängig wird. Diese 150 jährige Gewöhnung ist sehr hoch anzuschlagen in Preu-

beschworenen Verfassung bekennt" ... Nur bei einer Regierung im Geiste der englischen Verfassung könnte sich Preußen gegenüber den es rimgebenden gigantischen Kräften behaupten.—3 Napoleon heiratete am 29. Januar 1853 Eugenie von Portocarrero, Gräfin von Teba und Montijo. — 4 Vor den Kammern am 22. Januar.— 6 Napoleon hatte gesagt, daß sich Öster­ reich um die Verbindung der Marie Luise mit Napoleon I. beworben habe. — 15 Englischer Gesandter im Haag. — 7 Vgl. oben Nr. 138 Aum. 6. — 8 Bon Cherbourg aus.

141.

An Christian Friedrich Frh. v. Stodmar 1 Coblenz, den 11. Februar 1853

Sie haben uns einen großen Dienst erwiesen durch Ihr ausführliches Memoire, das uns ungemein interessiert hat und für welches ich Ihnen meinen herzlichsten Dank aus­ spreche. Aber ich fordere mehr! Denken Sie sich den Schrei­ ber dieser Zeilen als den, der die englische Verfassung nicht begreift, um auf Preußen angewendet zu werden, und orientieren Sie ihn in einem zweiten Memoire über diesen Punkt. Der Prinz Albert sagte mir einst: Die englische Berfassung läßt sich in 5—6 Punkte zusammenfassen. Könn­ ten Sie mir diese niederschreiben? Dann aber müssen Sie mir auch zeigen, wie und worin sie auf Preußen applikabel ist, damit ich, um bei Ihrem Gleichnis stehen zu blei­ ben, das Tannenholz erkenne, aus welchem in Preußen eine solche Verfassung gezimmert werden kann, da wir kein Eichenholz dazu haben, bis durch Eichenflicke einst ein eichenes Ganze entstehe. Ungläubig bin ich noch immer in dem Punkte, daß die Preußen sich je daran gewöhnen werden, ihren König noch mächtig und groß sich zu denken, wie sie ihn seit 150 Jahren kennen, wenn er vom Majoritätswillen abhängig wird. Diese 150 jährige Gewöhnung ist sehr hoch anzuschlagen in Preu-

ßen. Englands Verfassung ist nicht aus einer solchen Ge­ wöhnung hervorgegangen, sondern aus dem Gegenteile! Sie verstehen nicht, warum ich unsere Verfassung Nothomb ^-Hansemann nenne. Die von 1848 ist die dieser Männer, von Waldeck^ noch verschlechtert und 1850 in etwas nur verbessert und vom König und seinen damaligen Ministern wegen der damaligen Verhältnisse angenommen, in der Hoffnung späterer Verbesserung. Bis heute ist sie noch nicht in Preußen haltbar. — Auch verstehen Sie mich falsch, wenn Sie glauben, daß ich die Erste Kammer zu einer Ja-Kammer stempeln will, ich sage nur, daß sie größtenteils mit der Krone gehen wird und öfter als die zweite Kammer. — Eine Scheinverfasfung will ich auch nicht und niemand in Preußen, aber jeder will eine ausführbare und darum nicht die jetzige. Alfo in Er­ wartung des zweiten Memoirs. 1 H.-A.— 2 Jean Baptiste Baron v. N. (1805—1881) arbeitete den Berfassungsentwurf für das neue Belgien aus. — 3 Franz Leo Benedikt Waldeck war Vorsitzender der von der preuß. Nationalversammlung am 15. Juni 1848 eingesetzten Versassungskommission.

142.

An den preußischen Gesandten in London Christian Karl Josias v. Bunsen Coblenz, den 15. Februar 1853

Durch Ihr Schreiben vom 1. d. M. sowohl als durch das Pfrojmfemoriaj1 haben Sie mir einen großen Ge­ fallen erzeigt und ich begreife nun wohl, was Sie mit der starken Regierung eines englischen Monarchen sagen wollen, in nicht bloß moralischer Hinsicht2. Indessen kommt es mir doch so vor, als wenn selbst nach Ihrer Erklärung des Sachverhältnisses die höhere Moralität des Monarchen

ßen. Englands Verfassung ist nicht aus einer solchen Ge­ wöhnung hervorgegangen, sondern aus dem Gegenteile! Sie verstehen nicht, warum ich unsere Verfassung Nothomb ^-Hansemann nenne. Die von 1848 ist die dieser Männer, von Waldeck^ noch verschlechtert und 1850 in etwas nur verbessert und vom König und seinen damaligen Ministern wegen der damaligen Verhältnisse angenommen, in der Hoffnung späterer Verbesserung. Bis heute ist sie noch nicht in Preußen haltbar. — Auch verstehen Sie mich falsch, wenn Sie glauben, daß ich die Erste Kammer zu einer Ja-Kammer stempeln will, ich sage nur, daß sie größtenteils mit der Krone gehen wird und öfter als die zweite Kammer. — Eine Scheinverfasfung will ich auch nicht und niemand in Preußen, aber jeder will eine ausführbare und darum nicht die jetzige. Alfo in Er­ wartung des zweiten Memoirs. 1 H.-A.— 2 Jean Baptiste Baron v. N. (1805—1881) arbeitete den Berfassungsentwurf für das neue Belgien aus. — 3 Franz Leo Benedikt Waldeck war Vorsitzender der von der preuß. Nationalversammlung am 15. Juni 1848 eingesetzten Versassungskommission.

142.

An den preußischen Gesandten in London Christian Karl Josias v. Bunsen Coblenz, den 15. Februar 1853

Durch Ihr Schreiben vom 1. d. M. sowohl als durch das Pfrojmfemoriaj1 haben Sie mir einen großen Ge­ fallen erzeigt und ich begreife nun wohl, was Sie mit der starken Regierung eines englischen Monarchen sagen wollen, in nicht bloß moralischer Hinsicht2. Indessen kommt es mir doch so vor, als wenn selbst nach Ihrer Erklärung des Sachverhältnisses die höhere Moralität des Monarchen

nur in der Wahl seiner Minister und Employes ihm eine größere Unabhängigkeit gibt, indem diese Wahl z. B. weder durch Berücksichtigung an Personen gebunden ist, von deren Bereitwilligkeit man überzeugt ist, Schuldenbezahlung vom Parlament zu erlangen, noch durch Schonung von Ver­ hältnissen, die eine Maitressenwirtschaft für Personen ab­ nötigt, die einem nachteilig werden könnten. Eine auf diese Art unabhängige Wahl namentlich des Ministeriums gibt allerdings dem Monarchen mehr Selbständigkeit. Aber daß diese Wahl durch solche Veranlassungen allein bedingt wird, scheint mir nicht. Die verschiedenen Berufungen der von Ihnen namhaft gemachten Ministerpräsidenten geben mir die Gewißheit, daß in allen diesen Fällen die Königin die Männer zu ihren Premiers berief, die nach der Stim­ mung des Parlaments Chance auf Majorität, also auf Dauer hatten. Die allgemeine Farbe eines Ministeriums, denke ich mir, wird immer nach dieser Parlamentsstimmung ge­ wählt werden müssen, wobei dann bei nicht rein moralisch dastehenden Monarchen die Persönlichkeit des einen oder des anderen Ministers, als Beschwichtigungsmanöver, zu deren Wahl führen mögen, ohne deshalb die Farbe des Gouvernements zu modifizieren. Alfo bleibt in dieser Be­ ziehung der englische Monarch doch immer abhängig in der Wahl des Ganges seiner Regierung von der Stimmung des Parlaments, und somit stehet er genau genommen doch nicht über den Parteien, sondern richtet er sich nach der, welche die Überhand im Parlament hat. Hiermit will ich jedoch keineswegs sagen, daß der Monarch Parteimann werde, wohl aber, daß er sehr oft in die Lage kommt, seiner Regierung eine Farbe geben zu müssen, die er persönlich nicht wünscht, weil sie nicht die seiner Überzeugung ist.

So scheint es mir, war es der Fall mit dem Ministerium von Lord John Russel, mit welchem die Königin doch in vielen Punkten nicht harmonierte; sie mußte es aber jahre­ lang ertragen, bis eine Chance kam, wo sie es fallen lassen konnte. Jetzt hingegen, glaube ich, hat die Königin ein Ministerium, mit dem sie persönlich sympathisiert. Sollte es in einer der von Ihnen zitierten Fragen fallen, so muß die Königin Viktoria zu einer Farbe greifen, mit der sie vielleicht gar nicht wiederum sympathisiert. Dies ist die Situation, von der ich also behaupte, daß die moralische Haltung des Monarchen nicht auf den Gang der Regierung influiert, sondern diese Haltung gar nicht in Betracht kommt. Diese Abhängigkeit von den Majori­ täten des Parlaments (Kammern) ist es ja auch, wie Sie das hinreichend wissen, was mich immer vor diesen In­ stitutionen kopfscheu macht, namentlich in einem Staate wie Preußen, wo das persönliche königliche Ansehen so hoch immer gestanden hat, und weil mit Veränderung dieser Stellung auch eine totale Veränderung in der Gesinnung des Volkes ihm anerzogen werden muß. Das heißt, es soll künftig alles von den Kammern kommend und aus­ strömend sich denken und seinen König als einen Zuschauer danebenstehend. Daß dies nach bisherigem preußischem Geist sehr unpreußisch klingt, wird man einräumen müssen. — Indessen, lassen wir die Sache nun ruhen; wir haben eine Verfassung und werden uns an diese Dinge gewöhnen müssen. Der Schluß Ihres Psrojmsemoriaj, nämlich die An­ wendung auf Preußen, ist mir sehr erfreulich gewesen, weil er so ziemlich auch meine Gedanken enthält. Nämlich: Verbesserung der Verfassung im konservativen Sinne

a) durch eine wirkliche Paine. Diese scheint im Prinzipe gesichert; möge der König bei der Wahl la main heureuse haben; ich habe ihn gebeten, mich dabei zu hören, b) durch ein konservatives Wahlgesetz für die Zweite Kammer, teils durch die Höchstbesteuerten, teils durch die zu berechtigenden Volkswähler. Ich denke mir vier Steuerquoten, die in der ersten die Höchstbesteuerten enthielten und so herab­ steigend, damit alle Interessen vertreten werden könnten. Ich hoffe fehr, daß auch der von Ihnen als Notwendig­ keit hingestellte Abschluß der organischen Veränderungen in dieser Kammersitzung erfolgen wird. Das bereits erfüllte Verlangen des Ministeriums, den § 105 3 zu annullieren, bevor die an dessen Stelle tretenden Gesetze votiert sind, erscheint unlogisch; indessen die Absicht, die dem zugrunde lag, wird in Erfüllung gehen, daß nämlich die Opposition, welche die nun einmal in den östlichen Provinzen nicht passende Gemeindeordnung von 1850, sowie die Kreis- und Provinzialordnungen coute qui coute erhalten wollte, nun nach der neuen Vorlage beraten muß — was nicht in deren plan de Campagne lag, well sie sonst riskieren, daß die nach Abortierung des § 105 momentan wiederhergestell­ ten ganz alten Verhältnisse zur Permanenz werden müßten, was weder die Opposition noch das Ministerium will. Dies Manöver, was freilich nicht an die große Glocke gehängt werden durfte, fcheint also wie gesagt zu reüssieren, und somit werden also hoffentlich Ihre und meine Erwartungen, diefe organischen Gesetze in dieser Session votiert zu sehen, in Erfüllung gehen. Die Ereigniffe in Mailand in Verbindung mit den aus London datierten Mazzinifchen, Koffuthfchen und deutschen Offiziersproklamationen scheinen mir nun doch den vom

englischen Gouvernement als zum Einschreiten gegen die in England sich aufhaltenden politischen Flüchtlinge be­ zeichneten Moment — als gekommen anzudeuten. Welch ein anderes Evenement will man noch abwarten, um das in flagranti zu beweisen? Was ist aus der Differenz über die Aushändigung des Memorandums vom 3. Dezember4 an die französische Re­ gierung resultiert? Das ist ein arger Streich, den uns Lord John spielt! Die englischen Ansichten über die Coblenzer Mauerfortifikationen vis-ä-vis der Paixans ^-Geschosse sind nicht ganz ohne Wahrheit. Indessen einreißen kann man die Werke doch nicht wieder und man muß mit der Ansicht der einstigen Belagerung entgegengehen, daß, was menschliche Kunst erbaut hat, auch menschliche Kunst zerstören kann; bei Festungen ist dabei aber der Hauptgesichtspunkt der, daß dies Zerstören dem Feinde Zeit, Kräfte und Ma­ terial kostet; und diese drei Punkte werden Cöln, Coblenz doch vollständig zu Ehren bringen. Von dem Multon-Gewehrb habe ich noch gar nichts gehört, so daß ich Sie wohl ersuchen mögte zu versuchen, mir eine Idee von demselben geben zu lassen. Die Wiedereröffnung des Parlaments hat bereits die Andeutungen gebracht, die Ihre Depeschen über den Gang des Gouvernements vorhersagten. Gott gebe, daß das Ministerium nicht gedrängt wird auf die Reform­ frage. Vom König Leopold hatte ich vor wenig Tagen einen Brief über seine Lage gegenüber einem französischen Ein­ fall; er stimmt ganz mit meinen Ansichten überein, will natürlich seine Neutralität solange als möglich behaupten,

weiß aber nicht, worauf er von England zu rechnen hat, wenn Frankreich ihn angreift. Daß der Waldbottsche Antrag7 verworfen ist, wird man auch in England gern sehen. Aber es kommt nun alles darauf an, trotz aller Toleranz dem Umsichgreifen der ka­ tholischen Hierarchie fest entgegenzutreten. Ich fürchte neue Ungeschicklichkeiten oder Feigheit und beides wäre gleich unglücklich! — Die Prinzeß sendet Ihnen heute das Stsockmarsches Memoire" zurück, was uns ungemein interessiert hat; wir erwarten den zweiten Teil, der, so habe ich ihn ersucht, die Applikation der englischen Verfassung auf Preußen ent­ halten soll.

[N. S.i: Lebt denn Lady Dufferin nicht mehr? Kein Lebenszeichen von ihr seit sechs Monaten. Ich schreibe ihr durch den nächsten Kurier. — 1 „Die verfassungsmäßige Macht der Krone in England und die An­ wendbarkeit der Grundidee der englischen Verfassung auf Preußen." — 2 Bunsen schrieb: „Der König von England, welcher seine dynastischen Interessen nicht von den nationalen scheidet, regiert mehr und nachdrück­ licher als die Könige des Festlandes, absoluter wie konstitutionelle. Ich verstehe unter Regieren staatsmännische Lenkung des Staates. Die Schranken der öffentlichen Meinung und des parlamentarischen Einflusses sind weniger beengend, wenn man Geschichte und Gegenwart ansieht, als die der Höfe, der Koterien, der Umgebungen. Allerdings setzt jene Re­ gierungsweise ein redliches, ein gebildetes und ... mündiges Volk voraus. Ein solches hat in Preußen die Reformation und die einzig große und weise Diktatur des Hauses Hohenzollern mehr oder weniger bewußt erzogen und vorgebildet und zum Kerne und künftigen Haupte Deutschlands als Bundes­ staat gemacht. Abgesehen von äußeren übernommenen Verpflichtungen halte ich den Geist der wahren englischen Verfassung für das einzig jetzt Mögliche und für ein sicheres Mittel der Macht und des Einflusses." — 3 „Die Vertretung und Verwaltung der Gemeinden, Kreise und Provinzen wird durch besondere Gesetze näher bestimmt." — 41 2Vgl. 3 oben Nr. 135

Anm. 2. — 5 General Paixhans, Erfinder der Bombenkanonen.— 6 Dessen Einführung in England beabsichtigt sein sollte. — 7 Vgl. oben Nr. 138 Anm. 6. — 8 Vgl. oben Nr. 141.

143. An den

preußischen Gesandten in London Christian Karl Josias v. Bunsen Coblenz, den 19. Februar 1853

Die sich darbietende sichere Gelegenheit des Lord Loftus benutze ich, um Ihnen sofort die Einlagen zu re­ mittieren und für Ihre letzten interessanten Mitteilungen zu danken. Die Neigung Rußlands für England >, die Ihr Brief und Ihre Depeschen mittellen, scheint mir etwas richtiger zu sein als die entgegenstehende Ansicht, daß Frankreich sich Rußlands vergewissert habe. Die Art und Weise, wie , die Ihr Brief und Ihre Depeschen mittellen, scheint mir etwas richtiger zu sein als die entgegenstehende Ansicht, daß Frankreich sich Rußlands vergewissert habe. Die Art und Weise, wie