181 41 14MB
German Pages 458 [460] Year 1999
Helmut Balthasar Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse R.I.Z.-Schriften 10
1749
I
1999
?
Schriften des Rechtszentrums für Europäische und Internationale Zusammenarbeit (R.I.Z.) herausgegeben von
Norbert Horn, Köln Jürgen F. Baur, Köln Klaus Stern, Köln
Band 10
Walter de Gruyter · Berlin · New York
Die Bestandskraft: handelsrechtlicher Jahresabschlüsse Änderungen und Berichtigungen nach deutschem Recht, US-amerikanischen GAAP und LAS von
Helmut Balthasar
w DE
G 1999
Walter de Gruyter · Berlin · New York
Das R.I.Z. wird als wissenschaftliche Einrichtung der Universität zu Köln finanziell von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, Frankfurt a. M., getragen.
Θ Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme
Balthasar, Helmut:
Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse : Änderungen und Berichtigungen nach deutschem Recht, US-amerikanischen GAAP und LAS / von Helmut Balthasar. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1999 (R.IJZ.-Schriften ; Bd. 10) Zugl.: Köln, Univ., Diss., 1998 ISBN 3-11-016360-8
© Copyright 1999 by Walter de Gruner GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: WB-Druck, Rieden am Forggensee Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, Berlin Einbandentwurf: Angela Dobrick, Hamburg
Vorwort
Handelsbilanzrechtliche Fragestellungen in der handels- und gesellschaftsrechtlichen Literatur eine eher stiefmütterliche Behandlung. Es hat den Anschein, als ob das Handelsbilanzrecht weniger als rechtliche denn als wirtschaftswissenschaftliche Materie begriffen wird. Dies steht in einem auffalligen Mißverhältnis zur rechtstatsächlichen Bedeutung handelsrechtlicher Jahresabschlüsse. Diese sind nicht nur Instrument kaufmännischer Rechenschaftslegung, sondern zugleich Berechnungsgrundlage der gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungsgrundsätze und Haftungsbegrenzungen sowie einer Vielzahl zivilrechtlicher Ansprüche. Diese Instrumentalisierung als Berechnungsgrundlage für Haftungsverhältnisse und Ansprüche läßt den handelsrechtlichen Jahresabschluß vom bloß tatsächlichen Rechenwerk zum Rechtsinstitut werden. Zugleich läßt sie es geboten erscheinen, die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse nicht allein unter wirtschaftswissenschaftlichen, sondern auch unter rechtlichen Gesichtspunkten zu betrachten. Der erste Teil der Arbeit widmet sich der Bestandskraft des handelsrechtlichen Jahresabschlusses im deutschen Recht. Es wird gezeigt, welche Auswirkungen die Instrumentalisierung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses für die Berechnung zivilrechtlicher Ansprüche und die Bestimmung der gesellschaftsrechtlichen Haftungsverhältnisse auf die nachträgliche Änderung von Wahlrechtsausübungen und Berichtigung von Fehlern hat. Die Untersuchung knüpft dabei in erster Linie an den rechtlichen Funktionen und Stadien des handelsrechtlichen Jahresabschlusses an. Innerhalb dieser rechtlichen Funktionen wird dann, soweit dies erforderlich ist, nach Rechtsformen differenziert. Wegen der größeren gesetzlichen Regelungsdichte bezieht sich der überwiegende Teil der Ausführungen dabei naturgemäß auf die Rechtslage bei den Kapitalgesellschaften. Im Interesse einer umfassenden Untersuchung der Bestandskraft handelsbilanzieller Jahresabschlüsse wird aber auch die Bestandskraft der Jahresabschlüsse bei Personenhandelsgesellschaften und Einzelkaufleuten eingehend erörtert. Der zweite Teil der Arbeit trägt der Tatsache Rechnung, daß infolge der Globalisierung der Wirtschaft auch die nationalen handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften einem Wettbewerb der Systeme ausgesetzt sind. Für die deutsche Wirtschaft sind dabei vor allem die Generally Accepted Accounting Principles (GAAP) der USA und die neu entstehenden International
VI
Vorwort
Accounting Standards (IAS) von Bedeutung. Diese werden kurz dargestellt, und das ihnen innewohnende Bestandskraftkonzept mit dem zuvor gewonnenen Ergebnis des deutschen Rechts verglichen. Entsprechend dem im ersten Teil gewählten Ansatz liegt der Schwerpunkt auch hierbei nicht auf wirtschaftswissenschaftlichen, sondern rechtlichen Aspekten. Für das Gelingen der vorliegenden Arbeit bin ich vielen zum Dank verpflichtet. An erster Stelle gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Norbert Horn. Dieser hat es übernommen, die Entstehung dieser Arbeit mit stets freundlichem aber kritischem Rat zu begleiten. Ihm verdanke ich auch die Gewißheit, daß eine Betrachtung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses unter rechtlichen Gesichtspunkten ebenso möglich wie lohnenswert ist. Weiterer Dank gilt Herrn Rechtsanwalt Dr. Klaus Hubert Görg, auf dessen Anregung das Thema dieser Arbeit zurückgeht, sowie Herrn Prof. Dr. Herbert Wiedemann, der die Zweitkorrektur auf sich nahm. Schließlich schulde ich Dank meiner Frau und allen Freunden, die mit viel Geduld geholfen haben, manche Hürde zu überwinden. Köln, im Dezember 1998
Helmut Balthasar
Inhaltsübersicht
Literaturverzeichnis § 1 Einleitung
XXV 1
A. Themenstellung
1
B. Begriffliche Grundlagen
5
1. Teil Die Bestandskraft des handelsrechtlichen Jahresabschlusses im deutschen Recht
15
§ 2 Rechtsgrundlagen der handelsrechtlichen Rechnungslegung
15
A. Die Entwicklung der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht
15
B. Die Relevanz der betriebswirtschaftlichen Bilanzlehre und Bilanztheorie
21
C. Die Gemengelage der Rechtsgrundlagen und Funktionen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses
23
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
41
A. Stadien des handelrechtlichen Jahresabschlusses
41
B. Bestandskraft des aufgestellten Jahresabschlusses
44
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
46
D. Bestandskraft geprüfter Jahresabschlüsse
143
E. Bestandskraft publizierter Jahresabschlüsse
145
F. Zusammenfassung
167
VIII
Inhaltsübersicht
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
169
A. Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
169
Β. Bestandskraft der Feststellung bei Aktiengesellschaften
181
C. Bestandskraft der Feststellung im GmbH-Recht D. Bestandskraft der Feststellung bei Personenhandelsgesellschaften
232
E. Zusammenfassung
275
§ 5 Bestandskraft der Rechnungslegung in partiarischen Rechtsverhältnissen
244
281
A. Rechtsnatur handelsrechtlicher Jahresabschlüsse im Rahmen partiarischer Rechtsverhältnisse
281
Β. Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse
292
C. Änderung unzweckmäßiger Jahresabschlüsse
298
D. Zusammenfassung
301
2. Teil Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse nach US-amerikanischem Recht und den IAS
303
§ 6 Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse nach US-amerikanischem Recht
303
A. Das System der US-amerikanischen Rechnungslegung
303
B. Änderung und Berichtigung US-amerikanischer Jahresabschlüsse
326
Inhaltsübersicht
§ 7 Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse nach den International Accounting Standards (IAS)
IX
343
A. Grundlagen der Rechnungslegung nach IAS
343
B. Änderung und Berichtigung von Jahresabschlüssen nach den IAS
358
§ 8 Harmonisierung der Rechnungslegung und Bestandskraft deutscher Jahresabschlüsse
371
Anhang
375
Anhang I : APB Opinion No. 20
377
Anhang II: International Accounting Standard IAS
395
Sachregister
411
Gliederung
Literaturverzeichnis § 1 Einleitung
XXV 1
A. Themenstellung
1
B. Begriffliche Grundlagen
5
I.
Bestandskraft
II. Berichtigung und Änderung des Jahresabschlusses 1. Begriff der Berichtigung eines Jahresabschlusses 2. Begriff der Änderung eines Jahresabschlusses
5 6 7 9
a) Begriffsbestimmung b) Abgrenzung der Wahlrechte von Beurteilungsspielräumen
9 10
III. Abgrenzung der Bestandskraft vom Gebot der Bewertungsstetigkeit
11
1. Teil Die Bestandskraft des handelsrechtlichen Jahresabschlusses im deutschen Recht
15
§ 2 Rechtsgrundlagen der handelsrechtlichen Rechnungslegung
15
A. Die Entwicklung der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht
15
B. Die Relevanz der betriebswirtschaftlichen Bilanzlehre und Bilanztheorie
21
C. Die Gemengelage der Rechtsgrundlagen und Funktionen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses
23
XII
Gliederung
I.
Strukturen der rechtlichen Gemengelage
23
1. Öffentlich-rechtliche Funktionen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses
24
2. Zivilrechtliche Funktionen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses
29
II. Unzureichende Berücksichtigung der Gemengelage durch die zivilrechtlich geprägte handelsrechtliche Bilanzrechtswissenschaft
33
III. Konsequenzen der rechtlichen Gemengelage fiir die Darstellung der Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse
37
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
41
A. Stadien des handelrechtlichen Jahresabschlusses
41
B. Bestandskraft des aufgestellten Jahresabschlusses
44
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
46
I.
Inhalt der Unterzeichnungspflicht nach § 245 HGB
46
II. Behandlung der Bestandskraft unterzeichneter Jahresabschlüsse in der Literatur und Rechtsprechung
50
1. Darstellung der Unterzeichnung in der handelsbilanzrechtlichen Rechtsprechung und Literatur
50
2. Rückschlüsse aus den Meinungen zur zeitlichen Abfolge von Unterzeichnung und gesellschaftsrechtlicher Feststellung
56
III. Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Funktionen des Jahresabschlusses für die Bestandskraftwirkung der Unterzeichnung
62
1. Bestimmung der Rechtsfolgen der Unterzeichnung durch die allgemeinen handelsrechtlichen Jahresabschlußfunktionen
62
a) Dokumentationsfunktion der Unterzeichnung
63
b) Verantwortungsübemahme durch Unterzeichnung
63
XIII
Gliederung
2. Abgrenzung der Funktionen der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht zur bilanztheoretischen Zieldiskussion der Betriebswirtschaftslehre 3. Systematik der Funktionen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses a) Dokumentation b) Zwang zur Selbstinformation c) Bemessung des Ausschüttungspotentials aa) Kapitalerhaltung und Gesellschafterschutz bei Kapitalgesellschaften bb) Haftungsbestimmung bei Kommanditgesellschaften d) Publizität e) Besteuerungsgrundlage f) Zusammenfassung der Jahresabschlußfunktionen IV. Rechtsfolgen fur die Änderung unterzeichneter Jahresabschlüsse 1. Notwendigkeit der Begrenzung nachträglicher Gestaltungen durch Wahlrechtsänderung a) Konsequenzen des Dokumentationszweckes aa) Konsequenzen der konkursorientierten Ausprägung des Dokumentationszwecks bb) Konsequenzen der prozessualen Ausprägung des Dokumentationszwecks (1) Dokumentation von Ansprüchen Dritter aus der Geschäftstätigkeit (2) Dokumentation gewinnabhängiger Ansprüche Dritter cc) Rechtsgedanke des § 239 Abs. 3 HGB b) Konsequenzen der Selbstinformationsfunktion
67 73 74 78 81 81 86 90 93 94 96 96 96 96 97 98 99 102 104
XIV
Gliederung
aa) Selbstinformation über die Konkursantragspflicht wegen Überschuldung bb) Selbstinformation über die Anzeige- und Einberufungspflichten nach § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG c) Konsequenzen der Kapitalerhaltungsfunktion und Haftungsbestimmung 2. Umfang der Begrenzung von Änderungen a) Verbot gewinnerhöhender Änderungen aa) Gefahrdung der Kapitalerhaltung und Haftungsbestimmung bb) Vereitelung der Selbstinformation über die Anzeige- und Einberufungspflichten nach § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG b) Beschränkung gewinnmindernder Änderungen 3. Ergebnis V. Rechtsfolgen für die Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse
104
108 112 115 117 117
120 121 123 124
1. Fortbestand der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht bei Fehlerhaftigkeit des Jahresabschlusses a) Verfehlung der Dokumentationsfunktion b) Verfehlung der Selbstinformationsfunktion
124 125 126
c) Verfehlung der Ausschüttungsbegrenzung und Vermögensabgrenzung 2. Handelsrechtlicher Fehlerbegriff a) Subjektiver Fehlerbegriff b) Wesentlichkeit der Abweichung 3. Umfang und Grenzen der Berichtigung a) Neuausübung der Wahlrechte b) Wertaufhellende Tatsachen
126 128 129 132 137 137 139
Gliederung
XV
c) Beschränkung durch Gewinnverwendungsbeschluß und Ausschüttung VI. Zwischenergebnis
141 143
D. Bestandskraft geprüfter Jahresabschlüsse
143
E. Bestandskraft publizierter Jahresabschlüsse
145
I.
Funktion und Entwicklung der handelsrechtlichen Publizitätsvorschriften
146
II. Konsequenz der Funktion handelsrechtlicher Publizität für die Behandlung der Bestandskraft publizierter Jahresabschlüsse
151
III. Auswirkungen von Änderungen und Berichtigungen auf die schutzwürdigen Interessen der Jahresabschlußadressaten
154
1. Aktionäre
154
a) Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse b) Nachträgliche Wahlrechtsänderung 2. Gesellschafter der GmbH und Personenhandelsgesellschaften 3. Gläubiger 4. Die öffentliche Hand
156 158
5. Sonstige interessierte Öffentlichkeit
165
F. Zusammenfassung § 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung A. Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung I.
Rechtsgrundlage der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegungspflicht
II. Stadien des gesellschaftsrechtlichen Jahresabschlusses 1. Aufstellung 2. Feststellung
160 162 164 167 169 169 169 172 172 173
XVI
Gliederung
a) Entwicklung der Feststellung
174
b) Gesellschaftsrechtliche Notwendigkeit einer Feststellung
176
c) Verhältnis der Feststellung zur Unterzeichnung nach § 245 HGB
179
Β. Bestandskraft der Feststellung bei Aktiengesellschaften I.
Feststellungskompetenz und Rechtsnatur der Feststellung
181 181
1. Rechtsnatur der Feststellung durch Vorstand und Aufsichtsrat
182
2. Rechtsnatur der Feststellungsbeschlüsse
183
II. Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses nach §256 AktG
186
1. Regelungszweck und Struktur des § 256 AktG 2. Nichtigkeitsgründe
186 187
a) Inhaltsfehler aa) Generalklausel (§ 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG)
187 189
bb) Gliederungsfehler (§ 256 Abs. 4 AktG) cc) Bewertungsfehler (§ 256 Abs. 5 AktG)
191 193
(1) Überbewertung (§ 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 AktG) (a) Wesentlichkeitserfordemis (b) Erkennbarkeit des Fehlers (c) Zulässigkeit von Kompensationen (2) Unterbewertung (§ 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AktG) dd) Verwendungsfehler (§ 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG) b) Prüfungsfehler
194 195 196 199 200 201 203
Gliederung
XVII
c) Verfahrensfehler (§ 256 Abs. 2, 3 AktG) aa) Durch Vorstand und Aufsichtsrat festgestellte Jahresabschlüsse (§ 256 Abs. 2 AktG) (1) Anwendbarkeit von § 256 Abs. 2 AktG auf anfechtbare Feststellungsbeschlüsse (2) Anfechtungsgründe (a) Inhalts- und Erklärungsirrtum (§ 119 BGB) (i) Unrichtige Jahresabschlüsse (ii) Unzweckmäßige Jahresabschlüsse (b) Arglistige Täuschung (§ 123 BGB) bb) Nichtigkeit von der Hauptversammlung festgestellter Jahresabschlüsse (§ 256 Abs. 4 AktG) 3. Rechtsfolgen des § 256 AktG a) Nichtigkeit der Feststellung und der Gewinnverwendung b) Pflicht zur Neuaufstellung und Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse 4. Umfang und Grenzen der Pflicht zur erneuten Auf- und Feststellung a) Möglichkeit zum Abwarten der Heilung nach § 256 Abs. 6 AktG b) Berücksichtigung wertaufhellender Erkenntnisse c) Grenzen der Neugestaltung III. Aufhebung festgestellter Jahresabschlüsse 1. Aufhebbarkeit festgestellter Jahresabschlüsse 2. Grenzen der Neugestaltung
203
204
206 209 209 210 212 213
214 215 215 217 219 219 222 223 226 226 230
XVIII
Gliederung
C. Bestandskraft der Feststellung im GmbH-Recht I.
232
Feststellungskompetenz und Rechtsnatur der Feststellung
232
II. Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses analog § 256 AktG
234
1. Analoge Anwendbarkeit von § 256 AktG
234
2. Analogiefahigkeit der Nichtigkeitsgründe
235
a) Inhaltsfehler b) Verwendungsfehler (§ 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG) c) Prüflingsfehler (§ 256 Abs. 1 Nr. 2, 3 AktG) d) Verfahrensfehler (§ 256 Abs. 2, 3 AktG) 3. Rechtsfolgen des § 256 AktG a) Nichtigkeit der Feststellung und der Ergebnisverwendung b) Pflicht zur Neuaufstellung und Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse 4. Umfang und Grenzen der Pflicht zur erneuten Auf- und Feststellung
235
III. Aufhebung festgestellter Jahresabschlüsse D. Bestandskraft der Feststellung bei Personenhandelsgesellschaften I.
237 238 239 240 240 240 241 243 244
Rechtsnatur der Feststellung
244
1. Qualifizierung als abstraktes Schuldanerkenntnis
246
2. Qualifizierung als kausales Schuldanerkenntnis
247
II. Bestandskraft der Feststellung bei Irrtümern über Richtigkeit und Zweckmäßigkeit des Jahresabschlusses
251
1. Konstitutive und dekaratorische Wirkung der Feststellung
251
2. Umfang der konstitutiven Wirkung bei Irrtümern über die Richtigkeit und Zweckmäßigkeit festgestellter Jahresabschlüsse
253
Gliederung
XIX
a) Feststellung unrichtiger Jahresabschlüsse aa) Reichweite der konstitutiven Wirkung bei Feststellung unrichtiger Jahresabschlüsse bb) Umfang der Fehlerberichtigung
254 256
(1) Grundsatz der umfänglichen Neugestaltung
257
(2) Grenzen der Neugestaltung
258
b) Verhältnis von causa und Änderung unzweckmäßiger Wahlrechtsausübungen III. Nichtigkeitsgründe der Feststellung bei Personenhandelsgesellschaften 1. Keine Gesetzeswidrigkeit gemäß § 134 BGB bei Verstößen gegen das Handelsbilanzrecht a) Offene Handelsgesellschaft b) Kommanditgesellschaft 2. Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB 3. Nichtigkeit publizierter Jahresabschlüsse nach § lOPublG IV. Anfechtung der Feststellung 1. Mögliche Anfechtungsgründe 2. Rechtsfolgen der Anfechtung V. Aufhebung festgestellter Jahresabschlüsse E. Zusammenfassung § 5 Bestandskraft der Rechnungslegung in partiarischen Rechtsverhältnissen A. Rechtsnatur handelsrechtlicher Jahresabschlüsse im Rahmen partiarischer Rechtsverhältnisse I.
254
Herrschende Meinung: Qualifizierung der Feststellung als Schuldanerkenntnis
II. Eigene Auffassung: Qualifizierung als Ausübung eines Gestaltungsrechts gemäß § 315 BGB
260 261 262 263 265 268 270 270 271 272 273 275
281 281 284 286
XX
Gliederung
1. Übereinstimmung einer einseitigen Leistungsbestimmung mit der Interessenlage der Beteiligten 2. Konstruktive Vorteile einer einseitigen Leistungsbestimmung Β. Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse I.
Berichtigung bei Einordnung als Schuldanerkenntnis
II. Berichtigung bei Einordnung als Leistungsbestimmung nach § 315 BGB
287 289 292 293 296
C. Änderung unzweckmäßiger Jahresabschlüsse
298
D. Zusammenfassung
301
2. Teil Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse nach US-amerikanischem Recht und den IAS
303
§ 6 Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse nach US-amerikanischem Recht
303
A. Das System der US-amerikanischen Rechnungslegung I.
Grundlagen der US-amerikanischen Rechnungslegungsnormen 1. Entwicklung der kapitalmarktrechtlichen Institutionen und Rechnungslegungsvorschriften a) Die Securities and Exchange Commission (SEC) b) Das Committee on Accounting Procedure (CAP) und das Accounting Principles Board (APB) c) Das Financial Accounting Standards Board (FASB) 2. Systematik der GAAP
303 305 305 306
308 309 312
Gliederung
XXI
3. Rechtliche und tatsächliche Bedeutung der GAAP II. Zielsetzung der US-amerikanischen Rechnungslegung 1. Dominanz der Kapitalmarktinformation a) SFAC No. 1 - Objektives of Financial Reporting by Business Enterprises b) SFAC No. 2 - Qualitiative Characteristics of Accounting Information 2. Irrelevanz der Kapitalerhaltung und Ausschüttungsbemessung B. Änderung und Berichtigung US-amerikanischer Jahresabschlüsse I.
Inhalt der APB Opinion No. 20 "Accounting Changes" 1. Begriffsbestimmungen 2. Wahlrechtsänderung ("Change in Accounting Principle") a) Zulässigkeit einer Wahlrechtsänderung b) Durchführung der Wahlrechtsänderung aa) Ergänzung des aktuellen Jahresabschlusses bb) Neuaufstellung früherer Jahresabschlüsse 3. Ermessensänderung ("Change in Accounting Estimate") 4. Änderung des Rechnungslegungskreises ("Change in Reporting Entity") 5. Fehlerberichtigung ("Correction of Error")
314 316 317 317 319 322 326 327 327 329 330 330 331 332 333 334 334
II. Bestandskraft der amerikanischen Rechnungslegung im Vergleich zum deutschen Recht
335
1. Nachträgliche Änderungen fehlerfreier Jahresabschlüsse a) Konsequenzen der APB-Opinion No. 20
336 336
XXII
Gliederung
b) Vergleich der Bestandskraftkonzeption im deutschen und US-amerikanischen Recht 2. Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse § 7 Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse nach den International Accounting Standards (IAS) A. Grundlagen der Rechnungslegung nach IAS I.
340
343 343
Harmonisierung der Rechnungslegung durch das IASC
345
1. Aufgabe und Organisation des IASC
345
2. Tätigkeit des IASC
348
II. Die Zielsetzung der Rechnungslegung nach den IAS 1. Kapitalmarktinformation 2. Kapitalerhaltung und Ausschüttungsbemessung B. Änderung und Berichtigung von Jahresabschlüssen nach den IAS I.
337
Inhalt des IAS 8 "Net Profit or Loss for the Period, Fundamental Errors and Changes in Accounting Policies" 1. Begriffsbestimmungen des IAS 8 2. Wahlrechtsänderung ("Changes in Accounting Policies") a) Zulässigkeit von Wahlrechtsänderungen b) Durchführung der Wahlrechtsänderung aa) Referenzmethode ("Benchmark Method") bb) Erlaubte Alternative ("allowed alternative treatment") 3. Ermessensänderung ("change in accounting estimate") 4. Fehlerberichtigung ("correction of fundamental errors") a) Voraussetzungen einer Fehlerberichtigung
350 351 356 358
358 359 360 361 361 361 362 364 364 364
XXIII
Gliederung
b) Durchführung der Fehlerberichtigung
365
aa) Referenzmethode ("Benchmark Method")
365
bb) Erlaubte Alternative ("allowed alternative treatment")
366
II. Bestandskraftkonzeption der IAS im Vergleich zum deutschen Recht 1. Änderungen fehlerfreier Jahresabschlüsse 2. Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse
367 367 368
§ 8 Harmonisierung der Rechnungslegung und Bestandskraft deutscher Jahresabschlüsse
371
Anhang
375
Anhang I : APB Opinion No. 20
377
Anhang II: International Accounting Standard IAS
395
Sachregister
411
Literaturverzeichnis
Achleitner, Α.-Κ.; Peljic, P.: Des Abschlusses neue Kleider - Standardentwurf des International Accounting Standards Committee (IASC) zur "Presentation of Financial Statements", in: DB 1996 S. 2037 - 2042. Adler/Düring/Schmalz: Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5. Aufl., Stuttgart 1992. Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., Stuttgart 1997. A1CPA: ABP Accounting Principles, Original Pronouncements as of February 1, 1971, Vol. 2, New York 1971. Alder, H.\ Die Änderung des aktienrechtlichen Jahresabschlusses, in: Wpg 1949, S. 109 117. Arians, G.: Sonderbilanzen, 2. Aufl., Köln, Berlin, Bonn, München 1985. Assmann, H. -D.; Schütze, R. (Hrsg.): Handbuch des Kapitalanlagerechts, München 1990. Auler, W.-D.: Der Überschuldungsstatus als Bewertungsproblem, in: DB 1976 S. 2169 2173. Baetge, J.: Harmonisierung der Rechnungslegung - haben die deutschen Rechnungslegungsvorschriften noch eine Chance, in: Schmalenbachgesellschaft e.V.(Hrsg.), Internationalisierung der Wirtschaft, Stuttgart 1992, S. 109 - 123. ders. (Hrsg).: Die deutsche Rechnungslegung vor dem Hintergrund internationaler Entwicklungen, Düsseldorf 1994. ders.: Rechnungslegungszwecke des aktienrechtlichen Jahresabschlusses, in: Bilanzierungsfragen, Festschrift zum 65. Geburtstag von Ulrich Leffson, hrsg. von J. Baetge, A. Moxter und D. Schneider, Düsseldorf 1976, S. 11 - 28.. ders., J.: Bilanzen, 3. Aufl., Düsseldorf 1994. Baetge, J.; Roß, H. -P.: Was bedeutet "fair presentation" ?, in: Ballwieser, W. (Hrsg.), USamerikanische Rechnungslegung, 2. Aufl., Stuttgart 1996, S. 29 - 45. Ballerstedt, K.: Das Recht des Jahresabschlusses als Beispiel für das Verhältnis zwischen Recht und Wirtschaft, in: Raiser et alt. (Hrsg.), Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, Soziologie und Statistik, Berlin 1964, S. 120 - 132. ders.: Unternehmen und Wirtschaftsverfassung, JZ 1951, S. 486 - 493. Balthasar, H. : Die Rechte des Kommanditisten bei der Feststellung des Jahresabschlusses der Kommanditgesellschaft, in: Deutsches und Internationales Wirtschafts- und Bankrecht im Wandel, 1996, S. 1 - 20. Baltzer, J.: Der Beschluß als rechtstechnisches Mittel organschaftlicher Funktion im Privatrecht, Diss., Köln 1965. Balz, G.: Entnahme fiktiver Steuern bei der Personenhandelsgesellschaft, in: BB 1988, S. 1305- 1306. Bareis, P. /Brönner, H.: Die Bilanz nach Handels- und Steuerrecht, 9. Aufl., Stuttgart 1991 Barth, K. : Die Entwicklung des Deutschen Bilanzrechts und der auf ihm beruhenden Bilanzauffassungen, Band I Stuttgart 1953. Bartholomeyczik, H.: Der Körperschaftsbeschluß als Rechtsgeschäft, ZHR 105 (1938), S. 293 - 334.
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§ 1 Einleitung Α.
Themenstellung
Jahresabschlüsse von Unternehmen haben in einer entwickelten Marktwirtschaft, in der die Unternehmen darauf angewiesen sind, große Teile des betriebsnotwendigen Kapitals bei Dritten aufzunehmen, eine erhebliche Bedeutung. Sie dienen dazu, die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens gegenüber allen am Unternehmen Interessierten darzustellen. Zugleich sind sie Grundlage für die Berechnung von Ansprüchen gegen das Unternehmen, etwa der Gewinnansprüche der Gesellschafter, Tantiemen der Geschäftsfuhrungsorgane oder der Steueransprüche des Staates. Entsprechend der großen Bedeutung der Jahresabschlüsse hat sich ein kaum noch überschaubares wirtschaftswissenschaftliches und steuerrechtliches Schrifttum zum Bilanzrecht entwickelt. Hierbei stehen meist Fragen der wirtschaftswissenschaftlichen und steuerlichen Zweckmäßigkeit des deutschen Bilanzrechtes sowie der daraus erwachsenden Möglichkeiten zur Gestaltung des Jahresabschlusses im Vordergrund. Im handels- und gesellschaftsrechtlichen Schrifttum werden bilanzrechtliche Fragen dagegen in deutlich geringerem Umfange thematisiert. Es drängt sich hier der Eindruck auf, daß das Bilanzrecht mit seinen oft sehr detailreichen Vorschriften weniger als rechtliche denn als betriebswirtschaftliche Materie angesehen wird.1 Diese Zurückhaltung der Rechtswissenschaft erscheint nicht gerechtfertigt, denn eine Auseinandersetzung mit bilanzrechtlichen Fragen ist sowohl rechtsdogmatisch wie auch für viele praktische Fragen sinnvoll und notwendig.2 Dies zeigt gerade die hier thematisierte Frage der rechtlichen Bestands-
1
Ähnlich Großfeld, Bilanzrecht, 2. Aufl. 1990, S. 1; Binz/Sorg, DB 1996, S. 969 (972); Groh, in: Steuerberaterjahrbuch 1979/80, S. 121 (122); Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 1970, S. 73f.
2
Eine verstärke Auseinandersetzung der Rechtswissenschaft mit dem Bilanzrecht fordert auch Hommelhoff, in: Festschrift für Odersky, 1996, S. 779 (797), wobei sich dieser in erster Linie auf verfasssungsrechtliche Bedenken gegen eine Verweisung im HGB auf die LAS stützt. Die Notwendigkeit einer rechtlichen und nicht nur wirtschaftlichen Betrachtung bilanzrechtlicher Probleme betonen aus betriebswirtschaftlicher Sicht Maul, ZfbF 1975, S. 150 (152) und Mellwig, in: IDW, Personengesellschaft und Bilanzierung, 1990, S. 211.
2
§ 1 Einleitung
kraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse.3 Bei der Beantwortung dieser Frage sind zwei widerstreitende Aspekte zu berücksichtigen: Da der handelsrechtliche Jahresabschluß Grundlage von Entscheidungen und der Bemessung darauf aufbauender Ansprüche ist, hat der Rechtsverkehr zunächst ein Interesse, auf die Beständigkeit handelsrechtlicher Jahresabschlüsse vertrauen zu können. Legt man die veröffentlichten Jahresabschlüsse börsennotierter Unternehmen zugrunde, so scheint dieses Vertrauen in die Bestandskraft des handelsrechtlichen Jahresabschlusses hinreichend gewährleistet, denn eine nachträgliche Berichtigung oder Änderung von Jahresabschlüssen ist nur selten festzustellen. Diese Beobachtung ist aber nur tatsächlicher Natur. Sie ergibt sich in starkem Maße daraus, daß bei den meisten veröffentlichten Jahresabschlüssen aufgrund der gesetzlichen Prüfung inhaltliche Fehler selten auftreten und die Unternehmen zudem die hohen Kosten einer erneuten Prüfung und Veröffentlichung scheuen.4 Hohe Kosten nachträglicher Veränderungen eines handelsrechtlichen Jahresabschlusses mindern aber nur den wirtschaftlichen Anreiz, nicht jedoch die rechtliche Möglichkeit von Veränderungen. Dieser Anreiz ist zudem bei Unternehmen, deren Jahresabschluß nicht publizitäts- und prüfungspflichtig ist, gering ausgeprägt. Ein berechtigtes Vertrauen in die Bestandskraft von Jahresabschlüssen kann daher nicht allein an wirtschaftlichen Anreizen festmachen, sondern setzt voraus, daß rechtliche Hindernisse bestehen, die einen Mißbrauch durch nachträgliche Veränderung handelsrechtlicher Jahresabschlüsse ausschließen. Dem berechtigten Vertrauen in die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse kann ein Interesse einzelner oder aller Beteiligter entgegenstehen, den Jahresabschluß des Unternehmens nachträglich anpassen zu können. Trotz sorgfältiger Aufstellung und Abschlußprüfung läßt sich nämlich nicht ausschließen, daß sich im nachhinein ein Jahresabschluß als unrichtig oder aber die darin vorgenommenen Gestaltungen als unzweckmäßig erweisen. Besonders spektakulär sind diese Fälle dann, wenn es sich um gescheiterte Unternehmen handelt, in deren Konkursverfahren sich herausstellt, daß über Jahre die Jahresabschlüsse zur Täuschung über die tatsächliche Unterneh-
3
So auch Ballerstedt, in: Raiser et alt, Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, Soziologie und Statistik, 1964, S. 120 (125), der die Bestandskraft trotz eines grundsätzlich kritischen Standpunktes gegenüber einer "Verrechtlichung" des Jahresabschlusses als eine in erster Linie aus rechtlichen, nicht betriebswirtschaftlichen Überlegungen zu beantwortende Frage ansieht.
4
So schon Adler, Wpg 1949, S. 109 (112); ähnl. Hundertmark/Herms, BB 1973, S. 1051 (1055).
Α. Themenstellung
3
menslage beschönigt wurden. Dies hat oft zur Folge, daß ein nicht vorhandener Gewinn ausgewiesen wurde und dem Unternehmen unzulässigerweise Substanz durch gewinnabhängige Ansprüche entzogen wurde. Hier besteht ein Bedürfnis, durch nachträgliche Berichtigung der Jahresabschlüsse den gewinnabhängigen Ansprüchen möglichst die Grundlage zu entziehen und so im Rahmen der zivil- und gesellschaftsrechtlichen Grenzen für die Rückforderung ausgeschütteter Gewinne5 die Konkursmasse zu mehren. Dieses Bedürfnis einer nachträglichen Berichtigung oder Änderung handelsrechtlicher Jahresabschlüsse ist aber nicht auf den Konkursfall beschränkt. Auch im lebenden Unternehmen kann sich - insbesondere im Gefolge einer steuerlichen Betriebsprüfung - die Frage stellen, ob ein im Lichte neuerer Erkenntnisse als unrichtig oder unzweckmäßig anzusehender handelsrechtlicher Jahresabschluß nachträglich geändert werden kann und welche Auswirkungen dies auf gewinnabhängige Ansprüche gegen das Unternehmen hat. Das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Bestandskraft des Jahresabschlusses einerseits und andererseits das Bedürfnis, unrichtige oder unzweckmäßige Jahresabschlüsse auch nachträglich verändern zu können, fuhrt damit zu der Frage, ob und in welchem Umfang handelsrechtlichen Jahresabschlüssen eine rechtliche Bestandskraft beizumessen ist. Diese Frage ist erkennbar nicht nur rechtstheoretischer Natur, sondern hat wegen der wirtschaftlichen Bedeutung handelsrechtlicher Jahresabschlüsse auch erhebliche praktische Bedeutung. Angesichts dessen erscheint die Erörterung der Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse erstaunlich begrenzt. Während im steuerrechtlichen Schrifttum die Möglichkeit der Berichtigung und Änderung der Steuerbilanz ausführlich behandelt wird,6 beschränkt sich die Diskussion für den handelsreclichen Jahresabschluß weitestgehend auf eine
5
Zu den gesellschaftsrechtlichen Grenzen der Rückforderung ausgeschütteter Gewinne, insbesondere den § 62 Abs. 1 AktG, § 32 GmbHG und § 172 HGB vgl. die Ausführungen in § 4 Β II 4 b (Seite 223f.), C II 4 (Seite 241f.) und D II 2 a bb (2) (Seite 258f.) und für die Grenzen bei partiarischen Ansprüchen § 5 Β I (Seite 293f.).
6
Vgl. aus der Kommentierung die umfassenden Darstellungen bei Herrmann/Heuer/Raupach, EStG und KStG, 21. Aufl. 1956/96, § 4 EStG Anm. 73ff.; Nieland, in: Littman/Bitz/ Meincke, EStG, 14. Aufl. 1985, §§ 4, 5 Rdn. 540ff. und vor allem Weber-Gellert, in: Kirchhof/Söhn, EStG, 1993, § 4 Rdn. C Iff.; aus dem Schrifttum etwa v. Beckerath, in: DSUG 14 (1991), S. 66ff.; Greiner, Die steuerliche Bilanzberichtigung und Bilanzänderung, 1966; Pochmann, Grenzen zwischen Bilanzänderung und Bilanzberichtigung, 1964, S. 11 ff.
4
§ 1 Einleitung
bloße Ergänzung der steuerrechtlichen Problematik7 und die Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse nach § 256 AktG. Diese Fokussierung auf Steuer· und aktiengesellschaftsrechtliche Probleme mag zwar Ausdruck ehtiner besonderen praktischen Relevanz der hier aufgeworfenen Fragestellung auf diesen beiden Rechtsgebieten sein, einer systematischen Darstellung des Problems genügt dies jedoch nicht. Die Verpflichtung aller Kaufleute zur Rechnungslegung durch Jahresabschlüsse nach §§ 242 ff. HGB und die Vielzahl möglicher auf Jahresabschlüssen aufbauender Ansprüche machen die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse und die Möglichkeit ihrer Durchbrechung zu einem Problem, das über steuerrechtliche und aktiengesellschaftsrechtliche Aspekte hinausgeht. Ziel dieser Arbeit ist es daher, die bisher weitgehend vernachlässigte Problematik der Berichtigung und Änderung handelsrechtlicher Jahresabschlüsse für die wichtigsten kaufmännischen Unternehmensformen aufzubereiten. Entsprechend dieser Zielsetzung beschäftigt sich der erste Teil dieser Arbeit damit, die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse im deutschen Recht für die wichtigsten kaufmännischen Unternehmensformen systematisch darzustellen. Dabei konzentriert sich die Darstellung auf den von allen kaufmännischen Unternehmen zu erstellenden Einzelabschluß. Da sich dessen rechtliche Funktion bei den unterschiedlichen Formen kaufmännischer Unternehmen oft gleicht, folgt die Darstellung keinem nach Unternehmensformen gegliederten Aufbau, sondern setzt an den möglichen rechtlichen Funktionen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses an. Dies erlaubt es, die Natur der rechtlichen Problemstellungen klarer und für alle betroffenen Unternehmensformen einheitlich darzustellen. Im zweiten Teil der Arbeit wird dann der Tatsache Rechnung getragen, daß das deutsche Bilanzrecht in jüngerer Zeit fundamentaler Kritik ausgesetzt ist. Da die nach den Vorschriften des HGB aufgestellten Jahresabschlüsse von den internationalen Kapitalmärkten oft nicht anerkannt werden, versuchen viele deutsche Großunternehmen, sich vom deutschen Bilanzrecht zu lösen. Dies führt dazu, daß in der jüngeren Vergangenheit eine starke Tendenz bei international tätigen deutschen Unternehmen zu beobachten ist, die Rechnungslegung internationalen Standards anzupassen. Durch Erstellung zusätzlicher Konzernabschlüsse oder Überleitungsrechnungen versuchen sie, den Informationsbedürfnissen internationaler Kapitalmärkte gerecht zu werd-
7
So etwa bei v. Beckerath, in: DStJG 14 (1991), S. 66ff.; Pochmann, Grenzen zwischen Bilanzänderung und Bilanzberichtigung, 1964, S. 1 Iff.
Β. Begriffliche Grundlagen
5
den. Angesichts dieser Entwicklung erwägt sogar der deutsche Gesetzgeber, deutschen Unternehmen zumindest für den Konzernabschluß ein Wahlrecht zwischen einer Rechnungslegung nach dem HGB oder internationalen Standards zu gewähren.8 Im Mittelpunkt dieser Entwicklung stehen dabei die USamerikanischen Generally Accepted Accounting Principals (GAAP) und die International Accounting Standards (IAS) des International Accounting Standards Committee. Da zu erwarten ist, daß diese Internationalisierung der Rechnungslegung die Entwicklung des deutschen Bilanzrechts in den nächsten Jahren prägen wird, ist für die hier zu behandelnde Fragestellung von Interesse, welche Bestandskraft einem nach diesen Standards erstellten Jahresabschluß beizumessen ist. Im zweiten Teil dieser Arbeit wird daher der Versuch unternommen, die konzeptionellen Grundlagen der GAAP und IAS im Vergleich zum deutschen Bilanzrecht darzustellen. Aus diesen Grundlagen und den einschlägigen Einzelvorschriften werden dann die für die Berichtigimg und Änderung relevanten Abweichungen und Gemeinsamkeiten der Bestandskraftkonzeption erarbeitet.
B.
Begriffliche Grundlagen
I.
Bestandskraft
Bereits die knappe Darstellung des Themas dieser Arbeit zeigt, daß die Frage nach der Bestandskraft eines Jahresabschlusses sich immer dann stellt, wenn ein Unternehmen beabsichtigt, einen einmal erstellen Jahresabschluß nachträglich zu verändern. Ein aus unternehmerischen Überlegungen gefaßter Entschluß, einen Jahresabschluß zu verändern, wird dabei dann vom wirtschaftlichen Vorteilhaftigkeitskalkül zum rechtlichen Problem, wenn der Jahresabschluß ein rechtliches Stadium erreicht hat, das über ein bloßes betriebswirtschaftliches Zahlenwerk hinausgeht.
8
Vgl. Biener, in: DörnerAVollmert, IASC-Rechnungslegung, 1995, S. 9 (25); Grund, DB 1996, S. 1293 (1294); Leutheuser-Schnarrenberger, WM 1995, S. 1870 (1877); kritisch zu dieser Entwicklung jüngst Lutter, NJW 1996, S. 1945f.; zur verfassungsrechtlichen Problematik einer solchen Öffnung ausführlich Hommelhoff, in: Festschrift für Odersky, 1996, S. 779ff.
6
§ 1 Einleitung
Diese Feststellung des wechselseitigen Bezuges von Bestandskraft und Veränderungsmöglichkeit von Jahresabschlüssen erscheint zunächst trivial. Sie hat jedoch den Vorteil, den Begriff der Bestandskraft von Jahresabschlüssen in einem an der praktischen Relevanz des Themas ausgerichteten Sinne zu definieren: Als bestandskräftig wird im Rahmen dieser Arbeit jeder Jahresabschluß angesehen, der ein Stadium erreicht hat, das aus rechtlichen Gründen eine Veränderung des Zahlenwerkes oder der auf diesem Zahlenwerk aufbauenden Ansprüche begrenzt. Durch diese Umschreibung der Bestandskraft wird es möglich, die rechtsdogmatische Frage der Natur des Jahresabschlusses und die praktische Frage einer Veränderbarkeit des Rechenwerkes sowie der darauf aufbauenden Rechte zu verbinden.
II.
Berichtigung und Änderung des Jahresabschlusses
Die enge Verknüpfung von Bestandskraft und nachträglicher Veränderung handelsrechtlicher Jahresabschlüsse läßt es weiter angezeigt erscheinen, nach den Gründen, die einen Kaufmann zu einer Veränderung veranlassen können, zu differenzieren. Hierzu hat sich im Steuerbilanzrecht eine Unterscheidung zwischen einer Berichtigung fehlerhafter und einer Änderung fehlerfreier, aber als unzweckmäßig erkannter Steuerbilanzen herausgebildet.9 Diese Differenzierung findet zunehmend auch Akzeptanz im handelsbilanzrechtlichen Schrifttum. Während Teile des Schrifttums 10 noch von einem einheitlichen Begriff der Änderung ausgehen und die Unterscheidung in Bilanzberichtigung und -änderung im Handelsbilanzrecht als unnötig ablehnt, da beide Formen aus handelsbilanzrechtlicher Sicht einheitlich zu beurteilen seien, findet sich diese Differenzierung im neueren handels- und gesell-
9
Vgl. etwa Nieland, in: Littman/Bitz/ Meincke, EStG, 14. Aufl. 1985, §§ 4, 5 Rdn. 539ff. und vor allem Weber-Gellert, in: Kirchhof/Söhn, EStG, 1993, § 4 Rdn. Clff.; Greiner, Die steuerliche Bilanzberichtigung und Bilanzänderung, 1966; Pochmann, Grenzen zwischen Bilanzänderung und Bilanzberichtigung, 1964, S. 11 ff.
10
Vgl. etwa Budde/Müller, in: Beck'scher Bilanz-Kommentar, 2. Aufl. 1990, § 253 Rdn. 701; IDW, Stellungnahme HF A 2/1991, Wpg 1992, S. 89; Klein, Bilanzberichtigung und Änderung, Rdn. 7, in: Gnam, Handbuch der Bilanzierung, 1988.
Β. Begriffliche Grundlagen
7
schaftsrechtlichen Schrifttum11 ausdrücklich oder aber zumindest der Sache nach wieder. Die Rezeption dieser steuerrechtlichen Begriffsbildung hat den Vorteil, daß sie klar zwischen möglichen Anlässen einer nachträglichen Veränderung des Jahresabschlusses trennt. Während es bei nachträglicher Änderung fehlerfreier Jahresabschlüsse darum geht, ob sich bilanzielle Gestaltungsmöglichkeiten unbefristet dazu nutzen lassen, der unternehmerischen Geschäfts- und Bilanzpolitik entsprechende Jahresabschlüsse zu erstellen, geht es bei der Berichtigung um die Frage, ob eine sachlich unzutreffende Darstellung beseitigt werden darf oder gar beseitigt werden muß. Sowohl aus Sicht des Unternehmens wie auch der Adressaten des handelsrechtlichen Jahresabschlusses betreffen beide Formen in starkem Maße unterschiedliche Interessenlagen. Im Rahmen dieser Arbeit wird daher durchgängig zwischen Berichtigung und Änderung eines Jahresabschlusses differenziert. 1.
Begriff der Berichtigung eines Jahresabschlusses
Als Berichtigung eines Jahresabschlusses wird im folgenden die nachträgliche Korrektur eines ursprünglich fehlerhaft erstellten Jahresabschlusses bezeichnet. Fehlerhaft ist ein Jahresabschluß dabei dann, wenn er gegen gesetzliche Vorschriften verstößt oder aber die tatsächliche Vermögens- oder Ertragslage unzutreffend wiedergibt. Diese Begriffsbestimmung stimmt im wesentlichen überein mit der im Steuerrecht zur Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 EStG vertretenen Begriffsbildung. 12 Die Anlehnung an die steuerrechtliche Begriffsbildung erfolgt jedoch an dieser Stelle nur unvollkommen. Im Steuerrecht hat sich nämlich über die oben genannte Begriffsbildung hinaus eine am Kriterium der Erkennbarkeit des Fehlers orientierte Unterscheidung in objektive und subjektive Fehler durchgesetzt.
11
Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5. Aufl. 1992, § 42a GmbHG Rdn. 49f., § 172 AktG Rdn. 36ff.; Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl. 1995, § 245 Rdn. 3ff.; Goerdeler/W. Müller, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 3 0 Rdn.40ff.; W. Müller, in: Festschrift für Quack, 1991, S. 359 (362ff.); K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 4 6 Rdn. 23f.; SchulzeOsterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42 Rdn. 466ff.
12
Vgl. etwa IDW, Stellungnahme HFA 2/1991, Wpg 1992, S. 89; W. Müller, in: Festschrift für Quack, 1991, S. 359 (367).
8
§ 1 Einleitung
Die Vertreter des objektiven Fehlerbegriffs 13 stellen im Rahmen von § 4 Abs. 2 EStG allein darauf ab, daß die im Jahresabschluß dargestellte Vermögens- und Ertragslage objektiv von der tatsächlichen Situation des Unternehmens am Bilanzstichtag abweicht oder aber in sonstiger Weise gegen eine gesetzliche Vorschrift verstößt. Wann diese Abweichung erkannt wird oder erkennbar war, wird als unerheblich angesehen. Der vom BFH und dem überwiegenden Schrifttum vertretene subjektive Fehlerbegriff setzt für eine Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 EStG dagegen noch voraus, daß die Abweichung der dargestellten Vermögens- und Ertragslage von der tatsächlichen Lage des Unternehmens bereits im Zeitpunkt der Erstellung bei pflichtgemäßer und gewissenhafter Prüfung erkennbar war. 14 Obwohl hier nicht näher auf die steuerrechtlichen Probleme einer Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 eingegangen werden kann, ist der Sinn dieser vom BFH vertretenen Beschränkung auf subjektive Fehler unmittelbar einsichtig. Würde jede nachträglich erkannte Abweichung zu einer Berichtigung der Steuerbilanz nach § 4 Abs. 2 EStG berechtigen, wäre dieser Tatbestand angesichts der naturgemäßen Unsicherheit vieler Bilanzansätze kaum mehr eingrenzbar.15 Eine Übernahme dieser plausibel erscheinenden Beschränkung des steuerrechtlichen Fehlerbegriffes hätte zwar den Vorteil einer vollständigen Kongruenz der hier verwendeten Begrifflichkeit mit der steuerrechtlichen für sich. Sie würde aber zu einer weitgehenden Präjudizierung handelsrechtlicher Wertungen führen. Welcher Fehlerbegriff für die Berichtigung handelsrechtlicher Jahresabschlüsse zugrundezulegen ist, hat anhand autonomer Wertungen zu erfolgen und kann nicht durch inzidente Übernahme steuerrechtlicher Wertungen geklärt werden.
13 14
So insbesondere Flume, DB 1981, S. 2505f. Vgl. nur Nieland, in: Littman/Bitz/ Meincke, EStG, 14. Aufl. 1985, §§ 4, 5 Rdn. 539ff. und vor allem Weber-Gellert, in: Kirchhof/Söhn, EStG, 1993, § 4 Rdn. C 105ff. mit umfangreichen Nachweisen.
15
Vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, 75a.
EStG und KStG, 21. Aufl. 1956/96, § 4 EStG Anm.
Β. Begriffliche Grundlagen
2.
9
Begriff der Änderung eines Jahresabschlusses
a) Begriffsbestimmung Demgegenüber kann die Bestimmung des Begriffs der Änderung eines Jahresabschlusses weitgehend an das Steuerbilanzrecht angelehnt werden. Als Änderung des Jahresabschlusses soll die nachträgliche Gestaltung durch erneute Ausübung der in einem bereits erstellten Jahresabschluß enthaltenen Ausübung gesetzlich eingeräumter Wahlrechte verstanden werden. Der Begriff der Änderung macht also unmittelbar fest an dem bilanziellen Begriff der Wahlrechte. Durch solche Wahlrechte räumt der Gesetzgeber dem Rechnungslegungspflichtigen für einen Bilanzierungstatbestand mehrere Möglichkeiten der Bilanzierung ein, knüpft also an die tatbestandlichen Voraussetzungen mehrere zulässige Rechtsfolgen. 16 Hierdurch gestattet der Gesetzgeber dem Bilanzierenden ausdrücklich eine gewillkürte Darstellung der Vermögens- oder Ertragslage. 17 Dabei wird üblicherweise nach Ansatz-, Bewertungs- und Darstellungswahlrechten unterschieden. 18 Wegen des vorrangigen Zieles der Änderungen von Jahresabschlüssen, nachträglich Einfluß auf gewinn- und vermögensabhängige Ansprüche zu nehmen, interessieren von diesen Wahlrechten hier vor allem die Bewertungs- und Ansatzwahlrechte, da diese unmittelbare Auswirkung auf den ausgewiesenen Gewinn haben. Die Darstellungswahlrechte, die sich vor allem auf die Gliederung des Jahresabschlusses erstrecken, lassen den ausgewiesenen Gewinn und damit die materielle Rechtslage des Unternehmens weitgehend unberührt. Sie betreffen allein die Informationstiefe des Jahresabschlusses und stehen daher hier nicht im Zentrum der Betrachtung. Das Problem der Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses konzentriert sich damit auf die Fragestellung, ob der Bilanzierende an der einmal erfolgten Disposition über gesetzlich ausdrücklich eingeräumte Gestaltungen durch Wahlrechte festzuhalten ist. Da der Begriff der Änderung handelsrechtlicher Jahresabschlüsse unmittelbar an Gestaltungsmöglichkeiten der Vermögens- und Ertragslage an-
16 17
Vgl. Bauer, BB 1981, S. 766 (767). Vgl. Glade, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986, Teil 1 Rdn. 273, und aus betriebswirtschaftlicher Sicht die knappe Darstellung bei Kußmaul/Lutz, WiSt 1993, S. 440ff.
18
Vgl. nur die knappe Übersicht bei Siegel, Wahlrechte, in: Leffson/Rückle/Großfeld, Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe des HGB, 1986, S. 417ff.
10
§ 1 Einleitung
knüpft, die mit den bilanziellen Wahlrechten verbunden sind, ist eine Abgrenzung von zwei weiteren Problemkreisen erforderlich. b) Abgrenzung der Wahlrechte von Beurteilungsspielräumen Zunächst ist das Instrument der Änderung des Jahresabschlusses von den Beurteilungsspielräumen abzugrenzen. Neben den gesetzlichen Wahlrechten besteht nämlich auch eine Gestaltbarkeit des Jahresabschlusses durch Beurteilungs- oder Ermessensspielräume. Diese werden oft auch als faktische Wahlrechte bezeichnet.19 Solche faktischen Wahlrechte entstehen zum einen daraus, daß im Bilanzrecht die Formulierung der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Bilanzierungsvorschrift (Subsumtionsspielraum) oder deren Rechtsfolge (Konklusionsspielraum) nicht eindeutig bestimmt sind. Zum anderen eröffnet die Feststellung der tatsächlichen Unternehmenslage oft einen weiten Spielraum.20 Letzteres resultiert daraus, daß die Anwendung der gesetzlichen Bewertungsvorschriften vom Kaufmann häufig verlangt, Schätzungen und Prognosen 11
abzugeben. So ist etwa beim sogenannten gemilderten Niederstwertprinzip für die Notwendigkeit einer Abschreibung auf das Anlagevermögen nach § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB entscheidend darauf abzustellen, ob eine Wertminderung voraussichtlich dauerhaft ist. Die Dauerhaftigkeit der Wertminderung eines Vermögensgegenstandes ist jedoch in starkem Maße Gegenstand subjektiver Einschätzung. Für ungewisse Verbindlichkeiten und drohende Verluste aus schwebenden Verträgen ist nach § 249 Abs. 1 HGB eine Rückstellung zu bilden. Ob und in welcher Höhe hinreichend konkrete ungewisse Verbindlichkeiten oder Verluste aus schwebenden Verträgen bestehen, ist oft nicht objektiv feststellbar. Trotz eindeutig erscheinender gesetzlicher Bewertung besteht also ein tatsächlicher Beurteilungsspielraum. Durch entsprechende Gewichtung und Wertung vorhandener Informationen läßt sich dieser Beurteilungsspielraum zu einer gezielten Gestaltung des Jahresabschlusses ausnutzen. 2 In ganz ähnlicher Weise erwachsen nicht ausdrücklich vorgesehene Gestaltungsspielräume aus der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe. So
19 20 21
Vgl. etwa Clemm, in: Festschrift für Budde, 1995, S. 135 (146f.). Vgl. Clemm, in: Festschrift für Budde, 1995, S. 135 (146f.); Bauer, BB 1981 S. 766 (767f.). Clemm, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 93 (102f.).
22
Clemm, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 93 (105f.).
Β. Begriffliche Grundlagen
11
sind gemäß § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB Rückstellungen nur in Höhe des Betrages anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. Was im Einzelfall noch als vernünftige kaufmännische Beurteilung anzusehen ist, entzieht sich in weiten Grenzen einer objektiven Überprüfung. Aus diesen Beurteilungs- und Ermessensspielräumen resultiert eine den Bewertungswahlrechten oft vergleichbare Möglichkeit zur Gestaltung des ausgewiesenen Gewinns. Diese Möglichkeit zur Gestaltung des ausgewiesenen Gewinns ist im Gegensatz zu den gesetzlichen Bewertungswahlrechten jedoch mehr tatsächlicher denn rechtlicher Natur. Da es bei der hier gewählten Begriffsbestimmung der Änderung vor allem um das Problem der Bindung an rechtliche Dispositionen gehen soll, wird auf eine Änderung der Ausübung solcher faktischer Wahlrechte nur am Rande eingegangen.23
III.
Abgrenzung der Bestandskraft vom Gebot der Bewertungsstetigkeit
Die hier thematisierte Frage, ob handelsrechtlichen Jahresabschlüssen eine Bestandskraft beizumessen ist, die eine nachträgliche Änderung der Wahlrechtsausübung beschränkt, weist weiter eine große inhaltliche Nähe zur Beschränkung von Wahlrechtsausübungen durch das Stetigkeitsgebot in § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB auf. Dies macht es erforderlich, beide Problemkreise voneinander abzugrenzen. Inhalt des Gebotes der stetigen Bewertungen in § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB ist die Forderung, daß für gleichartige Bilanzpositionen in aufeinanderfolgenden Jahresabschlüssen grundsätzlich dieselben Bewertungsmethoden angewandt werden müssen. Dabei werden von dem Begriff der Bewertungsmethoden auch die Bewertungswahlrechte erfaßt.24 Zweck dieses Gebot ist
23
Dieser Ausschluß fuhrt im übrigen auch zu keiner nennenswerten inhaltlichen Begrenzung des Themas, denn die nachträgliche Änderung von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen dürfte ohne Vorliegen neuer Tatsachen im Regelfall gegen das handelsbilanzrechtliche Wahrheitsgebot und das Verbot widersprüchlichen Verhaltens verstoßen. Siehe dazu auch den Exkurs in § 3 C 1 IV a bb (1) (Seite 98f.).
24
Vgl. Budde/Geißler, in: Beck'scher Bilanzkommentar, 2. Aufl. 1990, § 252 Rdn. 55ff.; Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1991, § 252 Rdn. 33 und ausführlich die Darstellungen bei Leffson, Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Aufl. 1987, S. 432ff; Selchert, DB 1984, S. 1889ff.
12
§ 1 Einleitung
es, die Vergleichbarkeit aufeinanderfolgender Jahresabschlüsse zu gewährleisten.25 Während es im Rahmen der hier behandelten Änderung handelsrechtlicher Jahresabschlüsse darum geht, ob die in einem Jahresabschluß enthaltenen Wahlrechtsausübungen neu vorgenommen werden können, geht es bei der vom Stetigkeitsgebot erfaßten Änderung um die Abweichung von der Wahlrechtsausübung im jeweils vorausgegangen Jahr. Trotz dieser unterschiedlichen Struktur der jeweiligen Wahlrechtsänderungen findet sich im Schrifttum 26 häufiger die Aussage, daß schon das Stetigkeitsgebot einen möglichen Mißbrauch durch nachträgliche Änderung von Wahlrechten weitestgehend ausschließe. Enthalte der vorausgegangene Jahresabschluß bereits eine entsprechende Wahlrechtsausübung, so sei eine Ersetzung einer mit dem Vorjahr übereinstimmenden Wahlrechtsausübung durch eine davon abweichende unzulässig. Diese zunächst plausibel erscheinende Beschränkung nachträglicher Wahlrechtsänderungen durch das Stetigkeitsgebot kann eine Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse zur Vermeidung mißbräuchlicher Wahlrechtsänderungen nicht ersetzen, sondern setzt sie bei genauer Betrachtung vielmehr gerade voraus. Ein vorausgegangener Jahresabschluß vermag nämlich nur dann über das Stetigkeitsgebot eine Bindungswirkung für die Wahlrechtsausübung nachfolgender Jahresabschlüsse zu entwickeln, wenn er seinerseits nicht geändert werden kann. Andernfalls besteht die Möglichkeit, mit dem zu ändernden Jahresabschluß sämtliche vorausgegangenen so weit rekursiv zu ändern, bis das Wahlrecht zum ersten Male ausgeübt wurde. Diese Überlegung mag aus Sicht der Unternehmenspraxis wegen des damit verbundenen Aufwandes sehr theoretisch erscheinen. Sie zeigt jedoch deutlich, daß durch das Stetigkeitsgebot eine rechtliche Beschränkung handelsrechtlicher Jahresabschlüsse nicht zu erreichen ist, denn dies setzt Inzident eine Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse voraus. Zudem
25 26
Vgl. insbesondere Leffson, Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Aufl. 1987, S. 426ff. In dieser Richtung etwa Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl. 1995, § 30 Rdn. 11; Goerdeler/W. Müller, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 30 Rdn. 31; H P. Westermann, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1993, Rdn. 14.; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42 Rdn. 468; und mit Einschränkungen ders., in: IDW (Hrsg.), Bericht über die Fachtagung 1994,1995, S. 123 (128).
Β. Begriffliche Grundlagen
13
zeigt die Behandlung von Wahlrechtsänderungen im amerikanischen Recht, daß eine solche rekursive Änderung nicht gänzlich praxisfern ist.27 Bestandskraft und Stetigkeitsgebot sind mithin keine wesensfremden, sondern aufeinander bezogene Beschränkungen der Ausübung handelsbilanziell eingeräumter Wahlrechte.
27
Vgl. dazu unten Teil 2 - § 6 Β I 2 b (Seite 330f.).
1. Teil Die Bestandskraft des handelsrechtlichen Jahresabschlusses im deutschen Recht § 2 Rechtsgrundlagen der handelsrechtlichen Rechnungslegung A.
Die Entwicklung der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht
Die Verpflichtung, Bücher zu führen und Bilanzen zu erstellen, gehört zum Kernbereich der Pflichten eines Kaufmanns. Die Entwicklung der Buchfuhrungs- und Bilanzierungspflicht ist dabei vor dem Hintergrund der sich entwickelnden Kreditwirtschaft zu sehen. Während noch im Mittelalter die Buchführung als Geheimkunst galt und von den Kaufleuten als Geschäftsgeheimnis gehütet wurde,1 erkannte der merkantilistische Staat des 17. Jahrhunderts, daß eine geordnete Rechnungslegung der Kaufleute von allgemeinem öffentlichen Interesse ist.2 Aus der Erkenntnis, daß eine unzureichende Dokumentation und Übersicht des Kaufmannes über seine Geschäfte unternehmerischen Fehlleistungen und mißbräuchlichen Verwendungen von Krediten Vorschub leistet und so das Vertrauen der Allgemeinheit in die Wirtschaftsordnung und die Funktionsfahigkeit der Kreditwirtschaft gefährdet wird, erwuchs eine gesetzliche Verpflichtung der Kaufleute zur geordneten Rechnungslegung.3
1
Vgl. Schmidt-Busemann, Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, 1977, S. 21.
2
Vgl. Großfeld/Diekmann, Wpg 1988, S. 419 (423f.); Schmidt-Busemann, Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, 1977, S. 22f.
3
Vgl. für einen knappen Überblick zur Entwicklung der Rechnungslegung Großfeld/ Diekmann, Wpg 1988, S. 419ff.; R. Fischer, in: Ehrenberg, Handbuch des gesamten Handelsrechts, 2. Band, 1918, S. 464; Mathiak, in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 5, A 87ff.; Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht, 2. u. 3. Aufl. 1928, S. 109; D. Schneider, Geschichte der Buchhaltung und Bilanzierung, in: HWR, 3. Aufl. 1993, Sp. 712ff.; Wieland, Handelsrecht, Bd. I (1921) S. 296 f f . Ausführliche Darstellungen finden sich bei Barth, Die Entwicklung des deutschen Bilanzrechts, Band I, 1953; S. 61 ff.; 264ff.; Schmidt-Busemann, Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, (Fortsetzung der Fußnote auf nächster Seite)
16
§ 2 Rechtsgrundlagen der handelsrechtlichen Rechnungslegung
Die historische Grundlage der heutigen handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht wird dabei gemeinhin in der französischen Ordonnance pour le Commerce von 1673 gesehen,4 die wegen ihres Autors, des Textilkaufmanns Savary, auch häufig als Code Savary bezeichnet wird.5 Diese erste umfassende Regelung der kaufmännischen Rechnungslegung erließ der französische Gesetzgeber bezeichnenderweise, um die Gläubiger der Kaufleute angesichts einer Vielzahl betrügerischer Konkurse durch eine Rechnungslegungspflicht zu schützen und das Vertrauen des Kapitalmarkts wiederherzustellen. Auch die wesentlich umfangreicheren Rechnungslegungsvorschriften des Code de Commerce, der 1808 die Ordonnance pour le Commerce ablöste, wurde von dem Bestreben getragen, Ordnung und Sicherheit des kaufmännischen Rechtsverkehrs nach den Wirren der Französischen Revolution wieder herzuη stellen. Beide Regelungen waren also in starkem Maße darauf ausgelegt, das Geschäftsgebaren des Kaufmanns im Interesse des Kredit- und Geschäftsverkehrs zu dokumentieren und den Verbleib seines Vermögens im Falle eines Konkurses nachvollziehbar zu machen.8
4
1977; und zur Frühzeit der Buchhaltung Leyerer, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, 1922, 123ff. Vgl. Großfeld/Diekmann, Wpg 1988, S. 419 (420f.); Leffson, Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Aufl. 1987, S. 45; Moxter, Bilanzlehre, Band II, 3. Aufl. 1983, S. 6; Schmidt-Busemann, Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, 1977, S. 22f, 26; ausführlich Ter Vehn, ZfB 1929, S. 329 (336ff); Rehme, in: Ehrenberg, Handbuch des gesamten Handelsrechts, 1. Band, 1913, S. 184; Wieland, Handelsrecht, Bd. I (1921) S. 301; allgemein zur Bedeutung des code de commerce für das deutsche Handelsrecht Raisch, Die Abgrenzung des Handelsrechts vom Bürgerlichen Recht, 1962, S. 55f.; 87ff., 127ff.
5
Großfeld/Diekmann, Wpg 1988, S. 419 (421); Käfer, Die kaufmännische Buchführung, in: Berner Kommentar zum Schweizer Privatrecht, Band VIII, 1976, S. 60 Rdn. 3.8.; Lion, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht, 1928, S. 401 (426); Rehme, in: Ehrenberg, Handbuch des gesamten Handelsrechts, 1. Band, 1913, S. 183.
6
Vgl. Barth, Die Entwicklung des Deutschen Bilanzrechts, Bd. 1, 1953, S. 65f.; SchmidtBusemann, Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, 1977, S. 22f.; Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 1970, S. 201; Großfeld/ Diekmann, Wpg 1988, S. 419 (420f.); Ter Vehn, ZfB 1929, S. 161 (163f.).
7
Vgl. Moxter, Bilanzlehre, Band II, 3. Aufl. 1983, S. 6.; Schmidt-Busemann, und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, 1977, S. 37.
8
Vgl. insbesondere die Zusammenfassung des Regelungsgehaltes bei SchmidtBusemann, Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, 1977, S. 21ff. und 33; Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 1970, S. 200f.; Ter Vehn, ZfB 1929, S. 329f.
Entstehung
Α. Themenstellung
17
Eine ähnliche Auffassung lag den Artikeln 28 ff. des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs (ADHGB) aus dem Jahre 1861 zugrunde, die für den deutschen Rechtsraum erstmals eine umfassende Verpflichtung des Kaufmanns zur Führung von Büchern und zu einer jährlichen Bilanzerstellung enthielten. Diese Verpflichtung sollte den Kaufmann zur-Dokumentation und Selbstinformation zwingen, aber nicht um seiner selbst willen, sondern im Interesse eines geordneten Kapitalmarktes.9 Diese erstmalige Kodifizierung der Rechnungslegungspflicht der Kaufleute setzte sich nur wenig verändert in den §§ 38 ff. des HGB von 1897 fort, 10 die dann ihrerseits bis zum Bilanzrichtliniengesetz im Jahre 1986 mit nur unwesentlichen Änderungen Bestand hatten. Die für alle Kaufleute geltenden gesetzlichen Vorschriften zur Buchführungs- und Bilanzierungspflicht blieben damit mehr als ein Jahrhundert im Kern unverändert. Dieser Fortbestand der allgemeinen handelsrechtlichen Normen zum Bilanzrecht bedeutet jedoch nicht, daß die handelsrechtlichen Rechnungslegungspflichten auf dem Stand der Kodifizierung des ADHGB und des HGB stehen blieben und sich gänzlich von der betriebswirtschaftlichen Entwicklung der Bilanzlehre und -theorie lösten. Vielmehr verlagerte sich die rechtliche Fortentwicklung der Rechnungslegungspflichten aus dem allgemeinen Handelsrecht in das Recht der Aktiengesellschaft und das Steuerrecht. Die Bedeutung der Aktiengesellschaften für das deutsche Wirtschaftsleben führte schon frühzeitig zu einer Konzentration der Diskussion auf die Bilanzen der Aktiengesellschaft11 und veranlagte den Gesetzgeber dazu, mit der 10
Aktienrechtsnovelle vom 18. Juli 1884 im Interesse eines funktionierenden Kapitalmarktes für detaillierte Rechnungslegungsnormen bei Aktiengesellschaften zu sorgen.13 Diese Verlagerung der Diskussion und Rechtsentwick-
9
So insbesondere Staub, AHGB, 1893, Einleitung zu Art. 28; ähnlich Brüggemann, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, Vorbem. zu §§ 38ff. Rdn. 4.
10
Vgl. hierzu die Übersicht in Schubert/Schmiedel/Krampe, buch von 1897, Band II 2. Halbband, S. 1461.
11
So konzentrieren sich die beiden für das deutsche Bilanzrecht wichtigen und lange Zeit grundlegenden Arbeiten von Simon (Die Bilanzen der Aktiengesellschaften, 1. Aufl. 1886) und Rehm (Die Bilanzen der Aktiengesellschaften, 1. Aufl. 1903) allein auf das Recht der Aktiengesellschaften.
12
RGBl. 1884 I, S. 123ff.
13
Zur Bedeutung der Aktienrechtsnovelle für das deutsche Bilanzrecht vgl. ausfuhrlich Barth, Die Entwicklung des Deutschen Bilanzrechts, Band 1, 1953, S. 156ff.; weiter Großfeld/Diekmann, Wpg 1988, S. 419 (425); Moxter, BB 1984, S. 1780ff.
Quellen zum Handelsgesetz-
18
§ 2 Rechtsgrundlagen der handelsrechtlichen Rechnungslegung
lung in das Aktiengesellschaftsrecht führte dazu, daß die Fortentwicklung der allgemeinen kaufmännischen Rechnungslegungspflichten in Literatur und Rechtsprechung zunehmend vom Aktiengesellschaftsrecht her betrieben wurde. Dies war möglich, indem die dort gewonnenen Ergebnisse als Ausdruck der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung angesehen und so zu Normen erklärt wurden, die von allen Kaufleuten einzuhalten waren. 14 Parallel zu dieser Verlagerung ins Aktiengesellschaftsrecht ist die Fortentwicklung des Bilanzrechtes von einer Durchdringung mit steuerrechtlichen Fragestellungen gekennzeichnet.15 Handelsbilanzrechtliche Fragen treten oft als Vorfragen steuerrechtlicher Rechtsstreite auf 16 . Ursache dafür ist • 17 das dem deutschen Steuerrecht eigentümliche Prinzip der Maßgeblichkeit 1κ
der Handelsbilanz für die Steuerbilanz. Gemäß diesem Prinzip werden die nach handelsrechtlichen Vorschriften erstellten Jahresabschlüsse für die Bemessung der ertragssteuerlichen Belastung der Unternehmen herangezogen. Eine direkte Einbruchsteile des Steuerrechts in das Handelsbilanzrecht bewirkt das seit einiger Zeit sehr umstrittene umgekehrte Maßgeblichkeitsprinzip. Danach ist die Inanspruchnahme steuerlicher Vergünstigungen daran geknüpft, daß steuerliche Ansätze in die Handelsbilanz aufgenommen werden. 19 Dies erklärt auch, warum die Finanzgerichtsbarkeit in deutlich stärkerem Maße mit Fragen des Handelsbilanzrechts und seiner Fortentwicklung
14
Vgl. Beisse, in: Festschrift für Moxter, 1994, S. 3 (8); Kupsch, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, Einführung Β 3 Rdn. 6f.; Math iak, in: Kirchhof/Söhn, EStG, 1994, § 5 Rdn. A 96ff.; eine kritische Darstellung dieser Praxis hierzu findet sich insbesondere bei Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 1970, S. 193ff.
15
Vgl. Clemm, in: Jahrbuch der Fachanwälte fur Steuerrecht, 1979/80, S. 173 (177); Raupach, in: Festschrift für Moxter, 1994, S. 101 (103f.). 16 Vgl. Beisse, in: IDW (Hrsg.), Bericht über die Fachtagung 1978, 1979, S. 75 (77); Döllerer, in: Festschrift für Klein, 1994, S. 699 (701f.); Kupsch, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, Einführung Β 3 Rdn. 6; Schellein, Wpg 1988, S. 693 (694). 17
Die deutsche Eigenart dieses Prinzips betont etwa Großfeld, in IDW (Hrsg.), Bericht über die Fachtagung 1994, 1995, S. 19 (22).
18
Vgl. heute § 5 Abs. 1 EStG; zur Bedeutung und Entwicklung des Maßgeblichkeitsprinzips Schildbach, BB 1989, S. 1443ff. m.w.N.
19
Vgl. zum umgekehrten Maßgeblichkeitsprinzip und der handelsrechtlichen Kritik daran Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. 1993, § 2 III 2 (S. 29ff.); Raupach, in: Festschrift für Moxter, 1994, S. 101 (103ff.).
Α. Themenstellung
19
befaßt ist als die Zivilgerichtsbarkeit.20 Zunächst der RFH und dann später der BFH hatten so die Gelegenheit, zu einer Fülle von grundlegenden Fragen Stellung zu nehmen. Infolgedessen ist die kaufmännische Rechnungslegung stark von steuerrechtlichen Aspekten überlagert.21 Das Bilanzrichtliniengesetz (BiRiLiG)22, das zum 1.1.1986 in Kraft trat, setzte dann eine deutliche Zäsur für die Fortentwicklung des Handelsbilanzrechtes. Das Bilanzrichtliniengesetz verlagerte das Bilanzrecht umfassend in das Handelsrecht zurück und regelte es einheitlich für alle Untemehmensformen im 3. Buch des HGB in den §§ 238 bis 340 o. Wie schon die offizielle Bezeichnung 23 zum Ausdruck bringt, diente das Bilanzrichtliniengesetz in erster Linie der Angleichung des Gesellschaftsrechtes innerhalb der europäischen Gemeinschaft. In ihm wurden die für das externe Rechnungswesen maßgeblichen Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechtes, die 4. Richtlinie vom 25.7.1978 24 "Bilanzrichtlinie" - , die 7. Richtlinie vom 13.6.198325 - "Konzernbilanzrichtlinie" - und die 8. Richtlinie vom 10.4.198426 - "Bilanzprüferrichtlinie" - in deutsches Recht umgesetzt. Der Gesetzgeber hat mit der Umsetzung der EGRichtlinien aber zugleich die Gelegenheit genutzt, die Bedeutung der allgemeinen handelsbilanzrechtlichen Normen zu stärken, indem er die im Aktienrecht weiterentwickelten und ausführlich geregelten Rechnungslegungsvorschriften in das 3. Buch des HGB zurückverlagerte. Gleichzeitig setzte er der Fortentwicklung und Durchdringung der allgemeinen handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht vom Aktiengesellschaftsrecht her ausdrücklich ein Ende. 27 Der Gesetzgeber fuhrt in der Begründung zum Bilanzrichtliniengesetz aus, daß nunmehr strikt zwischen den für alle Kaufleute geltenden Nor-
20 21
Vgl. die Darstellung der Bilanzrechtsprechung bei Moxter, Bilanzrechtsprechung, Tübingen 1985. Vgl. Hoßauer/Kupsch, in: Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1979/80, S. 173 (176); Beisse, in: Festschrift fur Beusch, 1993, S. 77 (88, 91); Raupach, in: Festschrift für Moxter, 1994, S. 101 (111).
22
BGBl. I, 1985, S. 2355.
23
Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 19.12.1985, BGBl. I, S. 235.
24
ABl. der EG vom 25.7.1978 Nr. L 222 S. 11.
25
ABl. der EG vom 18.7.1983 Nr. L 193 S. 1.
26
ABl. der EG vom 12.5.1984 Nr. L 126 S. 20.
27
Vgl. Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, Vor § 238 Rdn. 17.
20
§ 2 Rechtsgrundlagen der handelsrechtlichen Rechnungslegung
men und den Normen für Kapitalgesellschaften zu trennen sei und eine analoge Anwendung der Normen für Kapitalgesellschaften grundsätzlich ausgeschlossen sei.28 Gleichzeitig hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, die noch im im Referentenentwurf und den beiden Regierungsentwürfen vorgesehene29 Umgestaltung des Handelsbilanzrechtes zu einem vom Begriff des Kaufmanns unabhängigen Unternehmensrechts umzusetzen. Tortz der umfangreichen Übernahme aktienrechtlicher Vorschriften in das Handelsbilanzrecht wurde vor allem im ersten Abschnitt an der traditionellen Ausgestaltung des Handelsbilanzrechtes als Recht aller Kaufleute festgehalten. Die allgemeine Buchführungspflicht nach §§ 238 ff. HGB und die allgemeine Pflicht des Kaufmanns zur Aufstellung von Jahresabschlüssen nach § 242 HGB entsprechen im Wortlaut und Inhalt weitestgehend der bereits vor dem Bilanzrichtliniengesetz geltenden Rechtslage nach §§ 38 ff HGB a.F. Der Gesetzgeber paßte diese allgemeinen Normen lediglich insoweit den geänderten Bedürfnissen und Gepflogenheiten des Rechtsverkehrs an, als er neben der Pflicht zur Erstellung einer Abschlußbilanz nach § 39 Abs. 2 HGB a.F. die Verpflichtung zur Erstellung eines umfassenderen Jahresabschlusses normierte. Dadurch wurde die Vermögensaufstellung in Form der Bilanz um einen vertieften Einblick in die Ertragslage durch die Gewinn- und Verlustrechnung ergänzt. Durch Beibehaltung der traditionellen Struktur bei gleichzeitiger Integration der neueren Vorschriften des früheren Aktiengesellschaftsrechts zerfallt das heute im 3. Buch geregelte Handelsbilanzrecht rechtshistorisch in zwei Teile: einen seit dem Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (ADHGB) von 1867 inhaltlich kaum veränderten Kernbestand allgemeiner Buchführungs- und Bilanzierungspflichten für alle Kaufleute in den §§238 - 245 HGB; und einem deutlich moderneren Teil, der seinen Urspung im früheren Aktiengesellschaftsrecht hat. Dieser moderen Teil umfaßt zum einen die für alle Kaufleute geltenden Ansatz- und Bewertungsregeln in den §§ 246 - 256 HGB sowie und die besonderen Vorschriften für Kapitalgesellschaften in §§ 264 ff. HGB.
28
29
Bericht des Rechtsausschusses, BT-DruckS. 10/4268 S. 88f., dazu auch Helmrich, in: IDW (Hrsg.), Personengesellschaft und Bilanzierung, 1990, S. 13 (16); SchulzeOsterloh, ZHR 1986, S. 403 (427). Vgl. Referentenentwurf vom 18.5.1981; 1. Regierungsentwurf vom 10.2.1982, BTDrucks. 9/1878; 2. Regierungsentwurf vom 26.8.1983, BTDruckS. 10/317; Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, Vor § 238 Rdn. 7, 9 mit weiteren Quellen in Fußnote 7.
Β. Betriebswirtschaftliche Bilanzlehre und Bilanztheorie
21
Diese rechtshistorische Zweiteilung des 3. Buches des HGB hat erhebliche Auswirkungen für die Behandlung allgemeiner Fragen der handelsrechtlichen Rechnungslegung, zu der auch die hier zu behandelnde Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse gehört. Aus der historischen Kontinuität der allgemeinen Rechnungslegungspflicht des Handelsbilanzrechtes folgt, daß für die in den §§ 238 - 245 HGB geregelten allgemeinen Pflichten auf die zum HGB in der Fassung vor 1986 und zum ADHGB von 186130 gewonnenen Erkenntnisse zurückgegriffen werden kann und muß. Die Zäsur durch das Bilanzrichtliniengesetz hat insoweit also nicht zu einer Umwälzung des Bilanzrechts geführt, sondern das Bilanzrecht regelungstechnisch wie inhaltlich in seinen historischen Grundlagen bestätigt.
B.
Die Relevanz der betriebswirtschaftlichen und Bilanztheorie
Bilanzlehre
Der kurze historische Abriß der Buchfuhrungs- und Bilanzierungspflicht läßt unschwer erkennen, daß trotz des Festhaltens an historischen Grundlagen durch das Bilanzrichtliniengesetz die Kodifizierung wie auch die Fortentwicklung der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht in starkem Maße Spiegelbild tatsächlicher wirtschaftlicher Entwicklungen sind. Die ursprüngliche Kodifizierung und Weiterentwicklung der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht läßt sich weitgehend auf die Informationsbedürfnisse eines sich entwickelnden Kapitalmarktes zurückführen.31 Letztlich stellt das Bilanzrecht daher in vielen Bereichen nur eine Adaptation der gewachsenen kaufmännischen Gepflogenheiten der Rechnungslegung dar, die vom Gesetzgeber als zweckmäßig erkannt wurden.32 Damit stellt das Handelsbilanzrecht einen typischen Fall der Verflechtung zwischen Wirtschaftswissenschaften
30
Die Bedeutung des ADHGB für das Verständnis des HGB wird betont von Raisch, Abgrenzung des Handelsrechts vom Bürgerlichen Recht, 1962, S. 2f.
31
So auch Großfeld/Diekmann, Wpg 1988, S. 419 (423); Zur Verknüpfung der für die heutige handelsrechtliche Rechnungslegung maßgeblichen aktienrechtlichen Rechnungslegung mit den Bedürfnissen des Kapitalmarktes ausfuhrlich Hopf, ZHR 1977 S. 389 (400ff.). So schon Simon, in: Festgabe für Koch; 1903, S. 379 (381f.); ähnlich Ballerstedt, in: Raiser et alt, Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, Soziologie und Statistik, 1964, S. 120.
32
22
§ 2 Rechtsgrundlagen der handelsrechtlichen Rechnungslegung
und Rechtswissenschaften dar.33 Viele Fragen des Bilanzrechtes lassen sich daher ohne eine gleichzeitige Analyse der wirtschaftlichen Funktion des Jahresabschlusses nicht hinreichend behandeln. Diese enge Verflechtung des bestehenden Bilanzrechtes mit der betriebswirtschaftlichen Bilanzlehre birgt die Gefahr in sich, daß die rechtswissenschaftlichen Aspekte des Bilanzrechtes durch wirtschaftswissenschaftliche Überlegungen überlagert werden. Diese Überlagerung ist jedoch in hohen Maße problematisch: In der betriebswirtschaftlichen Bilanztheorie ist die dem Jahresabschluß zugedachte Funktion in höchstem Maße umstritten. Dabei läßt sich feststellen, daß sich die modernen, dynamischen und organischen Auffassungen in zunehmendem Maße von der im bestehenden Handelsbilanzrecht dominierenden statischen Auffassung entfernt haben.34 Eine umfängliche Einbeziehung der betriebswirtschaftlichen Bilanztheorien in die Frage der Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse würde daher dazu führen, daß Unsicherheiten über die Funktionen des Jahresabschlusses in das bestehende Bilanzrecht übertragen werden. Solche Unsicherheiten lassen sich mit der für das Handelsbilanzrecht als objektive Rechtsordnung gebotenen Rechtssicherheit nicht vereinbaren.35 Ziel dieser Arbeit ist es daher nicht, die Bestandskraft von Jahresabschlüssen primär unter wirtschaftswissenschaftlichen Aspekten zu beurteilen. Die Bestandskraft des Jahresabschlusses wird vielmehr als rechtliches Problem erörtert. Das geltende Recht wird also daraufhin untersucht, ob es eine Bestandskraft des Jahresabschlusses beinhaltet und in welchem Umfange diese Bestandskraft Änderungen und Berichtigungen entgegensteht. Ob das gefundene Ergebnis aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht notwendig und sinnvoll ist, steht dabei nicht im Vordergrund des Interesses. Allerdings kann
33
Vgl. Beisse, StuW 1984, S. Iff.; Gutenberg, in: Raiser et alt. (Hrsg.), Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, Soziologie und Statistik, 1964, S. 133f.; Loitlsberger, in: Raiser et alt., Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, Soziologie und Statistik, 1964, S. 154f.
34
Zum Inhalt der betriebswirtschaftlichen Bilanztheorien und der statischen Natur des bestehenden Handelsbilanzrechts vgl. die instruktiven Ausführungen bei Moxter, Bilanzlehre, Band I, 3. Aufl. 1984, S. 29ff., 8Iff. sowie die Ausführungen unten unter § 3 C III 2 (Seite 67ff).
35
Ähnlich Moxter, AG 1979, S. 141 (143), allgemein zum Problem der Übertragung von Unsicherheiten der Wirtschaftswissenschaften und ihrer Begriffsbildungen in das Privatrecht Horn, AcP 176 (1976), S. 307 (310f.) und Rinck, in: Festschrift für Heymaims Verlag, 1965, S. 361 (368ff.).
C. Die Gemengelage der Rechtsgrundlagen und Funktionen
23
wegen der engen Verflechtung des Handelsbilanzrechtes mit der Entwicklung der betriebswirtschaftlichen Bilanzlehre auf betriebswirtschaftliche Überlegungen nicht gänzlich verzichtet werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Gesetzgeber dem bestehenden Bilanzrecht erkennbar wirtschaftswissenschaftliche Überlegungen zugrundelegt. Hier ist ein Rückgriff auf wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse zwingend erforderlich, um das vom Gesetzgeber verfolgte Konzept des Jahresabschlusses zu klären und im Wege einer teleologischen Auslegung Rückschlüsse auf die vom Gesetzgeber gewollten Funktionen und Rechtsfolgen des Jahresabschlusses zu ziehen. Aber auch hier ist die Einbeziehung von Erkenntnissen der betriebswirtschaftlichen Bilanzlehre und -theorie beschränkt auf eine Hilfsfunktion. Sie dienen allein dazu, die den bestehenden Nonnen zugrundeliegenden Überlegungen und die Zweckorientierung des Gesetzgebers zu klären und auf ihre rechtlichen Konsequenzen zu überprüfen. 36
C.
Die Gemengelage der Rechtsgrundlagen und Funktionen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses
I.
Strukturen der rechtlichen Gemengelage
Bereits aus der Darstellung der historischen Grundzüge des Bilanzrechts wurde ersichtlich, daß die Verpflichtung der Kaufleute, Bücher zu fuhren und einen Jahresabschluß zu erstellen, aus mehreren Rechtsgebieten erwachsen kann. Augenfällig ist dies bei der oben schon dargestellten Verflechtung zwischen dem Handelsbilanzrecht und dem Steuerbilanzrecht. Die Maßgeblichkeit des handelsrechtlichen Jahresabschlusses für die steuerrechtliche Rechnungslegung gemäß § 5 Abs. 1 EStG wie auch die teilweise umgekehrte Maßgeblichkeit steuerbilanzieller Vorschriften 37 fuhren dazu, daß im Bilanzrecht von einer Dualität aus Handelsbilanz und Steuerbilanz gesprochen wird. Diese für das deutsche Bilanzrecht typische Verflechtung hat zur Konsequenz, daß in der Unternehmenspraxis im Regelfall keine zwei getrennten
36
Ähnlich sieht Groh, in: Steuerberateijahrbuch 1979/80, S. 121 (126) das Verhältnis zwischen Bilanzrecht und Bilanztheorie; allgemein Rinck, in: Festschrift für Heymanns Verlag, 1965, S. 361 (368ff.).
37
kritisch zur Rolle der umgekehrten Maßgeblichkeit Raupach, in: Festschrift für Moxter, 1994, S. 101 (108f.) mit umfangreichen Nachweisen.
24
§ 2 Rechtsgrundlagen der handelsrechtlichen Rechnungslegung
Jahresabschlüsse erstellt werden, sondern lediglich eine "Einheitsbilanz" aufTR
gestellt wird. Die Zusammenfassung beider Rechnungslegungspflichten in einer Einheitsbilanz und die Diskussion um die Eigenständigkeit der steuerlichen Rechnungslegung berührt jedoch nur betriebswirtschaftliche Aspekte des Jahresabschlusses. Trotz einer intensiven Verflechtung beider Rechenwerke ist aus rechtlicher Sicht die Erfüllung der steuerrechtlichen Rechnungslegungspflicht von der handelsrechtlichen zu unterscheiden. Dementsprechend hat auch die Frage nach der Bestandskraft von Jahresabschlüssen unabhängig davon, ob zur Erfüllung dieser Rechnungslegungspflichten zwei getrennte oder ein einheitlicher Jahresabschluß erstellt wurde, eine von der steuerrechtlichen Regelung in § 4 Abs. 2 EStG zu unterscheidende handelsbilanzrechtliche Seite. Diese Dualität des Jahresabschlusses stellt jedoch nur den offensichtlichsten Teil der rechtlichen Gemengelage im Bilanzrecht dar. Bei genauerer Betrachtung stellt auch der gemeinhin als einheitliches Rechtsinstitut verstandene handelsrechtliche Jahresabschluß die Erfüllung voneinander zu unterscheidender Rechnungslegungspflichten dar. 1.
Öffentlich-rechtliche Funktionen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses
Bereits der kurze Abriß der historischen Entwicklung des Handelsbilanzrechtes hat gezeigt, daß die handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften ihren Ursprung in dem Bemühen des Gesetzgebers haben, die Gläubiger eines Kaufmannes vor unseriösem Geschäftsgebaren zu schützen und im Interesse der Gesamtwirtschaft für einen funktionsfähigen Kapitalmarkt zu sorgen. Aus dieser Schutzrichtung der handelsrechtlichen Buchfuhrungs- und Bilanzierungspflichten wurde für die §§ 38 ff des HGB von 1897 zumeist gefolgert, daß es sich um öffentlich-rechtliche Vorschriften handelt.39
38
Nach Raupach, in: Festschrift für Moxter, 1994, S. 101 (Fußnote 4 auf S. 103) erstellen 90% aller Bilanzierungspflichtigen nur eine Bilanz.
39
So schon im älteren Schrifttum R. Fischer, in: Ehrenberg, Handbuch des gesamten Handelsrechts, 3. Band, 1918, S. 476; Lehmann, in: Düringer/Hachenburg, HGB, 3. Aufl. 1939 § 38 Anm. lf.; Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht, 2. u. 3. Aufl. 1928, S. 109; Wieland, Handelsrecht, Bd. I (1921) S. 309; weiter BGH, BB 1985, 567; Buchwald, JR 1948, S. 65f.; Blumers, Bilanzierungstatbestände und Bilanzierungsfristen im Handelsrecht und Steuerrecht, 1983, S. 90f.; Ulmer, in: Festschrift für Hefermehl, 1976, S. 207 (210).
C. Die Gemengelage der Rechtsgrundlagen und Funktionen
25
An dieser rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechtes hat das Bilanzrichtliniengesetz von 1986 nichts geändert. Gerade die weitgehend unveränderte Übernahme der §§ 38 ff. HGB in die allgemeinen Rechnungslegungsvorschriften des 3. Buches des HGB zeigt, daß an die rechtshistorisch gewachsene Funktion des Handelsbilanzrechts angeknüpft werden sollte. Dies gebietet es, die nunmehr im 3. Buch enthaltenen Vorschriften des Handelsbilanzrechtes mit der heute ganz herrschenden Auffassung wie ihre Vorgänger als öffentlich-rechtliche Vorschriften anzusehen.40 Dementsprechend handelt es sich bei dem nach §§ 242 ff. HGB erstellten handelsrechtlichen Jahresabschluß eines Kaufmannes um ein öffentlich-rechtliches Rechtsinstitut, das dem Gläubiger- und Kapitalmarktschutz dient.41 Die Einordnung der handelsrechtlichen Rechnungslegungs- und Jahresabschlußpflichten als öffentliches Recht bedeutet jedoch nicht, daß die gesetzliche Regelung in sich homogen ist. Bereits an anderer Stelle wurde die augenfällige Diskrepanz im Detailreichtum der für alle Kaufleute geltenden Vorschriften einerseits und der für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften andererseits erwähnt.42 Darüber hinaus beinhaltet das 3. Buch des HGB zwei inhaltlich wie rechtshistorisch zu unterscheidende Ausprägungen des Gläubiger· und Kapitalmarktschutzes.
40
Vgl. Adler/Düring/Schmalz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5. Aufl. 1987, § 238 Rdn. 2, § 242 Rdn. 1; Budde/Kunz, in: Beck'scher Bilanzkommentar, 2. Aufl. 1990, § 238 Rdn. 56; Brüggemann, in: Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, Vorbem. zu §§38 ff. Rdn. 4, 5; Canaris, Handelsrecht, 22. Aufl. 1995, § 12 III. 1. (S. 190); Horn, in: Heymann, HGB, 2. Aufl. 1995, Einleitung I Rdn. 6; Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, Vor § 238 Rdn. 1, § 238 Rdn. 3, § 242 Rdn. 17; Jung, in: Heymann, HGB, § 238 Rdn. 8, § 242 Rdn. 2; W. Müller, in: Festschrift für Moxter, 1994, S. 75 (78ff.); K. Schmidt, Handelsrecht, 4. Aufl. 1994, § 15 I 1. (S. 423); kritisch jedoch Claussen, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 242 HGB Rdn. 5f.; ders., in: Festschrift für Semler, 1993, S. 97 (104).
41
Nicht gefolgt werden kann daher der von Nolte, DB 1963, Beilage 12, S. 1 (5) vertretenen Auffassung, daß die Verpflichtung zur Rechnungslegung nach § 38 HGB a.F. zwar öffentlich-rechtlich sei, die aufgestellte Bilanz aber eine rein privatrechtliche Wissenserklärung sei. Auch wenn das Handeln des Kaufmannes nicht öffentlich-rechtliches Handels darstellt, wie etwa bei der Ausübung hoheitlicher Gewalt durch einen Beliehenen, ist die Frage, ob das Ergebnis seines Handels seine ihm auferlegte öffentlichrechtliche Pflicht erfüllt, keine Frage des Privatrechtes. Die zur Erfüllung der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht aufgestellte und unterzeichnete Bilanz ist folglich notwendigerweise ein öffentlich-rechtliches Rechtsinstitut.
42
Zu dieser Inhomogenität in der Ausgestaltung der Normen vgl. oben § 2 Α (Seite 15ff).
26
§ 2 Rechtsgrundlagen der handelsrechtlichen Rechnungslegung
Die für alle Kaufleute geltende allgemeine Rechnungslegungs- und Jahresabschlußpflicht ist Ausprägung einer frühen Phase kapitalmarktrechtlicher Vorschriften. Die gesetzliche Verpflichtung zur Rechnungslegung dient nach den die Kodifizierung des Handelsbilanzrechts zunächst prägenden Vorstellungen dem präventiven Gläubigerschutz.43 Durch Dokumentation der Vermögenslage, Selbstinformation des Kaufmannes über seine Schuldendekkungsfähigkeit und Begrenzung des ausschüttbaren Gewinnes soll im Interesse der Gläubigerschaft die Solvenz und Zuverlässigkeit der am Rechtsverkehr teilnehmenden Kaufleute gewährleistet werden.44 Dabei wurde ursprünglich sogar darauf verzichtet, die generelle Einhaltung dieser Vorschriften zu erzwingen. Die Verletzung der Rechnungslegungspflichten war im HGB von 1897 grundsätzlich nur im Konkursfalle als Straftatbestand relevant.45 Das Handelsbilanzrecht hat sich rechtssystematisch also als unvollkommen ausgestaltetes besonderes Polizei- und Ordnungsrecht der Kaufleute entwikkelt, 46 das präventive und teilweise repressive Züge trägt. Ein solches auf hoheitlicher Repression und Prävention beruhendes System wird in der Literatur als typisches Merkmal früher Entwicklungsphasen eines Kapitalmarktrechtes angesehen.47 Daneben enthält das 3. Buch des HGB zugleich Regelungen, die Ausdruck einer Weiterentwicklung der den Rechnungslegungspflichten zugrundeliegenden Konzeption sind. Wesentliches Merkmal dieser neueren Konzeption
43
44
Zur Dominanz des Gläubigerschutzgedankens vgl. ausführlich Beisse, in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 77ff, insbes.82, 90; ders. in: Festschrift für Moxter, 1994, S. 3 (15); und Geßler, in: 75 Jahre Deutsche Treuhand-Gesellschaft 1890 - 1965, o.J. (1965), S. 129 (133ff.); weiter Brüggemann, in: Staub, GroBkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, Vorbem. zu §§ 38ff. Rdn. 4; Döllerer, in: Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht, 1979/80, S. 195 (198); Hüffer in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, §238 Rdn. 2; Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 1970, S. 201f.; Moxter, ZGR 1980, S. 254 (268, 275); allgemein zum Gläubigerschutz im Gesellschafts- und Handelsrecht Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band 1, 1980; § 10 (S. 513ff.). Zu diesen Funktionen der handelsrechtlichen Rechnungslegung vgl. ausführlich unten § 3 C III 3 (Seite 73ff.).
45
Zur Strafbewehrung der Rechnungslegungspflichten vgl. noch unten in § 3 C III 1 b (Seite 63ff.) und ausführlich Blumers, Bilanzierungstatbestände und Bilanzierungsfristen im Handelsrecht und Steuerrecht, 1983, S. 4ff.
46
So auch insbesondere W. Müller, in: Festschrift für Moxter, 1994, S. 75 (82ff., 85); ähnlich Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, Vor § 238 Rdn. 1; Gierke/Sandrock, Handels- und Wirtschaftsrecht, Bd. 1, 9. Aufl. 1975, S. 318.
47
Vgl. insbesondere Hopt, ZHR 1977 S. 389 (41 Iff.).
C. Die Gemengelage der Rechtsgrundlagen und Funktionen
27
ist es, daß sie den Schutz des Rechtsverkehrs weniger in hoheitlichen Eingriffen, insbesondere der Strafbewehrung der Bilanzierungsvorschriften, sucht. Vielmehr sollen die Teilnehmer am Kapitalmarkt - Aktionäre wie Gläubiger durch die Pflicht der Unternehmen zur Veröffentlichung aussagekräftiger Informationen dazu befähigt werden, Risiken zu erkennen und sich vor diesen selbst zu schützen. Weiter beinhaltet diese modernere Konzeption auch eine Verschiebung der Ziele. Zweck des Zwangs zur Information ist es nicht allein, die Teilnehmer am Kapitalmarkt zu schützen, sondern auch die im gesamtwirtschaftlichen Interesse liegende Effizienz der über den Kapitalmarkt stattfindenden Allokation von Ressourcen zu sichern.48 Diese modernere Form des Kapitalmarktschutzes setzt dabei einerseits an der ordnungsrechtlichen Rechnungslegungspflicht der Kaufleute an, indem sie diese zur Veröffentlichung der Bilanzen und - mit Einschränkungen - der Gewinn- und Verlustrechnung zwingt. Andererseits bietet die Pflicht zur Erläuterung im Anhang ein eigenständiges Instrument, das vor allem dazu dient, die Bilanzangaben so zu ergänzen, daß der Jahresabschluß den Informationsbedürfnissen des Kapitalmarktes gerecht wird. 49 Bereits im Hinblick auf die dem öffentlichen Recht zuzuordnenden Funktionen stellt das Handelsbilanzrecht damit eine Gemengelage aus zwei unterschiedlichen Ausprägungen öffentlich-rechtlicher Schutzkonzeptionen dar. Problematisch ist hieran, daß diese unterschiedlichen Konzeptionen durch die einheitliche Anknüpfung an dieselben handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften weder rechtshistorisch noch inhaltlich immer eindeutig zu trennen sind. Rechtshistorisch ist der Schutz der Anleger durch Publikation von Bilanzen im Kern nämlich keine Errungenschaft dieses Jahrhunderts, sondern war bereits Teil der Novellierung des ADHGB durch die Aktienrechtsnovellen
48
Zu dieser kapitalmarktrechtlichen Funktion der Rechnungslegung vgl. vor allem die instruktiven Darstellungen von Hopf, ZHR 1977 S. 389 (403f.; 414f.); weiter Assmann, in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1990, § 1 III Rdn. 22ff. (S. lOff); Kiel, Internationales Kapitalanlegerschutzrecht, 1994, S. 3, 7ff.; Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rdn. 14.18f. (S. 1139ff.).
49
Vgl. Moxter, AG 1979, S. 141 (145f.).
28
§ 2 Rechtsgrundlagen der handelsrechtlichen Rechnungslegung
von 1870 und 1884.50 Neu an dieser durch die Publizitätsvorschriften in §§ 325 ff. HGB zumindest vorläufig abgeschlossenen Entwicklung ist daher weniger die Publizität handelsrechtlicher Jahresabschlüsse als solche, als vielmehr der Stellenwert, der ihr im Rahmen des Handelsbilanzrechtes beigemessen wird. Auch inhaltlich hat die Anknüpfung des modernen Kapitalmarktschutzes an die dem Ordnungsrecht zuzuordnende kaufmännische Rechnungslegungsund Bilanzierungspflicht zu einigen materiellen Änderungen bestehender Vorschriften gefuhrt. So sind vor allem die umfangreichen Gliederungsvorschriften des HGB fur Kapitalgesellschaften Ausdruck der Kapitalmarktinformation. Auch die handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften wurden durch kapitalmarktrechtliche Überlegungen beeinflußt. Dies zeigt sich gerade an der Einfuhrung von Bewertungsuntergrenzen durch die Novelle des Aktiengesetzes von 1965. Zweck dieser erstmaligen Kodifizierung von Bewertungsuntergrenzen war allein der Schutz der Ausschüttungs- und Informationsinteressen externer Aktionäre.51 Trotz dieser rechtshistorischen wie auch inhaltlichen Überschneidung sind beide Konzeptionen des Handelsbilanzrechtes im System des 3. Buchs des HGB doch zumindest schwerpunktmäßig voneinander zu trennen. Die Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses und die Ansatz- und Bewertungsvorschriften werden von der am präventiven Gläubigerschutz orientierten ordnungsrechtlichen Konzeption dominiert.52 Dagegen findet die kapitalmarktrechtliche Konzeption des Bilanzrechtes - außer in den Publizitätsvorschriften der §§ 325 ff. HGB - ihren Ausdruck vor allem in den Erläuterungspflichten des Anhangs in §§ 284ff. c i
50
Vgl. v. Caemmerer, in: Das Frankfurter Publizitätsgespräch, 1962, S. 141 (157ff.); Geßler, in: 75 Jahre Deutsche Treuhand-Gesellschaft 1890 - 1965, o.J. (1965), S. 129 (134ff.); vgl. auch die rechtsvergleichende Darstellung von Horn, in: Horn/Kocka, Recht und Entstehung der Großunternehmen im 19. und frühen 20. Jahrhundert, 1979, insbes. S. 129f„ 164.
51
Vgl. Hopt, ZHR 1977 S. 389 (403); Claussen, in: Festschrift für Semler, 1993, S. 97 (99f.); ausfuhrlich Forster, in: Festschrift für H. Kaufmann, 1972, S. 153ff. sowie Geßler, in: 75 Jahre Deutsche Treuhand-Gesellschaft 1890 - 1965, o.J. (1965), S. 129 (139ff.). Vgl. dazu ausführlicher unten § 3 C III 3 c (Seite 8Iff.).
52 53
Zur Verlagerung kapitalmarktrechtlicher Funktionen des Jahresabschlusses in den Anhang vgl. insbesonder Moxter, AG 1979, S. 141 (145f.).
C. Die Gemengelage der Rechtsgrundlagen und Funktionen
2.
29
Zivilrechtliche Funktionen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses
Die Einordnung des nach §§ 242 ff. HGB erstellten Jahresabschlusses als öffentlich-rechtliches Rechenwerk zum Schutze der Gläubiger und des Kapitalmarktes wird der tatsächlichen Funktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses nur unzureichend gerecht. Der nach den handelsrechtlichen Vorschriften erstellte Jahresabschluß hat vielmehr zugleich eine zivilrechtliche Seite. Er ist im Regelfall auch Instrument der Rechnungslegung gegenüber allen, die durch zivilrechtliche Rechtsverhältnisse am Unternehmen beteiligt sind. Evident ist diese zivilrechtliche Bedeutung des nach §§ 242 ff. HGB erstellten Jahresabschlusses für die gesellschaftsrechtliche Rechnungslegung bei Kapitalgesellschaften. Sowohl das Aktiengesellschaftsrecht als auch das GmbHG enthalten eine ausdrückliche Verweisung auf die handelsbilanziellen Vorschriften. Für die inhaltliche Ausgestaltung des festzustellenden Jahresabschlusses wird in § 173 Abs. 2 AktG und § 42a Abs. 2 Satz 3 GmbHG auf die Vorschriften der Aufstellung, also auf §§ 242 ff. HGB, verwiesen. Zudem erklärt § 150 Abs. 1 AktG für die gesetzliche Pflicht zur Rücklagenbildung den handelsrechtlichen Jahresabschluß nach §§ 242, 264 HGB für maßgeblich. Diese ausdrückliche Verweisung bewirkt, daß die gesellschaftsrechtliche Rechnungslegung und damit die auf dem Jahresabschluß aufbauenden Ansprüche der Gesellschafter gegen die Kapitalgesellschaft inhaltlich durch die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des 3. Buches des HGB ausgestaltet werden. Im Personengesellschaftsrecht fehlt eine solche ausdrückliche Verweisung dagegen. Der Gesetzgeber bestimmt in §§ 120, 121 HGB für die offene Handelsgesellschaft bzw. in §§ 167 ff. i. V. m. §§ 120, 121 HGB für die Kommanditgesellschaft lediglich, daß der Gewinnanspruch jedes Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft anhand einer Bilanz zu ermitteln ist. Gleichzeitig gewährt der Gesetzgeber dem Kommanditisten in § 166 Abs. 1 HGB einen Anspruch auf eine Abschrift des Jahresabschlusses. Damit setzt der Gesetzgeber für gesellschaftsrechtliche Ansprüche voraus, daß eine Gewinnermittlung in der Gesellschaft stattfindet, ohne ausdrücklich festzulegen, nach welchen Vorschriften diese gesellschaftsrechtliche Rechnungslegung zu erfolgen hat. Lehre wie unternehmerische Praxis gehen jedoch ganz selbstverständlich davon aus, daß die zur Gewinnermittlung dienende Rechnungslegung auch bei den Personenhandelsgesellschaften identisch mit der han-
30
§ 2 Rechtsgrundlagen der handelsrechtlichen Rechnungslegung
delsrechtlichen Rechnungslegung nach §§ 242 ff. HGB ist.54 Diese Bemessung des Gewinnanspruchs nach §§ 120, 121 HGB ist allerdings nicht ganz so selbstverständlich, wie dies heute oft erscheint. Eine im Interesse der Gläubiger liegende (statische) Vermögensfeststellung kann nämlich durchaus andere Bilanzierungs- und vor allem ΒewertungsVorschriften sinnvoll erscheinen lassen, als eine (dynamische) Ermittlung des Gewinnanteils der Gesellschafter. Im Zuge der Kodifizierung des ADHGB war daher erörtert worden, ob bei den Personenhandelsgesellschaften eine doppelte Bilanzierung, die neben der Vermögens- auch eine Gewinnbilanz enthalten sollte, gesetzlich vorgeschrieben werden soll. Auf eine solche doppelte Bilanzierung wurde dann aber verzichtet, da der Schwerpunkt der gesetzlichen Regelung beim Schutz der Gläubiger gesehen wurde.5 Aus diesem Verzicht einer gesonderten gesellschaftsrechtlichen Bilanzierungspflicht im ADHGB läßt sich schließen, daß ohne abweichende gesellschaftsrechtliche Regelungen die Handelsbilanz auch Bemessungsgrundlage für §§ 120, 121 HGB sein sollte. Im Regelfall bestimmt der nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften in §§ 242 ff. HGB erstellte Jahresabschluß also auch die zivilrechtlichen Ansprüche der Gesellschafter. Aus dieser Bedeutung der handelsbilanzrechtlichen Normen für die gesellschaftsrechtlichen Ansprüche wird zum Teil gefolgert, daß das Handelsbilanzrecht nicht oder zumindest nicht ausschließlich als öffentlich-rechtliche Regelung anzusehen sei, sondern die §§238 ff. HGB auch zivilrechtlichen Charakter haben. 56 Dem ist insoweit zuzustimmen, als dem Handelsbilanz-
54
Vgl. Brüggemann, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, Vorbem. zu §§ 38ff. Rdn.4f.; Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl. 1971, § 17(S. 241f.), Lehmann, in: Düringer/Hachenburg, HGB, 3. Aufl. 1930, § 38 Anm. 8; Sudhoff, Rechte und Pflichten des Kommanditisten, 3. Aufl. 1985, S. 62ff. und grundsätzlich auch Schellein, Wpg 1988, S. 693 (695); ausdrücklich problematisiert wird das Verhältnis beider Rechnungslegungspflichten dagegen bei Ballerstedt, in: Raiser et alt, Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, Soziologie und Statistik, 1964, S. 122 und Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 336f., der allerdings erwägt, fur die gesellschaftsrechtliche Rechnungslegungspflicht die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung durch Grundsätze ordnungsmäßiger Rechnungslegung zu ergänzen.
55
Vgl. Ter Vehn, ZfB 1929, S. 431 (432ff., 437f.).
56
Vgl. Cosack, Lehrbuch des Handelsrechts, 4. Aufl. 1898, S. 76; Claussen, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 242 HGB Rdn. 5; ders., in: Festschrift für Semler, 1993, S. 97 (104).
C. Die Gemengelage der Rechtsgrundlagen und Funktionen
31
recht eine mittelbare privatrechtliche Funktion beigemessen wird. Die Inhaltsbestimmung der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegungspflicht durch Verweis auf das Handelsbilanzrecht macht die handelsbilanzrechtlichen Vorschriften in §§ 238 ff. HGB jedoch nicht zu originär zivilrechtlichen Normen. Die Pflicht zur Rechnungslegung gegenüber Gesellschaftern ist vielmehr eine eigenständige zivilrechtliche Verpflichtung. 58 Dies zeigt sich auch darin, daß für die Bestimmung gesellschaftsrechtlicher Ansprüche bei Personenhandelsgesellschaften im Gesellschaftsvertrag auch von den zwingenden handelsbilanzrechtlichen Vorschriften in §§ 238 ff. HGB abgewichen werden kann. 59 Zwar kommen solche abweichenden Regelungen in der Unternehmenspraxis nur selten vor, so daß im Regelfall neben der Steuer- und Handelsbilanz kein gesonderter gesellschaftsrechtlicher Jahresabschluß oder eine Ergänzungsrechnung zu erstellen ist; dennoch darf die tatsächliche inhaltliche Übereinstimmung nicht verdecken, daß der handelsrechtliche Jahresabschluß zugleich zwei distinkte Rechnungslegungspflichten erfüllt: eine aus dem Handelsbilanzrecht erwachsende öffentlich-rechtliche und eine aus dem Gesellschaftsrecht erwachsende zivilrechtliche.60 Die gesellschaftsrechtliche Rechnungslegungspflicht verändert also nicht die öffentlich-rechtliche Rechnungslegung, sondern baut inhaltlich auf dieser auf.61 Eine weitere mittelbare zivilrechtliche Bedeutung erhalten die handelsbilanziellen Normen in §§ 242 ff. HGB dann, wenn in schuldrechtlichen Vereinbarungen nicht gesellschaftsrechtlicher Natur der handelsrechtliche Jah-
57
So schon Wieland, Handelsrecht, Bd. I (1921), S. 309f
58
So besonders deutlich Lehmann, in: Düringer/Hachenburg, HGB, 3. Aufl. 1930, § 38 Anm. 1, 8a, 23; weiter Blumers, Bilanzierungstatbestände und Bilanzierungsfristen im Handelsrecht und Steuerrecht, 1983, S. 93, 94ff.; Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 337; Meilicke, in: StBJb 1979/80, S. 447 (449f.); wohl auch Brüggemann, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, Vorbem. zu §§ 38ff. Rdn. 5.
59
Vgl. etwa Lehmann, in: Düringer/Hachenburg, HGB, 3. Aufl. 1939 § 40 Anm. 12; Sudhoff, Rechte und Pflichten des Kommanditisten, 3. Aufl. 1985, S. 66.
60
So schon Hoeniger, in Düringer/Hachenburg, HGB, 3. Aufl. 1940, § 38 Anm.8a; weiter Lehmann, in: Düringer/Hachenburg, HGB, 3. Aufl. 1939, § 38 Anm. 23 und § 40 Anm. 12; W. Müller, in: Festschrift fiir Moxter, 1994, S. 75 (87); wohl auch Blumers, Bilanzierungstatbestände und Bilanzierungsfristen im Handelsrecht und Steuerrecht, 1983, S. 94f.
61
So auch W. Müller, in: Festschrift fiir Moxter, 1994, S. 75 (89, 94).
32
§ 2 Rechtsgrandlagen der handelsrechtlichen Rechnungslegung
resabschluß zur Grundlage für Ansprüche Dritter gegen das Unternehmen gemacht wird. Dies ist etwa der Fall bei Tantiemeansprüchen leitender Mitarbeiter, Gewinnansprüchen aus partiarischen Darlehen oder Genußrechten. Wie im Gesellschaftsrecht wird der handelsrechtliche Jahresabschluß hier durch Bezugnahme zugleich zum Instrument der Rechnungslegung und Grundlage der Bemessung eines Anspruches gegen die Gesellschaft im Rahmen eines Schuldverhältnisses.62 Diese Übersicht über die rechtlichen Funktionen zeigt, daß aus rechtlicher Sicht nicht nur zwischen den Rechtsinstituten der Steuer- und Handelsbilanz zu differenzieren ist. Auch der in der unternehmerischen Praxis als einheitliches Rechenwerk erstellte handelsrechtliche Jahresabschluß erfüllt unterschiedlichen Rechtskreisen zugehörige Rechnungslegungspflichten und beinhaltet aus rechtlicher Sicht folglich mehrere rechtliche Funktionen. Zum einen ist der handelsrechtliche Jahresabschluß ein öffentlich-rechtliches Rechenwerk zur Erfüllung der dem öffentlichen Recht zuzuordnenden kaufmännischen Rechnungslegungspflichten aus dem 3. Buch des HGB. Zum anderen ist der Jahresabschluß ein zivilrechtliches Rechenwerk, das der Erfüllung gesellschaftsrechtlicher und allgemein schuldrechtlicher Rechnungslegungspflichten dient. Diese Aufspaltung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses in unterschiedliche Rechenwerke mag aus unternehmerischer Sicht zunächst konstruiert erscheinen. Sie ist aber zur systematischen Behandlung der hier zu erörternden Berichtigung und Änderung handelsrechtlicher Jahresabschlüsse unabdingbar, denn die unterschiedlichen rechtlichen Funktionen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses führen sowohl zu unterschiedlich strukturierten rechtsdogmatischen Fragestellungen als auch zu unterschiedlichen Wertungsmaßstäben.63
62
Vgl. Blumers, Bilanzierungstatbestände und Bilanzierungsfristen im Handelsrecht und Steuerrecht, 1983, S. 94f.; Brüggemann, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, Vorbem. zu §§ 38ff. Rdn. 5.
63
So fur das Problem der Bewertungen von Bilanzpositionen auch Ballerstedt, in: Raiser et alt., Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, Soziologie und Statistik, 1964, S. 120 (122).
C. Die Gemengelage der Rechtsgrundlagen und Funktionen
II.
33
Unzureichende Berücksichtigung der Gemengelage durch die zivilrechtlich geprägte handelsrechtliche Bilanzrechtswissenschaft
Die Natur des handelsrechtlichen Jahresabschlusses als Gemengelage aus unterschiedlichen Rechnungslegungspflichten hat erhebliche Bedeutung für die hier anstehende Frage nach der Zulässigkeit von Änderungen und Berichtigungen handelsrechtlicher Jahresabschlüsse. Die für diese Fragestellung entscheidende rechtliche Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse hängt wesentlich von der Funktion und Rechtsnatur des handelsrechtlichen Jahresabschlusses im Rahmen der jeweiligen Rechnungslegungspflicht ab. Es sind also sowohl die öffentlich-rechtlichen als auch die zivilrechtlichen Funktionen des Jahresabschlusses daraufhin zu untersuchen, ob sie zu einer Bestandskraft des handelsrechtlichen Jahresabschlusses führen. Die Frage der Änderung und Berichtigung handelsrechtlicher Jahresabschlüsse stellt also notwendigerweise ihrerseits eine Gemengelage öffentlich-rechtlicher und zivilrechtlicher Aspekte dar. Diese aus den unterschiedlichen Funktionen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses zu ziehende Konsequenz steht jedoch in einem auffalligen Mißverhältnis zur Behandlung dieses Themas in der Literatur und Rechtsprechung.64 Dort wird die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse in erster Linie als zivilrechtliche Fragestellung angesehen und nur selten zwischen den unterschiedlichen Funktionen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses differenziert. Diese Dominanz der zivilrechtlichen Betrachtung und unzureichende Differenzierung zeigt sich insbesondere bei der Behandlung der Zulässigkeit von Bilanzänderungen. Ausgehend von der Qualifizierung des festgestellten Jahresabschlusses als Rechtsgeschäft wird dessen Änderung als bloßer actus contrarius eingeordnet, der bei Vorliegen wichtiger Gründe grundsätzlich zulässig sei. Unzulässig seien lediglich willkürliche Änderungen und - entsprechend dem Verbot rechtsgeschäftlichen Handelns zu Lasten Dritter - änderungsbedingte Eingriffe in bereits erworbene Ansprüche Dritter.65 Die öffentlich-rechtliche Natur
64
Grundlegend für die Auffassung der Rechtsprechung ist dabei die Entscheidung BGHZ 23, 15 Off.
65
Vgl. BGHZ 23, 150 (154ff.), ähnlich schon RGZ 32, 91 (94f.). Wichtig für die Bilanzierungspraxis ist vor allem die inhaltlich gleichlautende Stellungnahme des IDW (IDW (Hrsg.), Stellungnahme HFA 2/1991, Wpg 1992, S. 89ff.). Aus der Literatur weiter Adler, Wpg 1949, S. 109 (110); Budde/Müller, in: Beck'scher Bilanz-Kommentar, (Fortsetzung der Fußnote auf nächster Seite)
34
§ 2 Rechtsgrundlagen der handelsrechtlichen Rechnungslegung
des Jahresabschlusses wird bei den Voraussetzungen einer zulässigen Änderung dagegen zumeist überhaupt nicht erörtert.66 Soweit die öffentlichrechtliche Natur und Funktion des Jahresabschlusses dann doch angesprochen wird, geschieht dies beiläufig und ohne nähere Begründung der gezogenen Konsequenzen. Die Stellungnahmen reichen dabei von der pauschalen Ablehnung jedweden öffentlichen Interesses an einer Bindungswirkung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses67 bis zur Annahme, daß allein aus der öffentlich-rechtlichen Natur eine Endgültigkeit des unterzeichneten Jahresabschlusses folge. 68 Diese Dominanz der zivilrechtlichen Betrachtung bei gleichzeitiger Vernachlässigung der öffentlich-rechtlichen Funktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses ist Ausdruck einer grundsätzlichen Tendenz in der Bilanzrechtslehre. Obwohl weitestgehend Einigkeit über die öffentlich-rechtliche Natur der handelsbilanziellen Vorschriften im 3. Buch des HGB besteht69, werden öffentlich-rechtliche Natur und Funktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses kaum ausdrücklich zur Lösung bilanzrechtlicher Fragestellungen herangezogen.70
2. Aufl. 1990, § 253 Rdn. 717f.; Goerdeler/W. Müller, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 3 0 Rdn. 42; Hundertmark/Herms, BB 1973, S. 1051 (1053f.), Klein, Bilanzberichtigung und Änderung, in: Gnam, Handbuch der Bilanzierung, 1988, Rdn. Iff.; H.-P. Müller, in: Festschrift für Budde, 1995, S. 431 (438), der auf die GoB abstellt; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 49 Rdn. 25 (der allerdings ausdrücklich auf das Vorliegen wichtiger Gründe verzichtet); Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42 Rdn. 468; Weirich, Wpg 1976, S. 625 (627); Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5. Aufl. 1992, § 172 AktG Rdn. 49f. 66
Claussen, in: Festschrift für Semler, 1993, S. 97 (104), nimmt sogar ausdrücklich an, daß die öffentlich-rechtliche Natur des Jahresabschlusses irrelevant für die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabsschlüsse ist.
67
So Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 242 Rdn. 19.
68
So insbesondere bei BGH, BB 1985, 567 (569); W. Müller, in: Festschrift für Quack, 1991, S. 359 (361).
69
Vgl. dazu die ausführlichen Nachweise in Fußnote 39 auf Seite 24.
70
Vgl. Ballerstedt, in: Raiser et alt, Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, Soziologie und Statistik, 1964, S. 120 (121) und W. Müller, in: Festschrift für Moxter, 1994, S. 75 (81), der sogar annimmt, daß es sich bei der Einordnung der handelsbilanzrechtlichen Vorschriften als öffentliches Recht in der Literatur mehr um eine bloße Pflichtübung denn um einen für die Auslegung verwendeten Aspekt handelt.
C. Die Gemengelage der Rechtsgrundlagen und Funktionen
35
Die Dominanz der zivilrechtlichen Betrachtung fuhrt im weiteren dazu, daß bei der Erörterung bilanzrechtlicher Probleme die Herkunft rechtlicher Wertungen oft nicht hinreichend klar erkennbar ist, da eine klare Differenzierung zwischen öffentlich-rechtlichen, gesellschaftsrechtlichen und allgemein zivilrechtlichen Wertungen nicht stattfindet. Als Ausdruck dieser unzureichenden Differenzierung der bilanzrechtlichen Funktionen und Wertungen läßt sich insbesondere der häufig anzutreffende Vorbehalt begreifen, eine nachträgliche Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses dürfe nicht willkürlich sein.71 Dieser Vorbehalt ist letztlich ein Spiegelbild des für die Ausübung handelsbilanzrechtlicher Wahlrechte oft angenommenen Verbots willkürlicher oder gegen § 264 Abs. 2 Nr. 1 HGB verstoßender Gestaltungen.72 Wie dort trifft auch die Einschränkung der Bilanzänderung durch den Willkürvorbehalt der Vorwurf, daß diese Einschränkung bei einer genaueren Differenzierung der rechtlichen Funktionen des Jahresabschlusses und der betroffenen Inter-
71
BGHZ 23, 150 (154); Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 34; Baumbach/Hueck, AktG, 13. Aufl. 1968; § 172 Rdn. 3; Budde/Müller, in: Beck'scher Bilanzkommentar, 2. Aufl. 1990, § 253 Rdn. 717; Hoffmann, BB 1956, S. 569; Hundertmark/Herms, BB 1973, S. 1051 (1052); IDW (Hrsg.), Stellungnahme HFA 2/1991, Wpg 1992, S. 89 (90f.); IDW, Wirtschaftsprüferhandbuch 1996, Bd. 1 Rdn. 441; H.-P. Müller, in: Festschrift für Budde, 1995, S. 431 (435ff.); W. Müller, in: Festschrift fur Quack, 1991, S. 359 (364); K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 46 Rdn. 25; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42 Rdn. 468. Diese Postulierung einer Willkürschranke für nachträgliche Änderungen ist dabei nicht inhaltsgleich mit dem von Leffson, Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Aufl. 1987, S. 202ff. entwickelten Grundsatz der Willkürfreiheit. Dieser allgemein anerkannte (Vgl. etwa Kupsch, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, Einführung Β 3 Rdn. 175f.) Grundsatz zielt auf den Wahrheitsgehalt des Jahresabschlusses. Er verlangt eine objektive, im Sinne von intersubjektiv nachvollziehbarer, Bilanzierung. Nicht Gegenstand ist dagegen eine Abwägung von betroffenen Interessen, wie dies hier gefordert wird.
72
Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5. 1987, § 264 Rdn. 56f., 107; Budde/Karig, Beck'scher Bilanzrechtskommentar, 2. 1990, § 264 Rdn. 29f.; Claussen, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. § 264 HGB Rdn. 36; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. § 42 Rdn. 29 jeweils m.w.N.
Aufl. Aufl. 1988, 1996,
36
§ 2 Rechtsgrundlagen der handelsrechtlichen Rechnungslegung
essen entbehrlich ist.73 Wenn das öffentlich-rechtliche Handelsrecht dem rechnungslegungspflichtigen Kaufmann ausdrücklich Wahlrechte einräumt, so können Einschränkungen nur aus den betroffenen gesellschaftsrechtlichen oder schuldrechtlichen Rechten Dritter folgen. 74 Weshalb dem Kaufmann eine Gestaltung seines Jahresabschlusses verwehrt sein soll, die zwar nicht auf wirtschaftlich vernünftigen oder nachvollziehbaren Überlegungen beruht, aber keine Interessen Dritter oder der Allgemeinheit berührt, ist schwer einsichtig. So spricht etwa nichts dagegen, einem Einzelkaufmann, an dessen Gewinn kein Dritter partizipiert, eine Wahlrechtsausübung zu gestatten, die zu einem ihm wünschenswert erscheinenden Bilanzbild - etwa eine möglichst hohe Anzahl runder Beträge - führt. Ein selbständiges Verbot willkürlicher Wahlrechtsausübung, - das sich weder aus den öffentlich-rechtlichen Funktionen des Jahresabschlusses noch aus Rechten Dritter herleiten läßt, kann daher nicht angenommen werden. Dies gilt umgekehrt auch für die nachträgliche Änderung der Wahlrechtsausübung im handelsrechtlichen Jahresabschluß. Auch hier kann sich eine Beschränkung nur aus den öffentlich-rechtlichen Funktionen des Jahresabschlusses und der gesellschaftsrechtlichen und allgemein zivilrechtlichen Funktion des Jahresabschlusses ergeben. Solange jedoch keine rechtlich geschützten Interessen Dritter oder der Allgemeinheit berührt sind, muß eine Änderung auch dann zulässig sein, wenn sie unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht sinnvoll oder nachvollziehbar ist. Diese Notwendigkeit der Ausrichtung an den gesetzlichen Funktionen des Jahresabschlusses wird bei genauerer Betrachtung auch von den Vertretern eines Willkürvorbehaltes erkannt. Als Maßstab für die Willkürlichkeit einer Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses werden das Vorliegen eines wichtigen Grundes 76 , die Beeinträchtigung der öffentlich-rechtlichen Funktionen des Jahres-
73
Vgl. dazu Clemm, in: Festschrift für Budde, 1995, S. 135 (151); Glade, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986, § 264 Rdn. 40; W. Müller, in: Festschrift für Moxter, 1994, S. 75 (9Iff.); ähnlich Crezelius, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 42a Anh. Rdn. 73; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl. 1995, § 30 Rdn. 19.
74
Vgl. insbes. die Kritik bei W. Müller, in: Festschrift für Moxter, 1994, S. 75 (95f.).
75
Ähnlich Glade, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986, Teil 1 Rdn. 273. Vgl. W. Müller, in: Festschrift für Quack, 1991, S. 359 (364).
76
C. Die Gemengelage der Rechtsgrundlagen und Funktionen
37
abschlusses77 oder öffentlicher Belange78 oder eine nicht aus wirtschaftlichen Gründen gerechtfertigte Benachteiligung Dritter und der Gesellschafter79 herangezogen. Der Willkürvorbehalt stellt sich somit als Beschränkung dar, die aus einer unzureichenden Differenzierung der rechtlichen Funktionen und Interessen am handelsrechtlichen Jahresabschluß resultiert. Die zivilrechtlich geprägte Behandlung der Änderung handelsrechtlicher Jahresabschlüsse in der handelsrechtlichen Bilanzlehre wird der aus der Vielfalt der rechtlichen Funktionen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses folgenden rechtlichen Gemengelage im Ergebnis also nur unzureichend gerecht. Diese Gemengelage erfordert vielmehr eine an den rechtlichen Funktionen und der jeweiligen Rechtsnatur orientierte Untersuchung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses. ΟΛ
III.
Konsequenzen der rechtlichen Gemengelage für die Darstellung der Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse
Im ersten Teil der Abhandlung wurde der Versuch unternommen, die Schranken der Zulässigkeit von Änderungen und Berichtigungen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses zu systematisieren. Das gefundene System orientiert sich an der oben dargestellten Struktur der rechtlichen Funktionen des Jahresabschlusses. Wenn dabei versucht wurde, durch die Strukturierung der rechtlichen Gemengelage Konsequenzen fur die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse zu finden, so diente dies auch dem Bemühen, den im Schrifttum vorzufindenden Willkürvorbehalt durch eine systematische Darstellung der rechtlichen Schranken einer Änderung oder Berichtigung zu ersetzen.
77
Vgl. Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 25. Aufl. 1983, § 39 Anm. 1 F und Pochmann, Grenzen zwischen Bilanzänderung und Bilanzberichtigung, 1964, S. 12f.; ähnl. Hoffmann, BB 1956, S. 569.
78
Vgl. Hoffmann, BB 1956, S. 569; IDW, Wirtschaftsprüferhandbuch 1996, Bd. 1 Rdn. 441. Adler, Wpg 1949, S. 109 (112); ähnlich IDW, Wirtschaftsprüferhandbuch 1996, Bd. 1 Rdn. 441; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 49 Rdn. 25. In dieser Richtung wohl auch W. Müller, in: Festschrift fur Quack, 1991, S. 359 (364), der das Kriterium der Willkürlichkeit als sehr weit bezeichnet. Kritisch zu einer bloßen Interessenabwägung ohne rechtsdogmatische Einordnung des Jahresabschlusses auch Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 172 Rdn. 20.
79 80
38
§ 2 Rechtsgrundlagen der handelsrechtlichen Rechnungslegung
Die hier vorgenommene Systematisierung der rechtlichen Gemengelage und der daraus folgenden Konsequenzen stellt die öffentlich-rechtliche Funktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses vor dessen zivilrechtliche Bedeutung. Dies geschieht in bewußter Abgrenzung von der in der Literatur vorzufindenden Dominanz der zivilrechtlichen Betrachtung handelsbilanzrechtlicher Probleme. Hierdurch soll zum einen der Struktur der rechtlichen Gemengelage im Handelsbilanzrecht Rechnung getragen werden. Durch ausdrückliche oder konkludente Verweisung des Gesellschaftsrechts auf die Vorschriften des 3. Buches des HGB wird die öffentlich-rechtliche Rechnungslegung des HGB Grundlage der zivilrechtlichen Rechnungslegung. Dies spricht dafür, die öffentlich-rechtlichen Probleme der Änderung und Berichtigung handelsrechtlicher Bilanzen zum Ausgangspunkt der Betrachtungen zu nehmen. Zum anderen folgt diese Reihenfolge auch zwingend aus dem Umfang einer möglichen öffentlich-rechtlichen Bestandskraft. Während die Handelsbilanz als zivilrechtliches Rechtsinstitut unmittelbar immer nur eine relative Bindung des Kaufmannes im jeweils betroffenen gesellschaftsrechtlichen oder schuldrechtlichen Rechtsverhältnis entfalten kann,81 ist eine öffentlichrechtliche Bestandskraft von vornherein auf eine umfassende Bindung des Kaufmanns angelegt. Diese weiterreichende Wirkung macht es systematisch notwendig, die öffentlich-rechtlichen Aspekte der Bilanzänderung und berichtigung vor den zivilrechtlichen zu behandeln. Weiter scheint es sinnvoll, bei der Behandlung der zivilrechtlichen Aspekte der Änderung und Berichtigung handelsrechtlicher Jahresabschlüsse zwischen der gesellschaftsrechtlichen Funktion des Jahresabschlusses und den dem allgemeinen Schuldrecht zugehörigen Funktion vor allem im Rahmen partiarischer Rechtsverhältnisse zu trennen. Im Gegensatz zum Gesellschaftsrecht ist es im Rahmen partiarischer Rechtsverhältnisse nämlich nicht von vornherein klar, durch welchen rechtlichen Akt der handelsrechtliche Jahresabschluß für partiarische Ansprüche maßgeblich wird. Während im Gesellschaftsrecht das Rechtsinstitut der Feststellung des Jahresabschlusses als Rechtsgeschäft zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft entwickelt wurde, hat sich für das Verhältnis zu den schuldrechtlich Berechtigten kein entsprechendes eigenständiges Rechtsinstitut entwickelt. Dies führt dazu, daß die Maßgeblichkeit und Bestandskraft des handelsrechtlichen Jah-
81
So auch schon v. Braunbehrens, AG 1956, S. 28 (30).
C. Die Gemengelage der Rechtsgrundlagen und Funktionen
39
resabschlusses für gesellschaftsrechtliche und partiarische Rechtsverhältnisse nicht notwendigerweise identisch ist.
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB A.
Stadien des handelrechtlichen
Jahresabschlusses
Die weitgehende Übernahme der historischen Vorschriften zur allgemeinen Rechnungslegungspflicht in die Neufassung des 3. Buches hat zur Konsequenz, daß die Regelungsdichte der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht sehr inhomogen ist. Während vor allem die Fragen der Gliederung und Bewertung durch die Umsetzung der EG-Richtlinien und die Übernahme von Regelungen des Aktiengesellschaftsrechts sehr detailliert normiert sind, sind einige grundlegende Fragen des allgemeinen Handelsbilanzrechtes nur rudimentär geregelt. Hierzu gehört auch die Bestandskraft von Jahresabschlüssen. Das HGB schreibt in den allgemeinen Rechnungslegungsvorschriften lediglich vor, daß der handelsrechtliche Jahresabschluß zwei Stadien zu durchlaufen hat: er ist nach § 242 Abs. 2 und § 243 HGB aufzustellen und danach gemäß § 245 HGB zu unterzeichnen. Eine allgemeine handelsrechtliche Pflicht zur Feststellung1 ist dagegen nicht vorgesehen. Ursprünglich war in der Gesetzessprache des HGB die Differenzierung zwischen Aufstellung und Feststellung sogar überhaupt nicht enthalten.2 Der Begriff der Feststellung hat mit dem Bilanzrichtliniengesetz nunmehr zwar auch Eingang in das HGB gefunden, denn in den flir Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften des 2. Abschnittes des 3. Buches (§§ 264 - 335 HGB) wird die Feststellung des Jahresabschlusses mehrfach angesprochen.3 Hierbei handelt es sich jedoch erkennbar nur um eine Bezugnahme auf den gesellschaftsrechtlichen Akt. Eine eigenständige handelsrechtliche Verpflichtung zur Feststellung von Jahresabschlüssen läßt sich hieraus nicht ableiten. Dies zeigt sich auch darin, daß bei Kapitalgesellschaften gemäß § 335 HGB allein die Aufstellung, nicht
1
Zum Begriff der Feststellung und ihrer gesellschaftsrechtlichen Bedeutung vgl. ausführlich unten § 4 A II 2 (Seite 173ff.) sowie Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 242 Rdn. 46.
2
Vgl. Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 242 Rdn. 16.
3
So etwa beim Verbot des § 316 Abs. 1 Satz 2 HGB, eine Feststellung vor Prüfung des Jahresabschlusses vorzunehmen, beim Ausweis der geänderten Steuerlast bei Änderung der Ergebnisverwendung im Rahmen der Feststellung in § 278 Satz 1 2. Halbsatz HGB und bei der Bußgeldbewehrung fehlerhaft aufgestellter aber auch festgestellter Bilanzen in § 334 Abs. 1 Nr. 1 HGB.
42
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
aber die Feststellung durch Festsetzung eines Zwangsgeldes erzwungen werden kann. Dieses Fehlen einer Pflicht zur Feststellung im reformierten Handelsbilanzrecht ist kein Versehen des Gesetzgebers, sondern konsequenter Ausdruck der fortgeltenden historischen Orientierung des Handelsbilanzrechtes an der Rechnungslegung des Einzelkaufmanns.4 Die Feststellung des Jahresabschlusses ist vorrangig ein Akt der innergesellschaftlichen Legitimation des Jahresabschlusses zwischen den davon in ihren Rechten, insbesondere den Gewinnansprüchen, betroffenen Gesellschaftern. 5 Beim Einzelkaufmann bedarf es einer solchen internen Legitimation des Jahresabschlusses naturgemäß nicht, so daß eine auf dem Leitbild des Einzelkaufmannes aufbauende allgemeine Rechnungslegungspflicht neben der Aufstellung und der Unterzeichnung des Jahresabschlusses keines dritten Aktes bedarf. Aber auch für die Handelsgesellschaften konnte der Gesetzgeber aufgrund der öffentlich-rechtlichen Rechtsnatur des Handelsbilanzrechtes7 auf eine handelsrechtliche Pflicht zur Feststellung verzichten. Eine der gesellschaftsinternen Legitimation dienende Feststellungspflicht wäre ein Fremdkörper im 3. Buch des HGB, das als besonderes Ordnungsrecht, also öffentlichrechtliches Außenrecht des Kaufmanns 8 konzipiert ist. Der Verzicht auf eine Verpflichtung zur Feststellung als drittes handelsrechtliches Stadium des Jahresabschlusses war also systemkonform.9 Eine mögliche Bestandskraft des handelsrechtlichen Jahresabschlusses kann damit allein aus einem der von allen Kaufleuten zu durchlaufenden Stadien des Jahresabschlusses - Aufstellung nach § 242 Abs. 2 HGB oder Unterzeichnung gemäß § 245 HGB - resultieren.
4
Von einer Rückbesinnung des Gesetzgebers auf das Leitbild des Einzelkaufmannes spricht Helmrich, in: IDW (Hrsg.), Personengesellschaft und Bilanzierung, 1990, S. 13 (14).
5
Vgl. auch dazu ausführlich unten § 4 A II 2 b (Seite 176f.).
6
Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 242 Rdn. 20, 46; K. Schmidt, Handelsrecht, 4. Aufl. 1994, § 15 II 1. b) (S. 431); im Ergebnis ebenso Großfeld, Bilanzrecht, 2. Aufl. 1990, S. 20 (Rdn. 41) Vgl. dazu oben § 2 C (Seite 23 ff.).
7 8 9
Zu dieser Einordnung als Außenrecht vgl. auch K. Schmidt, Handelsrecht, 4. Aufl. 1994, § 15 II 1. b) (S. 430f.). So im Ergebnis wohl auch Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 242 Rdn. 16.
Α. Stadien des handelrechtlichen Jahresabschlusses
43
Im Gegensatz zum Aktiengesetz, das in § 256 AktG ausführlich die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit fehlerhafter Jahresabschlüsse normiert, fehlt in den §§ 242 ff. HGB jede ausdrückliche Regelung, unter welchen Voraussetzungen ein bereits aufgestellter oder unterschriebener Jahresabschluß verändert oder berichtigt werden kann. Angesichts dieser Lücke liegt zwar der Schluß nahe, die Vorschriften in § 256 AktG analog auf alle handelsrechtlichen Jahresabschlüsse anzuwenden. Diese Übertragung aktienrechtlicher Vorschriften auf das allgemeine Handelsbilanzrecht ist seit dem Bilanzrichtliniengesetz aber als grundsätzlich unzulässig anzusehen. Durch die strikte Trennung zwischen den für alle Kaufleute und den für Kapitalgesellschaften geltenden Bilanzierungsvorschriften sollte der bis dahin verbreiteten Entwicklung des allgemeinen Handelsbilanzrechts durch Übertragung aktienrechtlicher Vorschriften ein Ende gesetzt werden. Dies ist in der Gesetzesbegründung ausdrücklich ausgeführt. 0 Allerdings ist auch dem HGB die Problematik der Änderung von Bilanzen zumindest bei Kapitalgesellschaften nicht gänzlich fremd. Die Änderung von Bilanzen wird in dem für Kapitalgesellschaften geltenden 2. Abschnitt an einigen Stellen angesprochen. So in § 278 Satz 2 HGB, wonach bei einer Änderung der Steuerbelastung infolge eines vom Vorschlag der Geschäftsleitung abweichenden Ergebnisverwendungsbeschlusses der Jahresabschluß nicht geändert werden muß. Zum anderen bestimmt §316 Abs. 3 Satz 1 HGB, daß ein nach der Prüfung geänderter Jahresabschluß erneut zu prüfen ist. Schließlich ist nach § 325 Abs. 1 Satz 3 3. Halbsatz HGB ein bei nachträglicher Prüfung oder Feststellung geänderter Jahresabschluß erneut offenzulegen. Diesen Normen läßt sich entnehmen, daß zumindest bei Kapitalgesellschaften Änderungen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses nach dem Willen des Gesetzgebers möglich sind. Das Gesetz sagt aber nichts dazu aus, ob diese Änderungen infolge einer Bindungswirkung handelsrechtlicher Jahresabschlüsse nur als Ausnahme unter begrenzten Voraussetzungen möglich sein sollen, oder aber mangels Bindungswirkung eine beliebige Änderung zulässig ist. Weiter läßt die Regelung nicht erkennen, ob die Änderbarkeit für alle Kaufleute gelten soll, oder ob hierdurch lediglich den aktienrechtlichen Vorschriften im Rahmen des Handelsbilanzrechtes Rechnung getragen werden soll.
10
Bericht des Rechtsausschusses, BT-DruckS. 10/4268, S. 88ff.
44
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
Damit fehlt dem Handelsgesellschaftsrecht jede ausdrückliche oder mittelbare Regelung der Rechtsfolgen der Aufstellung und Unterzeichnung des Jahresabschlusses für dessen Bestandskraft. Welche Bestandskraft beiden Akten beigemessen werden kann, ist folglich allein durch Auslegung der Rechtsnatur und der vom Gesetzgeber gewollten Funktion beider Stadien im Rahmen der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht zu ermitteln.
B.
Bestandskraft des aufgestellten
Jahresabschlusses
Die handelsrechtliche Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses gemäß § 242 Abs. 2 HGB ist selbständiger Teil der umfassenden handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht. Sie verpflichtet den Kaufmann dazu, die während eines Geschäftsjahres vorgenommenen Aufzeichnungen in den Handelsbüchern zu einem periodischen Abschluß zu verdichten, so daß eine stichtagsbezogene Darstellung der Vermögens- und Ertragslage entsteht. § 242 Abs. 2 HGB verpflichtet den Kaufmann also zu einem rein tatsächlichen Verhalten, das notwendigerweise einige Zeit in Anspruch nimmt. 11 Ergebnis dieser tatsächlichen Verpflichtung ist ein Rechenwerk, das den Kenntnisstand der Geschäftsleitung, aber auch Vorschläge zur Ausnutzung von Gestaltungsspielräumen zum Ausdruck bringt. Letzteres folgt notwendigerweise daraus, daß die im aufgestellten Jahresabschluß dargestellte Vermögens- und Ertragslage vollständig zu sein hat, für alle Positionen also konkrete Angaben gemacht werden müssen. Soweit in den Ansätzen des Jahresabschlusses Gestaltungsspielräume durch Ansatz- und Bewertungswahlrechte oder aber Beurteilungs- und Ermessensspielräume bestehen, müssen diese in einem vollständigen Jahresabschluß ausgeübt werden. Die tatsächliche Verpflichtung der Geschäftsleitung zur Aufstellung des Jahresabschlusses beinhaltet also nicht allein die buchhalterische Verdichtung der in den laufenden Buchungen verzeichneten Geschäftsvorfälle. Vielmehr verlangt sie von der Geschäftsleitung zugleich auch die Ausübung gestalterischer Möglichkeiten. 12 Diese mit der Aufstellung eines vollständigen Jahresabschlusses verbundene Notwendigkeit der Ausübung der Gestaltungsrechte ist zunächst nur tatsächlicher Natur. Sie läßt dagegen keinen rechtlich verbindlichen Gestal-
11
Vgl. Rose, DB 1960, S. 529f.
12
In diesem Sinne wohl auch Emmerich, in: Heymann, HGB, 2. Aufl. 1996, § 120 Rdn. 6a; Hommelhoff/Priester, ZGR 1986, S. 463 (473f.).
Β. Bestandskraft des aufgestellten Jahresabschlusses
45
tungswillen erkennen. Dem Kaufmann muß vielmehr nach der Zusammenstellung des vollständigen Rechenwerkes noch die Möglichkeit gegeben werden, dieses auf Richtigkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Der bereits vollständige aufgestellte Jahresabschluß stellt nach allgemeiner Auffassung daher zunächst nur einen Entwurf, nicht jedoch eine endgültige Fassung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses dar. 13 Es handelt sich also nur um ein tatsächliches Rechenwerk, dessen Ansätze der Kaufmann auch aus Zweckmäßigkeitsüberlegungen noch frei ändern kann. 14 Eine Einschränkung dieser freien Änderbarkeit setzt folglich voraus, daß ein Zeitpunkt besteht, der die Phase der Aufstellung des Jahresabschlusses als nur tatsächliches Rechenwerk beendet und so ein Rechenwerk bestimmt, das als abschließende Erfüllung der gesetzlichen Jahresabschlußpflicht anzusehenist.15 Nur ein Jahresabschluß, der einen Abschluß der tatsächlichen Rechnungslegungspflichten beinhaltet, kann Gegenstand einer rechtlichen Bindung sein. Als maßgebliche Handlung, mit der die handelsrechtliche Rechnungslegungspflicht abgeschlossen wird, kommt in den handelsrechtlichen Vorschriften allein die im folgenden zu untersuchende Unterzeichnung nach § 245 Satz 1 HGB als zweites Stadium der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht in Betracht.
13
14
15
Vgl. Baumbach/Hueck, AktG, 13. Aufl. 1968, § 172 Rdn. 2; Claussen, in: Festschrift für Semler; 1993, S. 97 (102) der allerdings die gesellschaftsrechtliche Feststellung mit der Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Rechnungslegungspflicht gleichsetzt; Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 172 Rdn. 4; Erle, Wpg 1987, S. 637 (638); Kropff, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 148 Rdn. 4, § 172 Rdn. 9; Liebs, DB 1986, S. 2421 (2423); Hommelhoff/Priester, ZGR 1986, S. 463 (473f.); anderer Ansicht wohl Kropp/Sauerwein, DStR 1995, S. 70 (71), die Aufstellung und Unterzeichnung nicht getrennt voneinander betrachten und der Aufstellung nicht nur eine tatsächliche, sondern eine rechtliche Bedeutung beimessen. Der entscheidende Akt ist aber auch bei diesen die Unterzeichnung des aufgestellten Jahresabschlusses, so daß im Ergebnis auch sie dem noch nicht unterzeichneten Jahresabschluß nur einen Entwurfscharakter zumessen. Vgl. IDW (Hrsg.), Stellungnahme HFA 2/1991, Wpg 1992, S. 89; ähnlich Nolle, DB 1963, Beilage 12, S. 1 (3f.), der im aufgestellten Jahresabschluß nur eine bloße Wissenserklärung sieht. Zu dieser Unterscheidung zwischen der Phase der tatsächlichen Aufstellung und der Bestimmung eines die Pflichterfüllung markierenden Zeitpunktes vgl. auch Rose, DB 1960, S. 529 (530).
46
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
C.
Bestandskraft des unterzeichneten
Jahresabschlusses
I.
Inhalt der Unterzeichnungspflicht nach § 245 HGB
§ 245 Satz 1 HGB enthält zwar die Verpflichtung des Kaufmannes, den Jahresabschluß zu unterzeichnen; welche Rechtsfolgen eine Unterzeichnung im Hinblick auf den zu unterzeichnenden Jahresabschluß auslöst, ist § 245 Satz 1 HGB aber weder ausdrücklich noch konkludent zu entnehmen. Wenig aussagekräftig für die Rechtsfolgen der Unterzeichnung ist auch die in § 245 Satz 1 und 2 HGB geregelte Zuweisung der Unterzeichnungspflicht. Bei einem Einzelkaufmann hat gemäß § 245 Satz 1 HGB dieser selbst zu unterzeichnen, bei den Personenhandelsgesellschaften trifft diese Pflicht gemäß § 245 Satz 2 HGB sämtliche persönlich haftende Gesellschafter. Für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung weist § 41 GmbHG die Pflicht zur Führung von Handelsbüchern den Geschäftsführern zu; bei der Aktiengesellschaft obliegt diese Pflicht gemäß § 91 AktG sämtlichen Vorstandsmitgliedern. 16 Da die Pflicht zur Führung der Handelsbücher umfassend als handelsrechtliche Rechnungslegungspflicht nach dem 3. Buch des HGB zu verstehen ist, weist der Gesetzgeber damit die handelsrechtliche Pflicht zur Unterzeichnung des Jahresabschlusses den vertretungs- und geschäftsfiihrungsberechtig17 ten Organen der Kapitalgesellschaften zu. Die Zuweisung der Unterzeichnungspflicht legt es nahe, diese als Geschäftsführungs- und Vertretungsmaßnahme anzusehen. Hierdurch wird aber nur geklärt, wen diese öffentlichrechtliche Pflicht im Innenverhältnis der Gesellschaft trifft und von wem sie im Außenverhältnis fur die Gesellschaft erbracht werden kann. Für ein inhaltliches Verständnis der Unterzeichnungspflicht trägt eine gesellschaftsrechtliche Kompetenzzuweisung jedoch wenig bei. Die Unterzeichnung des Jahresabschlusses durch die Vertretungs- und Geschäftsführungsorgane der Kapitalgesellschaft fuhrt lediglich dazu, daß der Jahresabschluß der Kapitalgesellschaft zugerechnet werden kann, besagt aber nichts darüber, welche weiteren rechtlichen Konsequenzen die Unterzeichnung für den Inhalt des unterzeichneten Jahresabschluß hat. Zudem stellt der Gesetzgeber bei den Personenhandelsgesellschaften nicht auf die gesellschaftsrechtliche Ge
16
Vgl. auch Kropp/Sauerwein, DStR 1995, S. 70 (71).
17
Vgl. Glade, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986, § 245 Rdn. 7.
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
47
schäftsführungs- und Vertretungskompetenz der persönlich haftenden Gesellschafter nach §§ 114, 125 HGB (OHG) beziehungsweise §§ 162 Abs. 2, 164 Satz 1, 161 Abs. 2, 170 HGB (KG) ab, sondern allein auf deren Haftung. Dementsprechend kommt es nach allgemeiner Auffassung für die Unterzeichnungspflicht hier nicht darauf an, ob ein persönlich haftender Gesellschafter zur Vertretung und Geschäftsführung berufen ist oder aber von dieser durch den Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen ist.18 Damit ist zwar erkennbar, daß es sich nicht um eine durch gesellschaftsvertragliche Regelungen gestaltbare Pflicht handelt; welchen Inhalt diese Pflicht hat, bleibt jedoch unklar. Fruchtbarer für das Verständnis des § 245 HGB als die personelle Zuweisung der Unterzeichnungspflicht ist die historische Entwicklung der Norm. Bis zum Bilanzrichtliniengesetz mußten gemäß § 41 HGB a.F. die Bilanz und das Inventar unterzeichnet werden. Die Unterzeichnungspflicht nach § 245 HGB bezieht sich nunmehr zwar auf den Jahresabschluß, also Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung, funktional entsprechen sich die Regelungen jedoch. Dies zeigt sich vor allem darin, daß der Gesetzgeber in der Begründung zu § 245 HGB ausdrücklich Bezug auf § 41 HGB alter Fassung nimmt. 19 Dabei war ursprünglich sogar vorgesehen, auch den Regelungsort der allgemeinen Rechnungslegungspflichten bei §§ 38 ff. HGB beizubehalten, was dann aber aus systematischen Gründen zugunsten einer Zusammenfassung aller Rechnungslegungsvorschriften im 3. Buch des HGB aufgegeben wurde. 0 Diese explizite Orientierung des § 245 Satz 1 HGB an der entsprechenden Pflicht in § 41 HGB a.F. zeigt, daß sich nach dem Willen des Gesetzgebers an der Funktion der Unterschrift nichts ändern sollte.21 Folglich lassen sich Rechtsprechung und Literatur zu § 41 HGB a.F. ohne Einschränkungen auf § 245 Satz 1 HGB übertragen. Analysiert man die Darstellungen in Rechtsprechung und Literatur zu § 245 HGB beziehungsweise § 41 HGB a.F., so finden sich zwar meist nur
18
Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5. Sept. 1992, § 245 HGB Rdn. 10f.; Brüggemann, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, § 41ff. Rdn. 4.Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, §245 Rdn. 3, 13.
19
Vgl. den Regierungsentwurf in BTDrucks. 10/317 S. 73 und den Bericht des Rechtsausschusses in BT Drucks. 10/ 4268 S. 97.
20 21
Vgl. Regierungsentwurf in BTDrucks. 10/317 S. 73. Vgl. auch den Bericht des Rechtsausschusses in BT Drucks. 10/ 4268 S. 89.
48
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
sehr zurückhaltende Aussagen zu deren Rechtsfolgen; gemeinsam ist allen Darlegungen aber, daß die Unterzeichnung im Gegensatz zur Aufstellung nicht nur als tatsächlicher Akt, sondern als rechtliche Erklärung angesehen wird. Dieser Erklärung wird übereinstimmend eine doppelte Funktion beigemessen. Die Unterzeichnung hat zunächst eine Dokumentationsfunktion. Der Kaufmann erklärt mit der Unterzeichnung, daß er mit dem unterzeichneten Jahresabschluß seine ihm aus § 242 HGB obliegende Rechnungslegungspflicht für erfüllt hält.22 Die Unterzeichnung nach § 245 HGB ist folglich Schlußakt der allgemeinen handelsrechtlichen Pflicht zur Erstellung eines Jahresabschlusses. Sie stellt damit zugleich den Akt der Überleitung des aufgestellten Jahresabschlusses vom nur tatsächlichen Rechenwerk zu einem rechtlich relevanten Institut dar. Die Unterschrift bestimmt, welcher zunächst als bloß tatsächlicher Entwurf aufgestellte Jahresabschluß als Erfüllung der TX
gesetzlichen Rechnungslegungspflicht anzusehen ist. Die Pflicht zur Datierung der Unterzeichnung gewährleistet, daß auch der Zeitpunkt der Erfüllung der gesetzlichen Rechnungslegungspflicht dokumentiert wird. Dies ist im Hinblick auf die Aufstellungsfristen in § 243 Abs. 3 HGB und § 264 Abs. 1 HGB von Bedeutung, deren Mißachtung in § 283 Abs. 1 Nr. 7 lit. b, § 283 b Abs. 1 Nr. 3 Lit. b StGB strafbewehrt ist. Die Dokumentation erstreckt sich auch auf eine Bestimmung der in den Jahresabschluß einbezogenen Informationen. Diese selten beachtete Dokumentationsrichtung erwächst aus der Pflicht zur Datierung und der Regelung in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB. Nach dieser Vorschrift sind nicht nur die bis zum Abschlußstichtag erlangten Informationen im Jahresabschluß zu berücksichtigen, sondern auch sogenannte wertaufhellende Tatsachen24. Dies sind nachträglich erlangte Erkenntnisse über vorhersehbare Risiken und Verluste, die sich zum Abschlußstichtag realisiert hatten und bis zum Tage der Aufstellung nachträglich bekannt geworden sind. Da die Unterschrift das Stadium der Aufstellung beendet,
22
Vgl. Brüggemann, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, § 41 Rdn. 1; Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 245 Rdn. 1; Woltmann/Uecker, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, § 245 Rdn.
23
In diesem Sinne auch Kropp/Sauerwein, DStR 1995, S. 70 (71) und fur den einzelkaufmännischen Jahresabschluß Rose, DB 1960, S. 529 (530). Vgl. Glade, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986, § 252 Rdn. 25; W. Müller, in: Festschrift fflr Quack, 1991, S. 359 (354); Selchert, in: Küting/ Weber, Handbuch der Rechnungslegung, 4. Aufl. 1995, § 252 Rdn. 60.
lf.
24
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
49
dokumentiert die Datierungspflicht aus § 245 Satz 1 HGB in Verbindung mit § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB zugleich die zeitliche Grenze von Erkenntnissen, die im Jahresabschluß berücksichtigt wurden. 25 Neben dieser Dokumentationsfunktion kommt der Unterschrift nach § 245 HGB weiter die Funktion einer inhaltlichen Gewährleistung oder Verantwortungsübernahme durch den Unterzeichnenden zu. Der Unterzeichnende erklärt durch seine Unterschrift, daß die im unterzeichneten Jahresabschluß dargestellte Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens inhaltlich richtig sei und den handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften entspreche und übernimmt die Verantwortung dafür. 26 Gleichzeitig wird er durch diese Verantwortung dazu gezwungen, sich über die inhaltliche Richtigkeit des unterzeichneten Jahresabschlusses zu vergewissern, wenn er selbst an der AufStellung des unterzeichneten Jahresabschlusses nicht beteiligt war. Der Gesetzgeber knüpft an die Unterzeichnungspflicht nach § 245 HGB also eine doppelte öffentlich-rechtliche Funktion: • die Bestimmung und Dokumentation des gesetzlich geforderten Jahresabschlusses • eine Verantwortungsübernahme des Unterzeichnenden fur den Inhalt des Jahresabschlusses Die Zulässigkeit von Änderungen und Berichtigungen nach dem Zeitpunkt der Unterzeichnung gemäß § 245 HGB hängt nun davon ab, ob die beiden Funktionen ein Festhalten des Kaufmannes am unterzeichneten Jahresabschluß, also eine Bestandskraft, erforderlich machen.
25 26
27
Zu dieser selten beachteten Dokumentationsfunktion vgl. in diesem Sinne auch Erle, Wpg 1987, S. 637 (641); Moxter, Bilanzlehre, Band II, 3. Aufl. 1983, S. 35f. Vgl. Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1991, § 245 Rdn. 3; Mork, in: Koller/Roth/Mork, HGB, 1996, § 245 Rdn. 1;; H.-P. Müller, in: Festschrift für Budde, 1995, S. 431 (433); Weirich, Wpg 1976, S. 625 (627). Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5. Aufl. 1992, § 245 HGB Rdn. 1; Woltmann/Uecker, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, § 245 Rdn. 3.
50
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
II.
Behandlung der Bestandskraft unterzeichneter Jahresabschlüsse in der Literatur und Rechtsprechung
Welche Anforderungen an die Bestandskraft des nach § 245 Satz 1 HGB unterzeichneten Jahresabschlusses zu stellen sind, damit er die ihm zugedachte Funktion der Dokumentation und Verantwortungsübernahme erfüllen kann, wird erstaunlicherweise in der handels- und gesellschaftsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung kaum thematisiert. Die Aussagen zur Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses sind vielmehr oft beiläufiger 28 oder aber mittelbarer Natur. Dies läßt es sinnvoll erscheinen, zunächst die Behandlung der Bestandskraft in der Rechtsprechung und Literatur aufzuarbeiten. Dabei lassen sich die Stellungnahmen in zwei Gruppen gliedern: (1) die Darstellung der Unterzeichnung in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur zur handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht nach §§ 242 ff. HGB bzw. §§ 38 ff. HGB a.F. sowie in einigen allgemeinen Darstellungen des Handelsbilanzrechtes, (2) mittelbare Aussagen über die Rechtsfolgen der Unterzeichnung in einer im Kapitalgesellschaftsrecht geführten Diskussion um die zeitliche Abfolge von handelsrechtlicher Unterzeichnung und gesellschaftsrechtlicher Feststellung des Jahresabschlusses. 1.
Darstellung der Unterzeichnung in der handelsbilanzrechtlichen Rechtsprechung und Literatur
Die Kommentierungen zu § 245 Satz 1 HGB beziehungsweise § 39 HGB a. F. und das handelsbilanzrechtliche Schrifttum lassen eine deutliche Tendenz erkennen, der Unterzeichnung eines Jahresabschlusses eine Bindungswirkung beizumessen. Diese Tendenz führt allerdings nur selten zu einer ausdrücklichen Aussage über die Rechtsfolgen einer Unterzeichnung. Die wenigen ausdrücklichen Stellungnahmen zur Bindungswirkung der Unterzeichnung werden zudem kaum oder nur sehr pauschal begründet.29 So führt etwa Hopt in der Kommentierung zu § 39 HGB aus, daß nach der Unterzeichnung des Jahresab-
28
So etwa bei H.-P. Müller, in: Festschrift für Budde, 1995, S. 431 (433), der einer Unterzeichnung eine Bindungswirkung beimißt, ohne deren Natur oder Umfang näher zu begründen.
29
Vgl. Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 25. Aufl. 1983, § 39 Anm. 1 F.; H.-P. Müller, in: Festschrift für Budde, 1995, S. 431 (435).
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
51
schlusses Berichtigungen, nicht jedoch Änderungen der Bewertungen, zulässig seien. Dies folge aus dem öffentlich-rechtlichen Charakter und Zweck der Buchführung sowohl für Einzelkaufleute als auch für Handelsgesellschaften und gelte sogar dann, wenn alle Gesellschafter sich über den Änderungswunsch einig seien.30 Weshalb die öffentlich-rechtlichen Funktionen der Unterzeichnung eine nachträgliche einvernehmliche Gestaltung ausschließen sollen, wird nicht weiter ausgeführt. Insbesondere fehlt jeder Nachweis, daß die mit der Unterschrift bezweckte öffentlich-rechtliche Dokumentationsfunktion und Verantwortungsübernahme nicht erreicht wird, wenn der Jahresabschluß nachträglich geändert wird. 31 Der postulierte Ausschluß einer Änderung wird allein von der öffentlich-rechtlichen Natur des unterschriebenen Jahresabschlusses nicht getragen. Die überwiegende Mehrzahl des handels- und gesellschaftsrechtlichen Schrifttums vermeidet dagegen eine ausdrückliche Stellungnahme zu den Rechtsfolgen der Unterzeichnung nach § 245 Satz 1 HGB für die Bestandskraft. Sie ist vielmehr gekennzeichnet durch Ausführungen, die eine Bindungswirkung der Unterschriftsleistung nahelegen, ohne dies aber ausdrücklich festzustellen. Dies geschieht zum einen über die Art der Darstellung der Unterschriftsleistung, zum anderen über eine oft anzutreffende Gleichstellung von handelsbilanzrechtlicher Unterschrift und gesellschaftsrechtlicher Feststellung des Jahresabschlusses. Der Teil des Schrifttums, der auf eine Bestandskraft der vom Kaufmann unterzeichneten Jahresabschlusses schließen läßt, geht davon aus, daß erst der verbindliche Jahresabschluß vom Kaufmann nach § 245 Satz 1 HGB zu 32
unterzeichnen sei. Der Kaufmann wolle nur für eine endgültige Bilanz die Verantwortung übernehmen.33 Fehle die Unterschrift, so sei anzunehmen, daß der Kaufmann den Jahresabschluß noch nicht als abgeschlossen und endgültig ansehe.34 Durch diese Betonung der Verbindlichkeit und Endgültigkeit des unterzeichneten Jahresabschlusses wird nahegelegt, daß ein unterzeich-
30 31
Vgl. Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 25. Aufl. 1983, § 39 Anm. 1 F. Dies gilt insbesondere auch für H.-P. Müller, in: Festschrift für Budde, 1995, S. 431 (435), der die Bestandskraft der Unterzeichnung wohl auf diese beiden Funktionen stützen will.
32
Vgl. K. Schmidt, Handelsrecht, 4. Aufl. 1994, § 15 II 1. b (S. 431).
33
Vgl. Hüffer in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 242 Rdn. 20; § 245 Rdn. 5.
34
Vgl. Hüffer in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 242 Rdn. 42.
52
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
neter Jahresabschluß einen rechtlich bindenden Charakter habe, er nach der Unterschriftsleistung vom Kaufmann also nicht mehr ohne weiteres geändert werden könne. Verstärkt wird dieser Eindruck der Verbindlichkeit in der Darstellung auch dadurch, daß die in der Unterschriftsleistung nach § 245 Satz 1 HGB enthaltene Funktion der Verantwortungsübernahme betont und auch als Erklärung gegenüber Dritten dargestellt wird.35 Hierdurch wird suggeriert, daß es sich bei der nicht näher bestimmten Rechtsnatur der Erklärung um eine Willenserklärung mit rechtlich verpflichtendem Garantiecharakter gegenüber außenstehenden Dritten handele, die sich ihrer Natur nach auf einen bestandskräftigen Jahresabschluß beziehe. Das Hauptproblem dieser Stellungnahmen liegt darin, daß sie zwar eine deutliche Tendenz, dem unterschriebenen Jahresabschluß eine Bindungswirkung beizumessen, erkennen lassen, ihr rechtlicher Aussagegehalt aber aufgrund der wenig konkreten Darstellung kaum greifbar ist. Dies macht eine inhaltliche Auseinandersetzung und Kritik nur schwer möglich. Gelegentlich drängt sich sogar der Eindruck auf, daß eine konkrete Aussage zur Bindungswirkung bewußt unterlassen wurde. Dieser Eindruck einer bewußt offenen Formulierung entsteht vor allem dann, wenn die Unterschriftsleistung nur unbestimmt als rechtliche Erklärung bezeichnet, jede Qualifizierung dieser Erklärung als Willenserklärung oder bloße Wissenserklärung aber vermieden wird. 6 Neben der Unbestimmtheit der rechtlichen Einordnung einer Unterzeichnung nach § 245 Satz 1 HGB erweisen sich aber auch die gewählten Ansatzpunkte für die Aussage, der unterzeichnete Jahresabschluß habe endgültig zu sein, als nur unzureichend begründet. Die Annahme, daß der Kaufmann nur
35
Vgl. Schubert, Wpg, 1956 S. 393 (393); Woltmann/Uecker, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, § 245 Rdn. 2 und auch Kropp/Sauerwein, DStR 1995, S. 70 (72), die allerdings gleichzeitig annehmen, daß nur der aufgestellte, nicht aber der festgestellte Jahresabschluß zu unterzeichnen sei.
36
So etwa Erle, Wpg 1987, S. 637 (638f.); Martens, StuW 1972, S. 193f.; Schubert, Wpg, 1956 S. 393 (393); ähnlich Budde/Kunz, in: Beck'scher Bilanzkommentar, 2. Aufl. 1990, § 245 Rdn. 3 und Maluck/Göbel, Wpg 1978, S. 624 (628) (Beweis für alle im Jahresabschluß enthaltenen Erklärungen); eine Ausnahme bildet insoweit allerdings Nolte, DB 1963, Beilage 12, S. lf. (4), der den öffentlich-rechtlichen Jahresabschluß nur als Wissenserklärung, nicht aber Willenserklärung ansieht. Umgekehrt sieht Kötter, in: Heymann, HGB, 4. Aufl. 1971, § 41 Anm. 2, die Unterzeichnung als Willenserklärung an.
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
53
für einen endgültigen Jahresabschluß die Verantwortung übernehmen könne, erweist sich bei genauerer Betrachtung als nicht zwingend. Der Schluß von der Verantwortungsübernahme auf die Endgültigkeit wäre nämlich nur dann zulässig, wenn eine nachträgliche Berichtigung oder Änderung für den Kaufmann mit negativen Konsequenzen verbunden wäre. Dies würde jedoch voraussetzen, daß die vom Gesetz geforderte öffentlich-rechtliche Verantwortungsübernahme eine Bindung an die einmal gewählten Ansätze verlangt und im Falle ihrer Durchbrechung mit Sanktionen bedroht. Allein die Berufung auf die Verantwortungsübernahme des Kaufmannes trägt folglich keinen Schluß auf eine Endgültigkeit oder rechtliche Bindungswirkung der Unterschrift. Ähnlich verhält es sich mit dem Argument, daß ohne die Unterschrift der Jahresabschluß noch nicht abgeschlossen sei. Abgeschlossen ist mit der Unterschrift zunächst nur die Pflicht zur Rechenschaftslegung durch Aufstellung eines Jahresabschlusses nach § 242 HGB, also allein die Pflicht zur Erstellung eines tatsächlichen Rechenwerkes. Welche rechtliche Bindungswirkung dieses Ergebnis hat, ist allein aus der abschließenden Erfüllung der gesetzlichen Pflicht nicht erkennbar. Ein weiterer Ausdruck der Tendenz, dem unterschriebenen Jahresabschluß unausgesprochen eine Bindungswirkung beizumessen, ist die oft anzutreffende Gleichstellung der Unterschriftsleistung mit der gesellschaftsrechtlichen Feststellung des Jahresabschlusses.37 Während im Kapitalgesellschaftsrecht ausdrücklich zwischen der Unterzeichnung der Bilanz und der Feststellung durch die Gesellschafter oder die dazu berufenen Organe unterschieden wird, war das Institut der Feststellung den personengesellschaftsrechtlichen Vorschriften des HGB fremd. In der älteren handelsbilanzrechtlichen Literatur führte dies dazu, daß die gesellschaftsrechtliche Feststellung des Jahresabschlusses bei Personengesellschaften oft gar nicht behandelt wurde.38 Mit dem Vordringen der Auffassung, daß der Jahresabschluß auch bei Personenhandelsgesellschaften einer Legitimation im Innenverhältnis der Gesellschafter zueinander bedarf, 39 befaßt sich dann auch die handelsbilanzrechtliche Literatur mit der Feststel-
37
So etwa bei Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 341 f.; Nickel, in: Gemeinschaftkommentar zum HGB, 3. Aufl. 1980, § 41 Rdn. 4.
38
Vgl. dazu auch Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 242 Rdn. 16.
39
Vgl. dazu ausführlicher § 4 A II 2 b (Seite 176f.).
54
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
lung, wobei dies zumeist im Rahmen der Darstellung der Unterzeichnung nach § 245 Satz 1 HGB bzw. § 41 HGB a.F. geschieht. Dabei wird oft der Eindruck erweckt, die Akte der Unterzeichnung und der Feststellung seien identisch, was den Schluß nahe legt, daß beiden die Bindungswirkung einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung zukomme. 40 Besonders problematisch ist diese Gleichsetzung dann, wenn sie sich auch auf den Einzelkaufmann erstreckt. So finden sich in der Literatur Äußerungen, wonach beim Einzelkaufmann die Unterzeichnung der Feststellung entspreche.41 Zum Teil wird in der Literatur die Unterzeichnung sogar ausdrücklich als Feststellung bezeichnet 42 Diese Gleichsetzung ist terminologisch wenig glücklich. Begreift man die Feststellung im Sinne der heute wohl gefestigten Terminologie4 als gesellschaftsrechtlichen Akt im Innenverhältnis der Gesellschafter zueinander und zur Gesellschaft, so ist diese Gleichsetzung schlichtweg falsch. Mangels gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnisses kann es beim Einzelkaufmann den gesellschaftsrechtlichen Akt der Feststellung gar nicht geben 44 Es ist daher davon auszugehen, daß die Gleichsetzung von Feststellung und Unterschriftsleistung gar nicht darauf abzielt, der Unterzeichnung durch den Einzelkaufmann eine gesellschaftsrechtliche Bedeutung beizumessen. Die Bezeichnung der Unterzeichnung als Feststellung hat vielmehr nur den Zweck, zum Ausdruck zu bringen, daß mit der Unterzeichnung die Bilanz nunmehr ein rechtliches Stadium erreicht hat, das den unterzeichnenden Einzelkaufmann in ähnlicher Weise an den Jahresabschluß bindet, wie dies bei Handelsgesellschaften für die Bindung der Organe und Gesellschafter an den festgestellten Jahresabschluß der Fall ist. Die Gleichstellung ist also Ausdruck einer Tendenz, der Unterzeichnung beim Einzelkaufmann Bindungswirkung beizumessen. Eine ähnliche Gleichsetzung findet sich in der Literatur für die Personenhandelsgesellschaften. Sofern dort die handelsrechtliche Unterzeichnung als
40
So besonders deutlich bei Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechs, 1970, S. 341.
41
Vgl. etwa W. Müller, in: Festschrift für Quack, 1991, S. 359 (360); beiläufig auch Mork, in: K o l l e r / R o t h / H G B , 1996, § 245 Rdn. 2.
42
Vgl. etwa Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl. 1995, § 245 Rdn. 3; Erle, Wpg 1987, S. 637 (640).
43
Sehr deutlich hierzu auch Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 242 Rdn. 16ff.
44
Vgl. Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 242 Rdn.20, 46; K. Schmidt, Handelsrecht, 4. Aufl. 1994, § 15 II 1. b) (S. 431).
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
55
Feststellungsakt bezeichnet wird, 45 wird aber auch hier oft nicht klar, ob bei der Gleichsetzung beider Akte die Unterzeichnung tatsächlich als rechtsgeschäftlicher Akt im Innenverhältnis der Gesellschaft verstanden wird, oder aber nur - ähnlich wie bei den Einzelkaufleuten - zum Ausdruck gebracht werden soll, daß der Unterzeichnung eine Bindungswirkung beigemessen wird. Neben dieser terminologischen Unschärfe leiden die Darstellungen zudem meist darunter, daß sie durch die Gleichsetzung beider Akte nur unzureichend zwischen der öffentlich-rechtlichen Funktion der bilanzrechtlichen Vorschriften des HGB und dem Gesellschaftsrecht unterscheiden. 46 Eine Gleichsetzung der Unterzeichnungspflicht nach § 245 Satz 1 HGB mit der Feststellung würde im Ergebnis dazu fuhren, daß § 245 Satz 1 HGB eine gesetzliche Verpflichtung der Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft zur rechtsgeschäftlichen Feststellung der Bilanz für das Innenverhältnis enthielte. Eine solche gleichzeitige Einordnung von § 245 Satz 1 HGB als gesellschaftsrechtliche Pflicht zur Feststellung bei Personenhandelsgesellschaften entspricht aber nicht der Intention des Gesetzgebers, der das Handelsbilanzrecht als öffentlich-rechtliche Verpflichtung im Außenverhältnis ausgestaltet hat. Zudem ist eine Doppelfunktion als öffentlich-rechtliche Norm für alle Kaufleute und zugleich gesellschaftsrechtliche Norm nur für Gesellschaften mit der am Einzelkaufmann orientierten Ausrichtung der allgemeinen Vorschriften im 1. Abschnitt des HGB nicht vereinbar. Beim Einzelkaufmann besteht keine Verpflichtung unter Mitgesellschaftern. Die neuere Literatur lehnt eine Gleichsetzung beider Akte daher konsequenterweise zumeist ab.47 Allerdings wird auch hier angenommen, daß die handelsrechtliche Unterzeichnung nach § 245 Satz 1 HGB zugleich auch Ausdruck einer gesellschaftsrechtlichen Feststellung der Bilanz durch die
45
Vgl. Brüggemann, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, § 41 Rdn. 2; Glade, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986, §245 Rdn. 3, 5; Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl. 1971, § 17 I 2. (S. 242); Röhn, Die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern einer oHG bei der Erstellung der Bilanz, 1966, S. 61; Woltmann/Uecker, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, § 245 Rdn. 1.
46
Besonders deutlich ist dies bei Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl. 1971, § 17 I 2. (S. 242), der in § 41 HGB a.F. eine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Feststellung des Jahresabschlusses sieht, und Röhn, Die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern einer oHG bei der Erstellung der Bilanz, 1966, S. 61.
47
Besonders deutlich bei Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 242 Rdn. 18, 19; Ulmer, in: Festschrift für Hefermehl, 1976, S. 207 (213).
56
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
Gesellschafter sei.48 Dieser Einordnung des tatsächlichen Aktes der Unterzeichnung sowohl als öffentlich-rechtliche Unterzeichnung im Sinne von § 245 Satz 1 HGB als auch als Ausdruck einer gleichzeitig erfolgten - konkludenten - gesellschaftsrechtlichen Feststellung liegt allerdings keine Gleichsetzung beider Akte zugrunde, sondern die Annahme, daß die Gesellschafter nur einen endgültigen Jahresabschluß unterzeichnen. Die Unterzeichnung nach § 245 Satz 1 HGB bringe konkludent daher den Willen zum Ausdruck, daß der unterzeichnete Jahresabschluß endgültig und daher auch im Innenverhältnis verbindlich sei.49 Obwohl die neuere Literatur deutlicher zwischen Unterzeichnung nach § 245 Satz 1 HGB und Feststellung als eigenständige rechtliche Akte unterscheidet, baut auch sie letztlich auf der Annahme auf, daß sich beide Akte in der Praxis inhaltlich entsprechen. Die zugrundeliegende Auslegung des Unterzeichnungsaktes wird in der gesellschaftsrechtlichen Praxis zwar häufig zutreffen. Denn gerade bei Personenhandelsgesellschaften wird zumeist nur eine Bilanz für sämtliche Funktionen erstellt und dann unterzeichnet. Rechtlich zwingend ist dies jedoch nicht. Trotz der systematisch klareren Trennung zwischen der Unterzeichnung nach § 245 Satz 1 HGB und der gesellschaftsrechtlichen Feststellung ist die neuere handelsbilanzrechtliche Literatur mit dem Problem behaftet, daß sie der öffentlich-rechtlichen Unterzeichnung unausgesprochen eine Bestandskraft beimißt, die der rechtsgeschäftlichen Bindung durch die gesellschaftsvertragliche Feststellung entspricht, ohne dies aus der Funktion der Unterzeichnung herzuleiten. 2.
Rückschlüsse aus den Meinungen zur zeitlichen Abfolge von Unterzeichnung und gesellschaftsrechtlicher Feststellung
Bei Kapitalgesellschaften werden die Unterzeichnung nach § 245 Satz 1 HGB und die gesellschaftsrechtliche Feststellung deutlicher als im Recht der Personenhandelsgesellschaft als zwei voneinander zu trennende Akte angesehen. Dies dürfte auf die ausdrückliche und gesonderte Regelung der Feststellung in §§ 172, 173 AktG bzw. §§ 42a, 46 Nr. 1 GmbHG zurückzufuhren sein. Eine gesetzliche Verknüpfung beider Akte besteht indes nicht, so daß
48
In diesem Sinne auch Ulmer, in: Festschrift für Hefermehl, 1976, S. 207 (212); Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 245 Rdn. 2.
49
Ähnlich Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 245 Rdn. 2.
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
57
ihr Verhältnis zueinander weitgehend ungeklärt ist. Dies hat zu einer Diskussion um die zeitliche Abfolge beider Akte geführt. Diese Diskussion beinhaltet dabei notwendigerweise auch Aussagen zur Bindungswirkung der Unterzeichnung nach § 245 Satz 1 HGB. Denn die Reihenfolge von Feststellung und Unterzeichnung und der Rechtscharakter der Unterschriftsleistung bedingen sich gegenseitig. 50 Der BGH 51 und das überwiegende Schrifttum52 nehmen in dieser Diskussion um die Reihenfolge an, daß eine Unterzeichnung nach § 245 Satz 1 HGB nicht schon nach der Aufstellung des Jahresabschlusses, sondern erst nach dessen Feststellung durch die Organe der Gesellschaft vorzunehmen sei. Die Unterzeichnung erst der festgestellten Bilanz wird darauf gestützt, daß der aufgestellte Jahresabschluß im Rahmen der Feststellung von den Gesellschaftsorganen noch geändert werden könne, eine solche Änderung nach erfolgter Unterzeichnung aber der Funktion von § 245 Satz 1 HGB zuwiderlaufe. Die überwiegende Auffassung nimmt also an, daß dem nach § 245 Satz 1 HGB unterschriebenen Jahresabschluß eine Bestandskraft beizumessen sei. Der BGH stützt diese Auffassung in einer noch zu § 41 HGB a.F. ergangenen Entscheidung aus dem Jahre 198553 allein darauf, daß es sich bei der Unterzeichnung um eine öffentlich-rechtliche Pflicht des Kaufmanns handelt.54 Der BGH unterstellt, daß die mit der Unterzeichnung abgeschlossene
50 51
So auch Maluck/Göbel, Wpg 1978, S. 624 (626). BGH, BB 1985, 567 (569) (=DB 1985, 1837; GmbHR 1985, 256, 258; AG 1985, 188; WM 1985, 567 (569).
52
Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5. Aufl. 1992, § 245 Rdn. 8; Budde/Kunz, in: Beck'scher Bilanzkommentar, 2. Aufl. 1990, § 245 Rdn. 3; Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1991, § 245 HGB Rdn. 4; Hommelhoff/Priester, ZGR 1986, 463 (473ff.); Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 245 Rdn. 5, 12; Kropff, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 148 Rdn. 10; Liebs, DB 1986, S.2421 (2423); Mork, in: Koller/Roth/Mork, HGB, 1996, § 245 Rdn. 2; K.Schmidt, Handelsrecht, 4. Aufl. 1994, § 15 II 1. b) (S. 430f.); Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 4 Rdn. 55; ähnlich Ellerich, in: Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, Band Ia, 4. Aufl. 1995, § 245 Rdn. 12, 13; Woltmann/Uecker, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, § 245 Rdn. 1.
53
BGH, BB 1985, 567 (=DB 1985, 1837; GmbHR 1985, 256, 258; AG 1985, 188; WM 1985,567). BGH, BB 1985, 567 (569).
54
58
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
öffentlich-rechtliche Rechnungslegungspflicht zu einem für die Gesellschaft verbindlichen, also bestandskräftigen Jahresabschluß fuhren soll, was späteren Änderungen im Rahmen der Feststellung entgegensteht. Weshalb die öffentlich-rechtliche Natur mit einer späteren Änderung unvereinbar sein soll, wird vom BGH indes nicht weiter ausgeführt. Allein die Tatsache, daß die Aufstellungs- und Unterzeichnungspflicht den Unternehmern im öffentlichen Interesse auferlegt werden, besagt noch nichts darüber, ob die damit angestrebten Funktionen der öffentlich-rechtlichen Rechnungslegung nur mit einem bestandskräftigen Jahresabschluß erreicht werden können. Allein die öffentlich-rechtliche Natur der Unterzeichnungspflicht trägt die Annahme einer Unvereinbarkeit mit einer späteren Änderung somit nicht. Dementsprechend begründet die überwiegende Meinung im Schrifttum die Unvereinbarkeit der Unterzeichnung mit einer späteren Änderung nicht allein mit dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Unterzeichnungspflicht nach § 245 Satz 1 HGB, sondern rekurriert auf die Funktionen der Unterschriftsleistung. Die Bedeutung der Unterschrift nach § 245 HGB liege in der Dokumentation und Übernahme der Verantwortlichkeit für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Jahresabschlusses. Eine spätere Änderung der Bilanzansätze durch das Feststellungsorgan sei mit dieser Funktion der Unterschrift nach § 245 Satz 1 HGB nicht zu vereinbaren.55 Die in § 245 Satz 1 HGB enthaltene Veranwortungsübernahme für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Jahresabschlusses müsse sich "zweifellos" und gerade auf die endgültige Fassung des Jahresabschlusses erstrecken.56 Die Dokumentation und Verantwortungsübemahme fur einen Jahresabschluß, der im Verhältnis der Gesellschafter untereinander noch unverbindlich sei und im Rahmen der Feststellung Änderungen unterworfen werden könne, sei sinnlos.57 Der Auffassung des überwiegenden Schrifttums, daß erst der festgestellte Jahresabschluß zu unterzeichnen sei, liegt also die Annahme zugrunde, daß
55
In diesem Sinne wohl auch Mork, in: Koller/Roth/A/or*, HGB, 1996, § 245 Rdn. 2; ähnlich Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1991, § 245 HGB Rdn. 4, der allerdings gleichzeitig die Unterzeichnung als privatrechtlichen Akt ansieht.
56
So Ellerich, in: Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, Band Ia, 4. Aufl. 1995, § 245 Rdn. 12, 13. So insbesondere Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 245 Rdn. 5; ähnlich Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5. Aufl. 1992, § 245 HGB Rdn. 1, 6f.; Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1991, § 245 HGB Rdn. 4.
57
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
59
die der Unterschriftsleistung zugedachte Dokumentationsfunktion und Verantwortungsübernahme nur durch einen Jahresabschluß erfüllt werden kann, der keiner Änderung, insbesondere durch Ausübung von Bewertungs- und Ansatzwahlrechten im Rahmen der Feststellung, mehr unterliegt. Dabei wird allerdings aus dem sich auf die zeitliche Abfolge von Unterzeichnung und Feststellung konzentrierenden Schrifttum nicht ganz klar, ob die Unterzeichnung nach § 245 HGB zu einer eigenständigen öffentlich-rechtlichen Bestandskraft des Jahresabschlusses führt, oder aber nur die gesellschaftsrechtliche Bestandskraft des Jahresabschlusses durch dessen Feststellung voraussetzt. Soweit argumentiert wird, daß die Unterzeichnung eines im Innenverhältnis noch nicht verbindlichen Jahresabschlusses sinnlos sei, spricht dies dafür, daß nur die gesellschaftsrechtliche Bindung vorausgesetzt wird, ohne daß eine eigenständige öffentlich-rechtliche Bestandskraft entsteht. Andererseits erscheint es befremdlich, die nach dieser Auffassung für die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Funktionen der Unterzeichnung nach § 245 HGB erforderliche Bestandskraft unterzeichneter Jahresabschlüsse allein am privatrechtlichen Feststellungsakt festzumachen, zumal dieser auch in der am Einzelkaufmann orientierten Konzeption der öffentlich-rechtlichen Rechnungslegungspflichten nach §§ 242 ff. HGB nicht existiert. Soweit die überwiegende Meinung davon ausgeht, daß eine nachträgliche Änderung der Funktion des unterzeichneten Jahresabschlusses widerspricht, wäre es daher konsequent, der Unterzeichnung eine eigenständige Bindungswirkung beizumessen. Diese Probleme des überwiegenden Schrifttums werden durch eine neuere Auffassung in der Literatur weitestgehend vermieden. Diese geht davon aus, daß es sich bei dem nach § 245 Satz 1 HGB zu unterzeichnenden Jahresabschluß nur um den aufgestellten Jahresabschluß handelt, der durchaus noch nachträglichen Änderungen im Rahmen der nachfolgenden Feststellung unterworfen werden kann. Diese These leitet sich aus einer von der überwiegenden Auffassung abweichenden Interpretation der Dokumentationsfunktion der Unterzeichnung ab. Zweck der Unterzeichnung sei es allein, die Erfüllung der gesetzlichen Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses im Hinblick auf die gesetzlichen Aufstellungsfristen und die Strafbewehrung der §§ 283 ff. StGB zu dokumentieren.5 Die durch §§ 283 ff. StGB strafbewehrte Rechnungsle-
58
Maluck/Göbel, Wpg 1978, S. 624 (625f.).
60
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
gungspflicht des HGB erfordere nur die Aufstellung eines den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Jahresabschlusses, nicht jedoch dessen Verbindlichkeit im Innenverhältnis durch Feststellung.59 Zur Begründung dieser engen Begrenzung der Dokumentationsfunktion auf die bloße Aufstellung des Jahresabschlusses wird weiter auf die Pflicht zur Datierung der Unterzeichnung verwiesen. Diese wurde 1976 durch das Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität in § 41 HGB a.F. eingeführt und sollte ausweislich der Gesetzesbegründung allein die rechtzeitige Erfüllung der Aufstellung im Hinblick auf §§ 283, 283b StGB dokumentieren.60 Dies verlange es bei einer zeitlich späteren Feststellung, daß schon die gesetzlich geforderte Aufstellung zu unterzeichnen sei. Auf die Möglichkeit späterer Änderungen im Rahmen der Feststellung könne es daher nicht ankommen. 61 Zudem könne bei Kapitalgesellschaften, die nicht klein im Sinne von § 267 Abs. 1 HGB sind, gemäß § 316 Abs. 1 Satz 2 HGB vor der Abschlußprüfung keine Feststellung erfolgen. Hier müsse durch die Unterzeichnung für die Abschlußprüfer klargestellt werden, welcher Abschluß von den Gesellschaftsorganen autorisiert wurde und von welchem Kenntnisstand im Hinblick auf wertaufhellende Tatsachen auszugehen ist. Die enge Verknüpfung der Unterzeichnungspflicht mit der Aufstellung zeige sich nach dieser neueren Auffassung im übrigen auch darin, daß der Gesetzgeber die Unterzeichnungspflicht im ursprünglichen Regierungsentwurfais § 39 Abs. 3 HGB in einem Absatz mit der Aufstellung regeln wollte. Aufstellung und Unterzeichnung seien also aufeinander bezogende Stadien der gesetzlichen Rechnungslegungspflicht. 63 Konsequenz dieser auf die Dokumenation der Aufstellung des Jahresabschlusses abstellenden neueren Auffassung ist es, daß es sich bei dem unterschriebenen Jahresabschluß um keine endgültige Fassung handeln muß. Änderungen durch eine spätere Feststellung stehen der Unterschriftsleistung nicht entgegen, denn der aufgestellte Jahresabschluß muß zwar den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, beinhaltet aber hinsichtlich der Gestaltungsmöglichkeiten durch Wahlrechte und Beurteilungsspielräume zunächst nur
59
Vgl. Kropp/Sauerwein, DStR 1995, S. 70 (71f.).
60
Vgl. auch Offerhaus, BB 1976, 373 (377).
61 62
Vgl. Kropp/Sauerwein, DStR 1995, S. 70 (72). Vgl. Erle, Wpg 1987, S. 637 (641); in diesem Sinne wohl auch Kropp/Sauerwein, DStR 1995, S. 70 (72).
63
Vgl. Erle, Wpg 1987, S. 637 (640); Maluck/Göbel, Wpg 1978, S. 624 (625).
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
61
einen Entwurf. 64 Dem nach § 245 HGB unterschriebenen Jahresabschluß wäre also keine Bestandskraft zuzumessen, die den unterzeichnenden Kaufmann an einer späteren Änderung hindern würde. Vergleicht man die argumentativen Grundlagen beider Auffassungen, so knüpfen beide an die Funktion der Unterzeichnung an, ziehen jedoch gänzlich unterschiedliche Rechtsfolgen daraus. Dabei ist auffallig, daß sich die neuere Auffassung in der Literatur um eine nähere Inhaltsbestimmung der Dokumentationsfunktion bemüht, wohingegen das überwiegende Schrifttum es bei einem meist nur pauschalen Verweis auf die Dokumentationsfunktion und Verantwortungsübernahme beläßt. Die neuere Auffassung hat dabei den Vorzug, daß die nähere inhaltliche Bestimmung der Dokumentationsfunktion sich einfacher mit dem vom Gesetzgeber geforderten Nachweis der rechtzeitigen Aufstellung des Jahresabschlusses vereinbaren läßt. Demgegenüber sieht sich die überwiegende Auffassung dazu gezwungen, die 1976 eingeführte Datierungspflicht als eine vom Gesetzgeber nicht bedachte Kollision der Dokumentationsfunktion mit dem Zweck der Verantwortungsübernahme durch den Unterzeichnenden anzusehen. Diese Kollision ergebe sich aus einer verfehlten Übertragung einer am Einzelkaufmann orientierten Regelung auf die Kapitalgesellschaft. 6 Diese Fehlleistung des Gesetzgebers sucht die herrschende Meinung dadurch zu korrigieren, daß der Abschluß der Aufstellung bei Gesellschaften entweder anderweitig im Rechnungswesen dokumentiert oder aber der Jahresabschluß zweimal unterschrieben werden müsse. Zunächst sei eine Unterzeichnung zur Dokumentation der Aufstellung erforderlich. Ein zweites Mal sei der Jahresabschluß gemäß § 245 HGB nach der Feststellung zu unterschreiben, um der der Unterschrift nach § 245 HGB beigemessenen Verantwortungsübernahme für einen endgültigen Jahresabschluß zu genügen.66 Aber auch die Argumentationsweise der neueren Auffassung vermag so nicht zu überzeugen. Sie stützt sich allein auf die Funktion der Unterzeichnung, den Abschluß der Rechnungslegungspflichten zu dokumentieren und läßt die von der überwiegenden Auffassung betonte Funktion der Verant-
64
So besonders deutlich bei Kropp/Sauerwein, DStR 1995, S. 70 (72).
65
Vgl. Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 245 Rdn. 12
66
Vgl. etwa Claussen, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl. 1988, § 2 4 5 AktG Rdn. 4; Mork, in: Koller/Roth/A/oHfc, HGB, 1996, § 245 Rdn. 2; ähnlich aus Sicht der Gegenauffassung aber auch Erle, Wpg 1987, S. 637 (643).
62
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
wortungsübernahme des Kaufmanns für den von ihm unterzeichneten Jahresabschluß außer acht. Damit zieht sie nur unvollständig die Konsequenzen, die sich bei einer funktionsorientierten Betrachtung der Unterschrift für deren Rechtsfolgen ergeben. Deutlich erkennbar in der dargestellten Diskussion um die zeitliche Reihenfolge von Feststellung und Unterzeichnung des Jahresabschlusses ist jedoch, daß eine fundierte Aussage zur Bestandskraft unterzeichneter Jahresabschlüsse nur aus den mit der Unterzeichnung verbundenen gesetzlichen Funktionen herzuleiten ist. Gleichzeitig zeigt die Tatsache, daß beide Auffassungen aus den gesetzlichen Funktionen der Verantwortungsübernahme und insbesondere der Dokumentation gänzlich unterschiedliche Konsequenzen für die Bestandskraft ziehen, daß diese Funktionen aus sich heraus keine eindeutige Aussage zu liefern vermögen, sondern ihrerseits einer näheren Inhaltsbestimmung bedürfen.
III.
Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Funktionen des Jahresabschlusses für die Bestandskraftwirkung der Unterzeichnung
1.
Bestimmung der Rechtsfolgen der Unterzeichnung durch die allgemeinen handelsrechtlichen Jahresabschlußfunktionen
Eine teleogische Beurteilung der Bindungswirkung durch Unterzeichnung nach § 245 Satz 1 HGB erfordert es, die mit der Unterzeichnung verbundenen handelsbilanzrechtlichen Funktionen in den Kontext der allgemeinen gesetzlichen Rechnungslegungsziele zu stellen. Nur vor dem Hintergrund der mit der handelsrechtlichen Rechnungslegung verfolgten allgemeinen gesetzgeberischen Ziele ist die handelsrechtliche Pflicht zur Unterzeichnung des aufgestellten Jahresabschlusses verständlich. Dies folgt schon aus der Tatsache, daß die Unterzeichnung letztlich kein selbständiger Teil der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht ist, sondern deren abschließender Akt. Eine Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses steht daher notwendigerweise in einem unmittelbaren Bezug zu allgemeinen Zielen der handelsrechtlichen Rechnungslegung. Dies zeigt sich bei genauerer Betrachtung auch darin, daß die der Unterzeichnung nach § 245 HGB beigemessenen Verantwortungsübernahme und Dokumentationsfunktion keine eigenständigen handelsrechtlichen Zwecke erfüllen, sondern nur dazu dienen, die Erfüllung
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
63
der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht und der damit verfolgten Ziele sicherzustellen. a) Dokumentationsfunktion der Unterzeichnung Offensichtlich ist diese funktionale Unselbständigkeit der Unterzeichnung bei ihrer Dokumentationsfunktion. Indem die Unterzeichnung Abschluß und Zeitpunkt der jährlichen Rechnungslegung festhält, ist sie nicht nur der letzte, sondern grundsätzlich der entscheidende Akt dieser Pflicht. In der Konzeption des Gesetzes entsteht der nach § 242 HGB geforderte Jahresabschluß grundsätzlich erst mit der Unterzeichnung, denn die zuvor aufgestellten Jahresabschlüsse waren als bloße Entwürfe nur tatsächliche Rechenwerke. 67 Die Bestandskraft eines nach § 242 HGB unterzeichneten Jahresabschlusses kann sich daher nicht daraus ergeben, daß durch die Unterschrift die Tatsache der Erfüllung der gesetzlichen Rechnungslegungspflicht und ihr Zeitpunkt festgehalten wird. Sie muß sich vielmehr aus dem Inhalt der Pflichten ergeben, die durch die Unterschrift erfüllt werden. Die mit der Unterzeichnung dokumentierte Erfüllung der Rechenschaftspflicht durch Aufstellung eines Jahresabschlusses gemäß § 242 HGB führt folglich nur dann zur Bestandskraft des Jahresabschlusses, wenn die gesetzliche Rechenschaftslegung ein nach ihrem Abschluß bindendes Rechenwerk erfordert. b) Verantwortungsübernahme durch Unterzeichnung Weniger offensichtlich ist die inhaltliche Unselbständigkeit bei der Funktion der Verantwortungsübernahme: Die oft gewählte Formulierung, der Unterzeichnende übernehme öffentlich und gegenüber Dritten die Verantwortung für die inhaltliche Richtigkeit des Jahresabschlusses,68 legt eine haftungsrechtliche Inanspruchnahme des Unterzeichnenden nahe und führt zu dem zunächst plausibel erscheinenden Schluß, daß eine solche Verantwortungsübernahme nur für einen endgültigen
67
Allerdings ist heute unstreitig, daß die Erfüllung der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflichten auch anderweitig dokumentiert werden kann. Dies ändert jedoch nichts an der ursprünglichen Konzeption des Gesetzgebers.
68
Vgl. Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1991, § 245 Rdn. 4; Erle, Wpg 1987, S. 637 (640).
64
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
Jahresabschluß möglich sei.69 Diese Darstellung überzeichnet jedoch den Inhalt der gesetzlichen Verantwortungsübernahme. Eine Interpretation der Unterzeichnung als Willenserklärung, die eine zivilrechtliche Haftung begründet, entspricht nicht der Natur der Unterzeichnung als öffentlichrechtlicher Erklärung. Die in der Unterzeichnung nach § 245 HGB enthaltene Verantwortungsübemahme ist allein strafrechtlicher Natur. Dies erklärt sich aus der historischen Ausgestaltung der Buchfiihrungs- und Bilanzierungspflichten als lex imperfecta. Der Gesetzgeber der Bilanzierungspflichten des HGB ging zwar wie schon beim ADHGB davon aus, daß eine Rechenschaftslegung durch alle Kaufleute im Interesse der Gläubiger und der Allgemeinheit geboten sei. Er sah jedoch keine Möglichkeit vor, die Erfüllung dieser Pflicht für Gläubiger oder staatliche Organe zu erzwingen. Der Gesetzgeber sah allein einen mittelbaren Zwang durch Strafbewehrung vor. Zu einer Strafbarkeit soll es aber nur dann kommen, wenn es im Falle des Konkurses durch eine unzureichende Rechenschaftslegung zu einer Schädigung der Gläubiger kommt. Solange jedoch Dritten kein Schaden entstand, wurde eine fehlende Rechenschaftslegung als bloße Nachlässigkeit des Kaufmannes angesehen, die zwar möglicherweise privatrechtliche Rechenschaftspflichten verletzte, nicht aber durch Strafbewehrung erzwungen werden konnte. 70 Diese Ausgestaltung der Rechnungslegungspflichten als lex imperfecta hat heute noch bei Einzelkaufleuten und Personenhandelsgesellschaften Bestand. Eine Verletzung der Rechnungslegungspflicht ist bei diesen allein durch die Strafnormen in §§ 283, 283a, 283b StGB sanktioniert. Kennzeichnendes Merkmal dieser erst mit dem 1. Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität71 aus der Konkursordnung ausgelagerten Strafrechtsnormen ist es, daß neben einer Verletzung der Buchfiihrungs- und Bilanzierungspflicht gemäß §§ 283 Abs. 6, 283 Abs. 3 StGB noch ein Konkurs oder die Zahlungseinstellung als objektive Bedingung der Strafbarkeit erforderlich ist. Allein für Kapitalgesellschaften ist der Gesetzgeber von dieser Ausgestaltung der
69
70 71
In diesem Sinne Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5. Aufl. 1992, § 245 HGB Rdn. 1, 7; Ellerich, in: Küting/Weber, Handbuch der Rechnungs legung, Band Ia, 4. Aufl. 1995, § 245 Rdn. 12, 13; ähnlich Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 242 Rdn. 20, § 245 Rdn. 4f. Vgl. insbesondere Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht, 2. u. 3. Aufl. 1928, S. 116; Cosack, Lehrbuch des Handelsrechts, 10. u. 11. Aufl. 1923, S. 78f. Gesetz vom 29.7.1976, BGBl. I S. 2034
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
65
handelsrechtlichen Rechenschaftspflicht als lex imperfecta abgewichen. Dort ist die Erfüllung der Rechenschaftspflichten gemäß § 335 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB durch Zwangsgeld erzwingbar und eine unrichtige Darstellung nach §331 Nr. 1 HGB auch ohne Schädigung Dritter strafbar. Die historische Ausgestaltung der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflichten als lex imperfecta zeigt, daß der Kaufmann nicht öffentlichrechtlich dazu gezwungen werden soll, im Rahmen seiner handelsrechtlichen Buchführungs- und Bilanzierungspflichten Dritten gegenüber Erklärungen über seine Vermögens- und Ertragslage abzugeben, aus denen er Dritten gegenüber unmittelbar verantwortlich ist. Dem entspricht es auch, daß nach allgemeiner Auffassung die Unterzeichnung eines inhaltlich fehlerhaften Jahresabschlusses kein Schuldanerkenntnis des Kaufmanns gegenüber Dritten für einzelne Positionen enthält. Aus einer irrtümlich in die Bilanz eingestellten Verbindlichkeit können Dritte keine Ansprüche auf Erfüllung herleiten. 73 Die in der Unterzeichnung nach § 245 HGB beziehungsweise § 41 HGB a.F. enthaltene Verantwortungsübernahme des Kaufmannes ist vielmehr allein auf die strafrechtliche Haftung beschränkt. Sofern der Kaufmann unzureichende oder inhaltlich falsche Angaben macht, macht er sich hierdurch unter den Voraussetzungen von § 283 Abs. 6 StGB beziehungsweise bei Kapitalgesellschaften auch nach § 331 Nr. 1 HGB strafbar. Damit ist die Verantwortungsübernahme im Rahmen von § 245 HGB ebenfalls nur unselbständiger Natur. Sie dient allein dazu, den Unterzeichnenden durch Strafbewehrung zu einer Erfüllung der dem Kapitalmarktschutz dienenden handelsrechtlichen Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften anzuhalten. Diese Ausgestaltung der Verantwortungsübemahme durch Unterzeichnung als bloße Strafbewehrung ohne haftungsrechtliche Gewährleistung korrespondiert mit der deliktsrechtlichen Einordnung der handelsbilanzrechtlichen Vorschriften durch die ganz überwiegende Meinung. Diese sieht die handelsbilanzrechtlichen Vorschriften als institutionellen Gläubigerschutz, nicht jedoch als individualschützende Normen an. Aufgabe des Handelsbilanzrechtes sei es, die Gesamtheit der Gläubiger, also den im öffentlichen Interesse stehenden Kapitalmarkt, zu schützen, nicht aber konkrete Interessen einzelner Gläubiger.74 Die handelsbilanziellen Vorschriften sollen daher auch
72
Ähnlich auch BGH, DB 1964, S. 1585.
73
Budde/Kunz, in: Beck'scher Bilanzkommentar, 2. Aufl. 1990, § 245 Rdn. 6; Mork, in: Koller/Roth/Mork, HGB, 1996, § 245 Rdn. 1. Vgl. auch Maul, DB 1979, S. 1757 (1758).
74
66
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
keine subjektiv-rechtlichen Positionen gewähren und seien folglich auch keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB. 75 Eine Unterzeichnung nach § 245 HGB als Teil der handelsbilanziellen Vorschriften kann demnach auch keinen deliktischen Anspruch Dritter begründen. Mangels selbständiger haftungsrechtlicher Bedeutung der Unterschrift nach § 245 HGB gegenüber Dritten verliert die zunächst plausibel erscheinende Annahme, daß nur für einen endgültigen Jahresabschluß die Verantwortung durch eine Unterschrift nach § 245 HGB übernommen werden könne, an Überzeugungskraft. Die Verantwortungsübemahme der Unterschrift wird durch die allgemeine Strafbewehrung nach § 283 Abs. 6 StGB und bei Kapitalgesellschaften zusätzlich nach § 331 Nr. 1 HGB bestimmt. Ziel dieser Strafbewehrung ist es allein, die Erstellung eines den Vorschriften von §§ 242 ff. HGB entsprechenden Jahresabschlusses zu sichern. Damit läßt sich auch aus der strafrechtlich zu verstehenden Verantwortungsübernahme der Unterzeichnung nach § 245 HGB als solcher nicht herleiten, ob diese einen endgültigen, also bestandskräftigen Jahresabschluß voraussetzt. Ob nach der Unterzeichnung Berichtigungen oder Änderungen noch zulässig sind, bestimmt sich wiederum allein aus den allgemeinen Zielen der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht, deren vorschriftsmäßige Erfüllung die in der Unterzeichnung nach § 245 HGB enthaltene strafrechtliche Verantwortungsübernahme gewährleisten soll. Beide der Unterzeichnung nach § 245 HGB beigemessenen Funktionen, Dokumentation und Verantwortungsübemahme, sind inhaltlich also weitestgehend auf die allgemeinen Funktionen der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht ausgerichtet und ohne eigenständige Bedeutung. Angesichts dieser im Rahmen der handelsrechtlichen Pflichten nur unselbständigen Bedeutung verwundert es nicht, daß die dargestellten Ansätze im Schrifttum, allein aus der Dokumentationsfunktion und Verantwortungsübernahme Konsequenzen für die Endgültigkeit des unterzeichneten Jahresabschlusses herzuleiten, oft vage und wenig überzeugend bleiben. Beide Funktionen sind ohne eine Einbeziehung der allgemeinen Ziele der gesetzlichen Rechnungsle-
75
So schon RGZ 73, 30 (32); ausdrücklich auch BGH, DB 1964, 1585; Brüggemann, in: Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, Vorbem. zu §§ 38 ff Nr. 4; Hüffer in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 238 Rdn. 3; ähnlich Hopt, HGB, 29. Aufl. 1995, Einl. vor § 238 Rdn. 14; Differenzierend Canaris, Handelsrecht, 22. Aufl. 1995, § 12 III 2 (S. 191), der die handelsrechtlichen Vorschriften zwar nicht selbst als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ansieht, jedoch die darauf aufbauenden Bankrottdelikte in §§ 283ff. StGB als Schutzgesetze qualifiziert.
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
67
gung inhaltsleer und zur Herleitung rechtlicher Konsequenzen für die Bestandskraft untauglich. Will man eine mögliche Bindungswirkung der Unterzeichnung nach § 245 HGB für den Jahresabschluß teleologisch herleiten, so muß man über eine Betrachtung der Dokumentationsfunktion und Verantwortungsübernahme des Unterzeichnenden hinausgehen und Gründe für eine mögliche Bestandskraft der nach § 245 HGB unterzeichneten Bilanz in den allgemeinen Zielen und Aufgaben der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht nach §§ 238 ff. HGB suchen. 2.
Abgrenzung der Funktionen der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht zur bilanztheoretischen Zieldiskussion der Betriebswirtschaftslehre
Der Inhalt des handelsrechtlichen Jahresabschlusses wird vom Gesetzgeber in § 242 HGB für alle Kaufleute mit einer Darstellung des Vermögens und der Schulden in der Bilanz und der Gegenüberstellung von Aufwendungen und Erträgen in einer Gewinn- und Verlustrechnung umschrieben. Diese grundsätzliche Inhaltsbeschreibung wird für Kapitalgesellschaften in § 264 Abs. 2 Satz 1 ergänzt um die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft. Diese gesetzliche Umschreibung in §§ 242 HGB und 264 Abs. 2 HGB legt zwar fest, was durch den Jahresabschluß dargestellt werden soll, nicht jedoch welchen Zielen diese Darstellung dient. Die Ziele des handelsrechtlichen Jahresabschlusses sind daher ihrerseits nur durch eine Auslegung des Gesetzes zu ermitteln. Diese waren schon zur Zeit der Entstehung des HGB Gegenstand einer umfänglichen Diskussion. Während diese Diskussion um die Ziele des handelsrechtlichen Jahresabschlusses in den ersten Jahren nach der Kodifizierung des HGB stark von juristischen Autoren geprägt wurde, 76 überwiegen heute die betriebswirt-
76
So werden insbesondere die Arbeiten von Simon, einem Rechtsanwalt aus Berlin, noch heute als grundlegend für das deutsche - auch betriebswirtschaftliche - Bilanzwesen angesehen. Vgl. Moxter, Bilanzlehre, Band I, 3. Aufl. 1984, S. 15ff; zum ganzen auch Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 1970, S. 73ff.; Barth, Die Entwicklung des deutschen Bilanzrechts, Band I, 1953, S. 158ff.
68
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
schaftlichen Stellungnahmen. 7 7 Dabei ist die betriebswirtschaftliche B e handlung der Jahresabschlußziele geprägt durch die Auseinandersetzung mit den Bilanztheorien, die sich paradigmatisch in statische und dynamische Bilanztheorie unterscheiden lassen. 7 8 D i e s e Verlagerung der Diskussion um die Ziele des Jahresabschlusses in die Betriebswirtschaftslehre stellt j e d o c h keinen Ausdruck mangelnder wissenschaftlicher Aufbereitung in der Rechtswissenschaft dar. Sie ist vielmehr Konsequenz einer sich seit der Entstehung des H G B sukzessiv vollziehenden Distanzierung der betriebswirtschaftlichen Bilanztheorie von der gesetzlichen Konzeption des bestehenden Bilanzrechtes. 7 9 D i e s e Entwicklung hat ihre Ursache darin, daß das geltende Bilanzrecht des H G B und die zivilrechtliche Rechtsprechung eher v o n einer statischen Auffassung der Bilanzzwecke geprägt sind, 8 0 wohingegen die betriebswirtschaftliche Literatur und mit ihr zeitweise das Steuerbilanzrecht seit den
77
Dies gilt im übrigen auch weitgehend für die der hiesigen Themenstellung verwandte Frage, ob die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung aus den Jahresabschlußzielen deduziert, oder nur empirisch festgestellt werden können. Mit Ausnahme der Arbeit von Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 1970, dominieren die Stelllungnahmen betriebswirtschaftlicher Autoren. 78 Zur Tauglichkeit dieser Umschreibungen als Paradigmen für die Hauptströmungen der Bilanztheorie vgl. Beisse, StuW 1984, S. 1 (2f. und Fußn. 12) und Moxter, Bilanzlehre, Band I, 3. Aufl. 1984, S. 2f. und ders., StuW 1983, S. 300 (306); kritisch zur Tauglichkeit dieser Paradigmen dagegen D. Scheider, Geschichte der Buchhaltung und Bilanzierung, in: Handwörterbuch des Rechnungswesens, 3. Aufl. 1993, Sp. 712 (719). 79 Vgl. dazu auch Clemm, in: Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht, 1979/80, S. 173 (174f.). 80 So Beisse, StuW 1984, S. 4, 7; ders., in: Festschrift fur Moxter, 1994, S. 3 (17); Clemm, in: Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht, 1979/80, S. 173 (175); Gutenberg, in: Raiser et alt. (Hrsg.), Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, Soziologie und Statistik, 1964, S. 133f.; Hüffer in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 238 Rdn. 2f., § 242 Rdn. 8f.; Klar, Überschuldung und Überschuldungsbilanz, 1987, S. 21; Moxter, StuW 1983, S. 300 (301ff.); ders., AG 1979, S. 141 (145); ausführlich dargestellt wird die statische Ausrichtung der zivilrechtlichen Rechtsprechung von Münzinger, Bilanzrechtsprechung der Zivil- und Strafgerichte, 1987, 5. 5ff, 16.
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C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses ο ι
Arbeiten von Schmalenbach in den 20er Jahren sich verstärkt zu einer dynamischen Betrachtung entwickelte. Diese Lösung der handelsrechtlichen Bilanzlehre von der weiteren Entwicklung der betriebswirtschaftlichen Bilanztheorie und das Verharren auf der historisch älteren statischen Bilanzauffassung erklärt sich aus der Dominanz des Gläubigerschutzes83 in der ordnungsrechtlichen Funktion des Jahresabschlusses. Diese ursprüngliche gesetzliche Funktion des Jahresabschlusses prägt die Ansatz- und Bewertungsvorschriften des Handelsbilanzrechts im geltenden Recht. Das Bestreben des historischen Gesetzgebers, durch eine gesetzliche Pflicht zur Rechnungslegung den Rechtsverkehr vor insolventen Kaufleuten zu schützen, mündet fast zwangsläufig im Kerngedanken der statischen Bilanz.84 Die statische Bilanztheorie sieht die Aufgabe des jährlichen Jahresabschlusses darin, einen stichtagsbezogenen Vermögensstatus zu erstellen, der die Deckung der Schulden durch die Aktiva und das Reinvermögen des Kaufmannes darstellt. Der Gewinn des Unternehmens wird in der statischen Bilanztheorie entsprechend dieser Ausrichtung an der Schuldendeckung nicht primär als Ausdruck des untemehmenischen Erfolges verstanden. Gewinn im statischen Bilanzverständnis ist der Reinvermögenszuwachs
81
Vgl. Schmalenbach, ZfHf, 1910/11, S. 379ff.; ders., Grundlagen Dynamischer Bilanzlehre, 3. Aufl. 1925; zu der Bedeutung von Schmalenbach für die Fortentwicklung der Bilanztheorie vgl. insbesondere Moxter, Bilanzlehre, Band I, 3. Aufl. 1984, S. 29ff., ders., Betriebswirtschaftliche Gewinnermittlung, 1982, S. 194ff. 82 Vgl. Beisse, in: IDW (Hrsg.), Bericht über die Fachtagung 1978, 1979, S. 75 (76, 84f.); Moxter, StuW 1983, 300ff.; Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, Anh. § 243 Rdn. 20; Groh, in: Steuerberaterjahrbuch 1979/80, S. 121 (125ff.); Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 1970, S. 202ff.; Kruse, in: Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht, 1978/79, S. 172ff.; Döllerer, in: Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht, 1979/80, S. 195ff. 83 Vgl. Beisse, in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 77ff, insbes. 82, 90; Brüggemann, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, Vorbem. zu §§ 38ff. Rdn. 4; Döllerer, in: Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht, 1979/80, S. 195 (198); Hüffer in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 238 Rdn. 2; Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 1970, S. 201ff.; Moxter, AG 1979, S. 141 (144f.); ders., ZGR 1980, S. 254 (2765f.); allgemein zum Gläubigerschutz im Gesellschafts- und Handelsrecht Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band 1, 1980, § 10 (S. 513ff.). 84
Ähnlich Hüffer in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 238 Rdn. 3; Moxter, AG 1979, S. 141 (144f.); ders. WiSu 1979, S. 432 (434ff.) und trotz kritischer Anmerkungen zur Tauglichkeit der statischen Bilanzauffassung für den Gläubigerschutz im Ergebnis auch Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 1970, S. 20Iff.
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§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
des Bilanzstichtages im Vergleich zum Voijahresstichtag, der nicht zur Dekkung der Schulden erforderlich ist.85 Die Betriebswirtschaftslehre löste sich dagegen von der einseitigen Orientierung an der aus den Gläubigerinteressen orientierten Vermögensermittlung zum Bilanzstichtag. Die betriebswirtschaftliche Bilanzlehre sieht den Jahresabschluß als betriebswirtschaftliches Rechenwerk an, das einer Vielzahl von Interessengruppen zur Information dient.86 Der Schutz der Gläubiger wird dabei nur als eines von mehreren Zielen angesehen. Im Jahresabschluß seien vielmehr die wirtschaftlichen Informationsbedürfnisse divergierender Interessengruppen gleichgewichtig zu berücksichtigen und zum Ausgleich zu bringen, wobei es darum geht, den Interessenten die Entwicklung des Unternehmens darzustellen.87 Dieses weitere Verständnis der Aufgaben des handelsrechtlichen Jahresabschlusses ist letztlich Ursache für die auseinanderfallenden Entwicklungen in der betriebswirtschaftlichen und rechtswissenschaftlichen Bilanztheorie. Die betriebswirtschaftliche Bilanztheorie strebt danach, den Jahresabschluß verstärkt an dem Bedürfnis der Unternehmensleitung und Gesellschafter nach einem entscheidungsorientierten betriebswirtschaftlichen Rechenwerk, das es erlaubt, die Entwicklung des Unternehmens zu erkennen, auszurichten. Folgerichtig sieht die dynamische Bilanztheorie die Funktion des Jahresabschlusses nicht vorrangig darin, die Vermögenslage des Unternehmens zu einen Stichtag darzustellen. Ansatz und Bewertung der Positionen im Jahresabschluß sollen vielmehr vor allem dazu dienen, einen für die
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Vgl. hierzu Moxter, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 361 (369); ders. Bilanzlehre, Band I, 3. Aufl. 1984, S. 5ff. und WiSu 1979, S. 432 mit sehr prägnanten Darstellungen der Grundzüge der Bilanztheorien; weiter Münzinger, Bilanzrechtsprechung der Zivilund Strafgerichte, 1987, S. 7f.
86
Sehr deutlich etwa bei Baetge, Bilanzen, 3. Aufl. 1994, S: 29ff; der auf S. 42 ausdrücklich annimmt, daß der Gesetzgeber keine Interessengruppe einseitig bevorzugen wollte. Ähnlich Leffson, Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Aufl. 1987, S. 59ff.
87
Baetge, Bilanzen, 3. Aufl. 1994, S. 42f.; Leffson, Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung^. Aufl. 1987, S. 59ff.; Mellwig, BB 1979, 1409 (141 If.), BB 1983, S. 1613 (1616f.); ähnliche Formulierungen finden sich allerdings auch im rechtswissenschaftlichen Schrifttum, so etwa: Kupsch, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, Einführung Β 3 Rdn. 67f.
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C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
Unternehmenssteuerung und Erfolgsbeurteilung aussagekräftigen PeriodenQO
gewinn zu ermitteln. Eine solche umfassende Interessenorientierung unter Einbeziehung der unternehmerischen Bedürfnisse ist der als besonderes Ordnungsrecht der Kaufleute ausgestalteten allgemeinen Rechnungslegungspflicht fremd. Dem Gesetzgeber liegt es fern, die Handelsbilanz von einem Instrument des präventiven Gläubigerschutzes zu einer an den Interessen der Unternehmensfuhrung und Gesellschafter orientierten betriebswirtschaftlich möglichst zutreffenden Vermögens- und Gewinnermittlung umzugestalten.90 Auch wenn das Jahresabschlußrecht durch zunehmende Publizitätsvorschriften nicht mehr ausschließlich ein präventives Instrument zum Schutz der Gläubiger darstellt, sondern für Großunternehmen sich zu einem Instrument des Kapitalmarktrechts entwickelt hat,91 kann der handelsrechtliche Jahresabschluß nicht als allgemeines Rechnungslegungsinstrument, in dem die Informationsbedürfhisse aller Interessengruppen eine gleichmäßige Berücksichtigung finden, angesehen werden.92 Dies zeigt sich insbesondere in den Grundmaximen des Bewertungsrechtes. Der Grundsatz der Einzelbewertung (heute in § 252 QQ
88 Schmalenbach, Grundlagen Dynamischer Bilanzlehre, 3. Aufl. 1925, S. 54ff., 61 ff.; zur Schmalenbach'schen Konzeption der dynamischen Bilanz vgl. ausführlich Moxter, Bilanzlehre, Band I, 3. Aufl. 1984, S. 29ff. und auch Loitlsberger, in: Raiser et alt., Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, Soziologie und Statistik, 1964, S. 154 (159ff); Münzinger, Bilanzrechtsprechung der Zivil- und Strafgerichte, 1987, S. 23f. 89 So auch Hüffer in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 238 Rdn. 2, Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl. 1996, § 145 AO Rdn. 8a; Schmidt-Busemann, Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, 1977, S. 102ff., 108; ähnlich auch Merl, Die Bilanzierung latenter Steuerverpflichtungen als Problem bei der Trennung von Handels- und Steuerbilanz, 1979, S. 71ff., der zwischen den gesetzlichen Zwecken der Bilanz und den von außen durch Wissenschaft und Praxis an diese herangetragenen Zielsetzungen unterscheidet. 90 Ausführlich Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 1970, S. 201ff., weiter Grund, DB 1996, S. 1293f.; Schmidt-Busemann, Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, 1977, S. 108f.; im Ergebnis auch Geßler, in: 75 Jahre Deutsche Treuhand-Gesellschaft 1890 - 1965, o.J. (1965), S. 129 (139f.); Moxter, ZGR 1980, S. 254 (268f.); ders. AG 1979, S. 141 (145f.). 91 Vgl. dazu auch unten § 3 Ε (Seite 145f.). 92 So im Ergebnis auch Beisse, in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 89ff.; Mellwig, BB 1979, S. 1409 (1411); Schmidt-Busemann, Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, 1977, S. 108.
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§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
Abs. 1 Nr. 3 HGB ausdrücklich geregelt) und die aus dem Vorsichtsprinzip im Zusammenhang mit dem Realisations- und Imparitätsprinzip (§§ 252 Abs. 1 Nr. 4, § 253 Abs. 1 HGB) erwachsende tendenzielle Unterbewertung der Aktiva und Überbewertung der Passiva ist Ausdruck der an den Gläubigerinteressen orientierten vorsichtigen Darstellung der Schuldendeckung in einem statischen Vermögensstatus. 3 Diese Prinzipien lassen sich keinesfalls mit einer an unternehmerischen Gesichtspunkten oder den Gesellschafterinteressen orientierten betriebswirtschaftlichen Gewinnermittlung vereinba_
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ren. Angesichts dieses Verharrens des rechtswissenschaftlichen Bilanzverständnisses auf einer an der Dominanz des Gläubigerschutzes orientierten statischen Bilanzauffassung erstaunt es nicht, daß die bilanztheoretische Diskussion um Aufgaben und Ziele des Jahresabschlusses in der Rechtswissenschaft nicht dieselbe Beachtung wie in der Betriebswirtschaftslehre findet. Während in der betriebswirtschaftlichen Bilanzlehre auch nach der Entwicklung der dynamischen Bilanztheorie die Diskussion um die Adressaten, Aufgaben und funktionsgerechter Ausgestaltung des Jahresabschlusses bis heute nicht zum Stillstand gekommen ist, so daß mangels Konsens die Funktionen des Jahresabschluß dort noch als ungeklärt anzusehen sind,95 hat sich im Bilanzrecht auf der Grundlage der statischen Bilanztheorie96 eine weitgehend
93
Vgl. Beisse, in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 82ff.; Kupsch, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, Einführung Β 3 Rdn. 26; Münzinger, Bilanzrechtsprechung der Zivil- und Strafgerichte, 1987, S. 8, 19f.
94
Vgl. Beisse, StuW 1984, S. 7; ähnlich in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 89ff.; Döllerer, in: Jahrbuch der Fachanwälte für Steueirecht, 1979/80, S. 195 (196ff.); Moxter, Bilanzlehre, Band I, 3. Aufl. 1984, S. 90ff.; ders., AG 1979, S. 141 (144f.); Münzinger, Bilanzrechtsprechung der Zivil- und Strafgerichte, 1987, S. 16f.
95
Vgl. die Übersicht bei Rückle, Bilanztheorie, in: HWR, 3. Aufl.1993, Sp. 250ff. und D. Schneider, Geschichte der Buchhaltung und Bilanzierung, in HWR, 3. Aufl. 1993, Sp. 712ff., sowie ausführlich Moxter, Bilanzlehre, Band I, 3. Aufl. 1984, S. 29ff. und Seicht, Bilanztheorien, 1982, S. 35ff.. Diese statische Bilanztheorie darf jedoch nicht dahingehend verstanden werden, daß das dem HGB zugrundeliegende Verständnis des Jahresabschlusses seit dem HGB unverändert geblieben ist. Dies liegt daran, daß die ursprünglich dem ADHGB und dem frühen HGB zugrundeliegende statische Bilanzauffassung kein einheitliches, in sich geschlossenes Theoriegebilde darstellt, sondern Fortentwicklungen erfahren hat, an denen maßgeblich auch die Rechtslehre und die Rechtsprechung des ROHG und RG beteiligt waren, (zur Entwicklung der Bilanzauffassung in der Rechtsprechung vgl. (Fortsetzung der Fußnote auf nächster Seite)
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C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
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gefestigte Systematik der Funktionen der gesetzlichen Rechnungslegung durch Buchführung und Jahresabschluß herausgebildet.97 Von dieser gefestigten Systematik der gesetzlichen Jahresabschlußziele soll auch im Rahmen dieser Arbeit ausgegangen werden. 3.
Systematik der Funktionen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses
Entsprechend der Unterteilung des Handelsbilanzrechts in Vorschriften für alle Kaufleute und solche für Kapitalgesellschaften wird bei der Beschreibung der Funktionen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses in der Literatur häufig davon ausgegangen, daß auch diese Funktionen sich unterteilen lassen in allgemeine, für alle Kaufleute geltende und besondere Funktionen, πα
die für die Kapitalgesellschaften gelten. Die dem Jahresabschluß aller Kaufleute beigemessenen allgemeinen Funktionen werden übereinstimmend in der Dokumentation der Vermögenslage des Kaufmannes und dem Zwang zur Selbstinformation über seine
inbes. Münzinger, Bilanzrechtsprechung der Zivil- und Strafgerichte, 1987, S. 5ff.) Die für das Verständnis der gesetzlichen Ziele des Jahresabschlusses wichtigste Entwicklung des statischen Bilanzkonzeptes stellt dabei die Wandlung der statischen Bilanzauffassung von einer Zerschlagungs- zur Fortführungsstatik dar. Während die Zerschlagungsstatik davon ausgeht, daß zur Ermittlung der Schuldendeckungsfähigkeit die Vermögensgegenstände zum Einzelveräußerungspreis bei Liquidation des Unternehmens zu bewerten sind, legt die Fortführungsstatik der Bewertung der Vermögensgegenstände den Fortbestand des Unternehmens zugrunde (Vgl. Moxter, Bilanzlehre, Band I, 3. Aufl. 1984, S. 6; Münzinger, Bilanzrechtsprechung der Zivil- und Strafgerichte, 1987, S. 5ff.). Dieser Wandel zur Fortführungsstatik hat heute seinen gesetzlichen Ausdruck in § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB gefunden, wonach bei der Bewertung von der Fortführung des Unternehmens - dem sogenannten going concern Prinzip - ausgegangen wird. 97
Vgl. die im wesentlichen gleichlautenden Darstellungen bei Arians, Sonderbilanzen, 2. Aufl. 1985, S. 364; Hüffer in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 238 Rdn. 2; vgl. Schmidt-Busemann, Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, 1977, S. 167, 180ff.; ähnlich Blumers, Bilanzierungstatbestände und Bilanzierungsfristen im Handelsrecht und Steuerrecht, 1983, S. 88ff, 94; Moxter, ZGR 1980, S. 254 (268ff.).
98
Besonders ausgeprägt ist diese Unterscheidung bei Kupsch, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, Einführung Β 3 Rdn. 67ff. und 155ff.; ähnlich Ellerich, in: Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, Band Ia, 4. Aufl. 1995, Artikel 2, Zwecke des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, Rdn. 180ff.
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§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
Schuldendeckungsfahigkeit gesehen." Beide Funktionen bilden den historischen Kernbereich der Aufgaben des handelsrechtlichen Jahresabschlusses.100 a)
Dokumentation
Die Fortführung der historischen Zweckkonzeptionen der handelsrechtlichen Rechnungslegung in den allgemeinen Funktionen des Jahresabschlusses zeigt sich besonders deutlich in der Dokumentationsfunktion des Jahresabschlusses. Dieser hat zwei Ausprägungen, die beide auf die Intention des historischen Gesetzgebers zurückfuhrbar sind, durch die handelsrechtliche Rechnungslegung einen Schutz des Rechtsverkehrs und der Gläubiger zu erreichen.101 Die erste Ausprägung der Dokumentation ist auf den Schutz der Gläubiger im Konkurs des Kaufmannes bezogen. Die handelsrechtliche Rechnungslegung soll verhindern, daß Gläubiger im Konkurs des Kaufmannes durch Verheimlichen oder Beiseiteschaffen von Vermögensgegenständen oder Erdichten nicht existenter Schulden geschädigt werden.10 Die Dokumentati-
99
Vgl. Arians, Sonderbilanzen, 2. Aufl. 1985, S. 360ff.; Ellerich, in: Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, Band Ia, 4. Aufl. 1995, Artikel 2, Zwecke des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, Rdn. 1830ff.; Großfeld/Diekmann, Wpg 1988, S. 419 (420f.) Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, Vor § 238 Rdn. 1; Münzinger, Bilanzrechtsprechung der Zivil- und Strafgerichte, 1987, S. 35ff.; SchmidtBusemann, Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, 1977, S. 203ff., 215f„ jeweils tn.w.N.
100 Vgl. Großfeld/Diekmann, Wpg 1988, S. 419 (420f.); Leyerer, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung 1922, S. 141 (150f.). 101 Vgl. Münzinger, Bilanzrechtsprechung der Zivil- und Strafgerichte, 1987, S. 35; Mathiak, in: Kirchhof/Söhn, EStG, 1993, § 5 Rdn. A lOOff. und vor allem die umfängliche Darstellung bei Schmidt-Busemann, Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, 1977. Schmidt-Busemann führt darüber hinaus eine auf die Konkursdelikte in §§ 283ff. StGB bezogene strafrechtliche Deliktaufdeckungsfunktion an. Wie oben in § 4 Β III 4 a bb (Seite 64f.) dargestellt, hat die Strafandrohung aber nur die Funktion, die Erfüllung der Rechnungslegungspflicht zu gewährleisten. In der auf §§ 283ff. StGB bezogenen strafrechtlichen Deliktaufdeckungsfunktion ist für den Rahmen dieser Arbeit daher kein eigenständiger Zweck zu sehen, der für das Verständnis der Unterzeichnung nach § 245 HGB relevant ist. 102 Vgl. Blumers, Bilanzierungstatbestände und Bilanzierungsfristen im Handelsrecht und Steuerrecht, 1983, S. 9 0 f f ; Kupsch, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, Einführung Β 3 Rdn. 68; Mellwig, BB 1979, S. 1409 (1410); Moxter, Bilanzlehre, Band I, 3. Aufl. 1984, S. 81ff.; Münzinger, Bilanzrecht(Fortsetzung der Fußnote auf nächster Seite)
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
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on soll den Bestand und Verbleib des Vermögens für Gericht und KonkursVerwalter nachvollziehbar machen. Diese konkursorientierte Ausrichtung der Dokumentationsfunktion ist unmittelbarer Ausdruck des zuerst vom historischen französischen Gesetzgeber in der Ordonnance de Commerce und dem Code de Commerce angestrebten Schutzes der Gläubiger vor vermögenslosen und betrügerischen Konkursen.104 Deutlich erkennbar ist diese Konkursorientierung der Dokumentationsfunktion auch darin, daß die Strafbarkeit einer Verletzung der Rechnungslegungspflichten nach §§ 283 ff. StGB seit dem ADHGB allein auf den Konkursfall beschränkt ist. 105 Die zweite Ausprägung der Dokumentationsfunktion ist auf eine prozessuale Sicherung rechtsgeschäftlicher Ansprüche gegen das kaufmännische Unternehmen gerichtet. Durch die Verpflichtung des Kaufmannes, Handelsbücher zu fuhren und diese im Streitfalle über Ansprüche gegen das kaufmännische Unternehmen vorzulegen, soll der kaufmännische Rechtsverkehr geschützt werden. 106 Hierin setzt sich die schon im Mittelalter in einigen Stadtrechten kodifzierte besondere Beweisfunktion der kaufmännischen 1 Π7
Handelsbücher als Beweismittel im Prozeß gegen den Kaufmann fort. Diese besondere Beweiskraft der kaufmännischen Handelsbücher fand noch sprechung der Zivil- und Strafgerichte, 1987, S. 36f.; Schmidt-Busemann, Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, 1977, S. 188f.; 203f.; Ter Vehn, ZfB 1929, S. 329f. 103 Auf diese potentielle Fremdinformation stellt vor allem Kupsch, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, Einfuhrung Β 3 Rdn. 68, ab. 104 Vgl. dazu schon oben 1. Teil § 2 Α (Seite 15ff.) und Ter Vehn, ZfB 1929, S. 329. 105 Vgl. Blumers, Bilanzierungstatbestände und Bilanzierungsfristen im Handelsrecht und Steuerrecht, 1983, S. 91f.; Maul, DB 1979, S. 1757ff. 106 Vgl. Großfeld/Diekmann, Wpg 1988, S. 419 (420f.); Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 1970, S. 39ff„ S. 52f.; S. 200f.; Kupsch, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, Einführung Β 3 Rdn. 68f. und umfassend zur Beweisfunktion der handelsrechtlichen Rechnungslegung SchmidtBusemann, Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, 1977, S. 187f. 107 Vgl. R. Fischer, in: Ehrenberg, Handbuch des gesamten Handelsrechts, 2. Band, 1918, S. 472.; Käfer, Die kaufmännische Buchführung, in: Berner Kommentar zum Schweizer Privatrecht, Band VIII, 1976, S. 62 Rdn. 3.15; Leyerer, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung 1922, S. 141 (150); Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht, 2. u. 3. Aufl. 1928, S. 117; Schmidt-Busemann, Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, 1977, S. 24f., 36f., 54f.; Wieland, Handelsrecht, Bd. I (1921) S. 311; ausführlich zur Entwicklung bis zum ADHGB vor allem Lion, Vieteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht, 1928, S. 401ff.; Ter Vehn, ZfB 1929, S. 161ff.
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§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
in das ADHGB, das in Art. 34 Abs. 1 für den Kaufmann die Möglichkeit des Bucheides vorsah, Eingang. 108 Erst mit der Schaffung des HGB wurde die besondere Beweiskraft der Handelsbücher zugunsten des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung der Handelsbücher als Urkunden aufgegeben. 109 Die Pflicht zur Vorlage auf gerichtliche Anordnung in §§ 45ff. HGB alter Fassung und den inhaltsgleichen §§ 258ff. HGB zeigen jedoch, daß die prozessuale Ausprägung der Dokumentationsfunktion - wenn auch in abgeschwächter Form - gesetzlicher Inhalt der handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften geblieben ist.110 Beiden Ausprägungen der Dokumentationsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses ist es gemeinsam, daß sie in einem engen Konnex zur laufenden Buchführung des Kaufmannes stehen. Dies folgt notwendigerweise aus der Verknüpfung des Jahresabschlusses mit den Handelsbüchern der laufenden Buchführung. Diese Verknüpfung wurde durch die mit dem Bilanzrichtliniengesetz eingeführte Verpflichtung aller Kaufleute zur Erstellung einer Gewinn- und Verlustrechnung noch verstärkt. Das HGB schreibt ausdrücklich zwar kein bestimmtes Buchführungssystem oder Verfahren zur Ermittlung des Jahresabschlusses vor. Die mit dem Bilanzrichtliniengesetz 1986 in das HGB eingeführte ausdrückliche Verpflichtung zur Erstellung einer Gewinn- und Verlustrechnung setzt aber eine doppelte Buchführung mit laufender Buchung aller Geschäftsvorfälle auf Bestands- und Erfolgskonten voraus. Nur der periodische Abschluß der Erfolgskonten (Aufwand und Ertrag) kann in der kaufmännischen Praxis die seit dem Bilanzrichtliniengesetz geforderte Gewinn- und Verlustrechnung gewährleisten. Die einfache Buchführung, die nur Bestandskonten kennt, vermag eine Gewinn- und Verlustrechnung dagegen nicht zu liefern.111 Die Dokumentation der Geschäfts-
108 Vgl. Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht, 2. u. 3. Aufl. 1928, S. 117; R. Fischer, in: Ehrenberg, Handbuch des gesamten Handelsrechts, 2. Band, 1918, S. 472. 109 So schon RGZ 6, 345 und Cosack, Lehrbuch des Handelsrechts, 4. Aufl. 1898, S. 76; weiter Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 228 Rdn. 3; R. Fischer, in: Ehrenberg, Handbuch des gesamten Handelsrechts, 2. Band, 1918, S. 472; vgl. Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht, 2. u. 3. Aufl. 1928, S. 117; K. Schmidt, Handelsrecht, 4. Aufl. 1994, § 15 I 5. (S. 429); Streim, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, § 238 Rdn. 13. 110 So wohl auch Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 238 Rdn. 3. 111 Zur Notwendigkeit der doppelten Buchführung für die Erstellung einer Gewinn- und Verlustrechnung vgl. Kupsch, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rech(Fortsetzung der Fußnote auf nächster Seite)
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
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vorfalle in den Handelsbüchern der laufenden Buchführung und die sich aus dem periodischen Abschluß der Konten ergebende Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung sind folglich aufeinander bezogen. Rechtlich äußert sich dies auch darin, daß die Zusammenfassung der Buchführungszahlen im Jahresabschluß zugleich eine Sicherung der Buchungsbelege gegen nachträgliche Inhaltsänderung bewirkt.113 Das Inventar, das bei der bis zum Bilanzrichtliniengesetz zulässigen einfachen Buchführung die Grundlage der Dokumentation der Vermögens- und Schuldenlage in der Bilanz bildete,114 wurde in seiner Bedeutung für die Vermögensdokumentation damit deutlich reduziert. Obwohl auch nach § 240 HGB weiterhin ein Inventar gefordert wird, kommt diesem nur noch eine ergänzende Funktion als gegenständlicher Nachweis der Bilanzpositionen zu. Dieser reduzierten Bedeutung des Inventars für den Jahresabschluß entspricht es, daß seit dem Bilanzrichtliniengesetz das Inventar nicht mehr von der Unterzeichnungspflicht nach § 245 Satz 1 HGB erfaßt wird.
nungslegung, 2. Aufl. 1995, Einführung Β 3 Rdn. 50; sowie - allerdings zur alten Rechtslage vor dem Bilanzrichtliniengesetz - Brüggemann, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, § 38ff. Rdn. 15; Schmidt-Busemann, Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, 1977, S. 20f.; Schulze-Osterloh, ZHR 1986, S. 403 (410). Ablehnend dagegen Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 239 Rdn. 6f., der darauf verweist, daß bei geschäftlicher Tätigkeit geringen Umfanges eine Gewinn- und Verlustrechnung auch durch eine Nebenrechnung erzielt werden kann. Im Ergebnis ebenso Glade, Rechnungslegung und Prüfung nach dem BilanzrichtlinienGesetz, 1986, § 238 Rdn. 35. Diese Auffassung vermag jedoch nicht zu überzeugen, denn sie stellt auf einen Geschäftsumfang ab, der typisch ist für Minderkaufleute. Diese sind aber ohnehin gemäß § 4 Abs. 1 HGB nicht zur Erstellung eines handelsrechtlichen Jahresabschlusses verpflichtet. Für einen vollkaufmännischen Geschäftsbetrieb ist die Errechnung einer Gewinn- und Verlustrechnung ohne die Führung von Ertrags- und Aufwandskonten allein durch Nebenrechnung allein schon wegen der Fülle der Geschäftsvorfälle nicht denkbar. So im Ergebnis auch Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 41 Rdn. 25. 112 Vgl. Kupsch, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, Einführung Β 3 Rdn. 48; sowie ausführlich Schmidt-Busemann, Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, 1977, S. 203ff. 113 So insbesondere Stätzel, ZfB 1976, S. 314 (323) und in Anschluß daran Ellerich, in: Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, Band Ia, 4. Aufl. 1995, Artikel 2, Zwecke des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, Rdn. 181. 114 Zur Funktion des Inventars als Grandlage der Bilanz bei einer bis zum Bilanzrichtliniengesetz noch zulässigen einfachen Buchführung vgl. Schmidt-Busemann, Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, 1977, S. 204f.
78 b)
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
Zwang zur
Selbstinformation
Etwas mißverständlich ist der zweite allgemeine Zweck des Jahresabschlusses, die Verpflichtung des Kaufmannes zur Selbstinformation. Durch die Dokumentation der Geschäftstätigkeit im Jahresabschluß und in den Handelsbüchern wird der Kaufmann zugleich dazu gezwungen, sich selbst Einblick in seine Vermögens- und Ertragslage zu verschaffen. Zumal der Jahresabschluß nicht generell zu veröffentlichen ist, läßt sich diese Verpflichtung zur Selbstinformation leicht dahingehend verstehen, daß die handelsrechtliche Rechnungslegungspflicht dem Kaufmann eine Grundlage für seine unternehmerischen Entscheidungen geben soll und sich daher zumindest auch an den betriebswirtschaftlichen Informationsbedürfnissen des Unternehmers auszurichten hat.115 Ein solch betriebswirtschaftliches, an den unternehmerischen Eigeninteressen des Kaufmannes orientiertes Verständnis der Pflicht zur Selbstinformation entspricht jedoch nicht der gesetzlichen Intention. Die Pflicht zur Selbstinformation ist vielmehr Ausdruck eines präventiven Gläubigerschutzes.' 16 Auch wenn davon auszugehen ist, daß es im Eigeninteresse eines gewissenhaften Kaufmannes liegt, sich regelmäßig über seine Vermögens· und Ertragslage zu informieren, verfolgen die gesetzlichen Vorschriften nicht originär die unternehmerischen Interessen des Kaufmannes. Ein solches Verständnis würde zu einem gesetzlichen Schutz des Kaufmannes vor eigenem unternehmerischen Fehlverhalten führen. Dem liberalen Gesetzgeber des 18. und 19. Jahrhundert lag ein solcher Schutz der Kaufleute vor sich selbst 117 · fern. Und auch heute ist nicht erkennbar, weshalb der Kaufmann eines gesetzlichen Schutzes vor sich selbst bedarf. Einen gesetzlichen Schutz durch Rechnungslegung erfordern nur die Interessen Dritter. Dies zeigt sich auch in der heute noch grundsätzlich auf den Konkursfall beschränkten Strafbarkeit der Verletzung der Rechnungslegungspflichten nach § 283 StGB. Diese Beschränkung zeigt, daß es allein um einen mittelbaren Schutz der Gläubiger
115 So etwa Claussen, in: Festschrift für Semler, 1993, S. 97 (S. 102ff); Sieben/Haase, Wpg 1971, S. 53ff.,79ff. 116 Vgl. Leffson, Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Aufl. 1987, 38f., 56f.; Moxter, ZGR 1980, S. 254 (268); ähnlich Stützet, ZfB 1976, S. 314 (323). 117 Vgl. BGHZ 12, 146 (150) und besonders deutlich Brüggemann, in: Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, Vorbem. zu §§ 38ff. Rdn. 4; Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 1970, S. 200ff. und ausführlich Leffson, Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung,?. Aufl. 1987, 29ff.; ähnlich Mellwig, BB 1979, S. 1409 (1410).
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
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des Kaufmannes geht. Der Kaufmann soll im Interesse der Gläubiger regelmäßig seine Fähigkeit prüfen, aus seinem Vermögen die den Gläubigem gegenüber bestehenden Verpflichtungen zu erfüllen, um so eine Schädigung der Gläubiger in einem Konkurs möglichst zu verhindern. Die in der handelsrechtlichen Rechnungslegung enthaltene Pflicht zur Selbstinformation dient also der präventiven Schuldendeckungskontrolle.119 Der an diese gesetzlich geforderte Schuldendeckungskontrolle anzulegende Maßstab unterlag dabei schon Anfang dieses Jahrhunderts einem inhaltlichen Wandel. Dieser Wandel geht einher mit der Fortentwicklung der statischen Bilanzkonzeption von der Zerschlagungsstatik des ADHGB zur Fortfuhrungsstatik des heutigen HGB. Während der Geltung des ADHGB wurde überwiegend angenommen, daß die in der Bilanz darzustellende Fähigkeit des Kaufmannes zur Schuldendek19f|
kung eine Bewertung zu Liquidationswerten erfordere. Eine Schuldendekkung sei nur dann gewährleistet, wenn bei einer Zerschlagung des Unternehmens die Liquidationserlöse der Aktiva ausreichen, um sämtliche Verbindlichkeiten zu befriedigen. 121 Diese als Zerschlagungsstatik bezeichnete Bilanzkonzeption bemißt die Schuldendeckungsfahigkeit des Kaufmannes also danach, ob für die Gläubiger im Falle der Zwangsvollstreckung oder des Konkurses aus den haftenden Aktiva als Vollstreckungsobjekte ein hinrei-
118 Vgl. Blumers, Bilanzierungstatbestände und Bilanzierungsfristen im Handelsrecht und Steuerrecht, 1983, S. 91ff.; Brüggemann, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, Vorbem. zu §§ 38ff. Rdn. 3, 4; Moxter, Bilanzlehre, Band II, 3. Aufl. 1984, S. 5f., 16ff.; Streim, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995 ,§ 238 HGB Rdn. 11. 119 So Brüggemann, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, Vorbem. zu §§ 38ff. Rdn. 4; Ellerich, in: Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, Band Ia, 4. Aufl. 1995, Artikel 2, Zwecke des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, Rdn. 183ff.; Kupsch, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, Einführung Β 3 Rdn. 71.; Maul, ZfbF 1975, S. 150 (154f.); Mellwig, BB 1979, S. 1409 (1410); Münzinger, Bilanzrechtsprechung der Zivil- und Strafgerichte, 1987, S. 38ff. mit umfangreichen Analysen und Nachweisen aus der Rechtsprechung; Stützel, ZfB 1967, S. 314 (323); Schmidt-Busemann, Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, 1977, S. 224f. 120 Vgl. die Leitentscheidung des ROHG vom 3.12.1873 [ROHGE 12, 15 (19)] und die ausfuhrliche Analyse der frühen Rechtsprechung und Bilanzlehre bei Münzinger, Bilanzrechtsprechung der Zivil- und Strafgerichte, 1987, S. 5ff. 121 Vgl .Moxter, Bilanzlehre, Band I, 3. Aufl. 1984, S. 6f.; Münzinger, chung der Zivil- und Strafgerichte, 1987, S. 7ff.
Bilanzrechtspre-
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chender Verwertungserlös zu erzielen ist. Unmittelbarer Ausdruck dieser an der Unternehmensliquidation orientierten Zerschlagungsstatik ist unter anderem noch der heute in § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB verankerte Grundsatz der 123 Einzelbewertung. Die der Zerschlagungsstatik zugrundeliegende Annahme einer sofortigen Liquidation des Unternehmens wurde schon von Simon als unrealistisch kritisiert, da sich der Wert des unternehmerisch gebundenen Vermögens eines Kaufmannes aus der Nutzung im Unternehmen, nicht aber aus der Zerschlagung ergibt. 124 Die sogenannte Fortführungsstatik verlangt daher, daß die Vermögenswerte des Kaufmannes zu ihrem Wert für das lebende Unternehmen anzusetzen sind. Diese Auffassung hat sich in der Rechtslehre und Rechtsprechung für das HGB von 1897 durchgesetzt und wurde durch das Bilanzrichtliniengesetz 1986 in § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB unmittelbar ins Gesetz übernommen. Die an der Unternehmensfortführung, der "going concern"-Prämisse, orientierte Darstellung der Vermögenslage hat notwendigerweise unmittelbare Auswirkungen auf die in der Bilanz zum Ausdruck kommende Schuldendeckungsfahigkeit. Durch die Bewertung aller Vermögensgegenstände mit ihren Fortführungswerten ist der Informationsgehalt der Bilanz über die Schuldendeckungsfahigkeit ebenfalls fortführungs- und nicht zerschlagungsorientiert. Die Bilanz gibt nicht mehr darüber Auskunft, ob aus der Realisierung der Vollstreckungsobjekte des Unternehmens eine Schuldendeckung zu erreichen ist. Vielmehr stellt die auf Fortführungswerten basierende Bilanz dar, ob bei Realisation der zum Bilanzstichtag bestehenden
122 Vgl. Moxter, Bilanzlehre, Band I, 3. Aufl. 1984, S. 6f, 90f. 123 Für eine ausführliche Herleitung dieses Zusammenhanges vgl. Moxter, Bilanzlehre, Band I, 3. Aufl. 1984, S. 90f. und Münzinger, Bilanzrechtsprechung der Zivil- und Strafgerichte, 1987, S. 7ff.; weiter Klar, Überschuldung und Überschuldungsbilanz, 1987, S. 21 und Stüdemann, in: Uhlenbruck et alt., Einhundert Jahre Konkursordnung, S. 425f., die allerdings zugleich davon ausgehen, daß die Handelsbilanz noch heute weitgehend eine Zerschlagungsbilanz ist. 124 Vgl. Simon, Die Bilanzen der Aktiengesellschaften und der Kommanditgesellschaften auf Aktien, 2. Aufl. 1896, S. 296ff.; zur Konzeption Simons vgl. auch ausführlich Moxter, Bilanzlehre, Band I, 3. Aufl. 1984, S. 9f. und Münzinger, Bilanzrechtsprechung der Zivil- und Strafgerichte, 1987, S. 1 Iff. 125 Vgl. Moxter, Bilanzlehre, Band I, 3. Aufl. 1984, S. 7f. und Münzinger, Bilanzrechtsprechung der Zivil- und Strafgerichte, 1987, S. lOff. 126 So ausdrücklich auch Döllerer, in: Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht, 1979/80, S. 195 (199f.).
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Vermögenswerte im betrieblichen Leistungserstellungs- und Umsatzprozeß eine Begleichung der Schulden zu erwarten ist.127 c) Bemessung des Ausschüttungspotentials Dem Jahresabschluß wird im Handelsbilanzrecht weiterhin die Aufgabe der Bestimmung des Ausschüttungspotentials beigemessen. Dieser Zweck hat seinen Ursprung in der Rechnungslegung der Kapitalgesellschaften und wird im bilanzrechtlichen Schrifttum meist auch nur für diese angeführt. 128 aa) Kapitalerhaltung und Gesellschafterschutz bei Kapitalgesellschaften Ansatzpunkt dieses Zwecks des handelsrechtlichen Jahresabschlusses ist die für Kapitalgesellschaften typische Haftungsbegrenzung auf das Gesellschaftsvermögen einerseits und die institutionelle Trennung zwischen Geschäftsführung und Eigentum am Unternehmen andererseits. Während die Haftungsbeschränkung eine Begrenzung der Ausschüttung haftender Vermögenssubstanz erfordert, sind die Interessen der von der Unternehmensleitung isolierten Gesellschafter auf eine Beteiligung am Unternehmenserfolg gerichtet. Hieraus resultiert ähnlich wie bei der prozessualen Dokumentation eine Überschneidung öffentlich-rechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Funktionen. Die handelsrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften füllen einerseits die dem Gläubigerschutz dienenden Kapitalerhaltungsvorschriften aus, andererseits bestimmen sie die auf Beteiligung am ausschüttbaren Gewinn ausgerichteten Rechte der Gesellschafter.1 9 Historisch im Vordergrund steht dabei nicht der Aktionärsschutz, sondern die für den Gläubi-
127 Vgl. Moxter, Bilanzlehre, Band I, 3. Aufl. 1984, S. 87f.; ähnlich Auler, DB 1976 S. 2169(2170). 128 Brüggemann, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, Vorbem. zu §§ 38ff. Rdn. 3.; Kupsch, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, Einführung Β 3 Rdn. 155f. und 158f.; Leffson, Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Aufl. 1987, S. 52f.; Moxter, in: Bilanz- und Konzernrecht, in: Festschrift fur Goerdeler, 1987, S. 361 (368f.); Schulze-Osterloh, in: IDW (Hrsg.), Bericht über die Fachtagung 1994,1995, S. 123. 129 Sehr deutlich wird diese Doppelfunktion bei Kupsch, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, Einführung Β 3 Rdn. 155f. und 158f. und Brüggemann, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, Vorbem. zu §§ 38ff. Rdn. 3; weiter Blumers, Bilanzierungstatbestände und Bilanzierungsfristen im Handelsrecht und Steuerrecht, 1983, S. 94f.
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gerschutz notwendige Ausfüllung der Kapitalerhaltungsvorschriften durch den handelsrechtlichen Jahresabschluß.130 Die Kapitalerhaltungsvorschriften bilden zusammen mit den Vorschriften zur Kapitalaufbringung die Grundpfeiler des Gläubigerschutzes im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht. Kapitalaufbringung und -erhaltung sind notwendiges Korrelat zur Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen. 131 Sie gewährleisten die Mindestausstattung der Kapitalgesellschaft mit haftendem Vermögen durch die Gesellschafter. Während die Kapitalaufbringungsvorschriften die ursprüngliche Kapitalausstattung der Gesellschaft durch effektive Einbringung von Vermögenswerten in die Gesellschaft sicherstellen, verhindern die Kapitalerhaltungsvorschriften, daß die gesetzlich geforderte Mindestausstattung mit Kapital durch Ausschüttungen an die Gesellschafter unterschritten wird. 132 Dabei ist der Umfang der durch die Kapitalerhaltungsvorschriften gesicherten Kapitalausstattung unterschiedlich weit ausgebildet. Bei der GmbH wird gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG nur Vermögen, das zur Erhaltung des einbezahlten Stammkapitals notwendig ist, vom Ausschüttungsverbot umfaßt. Dagegen umfaßt bei den Aktiengesellschaften das der Ausschüttung entzogene Kapital neben dem eingezahlten Grundkapital (§ 57 Abs. 1 AktG) auch die gesetzlichen Rücklagen gemäß
130 Vgl. Geßler, in: 75 Jahre Deutsche Treuhand-Gesellschaft 1890 - 1965, o.J. (1965), S. 129 (133f., 139f.). Diese Notwendigkeit eines Schutzes der Gläubiger wurde im Aktiengesellschaftsrecht bereits vor der Einführung von Bewertungsvorschriften in das Aktienrecht durch die Aktienrechtsnovelle von 1884 gesehen. Ihr wurde dadurch Rechnung getragen, daß die notwendige Konzession zur Gründung einer Aktiengesellschaft nur dann erteilt wurde, wenn das Gesellschaftstatut Bewertungsvorschriften enthielten, die sich am Niederstwertprinzip orientierten (Vgl. Ter Vehn, ZfB 1929, S. 329 (345f.). 131 Vgl. RGZ 168, 292 (297f.); BGHZ 109, 334 (337ff.); Goerdeler/W. Müller, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 30 Rdn. 1; Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien und GmbH-Rechten der EWG, 1964, S. 42f.; Η. P. Westermann, in Scholz, GmbHG 8. Aufl. 1993, § 30 Rdn. 1; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band 1, 1980, § 10 IV 1 (S. 554ff.); Wilhelm, in: Festschrift für Flume 1978, Band II, S. 337 (363). 132 Vgl. Kübler, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 1994, § 18 II 2b (S. 246); Fleck, in: Festschrift 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 39Iff.; Η. P. Westermann, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1993, § 30 Rdn. 1; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band 1, 1980, § 10 IV 1 (S. 554ff.); K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 49 Rdn. 21 sowie aus betriebswirtschaftlicher Sicht die ausführliche Darstellung bei Hemmerde, Insolvenzrisiko und Gläubigerschutz, 1985, S. 434ff.
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§ 1 5 0 AktG. 1 3 3 Zudem sind bei Aktiengesellschaften Ausschüttungen verfahrensrechtlich gemäß § 57 Abs. 3 AktG auf den ausgewiesenen Bilanzgewinn beschränkt, wohingegen bei der GmbH auch eine unmittelbare Ausschüttung v o n Rücklagen und anderen nicht zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Kapitalpositionen erfolgen kann. 1 3 4 Gemeinsames Merkmal dieser Kapitalerhaltungsvorschriften ist, daß über den Betrag der Verbindlichkeiten hinaus Vermögen in der Kapitalgesellschaft gebunden wird, das den Gläubigern der Gesellschaft haftet und auf der Passivseite als Eigenkapital ein Potential zum Ausgleich v o n Verlusten schafft. 1 3 5 D i e Aufgabe des handelsrechtlichen Jahresabschlusses besteht nun darin, für diese Vermögensbindung durch Kapitalerhaltungsvorschriften eine taugliche Vermögensrechnung als Grundlage zu liefern. 3 6 D i e Heranziehung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses als rechnerische Grundlage fur die Kapitalerhaltungsvorschriften folgt bei der Aktiengesellschaft unmittelbar aus
133 Vgl. Goerdeler/W. Müller, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, §30 Rdn. 12f.; Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 150 Rdn. lf.; Kropff, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 150 Rdn. 3; Wilhelm, in: Festschrift fur Flume, 1978, Band II, S. 337 (359f.). 134 Vgl. Fleck, Kapitalaufbringung, Kapitalerhaltung und Insolvenzprobleme in der GmbH, 2. Aufl. 1982, S. 29; Goerdeler/W. Müller, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 30 Rdn. 15; Hueck, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 30 Rdn. 3.; Η. P. Westermann, in Scholz, GmbHG 8. Aufl. 1993, § 30 Rdn. 5f.; anders dagegen Wilhelm, in: Festschrift fur Flume, 1978, Band II, S. 337 (348ff.), der auch fur die GmbH annimmt, daß ebenso wie bei der Aktiengesellschaft zulässige Ausschüttungen auf die im jeweiligen Jahresabschluß als Gewinn ausgewiesenen Beträge beschränkt sind. 135 Vgl. Fleck, in: Festschrift 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 391ff.; Goerdeler/W. Müller, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, §30 Rdn. 12f.; Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 150 Rdn. lf.; Joost, ZHR 1984, S. 27 (28f.); Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktienG, 2. Aufl. 1988, § 57 Rdn. 2; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band 1, 1980, § 10 IV la, b (S. 555ff.); Η. P. Westermann, in Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1993, § 30 Rdn. lf. 136 So schon die Erläuterungen der Denkschrift zum HGB von 1897 zu den Bewertungsvorschriften der Aktiengesellschaften (S. 151), zit. nach Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band II 2. Halbband; weiter Leffson, Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung,7. Aufl. 1987, S. 91ff.; Moxter, Bilanzlehre, Band I, 3. Aufl. 1984, S. 93ff.; Moxter, Bilanzlehre, Band II, 3. Aufl. 1983, S. 16ff.; Münzinger, Bilanzrechtsprechung der Zivil- und Strafgerichte, 1987, S. 44 mit umfangreichen Nachweisen; Brüggemann, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, Vorbem. zu §§ 38ff. Rdn. 3.; Kupsch, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, Einfuhrung Β 3 Rdn. 158f.
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dem Verweis in § 57 Abs. 3 AktG auf den Bilanzgewinn, 137 bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung entspricht sie der ganz herrschenden Auffassung. 138 Die historisch gewachsene Instrumentalisierung der handelsrechtlichen Rechnungslegung fur die Kapitalerhaltungsvorschriften hat zudem Eingang in die Vorgaben der Zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie (Kapitalrichtlinie)139 der Europäischen Gemeinschaft gefunden. Diese gibt in Art. 15 Abs. 1 Ausschüttungsgrenzen für die Aktiengesellschaft vor, die ausdrücklich auf dem Jahresabschluß aufbauen.140 Die Instrumentalisierung der handelsrechtlichen Rechnungslegung für die Kapitalerhaltungsvorschriften hat dabei wesentlich zur Entwicklung des Handelsbilanzrechtes beigetragen. Vorsichts-, Imparitäts- und Realisationsprinzip sind Ausdruck des Bestrebens, das Kapital durch Ausschüttungen nicht zu gefährden.141 Die erste Kodifikation dieser Grundsätze im deutschen Recht erfolgte durch die Aktienrechtsnovelle von 1884. Diese verankerte in dem neu eingefugten § 239 b ADHGB erstmals das Niederstwertprinzip. Ausdrücklicher Zweck der Novelle war es, die Ausschüttung unrealisierter Gewinne zu vermeiden.142 Diese in den folgenden Jahrzehnten weiterentwik-
137 Vgl. Schulze-Osterloh, S. 123(124).
in: IDW (Hrsg.), Bericht über die Fachtagung 1994, 1995,
138 RGZ 88, 428 (429); 168, 292 (297f.); BGHZ 106, 7 (12); 109, 334 (337); Goerdeler/W. Müller, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 30 Rdn. 29ff.; Hueck, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 30 Rdn. 6; Joost, ZHR 1984, S. 27 (28f.); Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl. 1995, § 30 Rdn. lOff.; Schulze-Osterloh, in: IDW (Hrsg.), Bericht über die Fachtagung 1994, 1995, S. 123 (124f.; 129); Η. P. Westermann, in Scholz, GmbHG 8. Aufl. 1993, § 30 Rdn. 14; die abweichende Ansicht von Sonnenhol/Stützle, DB 1979, S. 925 (928) die eine Aufdeckung stiller Reserven fordern, ist auf breite Ablehnung gestoßen und konnte sich nicht durchsetzen. 139 Abi. EG Nr. L 26 v. 31.1.1977, S. Iff. 140 Vgl. Schulze-Osterloh, in: IDW (Hrsg.), Bericht über die Fachtagung 1994, 1995, S. 123 (126). 141 Vgl. Beisse, in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 82ff.; Leffson, Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Aufl. 1987, S. 53f., 91 ff.; Moxter, Bilanzlehre, Band I, 3. Aufl. 1984, S. 93ff, 158ff.; ders., Bilanzlehre, Band II, 3. Aufl. 1983, S. 18; ähnlich auch BGHZ 109, 334 (337ff.). 142 Vgl. insbesondere die Darstellung der Entwicklung des Realisationsprinzipes bei Moxter, BB 1984, S. 1780ff., weiter Barth, Die Entwicklung des Deutschen Bilanzrechts, Band 1, 1953, S. 63f.,156ff.; Großfeld/Diekmann, Wpg 1988, S.419 (420f.); Geßler, in: 75 Jahre Deutsche Treuhand-Gesellschaft 1890 - 1965, o.J. (1965), S. 129 (134ff).
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kelten Prinzipien wurden im Zuge des Bilanzrichtliniengesetzes in die allgemeine handelsrechtliche Rechnungslegung übernommen. Dadurch ist heute auch der im handelsrechtlichen Jahresabschluß aller Kaufleute ausgewiesene Gewinn geprägt durch die Kapitalerhaltungsvorschriften der Kapitalgesellschaften. Der ausgewiesene Gewinn legt fest, in welcher Höhe Vermögen aus dem Haftungsverband der Gesellschaft entlassen und an die Gesellschafter ausgeschüttet werden kann. 143 Erst in jüngerer Zeit tragen die handelsrechtlichen Jahresabschlußvorschriften den Problemen Rechnung, die sich aus der Trennung von Eigentum und Geschäftsführung ergeben. Erst seit der Aktienrechtsnovelle von 1965 gewährleistet der handelsbilanzrechtliche Gewinnbegriff und die darin enthaltene Bestimmung des Ausschüttungspotentials auch einen Schutz der nicht an der Geschäftsleitung beteiligten Aktionäre. Mit der Aktienrechtsnovelle 1965 wurden Bewertungsuntergrenzen in das Aktiengesellschaftsrecht eingeführt, die verhindern, daß der zur Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses berufene Vorstand den im Jahresabschluß ausgewiesenen Gewinn der Gesellschaft durch Abschreibungen und Rückstellungen, die über das Niederstwertprinzip hinausgehenden, fast beliebig reduzieren kann. 144 Hierdurch wird sichergestellt, daß ein Vermögenszuwachs der Gesellschaft nicht vollständig der Disposition der Aktionäre über den ausgewiesenen Gewinn entzogen werden kann. Diese ehemals aktienrechtlichen Abschreibungs- und Zuschreibungsvorschriften hat das Bilanzrichtliniengesetz durch die Beschränkung der Abschreibungen in § 279 Abs. 1 HGB und das Wertaufholungsgebot in § 280 Abs. 1 HGB in das Jahresabschlußrecht aller Kapitalgesellschaften übernommen. Damit hat teilweise ein Schutz der Interessen der nicht an der Unternehmensleitung beteiligten Gesellschafter in die
143 Vgl. Ellerich, in: Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, Band Ia, 4. Aufl. 1995, Artikel 2, Zwecke des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, Rdn. 186.; Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 242 Rdn. 8; Moxter, Bilanzlehre, Band I, 3. Aufl. 1984, S. 93ff, 158ff.; ders., Bilanzlehre, Band II, 3. Aufl. 1983, S. 18.; Münzinger, Bilanzrechtsprechung der Zivil- und Strafgerichte, 1987, S. 44ff. sowie aus betriebswirtschaftlicher Sicht Stützet, ZfB 1976, S. 314 (324). 144 Vgl. die Regierungsbegründung zur Aktienrechtsnovelle, BT-DruckS. IV/171 S. 93ff. und ausführlich Forster, in: Festschrift fur H. Kaufmann 1972, S. 153ff. sowie Geßler, in: 75 Jahre Deutsche Treuhand-Gesellschaft 1890 - 1965, o.J. (1965), S. 129 (152ff.).
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§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
handelsbilanziellen Bewertungsvorschriften Eingang gefunden. 145 Er verhindert, daß Gesellschafter von den geschäftsfiihrenden Organen durch Verkürzung des ausschüttbaren Gewinnes ausgehungert werden können. 146 Hierdurch werden die rechtshistorisch vom Gläubigerschutz dominierten handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften147 jedoch nicht grundlegend verändert, sondern nur ergänzt.14 Der handelsrechtliche Jahresabschluß beinhaltet bei den Kapitalgesellschaften damit eine doppelte Abgrenzung der Vermögenssphäre der Gesellschaft. Er grenzt primär gegenüber den Gläubigern und sekundär gegenüber den Gesellschaftern das durch die Kapitalerhaltungsvorschriften für den Gläubigerzugriff gebundene Vermögen von dem zur Disposition der Gesellschafter stehende Ausschüttungspotential ab. 149 bb) Haftungsbestimmung bei Kommanditgesellschaften Die Funktion der Bemessung des Ausschüttungspotentials und der Abgrenzung der Vermögenssphären ist bei genauerer Betrachtung nicht auf den Jahresabschluß der Kapitalgesellschaften begrenzt. Indem das Bilanzrichtliniengesetz das Realisations- und Imparitätsprinzip in die für alle Kaufleute geltenden Bewertungsvorschriften der §§ 252 ff. HGB übernommen hat, sind die für die Kapitalerhaltung zentralen Vorschriften zur Begrenzung des ausschüttbaren Gewinnes Teil des Jahresabschlußrechtes aller Kaufleute gewor-
145 Ballerstedt, in: Raiser et alt., Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, Soziologie und Statistik, 1964, S. 120 (123); Beisse, in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 77 (82); und ausfuhrlich Forster, in: Festschrift für H. Kaufmann, 1972, S. 153ff. sowie Geßler, in: 75 Jahre Deutsche Treuhand-Gesellschaft 1890 1965, o.J. (1965), S. 129 (139ff.). 146 Vgl. zum ganzen Ellerich, in: Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, Band Ia, 4. Aufl. 1995, Artikel 2, Zwecke des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, Rdn. 181 ff.; Hüffler, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 242 Rdn. 2; Kupsch, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, Einführung Β 3 Rdn. 67ff. 155ff.; Moxter, Bilanzlehre (1. Aufl.), 1974, S 55f. 147 Zur Dominanz des Gläubigerschutzgedankens schon oben § 2 C I 1 (Seite 24f.) und die Nachweise in Fußnote 42 (Seite 25). 148 Ebenso Geßler, in: 75 Jahre Deutsche Treuhand-Gesellschaft 1890 - 1965, o.J. (1965), 5. 129 (159); Leffson, Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Aufl. 1987, S. 45. 149 Ähnlich Schulze-Osterloh, in: IDW (Hrsg.), Bericht über die Fachtagung 1994, 1995, S. 123 (134).
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den. 150 Auch der Jahresabschluß des Einzelkaufmannes und der Personenhandelsgesellschaft begrenzt den ausgewiesenen Gewinn also auf den Anteil am Vermögen des Unternehmens, der ohne Minderung der Vermögenssubstanz entnommen werden kann. 151 Durch die Übernahme der für Kapitalgesellschaften entwickelten Bewertungsvorschriften in § 253 HGB wird mithin ein am ausschüttbaren Vermögen orientierter Gewinnbegriff zur Grundlage der Gewinnansprüche bei Personenhandelsgesellschaften aus §§ 120ff. HGB und §§ 167ff. HGB gemacht. Diese Bestimmung des Gewinnbegriffs hat für den Gläubigerschutz gegenüber dem Einzelkaufmann, den Gesellschaftern einer OHG oder den Komplementäre einer KG keine Bedeutung, weil diese den Gläubigern grundsätzlich unbegrenzt haften. Die persönliche Haftung der Gesellschafter einer OHG oder der Komplementäre macht aus dem Aspekt des Gläubigerschutzes keine Abgrenzung der Vermögenssphären und Begrenzung der Vermögensausschüttung notwendig, denn auch nach Überfuhrung vom Gesellschafts- ins Privatvermögen unterliegen ausgeschüttete Gewinne dem Zugriff der Gläubiger. 152 Weiter ergibt sich bei Einzelkaufleuten und Personenhandelsgesellschaften grundsätzlich keine an den Bedürfhissen des funktionierenden Kapitalmarktes orientierte Notwendigkeit zur Begrenzung der ausschüttbaren Gewinne. Das Leitbild des Gesetzgebers geht für die Personenhandelsgesellschaften von einer personalistischen Struktur aus. Dies macht es im Gegensatz zu den Kapitalgesellschaften insbesondere für offene Handelsgesellschaft, aber auch im Hinblick auf die Kommanditisten einer KG, grundsätzlich überflüssig, im Interesse nicht an der Geschäftsführung beteiligter Gesellschafter die Ausschüttung zu beschränken. Der Verzicht auf einen handelsbilanziellen Schutz
150 Vgl. Moxter, Bilanzlehre, Band II, 3. Aufl. 1983, S. 18; ders. BB 1984, S. 1780 (1782f.). 151 Kupsch, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, Einführung Β 3 Rdn. 73; Mellwig, BB 1979, 1409 (1411); ähnlich Moxter, Bilanzlehre, Band II, 3. Aufl. 1983, S. 17f. 152 So schon die Denkschrift zum HGB, 1896, S. 45, zit. nach Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band II 2. Halbband, S. 986, in der eine Übernahme aktienrechtlicher Bewertungsvorschriften für den Abschluß des Einzelkaufmannes abgelehnt wird, weil dieser über sein Kapital unbeschränkt verfugen kann. Weiter Flechtheim, in: Düringer/Hachenburg, HGB, 3. Aufl. 1932, § 120 Anm. 3.; Ter Vehn, ZfB 1929, S. 329 (337) für die entsprechenden Überlegungen im Allgemeinen Preußischen Landrecht.
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nicht an der Geschäftsführung beteiligter Gesellschafter zeigt sich auch in der Möglichkeit zur Bildung zusätzlicher Abschreibungen nach § 253 Abs. 4 HGB. Hierdurch kann handelsbilanzrechtlich das Ausschüttungsinteresse externer Gesellschafter weitestgehend unterlaufen werden. 1 5 3 Bei Einzelkaufleuten und den Vollhaftern der Personenhandelsgesellschaften dient die Übernahme des durch das Kapitalgesellschaftsrecht geprägten handelsrechtlichen Gewinnbegriffs daher nur der Information der Gesellschafter. 1 5 4 Dies zeigt sich im übrigen auch in der gesellschaftsvertraglichen Abdingbarkeit 1 5 5 der Bewertungsvorschriften. 1 5 6
153 Vgl. zu der daraus resultierenden Problematik der Beteiligung vor allem von Kommanditisten an der Feststellung des Jahresabschlusses Ulmer, in: Festschrift für Hefermehl, 1976, S. 207 (208); zum neuesten Meinungsstand weiter Balthasar, in: Hermann/ Berger/ Wackerbarth, Deutsches und Internationales Bank- und Wirtschaftsrecht im Wandel, 1997, S. 1 (7ff.); Hopt, in: Festschrift für Odersky, 1996, S. 799ff.; SchulzeOsterloh, BB 1995, S. 2519ff. jeweils mit umfangreichen Nachweisen. 154 Vgl. auch Mellwig, BB 1979, S. 1409 (1411); Moxter, BB 1984, S. 1780 (1782); ähnlich auch W. Müller, in: Festschrift für Moxter, 1994, S. 75 (89), der allerdings für alle Gewinnverwendungsregeln (§§ 121, 168 HGB, § 58 AktG, § 29 GmbHG) eine öffentlich-rechtliche Natur ablehnt. 155 Zur Abdingbarkeit etwa R. Fischer, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1973, § 120 Anm. 6f.; Flechtheim, in: Düringer/Hachenburg, HGB, 3. Aufl. 1932, § 120 Anm. 3; Goerdeler, in: Festschrift für Fleck, 1988, S. 53 (60); Münzinger, Bilanzrechtsprechung der Zivil- und Strafgerichte, 1987, S. 42. 156 Münzinger, Bilanzrechtsprechung der Zivil- und Strafgerichte, 1987, S. 42, nimmt demgegenüber an, daß auch bei Personenhandelsgesellschaften der Ausweis eines Mindestgewinnes zum Schutz von Minderheitsgesellschafter bezweckt ist. Dieser Schutz ist jedoch - worauf Münzinger selbst hinweist - durch gesellschaftsvertragliche Regelung von Bewertungsregeln für das Verhältnis der Gesellschafter untereinander abdingbar. Insoweit handelt es sich also auch nach Münzinger weniger um einen öffentlichrechtlichen Schutz der Gesellschafter als vielmehr eine gesellschaftsrechtliche Regelung. Zudem übersieht Münzinger, daß das Handelsbilanzrecht für Personengesellschaften keine Bewertungsuntergrenzen kennt, sondern schon nach altem Recht und nunmehr ausdrücklich in § 253 Abs. 4 HGB die Bildung zusätzlicher Abschreibungen zuläßt. Damit ist bei Personenhandelsgesellschaften handelsbilanzrechtlich eine Minderung des ausschüttbaren Gewinns durch Bildung stiller Reserven nicht wirksam begrenzt. Unabhängig zur strittigen gesellschaftsrechtlichen Frage, ob die Kommanditisten bei der Bildung stiller Reserven nach § 253 Abs. 4 HGB zu beteiligen sind, läßt das Fehlen von Bewertungsuntergrenzen die Annahme eines Schutzes auch der Minderheitsgesellschafter bei Personenhandelsgesellschaften durch ein öffentlich-rechtlich verstandenes Handelsbilanzrecht als sehr zweifelhaft erscheinen (zur gesellschafitsrechtli (Fortsetzung der Fußnote auf nächster Seite)
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
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Anders stellt sich die Rechtslage jedoch für die nur beschränkt haftenden Kommanditisten der Kommanditgesellschaft dar. Hier hat der handelsrechtliche Gewinnausweis nicht nur Bedeutung für das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis der Gesellschafter zueinander, sondern kann auch die Haftung des Kommanditisten gegenüber Dritten bestimmen. Die Thesaurierung eines in der Handelsbilanz ausgewiesenen Gewinns der Einlage im Sinne von § 171 Abs. 1 2. Halbsatz gilt als Leistung der Einlage.157 Solange der Kommanditist seine Haftungseinlage158 nicht voll erbracht hat, fuhrt die Thesaurierung der dem Kommanditisten zugerechneten Gewinnanteile also zu einer Reduzierung seiner Haftung gegenüber den Gläubigern.159 Und auch nach der vollständigen Erbringung der Haftungseinlage bestimmt der Gewinnausweis die Haftung des Kommanditisten. Kapitalanteil, Gewinnausweis und Gewinnzurechnung im handelsrechtlichen Jahresabschluß legen fest, wieviel der Kommanditist als Gewinnanteil entnehmen kann, ohne daß seine persönliche Haftung nach § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB wegen Rückgewähr der Einlage wieder auflebt.160 Der Ausweis von Gewinnen im handelsrechtlichen Jahresabschluß geht bei der Kommanditgesellschaft infolge der Haftungsbeschränkung des Kommanditisten also über eine gesellschaftsrechtliche Regelung
chen Problematik der stillen Reserven vgl. die Leitentscheidung des BGH, v. 29.3.1996 (DB 1996, S. 926ff.) sowie Balthasar, in: Hermann/Berger/Wackerbarth, Deutsches und Internationales Bank- und Wirtschaftsrecht im Wandel, 1997, S. 1 (7ff.); Hopf, in: Festschrift für Odersky, 1996, S. 799ff.; Schulze-Osterloh, BB 1995, S. 2519ff.; Ulmer, in: Festschrift flir Hefermehl, 1976, S. 207ff.). 157 Vgl. Horn, in: Heymann, HGB, 2. Aufl. 1996, § 167 Rdn. 5ff„ § 171 Rdn. 15; Schilling, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1987, § 171 Rdn. 6. 158 Zur Unterscheidung in die für das Außenverhältnis maßgebliche Haftungseinlage und die allein für das Innenverhältnis relevante Pflichteinlage vgl. Horn, in: Heymann, HGB, 2. Aufl. 1996, § 161 Rdn. 77f. 159 Vgl. BGHZ 109, 334 (339); Buchwald, FR 1953, S. 34 (36ff.); Mellwig, BB 1979, S. 1409 (1411). Diese aus §§ 171, 172 HGB resultierende konstitutive Wirkung der handelsrechtlichen Rechnungslegung wird übersehen, wenn ihr eine ausschließlich deklaratorische Darstellung der Rechtsverhältnisse gegenüber Dritten beigemessen wird (so etwa Wiedemann, in: Festschrift für Odersky; 1996, S. 925 (927); eine ausdrückliche Einschränkung der ansonsten als deklaratorisch bezeichneten Darstellung der Rechtsbeziehungen im Hinblick auf die Haftung findet sich dagegen bei bei Muth, Die Bilanzfeststellung bei Personenhandelsgesellschaften, 1986, S. 56f., S. 63). 160 Vgl. Horn, in: Heymann, HGB, 2. Aufl. 1996, § 172 Rdn. 10; Schilling, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1987, § 172 Rdn. 10, 16; Sudhoff, Rechte und Pflichten des Kommanditisten, 3. Aufl. 1985, S. 23; aus der neueren Rechtsprechung BGH, ZIP 1996, S. 70f.
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§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
des Innenverhältnisses und bloß deklaratorische Darstellung der Rechtsverhältnisse hinaus. In Verbindung mit der Gewinnverwendungsentscheidung beeinflußt der handelsrechtliche Jahresabschluß unmittelbar die Haftung der Kommanditisten im Außenverhältnis gegenüber den Gläubigern.161 Ähnlich wie bei den Kapitalerhaltungsvorschriften der Kapitalgesellschaften besteht bei den Kommanditgesellschaften daher das Erfordernis, im Interesse der Gläubiger einen Gewinnausweis zu verhindern, der zu einer Rückgewähr der Haftungseinlage der Kommanditisten oder ungerechtfertigten Kürzung der persönlichen Haftung fuhrt. Diese Erhaltung der Haftungseinlage des Kommanditisten wird im handelsrechtlichen Jahresabschluß durch die Bewertungsobergrenzen in § 252 HGB gewährleistet.162 Damit kommt dem handelsrechtlichen Jahresabschluß bei der Kommanditgesellschaft ähnlich wie bei den Kapitalgesellschaften die Aufgabe zu, im Interesse der Gläubiger die Vermögenssphären der Gesellschaft von denen der beschränkt haftenden Gesellschafter abzugrenzen. Der handelsrechtliche Jahresabschluß ist Grundlage für die Bestimmung des Umfangs der Haftung des Kommanditisten. Entgegen der im Schrifttum dominierenden Darstellung hat die Bemessung des ausschüttbaren Gewinns durch den handelsrechtlichen Jahresabschluß also nicht nur eine Bedeutung für den Gläubigerschutz bei den Kapitalgesellschaften. Vielmehr resultiert aus der begrenzten Haftung des Kommanditisten eine vergleichbare Funktion für die Bestimmung des Haftungsumfanges des Kommanditisten. Auch wenn die Ausschüttungsbegrenzung durch den handelsrechtlichen Jahresabschluß ihre hauptsächliche Bedeutung für die Kapitalerhaltung hat, ist dies wegen der Haftungsbestimmung bei der Kommanditgesellschaft eine allgemeine Funktion, die an der Existenz jeder Form von Haftungsbegrenzungen festmacht. d)
Publizität
Der Jahresabschluß der nach §§ 325 ff. HGB publizitätspflichtigen Kapitalgesellschaften und der dem Publizitätsgesetz unterliegenden Kaufleute und
161 Vgl. BGHZ 109, 334 (339); Mellwig, BB 1979, S. 1409 (1411); Schulze-Osterloh, BB 1995, S. 2519. 162 Vgl. BGHZ 109, 334 (339f.); und ähnlich Kubier, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 1994, § 18 III 6b (S. 250), der allerdings auch bei der Kommanditgesellschaft von einer Ausschüttungssperre spricht.
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
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Personenhandelsgesellschaften hat weiter die Aufgabe, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens für außenstehende Dritte transparent zu machen. 163 Der handelsrechtliche Jahresabschluß wird damit, wie bereits eingangs dargestellt, zum Instrument eines als Wirtschaftsverfassungsrecht verstandenen Kapitalmarktrechtes.164 Diese mit der Publizität bezweckte Information untemehmensextemer Dritter soll hier jedoch nicht als Funktion des nach den allgemeinen Vorschriften aufgestellten und unterzeichneten Jahresabschlusses behandelt werden, sondern einem gesonderten Kapitel vorbehalten bleiben. Diese gesonderte Behandlung der Publizität beruht nicht auf der im Schrifttum 165 vertretenen Auffassung, daß die Publizität nur insoweit mit der Rechnungslegung zusammenhänge, als sie sich den Jahresabschluß als gegenständliches Substrat der Offenlegung zunutze mache. Bei der Publizität handele es sich um die Außenbeziehungen des Unternehmens, die handelsrechtliche Rechnungslegung gehöre dagegen zum internen Organisationsrecht des Kaufmannes. Diese Einordnung der handelsrechtlichen Rechenschaftslegung als nur internes Organisationsrecht ist schon allein wegen dessen Natur als besonderes Ordnungsrecht der Kaufleute 166 unzutreffend. Zudem widerspricht sie den dargestellten Funktionen der Dokumentation und Ausschüttungsbemessung des Jahresabschlusses. Die mit dem Jahresabschluß bezweckte Bemessung des ausschüttbaren Gewinns ist unmittelbar auf das Außenverhältnis der Gesellschaft, nämlich auf die Haftungsbeschränkungen 1 n7
bei den Kapitalgesellschaften und der KG ausgerichtet. Ebenso ist die Dokumentation für den Konkursfall und die prozessuale Beweissicherung auf eine Information Außenstehender zur Sicherung ihrer Ansprüche ausgelegt.168
163 Vgl. dazu Barz, in: Das Frankfurter Publizitätsgespräch, 1962, S. 294ff.; Kupsch, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, Einfuhrung Β 3 Rdn. 159ff. sowie ausführlich unten zu den Zwecken der Publizität § 3 Ε I (Seite 146f.). 164 Vgl. dazu schon oben § 2 C 11 (Seite 24f.) und ausführlich unten § 3 Ε I (Seite 146f.). 165 So Hüffler, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, Vor § 238 Rdn. 2; im Ergebnis ähnlich Goerdeler, in: Festschrift für Fleck, 1988, S. 53 (54). 166 Vgl. dazu oben § 2 C I 1 (Seite 24f.). 167 Siehe oben § 3 C III 3 c (Seite 81 f.). 168 Siehe oben § 3 C III 3 a (Seite 74f.).
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§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
Grund für die gesonderte Behandlung der Publizität ist vielmehr deren Zugehörigkeit zur kapitalmarktrechtlichen Entwicklung im Bilanzrecht169 und die daraus resultierende anders geartete Schutzrichtung. Diese zeigt sich insbesondere auch im Vergleich von Dokumentations- und Publizitätsfunktion. Dokumentation und Publizität sind gleichermaßen auf die Unterrichtung Dritter gerichtet. Dabei vermittelt die Pulizität außenstehenden Dritten unmittelbar Informationen über das Unternehmen, die Dokumentationsfunktion sorgt dagegen dafür, daß im Prozeß oder Konkurs die Geschäfte des Unternehmens einem Dritten nachvollziebar werden. Die Publizität dient also einer aktuellen Fremdinformation, die Dokumentationsfunktion dagegen nur der potentiellen Fremdinformation. 170 Diese unterschiedlichen Informationsgewährungen sind unmittelbarer Ausdruck der eingangs dargestellten Konzeptionen des Handelbilanzrechtes.171 Entsprechend der traditionellen Konzeption des Handelsrechtes als repressiver und präventiver Schutz der Gläubiger führt die Dokumentation aber nur dann zu einer Unterrichtung Dritter, wenn hierfür im Prozeß oder Konkurs ein konkretes Schutzbedürfnis besteht. Die mit der Publizität bezweckte Information des Kapitalmarktes ist dagegen unabhängig von konkreten Schutzbedürfnissen. Auch in tatsächlicher Hinsicht stellt die durch die Publikation des Jahresabschlusses bewirkte Außenwirkung ein Stadium dar, das über die im unterzeichneten Jahresabschluß enthaltene potentielle Fremdinformation deutlich hinausgeht. Die unterschiedliche rechtliche wie tatsächliche Funktion macht es für die hier untersuchte Frage der Bestandskraft erforderlich, die Information des Kapitalmarktes durch Publikation des Jahresabschlusses als eigenständiges Stadium zu betrachten. Dieses Stadium ist strikt von der Unterzeichnung zu trennen, mit der die Erfüllung der allgemeinen, dem Gläubigerschutz dienenden Rechnungslegungspflicht beendet wird.
169 Vgl. dazu oben § 2 C 1 1 (Seite 24f.) und ausfuhrlich unten § 3 Ε I (Seite 146). 170 So Kupsch, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, Einführung Β 3 Rdn. 67f., 159ff.; im Ergebnis ähnlich K. Schmidt; Handelsrecht, 4. Aufl. 1994, der die Offenlegung (§ 15 V, S. 454f. ) und die Rechnungslegungsvorschriften (§§ 15.11. IV, S. 430) als einheitliches Kapitel erörtert. 171 Vgl. dazu oben § 2 C I (Seite 23f.).
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
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e) Besteuerungsgrundlage Als weitere Funktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses wird oft angeführt, daß dieser auch dazu diene, die fiskalischen Interessen des Staates 1Ί0
zu schützen. Grundlage dieser Auffassung ist die in § 4 Abs. 1 S. 1 EStG verankerte steuerrechtliche Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz sowie die steuerliche Anerkennung der handelsrechtlichen Buchführung gemäß § 140 AO. Die Einbeziehung der fiskalischen Interessen des Staates in die Systematik der Funktionen der handelsrechtlichen Rechnungslegung verkennt jedoch, daß das Steuerrecht grundsätzlich eine eigenständige Rechnungslegung beinhaltet. 173 Diese Selbständigkeit wird nicht dadurch aufgehoben, daß nach § 140 AO die handelsrechtliche Buchführungspflicht steuerrechtlich anerkannt wird und das Maßgeblichkeitsprinzip Handelsbilanz und Steuerbilanz miteinander verknüpft. Dies zeigt sich auch in der historischen Entstehung des Maßgeblichkeitsprinzips. Ursprünglich bestand in den Ländern des Deutschen Reiches die Verpflichtung, neben der kaufmännischen Buchführung für die Ermittlung des steuerlichen Gewinns eine gesonderte Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zu fuhren. Diese doppelte Rechnungslegungspflicht wurde in der Kaufmannschaft als unzweckmäßig empfunden. Ihr gelang es erstmals in den Einkommensteuergesetzen Sachsens und Bremens von 1874 und dann 1891 im preußischen Einkommensteuergesetz, die Anerkennung der kaufmännischen Gewinnermittlung auch für die steuerliche Veranlagung durchzusetzen.174 Diese späte Kodifizierung des Maßgeblichkeitsprinzips zeigt, daß der Schutz der Interessen des Steuerfiskus zumindest nicht zu den historischen Aufgaben der im ADHGB von 1861
172 Vgl. Brüggemann, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, Vor § 38 Rdn. 4, einschränkend allerdings in Rdn. 5f., wo die rechtliche Selbständigkeit der steuerlichen Rechnungslegungspflicht betont wird; weiter Glade, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrichtliniengesetz, 1986, Teil I, Rdn. 210; Lehmann, in: Düringer/Hachenburg, HGB, 3. Aufl. 1930, § 38 Anm. la; Münzinger, Bilanzrechtsprechung der Zivil- und Strafgerichte, 1987, S. 49.; K. Schmidt-, Handelsrecht, 4. Aufl. 1994, § 15 III l . b ) (S. 434). 173 So auch Blumers, Bilanzierungstatbestände und Bilanzierungsfristen im Handelsrecht und Steuerrecht, 1983, S. 92f.; Meilicke, in: StBJb 1979/80, S. 447 (450); zur Eigenständigkeit der steuerrechtlichen Rechnungslegung vgl. weiter Merkert/Koths, BB 1985, S. 1765ff.; Schildbach, BB 1989, S. 1443 (1444f.). 174 Vgl. zur historischen Entwicklung der Maßgeblichkeit Loitlsberger, in: Raiser et alt., Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, Soziologie und Statistik, 1964, S. 154 (156f.).
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§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
kodifizierten kaufmännischen Rechnungslegung gehörte. Auch heute erscheint es angesichts der steuerrechtlichen Buchführungspflicht in § 141 AO nicht überzeugend, die steuerrechtliche Rechnungslegungspflicht als integralen Bestandteil der kaufmännischen Rechnungslegung anzusehen. Vielmehr zielen § 140 AO und das Maßgeblichkeitsprinzip nur darauf ab, die steuerrechtlichen Bemessungsgrundlagen zu konkretisieren, ohne ein vollständiges und systematisch geschlossenes System zur Messung der steuerlichen Leistungsfähigkeit schaffen zu müssen. Das Steuerrecht bedient sich also lediglich zur Vereinfachung der handelsrechtlichen Rechnungslegung. 175 Die Verknüpfung beider Rechenwerke darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Steuerbilanzrecht in vielen Teilbereichen eigenständige Entwicklungen erfahren hat und als eigenständige Rechnungslegung anzusehen ist. 176 Dies spricht generell dagegen, eine Integration steuerrechtlicher Ziele in das Handelsbilanzrecht anzunehmen. 177 Zumindest jedoch für die Frage der Bestandskraft des Jahresabschlusses können fiskalische Interessen unberücksichtigt bleiben, denn hier kennt das Steuerrecht im Gegensatz zum Handelsbilanzrecht in § 4 Abs. 2 EStG eine ausdrückliche Regelung. f) Zusammenfassung der Jahresabschlußfunktionen Zusammenfassend lassen sich die öffentlich-rechtlichen Funktionen, die dem von allen Kaufleuten zu erstellenden handelsrechtlichen Jahresabschluß beizumessen sind, schlagwortartig als Dokumentation, Selbstinformation und Bemessung des Ausschüttungspotentials umschreiben. Dabei haben die beiden Funktionen der Dokumentation und Selbstinformation bei allen Kaufleuten unabhängig von deren Rechtsform einen nahezu identischen Inhalt. Etwas anderes gilt für die Funktion der Bemessung des Ausschüttungspotentials. Diese dient der Abgrenzung von Vermögenssphären und setzt eine
175 Beisse, in: Festschrift für Moxter, 1994, S. 3 (10); Hoft>auer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, Einfuhrung Β 3 Rdn. 22ff; Mellwig, BB 1983, S. 1613 (1616f.); Schildbach, BB 1989, S. 1443 (1453); Loitlsberger, in: Raiser et alt., Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, Soziologie und Statistik, 1964, S. 154(156). 176 Zur Eigenständigkeit des Steuerbilanzrechts trotz Maßgeblichkeit ausführlich Schildbach, BB 1989, S. 1443 (1444ff.). 177 Hüffer in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 238 Rdn. 3; Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 1970, S. 204; im Ergebnis auch Ellerich, in: Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, Band Ia, 4. Aufl. 1995, Artikel 2, Zwecke des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, Rdn. 189.
C. Bestandskiaft des unterzeichneten Jahresabschlusses
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Haftungsbeschränkung zumindest einzelner Gesellschafter voraus. Inhaltlich ist die Funktion der Bemessung des Ausschüttungspotentials daher von der gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung der Haftungsbegrenzung abhängig. Die genannten drei öffentlich-rechtlichen Zwecke des handelsrechtlichen Jahresabschlusses werden mit dessen Unterzeichnung erreicht, denn die Unterschrift schließt die Aufstellung des handelsrechtlichen Jahresabschluß ab und bestimmt den Jahresabschluß, der als Erfüllung der handelsrechtlichen 178 Jahresabschlußpflichten anzusehen ist. Die der Unterzeichnung nach § 245 HGB beigemessene Verantwortungsübernahme und Dokumentationsfunktion 179 ist als Erklärung zu verstehen, daß der unterzeichnete Jahresabschluß deijenige ist, der zur Erfüllung der handelsrechtlichen Funktionen der Dokumentation, Selbstinformation und Bemessung des Ausschüttungspotentials bestimmt ist. Für die hier thematisierte Frage der Änderung und Berichtigung handelsrechtlicher Jahresabschlüsse ist nun fraglich, ob diese in § 245 HGB enthaltene öffentlich-rechtliche Erklärung - ähnlich einer zivilrechtlichen Willenserklärung - inhaltlich bindend, oder aber als bloße unverbindliche Wissenserklärung anzusehen ist. Da allein der öffentlich-rechtlichen Natur der Verpflichtung des Kaufmanns zur Unterzeichnung des Jahresabschlusses unmittelbar keine Rechtsfolgen für deren Bindungswirkung zu entnehmen ist,180 hängt die Bestandskraft davon ab, ob aus den dargestellten Funktionen eine Bestandskraft des handelsrechtlichen Jahresabschlusses herleitbar ist. Es soll daher im folgenden untersucht werden, welche Auswirkungen Änderungen und Berichtigungen für die dargestellten Funktionen haben und ob hieraus eine gesetzliche Notwendigkeit der Bestandskraft resultiert. Dabei wird sich zeigen, daß allein die Bedeutung des Jahresabschlusses für die Konkretisierung der Kapitalerhaltungsgrundsätze und des Haftung des Kommanditisten es im Interesse der Rechtsklarheit notwendig macht, gewinnerhöhende Wahlrechtsänderungen auszuschließen. Wohingegen die Notwendigkeit der Berichtigung von Fehlern aus allen oben genannten Funktionen ableitbar ist.
178 Siehe oben § 3 C I (Seite 48f.). 179 Siehe oben § 3 C III 1 (Seite 62f.). 180 Vgl. dazu auch schon oben § 2 C II (Seite 33ff.) und § 3 C II 2 (Seite 57f.).
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IV.
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
Rechtsfolgen für die Änderung unterzeichneter Jahresabschlüsse
Die Frage, ob aus den öffentlich-rechtlichen Zwecken des handelsrechtlichen Jahresabschlusses eine Bestandskraft erwächst, zielt in erster Linie auf eine Beschränkung nachträglicher Wahlrechtsänderungen ab. Grund hierfür ist das in den handelsbilanzrechtlichen Wahlrechten enthaltene gesetzliche Recht zur gewillkürten Gestaltung des Jahresabschlusses. Sofern dem Jahresabschluß eine Bestandskraft beigemessen werden kann, liegt es nahe, diese zumindest auf solche Gestaltungsrechte zu erstrecken. Eine die spätere Änderung ausschließende Bestandskraft ist dem Jahresabschluß also dann beizumessen, wenn die öffentlich-rechtlichen Zwecke des Jahresabschlusses es gebieten, den Kaufmann zumindest an dieser gewillkürten Gestaltung festzuhalten. 1.
Notwendigkeit der Begrenzung nachträglicher Gestaltungen durch Wahlrechtsänderung
a) Konsequenzen des Dokumentationszweckes Hinsichtlich der aus den Dokumentationszwecken zu ziehenden Konsequenzen empfiehlt es sich, entsprechend der obigen Abgrenzung der Funktionen handelsrechtlicher Jahresabschlüsse181 sämtliche auf die Kapital- und Haftungserhaltung bezogenen Aspekte aus der Funktion der Dokumentation auszugrenzen. Zu untersuchen ist hier daher allein, welche Konsequenzen sich aus der konkursorientierten und prozessualen Ausprägung des Dokumentationszweckes für die nachträgliche Gestaltbarkeit von Jahresabschlüssen ergeben. aa)
Konsequenzen der konkursorientierten Ausprägung des Dokumentationszwecks Die Dokumentation soll in ihrer konkursorientierten Ausprägung zunächst gewährleisten, daß den Gläubigern keine Vermögenswerte entzogen oder zusätzliche Schulden erfunden werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist eine Änderung des unterzeichneten Jahresabschlusses von vornherein wenig problematisch. Dies liegt vor allem daran, daß der Jahresabschluß diese konkursorientierte Aufgabe der handelsrechtlichen Rechnungslegung ohnehin nur unzureichend erfüllt. Die im Jahresabschluß als Vermögens- und Schuldenübersicht ent-
181 Siehe oben § 3 C III 3 (Seite 73f.).
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
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haltene Bilanz stellt nur einen summarischen Nachweis dar, in dem Vermögensgegenstände oder Verbindlichkeiten nicht einzeln, sondern nach Gattungen in Bilanzpositionen mit einem Gesamtwert ausgewiesen werden. Wie viele und welche Vermögenspositionen oder Verbindlichkeiten im einzelnen in einem Bilanzposten enthalten sind, ist aus dem Jahresabschluß also nicht erkennbar.182 Hierfür ist vielmehr ein gegenständlicher Einzelnachweis erforderlich. Dieser wird im System der handelsrechtlichen Rechnungslegung nicht durch den Jahresabschluß, sondern gemäß § 240 HGB durch das gesondert aufzustellende Inventar erbracht. Das Inventar wird aber seit dem Bilanzrichtliniengesetz auch nicht mehr von der Unterzeichnungspflicht erfaßt. Zudem führt eine Änderung von Bewertungswahlrechten nicht dazu, daß Vermögensgegenstände oder Verpflichtungen dem Jahresabschluß gänzlich entnommen werden; es verändert sich nur der wertmäßige Ansatz. Dieser spielt aber für den gegenständlichen Nachweis keine Rolle und ist im Konkurs meist ohnehin überholt. Eine Gefährdung der konkursorientierten Dokumentationsfunktion kann damit allein von Ansatzwahlrechten und - bei Reduzierung der Gliederungstiefe - von einer Änderung der Gliederungswahlrechte ausgehen. Angesichts dieser nur eingeschränkten Tauglichkeit des Jahresabschlusses zur konkursorientierten Dokumentation scheint es insgesamt nicht erforderlich, den Kaufmann unter diesem Gesichtspunkt an einer Wahlrechtsänderung zu hindern. Eine Bestandskraft unterzeichneter Jahresabschlüsse ist aus dem Zweck der konkursorientierten Dokumentation der Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten nicht zu entnehmen. bb)
Konsequenzen der prozessualen Ausprägung des Dokumentationszwecks
Weniger eindeutig als bei der konkursorientierten Ausprägung des Dokumentationszweckes sind die Konsequenzen der prozessualen Ausprägung. Hier erscheint es sinnvoll, zwischen der Dokumentation gewinnabhängiger Ansprüche Dritter und Ansprüchen, die aus dem Geschäftsbetrieb des Kaufmannes entstehen, zu unterscheiden.
182 Vgl. auch Döllerer, in: Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht, 1979/80, S. 195 (199f.).
98
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
(1) Dokumentation von Ansprüchen Dritter aus der Geschäftstätigkeit Bei den aus dem Geschäftsbetrieb resultierenden Ansprüchen gegen den Kaufmann spielen Wahlrechte und damit auch deren Änderung keine Rolle. Stehen diese Ansprüche im Zeitpunkt der Aufstellung und Unterzeichnung des Jahresabschlusses fest, wie dies für Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten, für Kredite oder auch ausstehende Lohnansprüche von Arbeitnehmern der Regelfall sein dürfte, so sind sie nach dem handelsrechtlichen Richtigkeits- und Vollständigkeitsgebot in den Jahresabschluß einzustellen. 183 Wahlrechte bestehen hier im Regelfall nicht. 184 Aber auch dann, wenn Verpflichtungen des Kaufmanns aus dem Geschäftsbetrieb dem Grunde oder der Höhe nach im Zeitpunkt der Bilanzerstellung nicht feststehen, resultiert daraus kein für die hier thematisierte Änderung relevantes Wahlrecht. Gemäß § 249 Abs. 1 HGB ist der Kaufmann hier vielmehr verpflichtet, für die ungewissen Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Bei der Bemessung dieser Rückstellung besteht allerdings ein den Wahlrechten hinsichtlich der Gestaltungsmöglichkeiten vergleichba1
rer Beurteilungs- oder Ermessensspielraum. Dies läßt es angezeigt erscheinen, dessen Änderbarkeit hier im Rahmen eines Exkurses kurz zu überprüfen. Durch die Bildung von Rückstellungen bringt der Kaufmann zum Ausdruck, wie er eine unsichere Verbindlichkeit einschätzt. Diese mit der Rückstellung verbundene Erklärung, die der Kaufmann aufgrund der gegebenen Informationslage als richtig angesehen hat, spricht gegen eine nachträgliche Möglichkeit zur Veränderung. Allerdings erwächst diese Begrenzung nicht aus dem prozessualen Dokumentationszweck des Jahresabschlusses; denn Rückstellungen können aufgrund ihres Charakter als Vorsorge für unsichere Verbindlichkeiten von vornherein für Dritte keinen Beweis erbringen. Das Verbot der nachträglichen Veränderung des Gestaltungsspielraumes resultiert
183 Zum Inhalt der eng miteinander verbundenen Gebote der Richtigkeit und Vollständigkeit vgl. insbesondere Leffson, Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Aufl. 1987, S. 200ff.; 220ff.; weiter Glade, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986, Teil 1 Rdn. 271ff., 278ff. 184 Dies zeigt sich etwa auch bei der Diskussion um die Passivierungspflicht künftiger Ausgleichsanspräche der Handelsvertreter gemäß § 89b HGB. Die herrschende Meinung lehnt hier zu Recht ein Wahlrecht ab. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5. Aufl. 1992, §152 HGB Rdn. 126; Clemm/Nonnenmacher, in: Beck'scher Bilanzkommentar, 2. Aufl. 1990, § 249 Rdn. 100 Stichwort Handelsvertreter. 185 Zur Abgrenzung der Beurteilungs- von Ermessensspielräumen § 1 Β 2 b (Seite 10).
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
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vielmehr aus dem allgemeinen Verbot widersprüchlichen Verhaltens und dem bilanziellen Verbot willkürlicher - im Sinne intersubjektiv nicht nachvoll1 Sfi
ziehbarer - Bewertung. Sind die aus einer gegebenen Informationslage gezogenen Schlüsse für die Bewertung der Rückstellung fehlerfrei, so wäre eine nachträglich abweichende Nutzung des Spielraumes widersprüchlich. Durch eine Veränderung aufgrund eines bloßen Sinneswandels würde der Kaufmann der im unterzeichneten Jahresabschluß enthaltenen Aussage, daß die Rückstellungen die vorhandenen Risiken tatsächlich richtig wiedergeben, widersprechen. Hierdurch würde entweder seine ursprüngliche oder aber die nachträgliche Gestaltung willkürlich im Sinne fehlender Begründbarkeit. Diese dem Aussagewert eines Jahresabschlusses widersprechende Willkürlichkeit und Widersprüchlichkeit läßt sich nur vermeiden, wenn die Änderung von Gestaltungsspielräumen auf erkannte Fehler beschränkt wird. (2) Dokumentation gewinnabhängiger Ansprüche Dritter Wesentlich problematischer ist das Verhältnis von Änderungen zum gesetzlichen Zweck der prozessualen Dokumentation bei gewinnabhängigen Ansprüchen Dritter. Handelt es sich bei dem zu ändernden Wahlrecht um ein Bewertungs- oder Ansatzwahlrecht, so verändert sich hierdurch notwendigerweise auch der ausgewiesene Gewinn. Dies wäre unproblematisch, wenn sich gleichzeitig auch die gewinnabhängigen Ansprüche entsprechend veränderten, der im veränderten Jahresabschluß ausgewiesene Gewinn also zugleich Grundlage der gewinnabhängigen Ansprüche würde. Dies ist jedoch nicht ohne weiteres der Fall. Die Veränderung des handelsrechtlichen - im Sinne des öffentlich-rechtlichen - Jahresabschlusses hat wie jede Aufzeichnung im kaufmännischen Rechnungswesen als solche nämlich nur deklaratorische, nicht aber rechtsgeschäftliche Wirkung.187 Ob die gewinnabhängigen Ansprüche durch eine nachträgliche Änderung der Wahlrechtsausübung verändert werden können, bestimmt sich allein aus der zivilrechtlichen Funktion des Jahresabschlusses im Rahmen der noch darzustellenden gesellschaftsrechtlichen und schuldrechtlichen Beziehungen des Kaufmanns bzw. der
186 Vgl. dazu grundlegend Leffson, Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Aufl. 1987, S. 202ff. 187 Zur nur deklaratorischen Wirkung des kaufmännischen Rechnungswesens und Jahresabschlusses vgl. schon R. Fischer, in: Ehrenberg, Handbuch des gesamten Handelsrechts, 2. Band, 1918, S. 481; weiter Brüggemann, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, Vorbem. zu §§ 38ff. Rdn. 1; Mellwig, BB 1979, S. 1408 (1409); Muth, Die Bilanzfeststellung bei Personenhandelsgesellschaften, 1986, S. 56f.
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§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
Gesellschaft. Dies legt es nahe, die aus der prozessualen Dokumentationsfunktion des Jahresabschlusses folgenden Beschränkungen einer Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses an die zivilrechtliche Änderbarkeit der durch den handelsrechtlichen Jahresabschluß ermittelten Ansprüche zu binden. Dem Kaufmann wäre hiernach eine Änderung der im handelsrechtlichen Jahresabschlusses ausgewiesenen Vermögens- und Gewinnlage dann zu gestatten, wenn diese Änderung zugleich auch sämtliche schuldrechtliche und gesellschaftsrechtliche Ansprüche, die an den ausgewiesenen Gewinn anknüpfen, entsprechend verändert. Sind also etwa stille Gesellschafter oder Arbeitnehmer durch Tantiemen am Gewinn beteiligt, hinge eine Änderung des im handelsrechtlichen Jahresabschlusses ausgewiesenen Gewinnes davon ab, ob zugleich diese vertraglichen Gewinnansprüche entsprechend angepaßt werden können. Der veränderte Jahresabschluß bliebe dann in vollem Umfange taugliches prozessuales Beweismittel für alle gewinnabhängigen Ansprüche. Im umgekehrten Falle wäre eine Änderung dagegen zu untersagen. Der veränderte Jahresabschluß wäre bei fehlender zivilrechtlicher Wirksamkeit der Änderung nämlich nicht mehr dazu in der Lage, ein prozessual taugliches Beweismittel für die Berechnung gewinnabhängiger Ansprüche zu liefern. Diese Lösung scheint zunächst angesichts des Richtigkeitsgebotes notwendig, denn sie scheint zu einer vollständigen Kongruenz zwischen gewinnabhängigen Ansprüchen und prozessualer Dokumentation im Jahresabschluß zu fuhren. Die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit der Änderung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses würde von der Befugnis des Kaufmanns zur Gestaltung der Ansprüche aus bestehenden gesellschafts- und schuldrechtlichen Rechtsverhältnissen abhängig gemacht. Richtigkeitsgebot und prozessuale Ausprägung des Dokumentationszwecks würden mithin zu einem Spiegelbild des materiellen Zivilrechts im öffentlich-rechtlichen Handelsbilanzrecht führen. Diese zunächst sehr stringent erscheinende Auffassung stößt jedoch dann auf Schwierigkeiten, wenn der handelsrechtliche Jahresabschluß nicht nur in einem, sondern in mehreren Rechtsverhältnissen Grundlage für die Berechnung von Ansprüchen ist. Hier kann es dazu kommen, daß die Zulässigkeit der Änderungen handelsrechtlicher Wahlrechtsausübungen nicht für alle Rechtsverhältnisse einheitlich zu beurteilen ist. So kann es etwa vorkommen, daß sich der Kaufmann gegenüber einem stillen Gesellschafter eine nachträgliche Änderung der Wahlrechtsausübung vorbehalten hat, eine Änderung gegenüber tantiemeberechtigten Arbeitnehmern aber unzulässig ist. In einem
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solchen Falle stößt die obige Auffassung auf kaum überwindbare Schwierigkeiten. Sieht man eine Änderung des Jahresabschlusses als handelsrechtlich unzulässig an, so ist der Jahresabschluß kein taugliches Beweismittel für die geänderten Ansprüche des stillen Gesellschafters. Läßt man eine Änderung dagegen zu, so deckt sich der Gewinnausweis des geänderten Jahresabschlusses nicht mit dem für die Tantiemen relevanten Gewinn. Eine vollständige Kongruenz zwischen der prozessualen Dokumentationsfunktion und den materiell-rechtlichen Gewinnansprüchen ist im Falle mehrerer Rechtsverhältnisse mithin nicht zu gewährleisten. Dies spricht dafür, die handelsrechtliche Zulässigkeit einer Änderung des Jahresabschlusses wegen der prozessualen Dokumentationsfunktion des Jahresabschlusses nicht als bloßen Reflex der zivilrechtlichen Änderbarkeit gewinnabhängiger Ansprüche zu behandeln. Einer in der Literatur188 vertretenen Auffassung ist vielmehr darin zuzustimmen, daß die prozessuale Dokumentationsfunktion des Jahresabschlusses auch bei nur teilweiser Änderbarkeit der gewinnabhängigen Ansprüche zu erreichen ist. Nach dieser Auffassung soll es möglich sein, handelsbilanzrechtliche Wahlrechtsausübungen auch dann abzuändern, wenn dadurch der im Jahresabschluß ausgewiesene Gewinn, der als rechnerische Grundlage für die Ermittlung gewinnabhängiger Ansprüche gedient hat, im einem neuen Jahresabschluß verändert wird. Erforderlich sei nur, daß solche Gewinnansprüche, die aufgrund des ursprünglichen Gewinnausweises entstandenen sind und durch eine nachträgliche Änderung des Gewinnausweises nicht verändert werden können, im neuen Jahresabschluß in unveränderter Höhe passiviert werden. Nach dieser Auffassung werden im geänderten Jahresabschluß sämtliche gewinnabhängige Ansprüche insgesamt in korrekter Höhe ausgewiesen; dem Richtigkeitsgebot und der prozessualen Dokumentationsfunktion ist insoweit also Genüge getan. Allerdings ist der geänderte Jahresabschluß in seiner prozessualen Beweisfähigkeit insoweit beeinträchtigt, als sich aus ihm die korrekte Berechnung der von der Änderung nicht betroffenen Gewinnansprüche nicht mehr entnehmen läßt. Er ermöglicht keinen Beweis über die relevante Berechnungsgrundlage. Dies stellt jedoch kein unüberwindliches Pro-
188 So vor allem Goerdeler/W. Müller, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 3 0 Rdn. 43; W. Müller, in: Festschrift fur Quack, 1991, S. 359 (365, 368); in dieser Richtung auch Adler, Wpg 1949 S. 109 (112); Budde/Müller, in: Beck'scher Bilanzkommentar, 2. Aufl. 1990, § 253 Rdn. 718; IDW, Stellungnahme HFA 2/1991, Wpg 1992, S. 89 (90).
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blem dar. Aus der Bilanzklarheit läßt sich nämlich - wie nachfolgend dargestellt - fordern, daß eine Änderung des Jahresabschlusses als solche erkennbar 1 RQ
ist. Erhält jeder geänderte Jahresabschluß gemäß dieser Forderung einen auf die Änderung hinweisenden Vermerk, so wird erkennbar, daß allein der geänderte Jahresabschluß möglicherweise nicht alleinige Bemessungsgrundlage ist. Die prozessuale Dokumentation der durch die Änderung unveränderten Ansprüche kann dann aus der Verbindung beider Jahresabschlüsse erreicht werden. Damit läßt sich aus der prozessualen Dokumentationsfunktion des Jahresabschlusses keine handelsrechtliche Beschränkung seiner Änderbarkeit herleiten. Erforderlich ist allein, daß die Vornahme einer nachträglichen Änderung als solche auch aus dem geänderten Jahresabschluß hervorgeht. cc) Rechtsgedanke des § 239 Abs. 3 HGB Dieses aus der Erfüllung der prozessualen Ausprägung des Dokumentationszweckes gewonnene Ergebnis entspricht auch der in § 239 Abs. 3 HGB fur die laufende Buchführung zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Weitung. Nach § 239 Abs. 3 HGB darf eine Aufzeichnung oder Eintragung in den Handelsbüchern nicht so verändert werden, daß der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Diese Regelung ist als besondere Ausprägung des allgemeinen Gebots der Klarheit der Rechnungslegung anzusehen. 190 Ihre Aufgabe ist es, eine Beeinträchtigung der handelsrechtlich geforderten Dokumentation der Geschäfte des Kaufmannes in seinen Handelsbüchern bei nachträglichen Veränderungen zu verhindern. 191 Aus der Regelung in § 239 Abs. 3 HGB wird dabei deutlich erkennbar, daß der Gesetzgeber eine Gefährdung der Dokumentation der Geschäftsvorfalle in der laufenden Buchführung nur dann annimmt, wenn die Entstehung der Aufzeichnungen nicht nachvollziehbar ist. Die nachträgliche Veränderung als solche wird also erkennbar nicht als Gefährdung angesehen. Auch wenn in § 239 Abs. 3 HGB nicht geregelt ist, unter welchen Voraussetzungen
189 So der Sache nach auch v. Braunbehrens, AG 1956, S. 28 (29). 190 Vgl. Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 239 Rdn. 17; Leffson, Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Aufl. 1987, S. 161ff. S. 207ff. 191 Glade, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986, § 229 Rdn. 35; Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 239 Rdn. 17; zum Zweck und zur historischen Entwicklung des in § 239 Abs. 3 HGB enthaltenen Grundsatzes ordnungsgemäßer Buchführung vgl. Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 1970, S. 37ff.
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Veränderungen der Aufzeichnungen und Eintragungen zulässig sind, wird doch deutlich, daß der Dokumentationszweck für die laufende Buchführung keine Bestandskraft einer einmal erstellten Aufzeichnung verlangt. Erforderlich für den durch § 239 Abs. 3 HGB geschützten Dokumentationszweck ist nur, daß bei nachträglichen Veränderungen der ursprüngliche Inhalt erkennbar bleibt. 192 Diese gesetzliche Wertung in § 239 Abs. 3 HGB ist auf den Jahresabschluß nicht direkt anwendbar. Als Handelsbücher im Sinne von § 239 Abs. 3 HGB sind nämlich nur die Bücher der laufenden Buchführung zu verstehen, 1
nicht jedoch die Handelsbücher im weiteren Sinne , zu denen die Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung gehören.194 Dies folgt daraus, daß § 239 Abs. 3 HGB Teil des 1. Unterabschnittes ist, der mit "Buchführung, Inventar" überschrieben ist und sich so systematisch deutlich vom 2. Unterabschnitt "Eröffnungsbilanz, Jahresabschluß" abhebt. Der in § 239 Abs. 3 HGB enthaltene Grundgedanke, daß für den Dokumentationszweck der laufenden Buchführung die Nachvollziehbarkeit von Änderungen genügt, läßt sich aber, wie oben gezeigt, auch auf den Jahresabschluß übertragen. Die Zulässigkeit eines solchen Übertrag ergibt sich auch daraus, daß der Jahresabschluß notwendigerweise auf den Handelsbüchern der laufenden Buchführung als Grundlage aufbaut, beide also hinsichtlich der Dokumentationsfunktion notwendigerweise aufeinander bezogen sind.195 Dieser Konnex spricht dafür, die in § 239 Abs. 3 HGB zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers für die laufende Buchführung auch auf die Dokumentation durch den darauf aufbauenden Jahresabschluß zu übertragen.
192 Hierauf scheint auch Weirich, Wpg 1976, S. 625 (627) abzustellen, wenn er aus der Natur der Unterzeichnung als öffentlich-rechtlicher Erklärung ableitet, daß diese zwar geändert werden dürfe, dies aber nicht beliebig häufig erfolgen dürfe. 193 Zum Begriff der Handelsbücher im weiteren Sinne Brüggemann, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, Vorbem. zu §§ 38ff. Rdn. 3; Wieland, Handelsrecht, 1. Band, Das kaufmännische Unternehmen und die Handelsgesellschaften, 1921, S. 307. 194 So im Ergebnis auch die ganz herrschende Kommentarliteratur, die Veränderungen nach § 239 Abs. 3 HGB nur im Hinblick auf die laufende Buchführung erörtert. Vgl. Glade, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986, § 239 Rdn. 3Off; Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 239 Rdn. 17; Jung, in: Heymann, HGB, 2. Aufl. 1996, § 239 Rdn. 26f.; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5. Aufl. 1992, § 239 HGB, Rdn. 5, 39ff. jeweils m.w.N. 195 Vgl. dazu schon oben 1. Teil § 3 C III 3 a (Seite 74f.).
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Die Dokumentationspflicht fuhrt im Ergebnis also nur dazu, daß nachträgliche Änderungen von Jahresabschlüssen als solche erkennbar sein müssen, bewirkt aber keine Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse. b) Konsequenzen der Selbstinformationsfunktion Wenig ergiebig für eine Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses scheint zunächst der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses verbundene Zwang zur Selbstinformation zu sein. Soweit der Gesetzgeber den Kaufmann hierdurch dazu veranlaßt, sich selbst über seine Fähigkeit zur Begleichung seiner Schulden zu informieren, besteht keinerlei Grund, eine spätere Änderung des Jahresabschlusses auszuschließen. Die Information des handelsrechtlichen Jahresabschlusses richtet sich hier allein an den Kaufmann selbst. Rechtlich relevante Folgen entstehen hieraus nicht. Mangels rechtlicher Außenwirkung besteht aber dann auch kein Anlaß, den Kaufmann an ein nur an ihn selbst gerichtetes Informationsmedium zu binden. Voraussetzung für eine Bindung des Kaufmannes an den handelsrechtlichen Jahresabschluß ist vielmehr, daß die Selbstinformationsfunktion in einer rechtlich relevanten Form Außenwirkung entfaltet. aa)
Selbstinformation über die Konkursantragspflicht wegen Überschuldung Als Anknüpfungspunkt für eine solche rechtlich relevante Außenwirkung der Selbstinformationsfunktion kommt vor allem die Pflicht zur Konkursanmeldung wegen Überschuldung in Betracht. Die in § 130a Abs. 1 HGB, § 92 Abs. 2 AktG, § 278 Abs. 3 i.V.m. § 92 Abs. 2 AktG, § 64 Abs. 1 GmbHG geregelte Konkursantragspflicht der Kapitalgesellschaften und der Kommanditgesellschaft ohne persönlich haftenden Gesellschafter setzt voraus, daß der zur Konkursantragsstellung Verpflichtete ausreichend über die Vermögenslage des Unternehmens informiert ist. Dieses Informationsbedürfnis scheint sich dabei mit der Selbstinformationsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses zu decken. Die Selbstinformation des handelsrechtlichen Jahresabschlusses ist rechtshistorisch nämlich gerade darauf angelegt, den Kaufmann über seine Schuldendeckungsfahigkeit zu informieren. 196 Diese weit-
196 Diese inhaltliche Nähe beider Regelungen wird auch von Haack, Der Konkursgrund der Überschuldung bei Kapital- und Personengesellschaften, 1989, S. 67f.; Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 242 Rdn. 9; Kupsch, in: Hofbauer/ Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, Einführung Β 3 (Fortsetzung der Fußnote auf nächster Seite)
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
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gehende Identität spricht dafür, die konkursrechtliche Überschuldung anhand des handelsrechtlichen Jahresabschlusses zu ermitteln. Hierdurch würde die Selbstinformationsfunktion des Jahresabschlusses in rechtlich relevanter Weise nach außen in Erscheinung treten, was dann dafür spräche, solche Jahresabschlüsse, aus denen eine Konkursanmeldungspflicht entsteht, der weiteren Gestaltung durch Wahlrechte zu entziehen. Eine solch enge Verknüpfung der Selbstinformation durch den handelsrechtlichen Jahresabschluß mit der Konkursantragspflicht bei Ausweis einer Überschuldung im Jahresabschluß wird aber ganz überwiegend abgelehnt. Es ist heute vielmehr als unstreitig anzusehen, daß allein eine handelsbilanzielle Überschuldung nicht zur Konkursanmeldung wegen Überschuldung zwingt. Bereits in der Denkschrift zum HGB von 1897 wurde bezweifelt, daß die Handelsbilanz zur Bestimmung des konkursrechtlichen Überschuldungstatbestandes geeignet ist. 197 Die noch in Art. 240 ADHGB enthaltene Regelung, daß sich für Aktiengesellschaften eine Überschuldung "aus" der handelsrechtlichen Jahresbilanz ergeben muß, wurde daher nicht ins HGB übernommen. Vielmehr sollte sich die Überschuldung einer Aktiengesellschaft nach § 240 des HGB von 1897, der inhaltlich dem heutigen § 92 Abs. 1 AktG weitgehend entspricht, "bei" Aufstellung des Jahresabschlusses ergeben. 198 Hieraus wurde schon kurz nach der Entstehung des HGB geschlossen, daß sich nach der Auffassung des Gesetzgebers eine Überschuldung nicht unmittelbar aus der handelsrechtlichen Jahresbilanz ergeben könne, sondern nur bei Gelegenheit der Aufstellung zu ermitteln sei.19 Diese frühe Ablehnung der Handelsbilanz als Instrument zur Feststellung der Überschuldung ist notwendige Konsequenz des sich zur gleichen Zeit vollziehenden Wandels der handelsrechtlichen Bilanzauffassung von der Zerschlagungs- zur Fortführungs-
Rdn. 70; Maul, DB 1979, S. 1757 (1759ff.) betont. Zur Verknüpfung gesetzlicher Handlungspflichten mit der Selbstinformationsfunktion der Bilanz vgl. auch Blumers, Bilanzierungstatbestände und Bilanzierungsfristen im Handelsrecht und Steuerrecht, 1983, S. lOff. 197 Vgl. Denkschrift zum HGB von 1897, S. 141, zit. nach Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band II 2. Halbband, S. 1067. 198 Zu dieser Entwicklung vgl. Klar, Überschuldung und Überschuldungsbilanz, 1987, S. 19 m.w.N. 199 Vgl. Karger, GmbHR 1929, S. 201f.; Kaufmann, LZ 1919, S. 623 (625f.); kritisch zu dieser Auslegung allerdings in neuerer Zeit Klar, Überschuldung und Überschuldungsbilanz, 1987, S.19f. Klar stützt seine Ablehnung vor allem darauf, daß die Verhältnisse von 1897 den heutigen nicht mehr entsprächen, so daß der historische Wille des Gesetzgebers obsolet sei.
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§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
statik.200 Die verstärkte Ausrichtung an der Ermittlung des ausschüttbaren Gewinns fuhrt dazu, daß gleichzeitig die konkursrechtlich relevante Schul•
9fl 1
dendeckung im Liquidationsfalle m den Hintergrund tritt. Diese konzeptionellen Bedenken gegen die handelsbilanzielle Vermögensdarstellung sind auch der Hintergrund für die heute kaum noch überschaubare Diskussion sowohl im rechtswissenschaftlichen als auch betriebswirtschaftlichen Schrifttum über die richtige Ermittlung der Überschuldung. 202 Eine mehrheitliche oder gar übereinstimmende Auffassung, wie die Überschuldung zu bestimmen ist, ist dabei gegenwärtig nicht absehbar. Gemeinsames Merkmal aller heute vertretenen Auffassungen ist jedoch, daß allein eine nach handelsbilanzrechtlichen Vorschriften ermittelte Überschuldung dem konkursrechtlichen Überschuldungstatbestand nicht entspricht. Teilweise wird die Tauglichkeit der Handelsbilanz zur Ermittlung der konkursrechtlichen Uberschuldung rundweg abgelehnt. Vorrangiges Element der Überschuldungsermittlung sei vielmehr eine betriebswirtschaftliche Fortführungsprognose 2 4 Allein dann, wenn diese negativ ausfalle, sei ein Vermögensstatus für den Liquidationsfall zu ermitteln, der sich als Über-
200 Vgl. dazu oben Seite 79f. 201 Vgl. zu diesem Verdrängungsprozeß auch Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 242 Rdn. 8f. 202 Vgl. dazu die Übersichten bei Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. 1994, § 102 Rdn. 3; Kupsch, BB 1984, S. 159ff.; Vonnemann, Die Feststellung der Überschuldung, 1989, 5. 3ff.; und aus dem betriebswirtschaftlichen Schrifttum etwa Drukarczyk, ZGR 1979, 553ff.; Rausch, Gläubigerschutz im Insolvenzverfahren, 1985, S. 109ff.; K. Schmidt, Wge zum Insolvenzrecht der Unternehmung, Köln 1990, S. 46. 203 Vgl. die Darstellung bei Fischer, Die Überschuldungsbilanz, 1980, S. 45ff.; Haack, Der Konkursgrund der Überschuldung bei Kapital- und Personengesellschaften, 1989, S. 67ff.; Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 242 Rdn. 8ff.; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. 1994, § 102 Rdn. 3; Vorbem. D § 207 Rdn. 12; K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmung, Köln 1990, S. 46; SchulzeOsterloh, AG 1984, S. 141 (142); Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 63 Rdn 2 8 ff. 204 So vor allem die zweistufige und modifizierte zweistufige Priifungsmethode der Überschuldung; vgl. dazu K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmung, Köln 1990, S. 46; ders., AG 1978, S. 334 (336ff.); ders., JZ 1982, 165 (168ff.); ihm weitgehend folgend Ulmer, KTS 1981, S. 469 (473ff.); ders. in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 63 Rdn. 36ff.; ein deutlich komplexeres zweistufiges Verfahren vertritt auch Klar, Überschuldung und Überschuldungsbilanz, 1987, S. 47ff.
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
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schuldungsbilanz allerdings von den handelsrechtlichen Bewertungsprinzipien zu lösen habe. Diese strikte Ablehnung der Handelsbilanz stößt im Schrifttum zwar zu90S
nehmend auf Kritik. Doch selbst die Kiritiker der vorgenannten Auffassung messen dem Ausweis einer Überschuldung in der Handelsbilanz auch für die Feststellung der konkursrechtlichen Überschuldung nur indizielle Bedeutung bei. Eine Überschuldungsermittlung macht auch nach dieser Auffassung zumindest eine Auflösung der stillen Reserven und Bereinigung der Handelsbilanz um einige besonders verzerrende Positionen erforderlieh 2 0 6 Letztlich kann hier daher auf eine genauere Untersuchung des konkursrechtlichen Überschuldungstatbestandes verzichtet werden. Keine der hierzu vertretenen Auffassungen knüpft die Konkursanmeldepflicht wegen Überschuldung unmittelbar an den handelsrechtlichen Jahresabschluß an. Eine rechtlich relevante Außenwirkung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses durch Auslösung der Konkursanmeldepflicht wegen Überschuldung scheidet nach allen Auffassungen aus. Dies gilt im Ergebnis auch für die Relevanz des handelsrechtlichen Jahresabschlusses hinsichtlich des Konkursgrundes der Zahlungsunfähigkeit. Zahlungsunfähigkeit als Konkursgrund liegt vor, wenn die Zahlungsmittel eines Unternehmens voraussichtlich dauerhaft nicht ausreichen, um die falligen 907
Geldschulden zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit setzt also eine prognostische Liquiditätsrechnung voraus. 208 Eine solche Liquiditätsrechnung vermag der handelsrechtliche Jahresabschluß aber nur in sehr rudimentärer Form
205 Vgl. insbes. Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 92 Rdn. 30f.; Rausch, Gläubigerschutz und Insolvenzverfahren, 1985, S. 178; K. Schmidt, AG 1978, S. 334 (336ff.); ders., JZ 1982, 165 (168ff.); Klar, Überschuldung und Überschuldungsbilanz, 1987, S. 20ff.; Vonnemann, Die Feststellung der Überschuldung, 1989, S. 55ff. 206 So namentlich Vonnemann, Die Feststellung der Überschuldung, 1989, S. 21ff. 207 So schon RGZ 50, 39 (41); 100, 62 (65); weiter BGH, WM 1959, 891; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. 1994, § 102 Rdn. 2; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 63 Rdn. 15; Veit, Die Definiton der Zahlungsunfähigkeit als Konkursgrund, ZIP 1982, S. 273ff. 208 Vgl. Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. 1994, § 1 0 2 Rdn. 2b; Lutter/Hommelhoff.\ GmbHG, 14. Aufl. 1995, § 63 Rdn.3; K. Schmidt, in: Kilger, KO, 16. Aufl. 1993, § 102 Anm. 2a; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 63 Rdn. 15; Veit, Die Definiton der Zahlungsunfähigkeit als Konkursgrund, ZIP 1982, S. 273 (275).
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zu liefern. Er kann nur einen unvollständigen und zeitlich völlig unzureichend gegliederten Einblick in die Liquiditätslage vermitteln.209 Trotz der inhaltlichen Nähe der Konkursanmeldepflichten zum handelsrechtlichen Zweck der Selbstinformation vermag der handelsrechtliche Jahresabschluß also nicht die Informationen zu liefern, die für die Auslösung der Konkursanmeldepflicht erforderlich sind. Eine Bestandskraft des Jahresabschlusses ist also nicht wegen einer rechtlich relevanten Außenwirkung der Selbstinformationsfunktion im Hinblick auf den Unternehmenskonkurs zu fordern. bb)
Selbstinformation über die Anzeige- und Einberufungspflichten nach § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG Als Ansatzpunkt für eine rechtlich relevante Außenwirkung der handelsbilanzrechtlichen Selbstinformationsfunktion kommen bei den Kapitalgesellschaften weiter die Anzeige- und Einberufungspflichten nach § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG bei Verlust der Hälfte des Stamm- oder Grundkapitals in Betracht. Diese Pflichten stehen in engem Zusammenhang mit den Kapitalerhaltungsvorschriften des Gesellschaftsrechtes. Der Verlust der Hälfte des Stamm- oder Grundkapitals ist Ausdruck einer Untemehmenskrise, die in einem gesetzlichen Stufenverhältnis zur Überschuldung steht. Während der Verlust der Hälfte des Stamm- oder Grundkapitals als erste Stufe der gesetzlichen Krisenregelung die Geschäftsführungsorgane nur zu einer Information und Konsultation der Gesellschafter zwingt, führt die Überschuldung als zweite Stufe dazu, daß der Geschäftsführung und den Gesellschaftern die Entscheidungskompetenz über das Unternehmen 91 Π
entzogen wird. Zudem gleichen die Voraussetzungen der Anzeige- und Einberufungspflichten nach § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG dem Überschuldungstatbestand darin, daß sie auf einem vermögensorientierten Krisentatbestand aufbauen. Die Pflichten nach § 92 Abs. 1 AktG und § 49
209 Vgl. dazu ausführlich Moxter, Bilanzlehre, Band 1, 3. Aufl. 1984, S. 87ff., der die Bilanz als Finanzplantorso charakterisiert. 210 Mertens, AG 1983, S. 173 (174f.); ders., in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 9 2 Rdn.4; Kupsch, Wpg 1982, 273 (274f.); W.Müller, ZGR 1985, S. 191 (196f.); Vonnemann, Die Feststellung der Überschuldung, 1989, S. 57; Die gesetzliche Abstufung der Untemehmenskrisen und der daraus folgenden Pflichten der Geschäftsführungsorgane ist bei der Aktiengesellschaft im übrigen auch darin zu erkennen, daß Kapitalverlust und Überschuldung zusammenhängend in einem Paragraphen geregelt sind.
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
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Abs. 3 GmbHG setzen also ebenso wie die Überschuldungsermittlung voraus, daß die Geschäftsführung sich durch eine Vermögensrechnung über die Höhe des Verlustes und den Bestand an Grund- oder Stammkapitals informiert. Im Gegensatz zum konkursrechtlichen Überschuldungstatbestand geht die überwiegende Auffassung hier aber davon aus, daß der maßgebliche Verlust des Grund- oder Stammkapitals keines gesonderten Berechnungsverfahrens bedarf, sondern auf Grundlage der handelsbilanzrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften zu errechnen ist.211 Diese von der Überschuldungsermittlung abweichende Berechnungsweise folgt aus dem vom Überschuldungstatbestand abweichenden Schutzzweck. § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG bezwecken allein den Erhalt der Gesellschaft und den Schutz der Gesellschafter. Durch die Einberufung und Unterrichtung der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung sollen die Gesellschafter vor einer drohenden Unternehmenskrise gewarnt und es soll eine J1 7
Reaktion auf die Lage ermöglicht werden. Die hierdurch intendierte Krisenbewältigung liegt letztlich zwar auch im Interesse der Gläubiger, doch ist dies anders als beim Überschuldungstatbestand nicht unmittelbarer Gesetzeszweck, sondern lediglich Reflex.21 Dieser abweichende Schutzzweck macht
211 Hüffer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1991, § 49 Rdn. 23; W. Müller, ZGR 1985, S. 191 (195, 204ff.); K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, §49 Rdn. 22; Roth, GmbHG, 2. Aufl. 1987, § 49 Anm. 3.3.; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 84 Rdn. 11; Vonnemann, Die Feststellung der Überschuldung, 1989, S. 57f. (der allerdings auch auf den Überschuldungstatbestand eine modifizierte handelsrechtliche Bilanz anwenden will); aus der Rechtsprechung OLG Köln AG 1978, 17 (22) zum AktG vor 1985. Noch nicht gänzlich entschieden ist dabei allerdings, ob dies durch eine förmlich Bilanz zu geschehen hat, oder aber auch eine "Bilanz im Kopfe des Geschäftsführers" genügt [vgl. dazu W. Müller, ZGR 1985, S. 191 (212); Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 84 Rdn. Ud]. Dies kann hier jedoch dahinstehen, denn es geht hier nur um die Frage, ob der handelsrechtliche Jahresabschluß hinreichend ist, um die Pflichten nach § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG auszulösen, nicht jedoch ob er auch notwendige Voraussetzung ist. 212 BGH, NJW 1979, S. 1829 (1831); Lutter/Hommelhoff/Timm, BB 1980, S. 737 (739f.); Mertens, AG 1983, S. 173 (175f.); ders., in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, §92 Rdn. 10; W.Müller ZGR 1985, S. 191 (195); K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 49 Rdn. 21 213 Vgl. BGH, NJW 1979, S. 1829 (1831); Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl. 1995, § 30 Rdn. 2; Mertens, AG 1983, S. 173 (174f.); K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, §49 Rdn. 21.
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§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
es entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung 214 nicht erforderlich, dem Stufenverhältnis zwischen Verlust der Hälfte des Stamm- oder Grundkapital und Überschuldung durch eine einheitliche Berechnungsmethode Rechnung zu tragen. Vielmehr spricht das praktische Bedürfnis einer einfachen Ermittlung und die Notwendigkeit eindeutig definierter und objektiver Wertansätze dafür, die Ansatz- und Bewertungsregeln des Handelsrechts zu verwenden. 215 Darauf deutet auch schon der Wortlaut des Gesetzes in § 49 Abs. 3 GmbHG hin. Dort heißt es ausdrücklich, daß sich der Verlust des Stammkapitals "aus der Jahresbilanz" ergibt. Hinzu kommt die Verwendung der bilanziell geprägten Begriffe des Grundkapitals in § 92 Abs. 1 AktG und des Stammkapitals in § 49 Abs. 3 GmbHG. Die bei § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG vorzunehmende Vermögensberechnung entspricht damit inhaltlich den Maßstäben des handelsrechtlichen Jahresabschlusses. Damit erlangt die handelsrechtliche Selbstinformationspflicht bei Ausweis eines Verlustes in Höhe der Hälfte des Stammoder Grundkapitals also mittelbar Außenwirkung. Sie löst dann die Pflichten nach § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG aus. Dabei läßt sich aus der Strafbewehrung dieser Pflichten in § 401 Abs. 1 Nr. 1 AktG und § 84 Abs. 1 Nr. 1 GmbH sowie aus dem Verbot der Abbedingung dieser Pflichten durch Satzung oder Gesellschaftsvertrag216 entnehmen, daß diese Pflichten der Disposition der Kapitalgesellschaft und ihrer Organe nach dem Willen des Gesetzgebers entzogen sein sollen. Dies läßt darauf schließen, daß Zweck der Norm auch das öffentliche Interesse am Schutz der Gesellschaften vor Unternehmenskrisen ist. Diese Interessenlage spricht dafür, den Organen der Gesellschaft nicht nur die Disposition über die Anzeige- und Einberufungspflichten nach § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG als solche zu entziehen, sondern bei Konkretisierung dieser Pflichten auch zu verhindern, daß sie sich diesen einmal entstandenen Pflichten wieder entziehen können. Zwar ist davon auszugehen, daß die Geschäftsführungsorgane im Regelfall von vornherein
214 So aber Vonnemann, Die Feststellung der Überschuldung, 1989, S. 57f.; ähnlich Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 92 Rdn. 4. 215 So aus der herrschenden Meinung vor allem W.Müller, ZGR 1985, S. 191 (195f.); Hüffer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1991, § 49 Rdn. 24. 216 Vgl. fur die GmbH Hüffer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1991, § 4 9 Rdn. 31; K.Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 4 9 Rdn. 35; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl. 1995, § 30 Rdn. 2 und fur die AG Meyer-Landrut, in: Großkommentar zum AktG, 3. Aufl. 1970, § 175 Einl.
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
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bestrebt sein werden, den Ausweis eines hälftigen Kapitalverlustes durch entsprechende Ausnutzung von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten zu vermeiden.217 Dennoch besteht jedenfalls bis zur Entscheidung der Gesellschafter- oder Hauptversammlung ein objektives Bedürfiiis, die Geschäftsftihrungsorgane an ihre die Pflichten nach § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG auslösende Gestaltung des Jahresabschlusses zu binden. Durch die Unterzeichnung nach § 245 HGB erklären die Geschäftsführungsorgane nämlich, daß der Jahresabschluß abgeschlossen und die darin dargestellte Vermögenslage richtig ist. Damit erklären sie bei Ausweis eines Verlustes der Hälfte des Stamm- oder Grundkapitals gleichzeitig, daß die in § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG normierte Krisensitutation eingetreten ist. An dieser Erklärung sind sie im Hinblick auf die Pflichten aus § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG festzuhalten. Es wäre widersprüchlich, die Geschäftsführungsorgane einerseits durch die Unterzeichnungspflicht nach § 245 HGB dazu zu zwingen, den Jahresabschluß als abgeschlossen und richtig zu bezeichnen, ihnen aber andererseits die Möglichkeit zu geben, diese Erklärung nachträglich zu verändern, um eine an ihren Inhalt anknüpfende gesetzliche Pflicht zu umgehen. Darüber hinaus widerspricht eine nachträgliche Gestaltung auch der für § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG erforderlichen Rechtsklarheit. Gerade die Probleme bei der Bestimmung des konkursrechtlichen Überschuldungstatbestandes zeigen deutlich, daß gesetzliche Pflichten für die Unternehmenskrise nur dann tatsächlich greifen, wenn sie an eindeutig bestimmbaren und objektiven Krisenmerkmalen festmachen. Diese Rechtssicherheit wäre gefährdet, wenn die Geschäftsftihrungsorgane der Kapitalgesellschaften als Adressaten der Pflichten aus § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG über das gesetzlich normierte Krisenmerkmal jederzeit disponieren könnten. Auch im Interesse der Rechtsklarheit besteht daher die Notwendigkeit, Kapitalgesellschaften bei Erfüllung der Pflichten nach § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG an dem diesen Pflichten zugrundeliegenden Jahresabschluß festzuhalten. § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG führen im Ergebnis also dazu, daß die handelsrechtlich bezweckte Selbstinformation des Kaufmannes durch den Jahresabschluß bei Kapitalgesellschaften zugleich informationelle Grundlage für gesetzliche Handlungspflichten der Geschäftsführungsorgane
217 So auch W. Müller, ZGR 1985, S. 191 (206). 218 Zu diesem Erklärungsinhalt der Unterzeichnung vgl. oben unter § 3 C I (Seite 46f.).
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§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
ist und so mittelbar Außenwirkung erhält. Aus dieser mittelbaren Außenwirkung der Selbstinformation läßt sich eine Notwendigkeit der Bestandskraft nach § 245 HGB unterzeichneter Jahresabschlüsse herleiten, die einer nachträglichen Änderung der Wahlrechtsausübungen entgegensteht. c) Konsequenzen der Kapitalerhaltungsfunktion und Haftungsbestimmung Eine über die Auslösung bloßer Informations- und Einberufungspflichten hinausgehende Außenwirkung entfaltet der handelsrechtliche Jahresabschluß im Rahmen der Kapitalerhaltung und Begrenzung des Ausschüttungspotentials. Durch den Jahresabschluß wird hier unmittelbar das den Gläubigern haftende Vermögen der Kapitalgesellschaft und der Haftungsumfang des Kommanditisten festgelegt. Er füllt die Kapitalerhaltungsvorschriften aus, die das unabdingbare Korrelat zur Zulassung ganz oder teilweise haftungsbeschränkter Gesellschaftsformen sind. Dem handelsrechtlichen Jahresabschluß kommt mithin grundlegende Bedeutung für die Ausgestaltung einer der für den Gläubigerschutz zentralen Vorschriften zu. Dies macht es erforderlich, daß an die Rechtssicherheit der im Jahresabschluß vorgenommenen Abgren219 zung der Vermögensspähren hohe Anforderungen zu stellen sind. Nur eine objektive und jederzeit klar nachvollziehbare Kapital- und Haftungsabgrenzung kann den aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Haftungsbeschränkung erforderlichen gesetzlichen Schutz der Gläubiger und des Rechtsverkehrs gewährleisten. Vor dem Hintergrund dieser grundlegenden Funktion des Jahresabschlusses und der erforderlichen Rechtssicherheit ist es inkonsequent und durchaus bedenklich, daß den rechnungslegungspflichtigen Gesellschaften durch handelsrechtliche Ansatz- und Bewertungswahlrechte ermöglicht wird, den Umfang der Kapitalerhaltungsvorschriften zu gestalten.220 Einerseits entzieht der Gesetzgeber durch die als zwingendes Recht ausgestalteten Kapitalerhaltungsvorschriften einen Teil des Vermögens der Gesellschaften der Disposition der Gesellschafter. Andererseits überläßt er die Konkretisierung dieser Vorschriften im Rahmen der Wahlrechte der Disposition eben der Normadressaten selbst. Aus dieser Gestaltungsmöglichkeit resultiert ein Miß-
219 So im Ergebnis auch BGHZ 109, 334 (337ff.); Schulze-Osterloh, in: IDW (Hrsg.), Bericht über die Fachtagung 1994, 1995, S. 123 (129); Η. P. Westermann, in Scholz, GmbHG 8. Aufl. 1993, § 30 Rdn. 14. 220 Ähnlich insbesondere Schulze-Osterloh, in: IDW (Hrsg.), Bericht über die Fachtagung 1994, 1995, S. 123 (128).
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
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brauchspotential, das mit der Funktion der Kapitalerhaltungsvorschriften nur schwer vereinbar ist. Die gesellschaftsrechtliche Literatur begegnet diesen Bedenken oft durch einen Verweis auf das Stetigkeitsgebot bei der Wahlrechtsausübung. Die Bindung an die Wahlrechtsausübung vergangener Jahre durch das Stetigkeitsgebot in § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB gewährleiste, daß Wahlrechte nicht zur mißbräuchlichen Erhöhung von Ausschüttungen im Falle einer Unterneh221
menskrise genutzt werden können. Das Stetigkeitsgebot ist aber weder seinem Umfang nach hinreichend noch seiner rechtlichen Konstruktion nach tauglich, die erforderliche Rechtssicherheit durch Beschränkung mißbräuchlicher Wahlrechtsänderungen zu gewährleisten. Seinem Umfang nach erstreckt sich das Stetigkeitsgebot nur auf Bewertungs-, nicht aber Ansatzwahlrechte.222 Es erfaßt also wesentliche Teile der Gestaltungsmöglichkeiten durch Wahlrechte nicht. Weiter setzt es voraus, daß im vorausgegangenen Jahresabschluß eine Ausübung des Wahlrechts enthalten ist. Die Änderung einer erstmaligen Wahlrechtsausübung im unterzeichneten Jahresabschluß wird vom Stetigkeitsgebot dagegen ebenfalls nicht erfaßt 2 2 3 Weiter zielt das Stetigkeitsgebot - wie bereits in der Einleitung ausführlicher dargestellt224 - seiner Rechtskonstruktion nach nicht auf eine Beschränkung der Änderung von Jahresabschlüssen, sondern setzt eine solche Beschränkung inzident voraus. Wird älteren Jahresabschlüssen keine Bestandskraft beigemessen, so kann eine stetige Wahlrechtsausübung in aufeinand-
221 Vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl. 1995, § 30 Rdn. 11; Goerdeler/W. Müller, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 30 Rdn. 31; HP Westermann, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1993, Rdn. 14; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42 Rdn. 468; und mit Einschränkungen ders., in: IDW (Hrsg.), Bericht über die Fachtagung 1994, 1995, S. 123 (128). 222 Vgl. Adler/Dürig/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997 §252 Rdn. 110; Sahner/Schultzke, in. Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, Band Ia, 4. Aufl. 1995, § 2 5 2 Rdn. 57; Budde/Geißler, in: Beck'scher Bilanzkommentar, 2. Aufl. 1990, § 252 Rdn. 57; Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1991, § 252 Rdn. 34; Schulze-Osterloh, in: IDW (Hrsg.), Bericht über die Fachtagung 1994, 1995, S. 123 (138). 223 Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1991, § 252 Rdn. 41. 224 Siehe oben § 1 Β II 2 b (Seite 10f.).
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§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
erfolgenden Jahresabschlüssen auch dadurch erreicht werden, daß rekursiv sämtliche Jahresabschlüsse bis zur ersten Wahlrechtsausübung geändert werden. Das Stetigkeitsgebot vermag mithin keine wirksame Beschränkung nachträglicher Wahlrechtsänderungen zu gewährleisten. Im Interesse der gebotenen Rechtssicherheit ist es jedoch erforderlich, bei Gesellschaften mit Haftungsbeschränkungen die Disposition über die Kapitalerhaltungsgrundsätze und die Haftung des Kommanditisten nicht zeitlich unbegrenzt zu überlassen. Die ursprüngliche Gestaltung der Kapitalerhaltung und Haftung des Kommanditisten durch die handelsbilanziellen Wahlrechte muß mangels einer anderen zu diesem Zweck tauglichen Vermögensrechnung hingenommen werden. Hieraus kann jedoch nicht gefolgert werden, daß eine zeitlich unbefristete Gestaltung dieser elementaren Grundsätze gewollt ist. Sobald die bilanzierungspflichtige Gesellschaft ihre Dispositionsbefugnis über die Kapitalerhaltungsgrundsätze und den Haftungsumfang der Kommanditisten wirksam ausgeübt hat, müssen die Interessen der Gesellschaft an einer weiteren Gestaltung des Jahresabschlusses hinter dem Interesse des Rechtsverkehrs an einer klaren und objektiven Bestimmung des gebundenen Kapitals und der Kommanditistenhaftung zurücktreten. Als wirksame Ausübung dieser Dispositionsbefugnis über die Kapitalerhaltungsvorschriften und Haftungsabgrenzung in den öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Handelsbilanzrechtes ist ebenso wie bei den Anzeigepflichten die Unterzeichnung nach § 245 HGB anzusehen. Durch diese als öffentlich-rechtliche Erklärung anzusehende Handlung bringt der Unterzeichnende nach allgemeiner Auffassung zum Ausdruck, daß die handelsrechtlichen Rechnungslegungspflichten nunmehr erfüllt und beendet sind. Dabei enthält der unterzeichnete Jahresabschluß notwendigerweise auch eine Ausübung der handelsbilanzrechtlichen Gestaltungsrechte. Da die Dispositionsbefugnis über die Kapitalerhaltungs- und Haftungsabgrenzungsvorschriften eben an diesen Wahlrechten festmacht, läßt sich die Unterzeichnungspflicht als öffentlichrechtliche Ausübung dieses Gestaltungsrechts auslegen. Diese Qualifizierung der Unterzeichnung hat zudem den Vorteil, daß sie die zivilrechtliche Einigung auf einen Jahresabschluß durch Feststellung und öffentlich-rechtlich gebotene Abgrenzung der Vermögenssphären klar voneinander trennt. Während die Feststellung den Jahresabschluß inter partes verbindlich werden
225 Zu dem aus dieser Qualifizierung der Unterzeichnung resultierenden Verhältnis von Feststellung und Unterzeichnung zueinander vgl. unten § 4 A II 2 c (Seite 179f.).
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
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läßt, bewirkt die Unterzeichnung im Interesse der objektiven Rechtssicherheit eine Bestimmung des gebundenen Kapitals und der Haftung des Kommanditisten. Als Zwischenergebnis läßt sich damit festhalten, daß bei offenen Handelsgesellschaften und Einzelkaufleuten keine Notwendigkeit besteht, nachträgliche Änderungen von Wahlrechtsausübungen zu begrenzen. Dem Jahresabschluß der oHG und des Einzelkaufmannes ist also keine öffentlich-rechtliche Bestandskraft beizumessen. Es ist lediglich erforderlich, daß der geänderte Jahresabschluß als solcher erkennbar ist. Bei den Kapitalgesellschaften und der Kommanditgesellschaft besteht hingegen die Notwendigkeit einer Begrenzung nachträglicher Wahlrechtsausübungen. Vor allem die Ausfüllung der gesetzlichen Kapitalerhaltungsund Haftungsvorschriften durch den handelsrechtlichen Jahresabschluß macht eine über eine nur relative Bindung hinausgehende öffentlich-rechtliche Bestandskraft des Jahresabschlusses notwendig. Darüber hinaus folgt bei den Kapitalgesellschaften die Forderung nach einer Bestandskraft auch aus den eng mit den Kapitalerhaltungsvorschriften zusammenhängenden Anzeigeund Einberufungspflichten nach § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG. Damit steht jedoch nur fest, ob überhaupt eine der Änderung von Jahresabschlüssen entgegenstehende Bestandskraft zu fordern ist. Zu klären bleibt noch, in welchem Umfange diese aus den handelsbilanzrechtlichen Jahresabschlußzwecken resultierende Bestandskraft bei Kapitalgesellschaften und Kommanditgesellschaften nachträgliche Änderungen begrenzt. 2.
Umfang der Begrenzung von Änderungen
Die Herleitung der Bestandskraft des handelsrechtlichen Jahresabschlusses bei Kapitalgesellschaften und Kommanditgesellschaften aus den Jahresabschlußzwecken und dem Erfordernis der Rechtssicherheit scheint dafür zu sprechen, einen möglichst weitreichenden Ausschluß nachträglicher Änderungen zu fordern. Diese Forderung nach einer weitreichenden Bestandskraft drängt sich gerade auch dann auf, wenn man die oben dargestellten grundsätzlichen Bedenken gegen Gestaltbarkeit der Kapitalerhaltungs- und Haftungsvorschriften durch Bewertungs- und Ansatzwahlrechte teilt. Ist schon die Einräumung eines solchen Dispositionsrechtes bedenklich, so liegt es nahe, Kapital- und Kommanditgesellschaften zumindest an einer wirksamen
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§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
Ausübung der Gestaltungsrechte festzuhalten.226 Die Disposition über die Kapitalerhaltungs- und Haftungsvorschriften würde damit irreversibel. Mangels weiterer Gestaltbarkeit wäre dann mit der Unterzeichnung nach § 245 HGB bei fehlerfreien Jahresabschlüssen die gebotene objektive Rechtssicherheit über die Kapitalausstattung und Haftungsverhältnisse ohne jede Einschränkungen gewährleistet. Eine solch weitreichende Bestandskraft hätte zwar den Vorzug einer hohen Nachvollziehbarkeit und Klarheit der Kapital- und Haftungsverhältnisse für sich. Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob ein solch einseitiges Abstellen auf die gesetzlichen Zwecke und die Rechtsklarkeit mit der öffentlich-rechtlichen Natur des Handelsbilanzrechts vereinbar ist. Grundlage für die Bestimmung des Umfangs der Bestandskraft sind zwar grundsätzlich deren gesetzliche Zwecke. Das Handelsbilanzrecht ist jedoch aufgrund seiner öffentlichrechtlichen Natur rechtssystematisch als besonderes Ordnungsrecht der Kaufleute aufzufassen. Als solches stellt es einen grundrechtsrelevanten Eingriff in das Recht aller Kaufleute auf freie Berufsausübung im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Eine einseitige Ausrichtung allein an den gesetzlichen Zwecken des Jahresabschlusses und der gebotenen Rechtsklarheit ist daher als unzureichend abzulehnen. Die Regelungen des Handelsbilanzrechts unterliegen vielmehr wie das gesamte Ordnungsrecht dem Verhältnismäßigkeitsgebot. Es darf also nur soweit in die Berufsfreiheit der Gesellschaft eingreifen, wie dies geeignet, erforderlich und bei Abwägung mit den Interessen des Kaufmannes angemessen ist, um die erstrebten öffentlichen Zwecke zu erreichen.228 Trotz grundsätzlicher Bedenken gegen die Gestaltbarkeit der Kapital- und Haftungsverhältnisse durch Bilanzierungswahlrechte und der hohen Rechtsklarheit einer absoluten Bestandskraft scheidet eine solch umfassende Beschränkung nachträglicher Änderungen aus. Eine Bestandkraft kann wegen des Verhältnismäßigkeitsgebotes vielmehr nur soweit angenommen werden, wie dies zur Erreichung der handelsrechtlichen Zwecke des Jahresabschlusses erforderlich und angemessen ist.
226 In diesem Sinne auch Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl. 1995, § 30 Rdn. 11. 227 Vgl. W. Müller, in: Festschrift fur Moxter, 1994, S. 75 (82ff.); zur Grundrechtsrelevanz - allerdings primär bezogen auf die Publizitätsvorschriften in §§ 325ff. HGB - der Rechnungslegung weiter Friauf, GmbHR 1985, S. 245 (251ff.). 228 Vgl. W. Müller, in: Festschrift für Moxter, 1994, S. 75 (82ff.).
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
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a) Verbot gewinnerhöhender Änderungen Das Verhältnismäßigkeitsgebot macht es erforderlich, für die Bestimmung des Umfanges der Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse nach den Auswirkungen der nachträglichen Wahlrechtsänderungen auf die Jahresabschlußzwecke zu differenzieren. Grundlage dieser differenzierten Bewertung nachträglicher Wahlrechtsänderungen ist dabei deren Auswirkung auf den Gewinn- bzw. Verlustausweis des Unternehmens. Diese Differenzierung anhand der Gewinnwirksamkeit folgt notwendigerweise aus der Struktur beider für die Herleitung der Bestandskraft maßgeblicher Jahresabschlußzwecke. Der handelsrechtliche Gewinn- bzw. Vermögensbegriff ist zentrale Größe für die Zwecke der Kapitalerhaltung bzw. Haftungsbegrenzung wie auch die Selbstinformation über die Anzeige- und Einberufungspflichten nach § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG. aa) Gefährdung der Kapitalerhaltung und Haftungsbestimmung Dem Zusammenhang zwischen Kapitalerhaltungsvorschriften und handelsrechtlichem Gewinnbegriff liegt eine gesetzliche Konzeption des Gläubigerschutzes zugrunde, die zu einer unterschiedlichen Bewertung gewinnerhöhender und gewinnmindernder Wahlrechtsausübungen führt. Sowohl den Kapitalerhaltungsvorschriften als auch dem an der Ausschüttungsbegrenzung orientierten handelsrechtlichen Gewinnbegriff liegt das Bestreben zugrunde, den öffentlich-rechtlich erforderlichen Gläubigerschutz durch eine Bindung von Vermögenssubstanz im Unternehmen zu erreichen. Hieraus folgt, daß eine Gefahrdung der gesetzlichen Gläubigerschutzkonzeption allein aus einer gewinnerhöhenden Ausübung von Gestaltungsrechten entstehen kann. Allein hierdurch entsteht ein Ausschüttungspotential, das zu einem Entzug haftender Substanz führen kann. Eine gewinnmindernde oder -neutrale Ausübung von Wahlrechten fuhrt dagegen zu keiner Gefahr eines Vermögensentzuges. Durch gewinnmindernde Wahlrechtsausübungen, die dazu führen, daß tatsächlich angefallene Gewinne "versteckt" werden, wird vielmehr zusätzliche Substanz im Unternehmen in Form stiller Reserven gebunden. Dies wird im älteren Schrifttum sogar als wünschenswert angesehen.229
229 Vgl. vor allem das das deutsche Aktienrecht lange maßgeblich bestimmende Werk von Pinner, Beiträge zum Aktienrecht 1918, S. 21f.; weiter die Darstellungen bei v. Caemmerer, in: Das Frankfurter Publizitätsgespräch, 1962, S. 141 (147ff.) und Geßler, in: 75 Jahre Deutsche Treuhand-Gesellschaft 1890 - 1965, o.J. (1965), S. 129 (140).
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Diese traditionelle Konzeption des Gläubigerschutzes wird wegen ihrer positiven Beurteilung stiller Reserven seit einiger Zeit jedoch zunehmend kritisiert. Diese Kritik setzt daran an, daß stille Reserven ein erhebliches Manipulations- und Verschleierungspotential enthalten. Durch die Auflösung in früheren Jahren gebildeter stiller Reserven ist es möglich, Verluste im laufenden Jahresabschluß auszugleichen. Stille Reserven können also dazu genutz werden, den Gläubigern Informationen über die tatsächliche gegenwärtige Ertragslage eines Unternehmens vorzuenthalten. Sind die ausgeglichenen Verluste Resultat schwerwiegender Fehlentscheidungen oder Unternehmenskrisen, so kann dies zu einer erheblichen Gefährdung der Gläubiger fuhren; denn den Gläubigern wird mangels hinreichender Information die Möglichkeit genommen, rechtzeitig auf solche Fehlentscheidungen oder Untemehmenskrisen zu reagieren. Sie werden den Gläubigern erst erkennbar, wenn die stillen Reserven verbraucht sind, was bei nachhaltigen Krisen dann zu spät sein kann. Der Schutz der Gläubiger werde daher eher durch eine objektive Darstellung der Ertragslage als durch stille Reserven erreicht. Folgt man dieser neueren Auffassung, so wäre die Möglichkeit zur Verlustverschleierung durch Auflösung stiller Reserven aus Wahlrechten ebenso kritisch zu sehen wie die Erhöhung des Ausschüttungspotentials. Fraglich ist jedoch, ob diese neuere Auffassung tatsächlich Eingang in das Gesetz gefunden hat. Für den allgemeinen Teil des Handelsbilanzrechtes ist dies abzulehnen. Die Möglichkeit der Unterbewertung nach § 253 Abs. 4 HGB zeigt vielmehr, daß der Gesetzgeber zumindest für die Personenhandelsgesellschaft an der überkommenen Gläubigerschutzkonzeption nichts ändern wollte. Und auch im Handelsbilanzrecht der Kapitalgesellschaft ist trotz der Existenz von Bewertungsuntergrenzen und des Gebots des "true and fair view" in § 264 HGB zweifelhaft, ob dieser Gedanke neben die traditionelle Gläubigerschutzkonzeption getreten ist. Grund der Einführung von Bewertungsuntergrenzen war der Schutz externer Gesellschafter, nicht der Gläubigerschutz.231 Jedenfalls stellt das dem angelsächsischen Recht entlehnte "true and fair view" Gebot keine taugliche Grundlage dafür dar, ausdrückliche Wertungen des geltenden Handelsbilanzrechtes außer Kraft zu setzen. Eine solche ge-
230 Zu dieser Kritik vgl. etwa Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 1970, S. 20Iff. und sehr pointiert Stütze 1, ZfgK 1959, 460; weiter Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl. 1995, § 253 Rdn. 225ff.; Emmerich, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 29 Rdn. 121; Lutter, DB 1978, S. 1965 (1966f.); Schulze zur Wiesch, Wpg 1987, S. 149ff. 231 Vgl. oben § 3 C III 3 c aa (Seite 85).
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setzliche Wertung ist jedoch in der Möglichkeit zur Bildung stiller Reserven durch ausdrücklich eingeräumte Wahlrechte enthalten.232 Hierdurch erklärt der Gesetzgeber dieses Gestaltungspotential grundsätzlich fur unbedenklieh. 233 Trotz der erheblichen Kritik an den stillen Reserven kann also nicht davon ausgegangen werden, daß die traditionelle Konzeption des handelsbilanziellen Gläubigerschutzes verdrängt wurde. Für den nur unterzeichneten Jahresabschluß ist daher bei der Beurteilung nachträglicher Wahlrechtsänderungen von der traditionellen Konzeption auszugehen, die an einer hohen Vermögensbindung orientiert ist. Legt man diese traditionelle Konzeption des handelsbilanziellen Gläubigerschutzes zugrunde, so gefährden gewinneutrale oder gewinnmindernde Wahlrechtsänderungen die handelsbilanziellen Gläubigerschutzmechanismen nicht. Im Falle gewinnmindernder Wahlrechtsausübungen käme es vielmehr sogar zu einer Stärkung des haftenden Vermögens. 234 Eine Beschränkung gewinneutraler und gewinnmindernder Wahlrechtsänderungen ist daher als nicht erforderlich abzulehnen. 235 Erforderlich und angemessen ist es auf der Grundlage der traditionellen Konzeption des handelsbilanziellen Gläubigerschutzes dagegen, gewinnerhöhende Wahlrechtsänderungen bereits unterzeichneter Jahresabschlüsse zu verhindern. 236 Hierdurch wäre es der Gesellschaft möglich, den Gläubigern nachträglich haftende Vermögenssubstanz bzw. die beschränkte persönliche Haftung des Kommanditisten zu entziehen. Die den Rechtsverkehr und die
232 Vgl. nur Crezelius, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, Anh. § 42a Rdn. 73; Glade, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986, Teil 1 Rdn. 273. 233 Zum Verhältnis zwischen true and fair view und Wahlrechtsausübung vgl. die Darstellungen bei Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5. Aufl. 1992, § 264 HGB Rdn. 59; Clemm, in: Festschrift für Budde, 1995, S. 135ff.; Crezelius, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, Anh. § 42a Rdn. 73 und Hoffmann, DB 1995, S. 182Iff. jeweils mit umfangreichen Nachweisen; zum Verhältnis der in gesetzlichen Regelungen und Grundsätzen ordnungsgemäßer Bilanzierung enthaltenen Wertungen zum true and fair view allgemein vor allem Beisse, in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 77ff. und Moxter, in: Festschrift für Budde, 1995, S. 419ff. 234 So insbesondere Nolte, DB 1963, Beilage 12, S. 1 235 So im Ergebnis auch Hoffmann, BB 1956, S. 569 (570); Nolte, DB 1963, Beilage 12, S. 1. 236 Vgl. auch Hoffmann, BB 1956, S. 569 (570).; Nolte, DB 1963, Beilage 12, S. 1.
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§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
Gläubiger schützende Wirkung der Kapitalerhaltung und Haftungsbestimmung würde dadurch in starkem Maße gefährdet. Eine Rechtssicherheit über das gebundene Vermögen der Kapitalgesellschaft oder den Haftungsumfang des Kommanditisten wäre nicht gewährleistet. Es ist daher zur Erhaltung der handelsbilanzrechtlichen Mechanismen der Kapitalerhaltung und Haftungsbestimmung erforderlich, solche Wahlrechtsänderungen auszuschließen. Angesichts der hohen Bedeutung dieser Gläubigerschutzmechanismen ist diese Beschränkung auch angemessen. Ein mögliches Interesse der Gesellschaft oder der Gesellschafter an einer nachträglichen Erhöhung des ausschüttbaren Gewinnes kann kein Recht auf nachträgliche Veränderung der Haftungsverhältnisses begründen. Hierin liegt auch kein schwerwiegender Eingriff in die Rechte aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG. Vielmehr werden die Gesellschaft bzw. die Gesellschafter allein an einer Disposition festgehalten, die zuvor frei getroffen werden konnte. Diese Bindung muß im Interesse der Rechtssicherheit und des Gläubigerschutzes hingenommen werden. Die Instrumentalisierung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses zur Kapitalerhaltung und Haftungsbestimmung führen mithin zu einer Bestandskraft, die sich nur gegen gewinnerhöhende Wahlrechtsänderungen richtet. bb)
Vereitelung der Selbstinformation über die Anzeige- und Einberufungspflichten nach § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG Zum gleichen Ergebnis fuhrt bei Kapitalgesellschaften die Selbstinformationsfunktion des Jahresabschlusses über die Anzeige- und Einberufungspflichten nach § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG. Auch diese verlangen allein ein Verbot nachträglicher Gewinnerhöhung. Die Schutzrichtung der Anzeige- und Einberufungspflichten macht es allein erforderlich, daß sich die geschäftsfuhrenden Organe dieser strafbewehrten und im öffentlichen Interesse liegenden Pflichten nicht nachträglich wieder entziehen können. Dies kann jedoch allein durch eine gewinnerhöhende Änderung der Wahlrechtsausübung geschehen. Eine gewinnneutrale oder gewinnmindemde Wahlrechtsausübung, die möglicherweise die Anzeige- und Einberufungspflichten nach § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG erst auslöst, beeinträchtigt den bezweckten Gläubiger- und Gesellschafterschutz dagegen nicht. Gewinnneutrale oder gewinnmindernde Wahlrechtsausübungen können folglich auch aus der Selbstinformationspflicht über die Anzeige- und Einberufungspflichten nach § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG nicht eingeschränkt werden. Die Beschränkung gewinnerhöhender Wahlrechtsausübung zur Aufrechterhaltung der Pflichten aus § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG er-
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
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scheint auch nicht unangemessen. Hiermit ist kein tiefgreifender Eingriff in die Rechte der Gesellschafter, wie dies etwa bei einer Konkursanmeldung wegen Überschuldung der Fall wäre, verbunden. Die Geschäftsführung der Gesellschaft verbleibt weiter bei deren Organen. Erheblichen persönlichen Konsequenzen sind möglicherweise zwar die Geschäftsführungsorgane selbst ausgesetzt, doch dies betrifft die Interessen der Gesellschaft als solcher nicht. Vielmehr ist eine mögliche Ablösung untauglicher Geschäftsfuhrungsorgane durch die Gesellschafter gerade Teil des gesetzlichen Normzweckes. Der handelsrechtliche Jahresabschluß erhält damit wegen seiner instrumenteilen Bedeutung für die Kapitalerhaltung und Haftungsbestimmung und für die Selbstinformation über die Anzeige- und Einberufungspflichten nach § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG nur eine einseitig gegen Gewinnerhöhungen gerichtete Bestandskraft. Während die Bestandskraft zur Vereitelung höherer Ausschüttungen auch von praktischer Relevanz ist, dürfte der zweite Grund für die Beschränkung gewinnerhöhender Wahlrechtsänderungen dagegen allein rechtstheoretischer Natur sein. Im Regelfall kann nämlich davon ausgegangen werden, daß die Geschäftsführungsorgane der Kapitalgesellschaften schon vor der Unterzeichnung nach § 245 HGB sämtliche Wahlrechte so ausgeübt haben, daß die öffentlichkeitswirksamen Pflichten nach § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG vermieden werden können. b) Beschränkung gewinnmindernder Änderungen Über diese Beschränkung gewinnerhöhender Wahlrechtsänderungen hinaus wird in der Literatur für die Kapitalgesellschaften aus den Ausschüttungsbegrenzungen in § § 5 7 AktG und § 30 Abs. 1 GmbHG auch eine Begrenzung gewinnmindernder Wahlrechtsänderungen angenommen. 238 •
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Für die Aktiengesellschaft wird diese Problematik ausführlich von Barz erörtert. Barz nimmt an, daß die Beschränkung der Ausschüttung in § 57
237 So auch W. Müller, ZGR 1985, S. 191 (206). 238 Vgl. Barz, in: Festschrift für Schilling, 1973, S. 127 (129); und für die GmbH ähnlich Goerdeler/W. Müller, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 29 Rdn. 44; SchulzeOsterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42 Rdn. 467. 239 Vgl. Barz, in: Festschrift für Schilling, 1973, S. 127 (129ff.).
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§ 3 Bestands kraft der Rechnungslegung des HGB
Abs. 3 AktG 240 auf den Bilanzgewinn es verbiete, einem Gewinnverwendungsbeschluß nachträglich die Grundlage zu entziehen. Diese Auffassung basiert teilweise auf einer Vermischung öffentlich-rechtlicher und zivilrechtlicher Aspekte. Soweit Barz die Beschränkung gewinnmindernder Wahlrechtsänderungen darauf stützt, daß eine Änderung des Gewinnverwendungsbeschlusses zu einem unzulässigen Eingriff in Gewinnansprüche Dritter fuhrt, 241 betrifft dies vorrangig nicht die hier problematisierte handelsbilanzrechtliche, sondern die gesellschafts- und zivilrechtliche Bestandskraft des Jahresabschlusses.242 Dem hier erörterten Themenkreis zuzuordnen ist dagegen das Argument, daß eine gewinnmindernde Wahlrechtsänderung grundsätzlich nicht zu einer Ausschüttung fuhren darf, die nicht mehr durch den ausgewiesenen Bilanzgewinn243 gedeckt ist. Um einen solchen Verstoß gegen § 57 Abs. 3 AktG zu vermeiden, sei eine gewinnmindernde Wahlrechtsänderung nur soweit zulässig, wie der verbleibende Bilanzgewinn die Ausschüttung noch deckt oder aber die Aktionäre die Ausschüttung zurückgewähren. 244 Dieser zweitgenannten Argumentation ist uneingeschränkt beizutreten. Sie resultiert aus einer konsequenten Auslegung der aktienrechtlichen Beschränkung der Ausschüttung auf den Bilanzgewinn in § 57 Abs. 3 AktG. Es wäre nämlich widersinnig, die Ausschüttung zunächst nur auf den ausgewiesenen Gewinn zu beschränken, der Gesellschaft aber zu gestatten, dieser Begrenzung nachträglich die rechnerische Grundlage zu entziehen. Die Beschränkung der Ausschüttung in § 57 Abs. 3 AktG hat daher für jeden gültigen Jahresabschluß zu gelten, unabhängig davon, ob er der Ausschüttung zeitlich vorausging oder nicht. Die Beschränkung gewinnreduzierender Wahlrechtsänderungen ergibt sich im Aktienrecht mithin unmittelbar aus § 57 Abs. 3 AktG. Wahlrechte dürfen nicht dazu genutzt werden, ursprünglich gesetzmäßige Gewinnverwendungen zu gesetzeswidrigen umzugestalten. Diese Beschränkung gewinnmindernder Wahlrechtsausübungen läßt sich als Verbot gesetzeswidriger Jahresabschlußgestaltungen grundsätzlich auch
240 Dies war bis 1994 in § 58 Abs. 5 AktG geregelt. Die Norm wurde durch Gesetz v. 2.8.1994, BGBl. I S. 1961 systematisch korrekt als Abs. 3 in § 57 eingefugt. 241 So a.a.O (Fußnote 239 auf Seite 121). 242 Vgl. dazu ausfuhrlich die Darstellungen in § 4 und § 5. 243 Zur aktienrechtlichen Abgrenzung des Jahresüberschusses vom Bilanzgewinn vgl. die Vorschriften zur Gewinn- und Verlustrechnung in § 158 AktG. 244 Barz, in: Festschrift für Schilling, 1973, S. 127 (128, 129).
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
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auf die GmbH übertragen. Auch hier besteht ein Verbot, zunächst rechtmäßige Ausschüttungen durch nachträgliche Gestaltungen rechtswidrig werden zu lassen. Allerdings geht es bei der GmbH nicht wie im Aktienrecht darum, dem Gewinnverwendungsbeschluß die rechtliche Grundlage zu entziehen. 245 Folgt man der herrschenden Meinung, so sind Ausschüttungen bei der GmbH nicht auf den ausgewiesenen Gewinn eines Jahres beschränkt. Vielmehr kann eine Ausschüttung auch unmittelbar aus freien Rücklagen erfolgen. 246 Zu einem gesetzeswidrigen Jahresabschluß durch Wahlrechtsänderung kann es hier daher nur dann kommen, wenn in der geänderten Bilanz nicht mehr genügend Aktiva zur Deckung des Stammkapitals ausgewiesen werden. Die Ausschüttung würde dann dazu führen, daß entgegen § 30 Abs. 1 GmbHG das Stammkapital zurückgewährt wird. 3.
Ergebnis
Im Ergebnis ist mithin festzuhalten, daß die Notwendigkeit und der Umfang der Bestandskraft eines gemäß § 245 HGB unterzeichneten Jahresabschlusses vorrangig von der Haftungsverfassung der kaufmännischen Unternehmen bestimmt werden. Bei offenen Handelsgesellschaften und Einzelkaufleuten besteht infolge der unbeschränkten persönlichen Haftung keine Notwendigkeit, eine Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse zu fordern. Zur Erfüllung der handelsrechtlichen Dokumentationsfunktionen ist es allein erforderlich, daß der geänderte Jahresabschluß als solcher erkennbar ist. Dagegen besteht bei allen haftungsbeschränkenden Gesellschaftsformen die Notwendigkeit einer Begrenzung nachträglicher Wahlrechtsausübungen. Diese resultiert vor allem daraus, daß es andernfalls möglich wäre, die dem Gläubigerschutz dienenden Kapitalerhaltungs- und Haftungsvorschriften zu unterlaufen. Die öffentlich-rechtliche Bestandskraft von Jahresabschlüssen ist allerdings auch hier nicht absoluter Natur. Sie beschränkt sich grundsätzlich auf ein Verbot gewinnerhöhender Wahlrechtsänderungen. Darüber hinaus kann bei den Kapitalgesellschaften aus den Ausschüttungsbegrenzungen in
245 Etwas mißverständlich daher Goerdeler/W. Müller, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 29 Rdn. 44. Allerdings setzt dieser nicht an den Kapitalerhaltungsvorschriften, sondern dem Schutz der Gewinnansprüche Dritter an. 246 Vgl. dazu die Nachweise oben in Fußnote 134 (Seite 83).
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§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
§ 57 Abs. 3 AktG und § 30 Abs. 1 GmbHG eine zusätzliche Beschränkung gewinnmindernder Wahlrechtsausübungen resultieren.
V.
Rechtsfolgen für die Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse
1.
Fortbestand der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht bei Fehlerhaftigkeit des Jahresabschlusses
Bei fehlerhaften handelsrechtlichen Jahresabschlüssen nimmt die ganz herrschende Auffassung247 an, daß diesen keinerlei Bestandskraft beizumessen sei. Vielmehr bestehe handelsrechtlich grundsätzlich eine Pflicht zur Berichtigung, denn durch einen fehlerhaften Jahresabschluß werde die kaufmännische Rechnungslegungspflicht nicht erfüllt. Grundlage dieser Auffassung ist jedoch nur selten eine an den öffentlichrechtlichen Funktionen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses orientierte Betrachtung, und auch dort wird auf eine explizite Herleitung der angenommenen Berichtigungspflicht verzichtet.248 Ausgangspunkt der postulierten handelsrechtlichen Berichtigungspflicht ist im Regelfall vielmehr die Nichtigkeit fehlerhafter Jahresabschlüsse nach § 256 AktG.249 § 256 AktG erfaßt
247 Vgl. Barz, in: Festschrift für Schilling, 1973, S. 127 (132); Budde/Müller, in: Beck'scher Bilanzkommentar, 2. Aufl. 1990, § 253 Rdn. 706f./ Geist, DStR 1996, S. 306 (307); Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 106; Hundertmark/Herms, BB 1973, S. 1051 (1052); IDW (Hrsg.), Stellungnahme HFA 2/1991, Änderung von Jahresabschlüssen und Anpassung der Handelsbilanz an die Steuerbilanz; Wpg 1992, S. 89 (90); W. Müller, in: Festschrift fiir Quack, 1991, S. 359 (362, 367); K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 46 Rdn. 24; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42 Rdn. 467; Lutter, in: Festschrift für Helmrich; 1994, S. 685 (694); Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 256 Rdn. 100; Weirich, Wpg 1976, S. 625 (627). 248 Einen ausdrücklichen Bezug zum Gläubigerschutz als öffentlich-rechtlicher Aufgabe des handelsrechtlichen Jahresabschlusses stellen allein Geist, DStR 1996, S. 306 (307); W. Müller, in: Festschrift fur Quack, 1991, S. 359 (367) her. Allerdings wird auch dort dieser Ansatz nicht weiter ausgeführt. 249 Vgl. insbesondere Barz, in: Festschrift für Schilling, 1973, S. 127 (132); Geist, DStR 1996, S. 306 (307); Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 106; Lutter, in: Festschrift für Helmrich, 1994, S. 685 (694); Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42 Rdn. 467; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 256 Rdn. 100.
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
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seinem Wortlaut und seinem Regelungszusammenhang nach aber nur den festgestellten Jahresabschluß, also den zur gesellschaftsrechtlichen Verbindlichkeit eines Jahresabschlusses fuhrenden Akt. 250 Die Anknüpfung der handelsrechtlichen Berichtigungspflicht an § 256 AktG beinhaltet der Sache nach eine Übertragung der gesellschaftsrechtlichen Nichtigkeit fehlerhafter Jahresabschlüsse in das Handelsbilanzrecht. Diese implizite Analogie scheint naheliegend, denn ebenso wie die gesamte handelsrechtliche Rechnungslegungspflicht dienen die gesellschaftsrechtlichen Nichtigkeitsgründe in § 256 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4 AktG ausdrücklich •ycund in § 256 Abs. 4, Abs. 5 AktG der ι Sache nach dem Schutz der Gläubiger. Einer solchen analogen Anwendung der Nichtigkeit festgestellter fehlerhafter Jahresabschlüsse auf den nach §§ 242 ff. HGB von allen Kaufleuten aufzustellenden und zu unterzeichnenden Jahresabschluß bedarf es jedoch nicht. Denn bereits aus dem in § 239 Abs. 2 HGB enthaltenen Gebot der sachlichen Richtigkeit läßt sich entnehmen, daß ein fehlerhafter Jahresabschluß den öffentlich-rechtlichen Rechnungslegungspflichten nicht entspricht. Weiter läßt sich zeigen, daß ein handelsrechtlicher Jahresabschluß, der materielle Fehler oder Gliederungsfehler aufweist, sämtliche der oben dargestellten handelsrechtlichen Jahresabschlußfunktionen verfehlt oder zumindest gefährdet und daher grundsätzlich zu berichtigen ist. a) Verfehlung der Dokumentationsfunktion Materielle Fehler und Gliederungsfehler beeinträchtigen die Dokumentationsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses sowohl hinsichtlich ihrer prozessualen als auch ihrer konkursorientierten Ausprägung. Eine Beeinträchtigung der prozessualen Ausprägung der Dokumentationsfunktion ist zum einen dann zu verzeichnen, wenn Verbindlichkeiten gegenüber Dritten weggelassen, oder falsch bewertet wurden oder aber durch eine unzureichende Gliederung aus der Bilanz nicht mehr ersichtlich sind. Zu berücksichtigen ist allerdings, daß Ansprüche Dritter bei Existenz mehrerer
250 Zur Funktion der Feststellung ausfuhrlich unten § 4 A II 2 (Seite 173ff.). 251 Zum Normzweck von § 256 Abs. IV und V AktG und deren Verhältnis zum Abs. 1 vgl. Hüffler, AktG, 2. Aufl. 1995, § 256 Rdn. 6f., 25ff.; Schilling, in: Großkommentar zum AktG, 3. Aufl. 1970, § 256 Anm. 4, 13f.; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 256 Rdn. 13, 33f. 252 Für eine ausführliche Darstellung des Gebotes der Wahrheit und Richtigkeit im Handelsbilanzrecht vgl. Leffson, Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Aufl. 1987, S. 193ff.
126
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
gleichartiger Verbindlichkeiten in der handelsrechtlichen Bilanz nicht einzeln, sondern zusammen in einer Gesamtposition ausgewiesen werden. Dies führt dazu, daß die Beeinträchtigung der prozessualen Dokumentationsfunktion durch einen fehlerhaften Jahresabschluß stark von der Größe des kaufmännischen Unternehmens abhängt. Während bei kleineren Unternehmen einzelne Verbindlichkeiten in der Bilanz oft noch als solche erkennbar sind, gehen diese bei größeren Unternehmen auch bei fehlerfreien Jahresabschlüssen in den Bilanzpositionen unter. Eine von der Größe des Unternehmens unabhängige Beeinträchtigung der prozessualen Ausprägung der Dokumentationsfiinktion bewirken materielle Fehler dagegen für den Nachweis gewinnabhängiger Ansprüche. Der Gewinn wird als rechnerische Saldogröße bei falscher Bewertung oder unvollständiger Bilanzierung notwendigerweise falsch und damit für den prozessualen Nachweis des Gewinnanteils als Grundlage untauglich. Eine vergleichbare Beeinträchtigung weist auch die konkursorientierte Dokumentation auf. Materielle Bilanzierungs- und auch Gliederungsfehler beeinträchtigen hier den im Unternehmenskonkurs gebotenen klaren und schnellen Einblick in den Bestand und Verbleib von Vermögensgütern. Die beiden letztgenannten Ausprägungen der Dokumentationsfunktion lassen eine Berichtigung von Fehlern also grundsätzlich als geboten erscheinen. b) Verfehlung der Selbstinformationsfunktion Gleiches gilt prinzipiell auch für den Zweck der Selbstinformation des Kaufmannes. Auch wenn der handelsrechtliche Jahresabschluß keine exakte Aussage über die Schuldendeckung im Liquidationsfalle zu liefern vermag, ist er ein wichtiges und vor allem das einzig gesetzlich vorgeschriebene Indiz für die Schuldendeckungsfähigkeit des Kaufmannes. Dabei verlangt der auf den präventiven Schutz der Gläubiger und des Rechtsverkehrs bezogene Sinn dieser Pflicht, erkannte Fehler des Jahresabschlusses möglichst zu korrigieren. Fehlerhafte Jahresabschlüsse bergen die Gefahr in sich, daß der Kaufmann fehlerhafte Entscheidungen trifft, die auf die Gläubiger durchschlagen. Diese Gefahr ist dabei um so größer, je gravierender der Fehler und je dünner die Eigenkapitaldeckung des Unternehmens ist. c) Verfehlung der Ausschüttungsbegrenzung und Vermögensabgrenzung Durch die Verknüpfung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses mit den Kapitalerhaltungsvorschriften des Kapitalgesellschaftsrechts und den Haftungsbestimmungen für den Kommanditisten erhalten materielle Bilanzie-
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
127
rungsfehler bei haftungsbeschränkten Gesellschaftsformen weiterhin eine nicht hinnehmbare materiell-rechtliche Außenwirkung. Materiell fehlerhafte handelsrechtliche Jahresabschlüsse beinhalten bei haftungsbeschränkten Gesellschaftsformen notwendigerweise eine den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechende Vermögensabgrenzung. Bei Aufrechterhaltung des fehlerhaften Jahresabschlusses werden die gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungsvorschriften und Haftungsbestimmungen daher nicht entsprechend den gesetzlichen Vorschriften ausgefüllt. Dies beinhaltet bei unzutreffenden Überbewertungen und unterlassener Aufnahme von Verbindlichkeiten eine unmittelbare Gefährdung der Gläubiger. Es wird der Gesellschaft bei Aufrechterhaltung der materiell-rechtlichen Wirkung des fehlerhaften Jahresabschlusses ermöglicht, aus der Vermögenssubstanz der Gesellschaft Gewinne mit haftungsbefreiender Wirkung auszuschütten, die zur Aufrechterhaltung des Kapitals beziehungsweise der Kommanditistenhaftung erforderlich wären. Es ist daher erforderlich, die Gläubiger vor solchen unzutreffenden und ihre Position unmittelbar beinträchtigenden Vermögensabgrenzungen zu schützen. Fehlerhafte Jahresabschlüsse, die eine tatsächlich unzutreffende Ausfüllung der Kapitalerhaltungs- und Haftungsvorschriften beinhalten, sind daher zu berichtigen.253
253 Diese aus der Ausschüttungsbegrenzung und Vermögensabgrenzung hergeleitete Forderung scheint zunächst als redundante Wiederholung der ohnehin schon in § 256 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4 und § 256 Abs. 5 enthaltenen Regelung. Obwohl auch die in § 256 AktG Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4 und § 256 Abs. 5 AktG enthaltenen Regelungen dem Schutz der Gläubiger durch tatsächliche Einhaltung der Kapitalerhaltungsvorschriften dienen, unterscheidet sich das hier gewonnene Ergebnis in zwei wesentlichen Punkten von § 256 AktG: Zum einen geht die hier gefundene handelsrechtliche Lösung durch Einbeziehung der strukturgleichen Probleme bei der Kommanditgesellschaft über den auf die AktG und (analog, siehe dazu näher unten § 4 C II (Seite 234ff.)) GmbH begrenzten Anwendungsbereich des § 256 AktG hinaus. Zum anderen stellen die Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses nach § 256 AktG und die hier hergeleitete Berichtigungspflicht des unterzeichneten Jahresabschlusses bei konsequenter Abgrenzung der rechtlichen Funktionen zwar aufeinander bezogene, rechtssystematisch jedoch klar voneinander trennbare Rechtsfolgen dar. Die rechtssystematische Trennung bei wesentlich gleichen Voraussetzungen bewirkt, daß Fehler sowohl zur Nichtigkeit der im unterzeichneten Jahresabschluß im Außenverhältnis enthaltenen Disposition über die Vermögensabgrenzung führen, als auch die mit der Feststellung bewirkte Willensbildung der Gesellschaft über die Ausübung der Disposition(Fortsetzung der Fußnote auf nächster Seite)
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§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
Die von der herrschenden Auffassung an die Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses in § 256 AktG angeknüpfte handelsrechtliche Pflicht zur Berichtigung fehlerhafter handelsrechtlicher Jahresabschlüsse läßt sich also auch unmittelbar den Funktionen der handelsrechtlichen Rechnungslegung entnehmen. Das aus den öffentlich-rechtlichen Funktionen ableitbare Bedürfnis zur Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse besagt jedoch noch nicht, wann ein Jahresabschluß als fehlerhaft im handelsrechtliche Sinne anzusehen ist und welchen Grenzen die Berichtigung unterliegt. 2.
Handelsrechtlicher Fehlerbegriff
Geht man davon aus, daß der handelsrechtliche Jahresabschluß gemäß § 242 Abs. 1 und 2 HGB die Vermögens- und Ertragslage des kaufmännischen Unternehmens darstellen soll, so erscheint die Frage nach dem Inhalt des handelsrechtlichen Fehlerbegriffs zunächst wenig problematisch. Ein fehlerhafter Jahresabschluß scheint bei unbefangener Betrachtung immer dann vorzuliegen, wenn die im Jahresabschluß dargestellte Vermögens- und Ertragslage von der tatsächlichen Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens oder aber den gesetzlichen Vorschriften abweicht. Diese klar und eindeutig erscheinende Bestimmung des Fehlerbegriffs verliert jedoch an Überzeugungskraft, wenn man berücksichtigt, daß es sich beim handelsrechtlichen Jahresabschluß notwendigerweise um eine Darstellung handelt, die auf den subjektiven Kenntnissen und Wertungen des Kaufmannes im Zeitpunkt der Aufstellung beruht. Dies fuhrt notwendigerweise dazu, daß die im handelsrechtlichen Jahresabschluß enthaltene Darstellung der Vermögens- und Ertragslage fast immer von der tatsächlichen - objektiven - Unternehmenslage abweicht. 254 Die Bilanzrechtswissenschaft strebt daher danach, die Verpflichtung zur Berichtigung von Jahresabschlüssen einzuschränken. Dabei lassen sich zwei Tendenzen erkennen: zum ersten eine Beschränkung der Fehlerhaftigkeit durch Übernahme des subjektiven Fehlerbegriffs des Steuerrechts und zum zweiten eine Beschränkung auf wesentliche Abweichungen.
befugnis entfällt. Damit wird auch im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis die Vor aussetzung für eine im öffentlich-rechtlichen Außenverhältnis erforderlich werdende neue Disposition über die im Jahresabschluß enthaltenen Gestaltungsrechte ermöglicht. Vgl. zum ganzen auch die Ausführungen unten § 4 A II 2 c (Seite 179f.) und § 4 Β II 4 c (Seite 223f.). 254 Vgl. W. Müller, in: Festschrift fur Quack, 1991, S. 359 (367).
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
129
a) Subjektiver Fehlerbegriff Ausgangspunkt des im Steuerbilanzrecht entwickelten subjektiven Fehlerbegriffes ist die Tatsache, daß die Steuerbilanz des Kaufmannes Bemessungsgrundlage der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer ist. Da die Steuerbilanz ebenso wie die Handelsbilanz Ausdruck der subjektiven Informationen und Wertungen des Kaufmannes im Zeitpunkt der Bilanzerstellung ist, ist die darauf aufbauende steuerliche Veranlagung notwendigerweise mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Hieraus resultiert im Steuerrecht ein Konflikt zwischen materieller Steuergerechtigkeit und Bestandsschutz der Veranlagung. Einerseits soll die Veranlagung die Einkommensverhältnisse und damit die steuerliche Leistungsfähigkeit möglichst zutreffend erfassen. Dies spricht dafür, sämtliche nach der Veranlagung erkannte Fehler der Bilanz zu berücksichtigen. Andererseits besteht das Bedürfnis, einmal erfolgte Veranlagungen möglichst aufrechtzuerhalten, was für eine Einschränkung der Berichtigung spricht. Diesen Konflikt lösen der BFH und die überwiegende Meinung durch eine Beschränkung der Berichtigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG auf subjektive Fehler. Nach diesem subjektiven Fehlerbegriff ist eine von den tatsächlichen Verhältnissen des Unternehmens abweichende Darstellung in der Bilanz nur dann als fehlerhaft anzusehen, wenn diese Abweichung dem Rechnungslegungspflichtigen bei pflichtgemäßer und gewissenhafter Prüfung der bis zur Bilanzerstellung verfügbaren Informationen erkennbar gewesen wäre. Der BFH fügt also ein subjektives Merkmal ein, das sowohl einen Maßstab für die erforderliche Auswertung von Informationen als auch eine zeitliche Begrenzung der relevanten Informationen enthält. Wertaufhellende Tatsachen, die erst nach der Bilanzerstellung bekannt werden, werden damit für die Beurteilung der Bilanz ausgeschlossen.256 Die Fehlerhaftigkeit einer Bilanz ist also nur durch eine idealtypische Auswertung der verfügbaren Informationen ex ante festzustellen, eine aufgrund neuer Informationen erst ex post erkennbare Abweichung ist dagegen irrelevant.
255 Grundlegend BFH BStBl III 1961, S. 3 = BFHE 72, 8; weiter: BFH II 1973, 700 = BFHE 109, 505; BStBl II 1982, 121 = BFHE 134, 311; aus der Literatur Herrmann/Heuer/Raupach, EStG und KStG, 21. Aufl. 1956/96, § 4 Anm. 75a; MüllerGattermann/ Dankmeyer in: Blümich, EStG 14. Aufl. 1994, § 4 Rdn. 369ff; Littman/Bitz/Meincke-Nieland, EStG, 14. Aufl. 1994, §§ 4, 5 Rdn. 540ff. jeweils mit umfangreichen Nachweisen. 256 Vgl. Weber-Grellet in: Kirchhof/Söhn, EStG, 1993, § 4 Rdn. C 107.
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§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
Die überwiegende Auffassung im Handels- und Gesellschaftsrecht geht davon aus, daß dieser im Steuerrecht entwickelte subjektive Fehlerbegriff auch für den handelsrechtlichen Jahresabschluß anzuwenden ist. 257 Eine Mindermeinung ist dagegen der Auffassung, daß es im Handelsbilanzrecht für die Fehlerhaftigkeit des Jahresabschlusses allein auf die objektive Abweichung des Jahresabschlusses von der tatsächlichen Vermögens- und Ertragslage ankomme. Ob dies bereits ex ante bei der Aufstellung des Jahresabschlusses erkennbar war, oder aber nur ex post durch später bekannt gewordene wertaufhellende Tatsachen erkennbar wurde, sei ohne Bedeutung. 58 Für eine solche Erweiterung des Fehlerbegriffes auf sämtliche objektive Abweichungen zwischen der Darstellung und der tatsächlichen Vermögensund Ertragslage scheint vor allem der im handelsrechtlichen Jahresabschluß enthaltene Zweck der Vermögensabgrenzung und Ausschüttungsbegrenzung zu sprechen. Die Übernahme des subjektiven Fehlerbegriffes führt nämlich zwangsläufig dazu, daß eine den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechende Vermögensabgrenzung und Gewinnausschüttung allein deshalb aufrecht erhalten wird, weil sie nur aufgrund nachträglicher Erkenntnisse, nicht aber ex ante erkennbar war. Eine solche Argumentation verkennt jedoch, daß diese Gefahrdung der Vermögensabgrenzung und Ausschüttungsbegrenzung im HGB selbst angelegt und im Interesse der gebotenen Rechtssicherheit auch hinnehmbar ist. Der handelsrechtliche Jahresabschluß ist schon seiner Natur nach nämlich
257 So ausdrücklich insbesondere W. Müller, in: Festschrift für Quack, 1991, S. 359 (367) und der Sache nach Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 256 AktG Rdn. 40, 49; IDW, Stellungnahme HFA 2/1991, Wpg 1992, S. 89 (90),Klein, Bilanzberichtigung und Änderung, Rdn. 7, in: Gnam, Handbuch der Bilanzierung,1988; H.-P. Müller, in: Festschrift für Budde, 1995, S. 431 (434); Schedlbauer, DB 1992, S. 2097 (2099); Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42 Rdn. 467 und für eine Abschichtungsbilanz aus der Rechtsprechung schon RGZ 68, 1 (2ff.). 258 So insbes. Flume, DB 1981, S. 2505f. und Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 256 Rdn. 46; diese beziehen sich allerdings auf die Nichtigkeit nach § 256 AktG, ohne zwischen der gesellschaftsrechtlichen und der öffentlich-rechtlichen Seite des handelsrechtlichen Jahresabschlusses zu unterscheiden. Ähnlich Hundertmark/ Herms, BB 1973, S. 1051 (1054). Für die entsprechende Mindermeinung im Steuerrecht vgl. nur Weber-Grellet in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 4 Rdn. C 105f. m.w.N.
C. Bestandskraft des unterzeichneten Jahresabschlusses
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keine exakte Rechnung, sondern immer mit Unsicherheit behaftet. 259 Dies zeigt sich vor allem an § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, wonach der Kaufmann bei der Aufstellung alle aus den bis dahin verfügbaren Informationen vorhersehbaren Verluste und Risiken zu berücksichtigen hat. Diese gesetzliche Verankerung des Vorsichtsprinzips zwingt den Kaufmann nicht nur, erkannte Verluste, sondern auch aufgrund der verfugbaren Informationen erkennbare Vermögensgefährdungen im Jahresabschluß in Form von Wertberichtigungen und Rückstellungen aufzunehmen. 260 Hieraus resultiert, daß die vom Kaufmann gesetzlich geforderte Vermögensdarstellung nur darauf abzielt, eine ex ante den verfugbaren Informationen entsprechende Prognose der Vermögenslage abzugeben.261 Die Fehlerfreiheit einer solchen Prognose kann sich aber nur danach bestimmen, ob sie ex ante alle verfugbaren Informationen in einer vertretbaren Weise berücksichtigt, nicht aber danach, ob die Prognose ex post tatsächlich eintrifft. Andernfalls wäre die Erfüllung der dem Kaufmann obliegenden Pflicht fehlerfreier Bilanzierung objektiv unmöglich. Weiter würde dies dazu führen, daß die Pflicht zur Aufstellung eines fehlerfreien Jahresabschlusses letztlich nie abgeschlossen werden könnte. Der prognostische Charakter des handelsrechtlichen Jahresabschlusses spricht daher dagegen, bloße objektive Abweichungen schon als Fehler anzusehen. Darüber hinaus würde durch einen objektiven Fehlerbegriff auch die im Interesse des Rechtsverkehrs erforderliche Rechtssicherheit gefährdet. Die Anwendung eines objektiven Fehlerbegriffes führt dazu, daß eine handelsrechtliche Bilanz letztlich nie als fehlerfrei und damit als bestandskräftig anzusehen wäre. 262 Die hieraus resultierende Rechtsunsicherheit ist aber weder mit dem Zweck einer objektiven und verläßliehen Abgrenzung der Vermögenssphären und Ausschüttungsbegrenzung noch mit der prozessualen
259 Ähnlich Klein, Bilanzberichtigung und Änderung, Rdn. 7, in: Gnam, Handbuch der Bilanzierung, 1988; Schedlbauer, DB 1992, S. 2097 (2099) (allerdings bezogen auf § 256 AktG). 260 Zum Inhalt und den Konsequenzen des Vorsichtsprinzips vgl. vor allem Leffson, Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Aufl. 1987, S. 465ff. 261 Ähnlich Klein, Bilanzberichtigung und Änderung, Rdn. 7, in: Gnam, Handbuch der Bilanzierung, 1988; Schedlbauer, DB 1992, S. 2097 (2099); und für die verwandte steuerrechtliche Problematik Herrmann/Heuer/Raupach, EStG und KStG, 21. Aufl. 1956/96, § 4 EStG Anm. 75a. 262 Vgl. W. Müller, in: Festschrift für Quack, 1991, S. 359 (367) und für den Fall einer Abschichtungsbilanz RGZ 68, 1 (2ff.).
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§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
Beweisftinktion für gewinn- und vermögensabhängige 263 Ansprüche vereinbar. Der im Steuerrecht entwickelte subjektive Fehlerbegriff ist daher im Ergebnis auch auf den handelsrechtlichen Jahresabschluß anzuwenden. Ein handelsrechtlicher Jahresabschluß ist mithin dann fehlerhaft und vom Kaufmann 2xi berichtigen, wenn er entweder gegen gesetzliche Vorschriften verstößt oder von den tatsächlichen Verhältnissen abweicht und diese Abweichung im Zeitpunkt der die Aufstellung abschließenden Unterzeichnung bei pflichtgemäßer Prüfung aller zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Informationen erkennbar gewesen wäre. Später erlangte wertaufhellende Informationen begründen dagegen keinen Fehler. Sie sind notwendige Bestandteile des handelsrechtlichen Jahresabschlusses und lassen im Interesse der Rechtssicherheit dessen Bestandskraft unberührt.264 b) Wesentlichkeit der Abweichung Literatur und Rechtsprechung nehmen überwiegend an, daß die Pflicht zur Berichtigung des Jahresabschlusses neben der Beschränkung auf subjektive Fehler zudem durch ein Wesentlichkeitserfordernis beschränkt sei. Eine Pflicht zur Berichtigung bestehe nur dann, wenn der handelsrechtliche Jahresabschluß ohne Berichtigung eine von der tatsächlichen Vermögens- oder Ertragslage - bezogen auf den gesamten Jahresabschluß - wesentliche Abweichung beinhalten würde. Ansonsten genüge eine Richtigstellung im jeweils nächsten Jahresabschluß.265
263 So insbesondere schon RGZ 68, 1 (2ff.). 264 A.A. jedoch 1DW (Hrsg.), Stellungnahme HFA 2/1991, Wpg 1992, S. 89 (90), das auch hier eine Berichtigung bei gewichtigen Gründen zulassen will. 265 BGHZ 83, S. 341 (347); Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfimg der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 256 AktG Rdn. 37, 47f.; Budde/Karig; in: Beck'scher Bilanzkommentar, 2. Aufl. 1990, § 264 Rdn. 58; Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 256 Rdn. 7; ders. in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 87.; Geist, DStR 1996, S. 306; Kowalski, AG 1993, S. 502 (503); Pochmann, Grenzen zwischen Bilanzänderung und Bilanzberichtigung, 1964, S. 20; Schilling, in: Großkommentar zum AktG, 3. Aufl. 1970, § 256 Anm. 4; Schedlbauer, DB 1992, S. 2097 (2099); Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42a Rdn. 30; Weirich, Wpg 1976, S. 625 (626) jeweils m.w.N.; sowie bei gleichzeitiger Zugrundelegung eines objektiven Fehlerbegriffs Hundertmark/Herms, BB 1973, S. 1051 (1052); Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 256 Rdn. 25, 45. Anderer Ansicht dagegen Godin/Wilhelmi, AktG, 4. Aufl. 1971, § 256 Anm. 10.
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Ausgangspunkt dieser Auffassung ist meist die Erörterung der aktienrechtlichen Nichtigkeitsgründe nach § 256 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4, Abs. 4, Abs. 5 AktG.266 Dabei wird das Kriterium der Wesentlichkeit teilweise in dem die Nichtigkeit begründenden Fehlerbegriff, teilweise aber auch erst in der Berichtigungspflicht als Rechtsfolge angesiedelt.268 Unabhängig von der Ansiedlung des Wesentlichkeitserfordemisses in den Voraussetzungen der Nichtigkeit oder aber in der Berichtigungspflicht als Rechtsfolge stützt sich diese Auffassung im Kern darauf, daß die Berichtigung unwesentlicher Abweichungen für den gebotenen Einblick 970 in die VerΛίΛ mögens- und Ertragslage nicht notwendig, ja sogar willkürlich, sei. Erhebliche Kritik haben dagegen die von Kowalski zusätzlich vorgetragenen Argumente der Kosten und des Reputationsverlustes erfahren. Dieser nimmt an, daß es dem Kaufmann nicht zuzumuten sei, für geringfügige Abweichungen die Kosten einer Berichtigung und die aus einer Berichtigung resultierende Gefahr eines erheblichen Reputationsverlustes am Markt hinzu971 nehmen. Hiergegen wird eingewandt, daß es für die Beurteilung der Bestandskraft fehlerhafter Jahresabschlüsse 979 nicht auf eine unternehmerische Kosten-Nutzen-Analyse ankommen dürfe. Diese Kritik verkennt jedoch, daß es zumindest für die öffentlich-rechtliche Seite der Berichtigung eines handelsrechtlichen Jahresabschlusses gerade auf eine solche Abwägimg ankommt. Da die handelsrechtliche Rechnungslegungspflicht des HGB als besonderes Ordnungsrecht anzusehen ist, unterliegen die daraus 27-5 resultierenden Pflichten dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzip. Bei der im
266 Vgl. vor allem die in der vorausgegangenen Fußnote 265 enthaltene aktiengesellschaftsrechtliche Literatur. 267 So etwa Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 256 AktG Rdn. 37, 47f.; Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1984, § 256 Rdn. 97; Schedlbauer, DB 1992, S. 2097 (2099). 268 So etwa Kowalski, AG 1993, S. 502 (503). 269 Vgl. etwa Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 256 AktG Rdn. 37, 47f.; Weirich, Wpg 1976, S. 625 (626) und Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 256 Rdn. 7, der dies zusätzlich auf einen in § 256 Abs. IV AktG erkennbaren Rechtsgedanken stützt. 270 So vor allem Hundertmark/Herms, BB 1973, S. 1051 (1052). 271 Vgl. Kowalski, AG 1993, S. 502 (503). 272 Vgl. Geist, DStR 1996, S. 306 (308f.). 273 Vgl. dazu schon oben bei den Grenzen der Bilanzänderung in § 3 C IV 2 (Seite 115ff.) sowie W. Müller, in: Festschrift für Moxter, 1994, S. 75 (82ff.).
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Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips durchzuführenden Abwägung ist dabei dann in der Tat zu prüfen, ob die für den rechnungslegungspflichtigen Kaufmann bei einer Berichtigungspflicht entstehenden Belastungen erforderlich und angemessen sind, um die gesetzlichen Funktionen der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht zu erfüllen. Der Kritik an der Auffassung von Kowalski ist daher nur insoweit zuzustimmen, daß es sich bei dieser Abwägung nicht um eine unternehmerische Kosten-Nutzen-Analyse handeln darf, sondern um eine an objektiven Maßstäben und dem Gesetzeszweck orientierte Betrachtung. Diese Notwendigkeit, das Bestehen einer Berichtigungspflicht anhand des Verhältnismäßigkeitprinzips zu beurteilen, zeigt zugleich, wo die Probleme der in der Literatur gewählten Begründungsansätze für das Wesentlichkeitserfordernis liegen. Die Anknüpfung an die Nichtigkeit' nach § 256 AktG läßt meist nicht erkennen, ob die mangelnde Notwendigkeit oder gar Willkürlichkeit der Berichtigung unbedeutender Abweichungen aus den gesellschaftsrechtlichen oder den öffentlich-rechtlichen Funktionen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses hergeleitet wird. Es läßt sich jedoch zeigen, daß die überwiegend angenommene Beschränkung auf wesentliche Abweichungen auch dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entspricht. Eine Pflicht zur Berichtigung unwesentlicher Abweichungen ist nämlich zur Erreichung der oben dargestellten handelsrechtlichen Funktionen des Jahresabschlusses weder erforderlich noch geboten. Die Dokumentationsfunktion des Jahresabschlusses wird durch unwesentliche Abweichungen des Jahresabschlusses von der tatsächlichen Vermögens- und Ertragslage nicht beeinträchtigt. Die konkursorientierte Ausprägung der Dokumentationsfunktion ist im wesentlichen unabhängig davon, ob bei der Bewertung oder Gliederung geringfügige Abweichungen bestehen, denn ein exakter Nachweis der Vermögenslage wird durch den Jahresabschluß ohnehin nicht erreicht.274 Gleiches gilt für den prozessualen Nachweis der Ansprüche Dritter aus Geschäftsbeziehungen mit dem Kaufmann. Diese gehen im Regelfall ohnehin in den Bilanzpositionen auf. Lediglich dann, wenn eine Bilanzposition nur einen Anspruch umfaßt, führt der fehlerhafte Ausweis dieser Position zu einer Beeinträchtigung des prozessualen Nachweises des Anspruches. Dem kann aber dadurch begegnet werden, daß der Fehler in diesem Fall als wesentlich angesehen wird. Die Beeinträchtigung der prozessualen Dokumentation
274 Vgl. dazu auch oben Seite 130f.
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gewinnabhängiger Ansprüche hängt davon ab, ob diese Ansprüche der Gesellschafter oder Dritter bei geringfügigen Fehlern angepaßt werden müssen. Dies ist - wie in den folgenden Kapiteln noch gezeigt wird275 - nicht der Fall. Die Aufrechterhaltung geringfügiger Abweichungen ist hier also sogar geboten. Auch die Selbstinformationsfunktion des Jahresabschlusses wird durch geringfügige Abweichungen offensichtlich nicht beeinträchtigt, denn der Informationsgehalt des handelsrechtlichen Jahresabschlusses ist für eine exakte Darstellung der Schuldendeckungsfahigkeit ohnehin unzureichend. Weniger offensichtlich ist dagegen, ob die bei haftungsbeschränkten Gesellschaftsformen im Jahresabschluß enthaltene Vermögensabgrenzung und Ausschüttungsbegrenzung durch geringfügige Fehler beeinträchtigt wird. Die in der Unterzeichnung des Jahresabschlusses enthaltene Festlegung der Höhe des ausschüttbaren Vermögens und des Haftungsumfangs der Kommanditisten276 scheint es erforderlich zu machen, hier im Interesse der Gläubiger jede fehlerhafte Vermögens- und Haftungsabgrenzung zu korrigieren.27 Diese sehr strikte Auffassung setzt jedoch voraus, daß der handelsrechtliche Jahresabschluß überhaupt dazu bestimmt ist, eine objektiv exakte Vermögensdarstellung und -abgrenzung zu bewirken. Dies ist aber nicht der Fall. Die handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften sind vielmehr nur darauf ausgelegt, eine im wesentlichen zutreffende Darstellung der Vermögenslage zu erzielen. Eine in jeder Hinsicht exakte, mit der tatsächlichen Vermögenslage in allen Details übereinstimmenden Darstellung, ist dagegen weder möglich noch gesetzlich vorgeschrieben. Dies zeigt sich vor allem darin, daß das Handelsbilanzrecht unter anderem in §§ 240 Abs. 3 und 4 HGB Bewertungsvereinfachungen in Kauf nimmt, die notwendigerweise zu einer geringfügig falschen Darstellung der Vermögenslage führen.278 Das Handelsbilanzrecht ist also von vornherein nicht auf eine wirklich exakte Bestimmung der Vermögenssphären gerichtet. Es nimmt geringfügige Ungenauigkeiten bei der Be-
275 Vgl. dazu vor allem unten § 4 Β II 2 a cc (1) (a) (Seite 295). 276 Vgl. dazu oben § 3 C III 3 c bb (Seite 86). 277 Auf dieser Überlegung scheint die von Goditi/Wilhelmi, AktG, 4. Aufl. 1971, § 256 Aran. 10 vertetene Auffassung zu beruhen, daß auch Bagatellverstöße bei einer Aktiengesellschaft zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 Abs. V Nr. 1 AktG führen. 278 Vgl. dazu Glade, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986, § 240 Rdn. 42ff. und die umfassende Darstellung der Bewertungsvereinfachungen bei Faller, BB 1985, S. 2017ff.
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Stimmung der Abgrenzung der Vermögenssphären und der Ausschüttungsbegrenzung bewußt in Kauf. Die Forderung nach einer Pflicht zur Berichtigung von Abweichungen, die sich in Relation zum Gesamtvermögen als gering darstellen, mißt dem handelsrechtlichen Jahresabschluß also eine Exaktheit bei, die dieser nicht aufweist. Eine Pflicht zur Berichtigung unwesentlicher Ungenauigkeiten würde zu einer bloßen Scheingenauigkeit führen. Dies ist um so weniger hinzunehmen, als gerade auch die Gläubiger ein Interesse an objektiver Rechtssicherheit hinsichtlich der Vemögens- und Haftungsverhält970 nisse der haftungsbeschränkten Unternehmen haben. Diese objektive Rechtssicherheit wäre bei einer Pflicht zur Neuerstellung auch bei unwesentlichen Fehlern nicht mehr gegeben. Im Ergebnis ist damit der überwiegenden Auffassung in der Bilanzrechtslehre zuzustimmen. Die öffentlich-rechtlichen Funktionen des Jahresabschlusses erfordern keine Berichtigung unwesentlicher Ungenauigkeiten im handelsrechtlichen Jahresabschluß. Die bei der Vermögens- und Haftungsbestimmung erforderliche Rechtssicherheit gebietet im Gegenteil sogar, Berichtigungen möglichst nur auf wesentliche Abweichungen zu begrenzen. Eine Möglichkeit zur Berichtigung unwesentlicher Fehler ist daher grundsätzlich abzulehnen, dürfte wegen des mit einer Belichtung verbundenen Aufwandes zumindest bei prüfungspflichtigen Unternehmen in der Praxis auch kaum vorkommen. Weiter lassen die sytembedingte Ungenauigkeit des Jahresabschlusses und die Beeinträchtigung der Rechtssicherheit durch die Berichtigung nur unwesentlicher Ungenauigkeiten es geboten erscheinen, das Erfordernis der Wesentlichkeit unmittelbar in den handelsrechtlichen Fehlerbegriff aufzunehmen und nicht nur als bloße Beschränkung der Berichtigungspflicht auf der Rechtsfolgenseite anzusehen. Der überwiegenden Auffassung kann aufgrund der oben dargestellten Argumente weiterhin auch darin zugestimmt werden, daß die Wesentlichkeit einer Abweichung grundsätzlich an den Gesamtverhältnissen des Unternehmens und nicht an den Auswirkungen auf einzelne Bilanzposten zu bemessen ist. Entsprechend der Funktion der Vermögensabgrenzung und Ausschüttungsbemessung sind Bewertungs- oder Gliederungsfehler dann wesentlich, wenn sie zu einer signifikanten Veränderung des gebundenen und nicht aus-
279 In diese Richtung auch W. Müller, in: Festschrift für Quack, 1991, S. 359 (370), der in Frage stellt, ob kleine Fehler als Anlaß für umfängliche Veränderungen des Jahresabschlusses genommen werden dürfen.
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schüttbaren Vermögens oder dessen Aufgliederung fuhren. Lediglich dann, wenn Ansprüche Dritter bei korrekter Bilanzierung oder Bewertung in einem einzelnen Bilanzposten so konkret abgebildet würden, daß die Bilanz zum Beweis der Einzelforderung tauglich wäre, ist ausnahmsweise wegen der prozessualen Dokumentationsfunktion auch auf den einzelnen Bilanzposten abzustellen. 3.
Umfang und Grenzen der Berichtigung
Durch die Begrenzung des handelsrechtlichen Fehlerbegriffes auf die im Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses 280 bei pflichtgemäßer Prüfung erkennbaren und auch wesentlichen Abweichungen ist zwar geklärt, wann eine Berichtigung erfolgen kann und muß. Nicht geklärt ist jedoch, in welchem Umfang eine solche Berichtigung vorgenommen werden muß. Diese Frage nach dem Umfang der Berichtigung umfaßt im wesentlichen drei Aspekte: • Darf der Kaufmann im Zuge der Berichtigungen den gesamten Jahresabschluß, insbesondere durch erneute Ausübung der Wahlrechte, neu gestalten, oder muß er sich auf eine Berichtigung allein der fehlerhaften Bilanzpositionen beschränken? • Muß bei der Berichtigung nur der Kenntnisstand des ursprünglichen Unterzeichnungszeitpunktes zugrunde gelegt werden, oder sind nunmehr auch später bekannt gewordene wertaufhellende Tatsachen zu berücksichtigen? • Unterliegt eine aus der Berichtigung des Jahresabschlusses resultierende Veränderung des Gewinnausweises einer Beschränkung durch die gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungsvorschriften? a) Neuausübung der Wahlrechte Die Frage, ob der Kaufmann im Zuge der Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse nur fehlerhafte Bilanzpositionen berichtigen kann oder aber die gesamte Bilanz neu gestalten darf, wird von der handelsbilanzrechtlichen Literatur im Sinne eines Rechts zu umfassenden Neugestaltungen des han-
280 Genauer: dem Zeitpunkt des Abschlusses der Aufstellung des Jahresabschlusses durch Unterzeichnung nach § 245 HGB.
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delsrechtlichen Jahresabschlusses beantwortet. Der fehlerhafte Jahresabschluß sei insgesamt nichtig. Es gebe keine Teilnichtigkeit. Daher sei der Jahresabschluß nicht nur in den fehlerhaften Positionen, sondern insgesamt ohne rechtliche Bedeutung. Der fehlerhafte Jahresabschluß sei nur tatsächlieh, nicht aber rechtlich existent. Die Berichtigung sei daher rechtlich keine Veränderung eines vorausgegangenen, sondern eine erstmalige Aufstellung eines der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht entsprechenden Jahresabschlusses.283 Sämtliche Wahlrechte können folglich neu ausge9R4
übt werden. Diese sehr weitgehende Auffassung ist Ausdruck einer von der zivilrechtlichen Nichtigkeit geprägten Betrachtung. Ihr liegt im Kern die Annahme zugrunde, daß der handelsrechtliche Jahresabschluß ein Rechtsgeschäft darstelle, das nur insgesamt, nicht aber hinsichtlich einzelner Positionen der Rechtsfolge der Nichtigkeit unterliegen könne. Diese ausschließlich zivilrechtlich geprägte Argumentationsweise ist im Rahmen der hier erörterten öffentlich-rechtlichen Bedeutung des Jahresabschlusses bereits aus rechtsdogmatischer Sicht bedenklich. Weiter ist bedenklich, daß hierdurch eine pflichtwidrig handelnde Gesellschaft besser stünde als die korrekt handelnde. Während Kapitalgesellschaften und Kommanditgesellschaften mit fehlerfreien unterzeichneten Jahresabschlüssen in TQCder nachträglichen Änderung der Wahlrechtsausübungen beschränkt sind, würde nach dieser Auffassung die pflichtwidrige Bilanzierung von dieser Beschränkung befreien. Der pflichtwidrig handelnden Gesellschaft würde also ein größerer Gestaltungsspielraum eröffnet als der pflichtmäßig handelnden. Eine solche Bevorzugung pflichtwidrigen Verhaltens ist nicht hinnehmbar.286 Zudem würde bei einem umfassenden Neugestaltungsrecht die Berichtigung von Fehlern zu einer erheblichen Schwächung des Gläubigerschutzes
281 Vgl. Hundertmark/Herms, BB 1973, S. 1051 (1051); Pochmann, Grenzen zwischen Bilanzänderung und Bilanzberichtigung, 1964, S. 23; Weirich, Wpg 1976, S. 625 (626). 282 So vor allem Geist, DStR 1996, S. 306 (307). 283 Vgl. Lutter, in: Festschrift für Heimlich, 1994, S. 685 (694); W. Müller, in: Festschrift fur Quack, 1991, S. 359 (369) (jeweils m.w.N.). 284 Adler, Wpg 1949, S. 109 (112); Budde/Müller, in: Beck'scher Bilanz-Kommentar, 2. Aufl. 1990, § 253 Rdn. 707; Klein, Bilanzberichtigung und Änderung, Rdn. 10, in: Gnam, Handbuch der Bilanzierung, 1988. 285 Vgl. oben § 3 CIV 2 (Seite 115ff.). 286 Vgl. so für das parallel gelagerte Problem der steuerrechtlichen Berichtigung Greiner, Die steuerliche Bilanzberichtigung und Bilanzänderung, 1966, S. 117.
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durch Vermögensabgrenzung und Ausschüttungssperre führen. Die der zutreffenden Abgrenzung der Vermögensspähren dienende Berichtigung kann nun dazu genutzt werden, durch gewinnerhöhende Ausübung von Gestaltungsrechten die Vermögensbindung im Unternehmen zu mindern. Diese Erhöhung des Ausschüttungspotentials ist vor allem dann bedenklich, wenn sie bei einer sich abzeichnenden oder schon eingetretenen Unternehmenskrise stattfindet. Ein umfassendes Recht zur Neugestaltung des Jahresabschlusses ist wegen dieser Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen daher zumindest bei Kapitalgesellschaften und der Kommanditgesellschaft abzulehnen. Die bei der Neuaufstellung eines fehlerhaften Jahresabschlusses notwendige Wahlrechtsausübung darf ähnlich wie bei der Wahlrechtsänderung zu keiner Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen fuhren. Dies läßt es angezeigt erscheinen, die Gesellschaft zwar nicht an die einzelne Wahlrechtsausübung zu binden, eine den ausschüttbaren Gewinn insgesamt erhöhende Ausübung von Wahlrechten dagegen als unzulässig anzusehen. Nicht ganz unbedenklich erscheint es darüber hinaus, eine Kompensation gewinnmindernder Fehlerberichtigungen durch gewinnerhöhende Wahlrechtsausübungen zuzulassen. Da hierdurch im Ergebnis aber keine reale Veränderung der Vermögensabgrenzung stattfindet, sondern die zuvor fehlerhaft vorgenommene nur darstellungsneutral korrigiert wird, ist auch ein solcher Wahlrechtseinsatz hinnehmbar. Damit ist eine umfassende Neugestaltung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses anläßlich einer Berichtigung nur dem Einzelkaufmann und der OHG erlaubt. Kapitalgesellschaften und Kommanditgesellschaften sind dagegen darauf beschränkt, die Wahlrechte zur gewinneutralen Kompensation der Fehler oder Minderung des Gewinnes einzusetzen. Eine Erhöhung des ausschüttbaren Gewinns ist ihnen dagegen verwehrt. b) Wertaufliellende Tatsachen Bei der Berichtigung eines als fehlerhaft erkannten Jahresabschlusses stellt sich hinsichtlich des Umfanges der Berichtigung weiter die Frage, welche Informationen in den neuen Jahresabschluß einzubeziehen sind. Problematisch ist dabei die Einbeziehung wertaufhellender Tatsachen, die seit der Unterzeichnung des ursprünglichen Jahresabschlusses bis zur erneuten Aufstellung und Unterzeichnung bekannt geworden sind. Das Schrifttum nimmt überwiegend an, daß der Kaufmann diese neu bekannt gewordenen Tatsachen grundsätzlich zwar berücksichtigen darf, hierzu aber nicht verpflichtet ist. Eine Pflicht zur Berücksichtigung bestehe allein dann, wenn die Berichtigung des Fehlers sich gewinnerhöhend auswirke.
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Dann müßten gegenläufige wertaufhellende Tatsachen einbezogen werden, soweit diese eine die Gewinnerhöhung kompensierende Wirkung entfalten. 287 Diese Annahme eines weitgehenden Wahlrechtes bei der Berücksichtigung wertaufhellender Tatsachen ist widersprüchlich und mit § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB nicht vereinbar. Das Schrifttum geht, wie oben dargestellt,288 davon aus, daß der fehlerhafte Jahresabschluß keine rechtliche Bedeutung erlangt hat und die Berichtigung daher rechtlich als erstmalige Pflichterfüllung anzusehen ist. Dann müssen für diese erstmalige Erfüllung der Jahresabschlußpflicht aber notwendigerweise auch sämtliche Vorschriften des Handelsbilanzrechtes in vollem Umfange gelten; also auch die Pflicht zur Berücksichtigung aller während der Aufstellung bekannt gewordenen wertaufhellenden Tatsachen nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB. 289 Das Schrifttum widerspricht mit der Einräumung eines weitgehenden Wahlrechtes also seiner eigenen rechtlichen Bewertung des Jahresabschlusses. Darüber hinaus würde ein solches Wahlrecht es dem fehlerhaft bilanzierenden Kaufmann ermöglichen, die handelsrechtliche Rechnungslegungspflicht nunmehr sogar durch einen bewußt unzutreffenden Jahresabschluß zu erfüllen. Die Zulässigkeit einer bewußt falschen Rechnungslegung ist aber weder mit dem Wesen der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht vereinbar, noch mit dem Erklärungsinhalt der Unterzeichnung. Es ist sinnwidrig, in der Unterzeichnung nach § 245 HGB einerseits eine Verantwortungsübernahme für den Inhalt zu sehen 290 und gleichzeitig einen schon im Zeitpunkt der Unterzeichnung als fehlerhaft erkennbaren Inhalt zuzulassen. Zudem könnte die Unterzeichnung dann auch nicht mehr die ihr über § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB zukommende Funktion, den in den handelsrechtlichen Jahresabschluß einbezogenen Kenntnisstand zu bestimmen, 291 erfüllen. Ein Wahlrecht bei der Einbeziehung wertaufhellender Tatsachen, die nach der fehlerhaften Jahresabschlußerstellung, aber vor Unterzeichnung des berich-
287 IDW (Hrsg.), Stellungnahme HFA 2/1991, Wpg 1992, S. 89 (90); W. Müller, in: Festschrift für Quack, 1991, S. 359 (369); ähnlich Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 172 Rdn. 21. 288 Vgl. oben beim Umfang der Berichtigung unter § 3 C V 1 (Seite 124ff.). 289 So wohl auch Barz, in: Festschrift für Schilling, 1973, S. 127 (in Fußnote 49 auf S. 138). 290 Vgl. dazu oben § 3 C III 1 b (Seite 63f.). 291 Vgl. zu dieser selten beachteten Ausprägung der Dokumentationsfunktion der Unterzeichnung schon oben bei § 3 C I (Seite 48) sowie in diesem Sinne auch Erle, Wpg 1987, S. 637 (641); Moxter, Bilanzlehre, Band II, 3. Aufl. 1983, S. 36.
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tigten Jahresabschlusses bekannt geworden sind, ist daher abzulehnen. Der Kaufmann hat bei der Berichtigung des Jahresabschlusses vielmehr alle in diesem Zeitpunkt bekannten wertaufhellenden Tatsachen zu berücksichtigen. Andernfalls ist der berichtigte Jahresabschluß wiederum als fehlerhaft anzusehen. c) Beschränkung durch Gewinnverwendungsbeschluß und Ausschüttung Ähnlich der hier zum Umfang der Bilanzänderung vertretenen Auffassung 292 nehmen einige Stimmen im Schrifttum 293 an, daß bei den Kapitalgesellschaften der Umfang einer Berichtigung durch Gewinnverwendungsbeschluß und tatsächliche Gewinnausschüttung beschränkt werde. Durch eine Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse dürfe einem bereits erfolgten Gewinnverwendungsbeschluß und einer bereits erfolgten Gewinnausschüttung nicht die Grundlage entzogen werden. Lediglich dann, wenn infolge eines Bilanzierungsfehlers Gewinne ausgeschüttet wurden, durch die das Stamm- oder Grundkapital angegriffen wurde, bestehe eine Pflicht zur Berichtigung. Diese sehr weitgehende Auffassung im Gesellschaftsrecht mißt sowohl dem Gewinnverwendungsbeschluß als auch der Gewinnausschüttung im Ergebnis eine zu große Bedeutung bei. Sie trennt nicht hinreichend zwischen möglichen Beschränkungen im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis und der handelsbilanziellen Berichtigungspflicht. Bei einem handelsbilanziell fehlerhaften Jahresabschluß ist im Regelfall auch der Gewinnverwendung die Grundlage entzogen. Bei der Aktiengesellschaft und der GmbH zieht ein Verstoß gegen die handelsbilanziellen Vorschriften die Nichtigkeit der gesellschaftsrechtlichen Feststellung des Jahresabschlusses nach § 256 AktG (analog) und zugleich die Nichtigkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses gemäß § 253 Abs. 1 AktG (analog) nach sich. 294 Damit entfaltet der Gewinnverwendungsbeschluß bereits gesellschaftsrechtlich keine Wirkung, ein unentziehbares Gewinnrecht der Gesellschafter oder Aktionäre, dem die Grundlage entzogen werden könnte, besteht
292 Vgl. dazu oben § 3 C IV 2 a (Seite 117ff.). 293 Vgl. Hundertmark/Herms, BB 1973, S. 1051 (1053); Goerdeler/W. Müller, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 29 Rdn. 197; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 46 Rdn. 24; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42 Rdn. 467. 294 Zur hier unterstellten inhaltlichen Identität des Fehlerbegriffes im Handelsbilanzrecht und in § 256 AktG sowie die Auswirkungen auf den Gewinnverwendungsbeschluß vgl. ausführlich unten § 4 Β II 2 a (Seite 187ff.).
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im Falle handelsbilanziell fehlerhafter Jahresabschlüsse nicht. Ein Gewinnverwendungsbeschluß vermag daher auch keine handelsbilanzielle Schranke für notwendige Berichtigungen zu entfalten. Weiter kann auch eine bereits erfolgte Ausschüttung keine Grenze für die handelsbilanzielle Berichtigung von Fehlern darstellen, denn ohne wirksam festgestellten Jahresabschluß und Gewinnverwendungsbeschluß erfolgte die Ausschüttung ohne rechtliche Grundlage. Gesellschaftrechtlich steht in einem solchen Falle sowohl der Aktiengesellschaft (nach § 62 Abs. 1 AktG) als auch der GmbH (§ 32 GmbHG argumentum e contrario)295 ein Rückforderungsrecht zu. Die gesellschaftsrechtliche Rücksichtnahmepflicht gegenüber den Aktionären oder Gesellschaftern mag in solchen Fällen eine Verpflichtung begründen, in dem neu festzustellenden Jahresabschluß Wahlrechte nunmehr möglichst so auszuüben, daß ein gewinnmindernder Bilanzierungsfehler kompensiert wird. 296 Kann oder will die Gesellschaft dieser gesellschaftsrechtlichen Pflicht mangels hinreichender stiller Reserven nicht nachkommen, so kann hieraus jedoch keine Durchbrechung des handelsbilanziellen Grundsatzes der Bilanzwahrheit resultieren. Ist eine Gewinnausschüttung infolge einer handelsbilanziell erforderlichen Fehlerberichtigung nicht mehr gedeckt, so ist folglich ein Rückforderungsanspruch gegen die Aktionäre oder Gesellschafter zu aktivieren.297 Eine Nichtaktivierung dieser Rückforderungsansprüche würde eine bewußt falsche Darstellung der Vermögenslage darstellen. Dies gilt im übrigen auch dann, wenn der Rückforderungsanspruch an den Gutglaubensregeln in § 62 Abs. 1 AktG bzw. § 32 GmbHG scheitert. Ein 90S
Verzicht auf die handelsbilanziell notwendige Fehlerberichtigung ist auch in einem solchen Falle nicht vertretbar. Die überhöhte Gewinnausschüttung ist im Jahresabschluß dann als das darzustellen, was sie der Sache nach ist, nämlich als Ausschüttung aus den Rücklagen oder Einlagen. Diese Darstellung mag der Reputation des Unternehmens zwar schaden, dies ist jedoch kein Grund, einen fehlerhaften Jahresabschluß aufrechtzuerhalten.
295 Vgl. zur Rechtslage bei der GmbH hier zunächst nur Hueck, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 32 Rdn. 5. 296 Vgl. dazu unten § 4 Β II 4 c (Seite 223f.). 297 So schon Adler, Wpg 1949, S. 109 (114). 298 So aber K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 46 Rdn. 24; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42 Rdn. 467.
D. Bestandskraft geprüfter Jahresabschlüsse
143
Bei fehlerhaften Jahresabschlüssen ist also weder aus einem Gewinnverwendungsbeschluß noch aus einer schon erfolgten Gewinnausschüttung eine handelsbilanzielle Beschränkung der Berichtigung ableitbar. Eine Kapitalgesellschaft mag zwar im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis gegenüber den Gesellschaftern dazu verpflichtet sein, gewinnmindernde Bilanzierungsfehler möglichst durch Auflösung stiller Reserven auszugleichen, eine Beschränkung der handelsbilanziellen Pflicht zur Fehlerberichtigung resultiert hieraus gleichwohl nicht.
VI.
Zwischenergebnis
Dem nach § 245 HGB unterzeichneten Jahresabschluß kommt damit nur bei den Kapitalgesellschaften und der Kommanditgesellschaft eine beschränkte Bestandskraft zu. Diese Bestandskraft knüpft daran an, daß durch den handelsbilanzrechtlichen Gewinn- und Vermögensausweis zugleich eine Abgrenzung von Vermögenssphären stattfindet. Der handelsbilanzrechtliche Gewinnausweis führt zu einer inhaltlichen Ausgestaltung der Kapitalerhaltungsvorschriften der Kapitalgesellschaften und der Haftung des Kommanditisten. Er grenzt damit das dem Gläubigerzugriff unterliegende Vermögen der Kapitalgesellschaft beziehungsweise den Haftungsumfang des Kommanditisten von dem Vermögen ab, das der Disposition der Gesellschaft und der Gesellschafter unterliegt. Diese Ausfüllung gesetzlicher Haftungs- und Gläubigerschutzfunktionen macht es erforderlich, solche Wahlrechtsänderungen auszuschließen, die zu einer nachträglichen Reduzierung des den Gläubigern reservierten Haftungspotentials fuhren. Im übrigen gilt für alle kaufmännischen Unternehmen lediglich die Beschränkung, daß jede Änderung oder Berichtigung gemäß dem Gebot der Klarheit nachvollziebar bleiben muß.
D.
Bestandskraft geprüfter
Jahresabschlüsse
Bei Kaufleuten, deren handelsrechtliche Jahresabschlüsse nach § 325 ff. HGB oder nach §§ 1 ff. des Publizitätsgesetz zu veröffentlichen sind, schließt sich der Pflicht zur Aufstellung eine öffentlich rechtliche Pflicht zur Prüfung der
144
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
Jahresabschlüsse an. 299 Erfaßt werden hiervon gemäß § 316 Abs. 1 HGB große und mittelgroße Kapitalgesellschaften im Sinne von § 267 Abs. 1 HGB und gemäß § 6 PublG alle Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften, die gemäß §§ 1, 3 Nr. 1 PublG der Pflicht zur Offenlegung unterliegen. Aus dieser Pflicht erwächst vor allem eine faktische Schranke der nachträglichen Änderung bereits geprüfter Jahresabschlüsse, denn gemäß § 316 Abs. 3 HGB ist ein geänderter Jahresabschluß erneut zu prüfen, was mit erheblichen Kosten verbunden sein kann. 300 § 316 Abs. 3 HGB zeigt jedoch gleichzeitig, daß die Prüfung keine rechtliche Bindung des Kaufmannes an den geprüften Jahresabschluß bewirken soll.301 Diese fehlende Bindungswirkung der Prüfung erklärt sich daraus, daß der Prüfung keine eigenständige Funktion zukommt. Aufgabe der gesetzlichen Prüfungspflicht ist es vielmehr, die inhaltliche Verläßlichkeit deqenigen Jahresabschlüsse, die einer gesetzlichen Publikationspflicht unterliegen, zu gewährleisten.302 Die gesetzliche Prüfungspflicht handelsrechtlicher Jahresabschlüsse hat daher nur Hilfsfunktion für die dem Kapitalmarktrecht zuzuordnende Publizitätspflicht. Dies zeigt sich an der systematischen Anknüpfung der Prüfungspflicht an die Publizitätspflicht der Kapitalgesellschaften in § 325 HGB und an dem Publizitätsgesetz für Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften. Deutlich wird dieser unmittelbare Bezug auf die kapitalmarktrechtliche Funktion des Jahresabschlusses auch aus der historischen Entwicklung der Prüfungspflicht. Bis zur Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre war dem deutschen Handels- und Gesellschaftsrecht eine Pflichtprüfung fremd. Das HGB kannte in § 266 HGB zwar schon seit 1870 die Möglichkeit einer Prüfung der Bilanzen von Aktiengesellschaften, doch setzte diese gesellschaftsrechtliche Regelung einen entsprechenden Beschluß der Generalversammlung der Aktiengesellschaft voraus.303 Eine Pflichtprüfung wurde erst mit der Aktien-
299 In der Unternehmenspraxis gehen Prüfung und Aufstellung allerdings häufig ineinander über, da Abschlußprüfer meist in den Prozeß der Erstellung eines Jahresabschlusses einbezogen werden. Die Prüfung und Aufstellung sind daher nicht zwingend als zeitlich aufeinanderfolgende Phasen zu verstehen, sondern als unterschiedliche rechtliche Pflichten. 300 In diesem Sinne auch Barz, in: Festschrift für Schilling, 1973, S. 127 (128). 301 So im Ergebnis auch Barz, in: Festschrift für Schilling, 1973, S. 127 (128); Stadie, StuW 1985, S. 101 (105). 302 Vgl. Hopf, ZHR 1977, S. 389 (400f.). 303 Zu diesem gesellschaftsrechtlichen Prüfungsrecht vgl. etwa die Kommentierung bei Ritter, Das Handelsgesetzbuch, 1910, S. 334.
145
Ε. Bestandskraft publizierer Jahresabschlüsse
rechtsnovelle von 1931 eingeführt. Ihr unmittelbarer Anlaß war der Zusammenbruch des Nordwolle-Konzerns und die sich anschließende Bankenkrise. Sie führten beim Gesetzgeber zu der Überzeugung, daß ein öffentliches Vertrauen in den Inhalt der veröffentlichten Jahresabschlüsse nur dann wieder herzustellen war, wenn diese einer Prüfung durch unabhängige Organe unterliegen. 304 Diese historische Entwicklung zeigt deutlich, daß die gesetzliche Prüfungspflicht nicht gesellschaftsrechtlicher Natur, sondern eine dem öffentlichen Recht zuzuordnende Vorschrift des Kapitalmarktrechtes ist, die ihre Bedeutung allein aus den gesetzlichen Funktionen der handelsrechtlichen Publikationspflicht erlangt.305 Die gesetzliche Prüfungspflicht nach §316 HGB beziehungsweise § 6 PublG ist für die Frage der Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse daher ohne selbständige Bedeutung. Die Bedeutung der handelsbilanzrechtlichen Prüfungspflicht erschöpft sich vielmehr in einem bloßen faktischen Hindernis für Änderungen und Berichtigungen, da eine erneute Prüfung mit erheblichem Aufwand und Kosten verbunden ist.
E.
Bestandskraft publizierter
Jahresabschlüsse
In der Literatur finden sich zahlreiche Autoren,306 die in der Publikation den maßgeblichen Grund für die Forderung nach einer Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse sehen. Ansatz ist dabei die Überlegung, daß durch die Publikation ein Vertrauenstatbestand bei den Adressaten des Jahresabschlusses geschaffen werde, der eine unbeschränkte Möglichkeit zur Änderung oder Berichtigimg ausschließe. Weitgehend offen bleibt dabei meist jedoch, welchen konkreten Umfang die Bestandskraft publizierter
304 Zum historischen Hintergrund der gesetzlichen Prüfungspflicht ausfuhrlich Born, in: Festschrift 75 Jahre Deutsche Treuhandgesellschaft (1965), S. 53ff. 305 Zu dieser Einordnung vgl. Hopf, ZHR 1977 S. 389 (40Iff.). 306 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 47, 49; Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 172 Rdn. 18; Barz, in: Festschrift für Schilling, 1973, S. 127 (135); v. Braunbehrens, AG 1956, S. 28 (30ff.); Greiner, Die steuerliche Bilanzberichtigung und Bilanzänderung, 1966, S. 124; Klein, Bilanzberichtigung und Änderung, Rdn. 18, in: Gnam, Handbuch der Bilanzierung, 1988; W. Müller, in: Festschrift für Quack, 1991, S. 359 (364ff.); Nolte, DB 1963, Beilage 12, S. 1 (5f.); Offerhaus, DB 1966, S. 1705 (1706f.); Pochmann, DB 1963, 1369f.
146
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB 1 Λ Ί
Jahresabschlüsse annehmen soll. Zur Lösung wird vielmehr auf eine Abwägung der im Einzelfall betroffenen Interessen des Unternehmens und der Adressaten verwiesen.308 Dieser Verweis auf eine Einzelfallabwägung ist wegen ihrer Unbestimmtheit sowohl für die Unternehmenspraxis als auch bilanzrechtlich unbefriedigend. Darüber hinaus sind die vorliegenden Stellungnahmen auch deshalb problematisch, weil sie aus sehr unterschiedlichen Phasen der in diesem Jahrhundert stark veränderten Publizitätsvorschriften stammen und zudem meist auf eine explizite Darstellung der Zwecke gesetzlicher Publizitätsvorschriften verzichten. Es erscheint daher sinnvoll, der Frage nach der Bestandskraft publizierter Jahresabschlüsse zunächst eine kurze Darstellung der Entwicklung und des Zweckes der Publizitätsvorschriften voranzustellen.
I.
Funktion und Entwicklung der handelsrechtlichen Publizitätsvorschriften
Wie bereits bei der rechtlichen Qualifikation der handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften erwähnt,309 liegt der Schaffung von Publizitätsvorschriften ein Wandel im Verständnis des Handelsbilanzrechtes zugrunde. Das Handelsbilanzrecht wird nicht mehr vorwiegend als präventives und repressives Polizei- und Ordnungsrecht verstanden, das die Funktion des Jahresabschlusses stark an der gläubigerschützenden Kapitalerhaltung und den Informationsbedürfnissen im "pathologischen" Fall der Insolvenz orientiert, sondern wird durch die Pflicht der Unternehmen zur Publikation entscheidungsrelevanter Informationen zum modernen Kapitalmarktrecht, das es den Marktteilnehmern ermöglichen soll, rationale Entscheidungen zu treffen und so selbst für die Sicherheit ihrer Anlage Sorge zu tragen. 310
307 Eine Ausnahme bildet insoweit vor allem v. Braunbehrens, AG 1956, S. 28 (30ff), der Wahlrechtsänderungen publizierter Jahresabschlüsse umfänglich ablehnt. 308 So Barz, in: Festschrift für Schilling, 1973, S. 127 (135); Greiner, Die steuerliche Bilanzberichtigung und Bilanzänderung, 1966, S. 124; Hoffmann, BB 1956, S. 569; Hundertmark/Herms, BB 1973, S. 1051 (1054). 309 Vgl. oben § 3 CI (Seite 46) 310 Vgl. zum folgenden insbesondere die Darstellung bei Hopt, ZHR 1977 S. 389 (400ff.).
147
Ε. Bestandskraft publizierer Jahresabschlüsse
Ihren rechtshistorischen Ursprung hat diese Entwicklung der handelsrechtlichen Publizitätsvorschriften im Aktienrecht.311 Erste Publizitätsvorschriften finden sich zwar schon in Ausfuhrungsbestimmungen zum preußischen Aktiengesetz von 1843;312 diese beruhen jedoch im Kern noch auf einer staatlichen Beaufsichtigung der Aktiengesellschaften, dem sogenannten Konzessionssystem, das keine umfassende Information der Aktionäre und τ η
Gläubiger vorsah. Ein grundlegender Wandel trat dann mit der Aktienrechtsnovelle von 1870 ein. Durch die Neufassung des Artikels 239 wurde in das ADHGB eine Verpflichtung der Aktiengesellschaft eingeführt, ihre Bilanzen binnen sechs Monaten zu veröffentlichen. 314 Zweck dieser Vorschrift war es dabei nicht nur, die vorhandenen Aktionäre und Gläubiger der Aktiengesellschaft zu schützen. Es ging zumindest auch darum, dem anlagesuchenden Publikum ein Instrument zur Verfugung zu stellen, das die bis dahin praktizierte staatliche Aufsicht des Konzessionssystems über die Aktiengesellschaften überflüssig machte. 315 Gegenwärtigen aber auch potentiellen Aktionären und Gläubigern sollten die Informationen zur Verfügung gestellt werden, die sie für eine fundierte Kapitalanlageentscheidung benötigten. Die aktienrechtliche Publizität handelsrechtlicher Jahresabschlüsse war also bereits von ihren Anfängen im ADHGB an nicht allein als Instrument der innergesellschaftlichen Rechenschaftslegung der Geschäftsführungsorgane gegenüber den Aktionären konzipiert. Es ging bereits im ADHGB zumindest auch darum, kapitalmarktrechtliche Voraussetzungen für den Selbstschutz aktueller wie potentieller Aktionäre und Gläubiger zu schaffen. 317 •
I i i
311 Einen guten Überblick über die Entwicklung der aktienrechtlichen Publizitätsvorschriftenbieten Döllerer, BB 1958, S. 1281ff; Geßler, in: 75 Jahre Deutsche TreuhandGesellschaft (1965), S. 129ff.; Ott, Unternehmenspublizität, 1972, S. 44f. 312 Vgl. Geßler, in: 75 Jahre Deutsche Treuhand-Gesellschaft (1965), S. 129 (132). 313 Vgl. Ott, Unternehmenspublizität, 1972, S. 44f. m.w.N. 314 Vgl. Hopt, ZHR 1977 S. 389 (400); Geßler, in: 75 Jahre Deutsche TreuhandGesellschaft (1965), S. 129 (34); Ott, Unternehmenspublizität, 1972, S. 44f. 315 Vgl. Motive zur Aktienrechtsnovelle vom 11.6.1870, S. 651 der Stenographischen Berichte über die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes, 1. Leg. Per. Session 1870, Bd. 4, Aktenstück Nr. 158 (zit. nach Hopt, ZHR 1977 S. 389 (400 Fußnote 42). 316 Vgl. v. Caemmerer, in: Das Frankfurter Publizitätsgespräch, 1962, S. 141 (143ff.); Döllerer, BB 1958, S. 1281 (1882f.); Hopt, ZHR 1977 S. 389 (401). 317 Vgl. Döllerer, BB 1958, 1281ff.; Hopt, ZHR 1977 S. 389 (401); zurückhaltender v. Caemmerer, in: Das Frankfurter Publizitätsgespräch, 1962, S. 141 (143ff.).
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§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
Diese Ausgestaltung der Publizität als Instrument des Kapitalmarktrechtes wurde in den nachfolgenden Aktienrechtsnovellen beibehalten und sukzessive verstärkt. Die Aktienrechtsnovelle von 1884 brachte zunächst die Verpflichtung zur Veröffentlichung auch einer Gewinn- und Verlustrechnung;318 durch die Aktienrechtsnovelle von 1931 wurde die Pflichtprüfung eingeführt, die für die Vertrauenswürdigkeit der vorgelegten Zahlen wichtig ist. Von entscheidender Bedeutung war die weitgehende Einschränkung stiller Reserven durch Einführung von Bewertungsuntergrenzen durch die Aktienrechtsnovelle von 1965.320 Durch die erstmalige Einführung von Bewertungsuntergrenzen in der Aktienrechtsnovelle von 1965 wurde den Geschäftsführungsorganen und möglichen Großaktionären weitgehend die Möglichkeit genommen, die auszuweisende Ertrags- und Vermögenslage so zu manipulieren, daß massive Verluste und Unternehmenskrisen durch Auflösung stiller Reserven versteckt werden konnten. Der Zwang zur Offenbarung von Unternehmenskrisen durch Publikation unmanipulierter Jahresabschlüsse schützt - ähnlich den Anzeige- und Einberufungspflichten nach § 92 Abs. 1 AktG und § 49 Abs. 3 GmbHG wiederum zwar auch die aktuellen Aktionäre und Gläubiger. Seine besondere Bedeutung erlangt er aber im Hinblick auf die Entscheidung potentieller Anleger und die Funktion des gesamten Kapitalmarktes. Die Publikation unmanipulierter Jahresabschlüsse ermöglicht es den Aktionären wie Gläubigern, Entwicklung und Risiko eines Engagements zu beurteilen und entsprechend ihren Ertrags- und Risikopräferenzen zu entscheiden.321 Durch die Beschränkung stiller Reserven wurden also die informationellen Voraussetzungen für die Anlageentscheidung rationaler Kapitalanleger auf effizienten Kapitalmärkten geschaffen. 322
318 Vgl. Ott, Unternehmenspublizität, 1972, S. 46. 319 Zur Bedeutung der Prüfungspflicht für die kapitalmarktrechtliche Publizität vgl. oben § 3 D (Seite 143ff.). 320 Aktiengesetz vom 6.9.1995, BGBl. 1965 I, S. 1089. 321 Zur Informationsfunktion des Jahresabschlusses als Grundlage rationaler Entscheidungen vgl. die knappen Darstellungen bei Bitz/Schneeloch/Wittstock, Der Jahresabschluß, 1991, S. 26ff.; Wöhe, Bilanzierung und Bilanzpolitik, 7. Aufl. 1987, S. 41ff.; und ausfuhrlich Hartmann-Wendels, Rechnungslegung der Unternehmen und Kapitalmarkt aus informationsökonomischer Sicht, 1991, S. 19ff., 29ff.; Semler, ZfhF 1958, S. 453ff.; Sieben/Haase, Wpg 1971, S. 53ff„ 79ff. 322 Vgl. Hopf, ZHR 1977 S. 389 (403).
149
Ε. Bestandskraft publizierer Jahresabschlüsse
Der kurze historische Abriß zeigt, daß die Ursprünge der Publizität handelsrechtlicher Jahresabschlüsse eng mit der Entwicklung des Aktienrechts und der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung der Aktiengesellschaft verbunden waren. Diese Ausgestaltung als rechtsformabhängige Publizität führte vor allem in den 60er Jahren dazu, daß die gesetzlichen Zwecke der aktienrechtlichen Publizität geradezu leidenschaftlich diskutiert wurden. Im Kern ging es bei dieser Diskussion darum, ob der Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes und der allgemeinen Öffentlichkeit nur zufällige Begleiterscheinung der aktienrechtlichen Publizität waren oder aber vom Gesetzgeber neben dem bei Aktiengesellschaften besonders dringenden Schutz externer Minderheitsgesellschafter und der Gläubiger ausdrücklich angestrebt wurde. 323 Diese Diskussion wurde durch die Einfuhrung einer rechtsformübergreifenden Publizität durch das Publizitätsgesetz von 1969324 weitgehend beendet. Durch die Einfuhrung größenabhängiger Publizitätsmerkmale hat der Gesetzgeber die handelsrechtliche Publizität inhaltlich aus dem Aktienrecht 325
,
gelöst und als rechtsformunabhängiges Unternehmensrecht gestaltet. Dabei hat der Gesetzgeber in der Begründung klargestellt, daß die erweiterte handelsrechtliche Publizität nicht allein den Gläubigern und Gesellschaftern der Unternehmen dienen soll, sondern der umfassenden Information aller am Unternehmen Interessierter. Gläubiger, Lieferanten, aber auch Arbeitnehmer und die interessierte Öffentlichkeit sollen die Möglichkeit erhalten, die für ihre Dispositionen maßgeblichen Informationen zu erhalten. 326 Da diese Erweiterung der handelsrechtlichen Publizität zudem vor dem Hintergrund mehrerer großer Insolvenzfalle steht, die teilweise von der öffentlichen Hand
323 Vgl. als Übersicht die Darstellungen bei Ott, Unternehmenspublizität, 1972, S. 44f.; und die ausfuhrliche Wiedergabe der damaligen Diskussion in den Beiträgen von Hundhausen, Wiethölter, Hofstätter, Kaiser, v. Caemmerer, Goerdeler und Minz in: Das Frankfurter Publizitätsgespräch, 1962. 324 Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen, BGBl. IS. 1189. 325 Zur Qualifizierung der Publizitätsvorschriften als Unternehmensrecht Rittner, JB1. 1977, S. 393 (395, 399); K. Schmidt, Handelsrecht, 4. Aufl. 1994, § 15 VI 1. (S. 454f.). 326 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfes zum Publizitätsgesetz in BTDruckS. V/3197 S. 13ff., 23 sowie die Ausführungen von Prühs, AG 1969, S. 173 (175ff.); Rittner, JB1. 1977, S. 393 (395).
150
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
aufgefangen wurden, dürfte die mikroökonomische Funktion der Publizität heute außer Zweifel stehen. Die handelsrechtliche Publizität hat sich spätestens mit dem Publizitätsgesetz von 1969 also zu einem Instrument gewandelt, das nicht nur die Teilnehmer am Kapitalmarkt und den Rechtsverkehr insgesamt schützen will, sondern auch die im gesamtwirtschaftlichen Interesse liegende Funktionsfahigkeit und Effizienz des Kapitalmarktes und des übrigen Rechtsverkehrs mit Großunternehmen zum Gegenstand hat. 328 An dieser Konzeption des handelsrechtlichen Publizitätsrechtes hat der Gesetzgeber mit dem Bilanzrichtliniengesetz 1986 festgehalten und sie inhaltlich weiterentwickelt. Wesentliche Neuerungen des Bilanzrichtliniengesetzes stellen dagegen die Größenklassengliederung und der Anhang dar. Mit der Einfuhrung nach Größenklassen gestufter Publizitätspflichten in §§ 325ff. HGB 329 wurde eine gesetzliche Abwägung zwischen dem Publizitätsinteresse der Öffentlichkeit und den Geheimhaltungsinteressen der Unternehmen in das Gesetz eingeführt, die es ermöglichte, die Publizität nunmehr auch auf kleine Gesellschaften mit beschränkter Haftung zu erstrecken.330 Der als gleichwertiger Bestandteil des Jahresabschlusses ausgestaltete Anhang ersetzte in weiten Teilen den früheren Geschäftsbericht nach § 160 Abs. 2 AktG i.d.F. 1965. Da der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, die traditionell an der Kapitalerhaltung und dem präventiven Gläubigerschutz ausgerichteten Ansatzund Bewertungsvorschriften grundlegend zu verändern und an die Informationsbedürfhisse des Kapitalmarktes anzupassen, ist die Rolle des Anhanges vorrangig auf die Kapitalmarktinformation gerichtet. Seine Aufgabe ist es, die fur eine zutreffende Information des Kapitalmarktes notwendigen Korrekturen und Ergänzungen der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung vorzunehmen. 331 Dies zeigt sich für die hier interessierende Fragestellung vor
327 Vgl. Ott, Unternehmenspublizität, 1972, S. 4; Prühs, AG 1969, S. 173 (175ff.); Rittner, JB1. 1977, S. 393 (395). 328 Vgl. Hopt, ZHR 1977 S. 400; Kubier, AG 1977, S. 85ff.; Ott, Unternehmenspublizität, 1972, S. 44f. 329 Zum Inhalt der Gliederung nach Größenklassen vgl. die einschlägige Kommentierung zu §§ 325ff. HGB und insbesondere die tabellarischen Übersichten bei Glade, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986, Vorbem. zu § 325 Rdn. 7. 330 Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine solche Erstreckung Friauf, GmbHR 1985, S. 245ff. 331 Vgl. Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1991, §§ 284 - 288 HGB Rdn. 10ff.; Moxter, Bilanzlehre, Band II, 3. Aufl. 1983, S. 98ff.
Ε. Bestandskraft publizierer Jahresabschlüsse
151
allem in der Pflicht nach § 284 Abs. 2 HGB, die Bewertungsmethoden offenzulegen, was auch die Ausübung von Wahlrechten mit umfaßt. Schließlich bewirkte die weitgehende Verlagerung der Publizitätsvorschriften in das HGB, daß dem für die Entwicklung der handelsrechtlichen Publizität bedeutenden Publizitätsgesetz nur noch die Funktion eines Auffangtatbestandes für Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften zukommt.333 Zusammenfassend läßt sich die Stärkung der handelsrechtlichen Publizität durch das Bilanzrichtliniengesetz 1986 also Ausdruck einer Liberalisierung des Wirtschaftsverfassungsrechts verstehen, die zwei Zwecken dient: zum ersten soll sie die Teilnehmer des Kapitalmarktes und des sonstigen Rechtsverkehrs mit publizitätspflichtigen Unternehmen zum Selbstschutz befähigen, indem ihnen entscheidungsrelevante Informationen zur Verfugung gestellt werden; zum zweiten soll durch die verbesserte Möglichkeit der Marktteilnehmer zur Reaktion auf unternehmerische Fehlentwicklungen die im gesamtwirtschaftlichen Interesse liegende Funktionsfähigkeit der Märkte sichern.334
II.
Konsequenz der Funktion handelsrechtlicher Publizität fur die Behandlung der Bestandskraft publizierter Jahresabschlüsse
Die geschilderte Entwicklung der handelsrechtlichen Publizität bedingt für die hier unternommene Untersuchung der Bestandskraft publizierter Jahresabschlüsse erhebliche methodische Probleme. Durch die Ausrichtung der handelsrechtlichen Publizität an den Informationsbedürfnissen der Marktteilnehmer und der Effizienz des Kapitalmarktes sind die rechtlichen Folgen der Publizität in hohem Maße abhängig von wirtschaftswissenschaftlichen und auch wirtschaftspolitischen Überlegungen.335 Dies führt zu dem schon in der Einleitung dargestellten Problem, daß wirtschaftswissenschaftliche Begriffe
332 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995, § 284 HGB Rdn. 45f., 53ff.; Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1991, §§ 284 - 288 HGB Rdn. 52ff. 333 Vgl. K. Schmidt, Handelsrecht, 4. Aufl. 1994, § 15 VI 1. (S. 454f.). 334 hierzu ausfuhrlich Hopf, ZHR 1977 S. 389 (401ff.). 335 Vgl. insbes. Hopt, ZHR 1977 S. 389 (415); weiter Beierstedt, in: Raiser et alt, Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, Soziologie und Statistik, 1964, S. 123.
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§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
und Ergebnisse im Regelfall mit so hoher Unsicherheit behaftet sind, daß sie nicht unmittelbar für rechtliche Abgrenzungen brauchbar sind. 336 So ist bereits der Begriff des Kapitalmarktes wirtschaftswissenschaftlich nicht eindeutig bestimmbar. 337 Andererseits ermöglicht es diese Ausrichtung der handelsrechtlichen Publizität an den Informationsbedürfhissen der Marktteilnehmer und der Funktionsfähigkeit des Marktes insgesamt, die rechtliche Problematik der nachträglichen Veränderung publizierter Jahresabschlüsse stärker zu strukturieren, als dies durch einen bloßen Verweis auf eine Einzelfallabwägung der Fall ist. Die gesetzliche Orientierung an den Informationsbedürfhissen der Adressaten als Marktteilnehmer erlaubt es nämlich, von den Interessen konkreter einzelner Aktionäre, Gläubiger etc. zu abstrahieren. Der Schutz solcher konkreter Ansprüche einzelner gegen kaufmännische Unternehmen ist weniger Aufgabe des Kapitalmarktrechtes, denn des Gesellschafts- und Zivilrechts.338 Die Ausrichtung der Publizität an den Interessen der Adressaten als am Markt agierender Gruppe macht daher eine typisierte Betrachtung nicht nur möglich, sondern sogar notwendig. Die Zulässigkeit von Änderungen und Berichtigungen läßt sich also danach bemessen, wie die typischen Informationsbedürfnisse der Adressatengruppen und die Funktionsfähigkeit der jeweiligen Märkte davon betroffen werden. Eine solche Systematisierung anhand typischer Informationsbedürfhisse der Marktteilnehmer erscheint auch deshalb geboten, weil der von der Literatur vorgenommene Verweis auf eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen den Interessen der Adressaten an einer Bestandskraft einerseits und Interessen des Unternehmens andererseits die Gefahr in sich birgt, die rechtlich relevante Interessenlage in zweierlei Hinsicht unzutreffend zu erfassen. Eine erste Gefahr für Mißverständnisse birgt die auf den Einzelfall bezogene Abwägung. Hierdurch wird leicht der Eindruck erweckt, als ob es um den Schutz der Interessen bestimmter, von einer Berichtigung oder Änderung konkret in ihren Rechten betroffener Adressaten gehe. Ein solcher konkreter Schutz materieller Rechtspositionen wird der kapitalmarktorientierten Aus-
336 Vgl. oben § 2 Β (Seite 21) und für die spezielle Problematik der handelsrechtlichen Publizität Hopt, ZHR 1977 S. 389 (420). 337 Vgl. nur Häuser, Kapitalmarkt, in: Handwörterbuch der Finanzwirtschaft, 1976, Sp. 1058. 338 Vgl. auch Hopt, ZHR 1977 S. 389 (403f., 423f.); Ott, Untemehmenspublizität, 1972, S. 73.
Ε. Bestandskraft publizierer Jahresabschlüsse
153
richtung, wie soeben dargestellt, aber nur unzureichend gerecht. Eine am Einzelfall orientierte Betrachtung läuft also Gefahr, gerade die typischen Merkmale der Publizität als Teil des Kapitalmarktrechtes zu vernachlässigen. Eine mögliche Quelle weiterer Mißverständnisse ist die Einbeziehung der "Interessen des Unternehmens" in die Abwägung. Hierdurch wird auf den wenig glücklichen Topos des "Unternehmens an sich" zurückgegriffen, der die rechtlich relevanten Interessen mehr verschleiert denn zu ihrer Klärung beiträgt. Der Topos des "Unternehmens an sich" geht zurück auf Haußmann, 39 der damit die von Rathenau 340 vertretene Auffassung umschrieb, daß die Interessen der Eigentümer am Unternehmen zugunsten der Interessen der Allgemeinheit am Bestand von Großunternehmen zurückgedrängt werden müssen. Dieser Begriff ist allerdings seit jeher und auch schon von Haußmann selbst341 kritisiert worden, da er in seinem Gehalt beliebig ist und rechtliche Wertungen mehr verdeckt als offen darlegt. 342 Dabei ist in der Literatur oft zu beobachten, daß die "Interessen des Unternehmens" mit den Interessen der Geschäftsführung an der Sicherung ihres Arbeitsplatzes und den Vermögensinteressen von Mehrheitsgesellschaftern gleichgesetzt werden, ohne daß dies hinreichend offengelegt wird. 343 Eine solche verdeckte Einbeziehung bestimmter Gruppeninteressen erscheint zur Klärung der rechtlichen Zulässigkeit von Berichtigungen und Änderungen aber wenig geeignet. Durch eine systematische Gliederung der Auswirkungen nachträglicher Änderungen und Berichtigungen des Jahresabschlusses nach den Adressaten der handelsrechtlichen Publizität läßt sich eine solche implizite Wertung weitgehend vermeiden. Dabei wird in der folgenden Darstellung entsprechend der Entwicklung der handelsrechtlichen Publizität die Interessenlage der Aktionäre als historischer Kernbereich der Publizitätsvorschriften von den Informationsinteressen sonstiger nicht an der Geschäftsführung beteilig-
339 Vgl. vor allem Haußmann, Vom Aktienwesen und vom Aktienrecht, 1928, S. 23f.; ders. Bankarchiv, 1930/31, S. 57ff. 340 Vlg. vor allem Rathenau, Vom Aktienwesen. Eine geschäftliche Betrachtung, 1917. 341 Vgl. Haußmann, Gesellschaftsinteresse und Interessenpolitik in der Aktiengesellschaft, Bankarchiv, 1930/31, S. 57ff. 342 Vgl. zur Kritik am Begriff des "Unternehmens an sich" insbesondere Ballerstedt, JZ 1951 S. 486ff. und Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 13ff. 343 So etwa schon bei Cosack, Lehrbuch des Handelsrechts, 10. und 11. Aufl. 1923, S. 518 oder aus neuerer Zeit Clemm, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 93 (100).
154
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
ter Gesellschafter getrennt. Im weiteren wird dann - in Anlehnung an die Begründung des Publizitätsgesetzes von 1969344 und die im Schrifttum vorgefundenen Gruppenbildungen345 - zwischen Gläubigern, der öffentlichen Hand und der interessierten Öffentlichkeit als Sammelbegriff für sonstige Adressaten differenziert.
III.
Auswirkungen von Änderungen und Berichtigungen auf die schutzwürdigen Interessen der Jahresabschlußadressaten
1.
Aktionäre
Die Interessen der Aktionäre stehen bei den meisten Stellungnahmen zur Bestandskraft im Zentrum der Erörterungen.346 Dies liegt zum Teil daran, daß ein erheblicher Teil der Stellungnahmen aus der Zeit vor dem Publizitätsgesetz von 1969 datiert, die Publizitätspflicht also noch auf Aktiengesellschaften beschränkt war. Die Konzentration der Erörterungen auf die Aktionäre erklärt sich aber auch daraus, daß hier die praktische Bedeutung der handelsrechtlichen Publizität am größten ist. Öffentliche Emission und Handel der Aktien auf organisierten Märkten mit Zugang für ein breites Publikum fuhren zu einem weitgehend durch Anonymität geprägten Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern. Mangels individueller Informationsmittel stellt die handelsrechtliche Publizität für den am Kapitalmarkt agierenden anonymen Aktionär die wichtigste, oft sogar die einzige Informationsquelle dar.347 Sie ist Grundlage für das Agieren der Aktionäre am Kapitalmarkt. Dies gilt zum einen für Kauf- und Verkaufsentscheidungen
344 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfes zum Publizitätsgesetz in BTDruckS. V/3197 S. 12ff. 345 So insbesondere Clemm, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 93ff.; Moxter, Der Einfluß von Publizitätsvorschriften auf das unternehmerische Verhalten, 1962. 346 Vgl. Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 172 Rdn. 18; Barz, in: Festschrift für Schilling, 1973, S. 127 (135); v. Braunbehrens, AG 1956, S. 28 (30ff.); Hoffmann, BB 1956, S. 569fF.; Hundertmark/Herms, BB 1973, S. 1051 (1052ff.); W. Müller, in: Festschrift für Quack, 1991, S. 359 (364ff.); Nolle, DB 1963, Beilage 12, S. 1 (5f.); Offerhaus, DB 1966, S. 1705 (1706f.); Pochmann, DB 1963, 1369f. 347 Vgl. Hopt, ZHR 1977 S. 389 (419ff.); Mestmäcker, in: Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, Soziologie und Statistik, 1964, S. 103 (111)
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bezüglich der Aktie der publizierenden Aktiengesellschaft selbst, zum anderen auch als Vergleichsmaßstab für Anlageentscheidungen bezüglich Aktien anderer Unternehmen.348 Diese Bedeutung des publizierten Jahresabschlusses als Informationsgrundlage von Kapitalmarkttransaktionen wird im Schriftum als Anknüpfungspunkt für die Erörterung der Bestandskraft herangezogen. Die Funktion des publizierten Jahresabschlusses begründe ein erhebliches Interesse an dessen Bestandskraft. Durch eine nachträgliche Veränderung könnten die Aktionäre in erheblichem Maße geschädigt werden. Sowohl der Aktionär, der aufgrund einer guten Bilanz eine Aktie kaufe als auch deijenige, der aufgrund einer schlechten Bilanz verkaufe, vertraue auf die publizierte Bilanz. Es bestehe daher ein schutzwürdiges Interesse daran, die publizierte Bilanz nicht mehr nachträglich zu verändern. 349 Diejenigen Autoren, die eine Bestandskraft befürworten, sehen im Jahresabschluß also ein Rechtsinstitut, das selbst Gegenstand eines Vertrauenstatbestandes ist. Diese unmittelbare Anknüpfung des schutzwürdigen Vertrauens an den publizierten Jahresabschluß wird der Funktion der Publikation des Jahresabschlusses jedoch nur unzureichend gerecht. Er unterstellt nämlich, daß der Jahresabschluß als solcher Grundlage der Anlageentscheidungen der Aktionäre ist und seine Veränderung unmittelbar Auswirkungen auf die Interessen der Aktionäre hat. Dies stellt jedoch eine äußerst problematische Verkürzung dar. Entscheidungserhebliche Tatsache für die Anlageentscheidung der Aktionäre ist nicht der Jahresabschluß als solcher, sondern die tatsächliche Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens. Aufgabe des Jahresabschlusses ist es allein, diese tatsächliche wirtschaftliche Lage darzustellen, er ist nur Medium zur Übermittlung der entscheidungsrelevanten Tatsachen an den Aktionär. Diese Differenzierung zwischen der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens als entscheidungserheblicher Tatsache und dem publizierten Jahresabschluß als bloßem Informationsmedium mag auf den ersten Blick ebenso
348 Baetge, Rechnungslegungszwecke des aktienrechtlichen Jahresabschlusses, in: Bilanzierungsfragen, Festschrift für Leffson, 1976, S. 11 (23f.); und ausfuhrlich Moxter, Der Einfluß von Publizitätsvorschriften auf das unternehmerische Verhalten, 1962, S. 93ff.; ders., Bilanzlehre, Band I, 3. Aufl. 1984, S. 122ff. 349 Vgl. insbes. Nolte, DB 1963, Beilage 12, S. 1 (5f.); ähnlich v. Braunbehrens, AG 1956, S. 28 (31); Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 172 Rdn. 18; Offerhaus, DB 1966, 1705 (1706); Hoffmann, BB 1956, S. 569 (570f.); Hunderlmark/Herms, BB 1973, S. 1051 (1053f.).
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sophistisch wie trivial sein, sie ist jedoch von erheblicher Bedeutung für die rechtliche Beurteilung von Berichtigungen und Änderungen. a) Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse Wegen der Informationsfunktion des Jahresabschlusses richten die Aktionäre ein schutzwürdiges Vertrauen zunächst darauf, daß der Jahresabschluß die entscheidungserhebliche Vermögenslage des Unternehmens möglichst zutreffend wiedergibt, also fehlerfrei ist. Daraus folgt, daß die Aktionäre grundsätzlich ein Interesse an der Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse haben. Die Annahme eines Vertrauens in die Bestandskraft fehlerhafter Jahresabschlüsse wäre daher sinnwidrig. Die Informationsfunktion des Jahresabschlusses verlangt also grundsätzlich die Berichtigung eines fehlerhaften Jahresabschlusses und dessen erneute Publikation. 3 0 Dem steht auch nicht entgegen, daß durch eine Berichtigung möglicherweise den Gewinnerwartungen der Aktionäre die Grundlage entzogen wird. Dieser Fall ist hinreichend im Aktienrecht geregelt. Soweit sich diese Erwartungen bereits zu konkreten Ansprüchen verdichtet haben, werden die schutzwürdigen Rechte der Aktionäre hinreichend durch § 62 Abs. 1 AktG geschützt. 351 Sind noch keine unentziehbaren Rechte entstanden, so läßt sich § 62 Abs. 1 AktG, dem Verbot der Einlagenrückgewähr und der Begrenzung von Ausschüttungen auf den Gewinn in § 57 AktG die gesetzliche Wertung entnehmen, daß die Erwartung der Aktionäre auf Gewinnausschüttungen in einem solchen Falle hinter dem Schutz der materiellen Rechtslage zurückstehen muß. Der Informationsgehalt und die Informationsfunktion bestimmen zugleich die Grenzen für die Notwendigkeit einer Berichtigung publizierter Jahresabschlüsse: Wie bereits oben dargestellt, beinhaltet der Jahresabschluß seiner Natur nicht notwendigerweise eine uneingeschränkt zutreffende Darstellung der tatsächlichen Vermögens- und Ertragslage, sondern eine auf subjektiven Prognosen und den im Zeitpunkt der Aufstellung verfugbaren Informationen beruhende Wissenserklärung, die versucht, der tatsächlichen - objektiven Vermögenslage nahezukommen. 352 Die Aktionäre können daher allein darauf
350 In diesem Sinne schon Adler, Wpg 1949, S. 109 (114); ähnlich Pochmann, DB 63, 1369 und wohl auch Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1991, § 328 Rdn. 5. 351 Vgl. dazu unten § 4 Β II 3 a (Seite 215f.). 352 Vgl. dazu oben § 3 C V 2 (Seite 130f.).
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vertrauen, daß der Jahresabschluß nach den Maßstäben eines gewissenhaften Kaufmannes unter Berücksichtigung und Auswertung der verfügbaren Informationen erstellt wurde. Da aber auch ein sorgfaltiger Kaufmann nicht über vollkommene Information verfügt und Prognosen auf Grundlage unvollständiger Informationen naturgemäß unsicher sind, ist auch der Jahresabschluß unsicher. Einem Jahresabschluß ist die Möglichkeit eines objektiven - auch dem sorgfältigen Kaufmann erst ex post erkennbaren - Fehlers immanent. Da dies auch dem Aktionär erkennbar ist, zwingen allein subjektive - bei hinreichender Sorgfalt bereits im Zeitpunkt der Erstellung des Jahresabschlusses erkennbare - Fehler, nicht dagegen objektive aber erst ex post erkennbare Abweichungen der Dartellung von der tatsächlichen Vermögenslage zur Berichtigung. Weiter ist die Berichtigung auch hier auf wesentliche Fehler zu begrenzen, denn Entscheidungen der Aktionäre werden durch unwesentliche Fehler kaum beeinträchtigt. Eine Berichtigung jedes Fehlers wäre im Interesse der Funktionsfähigkeit und Effizienz des Aktienmarktes sogar kontraproduktiv. Die Teilnehmer des Kapitalmarktes besitzen nämlich nur eine begrenzte Kapaziät der Informationsauswertung. Die Berichtigung und erneute Publikation geringfügig fehlerhafter Jahresabschlüsse würde aber schnell zu einer Erschöpfung dieser Kapazitäten führen. Ein solcher "information overkill" beeinträchtigt die Funktionsfahigkeit des Kapitalmarktes aber ebenso wie eine unzureichende Publizität und ist daher möglichst zu vermeiden. 353 Eine weitere Grenze der kapitalmarktrechtlichen Berichtigungspflicht ergibt sich dann, wenn der Jahresabschluß durch Zeitablauf seinen Informationsgehalt weitgehend verloren hat. Wird der Fehler erst längere Zeit nach der Publikation erkannt und steht die Publikation eines neuen, fehlerbereinigten Jahresabschlusses unmittelbar bevor oder ist diese sogar schon erfolgt, so hätte die Publikation eines berichtigten Jahresabschlusses keinen nennenswerten Informationsgehalt für die Aktionäre als Adressaten. Auch in diesen Fällen ist aus Sicht des Kapitalmarktes die Veröffentlichung einer berichtigten Fassung nicht zwingend erforderlich.354
353 Zum Begriff des "information overkill" vgl. etwa Reuter, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 427 (431); zum Problem des Informationsüberflusses weiter Hoffstätter, Die Öffentlichkeit als Adressat der Publizität, in: Das Frankfurter Publizitätsgespräch, 1962, S. 74 (78f.); Rittner, JB1. 1977, S. 393 (399) und speziell für Bilanzänderungen W. Müller, in: Festschrift fur Quack, 1991, S. 359 (367). 354 Ähnlich Greiner, Die steuerliche Bilanzberichtigung und Bilanzänderung, 1966, S. 124.
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b) Nachträgliche Wahlrechtsänderung Die Differenzierung zwischen der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens als entscheidungserheblicher Tatsache und dem publizierten Jahresabschluß als bloßem Informationsmedium ist weiter auch dazu geeignet, den Inhalt eines schutzwürdigen Vertrauens bei nachträglichen Wahlrechtsänderungen näher zu bestimmen. Den Aktionären ist ein schutzwürdiges Vertrauen nämlich nur insoweit zuzubilligen, als sie durch eine nachträgliche Wahlrechtsänderung geschädigt werden. Eine solche Schädigung ergibt sich jedoch nicht allein aus der Veränderung des Jahresabschlusses als bloßem Instrument der Darstellung. Sie kann sich vielmehr allein daraus ergeben, daß eine nachträgliche Wahlrechtsänderung rationale Entscheidungen der Marktteilnehmer unmöglich macht oder die Grundlage entzieht. Dies wäre zum einen dann der Fall, wenn eine Wahlrechtsänderung die entscheidungserhebliche tatsächliche Ertrags- und Vermögenslage nachträglich verändert. Zum anderen darf die Wahlrechtsänderung nicht dazu fuhren, daß der Einblick in die Ertrags- und Vermögenslage durch die Änderung so beeinträchtigt wird, daß der Jahresabschluß für die Marktteilnehmern nunmehr nicht mehr als Informationsmedium taugt. Sofern gewinnabhängige Ansprüche von der veränderten Wahlrechtsausübung nicht betroffen sind, bewirkt diese lediglich eine Änderung der Darstellung. Geht man davon aus, daß jeder geänderte Jahresabschluß in direkter oder analoger Anwendung von § 325 Satz 2 2. Halbsatz HGB zu publizieren ist,355 so ist die Änderung dem Aktionär sowohl durch einen Vergleich des geänderten mit dem ursprünglichen Jahresabschluß als auch durch die nach § 284 Abs. 2 Nr. 1 und 3. HGB vorgeschriebene Erläuterung der Bewertungsmethoden erkennbar. Eine Beeinträchtigung des Informationsgehaltes ist infolge der Erkennbarkeit der Wahlrechtsausübung daher nicht gegeben. 356 Weniger evident ist die Rechtslage, wenn es durch die Veränderung der Wahlrechtsausübung zu einer Veränderung gewinnabhängiger Ansprüche kommt, da hierdurch nicht nur die Darstellung, sondern auch die tatsächliche Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens verändert wird. Unproblematisch ist der Fall dann, wenn die Wahlrechtsausübung zu einer Minderung des handelsbilanziellen Gewinns fuhrt, die Dividendenerwartung
355 Vgl. W. Müller, in: Festschrift fur Quack, 1991, S. 359 (371). 356 Vgl. Schulze-Osterloh, ZHR 1986, S. 403 (543).
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der Aktionäre aber durch den verbleibenden Bilanzgewinn noch gedeckt wird oder aber durch § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG geschützt ist. Dieser Fall dürfte für die Mehrzahl steuerlich begründeter Wahlrechtsänderungen zutreffen. Eine mögliche Minderung der Steuerschuld des Unternehmens durch Wahlrechtsänderung läge dann sogar im Interesse der Aktionäre, denn hierdurch würde die Vermögenssubstanz der Aktiengesellschaft erhöht.357 Problematisch ist der Fall vor allem dann, wenn mit der Änderung der Wahlrechtsausübung eine Veränderung der erwarteten Dividendenzahlung verbunden wäre. Hierdurch könnten sowohl Aktionäre, die in Erwartung einer hohen Ausschüttung einen Wert gekauft haben, als auch Aktionäre, die in Erwartung einer niedrigen Ausschüttung den Wert verkauft haben, in ihrer entscheidungserheblichen Dividendenerwartung enttäuscht werden. Ob diese Erwartung ein berechtigtes Interesse an einer Bestandskraft des ursprünglichen Jahresabschlusses begründet, hängt davon ab, ob die Aussicht auf eine bestimmte Ausschüttung an dem schutzwürdigen Vertrauen in die Richtigkeit des Jahresabschlusses teilnimmt. Hier ist zu berücksichtigen, daß sich seit der Umsetzung des Bilanzrichtliniengesetzes 1986 die Publizitätspflicht nicht mehr vorrangig auf den festgestellten Jahresabschluß, sondern nur auf den aufgestellten Jahresabschluß bezieht. Die Aktiengesellschaft muß zwar gemäß § 325 Abs. 1 Satz 1 HGB weiterhin Ergebnisverwendungsvorschlag und -beschluß veröffentlichen, für die Wahrung der Publizitätsfristen genügt es gemäß § 325 Abs. 1 Satz 2 HGB aber, zunächst nur den aufgestellten Jahresabschluß zu veröffentlichen und den fehlenden Ergebnisverwendungsvorschlag und -beschluß nachzureichen. Im Zentrum der handelsrechtlichen Publizitätspflicht steht damit allein der aufgestellte Jahresabschluß.358 Dieser beinhaltet aber noch keine Aussage über die auszuschüttende Dividende, denn hierüber hat allein die Hauptversammlung gemäß § 172 AktG zu entscheiden. Vor der Beschlußfassung über eine Ergebnisverwendung nach § 172 AktG und deren Veröffentlichung enthält der veröffentlichte Jahresabschluß also seiner Natur nach keine endgültige Aussage über die zu erwartende Ausschüttung. Sämtliche Erwartungen über die auszuschüttenden Dividenden haben daher bis zur Ergebnisverwendung nur spekulativen Charakter und sind daher nicht schutzwürdig.
357 So im Ergebnis auch Pochmann, DB 1963, S. 1369; Ulrich, Wpg 1963, S. 623 (624); Weirich, Wpg 1976, S. 625 (627). 358 Vgl. Kropp/Sauerwein, DStR 1995, S. 70 (71f.).
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Mit der Beschlußfassung über die Ergebnisverwendung entsteht für sämtliche Aktionäre ein unentziehbares Individualrecht auf die Dividende; die Aktionäre sind also gegen eine spätere Minderung der Dividende durch eine gewinnmindernde Wahlrechtsausübung hinreichend geschützt. Eine mögliche Erhöhung der Dividende durch nachträgliche Wahlrechtsänderung läßt die Aktionärsinteressen unberührt. Damit läßt sich nicht erkennen, daß eine nachträgliche Änderung der Wahlrechtsausübung zu einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Aktionärsinteressen fuhren könnte, die nicht bereits durch gesellschaftsrechtliche Rechte hinreichend gewährleistet wären. Die Veröffentlichung des Jahresabschlusses vermag also kein Vertrauen der Aktionäre zu begründen, das über die bloße Gesetzmäßigkeit einer Wahlrechtsausübung hinausgeht.359 Auch eine Änderung der Wahlrechtsausübung nach erfolgter Publizierung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses ist daher grundsätzlich unbedenklich. Allerdings erscheint es auch hier, wie schon bei der Bilanzberichtigung geboten, nachträgliche Wahlrechtsausübungen möglichst auf wesentliche Änderungen zu beschränken, um eine unnötige Belastung des Kapitalmarktes mit geänderten Jahresabschlüssen zu vermeiden. Diese Beschränkung dürfte im Ergebnis jedoch ohne praktische Relevanz sein, denn wegen der hohen Kosten der Veröffentlichung und der durch die Änderung gemäß § 316 Abs. 3 HGB erforderlichen neuen Pflichtprüfung dürften unwesentliche Änderungen von vornherein ausscheiden. Im Ergebnis fuhrt die Informationsfunktion des Jahresabschlusses für die Aktionäre zu keiner Bestandskraft des Jahresabschlusses. Vielmehr sind Änderungen grundsätzlich zulässig und Berichtigungen sogar geboten. Eine Beschränkung ist im Interesse der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes lediglich für unwesentliche Berichtigungen oder Änderungen zu verlangen, was allerdings ohne praktische Bedeutung sein dürfte. 2.
Gesellschafter der GmbH und Personenhandelsgesellschaften
Für die erstmals mit dem Publizitätsgesetz von 1969 geschaffene handelsrechtliche Publizität der Großunternehmen ist vor einer Interessenabwägung zunächst zu klären, ob die Informationsinteressen der Eigentümer überhaupt von der gesetzlichen Publizitätspflicht geschützt sind.
359 So mit leicht abweichender Begründung auch Barz, in: Festschrift für Schilling, 1973, S. 127 (135) und Ludewig, DB 1986, S. 133, (134).
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Dies ist für die Publizitätspflicht des Einzelkaufmannes von vornherein ausgeschlossen, denn der Einzelkaufmann kann nicht zur öffentlichen Rechnungslegung verpflichtet sein und gleichzeitig deren Adressat sein. Selbst dann, wenn der Gesetzgeber die Informationsinteressen des Einzelkaufmanns selbst berücksichtigen wollte, bedarf es keiner Publizitätspficht, denn schon mit der Erstellung des Jahresabschlusses durch den Einzelkaufmann ist sein Informationsinteresse befriedigt. 360 Aber auch bei der GmbH und den Personenhandelsgesellschaften ist zweifelhaft, ob die gesetzliche Publizitätspflicht auch darauf zielt, die Gesellschafter zu unterrichten. Bei diesen Gesellschaftsformen fehlt nämlich der bei den Aktiengesellschaften typische Erwerb der Anteilsrechte auf einem organisierten Markt und die daraus folgende Anonymität zwischen Gesellschaft und Aktionären. Mangels Fungibilität der Anteile an Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Personenhandelsgesellschaften und der überschaubaren Anzahl an Gesellschaftern besteht ein individualisierbares Verhältnis zwischen Geschäftsführung der Gesellschaft und Gesellschaftern. Schon der Erwerb der Gesellschaftsanteile erfolgt typischerweise nicht über einen organisierten Markt, sondern aufgrund persönlichen Vertrauens, und auch die laufende Information über die Vermögens- und Ertragslage erfolgt durch persönliche Rechenschaftslegung aufgrund gesellschaftsrechtlicher Informationsrechte. Es fehlen also die typischen Merkmale für das Bedürfnis einer öffentlichen Rechnungslegung gegenüber aktuellen und potentiellen Gesellschaftern. 361 Dementsprechend hat der Gesetzgeber in der Begründung zum Publizitätsgesetz 1969 trotz einer umfangreichen Aufzählung der möglichen Adressaten die Gesellschafter der GmbH und Personenhandelsgesellschaften nicht erwähnt.362 Es ist daher davon auszugehen, daß auch die Gesellschafter einer GmbH und der Personenhandelsgesellschaften grundsätzlich nicht zu den Adressaten der handelsrechtlichen Publizität nach §§ 325 ff. HGB bzw.
360 Soweit im übrigen dem handelsrechtlichen Jahresabschluß gleichwohl die Funktion der "Selbstinformation" des Einzelkaufmanns beigemessen wird, zielt dies nicht auf die Interessen des Einzelkaufmanns selbst, sondern dem präventiven Gläubigerschutz. Vgl. dazu ausführlich oben unter § 3 C III 3 b (Seite 78f.). 361 Vgl. insbes. Friauf, GmbHR 1985, S. 245 (248); weiter v. Caemmerer, in: Das Frankfurter Publizitätsgespräch, 1962, S. 141 (170ff.); Castan, DB 1968, S. 515; Hopf, ZHR 1977, S. 389 (435). 362 Vgl. Begründung des Regiemngsentwurfes zum Publizitätsgesetz in BTDruckS. V/3197 S. 13fr.
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§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
dem Publizitätsgesetz gehören.363 Die Interessenlage externer Gesellschafter von Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Personenhandelsgesellschaften ist für die Frage der Bestandskraft publizierter Jahresabschlüsse daher grundsätzlich unerheblich. Zu erwägen ist lediglich, ob bei atypischen Gesellschaftsformen wie der Publikums-KG die Interessen der Gesellschafter in entsprechender Anwendung der aktienrechtlichen Überlegungen in den Adressatenkeis der handelsrechtlichen Publizität einzubeziehen sind.364 Die Zulässigkeit einer solchen analogen Erweiterung des Adressatenkreises kann hier im Ergebnis aber dahinstehen, denn auch aus der Interessenlage der Aktionäre konnte keine grundsätzliche Bestandskraft publizierter Jahresabschlüsse hergeleitet werden. 3.
Gläubiger
Die Gläubiger der publizitätspflichtigen Unternehmen werden sowohl in der Regierungsbegründung zum Publizitätsgesetz 1969365 als auch in der Literatur 66 ausdrücklich als Adressaten der handelsrechtlichen Publizität genannt. Den Gläubigern soll durch die Publizität des Jahresabschlusses die Möglichkeit eröffnet werden, die Kreditwürdigkeit der Unternehmen zu beurteilen. Dabei herrscht weitestgehend Übereinstimmung darüber, daß dieser Schutz ähnlich wie bei der Information der Aktionäre nicht allein dem individuellen Schutz der Gläubiger dient, sondern zugleich die Effizienz und Funktionsfä-
363 So für die GmbH ausdrücklich auch Friauf, GmbHR 1985, S. 245 (248) und Kunze, ZHR 1970; S. 193 (200). 364 Vgl. hierzu auch Hopt, ZHR 1977 S. 389 (435). 365 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfes zum Publizitätsgesetz in BTDruckS. V/3197 S. 13ff„ 23 sowie die Ausführungen von Prühs, AG 1969, S. 173 (175ff.). 366 Vgl. Ballerstedt, in: Raiser et alt, Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, Soziologie und Statistik, 1964, S. 123; Böhmer, Die Verpflichtung zur Publizität der Konzernrechnungslegung nach dem Publizitätsgesetz, 1986, S. 18ff.; Clemm, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 93 (98f.); v. Caemmerer, in: Das Frankfurter Publizitätsgespräch, 1962, S. 141 (157ff.); Hopt, ZHR 1977 S. 389 (400ff.); Kupsch, in: Hofbauer/ Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, Einführung Β 3 Rdn. 159; Luckan/Schacht, DB 1970, S. 1449 (1450f.); Moxter, Der Einfluß von Publizitätsvorschriften auf das unternehmerische Verhalten, 1962, S. lOlff.; kritisch allerdings Ott, Untemehmenspublizität, 1972, S. 74ff.
Ε. Bestandskraft publizierer Jahresabschlüsse
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higkeit der Kreditwirtschaft insgesamt zum Ziel hat. 367 Soweit es sich bei den Gläubigern um Kreditinstitute handelt, steht die handelsrechtliche Publizität daher im Zusammenhang mit der Informationspflicht der Kreditinstitute nach § 18 KWG, die wie das gesamte KWG der Funktionsfahigkeit der Kreditwirtschaft dienen soll.368 Der Publizität kommt insoweit also eine ergänzende Funktion zu. Demgegenüber stellt die Publizität der Bilanzen fur Lieferanten und Kleingläubiger oft die einzige Quelle zur Beurteilung ihrer eingegangenen Kreditrisiken dar. 369 Unabhängig von der Art der Kreditgewährung kann die vom Gesetzgeber gewollte Funktion des Jahresabschlusses als Unterlage für eine Kreditwürdigkeitsprüfung nur dann zu einer Bestandskraft führen, wenn durch eine Berichtigung oder Änderung der Aussagewert des handelsrechtlichen Jahresabschlusses so verändert würde, daß eine verläßliche Bonitätsprüfung nicht mehr möglich wäre. Dies ist bei der Berichtigung von Fehlern von vornherein nicht der Fall. Aber auch eine Einschränkung von Änderungen erscheint im Hinblick auf diese Funktion zweifelhaft. Im wirtschaftswissenschaftlichen, 370 aber auch im rechtlichen Schrifttum 371 wird die Tauglichkeit des publizierten Jahresabschlusses für die vom Gesetzgeber angestrebte Risikodarstellung und Insolvenzwarnung grundsätzlich in Zweifel gezogen. Ein zur Erreichung des angestrebten Gläubigerschutzes untaugliches Instrument bedarf jedoch von vornherein keiner Bestandskraft.
367 Dies zeigt sich insbesondere in der Begründung des Regierungsentwurfes zum Publizitätsgesetz in BTDruckS. V/3197 S. 13ff., wo von gegenwärtigen und künftigen Kreditgebern die Rede ist. Weiter v. Caemmerer, in: Das Frankfurter Publizitätsgespräch, 1962, S. 141 (159ff.). 368 Zum Zusammenhang zwischen der handelsrechtlichen Publizität und § 18 KWG vgl. Baetge, Bilanzen, 3. Aufl. 1994, S. 37 sowie Tröller, in: Festschrift fiir Scholz 1985, S. 191 ff.; zum Zweck des KWG vgl. die Zweckbestimmung in § 6 Abs. 2 KWG und die Darstellung; Niethammer, Die Ziele der Bankenaufsicht in der Bundesrepublik Deutschland, 1987, S. 159ff. 369 In diesem Sinne wohl auch Kupsch, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, Einfuhrung Β 3 Rdn. 159. 370 Vgl. die Kritik von Strobel, Publizitätspflicht und Haftungsbeschränkung, BB 1981, S. 1742 (1751f.). 371 So vor allem Friauf, GmbHR 1985, S. 245 (249); Rittner, JB1. 1977, 395 (399f.).
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Aber selbst wenn man dem veröffentlichten Jahresabschluß zumindest eine indizielle Bedeutung für die Kreditwürdigkeitsprüfung beimißt, ist nicht erkennbar, weshalb hieraus eine Beschränkung nachträglicher Änderungen folgen sollte. Die Veränderung des Jahresabschlusses durch Wahlrechtsänderung beinhaltet als solche nämlich nur eine Darstellungsveränderung, die darüberhinaus wegen der Berichtspflicht nach § 284 Abs. 2 HGB im Anhang erkennbar ist, jedoch keine Veränderung der Solvenz. Und soweit mit der Wahlrechtsänderung eine Erhöhung des ausschüttbaren Gewinns verbunden ist, sind die Gläubiger hinreichend durch die Haftungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften des Gesellschaftsrechts geschützt.3 3 Zudem haben sie wegen der Verpflichtung zur Publikation auch des geänderten Jahresabschlusses grundsätzlich die Möglichkeit, aus einer nunmehr negativen Beurteilung der Solvenz entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Im Ergebnis ist damit nicht erkennbar, weshalb aus der Adressierung des publizierten Jahresabschlusses an die Gläubigerschaft ein Vertrauenstatbestand entstehen sollte, der eine Berichtigung oder Änderung publizierter Jahresabschlüsse ausschlösse. 4.
Die öffentliche Hand
Als weiterer Adressat des publizierten Jahresabschlusses wird in der Begründung des Publizitätsgesetzes374 wie auch in der Literatur die öffentliche Hand genannt. Soweit hier darauf abgestellt wird, daß der Jahresabschluß dem Staat als Bemessungsgrundlage für die Ertragsbesteuerung dient,375 wird nicht hinreichend zwischen dem handelsrechtlichen Jahresabschluß und der Steuerbilanz unterschieden. Darüber hinaus ist die nachträgliche Änderung und Berichtigung im Steuerbilanzrecht hinreichend geregelt, so daß es keiner gesonderten Einschränkung von Änderungen und Berichtigungen bedarf.
372 So etwa Ott, Unternehmenspublizität, 1972, S. 30ff. und Moxter, Der Einfluß von Publizitätsvorschriften auf das unternehmerische Verhalten, 1962, S. 109ff, 128ff. 373 So insbesondere schon Ott, Untemehmenspublizität, 1972, S. 76f., ausfuhrlich zur Funktion des Jahresabschlusses im Rahmen der Haftung- und Kapitalerhaltungsvorschriften. 374 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfes zum Publizitätsgesetz in BTDruckS. V/3197 S. 13ff.; Clemm, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 93 (99); Prühs, AG 1969, S. 173 (175f.). 375 So Clemm, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 93 (99).
Ε. Bestandskiaft publizierer Jahresabschlüsse
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Stellt man darauf ab, daß die öffentliche Hand Informationen aus den veröffentlichten Jahresabschlüssen als Grundlage für ihre Wirtschafts- und Sozialpolitik benötigt,376 so ist der Informationsgehalt einzelner Jahresabschlüsse hier von untergeordneter Bedeutung. Grundlage für die allgemeine wirtschafte- und sozialpolitische Entscheidungen ist nicht die Lage des einzelnen Unternehmens, sondern die durch die Gesamtheit der Abschlüsse vermittelte Lage der Gesamtwirtschaft. Berichtigungen und Änderungen einzelner Jahresabschlüsse beeinträchtigen die Informationsinteressen der öffentlichen Hand daher nicht. 5.
Sonstige interessierte Öffentlichkeit
Unter dem Begriff der interessierten Öffentlichkeit läßt sich ein Kreis weiterer Adressaten zusammenfassen, die allerdings weder in ihrer Zahl noch in den rechtlich relevanten Interessen am Jahresabschluß immer klar abgrenzbar sind. Hierzu gehören Gruppen, die zum publizierenden Unternehmen in geschäftlicher oder wirtschaftlicher Beziehung stehen, wie etwa die Arbeitnehmer, Kunden oder auch die Konkurrenten des Unternehmens. Weiter faßt man hierunter die Wirtschaftspresse, Verbände und andere Organisationen. Arbeitnehmer, Abnehmer und auch die Konkurrenten haben aufgrund ihrer wirtschaftlichen Beziehung zum Unternehmen ein wirtschaftliches Interesse an einer zutreffenden Darstellung der Vermögens- und Ertragslage, um hierauf ihr Verhalten gegenüber dem Unternehmen gründen zu können. Dieses Informationsinteresse ist zumindest im Falle der Arbeitnehmer des Unternehmens wegen deren sozialer und wirtschaftlicher Abhängigkeit von ihrem Arbeitsplatz grundsätzlich auch schutzwürdig.377 Das Informationsinteresse dieser Gruppen ist jedoch prinzipiell nur globaler Natur und zudem allein an der tatsächlichen Vermögenslage und Ertragslage ausgerichtet. Eine Beschränkung nachträglicher Berichtigungen und Änderungen des Jahresabschlusses als Instrument zur Darstellung der Vermögenslage würde der Informationsfunktion des Jahresabschlusses für diese Gruppe zu große Bedeu-
376 So vor allem Begründung BTDruckS. V/3197 S. 13.
des Regierungsentwurfes zum Publizitätsgesetz
in
377 Vgl. auch Castan, DB 1968, S. 515 (516); Ott, Unternehmenspublizität, 1972, S. 79f. und die ausführliche Analyse der Interessenlage und Handlungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer bei Moxter, Der Einfluß von Publizitätsvorschriften auf das unternehmerische Verhalten, 1962, S. 136ff.
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§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
tung beimessen. Im Falle der Arbeitnehmer würde zudem verkannt, daß nicht nur die individuellen Interessen des einzelnen Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes, sondern auch die kollektiven Informationsinteressen der Arbeitnehmerschaft insgesamt hinreichend durch das Individual- und Kollektivarbeitsrecht geregelt sind. Eine Bestandskraft publizierter Jahresabschlüsse können die Interessen der mit dem Unternehmen in geschäftlicher und wirtschaftlicher Beziehung stehenden Gruppen daher nicht begründen. Gemeinsames Merkmal des Interesses der Wirtschaftspresse, Verbände und anderer Organisationen an handelsrechtlichen Jahresabschlüssen ist, daß diese nicht für sich selbst Informationen aus dem publizierten Jahresabschluß gewinnen, sondern für andere aufbereiten. Ihnen kommt also eine Funktion als Informationsintermediar zu. 379 Ob diese für einen funktionsfähigen Kapitalmarkt notwendige Mediatisierung der durch Jahresabschlüsse vermittelten Information als rechtlich zu schützendes Interesse anzusehen ist, ist durch die äußerst fragwürdige "Herberger-Bau" Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1994 380 in Frage gestellt worden. In diesem Urteil hat der BGH eine Analyse eines publizierten Jahresabschlusses einer GmbH im Rahmen universitärer Veranstaltungen untersagt, da dies gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der GmbH verstoße. Letztlich kann die Frage des gesetzlichen Schutzbereiches der Publizität hier dahinstehen, denn die Bestandskraftinteressen der Informationsintermediäre können nicht weiter gehen als die der Adressaten, für die diese Informationsaufbereitung erfolgt. Aus den vorausgegangenen Ausführungen wurde jedoch erkennbar, daß sich aus der schutzwürdigen Interessenlage keiner Adressatengruppe eine Bestandskraft publizierter Jahresabschlüsse herleiten läßt, die über die Vermeidung eines "information overkill" hinausgeht.
378 Vgl. Castan, DB 1968, S. 515 (516); Ott, Untemehmenspublizität, 1972, S. 79ff. 379 Vgl. dazu Böhmer, Die Verpflichtung zur Publizität der Konzenrechnungslegung nach dem Publizitätsgesetz, 1986, S. 34f.; Hopt, ZHR 1977, S. 389 (417); Kunze, in: Festgabe fur ν. Nell-Breuning, 1965, S. 292 (306ff.). 380 BGH, Urt. v. 8.2.1994, ZIP 1994, S. 648 mit ablehnender Anmerkungen von Siekmann und Hirte in EWiR, § 325 HGB 1/94, S. 469 sowie Hager, ZHR 1994, S. 675ff.
F. Zusammenfassung
F.
167
Zusammenfassung
Im Ergebnis fuhren die öffentlich-rechtlichen Funktionen des 3. Buches des HGB nur zu einer eng begrenzten Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse: Nach der Unterzeichnung gemäß § 245 HGB ist bei Kapitalgesellschaften und Kommanditgesellschaften eine nachträgliche Änderung der Wahlrechtsausübungen, die zu einer Gewinnerhöhung fuhren würde, unzulässig. Diese einseitige Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse erwächst allein aus den traditionellen Funktionen der handelsrechtlichen Rechnungslegung. Grundlegend ist dabei die Aufgabe des handelsrechtlichen Jahresabschlusses für die Kapitalerhaltung bei Kapitalgesellschaften und der Haftungsbestimmung bei Kommanditgesellschaften. Diese machen es im Interesse der Gläubiger und der Rechtssicherheit erforderlich, eine nachträgliche Verkürzung des im Unternehmen gebundenen Vermögens und des Hafhingsumfanges der Kommanditisten zu verhindern. Daneben kann sich weiterhin aus der Dokumentationsfunktion handelsrechtlicher Jahresabschlüsse im Einzelfall ergeben, daß eine Änderung unzulässig ist. Dies ist dann der Fall, wenn durch mehrfache Änderungen die Nachvollziehbarkeit der Entstehung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses gefährdet wird. Die moderneren kapitalmarktrechtlichen Funktionen publizierter Jahresabschlüsse führen dagegen zu keiner wesentlichen Erweiterung der Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse. Für eine generelle Bestandskraft publizierter Jahresabschlüsse gegenüber nachträglichen Wahlrechtsänderungen wäre ein schutzwürdiges Vertrauen der Adressaten in die Beständigkeit des handelsrechtlichen Jahresabschlusses erforderlich. Ein solches Vertrauen ist im deutschen Bilanzrecht infolge der Gestaltbarkeit handelsrechtlicher Jahresabschlüsse abzulehnen. Erforderlich ist allein, im Interesse der Funktionsfahigkeit des Kapitalmarktes, nachträgliche Änderungen auf wesentliche Veränderungen zu beschränken. Da nachträgliche Änderungen aber mit erheblichen Kosten für eine erneute Prüfung und Publikation verbunden sind, verbieten sich unwesentliche Änderungen schon von selbst. Während die traditionellen Funktionen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses und die moderneren kapitalmarktrechtlichen Aufgaben für nachträgliche Änderungen damit zu unterschiedlichen Ergebnissen fuhren, sind die Konsequenzen bei fehlerhaften Jahresabschlüssen dagegen weitestgehend identisch. Sämtliche öffentlich-rechtlichen Funktionen des Jahresabschlusses verlangen grundsätzlich eine Berichtigung des Jahresabschlusses. Diese Berichtigungspflicht erstreckt sich allerdings nicht auf jeden Fehler. Viel-
168
§ 3 Bestandskraft der Rechnungslegung des HGB
mehr fuhrt die Natur des handelsrechtlichen Jahresabschlusses als Rechnungslegung des Unternehmens auf unsicherer und subjektiver Grundlage zu einer Beschränkung der Berichtigungspflicht auf wesentliche und vor allem subjektive Fehler. Eine Berichtigungspflicht wird also nicht allein schon durch eine nachträglich erkannte objektive Abweichung der Darstellung im handelsrechtlichen Jahresabschluß von der tatsächlichen Vermögens- oder Ertragslage ausgelöst. Die Berichtigungspflicht entsteht vielmehr wie im Steuerrecht nur dann, wenn die Fehlerhaftigkeit im Zeitpunkt der Unterzeichnung bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt auch erkennbar war.
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung A.
Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen
Rechnungslegung
Im Handelsbilanzrecht besteht Einigkeit, daß sich die Bedeutung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses nicht in der öffentlich-rechtlichen Rechnungslegung im Außenverhältnis erschöpft. Der handelsrechtliche Jahresabschluß wird vielmehr ganz selbstverständlich auch als Instrument der Rechnungslegung und Gestaltung im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis angesehen.1 Offen bleibt zumeist jedoch, auf welcher rechtlichen Grundlage die gesellschaftsrechtliche Rechnungslegung beruht. Dies ist für eine Untersuchung der rechtlichen Natur und Bindungswirkung des Jahresabschlusses als Instrument der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung und Gestaltung unbefriedigend. Vor einer Untersuchung der Gestaltung des gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnisses durch Jahresabschlüsse und deren Bestandskraft soll daher zunächst auf einige Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung eingegangen werden.
I.
Rechtsgrundlage der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegungspflicht
Unproblematisch ist die Begründung einer gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegungspflicht dann, wenn sie im Gesellschaftsvertrag der Personenhandels- oder Kapitalgesellschaften ausdrücklich geregelt ist. Hieran dürfte es bei der Mehrzahl der Unternehmen aber fehlen, da eine Rechnungslegung durch die Geschäftsführung als selbstverständlich vorausgesetzt wird. In diesen Fällen bedarf die Annahme einer gesellschaftsinternen Rechnungslegungspflicht einer entsprechenden gesetzlichen Regelung.
1
Vgl. etwa Clemm, Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 93 (96f.); Crezelius, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 42a Rdn. 38; Goerdeler, in: Festschrift für Fleck, 1988, S. 53 (55f.); K.Schmidt, Handelsrecht, 4. Aufl. 1994, §15 II 1. b (S. 430f.); SchulzeOsterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42 Rdn. 26; Wieland, Handelsrecht, Bd. I, 1921, S. 309.
170
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
Folgt man der herrschenden Auffassung 2 darin, daß die Rechnungslegungspflichten des 3. Buches des HGB als öffentlich-rechtliches Ordnungsund Kapitalmarktrecht anzusehen sind, so scheiden die Vorschriften in §§238 ff. HGB als gesetzliche Grundlage einer gesellschaftsrechtlichen Pflicht zur Rechnungslegung und Erstellung eines Jahresabschlusses aus.3 Die Einordnung des 3. Buches als besonderes Ordnungsrecht der Kaufleute schließt aus, daß hierdurch zugleich das zivilrechtliche Innenverhältnis der Gesellschaft geregelt werden soll. Da das 2. Buch des HGB keine weitere Verpflichtung zur Rechenschaftslegung gegenüber den Gesellschaftern enthält, fehlt im Personenhandelsgesellschaftsrecht eine ausdrückliche Regelung der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung. Gleiches gilt im Ergebnis auch für die Kapitalgesellschaften. Hier werden in § 41 GmbHG und § 91 AktG zwar Geschäftsführer der GmbH beziehungsweise Vorstand der Aktiengesellschaft zur Buchführung verpflichtet. Diese Normen werden im Gesellschaftsrecht ganz überwiegend jedoch nicht als Begründung einer selbständigen Rechnungslegungspflicht angesehen, sondern als Zuweisung der gesetzlichen Buchfuhrungspflicht nach §§ 239 ff. HGB an die geschäftsfuhrenden Organe der Kapitalgesellschaft.4 Während der Gesetzgeber die öffentlich-rechtliche Rechnungslegung der Kaufleute umfassend geregelt hat, fehlt dem Handelsund Gesellschaftsrecht jedenfalls eine explizite Regelung der gesellschaftsintemen Rechnungslegung. Dies dürfte sich vor allem daraus erklären, daß der historische Gesetzgeber den kaufmännischen Jahresabschluß nicht vorrangig als Instrument des Gesellschaftsrechts, sondern zum Zwecke des Gläubigerschutzes kodifizierte und dabei auf eine tatsächlich schon vorhandene innergesellschaftliche Rechnungslegung aufbaute, deren Existenz er als selbstverständlich voraussetzte.
2
Vgl. oben § 2 C I 1 (Seite 24f.) mit Nachweisen in Fußnote 3.
3
So auch Brüggemann, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, Vorbem. zu §§ 38ff. Rdn. 3; anderer Ansicht insoweit Claussen, der eine Einordnung des 3. Buches als öffentlich-rechtliche Vorschriften ablehnt. Er sieht damit das 3. Buch des HGB als Regelung der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegungspflicht an [vgl. Claussen, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 242 HGB Rdn. 5f.; ders., in: Festschrift für Semler, 1993, S. 97 (104)]. Vgl. Crezelius, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, §41 Rdn. 4; Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 92 Rdn. 91f.; Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, §91 Rdn. 1; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, §41 Rdn. 1.
4
Α. Grandlagen der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
171
Dieses Fehlen einer ausdrücklichen Regelung bereitet für die Begründung einer eigenständigen gesellschaftsrechtlichen Verpflichtung zur Buchführung und Erstellung eines Jahresabschlusses jedoch keine großen Probleme. Eine gesellschaftsrechtliche Rechnungslegungspflicht läßt sich nämlich ohne große Probleme aus allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen und der Ausgestaltung der Mitgliedsrechte der Gesellschafter herleiten. Dem deutschen Zivilrecht läßt sich zum einen aus einer Reihe von Einzelvorschriften der allgemeine Grundsatz entnehmen, daß deijenige, der fremdes Vermögen verwaltet, dazu verpflichtet ist, durch Führung geeigneter Aufzeichnungen Rechenschaft abzulegen.5 Dieser allgemeine Grundsatz ist bei den Personenhandelsgesellschaften durch den Verweis in § 105 Abs. 2 HGB auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts und die in § 713 BGB enthaltene Weiterverweisung auf §§ 666, 259 BGB Teil der gesetzlichen Regelung des gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnisses. Die geschäftsführenden Gesellschafter sind gegenüber jedem anderen Gesellschafter daher gemäß §§259, 666, 713 BGB, § 105 Abs. 2 HGB zur laufenden Buchführung und Darstellung der Vermögens- und Ertragslage in einer Bilanz verpflichtet.6 Bei den Kapitalgesellschaften wird mangels Verweisung auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts angenommen, daß dieser Grundsatz ein so selbstverständlicher Teil des Zivilrecht sei, daß er auch ohne Anwendbarkeit einer konkreten Norm Geltung beanspruche.7 Weiter ergibt sich bei allen Gesellschaftsformen auch aus den gesellschaftsrechtlichen Gewinn- und Informationsansprüchen der Mitglieder die Notwendigkeit einer Rechnungslegung über die Vermögens- und Gewinnlage der Gesellschaft. Der Gewinnanspruch des Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft aus §§120 Abs. 1, 121 HGB setzt ebenso wie das Einsichtsrecht des Kommanditisten aus § 118 Abs. 1 HGB voraus, daß die Ge-
5
So schon Hoeniger, in: Düringer/Hachenburg, HGB, 3. Aufl. 1930, § 38 Anm. 8a; weiter Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1971, § 148 Rdn.3; v. Caemmerer, in: Das Frankfurter Publizitätsgespräch, 1962, S. 141 (167f.); W. Müller, in: Festschrift für Moxter, 1994, S. 75 (87f.); allgemein Keller, in: Münchner Kommentar zum BGB, § 259 Rdn. 8ff.
6
Vgl. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 336; Muth, Die Bilanzfeststellung bei Personenhandelsgesellschaften, 1986, S. 27.
7
Vgl. Brüggemann, in: Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, Vorbem. zu §§ 38ff. Rdn. 4, 5; v. Caemmerer, in: Das Frankfurter Publizitätsgespräch, 1962, S. 141 (167f.); ähnlich W. Müller, in: Festschrift für Moxter, 1994, S. 75 (87f.).
172
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
sellschaft Bücher führt und eine Vermögens- und Gewinnrechnung erstellt. Der Gesetzgeber nimmt hier inzident Bezug auf die kaufmännische Rechnungslegung des 3. Buches. Ohne die gleichzeitige Annahme, daß kaufmännische Rechnungslegung zugleich für die Mitglieder der Gesellschaft erfolgt, wären diese Gewinn- und Informationsrechte inhaltsleer und daher sinnlos.8 Gleiches gilt für die Gewinn- und Informationsrechte der GmbHGesellschafter und Aktionäre.9 Auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung kann daher davon ausgegangen werden, daß der handelsrechtliche Jahresabschluß grundsätzlich auch dazu dient, im Innenverhältnis der Personenhandels- und Kapitalgesellschaften bestehende Rechnungslegungspflichten zu erfüllen.
II.
Stadien des gesellschaftsrechtlichen Jahresabschlusses
Mehr noch als die rechtliche Grundlage der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung ist für die Frage der Bestandskraft von Interesse, welche gesellschaftsrechtlichen Stadien der handelsrechtliche Jahresabschluß durchläuft. Ähnlich der öffentlich-rechtlichen Unterscheidung in Aufstellung und Unterzeichnung hat sich sowohl im Kapitalgesellschaftsrecht als auch im Personengesellschaftsrecht eine Unterscheidung in Aufstellung und Feststellung durchgesetzt. 1.
Aufstellung
Ebenso wie im Rahmen der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht nach dem 3. Buch des HGB ist es auch für die Regelung des gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnisses zunächst erforderlich, daß die laufende Buchfuhrung des Unternehmens zu einer Vermögens- und Gewinndarstellung verdichtet werden. Dies geschieht durch Aufstellung einer Bilanz und Gewinnund Verlustrechnung. Diese Aufstellung obliegt den geschäftsführenden Gesellschaftern oder Organen der Gesellschaft im Rahmen ihrer innergesell-
8
Vgl. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 336; Muth, Die Bilanzfeststellung bei Personenhandelsgesellschaften, 1986, S. 26.
9
Vgl. für die GmbH Goerdeler/W. Müller, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 29 Rdn. 21.
Α. Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
173
schaftsrechtlichen Geschäftsführungspflichten.10 Ein solch vollständig aufgestellter Jahresabschluß enthält dabei notwendigerweise auch die Ausübung bilanzieller Wahlrechte und Ermessensspielräume. Diese Ausübung ist aber ohne jede Bindungswirkung für das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis. Der aufgestellte Jahresabschluß stellt auch für das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis zunächst nur ein tatsächliches Rechenwerk dar, mit dem die geschäftsführenden Gesellschafter oder Geschäftsfuhrungsorgane ihrer Verpflichtung zur gesellschaftsrechtlichen Darstellung der Vermögens- und Ertragslage nachkommen.11 Die Aufstellung ist daher bilanziell nur als bloße Wissenserklärung anzusehen, die für Ansprüche im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis noch keine rechtliche Bindungs- oder Gestaltungswirkung entfaltet.12· 13 2.
Feststellung
Für das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis ist das entscheidende Stadium in der Feststellung des Jahresabschlusses zu sehen. Die Aufgabe der Feststellung besteht nach einhelliger Ansicht darin, eine für das Verhältnis der Gesellschafter zueinander sowie zur Gesellschaft und ihren Organen verbindliche Darstellung der Vermögenslage zu schaffen. 14
10
11
Vgl. für die Personenhandelsgesellschaften Emmerich, in: Heymann, HGB, 2. Aufl. 1996, § 120 Rdn. 7; Muth, Die Bilanzfeststellung bei Personenhandelsgesellschaften, 1986, S. 28f„ für Kapitalgesellschaften; Schulze-Osterloh, BB 1980, S. 1402 (1404) jeweils m.w. N. Vgl. Hommelhoff/Priester, ZGR 1986, S. 463 (473); Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 242 Rdn. 17; Goerdeler, in: Festschrift für Fleck, 1988, S. 53 (67f.); Priester, in: IDW (Hrsg.), Personengesellschaft und Bilanzierung, 1990, S. 63 (73f.); Hopt, in: Festschrift für Odersky, 1996, S. 799.
12
Ähnlich Claussen, in: Festschrift für Semler, 1993, S. 97 (102);. Hommelhoff/Priester, ZGR 1986, S. 463 (473f.); Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 172 Rdn. 2; Emmerich, in: Heymann, HGB, 2. Aufl. 1996, § 120 Rdn. 6.
13
Auch die Frage, ob der Vorstand einer Aktiengesellschaft schon nach der Vorlage des von ihm aufgestellten Jahresabschlusses an den Aufsichtsrat im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis an dessen Inhalte gebunden ist oder dessen Ansätze noch geändert werden können, ist bei genauer Betrachtung kein Problem der Aufstellung, sondern eine Frage des Zeitpunktes der gesellschaftsrechtlichen Feststellung. Vgl. Claussen, in: Festschrift für Semler, 1993, S. 97 (102ff.); Großfeld, Bilanzrecht, 2. Aufl. 1990, S. 20 Rdn. 41; Hense, Wpg 1993, S. 716; Hopt, in: Festschrift für (Fortsetzung der Fußnote auf nächster Seite)
14
174
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
a) Entwicklung der Feststellung Rechtshistorisch hat das nur im Kapitalgesellschaftsrecht ausdrücklich kodifizierte Institut der Feststellung seinen Ursprung im Aktiengesellschaftsrecht.15 Der Grund für die Entwicklung der Feststellung gerade im Aktiengesellschaftsrecht ist dabei in der für Aktiengesellschaften typischen Trennung von Geschäftsführung und Eigentumsrechten zu sehen. Die gesellschaftsrechtliche Struktur der Aktiengesellschaft ist wie bei keiner anderen Gesellschaftsform geprägt durch eine Trennung der dem Vorstand zugewiesenen unternehmerischen Entscheidungs- und Gestaltungsbefugnis von den gesellschaftsrechtlichen Eigentumsrechten der Aktionäre. Damit einher geht eine Verweisung der Aktionäre auf die bloße Entscheidung über die Verwendung des in der Bilanz ausgewiesenen Gewinnes. Die Beschränkung der unternehmerischen Entscheidungsrechte der Aktionäre auf eine Gewinnverwendungsentscheidung führte schon im letzten Jahrhundert zu der Frage, wer durch Ausübung bilanzpolitischer Gestaltungsspielräume darüber zu entscheiden hat, wieviel Gewinn in der Bilanz ausgewiesen wird. 16 Dieses Recht wurde im ADHGB und dem frühen HGB zunächst entsprechend der frühen konzessionsrechtlichen Phase des Aktienrechts dem Verwaltungsrat der Gesellschaft eingeräumt. Die Dominanz der Geschäftsführungsorgane wurde durch die Aktienrechtsnovelle von 1884 dann zeitweise zugunsten der Aktionäre durchbrochen. Diese sah in Art. 239b HGB eine Genehmigung der Bilanz durch die Generalversammlung vor, entzog also den Geschäftsführungsorganen weitgehend die bilanziellen Gestaltungsrechte.17 Die aus einer liberalen Konzeption des Wirtschaftsverfassungsrechts erwachsende Stärkung der individuellen Anteilseigner geriet in den 30er Jahren dann notwendigerweise in Konflikt mit der am Wohl der Volksgesamtheit und dem Führerprinzip orientierten Wirtschaftsverfassung des Nationalsozialismus. Das Aktiengesetz von 1937 wies daher die bilanziellen Gestaltungskompetenzen wieder den Geschäftsführungsorganen der Aktiengesellschaft zu. Neben ideologischen
Odersky, 1996, S. 799; Hüffler, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988 § 242 Rdn. 19, 42; Muth, Die Bilanzfeststellung bei Personenhandelsgesellschaften, 1986, S. 36ff.; 96ff.; Priester, in: IDW (Hrsg.), Personengesellschaft und Bilanzierung, 1990, S. 63 (73f.); Ulmer, in: Festschrift für Hefermehl, 1976, S. 207 (208); Schulze-Osterloh, BB 1980, S. 1402 (1404); Weirich, Wpg 1976, S. 625f. jeweils m.w. N. 15 16
Zum Ursprung und Entwicklung der Feststellung im Aktiengesellschaftsrecht vgl. insbes. Claussen, in: Festschrift für Semler, 1993, S. 97ff. Vgl. die Darstellung bei Claussen, in: Festschrift für Semler, 1993, S. 98.
17
Vgl. Claussen, in: Festschrift für Semler, 1993, S. 98 mit weiteren Nachweisen.
Α. Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
175
Überlegungen stützte sich diese Entscheidung auch auf das heute noch vertretene Argument, daß die Geschäftsführung besser in der Lage sei, eine den wirtschaftlichen Bedürfnissen und der finanziellen Situation des Unterneh• 18 mens entsprechende Entscheidung über den Gewinnausweis zu treffen. Nach der im Kern noch heute geltenden Regelung in § 125 Abs. 1, Abs. 3 AktG 1937 war es vorrangig Aufgabe des Vorstands und Aufsichtsrats, den für die Gesellschaft maßgeblichen Jahresabschluß zu bestimmen. Lediglich dann, wenn beide Organe die Billigung des Jahresabschlusses ausdrücklich der Hauptversammlung überließen, oblag es den Aktionären, nicht nur über die Gewinnverwendung, sondern auch die bilanziellen Gestaltungsrechte zu entscheiden. Diese weitreichende Entrechtung der Aktionäre wurde im Vorfeld der Aktienrechtsreform von 1965 mit dem Argument in Frage gestellt, daß die Feststellung des für die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse maßgeblichen Jahresabschlusses zu den Urrechten der Aktionäre gehöre. 19 Der Gesetzgeber hielt trotz dieser Kritik im Aktiengesetz von 1965 an der Konzeption des AktG 1937 fest. 20 Die nun als Feststellung bezeichnete Kompetenz zur Bestimmung des im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis maßgeblichen Jahresabschlusses obliegt daher auch heute gemäß §§ 172, 173 AktG weiter vorrangig Vorstand und Aufsichtsrat. Nur dann, wenn beide Organe dies beschließen, ist die Hauptversammlung zuständig. Allerdings hat der Gesetzgeber die 1937 eingetretene Entrechtung der Aktionäre 1965 dadurch teilweise wieder aufgehoben, daß er die mangels fester Bewertungsuntergrenzen früher fast beliebige Gestaltungsbefugnis der Geschäftsführungsorgane durch Einführung von Bewertungsuntergrenzen einschränkte und in § 58 Abs. 2 AktG der Bildung von Rücklagen durch Vorstand und Aufsichtsrat Grenzen zog. Die Entwicklung im Aktiengesellschaftsrecht zeigt, daß die Feststellung des Jahresabschlusses als Instrument der innergesellschaftlichen Zuweisung von Kompetenzen zur Ausübung bilanzieller Gestaltungsspielräume entstanden ist. Die als formalisierter gesellschaftsrechtlicher Akt ausgestaltete FestΛ 1
18
So schon Klausing, Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, 1937, S. 110 und mit Bezug auf diesen heute etwa noch Claussen, in: Festschrift fur Semler, 1993, S. 99.
19 20
So insbesondere Geßler, BB 1961, S. 417 (419). Vgl. die Darstellung der Diskussion in Claussen, in: Festschrift für Semler, 1993, S. 99f. und Fußnote 11.
21
Dazu schon oben Seite 85f.
176
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
Stellung mußte sich fast zwangsläufig im Aktiengesellschaftsrecht infolge der dort herrschenden strikten Trennung von Geschäftsführungs- und Eigentumsrechten und den daraus erwachsenden Interessenkonflikten herausbilden. Die Schaffung eines verbindlichen Jahresabschlusses durch einen Feststellungsakt wird daher zu Recht rechtshistorisch als Errungenschaft des Aktiengesellschaftsrecht angesehen. 22 b) Gesellschaftsrechtliche Notwendigkeit einer Feststellung Die Anerkennung der aktienrechtlichen Herkunft der gesellschaftsrechtlichen Feststellung darf jedoch nicht verdecken, daß die Feststellung heute als allgemeines gesellschaftsrechtliches Institut anzusehen ist. Auch bei den stärker personalistisch strukturierten Personenhandelsgesellschaften und der GmbH besteht nämlich ein Bedürfnis, im Hinblick auf die vermögensrechtlichen Ansprüche der Gesellschafter eine für alle Beteiligten verbindliche Fassung des Jahresabschlusses zu schaffen. Dies hat der Gesetzgeber für die GmbH schon im GmbHG von 1892 erkannt, als er in § 46 Nr. 1 GmbHG die noch heute geltende Feststellungskompetenz der Gesellschafterversammlung regelte. Für die Personenhandelsgesellschaften fehlt zwar auch heute noch eine entsprechende Regelung der Feststellung. Es entspricht indes der heute herrschenden Meinung, daß eine Feststellung des Jahresabschlusses Voraussetzung für die verbindliche Ausübung der handelsbilanziellen Gestaltungsrechte im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis ist.24 Allerdings ist diese Übertragung des Instituts der Feststellung aus dem Aktiengesellschaftsrecht in das Recht der GmbH und vor allem das Perso-
22
So vor allem Claussen, in: Festschrift für Semler, 1993, S. 97 (104).
23
Zum seit 1892 unveränderten Inhalt des § 4 6 Nr. 1 GmbHG vgl. Claussen, in: Festschrift für Semler, 1993, S. 97f.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl. 1995, § 46 Rdn. lf. Vgl. BGHZ 76, 338 (342); Buchwald, JR 1948, S. 65f.; Emmerich, in: Heymann, HGB, 2. Aufl. 1996, § 120 Rdn. 8; Großfeld, Bilanzrecht, 2. Aufl. 1990, S. 20 (Rdn. 41); Hopf, in: Festschrift für Odersky, 1996, S. 799f.; Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl. 1971, § 17 I 1., 4 (S. 242) (der allerdings die öffentlichrechtliche Unterzeichnung und die Feststellung gleichsetzt); Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 242 Rdn. 16; Muth, Die Bilanzfeststellung bei Personenhandelsgesellschaften, 1986, S. 8f., 30ff.; Priester, in: IDW (Hrsg.), Personengesellschaft und Bilanzierung, 1990, S. 63 (73f.). Röhn, Die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern einer oHG bei der Erstellung der Bilanz, 1966, S. 31; Schilling, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1987, § 167 Rdn. 3f.; SchulzeOsterloh, BB 1995, S. 2519; Ulmer, in: Festschrift für Hefermehl, 1976, S. 207 (210f.).
24
Α. Grandlagen der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
177 je
nenhandelsgesellschaftsrecht nicht ganz ohne Kritik geblieben. Hiergegen wird gelegentlich noch heute eingewandt, daß es keine andere Rechtsordnung gebe, die wie das deutsche Recht eine formale Inkraftsetzung des Jahresabschlusses durch Feststellung verlange. Eine Trennung in Aufstellung und Feststellung sei weder sinnvoll noch notwendig. Durch ein langwieriges Feststellungsverfahren werde vielmehr vereitelt, daß der Jahresabschluß seiner Aufgabe als zeitnahes Leitungs- und Informationsinstrument gerecht werden könne. Zudem beruhe die Trennung zwischen Feststellung und Aufstellung auf der lebensfremden Vorstellung, die wichtige Arbeit der Aufstellung eines Jahresabschlusses durch die Geschäftsführung und dessen Prüfung sei ohne rechtlichen Gehalt. Weiter zeige die Tatsache, daß der festgestellte Jahresabschluß durch die Geschäftsführung auch nachträglich noch änderbar sei, daß die Feststellung keineswegs in der Lage sei, die ihr zugedachte verläßliche Grundlage für das Verhältnis der Gesellschafter zueinander und ihre Gewinnansprüche zu liefern. Darüber hinaus sei eine solche Grundlage zumindest bei der GmbH bei pragmatischer Sicht auch nicht erforderlich, denn dort gelte der Grundsatz der Vollausschüttung des Gewinnes, was auch ohne Feststellung durch Erzwingung eines Gewinnverwendungsbeschlusses erreicht werden könne. 26 Diese Kritik wird in mehrfacher Hinsicht der gesellschaftsrechtlichen Problematik des Jahresabschlusses nicht gerecht: Schon die Annahme, daß eine Aufstellung des Jahresabschlusses genüge, zumal ein langwieriges Feststellungsverfahren die Tauglichkeit des Jahresabschlusses als zeitnahes Leitungs- und Informationsinstrument entwerte, läßt sich mit den gesetzlichen Zwecken des Jahresabschlusses nicht vereinbaren und ist zudem in sich widersprüchlich. Eine zeitnahe Information der Geschäftsführung zur Durchführung ihrer Leitungsaufgaben ist schon gar nicht Aufgabe der gesetzlichen oder gesellschaftsrechtlichen Jahresabschlußpflicht. Die geschäftsführenden Organe sollten bei ordnungsgemäßer Durchführung ihrer Tätigkeit über tauglichere Instrumente der Information als den Jahresabschluß verfügen. Gesellschaftsrechtliche Aufgabe der Geschäftsführung ist es, durch Aufstellung des Jahresabschlusses die Gesellschafter zu informieren. Dagegen ist es nicht umgekehrt Aufgabe der Gesellschafter, der Geschäftsführung durch Feststellung des Jahresabschlusses ein Leitungs- und
25
Vgl. Claussen, in: Festschrift für Semler, 1993, S. 97 (S. 102f.) und wohl auch Ulrich, in: IDW, Personengesellschaft und Bilanzierung, 1990, S. 25 (35).
26
Vgl. Claussen, in: Festschrift fur Semler, 1993, S. 97 (S. 102ff.).
178
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
Informationsinstrument zu gewähren. Aber selbst dann, wenn man den Jahresabschluß tatsächlich als Instrument der Information ansieht, genügt hierfür der aufgestellte Jahresabschluß. Wenn der Gesetzgeber nach § 325 Abs. 1 S. 1, 3 HGB schon für die zeitnahe Information Dritter die Publikation des zunächst nur aufgestellten und daher möglicherweise noch nicht endgültigen Jahresabschlusses genügen läßt, so bedarf die Geschäftsleitung für ihre Information erst recht keines endgültigen Jahresabschlusses. Sie sollte im Zuge der Aufstellung sämtliche handelsbilanziellen Gestaltungsspielräume, die bei der späteren Feststellung zu einer Abweichung vom aufgestellten Jahresabschluß führen können, erkannt haben. Für das deutsche Recht ohne Relevanz ist der Hinweis auf andere Rechtsordnungen. Die in anderen Rechtsordnungen gefundenen Lösungen ändern nichts daran, daß im deutschen Handelsbilanzrecht die im Jahresabschluß auszuweisende Vermögens- und Ertragslage nicht eindeutig definiert ist, sondern einem Gestaltungsspielraum unterliegt. Die Ausübung dieser dem deutschen Handelsbilanzrecht eigentümlichen Gestaltungsrechte bedürfen eines Rechtsaktes, der aus Gründen der sprachlichen und systematischen Klarheit sinnvollerweise von der nur tatsächlichen Zusammenstellung des vollständigen Zahlenwerkes unterschieden wird. Diese Unterscheidung in Aufstellung und Feststellung besagt jedoch weder etwas darüber, ob die Feststellung notwendigerweise immer durch einen langwierigen und formalisierten Akt wie bei der Aktiengesellschaft erfolgen muß, noch wer diesen Akt vollzieht. Wenig überzeugend ist schließlich das Argument, daß der festgestellte Jahresabschluß durch die Geschäftsleitung jederzeit änderbar und ein Gewinnverwendungsbeschluß bei der GmbH auch ohne Feststellung des Jahresabschlusses erzwingbar sei. Ob der festgestellte Jahresabschluß von der Geschäftsführung noch abgeändert werden kann, ist gerade Gegenstand der hier unternommenen Untersuchung und hängt von der Rechtsnatur und den Rechtsfolgen der Feststellung ab. Aber selbst dann, wenn die Feststellung tatsächlich änderbar wäre, macht dies eine Feststellung nicht überflüssig. Die rechtswirksame Ausübung der handelsbilanziellen Gestaltungsrechte ist nicht allein deshalb kein Rechtsakt, weil dieser Rechtsakt möglicherweise durch einen anderen ersetzt werden kann. Angesichts dieser gestaltenden Wirkung der Feststellung ist auch unverständlich, wieso die Erzwingbarkeit eines Gewinnverwendungsbeschlusses gegen das Institut der Feststellung sprechen soll. Ein Gewinnverwendungsbeschluß ist nur dann erzwingbar, wenn feststeht, wieviel Gewinn überhaupt vorhanden ist. Dies setzt angesichts der aus den handelsbilanziellen Gestaltungsspielräumen resultierenden Unbestimmtheit des bilanziellen Gewinns entweder voraus, daß diese Gestaltungsrechte
Α. Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
179
eben durch eine Feststellung schon ausgeübt wurden, 27 oder aber, daß mit der Erzwingung des Gewinnverwendungsbeschlusses zugleich auch eine Ausübung der Gestaltungsrechte herbeigeführt wird. Dies stellt sich rechtlich dann als simultane Erzwingung auch der Feststellung dar. 28 Im Ergebnis ist also der ganz herrschenden Auffassung darin zuzustimmen, daß bei allen Gesellschaftsformen neben der Aufstellung des Jahresabschlusses durch die Geschäftsführung noch eine Feststellung des Jahresabschlusses erforderlich ist. Dabei ist bei allen Gesellschaftsformen die gesellschaftsrechtliche Aufgabe der Feststellung einheitlich darin zu sehen, eine für die Bestimmung des gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnisses eindeutige und für die Beteiligten verbindliche Vermögens- und Ertragsdarstellung zu schaffen. c) Verhältnis der Feststellung zur Unterzeichnung nach § 245 HGB Aus dieser für alle Gesellschaftsformen gültigen Funktion der Feststellung läßt sich nun das bereits oben dargestellte Problem des Verhältnisses von Feststellung und Unterzeichnung nach § 245 HGB beantworten. Die Feststellung des Jahresabschlusses ist ungeachtet ihrer konkreten Rechtsnatur ein Rechtsinstitut des gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnisses, die Unterzeichnung des Jahresabschlusses nach § 245 HGB ist dagegen Teil des öffentlich-rechtlichen Außenverhältnisses der Gesellschaft. 2 Hieraus läßt sich folgern, daß die Unterzeichnung nach § 245 HGB nach der Feststellung vorzunehmen ist. Durch die Unterzeichnung nach § 245 HGB legt die Gesellschaft den im Außenverhältnis gültigen öffentlich-rechtlichen Jahresabschluß fest, was zugleich die Ausübung der handelsbilanziellen Gestaltungsmöglichkeiten beinhaltet. 30 Eine solche Kundgabe durch die Geschäftsführungsorgane oder haftenden Gesellschafter setzt aber voraus, daß auch im Innenverhältnis eine Entscheidung über diese Gestaltungsmöglichkeiten getroffen
27
So die von Claussen in: Festschrift für Semler, 1993, S. 97 (S. 104) selbst in Bezug genommene Auffassung von Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42a Rdn. 41.
28
Zur Erzwingbarkeit einer Feststellung durch Gestaltungsklage vgl. Muth, Die Bilanzfeststellung bei Personenhandelsgesellschaften, 1986, S. 169ff. für die Personenhandelsgesellschaften und Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 46 Rdn. 8 für die GmbH, jeweils m. w. N.
29 30
So ausdrücklich auch K. Schmidt, Handelsrecht, 4. Aufl. 1994, § 15 II 1. b) (S. 430f.). Vgl. dazu oben § 2 C I 1 (Seite 24f.).
180
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
wurde. Diese gesellschaftsinterne Ausübung von Gestaltungsbefugnissen ist Aufgabe der Feststellung. Das gesellschaftsrechtliche Institut der Feststellung läßt sich daher auch als Akt der internen Willensbildung der Gesellschaft auffassen, die dann durch die Unterzeichnung nach § 245 HGB nach außen kundgetan wird.31 Ist der zur Unterzeichnung berufene Personenkreis identisch mit den Feststellungsberechtigten, so können Feststellung und Unterzeichnung zusammenfallen. Dies ist vor allem bei der oHG wegen der gemeinsamen Festellungskompetenz aller Gesellschafter und der Unterzeichnungspflicht aller persönlich haftenden Gesellschafter nach § 245 S. 2 HGB ohne abweichende vertragliche Regelung der Feststellung der Fall. Die Unterzeichnung nach§ 245 S. 2 HGB kann in diesen Fällen einen konkludenten Feststellungsakt beinhalten.32 Diese Möglichkeit der konkludenten Feststellung mit Vornahme der Unterzeichnung nach § 245 S. 2 HGB fuhrt jedoch nicht zu einer rechtlichen Identität beider Akte.3 Für die hier behandelte Fragestellung der Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse folgt aus dieser Qualifizierung der Feststellung als gesellschaftsrechtliches Institut zur Regelung des gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnisses, das der Gestaltung im Außenverhältnis durch die Unterzeichnung nach § 245 HGB vorausgeht, eine doppelte Zielrichtung. Zunächst ist zu klären, welche Bindungswirkung im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis von der Feststellung ausgeht. Zum anderen ist zu klären, welche Wechselwirkungen sich aus der gesellschaftsrechtlichen Feststellung des Jahresabschlusses und einer nachfolgenden Unterzeichnung gemäß § 245 HGB für die Bestandskraft ergeben. Für die Beantwortung beider Aspekte ist es erforderlich, die Frage der Bestandskraft nunmehr nach Gesellschaftsformen zu differenzieren. Dies liegt zum einen daran, daß die rechtliche Natur der Feststellung eines Jahresabschlusses nicht für alle Gesellschaftsformen identisch ist, sondern davon abhängt, ob der Gesellschaft eine eigene Rechtspersönlichkeit beizumessen
31 32 33
Ähnlich Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 341. Ähnlich Martens, in: Schlegelberger, HGB, 5. Aufl. 1992, § 120 Rdn. 9. So insbesondere auch Hüffner, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 242 Rdn. 46, § 245 Rdn. 2.
Β. Bestandskraft der Feststellung bei Aktiengesellschaften
181
ist.34 Zum weiteren hängt die Frage der Wechselwirkung nach § 245 HGB unterzeichneter Jahresabschlüsse mit der gesellschaftsrechtlichen Bestandskraft festgestellter Jahresabschlüsse davon ab, in welchem Ausmaß die gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten der Bilanzgestaltung durch die Kapitalerhaltungs- und Haftungsvorschriften des Außenverhältnisses eingeschränkt werden. Dies macht es erforderlich, für die Bestandskraft festgestellter Jahresabschlüsse zwischen den Kapitalgesellschaften einerseits und den Personenhandelsgesellschaften andererseits zu unterscheiden. Dabei soll wegen der rechtshistorischen Herkunft der Feststellung und der daraus folgenden höheren Regelungsdichte im Aktiengesellschaftsrecht mit der Aktiengesellschaft begonnen werden.
B.
Bestandskraft der Feststellung bei Aktiengesellschaften
I.
Feststellungskompetenz und Rechtsnatur der Feststellung
Die Kompetenz zur Feststellung des Jahresabschlusses liegt bei Aktiengesellschaften gemäß § 172 AktG grundsätzlich bei Vorstand und Aufsichtsrat. Die Feststellung erfolgt durch Vorlage des festzustellenden Jahresabschlusses und Billigung seitens des Aufsichtsrates. Vorlage durch den Vorstand und Billigung durch den Aufsichtsrat müssen jeweils auf einer Beschlußfassung des gesamten Organs beruhen, die dem jeweils anderen Organ mitzuteilen ist. Die Notwendigkeit einer Beteiligung des gesamten Organs ergibt sich für den Aufsichtsrat aus § 107 Abs. 3 S. 2 AktG, der eine Delegation der Befugnisse nach § 171 AktG auf einen Ausschuß ausschließt.35 Beim Vorstand folgt dies daraus, daß das Gesetz seinem Sinngehalt nach die Feststellung des Jahresabschlusses der Gesamtverantwortung des Vorstandes zuweist.36 Die Pflicht zur
34
Zur Rechtsnatur der Feststellung bei den Kapitalgesellschaften vgl. § 4 Β I (Seite 181ff.) und § 4 C I (Seite 232ff.) und bei den Personenhandelsgesellschaften § 4 D I (Seite 244ff.).
35
So die ganz herrschende Auffassung. Vgl. nur Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 5; Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 172 Rdn. 4 jeweils m. w. N.
36
Vgl. Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 76 Rdn. 8, § 77 Rdn. 17; Martens, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 77 Rdn. 19; und ausfuhrlich ders. in: Festschrift für Fleck 1988, S. 191 197f.
182
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
Mitteilung des Beschlusses ergibt sich für den Vorstand aus der Vorlagepflicht gemäß § 170 AktG. Beim Aufsichtsrat folgt diese Pflicht aus § 171 Abs. 3 AktG. Nach dieser Vorschrift hat der Aufsichtsrat seinen Prüfungsbericht dem Vorstand innerhalb bestimmter Fristen zuzuleiten, widrigenfalls die Billigung als verweigert gilt.37 Können oder wollen sich Vorstand und Aufsichtsrat nicht auf den festzustellenden Jahresabschluß einigen, so können sie beschließen, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen. Verweigert der Aufsichtsrat die Billigung, so weist § 173 Abs. 1 AktG die Feststellungskompetenz der Hauptversammlung zu. Der Hauptversammlung kommt bei einer normalen Aktiengesellschaft also eine Not- oder Reservekompetenz zu. 38 Lediglich bei der hier nicht weiter zu behandelten Kommanditgesellschaft auf Aktien liegt die Feststellungskompetenz gemäß § 286 Abs. 1 AktG von vornherein bei der Hauptversammlung, die Feststellung bedarf aber noch der Zustimmung der Komplementäre.39 Soweit die Hauptversammlung über den festzustellenden Jahresabschluß zu befinden hat, geschieht dies gemäß § 133 AktG durch Mehrheitsbeschluß. 1.
Rechtsnatur der Feststellung durch Vorstand und Aufsichtsrat
Während Feststellungskompetenz und -verfahren im Gesetz also weitgehend eindeutig geregelt sind, bereitet die rechtliche Einordnung der Feststellung erhebliche Probleme. Hintergrund dieser Probleme ist die von der Rechtsprechung lange unter dem Begriff der Sozialaktstheorie behandelte Frage, ob auf Beschlüsse von Gesellschaftsorganen die Vorschriften des BGB über Rechtsgeschäfte anzuwenden sind.40 Von diesen Problemen betroffen ist vor allem der gesetzliche Regelfall der Feststellung durch Aufsichtsrat und Vorstand. Das Zusammenwirken von Aufsichtsrat und Vorstand bei der Feststellung
37
Vgl. auch Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 173 AktG Rdn. 12; Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 173 Rdn 15
38
Ähnlich Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 173 Rdn 1.
39
Zur streitigen Frage, wie bei einer Verweigerung der Zustimmung durch die Komplementäre vorzugehen ist vgl. Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1985, § 286 Rdn. 3; Semler, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1986, § 286 Rdn. 39ff.
40
Zur Sozialaktsdiskussion vgl. BGHZ 48, 163 (167); BGHZ 52, 316 (318) sowie die Darstellungen bei Fischer, in: Festschrift für Ballerstedt, 1975, S. 61 (75ff.); Schilling, in: Festschrift für Ballerstedt, 1975, S. 257ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band 1, 1980, § 3 III l.b) (S. 178f.).
Β. Bestandskraft der Feststellung bei Aktiengesellschaften
183
wird heute in der Literatur und Rechtsprechung ganz überwiegend als korporationsrechtliches Rechtsgeschäft eigener Art angesehen.41 Dies wird zum einen daraus hergeleitet, daß die Feststellung nach § 172 AktG die Einigung zweier Gesellschaftsorgane durch aufeinander bezogene Teilakte erfordert. 4 Zum anderen wird der rechtsgeschäftliche Charakter der Feststellung daran festgemacht, daß diese gemäß § 174 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 AktG daraufgerichtet ist, den Bilanzgewinn verbindlich festzulegen, wodurch zugleich die sozialrechtlichen Befugnisse der Aktionäre auf der Hauptversammlung bestimmt werden 43 Durch diese Einordnung wird es zwar möglich, auf den gesamten Feststellungsakt die für Rechtsgeschäfte geltenden Vorschriften der §§ 125, 134, 138ff. BGB anzuwenden. Offen bleibt indes, ob auf die Feststellung auch die für Willenserklärungen geltenden Vorschriften der §§ 119ff. BGB anwendbar sind. Dies hängt davon ab, welche Rechtsnatur die Vorlage des Jahresabschlusses durch den Vorstand und dessen Billigung durch den Aufsichtsrat hat. 2.
Rechtsnatur der Feststellungsbeschlüsse
Vorlage durch den Vorstand und Billigung durch den Aufsichtsrat beruhen jeweils auf entsprechenden Beschlüssen der jeweiligen Organe. 45 Für Beschlüsse gesellschaftsrechtlicher Organe ist anerkannt, daß zwar die einzelnen
41
So schon Adler, Wpg 1949, S. 109 (110); weiter Β GHZ 124 (111, 116f.) mit Anm. Hüffer, WuB II A § 256 Akt 1.94; Adler/ Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 13; Claussen, in: Festschrift für Semler, 1993, S. 97 (101); Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 172 Rdn. 3; ders. in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 2 5 6 Rdn. 11; IDW (Hrsg.), Wirtschaftsprüferhandbuch 1996, Absch. S Rdn. 95 (S. 1632); Wiedemann, JZ 1970, S. 291 (292).
42
Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 13; Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 172 Rdn. 3.
43 44
So vor allem BGHZ 124, 111 (122f.). Vgl. BHGZ 124, 111 (122f.) § 139 BGB; Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, 1989, S. 18ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1991, § 15 I 2 a) (355f.). Vgl. Kropff, ZGR 1994, S. 628 (634).
45
184
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
Stimmabgaben bei der Beschlußfassung Willenserklärungen sind. 46 Der auf eine kollektive Willensbildung gerichtete Beschluß selbst ist dagegen nicht als Willenserklärung im Sinne des BGB anzusehen.47 Die überwiegende Auffassung im Aktienrecht will aber trotz dieser heute weitestgehend unbestrittenen Einordnung gesellschaftrechtlicher Beschlüsse auf die Feststellung des Jahresabschlusses durch Vorstand und Aufsichtsrat die Vorschriften über Willenserklärungen anwenden 48 Hierbei stellt man darauf ab, daß die Beschlüsse des Vorstandes und des Aufsichtsrates fur die Feststellung an das jeweils andere Organ mitzuteilen sind. Hierin sei eine Ausfuhrungshandlung zu sehen, die zwar nicht den Beschluß selbst, jedoch die Mitteilung zur Willenserklärung mache. 49 Ob die Mitteilung des Beschlusses an ein anderes Gesellschaftsorgan als Willenserklärung anzusehen ist, erscheint höchst zweifelhaft. Als ausfuhrungsbedürftig werden üblicherweise nämlich nur solche Beschlüsse angesehen, die auf eine Rechtswirkung im gesellschaftsrechtlichen Außenverhältnis abzielen. Hier bedarf es einer Kundgabe des Beschlusses durch einen Vertreter der Gesellschaft, die gegenüber Dritten als Willenserklärung der Gesell-
46
Vgl. BGHZ 14, 264 (267); Baltzer, Der Beschluß als rechtstechnisches Mittel organschaftlicher Funktion im Privatrecht, 1965, S. 142ff.; Schilling, in: Festschrift für Ball s t e d t , 1975, S. 257 (261); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1991, § 15 I 2a. (355); Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band 1, 1980, § 3 III lb (S. 179); Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Verbänden, 1963, S. 10.
47
So die heute ganz herrschende Auffassung. Vgl. für den Feststellungsbeschluß Adler/Düring/ Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 6f.; allgemein Baltzer, Der Beschluß als rechtstechnisches Mittel organschaftlicher Funktion im Privatrecht, 1965, S. 176f.; Bartholomeyczik, ZHR 105 (1938), S. 293 (294f.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1991, § 15 I 2a (335f.); Semler, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 1988, § 39 Rdn. 1 (S· 41).
48
Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfimg der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 7; Baumbach/Hueck, AktG, 13. Aufl. 1968, § 172 Rdn. 3; Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 172 Rdn. 3; ders., in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 61; Kropff, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 172 Rdn. 15, 24; Weirich, Wpg 1976, S. 625f.; unklar Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, der in § 172 Rdn. 11 eine Gesamtanfechtung annimmt und in § 172 Rdn. 20 auf die Anfechtung der Einzelstimme abstellt.
49
So vor allem Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 7; ähnlich Kropff, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 172 Rdn. 16.
Β. Bestandskraft der Feststellung bei Aktiengesellschaften
185
schaft anzusehen ist.50 Dies scheidet bei der Feststellung nach § 172 AktG jedoch aus. Die Vorlage des Jahresabschlusses oder die Mitteilung der Billigung hat ausschließlich gesellschaftsinterne Bedeutung, eine Außenwirkung wird nicht erreicht. Weiter fehlt es an einer Vertretungshandlung, die als Willenserklärung aufgefaßt werden könnte. Erklärt der Aufsichtsrat durch seinen Vorsitzenden oder ein anderes Mitglied gegenüber dem Vorstand die Billigung, so ist dies keine Vertretung des Organs, sondern nur Mitteilung des Ergebnisses der Willensbildung. Gleiches gilt für die Vorlage des Jahresabschlusses an den Aufsichtsrat. Insoweit liegt die rechtliche Problematik ebenso wie bei der Mitteilung von Beschlüssen des Betriebsrats durch dessen Vorsitzenden an den Arbeitgeber.51 Ebenso wie dort fehlt es an einer eigenständigen Willensbekundung eines Vertreters des Organs, die den Beschluß zur Willenserklärung machen würde. 52 Gegen die herrschende Meinung bestehen also ganz erhebliche Bedenken. Diese Bedenken wiegen um so schwerer, als es fur das angestrebte Ergebnis der Anfechtbarkeit festgestellter Jahresabschlüsse nach §§ 119, 123 BGB einer Qualifizierung der Beschlüsse als Willenserklärungen gar nicht bedarf. Irren sich die Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder oder wurden sie arglistig getäuscht, so kann jedes Aufsichtsratmitglied seine als Willenserklärung einzuordnende Stimmabgabe nach §§ 119, 123 BGB anfechten. Da die Protokollierung des Aufsichtsratsbeschlusses nach § 107 Abs. 2 Satz 1 AktG im Gegensatz zum Hauptversammlungsprotokoll keine konstitutive Wirkung entfaltet, 53 kann durch eine Anfechtung der einzelnen Willenserklärungen der
50
Vgl. RGZ 68, 381 (385); BGH, GmbHR 1973, 279f.; Baltzer, Der Beschluß als rechtstechnisches Mittel organschaftlicher Funktion im Privatrecht, 1965, S. 128f., 175f., Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, 1989, S. 51f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1991, § 15 14. (358f.).
51
Zur rechtlichen Beurteilung von Mitteilungen des Betriebsratsvorsitzenden vgl. BAG AB Nr. 11 zu § 112 BetrVG 1972; Jost, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 1993, § 298 Rdn. 15; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 18. Aufl. 1996, § 2 6 Rdn. 33 m.w.N.
52
So im Ergebnis auch Brönner, in: Großkommentar zum AktG, 3. Aufl. 1970, § 175 Anm. 9.
53
So die ganz herrschende Meinung. Vgl. Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 107; Gessler, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 107 Rdn. 52; Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 108 Rdn. 33; Meyer-Landrut, in: Großkommentar zum AktG, 3. Aufl. 1973, § 107 Anm. 10; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende - seine Rechtsstellung nach dem AktG und dem Mitbestimmungsgesetz 1976, 1983, S. 129ff. Abweichend etwa Baums, ZGR 1983, S. 300 (321).
186
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
Feststellungsbeschluß sowohl des Vorstandes als auch des Aufsichtsratsbeschlusses beseitigt werden.54 Es bedarf lediglich so vieler Anfechtungserklärungen, daß die für den ursprünglich gefaßten Feststellungsbeschluß erforderliche Mehrheit entfallt.55 Damit besteht im Ergebnis kein wesentlicher Unterschied zur Auffassung der herrschenden Meinung; denn auch die Geltendmachung einer Anfechtung des Gesamtbeschlusses nach §§119, 123 BGB setzt eine entsprechende interne Willensbildung des Organes durch einstimmige oder mehrheitliche Beschlußfassung über die Anfechtungserklärung voraus. Im Ergebnis ist die Feststellung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat und Vorstand nach § 172 AktG als ein korporationsrechtliches Rechtsgeschäft zur verbindlichen Regelung der Vermögens- und Ertragsdarstellung im Innenverhältnis der Gesellschaftsorgane anzusehen. Die zugrundeliegenden Beschlüsse des Vorstandes und Aufsichtsrates sind aber ebensowenig wie ein Feststellungsbeschluß der Hauptversammlung Willenserklärungen im Sinne von §§ 119ff. BGB.
II.
Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses nach § 256 AktG
1.
Regelungszweck und Struktur des § 256 AktG
Zentrale Vorschrift für die Bestandskraft festgestellter Jahresabschlüsse bei den Aktiengesellschaften ist § 256 AktG. Diese mit dem Aktiengesetz 1965 eingeführte Vorschrift ist Ausdruck der großen Bedeutung, die der Gesetzgeber der Bestandskraft festgestellter Jahresabschlüsse bei Aktiengesellschaften beimißt. Die Beschränkung der Nichtigkeit festgestellter Jahresabschlüsse auf besonders gravierende Verstöße und die Möglichkeit der Heilung selbst nichtiger Jahresabschlüsse durch Zeitablauf in § 256 Abs. 6 AktG zeigen, daß der Gesetzgeber ähnlich wie bei der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen nach § 241 AktG dazu neigt, die Wahrung der Rechtssicherheit im
54
Vgl. auch Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 7, die allerdings gleichzeitig eine Anfechtung des Gesamtbeschlusses zulassen wollen; Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 172 Rdn. 29; Hundertmark/Herms, BB 1973, S. 1051 (1053).
55
Vgl. Baums, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluß, ZGR 1983, S. 300 (320).
Β. Bestandskraft der Feststellung bei Aktiengesellschaften
187
Rechtsverkehr dem Bedürfnis nach materieller Richtigkeit festgestellter Jahresabschlüsse überzuordnen. 56 § 256 AktG ist nach allgemeiner Auffassung daher als abschließende Regelung anzusehen. Außerhalb von § 256 AktG liegende Nichtigkeitsgründe des allgemeinen Zivilrechts finden auf die Feststellung des Jahresabschlusses keine Anwendung. 57 Das Bestreben des Gesetzgebers, die Nichtigkeit der Feststellung des Jahresabschlusses umfassend in einer Vorschrift zu regeln, geschah um den Preis einer wenig übersichtlichen und unsystematischen Darstellung der Nichtigkeitsgründe. Grundlage der hier vorgenommenen Untersuchung soll daher nicht die Reihenfolge der einzelnen Nichtigkeitsgründe in § 256 AktG sein. Vielmehr wird von einer Gliederung nach den zur Nichtigkeit fuhrenden Fehlertypen ausgegangen. Diese lassen sich in Inhalts-, Prüflings- und Verco
fahrensfehler unterteilen. Entsprechend der Zielsetzung dieser Arbeit, die Berichtigung inhaltlich fehlerhafter und die Änderung unzweckmäßiger Jahresabschlüsse zu untersuchen, sollen hier nicht alle drei zur Nichtigkeit fuhrenden Fehlertypen umfassend dargestellt werden. Vielmehr werden die Gruppe der Inhaltsfehler, zu der vor allem die Gruppe der fehlerhaften Bewertungen gehört und die Gruppe der Verfahrensfehler, zu der auch Mängel bei der Willensbildung über den festzustellenden Jahresabschluß gehören, in den Vordergrund der Betrachtung gestellt. 2.
Nichtigkeitsgründe
a) Inhaltsfehler Zur Gruppe der Inhaltsfehler festgestellter Jahresabschlüsse gehören neben dem Tatbestand der Generalklausel in § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG die fehlerhafte Rücklagenbildung nach Abs. 1 Nr. 4, die Gliederungsfehler in Abs. 4 sowie die Bewertungsfehler in Abs. 5. Die genannten Vorschriften bestim-
56
Vgl. v. Godin/Wilhelm, AktG, 4. Aufl. 1971, § 256 Anm. 1; Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 8; ders., AktG, 2. Aufl. 1995, § 256 Rdn. 1; Schedlbauer, DB 1992, S. 2097 (2103); sowie die Begründung des Regierungsentwurfes bei Kropff, AktG, 1965, S. 347.
57
So ausdrücklich Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 2; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 256 Rdn. 10.
58
Vgl. zu dieser Gliederung Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 3; ders., AktG, 2. Aufl. 1995, § 256 Rdn. 6.
188
§ 4 Bestands kraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
men, wann ein solcher inhaltlicher Fehler des festgestellten Jahresabschlusses zur Nichtigkeit fuhrt. 59 Von besonderem Interesse sind aus dieser Gruppe die vom Gläubigerschutzgedanken geprägten Nichtigkeitsgründe des Abs. 1 Nr. 1, die Gliederungsfehler in Abs. 4 und die Überbewertung in Abs. 5 Nr. 1. Nach der hier vorgenommenen Trennung zwischen dem handelsrechtlichen Jahresabschluß als Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Rechnungslegungspflicht und der Feststellung des Jahresabschlusses als Grundlage für die Bestimmung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsverhältnisse stellen diese Nichtigkeitsgründe eine Verbindung von gesellschaftsrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Funktion des Jahresabschlusses her. Verletzt ein festgestellter Jahresabschluß Vorschriften, die dem Gläubigerschutz dienen, so kann er die oben dargestellten öffentlich-rechtlichen Funktionen nicht erfüllen. Würde der festgestellte Jahresabschluß dennoch aufrechterhalten, so bestünde die Gefahr, daß es zu einem bedenklichen Auseinanderfallen der gesellschaftsrechtlichen und handelsrechtlichen Ertrags- und Vermögensdarstellung der Aktiengesellschaft käme. Dies ist insbesondere deshalb nicht hinnehmbar, weil die Einhaltung der Kapitalerhaltungsvorschriften es bei den Aktiengesellschaften erforderlich macht, die gesellschaftsrechtlichen Gewinnansprüche der Aktionäre nach dem Gewinn zu bemessen, der nach handelsbilanziellen Vorschriften ausschüttbar ist. Die dem Gläubigerschutz dienende Generalklausel des § 256 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG, die Nichtigkeit wegen Gliederungsfehlern nach Abs. 4 sowie wegen Überbewertung nach Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bewirken also eine wegen der Haftungsbegrenzung auf das Gesellschaftsvermögen notwendige inhaltliche Bindung der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung an die handelsbilanzrechtlichen Vorschriften. Schwierigkeiten bereitet dabei allerdings das Verhältnis dieser Nichtigkeitsgründe zueinander. Teile des Schrifttums nehmen an, daß es sich bei den Gliederungsfehlern in Abs. 4 und der Überbewertung in Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 um speziellere Nichtigkeitstatbestände handelt.60 Ein anderer Teil des Schrifttums und mit ihm die Rechtsprechung nehmen demgegenüber an, daß
59
Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 256 AktG Rdn.5f.; Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 14, 16, 78; ders., AktG, 2. Aufl. 1995, § 256 Rdn. 7, 22.
60
Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 256 AktG Rdn. 5ff.; Schilling, in: Großkommentar zum AktG, 3. Aufl. 1973, § 256 Anm. 13, 15; wohl auch Baumbach/Hueck, AktG, 13. Aufl. 1968; § 256 Rdn. 14, 17.
Β. Bestandskraft der Feststellung bei Aktiengesellschaften
189
Abs. 4 und 5 keine eigenständige Nichtigkeitsgründe normieren, sondern unselbständige Interpretationsnormen zur Begrenzung der Nichtigkeit nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG sind.61 Dieser Streit ist aber bis auf die formale Frage, ob die Nichtigkeitsfolge bei Gliederungsfehlern und Überbewertungen auf die Generalklausel oder unmittelbar auf § 256 Abs. 4, Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG zu stützen ist, ohne praktische Relevanz. Beide Auffassungen stimmen darin überein, daß Bewertungs- und Gliederungsfehler über die von Abs. 4 und 5 erfaßten Fälle hinaus nicht zur Nichtigkeit führen. 62 aa) Generalklausel (§ 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG) Im Hinblick auf die Regelung der Gliederungs- und Bewertungsfehler in § 256 Abs. 4 und § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG ist die Generalklausel des § 256 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG weitestgehend ohne praktische Relevanz. Dies beruht darauf, daß § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG eine Verletzung gläubigerschützender Vorschriften gerade durch den Inhalt des festgestellten Jahresabschlusses voraussetzt. Dies liegt aber in erster Linie dann vor, wenn die Gliederungs- oder Bewertungsvorschriften des HGB verletzt sind. Eine eigenständige Bedeutung der Generalklausel setzt also voraus, daß ein Fehler vorliegt, der nicht als Gliederungsfehler oder Überbewertung anzusehen ist. Dies wird in der Literatur vereinzelt für den Fall angenommen, daß im festgestellten Jahresabschluß gegen Aktivierungsverbote oder Passivierungsgebote verstoßen wurde. 64 Dies ist der Fall, wenn Vermögensgegenstände aktiviert wurden, die nach den handelsbilanzrechtlichen Vorschriften nicht aktivierungsfahig sind, oder aber Verbindlichkeiten nicht passiviert wurden, für die eine handelsbilanzrechtliche Passivierungspflicht besteht.
61
BGHZ 124, 111 (118); Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 16, 90; ders., AktG, 2. Aufl. 1995, § 256 Rdn. 7; Maier, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, § 256 AktG Rdn. 6; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42a Rdn. 23; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 256 Rdn.l3f.
62
Vgl. Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 4; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 256 Rdn. 14. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 256 AktG Rdn. 7; Geßler, in: Festschrift fflr Goerdeler, 1987, S. 127 (133f.); Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 16.
63
64
So Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 256 Rdn. 27, einschränkend allerdings in Rdn. 44.
190
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
Die Anwendung des § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG auf Aktivierungsverbote und Passivierungsgebote wird dagegen von der herrschenden Meinung abgelehnt. 65 Sie stützt sich dabei auf eine zutreffende Auslegung von § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG anhand des Normzweckes, der in dem mißverständlichen Wortlaut der Vorschrift nur unzureichend zum Ausdruck kommt. § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG will durch das Verbot der Überbewertung von Posten des Jahresabschlusses verhindern, daß die Aktiengesellschaft im Jahresabschluß ein höheres Vermögen ausweist als nach den handelsrechtlichen Vorschriften zulässig ist. Hierzu kommt es aber nicht nur, wenn Aktiva überbewertet und Passiva unterbewertet werden, sondern auch dann, wenn nicht aktivierungsfähige Vermögensgegenstände in die Bilanz aufgenommen werden und die Passivierung von Verbindlichkeiten unterlassen wird. In beiden Fällen liegt ein gleichgelagerter Verstoß gegen die handelsrechtliche Vermögensdarstellung vor.66 Diese Intention kommt in dem Wortlaut von § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG und den ergänzenden Ausführungen in § 256 Abs. 5 Satz 2 AktG nicht hinreichend klar zum Ausdruck. Die Bewertungsvorschriften des Handelsbilanzrechtes beziehen sich nicht auf Bilanzposten, wie dies der Wortlaut des Gesetzes nahelegt. Bewertet werden können nämlich nur einzelne Vermögensgegenstände oder Verbindlichkeiten. Bei den Bilanzposten handelt es sich dagegen nicht um einzelne Aktiva oder Passiva, sondern um die darstellerische Zusammenfassung artgleicher Vermögensgegenstände oder Verbindlichkeiten. Wird in einen Aktivposten der Bilanz ein Vermögensgegenstand aufgenommen, der nicht aktiviert werden darf, so hat dies auf den Ausweis dieses Postens dieselbe Auswirkung wie eine Einbeziehung eines zu hoch bewerteten Vermögensgegenstandes.6 Gleiches gilt mit umgekehrten Vorzeichen für die Passivseite.6 Der herrschenden Meinung ist daher darin zuzustimmen, daß § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG, der eine zutreffende Darstellung der Vermögens- und Er-
65
Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 256 AktG Rdn. 39; Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 85; IDW (Hrsg.), Wirtschaftsprüferhandbuch 1996, Absch. S Rdn. 128 (S. 1643) und aus der Rechtsprechung im Ergebnis auch BGHZ 124, 111 (119); OLG Hamm, AG 1992, 233 (234); LG Düsseldorf, AG 1989, 140 (141f.).
66
Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 256 AktG Rdn. 39; Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 85.
67 68
So auch H.-P. Müller, in: Festschrift für Quack, 1991, S. 345 (349, Fußnote 17). Vgl. für unterlassene Einstellung von Rückstellungen BGHZ 83, 342 (347).
Β. Bestandskraft der Feststellung bei Aktiengesellschaften
191
tragslage in den Positionen des Jahresabschlusses erreichen will, eine Verletzung handelsrechtlicher Ansatzvorschriften gleichermaßen erfaßt wie eine Verletzung der Bewertungsvorschriften. Für die Generalklausel nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG verbleibt damit nur noch ein sehr enger Anwendungsbereich. In Betracht kommt eine Anwendung auf die Verletzung allgemeiner Bilanzierungsvorschriften, wie etwa ein Verstoß gegen die formelle Bilanzkontinuität. 69 Die praktische Relevanz solcher Fehler ist jedoch gering. Für die nachträgliche Gestaltung durch Berichtigung fehlerhafter oder Änderung unzweckmäßiger Jahresabschlüsse sind sie ohne Bedeutung. bb) Gliederungsfehler (§ 256 Abs. 4 AktG) Die Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen Gliederungsvorschriften nach § 256 Abs. 4 AktG soll gewährleisten, daß der Jahresabschluß den Gläubigern und mittelbar auch den Aktionären einen hinreichenden Einblick in die Vermögensstruktur des Unternehmens gewährt. 70 Die Nichtigkeit knüpft also an der gläubigerschützenden Dokumentationsfunktion und der kapitalmarktrechtlichen Informationsfunktion des Jahresabschlusses an. Da nicht jeder Gliederungsfehler die Dokumentations- und Informationsfunktion des Jahresabschlusses beeinträchtigt, beschränkt das Gesetz die Nichtigkeit ausdrücklich auf wesentliche Beeinträchtigungen. Wann eine solche wesentliche Beeinträchtigung vorliegt, führt das Gesetz nicht aus und muß folglich nach den Verhältnisses des Einzelfalles bestimmt werden. Dabei kommt es grundsätzlich auf die Art des Fehlers und das Volumen der davon betroffenen Positionen in Relation zum Gesamtvermögen oder Erfolg an. Bagatellverstöße vermögen nach allgemeiner Ansicht daher keinesfalls eine Nichtigkeit zu be71 gründen.
69
Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, 1997, § 256 AktGRdn. 7.
Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl.
70
LG Stuttgart, AG 1994, S. 473 (474); Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 256 AktG Rdn. 35ff.; v.Godin/Wilhelm, AktG, 4. Aufl. 1971, § 256 Anm. 9; Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 78f.; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 256 Rdn. 33.
71
Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 256 AktG Rdn. 37; Maier, in: Hofbauer/Kupsch, Bonner Handbuch der Rechnungslegung, 2. Aufl. 1995, § 256 AktG Rdn. 19; Haase, DB 1977, S. 241; Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 82, ders., AktG, 2. Aufl. 1995, § 256
192
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
Unabhängig vom Volumen der betroffen Positionen und des Jahresabschlusses ist es bei der gebotenen Einzelfallabwägung angezeigt, Verstöße gegen grundlegende Strukturprinzipen des Bilanzrechts grundsätzlich als wesentlich anzusehen. Hierzu sind etwa das Saldierungsverbot in § 246 Abs. 2 HGB 72 sowie die Mindestaufgliederung nach § 247 Abs. 1 in Anlageund Umlaufvermögen, Eigen- und Fremdkapital sowie der gesonderte Ausweis von Rechnungsabgrenzungsposten zu rechnen. Bei weniger grundlegenden Gliederungsverstößen kann für die notwendige Einzelfallabwägung nach Ansicht des Schrifttums 73 die vor dem Bilanzrichtliniengesetz geltende Fassung von § 256 Abs. 4 AktG als Interpretationshilfe herangezogen werden. Diese enthielt in § 256 Abs. 4 Satz 2 AktG eine beispielhafte Auflistung von Verstößen, die als wesentlich anzusehen sind. 74 Dieser Beispielskatalog, der sich auf die früher im Aktiengesetz enthaltenen Bilanzierungsvorschriften bezog, wurde zwar im Zuge der Kodifizierung aller Bilanzierungsvorschriften im HGB durch das Bilanzrichtliniengesetz 1986 ersatzlos gestrichen. Dem lag jedoch keine veränderte inhaltliche Bewertung, sondern nur eine Vereinfachung der Regelung in § 256 AktG und des Gesetzgebungsverfahrens zugrunde.75 Als weitere Interpretationshilfe können der Katalog der Ordnungswidrigkeiten in § 334 Abs. 1 HGB sowie die Abstufung der Gliederung nach Größenklassen in § 266 HGB herangezogen werden: Die Ahndung der in § 334 Abs. 1 HGB erfaßten Gliederungsverstöße als Ordnungswidrigkeiten läßt erkennen, welche Gliederungsfehler der Gesetz-
72 73
74
75
Rdn. 24; Schilling, in: Großkommentar zum AktG, 3. Aufl. 1973, § 256 Anm. 14; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 256 Rdn. 37. So wohl auch Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 80; im Ergebnis auch LG Stuttgart, AG 1994,473 (474). Vgl. IDW (Hrsg.), Wirtschaftsprüferhandbuch 1996, Absch. S Rdn. 124 (S. 1642); Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 81, 83; ders., AktG, 2. Aufl. 1995, § 2 5 6 Rdn. 24. Zu dieser Auflistung und ihrem beispielhaften Charakter vgl. Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 81ff.; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 256 Rdn. 38. Vgl. die Regierungsbegründung zur Neufassung in BR-DruckS. 257/83, S. 106f.; weiter Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 83f.
Β. Bestandskraft der Feststellung bei Aktiengesellschaften
193
geber als besonders schwerwiegend erachtet. Diese Wertung kann grundsätzlich auch bei der Abwägung nach § 256 Abs. 4 AktG herangezogen werden. 76 Die nach Größenklassen gestufte Gliederung in § 266 HGB läßt erkennen, welche Gliederungstiefe der Gesetzgeber in Abhängigkeit von der Größe des Unternehmens für die gesetzlich geforderte Klarheit und Übersichtlichkeit der Vermögens- und Erfolgsdarstellung für erforderlich hält. Für die Bewertung von Gliederungsverstößen bietet es sich an, diese Gliederungsstufen in Form eines Minimumkriteriums als Wertungshilfe heranzuziehen. Kommen große oder mittlere Aktiengesellschaften schon nicht den Gliederungsvorschriften nach, die für die jeweils nächst kleinere Untemehmensgröße gelten, so ist hierin eine wesentliche Verletzung im Sinne von § 256 Abs. 4 AktG zu sehen. cc) Bewertungsfehler (§ 256 Abs. 5 AktG) Wichtiger als der Verstoß gegen Gliederungsvorschriften dürften in der unternehmerischen Praxis die in § 256 Abs. 5 AktG geregelten Fälle eines Verstoßes des festgestellten Jahresabschlusses gegen handelsbilanzrechtliche Bewertungsvorschriften sein. Der Gesetzgeber gewährleistet durch diese Vorschrift, daß der nach handelsbilanziellen Vorschriften erstellte Jahresabschluß die ihm zugedachte Funktion der Abgrenzung der Vermögenssphären der Aktiengesellschaft vom Vermögen der Gesellschafter erfüllen kann. 77 Dabei umfaßt § 256 Abs. 5 AktG beide Ausprägungen der Abgrenzung des Gesellschaftsvermögens: Die in § 256 Abs. 5 Nr. 1 AktG geregelte Überbewertung des Gesellschaftsvermögens dient der Einhaltung der Kapitalerhaltungsvorschriften, also dem Gläubigerschutz. Das Verbot einer Überbewertung im festgestellten Jahresabschluß soll verhindern, daß gesellschaftsrechtliche Gewinnansprüche entstehen können, die sich im Verhältnis der Aktiengesellschaft zu ihren Gläubigern als Ausschüttung haftender Kapitalbestandteile darstellen. Die in § 256 Abs. 5 Nr. 2 AktG geregelte Unterbewertung zielt dagegen in erster Linie auf einen Schutz der Aktionäre. 78 Durch die erstmals mit dem Aktiengesetz von 1965 eingeführten Bewertungsuntergrenzen will der Gesetzgeber verhindern, daß ein Wertzuwachs im Unternehmen beliebig der
76
So vor allem IDW (Hrsg.), Wirtschaftspriiferhandbuch 1996, Absch. S Rdn. 123 (S. 1641).
77
Dazu ausführlich oben unter § 3 C III 3 c (Seite 81 ff.).
78
Vgl. Schilling, in: Großkommentar zum AktG, 3. Aufl. 1973, § 256 Anm. 15.
194
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
Ausschüttung an die Aktionäre entzogen werden kann. 79 Die Nichtigkeit der Feststellung eines unterbewerteten Jahresabschlusses sichert also die gesellschaftsrechtliche Dispositionsbefugnisse der Aktionäre über den ausgewiesenen Bilanzgewinn aus § 174 Abs. 1 AktG. Der Vergleich beider Regelungen in § 256 Abs. 5 AktG zeigt, daß der Gesetzgeber auch bei der Einbeziehung der handelsbilanzrechtlichen Bewertungsvorschriften in die gesellschaftsrechtliche Rechnungslegung der Aktiengesellschaft dem Gläubigerschutz einen höheren Rang einräumt als dem Schutz der Aktionäre. 80 Nach allgemeiner Ansicht bezieht sich das Erfordernis der Vorsätzlichkeit des Bewertungsfehlers am Ende von § 256 Abs. 5 Satz 1 AktG nur auf die Unterbewertung in Abs. 5 Satz 1 Nr. 2, nicht aber auch - was grammatikalisch durchaus möglich wäre - auf die Überbewertung in Abs. 5 Satz 1 Nr. I. 81 Gläubiger der Aktiengesellschaft werden also vor jeder Beeinträchtigung ihrer Interessen durch eine fehlerhafte Bewertung geschützt, die Aktionäre dagegen nur vor vorsätzlichem Handeln. Die Dominanz des Gläubigerschutzgedankens im geltenden Handelsbilanzrecht setzt sich mithin im Aktiengesellschaftsrecht fort. (1) Überbewertung (§ 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 AktG) Zur Bestimmung des Begriffes der Überbewertung nach § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG verweist das Gesetz in § 256 Abs. 5 Satz 2 AktG auf die Bewertungsvorschriften des HGB. Eine Überbewertung liegt hiernach dann vor, wenn entgegen den für alle Kaufleute geltenden Bewertungsvorschriften in §§ 253 - 256 HGB und den besonderen Bewertungsvorschriften für Kapitalgesellschaften in §§ 279 - 283 HGB im Jahresabschluß Aktivposten höher oder Passivposten niedriger angesetzt werden. Der Sache nach handelt es sich hierbei weniger um eine eigenständige Legaldefinition, 82 sondern vielmehr um eine Verweisung auf den handelsbilanzrechtlichen Fehlerbegriff. Die Be-
79
Vgl. oben Seite 84f.
80
Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 256 AktG Rdn. 38.
81
Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmenö. Aufl. 1997, § 256 AktG Rdn. 38, Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 92; IDW (Hrsg.), Wirtschaftsprüferhandbuch 1996, Absch. S Rdn. 133 (S. 1645); Schilling, in: Großkommentar zum AktG, 3. Aufl. 1973, § 256 Anm. 14; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 256 Rdn. 46f. So aber Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 85, allerdings noch zum alten Rechtszustand vor dem Bilanzrichtliniengesetz.
82
195
Β. Bestandskraft der Feststellung bei Aktiengesellschaften
deutung dieser Verweisung ins Handelsbilanzrecht wird bei einer Reihe von o-i Auslegungsproblemen des § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 AktG nicht immer hinreichend berücksichtigt. (a) Wesentlichkeitserfordernis Dies betrifft zunächst die Frage, ob alle, also auch nur geringfügige Unterbewertungen zur Nichtigkeit führen, oder aber eine Beschränkung auf wesentliche Bewertungsfehler vorzunehmen ist. Diese Frage scheint sich zunächst eindeutig aus § 256 AktG selbst zu beantworten. Während das Gesetz bei den Gliederungsfehlern in § 256 Abs. 4 AktG die Nichtigkeit ausdrücklich auf wesentliche Fehler beschränkt, fehlt dieses Wesentlichkeitserfordernis bei § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 AktG. Dies legt den Schluß nahe, daß der Gesetzgeber wegen der Schwere des Gesetzesverstoßes bei jeder Überbewertung die Nichtigkeit des Jahresabschlusses anordnen will. 84 Qf
Dieses Ergebnis wird von der ganz überwiegenden Auffassung als unbefriedigend abgelehnt. Diese Auffassung stützt sich vor allem darauf, daß bei
83
Zur Problematik, ob auch ein Verstoß gegen Aktivierungsverbote und Passivierungsgebote unter § 256 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 AktG zu fassen ist, vgl. bereits oben unter II 2 b aa (1) (Seite 189f.).
84
So vor allem Baumbach/Hueck, AktG, 13. Aufl. 1968; § 256 Rdn. 18; v.Godin/Wilhelm, AktG, 4. Aufl. 1971, § 256 Anm. 10; ähnlich, im Ergebnis aber nicht eindeutig, Adler/Düring/Schmal tz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 256 AktG Rdn. 48 und auch Kowalski, AG 1993, S. 502 (503), der dann allerdings in der Rechtsfolge die Verpflichtung zur Neuaufstellung auf wesentliche Fehler beschränken will. Ähnlich Wichmann, DB 1993, S. 340f., der nur bei Bagatellverstößen, nicht aber bei nur unwesentlichen Verstößen die Nichtigkeitsfolge ablehnt. Diese Differenzierung von Wichmann ist allerdings so unbestimmt, daß sie nicht mehr justiziabel ist (vgl. auch Schedlbauer, DB 1993, S. 342).
85
Vgl. Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 87; Schedlbauer, DB 1992, S. 2097 (2099); Schilling, in: Großkommentar zum AktG, 3. Aufl. 1973, § 256 Anm. 15; Werner, AG 1967, S. 122 ( 124); Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 256 Rdn. 45; wohl auch IDW (Hrsg.), Wirtschaftsprüferhandbuch 1996, Absch. S Rdn. 131f. (S. 1644) und in einem obiter dictum zum analogen Problem bei der GmbH auch BGHZ 83,341 (347).
196
§ 4 Bestandskiaft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
unwesentlichen Verstößen die Nichtigkeit des Jahresabschlusses eine unangemessen schwere Sanktion darstellt. 8 Diese stark am Ergebnis orientierte Auffassung läßt sich bei genauerer Beachtung des Verweises in das Handelsbilanzrecht auch unmittelbar aus der Funktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses und dem daraus entwikR7 kelten Fehlerbegriff herleiten. Für das Handelsbilanzrecht läßt sich zeigen, daß eine Erstreckung der Berichtigungspflicht auch auf unwesentliche Fehler dem Charakter des Jahresabschlusses als Ausdruck subjektiver und teilweise sogar gesetzlich ausdrücklich zugelassener Schätzungen nicht gerecht würde und gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit verstieße. 88 Diese Wertung läßt sich inhaltlich auf die Nichtigkeitsfolge in § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG übertragen und wird durch die Verweisung in § 256 Abs. 5 Satz 2 HGB auf die Bewertungsvorschriften des HGB auch zum gesetzlichen Inhalt der aktienrechtlichen Regelung gemacht. Die von der herrschenden Meinung geforderte Beschränkung der Nichtigkeit auf wesentliche Überbewertungen läßt sich also nicht nur aus einer Wertung des Ergebnisses begründen. Sie ist vielmehr trotz des Fehlens eines ausdrücklichen Wesentlichkeitserfordernisses durch die Verweisung auf das Handelsbilanzrecht auch im Gesetz selbst angelegt. (b) Erkennbarkeit des Fehlers Aus dem Verweis auf das Handelsbilanzrecht zu beantworten ist weiterhin die in § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG nicht ausdrücklich geregelte Frage, ob eine Überbewertung nach § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG auch dann vorliegt, wenn der Bewertungsfehler bei der Feststellung weder bekannt noch erkennbar war. Im Schrifttum wird zum Teil angenommen, daß es für die Beurteilung der Fehlerhaftigkeit eines Bilanzansatzes nicht allein auf dessen objektiven Wert im Zeitpunkt der Feststellung ankomme, sondern darauf, ob der Wertansatz einer Bewertung entspreche, die ein sorgfältiger Kaufmann unter Berück-
86
Vgl. Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 87; Schedlbauer, DB 1992, S. 2097 (2099); Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 256 Rdn. 45.; ähnlich Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 256 AktG Rdn. 49 (allerdings im Ergebnis unentschieden).
87
Hierauf, und nicht allein auf eine Wertung des Ergebnisses, stellt für die Rechtslage vor dem Bilanzrichtliniengesetz im Ansatz auch schon Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 256 Rdn. 25 ab.
88
Vgl. dazu ausführlich oben unter § 3 C V 2 b (Seite 132f.).
Β. Bestandskraft der Feststellung bei Aktiengesellschaften
197
sichtigung der im Zeitpunkt der Bewertung verfügbaren Erkenntnisse ansetzen durfte.89 Der Sache nach wird also der im Steuerrecht entwickelte und auch im Handelsbilanzrecht anzuwendende subjektive Fehlerbegriff zugrundegelegt.90 Von anderen Teilen des Schrifttums wird dagegen eine Einbeziehung subjektiver Elemente in den Fehlerbegriff nach § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG abgelehnt.91 Diese Ablehnung richtet sich bei genauerer Betrachtung zum größten Teil aber gar nicht gegen die Anwendung des subjektiven Fehlerbegriffes, sondern gegen die Übertragung des Vorsatzerfordernisses bei Unterbewertungen nach § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AktG auf die Überbewertung.92 Die Forderung nach einer objektiven Fehlerhaftigkeit dient dazu, eine Übertragung der Beschränkung auf vorsätzliches Verhalten wie bei der Unterbewertung nach § 256 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AktG auf die Überbewertung abzulehnen. Besonders deutlich wird dies bei Zöllner und Schilling93 auch daran, daß sie sich ausdrücklich auf die von Werner94 vertretene Auffassung beziehen. Dieser schlägt vor, bloß "versehentliche" Überbewertungen nicht in den Anwendungsbereich von § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG einzubeziehen. Die Stellungnahmen von Hüffer, Schilling und Zöllner enthalten im Kern damit keine Aussage zu dem Kenntnisstand, der einer nach § 256 Abs. 5 AktG als fehlerfrei anzusehenden Bewertung zugrundezulegen ist. Eine Ablehnung des subjektiven Fehlerbegriffes ist hierin folglich nicht zu sehen.
89
90 91
Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 256 AktG Rdn. 40, 49; W. Müller, in: Festschrift fur Quack, 1991, S. 359 (367 Fußn. 14); H.-P. Müller, in: Festschrift für Budde, 1995, S. 431 (434); Schedlbauer, DB 1992, S. 2097 (2098f.). Dazu oben § 3 C V 2 a) (Seite 129f.). So insbes. Flume, DB 1981, S. 2505f.; weiter Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 92; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 256 Rdn. 46; Schilling, in: Großkommentar AktG, 3. Aufl. 1973, § 256 Anm. 16.
92
So bei Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 92; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 256 Rdn. 46; Schilling, in: Großkommentar AktG, 3. Aufl. 1973, § 256 Anm. 16.
93
Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 256 Rdn. 46; Schilling, in: Großkommentar AktG, 3. Aufl. 1973, § 256 Anm. 16 Vgl. Werner, AG 1967, S. 122 ( 124 links oben).
94
198
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
Eine Aussage zum maßgeblichen Kenntnisstand enthält dagegen die Stellungnahme von Flume. 95 Dieser will sowohl im gesamten Handels- und Gesellschaftsrecht als auch im Steuerrecht einen rein objektiven Fehlerbegriff zugrunde legen. Wie bereits oben ausgeführt, berücksichtigt diese Ansicht nicht hinreichend, daß der handelsrechtliche Jahresabschluß schon seiner Natur nach keine exakte Rechnung ist, sondern immer mit Unsicherheit behaftet ist. Entgegen der Ansicht von Flume muß das Handelsbilanzrecht wie auch das Steuerbilanzrecht von einem subjektiven Fehlerbegriff ausgehen.96 Andernfalls würde von den Organen der Aktiengesellschaft bei der Feststellung des Jahresabschlusses nach §§ 172, 173 AktG objektiv Unmögliches verlangt. Eine Bewertung ist wegen der vielen Positionen des Jahresabschlusses immanenten Unsicherheit immer nur auf Grundlage der zu einem bestimmten Zeitpunkt verfugbaren Information möglich. Die Gefahr einer objektiven, nach den Informationen im Zeitpunkt der Bewertung aber nicht erkennbaren Überbewertung ist also notwendige Konsequenz des Stichtagsprinzips des Jahresabschlusses. Würde jede erst nach der Feststellung erkennbare Überbewertung den Jahresabschluß gemäß § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG nichtig machen, so würde auch der gesellschaftsrechtliche Zweck der Feststellung vereitelt. Die Schaffung einer für das Verhältnis der Aktionäre zur Gesellschaft und für deren Organe verbindlichen Darstellung der Vermögens- und Ertragslage97 wäre wegen der allen Jahresabschlüssen immanenten Gefahr unrichtiger Bewertungen unmöglich. Die vom Gesetzgeber bei der Schaffung des § 256 AktG angestrebte Rechtssicherheit durch Beschränkung der Nichtigkeitsgründe festgestellter Jahresabschlüsse würde vereitelt. Zudem würde eine rein objektive Bewertung im Rahmen von § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG dazu führen, daß der festgestellte Jahresabschluß strengeren Anforderungen an die Richtigkeit unterworfen wird als der handelsbilanzielle Jahresabschluß. Eine solches Auseinanderfallen der Maßstäbe erscheint aber nicht sinnvoll, zumal beide Regelungen dem Gläubigerschutz durch Kapitalerhaltung dienen. Der Verweis in § 256 Abs. 5 Satz 2 und 3 AktG auf das Handelsbilanzrecht ist der Sache nach daher als Übernahme des subjektiven Fehlerbegriffs des Handelsbilanzrechts in das Aktiengesellschaftsrecht zu verstehen. Dem
95
Flume, D B 1981, S. 2505f.
96
Vgl. dazu schon ausführlich oben § 3 C V 2 a (Seite 129f.).
97
Zum Zweck der Feststellung vgl. oben unter § 4 A II 2 (Seite 173ff.).
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steht auch nicht entgegen, daß die Verweisung auf das HGB sich nicht ausdrücklich auf die Behandlung wertaufhellender Tatsachen in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB bezieht. Diese für den subjektiven Fehlerbegriff maßgebliche Vorschrift ist Teil der allgemeinen Bewertungsgrundsätze, die bei der Ausfüllung der in Bezug genommenen besonderen Bewertungsvorschriften nach der Systematik des HGB anzuwenden sind; die Regelung des § 252 Abs. 1 Nr. 4 ist also Teil der in Bezug genommenen Vorschriften des HGB. Zudem verweist § 173 Abs. 2 Satz 1 AktG auf die handelsrechtlichen Vorschriften der Jahresabschlußaufstellung, was auch § 252 Abs. 1 HGB umfaßt.98 (c)
Zulässigkeit von Kompensationen
Ein weiteres Problem des § 256 Abs. 5 AktG ist die Frage, ob es zur Vermeidung der Nichtigkeit nach § 256 Abs. 5 AktG wegen fehlerhafter Bewertung zulässig ist, Überbewertungen im Jahresabschluß mit Unterbewertungen zu kompensieren. Zum Teil wird angenommen, daß eine Kompensation von Bewertungsfehlern generell unzulässig ist." Die ganz überwiegende Auffassung 00 nimmt dagegen an, daß nur Kompensationen zwischen einzelnen Positionen ausgeschlossen werden müssen, Kompensationen von Bewertungsfehlern innerhalb von Bilanzpositionen dagegen zulässig sind. Dieser herrschenden Auffassung ist zuzustimmen. Zum einen kann eine Gefährdung der den Gläubigerinteressen dienenden Kapitalerhaltungsgrundsätze lediglich dann eintreten, wenn das Vermögen insgesamt zu hoch bewertet wird. Nur dann kann es zu einer Ausschüttung von Vermögenswerten kommen, die zur Sicherung der Gläubiger im Unternehmen gebunden werden sollen. Zum anderen stellt § 256 Abs. 5 AktG sowohl für die Über- wie auch die Unterbewertung nicht auf einzelne Vermögensgegenstände, sondern auf Bilanzposten ab. Nur die zusammenfassende Bewertung gleichartiger Vermögensgegenstände oder Verbindlichkeiten ist aus der Bilanz erkennbar.
98
Für den Umfang der Verweisung ins HGB allgemein Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 173 Rdn. 4.
99
Vgl. v. Godin/Wilhelm, AktG, 4. Aufl. 1971, § 256 Anm. 10.
100 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 256 AktG Rdn. 41; Geist, DStR 1996, S. 306; Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 86; ders., AktG, 2. Aufl. 1995, § 256 Rdn. 25; IDW (Hrsg.), Wirtschaftsprüferhandbuch 1996, Absch. S Rdn. 128 (S. 1643); Kowalski, AG 1993, S. 502 (503); Schilling, in: Großkommentar zum AktG, 3. Aufl. 1973, § 256 Anm. 15; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 256 Rdn. 42.
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Daher kann es auch nur auf deren Fehlerhaftigkeit, nicht aber auf die dahinter stehenden Einzelbewertungen, deren Fehler sich im Ergebnis ausgleichen, ankommen.101 Betreffen die Fehler dagegen unterschiedliche Bilanzpositionen, so ist keine Kompensation zulässig. Eine solche Kompensation würde zwar wiederum nicht die Kapitalerhaltungsgrundsätze gefährden, doch würde hierdurch das im deutschen Bilanzrecht als grundlegend anzusehende Saldierungsverbot nach § 246 Abs. 2 HGB verletzt. Die Verletzung dieses grundlegenden Prinzips wird durch das Verbot von Gliederungsfehlern nach § 256 Abs. 4 AktG ausgeschlossen. Die Zulassung von Kompensationen zwischen unterschiedlichen Bilanzpositionen verstieße daher sowohl gegen den Wortlaut als auch den Sinn des Gesetzes. (2) Unierbewertung (§ 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AktG) Eine gänzlich andere Funktion als die Nichtigkeit wegen Überbewertung hat die in § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AktG geregelte Nichtigkeit wegen Unterbewertung. Sie zielt auf einen Schutz der gesellschaftsrechtlichen Rechte der Aktionäre. Die Nichtigkeit der Feststellung unterbewerteter Jahresabschlüsse sollte erreichen, daß die zum Schutz der Ausschüttungsinteressen der Aktionäre mit der Aktienrechtsnovelle von 1965 eingeführten Bewertungsunter1 (19
grenzen gezielt unterlaufen werden können. Unterbewertungen werden heute weiterhin auch aus Sicht des Gläubigerschutzes als bedenklich angesehen, denn aus ihnen entsteht ein Potential zur Manipulation der Erträge in den folgenden Perioden.103 Den Materialien zur Aktienrechtsnovelle von 1965 ist indes nicht zu entnehmen, daß dieser Aspekt bereits bei der Schaffung des § 256 AktG eine Rolle gespielt hat. Die gläubigerschützende Wirkung der Nichtigkeit unterbewerteter Jahresabschlüsse ist daher ein bloßer Reflex der gesetzlichen Regelung, nicht aber deren Zweck.104 Im Gegensatz zur Überbewertung in Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG, der dem objektiven Verkehrsschutz dient, enthält die Unterbewertung in § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AktG gleichzeitig ein gesetzliches Unwerturteil. Der Gesetzgeber will durch die Beschränkung der Nichtigkeit auf vorsätzliche Unterbe-
101 Ähnlich Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 256 AktG Rdn. 41. 102 Vgl. Döllerer, BB 1965, S. 1405 (1415); Schedlbauer, DB 1992, S. 2097 (2099). 103 Vgl. dazu schon oben Seite § 3 CIV 2 a aa (Seite 117). 104 Ähnlich Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 90.
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Wertungen die Aktionäre lediglich vor doloser Schädigung bewahren. 105 Bei nicht dolosem Handeln sieht es der Gesetzgeber dagegen als ausreichend an, den Aktionären durch die Möglichkeit der Sonderprüfung nach §§ 258 ff. AktG ein besonderes Informations- und Überprüfungsrecht einzuräumen, ohne daß hierdurch gleichzeitig der Bestand des festgestellten Jahresabschlusses beeinträchtigt wird. Inhaltlich stellen sich bei der Unterbewertung zum Teil ähnliche Probleme wie bei der Überbewertung nach § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG. Auch für die Unterbewertung wird ganz überwiegend vertreten, daß diese nur dann zur Nichtigkeit fuhrt, wenn sie wesentlich ist. Das Erfordernis eines solchen Wesentlichkeitskriteriums läßt sich auch hier zunächst aus dem Verweis auf das Handelsbilanzrecht in § 256 Abs. 5 Satz 3 AktG herleiten. Außerdem folgt die Geltung des Wesentlichkeitskriteriums auch aus dem Erfordernis, daß durch die Unterbewertung die Vermögens- und Ertragslage falsch wiedergegeben oder verschleiert werden muß. Eine solche falsche Darstellung der Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens tritt nicht schon dann ein, wenn ein einzelner Posten falsch ist. Sie setzt vielmehr voraus, daß sich dieser Fehler auf die Aussagekraft des gesamten Jahresabschlusses auswirkt. 106 Weiter stellt das Gesetz bei der Unterbewertung nach § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AktG ebenso wie bei der Überbewertung nicht auf einzelne Vermögensgegenstände, sondern Bilanzposten ab. Daher ist auch hier davon auszugehen, daß eine Kompensation innerhalb der Posten, nicht aber zwischen verschiedenen Posten zulässig ist. 107 dd) Verwendungsfehler (§ 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG) Eine sowohl die Gläubiger- als auch die Aktionärsinteressen beeinträchtigende Form des Inhaltsfehlers stellt der in § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG geregelte Verwendungsfehler dar. Nach dieser Vorschrift ist ein festgestellter Jahresabschluß nichtig, wenn er gesetzes- oder satzungswidrige Einstellungen in Ka-
l o s Vgl. dazu den Bericht des Rechtsausschuß zu § 256 AktG bei Kropff, AktG, 1965, 5. 347; und Schedlbauer, DB 1992, S. 2097 (2099). 106 Ähnlich Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 256 AktG Rdn. 51f. 107 Vgl. nur Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 89.
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pital- oder Gewinnrücklagen oder gesetztes- oder satzungswidrige Entnahmen hieraus enthält.108 Gläubigerschützende Funktion entfaltet die Nichtigkeit wegen Verwendungsfehlern etwa dann, wenn die im festgestellten Jahresabschluß enthaltenen Kapital- oder Gewinnrücklagen nicht der gesetzlichen Mindesthöhe nach §150 AktG entsprechen oder Rücklagen entgegen § 230 AktG zwecks Zahlung an Aktionäre aufgelöst werden. § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG verhindert im Rahmen dieser gläubigerschützenden Ausrichtung, daß die zu den Kapitalerhaltungsgrundsätzen gehörenden Vorschriften über Kapital- und Gewinnrücklagen unterlaufen werden können. Ähnlich wie das Überbewertungsverbot in § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG ist § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG in dieser Ausprägung als lex specialis oder Interpretationsnorm zur gläubigerschützenden Generalklausel in § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG anzusehen. 09 Daneben dient die Nichtigkeit wegen Verwendungsfehlem auch dem gesellschaftlichen Interessenausgleich und dem Schutz der Kompetenzen der Hauptversammlung. Diese Ausprägung zeigt sich etwa darin, daß eine Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses nach § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG auch dann eintritt, wenn Vorstand und Aufsichtsrat entgegen § 58 Abs. 2 AktG mehr als die Hälfte des Jahresüberschusses in die Gewinnrücklagen einstellen. 110 Die Nichtigkeit wegen Verwendungsfehlern schützt in dieser Ausprägung also ganz ähnlich wie die in § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AktG geregelte Unterbewertung die Dispositions- und Ausschüttungsinteressen der Aktionäre. 111 Im Gegensatz zu §256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AktG setzt der strukturell gleich gelagerte Fall der Nichtigkeit wegen Verwendungsfehlern nach § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG keinen Vorsatz voraus, enthält also kein Unwerturteil.
108 Als gesetzliche Regelung im Sinne von § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG sind dabei nur materielle Vorschriften zur Rücklagenbildung und -Verwendung anzusehen, nicht dagegen der von den Gliederungsvorschriften erfaßte formelle Ausweis. Als solche materiellen Vorschriften sind anzusehen: §§ 58, 150 173 Abs. 2 Satz 2, 230, 231, 232, 237 Abs. 5, 300, 301 Satz 2 AktG, § 272 Abs. 4 HGB i.V.m. § 781 Abs. 2 Satz 2 AktG. (allgemeine Ansicht, vgl. Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 256 Rdn. 15). 109 Vgl. Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 256 Rdn. 15; Schilling, in: Großkommentar zum AktG, 3. Aufl. 1973, § 256 Anm. 8. 110 Vgl. Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktienG, 2. Aufl. 1988, § 58 Rdn. 37. 111 Vgl. Godin/Wilhelm, AktG, 4. Aufl. 1971, § 256 Anm. 6.
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b) Prüfungsfehler Die in § 256 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 AktG sowie in §§ 256 Abs. 1 1. Halbsatz 1. Alt., 173 Abs. 3 AktG geregelte Nichtigkeit wegen unterlassener oder fehlerhafter Prüfung des festgestellten Jahresabschlusses ist an der Funktion des publizierten Jahresabschlusses als Instrument der Kapitalmarktinformation ausgerichtet. Die gesetzliche Regelung gewährleistet, daß jeder vom Vorstand und Aufsichtsrat oder von der Hauptversammlung festgestellte Jahresabschluß einer Prüfung durch qualifizierte Abschlußprüfer unterzogen wird. Hierin kommt die bereits oben dargestellte große Bedeutung zum Ausdruck, die der Gesetzgeber der unabhängigen Prüfung publizierter Jahresabschlüsse beimißt.112 Für die hier angestellte Untersuchung der Möglichkeit nachträglicher Berichtigungen unrichtiger oder Änderung unzweckmäßiger Jahresabschlüsse sind die Prüfungsfehler jedoch ohne große inhaltliche Bedeutung. Die Prüfung bewirkt nämlich nur eine formelle Richtigkeitsgewähr, die inhaltliche Richtigkeit wird dagegen durch die oben dargestellten Inhaltsfehler erfaßt. Für die Einzelheiten der Nichtigkeit wegen fehlerhafter Prüfung kann im Rahmen dieser Arbeit daher auf die einschlägige Kommentarliteratur verwiesen werden. c) Verfahrensfehler (§ 256 Abs. 2, 3 AktG) Im Gegensatz zu den Inhalts- und Gliederungsfehlern regelt § 256 AktG fehlerhafte Beschlußfassungen getrennt danach, durch welche Organe die Feststellung des Jahresabschlusses erfolgte. Dabei normiert § 256 Abs. 2 AktG die Feststellung durch Vorstand und Aufsichtsrat gemäß § 172 AktG und § 256 Abs. 3 AktG die Feststellung durch die Hauptversammlung gemäß § 173 Abs. 1 AktG. Ebenfalls zu den Verfahrensfehlern zu rechnen ist die Nichtigkeit wegen nicht fristgerechter Eintragung einer rückwirkenden Kapitalherabsetzung (§ 234 Abs. 3 AktG) oder einer rückwirkenden Kapitalerhöhung (§ 235 Abs. 2 AktG) in § 256 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz AktG. Durch diese Regelung wird lediglich bezweckt, daß bei Nichtigkeit der rückwirkenden Kapitalveränderung die vorgenommenen Korrekturen im festgestellten Jahresabschluß entsprechend der veränderten materiellen Rechtslage wieder angepaßt werden können. Diese Verfahrensfehler sind also ohne selbständige Bedeutung und können daher hier vernachlässigt werden.
112 Vgl. oben unter § 3 D (Seite 143f.).
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aa)
Durch Vorstand und Aufsichtsrat festgestellte Jahresabschlüsse (§256 Abs. 2 AktG) Zu den Verfahrensfehlern nach § 256 Abs. 2 AktG gehören nach dem Wortlaut des Gesetzes sämtliche Fälle, in denen Vorstand oder Aufsichtsrat nicht ordnungsgemäß an der Feststellung mitgewirkt haben. Wann eine solche nicht ordnungsgemäße Mitwirkung vorliegt, ist in der Literatur für einzelne Fallgestaltungen umstritten.113 Einig ist sich die Literatur darin, daß § 256 Abs. 2 AktG anzuwenden ist, wenn die Mitwirkung des Organs durch Verletzung organinterner Verfahrensregeln als fehlerhaft anzusehen ist. Hierzu gehört etwa eine Feststellung trotz Unterbesetzung des Vorstandes gemäß § 76 Abs. 2 AktG oder Beschußunfahigkeit des Aufsichtsrates gemäß § 108 Abs. 2 AktG.114 Einigkeit besteht weiterhin darüber, daß § 256 Abs. 2 AktG dann nicht anzuwenden ist, wenn eines der beiden Organe überhaupt nicht mitgewirkt hat. Hier fehlt es schon an dem rechtsgeschäftlichen Tatbestand der Feststellung, so daß es der Nichtigkeitsfolge nach § 256 Abs. 2 AktG von vornherein nicht bedarf.115 Ausgangspunkt des Streitstandes in der Literatur ist das Problem, daß sich eine Reihe von Fallgestaltungen nicht immer eindeutig einer dieser beiden Gruppen zuordnen läßt. Dies gilt etwa für die Feststellung des Jahresabschlusses durch Aufsichtsrat und Vorstand trotz Zuständigkeit der Hauptversammlung1 16 oder für die Feststellung durch einen Ausschuß des Aufsichts-
113 Zur umfassenden Darstellung der Problemfälle vgl. insbesondere Adler/Düring/ Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 256 AktG Rdn. 57ff. und Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 256 Rdn. 16f. 114 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 256 AktG Rdn. 41 Rdn. 57f.; v.Godin/Wilhelm, AktG, 4. Aufl. 1971, § 2 5 6 Arnn. 7; Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 256 Rdn. 18, 19; IDW (Hrsg.), Wirtschaftsprüferhandbuch 1996, Absch. S Rdn. 114 (S. 1639); Schilling, in: Großkommentar zum AktG, 3. Aufl. 1973, § 256 Anm. 9, 10. 115 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 256 AktG Rdn. 56, § 256 AktG Rdn. 56f.; Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 16; ders., in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 61; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 256 Rdn. 62. 116 Für die Anwendung von § 256 Abs. 2 AktG sprechen sich hier etwa v.Godin/Wilhelm, AktG, 4. Aufl. 1971, § 256 Anm. 4 und Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 256 Rdn. 84 aus, eine Anwendung mangels Tatbestand der Feststellung lehnen Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 64 und Schilling, in: Großkommentar zum AktG, 3. Aufl. 1973, § 256 Anm. 11 ab.
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rates statt des gesamten Organs. 117 Diese Diskussion um die Reichweite der Nichtigkeit nach § 256 Abs. 2 AktG ist allerdings nicht das eigentliche Problem des Meinungsstreits. Die Frage, ob eine Feststellung deshalb keine Rechtswirkung entfaltet, weil sie nach § 256 Abs. 2 AktG nichtig ist, oder weil sie von vornherein rechtlich schon gar nicht zustande gekommen ist, ist als solche ohne jeden Belang. Der eigentliche Kern des Streitstandes liegt vielmehr in der Frage, ob der fehlerhaft festgestellte Jahresabschluß einer Heilung durch Zeitablauf nach § 256 Abs. 6 Satz 1 AktG zugänglich sein soll. Dies kommt nur bei einer nach § 256 Abs. 2 AktG nichtigen Feststellung in Betracht, nicht aber, wenn es bereits am Tatbestand der Feststellung fehlt. Die in vielen Fällen schwierige Abgrenzung dieser beiden Konstellationen ist hier dann von besonderem Interesse, wenn ein Irrtum des Aufsichtsrates oder Vorstandes über die Richtigkeit oder Zweckmäßigkeit des festgestellten Jahresabschlusses vorliegt. Die Änderung einer unzweckmäßigen oder die Berichtigung einer unrichtigen, aber mangels Inhaltsfehlers nach § 256 AktG nicht nichtigen Feststellung des Jahresabschlusses kann in solchen Fällen grundsätzlich auch durch eine Anfechtung nach §§ 119, 123 BGB angestrebt werden. Diese Anfechtung richtet sich, wie bereits bei der Rechtsnatur der Feststellung dargelegt, nach der hier vertretenen Auffassung gegen die einzelnen Stimmabgaben in der Beschlußfassung des jeweiligen Organs. Die überwiegende Auffassung nimmt dagegen an, daß die Anfechtung sich direkt gegen den Feststellungsbeschluß des Organs richtet.118 Nach beiden Ansichten kann durch eine solche Anfechtung der Feststellungsbeschluß des Organs fallen. Dabei ist nach der hier vertreten Auffassung erforderlich, daß durch die Anfechtung der Einzelstimmen die erforderliche Mehrheit des ursprünglichen Beschlusses entfällt. Nach der überwiegenden Auffassung ist dagegen eine mehrheitliche Beschlußfassung des Organs über die Anfechtung zu verlangen. Für diese Möglichkeit der Berichtigung fehlerhafter oder der Änderung unzweckmäßiger Jahresabschlüsse gilt es zu klären, ob sie unter den Anwen-
117 Hier lehnt Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 256 Rdn. 18, 19; Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 62; Kropff, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 172 Rdn. 22 eine Anwendung von § 256 AktG ab, da von vornherein kein wirksamer Beschluß vorliege, während Baumbach/Hueck, AktG, 13. Aufl. 1968; § 256 Rdn. 12; v. Godin/Wilhelm, AktG, 4. Aufl. 1971, § 256 Anm. 7 und Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 256 Rdn. 62 diesen Fall der Nichtigkeit nach § 256 Abs. 2 AktG unterwerfen wollen. 118 Vgl. dazu ausfuhrlich oben unter II. 1. b) auf Seite 183ff.
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dungsbereich der Verfahrensfehler nach § 256 Abs. 2 AktG fallen, folglich einer Heilung nach § 256 Abs. 6 Satz 1 AktG zugänglich sind und unter welchen Voraussetzungen ein Anfechtungsgrund nach §§119, 123 BGB vorliegt. (1)
Anwendbarkeit von § 256 Abs. 2 AktG auf anfechtbare Feststellungsbeschlüsse In der Kommentarliteratur wird überwiegend angenommen, daß eine Anfechtung der Feststellungsbeschlüsse nach §§ 119, 123 BGB nicht unter die fehlerhafte Beschlußfassung nach § 256 Abs. 2 AktG zu fassen sei.119 Erfolge die Anfechtung rechtzeitig und sei sie begründet, so entfalle gemäß § 142 Abs. 1 BGB die Beschlußfassung des Organs mit Wirkung ex tunc. Ein festgestellter Jahresabschluß habe daher nie vorgelegen. Für eine Heilung nach § 256 Abs. 6 AktG sei daher kein Raum. Allerdings soll die Anfechtung nicht unbegrenzt möglich sein. Eine Anfechtung nach §§119, 123 BGB sei vielmehr nur bis zur Einberufung der Hauptversammlung möglich. Dies folge aus § 175 Abs. 4 AktG, der eine Bindung von Vorstand und Aufsichtsrat an die Entscheidung über die Feststellung vorsieht und dem allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsatz, daß Willenserklärungen an die Öffentlichkeit 120 nicht anfechtbar sind. Diese Auffassung erscheint sowohl in der Begründung als auch in der Rechtsfolge zweifelhaft: Der Gesetzgeber wollte durch § 256 AktG die Nichtigkeit festgestellter Jahresabschlüsse im Interesse der Rechtssicherheit umfassend regeln. Dabei beschränkte er sich nicht nur auf die Gründe, die nach zivilrechtlichen Regeln unmittelbar zur Nichtigkeit fuhren. § 256 AktG soll seinem Sinngehalt nach vielmehr auch solche Verstöße erfassen, die erst durch eine Anfechtungserklärung zur Nichtigkeit führen. Dies zeigt sich zum einen schon darin, daß das Gesetz in § 256 Abs. 3 Nr. 3 AktG auch den Fall des anfechtbaren Hauptversammlungsbeschlusses regelt. Auch dort bedarf es für die Nichtigkeit zunächst einer Anfechtung im Klagewege. Der Gesetzgeber trennt in § 256 AktG also nicht wie im allge-
119 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 41; Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 61; ders., AktG, 2. Aufl. 1995, § 256 Rdn. 16. 120 Vgl. Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 1 7 2 Rdn. 3, §175 Rdn. 8; ders., in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 62 mit Verweis auf Kropff, in: Geßler/ Hefermehl, AktG, 1973, § 172 Rdn. 62; ähnlich Weirich, Wpg 1976, S. 625.
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meinen Zivilrecht strikt zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit, sondern faßt beide Fehlertypen zusammen. Zum anderen läßt sich den Materialien zur Aktienrechtsnovelle von 1965 entnehmen, daß der Gesetzgeber fur eine Anfechtung außerhalb von § 256 AktG keinen Raum mehr sah. Der von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellte Jahresabschluß sei generell nicht anfechtbar und die Anfechtung des von der Hauptversammlung festgestellten Jahresabschlusses werde abschließend in § 256 Abs. 3 AktG geregelt.121 Hieraus läßt sich erkennen, daß der Gesetzgeber die Anfechtbarkeit in § 256 AktG regeln wollte, die Möglichkeit einer Anfechtung der Beschlußfassung nach §§ 119, 123 BGB aber nicht gesehen hat. Systematik und Zweck des § 256 AktG sprechen daher dafür, die Anfechtung der Feststellungsbeschlüsse nach §§119, 123 BGB in den Anwendungsbereich der Verfahrensfehler nach § 256 Abs. 2 AktG einzubeziehen. Diese Einbeziehung erscheint auch aufgrund ihrer Rechtsfolge, der Heilung anfechtbarer Jahresabschlüsse binnen 6 Monaten gemäß § 256 Abs. 6 Satz 1 AktG, eher dazu geeignet, die Interessen des Rechtsverkehrs und der beteiligten Organe zu wahren als die von der überwiegenden Auffassung angenommene Begrenzung des Anfechtungsrechtes durch § 175 Abs. 4 AktG. Die Anwendung von § 175 Abs. 4 AktG auf die Anfechtung nach §§ 119, 123 BGB widerspricht nämlich der Funktion dieser Norm und fuhrt zu einem nicht hinnehmbaren Wertungswiderspruch. Zweck der Bindungswirkung in § 175 Abs. 4 AktG ist es ausweislich der Gesetzesbegründung nämlich nicht, eine inhaltliche Bindung des Aufsichtsrates und Vorstandes an den festgestellten Jahresabschluß zu bewirken. Es geht vielmehr allein darum, die Feststellungskompetenz der Hauptversammlung zu schützen. Vorstand und Aufsichtsrat sollen daran gehindert werden, eine nach § 172 Abs. 2 AktG beschlossene Überlassung der Feststellung an 111
die Hauptversammlung rückgängig zu machen. Ein Ausschluß der Anfechtung wegen Inhaltsirrtums oder Täuschung nach §§ 119, 123 BGB durch § 174 Abs. 5 AktG käme nur dann in Betracht, wenn diese Vorschrift in ana-
121 Vgl. den Bericht des Rechtsausschusses bei Kropff, AktG, 1965, S. 343. 122 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfes zu § 175 AktG bei Kropff, AktG, 1965, 5. 284 sowie Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 175 AktG Rdn. 25; Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 172 Rdn. 17; Kropff,\ in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 175 Rdn. 28, 33, jeweils m.w.N.
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loger Anwendung auch darauf gerichtet wäre, Vorstand und Aufsichtsrat auch inhaltlich an den festgestellten Jahresabschluß zu binden. Gerade dies wird von der überwiegenden Auffassung aber abgelehnt. Sie nimmt vielmehr an, daß Vorstand und Aufsichtsrat auch nach Einberufung der Hauptversammlung noch dazu befugt sein sollen, den festgestellten Jahresabschluß aufzuheben. Diese Annahme eines Anfechtungsausschlusses durch § 175 Abs. 4 AktG bei gleichzeitiger Aufhebbarkeit der Feststellung ist in sich widersprüchlich. Sie fuhrt dazu, daß Vorstand und Aufsichtsrat an eine fehlerhaft zustandegekommene Bestimmung des durch die Hauptversammlung nach § 174 Abs. 1 AktG verwendbaren Gewinnes gebunden sind, während eine fehlerfreie Bestimmung dieser Hauptversammlungsrechte im festgestellten Jahresabschluß frei aufhebbar sein soll. Dies erscheint schwer einsichtig. Daran vermag auch die zusätzliche Begründung durch die Rechtsfigur der Erklärung an die Öffentlichkeit nichts zu ändern. Es erscheint schon fraglich, ob es sich bei der Mitteilung des festgestellten Jahresabschlusses an die Hauptversammlung überhaupt um eine Erklärung an die Öffentlichkeit handelt. Inhaltlich geht es bei der Feststellung nämlich alleine darum, die Kompetenzen der Hauptversammlung als Gesellschaftsorgan zu bestimmen, also um einen gesellschaftsinternen Vorgang. Zumindest jedoch müßte die überwiegende Meinung bei Anwendung dieser heute kaum noch vertretenen Figur 123 dann auch konsequenterweise eine Änderbarkeit des Jahresabschlusses ablehnen. Der vom Reichsgericht124 angenommene Ausschluß einer Anfechtung nach §§ 119, 123 BGB bei Erklärungen an die Öffentlichkeit setzt nämlich voraus, daß diese Erklärung dem Dritten gegenüber rechtsgeschäftlich bindend ist. Demgegenüber fuhrt die Einbeziehung der Anfechtimg nach §§ 119, 123 BGB in den Anwendungsbereich von § 256 Abs. 2 AktG zu einem in sich widerspruchsfreien und mit dem Schutz des Rechtsverkehrs zu vereinbarenden Ergebnis. Ungeachtet der Frage, ob Aufsichtsrat und Vorstand an eine fehlerfrei zustandegekommene Feststellung gegenüber der Hauptversammlung gebunden sind, können Vorstand oder Aufsichtsrat bei einem Irrtum oder einer Täuschung die Feststellung nach §§ 119, 123 BGB anfechten und
123 Zur Kritik an dieser Figur vgl. vor allem Cartaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 153f., weiter Medicus, Bürgerliches Recht, 17. Aufl. 1996, Rdn. 110. 124 Vgl. RGZ 123, 102ff„ 145, 155 (159).
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so die Wirksamkeit des Jahresabschlusses gemäß § 256 Abs. 2 AktG beseitigen. Diese Anfechtung wird durch die Heilung nach § 256 Abs. 6 Satz 1 AktG aber im Interesse der Rechtssicherheit auf eine Frist von 6 Monaten beschränkt. Diese Rechtsfolge wird sowohl den Interessen der beteiligten Gesellschaftsorgane als auch dem Schutzbedürfnis des Rechtsverkehrs gerecht. Entgegen der überwiegenden Meinung ist daher davon auszugehen, daß § 256 Abs. 2 AktG auch die Fälle einer Anfechtung des festgestellten Jahresabschlusses nach §§ 119,123 BGB erfaßt. 125 (2) Anfechtungsgründe In der Diskussion um die Anfechtbarkeit festgestellter Jahresabschlüsse wird oft die im folgenden behandelte Frage vernachlässigt, in welchen Fallgestaltungen eine Anfechtung des Feststellungsbeschlusses nach §§ 119, 123 BGB durch Vorstand oder Aufsichtsrat in Betracht kommt. (a) Inhalts- und Erklärungsirrtum (§ 119 BGB) Eine Anfechtung wegen eines Erklärungs- oder Inhaltshaltsirrtums nach §119 Abs. 1 BGB ist schwer vorstellbar. Dies gilt unabhängig davon, ob man als Gegenstand der Anfechtung den gesamten Feststellungsbeschluß oder - mit der hier vertretenen Auffassung - die einzelne Stimmabgabe ansieht. Sowohl bei den Mitgliedern des Vorstandes als auch des Aufsichtsrates ist davon auszugehen, daß diese sich über die bindende Wirkung des Feststellungsbeschlusses und dessen wesentlichen Inhalt im klaren sind. Eine Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB dürfte daher ohne praktische Relevanz sein. 1 2 6 Nicht von vornherein beurteilbar ist dagegen die Relevanz einer Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB. Diese setzt voraus, daß sich die Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrates über eine wesentliche Eigenschaft des festgestellten Jahresabschlusses geirrt haben. Ein solcher Irrtum kommt grundsätzlich sowohl hinsichtlich der Richtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses als auch dessen Zweckmäßigkeit in Betracht.
125 So im Ergebnis aber ohne Begründung auch Barz, in: Festschrift für Schilling, 1973, S. 127(131 Fußnote 18). 126 So auch Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktGRdn. 7; Hundertmark/Herms, BB 1973, S. 1051 (1055).
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§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
(i) unrichtige Jahresabschlüsse Geht man davon aus, daß § 256 AktG als speziellere Regelung die allgemeinen Vorschriften des BGB verdrängt, so kommt eine Anfechtung wegen eines Irrtums über die Richtigkeit des Jahresabschlusses nur dann in Betracht, wenn kein Fehler vorliegt, der den festgestellten Jahresabschluß schon nach § 256 AktG nichtig macht. Dies kann im wesentlichen in zwei Konstellationen der Fall sein: • Nach der Feststellung kann sich aufgrund wertaufhellender Tatsachen herausstellen, daß der Jahresabschluß eine objektive Überbewertung enthält. Da bei § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG der subjektive Fehlerbegriff zugrundezulegen ist, also auf die im Zeitpunkt der Feststellung verfügbaren Informationen abzustellen ist, ist die Feststellung hier trotz objektiver Unrichtigkeit nicht nichtig. • Der Jahresabschluß kann eine Unterbewertung aufweisen, die mangels Vorsatzes der feststellenden Organe keine Nichtigkeit nach § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AktG nach sich zieht. In beiden Fallgestaltungen hängt die Anfechtbarkeit der Feststellung davon ab, ob ein Irrtum über den Inhalt der Feststellungserklärung vorliegt oder ein bloßer Motivirrtum.127 Dies ist danach zu beurteilen, welcher Erklärungswert der Feststellung beizumessen ist. Durch die Vorlage des Jahresabschlusses zum Zwecke der Billigung durch den Aufsichtsrat erklärt der Vorstand konkludent, daß dieser Jahresabschluß 1
seines Erachtens den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Gleiches bringt der Aufsichtsrat, der gemäß § 171 Abs. 1 AktG zur inhaltlichen Prüfung des Jahresabschlusses verpflichtet ist, durch seine Billigung zum Aus-
127 Vgl. RGZ 156, 70 (74); 162, 198 (201); 149, 235 (239); Kramer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1993, § 119 Rdn. 10; Dilcher, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1980, § 119 Rdn. 68ff. 128 Selbstverständlich erklären beide Organe durch die Feststellung auch, daß die angesetzten Werte ihres Erachtens richtig sind. Der Wert einer Sache als solche stellt nach ganz überwiegender Auffassung aber keine Eigenschaft dieser Sache im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB dar. (Vgl. BGHZ 16, 54; Hefermehl, in Soergel, BGB, 12. Aufl. 1987, § 119 Rdn. 51). Dies ist hier jedoch unerheblich, denn der Inhalt der Feststellung eines Jahresabschlusses ist eben die Festlegung von Werten. Anknüpfungspunkt der Irrtumsanfechtung ist dabei nicht der jeweils festgelegte Wert als solcher, sondern die Konformität der vorgenommenen Bewertungen mit den gesetzlichen Bewertungsverfahren.
Β. Bestandskraft der Feststellung bei Aktiengesellschaften
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druck. Dabei sind sich sowohl der Vorstand, der den Jahresabschluß aufgestellt hat, als auch der Aufsichtsrat, der diesen Jahresabschluß inhaltlich zu überprüfen hat, notwendigerweise darüber im klaren, daß die im festgestellten Jahresabschluß vorgenommenen Bewertungen teilweise auf Schätzungen und Prognosen beruhen. Hierzu sind Vorstand und Aufsichtsrat nicht nur berechtigt, sondern gemäß den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB sogar verpflichtet. Bei verständiger Würdigung enthalten die zur Feststellung des Jahresabschlusses fuhrenden Erklärungen damit nur die Aussage, daß eine den handelsbilanziellen Vorschriften entsprechende Bewertung vorgenommen wurde. Vorstand und Aufsichtsrat erklären mit der Feststellung, daß die im Jahresabschluß enthaltenen Werte den handelsbilanziellen Bewertungsvorschriften entsprechen und auf einer sorgfaltigen Auswertung aller bis zum Zeitpunkt der Erklärung verfugbaren Informationen beruhen. Legt man diesen Erklärungswert der Feststellung zugrunde, so ist im Falle einer Überbewertung, die aufgrund der im Zeitpunkt der Feststellung verfügbaren Information nicht erkennbar war, eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB mangels Inhaltsirrtums ausgeschlossen. Ein Inhaltsirrtum wäre nur dann gegeben, wenn bei einer den handelsbilanzrechtlichen Sorgfaltsmaßstäben entsprechenden Auswertung der im Zeitpunkt der Feststellung verfugbaren Informationen die Fehlbewertung erkennbar war. Im Falle einer Überbewertung liegt dann aber zugleich auch ein Fehler im Sinne von § 256 Abs. 5 Satz 1 ?Q
1 Nr. 1 AktG vor. Bei einer Uberbewertung kommt Irrtumsanfechtung nach den allgemeinen Vorschriften daher keine eigenständige Bedeutung zu. Anders liegt dies dagegen bei einer Unterbewertung. Da gemäß § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AktG nur eine vorsätzliche Unterbewertung zur Nichtigkeit führt, 130 ist bei einer unvorsätzlichen, im Zeitpunkt der Feststellung erkennbaren, Unterbewertung ein Inhaltsirrtum nach § 119 Abs. 2 BGB anzunehmen. Soweit aufgrund wertaufhellender Tatsachen, die nach der Feststellung bekannt werden, Positionen des Jahresabschlusses als überbewertet erscheinen, liegt kein Inhaltsirrtum, sondern ein bloßer Motivirrtum vor. Die Organe der Aktiengesellschaft irren sich nicht darüber, ob die von ihnen vorgenommene Bewertung der handelsbilanziell geforderten Sorgfalt entspricht, sondern irren über die Richtigkeit der ihrer Bewertung zugrundegelegten Informationen. Dieser Irrtum über die informationelle Grundlage der Bewertung
129 Vgl. oben unter § 4 Β II. 2. a) cc) (1) (b) (Seite 196f.). 130 Vgl. oben unter § 4 Β II. 2. a) cc) (2) (Seite 200f.).
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§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
betrifft somit nicht den Erklärungswert der Feststellung selbst, sondern ist ihr als bloßer Motivirrtum vorgelagert. Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung 131 berechtigen nachträglich erkannte und erkennbare Verluste oder andere nur objektive Unrichtigkeiten nicht zur Anfechtung. Dagegen liegt bei einer unvorsätzlichen Unterbewertung, die bei sorgfältiger Verwertung aller Erkenntnisse im Zeitpunkt der Feststellung bereits erkennbar war, ein Inhaltsirrtum vor. Hier entspricht der festgestellte Jahresabschluß nicht den handelsbilanziellen von den Organen der Gesellschaft geforderten Maßstäben. Die Organe irren sich über den Inhalt ihrer Erklärung. Damit scheint § 119 Abs. 2 BGB dem Vorstand oder Aufsichtsrat bei unvorsätzlicher Unterbewertung die Möglichkeit zur Berichtigung durch Anfechtung des Jahresabschlusses zu eröffnen. Eine solche Möglichkeit zur Anfechtung unterbewerteter Jahresabschlüsse würde aber gegen die Wertung des Gesetzgebers in §§258 ff. AktG verstoßen. Der Gesetzgeber räumt den Aktionären bei einer unvorsätzlichen Unterbewertung in §§ 258 ff. AktG nur die Möglichkeit einer Sonderprüfung ein. Eine Möglichkeit zur Berichtigung des fehlerhaften Jahresabschlusses sieht das Gesetz dagegen nicht vor. Der Gesetzgeber räumt dem Interesse des Rechtsverkehrs an einer Bestandskraft festgestellter Jahresabschlüsse also einen höheren Wert als den Interessen der Aktionäre an einem höheren Gewinnausweis ein. Diese gesetzliche Wertung muß dann auch im umgekehrten Fall der Berichtigung des Jahresabschlusses durch Aufsichtsrat und Vorstand zur Ermöglichung einer höheren Gewinnausschüttung gelten. Damit ist auch die Anfechtung einer fahrlässigen Unterbewertung nach § 1 1 9 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. (ii) unzweckmäßige Jahresabschlüsse Ein festgestellter Jahresabschluß kann sich weiterhin nach der Feststellung als ungeeignet erweisen, die ihm von Vorstand und Aufsichtsrat zugedachten Funktionen zu erfüllen. Solche Fälle können sich insbesondere aus der Verknüpfung des handels- und gesellschaftsrechtlichen Jahresabschlusses mit der steuerrechtlichen Bilanz durch das Maßgeblichkeitsprinzip in § 5 Abs. 4 EStG ergeben. Erweist sich eine im festgestellten Jahresabschluß vorgenommene Gestaltung wegen daraus resultierender steuerlicher Nachteile als un-
131 Vgl. Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1991, § 172 Rdn. 20.
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zweckmäßig, so besteht ein aktienrechtliches Bedürfnis, den festgestellten Jahresabschluß durch Anfechtung einer Änderung zugänglich zu machen. 1 3 2 Ob eine solche Anfechtung wegen nachträglich erkannter Unzweckmäßigkeit möglich ist, hängt davon ab, ob das gestalterische Ziel des ursprünglichen Jahresabschlusses zum Inhalt der Feststellung gemacht wurde oder als bloßes Motiv anzusehen ist. Dies hängt naturgemäß von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Im Regelfall dürfte aber davon auszugehen sein, daß steuerliche Überlegungen zwar bei der Ausübung der Gestaltungsmöglichkeiten eine bedeutende Rolle spielen, nicht aber zum Inhalt der Feststellungserklärung gemacht werden. Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn der festgestellte Jahresabschluß gerade im Hinblick auf bestimmte steuerliche Vorteile gestaltet wurde und dies der Hauptversammlung aus dem vorgelegten Jahresabschuß auch ausdrücklich erkennbar war. Dies dürfte aber ein seltener Ausnahmefall sein. Im Ergebnis lassen sich damit kaum Fallgestaltungen erkennen, bei denen eine Anfechtung unrichtiger oder unzweckmäßiger Feststellungen nach § 119 Abs. 2 BGB in Betracht käme. (b) arglistige Täuschung (§ 123 BGB) Nicht nur theoretischer Natur ist dagegen eine Anfechtung nach § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung. Dieser Tatbestand kann infolge möglicher Interessenkonflikte zwischen Vorstand und Aufsichtsrat Relevanz erlangen. An eine arglistige Täuschung ist dann zu denken, wenn der Vorstand dem Aufsichtsrat einen maßgeblich auf gestalterischen Überlegungen beruhenden Jahresabschluß vorlegt, ohne den Aufsichtsrat zugleich über die Motive der Gestaltung zu informieren. Denkbar ist dies etwa dann, wenn der Vorstand die Gestaltung des Gewinnes nicht an den Interessen der Aktionäre oder der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, sondern den eigenen Tantiemeinteressen ausrichtet. Hier scheint es angezeigt, dem getäuschten Aufsichtsrat die Möglichkeit zur Anfechtung seines Feststellungsbeschlusses nach § 123 BGB zu eröffnen. Da solche mißbräuchlichen Gestaltungen schwer nachweisbar sind, wird aber auch eine erfolgreiche Anfechtung der Feststellung nach § 1 2 3 BGB als seltene Ausnahme anzusehen sein.
132 Vgl. Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1991, § 172 Rdn. 20.
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Folgt man der hier vertretenen Auffassung, daß der subjektive Fehlerbegriff des Handelsbilanzrechtes auch Teil des Fehlerbegriffes in § 256 Abs. 5 AktG ist, so ist eine Anfechtung des von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellten Jahresabschlusses nach §§119, 123 BGB rechtsdogmatisch zwar denkbar; in der unternehmerischen Praxis dürfte diese Möglichkeit aber weitgehend ohne große Relevanz bleiben.133 Ein brauchbares Instrument zur Berichtigung unrichtiger oder zur Änderung unzweckmäßiger Feststellungen ist hierin im Regelfall daher nicht zu sehen. bb)
Nichtigkeit von der Hauptversammlung festgestellter Jahresabschlüsse (§256 Abs. 4 AktG) Ganz ähnlich stellt sich die Rechtslage bei der in § 256 Abs. 4 AktG geregelten Nichtigkeit wegen verfahrensfehlerhafter Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung dar. Die Nichtigkeitsgründe sind dabei den in § 241 Nr. 1, 2 und 5 AktG geregelten allgemeinen Nichtigkeitsgründen eines Hauptversammlungsbeschlusses nachgebildet. Ergänzt werden diese Vorschriften durch § 257 Abs. 1 AktG, wonach eine Anfechtungsklage gegen den Feststellungsbeschluß der Hauptversammlung nach § 243 AktG nicht auf Inhaltsmängel des festgestellten Jahresabschlusses gestützt werden kann. Dies fuhrt dazu, daß der Nichtigkeitsgrund in § 256 Abs. 3 Nr. 3 AktG kaum praktische Bedeutung erlangt.1 4 Jedenfalls scheidet er als Ansatz für eine Berichtigung fehlerhafter oder für eine Änderung unzweckmäßiger Jahresabschlüsse aus. Im Ergebnis hat die in § 256 AktG abschließend geregelte Nichtigkeit festgestellter Jahresabschlüsse rechtliche und praktische Relevanz vor allem dann, wenn der festgestellte Jahresabschluß Bewertungsfehler enthält, die nach § 256 Abs. 5 AktG zur Nichtigkeit führen. Diese sollen daher im Zentrum der nachfolgenden Betrachtungen zu den Rechtsfolgen des § 256 AktG stehen.
133 So für § 119 BGB auch Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 7; Hundertmark/Herms, BB 1973, S. 1051 (1055). 134 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfimg der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 257 AktG Rdn. 4ff.
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3. Rechtsfolgen des § 256 AktG § 256 Abs. 1 Satz 1 AktG bestimmt, daß ein festgestellter Jahresabschluß bei Vorliegen eines der dargestellten Fehler nichtig ist. Diese gesetzliche Formulierung ist wenig präzise, denn der festgestellte Jahresabschluß als solcher ist nur ein tatsächliches Rechenwerk. Der Gesetzeswortlaut verdeckt, daß § 256 AktG sowohl für den rechtsgeschäftlichen Akt der Feststellung als auch fur die gesellschaftsrechtliche Pflicht der Rechenschaftslegung durch Aufstellung eines Jahresabschlusses Rechtsfolgen entfaltet. a) Nichtigkeit der Feststellung und der Gewinnverwendung § 256 AktG ist nach allgemeiner Ansicht zunächst dahingehend zu verstehen, daß das korporationsrechtliche Rechtsgeschäft der Feststellung nichtig ist. Der festgestellte Jahresabschluß entfaltet also keine Maßgeblichkeit für die Gesellschaft und ihre Organe.135 Diese Nichtigkeit bezieht sich auch, wenn sie auf Inhaltsfehlern beruht, nicht nur auf die fehlerhaften Positionen des Jahresabschlusses, sondern auf den gesamten festgestellten Jahresabschluß. Dies folgt daraus, daß sich die Feststellung auf den Jahresabschluß insgesamt bezieht und eine Teilnichtigkeit solcher einheitlichen Rechtsgeschäfte zivilrechtlich nicht existiert. Der festgestellte Jahresabschluß ist also insgesamt rechtlich bedeutungslos.136 Damit ist die Gesellschaft ihrer gesetzlichen Pflicht zur Schaffung einer verbindlichen Darstellung der Vermögens- und Ertragslage nicht nachgekommen. Es fehlt also die gesetzlich geforderte Abgrenzung des ausschüttbaren Vermögens. Hierdurch wird sowohl der Bestimmung der Kapitalerhaltungsgrundsätze als auch den vermögensrechtlichen Ansprüchen der Aktionäre die gesellschaftsrechtliche Grundlage entzogen. Der Gesetzgeber bestimmt daher konsequenterweise in § 253 Abs. 1
135 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 36; § 256 AktG Rdn. 74; Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 11, 106. 136 So schon Adler, Wpg 1949, S. 109 (112); weiter Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 36f.; Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 172 Rdn. 21; Geist, DStR 1996, S. 306 (307); Greiner, Die steuerliche Bilanzberichtigung und Bilanzänderung, 1966; Lutter, in: Festschrift für Helmrich, 1994, S. 685 (69f.); Hundertmark/Herms, BB 1973, S. 1051 (1052); Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 11; IDW (Hrsg.), Wirtschaftspriiferhandbuch 1996, Absch. S Rdn. 95 (S. 1632).
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§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
Satz 1 AktG, daß auch ein bereits gefaßter Gewinnverwendungsbeschluß von der Nichtigkeit der Feststellung erfaßt wird. Diese Folgenichtigkeit ist vor allem dazu notwendig, die Angleichung der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverwendung an die notwendig werdende erneute Berechnung und Feststellung des ausschüttbaren Vermögens zu ermöglichen. Andernfalls bestünde die Gefahr, daß der Gewinnverwendungsbeschluß gesellschaftsrechtliche Dividendenansprüche schafft, die zu einer Ausschüttung von Vermögen fuhren, das durch die Kapitalerhaltungsgrundsätze in der Gesellschaft gebunden werden soll. Die Folgenichtigkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses ist insoweit also Ausdruck des Schutzes der Gläubiger vor unberechtigten Ausschüttungen. Dieser Schutz ist jedoch nur unvollständig. Wurden an die Aktionäre aufgrund des folgenichtigen Gewinnverwendungsbeschlusses bereits Dividendenzahlungen geleistet, so kann es zu einer Durchbrechung der Kapitalerhaltung kommen: Im Falle von Ausschüttungen ohne gültigen Gewinnverwendungsbeschluß entsteht grundsätzlich ein gesellschaftsrechtlicher Anspruch auf Rückzahlung nach § 62 Abs. 1 AktG, der nach der zutreffenden herrschenden Meinung die bereicherungsrechtlichen Ansprüche als lex specialis verdrängt.137 Dieser RückZahlungsanspruch wird aber durch § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG eingeschränkt. Hiemach entfallt die Rückzahlung von Gewinnanteilen, wenn die Aktionäre diese gutgläubig empfangen haben. Der gute Glaube bemißt sich dabei danach, ob der Aktionär die Nichtigkeit des Jahresabschlusses und des Gewinnverwendungsbeschlusses im Zeitpunkt der Dividendenauszahlung kannte oder kennen mußte.138 Da bei der Bestimmung der fahrlässigen Unkenntnis die Maßstäbe des jeweiligen Geschäfts- und Berufskreises anzule1 ·}Λ
gen sind, ist bei Pubhkumsaktiengesellschaften meist vom guten Glauben der Aktionäre auszugehen. Eine Rückforderung bereits ausgezahlter Dividen-
137 Vgl. Flume, ZHR 1980, S. 18 (27); Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktienG, 2. Aufl. 1988, § 62 Rdn. 29; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/ Hefermehl, AktG, 1973, § 62 Rdn. 4, jeweils m.w.N. Zur abweichenden Mindermeinung ausfuhrlich Bommert, Verdeckte Vermögensverlagerung im Aktienrecht, 1987, S. lOOff. 138 Vgl. Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktienG, 2. Aufl. 1988, § 62 Rdn. 33 139 Vgl. Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 62 Rdn. 39; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktienG, 2. Aufl. 1988, § 62 Rdn. 33.
Β. Bestandskraft der Feststellung bei Aktiengesellschaften
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den kommt daher nur bei evidenten Fehlern und bei geschäftserfahrenen Großaktionären in Betracht.140 Der Gesetzgeber schätzt also bei bereits erfolgter Gewinnausschüttung den Schutz vor allem der unternehmensextemen Minderheitsaktionäre als wichtiger ein als die Einhaltung der Kapitalerhaltungsgrundsätze. Er durchbricht folglich die grundsätzliche Dominanz des Gläubigerschutzgedankens im Bilanzrecht zugunsten eines Schutzes des Kapitalmarktes. Diese Durchbrechung erscheint sinnvoll. Zum einen ist eine Rückforderung erfolgter Ausschüttung bei Publikumsgesellschaften schon aus praktischen Gründen kaum möglich. Zum anderen würde die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes und die Fungibilität von Aktien in erheblichem Maße beeinträchtigt, wenn die Aktionäre mit einer unbegrenzten Rückzahlung ausgeschütteter Dividenden rechnen müßten. b)
Pflicht zur Neuaufstellung und Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse Neben der Nichtigkeit des Feststellungaktes und des Gewinnverwendungsbeschlusses hat die Nichtigkeit nach § 256 AktG auch Auswirkungen auf die gesellschaftsrechtliche Rechnungslegungspflicht des Vorstandes. Zumindest dann, wenn die Nichtigkeit auf inhaltlichen Fehlern beruht, die bereits im aufgestellten Jahresabschluß enthalten waren, wird auch dieser von der Nichtigkeit erfaßt. Der Jahresabschluß ist also bei Nichtigkeit zugleich nicht dazu tauglich, die gesellschaftsrechtliche Pflicht des Vorstandes zur Rechenschaftslegung durch Aufstellung eines Jahresabschlusses zu erfüllen. 141 Aus dieser Untauglichkeit des nach § 256 AktG nichtigen Jahresabschlusses, die gesetzlichen Rechnungslegungspflichten zu erfüllen, resultiert nicht nur eine Verpflichtung des Vorstandes zur erneuten Aufstellung eines Jahres-
140 Ähnlich Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 62 Rdn. 11; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktienG, 2. Aufl. 1988, § 62 Rdn. 33. 141 So wohl auch Geist, DStR 1996, S. 306 (307) und W. Müller, in: Festschrift für Quack, 1991, S. 359 (369), die von einer Pflicht zur erneuten Aufstellung und Feststellung ausgehen; Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 256 Rdn. 32, der die Pflicht zur Rechnungslegung als nicht erfüllt bezeichnet und Kowalski, AG 1993, S. 502 (505), der davon ausgeht, daß sämtliche gesellschaftsrechtlichen Stufen der Jahresabschlußerstellung (Aufstellung durch den Vorstand, Prüfung, Vorlage an den Aufsichtsrat und Feststellung) neu vorgenommen werden müssen.
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§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
abschlusses und zur erneuten Prüfung und Vorlage an den Aufsichtsrat.142 Es ergeben sich vielmehr auch notwendigerweise Konsequenzen für bereits erfolgte Entlastungsbeschlüsse der Hauptversammlung nach § 120 AktG. Das Gesetz geht erkennbar davon aus, daß eine ordnungsgemäße Rechenschaftslegung durch Vorstand und Aufsichtsrat als Grundlage einer Entlastung anzusehen ist. Gemäß § 120 Abs. 3 Satz 1 AktG soll die Entlastung grundsätzlich mit der Verhandlung über die Verwendung des Bilanzgewinnes verbunden werden, wobei der Vorstand gemäß § 120 Abs. 3 Satz 2 AktG den Jahresabschluß, den Lagebericht und den Bericht des Aufsichtsrates der Hauptversammlung vorzulegen hat. Hieraus ist nach allgemeiner Auffassung zu entnehmen, daß bei fehlender Vorlage der geforderten Informationen die Entlastung wegen Gesetzesverstoßes nach §243 Abs. 1 AktG anfechtbar ist. 143 Dies muß dann auch für einen nach § 256 AktG nichtigen Jahresabschluß gelten. Der nichtige Jahresabschluß kann ebensowenig wie ein von vornherein nicht existenter Jahresabschluß eine hinreichende informationelle Grundlage für die Entlastung der zur Rechenschaft verpflichteten Organe der Gesellschaft liefern. 144 Damit entfaltet also nicht nur die Nichtigkeit der rechtsgeschäftlichen Feststellung Folgewirkungen, sondern auch die mangelnde Tauglichkeit eines von § 256 AktG erfaßten Jahresabschlusses zur Erfüllung der gesellschaftsinternen Rechenschaftslegung. Im Gegensatz zur Folgenichtigkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses ist die Entlastung allerdings nur nach § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar. Die mangelnde Fundierung der Entlastung muß daher gemäß § 246 Abs. 1 AktG binnen eines Monats nach Beschlußfassung durch Anfechtungsklage geltend gemacht werden. Praktische Relevanz entfaltet die Folgewirkung fehlerhafter Jahresabschlüsse für die Entlastungsbeschlüsse daher bei Jahresabschlüssen, deren Fehler so evident sind, daß eine unverzügliche Anfechtung möglich ist.
142 Vgl. Geist, DStR 1996, S. 306 (307); Kowalski, AG 1993, S. 502 (505); W. Müller, in: Festschrift für Quack, 1991, S. 359 (369), Kropff, in: Festschrift Budde, 1995, S. 341 (358 Fußnote 48); Lutter, in: Festschrift für Helmrich, 1994, S. 685 (693f.). 143 Vgl. BGHZ 62, 193 (194f.); Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 120 Rdn. 15; Baumbach/Hueck, AktG, 13. Aufl. 1968; § 120 Rdn. 13, Eckardt, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 120 Rdn. 32; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 120 Rdn. 47. 144 So schon RGZ 112, 19 (26f.) und ähnlich für den gleich gelagerten Fall der Entlastung der Geschäftsführer nach § 46 Nr. 5 GmbHG Wüffer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1991, § 4 6 Rdn. 60.
Β. Bestandskraft der Feststellung bei Aktiengesellschaften
4.
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Umfang und Grenzen der Pflicht zur erneuten Auf- und Feststellung
Die Nichtigkeit nach § 256 AktG hat zur Konsequenz, daß eine erneute Aufstellung und Feststellung eines gegen § 256 AktG verstoßenden Jahresabschlusses zu erfolgen hat. Hierüber besteht - wie oben dargestellt - weitgehende Einigkeit. Dagegen ist der genaue Umfang dieser Pflicht teilweise noch nicht abschließend geklärt. Die sich in diesem Zusammenhang ergebenden offenen Fragen überschneiden sich teilweise mit den bereits beim Umfang der handelsrechtlichen Berichtigung behandelten Fragen, teilweise sind sie aber auch spezifisch aktiengesellschaftsrechtlicher Natur: • Überwiegend aktiengesellschaftsrechtlicher Natur ist zunächst die Frage, ob es den Organen der Gesellschaft bei einem gegen § 256 AktG verstoßenden Jahresabschluß erlaubt sein soll, diesen nicht unverzüglich durch einen neu aufgestellten und festgestellten Jahresabschluß zu ersetzen, sondern eine mögliche Heilung des fehlerhaften Jahresabschlusses nach § 256 Abs. 6 AktG abzuwarten. • Der handelsbilanzrechtlichen Problematik weitgehend strukturgleich ist die Frage, in welchem Umfange bei einer erneuten Auf- und Feststellung wertaufhellende Erkenntnisse berücksichtigt werden müssen. • Zu einer Überschneidung von Handelsbilanzrecht und Gesellschaftsrecht fuhrt schließlich die Frage, in welchem Umfange bei der erneuten Aufund Feststellung nichtiger Jahresabschlüsse Gestaltungsmöglichkeiten ausgenutzt werden können.
a) Möglichkeit zum Abwarten der Heilung nach § 256 Abs. 6 AktG Das überwiegende Schrifttum vertritt in unterschiedlicher Ausgestaltung die Ansicht, daß es den Organen der Gesellschaft grundsätzlich möglich sein soll, auf die erneute Aufstellung und Feststellung zu verzichten, sofern eine Heilung nach § 256 Abs. 6 AktG möglich ist. Dabei werden die Grenzen des Rechts zum Abwarten unterschiedlich weit gezogen. Teile des Schrifttums nehmen an, daß ein solches Recht zumindest bei unwesentlichen Fehlern an-
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§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
zuerkennen sei.145 Andere Teile stellen darauf ab, ob die Heilung bereits kurz bevorsteht oder noch ein erheblicher Zeitraum aussteht.146 Im Extremfall wird sogar angenommen, daß ein generelles Recht zum Abwarten bis zur Heilung besteht, das nur dann ausgeschlossen wird, wenn sich der Fehler auch in künftigen Jahresabschlüssen auswirkt oder die Nichtigkeit durch Feststellungsklage geltend gemacht wird. 147 Grundlage dieser Auffassung ist durchgehend die Annahme, daß das Unternehmen ein schutzwürdiges Interesse daran haben kann, eine Heilung abzuwarten und dieses Interesse das Interesse der Öffentlichkeit, Gläubiger und Aktionäre an einer gesetzmäßigen Rechungslegung unter den genannten Voraussetzugen überwiegt. Unabhängig von der bereits kurz erörterten Frage, ob der sehr vage Begriff der "Interessen des Unternehmens" 148 hier der Sache nach als Synonym für die Interessen der fehlerhaft handelnden Organe verwendet wird, läßt sich die dargestellte Wertung mit dem Gesetz nur schwer vereinbaren. § 256 AktG beinhaltet bereits eine weitgehende Einschränkung der Nichtigkeitsgründe im Interesse der Rechtssicherheit und "des Unternehmens". Liegen nun Fehler vor, die trotz der Beschränkung der Nichtigkeitsgründe zur Nichtigkeit fuhren, dann ist dem Gesetz zu entnehmen, daß hier die Interessen der Rechtssicherheit und "des Unternehmens" an einer Beibehaltung hinter den Interessen der Gläubiger, Öffentlichkeit und Aktionäre an einer fehlerfreien Rechnungslegung zurücktreten müssen. Der Gesetzgeber erkennt durch die Möglichkeit der Heilung zwar an, daß dieses dominante Interesse an einer fehlerfreien Rechnungslegung durch Zeitablauf wieder in den Hin-
145 So vor allem Kowalski, AG 1993, S. 502 (503); ähnlich Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 39; Lutter, in: Festschrift für Helmrich, 1994, S. 685 (691). 146 Vgl. Geist, DStR 1996, S. 306 (308); ähnlich Lutter, in: Festschrift für Helmrich, 1994, S. 685 (691), der darauf abstellt, ob die Heilung kurz bevorsteht und Hüffer, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 256 Rdn. 107, der darauf abstellt, ob die kurze Frist von 6 Monaten einschlägig ist. 147 Vgl. Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 256 Rdn. 118; ähnlich Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 256 AktG Rdn. 90, die von einem Beurteilungsspielraum des Vorstandes ausgehen und Kropff, in: Festschrift fflr Budde, 1995, S. 341 (358). 148 Zur Problematik des Begriffs "Unternehmen an sich" bereits oben unter § 3 Ε II (Seite 151f.). Im Ergebnis ähnlich Hense, Wpg, 1993, S. 716 (719), der von Kaschieren von Fehlem spricht.
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tergrund treten kann. Dies berechtigt die Organe der Aktiengesellschaft jedoch nicht dazu, die in den Nichtigkeitsgründen enthaltene gesetzliche Abwägung zwischen Bestands- und Berichtigungsinteressen durch bloße Untätigkeit zu unterlaufen. Ein solches Recht zur Untätigkeit widerspräche auch der Natur der aus § 256 AktG resultierenden Nichtigkeit. Die Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses führt nach allgemeiner Ansicht dazu, daß der ursprüngliche Jahresabschluß als rechtliches Nullum anzusehen ist. 149 Aus rechtlicher Sicht handelt es sich bei der erneuten Aufstellung und Feststellung folglich nicht um die Ersetzung eines rechtlich bereits existenten Jahresabschlusses, sondern um die erstmalige Erfüllung der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegungspflicht. 150 Das Unterlassen der erneuten Aufstellung und Feststellung eines nichtigen Jahresabschlusses stellt rechtlich also ein Unterlassen der gesetzlichen Rechnungslegungspflichten dar. Dies wird vom Gesetz in § 335 Abs. 1 Nr. 1 AktG aber sogar als bußgeldbewehrtes Pflichtversäumnis angesehen. Ein Recht zum Abwarten bis zur Heilung ist daher nicht mit dem Aktiengesetz vereinbar. Es wäre nämlich widersinnig, in der Nichterfüllung der gesetzlichen Pflicht zur Rechnungslegung einerseits ein bußgeldbewehrtes Pflichtversäumnis zu sehen, andererseits die Organe der Gesellschaft gleichzeitig als berechtigt anzusehen, ihrer Pflicht im rechtlich gleich gelagerten Fall der Erstellung nichtiger Jahresabschlüsse nicht nachzukommen. Die im Aktiengesetz enthaltene Bewertung nichtiger Jahresabschlüsse verlangt daher grundsätzlich eine unverzügliche Aufstellung und Feststellung eines neuen Jahresabschlusses.151 Für eine Beschränkung der Berichtigungspflicht auf wesentliche Fehler, die über die bereits im handelsbilanziellen und aktiengesellschaftsrechtlichen Fehlerbegriff integrierte Wesentlichkeitsschranke hinausgeht, ist daher kein Raum. Auch eine zeitliche Begrenzung kann nur in sehr engen Schranken angenommen werden. Sie ist auf die Fälle
149 Vgl. Bronner, in: Großkommentar zum AktG, 3. Aufl. 1970, § 1 7 2 Anm. 3; Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 172 Rdn. 15; 21; Geist, DStR 1996, S. 306 (307). 150 So ausdrücklich Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 172 Rdn. 9; Lutter, in: Festschrift für Heimlich, 1994, S. 685 (693f.); W. Müller, in: Festschrift für Quack, 1991, S. 359 (362f.). 151 So auch Barz, in: Festschrift ffir Schilling, 1973, S. 127 (132); ähnlich Geist, DStR 1996, S. 306 (307); Hense, Wpg 1993, S. 716 (718) und wohl auch Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 172 Rdn. 504 (der ohne Einschränkungen eine Pflicht zum Ersatz der alten Jahresabschlüsse annimmt).
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§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
zu beschränken, bei denen eine erneute Aufstellung und Feststellung von vornherein sinnlos wäre, weil dies länger dauern würde als der Eintritt der Heilung. In allen übrigen Fällen widerspräche es der Wertung des Gesetzes, den Organen der Gesellschaft ein Recht auf Zuwarten einzuräumen, um so eigenes pflichtwidriges Verhalten verdecken zu können. b) Berücksichtigung wertaufhellender Erkenntnisse Im aktiengesellschaftsrechtlichen Schrifttum wird ähnlich wie bei der schon oben dargestellten handelsbilanzrechtlichen Problematik 152 meist angenommen, daß es bei nichtigen Jahresabschlüssen grundsätzlich genüge, den zur Nichtigkeit fuhrenden Fehler zu beseitigen. Soweit ein Inhaltsirrtum vorliege, müsse dieser zwar beseitigt werden. Eine weitergehende Verpflichtung zur Überprüfung aller anderen Bilanzansätze bestehe dagegen nicht. Allenfalls dann, wenn die Berichtigung des Fehlers sich gewinnerhöhend auswirke, müssten wertaufhellende Tatsachen einbezogen werden, soweit diese eine die Gewinnerhöhung kompensierende Wirkung entfalten.153 Im übrigen sei es den Organen der Gesellschaft zwar erlaubt, nach der ersten - fehlerhaften Feststellung bekannt gewordene wertaufhellende Tatsachen zu berücksichtigen, eine Verpflichtung hierzu bestehe jedoch nicht. 154 Diese Auffassung vermag für das Aktiengesellschaftsrecht ebensowenig wie für das allgemeine Handelsbilanzrecht zu überzeugen. Die bereits dargestellte Bewertung155 des gegen § 256 AktG verstoßenden Jahresabschlusses als rechtliches Nullum zwingt dazu, auch sämtliche wertaufhellende Tatsachen einzubeziehen. Aus rechtlicher Sicht stellt die erneute Aufstellung und Feststellung nichtiger Jahresabschlüsse keine Ersetzung eines rechtlich existenten Jahresabschlusses dar, sondern eine erstmalige Erfüllung der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegungspflicht.156 Damit sind an die Neuaufstellung und Feststellung nach § 256 AktG nichtiger Jah-
152 Vgl. oben § 3 C V 3 b (Seite 139f.). 153 IDW, Stellungnahme HFA 2/1991: Änderung von Jahresabschlüssen und Anpassung der Handelsbilanz an die Steuerbilanz, Wpg 1992, S. 89 (90); W. Müller, in: Festschrift fur Quack, 1991, S. 359 (369); ähnlich Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 172 Rdn. 21. 154 Vgl. Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 172 Rdn. 21. 155 Vgl. dazu oben II 2 c aa (Seite 219f.). 156 So ausdrücklich Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 172 Rdn. 9; W. Müller, in: Festschrift fur Quack, 1991, S. 359 (362f.).
Β. Bestandskraft der Feststellung bei Aktiengesellschaften
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resabschlüsse dieselben Anforderungen zu stellen wie an die ursprüngliche Aufstellung und Feststellung. Die Rechtsnatur der Nichtigkeit zwingt also dazu, daß sämtliche bekannt gewordene wertaufhellende Tatsachen berücksichtigt werden. Die im Schrifttum vertretene gegenteilige Auffassung läßt sich auch nicht damit rechtfertigen, daß im Interesse der Rechtssicherheit eine zügige Neufeststellung angezeigt ist. Der Rechtssicherheit ist in § 256 AktG bereits hinreichend dadurch Rechnung getragen, daß die Nichtigkeitsgründe beschränkt sind. Bei erneuter Auf- und Feststellung fehlerhafter Jahresabschlüsse ist das Interesse der Aktionäre ebenso wie das des Rechtsverkehrs eher darauf gerichtet, wenigstens nunmehr inhaltlich und verfahrensrechtlich zulässige Jahresabschlüsse zu erhalten. Die dargestellte Auffassung des Schrifttums läßt sich also allein damit begründen, daß den Organen der Gesellschaft eine einfache und den sonstigen Geschäftsbetrieb möglichst nicht beeinträchtigende Neufeststellung möglich sein soll. Ein solches Interesse an einer möglichst bequemen Bereinigung gesetzeswidrigen Verhaltens erscheint jedoch nicht schutzwürdig. Dies gilt um so mehr, als das Schrifttum den Organen durch das Recht zur Ignorierung wertaufhellender Erkenntnisse sogar die Möglichkeit gewährt, der erneuten Feststellung und Gewinnausschüttung einen bewußt falschen Jahresabschluß zugrunde zu legen. Weshalb den Organen der Gesellschaft eine erneut unsorgfaltige oder sogar vorsätzlich fehlerhafte Aufstellung und Feststellung eines Jahresabschlusses möglich sein soll, ist nicht ersichtlich. Eine Beschränkung der bei § 256 AktG notwendig werdenden erneuten Aufstellung und Feststellung auf die Beseitigung der ursprünglichen Fehler ist also weder mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit noch mit den Interessen des Rechtsverkehrs und der Aktionäre vereinbar. Ebenso wie im allgemeinen Handelsbilanzrecht ist auch im Aktiengesellschaftsrecht davon auszugehen, daß nicht nur ein Recht zur Berücksichtigung wertaufhellender Erkenntnisse, sondern vielmehr eine Pflicht zu deren Berücksichtigung besteht. Andernfalls liegt erneut ein subjektiv fehlerhafter Jahresabschluß vor, der bei Wesentlichkeit der ignorierten wertaufhellenden Erkenntnisse wiederum nach § 256 AktG nichtig sein kann. c) Grenzen der Neugestaltung Die Nichtigkeit der Feststellung und des nachfolgenden Gewinnverwendungsbeschlusses bewirkt, daß die rechtsgeschäftliche Bindung sämtlicher
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§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
Beschlüsse entfällt, die auf der Grundlage des gegen § 256 AktG verstoßenden Jahresabschlusses gefaßt worden sind. 157 Die erneute Aufstellung und Feststellung ist daher nicht darauf beschränkt, die zur Nichtigkeit fuhrenden Fehler zu beseitigen. Vielmehr stehen grundsätzlich alle bilanziellen Gestaltungsmöglichkeiten erneut zur Verfügung. 158 Dieser Grundsatz der unbeschränkten Neugestaltung erfährt eine erste Einschränkung aber dann, wenn der im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis festgestellte Jahresabschluß bereits nach § 245 Satz 1 HGB i.V.m. § 91 AktG vom Vorstand unterzeichnet wurde. Diese Unterzeichnung bewirkt nach der hier vertretenen Auffassung ein öffentlich-rechtliches Verbot, im Zuge der Fehlerberichtigung durch eine erneute Ausübung der Wahlrechte den ausschüttbaren Gewinn zu erhöhen. 159 Diese handelsbilanzielle Beschränkung schlägt notwendigerweise auf die gesellschaftsrechtliche Feststellung durch, denn diese ist Bemessungsgrundlage für den Gewinnverwendungsbeschluß. Ein höherer Gewinnausweis in neu festgestellten Jahresabschlüssen kann nach Unterzeichnung gemäß § 245 Satz 1 HGB also nur aus der Berichtigung von Unterbewertungen oder aus der Einbeziehung neuer wertaufhellender Tatsachen resultieren, nicht aber aus bilanziellen Gestaltungsrechten. Neben dieser Folgewirkung handelsbilanzieller Beschränkungen kann es auch aus dem gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis zu Schranken der Neugestaltung kommen. Die Feststellung des Jahresabschlusses unterliegt wie alle gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen dem Gebot der Rücksichtnahme. Dieses Gebot bindet nicht nur die Aktionäre bei der Ausübung ihrer Rechte gegenüber der Gesellschaft, sondern auch die Organe der Gesellschaft gegenüber den Aktionären. Diese Rücksichtnahmepflicht bildet die Grundlage für die im Schrifttum oft vertretene Ansicht, daß bei einer Berichtigung bereits gefaßte Gewinnverwendungsbeschlüsse und Ausschüttungen nicht unterlaufen werden dürfen. 160 Nichtige Gewinnverwendungsbeschlüsse und bereits erfolgte Aus-
157 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 36f. 158 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 36f. 159 Vgl. dazu oben § 3 C V 3 a und c (Seite 137f. und 141f.). 160 Vgl. Hundertmark/Herms, BB 1973, S. 1051 (1053); Goerdeler/W. Müller, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 29 Rdn. 197; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 46 Rdn. 24; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42 Rdn. 467.
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schüttungen bilden zwar keine Schranke für eine handelsbilanziell erforderliche Berichtigung. Das Rücksichtnahmegebot kann es jedoch gesellschaftsrechtlich gebieten, die auch handelsbilanzrechtlich zulässige Möglichkeit einer Auflösung stiller Reserven zur Kompensation einer Gewinnminderung durch Fehlerberichtigung zu nutzen.161 Dies erscheint vor allem dann geboten, wenn bereits Ausschüttungen erfolgt sind. Die Geltendmachung des aktienrechtlichen Rückforderungsanspruches nach § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG ist für die Gesellschaft nämlich mit einem erheblichen Aufwand und auch Vertrauensverlust am Kapitalmarkt verbunden. Greift bei Ausschüttungen die Gutglaubensregelung des § 62 Abs. 1 Satz 2 AktG ein, so erscheint eine gesellschaftsrechtliche Pflicht zur Kompensation durch Auflösung stiller Reserven zwingend. Hier ist einerseits eine Rückforderung der Ausschüttung nicht mehr möglich. Anderseits ist es der Aktiengesellschaft gemäß § 57 Abs. 3 AktG untersagt, den Bilanzgewinn übersteigende Ausschüttungen vorzunehmen. Hat die Aktiengesellschaft im ursprünglichen Jahresabschluß stille Reserven gebildet, die sie nun durch abweichende Wahlrechtsausübung auflösen kann, so muß dies bei gewinnmindernder Fehlerberichtigung getan werden, um einen gesetzeswidrigen Jahresabschluß zu vermeiden. 62 In welchem Umfang eine solche Kompensation zulässig ist, wird aber nicht nach § 57 Abs. 3 AktG bestimmt, sondern richtet sich nach dem handelsbilanziellen Richtigkeitsgebot. Stehen keine stillen Reserven zur Verfugung, so muß die gesetzwidrige Ausschüttung daher auch als solche im Jahresabschluß dargestellt werden. 163 Eine weitere gesellschaftsrechtliche Beschränkung der Neugestaltung ist im Falle der Nichtigkeit wegen vorsätzlicher Unterbewertung nach § 256 Abs. 5 Nr. 2 AktG anzunehmen. Macht hier ein Aktionär die Nichtigkeit des Jahresabschlusses durch Feststellungsklage geltend, so strebt er im Regelfall eine höhere Gewinnausschüttung an. Hier wäre es als treuwidrig anzusehen, wenn Vorstand und Aufsichtsrat in der erneuten Feststellung die Unterbewertung zwar beseitigen, die daraus resultierende Gewinnerhöhung durch eine zulässige Wahlrechtsänderung in anderen Positionen aber wieder kompensieren könnten. Durch eine solche Möglichkeit der nachträglichen Kom-
161 Zur handelsbilanzrechtlichen Zulässigkeit einer solchen Maßnahme vgl. oben § 3 C V 3 a und c (Seite 137f. und 141f.). 162 Zur gleich gelagerten Problematik bei der Berichtigung unterzeichneter Jahresabschlüsse bereits oben unter § 3 C V 3 c (Seite 141). 163 Vgl. dazu bereits oben § 3 C V 3 c (Seite 141).
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§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
pensation durch gewinnmindemde Wahlrechtsausübung würde der Aktionärsschutz in § 256 Abs. 5 Nr. 2 AktG weitgehend unterlaufen. Sie ist daher als unzulässig anzusehen.
III.
Aufhebung festgestellter Jahresabschlüsse
Stellt sich nach der Feststellung aufgrund neuer Erkenntnisse heraus, daß ein wirksam festgestellter Jahresabschluß unzweckmäßig oder gar objektiv unrichtig ist, so kann ein wirtschaftliches Bedürfnis entstehen, die Feststellung aufzuheben und durch Feststellung eines geänderten Jahresabschlusses zu ersetzen. Ob und in welchem Umfange dies gesellschaftsrechtlich möglich ist, hängt davon ab, welche Bestandskraft dem Institut der Feststellung beizumessen ist. Diese Frage ist im Aktiengesellschaftsrecht sowohl hinsichtlich der grundsätzlichen Aufhebbarkeit festgestellter Jahresabschlüsse als auch der inhaltlichen Grenzen einer Neufeststellung nicht abschließend geklärt. 1.
Aufhebbarkeit festgestellter Jahresabschlüsse
Ob und unter welchen Voraussetzungen eine wirksam erfolgte Feststellung eines Jahresabschlusses aufgehoben werden kann, ist seit der Kodifizierung des Aktiengesellschaftsrechts umstritten. Dabei lassen sich die Stellungnahmen im wesentlichen zwei Gruppen zuordnen. Eine Mindermeinung 164 lehnt eine nachträgliche Änderung fehlerfrei festgestellter Jahresabschlüsse grundsätzlich ab. Sobald der Jahresabschluß festgestellt und den Aktionären mitgeteilt worden sei, entfalte er eine Außenwirkung, die eine Aufhebung ausschließe. Die Aktionäre wie auch die allgemeine Öffentlichkeit vertrauten in die Richtigkeit und den Bestand des festgestellten Jahresabschlusses und träfen auf dieser Grundlage Kauf- und Verkaufsentscheidungen. Dieses Vertrauen in den Bestand einmal festgestellter Jahresabschlüsse sei schutzwürdig und stehe einer nachträglichen Aufhebung entgegen. Diese Auffassung vermag schon aus systematischen Gründen nicht zu überzeugen. Sie geht zwar von einer Bestandskraft festgestellter Jahresab-
164 Vgl. v. Braunbehrens, AG 1956, S. 28 (30ff); Claussen/Korth, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 172 Rdn. 18f.; Nolte, DB 1963, Beilage 12, S. 1 (5f.); Offerhaus, DB 1966, S. 1705 (1706f.).
Β. Bestandskraft der Feststellung bei Aktiengesellschaften
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schlüsse aus, macht dies jedoch nicht an der gesellschaftsrechtlichen Funktion der Feststellung im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis, sondern an der kapitalmarktrechtlichen Funktion publizierter Jahresabschlüsse fest. Die Auffassung basiert insoweit also auf einer unzureichenden Trennung zwischen den unterschiedlichen rechtlichen Funktionen des Jahresabschlusses. Zudem wurde bereits oben 165 im Rahmen der Bestandskraft publizierter Jahresabschlüsse dargestellt, daß die Informationsinteressen des Kapitalmarktes kein Hindernis für die Änderung publizierter Jahresabschlüsse begründen. Das Argument des schutzwürdigen Vertrauens in die Bestandskraft publizierter Jahresabschlüsse kann also auch inhaltlich nicht überzeugen. 166 Die ganz überwiegende Meinung 167 setzt dagegen an der Natur der Feststellung als Rechtsgeschäft und ihrer gesellschaftsrechtlichen Funktion zur Bestimmung des ausschüttbaren Vermögens an. Rechtliche Natur und Funktion der Feststellung erlaubten es grundsätzlich, diese entsprechend den Verfahrensregeln der erstmaligen Feststellung durch einen actus contrarius der ursprünglich zur Feststellung berufenen Organe aufzuheben. Im Falle einer Feststellung durch die Hauptversammlung nach § 173 AktG unterliege der aufhebende Beschluß allein dem allgemeinen Verbot des Eingriffs in bestehende Rechte, was insbesondere bei bereits erfolgtem Gewinnverwendungsbeschluß einen Entzug der entstandenen Dividendenansprüche ausschließe. Für den Regelfall der Feststellung durch Aufsichtsrat und Vorstand nach §172 AktG sei zudem zwischen einer Aufhebung vor und nach Einberufung der Hauptversammlung zu unterscheiden. Vor der Einberufung der Hauptversammlung bilde der festgestellte Jahresabschluß nur eine interne Unterlage der Gesellschaft. Eine einverständliche Änderung des Jahresabschlusses sei daher ebenso wie eine Aufhebung einer
165 Vgl. oben unter § 3 Ε (Seite 145ff). 166 So im Zusammenhang mit den Rechtsfolgen der Feststellung auch Barz, in: Festschrift für Schilling, 1973, S. 127 (136f.). 167 Vgl. insbesondere die ausfuhrlichen Darstellungen bei Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. l l f . , 47ff.; Barz, in: Festschrift für Schilling, 1973, S. 127 (132ff., 137ff.); Kropff, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 172 Rdn. 28ff.; weiter Baumbach/Hueck, AktG, 13. Aufl. 1968; § 172 Rdn. 3; Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 256 Rdn. 5; ähnlich auch Ludewig, DB 1986, S. 133, (134f.); W. Müller, in: Festschrift für Quack, 1991, S. 359 (363ff.); Weirich, Wpg 1976, 625ff.
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§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
bereits erfolgten Feststellung und Zuweisung der Feststellungskompetenz an die Hauptversammlung unbeschränkt möglich. 168 Mit der Einberufung der Hauptversammlung erlange der Jahresabschluß dann durch die Pflicht zur Auslegung des Jahresabschlusses gemäß § 175 Abs. 2 AktG eine Außenwirkung, die eine willkürliche Aufhebung ausschließe. Eine Aufhebung sei nach der Einberufung nur dann erlaubt, wenn im konkreten Einzelfall gewichtige wirtschaftliche Gründe fur eine Abänderung vorlägen. 169 Die Auslegung des Jahresabschlusses begründe nämlich eine schutzwürdige Gewinnerwartung der Aktionäre. Diese dürfe nicht enttäuscht werden. 170 Darüber hinaus käme es bei einer Abänderung des festgestellten Jahresabschlusses auch zu einer Verletzung von § 124 Abs. 3 AktG, denn die mit der Einberufung bekanntzugebenden Vorschläge des Vorstandes und Aufsichtsrates zur Gewinnverwendung würden sich dann nicht mehr auf den festgestellten Jahresabschluß beziehen.171 Die herrschende Auffassung ist deutlich besser geeignet, die rechtsgeschäftliche Natur der Feststellung und ihr Zustandekommen durch gesellschaftsrechtliche Beschlüsse zu erfassen. Allerdings vermag auch sie nicht gänzlich zu überzeugen. Die Annahme, daß Vorstand und Aufsichtsrat nach der Einberufung der Hauptversammlung die Feststellung zwar grundsätzlich noch aufheben können, hierbei allerdings auf gewichtige wirtschaftliche Gründe beschränkt seien, fuhrt zu einer äußerst unsicheren Rechtslage. Dies vermag um so weniger zu befriedigen, als die Annahme einer alleinigen Kompetenz von Vorstand und Aufsichtsrat zur Aufhebung des festgestellten Jahresabschlusses auch der gesellschaftsrechtlichen Funktion einer Feststel-
168 Anderer Ansicht insoweit allerdings Baumbach/Hueck, AktG, 13. Aufl. 1968; § 172 Rdn. 3, der bereits mit der Feststellung eine Änderung nur noch aus wichtigem Grunde zulassen will. Diese Auffassung wird von der ganz herrschenden Meinung aber abgelehnt. Vgl. nur Adler/ Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 47 m.w.N. 169 Vgl. insbesondere Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 48; Kropff, in: Geßler/Hefermehl, Aktiengesetz, 1973, § 172 Rdn. 30f. jeweils m.w.N. 170 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 49; Barz, in: Festschrift für Schilling, 1973, S. 127 (137f.) jeweils m.w.N. 171 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 59.
Β. Bestandskraft der Feststellung bei Aktiengesellschaften
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lung des Jahresabschlusses nach § 172 AktG nur unzureichend gerecht wird. Die gesellschaftsrechtliche Problematik der Feststellung durch Aufsichtsrat und Vorstand nach § 172 AktG ist nicht allein darin zu sehen, daß hierdurch ein schutzwürdiges Vertrauen der Aktionäre oder gar eine Gewinnanwartschaft 172 entsteht. Durch die Kundgabe der von Aufsichtsrat und Vorstand vorgenommenen Feststellung wird festgelegt, welcher ausschüttbare Bilanzgewinn der Hauptversammlung nach § 174 AktG zur Disposition steht. Mit der Einberufung der Hauptversammlung werden also die gesellschaftsrechtlichen Kompetenzen der Hauptversammlung als drittem Gesellschaftsorgan festgelegt. Das korporationsrechtliche Rechtsgeschäft der Feststellung entfaltet mit der Einberufung also zugleich eine einseitig rechtsgestaltende Wirkung gegenüber Dritten. Nach allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätzen kann die Ausübung eines Gestaltungsrechtes aber nicht einseitig widerrufen werden. 173 Bei konsequenter Übertragung rechtsgeschäftlicher Regeln auf die gesellschaftsrechtliche Feststellung ist diese daher als ein gegenüber der Hauptversammlung unwiderruflicher Akt der gesellschaftsintemen Kompetenzgestaltung anzusehen.174 Hierfür spricht auch die Regelung in § 175 Abs. 4 AktG. Diese ist nach ihrer Entstehungsgeschichte unmittelbar zwar nur darauf gerichtet, die Hauptversammlung vor einem Entzug einer einmal nach §173 Abs. 1 AktG begründeten Feststellungskompetenz zu schützen; 175 doch läßt sich dieser Regelung der Rechtsgedanke entnehmen, daß auch im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis einmal begründete Organkompetenzen der Hauptversammlung von Vorstand und Aufsichtsrat nicht mehr aufgehoben werden können. 170 Damit ist mit der herrschenden Auffassung die Feststellung durch Aufsichtsrat und Vorstand zwar als Rechtsgeschäft anzusehen, das gesellschaftsrechtlich grundsätzlich durch einen actus contrarius aufhebbar ist. Entgegen der herrschenden Auffassung steht die gesellschaftsrechtliche Kompetenz für diesen actus contrarius infolge der drittgestaltenden Wirkung der Feststellung im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis nicht mehr allein dem Vorstand
172 So Barz, in: Festschrift für Schilling, 1973, S. 127 (137). 173 Vgl. BAG, NJW 1994, S. 473 (474); Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung im Privatrecht, 1964, S. 5f.; Heinrichs, in: Palandt, BGB, 55. Aufl. 1996, Überbl. vor § 104 Rdn. 17; Thode, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1994, § 305 Rdn. 33. 174 So auch Schilling, JZ 57, 312, Anm. zu BGH, JZ 1957, 310 (=BGHZ 23, 150). 175 Vgl. oben Seite 207. 176 Ähnlich Brönner, in: Großkommentar zum AktG, 3. Aufl. 1970, § 175 Anm. 9.
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§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
und Aufsichtsrat zu. Erforderlich ist vielmehr ein Zusammenwirken aller drei Organe. Dabei kann es der Hauptversammlung selbst überlassen werden, ob sie die Gründe des Vorstandes und Aufsichtsrates als hinreichend empfindet, um einer Aufhebung der ursprünglichen Feststellung zuzustimmen.1 7 Einer ohnehin nur vagen Begrenzung auf gewichtige wirtschaftliche Gründe bedarf es nicht. Können Vorstand und Aufsichtsrat die Hauptversammlung nicht von der Wichtigkeit ihrer Gründe überzeugen, so müssen sie sich an der ursprünglichen Feststellung festhalten lassen. 2.
Grenzen der Neugestaltung
Die grundsätzliche Aufhebbarkeit der Feststellung eines Jahresabschlusses besagt noch nicht, daß die beteiligten Organe der Aktiengesellschaft in der Gestaltung des neuen Jahresabschlusses frei sind. War der Jahresabschluß, auf den sich die aufgehobene Feststellung bezog, bereits nach § 245 Satz 1 HGB i.V.m. § 91 AktG vom Vorstand der Aktiengesellschaft unterzeichnet, so unterliegt die gesellschaftsrechtliche Befugnis zur Neugestaltung wie bei der Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse nach der hier vertretenen Auffassung öffentlich-rechtlichen Schranken aus dem Handelsbilanzrecht. Diese Schranken sollen verhindern, daß es durch die Änderung fehlerfreier Jahresabschlüsse zu einer Minderung des gebundenen 1 7R Kapitals kommt. Bei bereits nach § 245 Satz 1 HGB unterzeichneten Jahresabschlüssen ist eine Aufhebung wirksam festgestellter Jahresabschlüsse zum Zwecke der Erhöhung des ausschüttungsfahigen Gewinns daher nicht mehr möglich. Weiter können sich auch aus dem Gesellschaftsrecht Schranken der Neugestaltung ergeben. Solche Schranken kommen vor allem dann in Betracht, wenn die Hauptversammlung auf der Grundlage des aufgehobenen Jahresabschlusses bereits gemäß § 174 AktG einen Gewinnverwendungsbeschluß gefaßt hat. Soll in dem neu festzustellenden Jahresabschluß der ausgewiesene Gewinn verändert werden, so wird dem Gewinnverwendungsbeschluß nach § 174 AktG notwendigerweise die Grundlage entzogen. Im Gewinnverwendungsbe-
177 So im Ansatz auch Barz, in: Festschrift für Schilling, 1973, S. 127 (142f.), der eine solche Lösung für vorteilhaft hält und für die unternehmerische Praxis eine Einbeziehung der Hauptversammlung empfiehlt. 178 Vgl. oben § 3 C IV 2 a aa (Seite 117f.)
Β. Bestandskraft der Feststellung bei Aktiengesellschaften
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schluß ist nach allgemeiner Auffassung eine vollständige Aufgliederung der Verwendungsarten anzugeben, die über die Mindestgliederung in § 174 Abs. 2 AktG auch die dort nicht vorgesehenen Verwendungen vollständig aufzuzeigen hat. 179 Ein veränderter Gewinnausweis macht es daher erforderlich, auch eine erneute Gewinnverwendung zu beschließen. Dabei kann bei einer - vor Unterzeichnung zulässigen - Erhöhung des ausgewiesenen Gewinns der erneute Gewinnverwendungsbeschluß auf den zusätzlichen Gewinn beschränkt werden. 180 Soll der ausgewiesene Gewinn im Vergleich zum aufgehobenen Jahresabschluß reduziert werden, so stellt im Regelfall der Ausweis des Ausschüttungsbetrages nach § 174 Abs. 2 Nr. 1 AktG im ursprünglichen Gewinnverwendungsbeschluß die Untergrenze der Reduzierungsmöglichkeiten dar. Der Ausweis des Ausschüttungsbetrages im ursprünglichen Gewinnverwendungsbeschluß hat dazu geführt, daß sich die Gewinnanwartschaft des Aktionärs zu einem schuldrechtlichen Dividendenanspruch verdichtet. Dieses rechtlich selbständige Recht kann dem Aktionär auch durch einen neuen Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung nicht mehr entzogen werden.181 Eine Reduzierung des Gewinns unter diese Grenze kommt daher nur dann in Betracht, wenn alle Aktionäre der Gewinnreduzierung zustimmen und eine Rückzahlung zusagen. 182 Andernfalls würde die Reduzierung des Gewinns zu einem Verstoß des abgeänderten Jahresabschlusses gegen die Beschränkung
179 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfes zu § 174 bei Kropff, AktG, 1965, S. 282; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 174 AktG Rdn. 27; Brönner, in: Großkommentar zum AktG, 3. Aufl. 1970, § 175 Anm. 4. 180 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 66; Kropff, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 172 Rdn. 31. 181 Vgl. BGHZ 23, 150 (154); Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 174 AktG Rdn. 55; Baumbach/Hueck, AktG, 13. Aufl. 1968; § 59 Rdn. 20, § 174 Rdn. 9; Hüffer, AktG, 2. Aufl. 1995, § 58 Rdn. 28, § 174 Rdn. 4; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktienG, 2. Aufl. 1988, § 58 Rdn. 103. 182 Vgl. dazu Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 64; Ludewig, DB 1986, S. 133 (135); Barz, in: Festschrift fur Schilling, 1973, S. 127 (130f.); Kropff, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 172 Rdn. 31.
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§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
der Ausschüttung auf den Bilanzgewinn in § 57 Abs. 3 AktG fuhren. 183 Eine solche Rückzahlung bereits ausgeschütteter Gewinne wird bei Publikumsgesellschaften im Regelfall aber ausscheiden.184 Im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum wird teilweise angenommen, daß sich eine weitere Grenze der Reduzierung ausgewiesener Gewinne aus Tantiemeansprüchen des Vorstandes und anderen partiarischen Rechtsverhältnissen ergeben kann. 185 Dies würde aber voraussetzen, daß die Feststellung im gesellschaftsrechtlichen Iraienverhältnis und der partiarische Gewinnanspruch untrennbar miteinander verbunden sind. Dies ist jedoch nicht zwingend der Fall. Ob sich eine Aufhebung des festgestellten Jahresabschlusses über das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis hinaus auch auf partiarische Rechtsverhältnisse auswirkt, bemißt sich allein nach dem Inhalt der dort getroffenen 1 ίή Vereinbarungen. Fallen die gesellschaftsrechtliche und die schuldrechtliche Zulässigkeit einer Aufhebung auseinander, dann muß dem im neu festgestellten Jahresabschluß bei einer Reduzierung des Gewinns dann dadurch Rechnung getragen werden, daß die Ansprüche aus partiarischen Rechtsverhältnissen in unveränderter Höhe bilanziert werden.18
C.
Bestandskraft der Feststellung im GmbH-Recht
I.
Feststellungskompetenz und Rechtsnatur der Feststellung
Die Feststellung des Jahresabschlusses obliegt bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung gemäß § 46 Nr. 1 GmbHG den Gesellschaftern. Sie erfolgt gemäß §§47 Abs. 1, 48 GmbHG durch Mehrheitsbeschluß in einer Ge-
183 Vgl. dazu Barz, in: Festschrift für Schilling, 1973, S. 127 (130f.); W. Müller, in: Festschrift fiir Quack, 1991, S. 359 (365). 184 Vgl. Barz, in: Festschrift für Schilling, 1973, S. 127 (131). 185 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 50, 68; Kropff, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 172 Rdn. 31. 186 Vgl. dazu ausführlich unten § 5 C (Seite 298ff.). 187 So schon Adler, Wpg 1949, S. 109 (114); weiter Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 68; IDW, Stellungnahme HFA 2/1991: Änderung von Jahresabschlüssen und Anpassung der Handelsbilanz an die Steuerbilanz, Wpg 1992, S. 89 (90); H.-P. Müller, in: Festschrift für Budde, 1995, S. 431 (436); W. Müller, in: Festschrift für Quack, 1991, S. 359 (365).
C. Bestandskraft der Feststellung im GmbH-Recht
233
sellschafterversammlung. Diese Beschlußfassung ist ebenso wie bei der Aktiengesellschaft als korporationsrechtliches Rechtsgeschäft anzusehen, auf das nach heute ganz herrschender Auffassung grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften für Rechtsgeschäfte anwendbar sind.188 Infolge der Feststellung durch nur ein Organ besteht anders als bei der Aktiengesellschaft hier auch weitestgehend Einigkeit darüber, daß zwar nicht der Beschluß als solcher, wohl aber die einzelnen Stimmabgaben anfechtbare Willenserklärungen im Sinne von §§ 119, 123 BGB darstellen.189 Diese gesetzliche Kompetenzzuweisung der Feststellung des Jahresabschlusses an die Gesellschafterversammlung ist nach heute ganz herrschender Auffassung aber nicht zwingend. Die Feststellung kann durch den Gesellschaftsvertrag vielmehr auch einem anderen Organ übertragen werden oder nach dem aktienrechtlichen Vorbild der gemeinschaftlichen Feststellung durch die Geschäftsführer und einen Aufsichtsrat oder Beirat überlassen werden. 190 Bei einer solchen gesellschaftsrechtlichen Gestaltung entsteht dann eine der aktienrechtlichen Problematik vergleichbare Rechtslage, was grundsätzlich für eine Übertragung der dort für die Feststellung durch Vorstand und Aufsichtsrat gefundenen Lösungen spricht. Im Mittelpunkt der Betrachtung sollen hier jedoch nicht die gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Feststellung bei der GmbH, sondern der gesetzliche Regelfall der Feststellung durch die Gesellschafterversammlung stehen.
188 Vgl. nur Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, 1989, S. 16ff.; K.Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 4 5 Rdn. 18; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 47 Rdn. 3. 189 Vgl. nur K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 45 Rdn. 22f.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 47 Rdn. 4. 190 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5. Aufl. 1992, § 42a GmbHG Rdn. 33; Crezelius, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 42a Rdn. 33; Hommelhoff/Priester, ZGR 1986, S. 463 (475f.); Hüffer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1991, § 4 6 Rdn. 22f.; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42a Rdn. 38.
234 II.
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses analog § 256 AktG
Ebenso wie bei der Aktiengesellschaft kommt eine Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse zunächst dann in Betracht, wenn die Fehlerhaftigkeit dazu fuhrt, daß die Feststellung des Jahresabschlusses wegen Nichtigkeit keine gesellschaftsrechtliche Bindungswirkung entfaltet. Zentrale Vorschrift ist auch hier § 256 AktG. 1.
Analoge Anwendbarkeit von § 256 AktG
Das GmbH-Gesetz kennt im Gegensatz zum Aktiengesellschaftsrecht keine ausdrückliche Nichtigkeitsvorschrift fiir die Feststellung fehlerhafter Jahresabschlüsse. Diese Lücke ist nach heute ganz herrschender Auffassung durch eine analoge Anwendung der Nichtigkeitsgründe nach § 256 AktG zu fullen.191 Diese früher umstrittene analoge Anwendung von § 256 AktG im GmbH1 09
Recht kann sich seit dem Bilanzrichtliniengesetz sogar auf den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers stützen. Der Regierungsentwurf des Bilanzrichtliniengesetzes sah ursprünglich vor, im Interesse der Rechtssicherheit auch bei der GmbH in Anlehnung an die aktienrechtliche Regelung die Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses in einem neu zu schaffenden § 42 g GmbHG ausdrücklich zu regeln. 193 Der Rechtsausschuß lehnte eine solche Regelung unter Verweisung auf die analoge Anwendbarkeit von § 256 AktG als überflüssig ab. 194
191 Vgl. vor allem die grundlegenden Ausführungen bei Geßler, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 127ff. weiter: BGHZ 83, 341 (347); OLG Hamm, AG 1992, 233 (234); Raiser, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1991 Anh. § 4 7 Rdn. 68ff.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl. 1995, Anh. § 47 Rdn. 25; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 46 Rdn. 36f.; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42a Rdn. 22 jeweils mit weiteren Nachweisen. 192 Zur Rechtslage vor dem Bilanzrichtliniengesetz vgl. insbesondere die Darstellungen von Geßler, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 127 ( 131 ff.) und Lehmann, Die ergänzende Anwendung von Aktienrecht auf die GmbH, 1970, S. 109ff. 193 Vgl. BT-DruckS. 10/317 Art. 3 Nr. 5 und die Begründung auf Seite 112. 194 vgl. BT-DruckS. 10/317 S. 130f. und die Darstellung bei Geßler, in: Festschrift fiir Goerdeler, 1987, S. 127 (139).
C. Bestandskraft der Feststellung im GmbH-Recht
235
Diese Bezugnahme des Gesetzgebers auf § 256 AktG und die inhaltlich weitgehend übereinstimmende Regelung der Jahresabschlüsse im HGB fuhrt manchmal dazu, daß für die GmbH nur sehr allgemein auf die Nichtigkeitsgründe nach § 256 AktG verwiesen wird. 195 Diese pauschale Verweisung ist jedoch irreführend, denn nach den allgemeinen Grundsätzen kommt eine analoge Anwendung der in § 256 AktG geregelten Nichtigkeitsgründe nur soweit in Betracht, wie diese auf gleich gelagerte Funktionen der Feststellung im Recht der Aktiengesellschaften und der Gesellschaften mit beschränkter Haftung abstellen. 196 Als Anknüpfungspunkt für eine Analogie kommt daher vor allem eine vergleichbare Funktion des festgestellten Jahresabschlusses im System der gläubigerschützenden Kapitalerhaltungsvorschriften in Betracht. 197 Soweit die Nichtigkeitsvorschriften in § 256 AktG dagegen auf verfahrensrechtliche oder sonstige Besonderheiten des Aktiengesellschaftsrechts abstellen, scheidet trotz gemeinsamer Regelung des Jahresabschlusses im Handelsbilanzrecht eine Analogie zu der gesellschaftrechtlichen Vorschrift des § 256 AktG aus. Dies macht es erforderlich, die einzelnen Nichtigkeitsgründe in § 256 AktG auf ihre Anwendbarkeit bei der GmbH zu untersuchen. 2.
Analogiefahigkeit der Nichtigkeitsgründe
a) Inhaltsfehler Wegen der weitgehenden Ausrichtung des gesamten Handelsbilanzrechtes am 10R
Gläubigerschutz und an der Begrenzung des ausschüttbaren Vermögens ist der Schwerpunkt der analogen Anwendung von § 256 AktG von vornherein
195 So etwa BGHZ 83, 341 (347), wo überhaupt keine Begründung für die Analogie angegeben wird; Schedlbauer, DB 1992, S. 2097 (2101), der § 256 AktG für uneingeschränkt anwendbar erklärt. Sehr pauschal gehalten ist die Verweisung auch bei Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl. 1995, Anh. § 4 7 Rdn. 25f. und auch bei K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 46 Rdn. 36ff. 196 So vor allem Geßler, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 127 (133f.); Lehmann, Die ergänzende Anwendung von Aktienrecht auf die GmbH, 1970, S. 109ff.; im Ergebnis wohl auch Raiser, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, Anh. § 47 Rdn. 68 und Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42a Rdn. 22ff., die zwar sämtliche Nichtigkeitsgründe detailiert darstellen, auf eine Untersuchung der Analogiefahigkeit aber weitestgehend verzichten. 197 Vgl. Lehmann, Die ergänzende Anwendung von Aktienrecht auf die GmbH, 1970, S. 112f. 198 Vgl. dazu oben § 3 C III 3 c (Seite 81f.).
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§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
bei den zur Nichtigkeit führenden Inhaltsfehlern des festgestellten Jahresabschlusses zu suchen. Eine analoge Anwendung der dem Gläubigerschutz dienenden Generalklausel in § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG ist wegen der Haftungsbeschränkung bei der GmbH grundsätzlich zu befürworten; 99 wegen der gesonderten Regelung der Gliederungs- und Bewertungsfehler in § 256 Abs. 4 und Abs. 5 AktG ist diese Norm allerdings ebensowenig wie im Aktiengesellschaftsrecht 200 von großer praktischer Relevanz.201 Bis zum Bilanzrichtliniengesetz fehlten für die GmbH Gliederungsvorschriften, die den aktiengesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechen. Eine analoge Anwendung der Nichtigkeit wegen Gliederungsfehlern nach § 256 Abs. 4 AktG wurde daher früher abgelehnt.202 Seit dem Bilanzrichtliniengesetz unterliegen nunmehr alle Kapitalgesellschaften grundsätzlich denselben Gliederungsvorschriften. Da diese Vorschriften dazu dienen, im Interesse der Gläubiger und der Öffentlichkeit eine hinreichende Klarheit und Übersichtlichkeit der Vermögens- und Erfolgsdarstellung haftungsbeschränkter Gesellschaftsformen zu gewährleisten, ist eine analoge Anwendung der Nichtigkeit nach § 256 Abs. 4 AktG geboten.203 Gleichermaßen gläubigerschützend und unmittelbar auf die Einhaltung der Kapitalerhaltungsvorschriften gerichtet ist das Verbot der Überbewertung in § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG. Hierdurch wird ebenso wie bei der Aktiengesellschaft verhindert, daß es zur Ausschüttung gebundenen Vermögens kommen kann. Die analoge Anwendung der Nichtigkeit wegen Überbewertung nach § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG ist daher zwingend. 04
199 Vgl. Lehmann, Die ergänzende Anwendung von Aktienrecht auf die GmbH, 1970, S. 112; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42a Rdn. 23. 200 Vgl. oben § 4 Β II 2 a aa (Seite 189f.). 201 Ähnlich Geßler, in: Festschrift fiir Goerdeler, 1987, S. 135f. 202 Vgl. Lehmann, Die ergänzende Anwendung von Aktienrecht auf die GmbH, 1970, S. 113f., der allerdings zugleich bei schwerwiegenen Verstößen eine Anfechtbarkeit der Feststellung analog § 241 AktG annahm. 203 Vgl. Geßler, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 140; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42a Rdn. 29. 204 So für die Rechtslage vor dem Bilanzrichtliniengesetz schon Lehmann, Die ergänzende Anwendung von Aktienrecht auf die GmbH, 1970, S. 114; für die heutige Rechtslage ganz herrschende Meinung. Vgl. Geßler, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 141; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42a Rdn. 30.
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C. Bestandskraft der Feststellung im GmbH-Recht
Weniger evident ist dagegen, ob die Nichtigkeit wegen vorsätzlicher Unterbewertung nach § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AktG analog anzuwenden ist. Dieses Verbot bezweckt im Aktiengesellschaftsrecht vor allem den Schutz 90S
der Aktionäre vor dolosem Handeln der Gesellschaftsorgane. Ein solcher Schutz ist im Regelfall der Feststellung durch die Gesellschafterversammlung bei der GmbH aber nicht geboten. Allerdings kann es auch bei der GmbH dazu kommen, daß Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer identisch sind. Hier kommt dann eine analoge Anwendung aus dem auch im Aktiengesellschaftsrecht bei Feststellung durch die Hauptversammlung tragenden Gedanken des Minderheitenschutzes in Betracht. Die mit dem Bilanzrichtliniengesetz bei allen Kapitalgesellschaften eingeführte Begrenzung stiller Reserven sieht neben dem Gesellschafterschutz zugleich ein allgemeines Verschleierungsverbot vor. Folglich liegt das Verbot vorsätzlicher Unterbewertungen auch im Gläubigerinteresse. 06 Im Ergebnis ist daher auch § 256 207 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 analog anwendbar. Sämtliche Inhaltsfehler sind damit analog auf die GmbH anwendbar. b) Verwendungsfehler (§ 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG) Einer differenzierten Betrachtung bedarf die analoge Anwendung der in § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG geregelten Verwendungsfehler. Soweit § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG für die Nichtigkeit auf die gesetzeswidrige Entnahme aus den Kapital- und Gewinnrücklagen oder eine - zu niedrige Einstellung in diese Rücklagen abstellt, zielt die Norm auf die Kapitalerhaltungsvorschriften und hat daher gläubigerschützende Funktion. Durch das Bilanzrichtliniengesetz wurden im Gegensatz zur früheren Rechtslage auch für die GmbH im begrenzten Maße gesetzliche Kapital- und Gewinnrücklagen eingeführt. Kapitalrücklagen sind bei der GmbH gemäß § 42 Abs. 2 Satz 3 GmbHG für beschlossene Nachschüsse und gemäß § 58c Satz 1 GmbHG für zu hoch bemessene Wertminderungen zu bilden. Gewinnrücklagen sind bei der GmbH gemäß § 272 Abs. 4 HGB für eigene Anteile zu bilden. Diese Beträge sind auch bei der GmbH gemäß § 58b GmbHG einer Aus-
205 Vgl. oben § 4 Β II 2 a cc (2) (Seite 200f.). 206 Hieraufstellt vor allem Geßler, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 141 ab. 207 So im Ergebnis auch die herrschende Auffassung Geßler, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 141; Raiser, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, Anh. § 47 Rdn. 70; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 49 Rdn. 37; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42a Rdn. 30.
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§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
schüttung entzogen, haben also vergleichbare gläubigerschützende Funktion wie bei der Aktiengesellschaft. Eine analoge Anwendung der Nichtigkeit bei Verwendungsfehlern nach § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG ist insoweit also geböt e 208 ten. Demgegenüber dienen die Vorschriften der Einstellung in die satzungsgemäßen Rücklagen und der überhöhten Einstellungen in die gesetzlichen Rücklagen nicht dem Gläubigerschutz, sondern vor allem dem Schutz der Aktionäre vor einer Auszehrung des ihrer Verwendungskompetenz unterliegenden Bilanzgewinns. 209 Da der Jahresabschluß bei der GmbH im Regelfall durch die Gesellschafterversammlung selbst festgestellt wird und diese im Gegensatz zur Aktiengesellschaft auch stärker personalistisch geprägt ist, bedarf es hier keiner gesetzlichen Nichtigkeit der Feststellung. Eine analoge Anwendung von § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG scheidet daher in diesen Fällen aus. 210 c) Prüfungsfehler (§ 256 Abs. 1 Nr. 2, 3 AktG) Die in § 256 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 AktG geregelten Prüfungsfehler sind an der Funktion des publizierten Jahresabschlusses als Instrument der Kapitalmarktinformation ausgerichtet. Grund dieser Nichtigkeit ist das gesetzgeberische Bestreben, bei publikationspflichtigen Gesellschaften durch eine unabhängige Prüfung die Richtigkeit des veröffentlichten Jahresabschlusses möglichst zu gewährleisten. Dieser Gedanke beansprucht bei allen publikationspflichtigen Gesellschaftsformen Geltung. Dies zeigt auch die parallele Vorschrift in § 10 PublG, der vor dem Bilanzrichtliniengesetz auch publikationspflichtige Gesellschaften mit beschränkter Haftung unterfielen. Auf große und mittlere Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die nach § 316 Abs. 1 HGB einer gesetzlichen Prüfungspflicht unterliegen, ist § 256 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 AktG daher analog anzuwenden. 211
208 So insbesondere Geßler, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 137; dem folgend Raiser, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, Anh. § 47 Rdn. 71; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42a Rdn. 26. 209 Vgl. oben § 4 Β II 2 a dd (Seite 201f.). 210 So vor allem auch Geßler, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 137; weiter Raiser, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, Anh. § 47 Rdn. 71; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42a Rdn. 26. 211 Vgl. Geßler, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 136; Raiser, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, Anh. § 47 Rdn. 72; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42a Rdn. 24f.
C. Bestandskraft der Feststellung im GmbH-Recht
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d) Verfahrensfehler (§ 256 Abs. 2, 3 AktG) Die in § 256 Abs. 2 AktG geregelten Verfahrensfehler bei der Feststellung durch Aufsichtsrat und Vorstand haben bei der GmbH im gesetzlichen Normalfall der Feststellung durch die Gesellschaftersammlung von vornherein keine Bedeutung. Sofern die Satzung entsprechend der aktiengesellschaftsrechtlichen Regelung eine Feststellung durch die Geschäftsführung und den Aufsichtsrat oder Beirat vorsieht, erscheint es angezeigt, diese Vorschrift ebenfalls analog anzuwenden.212 Der in § 256 Abs. 3 AktG geregelte Fall einer fehlerhaften Beschlußfassung durch die Hauptversammlung ist dagegen auf den Regelfall der Feststellung durch die Gesellschafterversammlung analog anwendbar. Dies gilt insbesondere auch für § 256 Abs. 3 Nr. 3 AktG; denn nach heute ganz herrschender Auffassung kann die Fehlerhaftigkeit anfechtbarer Gesellschafterbeschlüsse nur durch Anfechtungsklage analog § 243 AktG geltend gemacht werden 213 Allerdings scheidet die in § 257 Abs. 1 Satz 2 AktG enthaltene Beschränkung der Anfechtung auf formale Mängel aus. Diese Beschränkung besteht darin, daß bei der Aktiengesellschaft im Interesse der Rechtssicherheit inhaltliche Mängel, die keine Nichtigkeit begründen, nur zu einer Sonderprüfung nach §§ 258ff. AktG berechtigen. Für eine solch weitgehende Einschränkung der Anfechtbarkeit besteht bei der stärker personalistisch strukturierten und nicht börsenfähigen GmbH jedoch kein Bedürfnis 214 Der Umfang möglicher Anfechtungsklagen gegen festgestellte Jahresabschlüsse umfaßt daher sämtliche Fehler der Feststellung. Wegen der zur Anfechtung des Gesellschafterbeschlusses berechtigenden inhaltlichen Fehler des festgestellten Jahresabschlusses kann somit auf die Darstellung der Anfechtung wegen inhaltlicher Fehler oder Unzweckmäßigkeit des Jahresabschlusses durch Vorstand und Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft verwiesen werden. 215
212 So auch Geßler, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 139. 213 Vgl. nur Baumbach/Hueck, GmbHG, § 16. Aufl. 1996; Anh. § 47 Rdn. 64; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 45 Rdn. 123ff. jeweils m.w.N. 214 So für die Rechtslage vor dem Bilanzrichtliniengesetz schon Lehmann, Die ergänzende Anwendung von Aktienrecht auf die GmbH, 1970, S. l l l f . ; weiter Geßler, in: Festschrift für Goerdeler, 1987, S. 143; Raiser, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, Anh. § 47 Rdn. 71, 132; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 46 Rdn. 38. 215 Vgl. oben § 4 Β II 2 c aa (2) (Seite 209).
240 3.
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
Rechtsfolgen des § 256 AktG
Die Rechtsfolgen des § 256 AktG sind bei der GmbH ebenso wie bei der Aktiengesellschaft nach den Auswirkungen auf die korporationsrechtlichen Akte der Feststellung und Ergebnisverwendung einerseits und den Auswirkungen auf die Rechnungslegungspflicht andererseits zu differenzieren. a) Nichtigkeit der Feststellung und der Ergebnisverwendung Die Nichtigkeit fuhrt zunächst wiederum dazu, daß der ursprüngliche Feststellungsbeschluß nichtig wird. Die GmbH besitzt damit keine verbindliche Darstellung des ausschüttbaren Vermögens. Dadurch fehlt einem bereits gefaßten Ergebnisverwendungsbeschluß nach § 46 Nr. 1 AktG die Grundlage. Die ganz herrschende Meinung geht daher zu Recht davon aus, daß analog § 253 AktG wie bei der Aktiengesellschaft der Ergebnisverwendungsbeschluß nichtig ist.216 Sind aufgrund des nichtigen Ergebnisverwendungsbeschlusses bereits Ausschüttungen an die Gesellschafter erfolgt, so steht der GmbH ein RückZahlungsanspruch zu. Soweit durch die Auszahlung das Stammkapital angegriffen wurde, ergibt sich der RückZahlungsanspruch aus §31 Abs. 1 GmbHG. Im übrigen gründet sich der RückZahlungsanspruch bei der GmbH auf § 812 Abs. 1 Satz 2 1. Alt BGB. 217 Der Kondiktionsanspruch entfallt ähnlich wie bei der Aktiengesellschaft jedoch dann, wenn der Gesellschafter hinsichtlich seiner Gewinnberechtigung gutgläubig war. Λ IO
b)
Pflicht zur Neuaufstellung und Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse Ein gegen § 256 AktG (analog) verstoßender Jahresabschluß hat weiterhin bei der GmbH ebenso wie bei der Aktiengesellschaft zur Folge, daß die gesellschaftsrechtliche Rechnungslegungspflicht nicht erfüllt ist. Grundsätzlich
216 Allgemeine Ansicht, vgl. OLG Hamm, AG 1992, S. 233 (234); Emmerich, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1993, § 29 Rdn. 62, 147; Raiser, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1991, Anh. § 47 Rdn. 75; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 46 Rdn. 42; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, Anh. § 47 Rdn. 29. 217 Vgl. Emmerich, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 2 9 Rdn. 62; § 3 2 Rdn. 3ff.; Hueck, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 29 Rdn. 44. 218 Vgl. zu den Voraussetzungen des guten Glaubens im einzelnen Hueck, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 32 Rdn. 5; Η. P. Westermann, in Scholz, GmbHG 8. Aufl. 1993, § 32 Rdn. 7 sowie die vergleichende Darstellung bei K. Schmidt, BB 1984, S. 1588ff.
C. Bestandskraft der Feststellung im GmbH-Recht
241
ist daher vor der erneuten Feststellung ein neuer - fehlerfreier - Jahresabschluß aufzustellen. Weiter kommt auch bei der GmbH eine Anfechtung des Entlastungsbeschlusses nach § 46 Nr. 5 GmbHG in Betracht. Eine Entlastung setzt auch bei der GmbH eine fehlerfreie Rechenschaftslegung voraus.219 Beruht die Nichtigkeit analog § 256 AktG auf einem Inhaltsfehler, der bereits in dem von der Geschäftsführung vorgelegten Jahresabschluß enthalten war, so ist der darauf beruhende Entlastungsbeschluß fehlerhaft und daher anfechtbar.220 4.
Umfang und Grenzen der Pflicht zur erneuten Auf- und Feststellung
Die Pflicht zur erneuten Aufstellung und Feststellung eines fehlerfreien Jahresabschlusses folgt bei der GmbH weitgehend den für die Aktiengesellschaft geltenden Vorschriften. Ebenso wie dort ist davon auszugehen, daß es grundsätzlich unzulässig ist, die Heilung des nichtigen Jahresabschlusses analog § 256 Abs. 6 AktG abzuwarten. Auch hier widerspräche es der gesetzlichen Wertung, einerseits die nach dem Gesetz vorzunehmende Rechnungslegung als so fehlerhaft anzusehen, daß sie von vornherein nichtig ist oder durch eine erfolgreiche Anfechtungsklage nichtig wurde, andererseits aber die daraus resultierende Konsequenz einer erneuten Auf- und Feststellung zur Disposition der Geschäftsführung und Gesellschafterversammlung zu stellen. Desgleichen ist auch bei der GmbH davon auszugehen, daß bei der erneuten Auf- und Feststellung sämtliche neu bekanntgewordene wertaufhellende Tatsachen zu berücksichtigen sind. Ebenso wie bei der Aktiengesellschaft handelt es sich bei der erneuten Auf- und Feststellung eines fehlerfreien Jahresabschlusses rechtlich um die erstmalige Pflichterfüllung, auf die § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB Anwendung findet. Weiter ist auch bei der GmbH die bei der erneuten Auf- und Feststellung bestehende Möglichkeit der Neugestaltung nicht ohne inhaltliche Schranken. Eine erste inhaltliche Schranke besteht wie bei der Aktiengesellschaft dann, wenn der ursprüngliche Jahresabschluß nach seiner Feststellung bereits gemäß § 245 Satz 1 HGB i.V.m. § 41 GmbHG unterzeichnet wurde. Ebenso
219 Vgl. Crezelius, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, Anh. § 42a Rdn. 38; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 46 Rdn. 27. 220 Vgl. Hüffer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1991 § 46 Rdn. 60 und für den gleich gelagerten Fall der AG RGZ 112, 19 (26f.).
242
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
wie bei der Aktiengesellschaft ist es der GmbH danach untersagt, Wahlrechte so auszuüben, daß über die Kompensation einer gewinnmindernden Fehlerbe• · · 991 richtigung hinaus ein höherer ausschüttbarer Gewinn ausgewiesen wird. Darüber hinaus können wiederum auch aus der gesellschaftsrechtlichen Rücksichtnahmepflicht im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis Schranken der Neugestaltung resultieren. Dabei kann davon ausgegangen werden, daß wegen der stärkeren personalistischen Struktur der GmbH diese Schranken im konkreten Einzelfall stärker ausgeprägt sind als bei der als Publikumsgesellschaft konzipierten Aktiengesellschaft. An solche Beschränkungen aus der gesellschaftsrechtlichen Rücksichtnahme ist vor allem dann zu denken, wenn bereits Gewinne ausgeschüttet wurden. Wie bei der Aktiengesellschaft ist bei bereits erfolgten Ausschüttungen anzunehmen, daß bei einer Gewinnminderung durch die Fehlerberichtigung Wahlrechte möglichst so ausgeübt werden müssen, daß der ausgeschüttete Gewinn erhalten bleibt. Allerdings ist eine solche Kompensation gewinnmindernder Fehlerberichtigungen durch Wahlrechtsänderung nicht im gleichen Maße wie bei der Aktiengesellschaft auch gesetzlich geboten. Da bei der GmbH die Ausschüttungen nach ganz herrschender Auffassung nicht auf den ausgewiesenen Gewinn beschränkt sind, sondern auch aus den Gewinnrücklagen erfolgen dürfen, kann der festgestellte Jahresabschluß durchaus einen Gewinn enthalten, der geringer ist als der ursprünglich ausgeschüttete und der wegen der Gutglaubensregelung in § 32 GmbHG auch nicht zurückforderbar ist. Diese Ausschüttung kann dann ohne einen Gesetzesverstoß aus Rücklagen erbracht werden. Lediglich dann, wenn hierdurch der Ausschüttung entzogene Kapitalanteile reduziert würden, ist auch bei der GmbH eine Pflicht zur kompensatorischen Ausübung der Wahlrechte anzunehmen. Dies ist dann der Fall, wenn das gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG einer Ausschüttung entzogene Stammkapital oder die gemäß § 58b GmbHG geschützten Kapitalrücklagen für beschlossene Nachschüsse (§ 42 Abs. 2 Satz 3 GmbHG) und Wertminderungen (§ 58c Satz 1 GmbHG) oder Gewinnrücklagen für eigene Anteile (§ 272 Abs. 4 HGB) durch die Gewinnminderung reduziert würden.
221 Vgl. oben § 4 Β II 4 c (Seite 223f.).
C. Bestandskraft der Feststellung im GmbH-Recht
III.
243
Aufhebung festgestellter Jahresabschlüsse
Bei objektiv unrichtigen oder unzweckmäßigen Jahresabschlüssen kommt entsprechend der aktiengesellschaftsrechtlichen Regelung auch bei der GmbH eine Aufhebung des Feststellungsbeschlusses in Betracht. Geht man vom Regelfall der Feststellung durch die Gesellschafterversammlung aus, so ist der korporationsrechtliche Akt der Feststellung aufgrund seiner rechtsgeschäftlichen Natur grundsätzlich durch einen neuen Feststellungsbeschluß eben der Gesellschafterversammlung als feststellendes Organ aufhebbar und durch einen neuen Beschluß ersetzbar.222 Die grundsätzliche Aufhebbarkeit der Feststellung fuhrt aber wiederum nicht dazu, daß die Gesellschafterversammlung bei der Gestaltung des neu festzustellenden Jahresabschlusses frei ist. Eine erste Grenze stellt wiederum eine bereits erfolgte Unterzeichnung des ursprünglichen Jahresabschlusses nach § 245 Satz 1 HGB i.V.m. § 41 GmbHG dar. Die GmbH ist dann wie die Aktiengesellschaft daran gehindert, einen Jahresabschluß festzustellen, der einen höheren ausschüttbaren Gewinn ausweist.223 Eine weitere inhaltliche Schranke kann entstehen, wenn bereits auf der Grundlage des alten Jahresabschlusses über die Ergebnisverwendung beschlossen wurde. Dieser Ergebnisverwendungsbeschluß kann zwar ebenfalls durch die Gesellschafterversammlung aufgehoben und neu gefaßt werden. Hierdurch können aber die ursprünglichen Gewinnansprüche nicht mehr gegen den Willen einzelner Gesellschafter gekürzt werden. Ein Ergebnisverwendungsbeschluß nach § 46 Nr. 1 GmbHG läßt nach ganz herrschender Auffassung das mitgliedschaftliche Recht auf Gewinnbeteiligung zu einem nicht mehr einseitig entziehbaren Anspruch auf Gewinnauszahlung gegen die
222 Allgemeine Ansicht. Vgl. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 46 Rdn. 10; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 46 Rdn. 25; SchulzeOsterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 42 Rdn. 468 m.w.N. 223 Vgl. dazu ausführlich oben § 4 Β III 2 (Seite 230f.).
244
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
Gesellschaft erstarken.224 Gegen den Willen einzelner Gesellschafter kann also kein neuer Jahresabschluß festgestellt werden, der einen niedrigeren Gewinn ausweist als ursprünglich ausgeschüttet wurde. Diese Schranke ist bei der GmbH im Gegensatz zur Aktiengesellschaft allerdings nicht unüberwindlich, denn aufgrund des regelmäßig geringeren Gesellschafterkreises bei der GmbH ist eine einstimmige Entscheidung durchaus praxisnah.
D.
Bestandskraft der Feststellung bei Personenhandelsgesellschaften
I.
Rechtsnatur der Feststellung
In Rechtsprechung und Schrifttum herrscht heute weitestgehend Einigkeit darüber, daß die Feststellung des Jahresabschlusses bei den Personenhandelsgesellschaften eine mehrseitige rechtsgeschäftliche Einigung der Gesellschafter zur Regelung des gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnisses darstellt.225 Die Feststellung kommt durch Beschluß der Gesellschafter nach § 116 Abs. 2 HGB zustande.226 Soweit im Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung getroffen ist, hat dieser Beschluß einstimmig zu erfolgen. Dabei sind nach der überzeugenden neueren Rechtsprechung des Bundesge-
224 Herrschende Auffassung. Vgl. Hueck, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 29 Rdn. 38f.; 48f.; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 46 Rdn. 26ff. jeweils m.w.N. Die etwa von Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl. 1995, § 29 Rdn. 41f.; Hommelhoff, in: Festschrift für Rohwedder, 1994, S. 171 (183ff.) vertretene abweichende Auffassung, daß der individuelle Gewinnanspruch bereits mit der Feststellung des Jahresabschlusses entsteht und durch den Ergebnisverwendungsbeschluß nur noch fällig wird, führt hier zu keinem abweichenden Ergebnis. Sie ändert an der Rechtsnatur des Gewinnanspruchs als nicht mehr einseitig entziehbarem Individualrecht nichts. 225 Zu der abweichenden Meinung, die bei Personengesellschaften bereits die Notwendigkeit einer Einigung bezeifelt siehe oben unter C 12 b bb auf Seite 176ff. 226 Zur Rechtsnatur eines Gesellschafterbeschlusses allgemein vgl. Köster, Anfechtungsund Nichtigkeitsklage gegen Gesellschafterbeschlüsse bei oHG und KG, 1981, S. 62ff., 67ff. m.w.N. 227 Vgl .Großfeld, Bilanzrecht, 2. Aufl. 1990, S. 20 (Rdn. 42); Hüffler, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 242 Rdn. 47; Ulmer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1997, § 721 Rdn. 7; ders., in: Festschrift für Hefermehl, 1976, S. 207 (220).
D. Bestandskraft der Feststellung bei Personenhandelsgesellschaften
245
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richtshofs alle Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft, also auch die Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft, zu beteiligen. Bis heute nicht abschließend geklärt ist, welche Rechtsnatur die Einigung über den festzustellenden Jahresabschluß hat. Während die früher herrschende Auffassung von einem abstrakten Schuldanerkenntnis gemäß §§ 780, 781 BGB ausging, wird heute ganz überwiegend231 ein kausales Schuldaner-
228 Vgl. BGH, v. 29.3.1996 in: DB 1996, S. 926ff. 229 Zur Darstellung der früher herrschenden Auffassung, die eine Beteiligung der Kommanditisten an der Feststellung ablehnte sowie der auch heute noch nicht abschließend geklärten Problematik des Umfanges der Feststellungskompetenz der Kommanditisten vgl. grundlegend Ulmer, in: Festschrift für Hefermehl, 1976, S. 207 (208); zum neuesten Meinungsstand weiter Balthasar, in: Hermann/Berger/Wackerbarth, Deutsches und Internationales Bank- und Wirtschaftsrecht im Wandel, 1997, S. 1 (lOff.); Hopf, in: Festschrift für Odersky, 1996, S. 799ff.; Schulze-Osterloh, BB 1995, S. 2519ff. jeweils mit umfangreichen Nachweisen. 230 BGH, WM 1960, 187 (189) = LM HGB § 128 Nr. 7, BB 1966, 474; R. Fischer, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1973, § 120 Rdn. 11; Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 25. Aufl. 1983, § 39 Anm. 1B; v. Falkenhausen, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 2, §19 KG Rdn. 45 (S. 412); Flechtheim, in: Düringer/Hachenburg, HGB, 3. Aufl. 1932, § 120 Anm. 3; Geßler, in: Schlegelberger, 4. Aufl. 1963, § 120 Rdn. 3; Röhn, Die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern einer oHG bei der Erstellung der Bilanz, 1966, S. 61 ff.;Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 342; Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl. 1971, § 17 I 4 (S. 234); § 29 II 5 a γ (S. 457); W. Müller, in: Festschrift für Quack, 1991, S. 359 (360); Steffen, in: RGRK, BGB § 780 Rdn. 21; Sudhoff, Der Gesellschaftsvertrag der Personengesellschaft, 4. Aufl. 1973, S. 194; Thomas, in: Palandt, BGB, 55. Aufl. 1996, § 781 Rdn. 8; Weirich, Wpg 1976, S. 625 (626). 231 Grundlegend Zunft, NJW 1959, S. 1945ff.; weiter Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl. 1995, § 242 Rdn. 2; Emmerich, in: Heymann, HGB, 2. Aufl. 1996, § 120 Rdn. 9; Hüffer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1997, §781, Rdn. 22; ders. in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 242 Rdn. 51; mit Einschränkungen Marburger, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1986, § 781 Rdn. 30 (sozialrechtlicher Vertrag sui generis); Martens, in: Schlegelberger, HGB, 5. Aufl. 1992, § 120 Rdn. 5f.; Riegger, Die Rechtsfolgen des Ausscheidens eines Gesellschafters aus einer zweigliedrigen Personalgesellschaft, 1969, S. 118fT. (für die Abschichtungsbilanz); Ulmer, in: Festschrift für Hefermehl, 1976, S. 207 (214ff.); ders. Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1997, § 721 Rdn. 7; wohl auch Priester, in: Festschrift für Quack, 1991, S. 373 (381) und mit Einschränkungen Muth, Die Bilanzfeststellung bei Personenhandelsgesellschaften, 1986, S. 45ff., der eine Anwendung von § 315 BGB befürwortet. (Fortsetzung der Fußnote auf nächster Seite)
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§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
kenntnis oder ein damit weitgehend inhaltsgleicher Feststellungsvertrag232 angenommen. 1.
Qualifizierung als abstraktes Schuldanerkenntnis
Die Einordnung der Feststellung als abstraktes Schuldanerkenntnis wurde von der früher herrschenden Meinung meist nur unzureichend begründet, denn im Regelfall erfolgt keine Abgrenzung zum kausalen Schuldanerkennt·„ 233
ms. Oft ergibt sich die angenommene rechtliche Qualifizierung sogar nur daraus, daß eine Kondizierbarkeit der Feststellung nach § 812 Abs. 1 S. 2 BGB angenommen wird. 234 Da dies nur bei einem abstrakten, nicht aber auch einem kausalen Schuldanerkenntnis möglich ist, 235 folgt hieraus, daß die Feststellung als abstraktes Schuldanerkenntnis angesehen wird. Aber auch dann, wenn die Einordnung der Feststellung als abstraktes Schuldanerkenntnis begründet wird, fehlt eine ausdrückliche Abgrenzung zum kausalen Schuldanerkenntnis. Als Grund für die Annahme eines abstrakten Schuldanerkenntnisses wird die Funktion der Bilanzfeststellung als einheitliches Rechenwerk für alle Ansprüche der Gesellschafter angesehen. Dies beruht auf der bilanziellen Praxis bei den Personenhandelsgesellschaften, den Gewinn in der Bilanz nicht als Gesamtposten auszuweisen, sondern
232
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235
Aus der Rechtssprechung der Sache nach auch OLG Frankfurt, 1982, 143; ausdrücklich offen gelassen dagegen in OLG Düsseldorf, NJW-RR 1994, 1455 (1458). Zur Natur des kausalen Schuldanerkenntnisses als Feststellungsvertrag vgl. Marburger, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1986, § 781 Rdn. 8 und ausführlich, Marburger, Das kausale Schuldanerkenntnis als einseitiger Feststellungsvertrag, 1971, S. 55ff. So etwa BGH, WM 1960, S. 188; Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 25. Aufl. 1983, § 39 Anm. 1B; Brüggemann, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, Vorbem. zu § 41 Rdn. 2; Röhn, Die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern einer oHG bei der Erstellung der Bilanz, 1966, S. 61; Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 342. Vgl. etwa BGH, BB 1966, 474; Flechtheim, in: Düringer/Hachenburg, HGB, 3. Aufl. 1932, § 120 Anm. 3; Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl. 1971, § 17 I 4 (S. 234); Sudhoff, Rechte und Pflichten des Kommanditisten, 3. Aufl. 1985, S. 68f.; Weirich, Wpg 1976, S. 625 (626). Vgl. Häuser, in: Soergel, BGB, 11. Aufl. 1985, Vor. §§ 780, 781 Rdn. 10; §§ 780, 781 Rdn. 170; Hüffer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1997, § 780 Rdn. 43, § 781 Rdn. 6; Thomas, in: Palandt, BGB, 55. Aufl. 1996, § 781 Rdn. 3 und speziell für die Bilanzfeststellung Zunft, NJW 1959, S. 1945 (1946).
D. Bestandskraft der Feststellung bei Personenhandelsgesellschaften
247
unmittelbar die auf die Gesellschafter entfallenden Gewinnanteile darzustellen. Die ältere Auffassung nimmt an, daß es Aufgabe der Feststellung sei, die in der Bilanz ausgewiesenen Ansprüche der Gesellschafter abschließend zu regeln. 237 Diese Annahme zielt im Ergebnis darauf, in der Feststellung des Jahresabschlusses einen dem Saldoanerkenntnis beim Kontokorrent vergleichbaren Abschluß der Gesellschafterkonten zu sehen. Es soll verhindert werden, daß den Gesellschaftern ein Rückgriff auf einzelne Posten, die auf ihren Gesellschafterkonten gebucht sind, möglich ist. 2.
Qualifizierung als kausales Schuldanerkenntnis
Im Gegensatz zur älteren Auffassung setzt sich die heute überwiegende Auffassung bei der Einordnung ausdrücklich mit der Abgrenzung von abstraktem und kausalem Schuldanerkenntnis auseinander. Sie vermag überzeugend darzulegen, daß allein das kausale Schuldanerkenntnis dem Willen und der Interessenlage der Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft entspricht.239 Ein abstraktes Schuldanerkenntnis setzt voraus, daß die Parteien eine abstrakte, von dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis unabhängige Anspruchsgrundlage schaffen wollen. Da ein solcher Abstraktionswille als komplizierte juristische Konstruktion dem ausdrücklichen Willen der Parteien selten zu entnehmen ist, kommt es nach heute ganz herrschender Auffassung darauf an, ob die Abstraktion notwendig ist, um den von den Parteien angestrebten Erfolg rechtstechnisch herbeizufuhren. 240 Ein solcher auf Abstraktion gerichteter Zweck liegt typischerweise dann vor, wenn die Parteien bereits bestehende Verpflichtungen durch das Schuldanerkenntnis verstärken wollen, indem sie den bestehenden Anspruch möglichen Einwendungen aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis entziehen und so dessen Durchsetzbarkeit
236 Schulze-Osterloh, in: IDW, Personengesellschaft und Bilanzierung, 1990, S. 129 (142). 237 Vgl. BGH, WM I960, S. 187 (189); R. Fischer, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1973, § 120 Rdn. 11, 12. 238 Vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1994, S. 1455 (1458); v. Falkenhausen, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 2, § 19 KG Rdn. 45 (S. 412). 239 Zum folgenden ausführlich Muth, Die Bilanzfeststellung bei Personenhandelsgesellschaften, 1986, S. 44ff. 240 Vgl. Hüffer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1997, § 780 Rdn. 16ff.; Marburger, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1986, Vorbem. zu §§780, 781 Rdn. 10; Häuser, in: Soergel, BGB, 11. Aufl. 1985, §§ 780, 781 Rdn. 12 jeweils m.w.N.
248
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
erleichtern wollen.241 Der Gläubiger soll sich zur Durchsetzung seines Anspruchs nur noch auf das Anerkenntnis stützen müssen. 242 Demgegenüber dient das kausale Schuldanerkenntnis nicht dazu, eine zusätzliche neue Verpflichtung zu schaffen. Zweck des kausalen Schuldanerkenntnisses ist es vielmehr, zwischen den Parteien bereits bestehende Rechtsbeziehungen zuklären.243 Dabei soll typischerweise ein bereits bestehendes oder von den Parteien zumindest als möglich erachtetes Schuldverhältnis dem Streit oder der Ungewißheit entzogen werden und so eine endgültige und verläßliche Basis für die Zukunft geschaffen werden.244 Der Zweck des kausalen Schuldanerkenntnisses zielt also auf eine Klärung und Gestaltung bestehender Rechtsverhältnisse, die große Ähnlichkeit mit einem Vergleich nach § 779 BGB aufweist 245 Diese vergleichsähnliche Wirkung des kausalen Schuldanerkenntnisses entspricht gerade dem Interesse und den Bedürfnissen der Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft bei der Feststellung des Jahresabschlusses 2 4 6 Vor der Feststellung des Jahresabschlusses besteht keine Grundlage, die eine Bestimmung der vermögensrechtlichen Ansprüche der Gesellschafter erlaubt. Allein der durch die Geschäftsführung aufgestellte Jahresabschluß ist insoweit keine verläßliche Basis. Zum einen beruht die Darstellung der Vermögens- und Ertragslage im aufgestellten Jahresabschluß auf den subjektiven Kenntnissen und Prognosen der Aufstellenden, ist also notwendigerweise
241 Vgl. Hüffer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1997, § 780 Rdn. 42; Marburger, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1986, Vor. §§ 780, 781 Rdn. 10, § 780 Rdn. 15; Häuser, in: Soergel, BGB, VI. Aufl. 1985, vor §§780, 781 Rdn. 7, §§ 780, 781 Rdn. 17, 153 jeweils m.w.N. 242 Vgl. BGH, NJW 1976, 567; Marburger, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1986, § 780 Rdn. 6. 243 Vgl. BGH, NJW 1984, 799; NJW 1980, 1158f.; WM 1981, 1075ff.; Hüffer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1997, § 781 Rdn. 6. 244 Vgl. BGHZ 66, 250 (254); BGH, NJW 1984, 799; Häuser, in: Soergel, BGB, 11. Aufl. 1985, §§ 780, 781 Rdn. 165f., Hüffer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 2. Aufl. 1997, § 781 Rdn. 3.; Marburger, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1986, § 780 Rdn. 15 § 781 Rdn. 8. 245 Vgl. BGH, NJW 1984, 799; Häuser, in: Soergel, BGB, 11. Aufl. 1985, §§ 780, 781 Rdn. 169, 177; Hüffer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1997, § 7 8 0 Rdn. 42; § 781 Rdn. 3. 246 So auch Hüffer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1997, § 781 Rdn. 22.
D. Bestandskraft der Feststellung bei Personenhandelsgesellschaften
249
unsicher und mit Irrtümern belastet. 247 Zum anderen fehlt es im aufgestellten Jahresabschluß noch an einer verbindlichen Ausübung der bilanzpolitischen Gestaltungsrechte. Da diese eine gewillkürte Darstellung der Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft zulassen, ist die Bemessungsgrundlage für die gewinn- und vermögensabhängigen Ansprüche der Gesellschafter ohne eine Feststellung objektiv gar nicht bestimmbar. Ohne eine Feststellung des Jahresabschlusses sind die Ansprüche der Gesellschafter, insbesondere der gesellschaftsrechtliche Anspruch auf Gewinnausschüttung aus §§ 120, 121 HGB zwar dem Grunde nach gegeben, der Höhe nach aber ungewiß. 248 Die Feststellung dient daher der rechtlichen Klärung und Abschichtung der zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse.249 Sie schafft zunächst die Voraussetzung für die ansonsten objektiv nicht bestimmbaren Gewinnansprüche. Sie ist weiter Grundlage für künftige Jahresabschlüsse.250 Diese Schaffung einer Grundlage für künftige Perioden beinhaltet der Sache nach eine Entscheidung über die Stundung von Gewinnansprüchen. Werden die Gestaltungsrechte nämlich dazu genutzt, stille Reserven zu legen, so verschieben die Gesellschafter ihre Gewinnansprüche in die Zukunft bis zu dem Zeitpunkt, in dem die stillen Reserven in nachfolgenden Jahresabschlüssen wieder aufgelöst werden.251 Soweit im Gesellschaftsvertrag für ausscheidende Gesellschafter zulässige Buchwertklauseln vorgesehen sind, wird durch die Bilanzfeststellung zugleich das künftige Auseinandersetzungsguthaben bestimmt. 252 Diese Notwendigkeit der Feststellung und ihre Auswirkung auf die inhaltliche Bestimmung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse zeigt, daß es bei der Feststellung nicht darum geht, eine zweite, abstrakte Anspruchsgrundlage für Gewinnansprüche zu schaffen. Solange der aus der Gesellschafterstellung fließende Gewinnanspruch nicht bestimmbar ist, ist das Interesse der Gesellschafter notwendigerweise zunächst nur darauf gerichtet, die dem Grunde nach bestehenden Ansprüche zu bestimmen, nicht aber deren Durchsetzbar-
247 Vgl. dazu schon oben § 3 C V 2 a (Seite 129f.). 248 Ähnlich Zunft, NJW 1959, S. 1945 (1946). 249 Vgl. Martens, in: Schlegelberger, HGB, 5. Aufl. 1992, § 120 Rdn. 5. 250 Vgl. Marburger, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1986, § 781 Rdn. 30; Muth, Die Bilanzfeststellung bei Personenhandelsgesellschaften, 1986, S. 47f.; Ulmer, in: Festschrift fur Hefermehl, 1976, S. 207 (215); Zunft, NJW 1959, S. 1945 (1946). 251 Vgl. Zunft, NJW 1959, S. 1945 (1947). 252 Meilicke, in: StBJb 1979/80, S. 447 (457).
250
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
keit und rechtliche Selbständigkeit durch die Schaffung eines selbständigen Anspruches zu verstärken.253 Darüber hinaus läßt sich zeigen, daß bei Annahme eines abstrakten Schuldanerkenntnisses die persönliche Haftung der Gesellschafter nach § 128 HGB unzulässig weit ausgedehnt wird. 254 Die Einordnung der Feststellung als abstraktes Schuldverhältnis würde zu einer Lösung der festgestellten Ansprüche von der gesellschaftrechtlichen Grundlage fuhren. Ansprüche auf Gewinnauszahlungen aus §§120, 121 HGB wären dann keinen Beschränkungen des gesellschaftrechtlichen Innenverhältnisses mehr unterworfen. Sie wären keine Sozialverbindlichkeiten der Gesellschaft mehr, sondern als normale Verbindlichkeiten der Gesellschaft anzusehen 255 Damit könnte der begünstigte Gesellschafter oder auch ein Dritter, an den der Gewinnanspruch abgetreten wurde, seine Erfüllung nicht allein von der Gesellschaft, sondern gemäß § 128 HGB auch von jedem Gesellschafter persönlich verlangen. Der nach § 128 HGB für Gewinnansprüche der Mitgesellschafter persönlich in Anspruch genommene Gesellschafter könnte entgegen § 707 BGB also mittelbar dazu gezwungen werden, über seine Einlage hinaus Beiträge an die Gesellschaft zu leisten. Dies entspricht weder der gesetzlichen Regelung noch den objektiven Interessen der Gesellschafter. Diesen gesellschaftsrechtlichen Bedenken gegen ein abstraktes Schuldanerkenntnis läßt sich konstruktiv zwar dadurch begegnen, daß die Gewinnansprüche, die durch das abstrakte Schuldanerkenntnis geschaffen werden, als 7S7
Sozialverpflichtungen eingeordnet werden. Doch dann fragt sich, was von der Abstraktheit des Schuldanerkenntnisses noch übrig bleibt, wenn die aus ihm resultierenden Ansprüche doch wieder Teile der causa in sich tragen. Ein dem Kontokorrent vergleichbarer Abschluß der Gesellschafterkonten wird jedenfalls unmöglich, denn für die im Saldo enthaltenen Gewinnansprüche ist
253 Ähnlich Martens, in: Schlegelberger, HGB, 5. Aufl. 1992, § 120 Rdn. 5; Zunft, NJW 1959, S. 1945 (1946). 254 Vgl. hierzu vor allem Muth, Die Bilanzfeststellung bei Personenhandelsgesellschaften, 1986, S. 49ff.; Zunft, NJW 1959, S. 1945 (1946). 255 So ausdrücklich BGH, WM 1960, 187 und trotz Befürwortung eines kausalen Schuldanerkenntnisse auch Emmerich, in: Heymann, HGB, 2. Aufl. 1996, § 120 Rdn. 9. 256 Vgl. Muth, Die Bilanzfeststellung bei Personenhandelsgesellschaften, 1986, S. 49ff.; Zunft, NJW 1959, S. 1945 (1946); im Ergebnis auch Hüffer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1997, § 781 Rdn. 22. 257 In dieser Richtung Hüffer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1997, § 781 Rdn. 22.
D. Bestandskraft der Feststellung bei Personenhandelsgesellschaften
251
nun doch ein Rückgriff auf die Rechtsnatur der zugrundeliegenden Einzelpositionen notwendig. Im Ergebnis ist daher mit der im neueren Schrifttum ganz überwiegend vertretenen Auffassung die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafter nicht als abstraktes, sondern als kausales Schuldanerkenntnis anzusehen. Es dient dazu, die dem von der Geschäftsführung aufgestellten Jahresabschluß innewohnenden Ungewißheiten der Vermögens- und Ertragsdarstellung zu beseitigen und so eine Grundlage für die vermögensrechtlichen Ansprüche der Gesellschafter sowie die künftigen Jahresabschlüsse zu schaffen.
II.
Bestandskraft der Feststellung bei Irrtümern über Richtigkeit und Zweckmäßigkeit des Jahresabschlusses
1.
Konstitutive und dekaratorische Wirkung der Feststellung
Haben sich die Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft über die Richtigkeit oder Zweckmäßigkeit des von ihnen festgestellten Jahresabschlusses geirrt, so suchen Lehre und Rechtsprechung den Ansatz für eine Berichtigung falscher oder Änderung unzweckmäßiger Jahresabschlüsse vor allem in der Anfechtung der Beschlußfassung über die Feststellung nach §§ 119, 123 BGB und der Kondiktion des Schuldanerkenntnisses nach § 812 BGB. 258 Dabei beruht dieser Ansatz zumeist auf einer Einordnung der Feststellung als abstraktes Schuldanerkenntnis.259 Der hier in Anschluß an die neuere Auffassung vertretenen Qualifizierung der Feststellung als kausales Schuldanerkenntnis wird dies aber nur unzureichend gerecht. Wesensmerkmal aller kausalen Schuldverhältnisse ist es, daß sie die Zweckvereinbarung der Parteien, die causa, unmittelbar in sich aufnehmen. Die Zweckvereinbarung bestimmt damit, inwieweit das kausale Schuldaner-
258 Vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1994, S. 1455 (1458); Claussen, in: Festschrift fiir Semler, 1993, S. 97 (109); Emmerich, in: Heymann, HGB, 2. Aufl. 1996, § 1 2 0 Rdn. IIa; Flechtheim, in: Düringer/Hachenburg, HGB, 3. Aufl. 1932, § 120 Anm. 3; Meilicke, in: StBJb 1979/80, S. 447 (470); Zunft, NJW 1959, S. 1945 (1947). 259 So vor allem bei Flechtheim, in: Düringer/Hachenburg, HGB, 3. Aufl. 1932, § 120 Anm. 3; Meilicke, in: StBJb 1979/80, S. 447 (470).
252
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
kenntnis Rechtswirkungen entfaltet.260 Die Qualifzierung als kausales Schuldanerkenntnis fuhrt folglich dazu, daß die gesellschaftsrechtliche Zweckvereinbarung der Feststellung bestimmt, ob sie deklaratorische oder konstitutive Wirkung entfaltet. Eine nur deklaratorische Wirkung tritt ein, wenn sich die Zweckvereinbarung der Gesellschafter mit der bereits bestehenden Rechtslage deckt. Weicht die objektiv gegebene Rechtslage von der gewollten Rechtslage ab, entfaltet das Schuldanerkenntnis konstitutive Wirkung. 261 Diese konstitutive Wirkung des kausalen Schuldanerkenntnisses reicht aber nur soweit, wie sie auch seiner causa entspricht. Kommt es zu einer Zweckverfehlung, so ist eine Rückabwicklung kausaler Schuldverhältnisse über das Kondiktionsrecht weder notwendig noch möglich. Das kausale Schuldverhältnis entfaltet vielmehr wegen Zweckverfehlung keine Rechts"if.")
Wirkung. Eine Kondiktion kommt bei einer Einordnung der Feststellung als kausales Schuldanerkenntnis daher von vornherein nicht in Betracht.263 Ähnliches gilt aber auch für die Heranziehung der Irrtumsanfechtung nach §119 BGB. Die in der Beschlußfassung über den festzustellenden Jahresabschluß abgegebenen Stimmen der einzelnen Gesellschafter können zwar unstreitig wie jede Willenserklärungen nach §§ 119 ff. BGB angefochten werden. Einer solchen Anfechtung bedarf der Jahresabschluß als kausales Schuldanerkenntnis aber nur dann, wenn er überhaupt eine rechtliche Bindung zwischen den Gesellschaftern entfaltet. Führt der Irrtum über die Richtigkeit oder Zweckmäßigkeit des Jahresabschlusses dazu, daß die causa der Feststellung entfällt, so bedarf es keiner Irrtumsanfechtung nach § 119 BGB. Umgekehrt ist eine Irrtumsanfechtung nach § 119 BGB unrichtiger oder fehlerhafter Jahresabschlüsse dann ausgeschlossen, wenn der Irrtum aus einer
260 So auch Martens, in: Schlegelberger, HGB, 5. Aufl. 1992, § 120 Rdn. 6; allgemein zur Bestimmung der Rechtswirkung durch die causa Berger, Der Aufrechnungsvertrag, 1996, S. 126 und Fußnote 37 und von Jehring, Der Zweck im Recht, Bd. 1, 6.-8. Aufl. 1923, S. 14f. 261 Vgl. BGHZ 66, 250 (254); Häuser, in: Soergel, BGB, 11. Aufl. 1985, Vor. §§ 780, 781 Rdn.13; §§ 780, 781 Rdn. 171; Hüffer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1997, § 781 Rdn. 5; Marburger, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1986, § 781 Rdn. 11. 262 Vgl. Martens, in: Schlegelberger, HGB, 5. Aufl. 1992, § 120 Rdn. 7 und allgemein für kausale Schuldverhältnisse Berger, Der Aufrechnungsvertrag, 1996, S. 126. 263 Vgl. Hüffer, in: Münchener Kommentar zum BG, 3. Aufl. 1997, § 781 Rdn. 6; Marburger, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1986, § 781 Rdn. 17 und ausführlich die kritische Darstellung bei Baumann, Das Schuldanerkenntnis, 1992, S. 57ff.
D. Bestandskiaft der Feststellung bei Personenhandelsgesellschaften
253
Unsicherheit resultiert, deren Beseitigung durch den festgestellten Jahresabschluß als kausales Schuldanerkenntnis gerade bezweckt wurde.264 Die causa der Feststellung bestimmt also unmittelbar den Umfang der rechtsgeschäftlichen Bestandskraft des Jahresabschlusses für das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis. Die hier unternommene Untersuchung der Zulässigkeit nachträglicher Berichtigungen und Änderungen festgestellter Jahresabschlüsse muß bei der Personenhandelsgesellschaft daher von einer genauen Inhaltsbestimmung der causa der Jahresabschlußfeststellung ausgehen. 2.
Umfang der konstitutiven Wirkung bei Irrtümern über die Richtigkeit und Zweckmäßigkeit festgestellter Jahresabschlüsse
Bereits bei der Rechtsnatur der Feststellung des Jahresabschlusses wurde dargestellt, daß die gesellschaftsrechtliche Aufgabe der Feststellung darin besteht, eine verläßliche Grundlage für die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Gesellschafter zueinander und für die Abrechnung künftiger Perioden zu schaffen. Dies wird erreicht, indem mit der Feststellung die jedem Jahresabschluß immanenten Unsicherheiten beseitigt und zugleich die bilanziellen Gestaltungsmöglichkeiten ausgeübt werden. Die Feststellung stellt also eine Gestaltung der Vermögens- und Ertragsdarstellung auf unsicherer Grundlage dar. Aus dieser gesellschaftsrechtlichen Funktion der Feststellung folgt, daß sich der Inhalt ihrer causa danach bemißt, in welchem Umfang die Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft eine Klärung tatsächlicher Unsicherheiten und eine Festlegung der Gestaltungsmöglichkeiten bewirken wollen. Dies ist wie bei allen kausalen Schuldanerkenntnissen durch Auslegung des erklärten Parteiwillens unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage und der Verkehrsauffassung zu ermitteln. 66
264 Vgl. Martens, in: Schlegelberger, HGB, 5. Aufl. 1992, § 120 Rdn. 7 und allgemein fiir kausale Schuldanerkenntnisse insbes. Marburger, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1986, § 781 Rdn. 19. 265 Ist streitig, ob der festgestellte Jahresabschluß richtig ist, so fuhrt die Einordnung des Jahresabschlusses als kausales Schuldanerkenntis dazu, daß derjenige, der sich auf die Fehlerhaftigkeit des Jahresabschlusses beruft, die Beweislast dafür trägt, daß ein Fehler vorliegt, der nicht von der auf Klärung abzielenden causa erfaßt wird. 266 Vgl. BGHZ 66, 250 (254ff.); Marburger, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1986, § 781 Rdn. 12.
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§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
Welche Reichweite die konstitutive Wirkung der Feststellung des Jahresabschlusses gegenüber nachträglichen Berichtigungen oder Änderungen entfaltet, ist also abschließend nur durch eine Auslegung der im Einzelfall der Feststellung zugrundegelegten Bewertungsregeln und Zweckabreden zu beurteilen. Dies macht es jedoch nicht unmöglich, allgemeine Aussagen zur Bindungswirkung der Feststellung zu machen. Ohne besondere Abreden richtet sich der von den Parteien gewollte Inhalt des festzustellenden Jahresabschlusses in der gesellschaftsrechtlichen Praxis nämlich nach den konkludent oder ausdrücklich in Bezug genommenen handelsbilanziellen Jahresabschlußvorschriften. 267 Die rechtsgeschäftliche Bindung festgestellter Jahresabschlüsse bei Irrtümern über die Richtigkeit und Zweckmäßigkeit richtet sich also regelmäßig danach, wie diese Bezugnahme auf die handelsbilanzrechtlichen Vorschriften nach der Verkehrsauffassung und der Interessenlage der Gesellschafter zu verstehen ist. a) Feststellung unrichtiger Jahresabschlüsse Bei der Berichtigung unrichtig festgestellter Jahresabschlüsse ist die Feststellung unter zwei Aspekten auf eine rechtsgeschäftliche Bindungswirkung zu untersuchen: Zunächst ist zu klären, welche Irrtümer von der konstitutiven Wirkung der Feststellung erfaßt werden. Hieraus ergibt sich, welche Arten von Fehlern auch nach der Feststellung im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis noch geltend gemacht werden können und zu berichtigen sind. Für diese Fehler ist dann im weiteren zu untersuchen, in welchem Umfange eine Berichtigung des Jahresabschlusses möglich ist. Zu klären ist, ob eine fehlerhafte Feststellung insgesamt oder nur hinsichtlich der fehlerhaften Positionen ihre Bindungswirkung verliert. aa)
Reichweite der konstitutiven Wirkung bei Feststellung unrichtiger Jahresabschlüsse Legen die Gesellschafter bei der gesellschaftsrechtlichen Feststellung einen nach den handelsbilanzrechtlichen Vorschriften des HGB zu ermittelnden Jahresabschluß zugrunde, so ist für die Reichweite der konstitutiven Wirkung einer Feststellung davon auszugehen, daß sich diese auf solche objektiv unrichtige Bilanzansätze erstreckt, die nach den handelsbilanzrechtlichen Vorschriften als fehlerfrei anzusehen sind. Ist die Abweichung zwischen der dar-
267 Vgl. dazu schon oben § 2 C I 2 (Seite 29ff.).
D. Bestandskraft der Feststellung bei Personenhandelsgesellschaften
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gestellten und der tatsächlichen Vermögens- und Ertragslage dagegen auch nach dem subjektiven Fehlerbegriff des Handelsbilanzrechtes als fehlerhaft anzusehen, entfaltet der festgestellte Jahresabschluß keine Bindungswirkung. Dieser Gleichklang der gesellschaftsrechtlichen Feststellung mit dem handelsbilanziellen Fehlerbegriff ist bei den Personenhandelsgesellschaften im Gegensatz zu den Kapitalgesellschaften zwar nicht unmittelbar im Gesetz angelegt; er ergibt sich jedoch als notwendige Konsequenz aus einer ausdrücklichen oder konkludenten Verweisung auf die handelsbilanzrechtlichen Vorschriften. Infolge der vergleichsähnlichen Natur ist bei sämtlichen kausalen Schuldanerkenntnissen die spätere Geltendmachung solcher Einwendungen ausgeschlossen, die den Parteien im Zeitpunkt der Einigung bekannt waren oder mit denen sie zumindest rechnen mußten. 268 Nehmen die Parteien für den festzustellenden Jahresabschluß Bezug auf die handelsbilanzrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften, so werden diese Vorschriften Inhalt der vergleichsähnlichen causa der Feststellung. Sie bestimmen, mit welchen Irrtümern die Parteien bei der Feststellung des Jahresabschlusses rechnen mußten. Der Verweis auf die handelsrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften bei der Feststellung ist seinem Sinngehalt nach so zu verstehen, daß das Handelsbilanzrecht zugleich Maßstab für die Bestimmung der für das gesellschaftsrechtlichenlnnenverhältnis maßgeblichen Ertrags- und Vermögenslage sein soll. Soweit die handelsbilanziellen Vorschriften Vereinfachungen und die Gefahr von Abweichungen der dargestellten zur tatsächlichen Vermögens- und Erfolgsdarstellung beinhalten,2 9 werden diese Abweichungen von den Gesellschaftern notwendigerweise auch für das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis in Kauf genommen. Die den handelsbilanziellen Bewertungsvorschriften immanenten Risken und Ungenauigkeiten werden also Teil der causa der Feststellung. Spätere Einwendungen der Gesellschafter gegen den festgestellten Jahresabschluß sind aufgrund der Bezugnahme auf die handelsbilanziellen Vorschriften also nur dann beachtlich,
268 Vgl. BGHZ 66, 250 (254); 69, 328 (331); Häuser, in: Soergel, BGB, 11. Aufl. 1985, Vor. §§ 780, 781 Rdn. 165; Marburger, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1986, §781 Rdn. 11. 269 Vgl. vor allem die Ausführungen zum handelsrechtlichen Fehlerbegriff unter § 3 C V 2 (Seite 13 Iff.).
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§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
wenn ihnen keine anderen Bewertungsmaßstäbe als die des Handelsbilanzrechtes zugrunde liegen. Dies gilt insbesondere auch für die Konsequenzen aus § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB. 270 Da hiernach der Vermögens- und Ertragsermittlung die Erkenntnisse im Zeitpunkt der Aufstellung zugrundezulegen sind, besteht notwendigerweise die Gefahr, daß sich die gewählten Ansätze aufgrund später bekannt werdender Tatsachen als unrichtig herausstellen. Die Gefahr einer objektiv unrichtigen Vermögens- und Ertragsdarstellung ist den handelsbilanziellen Vorschriften aber immanent und den Gesellschaftern bei einer Feststellung auf der Grundlage des nach handelsbilanzrechtlichen Vorschriften aufgestellten Jahresabschlusses auch bekannt oder zumindest erkennbar. 271 Dagegen muß der Gesellschafter bei einer Feststellung aufgrund eines handelsbilanziellen Jahresabschlusses nicht damit rechnen, daß der festzustellende Jahresabschluß gegen handelsbilanzielle Vorschriften verstößt. Stellt sich nach der Feststellung heraus, daß ein Ansatz gegen handelsbilanzielle Bewertungsvorschriften verstößt oder von den tatsächlichen Verhältnissen abweicht und diese Abweichung bei sorgfältiger Auswertung aller verfügbaren Informationen erkennbar gewesen wäre, so liegt dies außerhalb der Vergleichsfunktion der Feststellung. Wegen Verfehlung der causa entfaltet die Feststellung des Jahresabschlusses in diesen Fällen, in denen der Jahresabschluß auch handelsbilanzrechtlich fehlerhaft ist, keine konstitutive Wirkung. bb) Umfang der Fehlerberichtigung Fehlt dem festgestellten Jahresabschluß infolge fehlerhafter Bilanzierung die konstitutive Wirkung, so ist der Jahresabschluß ohne eine Berichtigung als Grundlage fur die Bestimmung der gesellschaftsrechtlichen Ansprüche der Gesellschafter zueinander untauglich. Jeder Gesellschafter kann daher eine Berichtigung des festgestellten Jahresabschlusses verlangen, soweit ihm der Beweis der handelsbilanzrechtlichen Fehlerhaftigkeit gelingt. 272 Dieser An-
270 Vgl.auch oben § 3 C V 2 (Seite 128ff.). 271 In dieser Richtung auch Martens, in: Schlegelberger, HGB, 5. Aufl. 1992, § 120 Rdn. 6. 272 Dies wird in aller Regel voraussetzen, daß der Gesellschafter zunächst in die Buchführung der Gesellschaft Einblick nehmen muß um den behaupteten Fehler substantiieren zu können. Vor Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses muß er gegebenenfalls auf Auskunft oder Einsichtnahme in das Rechnungswesen klagen muß. Behauptet er dagegen einen konkreten Fehler in einer bestimmten Position, so ist wegen (Fortsetzung der Fußnote auf nächster Seite)
D. Bestandskraft der Feststellung bei Personenhandelsgesellschaften
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spruch auf Berichtigung läßt jedoch noch ungeklärt, in welchem Umfang ein festgestellter Jahresabschluß berichtigt werden kann. (1) Grundsatz der umfänglichen Neugestaltung In der Rechtsprechung und Literatur wird davon ausgegangen, daß bei Personenhandelsgesellschaften eine Berichtigung nur bei den Positionen des Jahresabschlusses zulässig sei, die im festgestellten Jahresabschluß fehlerhaft dargestellt sind. 273 Dieser Auffassung kann sowohl bei einer Qualifizierung der Feststellung als abstraktes wie auch als kausales Schuldanerkenntnis nicht gefolgt werden. Ist ein festgestellter Jahresabschluß fehlerhaft, so kommt keiner seiner Positionen eine rechtliche Bestandskraft zu. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß der Jahresabschluß umfänglich neu gestaltet werden kann. Qualifiziert man die Feststellung eines Jahresabschlusses wie die Rechtsprechung als abstraktes Schuldanerkenntnis, so ist ein Festhalten an einzelnen Positionen inkonsequent. Läßt man mit der Rechtsprechung eine Anfechtung fehlerhafter Jahresabschlüsse nach § 119 BGB zu, so ist die Feststellung des Jahresabschlusses notwendigerweise insgesamt nichtig, denn eine Teilnichtigkeit angefochtener Rechtsgeschäfte existiert zivilrechtlich nicht. 274 Die Auffassung der Rechtsprechung bedeutet daher im Ergebnis, daß die Feststellung in einzelne abstrakte Anerkenntnisse für jede Einzelposition aufgelöst wird. Gleiches gilt für die hier vorgenommene Qualifizierung der Feststellung als kausales Schuldanerkenntnis. Die im Schrifttum vertretene Ansicht, daß der festgestellte Jahresabschluß nur hinsichtlich der fehlerhaften Positionen seine Bindungswirkung verliere, wird der causa der Feststellung nur unzureichend gerecht. Die Beschränkung der Berichtigung auf die fehlerhaften Positionen impliziert eine Reduktion des gesellschaftsrechtlichen Zwecks der Feststellung auf die Bewertungen unsicherer Bilanzpositionen. Der auszuweisende Gewinn muß nach dieser Auffassung dagegen außerhalb der causa stehen, denn nur
der prozessualen Dokumentationsfiinktion der Rechnungslegung (s. oben § 3 C IV 1 a bb Seite 97f.) davon auszugehen, daß die Darlegungslast für die Richtigkeit der gerügten Position beim Unternehmen liegt. 273 Vgl. BGH, WM I960, 190 (=BB 1960, 188); Weirich, Wpg 1976, S. 625 (626); Martens, in: Schlegelberger, HGB, 5. Aufl. 1992, § 120 Rdn. 6. 274 Vgl. auch Greiner, Die steuerliche Bilanzberichtigung und Bilanzänderung, 1966, S. 117.
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§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
dann kann er durch eine bloße Rechenoperation bestimmt werden. Der im Jahresabschluß festgestellte Gewinn wird also zur bloßen Saldogröße degradiert. Die Feststellung wird als Gestaltung einzelner Positionen aufgefaßt, die dann nur noch zur Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung zusammengefugt werden müssen. Diese implizite Qualifizierung der dargestellten Ertrags- und Vermögenslage als bloße Rechenoperation wird dem Zweck der Feststellung als Gestaltung auf unsicherer Grundlage nicht gerecht. Sie verkehrt die Schwerpunkte des von den Gesellschaftern angestrebten Zweckes. Gegenstand der Feststellung ist nicht allein die Einigung über den Ansatz einzelner, möglicherweise unsicherer Bilanzpositionen. Vielmehr geht es darum, die sich aus sämtlichen Positionen zusammensetzende Gewinn- und Gesamtvermögensdarstellung in einem einheitlichen Rechenwerk zu bestimmen. Dies setzt zwar notwendigerweise eine Einigung über jede einzelne Position voraus, doch sind diese Einigungen über einzelne Bilanzpositionen gleichwohl nicht selbständiger Natur. Sie sind aufeinander bezogen und letztlich nur Instrumente zur Erreichung des gewollten Gesamtbildes. Dieser Zweck der Feststellung, ein Gesamtbild der Gewinn- und Vermögenslage der Gesellschaft zu entwerfen, verbietet es, bei fehlerhaften Jahresabschlüssen die Einigung über die nicht fehlerhaften Positionen als bindend anzusehen. Causa der Feststellung ist daher der durch die Gesamtgestaltung zustandegekommene Gewinn und das Gesamtvermögen. Tritt in einer der Einzelpositionen ein zu berichtigender Fehler auf, so entfallt für den gesamten festgestellten Jahresabschluß die causa. Es ist also erforderlich, sich in einer erneuten Feststellung über den gesamten Jahresabschluß zu einigen. (2) Grenzen der Neugestaltung Der nach Berichtigung des Fehlers neu festzustellende Jahresabschluß ist allerdings nicht ohne Grenzen neu zu gestalten. Ebenso wie bei der ursprünglichen Feststellung des Jahresabschlusses unterliegen die Gesellschafter zueinander den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Treue- und Rücksichtnah•yjc
mepflichten. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, ob aufgrund des fehlerhaften Jahresabschlusses bereits berechtigte Gewinnerwartungen entstanden sind oder gar schon Gewinnausschüttungen stattgefunden haben.
275 Vgl. hierzu etwa v. Falkenhausen, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 2, § 22 KG Rdn. l l f f . (S. 453), Rdn. 59 (S. 461); Priester, in: IDW (Hrsg.), Personengesellschaft und Bilanzierung, 1990, S. 63 (71).
D. Bestandskraft der Feststellung bei Personenhandelsgesellschaften
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Solche schutzwürdigen Interessen aller oder einzelner Gesellschafter setzen der Neugestaltung des zu berichtigenden Jahresabschlusses Grenzen. Diese zielen darauf, eine Aushöhlung schutzwürdiger Gewinnansprüche durch gewinnreduzierende Wahlrechtsausübungen zu verhindern. An eine weitere Grenze für die Neugestaltung im Innenverhältnis ist bei Kommanditgesellschaften wegen des Schutzes der Kommanditisten bei gutgläubigem Empfang von Scheingewinnen nach § 172 Abs. 5 HGB zu denken. Dann müsste diese Norm, die ihrem systematischen Standort nach der Bestimmung der Haftung des Kommanditisten im Außenverhältnis der Gesellschaft dient, auch auf das Innenverhältnis anzuwenden sein. Dies wird von der herrschenden Meinung abgelehnt. 276 Nach anderer Ansicht soll dagegen §172 Abs. 5 HGB auch im Innenverhältnis Geltung beanspruchen. Andernfalls wäre es den Gläubigern der Gesellschafter möglich, einen Rückforderungsanspruch der Gesellschaft gegen den Kommanditisten aus § 812 BGB 777 zu pfänden und aus diesem zu vollstrecken. Gegen eine solche Übertragung einer Schutznorm im Außenverhältnis auf das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis spricht jedoch, daß die Gewinnermittlung im gesellschaftrechtlichen Innenverhältnis ebensowenig wie die Bewertung geleisteter Einlagen mit den für das haftungsrechtliche Außenverhältnis geltenden handelsbilanzrechtlichen Vorschriften übereinstimmen muß. Im Innenverhältnis fehlt § 172 Abs. 5 HGB daher möglicherweise ein nach den objektiven Werten des Handelsbilanzrechts ermittelter Gewinnanspruch als Anknüpfungspunkt für den guten Glauben im Sinne von § 172 Abs. 5 HGB. 278 Zudem erscheint zweifelhaft, ob es zum Schutz gutgläubiger Kommanditisten der analogen Anwendung von § 172 Abs. 5 HGB auf das Innenverhältnis überhaupt bedarf. Eine § 172 Abs. 5 HGB weitgehend entsprechende Beschränkung der RückZahlungsverpflichtung läßt sich auch aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht herleiten. Hat ein Kommanditist in gutem Glauben aufgrund eines festgestellten Jahresabschlusses Gewinne ausgezahlt bekommen, so müssen ihm diese Gewinne nach Treu und Glauben bei der
276 Vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl. 1995, § 172 Rdn. 10; Emmerich, in: Heymann, HGB, 2. Aufl. 1996, § 172 Rdn. 23; Martens, in: Schlegelberger, HGB, 5. Aufl. 1992, § 172 Rdn. 16ff. jeweils m.w.N. 277 Vgl. K. Schmidt, BB 1984, S. 1588 (1592). 278 Dazu sogleich ausführlich die Ausführungen unter § 4 D III 1. auf Seite 262ff. und in Fußnote 301.
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§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
erneuten Feststellung des berichtigten Jahresabschlusses möglichst belassen werden. Gestaltungsspielräume sind daher auch im neu festgestellten Jahresabschluß so auszuüben, daß der Gewinnanspruch des Kommanditisten erhalten bleibt. Hieran sind dann auch die Gläubiger der Gesellschaft gebunden. Eine Übertragung der Haftungsbegrenzung im Außenverhältnis der Gesellschaft nach § 172 Abs. 5 HGB auf das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis ist zum Schutz gutgläubiger Kommandititen also nicht erforderlich und mit der herrschenden Meinung abzulehnen. Aus § 172 Abs. 5 HGB erwächst keine eigenständige Beschränkung der Gestaltung bei Neufeststellung des Jahresabschlusses. b)
Verhältnis von causa und Änderung unzweckmäßiger Wahlrechtsausübungen Der festgestellte Jahresabschluß beruht nicht nur auf Vorstellungen der Gesellschafter zur richtigen Vermögens- und Ertragslage, sondern im Regelfall zugleich auf Überlegungen der Gesellschafter zur wirtschaftlich zweckmäßigen Gestaltung der dargestellten Vermögens- und Ertragslage. Stellen sich diese Zweckmäßigkeitsüberlegungen später als unzutreffend dar, so ist fraglich, ob der festgestellte Jahresabschluß als kausales Schuldanerkenntnis gleichwohl rechtsgeschäftlich bindend ist. Dies hängt, ähnlich der gleich gelagerten Frage bei der Irrtumsanfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB, davon ab, ob die mit dem festgestellten Jahresabschluß angestrebten wirtschaftlichen Überlegungen der Gesellschafter bloßes Motiv der Feststellung sind oder aber in die causa der Feststellung Eingang gefunden haben. Dies ist abschließend wiederum nur durch Auslegung der Erklärungen im Einzelfall zu ermitteln. Ohne besondere Umstände kann allerdings davon ausgegangen werden, daß sich der gemeinsame Zweck der Feststellung in der Schaffung einer sicheren Grundlage für die Berechnung gesellschaftsrechtlicher Ansprüche erschöpft. Aus welchen wirtschaftlichen Überlegungen die einzelnen Gesellschafter der konkreten Gestaltung des festgestellten Jahresabschlusses zugestimmt haben, ist den anderen Gesellschaftern oft weder ersichtlich noch stimmen die Gründe der Gesellschafter überein. Ohne besondere Anhaltspunkte für eine gemeinsame Bestimmung eines wirtschaftlichen Zweckes ist im Regelfall daher davon auszugehen, daß die wirtschaftlichen Überlegungen der beteiligten Gesellschafter nicht Eingang in die causa der Feststellung gefunden haben. Sie sind als bloße Motive fur die rechtsgeschäftliche Bindung durch die Feststellung ohne Bedeutung.
D. Bestandskraft der Feststellung bei Personenhandelsgesellschaften
261
Anders kann sich die Sachlage aber darstellen, wenn die Gesellschafter den festgestellten Jahresabschluß gerade im Hinblick auf konkrete wirtschaftliche Ziele vorgenommen haben. Dies kommt etwa in Betracht, wenn der Jahresabschluß ausdrücklich im Hinblick auf mögliche Steuervorteile gestaltet wurde oder stille Reserven angelegt wurden, um einen hinreichenden Innenfinanzierungsspielraum für geplante Investitionen zu erhalten. Erweisen sich in diesem Fall die erwarteten Steuervorteile als nicht stichhaltig oder wird die geplante Investition wider Erwarten nicht durchgeführt, so ist anzunehmen, daß hier nicht nur das Motiv der Feststellung, sondern deren causa entfallen ist. Mangels causa fehlt dem festgestellten Jahresabschluß wie bei der Berichtigung die rechtsgeschäftliche Bindung. In gleichem Umfange wie bei der oben dargestellten Berichtigung kann in diesen Fällen von jedem Gesellschafter eine Änderung des Jahresabschlusses und erneute Feststellung begehrt werden. Im Ergebnis läßt sich festhalten, daß ein fehlerhafter oder unzweckmäßiger Jahresabschluß im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis dann keine rechtsgeschäftliche Bindungswirkung entfaltet, wenn der Fehler oder die Unzweckmäßigkeit die causa der Feststellung entfallen lassen. Die Möglichkeit zur Berichtigung oder Änderung des Jahresabschlusses erstreckt sich in diesen Fällen grundsätzlich auf den gesamten Jahresabschluß.
III.
Nichtigkeitsgründe der Feststellung bei Personenhandelsgesellschaften
Läßt ein Fehler die causa des festgestellten Jahresabschlusses nicht entfallen, so stellt sich die Frage, ob auch bei Personenhandelsgesellschaften Verstöße gegen gesetzlichen Bilanzierungsvorschriften auch zur Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses kraft gesetzlicher Vorschriften führen kann. Ebenso wie bei der GmbH enthält das Handelsbilanz- und Gesellschaftsrecht auch für die Personenhandelsgesellschaften keine ausdrückliche Regelung für die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Ansatz- und Bewertungsvorschriften des HGB im festgestellten Jahresabschluß. Während diese Lücke im Recht der GmbH durch eine analoge Anwendung von § 256 AktG
262
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
geschlossen werden kann, 279 wird eine solche analoge Anwendung der aktienrechtichen Nichtigkeitsvorschriften auf die Personenhandelsgesellschaften ion in der Literatur abgelehnt. Dem ist zuzustimmen. Im Gegensatz zur GmbH fehlt nämlich bei den Personenhandelsgesellschaften eine der Aktiengesellschaft vergleichbare Haftungsbeschränkung auf das eingezahlte Kapital. Die Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses richtet sich bei den Personenhandelsgesellschaften entsprechend der rechtsgeschäftlichen Natur der Feststellung nach den allgemeinen Regeln des Zivilrechts. 1.
Keine Gesetzeswidrigkeit gemäß § 134 BGB bei Verstößen gegen das Handelsbilanzrecht
Im Schrifttum findet sich häufig die Annahme, daß die Feststellung auch bei Personenhandelsgesellschaften nicht gegen zwingende Vorschriften der gesetzlichen Rechnungslegung verstoßen darf. Werden im festgestellten Jahresabschluß Vermögenswerte überbewertet, so sei der Jahresabschluß nach §134 BGB nichtig. Im Ergebnis ähnlich ist die Auffassung, daß im Falle des Verstoßes gegen zwingende gesetzliche Vorschriften die Feststellung frei widerrufbar sei.2 2 Diese Auffassung rekurriert zwar nicht ausdrücklich auf §134 BGB, doch mißt auch sie dem festgestellten Jahresabschluß bei Verstoß gegen zwingende Rechnungslegungsvorschriften keine rechtsgeschäftliche Bindung bei. Beiden Auffassungen kann nicht gefolgt werden. Ihnen liegt die Annahme zugrunde, daß die handelsbilanzrechtlichen Vorschriften des HGB nicht nur das Außenverhältnis der Personenhandelsgesellschaften bestimmen, sondern auch das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis. Dies ist jedoch sowohl für die offene Handelsgesellschaft als auch für Kommanditgesellschaft abzulehnen.
279 vgl. oben § 4 C II (Seite 234ff). 280 Vgl. W. Müller, in: Festschrift fur Quack, 1991, S. 359 (372); Schedlbauer, DB 1992, S. 2097 (2102). 281 Vgl. Zunft, NJW 1959, S. 1945 (1946f.) mit Verweis auf RGZ 159, 336; ähnlich Sudhoff, Rechte und Pflichten des Kommanditisten, 3. Aufl. 1985, S. 66ff.; Weirich, Wpg 1976, S. 625 (626). 282 Vgl. Emmerich, in: Heymann, HGB, 2. Aufl. 1996, § 120 Rdn. IIa; R. Fischer, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1973, § 120 Anm. 12; Martens, in: Schlegelberger, HGB, 5. Aufl. 1992, § 120 Rdn. 6. BGH, BB 1966, 474; OLG Düsseldorf, NJWRR, 1994, 1455.
D. Bestandskraft der Feststellung bei Personenhandelsgesellschaften
a)
Offene
263
Handelsgesellschaft
Für die offene Handelsgesellschaft ist anerkannt, daß die Regelung des gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnisses in vollem Umfange der Privatautonomie unterliegt. Das HGB verweist für die Berechnung der Gewinnansprüche nach § 120 HGB zwar implizit auf die handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften,284 doch sind diese für das Innenverhältnis dispositiv. Dies hat seinen Grund in der unbeschränkten Haftung der Gesellschafter nach §§ 105 Abs. 1, 128 HGB. Den Gläubigern haftet hiernach sowohl das Betriebsvermögen der Gesellschaft als auch das Privatvermögen der Gesellschafter unmittelbar. Eine zwingende gesetzliche Abgrenzung des Privatvermögens vom Unternehmensvermögen ist daher nicht notwendig. Ebensowenig bedarf es einer gesetzlichen Beschränkung der gesellschaftsrechtlichen Ansprüche auf solche Gewinne, die unter Kapitalerhaltungsgesichtspunkten ausgeschüttet werden können. In der Gesellschaft gebundenes Vermögen und als Gewinn an die Gesellschafter ausgeschüttetes Vermögen ist in der Haftungskonzeption der offenen Handelsgesellschaft vielmehr gleichwertig. Die Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft können ihren innergesellschaftlichen Beziehungen daher grundsätzlich jede von ihnen als sinnvoll erachtete Rechnungslegung zugrunde legen. Die für das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis maßgebliche Feststellung ist nicht an die dem öffentlichen Recht zuzuordnenden Ansatz-, Bewertungs- oder Gliederungsvorschriften des Handelsbilanzrechtes gebunden.285 Es ist sowohl zulässig, einzelne Vermögensgegenstände bewußt höher als nach den handelsbilanziellen
283 Vgl. R. Fischer, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1973, § 120 Anm. 6f.; Flechtheim, in: Düringer/Hachenburg, HGB, 3. Aufl. 1932, § 120 Anm. 3; Goerdeler, in: Festschrift für Fleck, 1988, S. 53 (60); Münzinger, Bilanzrechtsprechung der Zivilund Strafgerichte, 1987, S. 42. 284 Vgl. schon oben § 2 C I 2 (Seite 29ff.). 285 So schon Flechtheim, in: Düringer/Hachenburg, HGB, 3. Aufl. 1932, § 120 Anm. 3; ähnlich v. Falkenhausen, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 2, § 15 KG Rdn. 2 (S. 377); Herrmann, in: IDW, Personengesellschaft und Bilanzierung, 1990; S. 167 (177); Meilicke, in: StBJb 1979/80, S. 447 (470f.).
264
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
Vorschriften zu bewerten286 als auch gänzlich von den durch das Vorsichtsprinzip geprägten handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften abzuweichen. So wäre es etwa zulässig, den gesellschaftsrechtlichen Gewinnansprüchen die an der Ermittlung von Marktwerten orientierten angelsächsischen Bewertungsvorschriften zugrunde zu legen. Ein Verstoß gegen zwingende gesetzliche Vorschriften, der zu einer Nichtigkeit der Feststellung gemäß § 134 BGB oder einer freien Widerrufbarkeit wegen Gesetzesverstoß führt, kann hierin nicht gesehen werden. Konsequenz einer solchen Regelung ist lediglich, daß die im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis bestehende Rechnungslegung nunmehr nicht mehr dazu geeignet ist, zugleich die im Außenverhältnis bestehende öffentlich-rechtliche Rechnungslegungpflicht nach den handelsbilanziellen Vorschriften zu erfüllen. Der gesellschaftsrechtliche und der handelsbilanzielle Jahresabschluß können also auseinanderfallen. Im Extremfall sind sogar zwei vollkommen selbständige Rechenwerke zu erstellen. Dies mag aus Sicht der Unternehmenspraxis zwar umständlich erscheinen, ist aber notwendige Konsequenz der Privatautonomie im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis. Solange eine von den handelsbilanziellen Vorschriften abweichende Bilanzierung in einem festgestellten Jahresabschluß dem Willen der Gesellschafter der oHG entspricht, sind diese daher an die Feststellung gebunden. Weder ist die Feststellung wegen Gesetzesverstoßes nach § 134 BGB nichtig, noch ist sie frei widerrufbar. Haben die Gesellschafter einer oHG dagegen für ihr gesellschaftsrechtliches Innenverhältnis die Anwendung der handelsbilanziellen Normen vereinbart, so bedarf es weder einer Nichtigkeit nach § 134 BGB noch eines Widerrufsrechts wegen Gesetzesverstoßes. In diesem Falle fehlt der von den handelsbilanziellen Vorschriften abweichenden Jahresabschlußfeststellung wie oben dargestellt288 die causa, so daß der festgestellte Jahresabschluß von vornherein keine rechtsgeschäftliche Bindungswirkung entfaltet.
286 Vgl. Hermann, in: IDW, Personengesellschaft und Bilanzierung, 1990, S. 167 (177); Meilicke, in: StBJb 1979/80, S. 447 (471) und in diesem Sinne auch Martens, in: Schlegelberger, HGB, 5. Aufl. 1992, § 120 Rdn. 7, 20, der aber zugleich von einem Widerrufsrecht bei gesetzeswidriger Bilanzierung ausgeht. Für die Bewertung und Bilanzierung einer Sacheinlage BGHZ 17, 130 (134), Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl. 1995, § 120 Rdn. 17 (m.w.N.). 287 Zur Möglichkeit des Auseinanderfallens von handelsrechtlichem und gesellschaftsrechtlichem Jahresabschluß vgl. Meilicke, in: StBJb 1979/80, S. 447 (471). 288 Siehe oben § 4 D II 2 a aa (Seite 254f.).
D. Bestandskraft der Feststellung bei Personenhandelsgesellschaften
b)
265
Kommanditgesellschaft
Dieselben Grundsätze gelten auch für die Kommanditgesellschaft. Dem steht nicht entgegen, daß hier die Kommanditisten gemäß §§ 171, 172 HGB einer Haftungsbeschränkung unterworfen sind, die durch eine geeignete Rechnungslegung zu konkretisieren und zu dokumentieren ist.289 Diese rechnerische Konkretisierung und Dokumentation wird hinreichend durch die öffentlich-rechtliche Rechnungslegung nach den handelsbilanziellen Vorschriften bewirkt.290 Eine zusätzliche Bindung der auf das Innenverhältnis gerichteten gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung an die für das Außenverhältnis bestimmten handelsbilanziellen Vorschriften entspricht weder der Konzeption des Gesetzes noch ist sie zur Bestimmung der Haftung des Kommanditisten notwendig. Handelsbilanzielle Rechnungslegung im Außenverhältnis und gesellschaftsrechtliche Rechnungslegung im Innenverhältnis können auch hier auseinanderfallen, ohne daß hieraus ein Gesetzesverstoß nach § 134 BGB resultiert. Dies zeigt sich zum einen in der Behandlung der Einlageverpflichtung des Kommanditisten. Nach allgemeiner Auffassung ist fur diese Einlageverpflichtung zwischen der Pflichteinlage und der Hafteinlage zu unterscheiden. 91 Die erstgenannte betrifft die im Innenverhältnis der Gesellschafter bestehende Verpflichtung, einen Vermögensbeitrag zu erbringen; die zweitgenannte dagegen die im Außenverhältnis zu den Gläubigern bestehende Haftungsbegrenzung auf die Einlageverpflichtung.292 In Literatur und Rechtsprechung ist anerkannt, daß Leistungen des Kommanditisten auf seine Einlageverpflichtung im Innen- und Außenverhältnis nicht notwendigerweise gleich zu behandeln sind. Die für das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis maßgebliche Frage, ob eine Beitragsleistung der geforderten Pflichteinlage
289 Vgl. oben § 3 C III 3 c bb (Seite 86f.). 290 So im Ergebnis auch Schulze-Osterloh, ZGR 1991, S. 488 (498ff„ 512f.) für den Fall einer von den handelsrechtlichen Vorschriften abweichenden Einlagebewertung. 291 Vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl. 1995, § 120 Rdn. 17, der sogar von einem scharfen Gegensatz zwischen Bewertungsfreiheit im Innenverhältnis und Erfordernis der objektiven Bewertung im Außenverhältnis ausgeht. 292 Vgl. ausführlich Horn, in: Heymann, HGB, 2. Aufl. 1996, § 161 Rdn. 77f.; Schilling, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1987, § 161 Rdn. 15.
266
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
genügt, unterliegt der Disposition der Gesellschafter.293 Im Rahmen dieser Dispositionsfreiheit sind sie darin frei, eigene Bewertungsmaßstäbe für die Leistungen des Kommanditisten auf seine Pflichteinlage zu wählen. Ebenso wie eine Unterbewertung ist auch eine bewußte Überbewertung von Sacheinlagen zulässig und wirksam.294 Demgegenüber ist die Erbringung der Haftungseinlage der Parteidisposition entzogen. 295 Hier besteht das Bedürfnis einer objektiven Bewertung.2 6 Für die Werthaltigkeit einer Leistung auf die Haftungseinlage wird daher auf die bilanziellen Ansatz- und Bewertungsre907
geln abgestellt. Für die Berechnung der Einlage besteht also ein "zweispuriges Haftungskonzept", das zu einem Nebeneinander von gesellschaftsvertraglicher Verpflichtung und Außenhaftung fuhren kann.298 Wenn aber schon bei der ursprünglichen Leistung der Einlage die gesellschaftsvertragliche Verpflichtung des Kommanditisten von der Außenhaftung abweichen kann, dann ist nicht erkennbar, warum die Fortschreibung dieser Einlage im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis nunmehr denselben Regeln wie im Außenverhältnis folgen soll. Sofern für die gesellschaftsrechtliche Gewinnermittlung andere Regeln gelten als für die handelsbilanzielle, ist ebenso wie bei der oHG eine zweigleisige Rechnungslegung vorzunehmen:
293 Vgl. RGZ 150, 163 (171); BGH, WM 1982, 5 (7); Flechtheim, in: Düringer/Hachenburg, HGB, 3. Aufl. 1932, §161 Anm. 7; Horn, in: Heymann, HGB, 2. Aufl. 1996, § 161 Rdn. 78; Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 209; K. Schmidt in: Schlegelberger, HGB, 5. Aufl. 1992, § 161 Rdn. 11. 294 Vgl. BGH, BB 1959, 92; v. Falkenhausen, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 2, § 15 KG Rdn. 2 (S. 377); Horn, in: Heymann, HGB, 2. Aufl. 1996, § 161 Rdn. 78, 80; Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 21 Off.; Martens, in: Schlegelberger, HGB, 5. Aufl. 1992, § 120 Rdn. 20. 295 Vgl. v. Falkenhausen, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 2, § 15 KG Rdn. 7 (S. 378); Martens, in: Schlegelberger, HGB, 5. Aufl. 1992, § 161 Rdn. 27f. 296 Vgl. Horn, in: Heymann, HGB, 2. Aufl. 1996, § 161 Rdn. 80. 297 Vgl. BGHZ 95, 188 (194f.); 109, 334 (337ff.); Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 195ff.; Schilling, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1987, § 161 Rdn. 13; K. Schmidt in: Schlegelberger, HGB, 5. Aufl. 1992, §§ 171, 172 Rdn. 9. 298 Vgl. v. Falkenhausen, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 2, § 27 KG Rdn. 3 (S. 556); ausfuhrlich K. Schmidt, Einlage und Haftung des Kommanditisten, 1977, S. 2ff., 19ff.; kritisch zu dieser Zweispurigkeit Häsemeyer, ZHR 1985, S. 42 (45ff).
D. Bestandskraft der Feststellung bei Personenhandelsgesellschaften
267
eine gesellschaftsrechtliche zur Ermittlung der Gewinnansprüche des Kommanditisten und eine handelsbilanzielle, in der die Entwicklung der Haftungseinlage nach §§ 171, 172 HGB durch Gewinnthesaurierung und Auszahlungen entsprechend den handelsbilanziellen Bewertungsregeln fortgeschrieben wird. 99 Eine solche zweispurige Rechnungslegung wird zudem dem gesetzlichen Haftungskonzept der Kommanditgesellschaft besser gerecht als eine zwingende Anbindung der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung an die handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften. Die gesetzliche Haftungskonzeption der Kommanditgesellschaft beruht im Gegensatz zu der bei den Kapitalgesellschaften nicht darauf, eine Mindestausstattung der Gesellschaft mit haftendem Kapital durch Beschränkung der Ausschüttungen und Verhinderung einer Rückgewähr geleisteter Einlagen zu gewährleisten. Ausschüttungsbeschränkungen und Verbot der Einlagenrückgewähr sind dem Recht der Kommanditgesellschaft fremd. Das Gesetz beschränkt sich vielmehr darauf, im Falle der Rückgewähr geleisteter Einlagen oder Entnahme nicht mehr vorhandener Gewinne nach § 172 Abs. 4 HGB die persönliche Haftung wieder aufleben zu lassen. Entgegen einer verbreiteten Bezeichnung des § 172 Abs. 4 HGB als Kapitalsicherungsnorm300 liegt dem Haftungskonzept der Kommanditgesellschaft keine Kapitalsicherung, sondern eine Haftungssicherung zugrunde. Ebenso wie bei der oHG wird die beschränkte persönliche Haftung des Kommanditisten mit seinem Privatvermögen der Bindung von Kapital im Unternehmen als gleichwertig erachtet. Eine Beschränkung der gesellschaftsrechtlichen Ausschüttungsansprüche auf den Gewinn, der auch unter Kapitalerhaltungsgesichtspunkten ausgeschüttet werden kann, ist beim Kommanditisten daher nicht erforderlich. Gerade dies würde bei einer zwingenden Anwendung der handelsbilanziellen Bewertungsvorschriften auf den gesellschaftsrechtlichen Jahresabschluß der Kommanditgesellschaft aber geschehen. Es genügt vielmehr, daß bei einer abweichenden gesellschaftsrecht-
299 So im Ergebnis auch Schulze-Osterloh, ZGR 1991, S. 488 (51 Iff.) und im Ansatz auch bereits Buchwald, JR 1948, S. 65 (66f.), der zwischen der Handelsbilanz zur Bestimmung des Haftungsumfanges und einer internen Bilanz zur Vergütungsberechnung unterscheidet. 300 Vgl. K. Schmidt in: Schlegelberger, HGB, 5. Aufl. 1992, §§ 171, 172 Rdn. 67 m.w.N. Diese Bezeichnung beruht allerdings auf keiner inhaltlichen, sondern nur einer terminologischen Unschärfe. K. Schmidt fiihrt an anderer Stelle (BB 1984, S. 1588) selbst aus, daß es hier nicht um eine Bindung von Mitteln, sondern die Sicherung der Haftung geht.
268
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
liehen Rechnungslegung die Entwicklung der Haftungseinlage aus der zusätzlich zu erstellenden handelsbilanziellen Rechnungslegung ersichtlich bleibt. Allein diese bestimmt im Außenverhältnis den Haftungsumfang des Kommanditisten.301 Im Ergebnis ist daher sowohl für die Feststellung des Jahresabschlusses bei der offenen Handelsgesellschaft als auch der Kommanditgesellschaft eine zwingende Anwendung handelsbilanzieller Vorschriften abzulehnen. Eine Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses nach § 134 HGB oder dessen freie Widerruflichkeit wegen Gesetzesverstoßes scheidet aus. 2.
Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB
Wie sämtliche Beschlüsse kann auch die Feststellung des Jahresabschlusses •5 02
wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein. Eine solche Sittenwidrigkeit kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Gesellschaftsvertrag eine Beschlußfassung über den festzustellenden Jahresabschluß durch Mehrheitsentscheidung vorsieht. Hier kann es vorkommen, daß der festgestellte Jahresabschluß zur Benachteiligung überstimmter Gesellschafter führt. Nehmen diese Benachteiligungen ein solches Ausmaß an, daß die daraus resultierende Schädigung der Minderheitsgesellschafter nicht mehr
301 Folgerichtig muß sich bei einem Auseinanderfallen von gesellschaftsrechtlicher und handelsbilanzieller Rechnungslegung der gute Glaube gemäß § 172 Abs. 5 HGB auf den ergänzenden handelsrechtlichen und nicht den nach gesellschaftsvertraglichen Regeln festgestellten Jahresabschluß beziehen. Nur der nach den objektiven, am Schutz der Gläubiger orientierten, Bewertungsmaßstäbe des Handelsbilanzrechtes errichtete Jahresabschluß vermag den guten Glauben des Kommanditisten in die haftungsunschädliche Gewinnauskehrung zu begründen. Wird dagegen im gesellschaftsrechtlichen Jahresabschluß etwa nach Marktwerten statt nach Anschaffung- und Herstellungskosten bilanziert, so vermag ein daraus resultierender Gewinn zwar einen Gewinnauszah (Fortsetzung der Fußnote auf nächster Seite) lunsanspruch gegen die Kommanditgesellschaft zu begründen, dessen Auszahlung fuhrt mangels guten Glaubens in die Haftungsunschädlichkeit aber gemäß § 174 Abs. 4 HGB zur persönlichen Haftung, soweit dadurch nach handelsbilanziellen Bewertungsmaßstäben die Einlage zurückgewährt wird. 302 Zur Anwendbarkeit von § 138 Abs. 1 BGB auf Beschlüsse Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, 1989, S. 25ff.
D. Bestandskraft der Feststellung bei Personenhandelsgesellschaften
269
durch die Dispositionfreiheit im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis gedeckt wird, so kommt eine Nichtigkeit nach § 138 BGB in Betracht. 303 Solche Fälle sind vor allem dann denkbar, wenn es eine Mehrheit kapitalstarker Gesellschafter darauf anlegt, kapitalschwache Minderheitsgesellschafter durch Bildung hoher stiller Reserven im festgestellten Jahresabschluß auszuhungern und aus der Gesellschaft zu drängen. 304 An eine Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB war daher auch im Fall der Entscheidung des BGH 305 zum Feststellungsrecht des Kommanditisten aus dem Jahre 1996 zu denken. Dort war in der Steuerbilanz ein Gewinn von 16,8 Mio DM ausgewiesen. Gleichzeitig wurde im handelsbilanziellen Jahresabschluß, der zugleich Grundlage der gesellschaftsrechtlichen Gewinnansprüche war, durch Abschreibungen nach § 253 Abs. 4 HGB ein Verlust von 1,1 Mio DM dargestellt. Dies hatte für die Kommanditisten zur Konsequenz, daß sie mangels festgestellten Gewinns keine Gewinnausschüttungen verlangen konnten, obwohl ihnen durch die Steuerbilanz gleichzeitig ein steuerpflichtiger Gewinnanteil zugerechnet wurde. Die Kommanditisten mussten daher ihrer Steuerverpflichtung aus freiem Vermögen nachkommen. War ihnen dies nicht oder nur unter Inkaufnahme erheblicher Nachteile möglich, kommt eine Sittenwidrigkeit der Feststellung nach § 138 Abs. 1 BGB in Betracht. 306 Ist die Feststellung sittenwidrig, so ist das gesamte Rechtsgeschäft nichtig. Ebenso wie bei der Zweckverfehlung muß daher grundsätzlich der gesamte Jahresabschluß neu festgestellt werden; es genügt nicht etwa nur die Abänderung einzelner Positionen, aus denen die Sittenwidrigkeit herrührt. 307
303 Vgl. v. Falkenhausen, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 2, § 22 KG Rdn. 58 (S. 461); Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl. 1971, § 11 V 2 c (S. 185a), Martens, in: Schlegelberger, HGB, 5. Aufl. 1992, § 169 Rdn. 20 304 V. Falkenhausen, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 2, § 21 KG Rdn. 26 (S. 447). 305 Vgl. BGH, DB 1996, S. 926ff. 306 Zur Sittenwidrigkeit bei Gewinnthesaurierung vgl. auch Priester, in: IDW (Hrsg.), Personengesellschaft und Bilanzierung, 1990, S. 63 (79ff.), der allerdings eine Vollthesaurierung grundsätzlich als zulässig erachtet. Zum Steuerentnahmerecht des Gesellschafters allgemein Barz, in: Festschrift für Knur, 1972, S. 25 (28ff.) und umfassend Ganssmüller, Das Steuerentnahmerecht der Gesellschafter von Personenhandelsgesellschaften, 1962. 307 Vgl. oben § 4 Β II 3 a (Seite 215f.) und § 4 D II 2 a bb (1) (Seite 257f.).
270 3.
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
Nichtigkeit publizierter Jahresabschlüsse nach § 10 PublG
Eine spezielle Nichtigkeitsnorm für die Jahresabschlüsse solcher Personenhandelsgesellschaften, die wegen ihrer Größe nach § § 1 , 3 PublG ihren festgestellten Abschluß zu veröffentlichen haben, enthält § 10 PublG. Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses beschränkt sich hier aber auf Prüfungsfehler. § 1 0 PublG will seinem Sinngehalt nach also keine Inhaltskontrolle der gesellschaftsrechtlichen Feststellung erreichen, sondern nur gewährleisten, daß durch eine Prüfung mögliche Abweichungen des gesellschaftsrechtlichen Jahresabschlusses von den handelsbilanzrechtlichen Vorschriften im Außenverhältnis erkennbar werden. Es erscheint daher zweifelhaft, ob sich die Nichtigkeit nach § 10 PublG notwendigerweise auf das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis erstrecken muß. Für die Einhaltung der Publizitätsvorschriften würde es genügen, bei einer Abweichung der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung von den handelsbilanziellen Vorschriften allein den für das Außenverhältnis maßgeblichen handelsbilanziellen Jahresabschluß für nichtig zu erklären. Der Wortlaut von § 10 PublG läßt insoweit hinreichend Spielraum, da er nur vom Jahresabschluß als solchem spricht, ohne zwischen Innen- und Außenverhältnis zu differenzieren. Da für die Entstehung gesellschaftsrechtlicher Ansprüche im Innenverhältnis eine Prüfung des Jahresabschlusses bei Personenhandelsgesellschaften gesetzlich nicht vorgesehen ist, erscheint es angezeigt, im Wege einer teleologischen Auslegung die Nichtigkeit nach § 10 PublG auf den für das Außenverhältnis maßgeblichen handelsrechtlichen Jahresabschluß zu beschränken.
IV.
Anfechtung der Feststellung
Als Grundlage für eine Berichtigung oder Änderung festgestellter Jahresabschlüsse kommt bei den Personenhandelsgesellschaften weiter eine Anfechtung nach §§ 119ff. BGB in Betracht. Gegenstand einer solchen Anfechtung ist auch bei Personenhandelsgesellschaften nicht die Beschlußfassung der Gesellschafter über den festzustellenden Jahresabschluß als solche; es sind vielmehr die der Beschlußfassung zugrundeliegenden Willenserklärungen der Gesellschafter anzufechten. 1ΛΟ
308 Zum Verhältnis der Anfechtung zur konstitutiven Wirkung bei kausalen Schuldanerkenntnissen vgl. bereits oben § 4 D II 1 (Seite 25Iff.).
D. Bestandskraft der Feststellung bei Personenhandelsgesellschaften
1.
271
Mögliche Anfechtungsgründe
Eine Anfechtung der Stimmabgabe nach § 119 Abs. 1 BGB wegen Erklärungs- oder Inhaltsirrtums ist zwar denkbar, dürfte aber ebenso wie bei den Kapitalgesellschaften ohne große praktische Relevanz sein. Aufgrund der Qualifizierung der Feststellung als kausales Schuldanerkenntnis ist bei den Personenhandelsgesellschaften dagegen eine Anfechtung unrichtiger oder unzweckmäßiger Jahresabschlüsse nach § 119 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Ein Irrtum über die Richtigkeit oder Zweckmäßigkeit des festgestellten Jahresabschlusses fuhrt entweder zum Wegfall der causa, so daß die Feststellung von vornherein keine Rechtsbindung entfaltet, oder aber die dem Irrtum zugrundeliegende Unsicherheit war Gegenstand der causa, so daß eine Irrtumsanfechtung durch die vergleichsähnliche Natur der Feststellung ausgeschlossen wird. 3 9 Bei einem kausalen Schuldanerkenntnis uneingeschränkt anwendbar ist •> | Λ
dagegen eine Anfechtung nach § 123 BGB. Praktische Relevanz kann dies dann erhalten, wenn die geschäftsführenden Gesellschafter bei der Aufstellung des Jahresabschlusses bilanzielle Gestaltungsrechte zur Verfolgung eigener Interessen ausgenutzt haben. Wurden die übrigen Gesellschafter bei der Feststellung des vorgelegten Jahresabschlusses über die vorgenommenen Gestaltungen getäuscht, so kommt eine Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB in Betracht. 31 Voraussetzung ist jedoch, daß das Gestaltungsrecht der Feststellungskompetenz der getäuschten Gesellschafter nicht durch Gesetz oder durch vertragliche Ausgestaltung als Geschäftsfiihrungshandlung entzogen war. 312 Nur dann liegt nämlich eine für die Beschlußfassung kausale Täuschung vor. Andernfalls würde es ohnehin an der Feststellungskompetenz der nicht geschäftsfuhrenden Gesellschafter für das Gestaltungsrecht fehlen.
309 Siehe dazu ausführlich oben unter C IV 2 a und b (Seite 251ff.). 310 Vgl. Marburger, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1986, § 781 Rdn. 19b. 311 Vgl. auch Emmerich, in: Heymann, HGB, 2. Aufl. 1996, § 120 Rdn. IIa; Meilicke, in: StBJb 1979/80, S. 447 (470); Zunft, NJW 1959, S. 1945 (1947). 312 Ungeklärt ist dabei allerdings noch, welche Gestaltungsmöglichkeiten der Feststellungskompetenz der Gesellschafter und welche der Geschäftsführungskompetenz unterliegen. Hierzu grundlegend Ulmer, in: Festschrift für Hefermehl, 1976, S. 207 (208); zum neueren Meinungsstand weiter: Balthasar, in: Hermann/Berger/Wackerbarth, Deutsches und Internationales Bank- und Wirtschaftsrecht im Wandel, 1997, S. 1 (13ff.); Hopf, in: Festschrift ffir Odersky, 1996, S. 799ff.; Schulze-Osterloh, BB 1995, S. 2519ff. jeweils mit umfangreichen Nachweisen.
272 2.
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
Rechtsfolgen der Anfechtung
Die Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB oder § 119 Abs. 1 BGB richtet sich wie bei allen Beschlußanfechtungen nicht unmittelbar gegen den Feststellungsbeschluß, sondern bewirkt zunächst nur, daß die Stimmabgabe gemäß § 142 Abs. 1 BGB nichtig wird. 313 Ob eine Anfechtung der Stimmabgaben dann auch zur Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses fuhrt, hängt bei den Personenhandelsgesellschaften allein von den Beschlußfassungsregeln des Gesellschaftsvertrages und den Stimmverhältnissen ab. Eine bloße Anfechtbarkeit fehlerhafter Beschlüsse analog §§24Iff. AktG, wie dies im Kapitalgesellschaftsrecht der Fall ist, wird im Personenhandelsgesellschaftsrecht dagegen ganz überwiegend abgelehnt.314 Ist eine Feststellung des Jahresabschlusses durch Mehrheitsentscheidung nicht vorgesehen, so hat die Beschlußfassung über den Jahresabschluß gemäß § 119 Abs. 1 HGB einstimmig zu erfolgen. Bereits die Anfechtung einer einzelnen Stimme macht den Gesellschafterbeschluß über den festzustellenden 11 ί
Jahresabschluß nichtig. Ist dagegen eine Mehrheitsentscheidung bei der Feststellung des Jahresabschlusses zulässig, so ist die Feststellung nur dann nichtig, wenn der Mehrheitsbeschluß auf der angefochtenen Stimme beruht. 316 Es kommt also auf die konkreten Stimmenverhältnisse bei dem Beschluß über die Feststellung des Jahresabschlusses an.
313 Vgl. Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl. 1971, § 1 1 V (S. 179ff.); Köster, Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen Gesellschafterbeschlüsse bei oHG und KG, 1981, S. 76ff.; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Verbänden, 1963, S. 359ff. 314 Vgl. zum Meinungstand bei den Personenhandelsgesellschaften nur Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, 1989, S. 169ff. und K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1991, § 47 V 2. (1151f.) mit umfangreichen Nachweisen. 315 Vgl. Köster, Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen Gesellschafterbeschlüsse bei oHG und KG, 1981, S. 77. 316 Vgl. Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl. 1971, § 11 V 1. c) (S. 1781); R. Fischer, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1973, § 119 Anm. 30; Köster, Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen Gesellschafterbeschlüsse bei oHG und KG, 1981, S. 78; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei privatwirtschaftlichen Verbänden, 1963, S. 359ff.
D. Bestandskraft der Feststellung bei Personenhandelsgesellschaften
V.
273
Aufhebung festgestellter Jahresabschlüsse
Erweist sich die Feststellung eines unrichtigen oder unzweckmäßigen Jahresabschlusses nach den vorausgegangenen Ausführungen als bestandskräftig, so kann eine Berichtigung oder Änderung nur noch durch Aufhebung der Feststellung und Beschlußfassung über einen geänderten oder berichtigten Jahresabschluß erfolgen. Diese Möglichkeit der Ersetzung eines festgestellten Jahresabschlusses durch einen actus contrarius ist aufgrund der rechtsgeschäftlichen Natur der Feststellung bei Personenhandelsgeschaften im Gegensatz zur Aktiengesellschaft im Grundsatz unbestritten.3 7 Dies gilt uneingeschränkt aber nur für das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis. Soll bei der Kommanditgesellschaft eine Berichtigung oder Änderung nach der Unterzeichnung gemäß § 245 S. 1 HGB aufgehoben werden, so darf sich die Haftung des Kommanditisten im Außenverhältnis hierdurch nicht vermindern, da diese der Disposition der Gesellschafter nach der öffentlich-rechtlichen Unterzeichnung entzogen ist. Hieraus erwächst jedoch keine Schranke für das Innenverhältnis. Es entsteht vielmehr nur die Notwendigkeit einer handelsbilanziellen Ergänzungsrechnung, wie dies auch im Falle der Überbewertung von Leistungen auf die Pflichteinlage oder einer vom Handelsbilanzrecht abweichenden Gewinnermittlung für die Haftungsbestimmung im Außenverhältnis der Fall ist.319 Ähnlich wie bei der GmbH kann eine Aufhebung der Feststellung zum Zwecke der Berichtigung oder Änderung aber daran scheitern, daß nicht alle Gesellschafter zustimmen. Der Beschluß über die Aufhebung eines festgestellten Jahresabschlusses muß gemäß § 119 Abs. 1 HGB mit Zustimmung aller betroffenen Gesellschafter erfolgen. Hier hilft es dann auch nicht, wenn der Gesellschaftsvertrag eine Feststellung des Jahresabschlusses durch Mehrheitsentscheidung vorsieht. Eine solche Vereinbarung erfaßt nur die erstmalige Feststellung eines Jahresabschlusses, nicht aber dessen Aufhebung. Eine Mehrheitsentscheidung über den festzustellenden Jahresabschluß beinhaltet gegenüber den überstimmten Gesellschaftern ein gesellschaftsvertragliches Gestaltungsrecht, das dem Leistungsbestimmungsrecht nach §§315ff. BGB TIO
317 Vgl. Hoffmann, Änderung festgestellter Bilanzen, insbesondere von DMEröffnungsbilanzen, BB 1956, S. 568; Meilicke, in: StBJb 1979/80, S. 447 (474); Nolle, DB 1963, Beilage 12, S. lf. 318 Vgl. hierzu ausführlich oben § 3 CIV 2 a (Seite 117f.). 319 Vgl. dazu oben IV 2 a aa auf Seite 265ff.
274
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
vergleichbar ist. 320 Entsprechend dem Rechtsgedanken in § 315 Abs. 2 BGB ist daher davon auszugehen, daß die Mehrheitsentscheidung über die Feststellung mit ihrer Mitteilung bindend wird.321 Den betroffenen Gesellschaftern kann weder nachträglich ein durch die Feststellung entstandener Gewinnanspruch entzogen werden, noch kann ihnen ein höherer Gewinnanspruch aufgedrängt werden. 322 Im Schrifttum wird erwogen, in solchen Fällen eine Aufhebung zum Zwecke der Abänderung oder Berichtigung dann zuzulassen, wenn die einer Aufhebung zustimmenden Gesellschafter dazu bereit sind, an die widerstrebenden Gesellschafter aus ihrem Privatvermögen Ausgleichsleistungen für mögliche Gewinnkürzungen zu erbringen.323 Diesem Gedanken ist im Ergebnis zuzustimmen; denn in solchen Fällen wäre ein Festhalten der widersprechenden Gesellschafter an ihrer Weigerung als treuwidrig anzusehen. Allerdings erwächst hieraus nicht unmittelbar ein Recht auf Aufhebung und Änderung des festgestellten Jahresabschlusses gegen den Willen der widersprechenden Gesellschafter. Eine Aufhebung und Neufeststellung kann nur erreicht werden, indem die widerstrebenden Gesellschafter auf Zustimmung verklagt werden. Analoges ist im Falle einer Gewinnerhöhung durch die beabsichtigte Berichtigung oder Änderung anzunehmen. Hier ist die Weigerung der widerstrebenden Gesellschafter aber nicht schon deshalb treuwidrig, weil eine Gewinnerhöhung generell als vorteilhaft anzusehen ist. Gerade bei Personenhandelsgesellschaften können einzelne Gesellschafter ein schutzwürdiges Interesse daran haben, durch eine entsprechende Gestaltung des Jahresabschlusses aus ihrem Gesellschaftsanteil zunächst keine Gewinn oder Verluste zugewiesen zu bekommen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die individuellen Steuersätze im Zeitpunkt der Jahresabschlußfeststellung hoch sind, in späteren Jahren aber voraussichtlich niedriger sein werden. Hier fuhrt eine
320 Ähnlich Meilicke, in: StBJb 1979/80, S. 447 (474); Schilling/Winter, in: Festschrift für Stiefel, 1987, S. 665 (671f.); und für die Feststellung insgesamt Muth, Die Bilanzfeststellung bei Personenhandelsgesellschaften, 1986, S. 122ff. 321 So vor allem Meilicke, in: StBJb 1979/80, S. 447 (474). 322 Ebenso Meilicke, in: StBJb 1979/80, S. 447 (474). 323 Budde/Müller, in: Beck'scher Bilanzkommentar, 2. Aufl. 1990, § 253 Rdn. 718; Kraft, in: Hopt, Vertrags- und Formularhandbuch zum Handels-, Gesellschafts-, Bank- und Transportrecht, 1995, III Β 7 Anm 3; Weiheh, Wpg 1976, S. 625 (627).
Ε. Zusammenfassung
275
Verlagerung von Gewinnen in spätere Jahresabschlüsse zu positiven Steuereffekten. Soll in solchen Fällen eine Zustimmung erreicht werden, so muß ein Ausgleich der erhöhten Steuerlast der widerstrebenden Gesellschafter erfolgen. Dieser Ausgleich ist nicht aus dem Gesellschafts-, sondern dem Privatvermögen der übrigen Gesellschafter zu erbringen. Hierzu werden diese in aller Regel aber nicht bereit sein. Eine Aufhebung des festgestellten Jahresabschlusses zum Zwecke der Berichtigung oder Änderung erscheint angesichts dieser rechtlichen Probleme bei fehlender Einstimmigkeit in der Praxis nur dann als taugliche Lösung, wenn im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich die Möglichkeit zur Aufhebung der Feststellung durch Mehrheitsentscheidung vorgesehen ist.
E.
Zusammenfassung
Der nach den Vorschriften des Handelsbilanzrechtes erstellte Jahresabschluß ist im Regelfall zugleich auch Instrument der Rechnungsiegimg und Gestaltung im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis. Der für die gesellschaftsrechtliche Bestandskraft eines Jahresabschlusses maßgebliche Akt ist dessen Feststellung. Dieser wird in der Praxis oft mit der Unterzeichnung nach § 245 Satz 1 HGB zusammenfallen, rechtlich stellen beide jedoch unterschiedliche Stadien des Jahresabschlusses dar. Die dem öffentlichen Recht zugehörende Unterzeichnung nach § 245 Satz 1 HGB dient der Rechnungslegung und Haftungsbestimmung im Außenverhältnis.324 Die Feststellung beinhaltet dagegen eine rechtsgeschäftliche und damit auf zivilrechtliche Verbindlichkeit im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis zielende Darstellung der Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft. Seinen rechtshistorischen Ursprung hat das gesellschaftsrechtliche Institut der Feststellung des Jahresabschlusses im Recht der Aktiengesellschaft, weshalb dort auch heute noch die höchste Regelungsdichte besteht.326 Die Notwendigkeit einer Feststellung des Jahresabschlusses zur Regelung des gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnisses wird über diesen historischen Ursprung im Aktiengesellschaftsrecht hinaus auch für die GmbH und die Personenhan-
324 Vgl. oben § 3 Α III 3 (Seite 73ff.). 325 Vgl. oben § 4 A II 2 (Seite 173ff). 326 Vgl. oben § 4 A II 2 a (Seite 174f.).
276
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
delsgesellschaften nicht mehr ernsthaft in Zweifel gezogen.327 Dennoch hat das Institut der Feststellung dort keine gesetzliche Ausgestaltung erfahren, die der Regelungsdichte im Aktiengesellschaftsrecht nahe käme. Dies macht es erforderlich, für die Bestandskraft eines festgestellten Jahresabschlusses im Recht der GmbH auf eine Analogie zum Aktienrecht und im Personenhandelsgesellschaftsrecht auf allgemeine Grundsätze der Rechtsgeschäftslehre zurückzugreifen. Bei der Aktiengesellschaft stellt die in §§ 172, 173 AktG geregelte Feststellung des Jahresabschlusses ein korporationsrechtliches Rechtsgeschäft eigener Art dar, das durch Beschlüsse der jeweils beteiligten Organe zustande kommt. Auf diese Beschlüsse sind die Anfechtungstatbestände in §§ 119ff. BGB jedoch nicht anwendbar, diese sind für die Berichtigung fehlerhafter oder Änderung unzweckmäßiger Jahresabschlüsse bei Aktiengesellschaften daher nicht maßgeblich. 328 Die Möglichkeit und auch Notwendigkeit der Berichtigung fehlerhaft festgestellter Jahresabschlüsse bestimmt sich bei Aktiengesellschaften vielmehr danach, ob die Fehlerhaftigkeit zur Nichtigkeit nach § 256 AktG fuhrt. In diesem wird zwischen Inhalts-, Verfahrens- und Prüfungsfehler bei der Feststellung des Jahresabschlusses differenziert. Von praktischem Interesse sind dabei vor allem die zu den Inhaltsfehlern zählenden Bewertungsfehler in § 256 Abs. 5 AktG. Dabei ist wie im Steuerrecht von einem subjektiven Fehlerbegriff auszugehen. Fehlerhaft ist eine Bewertung also nur dann, wenn die Abweichung zwischen dem Ansatz im Jahresabschluß und dem tatsächlichen Wert bereits im Zeitpunkt der Feststellung (ex ante) erkennbar war. Weiterhin setzt ein zur Nichtigkeit führender Bewertungsfehler voraus, daß dieser zu einer wesentlichen Veränderung der dargestellten Vermögens- oder Ertragslage fuhrt. 329 Ist ein Jahresabschluß infolge Fehlerhaftigkeit nach § 256 AktG nichtig, so ist unverzüglich ein fehlerfreier Jahresabschluß auf- und festzustellen. Ein Recht, eine mögliche Heilung nach § 256 Abs. 6 AktG abzuwarten, besteht grundsätzlich nicht. In den neu festzustellenden Jahresabschluß sind sämtliche wertaufhellenden Tatsachen mit einzubeziehen. Weiterhin stehen grundsätzlich sämtliche Gestaltungsspielräume durch Ausnutzung von Wahlrechten erneut zur Verfugung. Dieser Neugestaltung sind allerdings Grenzen gesetzt. Wurde der festgestellte Jahresabschluß bereits nach § 245 Satz 1 HGB unter-
327 Vgl. oben § 4 A II 2 b (Seite 176ff.). 328 Vgl. oben § 4 Β I (Seite 181ff.). 329 Vgl. oben § 4 Β II 2 a (Seite 187ff.).
Ε. Zusammenfassung
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zeichnet, so darf die Wahlrechtsänderung nicht dazu genutzt werden, mehr Gewinn als im unterzeichneten Jahresabschluß auszuweisen. Umgekehrt kann sich aus dem gesellschaftsrechtlichen Rücksichtnahmegebot eine Verpflichtung ergeben, aus der Berichtigung von Fehlern resultierende Gewinnminderungen durch Auflösung stiller Reserven im Wege entsprechender Wahlrechtsausübung zu kompensieren. 330 Neben der Berichtigung nichtiger Jahresabschlüsse können festgestellte Jahresabschlüsse auch durch eine erneute Feststellung als actus contrarius abgeändert werden. Die gesellschaftsrechtliche Kompetenz für diesen actus contrarius steht aber nicht allein dem Vorstand und dem Aufsichtsrat zu. Vielmehr muß in solchen Fällen auch die Hauptversammlung zustimmen, da durch einen actus contrarius ihr Recht zur Gewinndisposition aus § 174 AktG berührt wird. Ähnlich der Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse darf für den Fall, daß der Jahresabschluß bereits nach § 245 Satz 1 HGB unterzeichnet wurde, der ausgewiesene Gewinn durch den actus contrarius nicht erhöht werden. Umgekehrt darf durch einen actus contrarius einem bereits gefaßten Gewinnverwendungsbeschluß nach § 174 AktG die Grundlage nicht mehr entzogen werden. Eine Gewinnminderung ist daher nur möglich, wenn zugleich alle Aktionäre zustimmen und damit auf ihre schuldrechtlichen Ansprüche aus dem ursprünglichen Gewinnverwendungsbschluß verzichten. 331 Auch bei der GmbH ist die Feststellung des Jahresabschlusses ein korporationsrechtliches Rechtsgeschäft, auf das ebenso wie bei der Aktiengesellschaft die §§ 119ff. BGB keine Anwendung finden. Die Bestandskraft fehlerhaft festgestellter Jahresabschlüsse ist bei der GmbH davon abhängig, ob § 256 AktG analog anzuwenden ist. Die Analogiefahigkeit der aktienrechtlichen Nichtigkeitsvorschriften in § 256 AktG richtet sich nach dem jeweiligen Fehlertyp. 332 Den Schwerpunkt der analogen Anwendung des AktG bildet die Gruppe der in § 256 Abs. 1 Nr. 1 und 4, Abs. 4 und 5 AktG geregelten Inhaltsfehler. Uneingeschränkt anwendbar sind die in § 256 Abs. 1 Nr.l, Abs. 4 und 5 enthaltenen Regelungen über Bewertungs- und Gliederungsfehler. Bei Verwendungsfehlern ist § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG dagegen nur anwendbar, soweit durch Entnahme aus gesetzlichen Kapital- und Gewinnrücklagen die Kapital-
330 Vgl. oben § 4 Β II 4 (Seite 219ff.). 331 Vgl. oben § 4 Β III (Seite 226ff.). 332 Vgl. oben § 4 C II 1 (Seite 186ff.).
278
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
erhaltungsvorschriften verletzt werden, nicht aber dann, wenn überhöhte EinStellungen in diese Rücklagen erfolgen. Soweit eine GmbH nach § 316 Abs. 1 HGB einer gesetzlichen Prüfungspflicht unerliegt, sind auf ihre Jahresabschlüsse weiter die in § 256 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AktG enthaltenen Regelungen über Prüfungsfehler analog anwendbar. 334 Teilweise analog anwenbar sind schließlich die Regelungen des § 256 Abs. 2, 3 AktG über Verfahrensfehler. Analog § 256 Abs. 3 AktG ist ein festgestellter Jahresabschluß dann nichtig, wenn der Gesellschafterbeschluß fehlerhaft war. Dabei ist die Nichtigkeit allerdings nicht auf nur formale Mängel der Beschlußfassung begrenzt. Entgegen § 257 Abs. 1 Satz 2 AktG fuhren auch inhaltliche Mängel der Beschlußfassung bei der GmbH zur Nichtigkeit analog § 256 AktG. 335 Ist ein festgestellter Jahresabschluß analog § 256 AktG nichtig, so gelten bei der GmbH für die Pflicht zur Neufeststellung dieselben Regeln wie bei der Aktiengesellschaft. Soweit sich aus der Unterzeichnung nach § 245 Satz 1 HGB oder gesellschaftsrechtlichen Rücksichtsnahmepflichten keine Einschränkungen ergeben, können im Zuge der Neufeststellung also sämtliche Wahlrechte neu ausgeübt werden.336 Deutlich einfacher als bei der Aktiengesellschaft ist bei der GmbH die Kompetenz zur Änderung wirksam festgestellter Jahresabschlüsse ausgestaltet, denn die Feststellung und damit auch der actus contrarius obliegt bei der GmbH gemäß § 46 Nr. 1 GmbHG allein der Gesellschafterversammlung. Inhaltlich unterliegt der actus contrarius denselben Schranken wie bei der Aktiengesellschaft; wurde der festgestellte Jahresabschluß bereits nach § 245 Satz 1 HGB unterzeichnet, so darf der ausschüttbare Gewinn nicht mehr erhöht werden; wurde bereits ein Ergebnisverwendungsbeschluß nach § 46 Nr. 1 GmbHG gefaßt, so darf dem Gewinnanspruch die Grundlage nicht mehr einseitig entzogen werden. 337 Im Ergebnis folgt die gesellschaftsrechtliche Bestandskraft festgestellter Jahresabschlüsse bei der Aktiengesellschaft und der GmbH also weitgehend gleichen Regeln, was sich vor allem aus der identischen Rechtsnatur und der
333 Vgl. oben § 4 C II 2 a und b (Seite 235). 334 Vgl. oben § 4 C II 2 c (Seite 238ff.). 335 Vgl. oben § 4 C II 2 d (Seite 239ff.). 336 Vgl. oben § 4 C II 3 (Seite 240ff.). 337 Vgl. oben § 4 C III (Seite 243ff.).
Ε. Zusammenfassung
279
weitgehend übereinstimmenden Bedeutung der Kapitalerhaltungsgrundsätze bei beiden Gesellschaftsformen ergibt. Während die gesellschaftsrechtliche Bestandskraft festgestellter Jahresabschlüsse bei den Kapitalgesellschaften durch die explizite Regelung in § 256 AktG nur in Einzelfragen problematisch ist, ist die Rechtslage bei den Personenhandelsgesellschaften in weiten Bereichen noch ungeklärt. Dies liegt nicht zuletzt daran, daß bei den Personenhandelsgesellschaften bereits die Rechtsnatur der Feststellung des Jahresabschlusses umstritten ist. Die früher herrschende Meinung qualifizierte die Festellung des Jahresabschlusses bei Personenhandelsgesellschaften zumeist als abstraktes Schuldanerkenntnis. Nach neuerer und auch hier vertretener Auffassung ist die Feststellung dagegen ein kausales Schuldanerkenntnis, denn Zweck der Feststellung ist es, eine Klärung der mangels objektiver Bestimmbarkeit mit Unsicherkeit behafteten Ansprüche der Gesellschafter herbeizufuhren. 339 Diese Qualifizierung der Feststellung als kausales Schuldanerkenntis hat unmittelbare Auswirkungen auf die Bestandskraft der Feststellung. Die Feststellung hat bei einer Einordnung als kausales Schuldanerkenntnis nämlich nur soweit eine konstitutive Wirkung, wie die zugrundeliegende Zweckvereinbarung, die causa, reicht. Führt ein Irrtum der Gesellschafter über die Richtigkeit oder Zweckmäßigkeit des festgestellten Jahresabschlusses dazu, daß die causa der Feststellung entfallt, so entfaltet die Feststellung keine konstitutive Wirkung. Resultiert der Irrtum dagegen aus einer Unsicherheit, die im Zeitpunkt der Feststellung bekannt oder erkennbar war, so entfaltet die Feststellung konstitutive Wirkung für das Verhältnis der Gesellschafter zueinander. Diese Wirkung kann auch nicht durch Anfechtung nach § 119 BGB einseitig beseitigt werden. 340 Entfaltet ein festgestellter Jahresabschluß mangels causa keine konstitutive Wirkung, so stehten den Gesellschaftern bei der erneuten Feststellung eines nunmehr fehlerfreien Jahresabschlusses grundsätzlich sämtliche Wahlrechte erneut zur Verfugung. Verletzt eine umfassende Neugestaltung aber berechtigte und schutzwürdige Interessen einzelner Gesellschafter, so können sich aus der gesellschaftsrechtlichen Treue- und Rücksichtnahmepflicht Beschränkungen der Neugestaltung ergeben. Dies ist insbesondere dann der
338 Vgl. oben § 4 D I 1 (Seite 246ff.). 339 Vgl. oben § 4 D I 2 (Seite 247ff.). 340 Vgl. oben § 4 D II 2 a aa (Seite 254ff.).
280
§ 4 Bestandskraft der gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegung
Fall, wenn aufgrund eines fehlerhaften Jahresabschlusses bereits Gewinne ausgeschüttet wurden. Ähnlich der für das gesellschaftsrechtliche Außenverhältnis geltenden Regelung in § 172 Abs. 5 HGB ist davon auszugehen, daß die Gesellschafter einander verpflichtet sind, eine Verminderung des ausgewiesenen Gewinnes unter den bereits ausgeschütteten Gewinn durch eine entsprechende Ausübung der Wahlrechte zu vermeiden.341 Keine gesellschaftsrechtliche Einschränkung resultiert bei den Personenhandelsgesellschaften dagegen aus der Haftung im Außenverhältnis. Bei der offenen Handelsgesellschaft entfallt eine solche Begrenzung der Neugestaltung aufgrund der unbeschränkten Haftung der Gesellschafter von vornherein. Aber auch bei der Kommanditgesellschaft resultiert aus der Haftungsbeschränkung der Kommanditisten im Außenverhältnis, die durch den nach § 245 Satz 1 HGB unterzeichneten Jahresabschluß bestimmt wird, keine Grenze für das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis. Da die Haftungsbeschränkung des Kommanditisten mit keiner Beschränkung der Kapitalausschüttung verbunden ist, ist es den Gesellschaftern unbenommen, für das gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis die Einlageverpflichtung und Gewinnansprüche des Kommanditisten abweichend von seiner Haftung im gesellschaftsrechtlichen Außenverhältnis zu ermitteln.342 Führt ein Irrtum oder Fehler nicht zum Wegfall der causa, so steht den Gesellschaftern auch bei den Personenhandelsgesellschaften die Möglichkeit offen, den festgestellten Jahresabschluß durch einen actus contrarius abzuändern. Diese Änderung darf aber selbst dann, wenn der Gesellschaftsvertrag für die ursprüngliche Feststellung eine Mehrheitsentscheidung vorsieht, nicht wider den Willen einzelner Gesellschafter erfolgen, denn die ursprüngliche Mehrheitsentscheidung stellt die Ausübung eines Gestaltungsrechtes dar, das die Mehrheit bindet.34 Im Ergebnis führt die abweichende rechtliche Qualifizierung der Feststellung sowie das Fehlen von Kapitalerhaltungsvorschriften dazu, daß sowohl die Voraussetzungen als auch der Umfang der gesellschaftsrechtlichen Bestandskraft festgestellter Jahresabschlüsse bei den Personenhandelsgesellschaften anderen Regeln folgen als bei den Kapitalgesellschaften.
341 Vgl. oben § 4 D II 2. a bb (Seite 256ff.). 342 Vgl. oben § 4 D III 1 (Seite 262ff.). 343 Vgl. oben § 4 D V (Seite 273ff.).
§ 5 Bestandskraft der Rechnungslegung in partiarischen Rechtsverhältnissen A.
Rechtsnatur handelsrechtlicher Jahresabschlüsse im Rahmen partiarischer Rechtsverhältnisse
Der handelsrechtliche Jahresabschluß ist in der Untemehmenspraxis oft auch Bemessungsgrundlage für schuldrechtliche Ansprüche Dritter gegen das bilanzierungspflichtige Unternehmen. Dies gilt insbesondere für die Leistungsbestimmung im Rahmen partiarischer Rechtsverhältnisse. Solche gewinnabhängigen schuldrechtlichen Ansprüche sind in der unternehmerischen Praxis vor allem im Bereich der Dienst- und Arbeitsverhältnisse anzutreffen. Sowohl bei Kapital- als auch bei Personenhandelsgesellschaften finden sich in Dienstverträgen der Geschäftsführer, Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder und auch den Arbeitsverträgen leitender Angestellter Abreden über gewinnabhängige Tantiemen. Im Aktiengesellschaftsrecht sind gewinnabhängige Ansprüche der Organmitglieder zudem ausdrücklich in §§ 86, 113 Abs. 3 AktG vorgesehen.1 Einen weiteren Schwerpunkt partiarischer Abreden bilden Finanzierungsgeschäfte der Unternehmen. Hier haben in jüngerer Zeit neben partiarischen Darlehensverträgen in einzelnen Branchen kapitalmarktfähige Genußrechte 2 große praktische Bedeutung gewonnen.3 Der Anwendungsbereich partiarischer Leistungsbestimmungen ist jedoch nicht auf diese beiden Bereiche beschränkt. Aufgrund der schuldrechtlichen Vertragsfreiheit finden sich partiarische Vereinbarungen darüber hinaus in
1
Zur Bedeutung der §§ 86, 113 AktG im Recht der GmbH vgl. Emmerich, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1993, § 29 Rdn. 85ff.
2
Zur Darstellung der gesetzlich nicht geregelten Genußrechte vgl. Bezzenberger, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 1991, § 3 StG Rdn. 15.
3
Große Verbreitung hat die Finanzierung durch Genußrechte vor allem bei Kreditinstituten gefunden. Dies liegt daran, daß seit der 4. KWG Novelle in § 10 Abs. 5 Genußrechte unter bestimmten Voraussetzungen als haftendes Eigenkapital anerkannt werden.
in:
282
§ 5 Bestandskraft der Rechnungslegung in partiarischen Rechtsverhältnissen
einer Vielzahl weiterer Vertragstypen. Gebräuchlich sind etwa auch partiarische Pacht-, Miet-, Lizenz- oder sonstige Nutzungsverhältnisse.4 Allen partiarischen Rechtsverhältnissen gemeinsam ist, daß es sich um Austauschverhältnisse handelt, bei denen das Entgelt für die Leistung des anderen in einer Beteiligung am Gewinn des Unternehmens besteht. Diese Gewinnbeteiligung ist jedoch rein schuldrechtlicher Natur. Sie unterscheidet sich von der gesellschaftsrechtlichen Gewinnbeteiligung darin, daß die vertraglichen Beziehungen auf den Austausch von Leistungen beschränkt sind. Ein über den Leistungsaustausch hinausgehender gemeinsamer Zweck, der für ein gesellschaftsrechtliches Verhältnis zwingend erforderlich ist, fehlt dagegen. Die allen partiarischen Rechtsverhältnissen immanente Abhängigkeit des schuldrechtlichen Anspruchs vom Erfolg des Unternehmens macht es notwendig, daß im partiarischen Schuldverhältnis ausdrücklich oder konkludent eine Regelung zur Ermittlung des relevanten Erfolges getroffen wird. Dabei wird im Regelfall als selbstverständlich davon ausgegangen, daß es Aufgabe des Unternehmens ist, diese Erfolgsermittlung durchzufuhren, das partiarische Rechtsverhältnis also eine schuldrechtliche Pflicht zur Rechenschaftslegung begründet.6 Welche Maßstäbe der Unternehmer der Rechnungslegung und Erfolgsermittlung zugrunde zu legen hat, ist grundsätzlich der vertraglichen Vereinbarung der Parteien zugänglich. Eine gesetzliche Verweisung auf das Handelsbilanzrecht findet sich lediglich in §§86, 113 Abs. 3 AktG für aktienrechtliche Tantiemeansprüche der Organmitglieder. Ähnliche Bezugnahmen auf den handelsrechtlichen Jahresabschluß dürften viele partiarische
4
Vgl. Koenigs, Die stille Gesellschaft, 1961, S. 27f.; Ulmer, in: Münchener Kommentar, zum BGB, 3. Aufl. 1997, Vor § 705 Rdn. 79; Zutt, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1990, § 230 Rdn. 24; Bezzenberger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 1991, § 3 StG Rdn. 16; Paulick/Blaurock, Handbuch der Stillen Gesellschaft, 4. Aufl. 1988, § 8 III 4 (S. 123).
5
Vgl. Bezzenberger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 1991 § 3 StG Rdn. 10; von Gamm, in: RGRK, BGB, 12. Aufl. 1978, Vor § 705 Rdn. 2; Paulick/Blaurock, Handbuch der Stillen Gesellschaft, 4. Aufl. 1988; § 8 III 1 (S. 110); Ulmer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1997, Vor § 705 Rdn. 74; Zutt, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1990, § 230 Rdn. 21.
6
Vgl. etwa Brüggemann, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, Vorbem. zu §§ 38 Rdn. 4, 5; Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 245 Rdn. 2; Lehmann, in: Düringer/Hachenburg, HGB, 3. Aufl. 1939, § 38 Anm. 8a, 23; Wieland, Handelsrecht, 1. Band, 1921, S. 309f.
Α. Handelsrechtliche Jahresabschlüsse im Rahmen partiarischer Rechtsverhältnisse
283
Schuldverträge enthalten. Aber auch ohne eine solche ausdrückliche Verweisung geht die unternehmerische Praxis wie auch die handelsrechtliche Literatur ganz selbstverständlich davon aus, daß die Erfolgsermittlung im Rahmen partiarischer Schuldverhältnisse im Regelfall nach den handelsbilanzrechtlichen Vorschriften zu erfolgen hat.7 Dies entspricht nicht nur dem praktischen Bedürfnis, ein zusätzliches Rechnungslegungswerk tunlichst zu vermeiden. Eine Erfolgsbestimmung nach handelsbilanziellen Regeln entspricht auch dem Wesen des partiarischen Schuldverhältnisses: Der Gewinnanspruch des partiarisch Berechtigten ist auf eine Leistungsvergütung durch Partizipation an einem fremden Erfolg gerichtet. Dies ist dahingehend zu verstehen, daß der partiarisch Berechtigte gleich dem Kaufmann oder dem Gesellschafter einen Anteil am Erfolg des Unternehmens erhalten soll. Diese den Gesellschaftern insoweit gleiche Partizipation an der Ertragskraft des Unternehmens bedingt, daß für partiarisch Berechtigte grundsätzlich dieselben Regeln der Erfolgsermittlung zu gelten haben wie für gesellschaftsrechtlich Beteiligte. Auch ohne eine ausdrückliche Verweisung auf das Handelsbilanzrecht ist der handelsbilanzielle Jahresabschluß also grundsätzlich als maßgeblich für die Bestimmung partiarischer Ansprüche anzusehen. Die Frage nach der Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse im Rahmen partiarischer Schuldverhältnisse ist weitestgehend identisch mit der Frage, bis zu welchem Zeitpunkt das zur Rechnungslegung verpflichtete Unternehmen durch Berichtigungen oder Änderungen des Jahresabschlusses Einfluß auf die Höhe des Anspruchs nehmen kann. Dies folgt aus der Aufgabe des Jahresabschlusses, eine Bestimmung der Höhe des schuldrechtlichen Anspruchs auf Leistungsentgelt herbeizufuhren. Die Lösung dieser Frage hängt wie im Gesellschaftsrecht davon ab, welche Rechtsnatur der Leistungsbestimmung partiarischer Ansprüche durch den Jahresabschluß beizumessen ist.
7
Vgl. etwa Brüggemann, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, Vorbem. zu §§ 38 Rdn. 4, 5; Emmerich, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1993, § 29 Rdn. 85ff.; Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 245 Rdn. 2; Lehmann, in: Düringer/Hachenburg, HGB, 3. Aufl. 1939, § 38 Anm. 8a, 23.
284
I.
§ 5 Bestandskraft der Rechnungslegung in partiarischen Rechtsverhältnissen
Herrschende Meinung: Qualifizierung der Feststellung als Schuldanerkenntnis
Literatur und Rechtsprechung gehen davon aus, daß die Bestimmung des partiarischen Gewinnanspruchs durch den handelsrechtlichen Jahresabschluß dieselbe Rechtsnatur habe wie die Feststellung des Jahresabschlusses bei Personenhandelsgesellschaften. Zumeist wird ohne weitere Erörterung angenommen, daß sich die Ansprüche der partiarisch Berechtigten nach dem festgestellten Jahresabschluß richten, wobei die Feststellung des Jahresabschlusses auch im Verhältnis zum partiarisch Berechtigten als abstraktes oderqualifiziert wird.8 Die herrschende Auffassung geht also davon aus, daß die Feststellung des Jahresabschlusses neben der Bestimmung der gesellschaftsrechtlichen Ansprüche zugleich auf eine vertragliche Bindung gegenüber partiarisch Berechtigten gerichtet sei. Die gesellschaftsrechtliche Feststellung beinhaltet nach dieser Auffassung also zugleich ein konkludentes Angebot an alle partiarisch berechtigten Dritten auf Abschluß eines - abstrakten oder kausalen Schuldanerkenntnisvertrages mit dem Unternehmen. Durch Mitteilung des festgestellten Gewinnanspruches werde dieses Angebot den partiarisch Berechtigten kundgetan und von diesen mit Geltendmachung des Gewinnanspruches konkludent angenommen.9 Gegen diese Übertragung der gesellschaftsrechtlichen Einordnung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses auf partiarische Rechtsverhältnisse bestehen jedoch erhebliche Bedenken. So erscheint bereits die Einigung durch zwei konkludente auf Abschluß eines Schuldanerkenntnisses gerichtete Willenserklärungen in starkem Maße als konstruiert. Während die Gesellschaft mit der Mitteilung des festgestellten Jahresabschlusses unzweifelhaft den rechtsgeschäftlichen Willen bekundet, dem partiarisch Berechtigten die Höhe seiner Ansprüche mitzuteilen, ist doch
8
Vgl. BGHZ 23, 150 (154); BGH WM 1960, 187ff.= BB, 1960, 188; MDR 1970, 388; OLG Hamburg, ZIP 1983, 59 (61f.); OLG Karlsruhe, DB 1995, 264; Braunsberger, AG 1965, S. 28f.; Brüggemann, in: Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1967, § 41 Anm. 2; Hüffer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1997, § 781 Rdn. 24; Martens, in: Schlegelberger, 5. Aufl. 1992, § 120 Rdn. 7; Maluk/Göbel, Wpg 1978, S. 624 (627); Steffen, in: RGRK, BGB 12. Aufl. 1978, § 781 Rdn. 21; Nolte, DB 1963, Beilage 12, S. 1 (4); Weirich, Wpg 1976, S. 625 (627).
9
Vgl. BGH WM 1960, 187 (189); OLG Düsseldorf, NJW-RR 1994, 1455 (1458); Hüffer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1997, § 781 Rdn. 24.
Α. Handelsrechtliche Jahresabschlüsse im Rahmen partiarischer Rechtsverhältnisse
285
zweifelhaft, ob auf Seiten des Berechtigten eine konkludente Annahme dieses Angebots unterstellt werden kann. So ist schon zweifelhaft, ob in der Geltendmachung eines Anspruchs auf Leistungerfüllung der Wille des partiarisch Berechtigten zu erkennen ist, die zugrundeliegende inhaltliche Bestimmung der Anspruchshöhe durch konkludente Annahme eines Schuldanerkenntnisses als richtig anzuerkennen. Bei Tantiemen leitender Angestellter bedarf es zudem gar keiner Geltendmachung der Gewinnansprüche, denn die Tantieme wird im Regelfall zusammen mit dem laufenden Gehalt ausbezahlt. Die konkludente Annahme muß hier dann in der bloßen Entgegennahme der Leistung gesehen werden. Gänzlich zur Fiktion wird die konkludente Annahme des Schuldanerkenntnisses schließlich bei Genußrechten. Bei diesen kapitalmarktfähigen Rechten erfolgt im Regelfall keine gesonderte Mitteilung der festgestellten Gewinnansprüche an die anonymen Inhaber der Genußrechte. Vielmehr wird der auf die Genußrechte entfallende Anteil am festgestellten Gewinn ermittelt und ähnlich wie bei Dividendenansprüchen unter Vermittlung des Bankensystems an die Inhaber der Genußrechte ausgeschüttet. Die Inhaber der Genußrechte erhalten also unter Zwischenschaltung von Wertpapiersammelbanken und depotführenden Banken lediglich eine Gutschrift in Höhe ihrer Gewinnanteile. Eine vertragliche Einigung kann hier allein angenommen werden, wenn man die über mehrere Zwischenstufen vermittelte Gutschrift zugleich als Willenserklärung des ausschüttenden Unternehmens ansieht, die von der Depotbank des Genußrechtsinhabers als Botin überbracht wird. Da der Genußrechtsinhaber hierbei mit dem ausschüttenden Unternehmen zu keinem Zeitpunkt in Kontakt tritt, kann die Annahme dieses Angebotes nur gegenüber der Bank erfolgen. Da diese die Gewinngutschrift von keiner Mitwirkung des Genußrechtsinhabers abhängig macht, muß allein die Duldung der Gutschrift als konkludente Annahme eines Schuldanerkenntnisses angesehen werden. Neben diesen rechtstechnischen Problemen, eine Einigung durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen darzustellen, ist auch zweifelhaft, ob eine solche konsensuale Bestimmung des Gewinnanspruches überhaupt der Interessenlage der Beteiligten entspricht. Während die Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft durch die Feststellung des Jahresabschlusses eine Einigung über die Ausübung von Wahlrechten und Ermessenspielräumen treffen, ist dem partiarischen Rechtsverhältnisse eine solche Einigung des partiarisch Verpflichteten mit dem partiarisch Berechtigten über Gestaltungsrechte fremd. Das partiarische Rechtsverhältnis zielt auf eine Beteiligung an einem fremden Gewinn, also dem Gewinn, wie ihn die Gesellschafter für ihre eigenen Ansprüche festlegen wollen. Dementsprechend wird in
286
§ 5 Bestandskraft der Rechnungslegung in partiarischen Rechtsverhältnissen
der Literatur eine Beteiligung der partiarisch Berechtigten an der Ausübung der Gestaltungsrechte nicht erörtert. Es wird vielmehr ganz selbstverständlich davon ausgegangen, daß der partiarisch Berechtigte die Feststellung des Gewinns im Jahresabschluß hinzunehmen hat.10 Der für ein Schuldanerkenntnis notwendige Konsens durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen ist also auch weitestgehend inhaltsleer. Die für die Leistungsbestimmung erforderliche Ausübung bilanzieller Gestaltungsmöglichkeiten durch Wahlrechte und Ermessensspielräume erfolgt vielmehr einseitig durch das zur Rechnungslegung verpflichtete Unternehmen.
II.
Eigene Auffassung: Qualifizierung als Ausübung eines Gestaltungsrechts gemäß § 315 BGB
Die einseitige Ausübung der bilanziellen Gestaltungsmöglichkeiten allein durch das zur Rechnungslegung verpflichtete Unternehmen legt es nahe, die Feststellung des Jahresabschlusses im Rahmen partiarischer Rechtsverhältnisse nicht als vertragliche Leistungsbestimmung durch ein Schuldanerkenntnis, sondern als einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Unternehmens nach § 315 BGB anzusehen. Diese Einordnung der Feststellung, die in der Literatur vereinzelt auch für das Personenhandelsgesellschaftsrecht in Betracht gezogen wird, 11 wird nicht nur der Interessenlage der Parteien des partiarischen Rechtsverhältnisses gerecht. Sie vermag zudem die oben dargestellten konstruktiven Probleme einer rechtsgeschäftlichen Bestimmung der partiarischen Ansprüche befriedigend zu lösen.
10
Vgl. besonders deutlich: Schröder, in: Schlegelberger, HGB, 5. Aufl. 1973, § 59 Rdn. 61, 61b; weiter: Meilicke, StBJb 1979/80, S. 447 (472), der sogar einen Anspruch auf Berichtigung einer fehlerhaften Bilanz ablehnt. Es bestehe dann allein ein Anspruch auf eine Berichtigung des ermittelten Gewinnanspruchs.
11
Vgl. Ulmer, in: Festschrift für Hefermehl, 1976, S. 207 (216), der bei Ausschluß der Kommanditisten von der Bilanzfeststellung ein Gestaltungsrecht nach § 315 BGB in Betracht zieht; und ausführlich Muth, Die Bilanzfeststellung bei Personenhandelsgesellschaften, 1986, S. 122ff., der annimmt, daß § 315 BGB auf die gesellschaftsrechtliche Feststellung zumindest analog anwendbar sei.
Α. Handelsrechtliche Jahresabschlüsse im Rahmen partiarischer Rechtsverhältnisse
1.
287
Übereinstimmung einer einseitigen Leistungsbestimmimg mit der Interessenlage der Beteiligten
Das Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB wird von der ganz herrI "7
sehenden Auffassung als einseitiges Gestaltungsrecht angesehen. § 315 BGB ermöglicht es den Parteien, eine wirksame vertragliche Bindung einzugehen, obwohl die vertraglich geschuldete Leistung anfänglich unbestimmt und auch nachträglich allein anhand objektiver Maßstäbe nicht bestimmbar ist.13 Indem die Leistungsbestimmung einem Vertragspartner überlassen wird, unterwirft sich der Erklärungsempfänger der Gestaltungsmacht des Ausübungsberechtigten.14 Dabei obliegt es den Parteien, Umfang und Inhalt des Gestaltungsrechtes festzulegen. Lediglich dann, wenn die Parteien keine Bestimmungsmaßstäbe vereinbart haben, gilt gemäß § 315 Abs. 1 als Maßstab des Gestaltungsrechtes das billige Ermessen.15 Das einseitige Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB entspricht exakt der Interessenlage der Parteien eines partiarischen Rechtsverhältnisses: Der Anspruch des partiarisch Berechtigten auf Beteiligung am Gewinn des kaufmännischen Unternehmens ist bei Abschluß des partiarischen Schuldverhältnisses naturgemäß noch nicht bestimmt. Aber auch am Ende der jeweiligen Rechnungslegungsperiode ist der Gewinnanspruch des partiarisch Berechtigten nicht objektiv bestimmbar. Der Gewinn des Unternehmens, an dem der partiarisch Berechtigte zu beteiligen ist, ist nämlich keine rechnerische Größe. Gerade dann, wenn die Parteien des partiarischen Rechtsverhältnisses eine Bestimmung des Gewinnes nach den Vorschriften des Handesbi12
Vgl. Ballhaus, in: RGRK, BGB, 12. Aufl. 1976, Vorbem. zu § 315 Rdn. lf.; Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1994, §315 Rdn. lf.; Kronke, AcP 1983, S. 113ff.; Mader, in: Staudinger, BGB, 13. Bearb. 1995, § 315 Rdn. Iff.; Wolf, in: Soergel, BGB, 12. Aufl. 1990, § 315 Rdn. 31ff. jeweils m.w.N. Die abweichende Auffassung von Kornblum, AcP 1968, S. 450ff., der annimmt, daß es sich auch bei §§ 315ff. nur um die Ermittlung eines objektiv feststehenden Ergebnisses handelt, hat sich dagegen nicht durchgesetzt.
13
Vgl. Ballhaus, in: RGRK, BGB, 12. Aufl. 1976, Vorbem. zu § 315 Rdn. 3.; Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1994, § 315 Rdn. lf.; Mader, in: Staudinger, BGB, 13. Bearb. 1995, § 315 Rdn. 1 Iff. Zum Charakter des §315 BGB als Ausdruck privatautonomer Unterwerfung unter fremde Gestaltungsmacht vgl. vor allem Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung im Privatrecht, 1964, S. 17.
14
15
Vgl. Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1994, § 315 Rdn. 7, 12; Mader, in: Staudinger, BGB, 13. Bearb. 1995, § 315 Rdn. 15.
288
§ 5 Bestandskraft der Rechnungslegung in partiarischen Rechtsverhältnissen
lanzrechtes vereinbart haben, eröffnen sich durch Ermessensspielräume und Wahlrechte Gestaltungsmöglichkeiten, deren Ausübung sich einer rein objektiven Bewertung entzieht.16 Zur Bestimmung der Höhe des partiarischen Anspruches bedarf es daher eines Gestaltungsaktes. Nimmt das partiarische Rechtsverhältnis Bezug auf den handelsrechtlichen Jahresabschluß, so ist die Ausübung dieses Gestaltungsaktes bei Gesellschaften in der gesellschaftsrechtlichen Feststellung des Jahresabschlusses zu sehen. Fehlt ein ausdrücklicher Verweis auf die Feststellung, so folgt die Maßgeblichkeit der Feststellung konkludent aus dem Wesen des partiarischen Rechtsverhältnisses als Beteiligung. Da der Gewinnanspruch des partiarisch Berechtigten auf Beteiligung am Gewinn eines fremden Unternehmens gerichtet ist, zielt der Anspruch darauf, an dem Gewinn beteiligt zu werden, der auch für die Ansprüche der Gesellschafter maßgeblich ist. Diesen Gewinn bestimmt der festgestellte Jahresabschluß. Die Verknüpfung der partiarischen Gewinnansprüche mit der Feststellung führt jedoch nicht dazu, daß die partiarisch Berechtigten an der Ausübung der handelsbilanziellen Wahlrechte und Ermessensspielräume im Rahmen der Feststellung zu beteiligen sind. Dies wäre bei vielen Formen der partiarischen Rechtsverhältnisse, etwa bei Genußrechten oder arbeitsrechtlichen Tantiemeansprüchen, schon aus praktischen Gründen nicht durchführbar. Eine solche Mitwirkung entspricht zudem nicht der typischen Interessenlage der Parteien eines partiarischen Rechtsverhältnisses. Eine Mitwirkung bei der Ausübung handelsrechtlicher Gestaltungsspielräume würde voraussetzen, daß den partiarisch Berechtigten sämtliche Gestaltungsmöglichkeiten offengelegt werden. Eine solch weitgehende Offenbarung der wirtschaftlichen Verhältnisse gegenüber partiarisch Berechtigten widerspricht den Interessen der Gesellschafter des Unternehmens; denn partiarisch Berechtigte sind trotz ihrer Beteiligung am Gewinn des Unternehmens als Außenstehende anzusehen. Darüber hinaus ist bei vielen partiarisch Berechtigten auch davon auszugehen, daß diese an der Wahrnehmung der Gestaltungsrechte eines ihnen fremden Unternehmens gar nicht interessiert und hierdurch oft auch überfordert wären. Faßt man das partiarische Rechtsverhältnis als Beteiligung an einem fremden Gewinn auf, so ist auch aus Sicht der partiarisch Berechtigten die Bestimmung des Gewinns des ihnen fremden Unternehmens vielmehr dessen Eignern vorbehalten. Das Interesse der partia-
16
Vgl. dazu schon oben § 4 D I 2 (Seite 247f.) sowie die Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten in der Einleitung bei § 1 Β II 2 a und b (Seite 9ff.).
Α. Handelsrechtliche Jahresabschlüsse im Rahmen partiarischer Rechtsverhältnisse
289
risch Berechtigten ist allein darauf gerichtet, hierbei nicht übervorteilt zu werden. Diesem Bedürfnis des Schutzes vor Übervorteilung kann im Rahmen des §315 BGB adäquat Rechnung getragen werden. Der Bezug auf festgestellten Gewinn des handelsrechtlichen Jahresabschlusses begrenzt das Leistungsbestimmungsrecht der Gesellschaft. Hierdurch wird zum einen gewährleistet, daß Gesellschafter und partiarisch Berechtigte am selben Gewinn beteiligt werden. Zum anderen begrenzen die handelsbilanzrechtlichen Vorschriften den möglichen Gestaltungsspielraum bei der Feststellung, schaffen also einen Maßstab für die Grenzen der Gestaltung, der an die Stelle des billigen Ermessens in § 315 Abs. 1 BGB tritt. 2.
Konstruktive Vorteile einer einseitigen Leistungsbestimmung
Die Einordnung der Feststellung als einseitiges Leistungsbestimmungsrecht kann darüber hinaus auch die oben dargestellten konstruktiven Probleme vermeiden. Sie ermöglicht es, die Ansprüche der partiarisch Berechtigten rechtsgeschäftlich festzulegen, ohne Willenserklärungen fingieren zu müssen. Das Leistungsbestimmungsrecht aus §315 BGB wird gemäß §315 Abs. 2 durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ausgeübt.17 Richtet sich der partiarische Gewinnanspruch gegen eine Gesellschaft, so ist die Leistungsbestimmung nach § 315 Abs. 2 BGB unmittelbar in der gesellschaftsrechtlichen Feststellung des Jahresabschlusses enthalten. Sind partiarische Rechtsverhältnisse vorhanden, so müssen die daraus erwachsenden Ansprüche gemäß dem handelsrechtlichen Vollständigkeitsgebot in § 246 Abs. 1 HGB im Jahresabschluß als Verbindlichkeiten berücksichtigt werden. Die gesellschaftsrechtliche Feststellung des Jahresabschlusses umfaßt also zugleich eine Erklärung der zur Rechnungslegung verpflichteten Gesellschaft über die Höhe partiarischer Ansprüche. Die Wirksamkeit dieser Erklärung bedarf gemäß § 315 Abs. 2 BGB lediglich einer Mitteilung des festgestellten Gewinnanteils an die partiarisch Berechtigten. Eine Annahme der Erklärung ist anders als bei der oben dargestellten Einordnung als Schuldanerkenntnis dagegen nicht erforderlich. Damit ist für die meisten Formen partiarischer
17
Zur Natur der Leistungsbestimmung als Willenserklärung vgl. Ballhaus, in: RGRK, BGB, 12. Aufl. 1976, § 315 Rdn. 14f.; Kornblum, AcP 1968, S. 450 (464f.); Mader, in: Staudinger, BGB, 13. Bearb. 1995, § 315 Rdn. 51.; Wolf, in: Soergel, BGB, 12. Aufl. 1990, §315 Rdn. 8.
290
§ 5 Bestandskiaft der Rechnungslegung in partiarischen Rechtsverhältnissen
Rechtsverhältnisse eine Bestimmung des Anspruches ohne die wenig überzeugende Fiktion konkludenter Willenserklärungen des Leistungsempfängers möglich. Weiter ist auf dieser Grundlage die Leistungsbestimmung im Rahmen kapitalmarktfahiger Genußrechte problemlos erklärbar. Da § 315 Abs. 2 BGB dispositiver Natur ist, kann für die Leistungsbestimmung nach § 315 BGB auch auf einen Zugang der Erklärung verzichtet werden. 8 Vor allem dann, wenn es sich bei dem Unternehmen um eine Kapitalgesellschaft handelt, deren Jahresabschluß nach §§ 325 ff. HGB zu veröffentlichen ist, erscheint es naheliegend, auf den Zugang der Erklärung nach § 315 Abs. 2 BGB ausdrücklich oder konkludent zu verzichten. Dies macht es dann unnötig, in der Gewinngutschrift der Depotbank auch eine Willenserklärung des zu Leistung verpflichteten Unternehmens zu sehen. Richtet sich der partiarische Gewinnanspruch gegen einen Einzelkaufmann, so fehlt dagegen eine rechtsgeschäftliche Festlegung des für das Innenverhältnis maßgeblichen handelsrechtlichen Gewinns, an die eine Bestimmung des paritarischen Gewinnanspruches anknüpfen könnte. Dies fuhrt jedoch nicht dazu, daß der öffentlich-rechtlichen Unterzeichnung nach § 245 HGB die Bedeutung einer rechtsgeschäftlichen Bestimmung des Gewinnes beizumessen ist.19 Sieht man die Gewinnbestimmung im Rahmen partiarischer Rechtsverhältnisse als konsensuales Rechtsgeschäft an, so ist dies schon konstruktiv nicht möglich. Aber auch die hier vertretene Auffassung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts des partiarisch Verpflichteten führt fur den Einzelkaufmann zu einer Unterscheidung zwischen Unterzeichnung nach § 245 HGB und Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts nach § 315 BGB. Die Bestimmung des partiarischen Gewinnanspruchs bedarf gemäß § 315 Abs. 2 BGB nämlich einer Erklärung gegenüber dem partiarisch Berechtigten. Da beim Einzelkaufmann der Erklärung gegenüber den partiarisch Berechtigten keine gesellschaftsinterne Bestimmung des Gewinnes durch Feststellung vorausgeht, fallen bei ihm Abgabe der Bestimmungserklärung und Kundgabe gegenüber dem Berechtigten zusammen. Dabei wird in den meisten Fällen die Bestimmung wohl durch Übersendung eines nach § 245 HGB unterschriebenen Jahresabschlusses geschehen. Dies macht die Unterzeichnung nach § 245 HGB als solche jedoch nicht zu einer privat-
18 19
Vgl. BGH, NJW-RR, 1986, 164; OLG München, DB 1984, 919; Mader, in: Staudinger, BGB, 13. Bearb. 1995, § 315 Rdn. 51. Vgl. dazu schon oben § 3 C II 1 (Seite 5f.).
Α. Handelsrechtliche Jahresabschlüsse im Rahmen partiarischer Rechtsverhältnisse
291
rechtlichen Willenserklärung. Vielmehr wird der unterzeichnete Jahresabschluß nur zur tatsächlichen Grundlage einer Willenserklärung gemacht. Zwingend ist dies jedoch nicht. Solange der Einzelkaufmann sein Gestaltungsrecht nach § 315 Abs. 2 BGB sein Gestaltungsrecht gegenüber dem paritarisch Berechtigten noch nicht ausgeübt hat, kann er für das partiarische Rechtsverhältnis den unterzeichneten Jahresabschluß, der für den Einzelkaufmann mangels Haftungs- und Ausschüttungsbegrenzung ja auch öffent90 lich-rechtlich nicht bindend ist, noch ändern. Unterzeichnung nach § 245 HGB und Gewinnfeststellung im Rahmen partiarischer Rechtsverhältnisse sind daher auch nach der hier vertretenen Auffassung grundsätzlich strikt zu trennen. Dies schließt jedoch nicht aus, daß der Unterzeichnung nach § 245 HGB indizielle Bedeutung für den Gewinnanspruch partiarisch Berechtigter beigemessen wird. Geht man davon aus, daß der nach § 245 HGB unterzeichnete Jahresabschluß in den meisten Fällen auch den partiarisch Berechtigten mitgeteilt wird, so kann die Unterzeichnung nach § 245 HGB zugleich als Indiz für eine Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts nach § 315 BGB angesehen werden. Auch diese von einem Teil der Literatur21 angenommene indizielle Bedeutung der Unterzeichnung für den Gewinnanspruch der partiarisch Berechtigten spricht dabei eher für eine Einordnung als Leistungsbestimmungsrecht nach §315 BGB, denn für eine konsensuale Bestimmung des Gewinnanspruches durch ein Schuldanerkenntnis. Die Unterzeichnung nach § 245 HGB ist nämlich ebenso wie die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechtes nach § 315 BGB ein einseitiger Akt des Einzelkaufmannes. Im Ergebnis wird ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB damit sowohl der Interessenlage als auch den tatsächlichen Umständen der Bestimmung partiarischer Ansprüche durch Jahresabschlüsse besser gerecht als die Annahme eines Schuldanerkenntnisses. Der folgenden Darstellung der Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse im Rahmen partiarischer Rechtsverhältnisse wird daher eine Einordnung als Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB zugrundegelegt. Dabei soll jedoch die herrschende Auffassung, daß der Jahresabschluß auch im Rahmen partiarischer Schuldverhältnisse als - kausales oder abstraktes - Schuldanerkenntnis anzusehen ist,
20 21
Siehe oben § 3 C IV 2 a (Seite 117ff.). Vgl. insbesondere Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 245 Rdn. 2; ähnlich Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5. Aufl. 1992, § 245 Rdn. 1.
292
§ S Bestandskraft der Rechnungslegung in partiarischen Rechtsverhältnissen
nicht gänzlich unbeachtet bleiben. Da bei einer Qualifikation als Schuldanerkenntnis die oben zu den Personenhandelsgesellschaften gefundenen Ergebnisse weitestgehend übertragen werden können, kann jedoch auf eine ausfuhrliche Darstellung der Konsequenzen einer solchen Einordnung hier verzichtet werden.
B.
Berichtigung fehlerhafter
Jahresabschlüsse
Ein Jahresabschluß ist im Rahmen partiarischer Rechtsverhältnisse dann als fehlerhaft anzusehen, wenn der in ihm ermittelte Gewinn nicht mit den Vereinbarungen der Parteien zur Gewinnermittlung zu vereinbaren ist. Ein Fehler liegt also immer dann, aber auch nur dann vor, wenn die Gewinnermittlung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses nicht mit dem Willen der Parteien vereinbar ist. Dies fuhrt dazu, daß ein Verstoß gegen handelsbilanzielle Vorschriften des HGB als solcher noch nicht als Fehler im Sinne einer Verletzung der schuldrechtlichen Vereinbarungen der Parteien anzusehen ist. Vielmehr muß die verletzte Norm vom jeweiligen Parteiwillen umfaßt werden. Dabei kann eine Auslegung des Parteiwillens trotz ausdrücklicher oder konkludenter Bezugnahme auf die Vorschriften des Handelsbilanzrechtes dazu führen, daß eine Abweichungen von den handelsbilanzrechtlichen Vorschriften der Gewinnermittlung zulässig ist. Wegen der weitgehenden Orientierung des handelsbilanziellen Gewinnbegriffs an der Ausschüttungsbegrenzung und Kapitalerhaltung kann es hier bei einer Reihe von Einzelpositionen zu schwer lösbaren Zweifelsfragen kommen. 22 Da diese Zweifelsfragen letztlich immer
22
So ist etwa bei der Berechnung der Tantiemeansprüche des GmbH-Geschäftsfuhrers streitig, ob sich dieser Minderungen des Jahresüberschusses durch Zufiihrugen zu den Rücklagen entgegenhalten lassen muß (vgl. Schneider, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl. 1988, § 35 Rdn. 184). Bei partiarischen Rechtsverhältnissen mit Einzelkaufleuten und Personenhandelsgesellschaften kann hier zudem die Frage auftreten, ob der partiarisch Berechtigte eine Minderung seiner Gewinnansprüche durch "Willkürabschreibungen" nach § 253 Abs. 4 HGB hinnehmen muß. Für die weitgehende identische Frage gesellschaftsrechtlicher Gewinnansprüche des Kommanditisten wurde diese Frage vom BGH jüngst dahingehend entschieden, daß der Kommanditist eine solche Gewinnminderung nicht hinzunehmen hat, da es sich bei diesen Abschreibungen nicht um eine Maßnahme der Gewinnermittlung, sondern der Gewinnverwendung handelt, (vgl. BGH, DB 1996, 926ff.; weiter Balthasar, in: Hermann/Berger/Wackerbarth, Deutsches und Internationales (Fortsetzung der Fußnote auf nächster Seite)
Β. Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse
293
nur durch Auslegung des Parteiwillens im konkreten Einzelfall zu lösen sind, wird für die folgende Darstellung der Berichtigung fehlerhafter Gewinnermittlungen vereinfachend davon ausgegangen, daß eine Gewinnermittlung nach handelsbilanziellen Vorschriften umfänglich dem Willen der Parteien partiarischer Rechtsverhältnisse entspricht.
I.
Berichtigung bei Einordnung als Schuldanerkenntnis
Rechtsprechung und Literatur stimmen im Ergebnis darin überein, daß ein gegen handelsbilanzrechtliche Vorschriften verstoßender Jahresabschluß grundsätzlich nicht dazu geeignet ist, die Höhe partiarischer Ansprüche zu bestimmen. Als problematisch werden dabei vor allem Fälle fehlerhafter Gewinnausweise angesehen: Sofern im handelsrechtlichen Jahresabschluß unter Verstoß gegen handelsbilanzielle Vorschriften ein zu niedriger Gewinn ausgewiesen wird, verletze dies die Rechte des partiarisch Berechtigten. Hiergegen könne der partiarisch Berechtigte vorgehen. Allerdings könne er grundsätzlich nicht verlangen, daß ein fehlerfreier Jahresabschluß erstellt werde. Vielmehr stehe ihm nur ein Anspruch auf Erhöhung der Gewinnausschüttung zu, den er auch unmittelbar im Klagewege durchsetzen könne.23
Bank- und Wirtschaftsrecht im Wandel, 1997, S. 1 (7ff.); m.w.N.). Folgt man dieser zutreffenden Wertung des BGH, so spricht auch bei partiarischen Rechtsverhältnissen viel dafür, eine Minderung der partiarischen Gewinnansprüche durch Abschreibungen nach § 253 Abs. 4 HGB abzulehnen. Der Anspruch des partiarisch Berechtigten ist seinem Inhalt nach nämlich darauf gerichtet, am tatsächlich erzielten Gewinn des Unternehmens teilzuhaben. Entscheidungen der Gesellschafter über die Verwendung des erzielten Gewinnes lassen seinen Anspruch daher unberührt. Dies gilt selbst dann, wenn man die Bildung stiller Reserven durch Abschreibung nach § 253 Abs. 4 HGB für betriebswirtschaftlich oder volkswirtschaftlich wünschenswert hält. Die Bildung stiller Reserven nach § 253 Abs. 4 HGB stellt eine verdeckte Thesaurierung von Gewinnen dar. Diese beinhaltet eine Mehrung der den Gesellschaftern zustehenden Vermögenssubstanz. Da der partiarisch Berechtigte an dieser Vermögenssubstanz nicht Teil hat, würde eine Anerkennung von Abschreibungen nach § 253 Abs. 4 HGB also zu einer Vermögensmehrung bei den Gesellschaftern zu Lasten der partiarisch Berechtigten führen. Dies ist mit dem Wesen partiarischer Schuldverhältnisse jedoch nicht vereinbar (im Ergebnis ähnlich Hüffer, in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1988, § 243 Rdn. 25 und Imbeck, BB 1991, 1600). 23 BGH WM 1960, 187 (189f.); Meilicke, StBJb 1979/80, S. 447 (472).
294
§ 5 Bestandskraft der Rechnungslegung in partiarischen Rechtsverhältnissen
Wurde dagegen aufgrund eines Verstoßes gegen handelsbilanzielle Vorschriften ein zu hoher Gewinn ausgewiesen und ausgeschüttet, so seien die partiarisch Berechtigten unabhängig davon, ob sie den Fehler erkennen konnten, zu einer Rückerstattung nach § 812 Abs. 1 BGB verpflichtet.24 Dieses im Regelfall nicht näher begründete Ergebnis läßt sich weitgehend mit der Einordnung des festgestellten Jahresabschlusses durch die herrschende Meinung als - abstraktes oder kausales - Schuldanerkenntnis vereinbaren: Ordnet man die Feststellung wie im Personenhandelsgesellschaftsrecht als kausales Schuldanerkenntnis ein, so entfaltet eine fehlerhafte Feststellung wie im Personenhandelsgesellschaftsrecht von vornherein keine rechtsgeschäftliche Wirkung. 25 Geht man dagegen mit der früher herrschenden Auffassung im Gesellschaftsrecht von einem abstrakten Schuldanerkenntnis aus, so läßt sich das gewünschte Ergebnis nur dann darstellen, wenn man annimmt, daß die Fehlerhaftigkeit des festgestellten Jahresabschlusses zur Anfechtbarkeit oder Kondizierbarkeit des Schuldanerkenntnisses führt. 26 Mit der Einordnung als Schuldanerkenntnis kaum zu vereinbaren ist dagegen die Annahme, daß der partiarisch Berechtigte bei einem ergebnismindernden Fehler nicht erst die erneute Feststellung des Jahresabschlusses erzwingen könne, sondern unmittelbar auf Auszahlung des höheren Gewinnes klagen könne und müsse. Diese Auffassung läßt sich schon schwer damit vereinbaren, daß dem Berechtigten aus dem partiarischen Schuldverhältnis grundsätzlich ein Anspruch auf ordnungsgemäße Rechnungslegung zusteht. Dieser Verpflichtung kommt der partiarisch Verpflichtete durch einen fehlerhaften Jahresabschluß ebensowenig nach wie er die handelsrechtliche und gesellschaftsrechtliche Rechnungslegungspflicht erfüllt. Es erscheint daher inkonsequent, allein dem partiarisch Berechtigten einen Anspruch auf fehlerfreie Rechnungslegung zu verweigern. Weiter berücksichtigt diese Auffassung nicht hinreichend, daß es sich bei der Feststellung des Jahresabschlusses infolge der Ermessensspielräume und bilanziellen Wahlrechte um einen Gestaltungsakt handelt. Die Annahme, daß der partiarisch Berechtigte unmittelbar auf Leistung eines höheren Gewinnes klagen könne, geht erkennbar davon aus, daß es sich bei einem Jahresabschluß um ein reines Rechenwerk handele, in dem der fehlerfreie Gewinn allein durch Korrektur der fehlerhaf-
24
So besonders deutlich bei Adler, Wpg 1949, S. 109 (115f.).
25
Vgl. dazu ausführlich oben § 4 D II 2 a aa (Seite 254f.).
26
Zur Kritik an dieser Auffassung schon oben § 4 D I 1 (Seite 246f.).
27
So etwa BGH, WM 1960, 187 (189f.); OLG Düsseldorf, NJW-RR 1994, 1455ff.
Β. Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse
295
ten Positionen ermittelt werden könne. Dies führt dazu, daß die nur als einheitliches Rechtsgeschäft aufzufassende Bestimmung des Gewinns in fehlerhafte und fehlerfreie Teile zerlegt wird. Dies wird schon der von der herrschenden Meinung selbst angenommenen Rechtsnatur eines Schuldanerkenntnisses nicht gerecht. Darüber hinaus läßt die herrschende Auffassung jede Begründung dafür vermissen, warum nunmehr das Gericht dazu berufen sein soll, die für eine Feststellung des zutreffenden Gewinnes notwendigen Wahlrechts- und Ermessensspielräume anstelle des zur Rechnungslegung verpflichteten Unternehmens auszuüben. Einer Einordnung der Feststellung als Schuldanerkenntnis würde es vielmehr entsprechen, bei einer fehlerhaften Gewinnermittlung die erneute Ausübung dieser Gestaltungsrechte gemäß den Vereinbarungen der Parteien dem zur Rechnungslegung verpflichteten Unternehmen zu überlassen. Die Annahme, daß der partiarisch Berechtigte ohne Feststellung eines berichtigten Jahresabschlusses unmittelbar auf Zahlung eines höheren Gewinnes klagen könne und müsse, ist damit nur schwer mit der zugrundegelegten Qualifikation der Feststellung als Schuldanerkenntnis zu vereinbaren. Wenig überzeugend ist auch die Annahme, daß den Empfängern partiarischer Leistungen bei fehlerhaft zu hoch festgestellten Gewinnen kein Gutglaubensschutz zu gewähren sei. Während Aktionäre, GmbH-Gesellschafter und Kommanditisten bei fehlerhafter Gewinnfeststellung durch die Gutglaubensvorschriften in §§ 62 Abs. 1, Satz 2 AktG, 32 GmbHG und 172 Abs. 5 HGB geschützt werden, sollen diese bei paritiarisch Berechtigten weder direkt noch analog anwendbar sein. Partiarisch Berechtigte werden allein auf die bereicherungsrechtlichen Einreden in §§ 814, 818 BGB verwiesen. 28 Damit wird den partiarisch Berechtigten bei fehlerhaft festgestellten Jahresabschlüssen ein Schutz versagt, der den am Unternehmen beteiligten und mit Kontrollrechten ausgestatteten Gesellschaftern gewährt wird. 29 Dies vermag um so weniger zu überzeugen, als bei der GmbH und Kommanditgesellschaft die geschützten Gesellschafter sogar selbst an der Feststellung beteiligt sind.
28
So bereits Adler, Wpg 1949, S. 109 (115f.); weiter Hueck, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 32 Rdn. 6; Goerdeler/W. Müller, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 32 Rdn. 10; Hüffer, Aktiengesetz, 2. Aufl. 1995, § 62 Rdn. 11; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktienG, 2. Aufl. 1988, § 62 Anm. 19; Η. P. Westermann, in Scholz, GmbHG 8. Aufl. 1993, § 32 Rdn. 6.
29
Kritisch insoweit auch Goerdeler/W. Müller, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 32 Rdn. 10; Η. P. Westermann, in Scholz, GmbHG 8. Aufl. 1993, § 32 Rdn. 6.
296 II.
§ 5 Bestandskraft der Rechnungslegung in partiarischen Rechtsverhältnissen
Berichtigung bei Einordnung als Leistungsbestimmung nach § 3 1 5 BGB
Die Einordnung der Feststellung als Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechtes nach § 315 BGB kann die dargestellten Probleme befriedigend lösen. Weicht der im festgestellten Jahresabschluß ausgewiesene Gewinn von den vereinbarten handelsbilanzrechtlichen Vorschriften ab, so ist die Leistungsbestimmung unbillig im Sinne von § 315 Abs. 3 BGB und damit nicht bindend. Diese Unverbindlichkeit kommt allerdings keiner Nichtigkeit gleich. Sie bewirkt lediglich, daß der partiarisch Berechtigte als Empfänger der Bestimmungserklärung diese nicht hinnehmen muß, sondern durch Anrufung des Gerichtes dagegen vorgehen kann. 30 Das Unternehmen als Erklärender ist dagegen an die abgegebene Bestimmungserklärung gebunden.31 Das Leistungsbestimmungsrecht kommt damit einem einseitigen Anfechtungsrecht des partiarisch Berechtigten gleich.32 Das einseitige Gestaltungsrecht des Unternehmens ist dagegen grundsätzlich verbraucht. Ein Recht zur Abgabe einer zweiten, nunmehr fehlerfreien Bestimmungserklärung steht dem Bestimmungsberechtigten aus § 315 BGB nicht zu. 3 3 Diese Grundsätze fuhren im Falle eines fehlerhaft zu niedrig festgestellten Gewinnes dazu, daß der partiarisch Berechtigte sich gegenüber dem Unternehmen auf diesen Fehler berufen kann, ohne die Bestimmungserklärung anzufechten. 34 Er kann vom Unternehmen die Feststellung eines fehlerfreien Gewinnes verlangen oder unmittelbar auf Leistung eines fehlerfrei ermittelten Gewinnes klagen. Gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB geht das Bestimmungsrecht dann auf das Gericht über. Das Gericht entscheidet durch Gestaltungsurteil, in dem es das Gestaltungsrecht der zur Leistungsbestimmung berufe-
30
Vgl. Kornblum, AcP 1968, S. 450 (466); Mader, in: Staudinger, BGB, 13. Bearb. 1995, §315 Rdn. 78.
31 32 33
Vgl. Mader, in: Staudinger, BGB, 13. Bearb. 1995, § 315 Rdn. 78; Vollkommer, in: Jauernig, BGB, 7. Aufl. 1994, § 315 Anm. 4. Vgl. Mader, in: Staudinger, BGB, 13. Bearb. 1995, § 315 Rdn. 78; BAGE 18, 54 (59). Vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1994, 1455 (1458); Mader, in: Staudinger, BGB, 13. Bearb. 1995, § 315 Rdn. 81; Wolf, in Soergel, BGB, 12. Aufl. 1990, § 315 Rdn. 43; Vollkommer, in: Jauernig, BGB, 7. Aufl. 1994, § 315 Anm. 4.
34
Zur möglichen Anfechtung durch das Unternehmen vgl. sogleich unten auf Seite 297.
Β. Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse
297
nen Partei nach eigenem Ermessen ausübt.35 Damit ist bei einer Einordnung der Feststellung handelsbilanzieller Jahresabschlüsse als Leistungsbestimmungsrecht eine gesetzliche Grundlage für die Ausübung der handelsbilanziellen Gestaltungsrechte durch das entscheidende Gericht gegeben. Wurde der Gewinn dagegen zu hoch angesetzt, so kann sich das Unternehmen von dieser Leistungsbestimmung nicht ohne weiteres lösen. Der Erklärungsempfänger einer Leistungsbestimmung nach § 315 Abs. 1 BGB darf vielmehr grundsätzlich darauf vertrauen, daß die Bestimmung der Billigkeit oder den vereinbarten Regeln entspricht.36 Das Unternehmen kann sich gegenüber dem partiarisch Berechtigten also nicht durch einfache Feststellung eines berichtigten Jahresabschlusses von den Ansprüchen lösen, die durch vorherige fehlerhafte Feststellung konkretisiert worden sind. Ein Lösungsrecht ist dagegen dann gegeben, wenn die Fehlerhaftigkeit des Jahresabschlusses zugleich einen Inhaltsirrtum im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB 37 und nicht nur einen Motivirrtum hinsichtlich der Gestaltungserklärung gegenüber den partiarisch Berechtigten begründet. Dogmatisch entspricht dies der Frage, wie im Rahmen von § 119 BGB Kalkulationsirrtümer zu behandeln sind. 38 Geht man mit der wohl herrschenden Meinung zur Behandlung von Kalkulationsirrtümern davon aus, daß nur offene Kalkulationsirrtümer zur Anfechtung nach § 119 BGB berechtigen, der verdeckte dagegen nur einen bloßen Motivirrtum darstellt, so führt dies zu einem interessengerechten Ergebnis: war dem partiarisch Berechtigten die Fehlerhaftigkeit der Gewinnfeststellung erkennbar, so ist das Unternehmen zur Anfechtung berechtigt. Im übrigen muß sich das Unternehmen an der Gewinnfeststellung festhalten lassen. Den
35
Vgl. Mader, in: Staudinger, BGB, 13. Bearb. 1995, § 315 Rdn. 85; Wolf, Soergel, BGB, 12. Aufl. 1990, § 315 Rdn. § 315 Rdn. 48.
36
Vgl. Mader, in: Staudinger, BGB, 13. Bearb. 1995, § 315 Rdn. 81; Wolf, Soergel, BGB, 12. Aufl. 1990, §315 Rdn. 43. Zur Anfechtbarkeit von Gestaltungserklärungen nach § 315 BGB vgl. nur Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1994, § 315 Rdn. 22; Wolf, Soergel, BGB, 12. Aufl. 1990, § 315 Rdn. 43.
37
38
39
Vgl. etwa Dilcher, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1980, § 119 Rdn.27f.; Hefermehl, in Soergel, BGB, 12. Aufl. 1987, § 119 Rdn. 28ff.; Kramer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1993, § 119 Rdn. 72ff., 106ff.; jeweils mit umfangreichen Nachweisen. Vgl. etwa Flume, BGB AT II. § 25; Hefermehl, in Soergel, BGB, 12. Aufl. 1987, § 119 Rdn. 28ff.; Kramer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1993, § 119 Rdn. 72ff„ 106ff., jeweils m.w.N.
298
§ 5 Bestandskraft der Rechnungslegung in partiarischen Rechtsverhältnissen
partiarischen Berechtigten wird damit ein ähnlicher Schutz gewährt wie den Gesellschaftern. Eine Grenze findet dieser Schutz aber dort, wo er mißbräuchlich ist. Dies kommt vor allem bei Tantiemeansprüchen von GmbH-Geschäftsführern und Mitgliedern des Vorstandes oder Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft in Betracht. Hier wäre es schwer einsehbar, daß diese von einem Fehler, den sie selbst im Rahmen ihrer Feststellungskompetenz zu verantworten haben, profitieren sollen. Geht man mit der hier vertretenen Auffassung im Handelsbilanzrecht von einem subjektiven Fehlerbegriff aus, so ist ein solches Ergebnis allerdings von vornherein ausgeschlossen. Ein subjektiv fehlerhafter Jahresabschluß stellt nämlich zugleich eine schuldhafte Verletzung der jeweiligen Organpflichten dar; denn ein Fehler setzt voraus, daß einem sorgfältig handelnden Kaufmann dieser erkennbar gewesen wäre. Der Gesellschaft entsteht in diesem Fall ein Schadensersatzanspruch gegen ihre Organe aus Verletzung der Geschäftsfuhrungspflichten. Dieser Anspruch umfaßt auch den Ersatz der Gewinne, die zu Unrecht an partiarisch Berechtigte ausgeschüttet wurden. Damit kann das Unternehmen zuviel ausgeschüttete Tantiemen von den Mitgliedern ihrer Geschäftsftihrungsorgane sogleich wieder zurückfordern. Berufen sich die Mitglieder der Geschäftsführung auf die Gestaltungswirkung der fehlerhaften Feststellung, so kann das Unternehmen dem nach § 242 BGB die dolo-agit Einrede entgegenhalten. Weiterhin kann im Einzelfall an eine ähnliche Einschränkung des Bestandsinteresses bei § 315 Abs. 1 BGB dann erwogen werden, wenn der Fehler fur den partiarisch Berechtigten offensichtlich war. Die Einordnung der Feststellung handelsrechtlicher Jahresabschlüsse im Rahmen partiarischer Rechtsverhältnisse als Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB vermag damit die bei einer Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse auftretenden Probleme befriedigend zu lösen. Sie vermeidet die bei einer Einordnung als Schuldanerkenntnis auftretenden konstruktiven Mängel und fuhrt zu einer zutreffenden Berücksichtigung schutzwürdiger Bestandsschutzinteressen der partiarisch Berechtigten.
C.
Änderung unzweckmäßiger
Jahresabschlüsse
Welche Auswirkungen partiarische Rechtsverhältnisse auf die Zulässigkeit einer nachträglichen Änderung des Jahresabschlusses haben, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt.
C. Änderung unzweckmäßiger Jahresabschlüsse
299
Vereinzelt wird angenommen, daß partiarische Rechtsverhältnisse eine nachträgliche Änderung unzweckmäßiger Jahresabschlüsse grundsätzlich nicht einschränken. Die Gewinnansprüche partiarisch Berechtigter stünden unter dem Vorbehalt der Bilanzänderung.40 Diese Auffassung läßt sich jedoch mit keiner der dargestellten Auffassungen zur Rechtsnatur des Jahresabschlusses vereinbaren. Unabhängig von seiner Einordnung als Schuldanerkenntnis oder als Leistungsbestimmung nach §315 BGB beinhaltet der Jahresabschluß jedenfalls eine rechtsgeschäftliche Bestimmung des Gewinnanspruchs des partiarisch Berechtigten. Ein Vorbehalt, den so bestimmten Anspruch des paritarisch Berechtigten jederzeit wieder ändern zu können, läßt sich schon nicht mit der rechtsgeschäftlichen Natur der Leistungsbestimmung vereinbaren. Offen ist schließlich, weshalb ein partiarisch Berechtigter sich auf einen solchen Vorbehalt einlassen sollte. Die partiarische Gewinnberechtigung ist schließlich Gegenleistung für eine eigene Leistung. Die ganz überwiegende Auffassung geht daher zurecht davon aus, daß durch eine nachträgliche Änderung des Jahresabschlusses grundsätzlich nicht in bereits entstandene schuldrechtliche Ansprüche partiarisch Berechtigter eingegriffen werden kann. Es sei zwar möglich, den festgestellten Jahresabschluß nachträglich zu verändern. Dies könne aber nicht dazu führen, daß die Gewinnansprüche partiarisch Berechtigter nachträglich vermindert werden. Umgekehrt soll eine ergebnisverbessernde Änderung des Jahresabschlusses dazu führen, daß partiarisch Berechtigte an der Ergebnisverbesserung durch höhere Ansprüche partizipieren.41 Auch diese plausibel erscheinende Lösung läßt sich jedoch nicht mit Rechtsnatur und Inhalt der Gewinnbestimmung im Rahmen parti arischer Schuldverhältnisse vereinbaren. Die einmal erfolgte rechtsgeschäftliche Festlegung des Gewinnanspruches verbietet nicht nur eine einseitige Minderung, sondern auch eine einseitige Erhöhung. Der paritiarisch Berechtigte muß sich nachträglich keine höheren Ansprüche aufdrängen lassen. Dies folgt bei einer Einordnung als Schuldanerkenntnis aus der Vertragsnatur der Anspruchsbestimmung. Bei der Einordnung als Leistungsbestimmungsrecht ist
40
Goerdeler/W. Müller, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, § 30 Rdn. 43.
41
Vgl. insbesondere W. Müller, in: Festschrift fur Quack, 1991, S. 359 (365); weiter Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl. 1995, §245 Rdn. 4; IDW, Stellungnahme HFA 2/1991, Wpg 1992, S. 89 (90); H.-P Müller, in: Festschrift für Budde, 1995, S. 431 (43); Meilicke, StBJb 1979/80, S. 447 (473); Nolle, DB 1963, Beilage 12, S. 1 (4).
300
§ 5 Bestandskraft der Rechnungslegung in partiarischen Rechtsverhältnissen
dies Konsequenz der Tatsache, daß das Leistungsbestinrmungsrecht durch die Ausübung verbraucht und dem Bestimmungsberechtigten entzogen ist. Dies entspricht auch der Interessenlage der partiarisch Berechtigten. Ebenso wie Kommanditisten können sie ein Interesse daran haben, durch die Änderung des Jahresabschlusses entstehende Gewinnansprüche in späteren Perioden anfallen zu lassen. So können durch eine spätere Änderung des Gewinnanspruches etwa steuerliche Dispositionen der partiarisch Berechtigten nachträglich obsolet werden. Nicht nur eine Kürzung, sondern auch eine Erhöhung des Gewinnanspruches durch Änderung des Jahresabschlusses bedarf daher einer vertraglichen Einigung mit den partiarisch Berechtigten. Diese rechtsgeschäftliche Bindung gegenüber partiarisch berechtigten Dritten an einen einmal festgestellten Jahresabschluß hat bei Gesellschaften auch Rückwirkung auf die Änderbarkeit handelsrechtlicher Jahresabschlüsse im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis. Sie führt zu einer mittelbaren Unzulässigkeit gewinnerhöhender Änderungen des Jahresabschlusses. Da partiarische Ansprüche ihrem Inhalt nach auf eine Beteiligung am Gewinn der Gesellschaft gerichtet sind, ist den Gesellschaftern auch eine Erhöhung des für das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis maßgeblichen Jahresabschlusses verwehrt. Hierdurch würde zum einen die den partiarischen Schuldverhältnissen wesenstypische schuldrechtliche Bindung der partiarischen Ansprüche an die gesellschaftsrechtlichen Gewinnansprüche der Gesellschafter durchbrochen. Die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit einer solchen Erhöhung des an die Gesellschafter ausschüttbaren Gewinnes würde dazu fuhren, daß den partiarisch Berechtigten eine mittelbare Kürzung ihrer Ansprüche zugemutet würde. Eine Erhöhung des Gewinns im Jahresabschluß der laufenden Periode beinhaltet eine Gewinnrealisierung, die notwendigerweise zu Lasten der nachfolgender Perioden geschieht. Dies würde dazu fuhren, daß der Gewinnanspruch der partiarisch Berechtigten in den nachfolgenden Perioden geringer ausfällt. Eine solche Kürzung künftiger Ansprüche der partiarisch Berechtigten verstieße gegen die mit diesen getroffenen Vereinbarungen über die Gewinnbeteiligung und ist daher ebenso unzulässig wie eine Kürzung der bereits entstandenen Ansprüche. Gegen den Willen der partiarisch Berechtigten ist daher ohne besondere schuldrechtliche Absprachen
D. Zusammenfassung
301
keine nachträgliche Gewinnerhöhung durch Änderungen des gesellschaftsrechtlichen Jahresabschlusses möglich.42 Dagegen ist es den Gesellschaftern nicht verwehrt, eine allein für das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis wirksame Verminderung des ausgewiesenen Gewinns durch Änderung des Jahresabschlusses herbeizufuhren. Eine solche Minderung entspricht einem Verzicht aufbereite entstandene Ansprüche gegen die Gesellschaft. Dies kann den Gesellschafern nicht verwehrt werden, zumal die partiarisch Berechtigten hierdurch mittelbar in künftigen Perioden profitieren.
D.
Zusammenfassung
Im Ergebnis ist der handelsrechtliche Jahresabschluß im Rahmen partiarischer Rechtsverhältnisse nicht nur Teil der schuldrechtlichen Pflicht zur Rechenschaftslegung, sondern zugleich Grundlage der rechtsgeschäftlichen Bestimmung des Gewinnanteils der partiarisch Berechtigten. Dabei ist entgegen der herrschenden Auffassung davon auszugehen, daß diese Gewinnbestimmung nicht als Schuldanerkenntnis, sondern als einseitige Leistungsbestimmung des Unternehmens nach § 315 BGB einzuordnen ist. Verstößt die Gewinnbestimmung im handelsrechtlichen Jahresabschluß gegen die Vereinbarungen des partiarischen Rechtsverhältnissses, so bleibt der Anspruch des partiarisch Berechtigten auf Rechenschaftslegung erhalten. Für die Höhe seines Gewinnanspruchs ist zwischen gewinnverkürzenden und -erhöhenden Fehlern zu unterscheiden. Bei gewinnverkürzenden Fehlern kann der partiarisch Berechtigte nach § 315 Abs. 3 BGB einen höheren Gewinnanteil verlangen und diesen direkt einklagen. Bei gewinnerhöhenden Fehlern kann dem partiarisch Berechtigten dagegen der höhere Gewinnanspruch nur dann durch eine Berichtigung entzogen werden, wenn er nicht in die Richtigkeit der einseitigen Leistungsbestimmung durch das Unternehmen nach § 242 BGB vertrauen durfte. Entspricht der handelsrechtliche Jahresabschluß den Vereinbarungen des partiarischen Rechtsverhältnisses, so sind nachträgliche Änderungen durch eine abweichende Wahlrechtsausübung nur dann möglich, wenn dies aus-
42
In diesem Sinne wohl auch Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 172 AktG Rdn. 50, 68; Kropff, in: Geßler/Hefermehl, AktG, 1973, § 172 Rdn. 31.
302
§ 5 Bestandskraft der Rechnungslegung in partiarischen Rechtsverhältnissen
drücklich vertraglich vorgesehen ist. Diese Bestandskraft im partiarischen Rechtsverhältnis führt weiter dazu, daß den Gesellschaftern auch für das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis eine Erhöhung des Gewinns durch Wahlrechtsänderung verwehrt ist.
2. Teil Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse nach US-amerikanischem Recht und den IAS § 6 Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse nach US-amerikanischem Recht A.
Das System der US-amerikanischen Rechnungslegung
Während die Rechnungslegung im deutschen Recht der kontinentaleuropäischen Rechnungslegungstradition zuzurechnen ist,1 folgt die handelsrechtliche Rechnungslegung amerikanischer Unternehmen der angelsächsischen Tradition.2 Beide Rechnungslegungstraditionen3 unterscheiden sich aus rechtssystematischer Sicht vor allem darin, daß die kontinentaleuropäische Tradition geprägt ist durch eine historisch gewachsene, detaillierte gesetzliche Regelung, die sich am Schutz der Gläubiger orientiert.4 Eine solche gesetzliche Ausgestaltung der unternehmerischen Rechnungslegung ist der angelsächsischen Tradition dagegen fremd. Dem Rechtsverständnis des common law folgend, überließ das angelsächsische Recht die Regelung der
1 2
Vgl. Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 25ff m. w. N. Vgl. Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 13ff., 233ff., ders., in: Ballwieser (Hrsg.), US-amerikanische Rechnungslegung, 2. Aufl. 1996, S. 1 (5); Demming, in: Gräfer/Demming, Internationale Rechnungslegung, 1994, S. 229 (235); eine Darstellung der Entwicklung des dem amerikanischen Rechnungslegungssystem verwandten britischen Bilanzrechts findet sich bei Küting/Hayn, ZGR 1995, S. 11 Iff. und Großfeld/Diekmann, Wpg 1988, S. 419 (426f.).
3
Vergleichende Darstellungen zu den unterschiedlichen Rechnungslegungstraditionen finden sich etwa bei Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 25ff.; Chio/Mueller, International Accounting, 2. Aufl. 1992, S. 32ff.; Mueller/Gernon/Meek, Accounting, 3. Aufl. 1994, S. 9ff. Nobes/Parker, Comparative International Accounting, 4. Aufl. 1995, S. 3ff.; sowie in der breit angelegten Klassifikation unterschiedlicher Rechnungslegungssysteme bei Nobes, in: Journal of Business, Finance and Accouting, Vol. 10 1983, S. Iff., jeweils m.w.N.
4
Vgl. Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 2 5 f f ; Mueller/Gernon/Meek, Accounting, 3. Aufl. 1994, S. 9ff.; für die Gläubigerorietierung des deutschen Bilanzrechts 1. Teil § 2 C I (Seite 23ff.).
304
§ 6 US-amerikanisches Recht (GAAP)
unternehmerischen Rechnungslegung lange Zeit weitgehend gesellschaftsund einzelvertraglichen Regelungen. Diese in der angelsächsischen Rechtstradition verwurzelte Zurückhaltung des amerikanischen Gesetzgebers bei der Normierung von Rechnungslegungsvorschriften wurde zudem durch die föderale Struktur des amerikanischen Rechtssystems verstärkt. Nach der Verfassung der USA liegt die Rechtsetzungskompetenz für sämtliche Gebiete grundsätzlich bei den Einzelstaaten.6 Die wirtschaftsrechtliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes ist in Article I Section 8 der USVerfassung ausdrücklich darauf beschränkt, den Wirtschaftsverkehr zwischen den Einzelstaaten und die Wirtschaftsbeziehungen mit fremden Staaten zu regeln. Da damit das Handels- und Gesellschaftsrecht in die Gesetzgebungskompetenz der Einzelstaaten fallt,7 ist im amerikanischen Rechtssystem dem Bund auch der legislative Ansatz für eine der kontinentaleuropäischen Tradition entsprechende Normierung der handelsrechtlichen Rechnungslegung entzogen. Das System des common law und die föderale Struktur des amerikanischen Rechtssystems führten dazu, daß die US-amerikanische Rechnungslegung sich nicht als geschlossenes System auf einer gesetzlichen Grundlage entwickelte; die Rechnungslegung wurde vielmehr vor allem von den Standesorganisationen der Wirtschaftsprüfer als kasuistische Sammlung pragmatischer Konventionen aus den Bedürfnissen der Praxis herausgebildet. Seit etwa den 30er Jahren werden diese Konventionen unter dem Begriff der ο
"Generally Accepted Accounting Principles" (GAAP) zusammengefaßt. Gleichzeitig hat sich in den 30er Jahren auch ihre rechtliche Bedeutung gewandelt. Die GAAP stellen seit der Schaffung eines bundeseinheitlichen Kapitalmarktrechtes in den 30er Jahren9 keine bloß rechtstatsächlichen Kon-
5
Vgl. Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 13ff., 233ff., ders., in: Ballwieser (Hrsg.), US-amerikanische Rechnungslegung, 2. Aufl. 1996, S. 1 (5); Demming, in: Gräfer/Demming, Internationale Rechnungslegung, 1994, S. 229 (235); Mueller/Gernon/Meek, Accounting, 3. Aufl. 1994, S. 9ff.
6
Vgl. Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 1991, Rdn. 147 (S. 135).
7 8
Vgl. Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 1991, Rdn. 147 (S. 135). Vgl. Davidson/Weil, Handbook of Modern Accounting, 2. Aufl. 1977, S. lf.; Delaney/Adler /Epstein/Foran, GAAP, 1996 S. lf.; Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 59f.; Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 117.
9
Vgl. dazu sogleich unter § 6 I 1 (Seite 305ff.)
Α. Das System der US-amerikanischen Rechnungslegung
305
ventionen mehr dar. Sie dienen dem amerikanischen Kapitalmarktrecht vielmehr zur Ausgestaltung der Publizitätspflichten aller am Kapitalmarkt notierten amerikanischen Unternehmen und als Grundlage der Aufsicht der Securities and Exchange Commission über den amerikanischen Kapitalmarkt. Diese Instrumentalisierung der als Rechnungslegungskonventionen entstandenen GAAP fur die Normierung von Rechnungslegungspflichten auf dem Kapitalmarkt fuhrt dazu, daß sich sowohl die rechtliche Natur und Systematik der Rechnungslegungsvorschriften als auch die damit verfolgten rechtlichen Ziele grundlegend von der deutschen Rechnungslegung unterscheiden. Dies läßt es angezeigt erscheinen, vor einer Behandlung der für die Änderung und Berichtigung amerikanischer Jahresabschlüsse einschlägigen GAAP zunächst die Entwicklung der US-amerikanischen Rechnungslegungsnormen, ihre Systematik und Zielsetzung darzustellen.
I.
Grundlagen der US-amerikanischen Rechnungslegungsnormen
1.
Entwicklung der kapitalmarktrechtlichen Institutionen und Rechnungslegungsvorschriften
Historischer Ausgangspunkt für die Schaffung einer gesetzlichen Rechnungslegungspflicht waren im amerikanischen Recht die Ereignisse in der Weltwirtschaftskrise der 20er Jahre. Zahlreiche Untemehmenszusammenbrüche, betrügerische Praktiken am Kapitalmarkt und schließlich der gänzliche Zusammenbruch der amerikanischen Börsen im Jahre 1929 hatten zu einer erheblichen Schädigung einzelner Anleger und auch der gesamten Volkswirtschaft geführt. Diese Situation brachte den amerikanischen Gesetzgeber zu der Überzeugung, daß die im Interesse der Gesamtwirtschaft liegende Funktionsfahigkeit des Kapitalmarkts ohne gesetzliche Schutzmechanismen nicht sicherzustellen sei.10 Anlaß für die Schaffung einer gesetzlichen Rechnungslegungspflicht waren also Mißstände, die auffällig der Situation im Frankreich des 17. Jahr-
10
Vgl. Chatfield, A History of Accounting Thought, 2. Aufl. 1977, S. 282f.; Delaney/Adler/ Epstein/Foran, GAAP, 1996, S. 1; Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 20f.; Kieso/Weygandt, Intermediate Accounting, 8. Aufl. 1995, S. 10; Skousen, An Introduction to the SEC, 5. Aufl. 1991, S. Iff.
306
§ 6 US-amerikanisches Recht (GAAP)
hunderts gleichen, die dann zur Ordonnance pour le Commerce von 1673, dem Ausgangspunkt der kontinentaleuropäischen Rechnungslegungstradition, führten.1 Im Gegensatz zum kontinentaleuropäischen historischen Gesetzgeber konnte der amerikanische Bundesgesetzgeber bei der Schaffung gesetzlicher Schutzmechanismen nicht am Handels- und Gesellschaftsrecht ansetzen, da ihm die Kompetenz hierfür durch die einzelstaatliche Gesetzgebungskompetenz entzogen war. Ausgangspunkt der US-amerikanischen Kapitalmarktund Rechnungslegungsvorschriften war daher eine auf der "interstate commerce clause" (Article I Section 8 clause 3) der Bundesverfassung beruhende Aufsicht über die amerikanischen Kapitalmärkte. Diese Aufsicht wurde einer 1933 neu geschaffenen unabhängigen Aufsichtsbehörde, der "Securities and Exchange Commission" (SEC), übertragen. a) Die Securities and Exchange Commission (SEC) Aufgabe der SEC ist es, fur eine erhöhte Transparenz und damit Sicherheit an den amerikanischen Kapitalmärkten zu sorgen.12 Die Grundlagen für diese Aufgabe wurden durch die als "primary acts" bezeichneten "Securities Act" (SA) von 1933 und den "Securities Exchange Act" (SEA) von 1934 geschaffen. 13 Während der Securities Act verlangt, daß jedes Unternehmen, das erstmals Wertpapiere am Kapitalmarkt emittiert, einen Zulassungsantrag ("registration statement") bei der SEC einzureichen hat, in dem die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens offengelegt werden,14 verlangt der "Securities Exchange Act" eine laufende Rechnungslegung aller am Kapitalmarkt gehandelten Unternehmen. Gemäß Section 12, 13 SEA haben alle Unternehmen, deren Wertpapiere von mehr als 500 Anlegern gehalten werden und die ein Brutto vermögen von über 5 Mio. US-$ haben, ihre wirtschaftlichen Verhältnisses in Quartals- und Jahresberichten zu veröffentli-
11
Zum historischen Hintergrund der Ordonnance pour le Commerce von 1673 vgl. Schmidt-Busemann, Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, 1977, S. 22f; sowie oben im 1. Teil unter § 2 Α (Seite 15ff.).
12
Vgl. Skousen, An Introduction to the SEC, 5. Aufl. 1991, S. 7f.
13
Vgl. Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 20; Siebert, Grundlagen der US-amerikanischen Rechnungslegung, 1996, S. 9ff., 33ff.; Skousen, An Introduction to the SEC, 5. Aufl. 1991, S. 45.
14
Zur Publizität der Erstemission nach Section 6 SA ausführlich Skousen, An Introduction to the SEC, 5. Aufl. 1991, S. 22ff. und Wiemann, Untemehmenspublizität nach amerikanischem Kapitalmarktrecht, 1987, S. 49ff.
Α. Das System der US-amerikanischen Rechnungslegung
307
chen. 15 "Securities Act" und "Securities Exchange Act" begründen damit erstmals eine bundeseinheitliche Rechnungslegungspflicht amerikanischer Unternehmen. Welchen Inhalt diese Berichte haben müssen, überlassen beide "primary acts" allerdings der Konkretisierung durch die SEC, der damit eine eigene Normsetzungsbefugnis zusteht.16 Von dieser Befugnis macht die SEC selbst jedoch nur hinsichtlich der Bestandteile und der formellen Gliederung der einzureichenden Unterlagen durch Veröffentlichung einer Fülle von Einzelvorschriften ("Regulations") und einzelner Gliederungsschemata ("forms") Gebrauch. Die wichtigste dieser Normen ist die "Regulation S-X", die vorschreibt, daß die dem "Securities Act" oder "Securities Exchange Act" unterfallenden Unternehmen der SEC durch Wirtschaftsprüfer testierte Jahresabschlüsse und Quartalsberichte einzureichen haben, die aus fünf Elementen bestehen:17 • einer Bilanz ("statement of financial position") • einer Gewinn- und Verlustrechnung ("income statement") • einer Kapitalflußrechnung ("statement of cash flows") • einer Eigenkapitalverwendungsrechnung ("changes in stockholders equity") • sowie Erläuterungen zu einzelnen Positionen dieser Rechnungen ("notes"). Keinen eigenen Gebrauch von ihrer Rechtssetzungsbefugnis macht die SEC dagegen traditionell hinsichtlich materieller Fragen der Rechnungslegung. Deren Ausgestaltung delegiert die SEC an privatrechtliche Organisationen, die seit der Gründung der SEC mehrfach wechselten. Grundlage
15
Vgl. Ηaller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 24f.,239ff; Skousen, An Introduction to the SEC, 5. Aufl. 1991, S. 115ff.
16
Vgl. Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 34; Skousen, An Introduction to the SEC, 5. Aufl. 1991, S. 115f.
17
Vgl. Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 264ff.; Meyer, Accounting and Finance for Lawyers, 1995, S. Iff.; Siebert, Grundlagen der US-amerikanischen Rechnungslegung, 1996, S. 76ff.
308
§ 6 US-amerikanisches Recht (GAAP)
dieser Delegation ist das "Accounting Series Release" (ASR) 18 Nr. 4 aus dem Jahre 1938, in dem die SEC erklärte, künftig nur noch solche Jahresabschlüsse als den Anforderungen des "Securities Act" und "Securities Exchange Act" entsprechend akzeptieren, die inhaltlich den anerkannten Rechnungslegungsstandards entsprechen und durch Wirtschaftsprüfer testiert wurden. Gleichzeitig beauftragte die SEC die Standesorganisation der Wirtschaftsprüfer, die bis 1957 als "American Institute of Accountants" (ΑΙΑ) und seitdem als "American Institute of Certified Public Accountants" (AICPA) firmiert, mit der Ausarbeitung solcher anerkannter Standards.19 b)
Das Committee on Accounting Procedure (CAP) und das Accounting Principles Board (APB) Um die zugewiesene Aufgabe erfüllen zu können, schuf das ΑΙΑ 1938 das "Committee on Accounting Procedure" (CAP), eine Arbeitsgruppe ehrenamtlich tätiger Wirtschaftsprüfer ("Certified Public Accountants"). Dieses befaßte sich mit der Lösung von Einzelproblemen der Rechnungslegung, die es in insgesamt 51 "Accounting Research Bulletins" (ARB) veröffentlichte.20 Die stark an Einzelproblemen orientierte Tätigkeit des CAP entbehrte allerdings eines zusammenhängenden Konzepts, was dazu führte, daß es 1959 aufgelöst und vom AICPA durch das "Accounting Principles Board" (APB) ersetzt wurde. Dieses sollte neben einzelnen Standards auch ein über die Regelung von Einzelfragen hinausgehendes System von Rechnungslegungsgrundsätzen entwickeln. Zu diesem Zwecke wurde dem APB, das wiederum aus ehrenamtlich tätigen Wirtschaftsprüfern bestand, eine aus hauptamtlichen Mitarbeitern bestehende wissenschaftliche Arbeitsgruppe, die "Accounting Research Divison" (ARD), beigeordnet. Bis zu seiner Auflösung im Jahre 1973 publizierte das APB in Form von "APB-Opinions" insgesamt 31 Standards zu Einzelfragen der Rechnungslegung. Diese ersetzen in weiten Bereichen die ARB des vorausgegangenen CAP und haben auch heute noch erhebliche Bedeutung. Diese Bedeutung der
18
Bei den ASR handelt es sich um Mitteilungen der SEC, denen im Rahmen der Verordnungsermächtigung des SEC durch den SA und SEA eine rechtlich bindende Wirkung zukommt. Vgl. Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 35f.; Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 81ff. m.w.N.
19
Vgl. Davidson/Anderson, Journal of Accountancy, Vol. 163 (May 1987), S. 116f.
20
Zur Arbeit des CAP Vgl. Davidson/Anderson, Journal of Accountancy, May 1987, S. 116f.; Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 37; Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 102f.
Α. Das System der US-amerikanischen Rechnungslegung
309
APB-Opinions erwuchs neben der Anerkennung durch die SEC dabei auch daraus, daß der AICPA durch standesrechtliche Vorschriften seinen Mitgliedern die Einhaltung der APB-Opinions bei der Testierung von Jahresabschlüssen verbindlich vorschrieb.2 Das APB kam jedoch der Zielsetzung, ein konsistentes System der Rechnungslegung zu schaffen, nur unzureichend nach. Die Fülle der an das APB herangetragenen Fragen und die oft ohne hinreichende wissenschaftliche Unterstützung durch das ARD formulierten APB-Opinions verhinderten, daß die Opinions des APB wesentlich über die Regelung von Einzelfragen hinausgingen. Da zudem die allein von dem Berufsstand der Wirtschaftsprüfer entwickelten Rechnungsvorschriften zunehmend auf Widerstand anderer Berufsorganisationen stießen, beauftragte das AICPA zwei nach ihren Vorsitzenden benannte Arbeitsgruppen, das "Trueblood Committee" und "Wheat Committee", Vorschläge zur Zielsetzung und künftigen Erarbeitung von Rechnungslegungsstandards auszuarbeiten.22 Aus den Vorschlägen dieser Arbeitsgruppen ist dann 1973 das "Financial Accounting Standards Board" FASB hervorgegangen. c) Das Financial Accounting Standards Board (FASB) Im Gegensatz zu den vorausgegangenen "standard setters" ist das FASB eine vom AICPA, der Standesorganisation der Wirtschaftsprüfer, unabhängige Organisation. Es wird getragen von der "Financial Accounting Foundation" (FAF), einer privatrechtlichen Stiftung, die von sämtlichen berufsständischen Organisationen23 des amerikanischen Rechnungswesens finanziert wird.24
21
Vgl. Davidson/Anderson, Journal of Accountancy, Vol. 163 (May 1987), S. 118; Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 39.
22
Vgl. Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 40 m.w.N.
23
Dies sind neben dem AICPA die "American Accounting Association" (AAA), eine Vereinigung der im Fachbereich Accounting tätigen Hochschullehrer und Praktiker, die "Association for Investment Management and Research" (AIMR), vormals "Financial Analyst Federation" (FAnF), die berufständische Vereinigung der Finanzanalysten, das "Financial Executives Institute" (FEI), eine Vereinigung leitender Angestellter im Rechnungswesen, das "Institute of Management Accountants" (IMA), vormals "National Association of Accountants" (NAA), eine weitere Praktikervereinigung sowie die "Securities Industry Association" (SIA), eine Vertretung der Investment Banker. Vgl. Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 105.
310
§ 6 US-amerikanisches Recht (GAAP)
Das FAF wählt durch seinen Vorstand ("Board of Trustees") das FASB, dessen sieben Mitglieder im Gegensatz zu den Vorgängerorganisationen nunmehr nicht mehr ehrenamtlich, sondern hauptberuflich für das FASB tätig sind und keiner anderen Tätigkeit nachgehen dürfen. 25 Durch diese Autonomie und Professionalisierung des FASB sowie einen gleichzeitig stark formalisierten und öffentlichen Meinungsbildungsprozeß bei der Schaffung neuer Standards26 wurde eine größere Objektivität und Akzeptanz der vom FASB formulierten Standards erreicht. Inhaltlich formuliert das FASB wie seine Vorgänger zum einen Standards für konkrete Einzelfragen der Rechnungslegung. Wichtigstes Instrument bei der Schaffung einzelner Rechnungslegungsvorschriften sind die "Statements of Financial Accounting Standards" (SFAS). Ergänzt werden diese durch "Interpretations" der SAFS und noch bestehende APB-Opinions und ARB sowie "Technical Bulletins" zu kurzfristig auftretenden Einzelfragen.28 Über diese Regelung konkreter Einzelfragen hinaus kam das FASB weiter auch der Aufgabe nach, einen geschlossenen theoretischen Rahmen für das amerikanische Rechnungswesen zu schaffen. In den Jahren 1973 bis 1986 erarbeitete es sechs "Statements of Financial Accounting Concepts" (SFAC), die zusammen die konzeptionelle Grundlage ("Conceptual Framework") der amerikanischen Rechnungslegung bilden. Mit dieser konzeptionellen Grundlage sollten nicht unmittelbar anwendbare Rechnungslegungsstandards gesetzt werden, sondern ein Bezugsrahmen geschaffen wer-
24
Für einen Überblick über die Organisationsstruktur des FASB Vgl. Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 42ff. sowie ausführlich Miller/Redding/Bahnson, The FASB, 3. Aufl. 1994, S. 3Iff.
25
Vgl. Kieso/Weygandt, Intermediate Accounting, 8. Aufl. 1995, S. 13; Miller/Redding/ Bahnsen, The FASB, 3. Aufl. 1994, S. 35ff. Zum Ablauf des Meinungsbildungsprozesses im FASB Vgl. die Übersichten bei Kieso/ Weygandt, Intermediate Accounting, 8. Aufl. 1995, S. 13f. und Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 109f. sowie ausführlich Miller/Redding/Bahnson, The FASB, 3. Aufl. 1994, S. 66ff.
26
27
Vgl. Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 40f,; 49ff.; Kieso/Weygandt, Intermediate Accounting, 8. Aufl. 1995, S. 12f.
28
Vgl. Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 45f. und ausfuhrlich Miller/Redding/Bahnson, The FASB, 3. Aufl. 1994, S. 58ff.
29
Diese sind wiedergegeben in Financial Accounting Standards Board, Original Pronouncements, Accounting Standards, Vol. I, 1995.
Α. Das System der US-amerikanischen Rechnungslegung
311
den, der zur Auslegung geltender und zur Entwicklung künftiger Standards herangezogen werden kann. 30 Neben dem FASB werden Rechnungslegungsstandards zwar auch noch von anderen Institutionen entwickelt,31 das FASB ist heute jedoch als die maßgebliche Institution bei der Schaffung von Rechnungslegungsnormen anzusehen.32 Das heutige System der US-amerikanischen Rechnungslegung ist damit trotz einer bundesgesetzlichen Normierung der Rechnungslegungspflicht am Kapitalmarkt gehandelter Unternehmen nicht durch legislatives Handeln, sondern durch einen legislativ geförderten Selbstregulierungsprozeß berufsständisch verankerter privater Organisationen als "standard setters" geprägt. Dies läßt sich als Ausdruck einer Skepsis gegenüber legislatorischem Handeln begreifen, die dem Rechtssystem des common law im allgemeinen und der amerikanischen Rechnungslegungstradition im besonderen zu eigen ist.33 Die überwiegend auf praktischen Bedürfnissen und Konventionen beruhende induktive Ermittlung von Rechnungslegungsstandards durch das CAP, ABP und heute das FASB hat den Vorteil einer hohen praktischen Akzeptanz und Flexibilität der entwickelten Rechnungslegungsstandards für sich.3 Sie fuhrt jedoch zu dem Problem, daß unter dem Begriff der "Generally Accepted Accounting Principles" (GAAP) heute eine Fülle historisch gewachsener Rechnungslegungsstandards und -konventionen zusammengefaßt werden, die nicht nur schwer überschaubar, sondern mangels einheitlicher systematischer
30
Zur Zielsetzung des Conceptual Framework Vgl. die Einleitung zu SFAC No. 1 Objectives of Financial Reporting by Business Enterprises, in: FASB, Original Pronouncements, Accounting Standards, Vol. II, 1995; weiter Delaney/Adler/Epstein/ Foran, GAAP, 1996, S. 20ff., Solomons, Journal of Accountancy, Vol. 161 (June 1986), S. 114ff. Eine Zusammenstellung der Kritik am Conceptual Framework findet sich bei Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 218ff.
31
Zu diesen Kieso/Weygandt, Intermediate Accounting, 8. Aufl. 1995, S. 21f.; Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 52f.
32
Vgl. Delaney/Adler/Epstein/Foran, GAAP, 1996, S. 4ff.; Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 49ff.; Miller/Redding/Bahnson, The FASB, 3. Aufl. 1994, S. 20ff.; Kieso/Weygandt, Intermediate Accounting, 8. Aufl. 1995, S. 13f.
33
Vgl. Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 57f., 62f. m.w.N.
34
Vgl. Catlett, Journal of Accountancy, March 1960, S. 33ff., Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 73.
312
§ 6 US-amerikanisches Recht (GAAP)
Grundlage oft sogar widersprüchlich sind.35 Die amerikanische Literatur ist daher bestrebt, die Lösung praktischer wie theoretischer Probleme der Rechnungslegung durch eine Systematisierung der GAAP zu erleichtern. 2.
Systematik der GAAP
Entsprechend der Entstehung der Rechnungslegungsstandards aus praktischen Bedürfnissen und Konventionen wird der Begriff der GAAP in der USamerikanischen Rechnungslegung nicht als klar definierbare Menge homogener Vorschriften, sondern als offenes System verstanden, das einer steten Veränderung durch Entwicklungen in der Praxis der Rechnungslegung unterworfen ist.36 Die weitgehende Kodifizierung der heute geltenden GAAP ermöglicht es jedoch, das offene System in Kategorien einzuteilen. Für die Lösung praktischer Fragen der Rechnungslegung hat sich eine meist als "House of GAAP" bezeichnete37 hierarchische Gliederung der GAAP in vier Stufen herausgebildet, die sich am Grad der Verbindlichkeit und der Herkunft der jeweiligen Standards orientiert.38 Auf der ersten Ebene angesiedelt werden die GAAP, die in verbindlicher Form veröffentlicht wurden. Hierzu gehören neben den SFAS und "Interpretations" des FASB auch die noch in Kraft befindlichen "Opinions" und "Accounting Research Bulletins" der Vorgängerorganisationen APB und CAP. Die Einhaltung dieser Veröffentlichungen in den Jahresabschlüssen nach dem SA und SEA publizitätspflichtiger Unternehmen wird zum einen von der
35
36
37
38
Vgl. etwa die Kritik bei Jonas, Probleme und Tendenzen der Rechnungslegung in den USA, DB 1974, S. 1345 (1346f.) und Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 117f. Vgl. Catlett, Journal of Accountancy, March 1960, S. 33 (37f.); Delaney/Adler/Epstein/ Foran, GAAP, 1996, S. 3ff.; Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 64ff.; Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 117f. Vgl. Kieso/Weygandt, Intermediate Accounting, 8. Aufl. 1995, S. 18; Rubin, Journal of Accountancy, Vol. 157 (June 1984), S. 122ff.; Sauter, Journal of Accountancy, July 1991, S. 3Off. Vgl. FASB, SFAS Nr. I l l Par. 25, AICPA, Satement of Auditing Standards Nr. 69; und die zum Teil leicht modifizierten Darstellungen bei Delaney/Adler/Epstein/Foran, GAAP, 1996, S. 4f.; Kieso/Weygandt, Intermediate Accounting, 8. Aufl. 1995, S. 18; Miller/Redding/ Bahnsen, The FASB, 3. Aufl. 1994, S. 61f.; Rubin, June 1984, S. 122 (123f.); Sauter, Journal of Accountancy, July 1991, S. 30ff.
Α. Das System der US-amerikanischen Rechnungslegung
313
SEC, 39 zum anderen aber auch vom Wirtschaftsprüferverband AICPA bei der Erteilung des von der SEC geforderten Testates durch seine Mitglieder, 40 zwingend vorgeschrieben. Sie werden also mittelbar von der Rechtssetzungsbefugnis des SEC erfaßt. Sie werden im amerikanischen Schrifttum daher als verpflichtend bezeichnet und bilden meist den Kern der in den Lehrbüchern zum Rechnungswesen dargestellten GAAP. 4 ' Enthält diese verbindliche erste Ebene keine Lösung, so ist auf Rechnungslegungsstandards zurückzugreifen, die zwar keinen verbindlichen Charakter haben, denen aufgrund ihrer Herkunft aber ein "substantial authoritative support" beigemessen wird, 4 2 die also mit der Autorität einer zur Schaffung von GAAP berufenen Organisation verbunden sind. Hierunter fallen auf der zweiten Ebene die "Technical Bulletins" des FASB sowie solche Stellungnahmen ("Statements of Position" SOP) und Handbücher ("Industry Audit and Accounting Guides") des AICPA, die mit der FASB abgestimmt wurden. Auf der dritten und vierten Ebene folgen dann die übrigen Veröffentlichungen des FASB und AICPA sowie - auf der vierten Ebene - eine generalklauselartige Anerkennung in der Unternehmenspraxis verbreiteter und allgemein anerkannter Rechnungslegungspraktiken. Auffallig an dieser Hierarchie der GAAP ist, daß sie ausschließlich Quellen umfaßt, die Einzelfragen der Rechnungslegung regeln und auf Konventionen der Rechnungslegungspraxis beruhen. In der Hierarchie nicht enthalten sind dagegen die sechs"Statements of Financial Accounting Concepts" (SFAC), die die konzeptionelle Grundlage ("Conceptual Framework") der US-amerikanischen Rechnungslegung bilden. Diese werden zwar als Basis
39
Dies geschah durch den Accounting Series Release (ASR) No. 150 und Financial Reporting Release (FRR) No. 1. des SEC. Vgl. Miller/Redding/Bahnson, The FASB, 3. Aufl. 1994, S. 31; Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 113.
40
Dies geschah durch die Rules of Conduct 203 des standesrechtlichen "Code of Professional Ethics" des AICPA. Vgl. Delaney/Adler/Epstein/Foran, GAAP, 1996, S. 4; Miller/Redding/Bahnson, The FASB, 3. Aufl. 1994, S. 22f.; Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 114.
41
So ausdrücklich Delaney/Adler/Epstein/Foran, GAAP, 1996, S. 4; der Sache nach auch die Darstellungen bei Kieso/Weygandt, Intermediate Accounting, 8. Aufl. 1995; Williams, Miller GAAP Guide, 1995.
42
Vgl. Kieso/Weygandt,
Intermediate Accounting, 8. Aufl. 1995, S. 17f.
314
§ 6 US-amerikanisches Recht (GAAP)
der GAAP angesehen;43 zusammen mit allgemeinen Überlegungen zu den Zielen und Methoden der Rechnungslegung in der einschlägigen Literatur sollen die SFAC auch zur Auslegung der bestehenden GAAP oder Lösung offener Fragen herangezogen werden.44 Als Bestandteil der GAAP werden die SFAC aber nicht betrachtet 45 Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die den US-amerikanischen Jahresabschluß prägenden GAAP nach wie vor induktiv und nicht - wie die kontinentaleuropäische Bilanzrechtstradition deduktiv angelegt sind.46 Daran hat auch der mit den SFAC unternommene Versuch, die vorhandenen Rechnungslegungsvorschriften theoretisch zu durchdringen und eine geschlossene systematische Grundlage zu schaffen, nichts wesentliches geändert. 3.
Rechtliche und tatsächliche Bedeutung der GAAP
Die US-amerikanische Rechnungslegung unterscheidet sich von der kontinentaleuropäischen nicht nur durch die dargestellte berufsständische Prägung der Rechnungslegungsstandards. Auch hinsichtlich des Umfanges der nach den GAAP zur Rechnungslegung verpflichteten Unternehmen weicht die USamerikanische Rechnungslegung erheblich von der kontinentaleuropäischen ab. Während das kontinentaleuropäische Recht die Rechnungslegungspflicht an der Kaufmannseigenschaft festmacht, war dieser Ansatz dem Bundesgesetzgeber durch die föderale Struktur des amerikanischen Rechtssystems versperrt. Durch den Ansatz am Kapitalmarktrecht haben die GAAP eine unmittelbare rechtliche Bedeutung daher nur für solche Unternehmen, die durch öffentliche Ausgabe von Wertpapieren den Vorschriften des "Securi-
43
Vgl. die Darstellung bei Rubin, Journal of Accountancy, Vol. 157 (June 1984), S. 122ff.; Sauter, Journal of Accountancy, July 1991, S. 30ff. und darauf aufbauend die Darstellung bei Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 123.
44
Vgl. insbesondere die instruktive Darstellung anhand von Beispielsfällen bei Delaney/Adler/ Epstein/Foran, GAAP, 1996, S. 15ff.
45
Dies wird vom FASB selbst auch ganz ausdrücklich in der Einleitung zum SFAC Nr. 1 "Objectives of Financial Reporting by Business Enterprises" betont.
46
Vgl. hierzu die ausführliche Analyse von Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 218ff., der annimmt, daß das FASB mit dem conceptual framework weniger eine systematische Grundlage für die Deduktion neuer Standards als vielmehr eine politisch opportune Synopse der bestehenden Rechnungslegungsstandards schaffen wollte.
Α. Das System der US-amerikanischen Rechnungslegung
315
ties Act" (SA) und "Securities Exchange Act" (SEA) unterfallen. Im Gegensatz zur kontinentaleuropäischen Bilanzrechtstradition ist die von den GAAP geprägte US-amerikanische Rechnungslegung strukturell also nicht auf eine umfassende Regelung der Rechnungslegung angelegt, sondern erfaßt nur einen Teil der Unternehmen. Da für amerikanische Unternehmen die Finanzierung über den Kapitalmarkt nicht zuletzt durch das Trennbankensystem traditionell eine deutlich größere Bedeutung hat als im kontinentaleuropäischen Rechtskreis, ist der Kreis der so erfaßten Unternehmen allerdings deutlich größer als dies bei einer vergleichbaren Regelung am deutschen Kapitalmarkt der Fall wäre. 47 Dennoch ist die Reichweite der rechtlichen Bindungswirkung der GAAP deutlich begrenzter als die der kontinentaleuropäischen Rechnungslegungssysteme. Diese begrenzte rechtliche Bindungswirkung wird jedoch zu weiten Teilen dadurch kompensiert, daß man die GAAP faktisch auf die nicht dem Kapitalmarktrecht unterfallenden Unternehmen erstreckt. Das amerikanische Recht ist nämlich durch eine starke Tendenz geprägt, das Gesellschaftsrecht zu einem reinen Organisationsinstrument der Geschäftsführung und Gesellschafter umzubauen.48 Dementsprechend ist die gesellschaftsrechtliche Rechnungslegungspflicht der Geschäftsführung gegenüber ihren Anteilseignern in den Gesellschaftsrechten der jeweiligen Einzelstaaten nur rudimentär ausgebildet. Eine gesetzliche Pflicht zur Erstellung eines Jahresabschlusses ("annual financial statement") besteht im amerikanischen Recht von vornherein nur für die Kapitalgesellschaften ("corporations"), nicht jedoch für Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften ("partnerships").49 Doch auch die für die Kapitalgesellschaften geltenden Regelungen enthalten keine nähere Inhaltsbestimmung des Jahresabschlusses oder gar eine Verpflichtung auf Einhaltung der GAAP. Typisch für die Rechtslage bei den Corporations in allen Bundesstaaten ist vielmehr die in § 16.20 des Revised Model Business Corporation Act von 1984 getroffene Regelung. Hiernach muß der gesellschaftsrechtliche Jahresabschluß nur dann nach GAAP erstellt werden, wenn die Corporation ihre Rechnungslegung nach GAAP vornimmt. Wird kein mit
47
Vgl. Glaum/Mandler, Rechnungslegung auf globalen Kapitalmärkten, 1996, S. 101 f.; Horn, AG 1977, S. 297 (300); Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 22f.
48
Vgl. Horn, AG 1977, S. 297 (301) m.w.N.
49
Vgl. Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 235; Veltins, Das Recht der U.S. Partnership und Limited Partnership, 1984, S. 52f. jeweils m.w.N.
316
§ 6 US-amerikanisches Recht (GAAP)
den GAAP konformer Jahresabschluß erstellt, so muß lediglich offengelegt werden, auf welcher Grundlage die Rechenschaftslegung erfolgte. Eine generelle Verpflichtung zur Einhaltung der GAAP fehlt also auch bei den Kapitalgesellschaften.5 Diese weitgehende rechtliche Freiheit bei der Erstellung eines gesellschaftsrechtlichen Jahresabschlusses wird faktisch allerdings durch die Rule 203 des standesrechtlichen "Code of Professional Ethics" des AICPA unterlaufen. Diese verpflichtet die dem AICPA angehörenden Wirtschaftsprüfer dazu, ein Testat nur dann zu erteilen, wenn der testierte Jahresabschluß mit den GAAP konform ist. Da diese Verpflichtung auch dann gilt, wenn die Pflicht zur Prüfung und Testierung des Jahresabschlusses aus dem Gesellschaftsvertrag oder einzelvertraglichen Absprachen mit Kreditgebern resultiert, kommt den GAAP faktisch eine deutlich über den Kapitalmarkt hinausgehende Bindungswirkung zu.51 Trotz des unterschiedlichen Ansatzpunktes haben die GAAP in der USamerikanischen Rechnungslegungstradition zwar nicht rechtlich, jedoch faktisch eine ähnlich bestimmende Rolle wie die gesetzlichen Vorschriften in der kontinentaleuropäischen Rechnungslegungstradition.52 II.
Zielsetzung der US-amerikanischen Rechnungslegung
Die kapitalmarktrechtliche Verankerung der US-amerikanischen Rechnungslegungsvorschriften im "Securities Act" und "Securities Exchange Act" hat weiter erhebliche Auswirkungen auf die Zielsetzung der GAAP. Ziel dieser "primary acts" ist es, einer Schädigung von Anlegern am Kapitalmarkt vorzubeugen. Beherrschendes Prinzip dieses Anlegerschutzes ist jedoch keine Beschränkung des Kapitalmarktzuganges, sondern eine umfassende Informationspflicht der Unternehmen. Im Einklang mit der für das common law typischen Zurückhaltung gegenüber hoheitlichen Regelungen privater Rechtsbeziehungen verzichtet der US-Gesetzgeber auf eine Kontrolle der Solvenz oder Kapitalausstattung durch die SEC. Die Kapitalmarktaufsicht
50
Vgl. Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 233f.; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 1991, Rdn. 592 (S. 349).
51
Vgl. Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 236; Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 125; Siebert, Grundlagen der US-amerikanischen Rechnungslegung, 1996, S. 50f. Ähnlich Glaum/Mandler, Rechnungslegung auf globalen Kapitalmärkten, 1996, S. 104.
52
Α. Das System der US-amerikanischen Rechnungslegung
317
durch die SEC zielt allein darauf, dem Anleger zuverlässige Informationen über die Unternehmen zu gewähren. Aufgabe der SEC ist es also nur, für die Rahmenbedingungen eines effizienten Kapitalmarktes zu sorgen, nicht jedoch selbst auf die Entscheidungen der Anleger oder die am Markt gehandelten Untemehmensrisiken Einfluß zu nehmen.53 Der Leitgedanke des US-amerikanischen Kapitalmarktrechtes, den Anleger durch Information zu schützen, wirkt sich auch auf die Ziele der Rechnungslegung nach den GAAP aus. 1.
Dominanz der Kapitalmarktinformation
Obwohl die GAAP nicht von der SEC, sondern von berufsständisch geprägten Organisationen der Wirtschaftsprüfer formuliert werden, führt die Verankerung in der Kapitalmarktaufsicht dazu, daß die US-amerikanischen Rechnungslegungsvorschriften anders als die kontinentaleuropäische Rechnungslegung von den Erfordernissen der Kapitalmarktinformation dominiert werden.54 Diese Dominanz der Kapitalmarktinformation zeigt nicht nur in einer Fülle von einzelnen GAAP, sondern besonders deutlich in den ersten beiden "Statements of Financial Accounting Concepts" (SFAC)55 vom FASB formulierten "conceptual framework" der US-amerikanischen Rechnungslegung.56 a)
SFAC No. 1 - Objektives of Financial Reporting by Business Enterprises Das Fundament des "conceptual framework" wird vom FASB im SFAC No. 1 "Objektives of Financial Reporting by Business Enterprises" behandelt.
53
Vgl. Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 23f.; Hopt, Vom Aktien- und Börsenrecht zum Kapitalmarktrecht ? Teil 1, ZHR 140 (1976) S. 201 (205f.); Skousen, An Introduction to the SEC, 5. Aufl. 1991, S. 18f.
54
Vgl. Demming, in: Gräfer/Demming, Internationale Rechnungslegung, 1994, S. 229 (245); Haller, in: Ballwieser, W. (Hrsg.), US-amerikanische Rechnungslegung, 2. Aufl., Stuttgart 1996, S. 1 (7); ders., Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 245f); Küting/Eidel, RIW 1996, S: 836 (838f.).
55
Beide sind abgedruckt in FASB, Original Pronouncements, Accounting Standards, Vol. II, 1995.
56
Vgl. zum Folgenden ausführlich vor allem Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 197ff., 255ff. und Siebert, Grundlagen der US-amerikanischen Rechnungslegung, 1996, S. 125ff.
318
§ 6 US-amerikanisches Recht (GAAP)
Dieses stellt die allgemeinen Grundlagen und Zielsetzungen der USamerikanischen Rechnungslegung dar. Das FASB stellt hierin klar,5 daß es die Aufgabe der Rechnungslegung darin sieht, die Informationen über das Unternehmen zu liefern, welche die Adressaten der Rechnungslegung für ihre wirtschaftlichen Entscheidungen benötigen. Als prägender Grundsatz der US-amerikanischen Rechnungslegung wird daher die "decision usefulness" der dargelegten Informationen angesehen. 58 Konsequenz dieser Entscheidungsorientierung der US-amerikanischen Rechnungslegung ist notwendigerweise, daß im "conceptual framework" Annahmen zu den Adressaten der Rechnungslegung und ihren Informationsbedürfnissen getroffen werden müssen. Hier geht das FASB zunächst zwar von einem extrem weiten Kreis möglicher Adressaten aus, der auch die Arbeitnehmer, das Management und unterschiedliche Gruppen der interessierten Öffentlichkeit umfaßt. 9 Diese sehr weit gefaßte Adressatengruppe spielt aber weder in den weiteren Ausführungen des SFAC No. 1 noch in den übrigen SFAC eine Rolle. Konkrete Informationsbedürfnisse erörtert das SFAC vielmehr allein für die gegenwärtigen und potentiellen Kapitalanleger.60 Der Sache nach konzentriert das FASB die Informationsfunktion der Rechnungslegung also auf die Bedürfnisse des Kapitalmarktes. Inhaltlich folgt das FASB dabei weitgehend den unter den Bezeichnungen "value theorie" oder "shareholder value concept" entwickelten Auffassungen der Wirtschaftswissenschaft. Diese gehen davon aus, daß für die Anleger weniger die Vermögenssubstanz des Unternehmens als vielmehr dessen künftiger Überschuß an liquiden Mitteln (cash-flow) entscheidungs- und bewertungsrelevant ist, da allein aus diesen Ausschüttungen an die Anleger geleistet werden.01 Diese cash-flow orientierten Ansätze modifiziert das FASB allerdings insoweit, als es annimmt, daß eine reine Kapitalflußrech-
57
Vgl. insbes. SFAC No. 1 Paragraph 9 und 33.
58
Vgl. Baetge/Roß, in: Ballwieser, W. (Hrsg.), US-amerikanische Rechnungslegung, 2. Aufl. 1996, S. 29 (32); Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 206.
59 60
Vgl. SFAC No. 1 Paragraph 24. Vgl. SFAC No. 1 Paragraph 34ff.
61
Zum share-holder value Concept allgemein Vgl. Bühner, in: Die Betriebswirtschaft, 1994, S. 749ff. und Buchner, in: Wist 1994, S. 513ff.; zur Auswirkung dieser Theorien auf die amerikanische Rechnungslegung ausfuhrlich Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 147ff-
Α. Das System der US-amerikanischen Rechnungslegung
319
nung nicht dazu geeignet ist, den künftigen cash-flow zu prognostizieren. Aussagekräftiger für die künftige finanzielle Wertschöpfiing, die als "earning power" bezeichnet wird, sei vielmehr die in der Gewinn- und Verlustrechnung dargestellte Struktur des Unternehmenserfolges.62 Neben dieser Funktion der Kapitalmarktinformation weist das FASB der Rechnungslegung auch eine gesellschaftsrechtliche Aufgabe der Rechenschaftslegung des Managements gegenüber den Gesellschaftern zu.63 Diese als "stewardship responsibility to owners" bezeichnete Funktion tritt jedoch deutlich hinter die Kapitalmarktinformation zurück.64 Dementsprechend orientieren sich die im SFAC No. 2 dargelegten qualitativen Anforderungen an die zu veröffentlichenden Informationen ganz überwiegend an der "decision usefulness" des Jahresabschlusses fur Anleger. b) SFAC No. 2 - Qualitiative Characteristics of Accounting Information Aufgabe des unter dem Titel "Qualitiative Characteristics of Accounting Information" veröffentlichten SFAC No. 2 ist es, die für eine entscheidungsorientierte Rechnungslegung erforderlichen qualitativen Anforderungen an den Jahresabschluß und die sonstigen Veröffentlichungen der Unternehmen darzustellen. Die Entscheidungsorientierung des Rechnungswesens ("decision usefulness") führt nach Ansicht des FASB zu einem hierarchisch strukturierten Anforderungsprofil an die Rechnungslegung:
62
Vgl. SFAC No. 1 Paragraph 44f.
63 64
Vgl. SFAC No. 1 Paragraph 50ff. Vgl. Haller, in: Ballwieser, W. (Hrsg.), US-amerikanische Rechnungslegung, 2. Aufl., Stuttgart 1996, S. 1 (10); ders., Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 206f.
320
§ 6 US-amerikanisches Recht (GAAP)
Hierarchy of Accounting Qualities
Primary Decision-Specific Qualities
Ingrediants of Primary Qualities
Secondary and Interactive Qualities
Threshold for Recognition
Abb. 1: Hierarchie qualitativer Anforderungen an die Rechnungslegung
65
Als primäre qualitative Ansprüche an die Rechnungslegung ("primary decision-specific qualities") leitet das FASB aus der Entscheidungsorientierung ("decision usefulness") das Verlangen nach Relevanz der in der Rechnungslegung mitgeteilten Informationen ("relevance") sowie deren inhaltliche Zuverlässigkeit ("reliability") her.66 Die unmittelbare Entscheidungsorientierung dieser primären Anforderungen zeigt sich in der vom FASB vorgenommen Umschreibung des Inhaltes ("ingrediants of primary qualities") der Relevanz und Zuverlässigkeit. Eine Rechnungslegung ist hiernach für die Entscheidungen der Adressaten relevant, wenn auf ihrer Grundlage eine Einschätzung der künftigen Entwicklung des Unternehmens ("predictive value") sowie eine Überprüfung
65
Vgl. Figure 1 in FASB, SAFC Nr. 2 "Qualitative Characteristics of Accounting Information" und in Anlehung daran Kieso/Weygandt, Intermediate Accounting, 8. Aufl. 1995, S. 37.
66
Vgl. SFAC No. 2, Paragraph 46ff.
321
Α. Das System der US-amerikanischen Rechnungslegung
vergangener Einschätzungen ("feedback value") möglich ist67 und diese Informationen den Investor erreichen, bevor sie überholt sind ("timeliness"). 68 Als zuverlässig wird die Rechnungslegung angesehen, wenn ihre Angaben so gestaltet sind, daß sie fur Dritte nachvollziehbar ("verifiability") 69 sind, auf einer Erfassung meßbarer Unternehmensverhältnisse beruhen ("representational faithfulness") 70 und nicht im Hinblick auf erwartete Reaktionen der Adressaten gestaltet wurden ("neutralitiy").71 Diese primären Merkmale bilden den Kern der im Schrifttum als "fair presentation" bezeichneten Maxime zutreffender und wahrheitgemäßer Darstel7?
lung des US-amerikanischen Rechnungswesens. Das FASB ergänzt diese primärenen Merkmale der zutreffenden Darstellung im weiteren durch sekundäre Merkmale. Diese orientieren sich an der Evaluation der mit der Rechnungslegung gewährten Information durch die Adressaten. Das FASB nimmt an, daß sich die aus einer Rechnungslegung gewinnbaren Erkenntnisse vor allem durch Vergleich mit Jahresabschlüssen ähnlicher Unternehmen und den vorausgegangenen Abschlüssen desselben Unternehmens ergeben. Auf einer sekundären Ebene, die mit den Merkmalen der Relevanz und Zuverlässigkeit in Wechselbeziehung stehe ("secondary and interactive qualities"), wird daher die Vergleichbarkeit und Standardisierung ("comparability") sowie eine zeitliche Stetigkeit ("consistency") der angewandten Rechnunslegungsmethoden verlangt.7 Eine weitere inhaltliche Ausgestaltung und zugleich Beschränkung aller vier qualitativen Anforderungen ("threshold for recognition") bildet im System des amerikanischen Rechts der Grundsatz der Wesentlichkeit ("materiality"). Dieser Grundsatz wird seinerseits durch die Relevanz näher bestimmt,
67 68
Vgl. SFAC No. 2, Paragraph 5 1 - 5 5 . Vgl. SFAC No. 2, Paragraph 56, 57.
69
Vgl. SFAC No. 2, Paragraph 81 - 89.
70 71
Vgl. SFAC No. 2, Paragraph 63 - 89. Vgl. SFAC No. 2, Paragraph 98 - 110.
72
Baetge/Roß, in: Ballwieser, W. (Hrsg.), US-amerikanische Rechnungslegung, 2. Aufl. 1996, S. 29 (33f.); Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 256.
73
Vgl. SFAC No. 2, Paragraph 111 - 122. Instruktiv zu diesen sekundären Kriterien auch Kieso/ Weygandt, Intermediate Accounting, 8. Aufl. 1995, S. 39 und Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 209f.
322
§ 6 US-amerikanisches Recht (GAAP)
die eine Abweichung der Rechnungslegung von den dargelegten Anforderungen fur den Entscheidungsfindungsprozeß der Anleger hat. Ob eine Tatsache wesentlich und daher in der Rechnungslegung darzustellen ist, bestimmt sich nämlich nicht primär nach quantitativen Gesichtspunkten, sondern danach, ob die Tatsache dazu geeignet ist, einen Einfluß auf die Entscheidung der Anleger auszuüben. 74 Das im SFAC No. 2 dargelegte System der qualitativen Anforderungen an die US-amerikanische Rechnungslegung ist insgesamt also konsequent an dem Kriterium der "decision usefulness" orientiert, das wiederum aus dem Zweck der Kapitalmarktinformation entwickelt worden ist. 2.
Irrelevanz der Kapitalerhaltung und Ausschüttungsbemessung
Hinter dieser Orientierung an der Kapitalmarktinformation treten in der USamerikanischen Rechnungslegung die in der kontinentaleuropäischen Bilanzrechtstradition dominierenden Aufgaben der Kapitalerhaltung und Ausschüttungsbemessung und auch die Dokumentationsfunktion weitgehend zurück.75 Insbesondere ist der Gedanke einer durch Kapitalerhaltungsgrundsätze bestimmten vorsichtigen Gewinnermittlung den US-amerikanischen Rechnungslegungsvorschriften fremd. 76 Die Irrelevanz dieser kontinentaleuropäischen Rechnungslegungsziele zeigt sich im conceptual framework zum einen darin, daß trotz eines sehr weiten Adressatenkreises im SFAC No. 1 in keinem der sechs SFAC Kapi-
74
Vgl. SFAC No. 2, Paragraph 123 -132. ney/Adler/Epstein/Foran, GAAP, 1996, S. 9f.
Vgl.
zur
materiality
auch
Dela-
75
Vgl. Baetge/Roß, in: Ballwieser, W. (Hrsg.), US-amerikanische Rechnungslegung, 2. Aufl. 1996, S. 29 (36); Demming, in: Gräfer/Demming, Internationale Rechnungslegung, 1994, S. 229 (245); Haller, in: Ballwieser, W. (Hrsg.), US-amerikanische Rechnungslegung, 2. Aufl., Stuttgart 1996, S. 10; ders., Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 259; Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 138; ähnlich für die gesamte angelsächsische Bilanzrechtstradition Beisse, in: Festschrift fur Moxter, 1994, S. 3(17); ders. in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 78 (84).
76
So besonders deutlich Haller, in: Ballwieser, W. (Hrsg.), US-amerikanische Rechnungslegung, 2. Aufl., Stuttgart 1996, S. 10; einschränkend allerdings Kübler, ZHR 1995, S. 550 (552, 555ff.), der auch für die amerikanische Rechnungslegung annimmt, daß diese sich ursprünglich an der Ausschüttungsbegrenzung orientierte, im Folgenden aber annimmt, daß der Gläubigerschutz heute weitestgehend durch die Informationsfunktion verdrängt wurde.
Α. Das System der US-amerikanischen Rechnungslegung
323
talerhaltung, Ausschüttungsbemessung oder Dokumentation zur Aufgabe der Rechnungslegung erklärt werden. Zum anderen läßt sich die Irrelevanz der Kapitalerhaltung auch aus den Ausführungen des SFAC No. 2 zur Bewertung unsicherer Vermögensgegenstände und Gewinne entnehmen.77 Für die Behandlung solcher Unsicherheiten gilt grundsätzlich das Gebot konservativer Bewertung ("conservatism"), das im Grundsatz dem deutschen Gebot der 7R Vorsicht entspricht. Dieses Gebot erfahrt in SFAC No. 2 aber eine vom deutschen Verständnis deutlich abweichende Ausgestaltung. Das Vorsichtsprinzip wird nämlich nicht dahingehend verstanden, daß sämtliche möglichen Verluste zu antizipieren sind, wohingegen noch nicht realisierte, unsichere künftige Erträge gänzlich außer acht zu lassen sind. Ein solches Verständnis des Vorsichtsgebots, das in der kontinentaleuropäischen Rechnungslegung aus den Kapitalerhaltungsgrundsätzen erwächst, wird vom FASB ausdrücklich abgelehnt. Die durch einen solch betont pessimistischen Gewinnausweis notwendigerweise entstehenden stillen Reserven werden vom FASB als unvereinbar mit dem Prinzip der "decision usefulness" angesehen. 79 Im Ergebnis stellt das FASB im SFAC No. 2 die Kapitalerhaltung daher hinter die Bedürfnisse anlegergerechter Informationsgewährung zurück. 80 Diese Dominanz der Kapitalmarktinformation über die Kapitalerhaltung im US-amerikanischen System scheint sich zunächst zwanglos aus der Entwicklung der heutigen US-amerikanischen Rechnungslegung auf der Grundlage kapitalmarktrechtlicher Rechtsvorschriften zu ergeben. Hierin kann jedoch nicht die alleinige Ursache für die Irrelevanz der Kapitalerhaltung und Ausschüttungsbemessung gesehen werden. Trotz der Einbindung der GAAP in die Kapitalmarktaufsicht durch die SEC hatte die US-amerikanische Rechnungslegung vor den 30er Jahren ihre Wurzeln nämlich ebenso wie die kontinentaleuropäische Bilanzrechtstradition im Gesellschaftsrecht. Entgegen einer im deutschen Schrifttum gelegentlich vertretenen Auffassung kennt Q I
77
Vgl. SFAC No. 2 Paragraph 9 1 - 9 7 .
78
Vgl. Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 259f.
79
Vgl. SFAC No. 2 Paragraph 93ff.
80
Vgl. Baetge/Roß, in: Ballwieser, W. (Hrsg.), US-amerikanische Rechnungslegung, 2. Aufl. 1996, S. 29 (36); Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 259f. Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, 1980, § 10 IV 2 (S. 558).
81
324
§ 6 US-amerikanisches Recht (GAAP)
auch das amerikanische Kapitalgesellschaftsrecht durchaus Kapitalerhaltungsgrundsätze. Die Ausgestaltung dieser Kapitalerhaltungsgrundsätze hängt jedoch vom Recht der einzelnen Bundesstaaten ab und wird zudem in ihrer Überschaubarkeit durch die Konkurrenz zweier Rechtsmodelle der corporation beeinträchtigt. Während das traditionelle Modell der corporation wie im kontinentaleuropäischen Gesellschaftsrecht von einer Kapitalbeschaffung durch Ausgabe von Anteilen mit einem Nennwert ("par value") ausgeht, geht das auch im "Revised Model Business Corporation Act" (R.M.B.C.A.) von 1984 enthaltene neuere System von nennwertlosen Anteilen aus.82 Beide Grundmodelle kennen aber gleichermaßen eine Beschränkung der Ausschüttungen an die Gesellschafter auf das nicht zur Befriedigung der Gläubiger notwendige Vermögen. Sie unterscheiden sich lediglich darin, welche Kapitalbestandteile von einem Ausschüttungsverbot erfaßt werden. 83 Das amerikanische Gesellschaftsrecht benötigt daher ebenso wie das kontinentaleuropäische Recht Vorschriften zur Ermittlung des Vermögens, das der Ausschüttung entzogen ist. Diese gesellschaftsrechtliche Notwendigkeit einer Ermittlung des gebundenen Kapitals würde es aus kontinentaleuropäischer Sicht nahe legen, die kapitalmarktrechtliche Rechnungslegung der Unternehmen zugleich zur Ermittlung des ausschüttbaren Gewinnes und des gebundenen Vermögens nutzbar zu machen. Dies hätte jedoch eine Verknüpfung gesellschaftsrechtlicher Vorschriften mit der auf den Kapitalmarkt gerichteten Rechnungslegung notwendig gemacht. Eine solche Verknüpfung der kapitalmarktrechtlichen Rechnungslegung mit gesellschaftsrechtlichen Vorschriften ist dem amerikanischen Recht aber ebenso fremd wie eine Verknüpfung der Handels- und Steuerbilanz.84 Weder die Ausschüttungsansprüche der Gesellschafter noch die Kapitalerhaltungsregeln sind im amerikanischen Gesellschaftsrecht an einen nach den GAAP erstellten Jahresabschluß geknüpft.
82
für eine Übersicht beider Systeme Vgl. Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 1991, Rdn. 371ff. (S. 242ff.) und Hamilton, Corporations, 2. Aufl. 1986, S. 142ff.
83
Vgl. Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 1991, Rdn. 453ff. (S. 276ff.) und Hamilton, Corporations, 2. Aufl. 1986, S. 175ff.
84
Zu den Verfahren der steuerlichen Gewinnermittlung in den USA Vgl. Schreiber, in: Ballwieser, W. (Hrsg.), US-amerikanische Rechnungslegung, 2. Aufl., Stuttgart 1996, S. 57ff. m.w.N.
Α. Das System der US-amerikanischen Rechnungslegung
325
Über die Dividendenausschüttung einer corporation entscheidet allein der board of directors.85 Er ist dabei allein an sein unternehmerisches Ermessen gebunden ("business judgement rule"); ein dem deutschen Aktienrecht vergleichbares Entscheidungsrecht der Aktionäre über die Verwendung eines ausgewiesenen Gewinnes kennt das amerikanische Recht dagegen nicht. 86 Eine gesellschaftsrechtliche Instrumentalisierung des Jahresabschlusses zur Ermittlung von Ausschüttungsansprüchen ist im amerikanischen Recht daher von vornherein überflüssig. Aber auch die Begrenzung der Ausschüttung durch die Kapitalerhaltungsgrundsätze setzt nicht wie im deutschen Recht sehr formal am Jahresabschluß an, sondern stellt lediglich eine im Einzelfall zu ermittelnde Schranke gegen mißbräuchliches Verhalten dar, die neben einer RückZahlungsverpflichtung der Gesellschafter vor allem zur Haftung des boards of directors führt. 87 Dies zeigt sich besonders deutlich im R.M.B.C.A.. Nach See. 6.40 (c) des R.M.B.C.A. ist es der corporation untersagt, Gewinne auszuschütten, wenn hierdurch die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens oder aber das zur Dekkung der Gläubigeransprüche erforderliche Vermögen beeinträchtigt würde. Ob dies der Fall ist, bemißt sich gemäß See. 6.40 (e) (3) R.M.B.C.A. aber nicht nach dem Jahresabschluß des Unternehmens, sondern nach einem Vermögensstatus für den Zeitpunkt der Ausschüttungsentscheidimg oder der tatsächlichen Ausschüttung. Dieser Vermögensstatus ist gemäß See. 6.40 (d) zudem nur nach Methoden aufzustellen, die den Umständen nach als vernünftig anzusehen sind, ("accounting practices and principles that are reasonable in the circumstances or on a fair valuation or other method that is reasonable in the circumstances"). Die gesellschaftsrechtliche Kapitalerhaltung im R.M.B.C.A. ist also inhaltlich nicht an die GAAP gebunden. Diese fehlende Bindung an die GAAP ist dabei nicht nur zufallig, sondern vom Bundesgesetzgeber sogar ausdrücklich gewollt.88 Diese Zurückhaltung des US-amerikanischen Gesetzgebers erklärt sich letztlich wiederum aus der Tradition des common law, die Regelung der Rechtsbeziehungen möglichst den Beteiligten Parteien selbst zu überlassen. Dies hat dazu geführt, daß
85 86
Vgl. etwa See. 6.40 des R.M.B.C.A. Vgl. Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 1991, Rdn. 453 (S. 276ff.)
87
Vgl. etwa See. 8.33 des R.M.B.C.A. weiter Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 1991, Rdn. 465f. (S. 281); Hamilton, Corporations, 2. Aufl. 1986, S. 179.
88
Vgl. Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 1991, Rdn. 480 und Fußnote 251 (S. 280).
326
§ 6 US-amerikanisches Recht (GAAP)
Kreditverträge in den USA häufig Regelungen enthalten, die ähnlich gesetzlichen Kapitalerhaltungsvorschriften auf eine einzelvertragliche AusschütOQ
tungsbegrenzung zielen. Die Irrelevanz der Kapitalerhaltung und Ausschüttungsbemessung in der US-amerikanischen Rechnungslegung hat also ihre Ursache nicht nur in der kapitalmarktrechtlichen Verankerung des US-amerikanischen Jahresabschlusses; sie beruht vielmehr auch auf der Struktur des amerikanischen Gesellschaftsrechts. Indem diese Ausschüttungen und Kapitalerhaltungsvorschriften nicht formal an den Jahresabschluß anknüpfen, fehlt auch die gesellschaftsrechtliche Notwendigkeit einer Einbeziehung beider Aspekte in die GAAP und das "conceptual framework". Diese fehlende Verbindung zwischen kapitalmarktrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Funktionen der Rechnungslegung im US-amerikanischen Jahresabschluß erlauben es dem US-amerikanischen Rechnungswesen, die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse allein an den Bedürfnissen des Kapitalmarktes zu orientieren.
B.
Änderung und Berichtigung Jahresabschlüsse
US-amerikanischer
Entsprechend der an Einzelfallregelungen orientierten Konzeption der GAAP findet sich in der US-amerikanischen Rechnungslegung keine einzelne Vorschrift, die eine umfassende und abschließende Regelung der Änderung und Berichtigung von Jahresabschlüssen enthält. Dennoch ist es möglich, die Analyse der Bestandskraft im US-amerikanischen Rechnungswesens weitestgehend auf die Opinion No. 20 90 "Accounting Changes" des "Accounting Principles Board" (APB) zu beschränken. Während die übrigen Vorschriften91 sich mit zum Teil sehr speziellen Einzelfragen oder Ergänzungen befas-
89
Vgl. ausführlich Haller/Park, ZfB 1995, S. 89 (91ff.); und Kühler, ZUR 1995, S. 550 (559) m.w.N.
90
Zum Wortlaut der APB-Opinion No. 20 Vgl. Anhang I.
91
Bei diesen weiteren Vorschriften handelt es sich um: APB-Opinion No. 28, Interim Financial Reporting, 1973; APB-Opinion No. 9, Reporting the Results of Operations, 1966; SFAS No. 3 Reporting Accounting Changes in Interim Financial Statements, 1974; SFAS No. 16 Prior Period Ajustments, 1977;
Β. Änderung und Berichtigung US-amerikanischer Jahresabschlüsse
327
sen, enthält die aus dem Jahre 1971 stammende APB Opinion No. 20 eine allgemeine Stellungnahme. Sie wird in der amerikanischen Literatur daher durchgängig als grundlegend fur Wahlrechtsänderungen und Fehlerkorrekturen angesehen.92
I.
Inhalt der APB Opinion No. 20 "Accounting Changes"
Die APB-Opinion No. 20 "Accounting Changes" erhält ihre grundlegende Bedeutung vor allem daraus, daß sie nicht nur Verfahrensvorschriften enthält, sondern zunächst eine allgemeine Begriffsbestimmung für Änderungen und Berichtigungen von Jahresabschlüssen gibt. Diese Terminologie wird durchgängig in den übrigen GAAP und der Literatur übernommen.9 1.
Begriffsbestimmungen
Unter dem Oberbegriff der Änderungen der Rechnungslegung ("accounting change") faßt die APB-Opinion No. 20 Änderungen eines Jahresabschlusses gegenüber vorausgegangenen Jahresabschlüssen zusammen: • Wahlrechtsänderungen ("change in accouting principle") Wahlrechtsänderungen liegen dann vor, wenn in einem Jahresabschluß von den im vorausgegangenen Abschluß angewandten Rechnungslegungsmethoden abgewichen wird, indem etwa eine zulässige Bewertungsmethode durch eine andere zulässige ersetzt wird.94
92
93 94
SFAS No. 73, Reporting a Change in Accounting for Railroad Track Structures, 1983; SFAS No. 111 Recission of FASB No. 32 and Technical Corrections, 1992; FASB Interpretation No. 1 Accounting Changes Related to the Cost of Inventory, 1974; FASB Interpretation No. 20 Reporting Accounting Changes unter AICPA Statement of Position, 1977; sämtliche abgedruckt in Financial Accounting Standards Board ; Original Pronouncements, 1995/1996 Edition, Accounting Standards, Volume I und II. Vgl. Delaney/Adler/Epstein/Foran, GAAP, 1996, S. 685ff; Kieso/Weygandt, Intermediate Accounting, 8. Aufl. 1995, S. 1181ff.; Williams, Miller GAAP Guide, 1995, S. lOlff. Vgl. die Nachweise in Fußnote 91 und 92. Vgl. APB-Opinion No. 20 Paragraph 7 - 9.
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§ 6 US-amerikanisches Recht (GAAP)
• Ermessensänderungen ("change in accounting estimate") Hier geht es um Veränderungen der tatsächlichen, einem Jahresabschluß zugrundegelegten Annahmen in nachfolgenden Rechnungslegungsperioden. Zu den einer geänderten Einschätzung unterworfenen Tatsachen zählt das APB etwa Annahmen zur betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von Anlagen, zu Restwerten von Anlagen oder zur Zahlungsfähigkeit von Schuldnern.95 • Änderung des Rechnungslegungskreises ("change in reporting entity") Dieser Tatbestand erfaßt Änderungen hinsichtlich der in den Jahresabschluß einbezogenen Unternehmen. Zu denken ist hier etwa an den Übergang von einem Einzelabschluß zu einer Konzernrechnungslegung oder aber die Veränderung des Konsolidierungskreises.96 Die in der APB-Opinion No. 20 unter dem Begriff der Änderungen der Rechnungslegung ("accounting changes") erörterten Fallgestaltungen betreffen also in erster Linie die im deutschen Bilanzrecht unter dem Begriff der Stetigkeit erörterte Problematik, nicht jedoch die Bestandskraft des einzelnen Jahresabschlusses gegenüber Änderungen. Bereits in der Einleitung dieser Arbeit wurde jedoch gezeigt, daß Stetigkeit und Bestandskraft von Jahresabschlüssen eng zusammenhängen.97 Dies ermöglicht es, von der Behandlung dieser Fallgruppen in der APB-Opinion No. 20 auf das Bestandskraftkonzept der US-amerikanischen Rechnungslegung zu schließen. Unmittelbar auf die Bestandskraft des Jahresabschlusses bezogen ist dagegen die Berichtigung von Fehlern ("correction of error"). Eine Berichtigung unterscheidet sich nach der APB Opinion No. 20 von der Änderung dadurch, daß nicht von einem inhaltlich zulässigen früheren Jahresabschluß abgewichen, sondern ein in dem früheren Jahresabschluß enthaltener Fehler beseitigt werden soll. Ein solcher Fehler liegt vor, wenn der Jahresabschluß unrichtige Berechnungen enthält, unzulässige Methoden angewandt oder aber fehlerhafte Annahmen zugrundegelegt wurden. 98 Von besonderem Interesse ist bei diesem Fehlerbegriff die Abgrenzung der Berichtigung zur Ermessensänderung. Eine Berichtigung liegt nach der APB-Opinion No. 20 nämlich nicht schon dann vor, wenn sich die ursprünglich gemachten Annahmen nachträglich als objektiv unzutreffend herausstel-
95
Vgl. APB-Opinion No. 20 Paragraph 10, 11.
96 97
Vgl. APB-Opinion No. 20 Paragraph 12. Vgl. dazu oben § 1 Β III (Seite 1 lf.).
98
Vgl. APB-Opinion No. 20 Paragraph 13.
Β. Änderung und Berichtigung US-amerikanischer Jahresabschlüsse
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len. Beruht die nachträglich erlangte bessere Kenntnis auf neuen Informationen, die im Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses noch nicht vorlagen, so liegt ein Fall der Ermessensänderung vor. Ein Fehler liegt dagegen vor, wenn bei Aufstellung des Jahresabschlusses vorhandene Informationen übersehen oder unzutreffend bewertet wurden." Die US-amerikanische Rechnungslegung geht damit wie das deutsche Bilanzrecht von einem subjektiven Fehlerbegriff aus. Die inhaltliche Abgrenzung der Berichtigung zur Änderung von Jahresabschlüssen entspricht also insoweit dem im Rahmen dieser Arbeit verwendeten Kriterium. 2.
Wahlrechtsänderung ("Change in Accounting Principle")
Von besonderem Interesse fur die Bestandskraftkonzeption des USamerikanischen Rechts ist die Behandlung von Wahlrechtsänderungen in aufeinanderfolgenden Jahresabschlüssen ("change in accounting principle"). Wahlrechte existieren im US-amerikanischen Rechnungswesen fast ausschließlich bei den auf Vermögensgegenstände anzuwendenden Bewertungsmethoden. Ansatzwahlrechte sind der amerikanischen Rechnungslegung mit Ausnahme eines Aktivierungswahlrechtes für selbsterstellte immaterielle Vermögenswerte ("intangible assets") dagegen fremd. 100 Dies folgt letztlich aus der dominanten Orientierung des US-amerikanischen Rechts an der zutreffenden Kapitalmarktinformation, was eine Legung stiller Reserven durch Bewertungswahlrechte tendenziell ausschließt.101 Entsprechend dieser Entscheidungsorientierung der Rechnungslegung be107 handeln die APB-Opinion No. 20 und das Schriftum die Zulässigkeit wie auch die Durchführung von Wahlrechtsänderungen in aufeinanderfolgenden Jahresabschlüssen allein unter dem Gesichtspunkt der Anlegerinformation.
99
Vgl. APB-Opinion No. 20 Paragraph 13 sowie die Erläuterungen dazu bei Kieso/Weygandt, Intermediate Accounting, 8. Aufl. 1995, S. 1193.
100 Vgl. Baetge/Roß, in: Ballwieser, W. (Hrsg.), US-amerikanische Rechnungslegung, 2. Aufl. 1996, S. 18; Kieso/Weygandt, Intermediate Accounting, 8. Aufl. 1995, S. 572f„ 585f. 101 Vgl. Baetge/Roß, in: Ballwieser, W. (Hrsg.), US-amerikanische Rechnungslegung, 2. Aufl. 1996, S. 18; Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 291 sowie die Ausführungen zum Vorsichtsprinzip unter A I 2 b (Seite 323f.). 102 Vgl. insbesondere Kieso/Weygandt, Intermediate Accounting, 8. Aufl. 1995, S. 1183.
330
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α) Zulässigkeit einer Wahlrechtsänderung Aus der Entscheidungsorientierung des Jahresabschlusses folgert das APB, daß an einer einmal gewählten Bewertungsmethode grundsätzlich festgehalten werden soll. Dieser Annahme liegt unmittelbar das im "Statements of Financial Accounting Concepts" SFAC No. 2 geforderte qualitative Kriterium der Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen zugrunde.103 Eine stetige Ausübung der Bewertungswahlrechte fordere die Vergleichbarkeit und damit die Aussagekraft der Jahresabschlüsse für den Anleger.104 Die entscheidungsorientierte Begründung des Stetigkeitsgebots liefert dann zugleich auch die Rechtfertigung für seine Durchbrechung. Eine Änderung der Bewertungsmethoden sei dann und nur dann zulässig, wenn eine Änderung der Bewertungsmethode besser dazu geeignet ist, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens zutreffend darzustellen. Will ein Unternehmen seine Bewertungsmethoden ändern, so setzt dies eine schlüssige Begründung der Überlegenheit der neuen Methode zur Information der Anleger voraus. Diese Begründung muß dann zudem im Jahresabschluß offengelegt werden. 105 b) Durchführung der Wahlrechtsänderung Ist eine Wahlrechtsänderung nach diesem Kriterium zulässig, so stellt sich die Frage, wie diese durchgeführt werden kann, ohne daß der Informationswert des Jahresabschlusses leidet. Nach Auffassung des APB besteht hier ein Konflikt zwischen den Erfordernissen der Vergleichbarkeit und Zuverlässigkeit des Jahresabschlusses.106 Ein Vergleich aufeinanderfolgender Jahresabschlüsse sei bei einer Änderung der Bewertungsmethoden nur dann möglich, wenn das geänderte Bewertungsverfahren nicht nur dem aktuellen, sondern auch allen vorausgegangenen Jahresabschlüssen zugrundegelegt werde. Dies mache es erforderlich, die Auswirkungen des Bewertungsverfahrens auf die vorausgehenden Jahresabschlüsse darzustellen. Andererseits bestehe aber die Gefahr, daß bei einer erneuten Aufstellung früherer Jahresabschlüsse das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Zuverlässigkeit der Rechnungslegung leide.
103 Vgl. dazu oben unter § 6 A I 2 a bb (Seite 319f.). 104 Vgl. APB-Opinion No. 20 Paragraph 15. 105 Vgl. APB-Opinion No. 20 Paragraph 15, 16. 106 Vgl. APB-Opinion No. 20 Paragraph 18, ähnlich Kieso/Weygandt, counting, 8. Aufl. 1995, S. 1183.
Intermediate Ac-
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Diesen angenommenen Konflikt löst das APB in der Opinion No. 20, indem es für den Regelfall der Wahlrechtsänderung zwar verlangt, daß die Auswirkungen der Wahlrechtsänderung in den früheren Perioden erkennbar gemacht werden, auf eine erneute Aufstellung der vorausgegangenen Jahresabschlüsse aber verzichtet. aa) Ergänzung des aktuellen Jahresabschlusses Im Regelfall hat das Unternehmen bei einer Wahlrechtsänderung an den vorausgegangenen Jahresabschlüssen als Eröffnungsbilanz fur das laufende Jahr festzuhalten. Die Auswirkungen der Wahlrechtsänderung werden allein im Jahresabschluß des Geschäftsjahres dargestellt, in dem der Wechsel der Bewertungsmethode stattgefunden hat. Dies bedeutet jedoch nicht, daß das Unternehmen die Auswirkungen der Wahlrechtsänderung auf das laufende Geschäftsjahr beschränken darf. Es hat vielmehr zu ermitteln, ob eine Anwendung der geänderten Bewertungsmethode auf gleich gelagerte Fälle in den vorausgegangenen Jahren Auswirkungen auf den Gewinn und Kapitalausweis vorausgegangener Jahresabschlüsse gehabt hätte. Ist dies der Fall, so hat das Unternehmen diese Gewinn- und Kapitalveränderungen durch Ergänzungen des laufenden Jahresabschlusses darzustellen. Hierfür ist in die Darstellung der Eigenkapitalentwicklung und in die Gewinn- und Verlustrechnung des laufenden Geschäftsjahrs zunächst ein gesonderter Posten aufzunehmen, der die kumulative Auswirkung der geänderten Bewertung auf den Gewinn in den vorausgegangenen Jahresabschlüssen darstellt ("cumulative effect of a change in accounting principle"). Weiter ist darzustellen, wie sich diese Veränderung des Gewinns auf die vorausgegangenen Jahre verteilt. Hierzu ist in einer Vergleichsrechnung darzustellen, wie sich der Gesamtgewinn des Unternehmens und der Gewinn je Aktie in den vorausgegangenen Jahren im Zeitverlauf entwickelt hätten, wenn die neue Bewertungsmethode bereits früher verwendet worden wäre ("pro forma effects of retroactive application"). 107 Durch den gesonderten Ausweis der kumulierten Gewinnveränderung und die Darstellung des hypothetischen Gewinnverlaufes bei früherer Anwendung der Bewertungsmethode ist nach Ansicht des APB für den Regelfall eine den Informationsbedürfnissen der Anleger gerecht werdende Vergleichbarkeit der
107 Vgl. APB-Opinion No. 20 Paragraph 19 - 26 sowie die instruktiven Beispiele im Appendix Α mit Erläuterungen bei Delaney/Adler/Epstein/Foran, GAAP, 1996, S. 690ff. und Kieso/Weygandt, Intermediate Accounting, 8. Aufl. 1995, S. 1184f.
332
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Jahresabschlüsse gewährleistet. Eine Neuaufstellung vorausgegangener Jahresabschlüsse wird daher grundsätzlich abgelehnt. Lediglich in zwei Fallgruppen wird dies ausnahmsweise für erforderlich gehalten. bb) Neuaufstellung früherer Jahresabschlüsse Eine Neuaufstellung vorausgegangener Jahresabschlüsse wird zunächst dann für notwendig erachtet, wenn die Änderung der Bewertungsmethode Auswirkungen auf die gesamte Gewinn- und Bilanzstruktur hat. Bei solchen erheblichen Veränderungen werde eine Vergleichbarkeit ohne eine vollständige Neuaufstellung der vorausgegangenen Jahresabschlüsse nicht gewährleistet.108 Diese erste Fallgruppe umfaßt insgesamt drei Typen von Wahlrechtsänderungen, von denen allerdings nur zwei allgemeine Bedeutung haben: 109 • Der Wechsel von der LiFo ("last in first out") Methode bei der Bewertung des Umlaufvermögens zur FiFo ("first in first out") oder Durchschnittswertmethode 1 10 • Der Wechsel der Bewertung unfertiger Bauten im Anlagenbau nach Herstellungskosten ohne Einbeziehung des bereits anteilig erreichten Gewinns aus dem gesamten Kontraktwert ("completed contract method") zur Teilgewinnrealisierung durch Bewertung nach anteiligem Kontraktwert, der dem Grad der Fertigstellung entspricht ("percentage of completion method"). 111 Die zweite Fallgruppe, bei der das APB von einer Neuaufstellung vorausgegangener Jahresabschlüsse statt einer Ergänzung des laufenden Jahresabschlusses ausgeht, betrifft die Erstemmission von Unternehmensanteilen.
108 Vgl. APB-Opinion No. 20 Paragraph 27 - 28.; Kieso/Weygandt, Intermediate Accounting, 8. Aufl. 1995, S. 1187f. 109 Beim dritten Fall handelt es sich um das sehr spezielle Problem der Bewertung im Bergbau. 110 Zu den Bewertungsmethoden für Umlaufvermögen in der amerikanischen Rechnungslegung Delaney/Adler/Epstein/Foran, GAAP, 1996, S. 157f. und ausführlich Kieso/ Weygandt, Intermediate Accounting, 8. Aufl. 1995, S. 376ff. insbes. 405ff. sowie den vergleichenden Überblick zum deutschen Recht bei Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 212ff. 111 Instruktive Beispiele für beide Methoden finden sich bei Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 208ff, Kieso/Weygandt, Intermediate Accounting, 8. Aufl. 1995, S. 944ff.
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Beschließt ein Unternehmen im Vorfeld der Börsenzulassung, die bisher angewandten Bewertungsmethoden zu ändern, so soll dies durch eine Neuaufstellung der vorausgegangenen Jahresabschlüsse geschehen. In diesem Falle werde dem Informationsbedürfnis der Anleger durch Veröffentlichung einer Reihe methodenkonsistenter Jahresabschlüsse besser gedient als durch eine Ergänzung des laufenden Jahresabschlusses. Ein Festhalten an den vorausgegangenen Jahresabschlüssen könne hier nicht zu einem Vertrauensverlust führen, denn diese waren ohnehin noch nicht Grundlage von Anlageentscheidungen.112 3.
Ermessensänderung ("Change in Accounting Estimate")
Eine Änderung der den vorausgegangenen Jahresabschlüssen zugrundegelegten tatsächlichen Einschätzungen in einem laufenden Geschäftsjahr wird vom APB entsprechend dem subjektiven Fehlerbegriff als natürliche Konsequenz der objektiven Unsicherheit vieler bewertungsrelevanter Tatsachen angesehen. Neue Informationen über bewertungsrelevante Tatsachen fuhren notwendigerweise dazu, daß die auf unvollkommenen Informationen beruhenden Ermessensentscheidungen im Zeitverlauf überholt erscheinen. 113 Hieraus ergibt sich nach Ansicht des APB jedoch kein Bedürfnis der Anleger nach einer Korrektur vorausgegangener Jahresabschlüsse. Die Auswirkungen solcher Ermessensänderungen sollen vielmehr allein auf den laufenden Jahresabschluß beschränkt werden. Ein ergänzender Ausweis der Gewinnauswirkung in früheren Jahresabschlüssen durch Vergleichsrechnungen ("pro forma amounts for prior periods") oder gar Neuaufstellung der vorausgegangenen Jahresabschlüsse wird daher ausgeschlossen. Sofern sich die geänderten tatsächlichen Annahmen nicht nur auf das laufende Geschäftsjahr auswirken, sondern - wie etwa geänderte Abschreibungszeiträume bei Anlagen oder Lebenserwartungen bei Rückstellungen - auch auf künftige Perioden wesentlichen Einfluß haben, sollen diese jedoch im laufenden Jahresabschluß gesondert ausgewiesen werden. In den übrigen
112 Vgl. APB-Opinion No. 20 Paragraph 29. 113 Sehr deutlich ist insoweit auch die APB-Opinion No. 9 "Reporting Results in Operations", die in Paragraph 24 zur Beseitigung von Fehlem durch Berichtigung der Eröffnungsbilanz ("prior period adjustments") ausführt: " Treatment as prior period adjustment should not be applied to the normal, recurring corrections and adjustments which are the natural result of the use of estimates inherent in the accounting process."
334
§ 6 US-amerikanisches Recht (GAAP)
Fällen wird lediglich empfohlen, in den Erläuterungen die Ermessensänderung offenzulegen, sofern diese wesentlichen Einfluß auf das Ergebnis des laufenden Geschäftsjahres hat. 114 4.
Änderung des Rechnungslegungskreises ("Change in Reporting Entity")
Wird der Kreis der in einen Jahresabschluß einbezogenen Unternehmen verändert, so ist es den Anlegern unmöglich, die Entwicklung des Unternehmens oder der Untemehmensgruppe durch Vergleich aufeinanderfolgender Jahresabschlüsse zu beurteilen. Die APB-Opinion No. 20 schreibt für diese Fälle daher vor, daß die Änderung des Rechnungslegungskreises dargelegt werden muß und zur Herstellung der Vergleichbarkeit vorausgegangene Jahresabschlüsse neu aufzustellen ist.115 5.
Fehlerberichtigung ("Correction of Error")
Von Interesse für das Verständnis der Bestandskraft ist schließlich die Behandlung von Fehlem. Wie bereits bei der Begriffsbestimmung in der APB-Opinion No. 20 gezeigt wurde, geht die US-amerikanische Rechnungslegung ebenso wie das deutsche Bilanzrecht von einem subjektiven Fehlerbegriff aus.116 Sofern der Fehler zu einer wesentlichen Unrichtigkeit der dargesellten Unternehmenslage fuhrt, ist der Fehler wie im deutschen Recht in offener Form zu berichtigen. Die Berichtigung eines Fehlers zieht in der US-amerikanischen Rechnungslegung jedoch nicht zwingend eine Neuaufstellung des fehlerhaften Jahresabschlusses nach sich. Nach der APB-Opinion No. 20 genügt es für die Berichtigung des laufenden Jahresabschlusses vielmehr grundsätzlich, wenn die Eröffhungsbilanzwerte der betroffenen Positionen und des Eigenkapitals
114 Vgl. APB-Opinion No. 20 Paragraph 3 1 - 3 3 sowie Delaney/Adler/Epstein/Foran, GAAP, 1996, S. 699f. und die mit Beispielen zur Darstellung versehenen Ausführungen bei Kieso/ Weygandt, Intermediate Accounting, 8. Aufl. 1995, S. 1190f. 115 Vgl. APB-Opinion No. 20 Paragraph 34 - 35; Vgl. auch Kieso/Weygandt, Intermediate Accounting, 8. Aufl. 1995, S. 1192 und Williams, Miller GAAP Guide, 1995, S. 115, die deutlicher als in die APB-Opinion No. 20 von einer Verpflichtung zur Neuaufstellung ausgehen. 116 Vgl. oben § 6 A II 1 a (Seite 328)..
Β. Änderung und Berichtigung US-amerikanischer Jahresabschlüsse
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durch einen Korrekturposten berichtigt werden ("prior period adjustment"). Werden im laufenden Jahresabschluß dagegen auch die entsprechenden Werte der Voijahre zu Vergleichszwecken wiedergegeben, so sollen diese durch berichtigte Jahresabschlüsse ersetzt werden.1 7 Das FASB erachtet in der Begründung zum SFAS No. 16, das die APB-Opinion No. 20 ergänzt, eine Neuaufstellung des fehlerhaften Jahresabschlusses allerdings grundsätzlich für vorziehenswürdig.118 Diese Stellungnahme wird im Schrifttum zur Rechnungslegung aber nicht als Änderung der APB-Opinion No. 20, sondern als bloße Meinungsäußerung verstanden. Das Schrifttum geht nämlich davon aus, daß bei Nichtangabe der Voijahreswerte weiterhin auch eine bloße Korrektur der Eröffnungsbilanz möglich sind. 119
II.
Bestandskraft der amerikanischen Rechnungslegung im Vergleich zum deutschen Recht
Die dargestellten Regelungen der APB-Opinion No. 20 zur Wahlrechtsänderung in aufeinanderfolgenden Jahresabschlüssen und zur Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüse lassen erkennen, daß auch die amerikanische Rechnungslegung ähnlich wie das deutsche Bilanzrecht von der Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse ausgeht. Von besonderem Interesse ist dabei die in der APB-Opinion No. 20 mittelbar erkennbare Bestandskraft USamerikanischer Jahresabschlüsse gegenüber nachträglichen Änderungen der Wahlrechte.
117 Vgl. APB-Opinion No. 20 Paragraph 36, 37 in Verbindung mit APB-Opinion No. 9 Paragraph 18ff. 118 Vgl. die als bloße Meinungsäußerung zu verstehende Basis for Conclusion im SFAS No. 16 Paragraph 41 "The Board concluded that a correction of an error, as definded above, should continue to be reflected by restating the financial statements of the affected prior period". 119 Vgl. zur folgenden Auslegung der APB-Opinion No. 20 auch die Darstellungen bei Delaney/Adler/Epstein/Foran, GAAP, 1996, S. 700f. und Kieso/Weygandt, Intermediate Accounting, 8. Aufl. 1995, S. 1192ff., jeweils mit Beispielen zum Ausweis der korrigierten Eröffnungsbilanzwerte.
336 1.
§ 6 US-amerikanisches Recht (GAAP)
Nachträgliche Änderungen fehlerfreier Jahresabschlüsse
a) Konsequenzen der APB-Opinion No. 20 Die APB-Opinion No. 20 regelt im Rahmen der Änderung von Jahresabschlüssen ("accounting changes") zwar nicht die nachträgliche Änderung von Jahresabschlüssen im Sinne der hier verwendeten Begriffsbestimmung; Gegenstand der Regelung ist vielmehr die Stetigkeit aufeinanderfolgender Jahresabschlüsse. Die Voraussetzungen wie auch die Durchführung einer Durchbrechung des Stetigkeitsgebotes lassen jedoch deutlich erkennen, daß auch in der US-amerikanischen Rechnungslegung nicht von einer unbegrenzten Änderbarkeit einmal ausgeübter Wahlrechte ausgegangen werden kann. Die APB-Opinion No. 20 macht vielmehr deutlich, daß das Unternehmen an einer einmal vorgenommenen Wahlrechtsausübung grundsätzlich festgehalten werden soll. Grundlage dieser Bestandskraft einer Wahlrechtsausübung ist die Annahme, daß eine nachträgliche Änderung zu einer Verletzung des schutzwürdigen Vertrauens der Anleger in die inhaltliche Richtigkeit veröffentlichter Jahresabschlüsse führen könnte. Die Annahme, daß eine einmal gewählte Bewertungsmethode im Interesse der Anleger grundsätzlich nicht mehr nachträglich geändert werden soll, ergibt sich zunächst aus den Voraussetzungen einer Wahlrechtsänderung in der APB-Opinion No. 20. Indem eine andere Wahlrechtsausübung in nachfolgenden Jahresabschlüssen darauf beschränkt wird, daß die neue Methode die wirtschaftlichen Verhältnisse zutreffender darstellt, wird deutlich gemacht, daß das Unternehmen an einer einmal gewählten Bewertungsmethode grundsätzlich festgehalten werden soll. Diese Bindungswirkung beinhaltet notwendigerweise eine Bestandskraft der im einzelnen Jahresabschluß enthaltenen Wahlrechtsausübungen. Die Annahme einer Bestandskraft zeigt sich weiter in dem Bestreben, auch bei einer Durchbrechung des Stetigkeitsgebotes die vorausgehenden Jahresabschlüsse möglichst aufrecht zu erhalten. Das APB nimmt hier ganz ausdrücklich an, daß die Aufrechterhaltung bereits veröffentlichter Jahresabschlüsse dem schutzwürdigen Vertrauen der Anleger in die Zuverlässigkeit 1 70 veröffentlichter Jahresabschlüsse entspricht. Diese an die Veröffentlichung des Jahresabschlusses anknüpfende Bestandskraft wird bestätigt durch die nur ausnahmsweise bestehende Pflicht zur Neuaufstellung bei Wahlrechtsänderungen. Der aus der Veröffentlichung
120 Vgl. APB-Opinion No. 20 Paragraph 14, 18.
Β. Änderung und Berichtigung US-amerikanischer Jahresabschlüsse
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resultierende Bestandsschutz erfahrt hier eine Grenze, wenn die Neuaufstellung infolge der Bedeutung der geänderten Bewertungsmethoden zum Verständnis und der Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse notwendig ist, oder aber ein schutzwürdiges Vertrauen der Anleger mangels früherer Veröffentlichungen noch nicht entstehen konnte. Als Ausdruck der impliziten Annahme einer Bestandskraft veröffentlichter Jahresabschlüsse läßt sich weiter die Behandlung von Ermessensänderungen ("changes in estimate") ansehen. Der Verzicht auf die erneute Aufstellung bei neuen Erkenntnissen läßt erkennen, daß dem Bestand eines Jahresabschlusses höhere Bedeutung beigemessen wird als der objektiv richtigen Information der Anleger. Insgesamt geht die US-amerikanische Rechnungslegung also implizit davon aus, daß eine Veröffentlichung die nachträgliche Änderung der Jahresabschlüsse grundsätzlich ausschließt. Allerdings macht es auch das in der APBOpinion No. 20 zum Ausdruck kommende Bestandskraftkonzept nicht erforderlich, jede nachträgliche Änderung auszuschließen. Indem die APBOpinion No. 20 Durchbrechungen des Stetigkeitsgebotes daran knüpft, daß die neue Methode die wirtschaftlichen Verhältnisse besser abbildet, wird erkennbar, daß die Bestandskraft den Wechsel auf eine den wirtschaftlichen Verhältnissen besser entsprechende Wahlrechtsausübung nicht verhindern soll. Dies spricht dafür, daß dann, wenn noch keine nachfolgenden Jahresabschlüsse veröffentlicht sind, eine Änderung des Jahresabschlusses auch in der amerikanischen Rechnungslegung zulässig ist, sofern hieraus eine bessere Darstellung resultiert. Da in einem solchen Falle auch eine erneute Veröffentlichung notwendig ist, dürfte dieser Fall aber wenig praxisrelevant sein. Wegen der hohen Kosten einer neuen Veröffentlichung werden die Unternehmen die Änderung im Regelfall erst im nächsten Jahresabschluß vornehmen. Dies erklärt, warum die Wahlrechtsänderung im hier verwendeten Sinne in der US-amerikanischen Rechnungslegung nicht ausdrücklich erörtert wird. b)
Vergleich der Bestandskraftkonzeption im deutschen und US-amerikanischen Recht Die amerikanische Rechnungslegung beinhaltet damit trotz unterschiedlicher Funktionen ganz ähnlich wie das deutsche Bilanzrecht eine Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse. Diese in der APB-Opinion No. 20 erkennbar werdende Bestandskraft publizierter Jahresabschlüsse beruht jedoch auf gänzlich anderen Grundlagen als das für das deutsche Recht gewonnene Ergebnis. Während die US-amerikanische Rechnungslegung in der APBOpinion No. 20 davon ausgeht, daß nach der Publizierung des Jahresab-
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§ 6 US-amerikanisches Recht (GAAP)
schlusses im Interesse der Kapitalmarktteilnehmer Wahlrechtsänderungen grundsätzlich unzulässig sind, wurde für das deutsche Recht im Rahmen dieser Arbeit ein vergleichbarer Kapitalmarktschutz abgelehnt. Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse gründet sich vielmehr allein auf die Funktion der handelsrechtlichen Jahresabschlüsse im Rahmen der Kapitalund Haftungserhaltungsvorschriften sowie auf die rechtsgeschäftlichen Regelungen des gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnisses. Diese Funktionen des Jahresabschlusses sind der US-amerikanischen Rechnungslegung dagegen fremd. Trotz eines vergleichbaren Ergebnisses scheint damit zwischen der für das deutsche Bilanzrecht gefundenen Lösung und der US-amerikanischen Rechnungslegung ein Wertungswiderspruch zu bestehen. Dieser Widerspruch ist jedoch nur scheinbarer Natur. Die unterschiedliche Bewertung der Bestandskraft publizierter Jahresabschlüsse erklärt sich aus der unterschiedlichen Funktion der Wahlrechte im Rahmen beider Rechnungslegungstraditionen und der Bedeutung des eng damit zusammenhängenden Gebots zutreffender und wahrheitgemäßer Darstellung ("fair presentation"). Die konsequente und ausschließliche Orientierung der US-amerikanischen Rechnungslegung an der Kapitalmarktinformation führt dazu, daß in der amerikanischen Rechnungslegung dem Gebot der "fair presentation" eine überragende Bedeutung beigemessen wird. Dieses Gebot wird als übergeordnete Norm angesehen, an der sich alle Einzelvorschriften auszurichten haben ("overriding principle"). Das Gebot der "fair presentation" ist im amerikanischen Recht daher dazu geeignet, den Inhalt einer spezielleren Vorschrift auszugestalten oder gar aufzuheben. Auch die Ausübung der Bewertungswahlrechte steht in der US-amerikanischen Rechnungslegung daher unter dem Vorbehalt der "fair presentation".121 Dies fuhrt dazu, daß amerikanischen Unternehmen eine gewillkürte Gestaltung der Jahresabschlüsse durch Wahlrechte weitgehend versperrt ist. Eine solche Nutzung von Bewertungswahlrechten zu Gestaltungszwecken verstieße nämlich gegen das oben dargestellte Gebot der neutralen Darstellung ("neutrality"). Dieses schließt eine Darstellung, die sich an möglichen Reaktionen der Adressaten des Jahresabschlusses orientiert, gerade aus. Die Wahlrechte, die in der USamerikanischen Rechnungslegung ohnehin in deutlich geringerem Umfang
121 Vgl. Baetge/Roß, in: Ballwieser, W. (Hrsg.), US-amerikanische Rechnungslegung, 2. Aufl. 1996, S. 29 (35ff.); Haller, Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl. 1994, S. 256.
Β. Änderung und Berichtigung US-amerikanischer Jahresabschlüsse
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vorhanden sind, dienen daher nicht der Gestaltung, sondern der Ermöglichung einer den konkreten wirtschaftlichen Fällen gerecht werdenden Darstellung. Die Veröffentlichung des US-amerikanischen Jahresabschlusses läßt sich damit als Erklärung an die Anleger begreifen, daß die dargestellte Vermögens- und Ertragslage nach Auffassung des Unternehmens die tatsächlichen Verhältnisse am besten wiedergibt. Im deutschen Bilanzrecht haben Wahlrechte und das Gebot der zutreffenden Darstellung dagegen eine gänzlich andere Funktion. Durch das Bilanzrichtliniengesetz wurde für die Kapitalgesellschaften nach angelsächsischem Vorbild in § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB das Gebot einer den tatsächlichen Verhältnisses entsprechenden Abbildung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eingeführt. Diese häufig als "true and fair view" Gebot bezeichnete Generalklausel vermag nach der überwiegenden Auffassung im deutschen Bilanzrecht eine Wahlrechtsausübung nicht in derselben Weise zu beschrän1 ken wie dies in der US-amerikanischen Rechnungslegung der Fall ist. Der deutsche Gesetzgeber räumt den Unternehmen durch Wahlrechte nämlich die Möglichkeit der Gestaltung ein. Diese soll es den Unternehmen ermöglichen, eine ausreichende Innenfinanzierung durch Beschränkung ausschüttbarer Gewinne und Steuerzahlungen zu erreichen oder auch stille Reserven für einen kontinuierlichen Gewinnausweis zu legen.123 Wahlrechte räumen die Möglichkeit zur gewillkürten, nicht notwendigerweise den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Darstellung der Ertrags- und Vermögenslage ein. Ein solches Recht zur gewillkürten Darstellung kann die Generalklausel in § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB schon rechtstechnisch nicht durchbrechen, denn die Wahlrechte gehen der Generalklausel als leges speciales grundsätzlich vor. Außerdem würde die Beschränkung der Wahlrechtsausübung durch das "true and fair view" Gebot in vielen Fällen zu widersprüchlichen Ergebnissen führen. So ist etwa das in § 280 Abs. 2 HGB gewährte Wahlrecht, bei einem späteren Wegfall der Gründe für eine außerordentliche Abschreibung auf das Anlagevermögen auf eine Zuschreibung zu verzichten, mit dem Gebot des
122 Vgl. zu dieser nicht unstreitigen Auffassung bereits oben im 1. Teil unter § 3 C IV 2 a aa (Seite 96f.), weiter Baetge/Roß, in: Ballwieser, W. (Hrsg.), US-amerikanische Rechnungslegung, 2. Aufl. 1996, S. 29 (34ff.); Beisse, in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 77 (91ff.); kritisch Claussen, AG 1993, 278 (279f.); Großfeld, Wpg 1994, S. 795 (802). 123 Vgl. etwa BT-Drucks. 10/ 4268, S. 91, 101; BT Drucks. 10/317, S. 91; deutlich auch Moxter, BB 1985, S. 1101 (1103).
340
§ 6 US-amerikanisches Recht (GAAP)
"true and fair view" gänzlich unvereinbar.124 Die Anwendung der Generalklausel müsste hier dazu fuhren, daß das gesetzlich ausdrücklich eingeräumte Wahlrecht wieder aufgehoben wird. Die Wahlrechte fuhren folglich dazu, daß der deutsche Jahresabschluß nicht wie der amerikanische Jahresabschluß eine neutrale, sondern nur eine im zulässigen Rahmen gestaltete Darstellung enthält. Diese gestaltete Darstellung kann aber nicht im gleichen Maße schutzwürdiges Vertrauen der Anleger begründen wie dies bei einem ausschließlich an der zutreffenden - neutralen - Darstellung orientierten Jahresabschluß der Fall ist. Vielmehr muß der Anleger im Gegensatz zum US-amerikanischen Recht von vornherein damit rechnen, daß es sich bei dem Jahresabschluß um eine vom Unternehmen gestaltete Darstellung handelt. Soweit bei der Frage nach einer nachträglichen Abänderbarkeit publizierter Jahresabschlüsse das Vertrauen der Kapitalmarktteilnehmer in die Bestandskraft publizierter Jahresabschlüsse in der deutschen und US-amerikanischen Rechnungslegung abweichend bewertet wird, ist dies also eine notwendige Konsequenz der unterschiedlichen Gestaltbarkeit von Jahresabschlüssen im deutschen und USamerikanischen Recht. Die weiter reichende nachträgliche Änderbarkeit publizierter Jahresabschlüsse im deutschen Recht ist letztlich also das Spiegelbild der bereits bei der ursprünglichen Aufstellung durch eine größere Anzahl von Wahlrechten bestehenden weiteren Gestaltbarkeit deutscher Jahresabschlüsse.125 2.
Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse
Auch die Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse in der amerikanischen Rechnungslegung ist mit der Funktion handelsrechtlicher Jahresabschlüsse im deutschen Recht teilweise schwer vereinbar. Übereinstimmung zwischen beiden Rechnungslegungssystemen besteht zunächst darin, daß von einem subjektiven Fehlerbegriff auszugehen ist. Fehlerhaft sind also nur solche Abweichungen der Darstellung im Jahresab-
124 Zur Problematik solcher steuerlich geprägter Wahlrechte Vgl. auch Baetge/Roß, in: Ballwieser, W. (Hrsg.), US-amerikanische Rechnungslegung, 2. Aufl. 1996, S. 29 (41ff.). 125 Zu den geringeren Möglichkeiten von Gestaltungen des Jahresabschlusses in den USGAAP vgl. Förschle/Kroner/Mandler, Internatiole Rechnungslegung, 1994, S. 20f.; Siebert, Grundlagen der US-amerikanischen Rechnungslegung, 1996, S. 412ff. sowie die Übersicht bei Küting/Weber, Internationale Bilanzierung, 1994, S. 244, 260ff.
Β. Änderung und Berichtigung US-amerikanischer Jahresabschlüsse
341
schluß von der tatsächlichen Vermögens- und Ertragslage, die auch bei Erstellung des Jahresabschlusses erkennbar waren. Auch ist der Umfang der Berichtigung in beiden Rechnungslegungssystemen durch die Begrenzung auf wesentliche Fehler vergleichbar geregelt. Dagegen ist die im US-amerikanischen System bestehende Möglichkeit, statt einer vollständigen Neuaufstellung fehlerhafter Jahresabschlüsse eine Korrektur der Eröffnungsbilanz des nachfolgenden Jahresabschlusses vorzunehmen, mit der die deutsche Rechnungslegung dominierenden Funktion der Ausschüttungsbemessung und Kapitalerhaltung nicht vereinbar. Eine Fehlerberichtigung hat im deutschen Recht vielmehr grundsätzlich durch Korrektur des fehlerhaften Jahresabschlusses zu erfolgen. Zudem wäre im deutschen Recht eine bloße Korrektur der Eröffnungsbilanz schwerlich mit dem Grundsatz der formalen Bilanzidentität in § 252 Abs. 2 HGB vereinbar. Dieser verlangt eine Übereinstimmung von Schlußbilanz des Voijahres und Eröffnungsbilanz des Folgejahres. Aber auch im System der amerikanischen Rechnungslegungsziele erscheint es nicht konsequent, die Neuaufstellung fehlerhafter Jahresabschlüsse auf die Fälle zu beschränken, in denen die Voijahresbilanz in den laufenden Jahresabschluß aufgenommen wird. Dies wäre mit dem Ziel der Entscheidungsorientierung nur dann vereinbar, wenn angenommen werden könnte, daß die Anleger Vergleiche allein auf gleichzeitig publizierte Daten stützen. Dies ist jedoch unrealistisch. Es entspricht vielmehr allgemeiner Erfahrung, daß zumindest professionelle Anleger ältere Jahresabschlüsse archivieren und zu Vergleichen heranziehen. Der in der SFAC No. 2 geforderten Vergleichbarkeit entspräche es daher eher, eine allgemeine Pflicht zur Neuaufstellung fehlerhafter Jahresabschlüsse zu verlangen. Dies würde im Ergebnis auch der Ansicht des FS AB in der Begründung zum SFAS No. 116 entsprechen. Geht man davon aus, daß in der amerikanischen Rechnungslegungspraxis wie auch in der deutschen Praxis im Regelfall die Voijahreswerte als Vergleichsgrundlage mit angegeben werden, so gewinnt die dargestellte Abweichung dann praktische Relevanz, wenn der Fehler mehr als ein Jahr zurückliegt. Während im deutschen Recht grundsätzlich eine Fehlerkorrektur des zurückliegenden Jahresabschlusses vorzunehmen ist, genügt im amerikanischen Recht eine erfolgsneutrale Korrektur der letzten Eröffnungsbilanz. Damit unterscheiden sich die amerikanische und die deutsche Rechnungslegung aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktionen sowohl hinsichtlich der Möglichkeit zur nachträglichen Änderung als auch der Berichtigung in einigen wesentlichen Punkten. Im Ergebnis ist aber festzustellen, daß amerikanische Jahresabschlüsse trotz einer weniger "verrechtlichten" Grundlage der
342
§ 6 US-amerikanisches Recht (GAAP)
Rechnungslegung eine deutlich höhere Bestandskraft aufweisen als die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse deutscher Unternehmen.
§ 7 Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse nach den International Accounting Standards (IAS) A.
Grundlagen der Rechnungslegung nach IAS
Die "International Accounting Standards" (IAS) sind ein von dem "International Accounting Standards Committee" (IASC) in London aufgestelltes Regelwerk, das zu einer Harmonisierung der unterschiedlichen nationalen Rechnungslegungsvorschriften beitragen soll. Eine solche Harmonisierung wird angesichts der zunehmenden Globalisierung der Kapital- und Gütermärkte sowohl von vielen international tätigen Unternehmen als auch von großen Teilen der Wissenschaft fur erforderlich oder zumindest zweckmäßig gehalten.1 International tätige Konzerne erwarten von einer Harmonisierung zum einen eine deutliche Vereinfachung bei der Einbeziehung ausländischer Tochtergesellschaften in einen konsolidierten Jahresabschluß; zum anderen wird von vielen deutschen Unternehmen ein nach deutschen Vorschriften aufgestellter Jahresabschluß als Hindernis für den Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten angesehen, da diese keine ausreichende Information der Kapitalmarktteilnehmer gewährleisten. Hierfür sei vielmehr eine Rechnungslegung nach international anerkannten Standards notwendig. 2 Schließlich wird eine Harmonisierung nationaler Rechnungslegungsvorschriften als wesentliche Voraussetzung für fundierte Anlageentscheidungen der Anleger und damit als Voraussetzung für eine effiziente Ressourcenallokation am internationalen Kapitalmarkt angesehen. Diese wirtschaftlichen Notwendigkeiten haben zu einer Reihe von Harmonisierungsbestrebungen geführt, zu denen auch die Koordinierung der Rechnungslegungsvorschriften innerhalb der Europäischen Gemeinschaft gerechnet werden kann. Vor allem die auf der Grundlage von Art. 54 Abs. 3 g EGVertrag ergangene 1. Richtlinie (Publizitätsrichtlinie) vom 9.3.1968, die 4. Richtlinie vom 25.7.1978 (Bilanzrichtlinie) und die 7. Richtlinie vom 13.6.1983 (Konzernabschlußrichtlinie), die in Deutschland durch das Bilanzrichtliniengesetz von 1986 umgesetzt wurden, haben hier bereits eine Annä-
1
Vgl. Grund, DB 1996, S. 1293 (1294); Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 353; Wiedmann, in: Festschrift für Rohwedder, 1994, S. 549f.; Küting/Hayn, BB 1995, S. 662ff.; kritisch aber etwa Bormann, RIW 1996, S. 35 (40f.).
2
Vgl. Wiedmann, in: Festschrift für Rohwedder, 1994, S. 549f., 559f.
344
Α. Grundlagen der Rechnungslegung nach IAS
herung der nationalen Rechnungslegungsvorschriften bewirkt.3 Die durch die europäischen Richtlinien erreichte Annäherung wird aber schon innerhalb der Europäischen Gemeinschaft oft als unzureichend empfunden, da viele grundsätzliche Fragen nicht geregelt wurden und durch eine Vielzahl nationaler Wahlrechte weiterhin erhebliche Unterschiede gegeben sind.4 Weiter konnte durch einen solch beschränkten Ansatz eine Angleichung an außereuropäische Rechnungslegungssysteme, insbesondere das der USA, nicht erreicht werden. Es sind daher seit einigen Jahrzehnten mannigfaltige Bestrebungen zu beobachten, internationale Rechnungslegungsstandards zu entwickeln, die dem Informations- und Harmonisierungsbedürfnis der internationalen Kapitalmärkte entsprechen. Getragen werden diese Bestrebungen von supranationalen Organisationen wie der UN und der OECD, aber auch von privaten Verbänden. Als erfolgreichste Organisation in diesem Harmonisierungsprozeß hat sich das von den Berufsverbänden der nationalen Wirtschaftsprüfer getragene IASC herausgestellt.5 Ihm ist es bisher als einziger Organisation gelungen, ein umfassendes System von Rechnungslegungsvorschriften zu entwickeln, die auch international Anerkennung und bereits erste praktische Anwendung erfahren haben. Weiter haben die IAS erheblichen Einfluß auf die Aktivitäten anderer Organisationen. So hat die EG 1995 beschlossen, die weiteren Harmonisierungsbemühungen durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit dem IASC voranzutreiben und schlägt den Mitgliedsstaaten vor, Konzernabschlüsse nach den IAS zu ermöglichen6 Die Darstellung der internationalen Rechnungslegungsstandards für den handelsrechtlichen Jahresabschluß kann heute daher auf die vom IASC entwickelten IAS beschränkt werden.
3 4
Vgl. Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 366f. Küting, BB 1993, S. 30 (31f.); Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 371f.; Rost, Der internationale Harmonisierungsprozeß der Rechnungslegung, 1991, S. 188f. jeweils m.w.N.
5
Vgl. Bormann, RIW 1996, S. 35; Küting, BB 1993, 30 (32); Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 361; Wiedmann, in: Festschrift für Rohwedder, 1994, S. 549 (557f.).
6
EU Kommission, Harmonisierung auf dem Gebiet der Rechnungslegung, 1995, Tz. 5. Iff.
§ 7 International Accounting Standards (IAS)
I.
345
Harmonisierung der Rechnungslegung durch das IASC
Das 1973 gegründete International Accounting Standards Committee (IASC) hat nach seiner Satzung eine doppelte Aufgabe. Es soll zum einen weltweit anerkannte Standards für die Rechnungslegung entwickeln; zum zweiten soll es sich um eine Harmonisierung nationaler Rechnungslegungsvorschriften bemühen.7 Dieser Aufgabenstellung kommt das IASC in erster Linie durch Entwicklung von Rechnungslegungsstandards, den "International Accounting Standards" (IAS) nach. Diese Standards stellen bei näherer Betrachtung allerdings keine Harmonisierung der unterschiedlichen Rechnungslegungstraditionen dar. Die IAS sind vielmehr wie die gesamte Arbeit des IASC durch eine Dominanz der angelsächsischen Rechnungslegungstradition gekennzeichnet.8 1.
Aufgabe und Organisation des IASC
Der dominante Einfluß der angelsächsischen Rechnungslegungstradition auf die Arbeit des IASC ist bereits in den Motiven der Gründung des IASC angelegt. Das IASC wurde 1973 von den Berufsverbänden der Wirtschaftsprüfer aus neun Ländern 9 als privatrechtliche Organisation in London gegründet. Die Initiative für die Gründung des IASC ging dabei von den angelsächsischen Berufsverbänden aus. Der britische Berufsverband der Wirtschaftsprüfer befürchtete bei Eintritt Großbritanniens in die EG im Jahre 1973, daß die stark von deutschem Einfluß geprägten Arbeiten an der bereits weit fortgeschrittenen 4. EU-Richtlinie zu einer der angelsächsischen Tradition wesensfremden Verrechtlichung der britischen Rechnungslegungsvorschriften füh-
7
Vgl. die Satzung (Constitution) des IASC in IASC, International Accounting Standards, 1995, S. 17. Diese formuliert die Aufgabe des IASC: "2. The objectives of IASC are: (a)
(b)
to formulate and publish in the public interest accounting standards to be observed in the presentation of financial statements and to promote their worldwide acceptance and observance; and to work generally for the improvement and harmonisation of regulations, accounting standards and procedures relating to the presentation of financial statements."
8
Vgl. Küting, BB 1993, S. 30 (32f.); Wiedmann, in: Festschrift fur Rohwedder, 1994, S. 549 (559f.).
9
Australien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Japan, Kanada, Mexiko, Niederlande, USA.
346
Α. Grundlagen der Rechnungslegung nach IAS
ren könnten. 10 Zusammen mit den Berufsverbänden der Wirtschaftsprüfer aus den USA und Kanada beschlossen sie daher, als Gegengewicht zur kontinentaleuropäischen Entwicklung eine privatrechtliche Organisation zur Entwicklung harmonisierter Rechnungslegungsnormen ins Leben zu rufen. Hierdurch sollte auf internationaler Ebene der angelsächsischen Tradition einer berufsständisch geprägten Normsetzung durch privatrechtliche "standard setter" ein stärkerer Einfluß verschafft werden.11 Dieser Zielsetzung entsprechend bildeten bei der Gründung die angelsächsisch geprägten Länder mit sechs Vertretern (Australien, Großbritannien zusammen mit Irland, Kanada, Mexiko, Niederlande und USA) gegenüber den der kontinentaleuropäischen Tradition zuzurechnenden Vertretern (Deutschland, Frankreich und Japan) eine deutliche Mehrheit.12 Dieser enge Kreis der Gründungsmitglieder wurde durch die Satzung des IASC erheblich erweitert. Hiernach sind heute alle Mitglieder des "International Federation of Accountants" (IFAC), einer in New York ansässigen Vereinigung der Wirtschaftsprüferverbände13, zugleich auch Mitglieder des IASC. 14 Da dem IF AC mehrere Organisationen eines Landes beitreten können, ist die Anzahl der Mitglieder des IF AC und damit auch des IASC größer als die Zahl der Mitgliedsländer. Sie belief sich im Januar 1995 auf insgesamt 110 Mitgliedsorganisationen aus 82 Ländern.15 Das wichtigste Organ des IASC ist dessen Vorstand ("Board"). Diesem obliegt die Geschäftsführung des IASC sowie die Beschlußfassung über neue Rechnungslegungsstandards, die von fallweise gebildeten Arbeitsgruppen,
10
Vgl. Küting/S. Hayn, Internationale Rechnungslegung, in: Küting/Weber (Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung, 4. Aufl. 1995, Teil I Rdn.98; Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 383.
11
Vgl. Hopwood, European Accounting Review 1994, S. 241 (243f.); Kleekämper, in: Dörner/ Wollmert, IASC-Rechnungslegung, 1995, S. 102; ders. in: Ballwieser, W. (Hrsg.), US-amerikanische Rechnungslegung, 2. Aufl. 1996, S. 288f.; Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 383f.; Risse, International Accounting Standards für den deutschen Konzemabschluß, 1996, S. 73.
12
Vgl. Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 383f.
13
Zur Aufgabe und Organisation des IFAC sowie dessen Verflechtung mit dem LASC ausführlich Küting/S. Hayn, Internationale Rechnungslegung, in: Küting/Weber (Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung, 4. Aufl. 1995, Teil I Rdn. 124ff. und Ruhnke, DB 1995, S. 940ff. Vgl. Paragraph 3 der Satzung (Constitution) des LASC, in: IASC, International Accounting Standards, 1995, S. 18.
14 15
Vgl. IASC, International Accounting Standards, 1995, S. 7.
§ 7 International Accounting Standards (IAS)
347
den "Steering Committees", erarbeitet werden.16 Dem Vorstand gehören stimmberechtigte Vertreter aus dreizehn Mitgliedsländern17 und bis zu vier weiteren Organisationen an, die sich mit Fragen der Rechnungslegung beschäftigen.18 Die im Vorstand vertretenen Mitgliedsländer werden von der "International Federation of Accountants" (IFAC) benannt, die weiteren vier Organisationen bestimmt der Vorstand selbst.19 Die laufende Verwaltung und Organisation obliegt einem in London ansässigen Sekretariat.20 Mit Ausnahme der Mitarbeiter des Sekretariats sind alle Mitglieder sämtlicher Organe ehrenamtlich tätig. Hierbei handelt es sich ganz überwiegend um Mitarbeiter der großen international tätigen Wirtschaftsprüfergesellschaften, die von ihren Unternehmen für die Tätigkeit beim IASC freigestellt werden.21 Das IASC finanziert seine Tätigkeit durch Beiträge der im Vorstand vertretenen Mitglieder22 und Spenden interessierter Unternehmen. Unter den Spendern dominieren die sechs größten weltweit tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, 23 die zusammen über 50% des Spendenaufkommens erbringen.24
16
Küting/S. Hayn, Internationale Rechnungslegung, in: Küting/Weber (Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung, 4. Aufl. 1995, Teil I Rdn.l02f.
17
Anfang 1995 waren dies Australien, Kanada, Frankreich, Deutschland, Indien, Italien, Japan, Jordanien, Niederlande, Südafrika, Großbritannien, USA und die Vereinigung der skandinavischen Wirtschaftsprüfer. Vgl. IASC, International Accounting Standards, 1995, S. 8.
18
Vgl. Paragraph 4 der Satzung (Constitution) des IASC in: IASC, International Accounting Standards, 1995, S. 18. Vgl. Paragraph 4b der Satzung (Constitution) des IASC in: IASC, International Accounting Standards, 1995, S. 18.
19 20
Vgl. Küting/S. Hayn, Internationale Rechnungslegung, in: Küting/Weber (Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung, 4. Aufl. 1995, Teil I Rdn. 105.
21
Vgl. Küting/S. Hayn, Internationale Rechnungslegung, in: Küting/Weber (Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung, 4. Aufl. 1995, Teil I Rdn. 104; Wiedmann, in: Festschrift fur Rohwedder, 1994, S. 549 (558).
22
Vgl. dazu Paragraph 14 der Satzung (Constitution) des IASC in: IASC, International Accounting Standards, 1995, S. 20.
23
Arthur Anderson &Co., Coopers and Lybrand International, Deloitte Touche Tohmatsu International, Ernest & Young International, KPMG International, Price Waterhouse. Vgl. Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 389f. Vgl. Haller, DB 1993, S. 1297 (1301); Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 390.
24
348
Α. Grundlagen der Rechnungslegung nach IAS
Die finanzielle wie auch personelle Last des IASC wird damit zu einem großen Teil von Organisationen getragen, die der angelsächsischen Rechnungslegungstradition zuzurechnen sind. Die der kontinentaleuropäischen Rechnungslegungstradition zuzurechnenden Länder, insbesondere Deutschland, halten sich demgegenüber bisher auffallig zurück. Deutschland ist zwar durch das Institut der Wirtschaftsprüfer e.V. (IDW) Gründungsmitglied des IASC; bei der Entwicklung neuer Standards und auch der Finanzierung des IASC beteiligt sich die deutsche Seite aber kaum.25 Die von deutscher Seite kritisierte Dominanz der angelsächsischen Rechnungslegungstradition26 bei der Entwicklung von IAS läßt sich also nicht nur aus den Gründen fur die Schaffung des IASC, sondern zumindest zum Teil auch aus der einseitigen Verteilung der personellen und finanziellen Last erklären.27 2.
Tätigkeit des IASC
Die einzelnen IAS werden von den Arbeitsgruppen ("Steering Committees") in einem mehrstufigen Prozeß entwickelt, bevor der Vorstand die Normen beschließt. Dabei sorgen zahlreiche Möglichkeiten zur Stellungnahme dafür, daß die Interessen und Vorbehalte der Wirtschaftsprüferverbände und sonstiger Organisationen bereits im Entwicklungsprozeß der IAS berücksichtigt werden können. 28 Inhaltlich läßt sich die Arbeit der IASC und die damit verbundene Ent90 wicklung der IAS in drei Phasen teilen:
25
26
Vgl. Haller, DB 1993, S. 1297 (1304f.); Wiedmann, in: Festschrift für Rohwedder, 1994, S. 549 (557, 561 f.); Risse, International Accounting Standards für den deutschen Konzemabschluß, 1996, S. 75. Laut Risse findet sich unter den Spendern des IASC von 1990 bis 1994 kein einziges deutsches Unternehmen. Vgl. etwa Schildbach, in: Festschrift für Moxter, 1994, S. 699 (718); Kating, BB 1993, S. 30 (33); Risse, International Accounting Standards für den deutschen Konzemabschluß, 1996, S. 84f. jeweils m.w.N.
27
In diesem Sinne auch Risse, International Accounting Standards für den deutschen Konzemabschluß, 1996, S. 84f.; Wiedmann, in: Festschrift für Rohwedder, 1994, S. 549 (561f.).
28
Vgl. zum Ablauf der Entwicklung von LAS die Übersicht bei Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 391 und ausführlich Risse, RIW 1995, S. 830ff.
29
Vgl. zu dieser Einteilung insbes. Rechnungslegung, 1995, S. 99 (110f.).
Kleekämper,
in:
Dörner/Wollmert,
IASC-
§ 7 International Accounting Standards (IAS)
349
Seit seiner Gründung im Jahre 1973 bis 1988 konzentrierte sich das IASC darauf, Standards für die wichtigsten Fragen der Rechnungslegung zu erarbeiten. In dieser Zeit enstanden insgesamt 28 IAS. Diese Einzelstandards bildeten jedoch kein geschlossenes System. Der angelsächsischen Rechnungslegungstradition folgend bestanden sie vielmehr aus kasuistischen Regelungen für die wichtigsten Probleme der Rechnungslegung. 30 Die frühen IAS waren weiter dadurch gekennzeichnet, daß sie eine Vielzahl von Wahlrechten enthielten. Diese waren zu weiten Teilen Konsequenz notwendiger Kompromisse zwischen der angelsächsischen und der kontinentaleuropäischen Rechnungslegungstradition.31 Mit dem Eintritt der International Organisation of Securities Exchange Commission (IOSCO), der in starkem Maße von der amerikanischen SEC beeinflußten internationalen Vereinigung der Kapitalmarktaufsichtsbehörden 32 , trat ab etwa 1988 eine Wende in der Arbeit des IASC ein. 33 Im Rahmen eines als "Comparability Project" bezeichneten Prozesses strebte das IASC eine Anerkennung der IAS durch die Kapitalmarktaufsichtsbehörden, insbesondere die SEC, an. 3 4 Zu diesem Zweck wurden die bis dahin in den IAS enthaltenen Wahlrechte weitgehend gestrichen. Soweit Wahlrechte in den IAS verblieben, gab das IASC vor, welche Verfahrensweise als präferierte Referenzmethode ("benchmark method") und welche nur als erlaubte Alternative ("allowed alternative treatment") anzusehen ist.35 Da von dieser Entwicklung vor allem solche Wahlrechte betroffen waren, die in den IAS
30 31
Zur kasuistischen Natur der IAS vgl. Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 393. Vgl. Kleekämper, in: Dörner/Wollmert, IASC-Rechnungslegung, 1995, S. 102 (110); Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 395.
32
Zu Aufgabe und Aufbau der IOSCO vgl. Küting/S. Hayn, Internationale Rechnungslegung, in: Küting/Weber (Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung, 4. Aufl. 1995, Teil I Rdn. 162ff.
33
Kleekämper, in: Dömer/Wollmert, IASC-Rechnungslegung, 1995, S. 110; Hayn, Wpg 1994, S. 713 (716); Küting/S. Hayn, Internationale Rechnungslegung, in: Küting/Weber (Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung, 4. Aufl. 1995, Teil I Rdn. 109f. Zur Bedeutung des "Comparability Project" vgl. Hayn, Wpg 1994, S. 713 (716f.); Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 397f.
34 35
Eine Übersicht über die verbleibenden Wahlrechte findet sich bei Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 400 und Kleekämper, in: Baetge (Hrsg.), Die deutsche Rechnungslegung vor dem Hintergrund internationaler Entwicklungen, 1994, S. 63.
350
Α. Grundlagen der Rechnungslegung nach IAS
eine Rechnungslegung nach der kontinentaleuropäischen Rechnungslegungstradition ermöglichten, kam es zu einer weitgehenden Angleichung der IAS an die angelsächsische und insbesondere US-amerikanische Rechnungslegung. 36 Parallel zur Reduzierung der Wahlrechte begann das IASC damit, nach dem Vorbild des "Conceptual Framework" des FASB ein theoretisches Rahmenkonzept für die Rechnungslegung nach den IAS zu erarbeiten, in dem die Ziele der Rechnungslegung und allgemeine Grundsätze der Rechnungslegung dargestellt werden. 37 Diese theoretische Grundlage wurde 1989 als "Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements" veröffentlicht. In jüngerer Zeit hat das IASC die Entwicklung neuer IAS weitgehend eingestellt. Die Arbeit des IASC ist seit etwa 1994 durch das Bestreben nach Anerkennung der IAS durch die internationale Vereinigung der Kapitalmarktaufsichtsbehörden, das IOSCO, gekennzeichnet.38 Hierfür wurde vom IOSCO eine Liste mit Anforderungen erarbeitet, die es als Voraussetzung für die Anerkennung der IAS ansieht. Diese Anforderungen will das IASC bis 1998 umsetzen.
II.
Die Zielsetzung der Rechnungslegung nach den IAS
Die Zielsetzung der Rechnungslegung nach den IAS ist in starkem Maße von der US-amerikanischen Rechnungslegung beeinflußt. Dies zeigt sich besonders an dem 1989 veröffentlichten "Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements".40 Dieses hat ähnlich wie sein US-
36
Vgl. Kleekämper, in: Dömer/Wollmert, IASC-Rechnungslegung, 1995, S. 102 (111); Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 396f.; Risse, International Accounting Standards für den deutschen Konzernabschluß, 1996, S. 84f.; Baetge, in: Schmalenbachgesellschaft (Hrsg.) Internationalisierung der Wirtschaft, 1992, S. 109 (116ff.); Biener, BFuP, 1993, S. 345 (348f.).
37
Zu diesem "Framework" und seiner Bedeutung vgl. Haller, DB 1993, S. 1297 (1301); Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 396, 406ff.; Risse, International Accounting Standards für den deutschen Konzernabschluß, 1996, S. 30f., 96f.
38 39
Vgl. Kleekämper, in: Dömer/Wollmert, IASC-Rechnungslegung, 1995, S. 102 (113); Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 400f. Vgl. Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 402.
40
Im folgenden nur noch als "framework" bezeichnet.
§ 7 International Accounting Standards (IAS)
351
amerikanisches Vorbild, das "conceptual framework" des SFAS, den Zweck, die Grundlagen der Rechnungslegung nach den IAS klarzustellen. Ferner soll das "framework" eine Hilfe für die Interpretation der bestehenden IAS und Entwicklung künftiger Standards geben.41 Inhaltlich wird das "framework" des IASC wie die US-amerikanische Rechnungslegung von dem Gedanken der Kapitalmarktinformation dominiert, während die im kontinentaleuropäischen Recht vorrangige Aufgabe der Kapitalerhaltung und Ausschüttungsbemessung weitestgehend zurücktritt. 1.
Kapitalmarktinformation
Die Dominanz der Kapitalmarktinformation zeigt sich sowohl in der Aufgabe, die der Rechnungslegung nach Annahme des IASC zukommt als auch in den qualitativen Anforderungen an die Rechnungslegung der Unternehmen. Aufgabe des Jahresabschlusses ist nach Ansicht des IASC, die Informationsbedürfnisse der Adressaten der externen Rechnungslegung zu befriedigen. Diesen soll es ermöglicht werden, aufgrund der Information durch den Jahresabschluß fundierte ökonomische Entscheidungen zu treffen. 42 Ähnlich dem Grundsatz der "decision usefulness" der US-amerikanischen Rechnungslegung 43 ist der nach den IAS zu erstellende Jahresabschluß an seiner Funktion als Entscheidungsgrundlage für die Adressaten ausgerichtet. Diese Entscheidungsorientierung der IAS macht es erforderlich, daß das IASC wie in seinem "framework" Annahmen zu den Adressaten der Rechnungslegung trifft. In einem ersten Schritt geht das IASC von einem weiten Kreis der Adressaten eines nach den IAS erstellten Jahresabschlusses aus. Als mögliche Adressaten des Jahresabschlusses werden nicht allein Kapitalanleger, sondern auch die Arbeitnehmer des Unternehmens, dessen Gläubiger, Lieferanten, Kunden, der Staat sowie die allgemeine Öffentlichkeit angesehen 44 Die Informationsbedürfnisse dieses sehr weit gefaßten Adressatenkreises spielen fur die Formulierung der Grundlagen der Rechnungslegung nach den IAS durch das IASC jedoch keine wesentliche Rolle. Das IASC geht
41
Vgl. Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements, Paragraph 1 u. 2, in: IASC, International Accounting Standards, 1995, S. 41 und dazu Risse, International Accounting Standards für den deutschen Konzernabschluß, 1996, S. 96.
42
Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements, Paragraph 11.
43
Vgl. oben § 6 A II 1 a (Seite 317f.).
44
Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements, Paragraph 9.
352
Α. Grundlagen der Rechnungslegung nach IAS
nämlich zum einen davon aus, daß ein nach den IAS erstellter Jahresabschluß von vornherein nicht sämtliche Informationsbedürfnisse der unterschiedlichen Adressaten befriedigen kann. Zum anderen nimmt das IASC an, daß die von den Kapitalanlegern benötigten Informationen im wesentlichen auch die Informationsbedürfnisse der übrigen Adressaten befriedigen. 45 Beides führt dazu, daß das IASC im weiteren die Anforderungen der Rechnungslegung fast ausschließlich an den Informationsinteressen der Kapitalanleger ausrichtet. Das "framework" des IASC faßt den Jahresabschluß damit ähnlich wie das "conceptual framework" des FASB 46 primär als Instrument der Kapitalmarktinformation auf. 47 Diese primäre Ausrichtung an der Kapitalmarktinformation fuhrt dazu, daß die qualitativen Anforderungen des IASC an eine Rechnungslegung nach den IAS ebenso wie das US-amerikanische Vorbild48 von dem Gedanken der Nützlichkeit fur eine ökonomisch-rationale Entscheidung geprägt sind.49 Ähnlich dem US-amerikanischen Vorbild leitet das IASC aus der Entscheidungsorientierung der Rechnungslegung einen Katalog von vier qualitativen Anforderungen ("principal qualitative characteristics") ab, denen eine Rechnungslegung nach den IAS genügen muß:
45
Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements, Paragraph 10.
46 47
Vgl. oben § 6 A II 1 a (Seite 317f.). Vgl. Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 407.
48
Zur Entscheidungsorientierung ("decision usefulness") der US-amerikanischen Rechnungslegung vgl. oben § 6 A II 1 a (Seite 317f.).
49
Vgl. Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements, Paragraph 24.
§ 7 International Accounting Standards (IAS)
353
Abb. 2: Qualitative Anforderungen des IAS-konformen Jahresabschlusses Ebenso essentiell wie selbstverständlich ist die in Paragraph 25 des "framework" geforderte Verständlichkeit ("understandability") des vorgelegten Rechenwerkes. Ansonsten wäre der Jahresabschluß als Grundlage rationaler Entscheidungen von vornherein untauglich. Dabei ist nach Ansicht des IASC davon auszugehen, daß die Adressaten über angemessene ökonomische und buchhalterische Kenntnisse verfugen und bereit sind, die ihnen vorgelegten Daten sorgfältig zu analysieren.50 Dem entscheidungsorientierten Ansatz der US-amerikanischen Rechnungslegung nachgebildet sind die Anforderungen der Relevanz ("relevance"), Verläßlichkeit ("reliability") und Vergleichbarkeit ("comparability") des Jahresabschlusses. Die im Jahresabschluß enthaltenen Informationen werden vom IASC dann als relevant angesehen, wenn sie geeignet sind, die Entscheidungen der Kapitalanleger zu beeinflussen. Dies setze zum einen voraus, daß auf Grundlage
50
Vgl. Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements, Paragraph 25.
354
Α. Grundlagen der Rechnungslegung nach LAS
der Informationen Vorhersagen über die künftige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens möglich seien, zum anderen, daß die Informationen eine Überprüfung vergangener Annahmen ermöglichen.51 Das IASC übernimmt hier also die vom FASB vorgegebene Ausgestaltung der Relevanz durch die Kriterien der Tauglichkeit für Voraussagen ("predictive value") und Erwartungsüberprüfung ("feedback value").52 Ähnlich ist auch die Interpretation des Kriteriums der Wesentlichkeit "materiality". Die Wesentlichkeit einer Information bemißt das IASC danach, ob ihr Fehlen oder eine fehlerhafte Darstellung dazu geeignet ist, die Entscheidungen der Adressaten des Jahresabschlusses zu beeinflussen. 53 Eng mit der Relevanz verbunden ist die Forderung nach Verläßlichkeit ("reliability") der im Jahresabschluß enthaltenen Informationen. Die Adressaten des Jahresabschlusses sollen bei ihren Entscheidungen davon ausgehen können, daß die Angaben im Jahresabschluß frei von Fehlern sind und eine unvoreingenommene Darstellung enthalten.54 Diese Forderung nach Verläßlichkeit des Jahresabschlusses konkretisiert das LASC durch eine Reihe sekundärer Kriterien. Die Verläßlichkeit erfordere eine getreue Wiedergabe der wirtschaftlichen Verhältnisse ("faithful representation"), einen Vorrang der wirtschaftlichen Betrachtung vor formalen Aspekten ("substance over form"), die Freiheit der Darstellung von Gestaltungen ("neutrality") sowie eine vorsichtige und vollständige Darstellung ("prudence" und "completeness").55 Diese Konkretisierung der Verläßlichkeit entspricht wiederum zu weiten Teilen dem US-amerikanischen Vorbild. Von besonderem Interesse ist dabei das Merkmal der Vorsicht ("prudence"), da dieses seiner Bezeichnung nach dem deutschen Vorsichtsprinzip zu entsprechen scheint.
51
Vgl. Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements, Paragraph 26: "Information has the qualitiy of relevance when it influences the economic decisions of users by helping them evaluate past, present or future events or confirming, or correcting, their past evaluations."
52
Ebenso Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 408, zum Kriterium der "relevance" im "conceptual framework" des FASB vgl. oben § 6 A II 1 a (Seite 317f.).
53
Vgl. Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements, Paragraph 29, 30. Vgl. Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements, Paragraph 31, 32.
54 55
Vgl. Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements, Paragraph 33 - 37.
§ 7 International Accounting Standards (IAS)
355
Das Merkmal der Vorsicht soll nach Auffassung des IASC verhindern, daß es bei Positionen, die mit Bewertungsunsicherheiten verbunden sind, zu einer Überbewertung der Aktiva oder Unterbewertung der Passiva kommt. Wie das deutsche Vorsichtsprinzip soll das Merkmal der Vorsicht also eine Ausnutzung von Bewertungsunsicherheiten durch das rechnungslegungspflichtige Unternehmen verhindern.56 Trotz dieses gleichen Ansatzes unterscheidet sich das Merkmal der Vorsicht jedoch erheblich vom deutschen Vorsichtsprinzip. Während im deutschen Recht das Vorsichtsprinzip in Verbindung mit dem Imparitätsprinzip tendenziell dazu fuhrt, daß Aktiva unterbewertet und Passiva überbewertet werden, ist den IAS eine solche Ungleichbehandlung von Unsicherheiten je nach betroffener Seite der Bilanz weitgehend fremd. Das IASC spricht sich vielmehr ausdrücklich dagegen aus, daß das Vorsichtsprinzip dazu genutzt wird, durch bewußte Unterbewertung unsicherer Aktiva oder übertriebene Überbewertung von Verbindlichkeiten stille Reserven zu leCO
gen. Diese Ausführungen des IASC können letztlich nur dahingehend verstanden werden, daß Bewertungsrisiken auf der Aktiv- und Passivseite im Gegensatz zum deutschen Imparitätsprinzip nach gleichen Maßstäben zu beurteilen sind.59 Das Merkmal der Vorsicht entspricht inhaltlich daher weniger dem deutschen Vorsichtsprinzip, als vielmehr dem US-amerikanischen Gebot konservativer Bewertung. 60 Die Einordnung des Jahresabschlusses als Instrument der Kapitalmarktinformation kommt schließlich in der Forderung nach Vergleichbarkeit ("comparability") von Jahresabschlüssen zum Ausdruck.61 Durch Angabe der Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden soll es den Kapitalanlegern möglich sein, den Jahresabschluß des rechnungsiegenden Unternehmens sowohl im Zeitverlauf als auch mit artgleichen Unternehmen zu vergleichen.
56
Vgl. Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements, Paragraph 37.
57
So auch Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 408f.; Risse, International Accounting Standards fur den deutschen Konzernabschluß, 1996, S. 104ff. vgl. Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements, Paragraph 37.
58 59
In diesem Sinne wohl auch Risse, International Accounting Standards für den deutschen Konzernabschluß, 1996, S. 104.
60
Vgl. oben § 6 A II 1 b (Seite 319f.).
61
Vgl. Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements, Paragraph 39 - 42.
356
2.
Α. Grundlagen der Rechnungslegung nach IAS
Kapitalerhaltung und Ausschüttungsbemessung
Das IASC befaßt sich in seinem "framework" zwar mit der Funktion des Jahresabschlusses als Instrument der Kapitalerhaltung; die im deutschen Recht dominante Funktion der Kapitalerhaltung durch Beschränkung der ausschüttbaren Gewinne spielt in der Konzeption des IASC jedoch im Ergebnis keine Rolle. Dies zeigt sich vor allem darin, daß das IASC in seinem "framework" lediglich mögliche Kapitalerhaltungskonzepte vorstellt, ohne sich jedoch explizit für eines dieser Konzepte zu entscheiden. Das IASC geht davon aus, daß die Rechnungslegung nach IAS sowohl der Erhaltung der finanziellen Kapitalausstattung der Unternehmen ("financial capital maintenance") als auch der physikalischen Kapitalausstattung ("physical capital maintenance") dienen kann. 62 Dabei versteht das IASC die finanziellen Kapitalausstattung der Unternehmen als Eigenkapitalausstattung, wohingegen die physikalische Kapitalausstattung als leistungswirtschaftliches Konzept aufgefaßt wird. Eine Erhaltung der physikalischen Kapitalausstattung sei dann gewährleistet, wenn das Produktionspotential des Unternehmens erhalten bleibe.63 Damit versucht das IASC in den IAS zwei gänzlich wesensfremde Kapitalerhaltungsbegriffe zu vereinen. Dabei läßt das IASC offen, wie der Jahresabschluß als finanzwirtschaftliches Rechenwerk überhaupt dazu geeignet sein soll, das leistungswirtschaftliche Produktionspotential eines Unternehmens sachgerecht abzubilden. Auch innerhalb des Konzeptes der finanziellen Kapitalausstattung sollen die IAS nach Auffassung des IASC eine weitgehende Flexibilität ermöglichen. Nach Auffassung des IASC sind sowohl Konzepte der nominellen Kapitalerhaltung als auch Konzepte, die auf ein inflationsbereinigtes Realkapital abstellen, mit den IAS zu vereinbaren.64 In der Literatur herrscht dabei allerdings der Eindruck vor, daß die einzelnen IAS eher auf ein Konzept der
62
Vgl. Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements, Paragraph 104
63
Vgl. Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements, Paragraph 105. Vgl. Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements, Paragraph 105f.
64
§ 7 International Accounting Standards (IAS)
357
nominellen denn der realen Kapitalerhaltung abstellen.65 Auch dieses Konzept der nominellen Kapitalerhaltung stimmt inhaltlich jedoch nicht mit dem kontinentaleuropäischen Prinzip der nominellen Kapitalerhaltung überein. Dies liegt zum einen an dem bereits oben dargestellten Verständnis des Vorsichtsprinzips in den IAS, zum anderen an der Tatsache, daß die IAS kein striktes Realisationsprinzip kennen. 66 Ein auf den IAS aufbauendes Konzept der nominellen Kapitalerhaltung kann also zur Ausschüttung nicht realisierter Gewinne fuhren. Welches dieser Konzepte einem nach den IAS aufgestellten Jahresabschluß zugrundegelegt werden soll, will das IASC der Entscheidung des Managements überlassen.67 Das Management kann damit letztlich selbst die Methode wählen, die zu einer Beschränkung der eigenen Ausschüttungspolitik zum Zwecke der Kapitalerhaltung fuhren soll. Im Ergebnis spielen Kapitalerhaltung und Ausschüttungsbeschränkung in der Rechnungslegung nach den IAS ebenso wie in der US-amerikanischen Rechnungslegung keine Rolle. Während das FASB jedoch von vornherein darauf verzichtet hat, die Kapitalerhaltung in seinem "conceptual framework" näher zu behandeln, verdeckt das IASC diese Wertung in seinem "framework". Die Akzeptanz mehrerer Kapitalerhaltungskonzeptionen, die sich methodisch erheblich unterscheiden, zum Teil sogar der Natur des Jahresabschlusses als finanzwirtschaftlichem Rechnenwerk widersprechen, führt zu einer Beliebigkeit, die einem gänzlichen Verzicht auf die Einbeziehung von Kapitalerhaltungsgrundsätzen in die Rechnungslegung nach den IAS im Ergebnis gleich kommt.
65
66
67
Vgl. Goebel/Fuchs, DStR 1994, S. 874 (875f.); IDW (Hrsg.), Rechnungslegung nach International Accounting Standards, 1995, S. 17; Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 415; Risse, International Accounting Standards für den deutschen Konzernabschluß, 1996, S. 112f. Vgl. Risse, International Accounting Standards für den deutschen Konzernabschluß, 1996, S. 104f., 113f.; ein knapper Vergleich der Ausgestaltung des Vorsichts- und Realisationsprinzips im deutschen Recht und den IAS findet sich bei IDW (Hrsg.), Rechnungslegung nach International Accounting Standards, 1995, S. 38ff. Vgl. Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements, Paragraph 103, 110.
358
B.
Β. Änderung und Berichtigung nach den LAS
Änderung und Berichtigung von Jahresabschlüssen den IAS
nach
Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse stellt infolge der dargestellten Beliebigkeit von Kapitalerhaltungskonzepten in der Rechnungslegung nach IAS von vornherein kein gesellschaftsrechtliches Problem dar. Im Rahmen der IAS wird die Zulässigkeit von Wahlrechtsänderungen und die Notwendigkeit von Fehlerberichtigungen vielmehr allein unter dem Aspekt ihrer Auswirkungen auf die Information des Kapitalmarktes behandelt. Zentrale Bedeutung kommt dabei dem IAS 8 "Net Profit or Loss for the Period, Fundamental Errors and Changes in Accounting Policies" zu.
I.
Inhalt des IAS 8 "Net Profit or Loss for the Period, Fundamental Errors and Changes in Accounting Policies"
Aufgabe des IAS 8 ist es, eine den Informationsbedürfnissen des Kapitalmarktes gerecht werdende Darstellung der Ertragslage der Unternehmen zu gewährleisten. Durch Aufspaltung in ordentliche und außerordentliche Posten in der Gewinn- und Verlustrechnung soll die Ertragslage der Unternehmen auf einer konsistenten Grundlage dargestellt werden. Hierdurch soll gewährleistet werden, daß die Jahresabschlüsse der Unternehmen sowohl im Zeitverlauf als auch zwischen unterschiedlichen Unternehmen vergleichbar sind.68 Entsprechend seiner Kapitalmarktorientierung behandelt das IASC Wahlrechtsänderungen und Fehlerberichtigungen nicht als isoliertes Problem der Rechnungslegung, sondern bettet diese Vorgänge systematisch konsequent in die Behandlung außerordentlicher Geschäftsvorfälle im Jahresabschluß ein. Dabei geht das IASC wie das deutsche Recht davon aus, daß die Auswirkung außerordentlicher Geschäftsvorfälle im Jahresabschluß grundsätzlich erkennbar und nachvollziehbar sein muß;69 den Begriff der außerordentlichen Geschäftsvorfalle faßt das IASC jedoch deutlich enger als das deutsche Recht.70
68
Vgl. IAS 8, Objective.
69
Vgl. IAS 8, Paragraph 8ff.
70
Vgl. IDW (Hrsg.), Rechnungslegung nach International Accounting Standards, 1995, S. 227.
§ 7 International Accounting Standards (IAS)
359
Da die Abgrenzung ordentlicher von außerordentlichen Positionen für die Frage der Bestandskraft nicht von Interesse ist, soll auf eine ausfuhrliche Behandlung dieses Teils des IAS 8 an dieser Stelle verzichtet werden.71 1.
Begriffsbestimmungen des IAS 8
Das IAS 8 differenziert nach Wahlrechtsänderungen ("Changes in accounting policies"), Berichtigung schwerwiegender Fehler ("correction of fundamental errors") und Ermessensänderungen ("changes in accounting estimates"). Dabei werden diese Begriffe weitgehend ähnlich wie in der USamerikanischen APB-Opinion No. 20 des FASB definiert: Wahlrechtsänderungen ("changes in accounting policies") liegen nach dem IASC dann vor, wenn das Unternehmen eine bereits in vorausgegangenen Jahresabschlüssen angewandte zulässige Rechnungslegungsmethode durch eine andere, ebenfalls zulässige, ersetzt. 72 Das IASC behandelt unter dem Begriff der Wahlrechtsänderungen ("changes in accounting policies") also wie das FASB die im deutschen Recht unter dem Begriff der Stetigkeit erörterte Abweichungen von Wahlrechtsausübungen in aufeinanderfolgenden Jahresabschlüssen. Die hier unter dem Begriff der Änderung von Jahresabschlüssen untersuchte Bestandskraft einmal vorgenommener Wahlrechtsausübungen wird im IAS 8 also nicht ausdrücklich behandelt. Der enge Zusammenhang des Stetigkeitsprinzips mit der Bestandskraft von Wahlrechtsausübungen73 erlaubt es aber - wie schon in der US-amerikanischen Rechnungslegung74 - mittelbar auf die Bestandskraft von Wahlrechtsausübungen im Konzept der IAS zu schließen. Ein zu berichtigender Fehler liegt nach Auffassung des IASC dann vor, wenn ein Jahresabschluß infolge von Rechenfehlern, fehlerhafter Anwendung von Rechnungslegungsmethoden, Fehlinterpretation von Tatsachen, Betrug oder Versehen keine verläßliche Darstellung der Unternehmenslage mehr
71
Ein Vergleich zwischen den außerordentlichen Posten im deutschen Recht und den IAS findet sich in: / D i f (Hrsg.), Rechnungslegung nach International Accounting Standards, 1995, S. 222ff.; Risse, International Accounting Standards für den deutschen Konzernabschluß, 1996, S. 136f.
72
Vgl. IAS 8, Paragraph 6,44ff.
73
Vgl. dazu oben § 1 Β III (Seite 1 Iff.).
74
Vgl. § 6 Β 11 ( Seite 327ff.) und § 6 Β II 1 a (Seite 336f.).
360
Β. Änderung und Berichtigung nach den IAS
beinhaltet.75 Der Inhalt dieses Fehlerbegriffs erschließt sich aus der im IAS 8 ausdrücklich problematisierten Abgrenzung einer Fehlerberichtigung ("correction of fundamental errors") von einer Ermessensänderung ("changes in accounting estimates"). Unter Ermessensänderung versteht das IASC Veränderungen der einem Jahresabschluß im Zeitpunkt der Erstellung zugrundegelegten tatsächlichen Annahmen in nachfolgenden Rechnungslegungsperioden. Hierzu zählt das IASC Annahmen zur Bonität von Schuldnern, Überalterung des Inventars oder zur betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von Anlagen. 76 Eine solche Ermessensänderung unterscheide sich von einer Fehlerberichtigung dadurch, daß Ermessensentscheidungen ihrer Natur nach Schätzungen auf unsicherer Grundlage darstellen, die sich bei später bekannt werdenden Informationen als unrichtig und korrekturbedürftig herausstellen können. 77 Das IASC geht der Sache nach also wie das deutsche Recht und auch die US-amerikanische Rechnungslegung von einem subjektiven Fehlerbegriff aus. 2.
Wahlrechtsänderung ("Changes in Accounting Policies")
Durch das "Comparability Project" wurde die Anzahl der Wahlrechte in den IAS zwar deutlich eingeschränkt,78 den Unternehmen bleibt aber auch heute noch ein erheblicher Gestaltungsspielraum.79 Wird dieser Spielraum in aufeinanderfolgenden Jahresabschlüssen fur gleiche oder vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich ausgenutzt, so resultiert hieraus eine erhebliche Gefahrdung des Informationsgehaltes der Jahresabschlüsse. Dem begegnet das IASC dadurch, daß es sowohl die Zulässigkeit als auch die Durchführung von Wahlrechtsänderungen engen Grenzen unterwirft.
75
Vgl. IAS 8, Paragraph 31 ff.
76
Vgl. IAS 8, Paragraph 23ff.
77
Vgl. IAS 8, Paragraph 24, 33.
78
Zur Bedeutung des "Comparability Project" vgl. oben Teil II § 7 Β 1 1 b (Seite 349f.).
79
Eine Übersicht über die verbleibenden Wahlrechte findet sich bei Pellens, Internationale Rechnungslegung, 1997, S. 400 und Kleekämper, in: Baetge (Hrsg.), Die deutsche Rechnungslegung vor dem Hintergrund internationaler Entwicklungen, 1994, S. 41 (63).
§ 7 International Accounting Standards (IAS)
361
α) Zulässigkeit von Wahlrechtsänderungen Das IASC geht davon aus, daß eine einmal gewählte Methode der Rechnungslegung grundsätzlich beizubehalten ist, um die Vergleichbarkeit aufeinanderfolgender Jahresabschlüsse zu gewährleisten.80 Das Stetigkeitsgebot wird also - wie in der US-amerikanischen Rechnungslegung81 - als Ausdruck des Zwecks des Jahresabschlusses angesehen, verläßliche Informationen für Entscheidungen der Kapitalmarktteilnehmer zu liefern. Entsprechend dem US-amerikanischen Vorbild82 liefert die Entscheidungsorientierung des Jahresabschlusses dann auch zugleich Grund und Maßstab einer Durchbrechung: Eine Wahlrechtsänderung sei nur dann vorzunehmen, wenn die geänderte Methode besser geeignet sei, die wirtschaftlichen Verhältnisse zutreffend darzustellen oder aber eine Änderung vom Gesetzgeber oder den Gesellschaftsstatuten verlangt werde.83 b)
Durchführung der Wahlrechtsänderung Ist eine Wahlrechtsänderung nach diesen Kriterien zulässig, so bietet das IASC im IAS 8 grundsätzlich zwei Möglichkeiten der Durchführung an. Eine rückwirkende Anwendung der neuen Rechnungslegungsmethode als präferierte Referenzmethode ("Benchmark Method") oder die eine Anwendung nur auf künftige Jahresabschlüsse als erlaubte Alternative ("allowed alternative treatment").84 aa) Referenzmethode ("BenchmarkMethod") Das IASC geht davon aus, daß eine rückwirkende Anwendung einer Wahlrechtsänderung den Informationsbedürfnissen der Kapitalanleger am besten gerecht wird, da sie die Vergleichbarkeit aufeinanderfolgender Jahresabschlüsse ermöglicht. Die Referenzmethode des IAS 8 sieht daher vor, daß geänderte Bewertungsverfahren oder andere Methoden auf sämtliche vorausgehende Jahresabschlüsse anzuwenden sind, die Bewertungen nach der aufgegebenen Methode enthalten.85
80
Vgl. IAS 8, Paragraph 41.
81
Vgl. oben§ 6 A l l 1 b (Seite 319f.).
82
Vgl. oben § 6 Β I 2 a (Seite 330f.).
83
Vgl. IAS 8, Paragraph 42, 43.
84
Vgl. IAS 8, Paragraph 45, 49ff., 54.
85
Vgl. IAS 8, Paragraph 45.
362
Β. Änderung und Berichtigung nach den IAS
Der laufende Jahresabschluß soll nach der Referenzmethode so dargestellt werden, als ob die neue Bewertungsmethode schon immer verwendet worden Qfi sei. Nicht erforderlich ist nach dem IAS 8 jedoch, daß sämtliche vorausgehenden Jahresabschlüsse neu erstellt und veröffentlicht werden.87 Es soll vielmehr genügen, daß im laufenden Jahresabschluß sämtliche Vergleichswerte sowie die gleichzeitig veröffentlichten Bilanzen der Voijahre korrigiert werden. Dabei soll in der ältesten im laufenden Jahresabschluß wiedergegebenen Voijahresbilanz die kumulative Auswirkung der Wahlrechtsänderung auf den Gewinn der Voijahre erfolgsneutral mit den Gewinnrücklagen verrechnet werden.88 Geht man davon aus, daß im Regelfall nur die Bilanz des Voijahres als Eröffnungsbilanz des laufenden Jahresabschlusses wiedergegeben wird, so fuhrt dies allein zu einer gewinneutralen Berichtigung der Vorjahresbilanz. Soweit die Wahlrechtsänderung wesentliche Auswirkungen auf den Jahresabschluß des laufenden Jahres oder eines vorausgegangenen Jahres hat, sind zum Teil zusätzliche Angaben zu machen. Diese umfassen:90 (a) die Gründe für die Wahlrechtsänderung; QQ
(b) die Veränderung im laufenden Jahr und die Veränderungen in den Voijahren, die zu Vergleichszwecken wiedergegeben werden; (c) den gesamten Korrekturbetrag, der auf solche Voijahre entfällt, die nicht in den Vergleichswerten wiedergegeben werden; (d) die Tatsache, daß die Vergleichswerte angepaßt wurden oder aber den Grund, warum eine Anpassung der Vergleichswerte unmöglich war. bb) Erlaubte Alternative ("allowed alternative treatment") Als erlaubte Alternative ermöglicht das IASC eine erfolgswirksame Berücksichtigung der Wahlrechtsänderung. Auch nach dieser Methode soll die geänderte Bewertungsmethode auf sämtliche vorausgegangene Jahresabschlüsse angewandt werden. Eine sich aus dieser rückwirkenden Anwendung
86
Vgl. IAS 8, Paragraph 50.
87
Vgl. IAS 8, Paragraph 51.
88
Vgl. IAS 8, Paragraph 50.
89
Vgl. die (im Anhang II nicht wiedergegebene) Beispielrechnung des IASC als Anhang zum IAS 8. Vgl. IAS 8, Paragraph 53.
90
§ 7 International Accounting Standards (IAS)
363
ergebende Gewinnveränderung muß nach der alternativen Methode aber nicht erfolgsneutral bei den Gewinnrücklagen in der Eröffnungsbilanz berichtigt werden, sondern darf erfolgswirksam im laufenden Jahr in die Gewinn- und Verlustrechnung eingestellt werden.91 Weiterhin sollen zusätzliche Vergleichswerte für die Vorjahre angegeben werden, aus denen die Auswirkung der Wahlrechtsänderung auf den Jahresabschluß früherer Jahre ersichtlich 92 wird ("pro forma information'). Soweit die Wahlrechtsänderung wesentliche Auswirkungen auf den Jahresabschluß des laufenden Jahres oder vorausgegangener Jahre hat, werden analog zur Referenzmethode zusätzliche Angaben verlangt. Diese umfassen im Falle der alternativen Methode:93 (a) die Gründe für die Wahlrechtsänderung; (b) das Ausmaß der Veränderung des Gewinns oder Verlustes im laufenden Jahr; (c) das Ausmaß der Veränderung der wiedergegebenen Vergleichswerte für die Voijahre sowie das Ausmaß der kumulativen Veränderung der nicht wiedergegebenen Vergleichswerte. Im Ergebnis entspricht die Regelung der Wahlrechtsänderung in IAS 8 weitgehend der US-amerikanischen Rechnungslegung. Sowohl die Voraussetzungen einer Wahlrechtsänderung als auch die Referenzmethode für deren Durchführung ist weitgehend identisch mit der Regelung im APB-Opinion No. 20 94 Wie dort wird auf eine umfassende Neuaufstellung und Veröffentlichung früherer Jahresabschlüsse verzichtet. Vielmehr wird es als ausreichend erachtet, den laufenden Jahresabschluß erfolgsneutral um den kumulierten Effekt der Veränderung zu bereinigen und die im laufenden Jahresabschluß angegebenen Vergleichswerte anzupassen. Die alternative Methode entspricht dagegen der im deutschen Recht bestehenden Bilanzierungspraxis bei der Durchberechung des Stetigkeitsgebotes durch Wahlrechtsänderungen.95
91 92
Vgl. IAS 8, Paragraph 54, 55. Vgl. IAS 8, Paragraph 55.
93
Vgl. IAS 8, Paragraph 53.
94
Vgl. oben § 6 Β 12 b (Seite 330ff.).
95
Vgl. IDW (Hrsg.), Rechnungslegung nach International Accounting Standards, 1995, S. 31.
364 3.
Β. Änderung und Berichtigung nach den IAS
Ermessensänderung ("change in accounting estimate")
Änderungen der einem Jahresabschluß zugrundeliegenden tatsächlichen Einschätzungen sind nach Ansicht des IASC grundsätzlich nicht gesondert kenntlich zu machen. Dies ist notwendige Konsequenz der Auffassung, daß solche Ermessensänderungen jedem Jahresabschluß notwendigerweise inhärent sind. Die Auswirkung solcher Ermessensänderungen sind grundsätzlich im laufenden und den künftigen Jahresabschlüssen erfolgswirksam zu berücksichtigen. 96 Lediglich dann, wenn sich eine wesentliche Änderung des laufenden oder künftiger Jahresabschlüsse ergibt, muß dies in den Anmerkungen offengelegt werden. 97 4.
Fehlerberichtigung ("correction of fundamental errors")
Die Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse ("correction of fundamental errors") ist im IAS 8 sowohl in den Voraussetzungen als auch in der Durchführung an die Wahlrechtsänderung angelehnt. a) Voraussetzungen einer Fehlerberichtigung Ebenso wie bei der Wahlrechtsänderung knüpft das IASC die Voraussetzungen einer Fehlerberichtigung an den Informationsgehalt des Jahresabschlusses für die Kapitalanleger. Eine für die Kapitalanleger erkennbare Fehlerberichtigung ist nach Auffassung des IASC nur dann notwendig (und wohl auch nur dann zulässig), wenn die Abweichung als so schwerwiegend ("fundamental") anzusehen ist, daß ein Jahresabschluß keine verläßliche Darstellung der Untemehmenslage mehr beinhaltet. 98 Nicht schwerwiegende Fehler früherer Jahresabschlüsse können dagegen ohne besonderen Ausweis erfolgswirksam im laufenden Jahresabschluß richtiggestellt werden. 99 Die Begrenzung erkennbarer Berichtigungen ist Ausdruck des Zieles des IAS 8, die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse zu gewährleisten. Als schwerwiegend ist daher jeder Fehler anzusehen, der für die Anleger bei Einbeziehung des fehlerhaften Jahresabschlusses in einen Zeit- oder Unternehmensvergleich die Gefahr einer fehlerhaften Anlageentscheidung bein-
96
Vgl. IAS 8, Paragraph 26.
97
Vgl. IAS 8, Paragraph 30.
98
Vgl. IAS 8, Paragraph 31, 32.
99
Vgl. IAS 8, Paragraph 31, 32.
§ 7 International Accounting Standards (IAS)
365
haltet. Dabei scheint sich das IASC grundsätzlich nur an dem Ausmaß des Fehlers zu orientieren, nicht aber auch an dessen Art. 100 b) Durchführung der Fehlerberichtigung Ist eine Fehlerberichtigung nach diesen Kriterien zulässig, so bietet das IASC im IAS 8 wiederum zwei Möglichkeiten der Durchführung an: eine für den laufenden Jahresabschluß erfolgsneutrale Korrektur zurückliegender Jahresabschlüsse als Referenzmethode ("Benchmark Method") und eine erfolgswirksame Korrektur des laufenden Jahresabschlusses als erlaubte Alternative ("allowed alternative treatment").101 aa) Referenzmethode ("BenchmarkMethod") Das IASC geht bei der Berichtigung von Fehlern ebenso wie bei den Wahlrechtsänderungen erkennbar davon aus, daß eine rückwirkende Korrektur den Informationsbedürfnissen der Kapitalanleger am besten gerecht wird. Die Referenzmethode des IAS 8 sieht daher vor, daß die Auswirkung einer Fehlerkorrektur für ein vergangenes Jahres grundsätzlich erkennbar sein und keine Auswirkungen auf den Ertragsausweis im laufenden Jahresabschluß haben soll. Die Fehlerkorrektur hat daher grundsätzlich durch Korrektur der Eröffnungsbilanz des laufenden Jahresabschusses zu erfolgen. Werden im laufenden Jahresabschluß frühere Jahresabschlüsse zu Vergleichszwecken wiedergegeben, so hat die Fehlerberichtigung im fehlerhaften Jahresabschluß oder aber in der Eröffnungsbilanz des frühesten Jahresabschlusses zu erfolgen. Weiter sind sämtliche im Jahresabschluß enthaltenen Vergleichswerte zu 1 berichtigen, sofern sie von dem Fehler betroffen sind. Darüber hinaus sind im Jahresabschluß folgende zusätzlichen Angaben zu machen: (a) die Art des schwerwiegenden Fehlers; (b) der Korrekturbetrag im laufenden Jahresabschluß und in allen vorausgegangenen Jahresabschlüssen;
100 Vgl. Risse, International Accounting Standards für den deutschen Konzernabschluß, 1996, S. 138. 101 Vgl. IAS 8, Paragraph 34ff„ 38ff. 102 Vgl. IAS 8, Paragraph 34, 35.
366
Β . Änderung und Berichtigung nach den LAS
(c) die Tatsache, daß die Vergleichswerte berichtigt wurden oder aber der Grund, warum eine Berichtigung der Vergleichswerte unmöglich war. Dagegen verzichtet das IASC ausdrücklich auf eine umfassende Berichtigung vorausgegangener Jahresabschlüsse. Soweit der nationale Gesetzgeber dies nicht verlange, sei eine erneute Erstellung und Veröffentlichung von Jahresabschlüssen, die nicht zu Vergleichszwecken im laufenden Jahresabschluß enthalten sind, nicht erforderlich.103 Die Berichtigung früherer Jahresabschlüsse nach dem IAS 8 reduziert sich im Regelfall damit auf eine Korrektur der Eröffnungsbilanz vorausgegangener Jahresabschlüsse. bb) Erlaubte Alternative ("allowed alternative treatment") Als erlaubte Alternative ermöglicht das IASC wie bei der Wahlrechtsänderung auch bei der Berichtigung schwerwiegender Fehler in früheren Jahren eine erfolgswirksame Berücksichtigung im laufenden Jahresabschluß: Die Auswirkungen der Fehlerberichtigung sind nach dieser Methode erfolgswirksam in die Gewinn- und Verlustrechnung des laufenden Jahresabschlusses einzubeziehen.104 Allerdings soll auch bei einer solch erfolgswirksamen Berücksichtigung im laufenden Jahr die Auswirkung der Fehlerberichtigung auf die vorausgegangenen Jahre erkennbar sein. Es sind daher zusätzliche Vergleichswerte ("pro forma information") fur die Voijahre anzugeben, aus denen die Auswirkung der Fehlerberichtigung früherer Jahre ersichtlich wird.105 Diese Vergleichswerte sind darüber hinaus um folgende Angaben zu erganzen: 106 (a)die Art des schwerwiegenden Fehlers; (b)der im Gewinn des laufenden Jahresabschlusses enthaltene Korrekturbetrag; (c)die Korrekturbeträge, die auf die zu Vergleichszwecken angegebenen Voijahreswerte ("pro forma information") und die nicht in den Vergleichswerten enthaltenen Voijahre entfallen.
103 Vgl. IAS 8, Paragraph 56. 104 Vgl. IAS 8, Paragraph 54, 55. 105 Vgl. IAS 8, Paragraph 39. 106 Vgl. IAS 8, Paragraph 40.
§ 7 International Accounting Standards (IAS)
367
Auf eine umfängliche Neuaufstellung fehlerhafter Jahresabschlüsse wird auch bei der alternativen Methode verzichtet.
II.
Bestandskraftkonzeption der IAS im Vergleich zum deutschen Recht
1.
Änderungen fehlerfreier Jahresabschlüsse
Die Behandlung von Wahlrechtsänderungen in aufeinanderfolgenden Jahresabschlüssen durch IAS 8 läßt erkennen, daß das IASC im Einklang mit der US-amerikanischen Rechnungslegung von der Bestandskraft einmal gewählter Wahlrechtsausübungen ausgeht. Diese Bestandskraftkonzeption zeigt sich in den IAS ebenso wie in der US-amerikanischen Rechnungslegung vor allem in den Voraussetzungen, an die eine Wahlrechtsänderung geknüpft wird. Diese ist nur zulässig, wenn dadurch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens besser dargestellt werden. Diese auch im US-amerikanischen System geltende Voraussetzung 107 läßt erkennen, daß die Unternehmen an einer einmal vorgenommenen Wahlrechtsausübung grundsätzlich festgehalten werden sollen. Allerdings läßt sich der konkrete Umfang dieser Bestandskraft nur schwer bestimmen, denn er hängt davon ab, welche Anforderungen im Rahmen der IAS an eine bessere Darstellung zu stellen sind. Mangels konkreter Ausfuhrungsvorschriften des IASC zum IAS 8 besteht hier die Gefahr einer weitgehenden Aufweichung der Bestandskraft. Methodisch beruht die implizite Bestandskraft einer Wahlrechtsausübung in den IAS auf denselben Grundlagen wie in der US-amerikanischen Rechnungslegung. Dies ergibt sich aus der Tatsache, daß das IASC die Kapitalmarktorientierung der GAAP und die wesentlichen Bestandteile des "conceptual framework" des FASB in die Rechnungslegung nach IAS übernommen hat; damit hat auch das US-amerikanische Verständnis der Funktion von Wahlrechten in IAS 8 Eingang gefunden. Das IASC geht in seinen konzeptionellen Grundlagen, dem "framework for the preparation and presentation of financial statements" wie das FASB in seinem "conceptual framework" davon aus, daß eine verläßliche Kapitalmarktinformation neutral sein muß. Neutralität wird dabei in dem Sinn verstanden, daß die Rechnungslegung
107 Vgl. oben § 6 Β I 2 (Seite 329f.).
368
Β . Änderung und Berichtigung nach den LAS
nicht im Hinblick auf mögliche Reaktionen der Kapitalmarktteilnehmer gestaltet werden darf. 108 Damit dürfen die Anleger darauf vertrauen, daß Wahlrechte nicht zu Gestaltungszwecken, sondern zur möglichst zutreffenden Darstellung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens ausgeübt werden. Jede nachträgliche Änderung einer im Jahresabschluß einmal vorgenommenen Wahlrechtsausübung birgt damit wie im US-amerikanischen Recht eine Verletzung dieses Neutralitätsgebotes in sich. Wenn nicht neue Erkenntnisse eine veränderte Wahlrechtsausübung rechtfertigen, so zeigt diese notwendigerweise, daß entweder die zunächst vorgenommene oder aber die geänderte Wahlrechtsausübung nicht der zutreffenden Abbildung der wirtschaftlichen Lage, sondern der Gestaltung des Jahresabschlusses diente. Wie bei der US-amerikanischen Rechnungslegung ergibt sich im System der IAS die Bestandskraft von Jahresabschlüssen gegenüber nachträglichen Änderungen also aus der Funktion des Jahresabschlusses als verläßliche und ungestaltete Kapitalmarktinformation. Damit unterscheiden sich die IAS vom deutschen Recht, in dem die Bestandskraft aus der Funktion des Jahresabschlussses im Rahmen der Kapitalerhaltungsvorschriften erwächst. 2.
Berichtigung fehlerhafter Jahresabschlüsse
Auch der Vergleich der Fehlerberichtigung zeigt eine weitgehende Identität der Bestandskraftkonzeption, die der Rechnungslegung nach IAS und der US-amerikanischen Rechnungslegung zugrunde liegt. IAS, GAAP und deutsches Bilanzrecht stimmen zunächst noch darin überein, daß sie die Berichtigungspflicht nicht an einen rein objektiven, sondern einen subjektiven Fehlerbegriff anknüpfen. Mit dem deutschen Recht vergleichbar ist weiter die Beschränkung der Fehlerberichtigung in den IAS auf schwerwiegende Fehler. Diese entspricht zumindest im Ansatz der im Rahmen dieser Arbeit zum deutschen Recht vertretenen Beschränkung der Berichtigungspflicht auf wesentliche Fehler. Allerdings kann die Orientierung der IAS wie auch der GAAP auf die Kapitalmarktinformation dazu führen, daß die Wesentlichkeit eines Fehlers in Einzelfallen anders zu bewerten ist als im deutschen Recht. Nicht mit dem deutschen Recht zu vereinbaren ist dagegen die in IAS 8 als Referenzmethode gewählte Form der Fehlerbeseitigung. Eine bloße Korrektur der Eröffnungsbilanzwerte und einiger Vergleichswerte läßt sich ebenso
108 Vgl. oben unter § 7 A II 1 (Seite 354f.).
§ 7 International Accounting Standards (IAS)
369
wie die US-amerikanische Lösung weder mit der Funktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses im Rahmen der Kapitalerhaltung noch mit der gesellschaftsrechtlichen Aufgabe bei der Bemessung von Gewinnansprüchen vereinbaren. Weiter verstößt diese Referenzmethode des IAS auch gegen den im deutschen Recht in § 252 Abs. 2 HGB kodifizierten Grundsatz der formellen Identität von Schluß- und Eröffnungsbilanz. Durch den Verzicht auf eine erneute Erstellung und Veröffentlichung fehlerhafter Jahresabschlüsse bleibt die Rechnungslegung nach IAS hier deutlich hinter den Anforderungen des deutschen Rechts zurück. Dies gilt im Ergebnis auch für die alternative Methode der erfolgswirksamen Korrektur von Fehlern im laufenden Jahresabschluß. Der in der Literatur teilweise vertretenen Auffassung, daß diese alternative Methode mit der Rechnungslegung nach deutschem Recht vereinbar sei, kann daher nicht gefolgt werden.1 9 Dieser Aussage liegt die Annahme zugrunde, daß es im deutschen Recht grundsätzlich genüge, erkannte Fehler in laufender Rechnung zu berichtigten, zumal andernfalls den an einen Jahresabschluß anknüpfenden Ansprüchen die Grundlage entzogen würde. 110 Diese Auffassung geht nach der hier vertretenen Ansicht sowohl handels- als auch gesellschaftsrechtlich von falschen Annahmen aus. Ein genereller Verzicht auf die Korrektur fehlerhafter Jahresabschlüsse entspricht insbesondere bei Kapitalgesellschaften weder den handelsrechtlichen noch den gesellschaftsrechtlichen Anforderungen einer ordnungsgemäßen Rechnungslegung nach deutschem Recht. Auch die vom IAS vorgeschlagene alternative Methode der Fehlerberichtigung läßt sich folglich nicht mit den Anforderungen des deutschen Rechts vereinbaren.
109 Risse, International Accounting Standards für den deutschen Konzernabschluß, 1996, S. 138; IDW(Hrsg.), Rechnungslegung nach International Accounting Standards, 1995, S. 138. 110 Risse, International Accounting Standards für den deutschen Konzernabschluß, 1996, S. 138.
§ 8 Harmonisierung der Rechnungslegung und Bestandskraft deutscher Jahresabschlüsse Die Untersuchung der Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse im deutschen Bilanzrecht im 1. Teil dieser Arbeit hat gezeigt, daß rechtliche Notwendigkeit und Grenzen nachträglicher Berichtigungen und Änderungen handelsrechtlicher Jahresabschlüsse vor allem durch zwei Funktionen des Jahresabschlusses bestimmt werden: zum einen der Gläubigerschutz bei haftungsbeschränkten Unternehmensformen durch Begrenzung des ausschüttbaren Vermögens, zum anderen die Bestimmung einer Bemessungsgrundlage für gesellschafts- und zivilrechtliche Gewinnansprüche.1 Die an den Informationsbedürfnissen des Kapitalmarktes orientierte Publizität handelsrechtlicher Jahresabschlüsse begründet im deutschen Bilanzrecht dagegen keine eigenständige Bestandskraft publizierter Jahresabschlüsse, die über die Bestandskraft nicht publizierter Jahresabschlüsse hinausgeht.2 Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse erfährt ihre Ausgestaltung also vor allem aus der Instrumentalisierung des Jahresabschlusses für das Handelsund Gesellschaftsrecht. Ohne einen bestandskräftigen Jahresabschluß fehlt eine hinreichende Grundlage für die Ausfüllung der Kapitalerhaltungs- und Haftungsgrundsätze und die Bestimmung von Gewinnansprüchen. Demgegenüber fehlt den US-amerikanischen GAAP aber auch den IAS eine solche Anbindung an das Handels- und Gesellschaftsrecht.3 Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse in beiden Rechnungslegungsordnungen ist vielmehr Ausdruck einer ausschließlichen und daher auch konsequenteren Orientierung der Rechnungslegung an den Bedürfnissen der Kapitalmarktteilnehmer nach ungestalteter - neutraler - Information über das Unternehmen als Grundlage für Anlageentscheidungen.4 Damit ist die Bestandskraft der US-amerikanischen GAAP wie auch der diesen weitgehend
1 2 3
4
Vgl. insbesondere oben § 3 C (Seite 46ff.) und die Zusammenfassungen in § 4 Ε (Seite 275ff.) und § 5 D (Seite 301ff.) Vgl. oben § 3 Ε (Seite 145ff.) Vgl. oben § 6 A II 2 (Seite 322); die LA.S sollen formal zwar gesellschaftsrechtliche Kapitalerhaltungsvorschriften berücksichtigen, durch die Beliebigkeit der dabei gewählten Konzeption fehlt aber auch diesen eine echte - dem deutschen Recht vergleichbare - Verknüpfung; vgl. oben § 7 A II 2 (Seite 356). Vgl. insbesondere oben § 6 Β I (Seite 327ff.) und insbesondere § 6 Β II 1 b (Seite 337f.).
372
§ 8 Harmonisierung der Rechnungslegung und Bestandskraft
nachgebildeten IAS nicht nur aufgrund der fehlenden Rechtsnormqualität weniger von dogmatisch-rechtlichen Überlegungen denn von pragmatischökonomischen Überlegungen geprägt. Die fehlende Verknüpfung mit dem Gesellschaftsrecht läßt die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse nicht nur formal, sondern auch in ihrer inhaltlichen Ausgestaltung als ökonomisches Problem der Informationsbedürfnisse eines funktionierenden Kapitalmarktes erscheinen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, daß vor allem die USGAAP Wahlrechtsänderungen im Ergebnis strengeren Beschränkungen unterwerfen als das deutsche Recht5, wohingegen die Berichtigung von Fehlern in früheren Jahresabschlüssen mangels Verknüpfung mit Gewinnansprüchen im Gegensatz zum deutschen Recht auf eine summarische Korrektur in der Eröffnungsbilanz beschränkt werden kann.6 Die seit einigen Jahren geforderte Annäherung der deutschen Rechnungslegung an angelsächsische Gepflogenheiten7 ist aufgrund dieser konzeptionellen Unterschiede jedenfalls dann mit erheblichen Bedenken behaftet, wenn die US-GAAP oder die IAS auf den handelsrechtlichen Einzelabschluß Anwendung fänden: Abgesehen davon, daß es auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht unbedenklich ist, die Rechnungslegungspflicht des HGB durch amerikanische oder internationale Verbände der Wirtschaftsprüfer ausfüllen zu lassen,8 bedingt dies auch eine Durchbrechung der fur die deutsche Rechnungslegung fundamentalen Verknüpfung zwischen Bilanzrecht und Gesellschaftsrecht. Durch Erstellung eines Einzelabschlusses nach den am "shareholder value concept" orientierten US-GAAP oder IAS würde die bisher auf bereits realisierte Gewinne beschränkte Möglichkeit der Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften erheblich erweitert. Beide Rechnungslegungssysteme erlauben nämlich mangels Realisationsprinzips auch den Ausweis noch nicht realisierter Gewinne.9 Einzelabschlüsse nach US-GAAP oder IAS würden also die
5
Vgl. oben § 6 Β II 1 (Seite 336 ff.) für die US-GAAP.
6 7
Vgl. oben § 6 Β I 5 und II 2 (Seiten 334f. und 340f.) für die US-GAAP und § 7 Β I 4 und II 2 (Seiten 364f. und 368f.) für die IAS. Vgl. etwa Küting/Hayn, BB 1995, S. 662; Ludewig, Wpg 1992, 761 (762f.); Krumnow, in: Festschrift für Moxter, 1994, S. 679ff. sowie die Erhebung bei Förschle/Glaum/ Mandler, BFuP 1995, S. 392ff.
8 9
Vgl. dazu etwa Hommelhoff, in: Festschrift für Odersky, 1996, S. 779 (791f.). Vgl. oben § 6 A II 2 (Seite 322f.) und § 7 A II 1 (Seite 35Iff.).
§ 8 Harmonisierung der Rechnungslegung und Bestandskraft
373
bisherigen Kapitalerhaltungsvorschriften des deutschen Rechts weitgehend umgestalten. ^Darüberhinaus erscheint zweifelhaft, ob das Bestandskraftkonzept der US-GAAP und IAS den Bedürfnissen des deutschen Rechts gerecht werden kann. Da sich die Bestandskraft in der Konzeption der US-GAAP allein an der Kapitalmarktinformation orientiert, besteht die Gefahr, daß der Jahresabschluß keine hinreichend sichere Grundlage für die Kapitalerhaltung ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn mit Übernahme der US-GAAP die Berichtigung von Fehlern auf die Eröffnungsbilanz beschränkt wird, oder eine gewinnerhöhende Wahlrechtsänderung wegen besserer Aussagekraft zugelassen wird. Beides ist mit der Funktion des handelsbilanzrechtlichen Jahresabschlusses zur justitiablen Bestimmung der Kapitalerhaltung und Bemessung der Gewinnausschüttung nur schwer vereinbar. Im Falle der IAS kommt dabei noch hinzu, daß deren Ausgestaltung mangels Kommentierung oder Rechtsprechung noch sehr vage ist, was die zur Kapitalerhaltung notwendige Klarheit der Rechnungslegung noch zusätzlich belastet. Eine Harmonisierung der Rechnungslegung durch Öffnung des deutschen Einzelabschlusses für die US-GAAP oder IAS ist aufgrund der Bindung der Kapitalerhaltungsgrundsätze an den Einzelabschluß höchst fraglich. Soll die im Gesellschaftsrecht bisher enthaltene Konzeption des Gläubigerschutzes durch Ausschüttungsbeschränkung und Kapitalerhaltung nicht aufgegeben werden, so verbietet dies eine Übertragung der US-GAAP oder IAS auf den Einzelabschluß.11 Dies zeigt sich gerade auch in der Bestandskraft. Wird der Einzelabschluß nach US-GAAP oder IAS erstellt, so orientiert sich die Bestandskraft nicht mehr am Gläubigerschutz und den Prinzipien der Kapitalerhaltung und Haftungsbestimmung,12 sondern allein an Informationsbedürfnissen des Kapitalmarktes. Dies läßt es aufgrund der oben aufgezeigten Abweichungen fraglich erscheinen, ob der erforderliche Schutz der Gläubiger vor unrichtiger Ermittlung oder nachträglicher Änderung des im Unternehmen gebundenen Kapitals beziehungsweise der Haftung der Kommanditisten noch gewährleistet ist. Weniger kritisch erscheint dagegen eine Übertragung auf den Konzernabschluß. Da der Konzernabschluß im deutschen Recht keine Ausschüttungs-
10
Zur Kritik hieran etwa Schulze-Osterloh, in: IdW, Bericht über die Fachtagung 1994, S. 123 (135f.); Schildbach, in: Festschrift fur Moxter, 1994, S. 699 (718ff.).
11
so auch Hommelhoff, in: Festschrift für Odersky, 1996, S. 779 (796f.); Küting/Hayn, BB 1995, S. 662 (666); Goebel/Fuchs, DStR 1994, S. 874 (880). Vgl. vor allem oben im 1. Teil unter § 3 C III (Seite 62ff.).
12
374
§ 8 Harmonisierung der Rechnungslegung und Bestandskraft
bemessungsfunktion, sondern nur eine Informationsfunktion hat, 13 kann hieraus keine Gefahrung der Kapitalerhaltungsgrundsätze entstehen.14 Dem Konzernabschluß fehlt also die fur den Einzelabschluß typische Wechselbeziehung des Bilanzrechtes mit dem Handels- und Gesellschaftsrecht. Hinsichtlich der Bestandskraft von Konzernabschlüssen würde die Öffnung des deutschen Bilanzrechtes fur die US-GAAP oder IAS daher zu einem im Interesse des Kapitalmarktes liegenden Schutz vor nachträglichen Veränderungen des einmal publizierten Konzernabschlusses fuhren. Da im deutschen Recht allein die Publizität Wahlrechtsänderungen nicht ausschließt,15 kommt dem allein der Information des Kapitalmarktes dienenden Konzernabschluß im deutschen Recht insoweit keine Bestandskraft zu. Erstellt ein Unternehmen seinen Jahresabschluß dagegen nach den Regeln der US-GAAP oder den IAS, so unterwirft es sich damit nicht nur den engeren Möglichkeiten der Gestaltung durch Wahlrechtsausübung, sondern konsequenterweise dann auch der insoweit strengeren Beschränkung nachträglicher Änderungen. Die Öffnung des Konzernbilanzrechtes für die US-GAAP oder IAS vermag insoweit also die oben dargestellte - in kapitalmarkttheoretischer Sicht als unbefriedigend zu bezeichnende - mangelnde Bindungswirkung publizierter Jahresabschlüsse zu überwinden. Ein Wahlrecht der Unternehmen, den Konzernabschluß nach US-GAAP zu erstellen, würde daher nicht nur zu einer Einschränkung der ursprünglichen Gestaltbarkeit des Konzernabschlusses, sondern auch einer größeren Bestandskraft fuhren. Insoweit wäre eine solche Öffnung durchaus zu begrüßen.
13
Vgl. Küting/Hayn, BB 1995, S. 662 (666) und ausführlich Klein, in: KütingAVeber, Handbuch der Konzemrechnungslegung, 1989, Kap. II Rdn. 874.
14
Vgl. auch Küting/Hayn, BB 1995, S. 662 (666).
15
Vgl. oben § 3 Ε III (Seite 154ff.).
Anhang
Anhang I APB Opinion No. 20
Introduction 1.
A change in accounting by a reporting entity may significantly affect
the presentation of both financial position and results of operations for an accounting period and the trends shown in comparative financial statements and historical summaries. The change should therefore be reported in a manner which will facilitate analysis and understanding of the financial statements.
Scope of Opinion
2.
This opinion defines various types of accounting changes and esta-
blishes guides for determining the manner of reporting each type. It also covers reporting in a correction of an error in previously issued financial statements. 3.
The opinion applies to financial statements which purport to present
financial position, changes in financial position, and results of operations in conformity with generally accepted accounting principles. The guides in this Opinion also may be appropriate in presenting financial information in other forms or for special purposes. Companies in regulated industries may apply generally accepted accounting principles differently from nonregulated companies because of the effect of the rate-making process. This Opinion should therefore be applied to regulated companies in accordance with the provisions of the Addendum to APB Opinion No. 2. 4.
This Opinion does not change the policy of the Board that its Opinions,
unless otherwise stated, are not intended to be retroactive. Each published
378
Anhang I
Opinion specifies its effective date and the manner of reporting a change to conform with the conclusions of the Opinion. An industry audit guide prepared by a committee of the American Institute of Certified Public Accountants may also prescribe the manner of reporting a change in accounting principles. Accordingly, the provisions of this Opinion do not apply to changes made in conformity with susch pronouncements issued in the past or in the future. 5.
This Opinion reaffirms the provisions of previous Board Opinions that
prescribe the manner of reporting a change in accounting principle, an accounting estimate, or reporting entity except for the following paragraphs of accounting Research Bulletins (ARB) or Opinions of the Accounting Principles Board (APB)1. a.
Paragraph 3 of Chapter 2, Section A, Comparative Financial Statements, of ARB No. 43 is amended to insert a cross reference to this Opinion. This Opinion identifies numerous accounting changes and specifies the manner of reporting each change.
b.
Paragraph 20 of APB Opinion No. 9, Reporting the Results of Operations, and paragraph 13 of APB Opinion No. 15, Earning per Share, are amended. This Opinion specifies an additional element in the presentation of the income statement.
c.
Paragraph 25 of APB Opinion No. 9 is superseded. Although the conclusion ofthat paragraph is not modified, this Opinion deals more completely with accounting changes.
1
This Opinion amends APB Statement No. 4, Basic Concepts and Accounting Principles Underlying Financial Statements of Business Enterprises, to the extent that it relates to reporting accounting changes.
379
APB Opinion No. 20
Types of accounting changes 6.
The term accounting change in this Opinion means a change in (a) an
accounting principle, (b) an accounting estimate, or (c) the reporting entity (which is a special type of change in accounting principle classified separately for purposes of this Opinion). The correction of an error in previously issued financial statements is not deemed to be an accounting change.
Change in Accounting Principle 7.
A change in accounting principle results from adoption of a generally
accepted accounting principle different from the one used previously for reporting purposes. The term accounting
principle
includes "not only
accounting principles and practices but also the methods of applying them". 2 8.
A characteristic of a change in accounting principle is that it concerns a
choice from among two or more generally accepted accounting principles. However, neither (a) initial adoption of an accounting principle in recognition of events or transactions occurring for the first time or that previously were immaterial in their effect nor (b) adoption or modification of an accounting principle necessitated by transactions or events that are clearly different in substance from those previously occurring is a change in accounting principle. 9.
Changes in accounting principle are numerous and varied. They
include, for example, a change in the method of inventory pricing, such as from the last in, first out (LIFO) method to the first in, first out (FIFO) method; a change in depreciation method for previously recorded assets, such
2
Statement on Auditing Procedure No. 33, Auditing Standards and Procedures, chapter 7, paragraph 2.
380
Anhang I
as from the double declining balance method to the straight line method;3 a change in the method of accounting for long-term construction-type contracts, such as from the completed contract method to the percentage of completion method; and a change in accounting for reserch and development expenditures, such as from recording as expense when incurred to deferring and amortizing the costs. (Paragraph 11 covers a change in accounting principle to effect a change in estimte).
Change in Accounting Estimate
10.
Changes in estimates used in accounting are necessary consequences of
periodic presentations of financial statements. Preparing financial statements requires estimating the effects of future events. Examples of items for which estimates are necessary are uncollectible receivables, inventory obsolescence, service lives and salvage values of depreciable assets, warranty costs, periods benefited by a deferred cost, and recoverable mineral reserves. Future events and their effects cannot be perceived with certainty; estimating, therefore, requires the exercise of judgment. Thus, accounting estimates change as new events occur, as more experience is acquired, or as additional information is obtained. 11.
Change in estimate effected by a change in accounting principle.
Distinguishing between a change in an accounting principle and a change in an accounting estimate is sometimes difficult. For example, a company may change from deferring and amortizing a cost to recording it as an expense
3
A change to the straight line method at a specific point in the service life of an asset may be planned at the time the accelerated depreciation method is adopted to fully depreciate the cost over the estimated life of the asset. Consistent application of such a policy does not constitute a change in accounting principle for purposes of applying this Opinion. (Paragraph 5-d of APB Opinion No. 12 covers disclosure of methods of depreciation).
381
APB Opinion No. 20
when incurred because future benefits of the cost have become doubtful. The new accounting method is adopted, therefore, in partial or complete recognition of the change in estimated future benefits. The effect of the change in accounting principle is inseparable from the effect of the change in accounting esstimte. Changes of this type are often related to the continuing process of obtaining additional information and revising estimates and are therefore considered as changes in estimates for purposes of applying this Opinion.
Change in the Reporting Entity 12.
One special type of change in accounting principle results in financial
statements which, in effect, are those of a different reporting entity. This type is limited mainly to (a) presenting consolidated or combined statements in place of statements of individual companies, (b) changing specific subsidiaries comprising the group of companies for which consolidated
financial
statements are presented, and (c) changing the companies included in combined financial statements. A different group of companies comprise the reporting entity after each change. A business combination accounted for by the pooling of interests methods also results in a different reporting entity.
Correction of an Error in Previously Issued Financial Statements 13.
Reporting a correction of an error in previously issued financial state-
ments concerns factors similar to those relating to reporting an accounting change and is therefore discussed in this Opinion. 4 Errors in financial statements result from mathematical mistakes, mistakes in the application of
4
tatement on Auditing Procedure No. 41, Subsequent Discovery of Facts Existing at the Date of the Auditor's Report, discusses other aspects of errors in previously issued financial statements.
382
Anhang I
accounting principles, or oversight or misuse of facts that existed at the time the financial statements were prepared. In contrast, a change in accounting estimate results from new information or subsequent developments and accordingly from better insight or improved judgment. Thus, an error is distinguishable from a change in estimate. A change from an accounting principle that is not generally accepted to one that is generally accepted is a correction of an error for purposes of applying this Opinion.
Views on reporting Changes in Accounting Principles 14.
An essential question in reporting a change in accounting principle is
whether to restate the financial statements currently presented for prior periods to show the new accounting principle applied retroactively. A summary of differing views bearing on that question is: a.
Accounting principles should be applied consistently for all periods presented in comparative financial statements. Using different accounting principles for similar items in financial statements presented for various periods may result in misinterpretations of earnings trends and other analytical data that are based on comparisons. The same accounting principle therefore should be used in presenting financial statements of current and past periods. Accordingly, financial statements presented for prior periods in current reports should be restated if a reporting entity changes an accounting principle.
b.
Restating financial statements of prior periods may dilute public confidence in financial statements and may confuse those who use them. Financial statements previously prepared on the basis of accounting principles generally accepted at the time the statements were issued should therefore be considered final except for changes in the reporting entity or corrections of errors.
APB Opinion No. 20
c.
383
Restating financial statements of prior periods for some types of changes requires considerable effort and is sometimes impossible. For example, adequate information may not be available to restate financial statements of prior periods if the method of recording revenue from long-term contracts is changed from the completed contract method to the percentage of completion method.
d.
Restating financial statements of prior periods for some changes requires assumptions that may furnish results different from what they would have been had the newly adopted principle been used in prior periods. For example, if the method of pricing inventory is changed, from the FIFO method to the LIFO method, it may be assumed that the ending inventory of the immediately preceding period is also the beginning inventory of the current period for the LIFO method. The retroactive effects under that assumption may be different from the effects of assuming that the LIFO method was adopted at an earlier date.
Opinion
Justification for a Change in Accounting
15.
Principle
The Board concludes that in the preparation of financial statements,
there is a presumption that an accounting principle once adopted should not be changed in accounting for events and transactions of a similar type. Consistent use of accounting principles from one accounting period to another enhances the utility of inancial statements to users by facilitating analysis and understanding of comparative accounting data. 16.
The presumption that an entity should not change an accounting prin-
ciple may be overcome only if the enterprise justifies the use of an alternative acceptable accounting principle on the basis that it is preferable. However, a
384
Anhang I
method of accounting that was previously adopted for a type of transction or event which is being terminated or which was a single, nonrecurring event in the past should not be changed. For example, the method of accounting should not be changed for a tax or tax credit which is being discontinued or for preoperating costs relating to a specific plant. The Board does not intend to imply, however, that a change in the estimated period to be benefited for a deferred cost (if justified by the facts) should not be recognized as a change in accounting estimate. The issuance of an Opinion of the Accounting Principles Board that creates a new accounting principle, that expresses a preference for an accounting principle, or that rejects a specific accounting principle is sufficient support for a change in accounting principle. The burden of justifying other changes rests with the entity proposing the change.5
General Disclosure - A Change in Accounting Principle 17.
The nature of and justification for a change in accounting principle and
its effect on income should be disclosed in the financial statements of the period in which the change is made. The justification for the change should explain clearly why the newly adopted accounting principle is preferable.
Reporting a Change in Accounting Principle 18.
The Board believes that, although they conflict, both (a) the potential
dilution of public confidence in financial statements resulting from restating financial statements of prior periods and (b) consistent application of accoun-
5
The issuance of an industry audit guide by a committee of the American Institute of Certified Public Accountants also constitutes sufficient support for a change in accounting principle (paragraph 4).
APB Opinion No. 20
385
ting principles in comparative statements are important factors in reporting a change in accounting principles. The Board concludes that most changes in accounting should be recognized by including the cumulative effect, based on a retroactive computation, of changing to a new accounting principle in net income of the period of the change (paragraphs 19 to 26) but that a few specific changes in accounting principles should be reported by restating the financial statements of prior periods (paragraphs 27 to 30 and 34 to 35). For all changes in accounting principle except those described in paragraphs 27 to 30 and 34 to 35, the Board theerefore concludes that: a.
Financial statements for prior priods included for compartive purposes should be presented as previously reported.
b.
The cumulative effect of changing to a new accounting principle on the amount of retained earnings at the beginning of the period in which the change is made should be included in net income of the period of the change (paragraph 20).
c.
The effect of adopting the new accounting principle on income before extraordinary items and on net income (an on the related per share amounts) of the period of the change should be disclosed.
d.
Income before extraordinary items and net income computed on a pro forma basis6 should be shown on the face of the income statements for
6
The pro forma amounts include both (a) the direct effects of a change and (b) nondiscretionary adjustments in items based on income before taxes or net income, such as profit sharing expense and certain royalties, that would have been recognized if the newly adopted accounting principle had been followed in prior periods: related income tax effects should be recognized for both (a) and (b). Direct effects are limited to those adjustments that would have been recorded to restate the financial statements of prior periods to apply retroactively the change. The nondiscretionary adjustments described in (b) should not therefore be recognized in computing the adjustment for the cumulative effect of the change described in paragraph 20 unless nondiscretionary adjustments of the prior periods are actually recorded.
386
Anhang I
all periods presented as if the newly adopted accounting principle had been applied during all periods affected (paragraph 21). Thus, income before extraordinary items and neet income (exclusive of the cumulative adjustment) for the period of the change should be reported on the basis of the newly adopted accounting principle. The conclusions in this paragraph are modified for various special situations which are described in paragraphs 23 to 30. 20.
Cumulative effect of a change in accounting principle. The amount
shown in the income statement for the cumulative effect of changing to a new accounting principle is the difference between (a) the amount of retained earnings at the beginning of the period of a change and (b) the amount of retained earnings that would have been reported at that date if the new accounting principle had been applied retroactively for all prior periods which would have been affected and by recognizing only the direct effects of the change and related income tax effect.7 The amount of the cumulative effect should be shown in the income statement between the captions "extraordinary items" and "net income". The cumulative effect is not an extraordinary item but should be reported in a manner similar to an extraordinary item. The per share informtion shown on the face of the income statement should include the per share amount of the cumulative effect of the accounting change. 21.
Pro forma effects of retroactive application. Pro forma effects of
retroactive application (paragraph 19-d including footnote 6) should be shown on the face of the income statement for income before extraordinary items and net income. The earnings per share amounts (primary and fully diluted, as appropriate under APB Opinion No. 15, Earnings per Share) for income before extraordinary items and net income computed on a pro forma
7
See footnote 6.
APB Opinion No. 20
387
basis should be shown on the face of the income statement. If space does not permit, such per share amounts may be disclosed prominently in a separate schedule or in tabular form in the notes to the financial statements with appropriate cross reference; when this is done, the actual per share amounts should be repeated for comparative purposes. Pro forma amounts should be shown in both current and future reports for all periods presented which are prior to the change and which would have been affected. Appendix A illustrates the manner of reporting a change in accounting principle. If an income statement is presented for the current period only, the actual and the pro forma amounts (and related per share data) for the immediately preceding period should be disclosed. 22.
The principal steps in computing and reporting the cumulative effect
and the pro forma amounts of a change in accounting principle may be illustrated by a change in depreciation method for previously recorded assets as follows: a.
The class or classes of depreciable assets to which the change applies should be identified. (A "class of assets" relates to general physical characteristics).
b.
The amount of accumulated depreciation on recorded asets at the beginning of the period of the change should be recomputed on the basis of applying retroactively the new deprecciation method. Accumulated depreciation should be adjusted for the difference between the recomputed amount and the recorded amount. Deferred taxes should be adjusted for the related income tax effects.
c.
The cumulative effect on the amount of retained earnings at the beginning of the period of the change resulting from the adjustments referred to in (b) above should be shown in the income statement of the period of the change.
388 d.
Anhang I
The pro forma amounts should give effect to the pro forma provisions for depreciation of each prior period presented and to the pro forma adjustments of nondiscretionary items,8 computed on the assumption of retroactive application of the newly adopted method to all prior periods and adjusted for the related income tax effects.
23.
Change in method of amortization and related disclosure. Accounting
for the costs of long-lived assets requires adopting a systematic pattern of charging those costs to expense. These patterns are referred to as depreciation, depletion, amortization methods (all of which are referred to in this Opinion as methods of amortization). Various patterns of charging costs to expenses are acceptable for depreciable assets; fewer patterns are acceptable for other long-lived assets. 24.
Various factors are considered in selecting an amorization method for
identifiable assets, and those factors may change, even for similar assets. For example, a company may adopt a new method of amortization for newly acquired, identifiable, long-lived assets and use that method for all additional new assets of the same class but continue to use the previous method for existing balances of previously recorded assets of that class. For that type of change in accounting principle, there is no adjustment of the type outlined in paragraphs 19-22, but a description of the nature of the change in method and its effect on income before extraordinary items and net income of the period of the change, together with the related per share amounts, should be disclosed. If the new method of amortization is however, applied to previously recorded assets of that class, the change in accounting principle requires an adjustment for the cumulative effect of the change and the provisions of paragraphs 15 to 22 should be applied.
8
See footnote 6.
APB Opinion No. 20
25.
389
Pro forma amounts not determinable. In rare situations the pro forma
amounts described in paragraph 21 cannot be computed or reasonably estimated for individual prior periods, although the cumulative effect on retained earnings at the beginning of the period of change can be determined. The cumulative effect should then be reported in the income statement of the period of change in the manner described in paragraph 20. The reason for not showing the pro forma amounts by periods should be explained because disclosing those amounts is otherwise required and is expected by users of financial statements. 26.
Cumulative effect not determinable. Computing the effect on retained
earnings at the beginning of the period in which a change in accounting princiole is made may sometimes be possible. In those rare situations, disclosure will be limited to showing the effect of the change on the results of operations of the period of change (including per share data) and to explaining the reason for omitting accounting for the cumulative effect and disclosure of pro forma amounts for prior years. The principal example of this type of accounting change is a change in inventory pricing method from FIFO to LIFO for which the difficulties in computing the effects of that change are described in paragraph 14-d. 27.
Special changes in accounting principle reported by applying retroac-
tively the new method in restatements of prior periods. Certain changes in accounting principle are such that the advantages of retroactive treatment in prior period reports outweigh the disadvantages. Accordingly, for those few changes, the Board concludes that the financial statements of all prior periods presented should be restated. The changes that should be accorded this treatment are: (a) a change from the LIFO method of inventory pricing to another method, (b) a change in the method of accounting for long-term constructiontype contracts, and (c) a change to or from the "full cost" method of accounting which is used in the extractive industries.
390
Anhang I
28.
The nature of and justification for a change in accounting principle
described in paragraph 27 should be disclosed in the financial statements for the period the change on income before extraordinary items, net income, and the related per share amounts should be disclosed for all periods presented. This disclosure may be on the face of the income statement or in the notes. Appendix Β illustrates the manner of reporting a change in accounting principle retroactively by restating the statements of those prior periods affected. Financial statements of subsequent periods need not repeat the disclosures. 29.
Special exemption for an initial public distribution. The Board conclu-
des that in one specific situation the appliction of the foregoing provisions of this Opinion may result in financial statement presentations of results of operations that are not of maximum usefulness to intended users. For example, a company owned by a few individuals may decide to change from one acceptable accounting principle to another acceptable principle in connection with a forthcoming public offering of shares of its equity securities. The potential investors may be better served by statements of income for a period of years reflecting the use of the newly adopted accounting principles because they will be the same as those expected to be used in future periods. In recognition of this situation, the Board concludes that financial statements for all prior periods presented may be restated retroactively when a company first issues its financial statements for any one of the following purposes: (a) obtaining additional equity capital from investors, (b) effecting a business combination, or (c ) registering securities. This exemption is available only once for changes made at the time a company's financial statements are first used for any of those purposes and is not available to companies whose securities currently are widely held. 30.
The company should disclose in financial statements issued under the
circumstances described in paragraph 29 the nature of the change in accounting principle and the justification for it (paragraph 17).
391
APB Opinion No. 20
Reporting a Change in Accounting Estimate 31.
The Board concludes that the effect of a change in accounting estimate
should be accounted for in (a) the period of change if the change affects that period only or (b) the period of change and future periods if the change affects both. A change in an estimate should not be accounted for by restating amounts reported in financial statements of prior periods or by reporting pro forma amounts for prior periods. 9 32.
A change in accounting estimate that is recognized in whole or in part
by a change in accounting principle should be reported as a change in an estimate because the cumulative effect attributable to the change in accounting principle cannot be separated from the current or future effects of the change in estimate (paragraph 11). Although that type of accounting change is somewhat similar to a change in method of amortization can be separated from the effect of a change in the estimate of periods of benefit or service and residual values of assets. A change in method of amortization for previously recorded assets therefore should be treated as a change in accounting principle, whereas a change in the estimated period of benefit or residual value should be treated as a change in accounting estimate. 33.
Disclosure.
The effect on income before extraordinary items, net
income and related per share amounts of the current period should be disclosed for a change in estimate that affects several future periods, such as a change in service lives of depreciable assets or actuarial assumptions affecting pension costs. Disclosure of the effect on those income statements amounts is not necessary for estimates made each period in the ordinary course of accounting for items such as uncollectible accounts or inventory
9
Financial statements of a prior period should not be restated for a change in estimate resulting from later resolution of an uncertainty which may have caused the auditor to qualify his opinion on previous financial statements unless the change meets all the conditions for a prior period adjustment (paragraph 23 of APB Opinion No. 9).
392
Anhang I
obsolescence; however, disclosure is recommended if the effect of a change in the estimate is material.
Reporting a Change in the Entity 34.
The Board concludes that accounting changes which result in financial
statements that are in effect the statements of a different reporting entity (paragraph 12) should be reported by restating the financial statements of all prior periods presented in order to show financial informtion for the new reporting entity for all periods. 35.
Disclosure. The financial statements of the period of a change in the
reporting entity should describe the nature of the change and the reason for it. In addition, the effect of the change on income before extraordinary items, net income, and related per share amounts should be disclosed for all periods presented. Financial statements of subsequent periods need not repeat the disclosures. (Paragraphs 56 to 65 and 93 to 96 of APB Opinion No. 16, Business Combinations,
describe the manner of reporting and the disclosures
required for a change in reporting entity that occurs because of a business combination).
Reporting a Correction of an Error in Previously Issued Financial Statements 36.
The Board concludes that correction of an error in the financial state-
ments of a prior period discovered subsequent to their issuance (paragraph 13) should be reported as a prior period adjustment. (Paragraph 18 of APB Opinion No. 9 covers the manner of reporting prior period adjustments). 37.
Disclosure. The nature of an error in previously issued financial state-
ments and the effect of its correction on income before extraordinary items,
APB Opinion No. 20
393
net income, and the related per share amounts should be disclosed in the period in which the error was discovered and corrected. Financial statements of subsequent periods need not repeat the disclosures.
Materiality 38.
The Board concludes that a number of factors are relevant to the mate-
riality of (a) accounting changes contemplated in this Opinion and (b) corrections of errors, in determining both the accounting treatment of these items and the necessity for disclosure. Materiality should be considered in relation to both the effects of each change separately and the combined effect of all changes. If a change or correction has a material effect on income before extraordinary items or on net income of the current period before the effect of the change, the treatments and disclosures described in this Opinion should be followed. Furthermore, if a change or correction has a material effect on the trend of earnings, the same treatments and disclosures are required. A change, which does not have a material effect in later periods should be disclosed whenever the financial statements of the period of change are presented.
Historical Summaries of Financial Information 39.
Summaries of financial information for a number of periods are
commonly included in financial reports. The summaries often show condensed income statements, including related ernings per share amounts, for five years or more. In many annual reports to stockholders, the financial highlights present similar information in capsule form. The Board concludes that all such information should be prepared in the same manner (including the presentation of pro forma amounts) as that prescribed in this Opinion for primary financial statements (paragraphs 15 to 38) because the summaries
394
Anhang I
include financial data based on the primary financial statements. In a summary of financial information that includes an accounting period in which a change in accounting principle was made, the amount of the cumulative effect of the change that was included in net income of the period of the change should be shown separately along with the net income and related per share amounts of that period and should not be disclosed only by a note or parenthetical notation.
EFFECTIVE DATE 40.
The provisions of this Opinion are effective for fiscal years beginning
after July 31, 1971. However, the Board encourages application of the provisions of this Opinion in reporting any accounting changes included in fiscal years beginning before August 1, 1971 but not yet reported in financial statements issued for the year of the change.
Anhang II International Accounting Standard IAS 8 (revised 1993)
Net Profit or Loss for the Period, Fundamental Errors and Changes in Accounting Policies
Objective The objective of this Standard is to prescribe the classification, disclosure and accounting treatment of certain items in the income statement so that all enterprises prepare and present an income statement on a consistent basis. This enhances comparibility both with the enterprise's financial statements of previous periods and with the financial statements of other enterprises. Accordingly, this Standard requires the classification and disclosure of extraordinaiy items and the disclosure of certain items within profit or loss from ordinary activities. It also specifies the accounting treatment for changes in accounting estimates, changes in accounting policies and the correction of fundamental errors.
Scope 1.
This Standard should be applied in presenting profit or loss from ordi-
nary activities and extraordinary items in the income statement and in accounting for changes in accounting estimates, fundamental errors and changes in accounting policies. 2.
This Standard supersedes International Accounting Standard IAS 8,
Unusual and Prior Items and Changes in Accounting Policies, approved in 1977.
396 3.
Anhang II
This Standard deals with, among other things, the disclosure of certain
items of net profit or loss of the period. These disclosures are made in addition to any other disclosures required by other International Accounting Standards, including International Accounting Standard IAS 5, Information to be Disclosed in Financial Statements. 4.
This Standard also deals with certain disclosures relating to disconti-
nued operations. It does not deal with the recognition and measurement issues related to discontinued operations. 5.
The tax effects of extraordinary items, fundamental errors and changes
in accounting policies are accounted for and disclosed in accordance with International Accounting Standard IAS 12.
Accounting
for
Taxes
on
Income. Where IAS 12 refers to unusual items, this should be read as extraordinary items as defined in this Standard.
Definitions 6.
The following terms are used in this Standard with the meanings speci-
fied: Extraordinary items are income or expenses that arise events or transactions that are clearly distinct from the ordinary activities of the enterprise and therefore are not expected to recur frequently or regularly. Ordinary activities are any activities which are undertaken by an enterprise as part of its business and such related activities in which the enterprise engages in furtherance of, incidental to, or arising from these activities. A discontinued operation results from the sale or abandonment of an operation that represents a separate, major line of business of an enterprise and of
IAS No. 8
397
which the assets, net profit or loss and activities can be distinguished physically, operationally and for financial reporting purposes. Fundamental errors are errors discovered in the current period that are of such significance that the financial statements of one or more prior periods can no longer be considered to have been reliable at the date of their issue. Accounting policies are the specific principles, bases, conventions, rules and practices adopted by an enterprise in preparing and presenting financial statements.
net Profit or Loss for the period 7.
All items of income and expense recognized in a period should be
included in the determination of the net profit or loss for the period unless an International Accounting Standard requires or permits otherwise. 8.
Normally, all items of income and expense recognized in a period are
included in the determination of the net profit or loss for the period. This includes extraordinary items and the effects of changes in accounting estimates. However, circumstances may exist when certain items may be excluded from net profit or loss for the current period. This Standard deals with two such circumstances: the correction of fundamental errors and the effect of changes in accounting policies. 9.
Other International Accounting Standards deal with items which may
meet the Framework definitions of income or expense but which are usually excluded from the determination of the net profit or loss. Examples include revaluation surpluses (see International Accounting Standard IAS
16,
Property, Plant and Equipment) and gains and losses arising on the translation of the financial statements of a foreign entity (see International Accounting Standard IAS 21, The Effects of Changes in Foreign Exchange Rates).
398
Anhang II
10.
The net profit or loss for the period comprises the following compo-
nents, each of which should be disclosed on the face of the income statement: (a) profit or loss from ordinary activities; and (b) extraordinary items.
Extraordinary Items 11.
The nature and the amount of each extraordinary item should be sepa-
rately disclosed. 12.
Virtually all items of income and expenses included in the determina-
tion of net profit or loss for the period arise in the course of the ordinary activities of the enterprise. Therefore, only on rare occasions does an event or transaction give rise to an extraordinary item. 13.
Whether an event or transaction is clearly distinct from the ordinary
activities of the enterprise is determined by the nature of the event or transaction in relation to the business ordinarily carried on by the enterprise rather than by the frequency with which such events are expected to occur. Therefore, an event or transaction may be extraordinary for one enterprise but nor extraordinary for another enterprise because of the differences between their respective ordinary activities. For example, losses sustained as a result of an earthquake may qualify as an extraordinary item for many enterprises. However, claims from policyholders arising from an earthquake do not qualify as an extraordinary item for an insurance enterprise that insures against such risks. 14.
Examples of events or transactions that generally give rise to extraordi-
nary items for most enterprises are: (a) the expropriation of assets ; or (b) an earthquake or other natural disaster.
IAS No. 8
399
Profit or Loss from Ordinary Activities 16.
When items of income and expense within or loss from ordinary activi-
ties are of such size, nature or incidence that their disclosure is relevant to explain the performance of the enterprise for the period, the nature and amount of such items should be disclosed separately. 17.
Although the items of income and expense described in paragraph 16
are not extraordinary items, the nature and amount of such items may be relevant to users of financial statements in understanding the financial position and performance of an enterprise and in making projections about financial positions and performance. Disclosure of such information is usually made in the notes to the financial statements. 18.
Circumstances which may give rise to the separat disclosure of items of
income and expense in accordance with paragraph 16 include: (a)
The write - down of inventories to net realisable value or property, plant and equipment to recoverable amount, as well as the reversal of such write-downs;
(b)
a restructuring of the activities of an enterprise and the reversal of any provisions for the costs of restructuring;
(c)
disposals of items of property, plant and equipment;
(d)
isposals of long - term investments;
(e)
discontinued operations;
(f)
litigation settlements; and
(g)
other reversals of provisions.
400
Anhang II
Discontinued Operations 19.
While the disposal of investments or other major assets may be suffi-
ciently important to warrant disclosure of the related items of or expense, occasionally an enterprise sells or abandons a separate, major line of business which is distinguishable from other business activities, for exmaple, a segment determined in accordance with International Accounting Standard IAS 14, Reporting Financial Information by Segment. When this constitutes a discontinued operation as defined in this Standard, the disclosures contained in paragraph 20 are relevant to users of financial statements.
20.
The following disclosures should be made for each discontinued operations:
(a)
the nature of the discontinued operation;
(b)
the industry and geographical segments in which it is reported in accordance with International Accounting Standard IAS 14, Reporting Financial Information by Segment;
(c)
the effective date of discontinuance for accounting purposes;
(d)
the manner of discontinuance (sale or abandonment);
(e)
the gain or loss on discontinuance and the accounting policy used to measure that gain or loss; and
(f)
the revenue and profit or loss from the ordinary activities of the operation for the period, together with the corresponding amounts for each prior period presented.
21.
The results of a discontinued operation are generally included in profit
or loss from ordinary activities. However , in the rare cicumstances that the discontinuance is the result of events or transactions that are clearly distinct from the ordinary activities of the enterprises and therefore are not expected
IAS No. 8
401
to recur frequently or regularly, the income or expenses that arise from the discontinuance are treated as extraordinary items. For example, if a subsidiary is expropriated by a foreign government, the income or expense that arise from the expropriation may qualify as an extraordinary items. 22.
When it is known at the date on which the financial statements are
authorised for issue that an operation was discontinued after the balance sheet date or that it will be discontinued, the disclosure requirements of paragraph 20 are applied to the extent that the information can be reliably estimated.
Changes in Accounting Estimates 23.
As a result of the uncertainties inherent in business activities, many
financial statement items cannot be measured with precision but can only be estimated. The estimation process involves judgement based on the latest information available. Estimates may be required, for example, of bad debts, inventory obsolescence or the useful lives or expected pattern of consumption of economic benefits of depreciable assets. The use of reasonable estimates is an essential part of the preparation of financial statements and does not undermine their reliability. 24.
An estimate may have to be revised if changes occur regarding the
circumstances on which the estimate was based or as a result of new information, more experience or subsequent developments. By its nature, the revision of the estimate does not bring the adjustment within the definitions of an extraordinary item or a fundamental error. 25.
Sometimes it is difficult to distinguish between a change in accounting
policy and a change in an accounting estimate. In such cases, the change is treated as a change in an accounting estimate , with appropriate disclosure.
402
Anhang II
26.
The effect of a change in an accounting estimate should be included in
the determination of net profit or loss in: (a)
the period of the change, if the change affects the period only; or
(b)
the period of the change and future periods, if the change affects both.
27.
A change in an accounting estimate may affect the current period only
or both the current period and future periods. For example, a change in the estimate of the amount of bad debts affects only the current period and therefore is recognised immediately. However, a change in the estimated useful life or the expected pattern of consumption of economic benefits of a depreciable asset affects the depreciation expense in the current period and in each period during the remaining useful life of the asset. In both cases, the effect of the change relating to the current period. The effect, if any, on future periods is recognised in future periods. 26.
The effect of a change in an accounting estimate should be included in
the same income statement classification as was used previously for the estimate. 29.
To effect the comparability of financial statements of different periods,
the effect of a change in an accounting estimate which were previously included in the profit or loss from ordinary activities is included in that component of net profit or loss. The effect of a change in an accounting estimate for an estimate which was previously included as an extraordinary item is reported as an extraordinary item. 30.
The nature and amount of a change in an accounting estimate that has a
material effect in the current period or which is expected to have a material effect in subsequent periods should be disclosed. If it is impracticable to quantify the amount, this fact should be disclosed.
IAS No. 8
403
Fundamental Errors 31.
Errors in the preparation of the financial statements of one or more
prior periods may be discovered in the current period. Errors may occur as a result of mathematical mistakes, mistakes in applying accounting policies, misinterpretation of facts, fraud or oversights. The correction of these errors is normally included in the determination of net profit or loss for the current period. 32.
On rare occasions, an error has such a significant effect on the financial
statements of one or more prior periods that those financial statements can no longer be considered to have been reliable at the date of their issue. These errors are referred to as fundamental errors. An example of a fundamental error is the inclusion in the financial statements of a previous period of material amounts of work in progress and receivables in respect of fraudulent contracts which cannot be enforced. The correction of fundamental errors that relate to prior periods requires the restatement of the comparative information or the presentation of additional pro forma information. 33.
The correction of fundamental errors can be distinguished from changes
in accounting estimates. Accounting estimates by their nature are approximately that may need revision as additional information becomes known. For example, the gain or loss recognised on the outcome of a contingency which previously could not be estimated reliably does not constitute the correction of a fundamental error.
Benchmark Treatement 34.
The amount of the correction of a fundamental error that relates to prior
periods should be reported by adjusting the opening balance of retained earnings. Comparative information should be restated, unless it is impracticable to do so.
404
Anhang II
35.
The financial statements, including the comparative information for
prior periods, are presented as if the fundamental error had been corrected in the period in which it was made. Therefore, the amount of the correction that relates to each period presented is concluded within the net profit or loss for that period. The amount of the correction relating to periods prior to those included in the comparative information in the financial statements is adjusted against the opening balance of retained earnings in the earliest periond presented. Any other information reported with respect to prior periods, such as historical summaries of financial data, is also restated. 36.
The restatement of comparative information does not necessarily give
rise to the amendment of financial statements which have been approved by shareholders or registered or filed with regulatory authorities. However, national laws may require the amendment of such financial statements. 37.
An enterprsie should disclose following:
(a)
the nature of the fundamental error;
(b)
the amount of the correction for the current period and for each prior period presented
(c)
the fact that comparitive information has been restated or that it is impracticable to do so
Allowed Alternative
38.
Treatement
The amount of the correction of a fundamental error should be included
in the determination of met profit or loss for the current period. Comparative information should be presented as reported in the financial statements of the prior period. Additional pro forma information, prepared in accordance with paragraphe 34, should be presented unless it is impracticable to do so.
IAS No. 8
39.
405
The correction of the fundamental error is included in the determination
of the net profit or loss for the current period. However, additonal information is presented, often as separate columns, to how the net profit or loss of the current period and any prior perids presented as if the fundamental error had been corrected in the period when it was made. It may be necessary to apply this accounting treatement in countries where the financial statements are required to include comparative information which agrees with the financial statements presented in prior periods. 40.
An enterprise should disclose the following:
a)
nature of the fundamental error;
b)
the amount of the correction recognised in net profit or loss for the current period; and
c)
the amount of the correction included in each period for which pro forma information is presented and the amount of the correction relating to periods prior to those included in the pro forma information. If it is impracticable to present pro forma information, this fact should be disclosed.
Changes in Accounting Policies 41.
Users need to be able to compare the financial statements of an enter-
prise over a period of time to identify trends in ist financial positon, performance and cash flows. Therefore, the same accounting policies are normally adopted in each period. 42.
A change in accounting policy should be made only if required by
statute, or by an accounting standard setting body, or if the change will result in a more appropriate presentation of events or transactions in the financial statements of the enterprise.
406
Anhang II
43.
A more appropriate presentation of events or transactions in the finan-
cial statements occurs when the new acounting policy results in more relevant or reliable information about the financial position, performance or cash flows of the enterprise. 44.
The following are not changes in accounting policies:
a)
the adoption of an accounting policy for events or transactions that differ in substance from previously occuring events or transactions; and
b)
the adoption of a new accounting policy for events or transactions which did not occur previously or that where immaterial. The initial adoption of a policy to carry assets at revalued amounts is a
change in accounting policy but it is dealt with as revaluation in accordance with the International Accounting Standard IAS 16, Property, Plant and Equipement, or International Accounting Standards IAS 25, Accounting for Investements, as appropriate, rather than in accordance with this Standard. Therfore, paragraphs 49 to 57 of this Standards are not applicable so such changes in accounting policy. 45.
A change in accounting policy is applied retrospectively or prospecti-
vely in accordance with the requirements of this Standard. Retrospective application results in the new accounting policy being applied to events and transactions as if the new accounting policy had always been in use. Therefore, the accounting policy is applied to events and transactions from the date of origin of such items. Prospective application means that the new accounting policy is applied to the events and transactions occurring after the date of the change. No adjustments relating to prior periods are made either to the opening balance of retained earnings or in reporting the net profit or loss for the current period because existing balances are not recalculated. However, the new accounting policy is applied to existing balances as from the date of the change. For example, an enterprise may decide to change its accounting policy for borrowing costs and capitalise those costs in conformity with the
IAS No. 8
407
allowed alternative treatment in International Accounting Standard IAS 23, Borrowing Costs. Under prospective application, the new policy only applies to borrowing costs that are incurred after the date of the change in accounting policy.
Adoption of an International Accounting
46.
Standard
A change in accounting policy which is made on the adoption of an
International Accounting Standard should be accounted for in
accordance
with the specific transitional provisions, if any, in that International Accounting Standard. In the absence of any transitional provisions, the change in accounting policy should be applied in accordance with the benchmark treatment in paragraphs 49, 52 and 53 or the allowed alternative treatment in paragraphs 54, 56 and 57. 47.
The transitional provisions in an International Accounting Standard
may require either a retrospective or a prospective application of a change in accounting policy. 48.
When an enterprise has not adopted a new International Accounting
Standard which has been published by the International Accounting Standards Committee but which has not yet come into effect, the enterprise is encouraged to disclose the nature of the future change in accounting policy and an estimate of the effect of the change on its net profit or loss and financial position.
Other Changes in Accounting Policies - Benchmark
49.
Treatment
A change in accounting policy should be applied retrospectively unless
the amount of any resulting adjustment that relates to prior periods is not
408
Anhang II
reasonably determinable. Any resulting adjustment should be reported as an adjustment to the opening balance of retained earnings. Comparative information should be restated unless it is impracticable to do so. 50.
The financial statements, including the comparative information for
prior periods, are presented as if the new accounting policy had always been in use. Therefore, comparative information is restated in order to reflect the new accountig policy. The amount of the adjustment relating to periods prior to those included in the financial statements is adjusted against the opening balance of retained earnings of the earliest period presented. Any other information with respect to prior periods, such as historical summaries of financial data, is also restated. 51.
The restatement of comparative information does not necessarily give
rise to the amendment of financial statements which have been approved by shareholders or registered or filed with regulatory authorities. However, national laws may require the amendment of such financial statements. 52.
The change in accounting policy should be applied prospectively when
the amount of the adjustment to the opening balance of retained earnings required by paragraph 49 cannot be reasonably determined. 53.
When a change in accounting policy has a material effect on the current
period or any prior period presented, or may have a material effect in subsequent periods, an enterprise should disclose the following: a)
the reasons for change;
b)
the amount of the adjustement for the current period and for each period presented;
c)
the amount of the adjustement relating to periods prior to those included in the comparative information; and
d)
the fact that comparative information has been restated or that it is impracticable to do so.
409
IAS No. 8 Other Changes in Accounting Policies- Allowed Alternative
54.
Treatment
A change in accounting oolicy should be applied retrospectively unless
the amount of any resulting adjustement that relates to prior periods is not reasonably determinable. Any resulting adjustment should be included in the determination of the net profit or loss for the current period. Comparative information should be presented as reported in the financial statements of the prior period. Additional pro forma comparative information, prepared in accordance with paragraph 49, should be represented unless it is impracticable to do so. 55.
Adjustements resulting from a change in accounting policy are included
in the determination of the net profit or loss for the period. However, additional comparative information is presented, often as separate columns, in order to show the net profit or loss and the financial position of the current period and any prior periods presented as if the new accounting policy had always been applied. It may be necessary to apply this accounting treatement in countries where the financial statements are required to include comparative information which agrees with the financial statements presented in prior periods. 56.
The change in accounting policy should be applied prospectively when
the amount to be included in net profit or loss for the current period required by paragraph 54 cannot be reasonably determined. 57.
When a change in accounting policy has a material effect on the current
period or any prior period presented, or may have a material effect in subsequent periods, an enterprise should disclose the following: a)
the reasons for the change;
b)
the amount of the adjustment recognised in net profit or loss in the current period; and
410 c)
Anhang II
the amount of the adjustment included in each period for which pro forma information is presented and the amount of the adjustment relating to periods prior to those included in the financial statements. If it is impracticable to present pro forma information, this fact should be disclosed.
Effective Date 58.
This International Accounting Standard becomes operative for financial
statements covering periods beginning on or after 1 January 1995.
Register
Accounting Principles Board (APB).. 308 actus contrarius 273 Aktienrechtsnovelle 1884 148 Aktienrechtsnovelle 1931 148 Aktienrechtsnovelle 1965 85, 148, 175 Aktivierungsverbot 189 Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch... 17, 76, 84, 105, 147, 174 Analogie zu § 256 AktG GmbH 234 Personenhandelsgesellschaft 261 Änderung Aktiengesellschaften 226 Begriff 9 GAAP (accounting changes) 330 GmbH 243 IAS 361 partiarisches Rechtsverhältnis 299 Personenhandelsgesellschaft.. 260, 273 publizierter Jahresabschlüsse 158 unterzeichneter Jahresabschlüsse 96 Ansprüche Dritter 98 arglistige Täuchung 213 Aufstellung des Jahresabschlusses 44, 172 Aufstellungsfristen 48 Auseinandersetzungsguthaben 249 Ausschüttungsbegrenzung 81, 86, 112, 126, 267, 322, 356
IAS (correction of fundamental errors 364 partiarisches Rechtsverhältnis 292 Personenhandelsgesellschaft 256 publizierter Jahresabschlüsse 156 Steuerrecht(§ 4 Abs. 2 EStG) 7 unterzeichneter Jahresabschlüsse... 124 Bestandskraft 6 Beurteilungsspielraum 10 Bewertungsfehler Aktiengesellschaft 193 GmbH 237 Bewertungsuntergrenzen 85, 148, 175 Bilanzkontinuität 191 Bilanzrichtliniengesetz.. 19, 150, 159, 236 Bilanztheorie 67 Bilanztheorie, betriebswirtschaftliche... 22 Buchwertklausel 249
Bagatellverstöße Berichtigung Aktiengesellschaft Begriff GAAP (corretion of error) GmbH
decision usefulness Dividendenanspruch Dokumentationsfunktion konkursrechtliche prozeßrechtliche doppelte Buchführung
191 215 7 334 240
change in accounting estimate 328, 333, 364 change in accounting principle 327 change in reporting entity 328, 334 changes in accounting policies 360 Code de Commerce 75 Code Savary 16 comparability 353 Conceptual Framework 310, 313 320 231 74, 91, 125 74, 96, 134 75, 97, 134 76
412
dynamische Bilanztheorie
Register
70
Einzelkaufmann 42, 54, 161, 290 Entlastungsbeschluß 217 Entlastungsbeschlüsse 240 Ergebnisverwendungsbeschluß 43 Erklärungsirrtum 209, 252, 271 Ermessensspielraum 10 fair presentation 321 feedback value 321, 354 Fehlerbegriff aktienrechtlicher 197 handelsrechtlicher 128 objektiver 8, 130, 198 steuerrechtlicher 8, 129 subjektiver 8, 129, 197, 255 Fehlerkompensation 199, 201 Feststellung Abgrenzung zur Unterzeichnung 53 Abgrenzung zur Unterzeichung 179 abstraktes Schuldanerkenntnis 246 Funktion 173 GmbH 232 im Handelsbilanzrecht 41 kausales Schuldanerkenntnis 247 Nichtigkeit 215 Notwendigkeit 176 partiarisches Rechtsverhältnis 284 Personenhandelsgesellschaften 244 rechtshistorische Entwicklung 174 Feststellungsbeschluß Aktiengesellschaft 183 Anfechtbarkeit 206 Feststellungskompetenz Aktiengesellschaft 181 Feststellungsvertrag 246 Finanzial Accounting Standars Board (FASB) 309
Fortführungsstatik Funktionen des Jahresabschlusses zivilrechtliche öffentlich-rechtliche
80 29 24
Generally Accepted Accounting Principles Begriff 304 Entwicklung 305 System 312 Genußrecht 281 Genußrechte 285 Gewinnausschüttung 141 Gewinnverwendungsbeschluß 141,215, 230 Gläubigerschutz 65,69, 75,81, 118, 149, 188, 373 Gliederungsfehler 189, 191 going concern 80 Gutglaubensschutz Aktiengesellschaft 240 Aktiengesellschaft 216, 225 GmbH 242 Kommanditgesellschaft 259 paritiarisches Rechtsverhältnis 295 Hafteinlage Haftungsbestimmung Heilung von Fehlern Imparitätsprinzip Individualschutz Informationsbedürfnisse des Kapitalmarktteilnehmer Inhaltsfehler Aktiengesellschaft GmbH Inhaltsirrtum Aktiengesellschaft
89, 265, 266 112, 126 205, 219 72 65 152 187 235 209
Register
413
Personenhandelsgesellschaft.. 252, 271 International Accounting Standards Committee (IASC) 345 Inventar 77 Kapitalerhaltung 126, 230, 356 GAAP 322 Kapitalerhaltungsgrundsatz.. 81, 108, 235 Kapitalmarkt... 16, 21, 146, 317, 351, 373 Kapitalmarktrecht 71 Klarheitsgebot 102 Konkursantragspflicht 104, 107 Kreditwesengesetz (§ 18) 163 Leistungsbestimmungsrecht, einseitiges (§ 315 BGB) Maßgeblichkeitsprinzip materiality Minderheitsgesellschafter Motivirrtum
286 18, 93, 212 321, 354 149 210
neutrality Niederstwertprinzip Ordonnance pour le Commerce
321 84 16, 75
partiarischer Darlehensvertrag
281
partiarisches Rechtsverhältnis Passivierungsgebot Pflichteinlage predictive value Prüfungsfehler Aktiengesellschaft GmbH Prüfungspflicht Publizität
281 189 265 320, 354
Realisationsprinzip
203 238 143 90, 145 72
Rechenschaftspflichte Regulation S-X relevance reliability representational faithfulness Richtigkeitsgebot
171 307 320, 353 320, 353 321 100
RückZahlungsanspruch
216
Saldierungsverbot Schuldanerkenntis
200
abstraktes
246
kausales 247, 251 Schuldendeckungskontrolle 79 Schutzgesetz (§ 823 Abs. 2 BGB) 66 Securities Act 306 Securities and Exchange Commission (SEC) 306 Securities Exchange Act 306 Selbstinformation 104, 126, 135 Selbstinformationsfunktion 78 shareholder value concept 318, 372 Sittenwidrigkeit 268 Sozialaktstheorie 182 Statements of Financial Accounting Concepts (SFAC) 310,313 statische Bilanztheorie 69 Stetigkeitsgebot 11, 113, 328 stille Reserven .88, 117, 148, 225, 249, 269, 339, 355 Strafbewehrung § 401 AktG, § 84 GmbHG 110 §§ 283 ff. StGB 59, 64, 78 summarischer Ausweis 97, 190 Tantieme timeliness Überbewertung Überschuldung
281, 285 321 194 105
Register
414
understandability 353 Unterbewertung 200 Unternehmen an sich 153, 220 Unterzeichnung Datierung 61 Datierungspflicht 60 Dokumentationsfunktion 48, 58, 63 historische Entwicklung 47 öffentlich-rechtliche Pflicht 57 Verantwortungsübernahme.. 49, 58, 63 Willenserklärung 52 Zeitpunkt 56 Unterzeichnungspflicht 46 Verfahrensfehler Aktiengesellschaft GmbH Verhältnismäßigkeitsgebot
203 239 116, 134
verifiability Verwendungsfehler Vorlagepflicht Vorsichtsprinzip
321 201 76 72
Wahlrecht, Begriff 9 Wertaufhellung 48, 60, 129, 139, 199,211,222 Wertaufholungsgebot 85 Wesentlichkeitsgebot 132, 157, 191, 195,201,364 Willkürabscheibungen (§ 253 Abs. 4 HGB) 292 Willkürverbot 33, 99, 133 Wissenserklärung 52
Zerschlagungsstatik
79