Die Befolgung von Umweltschutzauflagen als betriebswirtschaftliches Entscheidungsproblem [1 ed.] 9783428459711, 9783428059713


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German Pages 280 [281] Year 1986

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Die Befolgung von Umweltschutzauflagen als betriebswirtschaftliches Entscheidungsproblem [1 ed.]
 9783428459711, 9783428059713

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Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts Band 1

Die Befolgung von Umweltschutzauflagen als betriebswirtschaftliches Entscheidungsproblem Von

Klaus Terhart

Duncker & Humblot · Berlin

KLAUSTERHART Die Befolgung von Umweltschutzauflagen als betriebswirtschaftliches Entscheidungsproblem

Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts herausgegeben von

Heinz Grossekettler, Münster · Bernhard Großfeld, Münster Klaus J. Hopt, Bern · Christian Kirchner, Hannover Dieter Rüdde, Wien · Reinhard H. Schmidt, Trier

Bandl

Die Befolgung von Umweltschutz­ auflagen als hetriehswirtschaf tliches Entscheidungsproblem

Von

Dr. Klaus Terhart

DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Terhart, Klaus: Die Befolgung von Umweltschutzauflagen als betriebswirtschaftliches Entscheidungsproblem / von Klaus Terhart. - Berlin: Duncker und Humblot, 1986. (Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts; Bd. l) ISBN 3-428-05971-9 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1988 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Werksatz Marschall, Berlin 45; Druck: w. Hildebrand, Berlin 65 Prlnted In Germany ISBN 3-428-05971-9

Geleitwort Die alten Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultäten pflegten lange die Tradition, wirtschaftliche, gesellschaftliche und rechtliche Fragen im Gesamtzusammenhang zu betrachten. Die Emanzipation der wirtschaftswis­ senschaftlichen Fächer führte dazu, daß diese jüngeren Fächer, hier nament­ lich die Betriebswirtschaftslehre, eine Zeitlang geradezu darauf bedacht waren, sich von einer zu intensiven Beschäftigung mit rechtlichen Regelun­ gen frei zu machen. Von vielen Volks- und Betriebswirten wurde andererseits bedauert, wie „wirtschaftsfern" manche Regelungen seien. Trotz Disziplinentrennung kommt aber auch der Jurist nicht ohne wirt­ schaftswissenschaftliche Denkweise aus. Beachtet er bei der Auslegung die Auswirkungen der gefundenen Auslegung auf die wirtschaftlichen Handlun­ gen und vergleicht diese Auswirkungen mit der Regelungsabsicht des Gesetz­ gebers, so folgt er sicher bewährter juristischer Methodik und arbeitet zugleich mit wirtschaftswissenschaftlichen Methoden. Erst recht gilt dies, wenn „de lege ferenda" die Auswirkungen unterschiedlicher rechtlicher Rege­ lungen auf das Verhalten der Wirtschaftssubjekte abgeschätzt werden sollen. Wir sind zur Ansicht gekommen, daß in letzter Zeit unsere Disziplinen das sind die Rechtswissenschaft sowie die Volks- und Betriebswirtschaftslehre - sich wieder stärker aufeinander zubewegen. Obwohl an den meisten Universitäten sogar die seinerzeitigen gemeinsamen Fakuläten geteilt wur­ den, meinen wir Herausgeber, daß viele Fragen der Auslegung bestehender Gesetze, der Beurteilung der tatsächlichen Wirkung von Gesetzen und der Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen bis hin zur Konzipierung neuer materiell- und verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Zusammenarbeit unserer Disziplinen, am besten ein interdisziplinäres Vorgehen erfordern. Unsere Vorgespräche, die wir seit gut einem Jahr im Interesse der Grün­ dung einer interdisziplinären Schriftenreihe führten, waren zu einem beträchtlichen Teil der Frage gewidmet, wie wir einen Titel finden können, der diesem Anliegen gerecht wird. ,,ökonomische Analyse des Rechts" erschien uns trotz der Bedeutung dieser Forschungsrichtung zu eng, weil dieser gut eingeführte Begriff, zumal in der speziellen Ausrichtung der Chi­ cago school, einem ganz speziellen methodischen Konzept verpflichtet ist. Wir sahen auch bewußt davon ab, den Ausdruck „Wirtschaftsrecht" in den Titel der Schriftenreihe aufzunehmen, weil dieser Begriff teilweise (zu

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Geleitwort

Unrecht) einfach dahin verstanden wird, daß damit alles irgendwie mit Wirt­ schaft in Zusammenhang stehendes Recht gemeint ist. In der neuen Schriftenreihe sollen primär Monographien mit interdiszipli­ närem Inhalt erscheinen. Beim heutigen Grad der Spezialisierung unserer Fächer wird aber fast jede Arbeit von einem Autor stammen, der seine hauptsächliche Ausbildung nur in einer der Disziplinen Rechtswissenschaft, Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre erfahren hat. Diese Arbeiten sollen daher von einem der Herausgeber vorgestellt und eingeleitet werden, damit Herkunft und Hauptverantwortung für den präsentierten Band dokumentiert werden. Die Spezialisierung unserer Fächer bringt trotz interdisziplinären Wollens mindestens die Schwierigkeit mit sich, daß die Sprac;he der einen Disziplin von den Vertretern der anderen nicht voll ver­ standen wird. Es besteht auch die Gefahr, Wichtiges aus dem anderen Fachgebiet zu übersehen. Daher haben wir unsere „Herausgeberbank" pari­ tätisch mit drei Juristen und drei Wirtschaftswissenschaftlern besetzt und wollen jede vorgelegte wirtschaftswissenschaftliche Arbeit von einem Juri­ sten gegenlesen lassen und umgekehrt. Wir beabsichtigen ferner die Veröffentlichung von Sammelbänden, in denen Beiträge von Juristen und Wirtschaftswissenschaftlern zu speziellen Regelungsbereichen vereinigt werden sollen. Heinz Grossekettler Christian Kirchner

Bernhard Großfeld Dieter Rückle

Klaus J. Hopt Reinhard H. Schmidt

Vorwort des Herausgebers Die Umweltverschmutzung als Gefährdung der Lebensgrundlagen des Menschen wird einer breiten Öffentlichkeit immer mehr bewußt. Es gehört daher zu den wesentlichen Aufgaben der Wissenschaft, diese Probleme zu analysieren und Möglichkeiten zu ihrer Bewältigung aufzuzeigen. Die Betriebswirtschaftslehre hat sich dem Gebiet des Umweltschutzes bisher eher zögernd zugewandt. Vermehrte Forschung auf diesem Gebiete ist aber schon deshalb vonnöten, weil sich das unternehmerische Umfeld, nicht zuletzt durch rege staatliche Umweltschutzgesetzgebung, erheblich gewan­ delt hat. Ein anderer Grund für betriebswirtschaftliche Analysen liegt darin, daß der Gesetzgeber zu� Erreichung seiner (Umweltschutz-)Ziele häufig auf einzelwirtschaftliche Entscheidungen und Entscheidungsgrundlagen zurück­ greifen muß. Sind Unternehmungen Adressaten der Gesetzgebung, so kann eine genaue betriebswirtschaftliche Analyse ergeben, daß die Unternehmun­ gen ganz anders auf die Vorschriften reagieren, als es der Staat erwartet hat, so daß die angestrebten Ziele verfehlt werden. Seit 1971 ist im Umweltbereich eine rasch gewachsene Fülle von Gesetzen, Verordnungen und Vorschriften zu verzeichnen. Ge-und Verbote treffen die Unternehmung in Gestalt von Auflagen, die Restriktionen ihres Tätigwer­ dens darstellen. ,,Umweltschutzauflagen" als direkte umweltbezogene Ver­ haltensvorschriften für die jeweiligen Adressaten wurden in der vorliegenden Arbeit daraufhin untersucht, welchen Stellenwert sie im (rationalen) Ent­ scheidungsverhalten tatsächlich besitzen. Dabei wurden derzeit gültige empi­ rische Daten zugrunde gelegt. Erteilt eine Behörde einer Unternehmung eine Umweltschutzauflage, so besitzt die Unternehmung nämlich zwei grundsätzliche Reaktionsmöglich­ keiten: Sie kann sich absolut normentreu verhalten und die Auflage durch Investitionen und Umstrukturierungsmaßnahmen erfüllen; hierbei wird sie bei entsprechender Zielsetzung die kostengünstigste Maßnahme wählen. Sie kann aber auch die Alternative Auflagenverstoß erwägen: Investitionen oder Umstrukturierungsmaßnahmen unterbleiben, gegen die Auflage wird also verstoßen; das Risiko der Aufdeckung und Ahndung der Untätigkeit nimmt die Unternehmung in Kauf. Diese Entscheidungsmöglichkeiten stellen den Ausgangspunkt der folgen­ den Analyse dar.

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Vorwort des Herausgebers

Im einzelnen wurde untersucht, von welchen Determinanten die Entscheidung zwischen den Alternativen abhängt, welche Ausprägungen diese Determinanten im gegenwärtigen Vollzugs­ system des Umweltschutzes besitzen, - welche Entscheidungen mit Auflagen konfrontierte Unternehmungen angesichts der konkretisierten Einflußfaktoren treffen und welche Schlußfolgerungen der Gesetzgeber aus diesen Überlegungen ziehen kann. Im ersten Schritt wurden die zu beachtenden Einflußfaktoren wie Ziel­ system der Unternehmung und relevante Merkmale der Handlungsalternati­ ven herausgearbeitet. Diese Einflußfaktoren wurden anschließend in ein für diese Entscheidungssituation konzipiertes Entscheidungsmodell unter Unsi­ cherheit eingebracht. Mittels empirischer Materialien wurde alsdann versucht, die relevanten Entscheidungsdeterminanten (wie z. B. Sanktionswahrscheinlichkeiten, Sanktionshöhen und Kosten der Auflagenbefolgung) zu quantifizieren und konkrete Entscheidungen abzuleiten. Die zur Verfügung stehenden Daten sind allerdings für den hier benötigten Zweck recht ungenau. Deshalb wur­ de den einzelnen Einflußfaktoren nicht nur jeweils ein Wert zugewiesen, vielmehr wurden Bandbreiten z. B. für Sanktionswahrscheinlichkeiten und -höhen ermittelt und durch geeignete Kombinationen zu einer Reihe von Datenkonstellationen zusammengestellt. Auf der Grundlage des allgemein formulierten Entscheidungsmodells wurde die unternehmerische Entschei­ dung dann für die verschiedenen Datenkonstellationen unter Berücksichti­ gung unterschiedlicher Risikoeinstellungen abgeleitet. Als Ergebnis zeigte sich, daß in den meisten Fällen die Entscheidung zugunsten des Auflagenverstoßes ausfällt, das heißt eine Auflagenbefolgung durch Unternehmungen gegenwärtig nicht zu erwarten ist. Soll dieser Zustand geändert werden, müssen staatlicherseits Maßnahmen ergriffen wer­ den. Für diese Maßnahmen wird insbesondere ein Anknüpfen an den heraus­ gearbeiteten Entscheidungsdeterminanten empfohlen. In welchem Umfang die Determinanten der unternehmerischen Entscheidung zu verändern sind, um eine Auflagenbefolgung zu gewährleisten, wird anhand des Entschei­ dungsmodells durch die Ermittlung kritischer Werte für diejenigen Parame­ ter gezeigt, die der Staat beeinflussen kann. Nimmt eine Einflußgröße den für sie gültigen kritischen Wert an, besteht Indifferenz zwischen den Handlungs­ möglichkeiten, überschreitet sie den kritischen Wert, wird zugunsten der Auflagenbefolgung entschieden. Die Ergebnisse der Analyse zeigen aller­ dings, daß das Sanktionssystem grundlegend geändert werden muß, sollen

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Vorwort des Herausgebers

Umweltschutzauflagen Aussicht auf Befolgung erlangen. Ergänzend werden langfristige Maßnahmen zur Veränderung des Rechts- und Umweltbewußt­ seins diskutiert. Grundlage der vorliegenden Arbeit ist ein Projekt der Deutschen For­ schungsgemeinschaft; der DFG sei für die großzügige Förderung herzlich gedankt. Da die Arbeit Dr. Terharts auch den Denkanstoß für unsere neue interdisziplinäre Schriftenreihe gab, hoffe ich besonders auf eine freundliche Aufnahme. Wien, im August 1986

Dieter Rückle

Vorwort des Verfassers Das Thema Umweltschutz erfreut sich in den letzten Jahren zunehmender wissenschaftlicher Beachtung. Auch die Betriebswirtschaftslehre widmet sich vermehrt Fragen des Umweltschutzes. Die vorliegende Arbeit analysiert die rationale einzelwirtschaftliche Entscheidung über die Befolgung von Umweltschutzvorschriften, exemplarisch dargestellt anhand von Umwelt­ schutzauflagen. Es geht nicht um die Frage des „Wie" der Befolgung von Auflagen, vielmehr um die, ob die Auflagen überhaupt befolgt werden sollen. Ziel der Arbeit ist es keineswegs, eine Anleitung zum Verstoß gegen Umweltvorschriften zu liefern. Ganz im Gegenteil: Die Analyse dient primär der Beratung des Gesetzgebers bei dem Versuch, das unternehmerische Verhalten so zu beeinflussen, daß Umweltschutznormen vermehrt befolgt und staatliche Umweltschutzziele erreicht werden. Hierzu muß der Gesetzge­ ber von den Determinanten unternehmerischen Verhaltens ausgehen, um abschätzen zu können, welche Rahmenbedingungen des individuellen Han­ delns in welcher Weise zu ändern sind. Die vorliegende Arbeit versteht sich als Beitrag in diesem Prozeß. Bei der Anfertigung der Untersuchung erfuhr ich Unterstützung und Rat von einer ganzen Reihe von Personen, denen ich zu Dank verpflichtet bin. Hervorheben möchte ich meinen verehrten Doktorvater, Herrn Professor Dr. D. Rückle, der die Arbeit vom Beginn an mit Engagement und Kompe­ tenz unterstützt hat. Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. H. Koch, dem ich bereits seit meiner Tätigkeit an seinem Institut besonders verbunden bin, danke ich für die Übernahme des Zweitreferats. Meinen Kollegen am Lehrstuhl für Finan­ zierung der Universität Münster bin ich für kritische Hinweise und ihre Diskussionsbereitschaft dankbar. Allen anderen möchte ich an dieser Stelle lediglich in dieser allgemeinen Form danken, was ihre Leistung aber in keiner Weise schmälern soll. Rhede, im August 1986

Klaus Terhart

Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel: Einführung und Grundlagen A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangssituation: Bisherige Behandlung des Umweltschutzes in den Wirtschaftswissenschaften.................................... II. Problemstellung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Begründung für das methodische Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Auflagen im System der umweltpolitischen Instrumente des Staates . . . . . 1. Gesellschaftliche Umweltschutzziele und Prinzipien der Umweltpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Umweltpolitische Instrumente im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vergleichende Würdigung der staatlichen Eingriffsinstrumente . . . C. Determinanten der einzelwirtschaftlichen Entscheidung über eine Auflagenbefolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zielsystem der Unternehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundeinstellung zu Rechtsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Individuelle Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Berücksichtigung der Unsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Relevante Merkmale der Handlungsalternativen im Überblick . . . . 1. Grundlegende Kennzeichnung der Handlungsmöglichkeit Auflagenverstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zahlungsströme als Charakterisierung der Auflagenbefolgung Zweites Kapitel: Detailanalyse der Handlungsalternativen und Ableitung der Entscheidung A. Konsequenzen der Nichtbefolgung von Auflagen auf der Grundlage des geltenden Vollzugssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzesvollzug im Umweltbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff, Stellung und Bedeutung des Vollzugs bei der Gesetzesanwerdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Überblick über Vollzugsaufgaben im Umweltschutz . . . . . . . . . . a) Zuständigkeiten und organisatorische Regelungen im Umweltbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Behördliche Vollzugstätigkeiten im einzelnen . . . . . . . . . . . . . 11. Sanktionssystem und Sanktionierungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sanktionsmöglichkeiten im Umweltbereich - rechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick über Stand und Entwicklung des Umweltrechts . . b) Sanktionsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 15 15 17 20 24 24 27 31 33 33 33 38 41 44 44 46

48 48 48 48 50 50 51 53 53 53 54

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Inhaltsverzeichnis c) Verwaltungsrechtliche Sanktionsmittel ................... aa) Grundlagen des Verwaltungshandelns und Überblick über Sanktionsmöglichkeiten ..... ................. bb) Sanktionsmittel im einzelnen ....................... d) Strafvorschriften ... .............. .................... aa) Regelungen und Sanktionen des Umweltstrafrechts ... bb) Voraussetzungen und Schwierigkeiten strafrechtlicher Sanktionierung ................. . ....... ......... e) Besonderheiten und Lücken der Sanktionierung bei Verstößen im Bereich von Unternehmungen ....................... 2. Sanktionierungspraxis - relevante Sanktionen und Sanktionshöhen .... . ................... ... ................. ..... a) Praktizierte Sanktionen im Verwaltungsbereich ........... b) Praktizierte Sanktionen im Strafbereich .................. aa) Anwendung strafrechtlicher Sanktionsmöglichkeiten .. bb) Höhe von Geldstrafen ............................ 3. Abschätzung der Sanktionswahrscheinlichkeit ............... a) Einzel-und Zwischenschritte bei der Schätzung der Sanktionswahrscheinlichkeit ........... ......................... b) Ableitung der Einzelkomponenten der Sanktionswahrscheinlichkeiten ............................................ c) Höhe deliktspezifischer Sanktionswahrscheinlichkeiten ..... III. Bewertung der Sanktionen - Entscheidungskriterium ........... IV. Folgehandlung nach Sanktionierung ..........................

B. Monetäre Konsequenzen der Auflagenbefolgung ......................

I. Informationsbedarf und verfügbares empirisches Datenmaterial .. II. Qualität des statistischen Materials verschiedener Informationsquellen .................... ............................... III. Investitionen für Umweltschutzmaßnahmen - Anfangsauszahlung 1. Allgemeine Ergebnisse der amtlichen Umweltstatistik ........ 2. Höhe der Umweltschutzinvestitionen nach Branchen und Größenklassen ................ .. ... ... ......................... IV. Betriebskosten für Umweltschutzmaßnahmen - laufende Auszahlungen .................................................... 1. Grundlagen und Vorgehensweise der Ermittlung ............. 2. Abschätzung der Betriebskosten ........................... V. Zusammenfassender Überblick ...............................

C. Ableitung der einzelwirtschaft/ichen Entscheidung zwischen Auflagenbefolgung und -verstoß ...................... ........................ I. Darstellung der Entscheidungssituation in einem Entscheidungsbaum ... ... .. . .. ...... .. . . . . .. ... ... ... .. . .. . .. ... .. . .. ... 1. Entwicklung und Erläuterung des Entscheidungsbaums .. ..... 2. Verfeinerungsmöglichkeiten bei Vorliegen genauerer Daten ... II. Ableitung der möglichen Strategien des Entscheidungsträgers aus dem Entscheidungsbaum und Darstellung der mit ihnen verbundenen Auszahlungen . .. . .............. ........ .. . ................

56 56 57 62 62 65 71 77 77 81 81 84 89 89 92 99 101 104 106 106 107 110 110 112 114 114 117 120 122 122 122 126 126

Inhaltsverzeichnis III. Entwicklung des allgemeinen Optimalitätskriteriums fü r die vorliegende Entscheidungssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 . Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 . Das Problem des intertemporalen Risiko-Nutzenvergleichs . . . . 3. Das Optimalitätskriterium fü r alle Arten von Risikoeinstellung IV. Notwendigkeit von Rechnungen auf unterschiedlicher Datenbasis und Begründung für die Heranziehung bestimmter, typisierter Variablenausprägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 . Gründe für Datenvariationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begründung für die Berücksichtigung bestimmter Datenkonstellationen bei der Ableitung der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konkretisierung der bei den Berechnungen benutzten Datenausprägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Entscheidung in Abhängigkeit von der Risikoeinstellung . . . . . . . . . 1 . Vorauswahl von Handlungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entscheidung bei Risikoneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff Risikoneutralität und Entscheidungsregel bei Risikoneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entscheidung bei Risikoscheu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff Risikoscheu und Spezifizierung von Risiko-Nutzenfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entscheidungsregel bei Risikoscheu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Entscheidung bei Risikofreude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drittes Kapitel: Darstellung und Analyse von Vorschlägen zur verbesserten Zielerreichung im Umweltschutz

A. A usgangspunkt der Erörterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Modellparameter als Ansatzpunkte staatlicher Einflußnahme . . . . . . . . . . .

C. Verbesserungsvorschläge aus implementationstheoretischer Sicht und ihre Beziehung zur einzelwirtschaftlichen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eignung des gesetzlichen Instrumentariums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umweltschutzvorschriften im engeren Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sanktionsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Stellenwert von Sanktionen bei der Normdurchsetzung . . . . b) Einzelvorschläge zur Effektivierung der Sanktionsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Generelle Ausgestaltung und Härte von Sanktionen . . . . . . . 3. Einfluß der Verbesserungsvorschläge auf die Entscheidungsdeterminanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vollzugsdefizit im Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 . Überblick über Vollzugsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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131 131 132 1 34 1 39 1 39 14 1 142 146 146 148 148 150 152 152 155 156 160 16 1

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Inhaltsverzeichnis 2. Ursachenanalyse und Abhilfevorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedeutung des Vollzugsdefizits für einzelwirtschaftliche Entscheidungsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Strafverfolgung und Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Bedeutung des Umweltbewußtseins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einfluß des Umweltbewußtseins auf die Befolgung von Umweltschutznormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Möglichkeiten zur Stärkung des Umweltbewußtseins . . . . . . . . .

D. Konkretisierung ausgewählter Vorschläge und Beurteilung auf der Basis des Entscheidungsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Analyse von Verbesserungsvorschlägen bei gegebenem Zielsystem 1. Einfluß des Sanktionssystems - Verteuerung der Nichtbefolgung von Auflagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Relevanz subjektiver Wahrnehmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Generelle Sensitivität der Ergebnisse bei Ä nderungen der Sanktionswahrscheinlichkeit oder -höhe . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Veränderung von Sanktionswahrscheinlichkeit und/oder -höhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verbesserung der Kontrolleffizienz und andere Maß­ nahmen zur Beeinflussung von Sanktionswahrscheinlichkeit und -höhe . . . . . . . . . . . . . _-. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ermittlung kritischer Werte für Sanktionswahrscheinlichkeit oder -höhe anhand des Entscheidungsmodells cc) Gemeinsame Veränderung von Sanktionswahrscheinlichkeit und -höhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Konsequenzen für die Umweltpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbilligung der Auflagenbefolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Subventionsbegriff und mögliche Ansatzpunkte zur Senkung der Befolgungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . , . . . . . . . . . b) Ableitung der erforderlichen Höhe einer Subventionierung aus dem Entscheidungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Subventionshöhe und Diskussion um Subventionen als umweltpolitisches Instrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ansatzpunkte und Möglichkeiten zur Ä nderung der Zielfunktion Schlußbetrachtung Tabellenverzeichnis

186 192 1 93 194 1 94 200 204 204 204 204 206 21 1 21 1 214 222 227 229 229 232 237 242 245 249

Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . 2 5 1 Symbolverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . • . . . . . . . • • . • . • . • . . . • • . . . . 252 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Gesetze, Gesetzesentwürfe und Verwaltungsanweisungen . • . . . . . . . . . . . . . . ,

255

Urteile und Verfügungen der Staatsanwaltschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . .

256

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . , . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

257

Erstes Kapitel

Einführung und Grundlagen A. Einleitung I. Ausgangssituation: Bisherige Behandlung des Umweltschutzes in den Wirtschaftswissenschaften

Die Umweltverschmutzung und aus ihr resultierende Befürchtungen über mögliche Gesundheits- und Sicherheitsrisiken für den Menschen und seine Lebensgrundlagen werden einer immer breiteren Ö ffentlichkeit bewußt. Es gehört daher zu den wesentlichen Aufgaben der Wissenschaft, diese Pro­ bleme zu analysieren und Möglichkeiten zu ihrer Bewältigung aufzuzeigen. Der Begriff „Umwelt" findet in verschiedenen Inhalten Verwendung 1 • Im Bereich der Ö konomie wird er häufig aus der Sicht einer einzelnen Unterneh­ mung definiert und bezeichnet dann die Summe aller nicht zur Unterneh­ mung gehörenden Elemente des Umsystems2 . Die vorliegende Arbeit greift aus dem gesamten Umsystem der Unternehmung die „ökologische Umwelt" heraus und versteht unter „Umwelt" die Gesamtheit der natürlichen Lebens­ grundlagen des Menschen3 • Die Volkswirtschaftslehre als Teilbereich der Wirtschaftswissenschaften beschäftigt sich vornehmlich mit Ursachen für Umweltprobleme, Fragen der gesellschaftlichen Wohlfahrtsmaximierung unter Einbeziehung des Umwelt­ schutzes sowie dem Problem der Entwicklung aussagefähiger Wohlfahrts­ maßstäbe, die auch die Umweltqualität miterfassen können. Ein wichtiges Thema stellt auch die Beurteilung und Auswahl umweltpolitischer Instru­ mente einschließlich der Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf andere gesellschaftliche Ziele dar4. 1 Vgl. K.-H. Hansmeyer, B. Rürup, Umweltgefährdung, S. 7. Vgl. H. Kubicek, N. Thom, Betriebliches Umsystem, Sp. 3977 ff. , hier Sp. 3987, auch E. Reinen, Einführung, S. 72 f. 3 Ähnlich H. Sieber/, Ökonomische Theorie der Umwelt, S. III, 0. Triffterer, Umwelt­ strafrecht, S. 25. 4 Vgl. etwa die bei L. Wicke, Umweltökonomie, behandelten Themen. 2

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1. Kap.: Einführung und Grundlagen

Obwohl Umweltbewußtsein und zahlreiche neuere Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Umweltschutzes zumindest die Rahmenbedingungen unter­ nehmerischen Handelns verändern, hat sich die Betriebswirtschaftslehre den Umweltschutzproblemen nur recht zögernd zugewandt. Erst in letzter Zeit mehren sich auch hier die Publikationen. Folgende Themen werden vor allem diskutiert:

1 . Umweltpolitische Ziele und Konzeptionen der Unternehmung 5 . Behan­ delt werden etwa Probleme und Schwierigkeiten bei der Aufnahme von Umweltschutzzielen in das unternehmerische Zielsystem, Konzeptionen betrieblicher Umweltschutzpolitik (aktives, reaktives Verhalten) usw. 2. Umweltpolitische Instrumente aus betriebswirtschaftlicher Sicht6, das heißt, betriebliche Ansatzpunkte zur Realisierung umweltpolitischer Unternehmensziele. Beispielhafte Stichworte für diesen Bereich sind Produkt- und Programmgestaltung, Verfahrensgestaltung, Recycling. 3. Fragen der Entscheidungsrechnung unter Berücksichtigung von Umwelt­ zielen7 . Es werden Kalküle vorgestellt, die auch nicht-monetäre Auswir­ kungen von Entscheidungsalternativen (wie es etwa die Umweltwirkungen betrieblicher Aktivitäten sind) erfassen können (Rechnung mit Umweltin­ dikatoren, Nutzwertanalyse). 4. Auswirkungen staatlicher Umweltschutzmaßnahmen auf die Produk­ tionsweise8 . Mit dem produktions- und kostentheoretischen Instrumenta­ rium wird die Verschiebung der optimalen Faktorkombination aufgrund verschiedener staatlicher Eingriffe analysiert. 5. Fragen der Rechnungslegung und Berichterstattung über Umweltbezie­ hungen9 . Untersucht wird die Eignung herkömmlicher Rechnungslegungs­ instrumente zur Deckung von Informationsbedarfen im Bereich des Umweltschutzes; auch werden Alternativen und Ergänzungen entwickelt (Sozialbilanz, Umweltschutz-Kennzahlen, ökologische Buchhaltung). 6. Schließlich werden die Auswirkungen einzelner oder mehrerer staatlicher Umweltschutzinstrumente (insbesondere öffentlicher Finanzhilfen) auf die Erreichung finanzieller Ziele der Unternehmungen untersucht 10 • 5 Vgl. H. Strebei, Umwelt und Betriebswirtschaft, S. 74 ff., R.-B. Schmidt, Verursacher­ prinzip, S. 1 67 ff. 6 Vgl. H. Strebei, Umwelt und Betriebswirtschaft, S. 107 ff., B. Schultheiß, Umweltschutz- und Rohstoffprobleme, S. 38 ff. 7 Vgl. G. Sieben, W. Goetzke, Investitionskalküle, S. 27 ff., H. Strebei, Umwelt und Betriebswirtschaft, S. 1 28 ff. 8 Vgl. P. Eichhorn. Umweltschutz, W. von Zwehl. Staatliche Umweltschutzmaßnahmen, H. Strebei, Umwelt und Betriebswirtschaft, S. 38 ff. 9 Vgl. R. Müller- Wenk. Ökologische Buchhaltung, R. Fronek, Umweltrechnungslegung, K. von Wysocki, Sozialbilanzen, P. Eichhorn, Gesellschaftsbezogene Unternehmensrech­ nung, M. Dierkes, Sozialbilanz.

A . Einleitung

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II. Problemstellung und Gang der Untersuchung Die Reaktion des Gesetzgebers auf das wachsende Umweltbewußtsein und einen zum Teil beträchtlichen Problemdruck in einigen Umweltbereichen dokumentiert sich in einer seit 197 1 rasch gewachsenen Fülle von Gesetzen, Verordnungen und Vorschriften. Für den staatlichen Eingriff kommen grundsätzlich zwei Klassen von Instrumenten in Betracht. Steuern, Abgaben und Subventionen, aber auch Maßnahmen zur Stärkung des Umweltbewußtseins, sind indirekt verhaltens­ beeinflussend. Grundsätzlich bleibt es dem Adressaten (Unternehmung, Bür­ ger) freigestellt, ob er auf die positiven oder negativen Anreize mit der staatlicherseits gewünschten Verhaltensänderung reagiert. Die zweite Klasse umweltpolitischer Instrumente besteht aus direkter Verhaltensregulierung z. B. durch Ge- und Verbote für bestimmte Inputs, Emissions- und Immissionsbegrenzungen, Verfahrensvorschriften, Produkt­ normen, nachträgliche Anordnungen. Da· die Normen der direkten Regulie­ rung den Adressaten keinen oder nur begrenzten Freiraum lassen, scheinen sie auf den ersten Blick die Erreichung der Umweltziele mit Sicherheit zu gewährleisten. Die Kategorie regulativer Instrumente besitzt im geltenden Recht eine gewichtige Stellung. Gründe für die Beliebtheit regulativer Politik liegen etwa darin, daß - sie dem juristischen Denken in den Verwaltungen eher entspricht als Maßnahmen, die auf die Eigeninitiative der Unternehmungen bauen sowie, daß sie politisch besser durchsetzbar ist und rasch zu sichtbaren Erfolgen führt 1 1 • Ge- und Verbote treffen die Unternehmung in Gestalt von Auflagen, die Restriktionen ihres Tätigwerdens darstellen. ,,Umweltschutzauflagen" als direkte umweltbezogene Verhaltensvorschriften für die jeweiligen Adressa­ ten 1 2 seien daher im Rahmen dieser Arbeit als Stellvertreter regulativer Politik angesehen. Als gedanklicher Ausgangspunkt werde angenommen, daß eine Behörde einer Unternehmung gegenüber eine Umweltschutzauflage erteilt. Diese Situation kann bei verschiedenen Anlässen auftreten. So können bei Errichtung und Betreiben einer genehmigungsbedürftigen Anlage ebenso 1 " Vgl. A. Heigl, Abschreibungsvergünstigungen, S. 1 32 ff. , C. Lange. Umweltschutz und Unternehmensplanung, S. 84 ff. , F.X. Bea, A. Kötzle, Sonderabschreibungen nach § 7d EStG. 11 Vgl. H. Bonus. Wettbewerbswirkungen, S. 22; zur Instrumentendiskussion aus der Sicht einer ökonomischen Theorie der Politik vgl. B.S. Frey, Umweltökonomie, S. 1 32 ff. 1 2 Vgl. ähnlich L. Wicke, Umweltökonomie, S. 9 1 ff.

2 Terhart

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1. Kap . : Einführung und Grundlagen

Auflagen erteilt werden (§ 1 7 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BimSchG)) wie bei geplanten Erweiterungen oder wesentlichen Änderungen solcher Anlagen. Auch können bestehende Betriebe durch Auflagen zur Anpassung an fortgeschrittenere Verfahren der Emissionsbegrenzung angehalten wer­ den oder - um den Bereich des Gewässerschutzes anzusprechen bestimmte Auflagen mit der Erlaubnis beziehungsweise Bewilligung beim Einleiten von Abwässern verknüpft werden (§ 4 Wasserhaushaltsgesetz (WHG)) ' 3 . Der Festlegung von Auflagen ist regelmäßig ein mehr oder weniger ausgie­ biger Verhandlungsprozeß zwischen Behörde und Unternehmung über deren Ausgestaltung vorgeschaltet 1 4 , der jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sein soll. Neben der möglichen Einflußnahme auf den Inhalt der Auflage besitzt die Unternehmung aber auch bei erteilter Auflage immer noch zwei grundsätzliche Reaktionsmöglichkeiten: Zum einen kann sich die Unternehmung absolut normentreu verhalten und die Auflage durch Investitionen und Umstrukturierungsmaßnahmen erfüllen; hierbei wird sie bei entsprechender Zielsetzung die kostengünstigste Maßnahme wählen. Zum anderen kann die Unternehmung die Alternative Auflagenverstoß erwägen: Investitionen oder Umstrukturierungsmaßnahmen unterbleiben, gegen die Auflage wird also verstoßen; das Risiko der Aufdeckung und Ahndung der Untätigkeit nimmt die Unternehmung in Kauf. Grundsätzlich bestehen also die Handlungsmöglichkeiten Auflagenerfül­ lung und Auflagenverstoß , letztere mit Entdeckungs- und Sanktionsgefahr. Diese Entscheidungsmöglichkeiten stellen den Ausgangspunkt der folgenden Analyse dar. Gefragt werden soll, welche Faktoren die Entscheidung zwi­ schen den Alternativen beeinflussen, welche Ausprägungen diese Einflußgrö­ ßen für typisierte Unternehmungen beim gegenwärtigen Vollzugssystem im Umweltschutz besitzen, welche Entscheidungen mit Auflagen konfrontierte Unternehmungen angesichts der konkretisierten Entscheidungsdeterminan­ ten treffen werden und welche Schlußfolgerungen der Gesetzgeber aus diesen Überlegungen ziehen kann. 1 3 Zu Ansatzpunkten für Auflagen vgl. L. Wicke, Umweltökonomie, S. 93 ff. Der Aufla­ genbegriff umfaßt im Rahmen der vorliegenden Untersuchung der Unternehmung aufer­ legte Umweltschutzanforderungen ohne Rücksicht darauf, wie sie im Sprachgebrauch der einzelnen rechtlichen Vorschriften bezeichnet werden. In diesem Sinne sind also etwa nachträchtliche Anordnungen im Sinne des § 17 BimSchG ebenfalls den Auflagen zuzuordnen. Wenn im folgenden gleichwohl Anordnungen häufig gesondert erwähnt werden, so deshalb, weil sie in den Gesetzen auch getrennt aufgeführt sind; bei der Erörterung gesetzlicher Grundlagen muß daher eine Trennung vorgenommen werden. 14 Vgl. R. Mayntz, u. a. , Vollzugsprobleme, S. 3 1 8 ff. , 649 ff.

A. Einleitung

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Zur Beantwortung dieser Fragen ist die Arbeit in drei Kapitel gegliedert. Das Erste Kapitel dient einführenden und grundlegenden Ausführungen. Nach der Einleitung wird zunächst auf gesellschaftliche Umweltschutzziele und -instrumente eingegangen (Abschnitt B.). Diese Erörterungen dienen der Einordnung regulativer (Auflagen-)Politik in das Spektrum umweltpoliti­ scher Handlungsmöglichkeiten des Staates und stellen zugleich die Grund­ lage für später abzuhandelnde Vorschläge zur verbesserten Zielerreichung der Umweltschutzpolitik dar. Im anschließenden Abschnitt C. werden die Entscheidungsdeterminanten des unternehmerischen Handelns in bezug auf die Wahl zwischen Auflagenbefolgung und -verstoß analysiert. Hierzu muß zunächst auf das Zielsystem der Unternehmung eingegangen werden, nach­ folgend sind die Charakteristika der Handlungsalternativen herauszu­ arbeiten. Das Zweite Kapitel dient der Detailanalyse der Handlungsmöglichkeiten sowie der Ableitung der unternehmerischen Entscheidung. Unter Rückgriff auf empirisches Material wird in Abschnitt A. untersucht, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Unternehmung mit welchen Sanktionen der Behörden zu rechnen hat, wenn sie gegen die Auflage verstößt. Zugrunde gelegt wird das gegenwärtige Vollzugssystem im Umweltschutz. In Abschnitt B. gilt es alsdann, die mit der Auflagenbefolgung verbundenen Auszahlungs­ reihen zu quantifizieren. Da detaillierte empirische Informationen hierüber nicht zur Verfügung stehen, muß auf relativ pauschale Daten über Umwelt­ schutzinvestitionen und mit ihnen verbundene Betriebskosten zurückgegrif­ fen werden. Die einzelwirtschaftliche Entscheidung auf der Basis der ermittelten Aus­ prägungen der Entscheidungsdeterminanten wird sodann in Abschnitt C. abgeleitet. Um der Unsicherheit, der die Handlungsalternative Auflagenver­ stoß unterliegt, Rechnung zu tragen, sind unterschiedlich mögliche Risiko­ einstellungen zu berücksichtigen. Da die Konkretisierung der Entschei­ dungsdeterminanten zum Teil nur durch Schätzung möglich ist, werden mit Hilfe der EDV Simulationsrechnungen für unterschiedliche Datenkonstella­ tionen durchgeführt. Die Konzipierung des Entscheidungsmodells in diesem Abschnitt erfolgt jedoch unabhängig von konkreten Eingabedaten und Ein­ flußgrößen des Einzelfalls, um eine möglichst allgemein anwendbare Formu­ lierung zu erreichen. Die unternehmerische Entscheidung und ihre detailliert herausgearbeite­ ten Grundlagen bilden den Ausgangspunkt für die Darstellung und Analyse von Vorschlägen zur verbesserten Zielerreichung der Umweltschutzpolitik, die im Dritten Kapitel zu leisten ist. Zu beantworten ist die Frage, wie es erreicht werden kann, daß rational handelnde Unternehmungen Umwelt­ schutzauflagen vermehrt einhalten. Einer einleitenden Vorbemerkung in Abschnitt A. folgt eine Übersicht über staatlicherseits beeinflußbare Deter2'

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1 . Kap.: Einführung und Grundlagen

minanten der einzelwirtschaftlichen Entscheidung (Abschnitt B.), die Ansatzpunkte des gesetzgeberischen Handelns sind. In Abschnitt C. werden die aus verschiedenen Forschungsbereichen stammenden Verbesserungsvor­ schläge für die Umweltpolitik systematisiert und erläutert. Auf der Grund­ lage des im Zweiten Kapitel entwickelten Entscheidungsmodells wird anschließend in Abschnitt D. analysiert, in welchem Ausmaß die relevanten Entscheidungsdeterminanten verändert werden müssen, um eine Auflagen­ befolgung zu gewährleisten. Zu fragen ist zugleich, inwieweit die vorgestell­ ten Verbesserungsmaßnahmen überhaupt geeignet sind, Veränderungen in dem erforderlichen Ausmaß herbeizuführen. Eigene Vorschläge zur Sicher­ stellung einer Auflagenbefolgung sind in diesem Zusammenhang ebenfalls zu unterbreiten und anhand der Ergebnisse des Entscheidungsmodells zu begründen.

III. Begründung für das methodische Konzept

Gegen die wissenschaftliche Beschäftigung mit illegalem Verhalten könn­ ten grundsätzliche Einwendungen vorgebracht werden. Wie aus der Presse immer wieder ersichtlich , weisen insbesondere Wirt­ schaftsfunktionäre die Verdächtigung, Unternehmungen erwägten bewußt einen Verstoß gegen Gesetze oder Verwaltungsanweisungen, gerne pauschal zurück. Diese Pauschalzurückweisung ist aber - ebenso wie eine Pauschal­ verdächtigung - unhaltbar, wie vielfach aufgedeckte Fälle zeigen: Müll­ skandale, Grundwasserverseuchungen oder Fischsterben in Flüssen und Seen resultieren nicht immer aus Unfällen und Versehen, sondern auch aus bewuß­ ten Verstößen gegen Umweltbestimmungen (Beispiel: Öltankreinigung auf offener See, Ablagerung von Giftfässern auf völlig ungeeigneten privaten Grundstücken oder normalen Deponien (anstatt auf Sondermülldeponien) usw.)' 5 . In der betriebswirtschaftlichen Theorie besteht unter zahlreichen Fachver­ tretern Einigkeit darüber, man müsse sich aus ethischen Gründen auf die Analyse legalen Verhaltens beschränken 1 6 • Daher ist der Prozeß der mögli­ chen Reaktion auf rechtliche Restriktionen der Unternehmenstätigkeit, soweit es die Einbeziehung auch restriktionsverletzender Handlungsmög­ lichkeiten betrifft, aus ökonomischer Sicht bislang kaum problematisiert is Vgl. G. Fel/enberg, Umweltforschung, S. 82 f. , U. Je1ter. Technik im Umweltschutz, S. 1 2 1 f. , G. Winter, Vollzugsdefizit im Wasserrecht, S. 1 5 , o. V., Übler Stoff, S. 48 ff., o. V„ Ganz arglos, S. 1 00 ff. , o. V. , Chemie-Müll, S. 3 1 ff. 16 Vgl. die Diskussion mit Bezug auf die (Steuer-)Bilanzpolitik bei D. Rückle, Normative Theorie, S. 32 1 ff. , C. Seid!, Theorien der Steuerdisziplin, S. 5; vgl. auch G.S. Becker, Kriminalität und Strafe, S. 4 1 Fn. 1 , P.J. Thelen, Wirtschaftskriminalität, S. 1 07.

A. Einleitung

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worden. Durch eine Eingrenzung des betriebswirtschaftlichen Untersu­ chungsgegenstandes auf legales Verhalten entsteht allerdings ein beträchtli­ ches Defizit an Erforschung realer Zusammenhänge, ja sogar eine Quelle fehlerhafter Aussagen 1 7 • Zudem ist die Angst der Wissenschaftler, unethi­ scher Gesinnung geziehen zu werden, wohl auch auf eine Vermengung von Sprachebenen zurückzuführen: Auch wenn man unethisches Verhalten ana­ lysiert, braucht man sich selbst nicht den Vorwurf unethischer Gesinnung gefallen zu lassen. Für die systematische Untersuchung normwidrigen Verhaltens der Adres­ saten von Umweltschutzauflagen spricht im einzelnen folgendes: 1 . Ein gleichartiger Ansatz wird auch im Rahmen ökonomischer Erklä­ rungsansätze im Bereich der Kriminalität oder allgemein der ökonomi­ schen Analyse des Rechts verfolgt 1 8 • Es wird versucht, menschliches Verhalten auf - dem Rationalitätsprinzip folgende - Kosten-Nutzen­ Abwägungen zurückzuführen und dadurch zu erklären. Mit diesem Kon­ zept wird gleichermaßen legales als auch illegales Handeln untersucht, da angenommen wird, daß sich jegliches menschliche Handeln auf derartige Abwägungen zurückführen und auf dieser Basis analysieren läßt 1 9 • Unterstellt wird damit, daß auch Gesetzes- oder Normverstöße auf Kosten-Nutzen-Überlegungen basieren und sich bezüglich der Motive nicht von legalen Handlungen unterscheiden. Rationalverhalten im Sinne dieser Abwägung ist durchaus mit einer Normverletzung vereinbar bezie­ hungsweise führt sogar zu einer solchen. Der in der vorliegenden Arbeit gewählte (Forschungs-)Ansatz kann daher zur Erhellung in einem speziel­ len Teil der umfassenden ökonomischen Analyse menschlichen Verhal­ tens, nämlich dem Bereich der Verstöße gegen Umweltschutzvorschriften, beitragen. 2. Vielfache Äußerungen in der Literatur führen zu der Vermutung, daß (potentielle) Täter im Bereich der Umwelt- wie in der Wirtschaftskrimina­ lität ihre Entscheidung über die Alternativen der Nichteinhaltung oder Einhaltung von Normen von einem wirtschaftlichen Kalkül abhängig machen20 • Diese in den bisher vorliegenden Veröffentlichungen nicht 17 Vgl. C. Seid/, Theorien der Steuerdisziplin, S. 5, D. Rück/e, Normative Theorie, S. 321 ff. 18 Vgl. z. B. G. S. Becker. Der ökonomische Ansatz, S. 1 ff., ders .. Kriminalität und Strafe, S. 39 ff. , R.A. Posner, Economic Analysis, S. 3 ff. , 1 63 ff., S. Rottenberg, Econo­ mics of Crime, S. 1 ff. 19 Vgl. G. S. Becker, Der ökonomische Ansatz, S. 7, 1 5. 20 Vgl. z. B. W. Rüdiger, Bekämpfung sozialgefährlicher Umweltverstöße, S. 1 3 , P.J. Thelen, Wirtschaftskriminalität, S. 77, 1 50, D.K. Pfeif/er, S. Scheerer, Kriminalsoziologie, S. 99 f. , 0. Trijfterer, Umweltstrafrecht, S. 1 29 f. Dies wird ja auch im Rahmen der ökonomischen Analyse der Kriminalität unterstellt.

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1 . Kap . : Einfü hrung und Grundlagen

systematisch weiterverfolgte These versucht die vorliegende Untersu­ chung zu vertiefen und zu analysieren. 3. Im abschließenden Kapitel der Arbeit sollen Verbesserungsvorschläge zur Erhöhung des Grades an Auflagenbefolgung vorgestellt und einer kriti­ schen Analyse unterzogen werden. Nun brauchen zusätzliche Vorschrif­ ten, Kontrollen, Sanktionen usw. nicht für Personen und Unternehmun­ gen geschaffen zu werden, die derartige Normen ohnehin befolgen: Vorschläge de lege ferenda gehen daher sinnvollerweise von unehrlichem Verhalten aus, um die Rahmenbedingungen des Verhaltens derart zu ändern, daß ehrliches Verhalten vorgezogen wird. Der gewählte For­ schungsansatz ist daher einzig geeignet, entsprechende Vorschläge auszu­ arbeiten und zu beurteilen2 1 •

In der Literatur wird zum Teil die Ansicht vertreten, Betriebswirt­ schaftslehre habe ausschließlich die Beratung und Unterstützung der Unternehmungen und ihrer Entscheidungsträger zum Gegenstand. Dieser Auffassung wird hier nicht gefolgt. Statt dessen wird die Meinung unter­ stützt, daß Betriebswirtschaftslehre auch die Beratung des Gesetzgebers zur Aufgabe haben kann; dieser muß nämlich auf einzelwirtschaftliche Entscheidungsgrundlagen zurückgreifen, um seine gesetzgeberischen Ziele überhaupt erreichen zu können 2 2 •

Die Alternative Auflagenverstoß in der Form, daß jegliche Maßnahmen unterlassen werden, ist ein Extremfall. Zwischen ihr und der völligen Norm­ treue liegen all diejenigen Handlungsmöglichkeiten, bei denen Auflagen teilweise nicht beachtet werden, etwa indem sie dauernd in geringem Umfang oder auch gelegentlich verletzt werden. Die Determinanten der einzelwirt­ schaftlichen Entscheidung können gleichwohl anhand eines Modells heraus­ gearbeitet werden, das nur die skizzierten Extremalternativen Auflagenbefol­ gung und Auflagenverstoß herausstellt. Die Untersuchung bedient sich - wie bei der Darstellung des Ganges der Untersuchung bereits angedeutet - nicht individueller Unternehmensdaten, sondern stellt auf repräsentative Verhältnisse, also Durchschnittsunterneh­ mungen, ab. Für Umweltschutzinvestitionen und Betriebskosten werden pauschalierende Werte ermittelt; gegenübergestellt werden ihnen typisierte Sanktionen gegen Unternehmungen, deren Verstöße gegen Umweltschutz­ auflagen entdeckt und mit Buß-/Strafgeldern usw. belegt wurden. Bei diesem Vorgehen abstrahiert man von Investitionsmotiven (freiwillige Maßnahmen,

21 Vgl. D. Rückle. Normative Theorie, S. 325 . Auch in anderen um Verbesserung realer Politikergebnisse bemühten Wissenschaftsdisziplinen ist die Vorstellung von „blind gehor­ chenden Normadressaten" staatlicher Regulierung aufgegeben worden, J. Hucke. A.A. Ullmann. Konfliktregelung, S. 1 06. 22 Vgl. zu dieser Einschätzung mit Bezug auf die betriebswirtschaftliche Steuerlehre D. Rück/e, Normative Theorie, S. 87 ff.

A. Einleitung

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durch Auflagen erzwungene Maßnahmen usw.), allzu detaillierten Belastungs-Bandbreiten innerhalb einzelner Branchen und von Unterschie­ den zwischen Branchen und Regionen. Ebenso wird nicht nach den Gründen für eine Sanktionierung (Normübertretung aus Unkenntnis, Fahrlässigkeit oder bewußtem Kalkül) differenziert; auch von der einzelfallbezogenen Ver­ bindung zwischen einzuhaltender Auflage und konkreter Sanktion bei Ver­ stoß gegen jene wird abgesehen. Eine Schlußfolgerung derart, daß man bei Nichtbefolgung der Auflage mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit mit einer festgelegten Sanktion zu rechnen hat, beziehungsweise bei Auflagenbe­ folgung Belastungen in der konkretisierten Höhe anfallen, ist dann natürlich nur aufgrund vereinfachender Grundlagen zustandegekommen. Da bisher aber noch gar keine Kenntnisse über ökonomische Kalküle bezüglich einer Auflagenbefolgung vorliegen, erscheint der Nutzen aus einer Untersuchung mit den erwähnten Durchschnittsbetrachtungen am größten. Durch ein möglichst differenziertes Vorgehen bei der Auswertung des empirischen Datenmaterials werden zudem unterschiedliche Höhen an Umweltschutzinvestitionen und Betriebskosten unterschieden sowie Band­ breiten in Form von Ober- und Untergrenzen für Sanktionswahrscheinlich­ keiten und -höhen ermittelt. Die Ableitung der unternehmerischen Entscheidung erfolgt alsdann für unterschiedliche Kombinationen dieser und anderer Einflußfaktoren. Ein solches differenziertes Vorgehen ist einem Rechnen mit nur je einem Durchschnittswert für die einzelnen Einflußfakto­ ren vorzuziehen, wie es in den meisten Arbeiten zur ökonomischen Analyse des Rechts beziehungsweise der Kriminalität praktiziert wird2 3 • Angesichts der Ungenauigkeit der Daten ermöglicht zwar auch die hier gewählte Vorge­ hensweise nur grobe, aber in weiten Bereichen anwendbare Aussagen über Verhaltenstendenzen 24 • Als Alternative bliebe wohl nur der Verzicht auf jegliche Analyse; das ist aber erst recht unbefriedigend. Einer Anwendung des Konzepts auf die individuellen Umstände einer Auflagenerteilung steht prinzipiell nichts entgegen. Sowohl das betroffene Unternehmen als auch Behörde oder Gesetzgeber können - bei Zumessung ausreichend hoher Wertigkeit des Einzelfalls - individualisierte Daten erhe­ ben und auf deren Grundlage die rationale Wahlhandlung ableiten.

2·1 Vgl. z. B. die Beiträge in R. Andreano, J. J. Siegfried, (Hrsg.), Economics of Crime, S. 27 ff., 1 8 1 ff. 24 Auch die Untersuchungen im Rahmen ökonomischer Analysen des Rechts und der Kriminalität leiten ihre Aussagen zumeist aus recht pauschalen Datengrundlagen ab; dies konstatiert z. B. auch G. Tu/lock, Punishment, S. 1 04.

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1 . Kap.: Einführung und Grundlagen

B. Auflagen im System der umweltpolitischen Instrumente des Staates 1. Gesellschaftliche Umweltschutzziele und Prinzipien der Umweltpolitik Staatliche (Umwelt-)Politik setzt Rahmenbedingungen für einzelwirt­ schaftliche Handlungen und ist daher in betriebswirtschaftlichen Untersu­ chungen mit zu berücksichtigen. In der vorliegenden Arbeit ist ein Überblick über staatliche Umweltpolitik auch deshalb unerläßlich, weil die später durchzuführenden rechtspolitischen Erörterungen einer Basis bedürfen. Seit Anfang der siebziger Jahre vermehrt wahrgenommene Umweltpro­ bleme haben gemeinsam mit der Entstehung und Stärkung entsprechender Nutzenvorstellungen in großen Teilen der Gesellschaft zu der Forderung nach Verbesserung beziehungsweise Erhaltung der Umweltqualität ge­ führt2 5 . Umweltqualität ist aber nur eine unter mehreren Komponenten der gesellschaftlichen Wohlfahrt; Umweltschutz26 bindet Ressourcen, die für andere Verwendungen nicht mehr verfügbar sind und steht damit potentiell in Konflikt mit anderen Teilbereichen gesellschaftlicher Wohlfahrt wie etwa Bildung und soziale Sicherheit. Ein Mehr an Umweltqualität kann zu Lasten anderer Bereiche gehen 2 7 . Aufgrund dieser Ressourcenverbundenheit kann es angesichts knapper Mittel nicht um einen maximalen, sondern nur um einen optimalen Umweltschutz gehen. Aus gesellschaftlicher Sicht ist zu fragen, welches Maß an Umweltqualität - man kann auch sagen: welches Ausmaß an Umweltverschmutzung - optimal ist. Dieses Optimum an Umweltbeeinträchtigung ergibt sich durch Maximierung des gesellschaftli­ chen Wohlstands unter Berücksichtigung der Umweltkomponente2 8 •

Die tatsächliche Optimumbestimmung ist nur unter Befriedigung erhebli­ cher Informationsbedarfe möglich: So muß etwa eine gesellschaftliche Wohl­ fahrtsfunktion aufgestellt und eine Transformationsbeziehung zwischen

2 5 Vgl . H. Strebei, Umwelt und Betriebswirtschaft, S. 56. 1971 wurde das erste Umwelt­ programm in Deutschland vorgelegt, 1 970 bereits ein Sofortprogramm verabschiedet; vgl. Umweltprogramm der Bundesregierung, S. 7. Zu empirischen Erhebungen über den Stand f des Umweltbewußtseins vgl. H.-J. Fietkau, H. Kessel, (Hrsg.), Umweltlernen, S. 21 f . , H. -J. Fietkau, H. Kessel, W. Tischler, Umwelt, S. 24 ff. 26 Mit „Umweltschutz" werde die Gesa mtheit der Maßnahmen zum Schutz der natürli­ chen Umwelt vor den nachteiligen Wirkungen menschlicher Eingriffe bezeichnet. Vgl. zu diesen Begriffselementen das Umweltprogramm der Bundesregierung, S. 6, vgl. auch C. Lange, Umweltschutz und Unternehmensplanung, S. 25. 2 7 Vgl. H. Strebei, Umwelt und Betriebswirtschaft, S. 55 f. , B. S. Frey, Umweltökonomie, S. 53 ff., 1 04, L. Wicke, Umweltökonomie, S. 1 1 ff. 28 Zum Vorgehen bei der Ableitung des Optimums vgl. z. B. A. Oberhause,. Abgren­ zung des Verursacherprinzips, S. 29, 32 ff. , L. Wicke, Umweltökonomie, S. 1 1 ff. , H. Stre­ bei, Umwelt und Betriebswirtschaft, S. 55 ff.

B. Auflagen im System der umweltpolitischen Instrumente des Staates

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Umweltqualität und anderen Wohlstandskomponenten abgeleitet werden29 • Die praktische Umweltpolitik geht daher weniger exakt vor. Unter Abwä­ gung verschiedenster Interessen und Entscheidungen über Prioritäten wer­ den globale Umweltschutzziele formuliert und in operationale(re) Zielvorschriften umgesetzt 3°. Die Umweltpolitik in Deutschland stützt sich auf die drei Prinzipien Verursacher-, Vorsorge- und Kooperationsprinzip. 1 . Verursacherprinzip Das Verursacherprinzip, im anglo-amerikanischen Sprachraum „polluter pays principle" genannt, besagt, daß derjenige die Kosten der Vermeidung, Beseitigung oder des Ausgleichs einer Umweltbelastung tragen muß, der für ihre Entstehung verantwortlich ist3 1 • Es stellt in dieser Fassung keine Begrün­ dung für rechtliche Haftungs- und Schadensersatzansprüche dar, sondern ein Kostenzurechnungsprinzip 32 • Der Grundgedanke stammt aus der Theorie externer Effekte 33 • Zentrale Ursache für Umweltprobleme ist danach die bisherige Nutzung der Umwelt als freien Gutes zum Preis von Null. Diese Kostenfreiheit der Umweltnut­ zung führt zu einer Überbeanspruchung ihrer Kapazität34 • Bei konsequenter Anwendung des Verursacherprinzips würden den produzierten Gütern und Leistungen alle durch sie verursachten Kosten zugerechnet. Im Umweltbe­ reich gelänge es damit, Kosten, die bisher nicht von den Verursachern, z. B. 29

Vgl. L. Wicke, Umweltökonomie, S. 14 ff. Vgl. ebenda , S. 57 ff. 1 ' Vgl. Umweltprogramm der Bundesregierung, S. 1 0 f., BMI ( Hrsg.), Umweltschutz, S. 32, Rat von Sachverständigen, Umweltgutachten 1 974, S. 10. Zu verschiedenen Formen des Verursacherprinzips vgl. A. Oberhauser, Abgrenzung des Verursacherprinzips, S. 44 ff. Zu gesamtwirtschaftlichen, rechtlichen, betriebswirtschaftlichen und anderen Aspekten des Verursacherprinzips vgl. M. Bullinger, u. a., Verursacherprinzip. Zu einem "ersten Evaluierungsversuch einer verursacherorientierten Umweltpolitik" vgl. Rat von Sachver­ ständigen, Umweltgutachten 1978, S. 534 ff. (Zitat von S. 535). 3 2 Vgl. BMI (Hrsg.), Umweltschutz, S. 32. n Externe Effekte privater (Unternehmens-)Tätigkeit haben die Volkswirtschaftslehre schon seit geraumer Zeit beschäftigt, vgl . z. B. A. C. Pigou, The Economics of Welfare, ( 4. Aufl . , London 1932), S. 1 34 f. , 1 83 ff. , (in gleicher Weise enthalten schon in der Erstaus­ gabe 1920) oder auch K. W. Kapp, (Volkswirtschaftliche Kosten), der bemerkenswerter­ weise viele der heutzutage diskutierten Probleme der Umweltnutzung schon damals (Veröffentlichung der englischen Erstausgabe 1950) erkannte und analysierte wie z. B. die der Luft- und Gewässerverunreinigung, vorzeitigen Erschöpfung von Energiequellen usw. (vgl. ebenda, S. 58 ff. , 70 ff. , 93 ff.). Zum Begriff "externe Effekte" vgl . ebenda , S. 12 f., 1 98, 200. Kapp liefert auch einen Überblick über die Behandlung der Sozialkosten in der Nationalökonomie (S. 23 ff.); vgl. aus neuerer Sicht hierzu auch R. Osterkamp, W. Schnei­ der, Zur Umweltökonomik, S. 1 5 , E. J. Mishan, Externe Effekte, S. 1 35 ff. 4 -' Vgl. zu dieser Argumentationskette z. B. H. Siebert, Instrumente der Umweltpolitik, S. 5 ff. , C. Lange, Umweltschutz und Unternehmensplanung, S. 27 ff. Zu den verschiedenen Funktionen der Umwelt vgl . H. Siebert, Instrumente der Umweltpolitik, S. 1 f. '11

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1 . Kap.: Einführung und Grundlagen

Unternehmungen, sondern von Dritten oder der Allgemeinheit getragen wer­ den - also eben externe Kosten -, in betriebswirtschaftliche Kalküle einzu­ bringen, das heißt zu internalisieren. Durch Internalisierung erhält die Umweltbeanspruchung einen Preis; dies führt zu einer Verminderung der Inanspruchnahme des nunmehr knappen Gutes Umwelt und zu einer Redu­ zierung der Umweltbelastung. Wären die Bewertungsprobleme (z. B. bezüg­ lich der Schäden aus Umweltverschmutzung) gelöst, würde durch ein derartiges Setzen von Preissignalen die gesellschaftlich als optimal angese­ hene Umweltqualität erreicht und das in volkswirtschaftlich effizienter Weise, das heißt zu geringst möglichen Kosten. Aus dem Verursacherprinzip resultierende Instrumente zeichnen sich entsprechend durch eine Internali­ sierung von Kosten für Umweltinanspruchnahme aus 3 5 •

Die Umsetzung des Verursacherprinzips in konkrete Maßnahmen ist jedoch häufig mit Schwierigkeiten verbunden3 6 • Der Verursacher von Umweltbeeinträchtigungen kann unbekannt sein, so daß der Ansprechpart­ ner für notwendige Abhilfemaßnahmen fehlt. Er kann auch Glied einer ganzen Verursacherkette sein, wodurch die Frage entsteht, welcher (oder welche) Einzelverursacher in welchem Ausmaß verantwortlich gemacht wer­ den soll(en). Schließlich können bei der strikten Anwendung des Verursa­ cherprinzips unerwünschte Nebenwirkungen z. B. in Form negativer Beschäftigungswirkungen eintreten. Eine vollständige und ausnahmslose Durchsetzung des Verursacherprinzips ist aufgrund dessen weder sinnvoll noch möglich. Häufig muß man sich mit pragmatischen Lösungen begnügen, die den exakten Ansprüchen nicht voll genügen können3 7 • Kann oder soll das Verursacherprinzip in bestimmten Fällen keine Anwendung finden, tritt an seine Stelle das „Gemeinlastprinzip" , demzufolge der Staat öffentliche Mittel einsetzt, um Umweltbeeinträchtigungen zu begegnen. Ausfluß dieses Prin­ zips sind z. B. eigene staatliche Umweltschutzmaßnahmen oder Finanzie­ rungsanreize für Umweltschutzinvestitionen3 8 . 2. Vorsorgeprinzip Das Vorsorgeprinzip bringt zum Ausdruck, daß sich Umweltpolitik nicht in einer Beseitigung bereits eingetretener Schäden erschöpfen darf, sondern in vorausschauender Sicht mögliche Gefahren von vornherein vermieden 1 5 Vgl. E. Rehbinder, Probleme des Verursacherprinzips, S. 1 2 1 ff. , Rat von Sachverstän­ digen, Umweltgutachten 1 974, S. 155 f. 16 Vgl. h ierzu L. Wicke, Umweltökonomie, S. 77 ff. , E. Rehbinder. Probleme des Verur­ sacherprinzips, S. 99 ff., K. -H. Hansmeyer, Anwendung des Verursacherprinzips, S. 68, 70. 1 7 Aus einer Kette von Verursachern wird entsprechend z. B. derjenige als Verursacher herausgegriffen, bei dem die Maßnahmen am besten wirken und verwaltungstechnisch am einfachsten ansetzen können, vgl. L. Wicke, Umweltökonomie, S. 78. 18 Vgl. BMI (Hrsg.), Umweltschutz, S. 33 f. , L. Wicke, Umweltökonomie, S. 80 ff.

B. Auflagen im System der u mweltpolitischen Instrumente des Staates

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oder abgewendet beziehungsweise niedrig gehalten werden 39 • Eine nur poli­ zeirechtliche Gefahrenabwehr reicht für eine sinnvolle Umweltpolitik daher nicht aus; statt dessen soll eine langfristige Vorsorge gegen Umweltgefahren betrieben werden. Die Einbeziehung von Umweltaspekten in langfristige Planungen (z. B. Bauleit- und Raumplanung) und die vorherige Beurteilung von Umweltauswirkungen anderer Maßnahmen (etwa im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung) entstammen diesem Prinzip der Vorsorge 40 • 3. Kooperationsprinzip Das Kooperationsprinzip geht davon aus, daß ohne Mitwirkung und Beteiligung gesellschaftlicher Kräfte staatliche Umweltpolitik nicht sinnvoll möglich ist; die letztendliche Verantwortlichkeit verbleibt allerdings bei Regierungen und Parlamenten4 1 • Durch geeignete Mitwirkung von Norm­ adressaten und Bürgern lassen sich Programme und Initiativen fundierter, nämlich unter Rückgriff auf und unter Beachtung von Interessen der Betrof­ fenen, ausgestalten. Gleichzeitig kann eine Kooperation zu einer Erhöhung der Akzeptanz der Umweltpolitik sowie einer Stärkung und Förderung des öffentlichen Umweltbewußtseins führen42 •

II. Umweltpolitische Instrumente im Überblick

Zur Realisierung politisch gesetzter Umweltziele setzt der Staat unter Beachtung der erwähnten Prinzipien im Umweltbereich umweltpolitische Instrumente ein. Im einzelnen zählen hierzu: Moral suasion, Vermarktung der Umwelt, Subventionen, Abgaben, direkt regulierende Maßnahmen sowie - eigene staatliche Umweltschutzmaßnahmen. Die Instrumente unterscheiden sich z. B. in der Intensität des staatlichen Eingriffs, in der gedachten Wirkungsweise sowie ihrer Marktnähe4 3 • 9

Vgl. BMI (Hrsg.), Umweltschutz, S. 34. Vgl. BM/ (Hrsg.), Umweltschutz, S. 3 1 . Konkrete umweltpolitische Instrumente sind dem Vorsorgeprinzip nicht zuzuordnen, vgl. L. Wicke, Umweltökonomie, S. 83 ff. 4 1 Vgl. BMI (Hrsg.), Umweltschutz, S. 4 f. 42 Vgl. L. Wicke, Umweltökonomie, S. 85 f. 4 · Vgl. zu verschiedenen Kategorisierungsmöglichkeiten der Instrumente R. Mayntz, Wissenschaftliche Auswertung, S. 50 f., B. S. Frey, Umweltökonomie, S. 120 ff. , J. Hucke, H. Wollmann, Wirkung von Gesetzen, S. 54 ff. , L. Wicke, Umweltökonomie, S. 89 f. 3

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1 . Kap.: Einführung und Grundlagen

1. Moral suasion Im Rahmen von Informations- und Überzeugungsprogrammen versucht eine Strategie der Moral suasion oder informellen Verhaltenssteuerung, die Bürger zu freiwilligen Verhaltensänderungen zu bewegen44 • Im Umweltbe­ reich geht es um die Schaffung oder Verstärkung des Umweltbewußtseins, indem der Bürger allgemein über Lage und Entwicklung seiner Umwelt sowie über Umweltwirkungen seines Verhaltens und umweltgerechte(re) Alternati­ ven informiert wird. Auf längere Sicht kann die Erziehung der heranwach­ senden Generation das Umweltbewußtsein besonders nachhaltig beeinflus­ sen. ,,Umweltbewußtsein" bezeichnet in diesem Zusammenhang die ,,Einsicht in die Gefährdung der natürlichen Lebensgrundlagen des Men­ schen durch diesen selbst, verbunden mit der Bereitschaft zur Abhilfe" 4 5 • Moral suasion wird vorwiegend als flankierendes Instrument angesehen, das in Ergänzung zu anderen umweltpolitischen Instrumenten einzusetzen ist4 6 • Betont wird die indirekte Wirkungsmöglichkeit des Umweltbewußt­ seins. Eine Produktions- oder sonstige Verhaltensänderung bei Unterneh­ mungen etwa kann bei Anwendung dieses Instruments nur über eine allmähliche Änderung der Nachfragestruktur in Richtung auf umweltfreund­ lichere Produkte, öffentlichen Druck usw. erreicht werden. 2. Vermarktung der Umwelt Marktlösungen für Umweltprobleme sind dadurch gekennzeichnet, daß die Umweltnutzung, die bisher kostenfrei möglich war, nunmehr nur zu einem Preis größer Null zulässig ist und dieser Preis sich am Markt bildet4 7 • Die Vermarktung erfolgt über eine Verbesserung oder Schaffung von Eigentumsrechten an der Umwelt. Ursprüngliche Eigentümer der Umwelt können Private (etwa die Bewohner in der Umgebung einer Industrieunter­ nehmung) oder der Staat sein; letzteres liegt wegen des Charakters der Umwelt als öffentlichen Gutes ebenfalls nahe. Tritt der Staat als Eigentümer auf, so erfolgt die Vermarktung z. B. dadurch, daß eine Umweltbehörde für eine Region eine zulässige Menge an Verschmutzung festlegt und Anteile an 44 Vgl . H. Siebert, Instrumente der Umweltpolitik, S. 1 1 f., L. Wicke. Umweltökonomie, S. 1 38 ff. , H. Bonus, Wettbewerbswirkungen, S. 21 f. 45 Rat von Sachverständigen, Umweltgutachten 1978, S. 445. 46 Vgl. L. Wicke, Umweltökonomie, S. 1 44, H. Bonus, Wettbewerbswirkungen, S . 22. 47 Vgl . H. Strebei, Umwelt und Betriebswirtschaft, S. 72 f. , C. Lange, Umweltschutz und Unternehmensplanung, S. 33 ff., B. S. Frey, Umweltökonomie, S. 1 20 ff. Die hier als Markt­ lösungen bezeichneten Instrumente werden auch als Kombination a us Auflage- und Abgabeelementen angesehen, vgl . Rat von Sachverständigen, Umweltgutachten 1978, S. 539, H. Siebert, Instrumente der Umweltpolitik, S. 20. Ausführliche Erörterungen über verschiedene Möglichkeiten und Probleme bei der Marktlösung von Umweltproblemen bei L. Wegehenkel (Hrsg.), Marktwirtschaft und Umwelt; vgl . auch S. Frowein. Emissions­ abgaben und Verschmutzungsrechte.

B. Auflagen im System der umweltpolitischen I nstrumente des Staates

29

dieser Gesamtmenge in Form von (befristet gültigen) Lizenzen den interes­ sierten Umweltnutzern anbietet. Bei dieser Lösung entsteht der Preis durch die Konkurrenz der Umweltnutzer um das knappe Gut Umwelt. Es kann auch vorgesehen werden, daß die „Umweltzertifikate" handelbar sind. In diesem Fall werden jene Umweltnutzer, welche relativ kostengünstige Umweltschutzmaßnahmen in ihren Betrieben durchführen können, ihre Zer­ tifikate solchen Nutzern verkaufen, die - etwa wegen kleiner Betriebsgrößen - relativ hohe Kosten für die Vermeidung von Umweltbelastungen in Kauf nehmen müßten. Die allokativen Vorteile dieser Lösung sind ersichtlich. Zudem kann durch eine Variation der Zahl insgesamt ausgegebener Umwelt­ zertifikate (etwa bei Neuausgabe nach Ablauf der Gültigkeit) dem gesell­ schaftlich jeweils für tragbar gehaltenen Niveau an gesamter Umweltbela­ stung Rechnung getragen werden. In ähnliche Richtung zielen Vorschläge zur Institutionalisierung von Verhandlungslösungen zwischen Schädigem und Geschädigten, um auf diese Weise Preise für Umweltnutzungen zu finden4 8 • 3. Subventionen Subventionen in Form von direkten Geldleistungen an Unternehmungen (etwa für vermiedene Umweltbelastungen), Steuervergünstigungen (z. B. § 7d EStG), zinsverbilligten Krediten usw. stellen ein weiteres Instrument der Umweltpolitik dar49 • Sie sollen die Unternehmungen durch öffentliche Finanzierungshilfen, die die Kosten der Umweltschutzmaßnahmen verrin­ gern, zu Umweltschutzanstrengungen veranlassen. Subventionen können allerdings auch in Form nicht-finanzieller Förderungen auf�reten. 4. Abgaben Ebenso wie Subventionen gehören Steuern und Gebühren (Oberbegriff: Abgaben) zur Instrumentkategorie der (finanziellen) Anreize, die umweltpo­ litisch erwünschtes Verhalten anregen soll. Während aber Subventionen finanzielle Zuwendungen an den jeweiligen Empfänger darstellen, sind Steu­ ern beziehungsweise Gebühren für die Betroffenen Aufwendungen. Steuer­ beziehungsweise Gebührenlösungen werden von Ö konomen häufig gegenüber anderen Instrumenten favorisiert 50 • Gesamtwirtschaftliche 48 Derartige Vorschläge gehen auf Coase (Coase-Theorem) zurück, vgl. R. H. Coase, Social Cost, S. 2 ff. , vgl. hierzu auch H. Strebei, Umwelt und Betriebswirtschaft, S. 73 , H. Siebert, Instrumente der Umweltpolitik, S. 1 6 f. , E. Knappe, Dezentrale Umweltschutzpoli­ tik, S. 39 ff. 4 ' Vgl. C. Lange, Umweltschutz und Unternehmensplanung, S. 44 ff. , B. S. Frey, Um­ weltökonomie, S. 1 1 9 f. 50 Vgl. G. Nagel, Standards versus Steuern, S. 1 3 f. m. w. N., C. Lange, Umweltschutz und Unternehmensplanung, S. 40 f. m. w. N . ; vgl. auch Bundeskabinett, Beschluß vom

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1 . Kap.: Einführung und Grundlagen

Grenzkosten der Umweltschäden einerseits und die gesamtwirtschaftlichen Grenzkosten der Umweltschutzmaßnahmen andererseits müssen im Opti­ mum gleich sein. Durch den Schnittpunkt dieser Grenzkostenkurven ist zugleich die Höhe der optimalen Umweltabgabe Ue Immissionseinheit) bestimmt5 1 • Die einzelne Unternehmung wird - je nach ihren individuellen Grenzkosten für Umweltschutzmaßnahmen - so lange die Umweltver­ schmutzung reduzieren, bis die Abgabenentrichtung billiger kommt als wei­ tere Reinigungs- (Umweltverbesserungs-)maßnahmen. Die Steuer- bezie­ hungsweise Gebührenlösungen weisen daher ähnliche allokative Vorteile wie die Vermarktung der Umwelt auf. 5. Direkt regulierende Maßnahmen In der aktuellen umweltpolitischen Gesetzgebung dominieren jedoch direkt regulierende Maßnahmen in Form von Ge- und Verboten, nachträgli­ chen Anordnungen, Genehmigungsvorbehalten usw. , die in der Literatur unter dem Oberbegriff Umweltauflagen zusammengefaßt werden 5 2 • Diese überlassen es nicht der Einsicht, der freiwilligen Initiative oder der Wirksam­ keit ökonomischer Anreizmechanismen, ob und inwieweit Umweltschutz­ maßnahmen ergriffen werden, sondern vertrauen auf die unmittelbare Verpflichtung durch staatlichen Zwang. Derartige Regulierungen sind auf die Absicherung durch Kontrollen der Einhaltung und Sanktionen bei Ver­ stößen angewiesen. Dies ist jedoch kein Unterscheidungsmerkmal zu Instru­ menten wie Abgaben oder Zertifikatslösungen. In der Literatur wird häufig entweder nicht erkannt, zumindest aber nicht darauf hingewiesen, daß auch marktnähere umweltpolitische Instrumente, vor allem Abgaben oder Zertifi­ katsregelungen, der Überwachung und Ahndung bedürfen. So ist bei der Ausgabe von Zertifikaten darauf zu achten, daß eine Unternehmung nicht mehr emittiert als ihr aufgrund der erworbenen Zertifikatsmenge zusteht. Bei z. B. an Emissionen geknüpften Abgaben müssen ebenjene durch Kontroll­ maßnahmen festgestellt und im Zeitablauf überprüft werden. 6. Eigener staatlicher Umweltschutz Neben oder anstelle der Veranlassung Privater zu umweltschützenden Aktivitäten kann der Staat auch selbst entsprechende Maßnahmen ergreifen, 1 1 .4. 1984 ; zu Einzelheiten und Problemen dieses Instruments vgl. auch W. Schneider. Steuern und Subventionen , S. 94 ff. , J.M. Buchanan, G. Tu/lock, Polluters' Profits , S. 1 39 ff., K.R. Kabelitz, A. Köhler, Abgaben, H.J. Lepperdinger, Umweltsteuer , S. I00 ff. , H. Siebert, Instrumente der Umweltpolitik , S. 2 1 ff. , L. Wicke, Umweltökonomie, S. 219 ff. ' 1 Dies ist der Grundgedanke einer sogenannten Pigou-Steuer , vgl. H. Siebert, Instru­ mente der Umweltpolitik , S. 22 ff. '2 Vgl. H. Siebert, Instrumente der Umweltpolitik, S. 20 , 65 ff. , K. R. Kabelitz. A. Köhler. Auflagen , S. 1 2 ff. ; zu Begriff und Kennzeichnung regulativer Politik vgl. auch J. Hucke, H. Wollmann, Wirkun g von Gesetzen, S. 64 f. , J. Hucke, E. Bohne, Reaktionsmuster , S. 183 f.

B. A ufl agen im System der u mweltpolitischen I nstrumente des Staates

31

etwa durch öffentliche Investitionen für Abfallbeseitigung, Kläranlagen usw. 5 3 . In einem weiten Sinn können hierzu auch die staatliche Durchführung von umweltbezogener Forschung und Entwicklung sowie die Zurverfü­ gungstellung technologischer Informationen54 gezählt werden , mit denen zugleich eine Beeinflussung des späteren Verhaltens oder der Verhaltensmög­ lichkeiten von Bürgern und Unternehmungen angestrebt wird; ähnliches gilt für die Finanzierung von Institutionen des Umweltschutzes (Beispiel: Umweltbundesamt) , sowie für beispielgebendes Verhalten von Behörden (Beispiel: umweltbewußte staatliche Beschaffungspolitik5 5 ) .

III. Vergleichende Würdigung der staatlichen Eingriffsinstrumente Der staatliche Aktor steht angesichts mehrerer zur Verfügung stehender Eingriffsinstrumente vor einem Auswahlproblem. Zur rationalen Bewälti­ gung der Wahlentscheidung wurden Beurteilungskriterien für diese staatli­ chen Handlungsinstrumente entwickelt. Solche Kriterien5 6 sind die ökologische Wirksamkeit der Maßnahmen , ihre ökonomische Effizienz, Informationsvoraussetzungen , Verwaltungsaufwand und Praktikabilität sowie die politische Durchsetzbarkeit.

Gemessen an solchen Kriterien erweist sich jedoch kein Instrument als allen anderen generell überlegen5 7 ; eine Einsatzentscheidung muß daher eine (politische) Wertung der Wichtigkeit der einzelnen Kriterien enthalten58 •

Die Beliebtheit der Auflagenlösung zur Problembewältigung im Umwelt­ schutz beruht vor dem Hintergrund dieser Kriterien darauf, daß ihre Nach­ teile verglichen mit den Vorzügen anscheinend als gering angesehen werden. Der Hauptnachteil wird in der volkswirtschaftlichen Ineffizienz gesehen,

53 Vgl. z. B . L. Wicke, Umweltökonomie, S. 1 69 ff. 54 Aus der Sicht einer Information suchenden Unternehmung kann die staatliche Bereit­ stellung von technologischen Informationen als Subvention betrachtet werden. 55 Vgl. Umweltbundesamt (Hrsg.), Öffentliche Vergabepolitik. 56 Zu derartigen z. T. voneinander abweichenden Kriterien vgl. Rat von Sachverständi­ gen, Umweltgutachten 1974, S. 1 6 1 f. , H. Sieben, Instrumente der Umweltpolitik, S. 20, 1 1 1 ff. , L. Wicke, Umweltökonomie, S. 243 ff. , R. Mayntz, Wissenschaftliche Auswertung, S. 59, H.J. Schürmann, Rationale Umweltpolitik, S. 620 ff. , B. S. Frey, Umweltökonomie, s. 1 06 ff. 5 7 Vgl. z. B. R. Mayntz, Wissenschaftliche Auswertung, S. 58, B.S. Frey, Umweltökono­ mie, S. 105. 58 Hierbei entscheiden u. U. Modeströmungen oder ideologische Präferenzen für bestimmte Instrumente, vgl. R. Mayntz, Wissenschaftliche Auswertung, S . 60 f.

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1 . Kap.: Einführung und Grundlagen

d. h., die Zielerreichung erfolgt nicht mit dem geringst möglichen Mittelein­ satz; als Vorzüge werden ökologische Wirksamkeit, politische Durchsetzbar­ keit und Praktikabilität genannt 59 • Ökonomen schätzen tendenziell das Kriterium der ökonomischen Effi­ zienz als recht bedeutsam ein; sie räumen folglich entsprechend ausgestalte­ ten Abgaben- und Lizenzlösungen den Vorzug ein; Einsatzmöglichkeiten für andere Instrumente werden nur in Ausnahmefällen aufgrund bestimmter Umweltsituationen gesehen. Auch die Diskussion der neueren US­ Luftreinhaltepolitik resultiert daraus, daß dort volkswirtschaftlichen Effi­ zienzgesichtspunkten vermehrt Beachtung zu schenken versucht wird. Das geschieht durch Modifikation der Auflagenlösung in Form eines staatlich kontrollierten Umwelthandels 60 • Aufgrund spezifischer Vor- und Nachteile einzelner Instrumente wird auch versucht, durch kombinierten Einsatz ihre jeweiligen Vorteile bei gleichzeiti­ gem Vermeiden ihrer Nachteile zu nutzen6 1 • So wird z. B. einhellig betont, daß eine Stärkung des Umweltbewußtseins Bestandteil einer jeglichen Umweltpolitik sein muß62 • Ebenso wird Subventionen in Kombination mit regulativer Politik oder Abgaben als Übergangsinstrument und zur Vermei­ dung unerwünschter Härten Bedeutung eingeräumt6 3 • 59 Zu Gründen für die Beliebtheit regulativer Politik s. o., A. II. Zu Vor- und Nachteilen der einzelnen Instrumente bzgl. der Beurteilungskriterien vgl. J. Hucke, H. Wollmann, Wirkung von Gesetzen, S . 65 ff., L. Wicke, Umweltökonomie, S. 245 ff. , {K.j Lange, Funk­ tionsbedingungen, S. 1 66 ff. Die Beurteilung einzelner Instrumente erfolgt dabei z. T. durchaus kontrovers. So treten z. B. Hucke und auch Nagel den üblichen Argumenten für Markt- oder Steuerlösungen entgegen und favorisieren regulative Politik, vgl . J. Hucke, Politische Handlungsspielräume, S. 95, G. Nagel, Standards versus Steuern, S. 1 2 ff. Inter­ essant ist, daß auch Unternehmungen selbst Auflagenlösungen den Vorzug geben, vgl. hierzu A. A. Ullmann, Industrie und Umweltschutz, Tab. 3-5, 3-6 ( o.S. ), D. Ewringmann, K. Zimmermann, Umweltpolitische Interessenanalyse, S. 76: Die Unternehmen versprechen sich hierbei wohl "größere bargaining-Spielräume gegenüber den für den Vollzug zuständi­ gen Institutionen" als bei Abgaben, ebenso S. Frowein, Emissionsabgaben und Verschmut­ zungsrechte, S. 106. Zum gleichen Ergebnis kommen J. M. Buchanan, G. Tu/lock, Polluters' Profits, S. 146 f. 60 Vgl. hierzu L. Wicke, Flexible Auflagenlösungen, S. 127 ff., ders., Umweltökonomie, S. 108 ff., B. Schärer. Ökonomische Wege, S. 237 ff., H. von Lersner, Mehr Umweltschutz, S. 270, H. Zimmermann, Ökonomische Anreizinstrumente, vgl. auch Perl/Dunbar (L. J. Perl. F. C. Dunbar. Cost Effectiveness, S. 208 ff.), die aufgrund von Modellrechnungen auf die (bis zu doppelt so) hohen Kosten traditioneller Luftreinhaltepolitik in den USA im Vergleich zu anderen Instrumenten (bei jeweils gleicher Emissionsreduzierung) hinweisen. Zur Praxis der Umweltpolitik in den USA, die die theoretischen Vorgaben z. T. konterka­ riert, vgl. o. V., Fassade, S. 1 30 ff. 61 Vgl. H. C. Binswanger, H. Bonus, M. Timmermann, Wirtschaft und Umwelt, S. 152 f., die in diesem Zusammenhang den Begriff der gemischten Strategie (im Gegensatz zur reinen Strategie) benutzen. 62 Vgl. B. S. Frey, Umweltökonomie, S. 1 10, L. Wicke, Umweltökonomie, S. 144, H. C. Binswanger, H. Bonus, M. Timmermann, Wirtschaft und Umwelt, S. 1 34, M. Bothe. L. Gündling, Tendenzen des Umweltrechts, S. 1 10.

C. Determinanten der einzelwirtschaftlichen Entscheidung

33

C. Determinanten der einzelwirtschaftlichen Entscheidung über eine Auflagenbefolgung Entscheidungen darüber, ob Auflagen befolgt werden, sind individuelle Entscheidungen der Auflagenadressaten. Aus diesem Grunde muß eine ein­ zelwirtschaftliche Analyse zum einen auf Ziele der Entscheidungsträger ein­ gehen. Bedeutsam sind zum anderen aber auch die zur Auswahl stehenden Alternativen selbst. Ziele und Handlungsmöglichkeiten sollen daher an die­ ser Stelle grundsätzlich charakterisiert werden; erst im Zweiten Kapitel erfolgt ihre Konkretisierung im einzelnen. I. Zielsystem der Unternehmung

Entscheidungen über die Befolgung von Auflagen unterliegen grundsätz­ lich den gleichen Einflußfaktoren wie andere Entscheidungen auch. Im fol­ genden ist daher auf generelle Handlungsweisen des Aktors und ihnen zugrundeliegende Determinanten einzugehen, soweit sie im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung sind. Es sei dabei in drei Schritten vorgegan­ gen. Zunächst sollen Grundeinstellungen zu Rechtsnormen erörtert werden. Sie entscheiden z. B. darüber, ob ein Normverstoß in Form einer Auflagen­ verletzung für einen Aktor überhaupt in Betracht kommen kann. Alsdann ist auf die individuelle Zielsetzung einzugehen. Hier sind mögliche unternehme­ rische Ziele und Zielbeziehungen allgemein und ihre Beeinflussung durch Umweltschutzaspekte zu diskutieren. Abschließend müssen die Möglichkei­ ten zur Berücksichtigung der Unsicherheit bei Entscheidungen untersucht werden, da die Konsequenzen des Auflagenverstoßes unsicherheitsbehaftet sind. 1 . Grundeinstellung zu Rechtsnormen

Grundeinstellungen zu Rechtsnormen berühren Moral- und Wertvorstel­ lungen der Gesellschaft als Ganzer. Unter dem Begriff „Grundeinstellung" soll hier als Synonym zum Terminus „Rechtsbewußtsein" die innerliche Bejahung von Rechtsnormen verstanden werden64 • Werden Normen abge­ lehnt, könnte man von fehlendem Rechtsbewußtsein oder, wie im folgenden, von illoyaler Grundeinstellung reden. Das Rechtsbewußtsein kann sich auf

63 Vgl. //.] Voge/sang, Funktionsbedingungen, S. 1 78 f., H. C. Binswanger, H. Bonus, M. Wirtschaft und Umwelt, S . 1 38 f., 1 53, L. Wicke, F. Schajhausen, Durchset­ zung des Umweltschutzes, S. 463. 64 Vgl. M. Rehbinder, Rechtskenntnis, Rechtsbewußtsein und Rechtsethos, S. 29. Timmermann,

3 Terhan

34

1 . K a p . : Einführung und Grundlagen

einzelne Normen oder auch ihre Gesamtheit beziehen. Eine begriffliche Differenzierung erscheint im vorliegenden Zusammenhang nicht not­ wendig65 . Eingebettet ist das Rechtsbewußtsein in die allgemeinen Moralvorstellun­ gen der Gesellschaft, wobei „Moral" die innere Bejahung der herrschenden Sitten- und Rechtsordnung bezeichnet 66. ,,Wirtschaftsmoral" bezeichnet dann die auf das wirtschaftliche Leben und die wirtschaftlichen Beziehungen gerichtete Moralvorstellung6 7 . Unterschiedliche Grade an Rechtsbewußtsein drücken sich im Internalisierungsgrad von Normen beziehungsweise in der sogenannten „normativen Abweichung" aus, die ein Maß für die innerliche Abweichung von einer Norm darstellt6 8 . Bei starker Bejahung von Rechts­ normen liegt ein hoher Internalisierungsgrad, ein hoher Grad an Identifizie­ rung mit den ihnen zugrundeliegenden Wertvorstellungen vor; in diesem Fall ist andererseits die normative Abweichung gering. Die Grundeinstellung zu Rechtsnormen kann ein breites Spektrum mögli­ cher Grundhaltungen umfassen, die zwischen zwei Extrempositionen ange­ siedelt sind: Zum einen die hier so genannte „loyale Haltung" , zum anderen eine Position, die mit „Gleichgültigkeit" oder „Illoyalität" bezeichnet werden soll. Die ,,loyale Haltung" ist dadurch gekennzeichnet, daß der Entschei­ dungsträger unabhängig von der persönlichen Einstellung zum jeweils gere­ gelten Bereich in seinem Verhalten Normen stets beachtet und einhält. Dies gilt insbesondere für Gesetze, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvor­ schriften, Auflagen usw. Sie stellen bei seinen Entscheidungen nicht verletz­ bare Nebenbedingungen dar. Ein solcher Aktor ist bevorzugtes Untersu­ chungsobjekt der Ö konomie, in der illegales Verhalten aus den verschiedensten Gründen aus Analysen ausgeschlossen wird69 • Die Position des illoyalen Entscheidungsträgers läßt Verletzungen der Rechtsnormen zu. Im Bereich dieser Grobeinteilungen sind eine ganze Reihe von Zwischen­ haltungen denkbar 70 , die in Abb. 1 angedeutet seien. Mögliche Überschnei­ dungen zwischen einzelnen Abstufungskriterien sind in der Abbildung durch gestrichelte Pfeile gekennzeichnet. 65 Vgl. zu Begriffsabgrenzungen M. Rehbinder, Rechtskenntnis, Rechtsbewuß tsein und Rechtsethos, S. 30 f. 66 Vgl . G. Schmölders, Finanz- und Steuerpsychologie, S. 7 5 . 67 Vgl . P. J. The/en, Wirtschaftskriminalität, S. 1 06. 68 Zur Internalisierung vgl. G. Wiswede, Soziologie abweichenden Verhaltens, S. 83 f.; speziell bzgl. Wirtschaftskriminalität (zu der als ein Unterfa ll auch Umweltkriminalität gerechnet wird) R. Arold, Einstellungen, S . 1 9 ff. ; zur normativen Abweichung vgl . K.-D. Opp, Soziologie im Recht, S. 1 96 f. 6 ' Vgl. G. S. Becker, Der ökonomische Ansatz, S. 41 und Fn. 1 ebenda, bzgl. der Einzelwirtschaftslehre auch P. J. Thelen, Wirtschaftskriminalität, S. 1 07 . Ähnlich - aller­ dings bezogen auf die Einbeziehung illegaler Aktionsmöglichkeiten in die (Steuer-) Bilanz­ politik - D. Rück/e, Normative Theorie, S. 3 2 1 ff. 70 Vgl . ansatzweise R. A rold, Einstellungen , S. 21 f.

C. Determinanten der einzelwirtschaftlichen Entscheidung

35

Abb. 1: Mögliche Grundeinstellungen zu Rechtsnormen

loyale Haltung

illoyale

� absolute

abgestufte Gleichgültigkeit

Gleichgültigkeit

Abstufung nach Sank­ tionierbar­ kei t ( Grenzver­ halten )

Zunächst kann zwischen absoluter und abgestufter Gleichgültigkeit unter­ schieden werden. Während bei absoluter Gleichgültigkeit die Art der miß­ achteten Rechtsnormen ohne Bedeutung ist und bei der Erwartung persönlicher Vorteilsziehung gegen jedwedes Recht verstoßen wird, vollzieht die Haltung abgestufter Gleichgültigkeit hier eine Unterscheidung, die nach verschiedenen Gesichtspunkten erfolgen kann. Eine Möglichkeit ist die Abstufung nach Tatschwere. Handelt es sich bei Delikten etwa um Verstöße im Sinne des Verwaltungsrechts, das heißt Ord­ nungswidrigkeiten, so werden Übertretungen auch bewußt in Kauf genom­ men. Bei schwereren Taten, die in den Bereich der Kriminalität gehören, werden Rechtsnormen jedoch beachtet und nur legale Aktionsmöglichkeiten zu den zugelassenen Handlungsalternativen gezählt. Der Aktor schreckt bei dieser Einstellung vor Kriminalität zurück. Diese nach Tatschwere abstu­ fende Grundhaltung, bei der in der Ansicht des Handelnden leichtere Norm­ verstöße möglich sind, dürfte in der Realität weite Verbreitung besitzen und insbesondere in bestimmten Rechtsbereichen Bedeutung erlangen; viele Beispiele aus dem täglichen Leben, angefangen von Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung und gegen Steuergesetze bis zu Müllablagerungen auf „wilden" Müllkippen, belegen das7 1 • 71 Zur weiten Verbreitung von Steuerdelikten vgl . R. Arold, Einstellungen, S. 83, 85, 248 f., zu auch anderen Bereichen vgl . A. Diekmann, Befolgung von Gesetzen, S. 1 1 .

3•

36

1. Kap. : Einführung und Grundlagen

Wenn als leichter angesehene Normverstöße nicht generell, sondern nur in bestimmten Rechtsbereichen vom Aktor als zulässig angesehen werden, tritt eine Überschneidung der Abstufung nach Tatschwere mit derjenigen nach Regelungsbereich auf. Letztere ist durch eine „gespaltene" Einstellung derart charakterisiert, daß z. B. allgemein gehaltene Normen oder Normen aus bestimmten Regelungsbereichen befolgt, konkretere Vorschriften oder sol­ che aus anderen Regelungsbereichen aber durchaus auch mißachtet werden72 . Eine andere Unterscheidungsmöglichkeit bei der Position der abgestuften Gleichgültigkeit basiert darauf, welche Arten von Strafen in Kauf genommen werden. Der Entscheidungsträger erachtet eventuell neben Ordnungswidrig­ keiten auch Straftaten als zulässig, soweit sie „lediglich" mit Geldstrafen geahndet werden; vor mit Freiheitsstrafen sanktionierten Handlungen schreckt er aber weiterhin zurück 73 • Gemäß einer weiteren Abstufung werden Normen schließlich dann ver­ letzt, wenn der Aktor damit rechnet, daß geringfügige Überschreitungen nicht sanktioniert werden beziehungsweise nicht entdeckt oder nicht genü­ gend schlüssig bewiesen werden können. Für viele Bereiche wird diesem ,,Grenzverhalten" beziehungsweise dieser „Grenzmoral" besondere Bedeu­ tung beigemessen74 • Das Rechts bewußtsein einer Person hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z. B. der Sozialisation, der Einstellung der relevanten sozialen Gruppe, der Art der Normen7 5 • Die Ausgestaltung des Rechtsbewußtseins bestimmt die generelle Bereitschaft, von Normen abzuweichen. 72 Vgl. für den Wirtschaftsbereich D. K. Pfeijfer, S. Scheerer, Kriminalsoziologie, S. 98. „Normative Bewußtseinsinhalte universalistischer Prägung werden mit zunehmender Konkretisierung aufgeweicht: während der Satz ,Du sollst den Gesetzen gehorchen' allge­ mein und sogar der Geltungsanspruch der Wirtschaftsgesetze grundsätzlich bejaht wird, schwindet der Grad der Folgebereitschaft mit zunehmender Konkretisierung, bis er im Einzelfall in offene Ablehnung umschlägt" (ebenda, S. 98), ähnlich Arold, der in diesem Zusammenhang von einem Normsplitting (bzgl. wirtschaftsregulativer und sozialübergrei­ fender Normen) spricht, vgl. R. Aro/d, Einstellungen, S. 22, ähnlich R. A. Kagan, J. T. Scholz, Criminology of the Corporation, S. 354, 361; vgl. allgemein A. Diekmann, Befol­ gung von Gesetzen, S. 11, ähnlich C. R. Tittle, Punishment and Deterrence, S. 99, der dieses im Zusammenhang mit der Abschreckungswirkung von Sanktionen erörtert (.,Some norms are thought to provoke obedience irrespective of sanctions while others seem to invite disobedience despite provisions for sanctions" , S. 99). 73 Vgl. ähnlich C. Seid/, Theorien der Steuerdisziplin, S. 65. Überschneidungen mit der Abstufung nach Tatschwere sind dadurch möglich, daß schwerere Delikte tendenziell auch mit härteren Sanktionen belegt werden. 74 „Grenzverhalten übt, wer am untersten Rand des Erlaubten operiert und diesen Rand gerade soweit überschreitet, daß Entdeckung nicht zu befürchten ist oder nicht schaden kann", T. Menck, Grenzverhalten, S. 1859. Zum Begriff der Grenzmoral und ihrer Einord­ nung in die Wirtschaftsmoral vgl. P. J. Thelen, Wirtschaftskriminalität, S. 106 ff. , m. w. N. 75 Vgl. D. K. Pfeif/er, S. Scheerer, Kriminalsoziologie, S. 97 f., A. Diekmann, Befolgung von Gesetzen, S. 133, G. Kaiser, Kriminologie, S. 171, 289, R. E. Lane, Why Businessmen Violate the Law, S. 109 f.

C. Determinanten der einzelwirtschaftlichen Entscheidung

37

Bei Loyalität kommt ein Normverstoß nicht in Betracht 76 • Bei Illoyalität in Form absoluter Gleichgültigkeit ist eine Normverletzung grundsätzlich mög­ lich. Ob sie im konkreten Einzelfall erfolgt, richtet sich danach, ob der Ent­ scheidungsträger seine Ziele besser durch Normverstoß oder durch Normbe­ folgung erreicht 77 . Bei abgestufter Gleichgültigkeit kommt ein Normverstoß erst dann in Betracht, wenn das Abstufungskriterium erfüllt ist. Ist diese Voraussetzung eingehalten, erfolgt die Einzelfallentscheidung ebenfalls anhand des Zielerreichungsgrades der jeweiligen Alternativen. Der folgenden Untersuchung liegt der Typ der Illoyalität mit grundsätzli­ cher Bereitschaft zur Begehung von Delikten im Umweltbereich zugrunde. Gerechtfertigt ist diese Annahme durch den Untersuchungsgegenstand (Ver­ besserungsvorsahläge 78 ). Sie kann sich außerdem auf die häufig vertretene Auffassung stützen, daß ein Mindestmaß an Abweichungsbereitschaft besteht, wenn Normen den eigenen Interessen zuwiderlaufen79 ; speziell für den Umweltbereich wird in diesem Sinne etwa darauf hingewiesen, daß die Bereitschaft zu umweltgerechtem Verhalten häufig dann aufhört, wenn indi­ viduelle Nachteile zu erwarten sind 8°. Die Auswirkungen der unterschiedli­ chen Abstufungen der Illoyalität sind im Einzelfall besonders zu beachten. Auf ein Problem ist in diesem Zusammenhang noch hinzuweisen. So klar sich die Differenzierungen bei der Grundeinstellung gedanklich abgrenzen lassen, so schwierig kann die Klassifizierung im konkreten Einzelfall sein. Die Grenze zwischen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten z. B. ist nämlich fließend, da eine normalerweise bloß ordnungswidrige Handlung in schwe­ ren Fällen zu einer Straftat wird 8 1 ; erst recht gilt dies für die Abstufung zwischen Freiheits- und Geldstrafen, da zumeist beide Sanktionsdrohungen alternativ in den Gesetzen vorzufinden sind 8 2 und erst die richterliche Würdi76 Dies entspräche - entscheidungstheoretisch gesprochen - einer lexikographischen Präferenzordnung, bei der Rechtsbewußtsein in Form der Loyalität an erster Stelle stünde, vgl. C. Seid!, Theorien der Steuerdisziplin, S. 65. 77 Vgl. ähnlich D. Rückle, Interessenausgleich, S. 523 f. n Vgl. oben A . III. 79 Vgl . J. Hucke, E. Bohne, Reaktionsmuster, S. 184 (im Zusammenhang mit der Einfüh­ rung staatlicher Normen), Mayntz, R. , Wissenschaftliche Auswertung, S. 63, W. Jubelius, S. Klein-Schonnefeld, Kriminalität der Mächtigen (sie sprechen für den Bereich der „Krimi­ nalität der Mächtigen" von einer „Normalität von Gesetzesverstößen" , S. 30); mit gleicher Tendenz auch die Literatur in Fn. 72. 81 1 Vgl . L. Wicke, Umweltökonomie, S. 1 40, 1 44, G. H. Roth, Effektivitätsprobleme, S. 1 163. Gefördert wird die Abweichungsbereitschaft im Bereich der Wirtschafts- und Umweltdelikte durch - die Anonymität der Opfer und die - Überindividualität der a ngegriffenen Rechtsgüter. Hierdurch schwinden die moralischen Hemmungen, das Klarwerden des Unrechtsgehalts der Tat wird erschwert, vgl. P. J. The!en, Wirtschaftskriminalität, S. 49 ff. 81 Vgl. die Hinweise in Bußgeldkatalogen, die auf die Prüfung der eventuellen Strafbar­ keit einzelner Delikte hinweisen, vgl. z. B. Bußgeldkatalog NW, S. 0360- 1 7 ff. 82 Vgl. §§ 324 ff. StGB.

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1. Kap. : Einführung und Grundlagen

gung der Tat im Einzelfall zu einer Entscheidung führt. Im gesamten Straf­ recht ist die subjektive Komponente (etwa Handeln aus Fahrlässigkeit oder Vorsatz) von essentieller Bedeutung; bezüglich der subjektiven Elemente bestehen aber vielfach Beweisschwierigkeiten, die je nach Einzelfall unter­ schiedlich stark ausgeprägt sein können. 2. Individuelle Zielsetzung

Besteht grundsätzlich die Bereitschaft zu Normverstößen, entscheidet der Aktor über die Auflagenbefolgung oder -nichtbefolgung anhand der jeweili­ gen zielfördernden Auswirkungen dieser Handlungsmöglichkeiten. Folglich muß auf die individuelle Zielsetzung eingegangen werden. Ziele stellen „Aussagen über erwünschte Zustände dar, die als Ergebnis von Verhaltensweisen eintreten sollen" 83 • Im Zuge vertiefter betriebswirt­ schaftlicher Zielforschung wurde die Vorstellung einheitlicher Willensbil­ dung und Entscheidungskompetenz zugunsten differenzierter Modelle abgelöst. In diesem Zusammenhang wurde auch die Unterscheidung zwi­ schen eigenen Zielen der Unternehmensbeteiligten und Zielen der Unterneh­ mung getroffen; beide Gruppen von Zielen sind nicht notwendigerweise gleich und daher grundsätzlich auseinanderzuhalten84 • In dieser Arbeit soll aber vereinfachend nur auf die Ziele von Unternehmungen (beziehungsweise Ziele, die entsprechend befugte Unternehmensbeteiligte als Ziele der Unter­ nehmung festgelegt haben) abgestellt werden. Die betriebswirtschaftliche Zielforschung sieht ein ganzes Zielbündel als motivierend für ökonomische menschliche Betätigung an 85 • Das Zielsystem der Unternehmungen kann monetäre und nicht-monetäre Zielgrößen enthal­ ten. Als besonders bedeutsam angesehen und in betriebswirtschaftlichen Untersuchungen daher primär analysiert werden monetäre Ziele wie z. B. das Streben nach Gewinn, Umsatz oder Entnahmemöglichkeiten 86 • Je nach dem angestrebten Ausmaß der Zielerreichung werden Extremierung (Maximie­ rung oder Minimierung einer Zielgröße) und Satisfizierung (Mindest- bezie­ hungsweise befriedigende Zielerreichung) unterschieden. In der Gruppe der nicht-monetären Ziele werden konkret beispielsweise Macht- und Unabhän­ gikeitsstreben sowie das Bemühen um Prestige und soziales Ansehen genannt 87 • In diese Gruppe gehören auch betriebliche Ziele im Umweltbe-

83 P. Kupsch, Unternehmungsziele, S. 15, m. w. N. , H. Ulrich, Unternehmung, S. 1 87. 84 Vgl. W. Kirsch, Entscheidungsprozesse, S. 1 32 ff. , P. Kupsch, Unternehmungsziele, S. 4 ff., M. Bischof/. Multivariable Zielsysteme, S. 1 23 ff. " Vgl. J. Bidlingmaier, Zielkonflikte und Zielkompromisse, S. 24 ff., U. Schmidt­ Sudhoff. Unternehmerziele, S. 43 ff. , jeweils m. w. N. " 6 Vgl. z. B. J. Hauschildt, Zielsysteme, Sp. 2423, E. Heinen, Grundlagen, S. 59 ff. " Vgl. z. B. E. Heinen, Grundlagen, S. 77 ff. , U. Schmidt-Sudhoff. Unternehmerziele, S. 49 ff.

C. Determinanten der einzelwirtschaftlichen Entscheidung

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reich, sofern die Unternehmung auf diesem Gebiet eigenständige Unterneh­ mensziele formuliert hat und verfolgt. In der folgenden Analyse steht das Gewinnziel im Vordergrund. Hiermit wird nicht die Existenz anderer Ziele geleugnet, sondern nur unterstellt, daß sonstige mögliche Ziele lediglich bis zu - entweder selbst gesetzten oder von außen vorgegebenen - Mindestniveaus verfolgt werden. Bis zur Einhaltung dieser Mindestniveaus sind diese Ziele Hauptziele. Können die Mindestni­ veaus aber erreicht werden, gehen die entsprechenden Ziele nurmehr als Nebenbedingungen in das Entscheidungsmodell ein, und die Gewinnmaxi­ mierung wird unter Einbeziehung ebendieser Restriktionen betrieben. Für die Analyse anhand des Gewinnzieles spricht einerseits die erst hier­ durch mögliche überschaubare Behandlung von Entscheidungproblemen. Andererseits scheint es im Vergleich zu anderen möglichen Zielen und trotz gegenteiliger Beteuerungen von Unternehmungen anläßlich empirischer Untersuchungen von besonderer praktischer Relevanz zu sein 88 • Auf der Basis dieser Zielsetzung ist ein Normverstoß, der erst bei entspre­ chend ausgestaltetem Rechtsbewußtsein überhaupt möglich wird, als ökono­ misch vorteilhaft, das heißt konkret, gewinnsteigernd zu verstehen 8 9 • Über den Normverstoß wird im übrigen mit gleicher Rationalität entschieden wie über jeden anderen Sachverhalt90 • Unter der Prämisse einer für diesen Bereich geltenden Einheit von Unter­ nehmung und Mitarbeitern, die hier gesetzt werden soll, werden in einen solchen Kalkül auch Sanktionen gegen Geschäftsführer, Vorstandsmitglie­ der und andere Mitarbeiter einbezogen. Etwaige Straf- oder Bußgelder bei Normverstößen im Unternehmen werden also nicht den Personen, gegen die sie verhängt werden, zugerechnet, sondern von der Unternehmung getragen und von ihr als entscheidungsrelevant berücksichtigt9 1 , Zu erörtern bleibt, welche Stellung der Umweltschutz im unternehme­ rischen Zielsystem einnimmt. In langfristiger Sicht besitzen die Umweltauswir­ kungen der Unternehmenstätigkeit sicherlich wachsenden Einfluß auf den unternehmerischen Erfolg, führen Umweltbewußtsein und Bewußtseinswan" Vgl . H. Koch, Betriebliche Planung, S. 1 8 ; zur Problematik der Ergebnisse empiri­ scher Untersuchungen vgl . H. Strebei, Umwelt und Betriebswirtschaft, S. 47, 5 1 , M. Bischoff, Multivariable Zielsysteme, S. 1 02 ff. •• Dies steht i m Einklang mit zahlreichen Äußerungen in der Literatur, die als bedeu­ tende (Mit-)Ursache für Normübertretungen ökonomische Gründe anführen . Vgl . R. E. Lane, Why Businessmen Violate the Law, S. 103 ff. , P. J. Thelen, Wirtschaftskriminalität, S. 77 f. , R. A. Kagan, J. T. Scholz, Criminology of the Corporation, S . 354, 356 f. , vgl . auch G. H. Roth, Effektivitätsprobleme, S. 1 1 63. •11 Vgl . oben A . I I I . " Vgl . zur „Übernahme von Geldstrafen, Geldbußen u n d Verfahrenskosten durch das Unternehmen" H. P. Sander, Umweltstraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 49 ff. , (Zitat von S. 49).

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1 . Kap.: Einführung und Grundlagen

del zu entsprechenden Verschiebungen im Zielsystem der Unternehmung 9 2 • Hier interessiert der kurzfristige Aspekt. Eine Gleichrangigkeit von Gewinn­ und Umweltziel wird nur in den seltensten Fällen anzutreffen sein, da keine Unternehmung letztlich des Umweltschutzes wegen betrieben wird93 • Eine Gleichrangigkeit wird von Unternehmungen auch manchmal vorgegeben, 94 trifft in der Realität aber nicht zu • Andererseits können Umweltschutz­ aspekte nicht gänzlich vernachlässigt werden; Umweltschutz stellt dann eine Nebenbedingung unternehmerischen Handelns dar95 •

Bedeutsam für eine etwaige gesellschaftliche Zielerreichung im Umwelt­ schutz ist die Frage nach der Beziehung des Umweltschutzes zum unterneh­ merischen Gewinnziel. Oft wird eine durchgängige Konkurrenz zwischen Gewinn- und Umweltschutzzielen angenommen, das heißt, die Meinung vertreten, daß umweltschützende Maßnahmen stets mit Zielverzichten im Bereich des Gewinns verbunden seien96 • Diese Auffassung ist sicherlich zu eng 97 • So bieten Bemühungen im Umweltschutzbereich vielfach die Möglich­ keit zu Innovationen und entsprechenden Innovationsgewinnen. Auch wer­ den eigene Umweltschutzanstrengungen gerne in Sozialbilanzen und Informationsschriften zu Public-Relations-Zwecken genutzt, was letztlich auch der Erreichung von Unternehmungszielen dienen soll. Schließlich gibt es umweltschützende Maßnahmen, vor allem im Recyclingbereich, die unmittelbar gewinnbringend sind; bei deren - vom Gewinnstreben geleite­ ten - Durchführung kann die Unternehmung zusätzlich den angenehmen Nebeneffekt nutzen, als umweltbewußt zu gelten. In diesen Fällen besteht Komplementarität zwischen Gewinn- und Umweltschutzziel, so daß die Zielerreichung in beiden Bereichen zugleich 92

Vgl. ansatzweise A. Picot, Umweltbeziehungen, S. 65. Vgl. auch K. H. Dunst, Portfolio-Management, S. 27 f., H. Ulrich, Management-Philosophie, S. 503 . 9 ' Vgl. H. Strebei, Umwelt und Betriebswirtschaft, S. 48, 5 1 f. , A. Kötzle, Eignung von Subventionen, S. 1 1 5 . 94 Vgl . H . Strebei, Umwelt und Betriebswirtschaft, S . 47, 5 1 , allgemein bzgl. sozialer Verantwortung und Gewinnziel der Unternehmung auch G. S. Becker, Der ökonomische Ansatz, S. 1 3. 95 Vgl. H. Strebei. Umwelt und Betriebswirtschaft, S. 48, R. Hillebrand, Umweltschutz als Restriktion, S. 1 94 1 , 1 946. 96 Vgl . H. Strebei, Umwelt und Betriebswirtschaft, S. 49, m. w. N.; zu Zielbeziehungen a llgemein vgl. E. Heinen, Grundlagen, S. 94 ff. , J. Bidlingmaier, Zielkonflikte und Zielkom­ promisse, S. 43 ff. 97 Vgl. zu dieser Einschätzung und zu den folgenden allgemeinen Beispielen für Ziel­ komplementarität R. -B. Schmidt, Unternehmungsphilosophie und Umweltschutz, S. 1 29, 1 37, B. Schultheiß, Umweltschutz- und Rohstoffprobleme (Untertitel: Kostensenkung durch betriebliche Wiederverwendungskreisläufe), S. 107 f., H. Strebei, Umweltschutz in der Rezession, S. 61 ff. Konkrete Beispiele für Zielkomplementa rität u. a. bei K. C. Leung, J. A. Klein. Environmental Control Industry, S. 28 ff. , M. G. Royston. Wie man mit Umweltschutz Kasse macht, S. 56 ff., o. V. , Die Luft muß raus ! , S. 76, auch R.-D. Bru­ nowsky, Unternehmer und Umweltschutz, Teil I , S. 64, 74.

C. Determinanten der einzelwirtschaftlichen Entscheidung

41

gesteigert werden kann. Eine generelle Zielkomplementarität ist aber eben­ falls nicht anzunehmen. So kann eine für sich gewinnbringende Umwelt­ schutzmaßnahme in Konkurrenz zum Gewinnziel treten, wenn die Rentabilität (Gewinn/Kapitaleinsatz) der umweltschützenden Maßnahme geringer ist als jene anderer Aktivitäten, auf die wegen Ressourcenverbundes in irgendeinem Bereich (z. B. bei Kapitalknappheit) verzichtet werden müßte. Der Fall der Konkurrenz zwischen Gewinn und Umweltschutz kann als repräsentativ für die Erteilung von Auflagen an Unternehmungen angesehen werden. Wäre nämlich die Durchführung der Maßnahmen, auf die sich die Auflage bezieht, gewinnsteigernd, würde die Unternehmung sie ohnehin durchführen beziehungsweise durchgeführt haben. Besitzt die Unterneh­ mung keine eigenständigen Umweltziele oder - andernfalls - gewisse, jedoch bereits erreichte Mindestniveaus in diesem Bereich, so werden freiwil­ lig keine (weiteren) Maßnahmen durchgeführt. Werden ihr Auflagen erteilt, wird sie - bei entsprechendem Rechtsbewußtsein - die Entscheidung über die Auflagenbefolgung oder -nichtbefolgung von einem Vergleich der Gewinnwirkungen dieser Handlungsmöglichkeiten abhängig machen. 3. Berücksichtigung der Unsicherheit

Betriebliche Entscheidungen sind oft als Entscheidungen unter Unsicher­ heit zu treffen. Aufgrund der Unsicherheit besteht die Gefahr, daß ange­ strebte Ziele nicht erreicht werden und Abweichungen der Zielerreichungs­ grade nach unten auftreten. Sind Alternativen in unterschiedlichem Maße unsicherheitsbehaftet, sollte der modifizierende Einfluß der Unsicherheit auf das Gewinnziel berücksichtigt werden. Im hier interessierenden Zusammen­ hang ist insbesondere der Auflagenverstoß von Unsicherheit bezüglich der Konsequenzen geprägt, während die Auflagenbefolgung hinsichtlich ihrer Gewinnauswirkungen als nahezu sicher angesehen werden kann. Unsicherheitssituationen sind dadurch gekennzeichnet, daß einer Hand­ lungsmöglichkeit nicht mehr ein bestimmtes (z. B. Gewinn-)Ergebnis zuge­ ordnet werden kann, sondern jeweils mit mehreren möglichen Ergebnissen gerechnet werden muß. Situationen unter Unsicherheit lassen sich unterteilen in Fälle der Ungewißheit und des Risikos. Erstere sind dadurch charakteri­ siert, daß dem Aktor keine Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten der möglichen Umweltzustände bekannt sind; bei Risikosituationen kann er demgegenüber subjektive oder objektive Eintrittswahrscheinlichkeiten für die Umweltzustände angeben98 . Hier relevant sind Risikosituationen. '

8

Dies ist die heute überwiegend verwendete Einteilung in der Literatur, vgl. H.

Schneeweiß, Entscheidungskriterien, S. 1 2, G. Bamberg, A. G. Coenenberg, Entscheidungs­

lehre, S. 22, 60, 96.

42

1. Kap.: Einführung und Grundlagen

Zur Ableitung von Entscheidungen in Risikosituationen werden in der Literatur grundsätzlich zwei Wege vorgeschlagen. Zum einen werden ver­ schiedene - als klassisch bezeichnete - vereinfachende Entscheidungsprin­ zipien unterbreitet, die die Entscheidung auf Basis nur einiger (oder eines) Verteilungsparameter(s) der Wahrscheinlichkeitsfunktion treffen 99 • So ver­ wendet das µ-Kriterium als alleinigen Entscheidungsparameter den Ergebniserwartungswert der jeweiligen Aktion. Um in Erweiterung des rei­ nen µ-Kriteriums unterschiedliche Streuungen der Ergebnisse berücksichti­ gen zu können, werden als Unsicherheitsmaß weitere Verteilungsparameter in das Entscheidungskriterium aufgenommen. Beispiel für solche zweidimen­ sionalen Entscheidungsprinzipien ist etwa das µ-a-Prinzip, das neben dem Erwartungswert die Standardabweichung a ( oder die Varianz a 2 ) einbezieht; in anderen Entscheidungsprinzipien werden Extremmaße wie z. B. das schlechtestmögliche Ergebnis oder die Verlustwahrscheinlichkeit mitberück­ (111 sichtigt ! . Die andere Möglichkeit basiert auf der Bernoulli-Nutzentheorie; hierbei wird die gesamte Wahrscheinlichkeitsverteilung bei der Ableitung der Ent­ scheidung berücksichtigt. Mittels einer Risiko-Nutzenfunktion (als funktio­ naler Verknüpfung von unsicheren Ergebniswerten und Risiko-Nutzen) werden die Ergebniswerte der Handlungsmöglichkeiten in Risiko-Nutzen als Ausdruck individueller Wertschätzung unsicherer Ergebnisse umgerech­ net H1 1 . Im konkreten Verlauf der Risiko-Nutzenfunktion, der prinzipiell durch Befragung des Entscheidungsträgers ermittelt werden kann, drücken sich Art und Ausmaß der Risikoeinstellung des Aktors aus 1 02 • Die optimale Handlungsmöglichkeit zeichnet sich durch den maximalen Erwartungswert des Risiko-Nutzens aus. Gestützt wird die Bernoulli-Nutzentheorie auf Axiome rationalen Verhaltens, die nicht weiter beweisbare, jedoch möglichst plausible Grundvoraussetzungen für Rational verhalten darstellen sollen 1 0 3 . Das Bernoulli-Prinzip läßt sich zwingend aus entsprechend entwickelten Axiomen ableiten, so daß man bei ihrer Akzeptierung notwendigerweise das Bernoulli-Prinzip als rational ansehen muß. 99 Zur Darstellung vgl. H. Schneeweiß, Entscheidungskriterien, S. 48 ff., M. Bitz. Ent­ scheidungstheorie, S. 90 ff. "'11 Vgl. M. Bitz, Entscheidungstheorie, S. 98 ff. , H. Schneeweiß, Entscheidungskriterien, s. 48 ff. 1 11 1 Vgl. zu den Begriffen „Risiko-Nutzenfunktion" und „Risio-Nutzen" z. B. M. Bitz, Entscheidungstheorie, S. 428. In diesem Zusammenhang ist zwischen Geld-Nutzen und Risiko-Nutzen zu unterscheiden, vgl. ebenda, S. 1 76 ff. , P. Engelkamp, Erwartungsnutzent­ heorie, S. 1 1 7. 1 11' Vgl. G. Bamberg. A. G. Coenenberg, Entscheidungslehre, S. 73 ff. , P. Engelkamp, Erwartungsnutzentheorie, S. 1 16 ff., W. Krelle, Präferenz- und Entscheidungstheorie, S. 1 45. 1 11· Vgl. M. Bitz, Entscheidungstheorie, S. 180 ff., H. Schneeweiß, Entscheidungskriterien, S. 73 ff. , G. Bamberg. A. G. Coenenberg, Entscheidungslehre, S. 73 ff. 1

C. Determinanten der einzelwirtschaftlichen Entscheidu ng

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Auf dieser Grundlage kann man dann auch die Rationalität klassischer Entscheidungsprinzipien überprüfen, indem man untersucht, ob beziehungs­ weise wann sie zu gleichen Entscheidungen führen wie das Bernoulli-Prinzip. Das µ-Prinzip ist demgemäß dann rational im Sinne des Bernoulli-Prinzips, wenn der Entscheidungsträger eine neutrale Einstellung zum Risiko besitzt, was in einem linearen Verlauf der Risiko-Nutzenfunktion zum Ausdruck kommt 1 114 • Im Fall der Risikoneutralität kann eine Entscheidung demnach anhand des Ergebniserwartungswertes getroffen werden. Ebenso kann risi­ koscheues Verhalten, sofern es durch eine quadratische Risiko-Nutzenfunk­ tion gekennzeichnet ist, vereinfachend durch eine bestimmte Form des µ-a-Prinzips abgebildet werden 105 • Bei Annahme der Axiome des Bernoulli-Prinzips genügen klassische Ent­ scheidungsregeln nur in bestimmten, festlegbaren Fällen dem Postulat ratio­ naler Entscheidungsfindung. Generell anwendbar ist das Bernoulli-Prinzip. Gegen die Verwendung klassischer Entscheidungsprinzipien in einer konkre­ ten Entscheidungssituation spricht natürlich nichts, sobald sie nur der Ver­ einfachung dienen und durch entsprechende Überlegungen sichergestellt ist, daß sie zum gleichen Optimum wie das Bernoulli-Prinzip führen. Auch an der Bernoulli-Nutzentheorie ist in der Literatur Kritik geübt worden. Diese bezieht sich sowohl auf den Anspruch einzelner Axiome, Voraussetzung vernünftigen Handelns zu sein 1 06 , als auch auf die Vermi­ schung von Gewinn- und Risikoaspekten im Entscheidungskriterium, die fehlende Anwendbarkeit bei Einmaientscheidungen und anderes 1 11 7 • Dieser Kritik kann hier im einzelnen nicht nachgegangen werden. Im Rahmen dieser Arbeit wird die in der Literatur mehrheitlich vertretene Auffassung zugrunde gelegt, daß die Bernoulli-Nutzentheorie „die insgesamt plausibelste Art der Bewältigung der Ungewißheit darstellt" 10 8 • Auf dieser Basis soll untersucht werden, welche Entscheidung ein nutzenmaximierendes Unternehmen im skizzierten Problemfall trifft. Welchen Einfluß unterschiedliche Risikoein­ stellungen bei dieser unsicherheitsbehafteten Entscheidung ausüben, wird durch Variation der Risiko-Nutzenfunktion untersucht.

1 1 14

Vgl. H. Schneeweiß, Entscheidungskriterien, S. 95 ff. Vgl. ebenda, S. 96 ff. 1 116 Vgl. H. Schneeweiß, Entscheidungskriterien, S. 74 ff., M. Bitz, Entscheidungstheorie, S. 1 86 ff., D. Schneider, Investition und Finanzierung, S. 87 ff. , P. Engelkamp, Erwartungs­ nutzentheorie, S. 24 ff. 1 117 Vgl. H. Koch, Problematik der Bernoulli-Nutzentheorie, S. 423, 420. "'' D. Rückle, Normative Theorie, S. 284; Ungewißheit entspricht dem Risiko in unserer Terminologie, vgl. auch D. Schneider, Investition und Finanzierung, S. 1 1 9, M. Bitz, Entscheidungstheorie, S. 192. 1 1 15

44

1 . Kap.: Einführung und Grundla gen

II. Relevante Merkmale der Handlungsalternativen im Überblick 1. Grundlegende Kennzeichnung der Handlungsmöglichkeit Auflagenverstoß

Im folgenden ist zu fragen, welche Komponenten den Auflagenverstoß kennzeichnen, das heißt, welche ihn betreffenden Faktoren bei der Ableitung einer einzelwirtschaftlichen Entscheidung zu berücksichtigen sind. Hierzu erscheint ein kurzer Rekurs auf Erkenntnisse ökonomischer Analysen des Rechts beziehungsweise der Kriminalität angebracht. Es gibt verschiedene Theorien zur Erklärung des Zustandekommens von Vergehen, die sich auf einer abstrakten Ebene jedoch alle auf eine Theorie von Lohn und Strafe zurückführen Iassen w9 • Wie in der Einleitung bereits kurz angeführt, ist der ökonomische Erklärungsansatz 1 w dadurch gekennzeichnet, daß er die Ursprünge von Gesetzesverstößen nicht in Besonderheiten der Erbanlage, Persönlichkeitsstruktur usw. des Täters sucht; vielmehr sieht er illegales und legales Verhalten gleichermaßen als Resultat von Kosten-Nutzen­ Überlegungen an 1 1 1 • Auch Entscheidungen über Gesetzesverletzungen wer­ den als Wahlhandlungen, die der Täter mehr oder weniger rational durchführt, interpretiert 1 1 2 • Eine Gesetzesübertretung wird nach diesem Erklärungskonzept dann begangen, wenn der aus ihr resultierende Nutzen größer ist als der anderweitig erzielbare Nutzen oder, anders ausgedrückt, wenn der Nettonutzen der Normübertretung positiv ist. Als Ziel verfolgt der Entscheidende die Maximierung des Nettonutzens. Im Fall der Unsicherheit erfolgt der Kalkül anhand erwarteter Größen 1 1 3 • w• Vgl. L. M. Friedman, Theorie rechtsrelevanten Verhaltens, S. 22 1 . 1 10 Dieser Erklärungsansatz ist nicht neu: Die Grundgedanken, auf denen die mittler­ weile vor allem im US-amerikanischen Raum vorangetriebenen Weiterentwicklungen aufbauen, wurden bereits im 1 8 . Jahrhundert von C. Beccaria und J. Bentham gelegt; vgl. mit ausführlichen Nachweisen hierzu P. J. Thelen, Wirtschaftskriminalität, S. 1 39 ff. , auch V. Vanberg, Verbrechen, S. 1 8 . 111 Vgl. G. S. Becker, Der ökonomische Ansatz, S . 1 ff. , J. Ehrlich, Participation, S . 52 1 f. , 559, M. 0. Reyno/ds, Economics ofCriminal Activity, S. 34 f. , P. H. Rubin, Econo­ mics of Crime, S. 13 (der im übrigen eine recht gute Einführung in die ökonomische Theorie der Kriminalität liefert); vgl. auch D. K. Pfeif/er. S. Scheerer. Kriminalsoziologie, S. 88. 1 12 Z u Prämissen des Ansatzes, insbesondere dem Rationalitätspostulat vgl. G . S. Becker, Der ökonomische Ansatz, S. 3 ff. , 6, V. Vanberg, Verbrechen , S. 22 ff. , R. A. Posner, Economic Analysis, S. 1 2 ff. , 19 ff. Ein häufiger Einwand gegen ökonomische Erklärungsansätze bezieht sich auf das in ihnen regelmäßig unterstellte Rational verhalten der Entscheidungsträger. Selbst wenn ein Aktor jedoch eine bestimmte Alternative nicht aufgrund eines rationalen Kalküls ergreift, wird er häufig gleichwohl auf Veränderungen der die Handlungsmöglichkeiten ausma­ chenden Kosten und Erträge reagieren. Vorschläge, die rational handelnde Entscheidungs­ träger von Normverletzungen abhalten sollen, besitzen daher oftmals auch für andere Handlungsträger Auswirkungen. Vgl. G. Tu/lock, Economic Approach, S. 72 f. m Vgl. G. S. Becker, Kriminalität und Strafe, S. 47 f. , P. B. Downing, Implementing, S. 373 f. , S. Rottenberg, Economics of Crime, S. 3 ff. , J. Ehrlich, Participation, S. 523.

C. Determinanten der einzelwirtschaftlichen Entscheidung

45

Beeinflussend auf den Nettonutzen und damit die Begehung von Norm­ übertretungen wirken grundsätzlich die Erträge aus Gesetzesübertretungen und ihre Kosten unter Einschluß der Opportunitätskosten; die Begriffsin­ halte sind weit zu fassen. In der vorliegenden Untersuchung kann der Ver­ gleich der Alternativen anhand ihrer Kosten erfolgen, da die Erträge einer Handlungsmöglichkeit in den (vermiedenen) Kosten der anderen liegen. Einzeldeterminanten der Kosten des Auflagenverstoßes sind die - Sanktionswahrscheinlichkeit, - Sanktionsschwere sowie - sonstige Faktoren 1 14 . Die „Sanktionswahrscheinlichkeit" als Wahrscheinlichkeit, daß eine Tat geahndet wird, läßt sich in eine Reihe von Teilkomponenten zerlegen. Im einzelnen können unterschieden werden die Wahrscheinlichkeit, daß Verstöße überhaupt entdeckt und bei Ent­ deckung angezeigt werden, die Wahrscheinlichkeit, daß bei entdeckten Verstößen Täter ermittelbar sind, Wahrscheinlichkeiten dafür, daß Verfahren eröffnet und Täter (z. B. angesichts einer unter Umständen schwierigen Beweislage) verurteilt beziehungsweise allgemein sanktioniert werden können. Bezüglich der Sanktionsschwere ist nach Arten von Sanktionen wie z. B. Geldbußen, Geld-, Freiheitsstrafen, Berufsausübungsverboten usw; sowie deren Höhen beziehungsweise Dauern (bei Freiheitsstrafen inklusive Ver­ dienstausfall während der Inhaftierung) zu differenzieren. Die Gruppe sonstiger Faktoren umfaßt zum einen mögliche Kosten ( und Erträge) bei Verzicht auf die Gesetzesübertretung, zum anderen aber auch grundsätzlich einzubeziehende sogenannte „psychische Kosten" in Form von Schuld- und Schamgefühlen bei Tatbegehung, Inhaftierung usw. 1 1 5 • Beein­ flußt wird letztere Kostenkategorie etwa von der Bereitschaft und Einstellung zu Vergehen, der allgemeinen Gesetzestreue des Entscheidungsträgers, rele­ vanten Gruppennormen usw. 1 1 6 • Diese Faktoren sind, wie dargestellt, zunächst für die Entscheidung bedeutsam, ob Gesetzesübertretungen über­ haupt in Betracht kommen; sie können aber auch Auswirkungen auf das Ausmaß von Schuldgefühlen und Gewissensnöten bei Normverletzung besit1 14

Vgl. G. S. Becker, Kriminalität und Strafe, S. 48, M. 0. Reyno/ds, Economics of Criminal Activity, S. 35 f. , W. E. Cobb, Theft, S. 22. Ansatzweise haben derartige Überle­ gungen auch schon Eingang in die Betriebswirtschaftslehre gefunden, vgl. D. Rück/e, Interessenausgleich, S. 523 f. 115 Vgl. W. C. Bailey, Comments, S. 54. 116 Vgl. W. E. Cobb, Theft, S. 22, G . S. Becker, Kriminalität und Strafe, S. 4 8 f., R . A . Kagan, J. T. Scholz, Criminology o f the Corporation, S . 358.

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1. Kap.: Einführung und Grundlagen

zen. Zu den sonstigen Faktoren können auch Anwalts- und Gerichtsgebüh­ ren gezählt werden, die grundsätzlich in einen Kalkül miteinzubeziehen sind. Daß nur einige und durchaus nicht alle Personen Gesetze übertreten, liegt nach der ökonomischen Theorie nicht daran, daß jeweils grundsätzlich unterschiedliche Beweggründe handlungsmotivierend sind, sondern daran, daß verschiedene Entscheidungsträger die Erträge und Kosten (im weitesten Sinne) von Handlungsmöglichkeiten unterschiedlich einschätzen 1 1 7 • Die genannten Determinanten des Nettonutzens von Rechtsverstößen weisen zugleich auf mögliche Ansatzpunkte staatlichen Handelns mit dem Ziel einer Verringerung der Zahl von Vergehen hin. Da Gesetze im Erklä­ rungskonzept der ökonomischen Theorie keine absoluten Verhaltensgrenzen darstellen, ist eine Normbefolgung nur durch eine Veränderung der Kosten (oder Erträge) bei Ü bertretungen zu erreichen. Der Preismechanismus auf Märkten besagt, daß höhere Preise zu einer Verminderung der Nachfrage führen; analog vermindert sich nach der ökonomischen Theorie die Anzahl von Vergehen, wenn ihre Preise sprich Kosten heraufgesetzt oder ihre Erträge vermindert werden 1 1 8 • Durch eine Erhöhung der Sanktionswahrscheinlich­ keit, härtere Strafen usw. läßt sich folglich die Anzahl von Delikten verringern. Für die vorliegende Untersuchung sind daher die Kosten von Ü bertretun­ gen im Umweltbereich in Form von Sanktionswahrscheinlichkeiten und Arten und Höhen von Sanktionen zu spezifizieren. Weiterhin muß überlegt werden, in welcher Weise die einzelnen Sanktions­ komponenten (Sanktionswahrscheinlichkeit usw.) zu einer Entscheidungs­ größe verknüpft und mit den Kosten der Auflagenbefolgung vergleichbar gemacht werden sollen. Auch muß eine Folgehandlung bei eventueller Sank­ tionierung festgelegt werden. 2. Zahlungsströme als Charakterisierung der Auflagenbefolgung

Weitere Handlungsmöglichkeit für den Entscheidungsträger ist die Auf­ lagenbefolgung. Dem üblichen investitionsrechnerischen Vorgehen folgend, ist sie durch Zahlungsströme darzustellen 1 1 9 , die aus Anfangsauszahlung und laufenden Zahlungen bestehen. Vgl. G. S. Becker. Kriminalität und Strafe, S. 48, W. E. Cobb, Theft, S. 20. Vgl. G. S. Becker, Kriminalität und Strafe, S. 48 f. , 53 f., 85, V. Vanberg, Verbrechen, S. 19, R. A. Posner, Economic Analysis, S. 5 f. , P. J. Thelen, Wirtschaftskriminalität, S. 1 5 1 ff. 1 19 Zur Diskussion über die der Investitionsrechnung zugrunde zu legenden Rechengrö­ ßen vgl. D. Rückle, Zielfunktion und Rechengrößen, S. 44 ff. (m. w. N.). 1 17

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C. Determinanten der einzelwirtschaftlichen Entscheidung

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Im vorigen Abschnitt war die Rede von Kosten und Erträgen der Alternati­ ven. Diese Begriffe sind aber nicht mit „Kosten" im Sinne der Kostenrech­ nung oder „Erträgen" der Gewinn- und Verlustrechnung gleichzusetzen. Kosten und Erträge in der ökonomischen Theorie der Kriminalität umfassen vielmehr alle, quantitativ auszudrückenden Konsequenzen einer Handlungs­ möglichkeit. Sie enthalten daher auch über die Kosten der Kostenrechnung hinausgehende Komponenten (z. B. die erwähnten psychischen Kosten). Der hier darzustellende Entscheidungskalkül gleicht grundsätzlich dem, der bei einer Investitionsentscheidung anzustellen ist. Die Handlungsmöglichkeit Auflagenbefolgung ist daher durch Zahlungsströme abzubilden. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung sind demnach - Anfangsauszahlungen und - laufende Auszahlungsüberschüsse der Auflagenbefolgung zu quantifizieren. Der Ermittlung dieser grundsätz­ lich erforderlichen Größen stellen sich jedoch praktische Probleme entgegen, weshalb - wie im Zweiten Kapitel noch näher auszuführen ist - auf pauschalierende Angaben zurückgegriffen werden muß.

Zweites Kapitel

Detailanalyse der Handlungsalternativen und Ableitung der Entscheidung A. Konsequenzen der Nichtbefolgung von Auflagen auf der Grundlage des geltenden Vollzugssystems I. Gesetzesvollzug im Umweltbereich 1. Begriff, Stellung und Bedeutung des Vollzugs bei der Gesetzesanwendung

Der Vorgang der politisch-administrativen Bewältigung gesellschaftlicher Probleme läßt sich in verschiedene Phasen einteilen, die nicht einen in nur eine Richtung verlaufenden Prozeß darstellen, sondern als Modell mit Rück­ kopplungsschleifen angesehen werden können 1 • Nach dieser Konzeption beinhaltet der Gesetzesvollzug oder die Implementation von Gesetzen die „Durchführung bzw. Anwendung der im Prozeß der Politikentwicklung entstandenen Gesetze und anderen Handlungsprogramme" 2 • Teilweise erhebliche Abweichungen zwischen programmatischen Zielen und den bei ihrer Umsetzung erreichten Ergebnissen stellten Entstehungs­ anlaß und Ausgangspunkt der Implementationsforschung dar 3 • Ausgehend von dieser Diskrepanz bemüht sich der Forschungszweig um die Feststellung derartiger Abweichungen, ihre Zurückführung auf verursachende Faktoren sowie die Erarbeitung von Vorschlägen für eine verbesserte Zielerreichung politischer Handlungsprogramme4. Aufgrund vielfältiger Spezifika im Ein1 Vgl. H. -J. Dahme, D. Grunow, F. Hegner, Aspekte der Implementation, S. 1 56 ff. 2 R. Mayntz, Implementation, S. 5 1 . 3 I n diesem Sinne z. B. Quarles: ,. Tue real policy of government must be tested by what is done, not what is said" (J. Quarles, Cleaning up America , S. 166, zitiert nach P. B. Downing, Implementing, S. 357), R. Mayntz, J. Hucke, Gesetzesvollzug, S. 2 1 8 , J. L. Pressman, A. Wi/davsky, Implementation, S. XVIII (s. auch Untertitel: How Great Expectations in Washington Are Dashed in Oakland). Zur Entwicklung der Implementationsforschung in den USA und Deutschland vgl. H. Wollmann, Implementationsforschung, S. ! O ff., P. Knoepfel, Vollzugsforschung, S. 37 ff. 4 Vgl. R. Mayntz, Implementation, S. 58, H.-J. Dahme. D. Grunow. F. Hegner, Aspekte der Implementation, S. 1 55.

A. Konsequenzen der Nich tbefolgung von Auflagen

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zelfall wird man dabei allerdings wohl nicht zu „stromlinienförmigen" Geset­ zen kommen, das heißt Gesetzen, die so Wirklichkeit werden wie sie gedacht sind 5 • Während zunächst die Phase vom gegebenen Programm zum Vollzugs­ handeln in der Implementationsforschung isoliert betrachtet wurde, wurde diese Perspektive aufgrund von Interdependenzen bald zugunsten einer Ana­ lyse aufgegeben, die auch die Problemartikulation, die Programmentwick­ lung und die Reaktion der Adressaten mit einbezieht6 • Erst in dieser Gesamtsicht kann die Wirkung von Programmen untersucht werden. Als für den Gesetzesvollzug bedeutsame Faktoren werden die Merkmale der durchzuführenden Programme beziehungsweise des zu lösenden Problems, Merkmale der Durchführungsinstanzen sowie die Merkmale der Zielgruppen beziehungsweise Adressaten im jeweiligen Interventionsfeld angesehen7 • Der Implementationsprozeß und sein Ergebnis entstehen aus dem Zusammenwirken und der gegenseitigen Beeinflussung dieser Merk­ male. Gegenstand der Implementationsforschung ist dann z. B. die Frage: Welcher Typ von Programmstruktur zeigt bei welchen Typen von Vollzugs­ organisation und -verfahren unter welchen Gegebenheiten im Vollzugsraum und bezüglich der Interessen und Verhaltensmöglichkeiten von Adressaten welche Wirkung 8? Kombinationen alternativer Merkmale von Programmen, Vollzugsinstan­ zen und Adressaten können dabei hinsichtlich der Prograr;nmwirkung zum gleichen Ergebnis führen. Um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen, gibt es daher bei Vorliegen bestimmter Merkmale unter Umständen nicht nur eine .,Lösung": So kann sich durch eine regulative Norm ein bestimmtes Pro­ grammergebnis einstellen; das gleiche Ergebnis kann im Falle schwacher Vollzugsinstanzen eintreten, wenn neben der regulativen Norm ein flankie5 Vgl. B. Bohnert, W. Klitzsch, Selbstregulierung, S. 2 1 3. In diesem Zusammenhang sei auch auf die möglichen positiven Aspekte nicht programmzielgerechter Implementation hingewiesen, die z. B. in einer Vermeidung der Mängel verfehlter Programme, einer höheren Akzeptanz bei den Beteiligten u . ä . liegen können. Positiv ist eine abweichende Implementation nur aus der Sicht bestimmter Interessengruppen. Verfolgte der Gesetzge­ ber bei der Programmformulierung ernsthaft andere Ziele, ist eine solche Umsetzung aus seiner Sicht negativ. Vgl. R. Mayntz. Implementation, S. 56 f. , P. Knoepfel. Vollzugsfor­ schung, S. 47 f. 6 Vgl. R. Mayntz, Implementation, S. 5 1 , 53 ff. , H. Wollmann, Implementationsfor­ schung, S. 24, E. Blankenburg, K. Lenk, Einführung, S. 9, J. Reese, Implementationsfor­ schung, S . 4 1 ff. 7 Vgl. R. Mayntz, Implementation, S. 59 ff. , 65 f. , dies„ Implementa tionsforschung, S. 1 6 f., P. Knoepfel, Vollzugsforschung, S. 1 3 . ' Vgl. P. Knoepfel, Vollzugsforschung, S. 5 5 , P. B. Downing, Implementing, S. 386, E. Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 29 ff.

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2. Kap. : Handlungsalternativen und Ableitung der Entscheidung

rendes Überzeugungsprogramm eingesetzt wird. Auch könnte ein Anreiz­ programm anstelle der regulativen Politik verwendet werden, um die Widerstandsneigung der Adressaten zu mildern9 • Die Erreichbarkeit des gleichen Programmergebnisses durch alternative Instrumente ist auch mit Grund dafür, daß „gemischte Strategien", bei denen mehrere staatliche Umweltinstrumente gemeinsam eingesetzt werden, oftmals als „reinen Stra­ tegien" überlegen gelten 111 • Hinter den oben erwähnten Merkmalen stehen und handeln stets Perso­ nen; daher wird der Implementationsprozeß auch als - im entscheidungs­ theoretischen Sinne - Spiel gesehen, in dem jeder Spieler aufgrund seiner spezifischen Interessenlagen und unter Berücksichtigung der ihm zur Verfü­ gung stehenden Mittel und ihn begrenzenden Restriktionen handelt" . Als Zwischenglied zwischen Programm und Wirkung kommt der Umset­ zungsphase besondere Bedeutung zu. Auch das politische Programm, vor allem aber die Durchführung von Programmen, determiniert das Ergebnis 1 2 • Dieser Gesichtspunkt wird auch im Umweltschutzbereich betont und kommt u. a . in der Einschätzung zum Ausdruck, daß die entscheidende Schwach­ stelle des Umweltschutzes im Gesetzesvollzug gesehen wird n. 2. Überblick über Vollzugsaufgaben im Umweltschutz

a) Zuständigkeiten und organisatorische Regelungen im Umweltbereich

Für das Ergebnis des Implementationsprozesses sind wie erwähnt die Merkmale der Vollzugsinstanzen mit entscheidend. Zu diesen gehören etwa Zuständigkeitsregelungen und organisatorische Vorschriften. Auf diese soll daher im folgenden kurz eingegangen werden. Es genügt aber an dieser Stelle, einiges Grundsätzliche anzusprechen, Einzelheiten werden an den dafür geeigneten Stellen abgehandelt. Im föderalistischen System der Bundesrepublik besitzt der Bund auf eini­ gen Gebieten des Umweltschutzes die konkurrierende Gesetzgebungskom­ petenz (Art. 74 Nr. 24 GG), auf anderen das Recht, Rahmenvorschriften zu erlassen (Art. 75 Nr. 3 und 4 GG). Auf Bundesebene sind für die Anregung und zum Teil den Erlaß entsprechender Vorschriften verschiedene Ministe• Vgl. R. Mayntz, Implementationsforschung, S. 1 8 . '" Vgl. oben Erstes Kapitel, B. III. 11 Diese Sichtweise stammt von E. Bardach, The Implementation Game, S. 55 f. , 66 ff. 1 1 Vgl. R. Mayntz, Implementation, S. 5 1 . u Vgl. z. B. Rat von Sachverständigen, Umweltgutachten 1974, S . 1 79 f. , P. Knoepfel. H. Weidner, Handbuch, Teil I, S. 1 1 , 77, S. Frowein, Emissionsabgaben und Verschmutzungs­ rechte, S. 49, schon 1 970 E. Rehbinder, Grundfragen, S. 254.

A. Konsequenzen der Nich tbefolgung von Auflagen

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rien zuständig. Zur verbesserten Zusammenarbeit dieser Ressorts wurden mehrere Koordinierungsgremien geschaffen; Koordinierungsgremien wur­ den auch im Bund-Länder-Verhältnis eingerichtet, weil den Ländern die Ausführung der Bundesregelungen obliegt 1 4. Innerhalb der Bundesländer sind die Zuständigkeiten zwischen Landesministerien , Regierungspräsidien und unteren Verwaltungsbehörden weiter aufgeteilt 1 5 • Neben dieser vertikalen Kompetenzverteilung ist die horizontale zwischen Behörden gleicher Stufe von Bedeutung. Ein Problembereich ist die Verknüpfung technischer Aufga­ ben und Verwaltungsaufgaben im Umweltschutz. Die Durchsetzungsfähig­ keit von Umweltschutzbehörden gegenüber Normadressaten beziehungs­ weise anderen Behörden hängt nämlich nicht zuletzt von ihrem Stellenwert und ihrer Kompetenz innerhalb der Verwaltung ab. Die in den Bundeslän­ dern unterschiedlichen Regelungen in diesem Bereich bewegen sich zwischen zwei entgegengesetzten Lösungen. Das System der allgemeinen Verwaltung überläßt die Entscheidungskompetenz der allgemeinen Verwaltung (auf der unteren Ebene z. B. Kreis-, Stadtverwaltung) und überträgt technische Auf­ gaben Fachbehörden (z. B. Gewerbeaufsichtsamt); Kennzeichnung dieses Vorgehens ist also eine Trennung von Entscheidungskompetenz und techni­ schem Sachverstand. Das System der Sonderverwaltung ist demgegenüber gerade durch eine Zusammenfassung von technischen Aufgaben und Sach­ verstand mit verwaltungsrechtlicher Entscheidungskompetenz charakteri­ siert 1 6 . Umweltschutzaufgaben besitzen Querschnittscharakter. Aus diesem Grund sind Regelungen über die Zusammenarbeit von mit Umweltschutz befaßten Behörden oder Mitarbeitern und anderen Verwaltungsbereichen von Belang 1 7 . Eine unzureichende Beteiligung von Umweltschutzbehörden an Entscheidungsprozessen anderer Stellen kann zu Lösungen führen, die Umweltschutzaspekte ungenügend berücksichtigen . b) Behördliche Vollzugstätigkeiten im einzelnen Aufgabenbereiche von Umweltschutzbehörden liegen hauptsächlich in der - Genehmigung von Anlagen beziehungsweise Gewässerbenutzungen, 14 Vgl . Umweltbericht '76, S. 64 ff. 1 1 Vgl. zu den Einzelheiten etwa die Ausführungen im Handbuch des U mweltschutzes (hrsg. von J. Vogl, A. Heigl, K. Schäfer), Teil G 8 . J - 8 . 1 1 : Umweltschutzgesetzgebung in den Bundesländern, Umweltbundesamt ( Hrsg. ), Behördenfüh rer, o. V. , Umwelt-Ressort­ zuständigkeiten, S. 8 ff. " Vgl . R. Mayntz, u. a . , Vollzugsprobleme, S. 89 ff. , 48 f. 17 Vgl. ebenda , S. 48 ff. : zu grundsätzlichen Organisationstypen in den Umweltschutz­ verwaltungen in Groß-, Mittel- und Kleinstädten vgl. auch U. /. Küpper, L. Reiberg, Umweltschutz in der Gemeinde, Teil I, S. 1 20 ff. 4'

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2. Kap.: Handlungsalternativen und Ableitung der Entscheidung

Sanierung von Altanlagen oder Einleitungen, - Überwachung und Sanktionierung sowie der - Mitwirkung an Entscheidungen anderer Behörden. Im Genehmigungsverfahren hat die zuständige Behörde auf einen Antrag des (künftigen) Betreibers hin über die Errichtung einer genehmigungsbe­ dürftigen Anlage oder genehmigungspflichtige Änderungen an bestehenden Anlagen zu entscheiden. Beim Gewässerschutz geht es um die Erlaubnis beziehungsweise Bewilligung von Gewässerbenutzungen (in Form von Ein­ leitungen oder Entnahmen). Grundlagen der behördlichen Beurteilung sind die einschlägigen Gesetze, Rechtsverordnungen und Verwaltungsanweisun­ gen, in denen die genehmigungspflichtigen Tatbestände, einzuhaltende Ver­ fahren usw. im einzelnen enthalten sind (§§ 4 -13, 19 bzw. 15 BlmSchG, §§ 2 - 1 0 WHG, § 7 AbfG). Durch Sanierung sollen bestehende (Alt-) Anlagen, die aufgrund ihrer technischen Beschaffenheit den Stand der Technik nicht (mehr) erfüllen, an die im Laufe der Zeit verschärften Anforderungen angepaßt werden. Diese Anforderungen können etwa die zugelassene Menge an Emissionen einer Anlage oder den einzuhaltenden Reinigungsgrad bei Abwasserein­ leitungen betreffen. Rechtsgrundlagen stellen vor allem die entsprechen­ den Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, Wasserhaushalts­ gesetzes und Abfallbeseitigungsgesetzes dar, in denen die Voraussetzun­ gen und Vorgehensweisen für nachträgliche Anordnungen beziehungs­ weise Anforderungen, Änderungsgenehmigungen, Beschränkungen, Unter­ sagungen, Stillegungen usw. detailliert geregelt sind (§§ 17, 20, 21 BlmSchG, §§ 5, 12 WHG, §§ 8, 9 AbfG). Obrigkeitsstaatliche Maßnahmen vor allem in Form regulativer Politik bedürfen stets der Überwachung der Anordnungen und der Sanktionierung etwaiger Verstöße. Überwachung und Kontrolle betreffen die Einhaltung behördlicher Vorschriften (z. B. erlassener Auflagen) und die Auffindung veralteter Anlagen, für deren Sanierung die Behörden selbst initiativ werden müssen. Die entsprechenden Aktivitäten sind von den zuständigen Behör­ den nach eigenem Ermessen zu planen und - gegebenenfalls unter Zuhilfe­ nahme fremder Fachinstitutionen (z. B. TÜV) oder von Fachleuten - durchzuführen (§§ 26 -31, 45 , 46, 52 BlmSchG bzw. §§ 4, 5, 21 WHG, § 1 1 AbfG). Die Sanktionsmöglichkeiten, -gründe und -verfahren, auf die im folgenden näher einzugehen ist, sind hauptsächlich in den entsprechenden Umweltgesetzen, im Ordnungswidrigkeitengesetz und im Strafgesetzbuch geregelt. Da viele behördliche Maßnahmen und Entscheidungen auch Umweltbe­ lange berühren, ist eine Beteiligung von Umweltschutzbehörden geboten. Vor allem gilt dies bei Planungsverfahren, wie z. B. der Bauleitplanung und

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Raumordnung, in denen über zukünftige Entwicklungen und Zustände in einem Gebiet/einer Region entschieden wird. Dem Vorsorgeprinzip folgend sind hier grundsätzlich auch Umweltschutzaspekte mit zu berücksichtigen und die entsprechend zuständigen Behörden mit einzubeziehen.

II. Sanktionssystem und Sanktionierungsrisiko I . Sanktionsmöglichkeiten im Umweltbereich - rechtliche Regelungen

a) Überblick über Stand und Entwicklung des Umweltrechts Das Umweltrecht als Gesamtheit rechtlicher Regelungen für den Bereich des Umweltschutzes besitzt bereits eine lange Tradition in Deutschland 1 8 • Die Entwicklung zur heutigen Ausgestaltung begann jedoch erst Anfang der 70er Jahre, als der Gesetzgeber - wie erwähnt - mit einer Fülle von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Initiativen usw. auf spürbar gewordene Umweltprobleme reagierte. Wichtige Einzelgesetze aus dieser Phase sind das Bundes-Immissionsschutz-, - Abfallbeseitigungs- und - Wasserhaushaltsgesetz 1 9 • Diese Gesetze regeln zumeist einzelne Umweltmedien oder_ Problemberei­ che, ohne daß übergreifende oder abgestimmte Vorschriften bestünden. Entsprechend ist das geltende Umweltrecht durch eine starke Zersplitterung und Uneinheitlichkeit gekennzeichnet. Aus diesem Grunde wurde auch die Forderung nach Schaffung eines Bundesumweltgesetzbuches erhoben, in dem die Einzelvorschriften nicht nur räumlich zusammengefaßt, sondern auch inhaltlich und materiell abgestimmt sind 2 " . Diese Forderung ist bisher allerdings ebenso unerfüllt geblieben wie solche nach der Verankerung eines Rechts auf menschenwürdige Umwelt beziehungsweise einer „Staatszielbe18 Zu Begriff und Abgrenzung des Umwelt(schutz-)rechts vgl. M. K/oepfer, Systemati­ sierung, S. 68 ff., H. Steiger. Begriff, S. 9 ff. Zur historischen Entwicklung des Umwelt­ schutzes vgl. z. B. K.- G. Wey. Umweltpolitik, K. Schäfer, Entwicklung des Umweltrechts, S. 2 ff. 1 • Zur mittlerweile kaum noch übersehbaren Fülle von Rechtsvorschriften vgl . z. B. M. K/oepfer, Systematisierung, S. 1 2 ff., R. S. Schulz, Umweltschutzgesetze, W. Burhenne (Hrsg.), Umweltrecht; eine Übersicht mit Stand 1976 ist im Umweltbericht '76, S. 227 ff. zu finden. '" Vgl. mit Diskussion der Vor- und Nachteile sowie Ausgestaltungsmöglichkeiten M. Kloepfer, Systematisierung, S. 87 ff., M. Bothe, L. Gündling, Tendenzen des Umweltrechts, S. 1 23 ff. , vgl . auch H. von Lersner, Verwaltungsrechtliche Instrumente, S. 25, Umweltbe­ richt '76, S. 63.

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2. Kap.: Handlungsalternativen und Ableitung der Entscheidung

stimmung Umweltschutz" in der Verfassung 2 1 • Auch die Einführung einer Bürger- beziehungsweise Verbandsklage wird gefordert. Ihre Befürworter sehen in diesem Institut eine Möglichkeit, durch eine verstärkte Beteiligung der Öffentlichkeit Umweltschutzbelangen vermehrt gegenüber anderen Interessen Geltung zu verschaffen22 • Gegenwärtig werden die gesetzlichen Grundlagen insgesamt als ausrei­ chend angesehen. In der jetzigen Phase geht es vor allem um eine Effektivie­ rung der Gesetzesumsetzung. Daneben werden Verbesserungsmöglichkeiten bei bestehenden Gesetzen gesehen2 1 • Forderungen nach neuen Rechtsvor­ schriften werden nurmehr in Reaktion auf neue Probleme (zur Zeit z. B. das Waldsterben) oder in Zusammenhang mit einer völlig neu zu gestaltenden Umweltpolitik unter Verwendung anderer umweltpolitischer Instrumente erhoben. Die Ausführungen dieses Kapitels basieren aber auf dem gegenwär­ tig gegebenen Rechtsstand im Umweltschutz. Ein im vorliegenden Zusammenhang bedeutsamer Schritt war die Verab­ schiedung des Gesetzes zur Bekämpfung der Umweltkriminalität im Jahre 1980 24 . Die bis dahin in den einzelnen Umweltgesetzen geregelten strafrecht­ lichen Sanktionen bei Umweltverstößen wurden vereinheitlicht in das Straf­ gesetzbuch aufgenommen. Die einzelnen Umweltgesetze enthalten daher nur noch Regelungen über Ordnungswidrigkeiten, Strafvorschriften sind zentral im Strafgesetzbuch geregelt. b) Sanktionsbegriff Vor weiteren Ausführungen ist der im vorliegenden Zusammenhang bedeutsame Sanktionsbegriff abzugrenzen. Unter „Sanktion" soll die durch Behörden beziehungsweise Gerichte angeordnete „Zufügung von Nachteilen 21 Vgl . Rat von Sachverständigen, Umweltgutachten 1 974, S . 1 73 ; inzwischen h a t der Rat seine Auffassung modifiziert, vgl. ders. , Umweltgutachten 1978, S . 579, Umweltbericht '76, S. 63 f. , P. -C. Storm, Umweltrecht, S. 39 f. , H. Steiger, Verfassungsrechtliche Grundlagen, S. 21 ff. , E. Benda, Verfassungsauftrag und U mweltschutz, S. 1 1 ff. , G. Hartkopf. E. Bohne, Umweltpolitik, S. 75 f. , vgl. a uch die Litera turhi nweise in M. Kloepfer, Bibliogra phie Umweltrecht, S. 73 ff. Die Frage nach der Verankerung im Grundgesetz steht auch beim Gesetzgeber noch zur Diskussion , vgl. Bundesregierung, Antwort auf Frage 5 (einer Kleinen Anfrage). 22 Aus der Fülle der Literatur zu diesem Thema vgl . z. B. Rat von Sachverständigen. Umweltgutachten 1 978, S. 469 ff. , E. Rehbinder, H. - G. Burgbacher, R. Knieper, Bürger­ klage, C. H. U/e, H. - W. Laubinger. Ergänzende Regelungen. S. B 60 ff. , M. Bothe, L. Gündling, Tendenzen des U mweltrechts, S. 95 ff. , D. Haeuss/er, Verbandsklage, S. 1 07 ff. , E. Benda, Verfassungsauftrag und Umweltschutz, S. 20 f. 2 J Zu dieser Gesa mteinschätzung vgl . z. B. P. -C. Storm, Umweltrecht, S. 22 f. , G. Hart­ kopf. Perspektiven, S. 1 7 ff. , Bayerische Staatsregierung, Umweltpolitik in Bayern , S. 25. 24 Vgl. Achtzehntes Strafrechtsänderungsgesetz - Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkri m inalität - vom 28. März 1 980, i n : BGB!. I, 1 980, S. 373 ff.

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zur Erzwingung eines normkonformen Verhaltens„ 2 5 des jeweiligen Adressa­ ten verstanden werden26 • Unmittelbar diesem Begriff zu subsumieren wären Geldbußen im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts und Strafen des Strafrechts. Einzubeziehen wären auch etwaige im Straf- beziehungsweise Ordnungswidrigkeitenrecht vorgesehene „Nebenfolgen" und sonstige „Rechtsfolgen" einer Tat (z. B. Einziehung, Verfall, Berufsverbot), auch wenn sie juristisch nicht als Strafen oder Sühnen bezeichnet werden. Eine ökonomische Analyse muß nämlich gegebenenfalls über juristische Defini­ tionen hinausgehen. Abzustellen ist auf die ökonomische Wirkung von Maßnahmen unabhängig von ihrer Bezeichnung. Demgemäß sind in die vorliegende Untersuchung auch bestimmte andere Maßnahmen zur Nach­ teilszufügung einzubeziehen, die ökonomisch betrachtet ähnliche Konse­ quenzen für die Betroffenen besitzen wie Geldstrafen und Geldbußen. So stellt beispielsweise eine Geldstrafe einen Entzug von Finanzmitteln dar. Einern Berufsverbot, das juristisch als Maßregel, nicht als Strafe gilt 2 7 , kommt aber in der Regel, z. B. in Form von Mindereinkommen, die gleiche Wirkung zu. Daher ist die juristische Unterscheidung in diesem Zusammen­ hang ohne Belang. Zu analysieren sind dementsprechend auch weitere behördliche Möglich­ keiten, die Erfüllung von Auflagen herbeizuführen. Zu diesem Zweck kom­ men in Betracht2 8 : Maßnahmen des Verwaltungszwangs, - die Betriebsuntersagung (§§ 20, 25 BlmSchG), - der Widerruf der Genehmigung (§ 21 BlmSchG). Ausgangspunkt und Anwendungsvoraussetzungen dieser Sanktionen sind das Vorliegen einer genehmigten Anlage (beziehungsweise einer Bewilligung) und der Verstoß gegen eine Auflage oder nachträgliche Anordnung29 • Nicht in unsere Analyse einbezogen ist bei dieser Abgrenzung die Stillegung oder Beseitigung einer genehmigungsbedürftigen Anlage (§ 20 Abs. 2 BlmSchG). Diese Maßnahmen kommen nämlich nur in Betracht, wenn Anlagen ohne die erforderliche Genehmigung errichtet, betrieben oder geändert werden (§ 20 25 R. Mayntz, u. a., Vollzugsprobleme, S. 460. 26 Zur Einbeziehung z. B. sozia ler „Nachteile" vgl. 1. Kap., C.11. 1 . und 2. Kap. , A.III . .,Sanktionierung" soll in dieser Arbeit das Verhängen von Sanktionen bezeichnen; .,sanktio­ nieren" sei mit ahnden gleichzusetzen. 27 Vgl. z. B. A. Schönke, H. Schröder. Kommentar, S. 7 1 2. 2 ' Vgl. auch D. Sel/ner,Immissionsschutzrecht, S. 204. Im folgenden wird hauptsächlich auf Regelungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes Bezug genommen, ergänzend aber auch auf solche des Wasserhaushalts- und Abfallbeseitigungsgesetzes. 2 ' Zu Besonderheiten beim Widerruf der Genehmigung bei nachträglichen Anordnun­ gen vgl . D. Sel/ner, Immissionsschutzrecht, S. 204. Bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen braucht natürlich keine Genehmigung vorzuliegen; zu den Voraussetzungen der Betriebsuntersagung hier vgl. § 25 BlmSchG.

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2. Kap.: Handlungsalternativen und Ableitung der Entscheidung

Abs. 2 BlmSchG). Der Fall des Nichtvorliegens einer Genehmigung soll im folgenden nicht betrachtet werden. Ebenfalls nicht berücksichtigt werden sogenannte „indirekte Sanktionsmittel" 30 • Zu ihrer Anwendung ist das Vor­ liegen mehrerer Verhandlungsgegenstände zwischen Betreiber und Behörde notwendig (z. B. gleichzeitiges Neugenehmigungs- und Sanierungsverfahren bei einem Unternehmen). Die Erfüllung dieser Voraussetzung soll hier nicht unterstellt werden. c) Verwaltungsrechtliche Sanktionsmittel

aa) Grundlagen des Verwaltungshandelns und Überblick über Sanktionsmöglichkeiten Vor der Analyse einzelner verwaltungsrechtlicher Sanktionsmittel sind einige rechtliche Grundlagen behördlichen Tätigwerdens anzusprechen, die (auch) bei der Sanktionierung von Bedeutung sind. Das Behördenhandeln im Umweltbereich richtet sich nach den Regeln und Vorschriften des öffentlichen Rechts, welches die Beziehung zwischen Bür­ gern und Behörden beziehungsweise Behörden untereinander regelt. Die Rechtsgrundlagen des Verwaltungshandelns sind zum Teil länderspezifisch geregelt, die im vorliegenden Zusammenhang bedeutsamen Grundzüge aber einheitlich 3 1 • Bei all ihrem Handeln muß die Behörde allgemeine Grundsätze des Ver­ waltungsrechts wie etwa den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Opportunitätsprinzip beachten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besagt, daß unter mehreren möglichen Maßnahmen, die alle zur Erreichung des jeweiligen Zieles geeignet sind, von der Verwaltung nur diejenige gewählt werden darf, die den Betroffenen beziehungsweise die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt (Gebot der Anwendung des mildesten Mittels(. Das Opportunitätsprinzip stellt es in das Ermessen der Verwaltung, ob sie in einer bestimmten Situation eingreift oder nicht und wie sie das tut. Die Pflicht für ein bestimmtes Vorgehen besteht daher nicht; hingegen darf auch nicht willkürlich, das heißt, unterschiedlich in gleichartigen Fällen, entschieden werden 1 1 .

Verwaltungsrechtliche Sanktionen lassen sich in Durchsetzungs- und Ahn­ dungsmaßnahmen unterteilen. Die Gruppen unterscheiden sich nach Ziel31 1

Vgl. Vgl . " Vgl. · · Vgl .

.11

11

zu Begriff und Inhalt R. Mayntz. u . a . , Vollzugsprobleme, S . .460 . A. Wittern, Verwaltungsrecht, S . 46. 1 52. ebenda , S. 50. ebenda , S. 1 7, 1 65, R. Lummert, Straf- und Bußgeldrecht, S. 24 f.

A. Konsequenzen der Nichtbefolgung von Auflagen

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richtung der Maßnahmen und Anwendungsvoraussetzungen. Als Durchset­ zungsmaßnahmen kommen in Betracht Verwaltungszwangsmaßnahmen, - Betriebsuntersagung sowie - Widerruf der Genehmigung. Ahndungsmaßnahmen sind in der - Verhängung von Geldbußen und - Anordnung der Einziehung zu sehen. bb) Sanktionsmittel im einzelnen Das Tätigwerden von Behörden schlägt sich vor allem in Verwaltungsak­ ten nieder. Die Behörde kann aber nicht nur Verwaltungsakte erlassen, sondern auch deren Durchsetzung selbst erzwingen. Als allgemeine, in vielen Rechtsbereichen einsetzbare Durchsetzungsmittel sind Verwaltungszwangs­ maßnahmen vorgesehen. Im Bereich des Immissionsschutzes kommen zur Durchsetzung von Auflagen und nachträglichen Anordnungen aber auch die Betriebsuntersagung und der Widerruf der Genehmigung in Betracht 34 • Diese Maßnahmen sind entsprechend ihrer Reihenfolge unterschiedlich gewichtig3 '; welche tatsächlich ergriffen wird, richtet sich nach dem erwähn­ ten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das mildeste Durchsetzungsmittel stellen die Maßnahmen des Verwal­ tungszwangs dar. Zwangsmittel nach § 9 VwVG sind - das Zwangsgeld, - die Ersatzvornahme und - der unmittelbare Zwang. Von diesen Maßnahmen des Verwaltungszwangs hat im Umweltschutz nur das Zwangsgeld praktische Bedeutung 3 6 • Voraussetzung zur Anwendung eines Zwangsmittels ist, daß der Betroffene zur Vornahme einer bestimmten Handlung aufgefordert worden ist, das Zwangsmittel angedroht wurde und es bei Nichterfüllung der Verpflichtung in der angegebenen Frist festgesetzt wird (§§ 13, 14 VwVG). Die Aufforderung zu einem bestimmten Tun kann z. B. in der Festlegung einer Auflage liegen. Aufforderung und Androhung können auch in einem Verwaltungsakt zusammengefaßt werden (§ 1 3 Abs. 2 VwVG). Ferner ist bedeutsam, daß ein Zwangsgeld für dieselbe zu erzwin4

Im Bereich des Wasserhaushaltsgesetzes wären die Beschränkung und Rücknahme der Bewilligung bzw. der Widerruf einer Erlaubnis von Bedeutung (§§ 7, 1 2 WHG). " Vgl. D. Se/lner, Immissionsschutzrecht, S. 1 96 , 204. 16 Vgl. R. Mayntz, u . a . , Vollzugsprobleme, S. 463 . ·'

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2. Kap.: Handlungsalternativen und Ableitung der Entscheidung

gende Handlung/Unterlassung3 7 so oft und wenn nötig in ansteigender Höhe angewandt werden kann, bis der Adressat seiner Verpflichtung nachkommt (§ 13 Abs. 6 VwVG). Der Rahmen für die Höhe eines einzelnen Zwangsgeldes reicht nach Bundesrecht gemäß § 1 1 Abs. 3 VwVG von 3 DM bis zu höchstens 2 000 DM, im Länderrecht sind Zwangsgeldhöchstbeträge zwischen 500 DM (Rhein­ land-Pfalz, § 64 Abs. 3 RhpfVwVG) und 1 0 000 DM (Bayern, Art. 32 BayVwZVG) vorgesehen, in Baden-Württemberg sogar 50 000 DM (§ 23 LVwVG). Die Bemessung des Zwangsgeldes im konkreten Einzelfall soll sich nach dem verfolgten Zweck und der Art und Bedeutung des angestrebten Handelns richten (§ 9 Abs. 2 VwVG). Das hinsichtlich der Härte des Eingriffs nächste Sanktionsmittel stellt die Betriebsuntersagung dar. Bei Verstoß gegen eine Auflage, nachträgliche Anordnung oder Anordnung nach § 24 BimSchG kann die Behörde den Betrieb bis zur Erfüllung der Auflage oder Anordnung ganz oder teilweise untersagen (§§ 20 Abs. 1 , 25 BimSchG) 3 8 .

Das letzte und stärkste Mittel der Behörde zur Durchsetzung einer Auflage stellt der Widerruf der Genehmigung nach § 2 1 Abs. I Nr. 2 BimSchG dar. Zur Durchsetzung nachträglicher Anordnungen ist ein Widerruf nach § 2 1 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG nicht vorgesehen. Unter Umständen kommen hier 9 andere Widerrufsgründe des § 21 BlmSchG in Betracht 1 • Während die bisher erörterten Maßnahmen rechtlich gesehen Beugemittel sind, die zur Herstellung rechtmäßiger Zustände für die Zukunft ergriffen werden, können Geldbuße und Einziehung zur Ahndung bereits geschehe­ 11 ner, rechtswidriger Handlungen eingesetzt werden4 • Kann etwa ein Zwangsgeld zur Durchsetzung jeglicher verwaltungsrecht­ Iicher Anordnung verhängt werden, liegt eine mit Geldbuße sanktionierbare Handlung nur dann vor, wenn ein Gesetz die Ahndung mit einer Geldbuße zuläßt (§ I Abs. I OWiG). Da ferner Geldbuße und Einziehung als Strafen (allerdings nicht im strafrechtlichen Sinne) und nicht lediglich als Beugemit­ tel angesehen werden, sind die materiellen Voraussetzungen zur Festsetzung einer Geldbuße beziehungsweise Anordnung einer Einziehung wesentlich strenger. Zur Festsetzung eines Zwangsgeldes ist nur der Erlaß einer Ord­ nungsverfügung erforderlich. Voraussetzung für die Verhängung einer Geld17 Im folgenden ist oft nur von Handlungen die Rede. Unterlassungen sind entsprechend gedanklich hinzuzufügen. " Zu weiteren Erläuterungen vgl. G. Feldhaus, W. Vallendar. Bundesimmissionsschutz­ recht, zu § 20, S. 1 ff. Von der Untersagung wegen Unzuverlässigkeit (§ 20 Abs. 3 BlmSchG) sei im folgenden abgesehen . · • Vgl. auch zu näheren Erläuterungen ebenda , zu § 2 1 , S. 5 . 41 1 Vgl. A. Wittern, Verwa ltungsrecht, S. 1 53 , 1 59. 1

A. Konsequenzen der Nichtbefolgung von Auflagen

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buße ist hingegen das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit, die nach § 1 Abs. 1 OWiG durch folgende Merkmale charakterisiert ist4 1 :

Sie ist eine Handlung, die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zuläßt; nur Handlungen, die den Tatbe­ stand eines Gesetzes, hier insbesondere Bundes-Immissionsschutzgesetz, Abfallbeseitigungsgesetz, Wasserhaushaltsgesetz, erfüllen und dort als unerlaubt bezeichnet sind, können also mit Geldbuße sanktioniert werden.

- Die Handlung muß rechtswidrig sein, das heißt, es muß eine der Rechts­ ordnung widersprechende Handlung vorliegen. Die Rechtswidrigkeit ist in der Regel durch jede tatbestandsmäßige Handlung gegeben, es sei denn, es lägen Rechtfertigungsgründe (z. B. Notstand) vor (Rechts­ widrigkeit). - Die Handlung muß vorwerfbar (das heißt, vorsätzlich oder fahrlässig begangen) sein, das heißt, der Täter muß rechtswidrig gehandelt haben, obwohl er fähig und imstande war, sich rechtmäßig zu verhalten (Vorwerfbarkeit). Die Ahndung einer nicht rechtswidrigen oder nicht vorwerfbaren Hand­ lung mit Geldbuße ist daher nicht möglich42 . Eine Geldbuße für lediglich fahrlässiges Handeln ist nur zulässig, wenn das betreffende Gesetz dies ausdrücklich zuläßt (§ 10 OWiG); dies ist in zahlreichen Umweltgesetzen geschehen (z. B. § 62 BlmSchG, § 18 AbfG, § 41 WHG). Beispiele für Ordnungswidrigkeiten enthalten die einzelnen Umweltge­ setze in den gerade angegebenen Paragraphen. Der Verstoß gegen Auflagen oder (nachträgliche) Anordnungen ist hiernach bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen aufgrund dieser Vorschriften als Ordnungswidrigkeit sank­ tionierbar. Auch die Regelrahmen für Geldbußen sind in diesen Gesetzen angegeben. Nach § 17 OWiG ist für Ordnungswidrigkeiten allgemein ein Bußgeldrahmen von 5 bis 1 000 DM vorgesehen, die Höchstgrenze wird in den Umweltgesetzen aber auf bis zu 100 000 DM erhöht (§§ 62 Abs. 3 BlmSchG, 18 Abs. 2 AbfG, 4 1 Abs. 2 WHG). Fahrlässiges Handeln kann mit ma ximal der Hälfte des Höchstmaßes geahndet werden (§ 17 Abs. 2 OWiG); Sonderregelungen können anderes bestimmen, sind aber in den hier relevan­ ten Gesetzen nicht getroffen worden. Einzeltatbestände sowie zugehörige Bußgeldhöhen enthalten auch die Bußgeldkataloge Umweltschutz, die von den Bundesländern - analog dem Bereich der Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr - zwecks Vereinheitli4 1 Zu den Merkmalen im einzelnen vgl. z. B. E. Göhler, Kommentar, S. 1 2 ff., ders. , Einführung, S. 1 3 , E. Dreher, H. Tröndle, Kommentar, S. 6 ff. " Vgl . E. Göhler, Einführung, S. 1 3 .

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2. Kap . : Handlungsalternativen und Ableitung der Entscheidung

chung und Vereinfachung der Bußgeldfestsetzung erlassen worden sind43 • Bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten kann die Behörde gemäß §§ 56 ff. OWiG ein Verwarnungsgeld festsetzen44 . Die Bemessung der Geldbußen soll gemäß § 17 OWiG die - Bedeutung der Ordnungswidrigkeit, die sich nach Grad und Ausmaß der Gefährdung oder Beeinträchtigung geschützter Rechtsgüter richtet, - die Vorwerfbarkeit der Tat sowie, bei nicht geringfügigen Geldbußen, - die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters berücksichtigen. Abgesehen davon soll die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen (§ 17 Abs. 4 OWiG ); hierzu können auch die gesetzlichen Höchstbetragsrege­ lungen überschritten werden (§ 17 Abs. 4 OWiG)4 5 •

Ein weiteres Sanktionsmittel stellt die Anordnung der Einziehung dar. Als Nebenfolge einer Ordnungswidrigkeit dürfen Gegenstände eingezogen wer­ den, soweit es das Gesetz ausdrücklich zuläßt (§ 22 Abs. l OWiG). Von dieser Ermächtigung hat von den für die Untersuchung bedeutsamen Gesetzen nur das Abfallbeseitigungsgesetz in seinem § 18 a Gebrauch gemacht. Auch dies dokumentiert die „ verhältnismäßig geringe(n) Bedeutung der Einziehung für die tägliche Praxis" 46 zumindest im hier interessierenden Zusammenhang. Im folgenden soll daher für drn Bereich der Ordnungswidrigkeiten nicht weiter auf diese Sanktionsmöglichkeit eingegangen werden.

Die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten unterliegt dem oben dargestell­ ten Opportunitätsprinzip, das heißt, ihre Verfolgung liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Behörden (§ 47 OWiG) und ist nicht zwingend vorgeschrieben. Auch die Anwendung von Zwangsmitteln, die Betriebsuntersagung oder der Widerruf einer Genehmigung sind den Behörden bei Vorliegen bestimmter Umstände nicht vorgeschrieben, sondern lediglich mögliche Vorgehenswei­ sen zur Durchsetzung der gewünschten Verhaltensweisen (vgl. die Formulie­ rungen in § 6 VwVG, §§ 20 Abs. l , 2 1 Abs, 1, 24 BlmSchG). Durchsetzungsmaßnahmen und Geldbußen können gegebenenfalls auch gemeinsam angewandt werden4 7 • Um eine Auflagenbefolgung für die Zukunft durchzusetzen, kann die Behörde z. B. eine Verwaltungszwangs­ maßnahme ergreifen. Erfüllt der bisherige Auflagenverstoß gleichzeitig die 4 ' Vgl. z. B. Bußgeldkatalog NW, S . 0360- 1 1 ff., Bußgeldkatalog Bayern, S. 0320- 1 2 ff. Zu weiteren Einzelbeispielen vgl. M. Möhrensch/ager. Schwerpunkte des Umweltstraf­ rechts, Anhang Ordnungswidrigkeiten. 44 Verwarnungsgelder als Spezialfall von Geldbußen werden im folgenden nicht jeweils einzeln erwähnt, sondern unter Geldbußen miterfaßt. 45 Zu Erläuterungen vgl. E. Göh/er. Kommentar, S . 95 ff. 46 A . Wittern, Verwaltungsrecht, S. 1 66. 47 Vgl. D. Sel/ner, Immissionsschutzrecht, S. 1 96.

A. Konsequenzen der Nichtbefolgung von Auflagen

61

Voraussetzung für die Verhängung einer Geldbuße, so kann zusätzlich zur Verwaltungszwangsmaßnahme auch eine Geldbuße verhängt werden (§§ 1 3 Abs. 6 VwVG). Die Geldbuße kann allerdings auch allein verhängt werden, und auch die Verwaltungszwangsmaßnahme kann isoliert angewendet wer­ den. Unter Beachtung des Opportunitätsprinzips und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit liegt die Entscheidung über die zu treffenden Maßnah­ men bei der Behörde. Von Bedeutung für die Untersuchung sind auch mögliche Rechtsbehelfe des Betreibers gegen die Durchsetzungsmaßnahmen der Behörden bezie­ hungsweise Bußgeldbescheide. Rechtsmittel gegen Verwaltungsakte sind nach §§ 68 ff. , 74 ff. VwGO Widerspruch und Verwaltungsklage. Die Durch­ setzungsmaßnahmen von Behörden gelten als Verwaltungsakte. Bei Verwal­ tungszwangsmaßnahmen stellen Aufforderung, Androhung sowie Festset­ zung selbständige Verwaltungsakte dar und sind entsprechend selbständig anfechtbar (§ 1 8 VwVG, dort auch die Regelung bei gleichzeitiger Aufforde­ rung und Androhung). Widerspruch ist innerhalb eines Monats bei der den Verwaltungsakt erlassenden Behörde zu erheben (§ 70 VwGO). Über den Widerspruch entscheidet die nach § 73 VwGO zuständige Behörde (nächst höhere oder gesetzlich anders bestimmte Behörde (§ 73 Abs. l , S. l VwGO)) beziehungsweise die den Verwaltungsakt erlassende Behörde selbst (§ 73 Abs. l , S. 2 VwGO) in einem Widerspruchsbescheid. Hilft die zuständige Behörde dem Widerspruch nicht ab, das heißt, gibt sie ihm nicht statt, so kann innerhalb eines Monats eine Anfechtungsklage beim zuständigen Ver­ waltungsgericht erhoben werden (§§ 68, 74 VwGO). Widerspruch und Anfechtungsklage besitzen im allgemeinen aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. l VwGO). In Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder überwiegenden Interesse eines Beteiligten liegt, kann die erlas­ sende Behörde oder die Widerspruchsbehörde die sofortige Vollziehung anordnen (§ 80 Abs. l , S. 4 VwGO). Rechtsmittel gegen Verwaltungszwangs­ maßnahmen besitzen abweichend hiervon aufgrund ausdrücklicher Länder­ regelungen oft keine aufschiebende Wirkung, das heißt, eine Vollstreckung im Verwaltungszwangsverfahren ist trotz Widerspruchs möglich48 • Gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen kann Berufung (§ 1 24 VwGO), gegen Urteile des als nächster Instanz entscheidenden Oberverwaltungsge­ richts bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen Revision eingelegt werden (§ 1 32 VwGO, vgl. auch § 1 34 VwGO). Im Ordnungswidrigkeitenbereich gelten von diesen allgemeinen Vorschrif­ ten zum Teil abweichende Regelungen. Gegen einen Bußgeldbescheid kann innerhalb einer Woche bei der erlassenden Verwaltungsbehörde Einspruch eingelegt werden (§ 67 OWiG). Nach dem Einspruch übersendet die Verwal­ tungsbehörde die Akten an die zuständige Staatsanwaltschaft (§ 69 Abs. l 48

Vgl. A. Wiltern, Verwaltungsrecht, S. 1 54, 1 84.

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2. Kap.: Handlungsalternativen und Ableitung der Entscheidung

OWiG). Bis zur Übersendung kann die Verwaltungsbehörde den Bußgeldbe­ scheid zurücknehmen, ab diesem Zeitpunkt ist ihr das Verfahren aus der Hand genommen und wird von der Staatsanwaltschaft weiterverfolgt (§ 69 OWiG). Über den Einspruch entscheidet das zuständige Amtsgericht (§ 68 OWiG). Unter bestimmten Voraussetzungen (§ 79 OWiG) ist gegen das Urteil beziehungsweise den Beschluß des Amtsgerichts Beschwerde mög­ lich. d) Strafvorschriften aa) Regelungen und Sanktionen des Umweltstrafrechts Die Abgrenzung zwischen strafbaren Handlungen und Ordnungswidrig­ keiten kann nach verschiedenen Kriterien erfolgen. Generell können Ord­ nungswidrigkeiten aber als minder schwerwiegende Rechtsverstöße ohne kriminellen Gehalt angesehen werden, wobei die Grenze zwischen kriminel­ lem Unrecht und bloßen Ordnungsverstößen fließend ist49 • Letztlich ist es oft eine kriminalpolitische Entscheidung des Gesetzgebers, welche Vergehen als strafwürdig erachtet und welche lediglich als Ordnungsunrecht angesehen werden511 • Die zum Teil unscharfe Trennbarkeit zwischen Ordnungswidrig­ keit und Straftat führt auch dazu, daß Verwaltungsbehörden in schweren Fällen von Ordnungswidrigkeiten prüfen müssen, ob nicht Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat gegeben sind; in solchen Fällen ist das Verfahren an die zuständige Staatsanwaltschaft abzugeben (§ 4 1 OWiG) 5 ' .

Wie erwähnt erfolgte im Jahre 1980 die Aufnahme der bisher im Neben­ strafrecht geregelten Strafbestimmungen bei Umweltverstößen ins Strafge­ setzbuch. Erklärte Ziele dieses Schrittes waren

- die Harmonisierung der bisher in verschiedenen Gesetzen verankerten Straftatbestände und die Schließung von Lücken, - die Unterstreichung der Bedeutung, die der Gesetzgeber dem Schutz der Umwelt zumißt sowie - damit zusammenhängend - die Stärkung des öffentlichen Bewußtseins hinsichtlich des strafwürdigen Charakters von Umweltverstößen 52 • •• Vgl. C. Moench, Kriminelle Umweltgefährdung, S. 220 ff. , A. Wittern, Verwaltungs­ recht, S. 1 59 f. , E. Göhler, Kommentar, S. 8 ff. 51 1 Vgl. A. Wittern, Verwaltungsrecht, S. 1 59, 0. Triffterer, Rolle des Strafrechts, S . 332 f. , E. Göhler, Kommentar, S. 10. 5 1 Vgl. hierzu auch die Bemerkungen im Bußgeldkatalog NW, S. 0360- 1 7 ff. , Bußgeld­ katalog Bayern, S. 0320- 1 2 ff. 5 2 Vgl. Bundesrat, Begründung, S. ! O f.

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A. Konsequenzen der Nichtbefolgung von Auflagen

Die Regelungen des Strafrechts sanktionieren eine Reihe von Umweltde­ likten mit unterschiedlich hohen Freiheits- oder Geldstrafen . Im einzelnen sind folgende Strafen vorgesehen: - Gewässerverunreinigung (§ 324 StGB): Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe, bei Fahrlässigkeit bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. - Luftverunreinigung und Lärm (§ 325 StGB): gleiches Strafmaß . - Umweltgefährdende Abfallbeseitigung (§ 326 StGB): Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, bei Fahrlässigkeit bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Unerlaubtes Betreiben von Anlagen (§ 327 StGB): Freiheitsstrafe bei kerntechnischen Anlagen bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe, bei anderen Anlagen bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe, bei Fahrlässigkeit zwei beziehungsweise ein Jahr(e) oder Geldstrafe. Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete (§ 329 StGB): Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe, bei Fahrlässigkeit bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Schwere Umweltgefährdung (bei Gefährdung von Leib und Leben eines anderen, fremder Sachen von bedeutendem Wert usw. , § 330 StGB): Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren , in schweren Fällen bis zu zehn Jahren, bei Fahrlässigkeit kürzere Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Schwere Gefährdung durch Freisetzung von Giften (§ 330 a StGB): Frei­ heitsstrafe bis zu zehn (bei Fahrlässigkeit bis zu fünf) Jahren oder Geldstrafe. Neben Geld- und Freiheitsstrafen sind als weitere Sanktionen sogenannte Maßregeln der Besserung und Sicherung und die Vorschriften über Verfall und Einziehung zu berücksichtigen . Von den Maßregeln der Besserung und Sicherung (§ 6 1 StGB) ist hier das Berufsverbot von Bedeutung. Es kann verhängt werden, wenn Delikte unter Mißbrauch des Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der damit verbundenen Pflichten begangen werden (§ 70 StGB). Die Berufsausü­ bung kann für ein Jahr bis zu fünf Jahren, unter bestimmten Voraussetzun­ gen auch unbegrenzt, verboten werden 5 3 •

Das Institut des Verfalls (§§ 73 ff. StGB) regelt vom Grundgedanken her die früher von der Geldstrafe selbst mitgeleistete Aufgabe der „Gewinnab­ schöpfung"5 4 . Der Vermögensvorteil aus einer rechtswidrigen Tat soll dem illegitimen Empfänger abgenommen werden. Dies erfolgt bei Bestehen zivil­ rechtlicher Ansprüche gegenüber dem Täter durch deren Erfüllung (§ 73 Abs. 1, S. 2 StGB). Fehlen derartige Ansprüche oder bestehen sie nur in Höhe 53 Zu näheren Erläuterungen vgl . A. Schönke, H. Kommentar, S. 457 ff. 14 Vgl. H. -H. Jescheck, Einführung, S. 19.

Dreher, H. Tröndle,

Schröder. Kommentar,

S . 7 1 2 ff.,

E.

64

2. Kap . : H a ndlungsalternativen und Ableitung der Entscheidung

eines Teils des Vermögensvorteils, so wird zur Abschöpfung eben der Verfall angeordnet (§ 73 StGB). Der Vermögensvorteil kann aus beweglichen Sachen aller Art, Grund­ stücken, Rechten, Nutzungsrechten oder auch ersparten Aufwendungen bestehen 55 • Der Verfall kann sich auf jede einen Vermögensvorteil bewir­ kende Komponente beziehen. Bei Gegenständen geht durch Verfall das Eigentum an den Staat beziehungsweise an berechtigte Dritte (die z. B. Pfandrechte an dem Gegenstand besitzen) über (§ 73 d StGB). Ist der Verfall eines Gegenstandes nicht möglich (z. B. im Falle ersparter Aufwendungen), so wird der Verfall eines Geldbetrages, der dem Wert des aus der Tat Erlangten entspricht, angeordnet (§ 73 a StBG). Der Fall ersparter Aufwen­ dungen ist im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung. Genauer könnte man von (vorerst) nicht geleisteten Auszahlungen für Investitionen bezie­ hungsweise Betrieb von Umweltschutzmaßnahmen sprechen. Interessant ist, daß sich der Verfall des Wertersatzes nicht auf den mittelbaren Gewinn beziehen soll 56 • Ersparte Zinsen durch zeitliches Hinausschieben von Maß­ nahmen oder mittelbare Gewinne aus zwischenzeitlicher betrieblicher Inve­ stition würden damit nicht i,n den durch Verfall abschöpfbaren Vermögensvorteil eingehen 57 • Hierauf wird unten noch näher einzugehen sem. Bei der Einziehung nach den §§ 74 ff. StGB geht es nicht um die Abschöpfung von Vermögensvorteilen. Vielmehr sollen bestimmte Gegen­ stände der Verfügungsgewalt des Täters - entweder als Strafe oder als Sicherungsmaßnahme - entzogen werden können5 8 • Die Einziehung ist bei Gegenständen möglich, die durch eine vorsätzliche Straftat hervorgebracht (z. B. gefälschte Banknoten) oder zu ihrer Begehung beziehungsweise Vorbe­ reitung gebraucht wurden (z. B. Tatwerkzeuge). Bei bereits erfolgter Verwer­ tung einziehbarer Gegenstände (z. B. durch Veräußerung, Verbrauch) kann ein Geldbetrag bis zur Höhe des Wertes des Gegenstandes eingezogen wer­ den (§ 74 c StGB). Weitere Folge einer Verurteilung zu (Freiheits-, Geld-) Strafen bezie­ hungsweise Nebenstrafen, der Auferlegung von Maßregeln der Besserung und Sicherung (z. B. Berufsverbot) ist deren Eintragung ins Bundeszentralre­ gister Berlin 59 • Auskünfte aus dem Strafregister erhalten nur der Betroffene 55 Vgl. E. Dreher, H. Tröndle, Kommentar, S. 468, L. Günter/, Gewinnabschöpfung,

s. 34 ff. 56

Vgl. E. Dreher, H. Tröndle, Kommentar, S. 47 1 . Vgl. E. Dreher, H. Trönd/e, Kommentar, S. 47 1 , vgl. auch A . Schönke, H. Schröder, Kommentar, die bezüglich banküblicher Zinsen a. A. sind, Tz. 22, 3 1 f. , 33a, S. 728 ff. 58 Zum Charakter der Einziehung vgl . E. Dreher, H. Trönd/e, Kommentar, S. 477, A. Schönke, H. Schröder, Kommentar, S. 723 f. 59 Vgl . Gesetz über das Zentralregister und das Erziehungsregister (Bundeszentralregi­ stergesetz - BZRG) i. d. F. v. 22.07 . 1 976, in: BGBI I, 1 976, S. 2005 ff. 57

A. Konsequenzen der Nichtbefolgung von Auflagen

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oder eine Behörde, nicht andere Privatpersonen (§§ 28 ff. BZRG ). Bestimmte der oben angeführten Sanktionen werden in das sogenannte Führungszeug­ nis aufgenommen, sofern sie nicht geringfügig sind oder zu lange zurücklie­ gen (§§ 30 ff. BZRG). Ein solches Zeugnis muß z. B. bei Einstellung in den öffentlichen Dienst vorgelegt werden. Je nach Art der Strafe und der zu besetzenden Tätigkeit kann eine entsprechende Eintragung im Einzelfall eine Anstellung verhindern (z. B. wird ein mehrfach wegen Trunkenheit am Steuer Verurteilter kaum als Kraftfahrer eingestellt werden). Auch private Arbeitgeber verlangen häufig Auskunft über eventuelle Vorstrafen mit ähnli­ chen Konsequenzen für die Einstellung wie im öffentlichen Bereich . Beim Bundeszentralregister wird auch das sog. Gewerbezentralregister geführt. In dieses werden unter anderem Geldbußen für Ordnungswidrigkei­ ten, die in Unternehmen begangen werden, eingetragen, sofern die Geldbuße mindestens 200 DM beträgt60 • Für die vorliegende Analyse sollen aber derar­ tige Eintragungen nicht weiter beachtlich sein. Wie erwähnt6 1 , wird für die Beziehung der Unternehmung gegenüber Mitarbeitern beziehungsweise (Mit-) Eigentümern eine Interesseneinheit unterstellt. In dieser Einheit sei eine Eintragung aufgrund einer im Unternehmensbereich begangenen Straf­ tat oder Ordnungswidrigkeit für das Beschäftigungs-/ (Mit-) Eigentumsver­ hältnis nicht weiter von Bedeutung, so daß sie ohne relevante Folgen bliebe. In Strafsachen sind als Rechtsmittel Berufung (§ 3 1 2 StPO) und Revision (§ 333 StPO) vorgesehen. Auf Einzelheiten braucht nicht eingegangen zu werden, da auf die detaillierte Berücksichtigung dieser Rechtsmittel in der Analyse aufgrund des Fehlens geeigneten empirischen Materials ohnehin verzichtet werden muß. bb) Voraussetzungen und Schwierigkeiten strafrechtlicher Sanktionierung Die Grundvoraussetzungen für die strafrechtliche Sanktionierung bestimmter Verhaltensweisen sind im Prinzip die gleichen wie bei der Ahn­ dung von Ordnungswidrigkeiten (Nachweis der Rechtswidrigkeit, des Ver­ schuldens usw.). Allerdings sind die Anforderungen an die Beweisführung im Strafverfahren wesentlich höher - und daher soll die Erörterung damit zusammenhängender Schwierigkeiten an dieser Stelle erfolgen -, weil sich die Schwere des Vorwurfs und die Schärfe möglicher Rechtsfolgen wesentlich vom Bußgeldverfahren unterscheiden62 • Aufgrund derartiger Erfordernisse

60 Die Bedeutung des Gewerbezentralregisters scheint aufgrund der relativ wenigen einzutragenden Fälle gering zu sein, vgl. M. Hümbs-Krusche, M. Krusche, Strafrechtliche Erfassung, S. 148. Zu Einzelheiten vgl. §§ 149 ff. GewO. 61 Vgl. S. 39. 62 Vgl. E. Göhler. Einführung, S. 1 3 , 1 6. 5 Terhart

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2. Kap.: H andlungsalternativen und Ableitung der Entscheidu ng

beim Nachweis ergeben sich gerade im Umweltschutzbereich eine Reihe von Problemen bei der Anwendung des Umweltstrafrechts. l . Das erste Problem besteht in der Ermittlung eines Verursachers und des Nachweises der Kausalität seiner Handlung für die Schädigung oder Gefähr­ dung. Insbesondere für den Bereich der Gewässer- und Luftverunreinigung ist eine weiträumige Verteilung der Belastung beziehungsweise eine zeitliche Lücke zwischen Emission und feststellbarer Schädigung oder Gefährdung typisch. In derartigen Fällen ist es häufig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, einen Verursacher festzustellen, vor allem auch, weil oft schlicht­ weg die technischen Möglichkeiten hierzu fehlen6J . Wenn es gelungen ist, einen Verursacher zu ermitteln, muß nachgewiesen werden, daß sein Verhal­ ten ursächlich für die strafbare Umweltschädigung oder -gefährdung ist: Auch ein solches Unterfangen ist oft hoffnungslos, vor allem in Ballungsge­ bieten lassen Kumulations- und Synergieeffekte (nur durch Zusammenwir­ ken mehrerer Stoffe etwa erfolgt überhaupt eine Schädigung/Gefährdung) den Beitrag des einzelnen als geringfügig oder unerheblich erscheinen. Ist beispielsweise die Verschmutzung eines Gewässers so groß , daß auch ohne den Beitrag des einzelnen Verschmutzers eine Schädigung vorliegen würde, so ist sein Handeln nicht kausal 64 ,6 5 •

Entschärfungen beim Problem des Kausalitätsnachweises können erreicht werden, indem eigenständige ökologische Rechtsgüter wie Gewässer, Luft und Boden strafrechtlich geschützt werden. Im Gegensatz zum ausschließli­ chen Schutz von Leben und Gesundheit des Menschen ist der Nachweis einer nachteiligen Veränderung eines Gewässers (§ 324 StGB) eher möglich als der einer dadurch bedingten gesundheitlichen Gefährdung von Menschen66 • 63

Vgl. R. Lummert, Straf- und Bußgeldrecht, S. 19 f. , W. Maihofer, Umweltschutz durch Strafrecht, S . 1 34, S. Wa/cher, Überführung von U mweltstraftätern, S. 4 f., M. Hümbs­ Krusche, M. Krusche, Strafrechtliche Erfassung, S. 206 ff. 64 Vgl. W. Rüdiger, Bekämpfung sozialgefährlicher Umweltverstöße, S. 49 ff. , 0. Trijfte­ rer, Umweltstrafrecht, S. 35 f. , H. - U. Buckenberger, Strafrecht und Umweltschutz, S. 1 47. Auf die große quantitative Bedeutung von Verfahrenseinstellungen aufgrund dieser Nach­ weisprobleme ist unten noch zurückzukommen . 65 Um das Problem des Kausalitätsnachweises zu entschärfen , hat Japans Umwelt­ schutzgesetzgebung einen international einmaligen Weg beschritten: Der strenge Kausal­ nachweis im obigen Sinne braucht nicht geführt zu werden; der oder die Verursacher gelten statt dessen als ermittelt, wenn auf der Basis epidemiologischer Untersuchungen ein statistischer Zusammenhang zwischen Schädigungen (z. B. in Form von Krankheiten) und Schadstoffen nachgewiesen wird. Der Kausalitätsnachweis wird demnach durch eine Vermutungsklausel ersetzt; die Vermutung selbst ist vom potentiellen Verursacher wider­ legbar. Vgl. hierzu im einzelnen H. Weidner, Umweltpolitik in Japan, S. 9 f. , ders. , Japans Umweltgesetzgebung, S. 33, 48, ders. , Luftreinhaltepolitik in Japan, S. 2 1 5 , R. Lummert, V. Thiem, Rechte des Bürgers, S . 1 5 5 f. Ob sich aufbauend auf ein BGH-Urteil auch in Deutschland eine Änderung in Richtung auf eine Umkehr der Beweislast abzeichnet, kann derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden; vgl. BGH U. v. 18.09 . 1 984, S. IV, auch o. V., Teurer Staub, S. 1 1 3.

A. Konsequenzen der Nichtbefolgung von Auflagen

67

Ansatzweise sind ökologische Rechtsgüter in das Strafrecht aufgenommen worden, konsequent ist dieser Weg aber nicht bes�hritten worden67 • Die Schwierigkeiten beim Nachweis der Kausalität hängen auch von dem in den entsprechenden Rechtsvorschriften angewendeten Deliktstypus ab. Zu unterscheiden sind abstrakte Gefährdungsdelikte und Erfolgsdelikte, letztere mit weiteren Unterfällen. Bei Erfolgsdelikten muß die Schädigung oder Gefährdung eines Rechtsgutes im konkreten Einzelfall nachgewiesen werden68 • Bei diesem Nachweis treten sämtliche geschilderten Probleme des Kausalitätsnachweises bei synergetischen und kumulativen Verschmutzun­ gen auf. Außerdem hängt die strafrechtliche Sanktionierbarkeit bei diesem Deliktstypus oft vom Zufall ab: Verteilt eine günstige Wetterlage Schadstoffe weiträumig oder befinden sich gerade keine Menschen in der Nähe der Schadstoffquelle, so kann eine bestimmte Tat ohne Folgen hinsichtlich der Gefährdung von Rechtsgütern bleiben, die gleiche Handlung kann unter anderen Umständen aber zu einer solchen führen und damit strafbar sein 6 9 • Gemildert werden derartige Probleme durch die Verwendung abstrakter Gefährdungsdelikte im Strafgesetzbuch, wodurch erst - nach einhelliger Meinung in der Literntµr - ein effektiver und vorbeugender Umweltschutz möglich erscheint 7°, P11i diesen wird die Handlung an sich schon als gefähr­ lich angesehen (mit der Folge der Strafbarkeit), so daß es des Nachweises einer Gefährdung/Schädigung im Einzelfall nicht mehr bedarf, sondern durch die Tat als solche eine Gefährdung angenommen wird 7 1 • 2. Ein weiteres Problem der strafrechtlichen Sanktionierung von Umwelt­ delikten ist di:r Nllchweis der Rechtswidrigkeit. Rechtswidrig ist, wie 66 Vgl. K. Ti!!demann, Umweltstrafrecht, S. 30 ff. Zu den moralischen Grundlagen eines Schutzes ökologischer Rei;htsj!ilter vgl , D. Birnbacher (Hrsg.), Ökologie und Ethik, S. 5, G. Hartkopf. E. Bohne, Umweltpolitik, S . 58 ff. Vgl. auch Bundesrat, Begründung, S. ! O f. , 0. Triffterer, Umweltstrafrecht, S. 33 ff. , W. Rüdiger, Bekämpfung sozialgefährlicher Umweltverstöße, S. 87 ff. 67 Vgl. 0. Triffterer, Umweltstrafrecht, S. 70 ff. " Vgl. J. Herrmann, Rolle cjes Strafrechts, S. 295 f. , 0. Triffterer, Rolle des Strafrechts, S. 336, R. Leibinger, Der strnfrechtliche Schutz der Umwelt, S. 82 f. Beispiele für Erfolgsde­ likte im Umweltstrafrecht sind § 3;24 StGB (Verunreinigung eines Gewässers), § 330 StGB (Schwere Umweltgefährdung) unc! § 330a StGB (Schwere Gefährdung durch Freisetzen von Giften). 69 Vgl. H.-U. Buckenberger, Strafrecht und Umweltschutz, S. 1 47, R. Lummert, Straf­ und Bußgeldrecht, S. 19. 711 Vgl. die Literatur in Fn. 68 (angegebene Seiten), 0. Triffterer, Umweltstrafrecht, S. 78 m. w. N. (vgl. ebenda, S. 35 ff., 78 zur Notwendigkeit und Rechtfertigung der verschiedenen Deliktstypen in diesem Zusammenhang), H. Laufhütte, M. Möhrensch/ager, Umweltstraf­ recht, S. 9 1 7 f., m. w. N. 1 7 Beispiele für Vorschriften mit abstrakten Gefährdungsdelikten sind § 326 StGB (Umweltgefährdende Abfallbeseitigung), § 327 StGB (Unerlaubtes Betreiben von Anla­ gen) und auch § 329 StGB (Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete).

5•

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2. Kap.: H a ndlungsalternativen und Ableitung der Entscheidung

erwähnt, jede - nicht durch Rechtfertigungsgründe gerechtfertigte - Hand­ lung, die der Rechtsordnung widerspricht7 2 • Diese auf den ersten Blick selbstverständliche und unproblematische Feststellung erweist sich bei nähe­ rem Hinsehen gerade im Umweltbereich als recht folgenschwer. Bei Umwelt­ schädigungen unter gleichzeitigem Verstoß gegen Auflagen oder Genehmi­ gungen steht die Rechtswidrigkeit - abgesehen von Rechtfertigungsgrün­ den - im allgemeinen fest. Anders ist es, wenn die Tat im Rahmen einer behördlichen Genehmigung erfolgt (eine Gefährdung ist ja sicherlich auch trotz Einhaltung von Auflagen möglich) beziehungsweise dann, wenn gar keine Genehmigungen erforderlich waren (z. B. bei Altanlagen) oder (aus welchen Gründen auch immer) keine Auflagen erteilt wurden. Die umweltbezogenen Vorschriften im Strafgesetzbuch sind nämlich viel­ fach mit dem Verwaltungsrecht verbunden, was sich an vielen Stellen zeigt. So wird von unbefugter Gewässerverunreinigung beziehungsweise Abfallbe­ seitigung (§§ 324 Abs. 1, 326 Abs. 1 StGB) oder von unerlaubtem Umgang mit Kernbrennstoffen (§ 328 StGB) gesprochen. An anderer Stelle geht es um das Betreiben von Anlagen ohne Genehmigung nach dem Bundes­ Immissionsschutzgesetz oder Abfallbeseitigungsgesetz (§ 327 Abs. 2 StGB) oder um die Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten, worunter man das grob pflichtwidrige Verstoßen gegen vollziehbare Anordnungen oder Aufla­ gen versteht (§ 325 Abs. 4 StGB). Aufgrund dieser Formulierungen (unbefugt, unerlaubt usw.) ist Voraus­ setzung einer Sanktionierung der Verstoß gegen verwaltungsrechtliche Vor­ schriften. Daher liegt nach herrschender Meinung bei Umweltschädigungen oder -gefährdungen im Rahmen von Auflagen und Genehmigungen kein rechtswidriges Verhalten vor7 3 • Selbst wenn in solchen Fällen Gesundheits­ schäden bei der Bevölkerung oder andere Schäden auftreten, ist es zweifel­ haft, ob Rechtswidrigkeit anzunehmen ist; die Frage, ,,wo im einzelnen die Rechtswidrigkeitsgrenzen erlaubter Tätigkeiten beginnen" 7 4 , ist also offen. Eine verwaltungsrechtliche Genehmigung oder das Fehlen von Auflagen rechtfertigt damit praktisch eine Umweltschädigung. Ausnahmen sind sicherlich bei (nachweisbar! ) vorsätzlicher Schädigung beziehungsweise im Rahmen des § 330 a StGB (als nicht auf Verwaltungsrecht zurückgreifendem Straftatbestand) zu machen 75 • 72 Vgl . die Erläuterungen zu den Voraussetzungen für Geldbußen im Zweiten Kapitel, A. II. l . c) bb). 1·1 Vgl . K. Tiedemann, Umweltstrafrecht, S . 26 f. , A. Schönke. H. Schröder, Kommentar, S . 1 8 14, W. Rüdiger, Bekämpfung sozialgefährlicher Umweltverstöße, S. 52 f. , M. Möhren­ sch/ager, Schwerpunkte des Umweltstrafrechts, S. 20 ff. , R. Leibinger, Der strafrechtliche Schutz der Umwelt, S. 75, 93, H. Laufhütte, M. Möhrensch/ager, Umweltstrafrecht, S . 9 1 9, 93 1 f. , 939, K. Wernicke, Wasserstrafrecht, S. 1 664. 74 K. Tiedemann, Umweltstrafrecht, S. 26. 7 5 Vgl. R. Lummert, Straf- und Bußgeldrecht, S . 2 1 , W. Maihofer, Umweltschutz durch Strafrecht, S. 1 22 ff.

A. Konsequenzen der Nichtbefolgung von Auflagen

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Die Problematik dieser Konzeption - die unter dem Stichwort der Akzes­ sorietät vom Verwaltungsrecht diskutiert wird - liegt darin, daß der Umfang der Strafbarkeit von Verstößen gegen die Umwelt und damit auch die Bedeu­ tung des Strafrechts für den Schutz der Umwelt von Entscheidungen lokaler und regionaler Verwaltungsbehörden abhängt. Ohne dem folgenden zu weit vorzugreifen, kann gesagt werden, daß die Behörden oftmals unterschied­ lichsten Beeinflussungen ausgesetzt sind; sie sind daher selbst bei entspre­ chendem Willen häufig nicht in der Lage, Umweltschutzaspekte ausreichend durchzusetzen, geschweige denn Verbesserungen zu ermöglichen, vor allem dann nicht, wenn kommunale Bestrebungen zur Wirtschaftsförderung auf­ grund von Arbeitsplatz- oder Finanzargumenten entgegenstehen. Als Pro­ blem wird in diesem Zusammenhang angesehen, daß das Strafrecht im allgemeinen auch keinen Gegenpol zu einseitiger Interessendurchsetzung zu Lasten des Umweltschutzes darstellen kann, da die verwaltungsrechtliche Entscheidung über die strafrechtliche Sanktionierbarkeit mitentscheidet. Eine große Zahl von Umweltbelastungen erfolgt daher legal, ordnungs- oder gar strafrechtliche Sanktionen sind nicht möglich 76 • 3 . Die strafrechtliche Sanktionierung setzt die Schuld, das vorwerfbare Handeln des Täters voraus. Schuldhaft handelt, wer sich für das Unrecht entschieden hat, obwohl er sich rechtmäßig hätte verhalten, sich für das Recht hätte entscheiden können 77 • Schuldhaftes Handeln kann vorsätzlich oder fahrlässig sein. Unter Vorsatz versteht man ein willentliches Handeln in Kenntnis aller Tatbestandsmerkmale und im Bewußtsein der Unrechtmäßig­ keit des Tuns. Um Vorsatz zu begründen, muß der Täter also wissen, was er tut und wissen, daß sein Tun rechtswidrig ist. Vorsatz liegt auch vor, wenn er letzteres nicht weiß, aber „bei gehöriger Gewissensanspannung" 7 8 hätte wis­ sen müssen. Die Schwierigkeiten des Nachweises einer Vorsatztat im Umweltrecht lassen sich anhand des folgenden Beispiels leicht vorstellen: Einern Unterneh­ mer, der eine Auflage nicht erfüllt, müßte etwa nachgewiesen werden, daß sich sein Wollen, das sich ja zunächst z. B. auf den Betrieb einer Anlage richtet, auch auf - ihm bekannte - gesundheitliche Schädigungen oder Gefährdungen von Menschen bezog; zumindest muß er .die Möglichkeit billigend in Kauf genommen haben, daß derartige Folgen eintreten 7 9 • Dieser Nachweis wird nur selten zu führen sein. 76 Vgl. R. Leibinger, Der strafrechtliche Schutz der Umwelt, S. 75, 80, W. Maihafer, Umweltschutz durch Strafrecht, S. 1 22 ff. , W. Müller, Umweltschutz und Strafrecht, S. 3. 77 Vgl. H. Müller-Dietz, Grundfragen, S. 7, E. Dreher, H. Tröndle, Kommentar, S. 1 7. " E. Dreher, H. Tröndle, Kommentar, S. 1 7 . 1 • Vgl . - auch z u weiteren Unterscheidungen beim Vorsatz - W. Rüdiger, Bekämpfung sozialgefährlicher Umweltverstöße, S. 54 f. , H. - U. Buckenberger, Strafrecht und Umwelt­ schutz, S . 1 5 1 , R. Lummert, Straf- und Bußgeldrecht, S. 22, W. Maihafer, Umweltschutz durch Strafrecht, S. 1 24, W. Müller, Umweltschutz und Strafrecht, S. 3, M. Hümbs­ Krusche, M. Krusche, Strafrechtliche Erfassung, S. 49.

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2. Kap.: Ha ndlungsalternativen und Ableitung der Entscheidung

Fahrlässig handelt demgegenüber, ,,wer einen Tatbestand rechtswidrig verwirklicht, ohne dies zu wollen oder zu erkennen, wenn ihm dies vorzuwer­ fen ist" 8 " . Der obige Auflagenverstoß wäre also fahrlässig begangen, wenn der Unternehmer nicht vorhergesehen hat, daß Schädigungen Dritter eintre­ ten könnten, obwohl er dies bei sorgfältiger Prüfung hätte wissen können. In solchen Fällen kann sich der Täter aber aufgrund der vielfältigen Synergie­ und Kumulationswirkungen in der Regel darauf berufen, daß er die Konse­ quenzen seines Handelns nicht vorhersehen konnte; das zu widerlegen dürfte schwerfallen 8 1 • Ein weiterer interessanter und hier bedeutsamer Aspekt des Verschuldens ist folgender: Fehlt einem Täter die Einsicht, Unrecht zu tun und konnte er diesen Irrtum - selbst bei gehöriger Anspannung seines Gewissens - nicht vermeiden, handelt er ohne Schuld (unvermeidbarer Verbotsirrtum, § 17 S. 1 StGB) und kann entsprechend nicht bestraft werden. Bei vermeidbarem Irrtum (§ 17 S. 2 StGB) führen die dann anwendbaren Milderungsgründe des § 49 StGB in der Regel zu einem geringeren Strafmaß als bei Vorsatz. Wie weiter unten noch genauer zu zeigen sein wird, verzichten die Verwal­ tungsbehörden weitgehend auf entschiedenes Vorgehen gegenüber Umwelt­ beiastern. Dies führt bei den Tätern fast automatisch zu „unvermeidbarem Verbotsirrtum" mit der Konsequenz der Straffreiheit selbst bei gravierenden Umweltverstößen. Denn wenn die Behörden von Belastungen oder Schädi­ gungen der Umwelt wissen und nicht dagegen einschreiten, soll der Täter hierin regelmäßig einen Rechtfertigungsgrund für sein Handeln sehen kön­ nen8 2. Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum liegt auch vor, wenn Unterneh­ mungen mit Behörden in Verhandlungen über das Problem stehen, da sie dann davon ausgehen können, daß die Behörden währenddessen die Umweltverstöße tolerieren8 J und diese daher kein Unrecht darstellen . Die Literatur verweist in diesem Zusammenhang auf Beispiele, in denen auch 10 C. Creife/ds (Hrsg.), Rechtswörterbuch, Stichwort Schuld. " Vgl . auch zu weiteren Differenzierungen der Fahrlässigkeit W. Rüdiger, Bekämpfung sozialgefährlicher Umweltverstöße, S. 55 f. '� Vgl . z. B. K. Tiedemann, Umweltstrafrecht, S. 42; vgl. dazu auch das ebenda, S. 58 ff. abgedruckte, unveröffentlichte Urteil des BGH zu genau diesem Problem, in dem aus den erwähnten Gründen eine Straffreiheit ausgesprochen wurde, obwohl die Umweltverstöße zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Anwohner führten (BGH, U. v. 1 3 .03 .75, S. 59, 6 1 f. ) und darauf aufbauend die Einstellungsverfügung der Staa tsa nwaltschaft beim LG Mannheim v. 1 6.02 . 1 976, S. 585 ff. Diese Problematik hat in der Literatur wiederholt zu der Forderung nach einer Verbesserung der (z. Zt. praktisch nicht vorhandenen) strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Amtsträgern für eine Mitwirkung bei Umweltver­ stößen geführt; zur diesbezüglichen Diskussion vgl . sehr ausführlich 0. Triffterer, Umwelt­ strafrecht, S. 133 ff. , vgl . auch Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft beim LG Mannheim, S. 586 ff. '·' Vgl. K. Tiedemann, Umweltstrafrecht, S. 42, J. Herrmann, Rolle des Strafrechts, S. 293, 300, Einstellungsverfügung der Staatsa nwaltschaft beim LG Mannheim, S. 586.

A. Konsequenzen der Nichtbefolgung von Auflagen

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jahrelange Umweltverschmutzungen letztlich nicht sanktioniert werden konnten, weil die Täter auf das Wissen und damit die stillschweigende Duldung der Behörden verweisen konnten oder sich in ebenfalls langjährigen Verhandlungen mit Behörden über Auflagen oder Genehmigungen befan­ den, was dann ebenfalls zur Schuld- und damit Strafausschließung führte (wenn nicht bereits die Rechtswidrigkeit fehlte!) 84 .

Abschließend sei noch kurz auf die Bedeutung der angesprochenen Beweisprobleme hingewiesen. Ohne Ermittlung des Täters, den Nachweis der Rechtswidrigkeit und Schuld ist keine Strafe in der Form von Geld- oder Freiheitsstrafen möglich. Zur Anwendung der Maßregel „Berufsverbot" ist der Nachweis einer Schuld nicht unbedingt erforderlich (§ 70 StGB), die anderen Voraussetzungen müssen aber auf jeden Fall vorliegen und beweis­ bar sein. Gleiches gilt für den Verfall (§ 73 StGB). Die Einziehung ist im allgemeinen nur bei einer nachweislich vorsätzlichen Straftat zulässig (§ 74 Abs. 1 StGB, siehe aber auch Abs. 3). Infolgedessen ist die Rolle des Strafrechts begrenzt und kann nur als ultima ratio im Umweltschutz angesehen werden 85 • Diesbezügliche Änderungsmög­ lichkeiten im Sinne einer verbesserten Anwendbarkeit sind aber zum Teil schon angeklungen und weiter unten noch im einzelnen zu erörtern. Nach­ weisprobleme sind desweiteren auch (Mit-) Ursache für die im folgenden zu erörternde Sanktionspraxis der Gerichte und Verwaltungsbehörden, sowohl was die Höhe der Sanktionen als auch was ihre Wahrscheinlichkeit betrifft. e) Besonderheiten und Lücken der Sanktionierung bei Verstößen im Bereich von Unternehmungen Zur Durchsetzung von Umweltvorschriften und Ahndung von Verstößen stehen verwaltungs- und strafrechtliche Sanktionsmittel zur Verfügung. In den vorangegangenen Abschnitten wurden grundsätzliche Sanktionsinstru­ mente und ihre spezifischen Anwendungsvoraussetzungen dargestellt. Auf einige Schwierigkeiten bei der strafrechtlichen Sanktionierung wurde eben­ falls bereits hingewiesen. In diesem Abschnitt ist auf Sanktionierungsmög­ lichkeiten und ihre Anwendbarkeit speziell bei Verstößen im Rahmen von Unternehmungen einzugehen, da Besonderheiten in diesem Bereich für die zu untersuchende Problemstellung von Bedeutung sind. Das deutsche Strafrecht baut auf dem Schuldgrundsatz auf. Da juristische Personen (AG, GmbH usw.) und Personenvereinigungen (OHG, KG) aber 84

Vgl. die Literatur in Fn . 83; vgl. zu einem weiteren Beispiel o. V. , Insgesa mt einzustel­ len , S. 90 ff. ' 5 Ebenso z. B. Bundesrat. Begründung, S. 1 0, W. Rüdiger. Bekämpfung sozialgefährli­ cher Umweltverstöße, S. 58 f.

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2. Kap. : Handlungsalternativen und Ableitung der Entscheidung

nicht selbst, sondern nur durch andere handeln können, sind sie strafrecht­ lich nicht verantwortlich. Gäbe es nun keine speziellen Vorschriften über die straf- und bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit in derartigen Fällen, so wäre das Ergebnis folgendes: Die Unternehmung bliebe straffrei, da sie nicht gehandelt hat, der handelnde Täter aber ebenfalls, weil er nicht Normadres­ sat ist 86 • Werden z. B. Auflagen erteilt, so verpflichten sie die Unternehmung, diese ist Normadressat. Ohne die anschließend auszuführenden Regelungen der Verantwortlichkeit wäre aber z. B. der Gesellschafter einer Unterneh­ mung nicht verantwortlich, da er durch die Auflage gar nicht verpflichtet wird. Zur Abwendung derartiger, unbefriedigender Ergebnisse, die den prak­ tischen Gegebenheiten im Wirtschaftsleben nicht ausreichend Rechnung tragen würden, besitzen Straf- und analog Ordnungswidrigkeitenrecht Vorschriften über das Handeln für einen anderen (§ 14 StGB, § 9 OWiG). Im einzelnen sind hiernach verantwortlich vertretungsberechtigte Organe einer juristischen Person oder Mitglieder von Organen (Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer usw.), vertretungsberechtigte Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft sowie bestimmte, durch den Betriebsinhaber oder dazu Befugte Beauftragte. Diesen Personengruppen werden auch diejenigen strafbegründenden Merkmale zugerechnet, die nicht in ihrer Person liegen, sondern zunächst die Unternehmung als Vertretene betreffen. Im erwähnten Fall der Auflagener­ teilung werden diese Personen also behandelt, als wären sie die Normadressa­ ten. Sanktionen des Strafrechts können folglich gegen diese Personen verhängt werden. Voraussetzung der „strafrechtlichen Haftung" ist eine besondere Verant­ wortlichkeit im Unternehmen, die bei den vertretungsberechtigten Organen und Gesellschaftern regelmäßig gegeben ist8 7 •

Die Beauftragten müssen entweder zur (Teil-) Betriebsleitung oder aus­ drücklich zur eigenverantwortlichen Erfüllung von Pflichten der Unterneh­ mung beauftragt sein, also ein bestimmtes Maß an Entscheidungsbefugnis besitzen. Diese Ausgestaltung (Entscheidungsbefugnis, eigenverantwortlich) soll verhindern, daß Verantwortlichkeit formal auf andere abgeschoben wird (mit allen dazugehörigen Konsequenzen), obwohl diese angesichts der tat­ sächlichen Gegebenheiten letztlich nur weisungsgebunden fremde Entschei­ dungen ausführen 8 8 • 86 Vgl . E. Göhler, Verantwortlichkeit, S. 1 07. Vgl . R. Lummert, Straf- und Bußgeldrecht, S. 23. " Vgl . E. Dreher, H. Tröndle, Kommentar, S . 79 f., 0. Triffterer, Rolle des Stra frechts, S. 347, W. Rüdiger, Bekämpfung sozialgefährlicher Umweltverstöße, S. 200. 87

A. Konsequenzen der Nich tbefolgung von Auflagen

73

Die Delegation von Pflichten an Beauftragte im Sinne des § 14 Abs. 2 StGB entlastet jedoch den ursprünglich Verpflichteten, also z. B. den Betriebsinha­ ber oder vertretungsberechtigten Gesellschafter, nicht immer von seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Da diesen Personen letztlich die Kon­ trolle auch der Beauftragten obliegt, sind sie strafrechtlich verantwortlich, wenn sie als Normadressaten selbst aktiv handeln oder ihnen sonst ein Schuldvorwurf zu machen ist. Letzteres ist z. B. der Fall, wenn sie von illegalen Umweltverstößen Kenntnis erlangen und nicht dagegen einschrei­ ten8 9 . Eine weitere Sanktionsmöglichkeit, die nicht gegen den handelnden Täter, sondern gegen die Unternehmung selbst angewandt werden kann, stellt die Geldbuße gegen die juristische Person oder Personenvereinigung nach § 30 OWiG dar. Eine solche kann festgesetzt werden, wenn ein vertretungsberech­ tigtes Organ einer juristischen Gesellschaft beziehungsweise ein vertretungs­ berechtigter Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen hat, durch die Pflichten der Unterneh­ mung verletzt worden sind oder sie bereichert worden ist beziehungsweise werden sollte (§ 30 Abs. l OWiG). Der Verstoß eines Beauftragten erfüllt die Voraussetzung des § 30 OWiG nicht. Die Geldbuße kann bei Straftaten bis zu 100 000 DM, bei Ordnungswidrigkeiten bis zu dem für diese festgelegten Höchstmaß betragen (§ 30 Abs. 2 OWiG). Die Festsetzung einer Geldbuße gegen ein Unternehmen schließt die gleichzeitige Anordnung des Verfalls nach den §§ 73 , 73 a StGB aus (§ 30 Abs. 5 OWiG). Ein gegebenenfalls entstandener Vermögensvorteil muß also bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigt werden. Geschieht dies nicht, kann er nicht etwa durch Verfall abgeschöpft werden. Sinn der Geldbuße gegen die Unternehmung selbst ist die Gleichstellung von Unternehmungen unterschiedlicher Rechtsformen. Wird etwa gegen einen Einzelunternehmer aufgrund einer Ordnungswidrigkeit eine Geldbuße verhängt, so werden bei deren Bemessung im Rahmen der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters (§ 17 Abs. 3 OWiG) der Beitrag seiner Unternehmung zum Nettoeinkommen und auch der wirtschaftliche Vorteil aus der Tat einbezogen; dies resultiert aus der unterstellten Einheit zwischen Unternehmung und Unternehmer. Begeht dagegen etwa das Organ einer GmbH eine gleichschwere Ordnungswidrigkeit, so könnten ohne zusätzliche Vorschriften nur die individuellen Vorteile des Täters durch Geldbuße abgeschöpft werden. Die Unternehmung wäre demnach zwar 89 Vgl . E. Dreher, H. Tröndle, Kommentar, S. 80, A. Schänke, H. Schröder, Kommentar, S. 1 77, W. Rüdiger, Bekämpfung sozialgefährlicher Umweltverstöße, S . 200 , R. Leibinger, Der strafrechtliche Schutz der Umwelt, S. 84 f. , H. - U. Buckenberger, Strafrecht und Umweltschutz, S . 294 f. Vgl. auch P. Schuster, Verantwortlichkeit für Umweltstraftaten, S . 5 ff. ; Beispiele für „Täterketten" (wer ist weshalb verantwortlich) bei S. Walcher, Über­ führung von Umweltstraftätern , S. 7 ff.

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2.

Kap.: H a ndlungsalternat iven und Ableitung der Entscheidung

Nutznießer der Tat, ihr flösse der Vermögensvorteil z. B. in Form ersparter Aufwendungen zu, sie hätte aber keine Sanktionen zu befürchten. Eine Abschöpfung des Vermögensvorteils der Unternehmung wäre nicht möglich. Um in derartigen Fällen eine Gleichstellung mit dem erwähnten Einzelunter­ nehmer zu gewährleisten, wurde die Möglichkeit der Verhängung einer Geld­ buße gegen die Unternehmung geschaffen90 •

Schließlich können Geldbußen bei Verletzung der Aufsichtspflicht nach § 1 30 OWiG verhängt werden. Der Inhaber einer Unternehmung, ihm gleich­ gestellte vertretungsberechtigte Organe oder Gesellschafter und zur (Teil-) Betriebsleitung Beauftragte handeln hiernach ordnungswidrig, wenn sie vor­ sätzlich oder fahrlässig erforderliche Aufsichtsmaßnahmen unterlassen, die mit Strafe oder Geldbuße bedrohte Zuwiderhandlungen im Unternehmen hätten verhindern können (§ 1 30 OWiG). Die Aufsichtsmaßnahmen umfas­ sen die sorgfältige Auswahl und Überwachung von Mitarbeitern und Auf­ sichtspersonen sowie die Bereitstellung einer geeigneten Organisation 9 1 • Nach § 1 30 OWiG sind bei Straftaten Geldbußen bis zu 100 000 DM, bei Ordnungswidrigkeiten nach den für diese geltenden Höchstgrenzen möglich. „Damit besteht" - wie es scheint - ,,ein sehr umfassendes System, um gegen Zuwiderhandlungen in Betrieben und Unternehmen wirksam vorge­ hen zu können" 92 • Dennoch gibt es in Unternehmungen gerade im Bereich von Umweltverstößen Möglichkeiten, durch Ausnutzung bestimmter Lücken der strafrechtlichen Verantwortlichkeit unter Umständen zu einer Sanktionsfreiheit aller beteiligten Personen und der Unternehmung selbst zu gelangen. Diskutiert wird diese Problematik vor allem im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Betriebsbeauftragten für Abfall, Gewässer- beziehungs­ weise Immissionsschutz93 • Unter die Regelung des § 14 Abs. 2 StGB und analog des § 9 Abs. 2 OWiG - Verantwortlichkeit von Beauftragten - fallen nur Personen, die aus­ drücklich beauftragt sind, in eigener Verantwortung bestimmte Pflichten zu erfüllen. Nicht erfaßt sind Personen, denen im Rahmen der unerläß lichen Delegation von Aufgaben in einem Unternehmen allgemein umschriebene Pflichten zugewiesen werden 94 • Bei der Übertragung lediglich der gesetzlich vorgesehenen Pflichten an den Betriebsbeauftragten fehlt es an dem Merkmal 90

Vgl . E. Göh/er, Verantwortlichkeit, S. 1 06 f. , ders. , Kommentar, S. 1 06, 1 62, 1 67 f. , W. Rüdiger, Bekämpfung sozia lgefährlicher Umweltverstöße, S. 202 f. 91 Zu sehr detaillierten Ausführungen über Art und Inha lt der Aufsichtspflichten a n Beispielen vgl . H. P. Sander, Unterlassen u n d Fahrlässigkeit, S. 5 ff. ., E. Göhler, Verantwortlichkeit, S. 108. 9 ·' Zu deren Aufgaben siehe § § 53 ff. BimSchG, §§ 2 1 a ff. WHG, §§ 1 1 ff. AbfG. Zu einer empirischen Untersuchung über Qualifikation und ta tsäch liche Aufgaben von Umwelt­ schutzbeauftragten vgl. A. A. Ul/mann, Betriebsbeauftragte für Umweltschutz, S. 998 ff. 94 Vgl . 0. Triffterer, Umweltstrafrecht, S. 1 04 f.

A. Konsequenzen der Nichtbefolgung von Auflagen

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der ausdrücklichen Übertragung spezieller Pflichten und auch an dem der eigenverantwortlichen Entscheidungsbefugnisse. Auch bei Übertragung wei­ terer Aufgaben an diese Personengruppe ist es möglich, daß eine ausdrückli­ che Übertragung nicht vorliegt oder nicht nachweisbar ist95 • Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Betriebsbeauftragten ist in diesen Fäl­ len oft nicht gegeben, da Normadressat z. B. von Auflagen nicht er, sondern die Unternehmung beziehungsweise die Organe sind und eine Haftung nach 96 § 14 StGB aus erwähnten Gründen nicht möglich ist • Der Inhaber der Unternehmung oder die Organe und Vertreter haften aber gegebenenfalls strafrechtlich ebenfalls nicht, da sie die entsprechenden Aufgabenbereiche an andere Personen delegiert haben. Eine Geldbuße aufgrund der Verletzung der Aufsichtspflicht nach § 130 OWiG ist aber auch nicht möglich, wenn mit der gebotenen Sorgfalt bei Auswahl und Überwachung der Betriebsbeauftragten vorgegangen wurde - das Gegenteil muß erst bewiesen werden. Eine Geldbuße gegen die Unter­ nehmung selbst kann in derartigen Fällen gleichfalls nicht verhängt werden, da hierfür die vertretungsberechtigten Organe oder Gesellschafter der Unter­ nehmung eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen haben müssen; das haben sie in obigem Beispiel aber nicht; der Umweltverstoß des Betriebs­ beauftragten erfüllt die Voraussetzung des § 30 OWiG nicht97 • Die Möglich­ keit der Abschöpfung etwaiger Vermögensvorteile durch eine entsprechende Bemessung der Geldbuße entfällt natürlich ebenfalls, wenn eine solche nicht festgesetzt werden darf. Weitere Folge der Straflosigkeit von Betriebsbeauftragten und vertre­ tungsberechtigten Organen beziehungsweise Gesellschaftern ist, daß ein Ver­ mögensvorteil bei der Unternehmung auch nicht durch Verfall nach den §§ 73 ff. StGB abgeschöpft werden kann; die Anordnung der Einziehung nach den §§ 74 ff. StGB ist ebenfalls nicht möglich9 8 • Alle Sanktionsmöglichkeiten laufen damit ins Leere. Unter Umständen kann eine Sanktion gegen den Betriebsbeauftragten verhängt werden, wenn 95

Vgl. 0. Triffterer, Umweltstrafrecht, S . 1 05 ff. Vgl . a uch R. Leibinger, Der strafrechtli­ che Schutz der Umwelt, S. 84, Fn. 60, M. Möhrenschlager, Schwerpunkte des U mweltstraf­ rechts, S. 19 f. " Vgl. 0. Triffterer, Umweltstrafrecht, S. 1 05 f. " Vgl. ebenda, S. 1 06, 1 09, E. Göh/er, Verantwortlichkeit, S. l 1 4 f., W. Rüdiger, Bekämpfung sozialgefährlicher Umweltverstöße, S. 206 f. Eine Geldbuße gegen die Unter­ nehmung ist in diesem Fall auch nicht nach § 30 Abs. 4 OWiG möglich, vgl . E. Göhler, Kommentar, S. 1 73 f. Eine Geldbuße gegen die Unternehmung könnte verhängt werden, wen n den vertretungsberechtigten Organen o. ä. ein Verstoß gegen ihre Aufsichtspflicht (§ 1 30 OWiG) nachgewiesen werden könnte; dann ist der Tatbestand einer Ordnungswi­ drigkeit erfüllt und § 30 OWiG über diesen Umweg anwendbar; vgl. W. Rüdiger, Bekämp­ fung sozialgefährlicher Umweltverstöße, S. 206 f., E. Göhler, Kommentar, S. 167, ders., Verantwortlichkeit, S. 108 f. •• Vgl. zur Begründung im einzelnen 0. Triffterer, Umweltstrafrecht, S. 1 09.

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2. Kap.: H andlungsalternativen und A bleitung der Entscheidung

er gegen ihm ausdrücklich übertragene und von ihm in eigener Verantwor­ tung durchzuführende Pflichten verstoßen hat. Ist dieser Pflichtverstoß z. B. als Ordnungswidrigkeit zu qualifizieren und ist den vertretungsberechtigten Organen oder ihnen gleichgestellten Personen eine Verletzung der Aufsichts­ pflicht nach § 130 OWiG nicht vorzuwerfen oder nachzuweisen, so kann die Geldbuße gegen den Beauftragten nur unter Berücksichtigung seiner indivi­ duellen Verhältnisse festgesetzt werden. Vorteile, die der Unternehmung zufließen, können wiederum nicht abgeschöpft werden99 • Diese Erläuterungen und Beispiele lassen deutlich werden, daß der Sank­ tionierung vor allem in Großbetrieben mit weitreichender Delegation und Aufgabenteilung zum Teil enge Grenzen gesteckt sind. Die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten sind weitgehend auf individuelle Täter ausgerichtet 0 und daher bei komplizierteren Strukturen nicht immer praktikabel 1 ° • Auf­ grund dessen kann ein Verstoß gegen entsprechende Vorschriften selbst bei Einbeziehung der Sanktionen gegen den Mitarbeiter in den betrieblichen Entscheidungskalkül für die Unternehmung vorteilhaft sein.

Zusammenfassend kann gesagt werden: § 14 StGB und § 9 OWiG dehnen die (strafrechtliche) Verantwortlichkeit für Umweltverstöße von der Unter­ nehmung auf bestimmte, für sie handelnde Personen aus. Daneben kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Geldbuße gegen die Unternehmung, Verfall beziehungsweise Einziehung angeordnet sowie eine Geldbuße wegen Verletzung der Aufsichtspflicht nach § 130 OWiG verhängt werden. Dieses recht umfassende Sanktionssystem bei Verstößen in Unternehmungen weist jedoch bestimmte Lücken auf, durch die unter Umständen eine Freizeich­ nung von der Verantwortlichkeit ermöglicht und die Abschöpfung von Vor­ teilen aus der Tat verhindert werden. Die Probleme bei der Sanktionierung von Verstößen im Bereich von Unternehmungen hat auch der Gesetzgeber erkannt. Erklärtes Ziel geplanter •• Grund hierfür ist wiederum, daß zur Anwendbarkeit von § 30 OWiG die Ordnungs­ widrigkeit eines Beauftragten nicht ausreicht; vgl . die Litera tur in Fn. 97. Begeht der Betriebsbeauftragte demgegenüber eine Straftat und ist er nach § 14 Abs. 2, S. 2 StGB dafür strafrechtlich verantwortlich, ist unter den übrigen Voraussetzungen der §§ 73, 73a StGB der Verfall des Vermögensvorteils der Unternehmung möglich (§ 73 Abs. 3 StGB). Daß nicht alle Komponenten eines Vermögensvorteils der Abschöpfung unterliegen, wurde oben bereits a usgeführt. Vgl . die entsprechenden Ausführungen im zweiten Kapi­ tel, A. II. ! . d) aa) und Fn. 56 und 57 ebendort. wo Vgl. S. Wa/cher, Überführung von Umweltstraftätern, S. 6, P. Schuster, Verantwort­ lichkeit für Umweltstraftaten, S. 5, M. Hümbs-Krusche. M. Krusche, Strafrechtliche Erfas­ sung, S. 1 5 2 ff. , 2 1 0 f., 2 1 4 f., W. Jubelius, S. Klein-Schonnefeld, Kriminalität der Mächtigen, S. 30. K.-D. Opp, Wirtschaftskriminalität, S. 16 f. Daß die aufgezeigten Schlupflöcher nicht nur theoretisch bestehen, sondern in praxi ausgenutzt werden, berich­ tet der Referentenentwurf des 2. Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (zitiert bei 0. Triffterer, Umweltstrafrecht, S. 1 26 Fn. 3 1 6), vgl. a uch Bundesregierung, Gesetzentwurf 2. WiKG, S. 36, 39.

A. Konsequenzen der Nichtbefolgung von Auflagen

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Neuregelungen ist die Ausweitung der Sanktionierungsmöglichkeiten für sol­ che Verstöße und die Schließung bestehender Lücken w 1 • Weiter unten wird auf einzelne Vorschläge der Neuregelung noch zurück­ zukommen sein (Drittes Kapitel, C. II. 2.). Vorerst bleibe die Untersuchung aber auf den jetzigen Gesetzesstand beschränkt.

2. Sanktionierungspraxis - relevante Sanktionen und Sanktionshöhen

Wie gewichtig eine Zufügung von Nachteilen für die unternehmerische Entscheidung ist, kann nur unter Beachtung der tatsächlich verhängten Sanktionen beurteilt werden. Die rechtlich vorgesehenen Sanktionsmöglich­ keiten, die bisher dargestellt wurden, stellen hierfür allenfalls Richtwerte dar. Die Erörterung der praktizierten Sanktionierungstätigkeit stellt daher den Gegenstand dieses Abschnitts dar. a) Praktizierte Sanktionen im Verwaltungsbereich Auf ihren praktischen Einsatz hin zu untersuchende Sanktionsmöglichkeiten sind der Widerruf der Genehmigung, die Betriebsuntersagung, Zwangsgelder sowie Geldbußen. Die Einziehung war oben 1 02 bereits aus der Untersuchung ausgeschlossen worden. Von der Möglichkeit des Widerrufs einer Genehmigung wird von den Behörden anscheinend überhaupt kein Gebrauch gemacht. Die in diesem Zusammenhang umfassendste empirische Untersuchung von Mayntz u. a. ergab, daß „das Mittel des Widerrufs bisher von keiner Behörde angewandt wurde" 1 03 •

Die Betriebsuntersagung als nächste Sanktionierungsmöglichkeit spielt ebenfalls nur „eine marginale Rolle" w4 bei den Durchsetzungsmaßnahmen der Behörden. So wurden bei den von Mayntz u. a. untersuchten 46 Kreisver-

Vgl. Bundesregierung, Gesetzentwurf 2. WiKG, S. 1. Vgl. S. 60. 1 1 13 R. Mayntz, u. a . , Vollzugsprobleme, S. 402, darauf aufbauend ebenso E. Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 75. Zu z. T. entsprechenden Ergebnissen im Wasserbereich vgl. R. Mayntz, u. a. , Vollzugsprobleme, S. 738 ff. 1 1 14 R. Mayntz, u. a . , Vollzugsprobleme, S. 402. 1111 1

"'

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2. Kap.: H andlungsalternativen und Ableitung der Entscheidung

waltungen Untersagungs-, Stillegungs- und Beseitigungsverfügungen im Durchschnitt des Jahres 1975 0, 1 mal ausgesprochen, bei den Gewerbeauf­ sichtsämtern „immerhin" im Durchschnitt l ,3 maI 105 , 1 1 16 • Das mildeste Durchsetzungsmittel stellt das Zwangsgeld dar. Entspre­ chend häufiger wird es angewandt. Die verfügbaren Angaben üb_er die Höhe der verhängten Zwangsgelder differenzieren nach Art der festsetzenden Behördenstufe und dem Regelungsbereich . Tab. l enthält empirisch ermit­ telte Zwangsgeldbeträge 1 1 17 • Tab. 1 : Höhe von Zwangsgeldern in DM

_,,. r

im Immissionsschutz durch­ durchschn . schnittl . höchstens

Regienmgspräsidien

500

2000

krsfr . städt untere V e rw . Gewerbeauf- behörsichtsämter den

1110

291 8

548

1218

im Gewässerschutz durchdurchschn . schnittl . höchstens 350



520

400

}

1 440

Die durchschnittlich höchsten Zwangsgelder in der Übersicht ergeben sich als Durchschnitt der von den Behörden einer Stufe verhängten höchsten ws Vgl. R. Mayntz, u. a . , Vollzugsprobleme, S. 40 1 . 106 In der Untersuchung von Mayntz u. a . sind Beseitigungs-, Stillegungs- und Untersa­ gungsverfügungen zusammen erfaßt. Stillegungsverfügungen wurden im Durchschnitt weniger als einmal ausgesprochen (vgl. J. Hucke, A. A . Ullmann, Konfliktregelung, S. 1 1 6). Beseitigungs- und Stillegungsanordnungen wurden oben (vgl. die Begründung am Ende von Abschn. A. II. 1 . b) des Zweiten Kapitels) bereits wegen anderer Voraussetzungen aus der Untersuchung ausgeschlossen. Hier wird aber deutlich, daß sie quantitativ ohnehin unbedeutend sind. Zu Gründen hierzu vgl. R. Mayntz, Implementation von regulativer Politik, S. 68, G. Feldhaus, W. Vallendar, Bundesimmissionsschutzrecht, zu § 20, S. 2 f. Bei empirischen Angaben über Stillegungen ist noch folgendes zu beachten: Werden Unternehmungen (Anlagen) aus Umweltschutzgründen stillgelegt, so oft als Folge eines wirtschaftlichen Kalküls, nicht als Sanktion der Behörden. Anlaß für einen solchen Kalkül können zwar Umweltschutzauflagen sein. Die Stillegung der Anlage erfolgt dann aber nicht aufgrund behördlicher (Stillegungs-) Anordnung, sondern letztlich „freiwillig" in Ansehung der wirtschaftlichen Situation der Unternehmung (Anlage). Solchermaßen zu begründende Stillegungen sind sicherlich in nennenswertem Umfang in den Angaben von Sprenger enthalten; vgl. R. U. Sprenger, Beschäftigungseffekte, S. 1 07 ff. und Tabelle 23 im Anhang ebenda . 111 7 Vgl. R. Mayntz, u. a., Vollzugsprobleme, S . 465 , 783.

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A. Konsequenzen der Nichtbefolgung von Auflagen

Zwangsgelder. Der Durchschnitt der Zwangsgelder bewegt sich demnach zwischen 350 und 1 1 10 DM, der Durchschnitt der höchsten Zwangsgelder zwischen 400 und 2918 DM. Aufgrund der höheren Anforderungen beim Nachweis werden Bußgelder seltener verhängt als Zwangsgelder; sie stellen aber die zweithäufigst verwen­ dete Sanktionsart dar. Nach den Untersuchungen von Mayntz u. a. ergeben 118 sich bei Umweltverstößen folgende Bußgeldhöhen 1 • Tab. 2: Höhe von Bußgeldern in DM

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rsfr . Städte unt ere Verw . erbeauf- beh örichtsämter den

im Immissionsschutz durchclurchschn . schni ttl . höchstens

im Gewässerschutz durchschn . durchhöchstens schnittl . 4260

320 387

1 588

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290

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1 1 20

Der Durchschnitt der Geldbußen liegt damit bei 290 bis 537 DM, der Durchschnitt der höchsten Geldbußen zwischen 1 1 20 und 4996 DM. Diese Angaben stammen aus dem Untersuchungszeitraum 1975/ 1976. Eine umfassende Überprüfung der aktuellen Gültigkeit derartiger Größen­ ordnungen für Bußgelder war im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht möglich. Vermutungen hinsichtlich eines Anstiegs könnte man etwa daraus ableiten, daß z. B. der Bußgeldhöchstbetrag im Wasserhaushaltsge­ setz gegenüber dem damaligen Stand von 10 000 DM auf nunmehr 100 000 DM erhöht wurde. Die aufgeführten Bußgelder im Gewässerschutz weichen aber nicht sehr stark von denen im Bereich des Bundes­ Immissionsschutzgesetzes ab, obwohl bei letzterem bereits damals der Höchstbetrag von 100 000 DM galt. Dies deutet daraufhin, daß die Bußgeld­ höhe nicht so sehr vom gesetzlichen Bußgeldhöchstbetrag abhängt. Eigene Nachforschungen bei für Umweltschutz (mit-) zuständigen Mini­ sterien verschiedener Bundesländer und Hinweise in Länder-Umweltberich­ ten bestätigen zudem die von Mayntz u. a. ermittelten Größenordnungen für Geldbußen: Die Bußgelder bei Gewässerschutzdelikten in Hessen lagen 198 1 1

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Vgl . R. Mayntz. u. a . , Vollzugs p robleme, S. 465 , 783.

80

2. Kap.: Handlungsalternativen und Ableitung der Entscheidung

„zwischen 50,- und 5 000,- DM. Der Mittelwert lag bei etwa 300,- DM" 109 • Das Ordnungsamt der Stadt Hannover verhängte 1 98 1 bei Verstößen gegen Immissionsschutzvorschriften Geldbußen zwischen 20 und 700 DM, im Bereich der Abfallbeseitigung wurden Beträge von 20 bis 4000 DM festge­ setzt 1 10 . Die Bußgelder in Niedersachsen lagen zwischen 1977 und 1980 „im wesentlichen zwischen 20,- DM und 500,- DM; in Einzelfällen wurden Beträge bis zu 10 000,- DM festgesetzt" 1 1 1 • Im Saarland lagen die Geldbußen der Gewerbeaufsichtsämter von 1979 bis 1982 zwischen 100 und 500 DM, diejenigen der Stadt- und Landkreisbehörden 1979 und 1980 zwischen 1 0 und 10 000 DM, im Durchschnitt bei wenigen 100 DM 112 • In Schleswig-Holstein wurden 198 1 Bußgelder von im Durchschnitt 55 DM (beim Immissionsschutz) bis 233 DM (im Gewässerschutz), 1980 in den gleichen Umweltbereichen von im Durchschnitt 69 bis 386 DM, 1979 von 39 bis 375 DM rechtskräftig 1 1 3 . In anderen Bundesländern wurden entsprechende Daten nicht erhoben beziehungsweise nicht mitgeteilt. Obwohl Aussagen über die Repräsentativität dieser Angaben nicht mög­ lich sind, lassen sie doch keine andere Tendenz erkennen als die Ergebnisse der umfassenden empirischen Untersuchung von Mayntz u. a. Diese kann aufgrund ihrer breiten Anlage und der großen Beteiligung der angesproche­ nen Verwaltungsbehörden - nicht zuletzt als Folge der Unterstützung durch die Bundesländer - als repräsentativ bezeichnet werden 1 1 4 • Aufgrund dessen können die Resultate dieser Untersuchung den folgenden Ausführungen zugrunde gelegt werden. Die Angaben von Mayntz u. a . lassen allerdings offen, welche Höchstbe­ träge bei den Buß- (und auch Zwangs-) geldern im Einzelfall tatsächlich verhängt wurden und inwieweit die Angaben vielleicht durch Bagatellfälle verwässert sind. Auch eine Differenzierung nach Geldbußen gegen natürli­ che Personen und solche gegen Unternehmungen (nach § 30 OWiG) ist nicht möglich 1 1 5 • 10

' Schreiben des Hessischen Ministers für Landesentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten vom 1 8 .0 1 . 1 983. 1 1" Vgl. o. V. , Maßnahmen, S. 10. 111 Niedersächsische Landesregierung, V mweltschutz in Niedersachsen, S . 1 6 1 . 1 12 Schreiben des Ministers für Umwelt, Raumordnung und Bauwesen des Saarlands vom 10.03 . 1 983 und Anlagen zum Schreiben vom 10.06. 1983. Vgl. auch Ministerium fiir Umwelt, Raumordnung und Bauwesen des Saarlands. Bericht 198 1 , S . 106. i 1.1 Laut Zusammenstellung der U mweltschutzordnungswidrigkeiten für die Jahre 1980 und 198 1 , die dem Schreiben des Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Schleswig-Holstein vom 1 1 .02 . 1 983 beigefügt war. 1 14 Zu Einzelheiten der methodischen Anlage, Rücklaufquoten usw. vgl. R. Mayntz, u. a., Vollzugsprobleme, S. 1 3 ff. 1 15 Derart differenzierte Erhebungen werden laut Angaben zuständiger Länderministe­ rien auch nicht durchgeführt.

A. Konsequenzen der Nichtbefolgung von Auflagen

81

Wie erwähnt soll nach § 17 Abs. 4 OWiG durch die Geldbuße auch der wirtschaftliche Vorteil aus der Tat abgeschöpft werden. Die relativ geringe Höhe der Bußgelder in der Praxis läßt aber zumindest erhebliche Zweifel daran aufkommen, ob dieser Vorschrift Genüge getan wird 1 1 6 ; daher kann dem Täter selbst bei Sanktionierung, erst recht ohne sie, ein wirtschaftlicher Vorteil verbleiben. Insgesamt ist festzustellen, daß als Sanktionen im Verwaltungsbereich primär Zwangsgelder und Geldbußen von Bedeutung sind. Deren Höhe bewegt sich im allgemeinen Durchschnitt bei wenigen 100 DM, auch der Durchschnitt der höchsten Sanktionen geht maximal bis knapp 5 000 DM. Aktuellere Angaben zur Sanktionshöhe in der Praxis lassen keine andere Tendenz erkennen.

b) Praktizierte Sanktionen im Strafbereich aa) Anwendung strafrechtlicher Sanktionsmöglichkeiten Zu untersuchen ist in diesem Abschnitt, inwiefern von den strafrechtlichen Sanktionen bei Umweltdelikten praktischer Gebrauch gemacht wird. Als Sanktionen kommen in Betracht Geld- und Freiheitsstrafen, - Berufsverbote sowie - Verfall und Einziehung, Informationsquellen sind hauptsächlich Auswertungen des Statistischen Bundesamtes zur Strafverfolgung und Angaben des Bundeskriminalamtes zu Umweltschutzstrafsachen 1 1 7 • Die Sanktion des Verbots der Berufsausübung nach § 70 StGB besitzt offenbar keine praktische Relevanz: In den ausgewerteten Jahren von 1978

1 16 Dies wird auch in der Literatur so gesehen, vgl. Rat von Sachverständigen, Umwelt­ gutachten 1 978, S . 484, R. Mayntz, u. a., Vollzugsprobleme, S . 466, 783, 0. Triffterer, Umweltstrafrecht, S. 1 30 Fn. 327 . Vgl. auch L. Güntert. Gewin nabschöpfung, S. 28 ff. 1 1 7 Diese Datengrundlage ist Teil der amtlich registrierten Kriminalität. Offizielle Stati­ stikergebnisse spiegeln aber die wirkliche Kriminalität aus verschiedenen Gründen ver­ mutlich nur unzureichend wider. Derartige Überlegungen führten zu Untersuchungen im Rahmen der sogenannten „Dunkelfeldforschung" , die die Vermutungen zum Teil bestäti­ gen. Auch im Umweltbereich sind Diskrepa nzen zwischen amtlich erfaßter und tatsächli­ cher Kriminalität zu erwarten. Dennoch müssen die offiziellen Angaben zugrunde gelegt werden, da sie die einzig verwendbaren und auswertbaren Daten darstellen, die zur Verfügung stehen. Vgl. zu diesem Problemkreis C. Moench, Kriminelle Umweltgefähr­ dung, S. 84 ff., Bundeskriminalamt (Hrsg.), Polizeiliche Kriminalstatistik 198 1 , S. 5, L. Müller, Dunkelfeldforschung, S. 7 ff. , 19 ff. , E. Stephan, Stuttgarter Opferbefragung, S. 21 ff., H. -D. Schwind, u. a . , Dunkelfeldforschung, S. 1 6, 18 ff. , G. Kaiser, Kriminologie, S. 99 ff., D. K. Pfeif/er, S. Scheerer, Kriminalsoziologie, S . 1 6 und Fn. 67, S . 22 ff.

6 Terhart

82

2. Kap. : Handlungsalternativen und Ableitung der Entscheidung

bis 1 982 verzeichnet die Strafverfolgungsstatistik im Umweltschutzbereich 1 18 1 19 keinen einzigen Fall von Berufsverbot , . 12

Gleiches gilt für die Anordnung des Verfalls ". Gerade der Verfall ist zur Abschöpfung von Vermögensvorteilen z. B . in Form ersparter Aufwendun­ 1 1 gen konzipiert und gedacht, greift in praxi aber anscheinend nicht 2 ·1 2 2 • Größere Bedeutung besitzt laut Statistiken die Anordnung der Einzie­ 1 hung 2 1 . In den Ja hren von 1978 bis 1 982 wurde insgesamt 56 mal im Bereich von Umweltschutzvorschriften von dieser Sanktionsart Gebrauch gemacht 12 ( 1 982: 0, 1 98 1 : 1 1 , 1 980: 3, 1 979: 4 1 4 , 1978: 1 ). Eine genauere Analyse der Gegenstände, auf die sich die Einziehung erstreckt, ist nur für das Jahr 1 9 8 1 möglich . Im Jahre 1 982 erfolgte keine Einziehung, in den Jahren b i s inklusive 1 980 (vor Einführung der neuen Umweltstrafvorschriften) verzeichnet die Statistik die Rechtsgrundlage der Einziehung, aus der genauere Erkenntnisse abgeleitet werden könnten , nur pauschal mit Bundes-Immissionsschutz-, Abfallbeseitigungs- oder Wasserhausha ltsgesetz. Die 1 1 Fälle von Einzie­ hung 1 98 1 wurden aufgrund von Verstößen gegen § 327 StBG angeordnet. Diese Vorschrift beinhaltet die Strafba rkeit des unerlaubten Betreibens von Anlagen . ,, Unerlaubt" ist ein Betrieb von Anlagen, wenn er ohne die erforder­ liche Genehmigung oder entgegen einer vollziehbaren Untersagung erfolgt 11 '

S . 38.

Vgl. Stati.l'risches Bundesamr (H rsg.), Stra fverfolgungsstatistik 1 978- 1 982, jeweils

1 1 '' In Nordrhein-Westfalen sind bisher zwei Fälle von Berufsverboten aufgrund von Umweltverstößen ausgesprochen worden, a llerdings nicht aufgrund strafrechtlicher Vor­ sch riften, sondern auf der Basis von § 20 Abs. 3 BimSchG ( Berufsverbot wegen Unzuver­ lässigkeit), vgl. o. V„ Verstöße, S. 78. Aus a nderen Bundesländern ist derartiges nicht bekannt. t ) " Vgl. S1atis1ische.1· Bundesamt ( H rsg. ). Strafverfolgungsstatistik 1 978 ( 1 979, 1 980, f 1 98 1 , 1 982), S . 52 (54, 54, 56, 54 f .). l)t In den Stra fverfolgungsstatisti ken von 1 976- 1 982 ist kein einziger Verfall im Umweltbereich verzeichnet. Daher überrascht die Feststellung von Dreher/Tröndle, der Verfall spiele „vor a l lem bei Delikten der Wirtschafts- und U m weltsk riminalität. . . eine sehr bedeutsame Rolle" (E. Dreher, H. Tröndle, Kommentar, S, 470). Einer empirischen Überprüfung hält diese Aussage aber wohl nicht stand. Darauf weist auch Günter! a ufgrund von Aktenanalysen und Befragungen hin; vgl. L. Günren. Gewinnabschöpfung, S. 90. I ) ) Grundsätzlich könnte der Vermögensvorteil auch durch die Befriedigung bestimm­ ter Rechte Dritter erfolgen: gerade der Bereich der U mweltkriminalität ist hierfü r aber nicht typisch; vgl. E. Dreher, H. Tröndle, Kommentar, S. 470. t ) • Quelle siehe Literaturangabe in Fn. 1 20. t)> Die statistischen Angaben fü r das Jahr 1 979 im Bereich des Immissionsschutzes sind kritisch zu beurteilen. Hier weist die Statistik der Ab- und Verurteilungen ein Vielfaches der sonst üblichen Zahlen aus. Hierauf weist auch M. Möhrenschlager, Schwerpunkte des Umweltstra frechts, S. 2 hin, der hier von einem „Ausreißer" in der Statistik spricht. Der Grund für die Abweichungen war aber nicht zu ermitteln. Auch die Zahl der Einziehungen bei Umweltdelikten ist außergewöhnlich hoch und betrifft in 40 der 41 Fälle des Jahres 1 979 den I mmissionsschutzbereich.

A. Konseq uenzen der Nichtbefolgung von Auflagen

83

(§ 327 StGB). Die Einziehung entsprechender Gegenstände setzt die Erfül­ lung ebendieser Bedingung - unerlaubtes Betreiben von Anlagen - voraus. Im Rahmen dieser Arbeit soll aber von genehmigten Anlagen ausgegangen werden 1 2 5 • Sind die Einziehungen 198 1 repräsentativ für die übrigen Jahre, ist die Einziehung daher als Sanktion nicht weiter beachtlich. Auch aus einem anderen Grund ist die Einziehung für die vorliegende Untersuchung nicht von Bedeutung. Sie erstreckt sich nur auf Gegenstände, eventuell noch einen Wertersatz, sofern die Gegenstände zwischenzeitlich verwertet (veräußert oder verbraucht) wurden. Ersparte Aufwendungen unterliegen nicht der Einziehung, allenfalls dem Verfall. Im folgenden geht es - wie noch im einzelnen zu zeigen ist - zunächst um das zeitliche Hinausschieben von Maßnahmen und den damit verbundenen Zahlungen. Primär von Bedeutung ist dementsprechend ein Vermögensvorteil in Form ersparter Aufwendungen (wie es juristisch heißt). Das hierfür „zuständige" Abschöpfungsinstrument ist aber nicht die Einziehung, sondern der Verfall - von dem aber, wie geschildert, kein Gebrauch gemacht wird. Zu untersuchen bleiben als Sanktionen Geld- und Freiheitsstrafen. Von der Gesamtzahl der Fälle, die zur richterlichen Entscheidung gelangen, führen ca. 60 % zu Verurteilungen, den Rest stellen Freisprüche und Einstel­ lungen dar 1 2 6 • Bei den Verurteilungen dominieren eindeutig die Geldstrafen. Zwar stieg die Anzahl der Verurteilungen zu Freiheitsstrafen von zwei und drei (im Jahre 1979 beziehungsweise 1978) auf 1 6 in 1982 und sogar 26 in 198 1 1 2 7 • Der Anteil der Freiheitsstrafen an den Verurteilungen bleibt den­ noch sehr gering: Bis inklusive 1 980 betrug er weit unter 1 % der Verurteilun­ gen, 198 1 2,9 % und 1982 l ,7 % 1 2 x . Über zwei Drittel der Freiheitsstrafen werden zudem zur Bewährung ausgesetzt. Die Dauer der verhängten Frei­ heitsstrafe beträgt überwiegend bis maximal sechs Monate, in Einzelfällen bis zu zwei Jahren 1 2 ij .

12i Vgl . d i e Ausfüh rungen a m Ende von Abschn. A . 1 1 . 1 . b) des Zweiten Kapitels. 1 2' Vgl . Statistisches Bundesamt ( H rsg. ), Strafverfolgungsstatisti k 1 978- 1 982, jeweils S. 20 f. 1 27 Inwieweit dieser Anstieg auf die Neuregelung des Umweltstrafrechts und eine damit even tuell einhergehende Verschärfungstendenz in der Rechtsprechung oder bessere Prakti­ kabilitä t der Rechtsvorsc h riften zurückzufü h ren ist, kann nicht a bschließend beurteilt werden. 1 2 ' Auffällig am Verhii ltnis von Freiheits- und Geldstrafen ist die erhebliche Abwei­ chung vom Durchschnill der sonstigen Strafsachen. Der Anteil der Freiheitsstni fen lag von 1 978 bis 1 982 i m Durchsch nitt bei rund 1 7 % . Selbst im Nebenstrafrecht. zu dem bis 1 980 auch das Umweltstra frecht gehörte, liegt der Anteil der Freiheitsstra fen zwischen 1 1 % und 15 % ( 1 978- 1982) und damit deut lich höher als im U mweltbereich . Vgl . Srntüti­ sch('.f Bundesamt ( H rsg. ), Strafverfolgungsstatist i k 1 978 ( 1 979 , 1 980. 1 98 1 . 1 982). S . 1 20 ( 1 22, 1 22, 1 26, 1 26); zur langjä hrigen Stat istik vgl. G. Kaiser. K rim inologie, S . 1 23 ff. 1 2'' Vgl. S1a1istisch('.\' Bumfc·.mmt ( H rsg, ), Stra fverfolgu ngsstatistik 1978 ( 1 979 , 1 980, 1 98 1 . 1 982), S . 1 1 2 f. ( 1 1 6 f. . 1 1 6 f„ l l 6 f. . 1 1 8 ). 6'

84

2. Kap.: H a ndlungsalternativen und Ableitung der Entscheidung

Eindeutig im Vordergrund bei den praktizierten Sanktionsmitteln steht damit die Geldstraf�. In welcher Höhe sie bei Umweltdelikten verhängt wird, soll im nächsten Abschnitt untersucht werden. bb) Höhe von Geldstrafen Die Bemessung von Geldstrafen erfolgt nach § 40 StGB in einem zweistufi­ gen Verfahren no : - Zunächst ist die Anzahl der Tagessätze festzulegen. Festlegungsmaßstab sind der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat, das heißt, die Tatschwere sowie präventive Gesichtspunkte (§ 46 StGB). Die Mindestzahl an Tages­ sätzen beträgt fünf, das Höchstmaß 360 Tagessätze (im Falle einer Gesamtstrafe, durch die mehrere Gesetzesverletzungen zugleich geahn­ det werden, 720 Tagessätze, § 54 Abs. 2 StGB). - Im zweiten Schritt wird die Höhe des einzelnen Tagessatzes festgelegt (§ 40 Abs. 2 StGB). Zu berücksichtigen sind die persönlichen und wirt­ schaftlichen Verhältnisse des Täters, wobei in der Regel vom durch­ schnittlichen Nettoeinkommen eines Tages ausgegangen wird; Vermögen wird ebenfalls einbezogen (§ 40 Abs. 2, 3 StGB). Ein Tagessatz beträgt mindestens zwei und höchstens 10 000 DM. Aus der Multiplikation beider, voneinander getrennt zu ermittelnder Ele­ mente ergibt sich die Höhe der Geldstrafe insgesamt. Die Zweistufigkeit des Verfahrens soll - vom gedanklichen Ansatz her - gewährleisten, daß Täter, die Straftaten gleicher Schwere begangen haben (daher gleiche Anzahl von Tagessätzen), die Geldstrafe finanziell gleichermaßen fühlbar verspüren (da die Höhe eines Tagessatzes von den persönlichen und wirtschaftlichen Ver­ hältnissen des Täters ausgehtt '. Aufgrund der erwähnten Mindest- und Höchstgrenzen für Tagessatzanzahl und -höhe ergibt sich ein Strafrahmen von 10 DM bis zu 3,6 Mio. DM (bei mehreren Gesetzesverletzungen bis 7,2 Mio. DM, § 54 Abs. 2 StGB). Diese Höchstgrenzen werden in der Praxis aber bei weitem nicht ausge­ schöpft m . Eigene Auswertungen der Strafverfolgungsstatistik des Statisti­ schen Bundesamtes und der Meldungen über Mitteilungen in Strafsachen Umweltschutz des Bundeskriminalamtes m zeigen hinsichtlich der Größen­ ordnung der tatsächlich verhängten Geldstrafen folgendes Bild. "" Zu Erläuterungen vgl. A. Schönke. H. Schröder. Kommentar, S . 491 ff. 1 ., i Vgl. A. Schönke, H. Schröder. Kommentar, S. 49 1 . 1.1� Vgl. hierzu H. Lau.fhütte, M. Möhren.l'chlager, U mweltstra frecht, S . 928, .l. Herrmann, Rolle des Strafrechts, S. 296, M. Hümbs-Krusche. M. Krusche, Strafrechtliche Erfassung, s. 234, 247. 1 .1 ., Vgl. Statistisches Bundesamt ( H rsg. ), Stra fverfolgungsstatistik 1 978 ( 1 979, 1980, 198 1 , 1982), S. 1 34 f. ( 1 36 f. , 1 36 f. , 1 38 f. , 138 f. ), Bundeskriminalamt ( H rsg. ), Auswertung

85

A. Konsequenzen der N ichtbefolgung von Auflagen

Tab. 3: Kumulierter Anteil der Geldstrafen bestimmter Höhe an den gesamten Geldstrafen in % von 1978 - 1982

�� -- -"st<

1 77 In der Literatur werden derartige Konsequenzen zum Teil gezogen, u. a. deshalb, weil eine Steigerung der Sanktionshöhe, vor allem bei finanziellen Sanktionen, hinsichtlich der gesellschaftlichen Kosten günstiger ist als eine Erhöhung der Sanktionswahrscheinlich­ keit ; vgl. G. S. Becker, Kriminalität und Strafe, S. 67 ff. 1 78 Vgl. Zweites Kapitel, A. III. 1 9 7 Vgl. ähnliche Überlegungen bei V. Vanberg, Verbrechen, S. 31 f.

D. Beurteilung ausgewäh lter Vorschläge

21 1

c) Veränderung von Sanktionswahrscheinlichkeit und/oder -höhe aa) Verbesserung der Kontrolleffizienz und andere Maßnahmen zur Beeinflussung von Sanktionswahrscheinlichkeit und -höhe Um jene Unternehmungen, die nicht ohnehin Umweltschutz anstreben oder loyal sind, zu einer Auflagenbefolgung zu veranlassen, muß der Aufla­ genverstoß ökonomisch unvorteilhaft gemacht werden. Ein Ansatzpunkt ist die Verteuerung der Handlungsmöglichkeit Auflagenverstoß. Im Rahmen des oben entworfenen Entscheidungsmodells geht es um eine Veränderung der Sanktionswahrscheinlichkeit und/oder der Sanktionshöhe. Das Handeln rational entscheidender Aktoren läßt sich wirkungsvoll durch Sanktionen beeinflussen: Die Härte und Wahrscheinlichkeit der Sank­ tionen gehen in den Kalkül gerade solcher Entscheidungsträger ein, so daß Sanktionsverschärfungen über eine Erhöhung der Kosten eines Verstoßes zu einer Verringerung der Normverletzungen beitragen 1 8 " . Vorschläge zur Veränderung von Sanktionswahrscheinlichkeit und -höhe wurden oben bereits erläutert. Dort wurden die Erörterungen nach den Stufen des Implementationsprozesses gegliedert. Der Bezug zu den einzel­ wirtschaftlich entscheidungsrelevanten Parametern wurde aber ebenfalls bereits hergestellt 1 8 1 • Daher genügen an dieser Stelle einige zusammenfas­ sende Ausführungen. Eher indirekte Wirkung für die Sanktionierung besitzen Änderungen der Umweltschutzgesetze und eine Steigerung des Umweltbewußtseins. Von unmittelbarerem Einfluß sind hingegen Verschärfungen der Sanktionsvor­ schriften (Schließung von Strafbarkeitslücken, härtere Sanktionen, vor allem in Form höherer monetärer Sanktionen 1 8 2 ) und Maßnahmen, die die Kontroll- und Sanktionierungstätigkeit der Behörden betreffen. Oben wurden die Defizite in der Überwachungstätigkeit geschildert und die Forderung nach der vermehrten Bereitstellung von Meßinstrumenten und Kontrollpersonal erhoben, um die Kontrollhäufigkeit zu erhöhen. Mehr Mittel und eine größere Anzahl von Kontrollen allein reichen aber nicht unbedingt, auch ein effizienter Mitteleinsatz und eine geeignete Durchfüh­ rung der Kontrollen ist zu gewährleisten. 1 80

Vgl. Drittes Kapitel, C. II. 2. a), auch Erstes Kapitel, C. II. 1 . Daß Sanktionsver­ schärfungen nur über die subjektive Wahrnehmung in die Entscheidungsrechnung einge­ hen, ist aufgrund der Ausführungen im vorigen Abschnitt bekannt. Eine Verä nderung der für den A ktor relevanten Sanktionswahrscheinlichkeit und -härte kann daher einmal durch Beeinflussung der entsprechenden objektiven Größen erreicht werden. U m solche Maßnahmen geht es in diesem Abschnitt primär. A ndererseits können die subjektiven Erwartungen aber auch, wie erwähnt, durch Veränderungen des Informationsstandes über die objektiven Größen beeinflußt werden. 181 Vgl. Drittes Kapitel, C. I I . 3 u n d C . I I I . 3 . 1 82 Vgl. Drittes Kapitel, C. 11. 2. c). 1 4*

212

3 . Kap.: Vorschläge zur verbesserten Zielerreichung im Umweltschutz

Hierzu müssen Kontrollaktivitäten zunächst auch außerhalb üblicher behördlicher Dienstzeiten, das heißt, auch an den Wochenenden, auch nachts durchgeführt werden. Häufig werden unbefugte Handlungen nämlich während der Nacht oder der Wochenenden begangen. Weiterhin ist die anscheinend noch viel praktizierte Übung vorheriger Ankündigungen von Kontrollen ungeeignet: Überraschungskontrollen, Kontrollen in unregelmä­ ßigen, nicht vorhersehbaren Abständen sind weit besser in der Lage, Delikte aufzudecken und zu verhindern als angemeldete Kontrollen 1 83 • Für unvor­ hersehbare Kontrollen außerhalb der normalen Dienstzeiten bietet sich die Einrichtung mobiler Streifendienste an, wie es in Nordrhein-Westfalen für den Bereich der Luftreinhaltung geschehen ist 1 84. Auch Schwerpunkt- und Sonderkontrollaktionen bringen unvorhersehbare Elemente in Überwa­ chungsmaßnahmen und in einen Kalkül über Normverletzungen. Solche Sonderaktionen wurden beispielsweise in Nordrhein-Westfalen für kleine und mittlere Müllverbrennungsanlagen oder für LKWs, die gefährliche Güter transportieren, durchgeführt. Eine wichtige Forderung an geeignete Kontrollsysteme im Umweltschutz ist aber auch die differenzierte Vorgehensweise bei der Auswahl zu kontrol­ lierender Unternehmungen. Eine gleich große Kontrollwahrscheinlichkeit für jede Unternehmung - etwa analog dem Stichprobenmodell „Ziehung mit Zurücklegen" - unter Einbeziehung aller im jeweiligen Zuständigkeits­ bezirk ansässigen Unternehmungen ist bei begrenzter Kontrollkapazität nicht sinnvoll. Besser ist eine Differenzierung der Kontrollhäufigkeit etwa nach dem Kriterium der Umweltintensität einer Unternehmung oder hilfs­ weise der Unternehmensgröße. Umweltintensive Unternehmungen würden demnach - beispielsweise im Rahmen von Sonderaktionen - häufiger überprüft als weniger umweltbelastende oder kleinere und mittlere Unter­ nehmungen 1 8 5 .Durch dieses Vorgehen würde eine begrenzte Kapazität auf die Bereiche konzentriert, in denen Verstöße tendenziell die größten Auswir­ kungen auf den Umweltzustand besitzen. Durch Kontrollen vermiedene Verstöße in diesen Unternehmungen führen dann, bezogen auf die Kontroll­ kapazität, zu der größtmöglichen Verringerung der U mweltbelastung 1 86 . Die 1 83 Daß die Ergebnisse angemeldeter Kontrollen von denen unangemeldeter erheblich abweichen können, wurde oben bereits erwähnt, vgl. Fn. 8 1 . 1 84 Vgl. Ministeriumfar Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NW(Hrsg.), Jahres­ bericht 1 979, S. 1 3 1 , R. Mayntz, u. a . , Vollzugsprobleme, S. 383. " 5 Solche Differenzierungen werden auch bereits durchgeführt, vgl. R. Mayntz, u. a., Vollzugsprobleme, S. 384, 719 f., 730, A. A. Ullmann, I ndustrie und Umweltschutz, S. 49. Häufigere KontroIJen werden auch bei Unternehmungen durchgeführt, die bereits durch Verstöße aufgefaIJen sind, vgl. Fn. 1 82 des Zweiten Kapitels und die zugehörige Textpassage. 1 86 Der Beweis fü r die Effizienz dieser Verfahren wird z. B. durch die betriebswirtschaft­ liche Prüfungstheorie geliefert ; vgl. etwa U. Lejfson, Wirtschaftsprüfung, S. 1 59 ff.

D. Beurteilung ausgewählter Vorschläge

213

Umweltintensität könnte etwa a n der Emissionsmenge bestimmter Stoffe (Schwefeldioxyd, Stickoxyde) gemessen werden, die Unternehmensgröße an der Anzahl der Mitarbeiter. Die Unternehmensgröße ist aber nur ein Ersatz­ maßstab für den Fall, daß keine ausreichenden Kennntnisse über die Umweltbelastung vorliegen. Besonders bedeutsam wird die Effizienz eines Kontrollsystems aufgrund der Präventivwirkung von Kontrollen. Da potentielle Normverletzer auf­ grund verbesserter Kontrollmaßnahmen vermehrt mit Entdeckung und Sanktionierung rechnen müssen und die geänderten Wahrscheinlichkeiten auch in einem ex-ante Kalkül berücksichtigen, unterbleiben Verstöße - bei ausreichend hoher Sanktionswahrscheinlichkeit - von vornherein eher. Welche Höhe die Sanktionswahrscheinlichkeit aufweisen muß, damit Aufla­ gen nicht verletzt werden, wird im nächsten Abschnitt anhand des konzipier­ ten Entscheidungsmodells beispielhaft für einige Fälle ermittelt. Eine Verbesserung der Kontrollhäufigkeit und -effizienz verändert einige Komponenten der Sanktionswahrscheinlichkeit. Zuallererst wird die Dun­ kelziffer gesenkt. Eine Verringerung der Dunkelziffer um einen bestimmten Prozentsatz besitzt eine größere Auswirkung auf die Sanktionswahrschein­ lichkeit als etwa eine gleich große Erhöhung der Aufklärungsquote (ebenfalls gemessen in Prozentpunkten), da sich Verringerungen der Dunkelziffer auf die Gesamtzahl der begangenen Delikte, Erhöhungen der Aufklärungsquote aber nur auf die Gesamtzahl, abzüglich der nicht entdeckten Verstöße, bezie­ hen. Generell schlagen Veränderungen derjenigen Teilkomponenten der Sanktionswahrscheinlichkeit, die im Berechnungsschema (Tab. 5) oben ste­ hen, am stärksten auf die Sanktionswahrscheinlichkeit durch 1 87 ; Verbesse­ rungen im Kontrollsystem betreffen aber gerade solche Einzelwahrschein­ lichkeiten. Neben der Dunkelziffer erhöht sich auch die Aufklärungsquote, weil die Erfordernisse des Beweises von Verstößen eher erfüllt werden können, so daß letztlich auch hierdurch die Sanktionswahrscheinlichkeit steigt. Weitere Folge der erhöhten Sanktionswahrscheinlichkeit kann auch sein, daß die Behörden häufiger und härtere Sanktionen verhängen, da einige der oben geschilderten Restriktionen behördlicher Sanktionierungstätigkeit (Nach­ weisprobleme, Verfahrenseinstellungen durch Gerichte) aufgelockert werden. Verminderungen der Dunkelziffer können darüber hinaus zu einer verstärk­ ten Unterstützungs- und Anzeigebereitschaft der Bevölkerung führen 1 8 8 • Erhöhungen der Kontrollhäufigkeit und Verbesserungen der Effizienz der Kontrollen führen damit zu kumulierenden Effekten und sind geeignete 1 87 1

"

Auf diese Effekte weist auch /. Ehrlich. Deterrent Effect, S. 40 1 f. , auch S. 409 ff., hin. Vgl. P. J. Thelen, Wirtschaftskriminalität, S. 62.

214

3 . Kap . : Vorschläge zur verbesserten Zielerreichung i m Umweltschutz

Ansatzpunkte staatlichen Handelns mit dem Ziel einer vermehrten Auflagen­ befolgung im Umweltschutz 1 89 • bb) Ermittlung kritischer Werte für Sanktionswahrscheinlichkeit oder -höhe anhand des Entscheidungsmodells In diesem Abschnitt soll untersucht werden, in welchem Ausmaß Sank­ tionswahrscheinlichkeit oder Sanktionshöhe geändert werden müssen, um Unternehmungen mit einer bestimmten Höhe an Auszahlungen für Aufla­ genbefolgung zu einer sofortigen Auflagenbefolgung zu veranlassen. Zu differenzieren ist in einer solchen Analyse nach Risikoeinstellung und jeweils zu variierender Einflußgröße. a) Kritische Sanktionswahrscheinlichkeiten bei festen Sanktionshöhen in Abhängigkeit von der Risikoeinstellung Zunächst sei die Sanktionswahrscheinlichkeit als variabel betrachtet. Gesucht sind diejenigen Sanktionswahrscheinlichkeiten, bei denen der Ent­ scheidungsträger indifferent zwischen Auflagenbefolgung und -nichtbefol­ gung wird. Bezüglich der Sanktion selbst wird von den jeweils höchsten 90 Beträgen ausgegangen 1 • Das Zwangsgeld wird demnach mit 2 9 18 DM angesetzt; da sich Geldbuße und Geldstrafe vom Höchstbetrag her kaum unterscheiden (Geldstrafe 5 000 DM, Geldbuße 4996 DM) sei einheitlich von 5 000 DM ausgegangen. l . Im ersten Schritt sollen kritische Sanktionshöhen für den Fall der Risikoneutralität ermittelt werden. Bei Indifferenz zwischen den Handlungs­ möglichkeiten gilt gemäß der Entscheidungsregel bei Risikoneutralität 1 9 1 S · Pknt = i · (ao + a, · Z)

+ a, ·

Z

und daher Pkn,

=

i · (ao + a, · Z)

s

+ a, · Z

1 89 So allgemein auf Umweltschutz bezogen auch R. Mayntz, u. a., Vollzugsprobleme, S. 392 ff. , 73 1 f., vgl. auch P. Knoepfel, H. Weidner, Handbuch, Teil I, S. 94, K. -D. Opp, Wirtschaftskriminalität, S . 1 82 f. '"" Vgl. Tab. 9 und die zugehörigen Erläuterungen. 191 Vgl. Zweites Kapitel, C. V. 2. a).

215

D. Beurteilung ausgewählter Vorschläge

Tab. 16 enthält kritische Sanktionswahrscheinlichkeiten fü r alternative Höhen der Auszahlungen für Auflagenbefolgung. Variiert wurde auch der Zinssatz. Tab. 16: Kritische Sanktionswahrscheinlichkeiten in % bei Risikoneutralität Auszahlungen für Auflagenbefolgung

niedrigstbelastete Unternehmungen hlind.

i=0 , 1 i=0 , 05 hohes Zwangsgeld 2 91 8 DM hohe Geldruße/Geldstrafe 5 000 DM

höch .

i=0 , 1 i=0 , 05

-

90 , 7

-

-

67, 8

52 , 9

-

91 , 7

nieclrigs tbel astete Kleinunternehmungen mind.

i=0 , 1 i=0 , 05

-

höch .

i=0 , 1 i=0 , 05

-

-

-

88 , 5

-

-

In den mit - gekennzeichneten Tabellenfeldern weisen die kritischen Sanktionswahrscheinlichkeiten Werte oberhalb l auf; dies bedeutet, daß allein eine Steigerung der Sanktionswahrscheinlichkeit eine Auflagenbefol­ gung nicht sicherstellen kann. Tab. 16 enthält sämtliche Datenkonstellationen, in denen allein eine Erhö­ hung der Sanktionswahrscheinlichkeit zu einer Wahl der Auflagenbefolgung führen kann: Bei allen höheren als in der Tabelle angegebenen Auszahlungen für Auflagenbefolgung, für die oben die unternehmerische Entscheidung abgeleitet worden ist, liegen sämtliche kritischen Wahrscheinlichkeiten über l . 2. Nunmehr sei der Fall der Risikoscheu analysiert. Die kritischen Sank­ tionswahrscheinlichkeiten bei Risikoscheu werden neben den bereits bei Risikoneutralität zu beachtenden Einflußfaktoren zusätzlich durch die Höhe der autonomen Einzahlungen determiniert - bei Risikoneutralität hängt die Entscheidung ja, wie begründet, nicht von den autonomen Einzahlungen ab. Zur Ermittlung kritischer Werte muß die Entscheidungsregel wiederum nach dem zu berechnenden Parameter aufgelöst werden 1 92 • Tab. 1 7 enthält die Ergebnisse bei Zugrundelegung der Wurzelfunktion als Risiko-Nutzenfunktion. 19

'

Vgl. Zweites Kapitel, C. V. 3. b).

216

3. Kap.: Vorschläge zur verbesserten Zielerreichung im Umweltschutz

Tab. 17: Kritische Sanktionswahrscheinlichkeiten in % bei Risikoscheu ( u = ve) Auszahlungen für Auflagenbefolgung

Sanktion

niedrigstbelastete Unternehmungen

und

Sanktionsmind. höhe e aut ( DM ) i=0 , 1 i=0 , 05 25 000

ZWangs-

geld

2 918

DM

Geld-

buße/ Geld-

strafe 5 000

DM

50 000

1 00 000

1 Mio

1 0 Mio 25 000 50 000

1 00 000

1 Mio

72 , 3

54 , 4

-

83 , 8

98 , 6

-

75 , 9

90

90 , 6

38 , 7 2 9 , 1

56 , 6

43 , 6

62 , 7 48, 6

6 7, 3 52 , 5 1 0 Mio 6 7 , 7 52 , 9

niedrigstbelastete Kleinunternehmungen

höch .

i=0 , 1 i=0 , 05 (-)

-

(-)

(-)

(-)

-

-

-

(-)

83, 3

64, 7

-

91 , 6

-

mind .

i=0 , 1 i=0 , 05

79, 9

90 , 6

-

(-)

79, 4

-

-

höch .

i=0 , 1 i=0 , 05

(-)

(-)

(-)

-

-

-

-

(-)

-

(-)

-

(-)

(-)

(-)

-

(-)

76 , 1

(-)

-

-

59, 3 87, 4 88 , 4

-

Bei den mit (-) gekennzeichneten Feldern wurden keine kritischen Sank­ tionswahrscheinlichkeiten ermittelt, da die Summe der Auszahlungen für Auflagenbefolgung die Höhe der autonomen Einzahlungen überschreitet 1 91 • Die Kennzeichnung einiger Felder mit - soll wiederum besagen, daß in diesen Datenkonstellationen die kritischen Sanktionswahrscheinlichkeiten ober­ halb von I liegen. Betrachtet man die erste Spalte der Tabelle, sieht man, daß sowohl bei Zwangsgeld als auch bei Geldbußen /Geldstrafen die kritische Sanktions­ wahr�cheinlichkeit oberhalb der Obergrenzen der oben ermittelten, empiri­ schen Sanktionswahrscheinlichkeiten liegen (Obergrenze der Sanktions­ wahrscheinlichkeit bei Zwangsgeld 56,25 %, Geldbußen 35 %, Geldstrafen 12,2 %), das heißt, daß bei i=0 , 1 der Auflagenverstoß bei Zugrundelegung der empirisch ermittelten Sanktionswahrscheinlichkeiten stets optimal ist 1 94 • Bei Betrachtung der zweiten Spalte (i=0,05) unterschreitet die kritische Sanktionswahrscheinlichkeit mit 54,4 % bei Zwangsgeld und autonomen Einzahlungen in Höhe von 25 000 DM die empirisch ermittelte Sanktionsm Vgl. Fn. 257 des Zweiten Kapitels und die zugehörige Textpassage. 1 94 Dies ist ja auch das Ergebnis der Analyse bei Risikoscheu; vgl. das Fazit am Ende des Abschn. C. V. 3. c) im Zweiten Kapitel.

D. Beurteilung ausgewählter Vorschläge

217

wahrscheinlichkeit von 56,25 %: Bei i= 0,05 ist die Auflagenbefolgung bei Ansatz der empirischen Sanktionswahrscheinlichkeit (und e aut= 25 000 DM) optimal; gleiches gilt bei eaut= 25 000 DM für die Verhängung von Geldbu­ ßen 1 9 5 • Die übrigen kritischen Sanktionswahrscheinlichkeiten liegen sämtlich oberhalb der empirisch ermittelten Größen. Bei höheren als den in der Tabelle zugrunde gelegten Auszahlungen für Auflagenbefolgung liegen sämtliche kritischen Wahrscheinlichkeiten ober­ halb von l . Eine alleinige Steigerung der Sanktionswahrscheinlichkeit kann also nur in niedrigstbelasteten Unternehmungen und in einigen niedrigstbela­ steten Kleinunternehmungen zu einer Wahl der Auflagenbefolgung veranlas­ sen. Alle anderen Unternehmensgruppen sind durch eine alleinige Veränderung der Sanktionswahrscheinlichkeit nicht zu einer Auflagenbefol­ gung zu bewegen. Berechnungen unter Verwendung der quadratischen Risiko-Nutzenfunk­ tion u= e--0,00 l •e2 wurden nicht für alle Datenkonstellationen durchgeführt. Die Ergebnisse einiger Proberechnungen zeigen aber, daß die kritischen Sanktionswahrscheinlichkeiten bei dieser Risiko-Nutzenfunktion in den Datenkonstellationen, in denen die kritischen Sanktionswahrscheinlichkei­ ten überhaupt kleiner oder gleich l sind, oberhalb der Sanktionswahrschein­ lichkeiten bei Zugrundelegung der Wurzelfunktion liegen. Die kritischen Wahrscheinlichkeiten bei Ansatz der quadratischen Risiko-Nutzenfunktion bewegen sich dann zwischen denen bei Risikoneutralität und denen bei Verwendung der Wurzelfunktion. Auf das unterschiedliche Ausmaß an Risi­ koscheu, das in der quadratischen Risiko-Nutzenfunktion im Vergleich zur Wurzelfunktion zum Ausdruck kommt, war auch bereits bei der Ableitung der unternehmerischen Entscheidung 1 96 hingewiesen worden. ß) Kritische Sanktionshöhen bei festen Sanktions­ wahrscheinlichkeiten in Abhängigkeit von der Risikoeinstellung Staatlich beeinflußt werden kann auch die Sanktionshöhe. Variationsrech­ nungen sollen daher nunmehr für gegebene Sanktionswahrscheinlichkeiten durchgeführt werden, und zwar für diejenigen Sanktionswahrscheinlichkei­ ten, die an der oberen Bandbreite der empirisch ermittelten Werte liegen (Zwangsgeld: 56,25 %, Geldbuße: 35 %, Geldstrafe: 12,2 %). Als Ergebnis erhält man kritische Sanktionshöhen. l . Sanktionshöhen, bei denen die Entscheidung zugunsten der Auflagenbe­ folgung umkippt, erhält man für den Fall der Risikoneutralität wiederum unmittelbar aus der Entscheidungsregel als m Vgl. auch Tab. 1 5 und die zugehörigen Erläuterungen. 1 96 Vgl. Fn. 278 des Zweiten Kapitels und die zugehörige Textpassage.

218

3. Kap. : Vorschläge zur verbesserten Z ielerreichung i m Umweltschutz

i · (ao + a, · Z) + a, • Z p Kritische Sanktionshöhen lassen sich - im Gegensatz zu kritischen Sank­ tionswahrscheinlichkeiten - für alle Höhen an Auszahlungen für Auflagen­ befolgung ermitteln. Die Ergebnisse für Zinssätze von 5 und 10 % enthält Tab. 18. Tab. 18: Kritische Sanktionshöhen in DM bei Risikoneutralität hohe Sanktionswahrscheinlichkei t durchschni t tliche

Zwangsgeld 56 , 25% i:() , 05

i""'0 , 1

AUszahlungen

insgesamt

mind .

1 54 557

1 1 9 1 05

Geldbuße 35% i=0 , 05

i:() , 1

248 395

1 91 4 1 8

Geldstrafe 1 2 , 2% i=0 , 05

i=O , 1

7 1 2 607

549 1 50

höchst .

256 1 1 0

1 98 359

4 1 1 606

3 1 8 791

1 180 840

91 4 564

in höchst- mind . belasteten höchst . lrttern .

2 254 590

1 742 230

3 623 440

2 800 0 1 0

1 0 395 1 00

8 032 820

4 075 830

3 1 02 260

6 550 440

4 985 770

1 8 792 200

1 4 303 400

6 028

4 705

9 687

7 561

2 7 791

21 691

höchst .

1 0 243

8 1 47

1 6 463

1 3 094

4 7 229

3 7 565

in niedr . - mind . belasteten Kleinuntern .höchst .

1 0 21 8

7 868

1 6 422

12 645

47 1 1 2

36 2 76

22 451

17 366

36 082

27 909

1 03 51 3

80 068

28 648

22 066

46 041

35 463

1 32 084

1 0 1 739

59 1 24

45 581

95 020

73 254

272 600

2 1 0 1 56

85 046

65 661

1 36 680

1 05 526

392 1 1 6

302 739

in niedr . belasteten lrttern .

mind .

in durchmind . schnitt! . Kleinuntern .höchst . in Mitteluntern . in Groß..

untern .

mird . höchst .

1 1 9 932

92 893

1 92 748

1 49 293

552 966

428 229

mind .

946 421

730 398

1 521 030

1 1 73 850

4 363 620

3 367 6 1 0

1 677 640

1 298 020

2 696 200

2 086 1 00

7 735 0 1 0

5 984 720

höchst .

Die kritischen Sanktionshöhen bewegen sich demnach zwischen 4 705 DM (niedrigstbelastete Unternehmungen, hohe Sanktionswahrscheinlichkeit bei Zwangsgeld und i=0,05) und rund 1 8 ,8 Mio. DM (höchstbelastete Unterneh­ mungen, niedrige Sanktionswahrscheinlichkeit bei Geldstrafen und i=0 , I ). Sie sind natürlich geringer bei hoher Sanktionswahrscheinlichkeit, höher bei niedriger Sanktionswahrscheinlichkeit. 2. Zur Ermittlung kritischer Sanktionshöhen bei Risikoscheu ist die Ent­ scheidungsregel nach S aufzulösen 1 ,n . Als Einflußfaktoren sind wiederum

2 19

D. Beurteilung ausgewählter Vorschläge

auch die Höhen der autonomen Einzahlungen zu berücksichtigen. Einige Ergebnisse bei Verwendung der Wurzelfunktion als Risiko-Nutzenfunktion enthält Tab. 19. In den mit (-) gekennzeichneten Feldern der Tabelle wurden keine Werte berechnet, da bei den zugrunde liegenden Datenkonstellationen die Summe der Auszahlungen die autonomen Einzahlungen überschreitet.

Tab. 19: Kritische Sanktionshöhen in DM bei Risikoscheu (u hohe

Auszahlungen für Auflagenbefolgung

sanJctions-

niedrigsbelastete untern .

)