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German Pages 203 [208] Year 1963
DIE ARCHITEKTURTHEORIE DES FILARETE
N E U E M Ü N C H N E R BEITRÄGE ZUR KUNSTGESCHICHTE H E R A U S G E G E B E N VOM KUNSTHISTORISCHEN
SEMINAR
DER U N I V E R S I T Ä T M Ü N C H E N
U n t e r der Leitung von HANS SE D LMAYR
Band 5
1963 WALTER
DE G R U Y T E R
& CO. /
BERLIN
VORMALS G. J. G Ö S C H E N ' S C H E VERLAGSHANDLlUNG - J. G U T T E N T A G , VERLAGSBUCHHANDLUNG
- GEORG REIMER
- KARL J. T R U B N E R
- V E I T & COMP.
DIE ARCHITEKTURTHEORIE DES FILARETE
Von PETER T I G L E R
Mit % Textabbildungen
1963 WALTE R DE G R U Y T E R
& CO. /
BERLIN
VORMALS G. J . G Ö S C H E N ' S C H E V E R L A G S H A N D L U N G - J. G U T T E N T A G , VERLAGSBUCHHANDLUNG
- G E O R G REIMER - KARL J. T R Ü B N E R
- VEIT &. COMP.
Zehn Exemplare dieser Schrift liegen als Münchener Dissertation vor Archiv-Nr. 3519631 ins Werk gezogen werdenProportioSymmetria< heranzieht, und wenn er sie . . . nicht als das Vielfache eines Modulus, sondern als aliquote Körperbruchteile ausdrückt: das Modulus-Verfahren kam eben für die antike Ästhetik nur als ein Verfahren der praktischen Maß-Verwirklichung in Betracht, während man sich die Maß-Normierung, die jeder >Commodulatio< vorangehen mußte, nur in der Form bruchmäßig ausdrückbarer Relationen vorstellen konnte, die von der organischen Gliederung des Körpers (oder des Bauwerks) in differenzierte Einzelglieder ihren Ausgang nehmen . . . Das antike System der aliquoten Körperbruchteile vermochte ja nur die objektive Anschauung der Körpermaße zu vermitteln, nicht aber ohne weiteres ihre zeichnerische Verwirklichung zu regulieren: indem statt wirklicher Längen nur Relationen bestimmt wurden, erhielt der Künstler einen Anhalt für eine lebendige Simultanvorstellung vom Aufbau des Organismus — nicht aber ein Mittel zur sukzessiven Konstruktion des flächenhaften Abbildes. Ganz anders das algebraische System, das den Verlust an Elastizität und Lebendigkeit durch die unmittelbare Konstruierbarkeit ersetzt: indem der Künstler eine bestimmte Größe überliefert erhielt, deren Vervielfältigung ihm jede Körperdimension ergab, vermochte er durch sukzessives Abgreifen der nötigen >moduli< jede Figur auf der Bildfläche gleichsam zusammenzusetzen — >mit unverrucktem Zirkel< (Dürer), verhältnismäßig rasch und ziemlich unabhängig von der Gliederstellung«128. Filaretes »Neun-Teste-Kanon« ist eine Variante eines zweiten antiken, des sogenannten »pseudovarronischen« (wahrscheinlich im byzantinischen Osten entstandenen) Kanons, der im »Malerbuch vom Berge Athos« 1 2 9 und in Cenninis »Libro 126 127
128
S*
Saalman, Theory, op. cit., p. 90. Panofsky, Dürers Kunsttheorie, op. cit., p. 108. Id., Proportionslehre, op. cit., p. 196, n. 1.
129
Cf. Das Handbuch der Malerei vom Berge Athos, G. Schäfer, trans., Trier, 1855, p. 82.
dell'arte« (LXX) 1 3 0 überliefert ist und wohl von dorther in die Kunstlehre der Renaissance eindrang, in der er — teils unverändert, teils mit geringen Modifikationen — eine bedeutende Rolle spielt: außer Filarete haben ihn u. a. Ghiberti, Francesco di Giorgio Martini, Leonardo da Vinci, Pomponius Gauricus und Dürer übernommen. Im einzelnen ist zu Filaretes Kanon zu sagen, daß seine Sätze »E cosi tutta la forma dell'occhio quanto el naso. E dall'occhio all'orecchie ancora tanto l'orecchie, il quale sia ragionevole, è quanto il naso è diritto« nicht die Gesichtsbreite, sondern die Seitenansicht des Kopfes betreffen; auf die Gesichtsbreite bezieht sich allein die Feststellung »Dalla faccia, cioè dall'uno orecchia all'altro, di misura sono tre nasi o vuoi dire quanto è lunga la faccia«. Interpretiert (und transkribiert) man den Passus in dieser Weise, so enthält Filaretes Berechnung durchaus keinen »unlöslichen Widerspruch« 131 . Die Richtigkeit dieser Deutung wird erwiesen durch die Ubereinstimmung der Filarete'schen Angaben mit den entsprechenden Maßen bei Cennini und dem Verfasser des auf Leonardo zurückgehenden »Codex Huygens« 132 . Eine Neuerung gegenüber den figurativen Proportionslehren Albertis und Ghibertis bedeutet Filaretes Aufspaltung des einzigen Kanons der älteren Theorie in drei Idealtypen unterschiedlicher Körperlänge; dies hat jedoch mit der späteren, auf empirischer Messung beruhenden Proportionsforschung (im Sinne Leonardos oder des späten Dürer) durchaus nichts zu tun: »Die Körpermaße der Menschen >korinthischer< und >jonischer< Statur, mit 8 resp. 7 Kopflängen, bleibt Filarete uns schuldig; vermutlich hat er diese Kategorien nur aufgestellt, um späterhin die Ableitung der Säulenordnungen auf sie zu gründen (v. pp. 86 ss.). Daß Vitruv die Menschen ebenso einteile und ihre Staturen, nach den Griechen, entsprechend benenne, ist unzutreffend« 133 ; es handelt sich da um eine Behauptung, die im Charakter nicht unähnlich ist jener von Dürer so positiv behaupteten Tatsache, daß die antike Kunsttheorie für die verschiedenen Götter unterschiedliche Maße aufgestellt habe 134 . Jedenfalls ist festzuhalten, daß man schon auf dieser »vorwissenschafdichen«, d. h. anemipirischen, Stufe der Entwicklungsgeschichte der Proportionslehre eine gewisse Differenzierung des Idealkanons anstrebte: Schon das Nebeneinanderbestehen der vitruvianischen und der pseudovarronischen Uberlieferung bedeutete ja das »Vorhandensein zweier Typen, von denen der eine etwa neun, der andere zehn Gesichtslängen enthielt; und wenn man diese Typen noch durch einen untersetzteren ergänzte, so gelangte man leicht zu einer Dreiheit, die man je nach Geschmack auf bestimmte Gottheiten (Lomazzo), auf die drei antiken Baustile (cf. Francesco di Giorgio, Trattato, IV, 4, wo ein Typus von 9 teste und ein soldler von 7 teste unterschieden wird), oder auf die Kategorien des Erhabenen, Schönen und Anmutigen (Zuccari) beziehen konnte. Aber es ist bezeichnend, daß unsere Erwartung, nun alle diese Typen auch maßstäblich detailliert zu sehen, fast regelmäßig enttäuscht wird: wo es auf exakte Einzelangaben ankommt, verstummen die Autoren entweder ganz, oder aber sie 130
131
Cf. Cennino d'Andrea Cennini da Colle di Val d'Elsa, Il libro dell'arte, D. V. Thompson, ed., New Haven, 1932, pp. 46—47. Oettingen, Traktat, p. 688, η. $·, das gleiche Mißverständnis in der sonst vorzüglichen Abhandlung von Speich, op. cit., p. 157.
132
133 134
Cf. Cennini, ed. cit., p. 47; Panofsky, Codex Huygens, op. cit., fig. 28, 75, dazu der »Grundriß«, fig. r4Oettingen, Traktat, p. 689, n. 5. Cf. Panofsky, Dürers Kunsttheorie, op. cit., p. r37, η. r.
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greifen aus der Mehrzahl ihrer Typen einen einzigen heraus, der sich dann als der altbekannte Vitruv- oder Cennini-Mann entpuppt (mit diesem letzteren ist . . . der »dorische Mensch< Filaretes identisch, der seltsamerweise der schlankste der drei ist« 135 ). Alberti bleibt der »einzige Theoretiker der älteren Generation, der wirkliche vergleichende Messungen durchgeführt hat: die anderen sind kaum je über die Verteilung einer gewissen Anzahl >teste< auf den Körper hinausgegangen. Der größte Empiriker der Proportionslehre ist natürlich Leonardo, der schon durch die Vielfältigkeit seiner Methode hervorragt; neben dem Modulverfahren nach >teste< wendet er als einziger Italiener des XV. und beginnenden XVI. Jahrhunderts das aliquote Bruchteilverfahren an« 136 . Seine Wendung zur empirischen Proportionsforschung äußert sich: i. in einer Theorie der menschlichen Bewegungen, als Ergänzung der bisher ausschließlichen Behandlung der statischen Struktur des Körpers,· 2. in der Aufstellung von aus Beobachtung und Messung gewonnenen Normen und im Aufsuchen von Gleichheitsbeziehungen (nach dem Analogieverfahren) — entsprechend Geschlecht und Alter —, statt der bisherigen Begnügung mit einem Idealtyp. Daß er seine Studien dabei auch auf irreguläre und abnorme Typen erstreckt — die Filarete noch ausdrücklich eliminiert hatte — bezeugt, daß die Theorie der Identifizierung des Schönen mit dem Typischen und Wohlgefälligen ebenso wie die von Alberti wiederbelebte klassische Selektionstheorie seinen Intentionen widersprechen mußte: sein Interesse galt der unbegrenzten »varietà« und damit audi dem Untypischen und Monströsen. Anthropometrische Proportionslehre und Architekturtheorie Es ist klar, daß es Filarete bei seiner Besprechung der Proportionen des menschlichen Körpers nicht darum geht, für die künstlerische Darstellung des »uomo bene proporzionato« einen konstruktiv herstellbaren Idealtypus zu gewinnen: diese Aufgabe hatten sich die Maler und Bildhauer (seit Cennini und Ghiberti) gestellt. Sein Ziel ist es vielmehr — unter Berufung auf Vitruv — den Anthropomorphismus der Architektur (v. pp. 69 ss.) vor allem dadurch zu beweisen, daß »misure e membri e proporzioni e qualità« des Gebäudes in der Struktur des menschlichen Leibes ihren Ursprung haben. Auch der Architekt soll die Maße seiner Entwürfe nicht mehr in einer der »Natur« zuwiderlaufenden Weise wählen. In diesem Sinn bemüht sich Filarete zunächst um die Gewinnung der »misure«, mit welchem Begriff er aber an dieser Stelle offenbar doch wohl nicht ein Proportionssystem, sondern ganz konkret die allgemeinen Grundmaße oder Maßeinheiten meint, die auch Vitruv (ΙΙΙ,ι.5) von den Gliedern des Körpers abgeleitet hatte. Unklar bleibt jedoch nach wie vor der Sinn, den die ausfuhrliche Erörterung der Verhältnisse des menschlichen Körpers in diesem Zusammenhang haben soll. Denn nur um die gebräuchlichen Längenmaße (braccio, pié, etc.) vom Menschen herzuleiten, wie es Filarete unternimmt, bedurfte es ja keines detaillierten Kanons. Man wartet also scheinbar vergeblich auf "further clarification regarding the proper measurements for buildings and just how sudi measurements are related to the human body" und stellt — nach Analyse der Architekturentwürfe Filaretes — resigniert fest: "These measure135
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Id., Proportionslehre, op. cit., p. 2 1 1 , zu Lomazzo id., Idea, op. cit., pp. 122—130.
138
Id., Dürers Kunsttheorie, op. cit., p. 108.
ments (d. h. die Proportionen der Entwürfe) have no apparent relationship to his canon of h u m a n proportions" 1 3 7 . Dem vorwiegend mit musikalischen Proportionen operierenden Alberti 138 mußte eine direkte Übertragung der aus der anthropometrischen Proportionslehre gewonnenen Maßgesetze auf die Architektur fernliegen oder allzu naiv erscheinen. Filarete und nach ihm Francesco di Giorgio Martini dagegen interpretieren die Forderung Vitruvs ad l i t e i a m , d. h. in dem Sinn, daß die »Maße« eines Bauwerks unmittelbar vom Menschen, dem Ebenbild Gottes, herzunehmen seien und der praktischen Maßverwirklichung zugrunde liegen müßten. Sie sehen sich dabei zunächst derselben Schwierigkeit gegenüber wie die Maler und Bildhauer, welche die Maße des vitruvianischen Kanons bei der Konstruktion ihrer Figuren unmittelbar verwerten wollten. Ein erster Schritt zur Lösung des Problems ist auch für Filarete und Francesco di Giorgio die Ersetzung des vitruvianischen Bruchteilverfahrens durch ein Modulusverfahren [v. p. 52). Wurden doch schon bei Vitruv selbst in der praktischen Anwendung die aliquoten Brüche der »symmetria« nicht durch wiederholte Division des Gesamtmaßes gewonnen, sondern über den umgekehrten Vorgang der Multiplikation (cf. I, 2.4; III, r. r; III, 3.7; III, 5. r—3; IV, r. 6), wobei zunächst unerklärlich blieb, wie diese arithmetischen Verhältnisse »ins Werk gezogen« wurden. Eine Zuordnung ungebrochener Zahlenwerte ließ sich zeichnerisch als lineare Reihung gleicher, als 1 gesetzter Strecken und damit als Koordinatennetz veranschaulichen. Schon Ghiberti 139 hatte über seine Proportionsfigur ein uniformes Koordinatennetz gelegt, dessen Linien und Schnittpunkte mit den Zäsuren der Figur zusammenfielen (v. p. 172). Seitdem gewinnt bei den Theoretikern der Bildkünste (bei Dürer nach r 507/09 wahrscheinlich unter dem Einfluß Leonardos) das aus dem figürlichen Proportionskanon entwickelte Quadratnetz immer mehr die Bedeutung eines Mittels, die »symmetria« Vitruvs nicht nur graphisch darzustellen, sondern auch die Maße selbst direkt von ihm abzulesen (v. pp. r7r ss.). Francesco di Giorgio unternimmt den Versuch, den figuralen »Teste-Kanon« auf den architektonischen Entwurf unmittelbar zu übertragen und zugleich das seit Ghiberti an die »symmetria« gebundene gleichförmige Netz als Zeichenschema zu verwenden, indem er Grund- und Aufriß seiner Sakralbaupläne aus einem über die Proportionsfigur gezogenen Quadratnetz konstruiert. Seine »überaus verwickelt anmutenden Verfahren bezwecken tatsächlich vereinfachte Methoden für den entwerfenden Architekten; denn es ist leichter, einen 137
Saalman, Theory, op. cit., p. 90; zum Problem der Proportionen in der Architektur und Architekturtheorie der Renaissance im allgemeinen cf. Burckhardt, op. cit., § 37; Sepe, op. cit., pp. 42—62; Kaufimann, Stilmerkmale, op. cit.; Wittkower, Principles, op. cit.; id., "Systems of Proportion", Architects' Year Book, r9S5, 5, pp. 9—18; id., "The Changing Concept of Proportion", The Visual Arts Today, Middletown, Conn., r96o, pp. 203—2Γ9; Soergel, op. cit.; P. H. Scholfield, The Theory of Proportion in Architecture, Cambridge, Mass., 1958; G. De Angelis d'Ossat, »Enunciati euclidei e >Divina Proporzione< nell'architettura del primo Rinascimento«, Il mondo antico nel Ri-
138
139
nascimento (Atti del V Convegno Internazionale di Studi sul Rinascimento), Firenze, r958, pp. 253—263; C. L. Frommel, Die Farnesina und Peruzzis architektonisches Frühwerk (Neue Münchner Beiträge zur Kunstgeschichte, I), Berlin, 1961, pp. 70—76. Cf. Wittkower, Principles, op. cit., pp. 100—103, et passim; Soergel, op. cit., pp. 8—22 (cf. Kunstchronik, XIII, r96o, pp. 348—351); Scholfield, op. cit., pp. 55—60, V. Zoubov, »Quelques aspects de la théorie des proportions esthétiques de L.-B. Alberti«, Bibliothèque d'Humanisme et Renaissance, XXII, i960, pp. 54—61. Ghiberti, ed. cit., I, p. 233.
SS
Riß mit Zirkel und Lineal nach einem geläufigen Schema durchzukonstruieren und die Abmessungen der einzelnen Teile dann abzulesen, als gegebene Maße durch komplizierte Brüche rechnerisch dividieren und die Ergebnisse zeichnerisch darstellen zu müssen. Francesco di Giorgio bemühte sich darum, die mit dem Namen Vitruvs ausgezeichneten Größenverhältnisse der praktischen Durchführung zugänglich und als handwerkliche Fähigkeit lehrbar zu machen« 140 . Genau die gleiche Aufgabe stellt sich Filarete; auch der Weg, den er zu ihrer Lösung einschlägt, ist im Prinzip kein anderer: »El q u a d r o e o g n i a l t r a m i s u r a è d i r i v a t a
dall'uomo«
Die Antwort auf die Frage nach der praktischen Bedeutung von Filaretes Aufstellung eines figürlichen Proportionskanons für den Architekten kann nur lauten: Filarete »löst« das Problem der Ableitung der architektonischen »Maße« aus dem menschlichen Körper mit Hilfe von Vitruvs Lehrsatz von der Einschreibbarkeit des »homo bene figuratus« in den Kreis und das Quadrat (III,1.3); d. h., er benutzt diesen Satz dazu, die Herkunft dieser beiden primären Elementarfiguren der Geometrie — auch sie »misure« ! — aus dem Körper des wohlgebildeten Menschen zu beweisen. Das Ergebnis lautet: »el quadro e ogni altra misura è dirivata dall'uomo.« Sicher ist es unzutreffend, zu sagen: »Ebenso falsch ist Filarete's Behauptung, nach Vitruv habe der Bogen vom menschlichen Körper seinen Ursprung genommen (>di qui fa nascere l'arcodaß ein Bauwerk lebt, erkrankt und stirbt wie ein MenschMorelli< sehe Methode schon vorausahnt. Wie aus den Zügen der Handschrift den Schreiber, so könne man, meint er, aus den künstlerischen Formen den Urheber erkennen. Es ist das immerhin bemerkenswert, wenn dabei auch eine leise Reminiszenz an die, übrigens von Ghiberti 2 2 7 in ihrem wörtlichen Sinn als kindisch erklärte Anekdote von dem Wettstreit der feinsten Linie zwischen Zeuxis und Apelles (Plinius, Hist. Nat., X X X V , 81—82) im Spiele sein könnte« 228 . Doch da die neuzeitliche Individualisierung der künstlerischen Schöpfung einen weit größeren Spielraum ließ als in irgendeiner früheren Epoche, konnte jetzt auch die individuelle Künstlerpersönlichkeit in ihrer empirischen und stilistischen Struktur begriffen werden: "emphasis on personal expression (artistic handwriting) had been an important aspect of Renaissance aesthetic theory ever since Filarete, who was the first to point out the autographic character of artistic forms" 2 2 9 ; 227 228
82
Ghiberti, ed. cit., I, pp. 24—25. Schlosser, Letteratura artistica, op. cit., p. r6o.
229
Janson, Donatello, op. cit., II, p. 20.
2. die Erkenntnis der Variabilität des individuellen Gestaltens: Filarete sieht, daß der Individualstil Schwankungen unterworfen ist (»ognuno pure divaria«). Diese Beobachtung der Stilvariabilität — neben der Stilkonstanz — zeigt ein ganz erstaunliches Begreifen des Phänomens »Stil«; 3. die Verwendung des Wortes »Stile« — neben »maniera« — im übertragenen Sinn, d. h. zur Bezeichnung der künstlerischen »Handschrift«. (»Stile« hat sonst auch bei Filarete — wie im heutigen Italienisch — die Bedeutung von »Schreibgriffel«, »Zeichenstift«, cf. ζ. Β. fol. 48V: »Tenete questa tavoletta . . . e quello stile«). Nach bisheriger Ansicht wurde der Begriff »Stil«, der ursprünglich den sprachlichen Ausdruck, die Schreibweise, betrifft (cf. Dantes »dolce stil novo«), erst im XVII. Jahrhundert (durch Bellori) auf die bildende Kunst übertragen: ". . . Vasari never uses 'stile' to indicate a way or method of painting. The word 'style' in art-historical writing is only used consistently from about two centuries later, when it was taken over from the literary sphere, where it had already been in use for three or four centuries" 230 .
Zur
Geschichte
des
Stilbegriffs
Ein knapper Überblick über die Geschichte des Stilbegriffs und seine Voraussetzungen vermag die Bedeutung der Filarete-Stelle über den »Stile« einsichtig zu machen: Im Mittelalter "distinctions are made as to the way of building (seldom as to that of sculpture and never as to that of painting) in a sense quite comparable with our present conception of 'style'. At first these were indicated only by words such as 'new' and 'old' or simply by mentioning the nationality of the architects. The Venerable Bede (673—735) mentions how stone-masons from Gallia could build a church in the 'manner 1 of the Romans ('mos Romanorum'), but he gives no description of how it was built. Something more is mentioned by Rahewin (Gesta Friderici, s. XII), speaking of a building supported by four columns 'like a Roman work'. In the 'Life of Saint Didier' there is mention of an 'ancient manner*, with square and hewn stones, in distinction from a 'Gallic manner'. Rupert (Vita Altmanni, rrso) mentions a painting of the Holy Virgin in 'Greek work' which we are to understand to be the Byzantine style, called also Greek by many Italian writers in the time of the early Renaissance. Suger (io8r—1151) is said to have changed the narrow, dark church of Saint Denis into a broad and splendid one, and he himself used the word 'modern' in contradistinction to 'antique', with which word he characterized the former basilica. Burchard of Halle (1268/1278) mentions a building, erected by an architect from Paris, as a 'French work' — ('opus Francigenum')" 231 . Cennini bezeichnet die persönliche Verfahrensweise eines Meisters als »maniera«: ». . . se ti muovi a ritrarre oggi di questo maestro, doman di quello, ne maniera dell'uno ne maniera dell'altro non nnarai, e verrai per forza fantastichetto per amor die ciascuna maniera ti straciera la mente . . . Poi atte interverra chesse punto di fantasia la natura t'ara concieduto, verrai a pigliare huna maniera propia per te, e non potra essere altro che buona .. .Stiles< . . . ist ihm also ins Bewußtsein eingegangen . . . Er ahnt, daß die >maniera< . . . , d. h. der Stil des Künstlers, seine persönliche Tat ist« 239 . — "Significant is . . . above all the comparison with handwriting, an analogy which is repeated by many 'connoisseurs' after him, to explain the quintessence of 'connoisseurship' " 2 4 0 . In den bisher herangezogenen Zeugnissen »bedeutet >maniera< (di fare) . . . nichts weiter als >Arbeitsweisemaniera buona< als von >maniera cattiva< oder >goffa< gesprochen werden kann, und der Ausdruck in der Regel da zur Anwendung kommt, wo der besondere Kunstcharakter einer Nation, einer Zeit oder eines bestimmten Meisters bezeichnet werden soll . . . « 2 4 1 . Äußerungen Baldinuccis 242 , Belloris 243 und Giustinianis 244 zeigen demgegenüber, daß das XVII. Jahrhundert begonnen hatte, »dem bis dahin vollkommen farblosen Ausdruck >maniera< einen eigenen prägnanten Inhalt zu geben, so daß er, der bislang nur in Verbindung mit einem Adjektiv oder Genitiv gebraucht werden konnte, von jetzt an absolut zu stehen vermag; >dipignere di maniera< heißt nunmehr: aus dem Kopf oder, um im Gleichnis zu bleiben, aus dem Handgelenk malen ; und nur diese grundsätzliche Emanzipation vom Naturvorbild, nicht etwa eine Anlehnung an andere Meister, kennzeichnet dem ursprünglichen Wortsinn nach den >Manieristen< . . . Innerhalb jener klassizistischen Theorie nun, die alles >Subjektive< und >Phantastische< verdammte . . ., mußte der nunmehr mit der spezifischen Bedeutung des naturfernen Schaffens belastete Ausdruck >maniera< jenen tadelnden Sinn bekommen, den er bis an die Schwelle unsrer Zeit behalten hat. Und vielleicht erklärt sich gerade aus dieser negativen Umwertung des Manierabegriffs, die sich im Kreise Belloris vollzogen zu haben scheint . . ., das nunmehr hervortretende Bedürfnis der Kunsttheorie, nach einem anderen, wertindifferenten Ausdruck zu suchen, der, wie es ehedem der jetzt zum Tadelsprädikat gewordene Terminus >maniera< getan hatte, nichts anderes als die besondere Kunstweise der Zeiten, Völker und Personen bezeichnen 233 234 235 238 237 238 239
240
84
Ghiberti, ed. cit., I, pp. 35, 39, 43. Id., ibid., I, p. 43. Id., ibid., I, p. 38. Gruiten, op. cit., ρ. ι ο ί ; cf. pp. 2,9—33. Id., ibid., p. 7. Vasari, ed. cit., VII, p. 727. Schlosser, Letteratura artistica, op. cit., pp. 310, 326. Grinten, op. cit., p. 37.
241 242
243
244
Panofsky, Idea, op. cit., p. 1 1 5 . Baldinucci, Notizie, op. cit., 2 ed., XXI, Firenze, 1773, p. 122; id., Vocabolario toscano dell'arte del disegno, Firenze, 1681, pp. 88—89. Giovanni Pietro Bellori, Le vite de'pittori, scultori et architetti moderni, Roma, 1672. Cf. Bottari, op. cit., 2 ed., VI, Milano, 1822, pp. 125—126.
sollte: derselbe Bellorische Kreis, der den Ausdruck der >maniera< zu einem Schmähwort umgebildet hat, hat anscheinend den uns heute so selbstverständlich dünkenden, in Wahrheit aber kaum vor der Mitte des XVII. Jahrhunderts unternommenen Schritt getan, der Poetik und Rhetorik den Terminus >Stil< zu entlehnen und ihn für die Werke der bildenden Kunst in Anspruch zu nehmen; vgl. die von Bellori . . . zusammengestellten kunsttheoretischen Maximen Poussins: >Della Materia, del Concetto, della Strattura, e dello Stile . . . Lo stile è vna maniera particolare e industria di dipingere e disegnare, nata dal particolare genio di ciascuno nell'applicatione e nell'vso dell'idee, il quale stile, maniera o gusto si tiene della parte della natura e dell'ingegno*246. Hier wird der Ausdruck >Stilmaniera< bezeichnet wurde . . . Die allgemeine Rezeption des für die Theorie der bildenden Künste neuen Terminus hat sich . . . ziemlich langsam vollzogen . . endgültig dürfte der Sieg des Ausdrucks >Stil< bei uns wohl erst durch Winckelmann entschieden worden sein«246.
245 246
Bellori, op. cit., I, pp. 460—461. Panofsky, Idea, op. cit., p. 1 1 5 ; cf. M. Treves, "Maniera, the History of a Word",
Marsyas, I, 1941, pp. 69—88; Grinten, op. cit.
85
»IL MODO ANTICO« : FILARETES LEHRE VON DEN BAUFORMEN Die Lehre von den Bauformen — obgleich innerlich zur Proportionslehre (v. pp. 4 6 ss.) gehörig — wird von Filarete innerhalb des praktischen und exemplifizierenden Teils seines Traktats behandelt: Sie ist enthalten in den Büchern VIII und IX und wird durch Baubeschreibungen zweimal unterbrochen (lib. VIII, fol. 54V—57V: Säulen,· fol. 58V—6ov: Bogen und T ü r e n ; lib. IX, fol. 62V—641: Gesimse, Sockel, Konsolen). Filaretes
Theorie
Säulen (lib. VIII): 1. Während die Entwürfe für den fürstlichen Palast von »Sforzinda« entstehen, belehrt der Verfasser seinen Schüler, den jungen Prinzen, auf dessen Wunsch über die Entstehung und die Verhältnisse der Säulen: Grundvoraussetzung für ein Verständnis dieser Dinge ist die Beherrschung des »disegno«, insbesondere das Figurenzeichnen: »Ma innanzi die tu facci questi disegni, io arei caro intendere le ragioni delle colonne e di queste altre cose, se ti paresse, perciò che io credo che intenderei poi meglio e anche non sarebbe tanto tedio a dirmi ogni cosa. — Di questo io non mi curo, chè a me non è tedio niuno, purché a voi sia grato. Sicché eleggete voi, se volete ch'io vi dica le ragioni delle colonne e in che modo furono trovate e a che similitudine, e così le ragioni delle porti e degli archi e cornice e di tutte queste cose oltra la forma dell'edificio, le quali per ornamento e anche per bisogno si fanno. — Queste arò caro. — A dire il vero, se voi sapessi disegnare, bene voi più facilmente intenderesti queste cose. Ma perchè voi le possiate bene intendere, io ne disegnerò alcune di queste cose, le sue forme e anche loro ornamenti, secondo che per li antichi si sono trovate e usate. Solo al disegno vi conforto, perchè poi da voi medesimo le farete estenderete . . . imparate pure a fare la figura, perchè in essa contiene ogni misura e proporzione di colonne e anche d'altre cose, ma perchè ben possiate tenere a mente e anche poi voi, quando alcuna ne volessi disegnare, che voi possiate sanza troppa difficultà farle, e come dell'altre misure, le quali avete scritte (cf. lib. I), queste ancora bisogna con più efficacia scrivere e farne ricordo . . . Sicché verrete domani che io vi comincerò a trattare di questa origine delle colonne in questo ottavo libro . . . Venuto l'altro dì seguente, lui . . . mi disse gli debba narrare queste origini e misure delle colonne« (fol. 54r—54V). — 2. Ursprung der Säulen: Die Entstehung der Säule leitet sich aus dem praktischen Bedürfnis (»necessità«) her ; sie hat sich aus der primitiven Holzstütze der »prime abitazioni« entwickelt (cf. fol. i v , 4V—sr ; v. p. 4r); ihre Proportionen entstammen dem menschlichen Körper: »Signore, il primo origine delle colonne si fu che, quando furono fatte le prime abitazioni, la necessità insegnò che, volendo fare una capanna o vuoi dire frascato o quello si fusse, prima mozzò uno legno, il quale aveva due rami sparti l'uno all'opposito dell'altro. Tagliatogli tutti e'due del pari, riforcelluto. Donde che, fattone quattro in quella forma e fittole in terra e messi poi quattro altri legni attraverso sopra di queste, come per questo disegno ( = fig. Magi. 36) si può vedere. E questo modo si cominciò a fare i primi origini delle colonne . . . Dipoi, secondo le cose, si vennono più limando e pulendo, fu dato a questi cotali sustentaculi misura, forma e propor-
rò
zione e nome e anche dirivazione, come che è detto dello edificio nel primo (cf. fol. 2V, 4V— 5r), che è dirivato e formato dall'uomo, così è proprio la colonna« (fol. 54.V). — 3. Ableitung der Säule vom menschlichen Körper: Nach Vitruv (»secondo dice Vetruvio«) wurden die unkannelierten Säulen (»queste colonne pulite e sanza altro ornamento«) dem nackten Menschen, die kannelierten (»quelle die sono acanalate«) durch »Calimaco Atheniese« einer mit faltigem Gewand bekleideten Frau nachgebildet (fol. 54V—55r). — 4. Die Erfindung des Kapitells erzählt Filarete zuerst nach Vitruv (IV, 1. 9—ro: Entdeckung durch Kallimachos an einem von Akanthusblättem umwachsenen Korb), dann nach einem unbekannten Gewährsmann (Ableitung aus einem inwendig bepflanzten, von einem Blätterkranz umgebenen Gefäß) ¡ er fährt fort: »Onde che poi a questa similitudine se n'è fatti. E che sia vero: dove che si vede uno capitello antico quasi la maggior parte stanno fatti in questa forma. E se terrete bene mente, a tutti pare sia posto uno vaso sulla colonna. E poi vero è che per rispetto di quelle foglie chi non sottilmente se lo mette a'ntendere, non gli pare, massime a quelli che non intendono l'arte. Ma son certo che adesso che ve l'ho detto, come ne vedrete una, la'ntenderete, chè proprio vedrete come che uno vaso posto fra quelle foglie. E cosi il coperchio disopra pare che priema e chiacci quelle foglie che escono di fuori del vaso e per quel peso del coperchio le faccia riversare e attorcigliare, cioè avvoltare, come molte erbe fanno, quando nascono ne'luoghi, che eschino di qualche luogo stretto« (fol. 5sr). — 5. Erfindung der Basis: »La basa della colonna o vuoi dire il piè, come si fusse trovato la prima volta, io non ho altra notizia se none che stimo che a caso qualche uno misse qualche pezzo di tavola, come molte volte ancora si fa che, per mettere uno legno sotto qualche cosa e non essendo tanto lungo, ci si mette sotto o tavola o altro per modo ch'ella si viene ad alzare, così credo che qualcuno vide e da quello la traesse, ma adattandola e dandole bella forma, come che si sono poi usate per gli antichi e anche per noi. Chè chi le vuol fare belle le trae a quella similitudine e forma di quelle antiche« (fol. 5sr—55V). — 6. Das Verhältnis der Säulen zum Bauwerk entspricht dem der Glieder zum menschlichen Körper und dem der Diener z u m Herren; für viele Gebäude sind die Säulen ein unerläßlicher Bestandteil: »Come ho detto dinanzi (cf. lib. I), l'edificio essere dirivato dall'uomo, come l'uomo ha e' membri e così l'edificio ancora ha i membri. E anche la colonna non che sia membro dello edifìcio, ma è parte di natura d'esso, chè molti edifici sanza essa colonna non si possono fare. E questo è a similitudine come a dire i signori che hanno bisogno di servidori e sostentacoli, i quali in vari modi sono gentili uomini, i quali danno aiuto e sostentacolo a'signori. E quanto maggiore signore è, tanto vuole più vari appoggi e ornamenti e uomini da difendere, come sono i soldati e anche altre persone che sanza loro non possono fare. Sicché a uno signore bisogna varie ragioni di persone e a varie cose l'adopera e ad esso serve, così l'edificio grande molte e varie cose bisogna. E secondo le qualità de'signori, o vuoi temporali o vuoi spirituali, come ho detto, hanno bisogno di varie generazioni di persone, così sono proprio li edifici, come dire templi o vuoi dire chiese principali, che oggi si chiama quasi in ciascheduna città duomo. La quale chiesa questa è, come che'l papa è principale sopra a tutti e preti, così queste chiese principali sono a similitudine sopra tutte l'altre chiese. N o n è dubbio che'l papa altra dignità e continenza de'avere che non hanno i cardinali e i vescovi nè altri prelati, così dee essere la chiesa a comparazione. E secondo la qualità della chiesa, così debbono essere gli ornamenti d'essa (cf. fol. 48V—49r ; v. p. 72). Sicché adunque per queste ragioni e qualità le colonne sono parte appartenenti a certe qualità d'edifici, essendo così, come l'edificio diriva dall'uomo, e da misura e qualità e forma e proporzione umana, la colonna ancora da esso uomo diriva« (fol. 55v). — 7. Die drei Säulenordnungen unterscheiden sich durch ihre Größe: »La qualità, o vuoi dire ioniche e doriche e corinte, sono tre, cioè grandi, mezzane e piccole« (fol. 55v). — Die Proportionierung der Säule entspricht der des menschlichen Körpers: »Secondo che l'uomo è misurato tutto, così la colonna vole essere misurata e proporzionata secondo sua forma« (ibid.). — Die drei Säulenordnungen entsprechen den drei Staturen der
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Menschen (cf. fol. 2V—3r ; v. p. 46): »Come è detto, egli è tre qualità e forme degli uomini, così delle colonne, cioè grandi, piccole e mezzane« (ibid.). — Wie der Mensch nach »teste« gemessen wird (cf. fol. 3r—3V; v. pp. 46 ss.), so ist die Maßeinheit der Säulenmessung das Kapitell bzw. der Säulendurchmesser; dieser beträgt ein Drittel des Säulenumfangs: »E tanto vuole essere il capitello alto quanto è il diamitro della grossezza. El diamitro della grossezza tu dei sapere quanto è grossa la colonna andare intorno, e la terza parte della sua rotondità sarà il suo diamitro. O vuoi grossa o vuoi sottile: questa è sua misura . . . La misura che vuole avere la colonna, come che l'uomo è misurato colla testa, così la colonna vuole essere misurata col capitello . . . Come ho detto, il diamitro della colonna è sua misura, e così del capitello« (fol. 55V—56r). — Die große (dorische) Ordnung mißt 9, die mittlere (korinthische) 8, die kleine (jonische) 7 »capitegli«. — Im Zusammenhang seiner Besprechung der Maße der Backsteine (lib. IV) drückt Filarete diese Verhältnisse durch 2 : i : V 2 aus: »La misura della pietra comune voglio che sia di lunghezza mezzo braccio, cioè sei once. La larghezza sarà la metà della lunghezza, cioè once tre, e la grossezza sarà la metà della larghezza, cioè once una e mezzo. E questa sarà la misura comune. E messe le pietre come vedi, tre maniere di misure puoi così in questa comprendere: la misura ionica, dorica e corinta« (fol. 2irj. — 8. Die Verhältnisse des Kapitells entsprechen denen des menschlichen Kopfes (cf. fol. 3 v ; v. p. 47) : es ist der Höhe nach in drei gleiche Teile geteilt, von denen der erste und zweite von den Blattlcränzen gebildet werden; der dritte zerfällt wiederum in zwei Abschnitte ( = Abakus + Voluten oder »coliculi« + »folia«? cf. Vitruv, IV, 1 . 1 2 ) . — 9. Die Verhältnisse der Basis entsprechen denen des menschlichen Fußes: »La basa vuole essere la metà della altezza del capitello, perchè, come l'uomo dal collo del pié o vuoi dire della giuntura è mezza testa, così a questa similitudine vuole essere il piè della colonna . . . El modo della loro forma è stata trovata per bellezza in quello modo che si fanno« (fol. 561—56V). — 10. Der Säulenschaft: »Filarete verlegt die Schwellung der Säule in deren unteres Drittel; und nimmt den größten Durchmesser der Schwellung als den normalen des ganzen Schaftes an (indem er sagt, der Schaft sei am unteren Ende u m V12, am oberen u m V i i schmäler als sein Durchmesser)« 247 : »Ii fusto della colonna è ancora a qualche similitudine del corpo dell'uomo, perchè vuole essere un poco piena in mezzo, cioè affusolata. E questo è anche per cagione che ne viene a essere più forte per lo sostenere del peso. E vuole essere un poco più sottile da capo che da piè. — El quanto si è dal capo? — Tanto quanto è dell'undici parti l'una del suo diamitro, e la parte disotto, cioè disopra alla basa, delle dodici parti l'una del suo diamitro. E così venire tirando ingiù quella sottigliezza ch'ella venga, come ho detto, piena al mezzo. E questa pienezza venga più dalla terza parte dell'altezza ingiù che da quella insù, per respetto del sostenere del peso. E anche è più suo naturale, però ch'è così, come tu vedi l'arbore, massime come il pino, l'abete e l'arcipresso e molti altri, sempre si vanno assottigliando alla'nsù inverso la cima. Così vuole essere la colonna« (fol. 56V). — i r . Die drei Säulengattungen entsprechen den Ständen und sind gemäß ihrer Tragfähigkeit und Schönheit am Gebäude zu verwenden: »Sono, come ho detto, più maniere di colonne, ma tre sono le principali, come che ho detto che sono di più qualità d'uomini, come de'gentili, i quali appresso e'signori sono per sostegno e per ornamento. Gli altri mezzani sono ancora a utilità ed a ornamento, ma non sono però in adornamento quanto i gentili. Gli altri più infimi sono a utilità e necessità e servitudine del signore, e a bellezza di vista non sono tanto quanto gli altri due superiori . . . Sono colonne ioniche, doriche e corinte. Le doriche sono della maggiore grandezza, le corinte della mezzana, le ioniche dell'altre più basse . . . E queste sono come a dire quegli infimi, cioè da durare fatica. Queste adunque s'adoperano nello edificio in quelli luoghi dove è a durare più fatica. L'altre d'otto teste si mettono in altri luoghi ancora da dovere sostenere e reggere e'membri dello edificio. E l'altre di maggiore si mettono a luoghi a dovere sostenere 247
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Oeningen, Traktat, p. 712, η. 8.
e adornare l'edificio, ma non hanno sì grande fatica quante queste due altre ragioni« (fol. 56V). — 12. Ausnahmen sind die sog. »Zwerg«- und »Riesensäulen«: »Ecci poi come che delli uomini due altre ragioni e qualità, come sono nani e giganti (cf. fol. 2V; v. p. 46). E queste che sono a similitudine come dire nani, si mettono in certi luoghi per necessità dove non si può mettere d'altra ragione. Quando accadrà chiarirò la loro misura e secondo il luogo dove si mettono. E fannosi di tre diamitri e di due e mezzo, dai sette ingiù s'intende essere di questa spezie, e secondo il luogo così adattarle o a tre o a quattro o a quello che serve dalle sette ingiù. Come ho detto disopra, così fare« (fol. 56V). — »Uber die Anwendung dieser kurzen und dicken Säulen erfahren wir von Filarete nicht Genaueres. Vermutlich gedenkt, er sie hauptsächlich bei Unterwölbungen anzubringen, wie im X V . Buche« 248 (cf. fol. 1 2 1 ν). — »Quelle delle maggiore qualtità, come sono quelle che sono alla similitudine de'giganti, e queste rare s'usano e in vari modi. Parmi a me che gli antichi l'abbino più presto usato per uno ispettaculo che per bisogno di sostegno di edificio« (fol. 56V). — 1 3 . Die Kannelierung ist die einzig gebräuchliche Verzierung der Säulen: »Altri ornamenti non s'usa se none a canali« (fol. 57r). — 14. Die in der Gegenwart vielfach angewendeten kleinen (Zier-)Säulen (»colonnette piccole«) sind nur zu billigen, wenn sie den »retti modi e le misure degli antidii« entsprechen: »E'vero che ancora sono colonnette piccole e alcuna volta pare che non sieno così alle ragioni fatte. Queste ancora si può passare quando luogo fusse di necessità. Nientedimeno possono essere a similitudine umana fatte, perchè si truovano uomini ancora sformati e fuori di misura e putti e altre varie persone. Sicché, trovandosene ancora delle colonne, non è da maravigliare, perchè possono essere state fatte da maestri che non sanno le misure e le forme che richieggono le colonne. E di queste se ne truova, e massime a questo tempo nostro se n'è fatte e fa in assai luoghi ancora oggi. E questo è per le ragioni che nel primo è detto« (fol. 57r). Bogen und Türen (lib. Vili): ι. Auf die inzwischen fortgesetzte Erklärung der Entwürfe des fürstlichen Palastes folgt die Lehre von den Bogen und Türen: »L'altro dì seguente subito sanza altre cose dirmi mi domanda come si dee fare l'arco e che fu la sua origine e in che forma è più bello e più forte, avendo a reggere uno grande peso, e così le porti, quali sono più belle, o quadre o tonde, e a che misura si debbono fare che sia più ragionevole che veruno altro modo« (fol. 58V—sgr). — 2. Ursprung des Bogens und der T ü r im primitiven Hüttenbau (cf. fol. 2v, 4v—5r, 54V; v. pp. 4 1 ss.): Als man die ersten menschlichen Behausungen aus Stroh und anderem Material erbaute und dabei zur Anlage der T ü r gelangte, kam man auf den Gedanken, eine biegsame Gerte zu nehmen, sie zum Bogen zu spannen und an den eingerammten Pfosten anzubinden. Ähnlich hat man sich die Entstehung der (rechteckigen) T ü r vorzustellen: »Donde che dirivasse imprima l'arco fu che, quando quello il quale imprima fe'abitazione, o di paglia o d'altro, quando venne a fare la porta, credo pigliasse qualche legno arendevole e torselo, e così fece come a dire un mezzo tondo, o die lo legasse a due altri legni diritti che piantati avessi in quel luogo dove diterminato aveva la entrata. E così da questo primo modo credo dirivasse l'arco. Poi un altro lo fe'un poco meglio: fe'uno cerchio e tagliollo pel mezzo e poi lo pose pure insù due legni e fece una porta coll'arco tondo disopra. La porta quadra quasi per se medesima si trovò, chè f u un altro che, ficcati due legni in terra pur per fare una entrata diritti sopra a terra e poi legatone un altro attraverso, ovvero che lo conficcasse o legasse e come si facesse, tanto è che questo pare verisimile che fusse la sua origine prima, o in questo modo o in altro, questo a noi non fa caso« (fol. 591). — 3. Der rande Bogen ist schöner als der spitze, weil der Blick ungehindert an seiner Rundung entlanggleiten kann. Nadh einer kurzen Digression über die Konstruktion des Spitzbogens werden auch dessen statische Vorzüge vor dem Rundbogen bestritten, daß ihn die Alten nie verwendet haben, würde allein genügen, ihn zu verwerfen: »Ora
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Id., ibid., p. 7 1 2 , n. 9. 89
intenderete la ragione, perchè sono più begli e'tondi e come si debbono porre e in che forma vogliono essere fatti secondo usavano gli antichi. La ragione perchè sono più begli e'tondi che gli acuti: questo non è dubbio che ogni cosa che impedisce o tanto o quanto la vista non è sì bella come quella che seguita e dall'occhio non ha niuna cosa che la ritenga. E così è l'acuto tondo, come tu vedi . . . Quando tu vedi uno arco mezzo tondo, l'occhio tuo non è impedito niente, quando to lo risguardi, così, quando tu vedi uno cerchio tondo, l'occhio o vuoi dire la vista, come tu il guardi, subito la vista lo circunda intorno al primo sguardo e trascorsa la vista che non ha ritegno nè ostaculo nessuno. Così il mezzo tondo, come lo guardi, subito l'occhio e la vista corre dall'altra parte, senza alcuna ostaculità o sanza alcun altro ritegno o impedimento nessuno corre dall'una testa all'altra del mezzo cerchio. Non è così l'acuto, perchè l'occhio o vuoi dire la vista si ponta un poco in quella parte dove è acuto e non trascorre come quello che va a mezzo tondo, e perchè esce della sua perfezione. Chè l'acuto è a dire come se avessi tagliato uno tondo in sei pezzi e poi aggiunto uno de'pezzi insieme, in modo che tu farai due tondi accostato l'uno ali altro tanto ch'I sesto d'intorno tocchi il centro, cioè il punto di mezzo del tondo col quale quello s'accosta. Il quale aggiunto al cerchio prima col girare del sesto ti verrà fatti due archi acuti. E quanti più tondi giri in quella forma, te ne verrà fatti più. Non che io ti consigli, perchè te l'abbi insegnato che tu l'usi. Ma solo, perchè te ne guardi, perchè non sono nè buoni nè begli. Tu potresti dire: questi acuti sono pur forti e sufficenti. Egli è vero. Ma se fai l'arco tondo, cioè mezzo tondo, che abbi buone spalle, lui ancora è forte . . . Sicché, poiché loro (se. gli antichi) non gli usavano (se. gli archi acuti), ancora noi non gli doviamo usare« (fol. 59V— 6or). — 4. Die Verhältnisse der Türen: Türen und Portale haben, dem antiken Brauch entsprechend, entweder geraden oder halbrunden Schluß. Drei Möglichkeiten des Verhältnisses von Höhe zu Breite sind, gemäß dem Ort der Verwendung, zulässig, nämlich: »due quadri«, »a uno e mezzo« und »a uno diamitro«. Diese Größenordnungen entsprechen den drei Säulenarten; sie gelten auch für die »archi«: »Signore, alla vostra domanda io vi voglio soddisfare imprima alle ragioni che vogliono essere le porti, cioè la larghezza alla altezza vi dirò. La forma, come ho detto, possono essere di tre ragioni di misure, come sono ancora le colonne o altri membri antedetti. E queste ancora secondo e'iuoghi dove si fanno, chè secondo il luogo così richieggono la misura. E farinosi a due quadri, a uno e mezzo, a uno diamitro. E così sono di tre ragioni di misure. Così gli archi ancora hanno queste medesime ragioni di misure, cioè dorico, ionico e Corinto, cioè a uno quadro e mezzo e a uno quadro diamitro e a due quadri. Il diamitro che avete inteso dinanzi, come si piglia dal quadro. Gli ornamenti che si fanno a loro sono di più ragioni, ma universalmente sono tutti in questa forma, come vedete disegnate (cf. fig. Magi. 44,45), cioè la forma de'loro membri . . . Questi ordini, com'io ho detto, gli antichi usavano in questa forma. E parve a loro questi modi stessono bene in questa forma alli architravi e poi ancora alli archi tondi e così alle porti« (fol. 6or). Gesimse, Sockel, Konsolen (lib. IX): ι. Nach abermaliger Unterbrechimg (Anlage der Hauptplätze von »Sforzinda«) wird die Lehre von den Bauformen zu Beginn des Buches IX fortgesetzt und beschlossen: »Sicché io intendo nel nono trattare imprima modi e forme di comici e basamenti, ancora secondo gli antichi l'usavano . . . i quali limorono e pulirono tutti i membri e ornamenti dell'edificio . . . Ancora per più bellezza l'adomassono di varie maniere d'ornamenti, chi di foglie e chi d'altre cose formate assimigliate alla natura, secondo che piaceva più una cosa che un'altra« (fol. 62V—63Γ). — 2. Ausführliche Beschreibung dei Teile des Gesimses (»cornice«): Karnies (»eimagine«, »gola«), Rundstab (»bastone«, »ritondino«), Ablauf (»sgocciolatola«), Konsolen (»beccatelli«), Eierstab (»ovolaria«), Zahnschnitt (»dentellato«), Architravgesims (»cornice architravata«), Fries (»fregio«), Architrav (»architrave«); das Postamentgesims (»la cornice con la quale loro ricignevano i loro quadri«) stimmt mit dem Architravgesims fast gänzlich überein (fol. 631—63V). — 3. Ähnliche Be·
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Schreibung des Aufbaus der Gebäudesockel, der »imbasamenti« (fol. 63V—641:). — »Unter >Sockel< verstellt Filarete hier einerseits einen auf Stufen ruhenden Stylobat mit einem Gesimse v o n der Art der Säulenbasen, andererseits einen postamentförmigen Stylobat mit einem aus Karniessen usw. bestehenden Gesimse. Sonst braucht er die Bezeichnung >imbasamento< auch o f t v o n Wandsockeln, die freilich vielfach mit vorgelegten Stufen, oder auch Sitzen, in Verbindung gebracht sind« 249 . — 4. D e n Beschluß der Bauformenlehre bildet eine Bemerkung über Konsolen (»beccatelli«, »mensole«): »Le quali si mettono in molti luoghi per sostegno e massime sotto travi e i n molti altri luoghi. La forma loro è tratta dalla cimagine, cioè l'ultimo membro della cornice maggiore o vuoi dire il primo. E fannosi in questa forma, come vedete qui disegnato (cf. fig. Magi. 59—61). G l i ornamenti sono di varie ragioni, li quali ve gli mosterrò ancora in disegno, quando farò gli ornamenti delle cornici e delli imbasamenti, e così d'altre cose, come capitelli, vasi e cadriede ( = >cattedrecadregacariatidi Wiedergeburt der Formensprache der griechisch-römischen Antike. Unmittelbar an diese Antike anzuknüpfen, schien damals möglich . . . Durch die Studien und Versuche ganzer Generationen von Baumeistern wurde allmählich im weiteren Verlauf des XV. Jahrhunderts und im XVI. Jahrhundert für die Neubauten der Renaissance eine antikisierende Formensprache entwickelt« 264 . Diese Hinwendung zu einer architektonischen Formensprache »all'antica«, wie sie dann auch Albertis und Filaretes Traktate erstmalig postulieren, ist aber auch als »Reaktion« zu verstehen, d. h., sie muß gesehen werden vor dem Hintergrund jener nahezu völligen Auflösung der klassischen Formen im Architektursystem der späten Gotik 256 . Mit dem Verlust ihrer plastischen Körperlichkeit, ihrer organischen Belebtheit, ihrer eindeutigen Begrenztheit, hatten diese alles eingebüßt, was ihr eigentliches Wesen ausmachte, »um eingeschmolzen zu werden in das wirre Gerank des spätgotischen Flachornaments oder in das starre Gitterwerk 253
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Zu diesem Thema cf. Burckhardt, op. cit., §§ 22—23; Schlosser, Präludien, op. cit., pp. 270—292; E. Panofsky, »Das erste Blatt aus dem >Libro< Giorgio Vasaris. Eine Studie über die Gotik in der italienischen Renaissance mit einem Exkurs über zwei Fassadenprojekte Domenico Beccafumis«, Städel-Jahrbuch, VI, 1930, pp. 25—72 (= Meaning in the Visual Arts, op. cit., pp. 169—243); id., Renaissance, op. cit., pp. 8 ss.,· E. S. de Beer, "Gothic: Origin and Diffusion of the Term. The Idea of Style in Architecture",
Journal of the Warburg and Courtauld Institutes, XI, 1948, pp. 143—162,· J. S. Ackerman, "The Certosa of Pavia and the Renaissance in Milan", Marsyas, V, 1947—1949, pp. 23—34; Jantzen, op. cit., pp. 157—158; Frankl, The Gothic, op. cit., pp.235 ss. 254 Paatz, Renaissance, op. cit., pp. 36, 38. 255 Qf ρ Meyer, Das Ornament in der Kunstgeschichte, Zürich, 1944, pp. 58—66 ¡ id., Europäische Kunstgeschichte, II, Zürich, 1948, pp. 12—r3, 57—65·
der Maßwerktafel«. »Im Gegensatz zu den ins Körperlos-Lineare, Unübersichtliche und Spitzfindige zerfaserten Formen der letzten Spätgotik mußten die plastisch-kräftigen, eindeutigen, leicht überschaubaren Gliederungen der Antike als der Inbegriff des Natürlichen, Gesunden und Vernünftigen zugleich erscheinen«256. Das hier über die Wiederbelebung der antiken Architekturformen im allgemeinen Gesagte gilt auch für Filarete: Bereits das Dekorationssystem seiner Bronzetür von St. Peter erwies ihn als einen der ersten und konsequentesten Vorkämpfer der Renaissance antiker Motive 2 5 7 . In seinem Traktat versucht er nun, sein aus Vitruv und dem Studium der Denkmäler geschöpftes Wissen von den antiken Bauformen 2 5 8 zusammenzufassen und in einer Kunstlandschaft zu verbreiten, in welcher bis dahin die Formensprache der Spätgotik ausschließlicher als anderswo in Italien die allein gültige war. Daß auch Filarete in den antiken Formen den Ausdruck des Organisch-Natürlichen und des Vernünftigen zugleich sieht, geht aus den herangezogenen Textstellen eindeutig hervor. Die Bauformenlehre, die Lehre von den antiken »ordini« oder »ornamenti«, spielt in Filaretes Architekturtheorie eine wesentliche Rolle. Nur sei schon hier die vielfach geäußerte Meinung zurückgewiesen, für Filarete sei die Architektur überhaupt nur eine Frage des »Dekorationssystems« 259 gewesen. Die Untersuchung seiner Idealbauentwürfe zeigt dagegen, daß er in der Wiederbelebung der antiken Baukunst mehr sah als eine bloße Rezeption antiker Formen und Formenbestandteile, daß er sie in einem umfassenderen Sinn verstand als die meisten Architekten seiner Zeit, die sich — von Alberti abgesehen — damit begnügten, das antike Gliederungs- und Dekorationssystem auf die überkommenen Bauaufgaben anzuwenden. Die
Lehre
von
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Der erste Teil von Filaretes Bauformenlehre umfaßt die Theorie von den Säulenordnungen. Die antiken Säulenordnungen — Grundmotiv der neuen Architekturtheorie — sind das »klassische Idol der Renaissance, in dem sie ihr Streben nach Harmonie und Regel verwirklicht sah« (J. v. Schlosser). Durch ihren »tiefen Bezug zur Sphäre des Menschlichen« gewann die Säule in der Renaissancebaukunst konstitutive Bedeutung. »Daß ihre Maße ideell auf die Maße des menschlichen Leibes bezogen werden, daß an Stelle von Säulen menschliche Leiber treten können, sind nur die faßbarsten Momente ihrer wesentlichen Menschlichkeit« 260 . Aber gerade dieser Gedanke der Analogie zwischen Säule und Menschengestalt mußte erst wiederentdeckt werden (v. pp. 69 ss.) : Filarete und Francesco di Giorgio Martini haben ihn in ihren Architekturtraktaten bis 256
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Id., Schweizerische Stilkunde, Zürich, 1941, 5· Α., r944, pp. 93, 99· Cf. Tigler, Filarete-Studien, op. cit., pp. 8—12. Id., ibid., pp. 37—39.
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Cf. Förster, op. cit., p. 55. H. Sedlmayr, Die Revolution der modernen Kunst (Rowohlts Deutsche Enzyklopädie), Hamburg, r95s, p. 19.
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in die letzten Konsequenzen verfolgt und durch Zeichnungen illustriert. (Das häufige Vorkommen von Atlanten in Filaretes Traktatillustrationen — cf. ñg. Magi. 129, 169, 172, 174, 176, 192; cf. auch fig. 72 — ist hier besonders zu erwähnen; eine Diskussion über die Herkunft dieses Motivs muß einer Analyse der Gebäude von Filaretes »città ideale« vorbehalten werden). »Die Gotik hat die Säule in diesem Sinne nicht gekannt. Sie ist Rundpfeiler oder Dienst: sie verliert ihre individuelle Gestalt, sie trägt in sich keine gesetzmäßige Norm, sie ist kurz und gedrungen oder hochgezogen und überschlank, sie ist anpassungsfähig und von unbegrenzter Veränderungsfähigkeit wie der Spitzbogen. Das Kapitäl, wo überhaupt eines auftritt, ist nicht zum Schaft in Beziehung gesetzt, es wird nicht mit diesem zusammen gesehen, es ist ein Akzent in der Bewegungsrichtung wie der Schaftring oder die um die Dienste verkröpften Gesimse«281. Demgegenüber setzte sich in der Renaissance eine neue Gesetzlichkeit durch, »das Bekenntnis nämlich zur Verbindlichkeit naturgemäßer Urformen. Von diesem neuen Standpunkt der Renaissance-Ästhetik aus gesehen erschien alle mittelalterliche Proportionierung als widernatürlich und bloße Willkür . . . Wie die Klärung der Maßverhältnisse des menschlichen Körpers, so wurde auch die Klärung der Proportionierung der Säule ein Hauptproblem . . . Dabei ergab sich vor allem eines. Die Säule wurde gleichsam als ein Naturgebilde anerkannt, in dem Sinne nämlich, daß ihre Gestalt und ihre Proportionen im großen und ganzen als unveränderlich gegeben, als unabänderlich hinzunehmen und grundsätzlich zu respektieren seien«262. Preilich war in Italien die Säule »niemals ernstlich durch den gegliederten Pfeiler verdrängt worden; jetzt wurde sie ihrer echten Bildung zurückgegeben und wieder mit ihrer alten Zubehör von Basen und Gebälken in Verbindung gebracht«263. Alberti, der als erster Renaissancetheoretiker — im Anschluß an Vitruv — eine systematische Lehre von den Säulenordnungen entwickelt, "emphasizes more than once that 'the principal ornament in all architecture certainly lies in the Column' (De re aed., VI, 13). The column, then, takes up a prominent place in Alberti's aesthetic theory, and consequently large portions of the whole work (chiefly Bks. VI, VII, IX) deal with it" 264 . »Bis zum Ende des XVIII. Jahrhunderts beruht fast alle hohe Architektur auf der Säule oder auf Formen, die zu ihr in abgeleiteter Beziehung stehen wie der Pilaster«; die Säulenordnungen spielen in dieser Epoche eine »strukturerzeugende« Rolle. Auch dort, »wo man Funktion und Kanon der Ordnungen revolutioniert, tastet man ihr Bestehen nicht an . . . Alle Leistung und aller Unterschied des >Stils< entspringt aus der selbstverständlichen Anerkennung der vorgegebenen festen >Regelnordini< allein — schlechterdings die Grundlage des architektonischen Gestaltens. Die formale Analyse dieses Phänomens ist geeignet, tief in den Charakter der Renaissance einzuführen«273. Daß es bei Filarete unmißverständlich da ist, verbindet ihn ebenso stark mit der Theorie und Praxis Albertis wie es ihn über die »Stufe Brunelleschi« hinaushebt. (Diese flüchtigen Andeutungen müssen bei einer Besprechung der Pläne Filaretes noch präzisiert werden). Bedeutsam ist endlich auch, was Filarete über die jenseits der klassischen Ordnungen liegenden extremen Möglichkeiten anführt: Wenn er »Zwerg- und Riesensäulen« nur als Ausnahmen, d. h. als Grenzfälle des Anthropomorphen, zuläßt, wenn er insbesondere gegen die »modernen« (d. h. gotischen) »colonnette piccole« polemisiert, so bedeutet dies die Vorwegnahme einer wichtigen Einsicht Vasaris, der von den gotischen Baumeistern sagt: »Perché nelle colonne non osservarono quella misura e proporzione die richiedeva l'arte, né distinsero ordine che fusse più dorico, che corintio o ionico o toscano, ma alla mescolata con ima loro regola senza regola, facendole grosse grosse o sottili sottili come tornava lor meglio«274. "In thus observing that the scale of the members in a Gothic edifice is not determined by anthropomorphic considerations, and that their proportions can change within one and the same building, Vasari — his acumen sharpened by hostility — has hit upon a fundamental principle distinguishing Gothic from Classical as well as from Renaissance and Baroque architecture" 275 .
D i e »B o g e η 1 e h r e« Mit diesem Hinweis auf Filaretes Polemik gegen die Architekturformen der Gotik (deren Quellen und Voraussetzungen hier unberücksichtigt bleiben müssen) ist der Übergang gewonnen zur Betrachtung seiner »Bogenlehre«, die in der Literatur mit Recht eine gewisse Berühmtheit erlangt hat. Filaretes Diskussion des Ursprungs von Bogen und Tür bedeutet — zusammen mit der Erklärung des Ursprungs der Säule — eine charakteristische Weiterführimg der vitruvianischen Lehre von der Entwicklung der Baukunst aus dem primitiven Holzbau (v. pp. 41 ss.). Denn durch die Heranziehung dieses Dogmas zur Rechtfertigung der antiken Bauformen teilt Filarete die Ansicht Albertis (cf. De re aed., IX, 5), daß der neue Architekt nur dann Vollkommenheit erreicht, wenn er der Natur folgt, d. h. in 272 273
274
Lazzaroni-Muñoz, tav. 8, 3. Sedlmayr, Epochen und Werke, op. cit., p. 207. Vasari, ed. cit., II, pp. 98—99.
275
E. Panofsky, Gothic Architecture and Scholasticism, Latrobe, Pa., 1951, pp. 103 —104, η. 44·
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der Architektur die Naturgesetze des Bauens aufspürt. Im Gegensatz zu Alberti selbst bezieht Filarete diese Theorie auch auf die »Bogenlehre« : Nicht der Aufbau sich stützender, ineinander verkeilter Werkstücke bildet den Anfang des Bogens (cf. De re aed., III, 13), sondern die elastische Linie des halbkreisförmig gespannten »legno arendevole«. Dann aber »stimmt Filarete voll Begeisterung das hohe Lied der Schönheit des Kreisbogens an«. Schon die psychologische Führung des Dialogs und der Fragestellung in diesem Abschnitt ist treffend: Der Baumeister appelliert an das natürliche Empfinden des Prinzen. Dieser muß zugeben, gewisses gefalle ihm in der Baukunst, gewisses mißfalle ihm, so gewisse Säulen und Bogenformen, aber er könne die Unterschiede nicht recht fassen. Es seien gerade diese runden Bogen, die ihm gefielen, aber warum, das wisse er nicht. Da sei er auf der rechten Fährte, antwortet ihm der Baumeister, und dann kommt der Erklärungsversuch: Die größere Schönheit des Rundbogens liegt in dem Gleichmäßigen, Gesetzmäßigen, das mit einem Blick erfaßt werden kann; dagegen findet das Auge an der gebrochenen Linie des spitzen Bogens einen unangenehmen Widerstand. »Die fingierte Belehrung des Prinzen liest sich wie ein Selbstgespräch des meditierenden Künstlers, der sich über sein immittelbares Schönheitsempfinden Rechenschaft zu geben versucht, der seine unbeirrbare gefühlsmäßige Vorliebe für den Rundbogen sich selbst mit faßbaren Gründen rechtfertigen möchte«278, denn er muß zugeben: »questi (sc. archi) acuti sono pur forti e sufficenti. Egli è vero«. Doch auch Halbkreisbogen könne man stark machen, und die Alten haben sie auch verwendet und niemals Spitzbogen: »Sicché, poiché loro non gli usavano, ancora noi non gli doviamo usare.« Zweifellos kannte also Filarete die bautechnischen Vorteile, die der Spitzbogen bietet: »Er vermeidet den stets empfindlichen waagrechten Scheitel des Rundbogens; er leitet das Gewicht der Mauern und der Gewölbe direkter auf die Widerlager ab.« Aber die römische und byzantinische Wölbungskunst »wußte alle technischen Probleme auch ohne Spitzbogen zu meistern, und die Renaissance verzichtet auf ihn nicht zugunsten noch rationellerer Bogenformen, sondern weil ihr der Spitzbogen ästhetisch unerträglich ist« 277 . Schon durch seine »Eigenschaft, gleiche Jochbreiten mit verschiedener Scheitelhöhe, verschiedene Jochbreiten mit gleicher Scheitelhöhe zu verbinden«, bricht der Spitzbogen mit dem antiken Gesetz »fester« Proportionen278. »Im Rund- und Spitzbogen stehen sich geometrische Bestimmtheit und proportionale Unbestimmtheit, gleichbleibende Stabilität der Form und unendliche Variabilität, in sich beruhendes Sein und stetiges Werden gegenüber. Gerade das, was den Spitzbogen der Gotik so wertvoll gemacht, seine fast unbegrenzte Veränderungsfähigkeit in den Verhältnissen . . . lehnt die Renaissance mit aller Entschiedenheit ab, gerade darin lag für ihr Proportionsempfinden etwas Unfaßbares, Entgleitendes«279. 278
277
D. Frey, Bramantes St. Peter-Entwurf und seine Apokrypten, Wien, 1915, p. 74. Meyer, Kunstgeschichte, op. cit., I, Zürich,
1947, ΡΡ· 213—214· 98
278 279
Sedlmayr, Kathedrale, op. cit., p. 270. D. Frey, Gotik und Renaissance, op. cit., pp. 80, 82.
Selbst Kritiker, die sonst nur die Schwächen der Theorie Filaretes sehen, können nicht umhin, die Originalität seines ästhetischen Einwands gegen den spitzen Bogen anzuerkennen: »Qualche momento di lucidezza critica non mancò tuttavia nemmeno al Filarete, fosse o no merito dell'ambiente in cui era stato educato. Egli spiega logicamente l'odio per l'arco acuto, e in genere per lo stile così detto gotico, odio che fu dogma del Rinascimento, e che noi così difficilmente sappiamo intendere . . . L'occhio che non trascorre significa la veduta che è frammentaria e non complessiva, analitica e non sintetica. Si tratta quindi di una spiegazione che trae sua origine nel principio della veduta prospettica, che vuole la veduta sintetica. Ed è forse qui accennata la più chiara opposizione, ch'io mi sia letta, fra la concezione unitaria, limitata e chiusa dell'opera d'arte nel Rinascimento contro la concezione continuativa, analitica, senza fine, propria del Medio Evo«280. Das Formempfinden, das aus Filaretes Lob des Rundbogens spricht, bildete eine grundlegende psychische Disposition, welche die ganze künstlerische Betrachtung und Einfühlung der Renaissance in Natur und Kosmos beherrschte (D. Frey). Es bezeugt dies auch Alberti, wenn er (anläßlich der Besprechung der Rundtempel) im Kreis die vollendete Form sieht, da sich die Natur vor allem am Runden erfreue: »Rotundis naturam in primis delectari ex his quae ductu eius habeantur, gignantur, aut fiant in promptu est. Orbis rerum, astra, arbores, animantia, eorumque nidificationes et eiusmodi quid est ut referam, quae omnia esse rotunda voluit« (De re aed., VII, 4). Durch Filaretes Argumentation "Alberti's cosmic philosophical consideration of the round form is . . . supplemented by a psychological and visual approach. And from now on the geometry of the circle plays an ever more prominent part" 281 . Es sei noch erwähnt, daß Albertis Urteil über den Spitzbogen — im Gegensatz zu Filaretes ästhetisch-psychologischer Begründung — nur von technischen Überlegungen ausgeht. Wie Filarete stellt Alberti zunächst fest, daß er in der Antike sich nicht finde. Aber er kann auch den für seine statischen Vorzüge geltend gemachten Gründen nicht beistimmen: der »ganze« Bogen sei stärker als der »verkürzte« und der »zusammengesetzte« (= spitze) Bogen (De re aed., I, 7 und III, 13). Falsch ist es aber, Filaretes Urteil über die Bogenformen so zu interpretieren, als seien für ihn »die statischen Probleme etwas, das abseits der künstlerischen Aufgabe« liege und »als gelöst vorausgesetzt« werden müsse, »ehe die >Kunst< anfängt« 282 . So hatten um 1400 (bei Gelegenheit des Mailänder Dombaus) die lombardischen Baumeister gedacht, die nichts hatten wissen wollen von jener »Logik des werkgerechten Bauens«, die ihre nordischen Kollegen (besonders Jean Mignot) gefordert hatten (v. pp. 37 ss.). Damit war eine Anschauung hervorgetreten, »die das monumentale und zugleich gefällige Aussehen über das logische, werkgerechte Gebautsein setzt, die italienische >Augenkunst< über die Kunst der >Maßeoperario< ist ein Mann der Verwaltung, der >capomaestro< ein Maurer. Dabei ist durchaus nicht immer ausgemacht, wer von beiden die Plananweisungen auszuarbeiten hatte« 324 . Bei Filarete sind (wie in der modernen Praxis) dem Architekten die Handwerker allei Zünfte unterstellt, »während der gotische Baumeister nur diejenigen Bauarbeiten beaufsichtigt und durchführt, welche ausgesprochen zu seinem erlernten Beruf gehören« 325 . Bei Filarete bestimmt nur der eine entwerfende Architekt, was und wie gebaut wird, während es für die Baupraxis des Spätmittelalters bezeichnend ist, daß man in kritischen Bauperioden stets eine Gutachtersitzung zusammenruft, wobei viele Meister um ihren Rat befragt werden (so häufig in Florenz, Siena, Bologna, Mailand, vielfach noch im XVI. Jahrhundert). Die Weitschweifigkeit und Umständlichkeit eines solchen Verfahrens erklärt oft das Fehlen einer klaren Linie. Im späteren Verlauf der Baugeschichte des Florentiner Doms »bestaunt man die Tatsache, daß der Zeichner und Entwerfer und der Baumeister keineswegs immer derselbe ist. Eine Kommission von Malern und Bildhauern . . . schuf das Modell, nach dem die Hüttenmeister den Dom bauen mußten . . . Das Zeitalter, in dem ein Notar die Vertragszeichnungen schuf, nach denen die Maurer das Werk emporführten, war noch nicht beendet« 326 . — Die je nach dem Typus des zu erstellenden Gebäudes mehr oder weniger wichtigen Bauordnungen legen weitere Beschränkungen auf 3 2 7 . Richtet m a n v o n hier aus den Blick auf die zur Z e i t Filaretes in Italien üblichen Form e n der Baupraxis, so zeigt sich kein nennenswerter Unterschied zu den allgemein mittelalterlichen oder spezifisch spätmittelalterlichen Gepflogenheiten: D e r Stadt- und Dombaumeister des Quattrocento besitzt nicht wesentlich mehr Freiheit in Fragen der Bauplanung und -ausführung als die Meister des Duecento und Trecento ( W. Braunfels) : 323 324 326
118
Booz, op. cit., p. 27. Braunfels, Stadtbaukunst, op. cit., p. 2,21. Booz, op. cit., p. 35.
326 327
Braunfels, Stadtbaukunst, op. cit., p. 227. Booz, op. cit., p. 3r.
In den demokratisch regierten Gemeinwesen der Toskana beispielsweise ist seit gotischer Zeit die Stadt ein Gemeinschaftswerk der Kommune; nichts bleibt unbestimmt, wenig selbst den größten Künstlern frei überlassen 328 . Es fehlt jede Zentralisierung der baulichen Administration: Einzelnen Körperschaften (»arti«, »operai«, »signoria«) obliegt die Bauplanung, -finanzierung und -Überwachung. »Seit 1367 war das Bauwesen am Florentiner Dom so bürokratisiert, daß keiner der nachfolgenden Meister seine eigenen Gedanken hätte zum Ausdruck bringen können. Keiner war auch nur als >capomaestro< allein verantwortlich. Der hochgeehrte Erbauer von San Petronio in Bologna, Antonio di Vincenzo, dessen Lob uns aus zahlreichen Dokumenten entgegenklingt, und der zeitweise die obersten Regierungsämter anvertraut erhielt, ist in Fragen der Bauplanung unfreier als Giotto . . . Auch er war nicht nur Baumeister, sondern zugleich auch der oberste Verwaltungsbeamte der Hütte, der als solcher alle nachgeordneten Werkleute einzusetzen hatte und auch bei der Festlegung ihrer Bezüge das letzte Wort sprach. In der Planung aber mußte er sich nach den Entscheidungen des ihm beigeordneten Pater Andrea Manfredi da Faenza richten, der ihm in diesem für uns vor allem wichtigen Punkt vorgesetzt war.« Obwohl die ausübenden Architekten langsam in gehobenere und verantwortungsvollere Stellungen aufrücken (Ernennung zu Stadtarchitekten unter besonderen Ehrenbezeugungen, Gewährung von Sonderrechten, etc.), wird dem einzelnen Meister kein entscheidender Einfluß zugebilligt. Und obwohl man gerade in Toskana den Künstler »zuerst und am entschiedensten rühmt«, honoriert man »nicht den kühnen Planer und Erneuerer, sondern nur den Werkmann«. Brunelleschis Stellung am Dombau von Florenz unterscheidet sich »äußerlich nicht von jener früherer Meister, die seit über einem Jahrhundert den Bau geleitet haben«; seine »Rechte und Vollmachten waren nicht größer, sein Aufgabenbereich nicht weiter gespannt als der Amolfos (in Florenz), Lorenzo Maitanis oder Lando di Pietros (in Siena)«. »Die Entwicklung vom XIII. bis zum XV. Jahrhundert verlief nicht in Richtung einer allmählichen Zunahme der Aufgaben, die man dem ersten Baumeister übertrug. Den geistigen Anteil in seiner Arbeit . . . lernte man erst allmählich von dem handwerklichen zu unterscheiden«329. Aus der kollektiven, bürokratisierten Bauorganisation in den Kommunen erklärt sich die »mangelnde Stetigkeit und Kontinuität in der Bearbeitung der einzelnen Aufgaben«, d. h. das »Mißverhältnis zwischen Geplantem und tatsächlich Zustandegebrachtem.« Man sieht, »wie gewisse Unternehmungen zu wiederholten Malen projektiert, aber nicht in Angriff genommen werden oder aber halbvollendet lange liegen bleiben«. Durchgehend ist die Zeitdauer der Ausführung »unverhältnismäßig langgedehnt«. Statt einer »auf großzügige Einheitlichkeit hinzielenden Aufgabenstellung« überwiegt eine in vielen »kleineren Einzelunternehmungen sich zersplitternde Aktivität«. All dies hat seinen Grund wesentlich in der Vielköpfigkeit — und daher häufigen Uneinigkeit — der planenden und auftraggebenden Instanzen, d.h. der von den Zünften delegierten Kommissionen und Subkommissionen 330 : 328
Cf. Paatz, Trecento-Ardiitektur, op. cit., pp. 65—70; id., Gestalt Giottos, op. cit.; Braunfels, Stadtbaukunst, op. cit., pp. 216 —247 (cf. Wallraf-Richartz-Jahrbuch, XV, 1953/ ΡΡ· M9—2.51; The Art Bulletin, XXXVII, 1955, pp. 65—67),· A. Grote, Studien zur Geschichte der Opera di Santa Reparata zu Florenz im 14. Jahrhundert (Diss.), München, 1959; H. Saalman, "Giovanni di Gherardo da Prato's Draw-
ings Concerning the Cupola of Santa Maria del Fiore in Florence", Journal of the Society of Architectural Historians, XVIII, r, 1959, pp. h—20. 329 Braunfels, Stadtbaukunst, op. cit., pp. 222—223, 233, 242—243; zu Brunelleschi cf. auch F. D. Prager, "Brunelleschi's Patent", Journal of the Patent Office Society, XXVIII, 1946, pp. 109—135. 330 Wackernagel, op. cit., pp. 37—38, 43. 119
»Le cose pubbliche stanno al giudizio d'ogni persona e più degl'ignoranti che di quegli che'ntendono. E chi la vorrebbe lessa e chi arrosto e chi alta chi bassa, chi in uno modo ciancia e chi in un altro« (Filarete; v. p. 31) ! Die ganze Arbeitsweise des Renaissancekünstlers wurde dadurch beeinflußt, ob er sich vor kommunalen Gutachterkommissionen durchsetzen mußte oder für einen Fürsten frei schaffen konnte, was für die »Stilentwicklung« der Renaissancekunst von entscheidender Bedeutung ist (L. H. Heydenreich). Es soll nicht verkannt werden, daß im Bereich des privatmännischen Auftraggebertums in den Städten oder an den Fürstenhöfen wirklich günstigere Bedingungen für die Verwirklichung einer autoritär gelenkten Bauplanung und Arbeitsorganisation gegeben waren als in der Kollektivität der lfnmmnnalp.11 »fabbriche«®31. Wie stark jedoch die hergebrachte Praxis auch bei privaten Bauvorhaben sowohl der Freiheit des entwerfenden Architekten als auch der Initiative des Bauherren selbst im Wege stand, verdeutlichen gerade die Bauunternehmungen des Francesco Sforza, an denen Filarete selbst beteiligt war, auf das anschaulichste: Die Selbstherrlichkeit der ausführenden Meister am Bau des »Castello di Porta Giovia«, die kollektive Administration und der durchaus mittelalterliche Baubetrieb am »Ospedale Maggiore« — wo sich Filarete, obgleich leitender Baumeister, noch mit eigener Handarbeit am Bau beteiligte 332 — sind nicht die einzigen Zeugnisse für die Verhältnisse im Herzogtum Mailand in der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts. Tatsächlich fanden Leonardo und Bramante, als sie von Mittelitalien nach Mailand kamen, noch dieselben Zustände vor, die dort schon zur Zeit Filaretes herrschten: Die begehrten Funktionen eines »architetto del comune«, eines »architetto della fabbrica del duomo« oder eines »ingegnere ducale« umschrieben weniger künstlerische als technisch-administrative Aufgaben. So wurde das Amt des »commissarius generalis super laboreriis« in der Regel von Verwaltungsbeamten bekleidet; Bramante kam um 1477 als »pictor« nach dem damals redit provinziellen Mailand, wo der Baubetrieb noch immer von wenigen, noch mittelalterlich organisierten Baumeisterfamilien beherrscht wurde. Wie der Florentiner Filarete bekamen auch die beiden Nichtlombarden Leonardo und Bramante die konservativen, gegen ihre Pläne opponierenden Tendenzen, namentlich der Dombauhütte, zu spüren333. »Gegenbild zur
Wirklichkeit«
Schon hier läßt sich resumieren: Alles spricht dafür, daß Filaretes Theorie vom Architekten und namentlich seine Erzählung von Planung und Bau der Stadt »Sforzinda« als Gegenbild zur »Realität« aufzufassen sind: nicht als Schilderung tatsächlicher zeitgenössischer Zustände und Gewohnheiten, sondern vor allem als Kritik an der typischen Baupraxis seiner Zeit, d. h. des mittleren XV. Jahrhunderts. Der kollek331
332
120
Cf. H. Kauffmann, »Die Renaissance in den Bürger- und Fürstenstädten« (Vortragsbericht), Kunstchronik, VII, 1954, pp. 126—129. Cf. Lazzaroni-Muñoz, pp. 163—Γ75, 201 —202.
333
Cf. C. Baroni, L'architettura lombarda da Bramante al Richini. Questioni di metodo, Milano, 1941 (cf. Zeitschrift für Kunstgeschichte, XII, 1949, pp. 108—ri2).
tiven Organisation des Bauwesens, insbesondere der Bevormundung und Beaufsichtigung des leitenden Baumeisters durch sakrale und halbsakrale Körperschaften stellt Filarete einen straff organisierten Baubetrieb entgegen, in welchem die Verantwortung gänzlich bei dem alles planenden Architekten liegt. Die Angabe jener phantastisch kurzen Bauzeiten kann nur den Sinn haben, die Vorteile einer solchen Methode der Bauplanung und -ausfiihrung einem ungeduldigen Herrscher möglichst drastisch vor Augen zu führen — Vorteile, die eben vor allem darin liegen, daß sie den »Abstand zwischen Entwurf und Ausführung« verkürzen und die willkürliche Veränderung der Pläne des Architekten durch selbstherrliche »muratori« verhindern. Als vertrauten Freund und Berater seines »Signore«, als »humanistisch gebildeten Fürstenerzieher« (K. Borinski), der seine Kunst auf »wissenschaftlicher« Basis betreibt, schildert Filarete den Architekten. Dieser Auffassung entspricht eine neue Einsicht in die Bedeutimg des Bauherren für die Ontogenese eines Bauwerks, die Filarete mit der Metapher des »matrimonio« zwischen Bauherr und Baumeister ausdrückt und in seiner Erzählung anschaulich exemplifiziert. Zweifellos ist die der neuen Freiheit des Künstlers entgegenkommende, selbstschöpferische Gesinnung der Auftraggeber ein sehr wesentliches Renaissancephänomen 334 . Namentlich die persönliche Einwirkung fürstlicher Bauherren wirkte sich gestaltend auf das Kimstschaffen aus: in sehr individuellen Einzelschöpfungen spiegelt sie sich in der besonderen Beschaffenheit der Werke, deren Typus, Disposition, Ikonologie und sogar »Stil« vom Bauherren in enger Zusammenarbeit mit seinem Architekten oft bis ins einzelne bestimmt wurde 335 . »Durch das Hineinwachsen der Künstler in die neue Aristokratie der >Könner< verwandelte sich das Wesen der Kunst. Seit die Baumeister, die Bildhauer, die Maler mit den führenden Persönlichkeiten des politischen, militärischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Lebens auf vertrautem Fuß zusammenlebten, seitdem richteten sie ihr Schaffen auf die Interessen aus, die diese neue Aristokratie zu einer Einheit zusammenschlossen«: sie gestalteten besondere Anliegen und Vorstellungen der auftraggebenden Kreise und »die Auseinandersetzung des Künstlers mit diesen Gegebenheiten hat Formen von unerhörter Neuartigkeit und Großartigkeit entstehen lassen« 336 .
Sucht man jedoch nach Bauwerken des Quattrocento, die wesentlich aus einem solchen intimen Zusammenwirken zwischen Bauherr und Architekt hervorgegangen 334
Cf. Burckhardt, op. cit., §§ ι — 1 5 ; J.Durm, Die Baukunst der Renaissance in Italien (Handbuch der Architektur, II, 5), 2. Α., Leipzig, r9r4, pp. 269—274,· A. Coomaraswamy, A. G. Carey, Patron and Artist: Pre-Renaissance and Modern, Norton, Mass., 1936; L. H. Heydenreich, »Pius II. als Bauherr von Pienza«, Zeitschrift für Kunstgeschichte, VI, 1937, pp. 105—146; Wackernagel, op. cit., pp. 214—302,· Paatz, Renaissance, op. cit., pp. 22—35; Ε. H. Gombridi, "The Early Medici as
335
336
Patrons of Art. A Survey of Primary Sources", Italian Renaissance Studies. A Tribute to the Late Cecilia M. Ady, London, i960, pp. 2 7 9 — 3 1 1 ; F. Jenkins, Architect and Patron, Oxford, 1961. L.H. Heydenreich in einem unveröffentlichten Vortrag (»Bauherr und Architekt der Renaissance«), gehalten am 15. ir. 1957 im Italienischen Kulturinstitut in München. Paatz, Renaissance, op. cit., p. 28.
121
sind, so finden sich die frühesten Beispiele bezeichnenderweise im Kreis der Auftraggeber Albertis und Filaretes (und deren Nachfolger) oder anderer Machthaber, die nachweislich bereits mehr oder weniger unter dem Einfluß der neuen Theorien standen: bei Sigismondo Malatesta (»Tempio Malatestiano« in Rimini), bei Ludovico Gonzaga (Tribuna der SS. Annunziata in Florenz), bei Francesco Sforza (»Ospedale Maggiore« in Mailand, »Ca'del Duca« in Venedig), bei Pius II. (»Piazza Piccolomini« in Pienza) und bei Federigo da Montefeltre (Palazzo Ducale in Urbino). In der Idealität aber, in der sie in Filaretes Schilderung beschrieben wird, ist die Zusammenarbeit von Bauherr und Architekt in der Kunstpraxis der Epoche ohne Vorgang und nahezu ohne Nachfolge. Setzt sie doch eine Annäherung zwischen den Sphären des Herrschers und des Künstlers voraus, die im Quattrocento noch durchaus undenkbar ist. Filarete selbst nahm am Mailänder Hof, nach allem was den Dokumenten zu entnehmen ist, kaum eine einflußreiche Stellung ein, blieb vielmehr stets der bürgerliche Handwerksmeister, zu dem ihn seine Herkunft und Bildung bestimmt hatte. Vor Leonardo gelang es nur dem Humanisten Alberti, dessen Künstlertum jedoch auf völlig einmaligen Voraussetzungen beruht, den von ihm theoretisch geforderten Typus des aristokratischen Künstlergelehrten in eigener Person zu verkörpern. Erst im Laufe des XVI. Jahrhunderts wird die Architektur »hoffähig« : Unter dem Einfluß der Architekturtraktate und Vitruv-Editionen (und wohl auch des »Cortigiano«) verwirklicht sich das Ideal vom Zusammenarbeiten und Zusammenleben des humanistischen Architekten mit dem vornehmen Baudilettanten (einer Vorform des »Cavaliersarchitekten« des Barock) — ein Ideal, dem Filaretes Traktat exemplarisch den Weg gewiesen hatte (Luigi Cornaro und Falconetto, Giangiorgio Trissino und Palladio, etc.)337. Als Ergebnis all dieser Überlegungen ist festzuhalten: Die Gedanken Filaretes über die Stellung und den Aufgabenbereich des Architekten und über sein Verhältnis zum Bauherren stehen in Diskrepanz zur Wirklichkeit des mittleren Quattrocento. Sie sind im wesentlichen kein Niederschlag von in der Kunstpraxis der Epoche bereits vollzogenen Entwicklungen oder allgemein gebräuchlichen Vorstellungen. Was in Wahrheit vorliegt, ist eine gelehrte Illusion, eine Zukunftshoffnung, eine Utopie, zugleich aber die theoretische Antizipierung späterer, zum größten Teil wesentlich späterer, Erscheinungen der künstlerischen Praxis. Das V o r b i l d der a n t i k e n
Literatur
Auf der Suche nach den wahren Quellen des Idealbildes vom neuen Architekten und vom neuen Bauherren, stößt man zunächst auf den Einfluß der literarischen Zeugnisse des Altertums. Filarete entwickelt seine Gedanken unter ständiger Berufung auf gleichgerichtete Zeugnisse der antiken »libri« : Mehrmals weist er darauf hin, um wieviel höher einst 337
122
Cf. Wittkower, Principles, op. cit., pp. 5r—62.
im Altertum die Leistung des Künstlers bewertet worden sei (cf. auch die betreffenden Stellen seines »Malereitraktats«, lib. XXII—XXIV). Einer der Leitgedanken der alten Kunstliteratur scheint dabei für ihn besonders exemplarische Bedeutung gewonnen zu haben: Es ist jene typische »Formel« der antiken Künstlerbiographie und -anekdote (wie sie vor allem bei Plinius überliefert ist), die den Künstler in engstem Umgang mit dem Fürsten und Herrscher zeigt, dem er stolz, ja zuweilen abweisend begegnet, jedenfalls aber — als Fachmann dem fürstlichen Laien — gleichberechtigt gegenübersteht 338 . Für Filarete ist Alexander das Vorbild des Herrschers, der sich nichts vergibt, wenn er sich vor dem »ingegno« und der »virtù« seines Architekten neigt, er selbst aber empfindet sich als zweiter Dinokrates : als der phantasiereiche Erfinder gigantischer Projekte 339 . Die Theorie
Albertis
Filaretes Liste der antiken Weisen, Helden und Herrscher, welche die bildenden Künste beschützt oder gar selbst ausgeübt haben (lib. XIX, XXII), geht zurück auf Albertis Malereitraktat 340 . Ein Blick auf Albertis Thesen über den Rang des Architekten und den Nutzen der Baukunst (De re aed., praef.), über die Aufgaben des Architekten bei der Durchführung eines Bauvorhabens (op. cit., ΙΙ,ΐ; IX,9—io), über seine Eigenschaften, Tugenden und Kenntnisse (op. cit., Ι,ΐ; IX,io) und sein Verhältnis zum Bauherren (op. cit., IX,ii) zeigt ferner, wie sehr Filaretes Anschauungen mit dem in Albertis Architekturlehre niedergelegten Gedankengut in Einklang stehen. Dies gilt vor allem für Filaretes gegenüber Vitruv wesentlich gesteigerte Auffassung des Architekten und seiner Tätigkeit. Filaretes Schilderung ist hier nahezu in allen Punkten als die Erfüllung der theoretischen Forderungen Albertis zu demonstrieren: Alberti definiert den »architectus« als einen, der durch Kunst und Methode Gebäude schafft: ». . . non tignarum fabrum . . . (sed) . . . hunc qui certa admirabilique ratione et via tum mente animoque diffinire tum et opere absolvere didicerit« (De re aed., praef.); der manuelle Arbeiter ist nur ein Instrument des wahren Architekten. Die Architektur ehrt, verleiht Schönheit und Würde, sichert den Nachruhm; daher verdient der, welcher sie ausübt, Auszeichnung, Hochachtung und einen Platz an der Seite des Edlen (ibid.); nur wenn er sich vermögende und wirklich vornehme Bauherren wählt, wahrt er seine Würde (op. cit., IX, n ) . Die vornehmlichste Tätigkeit des Architekten ist die lange und sorgfältige Vorbereitung des Projekts in Zeichnung und Modell (op. cit., I, i ¡ II, i ; IX, io, et passim); die fehlerlose Ausführung seiner Pläne garantiert er durch die Sorge für geeignete Werkleute. 338
339
Cf. E. Kris, O. Kurz, Die Legende vom Künstler. Ein geschichtlicher Versuch, Wien, 1934. Cf. W. Lötz, »Eine Deinokratesdarstellung des Francesco di Giorgio«, Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes
340
in Florenz, V, 1937—1940, pp. 428—433 (430—431). Alberti, Pittura, ed. cit., pp. 79—8o ; cf. Tigler, Filarete-Studien, op. cit., pp. 32— 33·
123
Wie Filarete unterscheidet Alberti scharf zwischen dem entwerfenden Baumeister »am Schreibtisch« und dem Bauführer am Bau selbst. Er selbst erscheint wie in einer humanistischen Neuform des alten geistlichen »operarius«, des administrativen Bauleiters und Beraters (v. p. 118). Es ist Brunelleschi gegenüber höchst bezeichnend, wie der Humanist sich vom »banausischen Handwerk« vornehm absondert: er bleibt dem Bau überhaupt fern, während Brunelleschi selbst auf dem Baugerüst tätig eingreift. (Bekanntlich ließ Alberti seine Aufträge in Rimini, Florenz und Mantua von Bauführern nach Maßgabe hingesandter Entwurfszeichnungen ausführen). Nach einer älteren Auffassung sei hier theoretisch jener »Bruch zwischen Handwerk und >KunstReißboden< z u entwerfen« 378 . Aus den Quellen ist zu ersehen, daß den Bauplänen im frühen und hohen Mittelalter »keineswegs eine so große Bedeutung zukam wie etwa heute. Die alten Meister verfügten über die erstaunliche Fähigkeit, auch umfangreiche Bauten . . . ohne Vermittlung eines Entwurfs unmittelbar am Platze zu entwickeln« 377 . Eine Parallele zu diesem Verfahren bildet die Praxis der Maler: »In allen archaischen Epochen, in Ägypten, in Griechenland, im Mittelalter, zeichnete man unmittelbar auf den Bildträger selbst, die Wand oder Tafel, und bedeckte dann die Zeichnung für immer mit der darüber gelegten Malerei. Diese Vorzeichnung hatte zugleich die Funktion des Entwurfs«378. Für die italienischen Verhältnisse gilt im wesentlichen das gleiche: »Der Plan für ein ausgedehntes Kirchengebäude wird in großen Zügen vorgesehen, aber nicht von vornherein als ein Ganzes durchprojektiert. Nur der Teil, den man in absehbarer Zeit auch zu vollenden denkt, wird begonnen: weil sich aus seinem Grundmaß auch für die künftig auszubauenden Teile alles Wesentliche von selbst ergibt« 379 . In Italien wird die Zeichenkunst der deutschen und französischen Hüttenmeister erst in der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts bekannt. »Wahrscheinlich kommt Giovanni Pisano die vermittelnde Stellung zu . . . Genauere Kenntnisse in der neuen Reißkunst vermochte dann Lorenzo Maitani . . . unter Beweis zu stellen«380. Aber seine vom Schematismus der gotischen Bauzeichnungen beeinflußten Risse I und II für die Fassade des Doms von Orvieto sind Studienpläne, nicht Ausführungsanweisungen 381 . Normalerweise entwickelte man »alles aus dem Grundriß, den man an Ort und Stelle ausmaß und hielt sich im übrigen fast für jedes Baudetail an ein Exemplum. Einfache Hausbauten werden noch das ganze XIV. Jahrhundert hindurch ohne Baupläne ausgeführt, und 376
Oertel, Wandmalerei, op. cit., p. 260; cf. auch die oben, p. 59, n. rs6 und p. ri6, n. 3r9, angegebene Literatur; zum Thema »Architekturzeichnung« im allgemeinen cf. Κ. Staatsmann, Das Aufnehmen von Architekturen, II, Leipzig, i9ro; R. Blomfield, Architectural Drawing and Draughtsmen, London-NewYork-Toronto-Melbourne, r9r2; C. Linfert, »Die Grundlagen der Architekturzeichnung«, Kunstwissenschaftliche Forschungen, I, 1931, pp. 133—246; D. Frey, »ArchitekturZeichnung«, Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte, I, Stuttgart, 1937, coli. 992—ior3; Plan und Bauwerk. Entwürfe aus fünf Jahrhunderten (Katalog), München, 1952 (mit Beiträgen von E. Gall,
377 378
379 380
381
W. Lötz, H. Reuther, L. H. Heydenreich) ,über »Baubetrieb«, »Bauhandwerk«, »Bauhütte« im allgemeinen cf. E. Hempel, in: Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte, I, Stuttgart, r937, coli. Γ520— 1528, II, Stuttgart, r948, coli. 23—32. Booz, op. cit., p. 69. R. Oertel, Die Frühzeit der italienischen Malerei (Urban-Bücher), Stuttgart, 1953, P- 74· Förster, op. cit., p. 59, η. 44. Braunfels, Stadbaukunst, op. cit., pp. 228 —229. Cf. H. Keller, »Die Risse der Orvietaner Domopera und die Anfänge der Bildhauerzeichnung«, Festschrift Wilhelm Pinder, Leipzig, 1938, pp. r95—222.
selbst für große Paläste begnügte man sich mit ungenauen und allgemein gehaltenen Vertragszeichnungen. Auch für Kirchenbauten sind erst in der hohen Gotik schematische Pläne nachzuweisen «382. Darin bringt auch das XV. Jahrhundert keine wesentliche Änderung: »Der verhältnismäßig großen Zahl spätgotischer Risse, die sich aus den deutschen Bauhütten erhalten haben, steht in Italien kein entsprechender Bestand gegenüber. Obwohl die schriftlichen Quellen bei den Bauvorhaben des XV. Jahrhunderts häufig von >disegni< und >modelli< berichten, können wir uns von dem Aussehen solcher Entwürfe kaum eine Vorstellung bilden. Nadi den Quellen hatten jene disegni und modelli vor allem zwei Aufgaben zu erfüllen: sie vermittelten entweder dem Bauherren eine Anschauung des Bauvorhabens, auf die sich, der ausführende Meister vertraglich festlegte, oder sie setzten eine verbindliche Norm, an die audi etwaige Nachfolger des Bauleiters gebunden waren. Dagegen ist der eigentliche Planungsvorgang, das Entstehen und Ausarbeiten des Entwurfs, offenbar nur selten in graphischen Darstellungen niedergelegt worden«383. »Es bedurfte, da alles Bauen ein fortsetzendes Ausüben bestimmter handwerklicher Traditionen war, in denen sich alle Bauleute Italiens grundsätzlich verstanden, auch bei dem anspruchsvollsten Bau nur des Einverständnisses über gewisse Grundmaße, die der Architekt anzugeben hatte, und der generellen Bestimmung der Dispositionen, die er in einer Zeichnung vorschrieb; alles weitere ergab sich daraus, wenigstens für den in Angriff genommenen Bauabschnitt, nach dessen Vollendung der Architekt notfalls die Dispositionen für den nächsten zu geben hatte. Dieses Verfahren genügte vollständig und es gab kein anderes — weil die Maurer und Steinmetzen kein anderes kannten und mit davon abweichenden Vorschriften nichts anzufangen gewußt hätten«384. "Since all important measurements of the buildings going up in Italy and elsewhere in the fourteenth and fifteenth century, be they the width of foundations or the height of arcades, could be derived by elementary geometrical constructions or arithmetical formulae from the layouts themselves, elevation drawings and models would appear to be . . . superfluous. Only the full-scale patterns of details seem absolutely necessary .. ," 385 . Neue
Verfahren
der a r c h i t e k t o n i s c h e n
Planung
Bei Filarete vollzieht sich — in schärfstem Gegensatz zu aller älteren Baugewohnheit — die Gestaltung und Realisierung eines Baugedankens nach einem stufenweisen Planvorgang, in welchem Entwurfs- und Planzeichnungen eine entscheidende Rolle spielen. Wie der heutige Architekt arbeitet der Baumeister von »Sforzinda« mit Zeichnungen in allen Phasen des Baugeschehens: bei der Planung, bei der »Demonstration« und bei der Ausführung. Die Idee des zu errichtenden Bauwerks gewinnt zuerst und vor allem in der Zeichnung Gestalt: auf die Ideenkonzeption und deren Besprechung mit dem »padrone« folgt die Ideennotiz in Form einer Skizze : »... perchè t'ho detto (cf. fol. yv¡ v. p. io6) che all'architetto s'appartiene prima generare l'edificio insieme con quello che vuole edificare, io ho già generata questa città col mio signore. E insieme con lui l'ho esaminata più e più volte . . . E poi l'ho partorita, cioè glien ho fatto uno disegno in liniamento ...« (lib. II, fol. irr). 382
Braunfels, Stadtbaukunst, op. cit., p. 228. 383 y j Lötz, in: Plan und Bauwerk, op. cit., p. II.
384 385
Förster, op. cit., p. 171. Saalman, Theory, op. cit., p. 102.
143
D i e A u s f o r m u n g des ersten Entwurfs w i r d w i e d e r u m z u e i n e m eigenen, m i t Sorgfalt durchgeführten Arbeitsvorgang: ». . . io ancora ho questo (sc. disegno) per uso, ch'io voglio sempre migliorarne l'opera« (lib. II, fol. 14V); d.h. der Architekt arbeitet ständig an der Vervollkommnung seiner Entwurfszeichnung. U n d endlich geschieht auch die praktische D u r c h f ü h r u n g des E n t w u r f s nicht e t w a mittels geometrischer oder arithmetischer Formeln (von der A r t der in Buch VIII mitgeteilten Proportionsregeln f ü r T ü r e n ; v . pp. 100 ss.) — diese dienen lediglich z u r Gew i n n n u n g harmonischer Verhältnisse i m Entwurf selbst, nicht z u dessen Realisierung a m Bauplatz 3 8 6 — sondern m i t Hilfe (maßstäblicher) P l a n z e i c h n u n g e n : »E cosi andai co'disegni e modi degli edifici . . . alla nuova nostra città edificata . . . io distribuì i capimaestri (cf. fol. 8v—çjr ; v. p. 108) . . . mostrati i modi e gli disegni e dato a'ntendere imprima quello volevo fare . . .« (lib. Vili, fol. 621—62 ν). — » . . . distesi le corde a quelle misure e distanze che qui è disegnato« (lib. VI, fol. 40V). — »E io m'andai per quelli maestri . . . dato loro a intendere e mostrato il disegno di quello voleva fare il signore . . . furono messi al lavoro« (lib. VI, fol. 44r). — »Bene, poichè'l disegno è fatto, a questo modo si cominci. — E così, dato l'ordini, fu cominciato prima la (Mesa. E con quello modo e ordine che'l disegno era fu principiato imprima i fondamenti. E se alcuna cosa nel disegno fusse mancata a esso edificio, fu sopprito« (lib. IX, fol. 64r¡. — »E cosi fu dato ordine alla piazza secondo il disegno fatto, e la corte ancora f u fatta e stabilita secondo il disegno fatto« (lib. IX, fol. 66v); etc. M i t diesem entscheidenden Eingriff i n den Arbeitsgang g e w i n n t die Z e i c h n u n g
—
w e i t h i n a u s über ihre Rolle als b l o ß e Vertragszeichnung oder »exemplum« 3 8 7 — w e r k kräftige Bedeutung. So ist es z u verstehen, w e n n Filarete i m m e r w i e d e r auf das W e s e n u n d die grundsätzliche W i c h t i g k e i t der Z e i c h n u n g h i n w e i s t : sie verschafft Z u g a n g z u den »ragioni« u n d g e w ä h r t Einblick in u n z ä h l i g e »gentilezze«; w e r v o n ihr nichts versteht, v e r m a g die Ü b e r l e g e n h e i t der a n t i k e n v o r der »modernen« B a u k u n s t nicht z u begreifen; der disegno« ist die G r u n d l a g e allei K ü n s t e (v. pp. 30 ss.). »Signore, farete molto bene avvisandovi che ogni cosa si fa di mano consiste nel disegno, e non è vergogna, perchè . . . ell'è una scienza non conosciuta e poco apprezzata. M a non era già anticamente, perchè grandissimi signori vollono sapere questa scienza, intra gli altri Nerone imperadore e Adriano furono de' primi pittori, e' Fabii ancora amorono molto questa scienza, che furono consoli e sì grandi uomini a Roma, e di loro f u grandissimi maestri di dipignere. Come, non si dice ancora che Pulicreto f u re? E ancora uno re che oggi vive è bonissimo disegnatore. Sicché, signore, farete bene volerlo sapere, chè vi darà poi intelletto di mille gentilezze« (lib. VII, fol. 47Γ). — »A dire il vero: se voi sapessi disegnare bene, voi più facilmente intenderete queste cose . . . Solo al disegno vi conforto, perchè poi da voi medesimo le (sc. die >ragioni< der Säulen, Bogen und Türen; v. pp. 86 ss.) farete e s t e n d e r e t e . . . « 386 387
144
Cf. dagegen Saalman, Theory, op. cit. Zur Rolle des »exemplum« im Mittelalter cf. J. v. Schlosser, »Zur Geschichte der künstlerischen Uberlieferung im späten Mittelalter«, Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, XXIII, 1902, pp. 279—
338; id., »Portraiture«, Mitteilungen des österreichischen Instituts für Geschichtsforschung, Ergänzungsband XI (Festschrift Oswald Redlich), 1929, pp. 88r— 894,· id., Letteratura artistica, op. cit., pp. 84—90, 95, r23, r25, 442—443,· deBruyne, op. cit.
(lib. VIII, fol. 54r). — »Vero è che a chi non intende il disegno paiono (se. le cose moderne) più belle, perchè son fatte con più frascarie. Ma priego chi le vede non guardi a quelle e fermi l'animo a queste antiche. E così tutte l'altre cose appartenenti a queste dell'edificare vogliono essere al modo antico, e anche altre arti appartenenti al disegno . . .: dipintori, intagliatori di pietre e di legname . . . « (lib. Vili, fol. 6or—6ov). Häufig betont er, daß architektonische Probleme mit Worten kaum faßbar seien, sondern nur mit Hilfe von Zeichnungen verstanden weiden können: »E'impossibile a dare a intendere queste cose dello edificare se non si vede disegnato, e nel disegno ancora è difficile a t t e n dere« (lib. VI, fol. 4or). — »Queste cose esprimere in parole non si può, e anche per disegno è difficile a poterlo ben dare ad intendere. Pur si può comprendere chi vuole un poco assottigliare lo'ntelletto« (lib. XIII, fol. 991). — » . . . per disegno meglio si può intendere che a parole . . . « (lib. XVIII, fol. i44r) ; etc. Filaretes Aussagen über die Zeichnung und ihre Stellung im Prozeß der Vorbereitung und Durchführung eines Bauwerks stehen in Zusammenhang mit einem allgemeinen Phänomen: Erstmals in der italienischen Renaissance werden einzelne Etappen der Verwirklichung einer künstlerischen Konzeption unterschieden, wird die Idee theoretisch und praktisch von der Ausführung getrennt (v. pp. 123 s.). »Das Ausdehnen der im Mittelalter ausschließlich dem fertigen Werk zugewandten Wertung auf die Phasen seiner Entwicklung als persönliche künstlerische Leistungen und damit ein Bewußtwerden der Selbständigkeit und des Eigenwertes der Zeichnung sind die geistigen Grundlagen der Handzeichnung in unserem Sinn« 3 8 8 . Der Begriff des »disegno« selbst erfährt eine wesentliche Bedeutungssteigerung und -erweiterung 389 : »Noch heute wird das Wort im Italienischen oft in erweitertem Sinne gebraucht. Es bedeutet dann Plan, Absicht, Konzeption — das, was auch beim künstlerischen Entwurf den geistigen Kern ausmacht. So verstanden es auch die Florentiner Theoretiker, aber zugleich blieb ihnen auch jederzeit die engere Wortbedeutung gegenwärtig. >Zeidinung< in diesem doppelten, zugleich konkreten und vergeistigten Sinne war zu allen Zeiten das bestimmende Element der florentinischen Kunst. Auch eine Figur von Donatello, eine Fassade von Brunelleschi oder Alberti wird charakterisiert durch den >disegno< als höchstes künstlerisches Prinzip« 390 . Laut Vasari hat Donatello das Prinzip des »disegno« entwickelt und dadurch das mittelalterliche »Unwesen« überwunden. In der Vorrede zu seinem Werk gibt er die berühmte Definition: »Perché il disegno, padre delle tre arti nostre Architettura, Scultura e Pittura, procedendo dall'intelletto, cava di molte cose un giudizio universale,· simile a una forma ovvero idea di tutte le cose della natura, la quale è singolarissima nelle sue misure,· di qui è che non solo nei corpi umani e degli animali, ma nelle piante ancora, e nelle fabbriche e sculture e pitture conosce la proporzione che ha il tutto con le parti, e che hanno le parti fra loro e col tutto insieme (v. p. 70). E perché da questa cognizione nasce un certo concetto e giudizio che si forma nella mente quella tal cosa che poi espressa con le mani si chiama disegno; si può conchiudere che esso disegno altro non sia che una apparente espressione e dichiarazione del concetto (v. unten) che si ha nell'animo, e di quello che altri si è nella mente immaginato e fabbricato nell'idea« 391 . ". . . the arts of painting (plus the 'graphic arts'), sculpture and architecture . . . were firmly established as a unit by the middle of the sixteenth century. Vasari, the first to 388
389
B. Degenhart, Europäische Handzeichnungen, Berlin, 1943, p. VII. Cf. Panofsky, Idea, op. cit.
390 391
Oertel, Frühzeit, op. cit., p. 74. Vasari, ed. cit., I, pp. r68—169,· cf. Paatz, Renaissance, op. cit., p. 17.
145
define them as the three 'arti del disegno' because of the fact that 'design is their common foundation', consistently treats them pari passu both from a biographical and from a systematic point of view" 3 9 2 . Aber schon bei Cennini und Ghiberti hat der Begriff des »disegno« viel von dem Sinn angenommen, in dem ihn die späteren Theoretiker gebrauchen. Für Cennini (XIII; cf. IV und CLXXI) ist »disegno« das »fondamento dell'arte« und bedeutet, über die bloße »Zeichnung« hinaus, die innere, durch. Theorie gefestigte Form: »Sai chett'avverra, pratichando il disengniare di penna? — Chetti fara sperto, praticho, e chapacie di molto disengno entro la testa tua« 393 . Ghiberti verlangt die wissenschaftlich fundierte Zeichnung (Vitruvs »graphia«) als Grundlage für den Maler wie für den Bildhauer: ». . . el disegno è fondamento et teorica di queste due arti« 394 . Und wenn nach Filarete alle drei bildenden Künste auf dem Gestaltungsprinzip des »disegno« beruhen (»il disegno è fondamento e via d'ogni arte che di mano si faccia«), und dieses das wichtigste Vehikel zur Verwirklichung eines Baugedankens ist, so bedeutet dies nichts anderes als eine fast vollständige Antizipation des Vasari'schen Theorems. Schon im Quattrocento entwickelt sich »ein neuer Schönheitsbegrifl der Zeichnung, der mit einer erhöhten Selbstgültigkeit aller künstlerischen Werte zusammenhängt und etwa in Skizzen Leonardos zur vollen Blüte gelangte. Wie die künstlerische Persönlichkeit (v. pp. i n ss.), so erreicht jetzt auch die Zeichnung als Gattung individuelle Sonderstellung mit der vollen Entfaltung aller jener Züge, die nur ihr eigentümlich sind. Die Zeichnung wird nunmehr bewußt als Grundlage allen künstlerischen Schaffens und als >circonscriptione< jeder >compositione< vorangehend (Alberti) erkannt, so daß auf ihr die neuen Erkenntnisse des Problemkomplexes der Perspektive, des Maßes der Körper, der Bewegung basiert werden. Mit Feierlichkeit wird bei Filarete das >disegniare< immer wieder hervorgehoben, wobei für ihn dieses Zeichnen noch spürbar den vollen Reiz des gewonnenen Neulandes besitzt. Und gerade das ist es, was in den Zeichnungen dieser Zeit noch so auszeichnend zu fühlen ist. Dementsprechend tritt jetzt, analog jenem Individualisierungsvorgang der Zeichnung innerhalb der Künste, auch eine erhöhte Aufspaltung der Zeichnung selbst, je nach ihrem Verwendungszweck und dessen jeweiligem künstlerischen Ausdruck ein . . .« 395 . Eine der äußeren Parallelen zu der inneren Bewußtwerdung der Einmaligkeit des Kunstwerks in der Renaissance ist eine neue Differenzierung des künstlerischen Arbeitsprozesses : »Das Kunstwerk entsteht nicht mehr als eine der möglichen Lösungen auf der breiten Basis bereits fixiert vorliegender Elemente, bzw. als Variante eines festen Typus, sondern wird auf einer einmaligen, auf dieses bestimmte Kunstwerk zuführenden Linie schöpferischer Formvorstellung schrittweise entwickelt.« Unmittelbare Folge und Ausdruck dieser sich dem Kunstwerk gegenüber vollziehenden Umstellung ist die Entstehung oder nunmehr volle Entwicklung bestimmter »Sonderarten der zeichnerischen Werkvorbereitung . . .: dadurch, daß die Zeichnung nun als viel reicher gefügte Kette von aneinandergereihten Einzelgliedern auf das Kunstwerk zuführt und gleichzeitig jedes Glied dieser Kette künstlerische Eigenberechtigung hat«, ergeben sich »neue Werte« 3 9 6 . Alle diese Beobachtungen wurden gemacht an den Beständen erhaltener Maler392 393 394 395
146
Panofsky, Galileo, op. cit., pp. ι—3, η. 3· Cennini, ed. cit., p. 8. Ghiberti, ed. cit., I, p. 5. B. Dagenhart, Italienische Zeichnungen
396
des frühen 15. Jahrhunderts, Basel, 1949, p. I I . Id., ibid., pp. 13, 16; cf. Wackernagel, op. cit., pp. 323—329; Paatz, Renaissance, op. cit., pp. 149—152·
und Bildhauerzeichnungen, wo sie sich schon im frühen Quattrocento konstatieren lassen. Richtet man indes den Blick auf die Architektur, so ist den von Filarete propagierten idealen Methoden der Planung im Bereich der Baupraxis desselben Zeitraums nahezu nichts Vergleichbares zur Seite zu stellen: Aus der Epoche Brunelleschis, Michelozzos, B. Rossellinos und Filaretes existieren keine echten architektonischen Entwurfszeichnungen. Diese Tatsache beruht »gewiß nicht nur auf einem Zufall der Erhaltung, man ist vielmehr versucht, die Frage zu stellen, ob es diese Gattung überhaupt gegeben hat« 397 . Dies würde aber bedeuten, daß, während in der »Praxis« des Quattrocento im wesentlichen noch dieselben Verfahrensweisen bei der Realisierung eines Bauwerks üblich waren, die oben als typisch mittelalterlich oder gotisch angeführt wurden, die gleichzeitige »Theorie« — Filaretes und Albertis — bereits neue Methoden der architektonischen Planimg entwickelt hat, und zwar Methoden, die Errungenschaften späterer Baupraxis vorwegnehmen. Tatsächlich wird erst im Laufe des XVI. Jahrhunderts (und wohl nicht ohne Einwirkung der architekturtheoretischen Literatur) die Architekturzeichnung ausgebildet und in der von Filarete beschriebenen Weise »in den Planungs- und Bauprozeß einbezogen, und zur Feststellung des Bauvorhabens benutzt« 388 ; erst jetzt wird die von Filarete geforderte Scheidung von zeichnerischem Entwurf und handwerksmäßiger Ausführimg voll verwirklicht. Neue
Begriffe
Für die mittelalterlichen Vertragszeichnungen und -modelle war es »wichtiger, das Inhaltliche zu umschreiben als das Formale zu entwickeln«. Die Bezeichnungen »modellum« (»modello«), »designum« (»disegno«) oder — seltener — »designamentum« (»disegnamento«), sowie vor allem »exemplum« (»esempio«) werden für plastische und gezeichnete Modelle unterschiedslos gebraucht; schon hierin zeigt sich, »daß der Zeichnung als graphischem Kunstwerk dabei kein Eigenwert zukam« 398 . Besonders allgemein ist die Bedeutung von »exemplum«, eines Schlüsselbegriffs des mittelalterlichen Werkstattbetriebs 400 : Das Wort bedeutet zunächst »Abbild« oder »Kopie« — Abschreibung oder Abwandlung eines gegebenen Archetypus, im Sinne des »simile« — dann aber auch »Vorlage«, »Muster«, »Vorzeichnung«, »Modell« (davon abgeleitet und noch, im späteren Italienisch anzutreffen: »esemplare« in der Bedeutung von »ritrarre«, abbilden): »Come pittor die con esemplo pinga, disegnerei com'io m'addormentai . . .« (Dante, Purg., XXXII, 67—68). — »Poi chon esenpro chomincia arritrarre chose agievoli quanto più si può, per usare la mano« (Cennini, Vili) 4 0 1 .
Auch die neue Erkenntnis der Bedeutung der Zeichnung im Quattrocento »hindert die verunklärende Ausweitung ihres Begriffs nicht, die noch jahrhundertelang in kunsttheoretischen Werken weiterwirken sollte, indem >disegno< als Grundlage eben 397
400
388
401
Lötz, Raumbild, op. cit., pp. 205—206. Id., ibid., p. 216. 399 Degenhart, Zeichnungen, op. cit., p. r4.
Cf. p. 144, η. 387. Cennini, ed. cit., p.
cf. ibid., p. 17.
147
jeder künstlerischen Tätigkeit bis zur Formkonzeption schlechthin verstanden wurde. Ein >disegno< kann demzufolge ebensogut ein Holzmodell wie eine Papierzeichnung, wie eine abstrakte Formidee sein" 402 . Die Terminologie ist »derart fließend, daß alle hierher gehörigen Ausdrücke ohne weiteres miteinander vertauschbar sind« 403 ; oft geben nur Materialangaben die zum Verständnis nötige Spezifizierung. Hierfür einige Zitate aus Dokumenten und Texten des XIV. bis XVI. Jahrhunderts: »Operarli predicti prouiderunt . . . quod due cholonne logie, site uersus plateam dominorum priorum, fiant . . . modo et forma, quibus est modellus seu exemplum, designatum in quodam folio per me Iacobum, notarium subscriptum«404: vom Notar angefertigte und unterschriebene Vertragszeichnung. — »Uno disegniamento asempro di legniame« 405 : Holzmodell, von da ab abwechselnd als »esempro« und »disegnamento« bezeichnet. — »Asempro di gesso« 406 : Gipsmodell. — »La chiesa pichóla fatta . . . in luogho di disengno« 407 . — »Disengno o vero rilievo« 408 . ». . . ongni altro disengnamento, sì di mattoni chôme di lengname e di charta«409. — »Modelli del disegnio della chiesa in carta di pechora» 410 . — » . . . omne aliud designum factum et muratum et laboratum in dieta ecclesia« 411 . — » . . . stante designo vel exemplo diete cappelle« 412 . — ». . .prima fare l'altare di nuovo . . . cuperchiato et coperto di modelli d'oppio« 413 : Ahornholztafeln. — »Disegno de la cera« 414 : Wachsmodell. — » . . . unum designum seu modellum«: aus einem Vertrag mit Serlio von 1539; nur aus der niederen Bezahlung (2 scudi) ist zu erschließen, daß es sich um eine Zeichnung, nicht um ein plastisches Modell gehandelt hat 4 1 5 . Ghiberti bezeichnet die (plastischen oder gezeichneten?) Vorlagen, die der Kölner Bildhauer »Gusmin« für seine Schüler anfertigte, als »exempli« 416 ,· daneben gebraucht er häufig »provedimento« für plastische und gezeichnete Entwürfe; der Ausdruck kommt in dieser Bedeutung anscheinend nur bei Ghiberti vor (Ubersetzung des plinianischen »protoplasma«)417. Vasari kennt endlich eine schärfere Begriffsbildung (R. Oertel). Für ihn heißt »modello« in erster Linie »Bildhauermodell«: so übersetzt er Ghibertis »provedimenti di cera e di creta«418 mit »modelli di rilievo«419. Noch immer aber hält er es für nötig, bei der Einführung dieses Ausdrucks erklärend hinzuzusetzen: »cioè uno esempio«420. Dieser fließenden und verunklärenden Terminologie in den Quellen steht nun bei Filarete eine erstaunlich scharf differenzierende Begriffsbildung gegenüber. Die Tatsache ist charakteristisch; sie ist eine Folgeerscheinung jener neuen Einstellung gegenüber der Zeichnung und hängt mit Filaretes Prinzip der methodischen Werkvorbereitung durch eine ganze Skala von Studien, Plänen und Modellen eng zusammen. 402 403 404
405
406 407 408 409 410 411 412
148
Degenhart, Zeichnungen, op. cit., p. 23. Oertel, Wandmalerei, op. cit., p. 239. C. Frey, Die Loggia dei Lanzi zu Florenz, Berlin, 1885, p. 285 (a. 1376). C. Guasti, Santa Maria del Fiore, Firenze, 1887, p. 8r (a. 1355). Id., ibid., p. roo (a. 1357). Id., ibid., p. r70 (a. 1366). Id., ibid., p. 200 (a. 1367). Id., ibid., p. 207 (a. 1367). Id., ibid., p. 248 (a. 1379). Id., ibid., p. 265 (a. 1383). G. Milanesi, ed., Documenti per la storia
413 414 415
416 417 418 419 420
dell'arte senese, II, Siena, 1856, p. 227 (a. r445). Id., ibid., p. 257 (a. r448). Id., ibid., p. 272 (a. 1451). Oertel, Wandmalerei, op. cit., p. 240; weitere Beispiele bei Oertel, ibid., pp. 239—240; Förster, op. cit., p. r34, n. 98; Lötz, Raumbild, op. cit., p. r95, n. 9,· Saalman, Theory, op. cit., p. 105, n. 20. Ghiberti, ed. cit., I, p. 44. Cf. Ghiberti, ed. cit., II, p. 202. Ghiberti, ed. cit., I, pp. 50—sr. Vasari, ed. cit., I, p. 399. Id., ibid., I, p. 152.
Eine Untersuchung des Traktats im Hinblick auf die Verwendung der betreffenden termini tedmici führt zu folgendem Ergebnis: Der mittelalterliche Begriff des »esempio« (in der Bedeutung »Zeichnung« bzw. »Modell«) fehlt bei Filarete völlig. »Disegno« bedeutet für sich stehend immer »Zeichnung«; soll der Unterschied zum plastischen Modell betont werden, so tritt der erklärende Zusatz »in liniamento« oder »lineato« hinzu. Noch wesentlicher aber ist, daß Filarete streng unterscheidet zwischen drei aufeinander folgenden Stadien des architektonischen Planens, denen jeweils ein bestimmtes technisches Medium zugeordnet ist. Für jedes hat er die entsprechende Benennung: ι. »Congetto« oder »disegno in di grosso« (auch »poco disegno«) ist eine nicht maßgerechte Architekturzeichnung, eine summarische Ideenskizze mit schematischer Detailbildung. Der Ausdruck »congetto« (cf. auch: »congittare«, z. B. fol. 77Γ) stellt ein kleines philologisches Problem. Es wurde ein Zusammenhang mit lat. »coniectare« vermutet421. Das Wort ist aber wohl eher eine vulgäretymologische Umbildung des lat. »conceptum« (von concipere«). Vor allem aber ist »congetto« (bzw. »congittare«) durchaus nicht »senza riscontri« (Giaccardi) in der Literatur, also keine Eigenprägung Filaretes: es kommt (in gleicher Orthographie und Bedeutung) vor bei Alberti422, und zwar unmittelbar neben »concepto«, was die Richtigkeit der hier vorgeschlagenen Ableitung bestätigt. Alles spricht ferner dafür, daß Filarete den Begriff direkt von Alberti übernommen hat (v. p. 175). Schließlich findet man in der »Vita« des Brunelleschi die Form »congetturare«423.
2. »Disegno proporzionato (e misurato)« bedeutet eine (quadrierte) maßstäblich exakte Planzeichnung mit genauer Festlegung aller Einzelheiten, nach heutigem Sprachgebrauch etwa mit »disegno in scala« wiederzugeben, d. h., — nach Vasaris Definition des »disegno« (v. p. 145) — »una apparente espressione e dichiarazione del concetto«. 3. »Modello« und »disegno rilevato« werden synonym verwendet zur Bezeichnung eines Architekturmodells, also der plastisch-dreidimensionalen Darstellung eines Bauwerks. Immer handelt es sich dabei um ein maßstäbliches Gesamtmodell; das Material ist stets Holz (»legname«, »asse«, »tavola«). Funktion und Charakter dieser »disegni« und »modelli« sollen durch die Besprechung einiger Textstellen sowie durch Heranziehung der Illustrationen des Traktats näher untersucht werden. »Congetto« — »Disegno
in
di
grosso«
ι. Für den Bau der fürstlichen Residenz (lib. VII) legt der Architekt von »Sforzinda« dem Fürsten bzw. Prinzen einen Alternativentwurf vor: »Io prestamente gli contai il fondamento di due ragioni e dissi: Come voi vedete questi due congetti qui, è la mia intenzione di farla (se. la corte) in uno di questi modi. Ma farò il disegno nell'uno modo e nell'altro e quel che 421 422
Giaccardi, op. cit., p. 98. Alberti, Pittura, ed. cit., p. 112.
423
Manetti, ed. cit., p. 21.
149
più piacerà al signore vostro padre e ancora a voi« (fol. S4r). — i . Den Plan einer Augustinerkirche (lib. X) wünscht der Fürst selbst auf einem Blatt skizziert (»congittato«) zu sehen: »Ben, fa ch'io la vegga qui su uno foglio prestamente per disegno! — Sarà fatto: eccovelo qui, qui lo vedrete adesso congittato come arà a essere« (fol. yyï). —
3. In Buch X V I wird die
Anlage einer Kartäuserkirche geschildert, welcher Filaretes Bergamasker D o m als Vorbild dienen soll. V o n diesem zeichnet der Architekt zunächst den Grundriß »in di grosso«, i m groben, während er ihn mündlich erklärt: »Imprima v i dirò il fondamento e anche ve'l disegnerò u n poco in di grosso« (fol. i23r). — 4. Vor der Planung des großen Hospitals v o n »Sforzinda« (lib XI) fragt der Fürst den Architekten, ob er sich der Spitäler v o n Florenz ( = des Arcispedale di S. Maria Nuova) und Siena ( = des Spedale di S. Maria della Scala) erinnere 4 2 4 , und veranlaßt ihn, nach dem Gedächtnis eine Grundrißskizze anzufertigen: »E lui, impostomi questo ch'io dovessi fare uno disegno, imprima m i domandò s'io avevo veduto quello (se. spedale) di Firenze o quello di Siena e se io mi ricordavo come stavano. Dissi che sì. Volle vedere uno certo congetto del fondamento. E io, così lineato, come meglio mi ricordavo gliene disegnai uno come quello di Firenze« (fol. 791).
Diese wenigen Beispiele genügen, um zu zeigen, worum es sich bei Filaretes »congetti« oder »disegni in di grosso« handelt: Sie haben den primären Zweck, im Gespräch mit dem Bauherren das erklärende Wort zu unterstützen und eine erste Gesamtvorstellung eines Bauvorhabens zu vermitteln bzw. die Grundgestalt eines schon existierenden vorbildlichen Bauwerks zu skizzieren. Es sind also nicht Werkzeichnungen, sie können aber auch konkrete Vorentwürfe für bestimmte Projekte sein, da sie den — anschließend angefertigten — »disegni proporzionati« (ν. unten) als Grundlage dienen. Zugleich spielen sie die Hauptrolle bei der künstlerischen Produktion des Architekten selbst, der in einem »congetto« seine architektonischen Einfälle (»fantasie«) festhält. Eine Vorstellung vom Aussehen solcher Skizzen geben die den Handschriften des Traktats beigegebenen Illustrationen (vorausgesetzt, daß diese die ihnen zu Grunde liegenden Originalzeichnungen Filaretes einigermaßen getreu wiedergeben), die im Text häufig als »congetto« oder »poco disegno« bezeichnet werden. Z . B . fol. 42V: »Io l'ho qui in di grosso trascritta« ( = fig. Magi. 26) ¡ fol. 79Π »come qui per questo piccolo congetto si può comprendere« ( = fig. Magi. 90); fol. 94t: »in questa forma che voi vedete in questo poco disegno« ( = fig. Magi. 1 1 5 ) ; fol. r 4 5 v : »come per u n poco di disegno congittato mostrai« ( = fig. Magi. 1 7 t ) ; etc.
Diese Illustrationen umfassen: Teil- und Gesamtgrundrisse von Gebäuden und Gebäudegruppen, Abbildungen einzelner Bauglieder und Architekturformen (Pfeiler, Sockel, Basen, Türen, Fenster, etc.; v. pp. 91 s.), Zeichnungen einzelner Proportionierungen (Wandaufteilungen), Ansichten einzelner Gebäude (Fassadenaufrisse), prospektartige Darstellungen ganzer Bausituationen (Gruppierungen mit Lagenangabe), endlich — in einigen wenigen Beispielen — auch Querschnitte. Wie schon Filaretes Reliefarchitekturen nicht »auf nur bildtechnischen Bedingungen« beruhen 425 , so erhalten auch in den Architekturdarstellungen seines Traktats die Forderungen der Bildmäßigkeit oder der Perspektive nirgends restlos den Vorrang vor denen der architektonischen Objektivität. Trotzdem sind es echte Architekturzeichnun424
150
Cf. Lazzaroni-Muñoz, pp. 1 8 6 — 1 8 7 .
425
Zucker, op. cit., p. 83.
gen im Sinne der Renaissance, da sie durchaus dazu dienen, »eine künftige dreidimensionale Realität mit den Mitteln der zweidimensionalen Zeichnung vorstellbar« 426 zu machen. In Filaretes Fassadenzeichnungen vermischen sich nahsichtige und fernsichtige Darstellung, bildliche und architektonische Raumvorstellung: Hauptfassaden sind stets bildflächenparallel, in orthogonaler Projektion, wiedergegeben, Nebenfronten meist in perspektivischer Verkürzung; auch bei Ubereckansichten (cf. fig. Magi. 24, i n , 145, etc.427) verläuft eine Front immer parallel zur Bildfläche. Erklärbar ist diese Gleichgültigkeit gegenüber den Gesetzen der Zentralperspektive nur durch das gegenständliche Interesse an den Architekturen selbst. Ein anschauliches Beispiel für das Ineinanderübergehen von orthogonaler Projektion und perspektivischer Darstellung ist die Abbildung einer Marktloggia (fig. Magi. 75428) : »Die eigentliche Loggia wird in Vogelperspektive mit verhältnismäßig hohem Horizont, der Nebenraum mit anderem Fluchtpunkt und niedrigerem Horizont wiedergegeben, ein Zeugnis . . . dafür, daß die Perspektive dem Illustrator nicht als Selbstzweck, sondern als unsystematisch verwendetes Demonstrationsmittel gilt«429. Ähnlich werden bei der Darstellung eines Zirkus (fig. Magi. 1 0 5 4 3 0 ) Grundriß, senkrecht von oben gesehenes Schaubild und Fassadenaufriß in einem merkwürdigen »Umklappverfahren·· miteinander verbunden. Zuweilen äußert sich der Text über die Schwierigkeit, gewisse komplizierte Konstruktionen (Wendeltreppen im Innern von Türmen, unterirdische Gänge) zeichnerisch sichtbar zu machen, z. B.: »Non si può mostrare per disegno, se già non si facesse rilevato come ha a essere. Sicché qui bisogna che lo'ntelletto comprenda el modo e la forma d'esso« (lib. XVIII, fol. 1 4 4 V ) ; oder: » . . . e dal ponte si potrà andare all'altro castello, e così dall'altro si potrà venire in questo pure per sotterranea via, le quali vie per disegno non si possono mostrare« (lib. XIII, fol. 98V). Von den »ornamenti« im Innern des Bischofspalastes von »Sforzinda« heißt es: »II quale dificio chi non l'ha veduto il può comprendere qui in questo libro mediante questo disegno ( = fig. Magi. 6 5 4 3 1 ) , il quale dimostra solo la facciata dinanzi, ma chi ara alcuno intendimento di disegno o di pratica di queste cose, lui intenderà e comprenderà come se lo vedesse proprio rilevato o veramente il proprio. Gli ornamenti dentro saria diffìcile a dimostrare tutti. Basterà solo vedere in parte quelli di fuori e per quelli si potrà comprendere ancora in parte quelli dentro« (lib. IX, fol. 66v). Diese Bemerkungen verraten deutlich, »wie sehr die Zeichnung hier als unzureichender Ersatz des plastischen Modells verstanden wird« 432 . Vom Innenraum des Doms von »Sforzinda« jedoch sagt Filarete ausdrücklich: »E dalla parte dentro ne farò ancora disegno in modo qui appresso che chi non arà veduto l'edificio lo'ntenderà per vedere questi disegni tanto in dentro quanto le parti di fuori» (lib. IX, fol. 64V).
Da die betreffende Illustration in keiner der Filarete-Handschriften erhalten ist, kommt der Innenansicht der phantastischen »Casa Areti« (fig. Magi. 1 6 9 4 3 3 ) erhöhte Bedeutung zu: Es handelt sich um eine zehngeschossige Anlage über kreisrundem Grundriß, bei der ein Treppenturm von zwei konzentrischen Ringloggien umschlossen wird; von einer zur anderen spannen sich sieben radial angeordnete Mauern. Da von diesen Mauern im Schnitt nur zwei sichtbar werden, bemerkt der Text: »Egli è vero che gli è difficile a'ntendere questo. Pure, assottigliando un poco lo'ntelletto, e anche in processo dichiareremo il modo, credo s'intenderà. Questo è un poco di mostra che gli ha a essere. Benché qui non fa dimostrazione se non 426
427 428 429
L. H. Heydenreich, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, VII, 1938, p. 166. Lazzaroni-Muñoz, tav. 2, 3; 8, 5,· 12, 3. Ibid., tav. 6, 4. Lötz, Raumbild, op. cit., p. 198.
430 431 432 433
Lazzaroni-Muñoz, tav. 8, ι. Ibid., tav. 5, 6. Lötz, Raumbild, op. cit., p. 197. Lazzaroni-Muñoz, tav. 14, 1.
151
di due, nientedimeno egli hanno a essere sette . . .« (lib. XVIII, fol. i44r). In der Zeichnung ist ferner nur die äußere der beiden Ringloggien durchschnitten. Nach vorn (diesseits der Schnittebene) wird der Schnitt durch die perspektivisch verkürzt gezeichnete Grundrißhälfte ergänzt: »Der Standpunkt des Beschauers ist vom Bau abgerückt und etwa in der Höhe des ersten Geschosses vorgestellt«; wie bei den Aufrissen ist die Konstruktion jedoch »nicht genau durchgeführt, da sich die oberen Geschosse sonst weit stärker verkürzen müßten«434. (Die gleiche Art einer »Weitwinkelprojektion« zeigt übrigens — abgesehen von sonstigen Gemeinsamkeiten mit Filaretes Zeichnung — der Schnitt durch den Tempel der »Venus Physizoa«, III. 72. n. III. v, in Colonnas »Hypnerotomachia Poliphili«!). Als Beispiele für prospektartige Ansichten ganzer Bausituationen seien die Figuren Magi, s (Tal »Inda« mit Stadtgrundriß), 13 (Tal »Carina« mit »Porto Calio«), 124 (befestigte Brücke zwischen zwei Kastellen)435, 136 (Brücke und Kastell)436, 180 und 182 (Kriegshafen)437 und 184 (Wasserleitung)438 angeführt. Gemeinsam ist ihnen der hohe Betrachterstandpunkt (Vogelperspektive!); durch ihre bildmäßige Wirkung unterscheiden sie sich von den Normalansichten einzelner Gebäude. In den gotischen Architekturrissen sind Entwurfsidee und geometrische Konstruktion von Anfang an miteinander verknüpft (P. Booz) : Selbst nur wenig ausgearbeitete Entwürfe im »Livre« des Villard weisen geometrisch konstruierte Blindrisse auf 439 . Gegenüber dieser Objektivität der gotischen Werkzeichnung, gegenüber der »Abgeschlossenheit gegenständlicher Fixierung« (B. Degenhart) in der mittelalterlichen Zeichnung überhaupt, kommt in Filaretes Aussagen über die »congetti« eine historisch wichtige Bedeutungssteigerung der flüchtigen Skizze zum Ausdruck. Mit einer in Buch XII beschriebenen Erlebnisskizze nach der Natur stehen wir unmittelbar vor der ersten erhaltenen Landschaftszeichnung der Neuzeit, Leonardos berühmtem Jugendwerk von 1473 in den Uffizien: Es ist die Rede von einem zur besseren Erinnerung angefertigten »disegno in di grosso« nach der Natur: Der Prinz und sein Baumeister haben in einiger Entfernung von »Sforzinda« einen zum Ausbau geeigneten natürlichen Hafen (den antiken »Porto Calio«) entdeckt. Auf der Höhe eines Berges angelangt, skizziert der Architekt das vor ihm liegende Tal (»Carina«) mit dem Hafengelände zuerst »in di grosso« auf ein Täfelchen, um das bildhaft gesehene Panorama im Gedächtnis zu behalten,· dann wird beschlossen, diese Skizze »più per ordine«, also in Reinzeichnung, auf ein Blatt zu übertragen und dieses dem Fürsten zu senden: »Allora il signore disse: Riguarda bene tutto questo sito, come egli sta, ch'io voglio che noi il mandiamo per disegno al signore, mio padre, perchè voglio che lo vegga. — Sarà fatto. — E così pigliamo la via su per lo monte. E cavalcati più di due buone miglia insù, noi veniamo alla cima del monte. E cosi, quando fumo in cima di quello monte, noi andamo alto, perchè vedavamo l'una parte e l'altra del paese. E rivoltatici così e riguardando intorno, e così a noi si scoperse una valle dall'altra parte del monte, la quale ancora pare una piacevole valle. Allora io dissi al signore: Innanzi che noi passiamo più oltre, io voglio disegnare questo paese per averlo meglio alla mente. — Hai tu da disegnare? — Signore, io lo disegnerò così un poco su una tavoletta, così in di grosso, acciocché non c'esca di mente . . . E mostro al signore el disegno e lui vedutolo gli piacque e disse: Quando lo manderemo, si farà più per ordine insù uno foglio. — Benissimo« (fol. 90V—9rr; cf. fig. Magi. 113). 434 436 436 437
151
Lötz, Raumbild, op. cit., p. 197. Lazzaroni-Muñoz, tav. 9, 5. Ibid., tav. ri, r. Ibid., tav. 15, 2.
438 439
Ibid., tav. rs, 3. Cf. Villard de Honnecourt, ed. cit., pp. 184—Γ85.
Auf Filaretes Zeugnis folgen weitere Nachrichten, die das moderne Moment der spontanen Erfindung und des Skizzenhaften in der Zeichnung betonen; so nennt etwa der Verfasser der Biographie des Brunelleschi dessen römische Architekturaufnahmen »grossamente« gezeichnet440. Filaretes theoretische Unterscheidung zwischen »congetti« und »disegni proporzionati« findet jedoch erst bei Vasari (»Introduzione, Della Pittura«) eine Nachfolge: Die ersten flüchtigen Entwürfe, welche die Künstler machen, um ihren Gedanken die gewünschte Form zu geben und die erste Komposition festzuhalten, nennt Vasari »schizzi«. Aus diesen Skizzen gehen dann die eigentlichen, mit aller Sorgfalt durchzuführenden »disegni« hervor: »Gli schizzi . . . chiamiamo noi una prima sorte di disegni che si fanno per trovar il modo delle attitudini, ed il primo componimento dell'opra; e sono fatti in forma di una macchia, ed accennati solamente da noi in una sola bozza del tutto. E perchè dal furor dello artefice sono in poco tempo con penna o con altro disegnatoio o carbone espressi, solo per tentare l'animo di quel che gli sovviene, perciò si chiamano schizzi. Da questi dunque vengono poi rilevati in buona forma i disegni; nel far dei quali, con tutta quella diligenza che si può, si cerca vedere dal vivo, se già l'artefice non si sentisse gagliardo in modo che da sè li potesse condurre. Appresso, misuratili con le seste o a occhio, si ringrandiscono dalle misure piccole nelle maggiori, secondo l'opera che si ha da fare« 441 . Die endgültige Zeichnung ist dann zu quadrieren und »a proporzione« zu übertragen (v. p. i j i ) . Die Zeichentechnik der gotischen Architekturrisse war eine abstrakte Abbreviatur, die sich ohne das dahinterstehende System von theoretischen und praktischen Kenntnissen nicht ins Werk umsetzen ließ (R. Oertel). Die normale Darstellungsweise war die orthogonale Projektion, Schnitte gehörten zu den großen Seltenheiten, nirgends findet man die Erfassung eines gesamten Baukomplexes (P. Booz). Dagegen beginnt mit der Renaissance eine Zeit, »in der sich die Sondergattung >Architekturzeichnung< durch Annäherung an bildmäßige Darstellungsweise . . . verkleidet . . . Vor der Renaissance war sie entgegengesetzt in einer allgemeinen unbildmäßigen Darstellungsweise verborgen« 442 : U m den Baukörper als solchen Sichtbarwerden zu lassen, zeichnen Leonardo und die Architekten des XVI. Jahrhunderts ihre Entwürfe in Vogelperspektive (W. Lötz) ; daneben wird der perspektivische Schnitt ein Hauptmittel der Darstellung von Bauentwürfen (L. H. Heydenreich). Z u beiden Verfahren gibt es Vorstufen in Filaretes Traktatillustrationen; sein Schnitt durch den Rundbau der »Casa Areti« ist »die anscheinend früheste perspektivische Innenansicht, die sich von einem toskanischen Architekten der Renaissance erhalten hat« 443 . »Romanische Miniaturen zeigen an, daß man jahrhundertelang nicht in der Lage war, die Ansicht eines geplanten oder schon vollendeten Bauwerks zuverlässig wiederzugeben« 444 . Demgegenüber sind die ältesten Architekturrisse (aus dem XIII. Jahrhundert) »durchaus realistisdie Versuche, ein klares Bild des gedachten Baus zu vermitteln. Sie und die jüngeren 440 441 442 443
Manetti, ed. cit., p. 20. Vasari, ed. cit., I, p. 174. Linfert, op. cit., p. rs4. Lötz, Raumbild, op. cit., p. 197.
444
Braunfels, Stadtbaukunst, op. cit., p. 227; cf. W. Ueberwasser, »Deutsche Architekturdarstellung um das Jahr 1000«, Festschrift Hans Jantzen, Berlin, r9sr, pp. 45 —70.
153
gotischen Visierungen sind meist mit Lineal und Zirkel streng linear, ohne Schattierung auf Pergament gezeichnete Pläne, bei denen gewöhnlich der Aufriß aus dem Grundriß entwickelt ist und mit diesem eine Einheit bildet; gelegentlich werden sie mit Hilfe einer blind aufgetragenen Vorzeichnung, noch ganz ohne Kenntnis zentralperspektivischer Methoden aber mit parallelen Verkürzungen gegeben, um dadurch räumliche Tiefen anzudeuten, wenn man nicht vorspringende Bauteile ins Profil stellte . . ,« 445 . Die echte Architekturzeichnung mit ihrem Doppelcharakter — verursacht durch den Gegensatz zwischen objektiver und subjektiv-bildmäßiger Wiedergabe — taucht erst auf, als die »bewußte bildmäßige Anwendung der schon bestehenden rein wissenschaftlichen Perspektivlehren einsetzt, also im Verlauf des Quattrocento. Gerade Architekten bemühen sich um die Systematisierang der Perspektive; denn ihre neue Baukunst, die von den regelmäßigen Körpern< ausging, enthielt den starken Anstoß zur rechnerisch genauen Darstellung einer Tiefenentwicklung und ihrer Verkürzungen . . . Erst seit dieser Lage war es möglich, daß die Architekturzeichnung durch Eingehen auf perspektivische Mittel von ihrem objektivistischen Charakter verlor. Anderseits hatte sie durch dieselbe Tatsachenreihe, nämlich die allgemeine künstlerische Fruchtbarmachung der exakten Mathematik, eben erst den formelhaften Charakter der mittelalterlichen Architekturdarstellung verloren und war auf theoretischem Wege . . . zur tektonischen Sachlichkeit gekommen«446. Und doch unterscheiden sich die wenigen bekannten Architekturzeichnungen des Quattrocento »technisch nur wenig von den gleichzeitigen Zeichnungen des Nordens: die Umrisse der Bauglieder werden in dünnen Linien aufgetragen, ohne daß das Dreidimensionale des Baukörpers oder gar eines Raumes in Erscheinung tritt«447. Wenn sich nun bei Filarete selbst in perspektivischen Darstellungen der objektive Charakter der Architekturzeichnung weitgehend erhält, wenn also seine Perspektiven im Sinne des Quattrocento weniger »richtig« sind als etwa die der Architekturdarstellungen eines Jacopo Bellini oder Pisanello, so scheint hinter solcher Darstellungsweise eine bewußt-didaktische Absicht zu stehen. Andererseits führen Filaretes Illustrationen wieder über Pisanellos und Bellinis Perspektiven in eigentümlicher Weise hinaus, »indem der Beschauerstandpunkt nicht auf dem Fußboden des dargestellten Gebäudes angenommen, sondern in eine fiktive höhere Ebene verlegt wird. Damit erhalten diese Zeichnungen bereits Elemente der sog. Kavaliersperspektive, eines Verfahrens, das im letzten Viertel des Quattrocento weiterentwickelt und mit Vorliebe zur Darstellung der gerade für die Zeit so charakteristischen Zentralbauten sowie formal ähnlicher antiker Denkmäler benutzt wurde«. Die frühesten — nunmehr (im Gegensatz zu Filaretes perspektivischem Schnitt) systematisch durchkonstruierten — Beispiele des Verfahrens des »vogelperspektivischen Schnittes« finden sich bei Francesco di Giorgio, vor allem aber bei Leonardo da Vinci 448 . »Disegno
proporzionato«
i. Filarete versteht unter »disegno proporzionato« in erster Linie eine nach Art eines Koordinatennetzes quadrierte, maßstäbliche (Grundriß-)Zeichnung: Ausgehend von einem gegebenen Rechteck wird im aliquoten Bruchteilungsverfahren ein Gitter kleiner Felder (»quadretti« oder »parelli«) geschaffen und jeder Einheit ein absolutes Maß zuerteilt: Je nach der beabsichtigten Größe des darzustellenden Gebäudes schwankt es (d. h. die Seitenlänge 445
446 447
E. Gall, in: Plan und Bauwerk, op. cit., p. 8.
Linfert, op. cit., p. 147. Lötz, in: Plan und Bauwerk, op. cit., p. 1 1 .
154
448
Id., Raumbild, op. cit., pp. 199—200; cf. Heydenreich, Leonardo da Vinci, op. cit., pp. 86—93.
des einzelnen »quadretto« oder »parelio«) von io (über 25, 40, 100) braccia bis zu ι stadio (auf dem Stadtplan von »Sforzinda«), »Filarete ist sich, der abkürzenden Sprache seines Netzes bewußt, weil es zeichnerisch unmöglich sei, bei einem so kleinen Maßstab für jeden einzelnen braccio ein noch sichtbares Ausdrucksmittel zu finden . . . Er wählt nur soviele graphische Unterteilungen aus, wie sich das Gesamtmaß in braccia — das durch, das jeweilige Bauvorhaben a priori festgelegt war — in aliquote Brüche zerlegen ließ«449. Er erläutert seine Methode des »squadrare« zuerst am Beispiel des Stadtplans von »Sforzinda«: »Io ho detto come io voglio . . . prima fare il mio disegno. Il quale starà in questa forma e proporzione: La prima forma sarà due quadri addosso l'uno all'altro, non iscontrando gli angoli insieme. Ma l'uno angolo verrà equalmente distante intra due angoli (cf. fig. Magi. 6450). Dell'uno e dell'altro quadro la proporzione angulare sarà di distanza tra l'uno angolo all'altro dieci stadi, che è uno miglio e quarto. Sicché sarà la circunferenza di questi due quadri otto (verschrieben für: ottanta) stadi. Il suo diamitro sarà ventotto stadi 451 . . . Questa è la forma del disegno che io t'ho detto . . . E acciocché tu intenda la misura piccola del miglio e anche dello stadio: el miglio è tremilia braccia ed è, come t'ho detto, otto stadi. Sicché lo stadio viene a essere trecentosettantacinque braccia. Hai inteso queste misure. Ora voglio che, come io ho mostrato il disegno lineato al padrone, così die tu ancora lo vegghi in disegno lineato, come vedrai nell'altra faccia. Il quale è proporzionato in forma piccola e, secondo tu vedrai, squadrato questo di quadri piccoli. Per questo potrai intendere le misure grandi proporzionate da queste piccole. Come t'ho detto, io ti mosterrò questo per liniamento, il quale è riquadrato in quadri piccoli. Tu gli potresti intendere grandi e piccoli a tuo senno, ma io gli'ntendo di questa misura: cioè di quattro stadi per ciascheduno quadro, die farebbe al modo nostro mezzo miglio per quadro. Sicché, vedendo questo, tu puoi sapere quanto viene a essere grande poi la città. O vuoi dire miglia o vuoi dire braccia: tu sai quanti stadi è uno miglio e sai quante braccia è lo stadio: moltiplica e saperrai quanto ella circunda e quanto ell'è per ogni verso . . . E perchè a volere sminuire tanto questo stadio, cioè dispartirlo in tante braccia piccole proporzionate a esso — secondo che io te'l mostro in questo disegno, perchè maggiore io non lo posso fare in mezzo foglio — bisognerà spartirlo in 375 parti. Sicché, volendone fare tante parti in sì poco di spazio, saria mestieri uno minimo segno e farlo ancora sottilissimo quanto fusse mai possibile. Pensa quanto verrà a multiplicare: 375 minimi punti moltipricando fariano molto più grande che none lo spazio che tiene uno di questi • che sia stadio. E che sia vero: questo è uno spazio • d'uno stadio. Sicché, come vedi, non è possibile« (lib. II, fol. i3r—14*). — Dazu ergänzend: »Sicché per questo disegno si può moltipricare e vedere quanta è grande (se. la città), e così ogni edificio si potrà commisurare (e) vedere quanto è grande. Io l'ho qui in di grosso trascritta« (lib VI, fol. 42V—43r; cf. fig. Magi. 26). — 2. Anläßlich der Besprechung des Entwurfs für den Dom von »Sforzinda« (lib. VII) erläutert er das Prinzip der Reduktion der Maße (»diminuzione delle braccia«) ein zweites Mal: »La signoria vostra ha veduto nelli antescritti sei libri donde e in che modo le misure sono compartite e dirivate e diminuite. Sicché, volendo voi bene intendere questo edificio disegnato piccolo, acciocché possiate bene comprendere il grande e'1 rilevato, per questo è mestieri imprima die voi sappiate quante braccia è lo spazio che tiene questo tempio o un altro quando fare lo volessi . . .Io ho fatto in questa forma imprima, e così farete voi quando alcuna cosa volete edificare: Io ho fatto imprima di centocinquanta braccia per ogni verso, come voi vedete qui disegnato in questa faccia. E poi l'ho partito in quindici parti e ognuna di questi parti è quindici (verschrieben für: dieci) braccia (cf. fig. Magi. 28: Gradnetz). Voi potresti dire: come è possibile che si piccola cosa sia dieci braccia? Così come questo quadro è cento cinquanta braccia e par sì piccolo, così sono queste dieci 449 450
Soergel, op. cit., pp. 46—49. Lazzaroni-Muñoz, fig. 117.
451
Cf. Oettingen, Traktat, p. 692, η. 13.
155
ciascheduno. Se volete ben comprendere queste diminuzioni, bisogna che voi pigliate queste seste e partite una di queste parti in dieci. E poi con quelle seste die avette partito fate una linea perpendiculare che sia lunga tre di quelle parti. Se voi sapessi, io direi: fate una figura tanto grande. E poi considerate essere grande quanto quella e allora comprenderete la diminuzione delle braccia e d'ogni altra misura. Non so se m'avete bene inteso. Perchè tutte le misure dirivano dall'uomo, secondo la sua forma, sicché, fingendo l'uomo essere così piccolo, così sono poi le misure che da lui si tolgono. E così alle proporzioni si fa e'disegni delli edifici. Chè, benché questo disegno sia piccolo a vederlo, noi. . . siamo grandi. Se gli uomini fussino piccolini come questi, gli parria grande questo, come a noi pare e sarà quando sarà murato e fornito. E tanti uomini quanto starà in questo, tanti ne starà in quello piccolo di quelli uomini piccoli. — Signore, so che voi m'avete inteso benissimo, meglio ch'io non arei mai creduto . . . Io l'ho disegnato tutto questo quadro e spartitolo in sei quadri eguali, e sono venticinque braccia per ogni verso. E questo quadro è trentasei di questi quadri o volete dire parelli« (fol. 47r, 49v). — 3. Entwurf für den Marktplatz (lib. Χ): ». . . mostrai imprima la scompartizione della piazza, la quale stava in questa forma e in parelli tutta . . . lineata, secondo qui appare in questa piccola circunscriptione (= fig. Magi. 76: Gradnetz). Questa detta piazza si è braccia novantasei larga e centoottantasei lunga . . . quell'altra, dove s'ha a vendere frutte e altre cose da mangiare, vorrei mi dessi meglio a'ntendere e disegnassimela . . . e in sul disegno mi darai parte per parte . . . ma fa che sia proporzionata alla grandezza che arà a essere. — Io la farò misurata a quadretti, cioè a braccia piccole« (fol. 7 ir, 73v). — 4. Entwurf für den Fürstenpalast (lib. VII) : »Quello che intendo di fare sì è che voglio far fare una asse di due braccia e scompartirla quanto voglio sia grande la vostra corte. E su questa tavola là voglio disegnare il suo fondamento e poi farvi su il disegno rilevato di legname e come arà a essere proprio . . . Fatta l'asse quadra, scompartita tutta di parelli e tanti quante braccia ha a essere la casa regia in questa forma, secondo il modo nostro usato . . . Mostratogli l'asse, volse ch'io gli dicesse quanto spazio era questo. Io gli risposi che era . . . braccia centocinquanta, ma per l'altro verso sarà altrettanto. Intese subito che veniva a due quadri« (fol. 53V—54r). — Dazu ergänzend: »Voi avete inteso e veduto come v'ho scompartita l'asse in quadretti o vuoi dire parelli. Le quali sono trecentotrenta e centosessanta per l'altro . . . Credo che abbiate inteso che ciascheduno di questi parelli ovvero quadretti sono dieci braccia, e questi sono per misurare ogni cosa. Di punto vorrebbono essere spartiti in dieci. Ma perchè sono così piccoli che a volerli spartire sarebbono i segni addosso l'uno all'altre, sicché voi intenderete questi quadretti per tutte quelle braccia sopradette puossi considerare ciascheduna di queste linee uno braccio . . .« (lib. Vili, fol. 57V). — 5. Entwurf für das Hospital (lib. XI): ». . . mi fu comandato ch'io dovessi fare uno disegno a proporzione di questo sito. Il quale era per un verso quattrocento braccia e pell'altro centosessanta . . . feci fare una asse lunga quattro braccia e due larga, e poi la scompartì in tre parti principali. Le quali parti erano: le due centosessanta braccia e l'altra era ottanta braccia. E ogni braccio di questi quattro quadri partì in cento parelli o vuoi dire quadretti, i quali . . . erano in quelle linee braccia quattro. E così ne presi centosessanta per ogni verso e compartì insù questa asse questi due quadri di centosessanta braccia l'uno. E avanzomi uno spazio di ottanta braccia per uno verso e pell'altro centosessanta . . . Spartito in queste tre parti questo sito . . . è due quadri . . .« (fol. 79r). — 6. Die maßstäblichen, d. h. mit Hilfe des Gradnetzes angefertigten Zeichnungen werden durch ein Schnurgerüst auf den Bauplatz übertragen: »E fatti e'disegni e con tutti gli ordini e modi che a simile opera era mestiero, n'andamo al luogo diterminato. E giunti là a detto luogo, la prima cosa feci: tendere le corde secondo il disegno lineato . . . io ho cominciato il disegno in questa forma come qui appresso si vede (111. fehlt) : Imprima scompartì i quadri, la distanzia del nostro spazio . . . Alla nostra usanza la (se. città) scompartì in quadretti . . .« (lib. XIV, fol. ioir). — 7. Besonders bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist schließlich noch die Erwähnung einer bezifferten Planzeich-
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nung: ». . . lo'mbasamento . . . il quale è disegnato qui disotto. E ora si può vedere le sue misure, perchè gli è discritto le sue braccia, cioè quanto è dall'uno punto a un altro. E dall'uno punto all'altro si è uno braccio a proporzione de'grandi« (lib. IX, fol. 64V; = fig. Magi. 62, wo die erwähnten Maße jedoch fehlen).
Aus den angeführten Textauszügen ergeben sich vor allem zwei Bedeutungen bzw. Funktionen des »disegno proporzionato«: ι . M i t der Verwendung eines arithmetischen Maßstabnetzes werden Architekturentwurf und geplanter Bau »als zwei Größen, die in sich die gleichen Verhältnisse aufweisen, in eine rationale Abhängigkeit voneinander gebracht und ihre Proportionalität oder Analogie (cf. Vitruv, III, 1.1) wird in jeder einzelnen Teilentfernung mathematisch faßbar und genau meßbar« : »Per questo (sc. disegno proporzionato) potrai intendere le misure grandi proporzionate da queste piccole« (fol. i3r). »Daß sich eine solche theoretische Durchdringung des darstellenden Verfahrens hier erst in den Anfängen befand, scheinen die umständlichen und mühsamen Erläuterungen Filaretes nahezulegen, wie die Phantasie des Betrachters die graphischen Zeichen in die natürlichen Maße zu verwandeln habe.« (Man vergleiche damit auch Filaretes Erklärung des Phänomens der perspektivischen Verkürzung: lib. XXIII, fol. 177V—i78r). »Sie gipfeln in dem bekannten anthropometrischen Beweis der Architektur (fol. 47r), der zeigt, wie nahe wir uns auch hier den menschlichen Proportionsstudien (v. pp. 46 ss.) befinden« 452 .
2. Zwar haben auch Filaretes »disegni« — wie die gotischen Architekturzeichnungen — auch wesentlich exemplarische, lehrhafte Bedeutung und sind ihrer äußeren Funktion nach vor allem Demonstrationsbehelf und Diskussionsgrundlage, indem sie »die Erfindung des Künstlers dem Bauherren bildhaft und in den richtigen Größenverhältnissen« (G. Soergel) vor Augen führen. Gerade insofern sie jedoch maßstäblich — »a braccia piccole« — sind, können sie auch der Verständigimg zwischen dem Architekten und den Bauführern und Werkmeistern dienen. Und da mit Hilfe des Quadratnetzes auch die Vergrößerung eines »congetto« möglich ist, sind sie auch weitgehend verwendbar als Grundlage für die Bauausführung (im Sinne maßstäblicher Übertragung). Tatsächlich zeigt Filaretes Erzählung eindeutig, daß zumindest die »fondamenti«, d. h. Grundrisse der einzelnen Bauvorhaben, auf diese Weise festgelegt werden sollen. Da der Architekt nach Filaretes Text in der Regel aber auch die Höhendimensionen »braccio a braccio« bis ins einzelne erklärt und zeichnerisch fixiert — besonders deutlich zu sehen bei seiner Entwicklung des Domentwurfs (lib. VII und IX) —, ist man wohl berechtigt, sich die praktische Durchführung der Entwürfe so vorzustellen, daß auch die Hochführung eines Baues mit Hilfe quadrierter, maßstäblich genauer Pläne geschehen soll. 3. Filaretes graphisches Netz erfüllt aber nicht nur veranschaulichende oder medianische Zwecke; ähnlich wie später bei Francesco di Giorgio Martini hat es noch eine dritte, »gestaltende« Funktion, d. h. es hilft bei der Gewinnung der baulichen Struktur selbst: »In einigen Fällen haben Filarete die neutralen 3 mal 3 Felderteilungen zur Komposition des Grundrisses angeregt . . . Dieses schöpferische Ausgestalten nüchterner, gleichförmiger Linienschemata charakterisiert Filaretes Vorstellungsvermögen, das ganz im sinnlich Wahrnehmbaren ver452
Soergel, op. cit., pp. 50—sr.
157
haftet ist. . . Sowohl die Ausmaße wie die Formgebung und Anordnung der Räume identifizieren sich auf Filaretes Rissen mit den Intervallen des Gradnetzes. Die Aufnahme des materiellen Bestandes konnte damit unmittelbar auf die zugrundeliegende >symmetria< bezogen werden (v. p. 52). Vitruv (I, 2.2) verstand diesen Vorgang als >ordinatio< . . . Solange das Formengut aus geradlinigen Mauerzügen und rechtwinklig gegeneinander gerichteten Fluchten bestand, konnte die Quadrierung formende Aussagekraft haben« 453 . Das Problem, ob und bis zu welchem Grad diese »Identifizierung mit absoluten Einheiten« sich auch im anschaulichen Charakter der Idealbauentwürfe Filaretes ausprägt, wird bei einer systematischen Untersuchung dieser Projekte eine wesentliche Rolle spielen454. In der Tatsache, daß die Mehrzahl der erhaltenen spätmittelalterlichen Werkrisse — die älteren von ihnen durchwegs — unmaßstäblich gezeichnet ist, darf man den besten Beweis für die durchgehende Anwendung formelhafter Proportionsschemata in dieser Epoche erblicken (v. pp. 5 8 ss.) : das fast ausschließlich geometrische Planverfahren ersetzte das maßstäbliche Arbeiten. Wenn Matthias Roriczer (»Der Fialen Gerechtigkeit«, i486) seine Bauregeln zur Gewinnung der Maßverhältnisse aus den geometrischen Grundfiguren aufschreibt und aufzeichnet, »ist er in Gedanken auf dem Bauplatz und in der Bauhütte« (W. Ueberwasser). »Gewöhnlich wird der Entwurf heute zunächst maßstäblich aufgezeichnet und festgelegt. Die genaueren Maße aber und vor allem ihre Fixierung in Gestalt von Maßzahlen auf dem Plan selbst bleibt der Ausarbeitung des für den Handwerker bestimmten Werkplanes überlassen. In ihm sind daher alle, auch die kleinsten Bemessungen enthalten und genau eingerechnet. In mittelalterlichen Plansammlungen finden wir keinen einzigen Riß, der dem modernen Werkplan auch nur annähernd entsprechen könnte . . . Der Grund für das Fehlen derartiger Pläne ist leicht zu finden. Wir wissen, daß der gotische Baumeister nicht mit Arithmetik, also mit Zahlen, sondern mit geometrischen Hilfsmitteln zu arbeiten pflegte. Er brauchte also gar keine Maßzahlen, wenigstens nicht für das große Schema seiner Entwürfe . . . Zudem bediente er sich auch beim Entwerfen von Einzelbauteilen wiederum der Geometrie . . . im naturgroßen Maßstab des Reißbodens . . . Der Werkplan war also überflüssig . . . Auf modernen Plänen darf die Angabe des Maßstabes, also des arithmetischen Verhältnisses von Zeichnung zu Wirklichkeit, nie fehlen. Auf Baurissen des Mittelalters aber wird man derartige Angaben nur in den seltensten Fällen nachweisen können« 455 . "Having 'read off the system, the builders had only to repeat the forms in the plan on a larger scale on the building site according to the indicated geometrical construction without taking measurements from the plan at all. The exact dimensions of the details were determined according to related arithmetical and geometrical criteria and executed after full-scale models . . ," 45e . Wie bei Filarete, so begann auch im Mittelalter die praktische Durchführung des Geplanten mit der Herstellung eines Schnurgerüsts. Während jedoch Filarete den Bau mittels des arithmetischen Maßstabnetzes festlegt, also einmißt, »bediente sich der mittelalterliche Baumeister« — und wohl auch der Architekt des Quattrocento — »dabei wiederum der gleichen geometrischen Systeme, die er schon beim Grundriß seines Entwurfs verwendet hatte.« Der Endzweck der geometrischen Grundrißkonstruktion 453 454
158
Soergel, op. cit., pp. 52—53. Cf. vorläufig Spencer, Central-Plan Architecture, op. cit.
455 456
Booz, op. cit., pp. 74—76. Saalman, Theory, op. cit., p. Γ03.
bestand also darin, »die Hauptabmessungen des eigentlichen Entwurfes leicht und genau auf den Bauplatz übertragen zu können. Was auf dem Plan mittels Zirkel und Richtscheit vorgezeichnet war, wurde am Bau bei der Herstellung des Schnurgerüstes im naturgroßen Maßstab
wiederholt«^1.
Die Bedeutung von Filaretes maßstäblichem Planverfahren liegt also gerade darin, daß es eine derartige Neukonstruktion auf dem Bauplatz überflüssig macht. Es war notwendig, diesen wichtigsten Unterschied zwischen Filaretes Methode und der älteren Baupraxis — auch der seiner eigenen Zeit — scharf hervorzuheben, da die neueste Forschung 458 hier nur Gemeinsamkeiten zu sehen glaubt: Hat man einmal erkannt, welche Rolle die maßstäbliche Architekturzeichnung in Filaretes Theorie spielt, so wird man die Funktion der geometrischen Proportionsformeln seines Buches VIII (v. pp. roo ss.) nicht mehr überbewerten; man sieht jetzt, daß diese eben nicht als Hilfsmittel zur Realisierimg eines Bauvorhabens auf dem Bauplatz interpretiert werden dürfen 459 . M a n erkennt ferner Zusammenhänge und Unterschiede zwischen Filaretes arithmetischem Maßstabnetz und den mechanisch quadrierten Plänen des Cinquecento: Für Cesare Cesariano (I, ι—2) bedeutet die »symmetria·· schlechthin jede metrische Messung, welche mit der im Handwerk gebräuchlichen Meßlatte (regola, riga, perticha, trabucho, giuchata) durchgeführt wird. »Die Maßeinheiten können . . . jetzt beliebig und in unbegrenzter Abfolge addiert werden. Sie sind nicht mehr zugleich ein Vielfaches und ein Geteiltes, sondern die >symmetria< ist nur noch ein multiplikatives Prinzip . . . Das maßstäbliche Netz, die >symmetriata quadratura* (III, 1 ) , . . . « dient »dem Architekten dazu, die Risse maßstäblich genau darzustellen«: ». . . chi non sa quadrare non sa proportionate ne disproportionate« (IX, α)460. »Obwohl die Quadrierung noch hier beispielhaft über einer menschlichen Proportionsfigur erläutert wird, liegt doch der entscheidende Gegensatz zu den vorangegangenen Verfahren darin, daß nicht vom Gesamtmaß, sondern vom kleinsten darstellbaren Teil ausgegangen wird. Auch die zeichnerischen Intervalle entstehen durch Multiplikation, nicht Division, wodurch sie nicht mehr auf die möglichen aliquoten Brüche beschränkt bleiben, sondern sich kontinuierlich bis ins Unendliche vervielfacht fortführen lassen. Sie sind ungebunden an Zahl und Ausdehnung und werden damit auch unverbindlich und neutral für die Formensprache des Architekten, die gegenüber dem Gradnetz autonom wird.« Der älteste erhaltene mechanisch quadrierte Grundriß ist wahrscheinlich die überwiegend Bramante zugeschriebene Zeichnung A 20 der Uffizien für St. Peter in Rom. »In der Bauhütte von St. Peter blieb seitdem das Zeichnen auf karriertem Grund gebräuchlich. Es diente Bauaufnahmen wie Uff. A20 oder Werkplänen, selten dem flüchtigen Entwurf.« Für den Aufriß berichtet zuerst die für Leo X. verfaßte Denkschrift über die römischen Baudenkmäler 461 von einem vergleichbaren Verfahren: »Es wird zuerst ein senkrechtes Achsenkreuz konstruiert, zu dem dann mit Hilfe von Parallelen beider Richtungen alle Einzelformen koordiniert werden. Die subtile Dichtigkeit der Zeilenabstände erlaubt jetzt auch die maßstabgerechte Eintragung kleinster Wandrücksprünge, Fensterlaibungen oder Pilaster«482. 457 458
459 460
Booz, op. cit., pp. 80—81. Cf. Lötz, Raumbild, op. cit., Saalman, Theory, op. cit. Cf. dagegen Saalman, Theory, op. cit. Cesariano, op. cit., fol. CXLVv.
461 482
Cf. Raffaello, ed. cit., pp. 61—62. Soergel, op. cit., pp. 54—58; ibid., pp. 32 —46 über Francesco di Giorgios Verwendung des Gradnetzes.
159
Nicht wegzudisputieren ist aber die Tatsache, daß schon bei Filarete ein Entwurf mit Maßangaben für die einzelnen Bauteile erwähnt ist (v. p. 157) und daß schon durch sein Quadratnetz — nicht erst durch die »Erfindung« des quadrierten Papiers um 1500 — eine Möglichkeit gewonnen ist, »zwischen dem geplanten Bau und seiner Darstellung auf der Fläche eine rationale, meßbare Beziehung herzustellen« 463 . »Modello«
— »Disegno
rilevato«
i. Filaretes allgemeine — in ihrem Zusammenhang schon oben (v. pp. 106 s.) zitierte — Aussagen über das Architekturmodell (lib. II) unterstreichen dessen Maßstäblichkeit und heben seine Rolle bei der Kalkulation der nötigen Baumaterialien besonders hervor: ». . . l'architetto . . . è madre a portare questo ingeneramento . . . debbe . . . partorirlo, cioè farne uno disegno piccolo rilevato di legname, misurato e proporzionato, come che ha a essere fatto poi, e mostrarlo al padre . . . (L'architetto) faccia il disegno di legname e misurato e compartito in quello tutte quelle cose che a principiare e a seguitarle siano opportune, come sono queste, cioè calcina, sebbione, pietre cotte e crude, e legname e ferramenti e corderie e altre munizioni opportune secondo i luoghi dove si fa lo edificio« (fol. γν—8r). — 2. Gemäß dieser theoretischen Forderung entsteht ein Modell der geplanten Stadt »Sforzinda« (lib. II). Es ist ein maßstäbliches Gesamtmodell und dient zur Ergänzung der zuvor angefertigten, ebenfalls maßstäblichen Planzeichnung (v. oben), die in dreidimensionaler Realität (»rilevato«) vorstellbar gemacht werden soll. »Indem Zeichnung und Grund des Holzmodells . . . relativ übereinstimmend quadriert werden, wird außer ihren objektiven Proportionen auch ihr faktisches Größenverhältnis zueinander ablesbar . . . Den 5 mal 5 kleinen Feldern, in die auf dem Grundriß (v. oben) die umfassenden Quadrate zerlegt werden, soll insgesamt nur ein einziges der gleichfalls 25 Felder im Holzmodell entsprechen. Jeweils ist jedoch die Grundeinheit gleichbedeutend mit 4 Quadrat-Stadien« 464 : »E poi l'ho partorita (sc. la città), cioè glien ho fatto uno disegno in liniamento secondo che vanno i fondamenti. Egli piaciuto, ma innanzi si cominci io gli ho detto quello die bisogna. Sicché io, in mentre si pena apparecchiare queste cose opportune per lo fondamento d'essa, farò il sopradetto modello o vuoi dire disegno rilevato, in modo che chi leggerà questo mio libro vedrà e intenderà questa città con suoi edifici rilevata e misurata e proporzionata secondo loro qualità e loro forma e modi opportuni . . . El disegno rilevato sarà siccome io ho squadrato questo in cinque parti netti in uno de'quadri del disegno, benché tutte due siano squadrati equalmente, siccome vedi per esso proprio. E queste cinque parti ch'io ho fatte di ciascheduno quadro è quattro stadi, come puoi intendere, cioè mezzo miglio . . . Tu puoi adunque comprendere questo mio disegno rilevato nel modo che per parole ti darà a intendere e non altrimenti per dimostrazione visiva. A te debbe bastare che'l rilevato sarà questo ch'io ho detto di fate nella forma innanzi discritta. Come tu vedi, sono due quadri addosso l'uno all'altro, e sono d'una medesima grandezza, cioè equali l'uno all'altro, di braccia settemilia cinquecento, che viene a essere tutta trentamilia braccia la circunferenza di questi due quadri« (fol. rrr, r3r—14*). — 3. Ein »disegno rilevato di legname« des Fürstenpalastes (lib. VII) wird unmittelbar auf der Zeichentafel, im gleichen Maßstab wie die Grundrißzeichnung, errichtet. Da die Seitenlänge der Tafel mit 2 braccia, also etwa 120 cm, angegeben wird, bekommt man eine gewisse Vorstellung von der Größe des Modells (fol. 53V—54r, 57V). — 4. Zweimal erwähnt Filarete Modelle, die er selbst für seine Auftraggeber angefertigt hat: In Buch XIII tritt der zukünftige Schwiegersohn des Fürsten (zu identifizieren mit Ludovico Gonzaga; v. p. 26) auf und spricht 463
160
Lötz,in: Plan und Bauwerk, op. cit., p. r2.
464
Soergel, op. cit., pp. 48—49; cf. Oeningen, Traktat, p. 692, nn. 13—15.
von »alcuno modello di legname di cotali miei edificetti«, welche Filarete für ihn gemacht habe (fol. ioor). — In Buch XVI erwähnt Filarete die Konkurrenz anläßlich der Neuplanung des Doms von Bergamo ( 1 4 5 7 ) , aus der er als Sieger hervorgegangen war 485 : Nachdem sein »disegno« akzeptiert worden sei, habe man ihn mit der Herstellung eines maßstäblichen Holzmodells des geplanten Baues beauftragt. Drei beigegebene Textillustrationen (fig. Magi. 150—152466) seines Traktats, darunter eine Ansicht des inneren Wandsystems, werden von Filarete ausdrücklich als nach diesem Modell angefertigt bezeichnet. Sie lassen den Schluß zu, daß dieses auch die räumlichen Verhältnisse zur Anschauung gebracht hatte: »Se vi piace, io ne farò una (sc. chiesa) nel modo ch'io ordinai a Bergamo, che era bella. Io vi dirò come stava: Io feci uno disegno di legname rilevato e misurato alla proporzione secondo aveva a essere . . . Sicché, essendo vescovo uno il quale disiderava che la chiesa fusse bella, e, cognoscendomi, mi domandò ch'io dovessi fare uno disegno e ancora ordinarla in modo che stesse bene secondo il sito. Donde che questo vescovo, vedendo più disegni, finalmente insieme con quegli cittadini ch'erano diputati a dovere essere sopra a quella fabbrica, elessono me che dovessi fare, come ho detto disopra, fare loro questo disegno di legname rilevato e proporzionato alla misura del luogo dove aveva a essere. E così io lo feci loro in questa forma e misura che qui vedrete in questo foglio disegnato« (fol. i23r). Die Funktion des Architekturmodells in Filaretes Baulehre ist somit klar: es dient — als ein die (Grundriß-)Zeichnung ergänzendes Vorstellungsmittel — primär zur Veranschaulichimg eines Bauvorhabens. Da alle erwähnten Modelle nachdrücklich als maßstäblich genau bezeichnet werden, ist aber an ihrer konkreten Verwendung im Bauvorgang selbst (insbesondere bei der Realisierung des Aufrisses) ebensowenig zu zweifeln wie an der Ausführbarkeit der maßstäblichen Zeichnungen. In dieser Verbindlichkeit des maßstäblichen Baumodells liegt ein weiterer Gegensatz zu der älteren (und vermutlich auch der kontemporären) Baupraxis. Für diese gilt: ". . . while the models were 'pro forma', 'pro exemplo', and contained the 'veritas' of the project, they served as the basis for the preliminary discussions, not as 'blue prints' during execution. Precise statical criteria being non-existent, the dimensions of the major and minor elements were arrived at by various traditional arithmetical and geometrical formulae. All measurements had to be reevaluated on the building site and tested in practice. Constant scepticism and revisions of already begun projects were inevitable since the models could give no better assurances than the science behind them. This problem arose continually in all of the late mediaeval workshops. The cathedral of Florence offers illuminating illustrations . . . : the general form was shown by the model, the over-all dimension and the curve of the cupola was fixed by the formula 'quinto acuto', related to the already existing octagon,· the main elements were briefly described and the initial tasks defined in a written specification. Thereafter all was as yet uncertainty and darkness, to be lighted by 'la praticha' " 4 β 7 . Filaretes »disegni rilevati« sind ferner stets Gesamtmodelle. Eine Verwendung soldier Gesamtmodelle — wie sie sich aus dem XVI. Jahrhundert erstmals erhalten haben 488 — kann im hohen Mittelalter noch nicht nachgewiesen werden. »Denn Voraussetzung für die Herstellung eines Gesamtmodells ist eine klare Totalvoistellung des 465
486
Cf. Oettingen, Leben, p. 34; LazzaroniMuñoz, pp. 219—220. Cf. Oettingen, Traktat, pp. 465—467.
467
488
Saalman, Theory, op. cit., pp. 104—ros,· cf. Manetti, ed. cit., p. 4r. Cf. Burckhardt, op. cit., §§ 58—60. 161
geplanten Bauwerks, und eine solche Totalvorstellung, die die Form und Konstruktion des projektierten Baus bis ins einzelne hinein von Anfang an festlegt, entspricht nicht der Baugesinnung und Baupraxis hochmittelalterlicher Bauhütten. Jedenfalls scheint es kein Zufall zu sein, daß das Modell erst in dem Augenblick historisch wieder faßbar wird, in welchem auch eine Gesamtkonzeption der architektonischen Planung in einem neuen Sinne nachweisbar wird: im Zeitalter der Renaissance« 468 : »Nach, empirischen Vorstufen im hohen XIV. Jahrhundert entwickelt sich, im XV. Jahrhundert eine neue Architekturvorstellung, die auf der mathematisch-rationalen Gesamtplanung von Raum- und Monumentbau beruht. Das architektonische Projekt wird aus einer mathematisch->stereometrischen< Vorstellung heraus als Totalbau abstrakt denkbar: in dieser Zeit entstehen die ersten perspektivischen Architekturzeichnungen (v. oben) und die ersten Gesamtmodelle, die die eigenartige Doppelfunktion der architektonischen Wirkung als Raumbau und als Monumentbau anschaulich >vorstellbar< zu machen imstande sind« 470 . In mehr als einer Hinsicht ist die Rolle des Architekturmodells der Renaissance vergleichbar der des echten Entwurfs (Bozzetto) in der Plastik und der des Kartons in der Malerei, deren systematische Verwendung seit etwa der gleichen Zeit nachweisbar ist, in der das Architekturmodell erstmalig Gegenstand theoretischer Behandlung wird (bei Poliamolo und Verrocchio bzw. bei Uccello, Domenico Veneziano, Fra Angelico und Piero Della Francesca). Der Karton »wird erst sinnvoll und notwendig, als Bild und Wandbild nicht mehr in ihren Einzelheiten aus dem Mustervorrat geschöpft und in ihren Kompositionen bindenden Traditionen folgend unmittelbar entworfen werden konnten, sondern einmalige Lösungen eine bis ins Letzte gehende Vorbereitung abseits der Tafel oder Wand erforderten« — was mutatis mutandis auch vom Architekturmodell gilt — »und als von Masaccio an das >buon frescobuon fresco< schon pflegte, aber selbst noch keinen Gebrauch vom Karton machte«471. »Auch die künstlerischen Werkverfahren haben ihre Geschichte und sind ebensosehr der Ausdruck einer geistigen Gesamthaltung wie der >Stil< eines Kunstwerks«472: Dadurch, daß sie Vorstellungsmittel des Gesamten eines geplanten Werks sind und als Bindeglieder zwischen Entwurfszeichnung und endgültiger Realisierung auftreten, stehen Architekturmodell, »Bozzetto« und Karton auf ein und derselben geistigen Ebene. 469
470 471
162
L. H. Heydenreich, »Architekturmodell«, Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte, I, Stuttgart, 1937, coli. 918—940 (923—924). Id., ibid., col. 924. Degenhart, Zeichnungen, op. cit., pp. r6—17; cf. ibid., pp. 5t—52; zum Karton cf. ferner J. Meder, Die Handzeichnung. Ihre Technik und Entwicklung, 2. Α., Wien, 1923; R. Oertel, »Masaccio und die Geschichte der Freskotechnik«, Jahrbuch der Preußischen Kunstsammlungen, LV, r934, pp. 229—337; id., Wandmalerei, op. cit., pp. 303—313; E. Borsook, The Mural Painters of Tuscany from Cimabue to Andrea del Sarto, London, i960)
472
über Bildhauerzeichnung und -modell cf. J. Lanyi, »Quercia-Studien«, Jahrbuch für Kunstwissenschaft, r93o, pp. 25—63 (43— 59); Wackernagel, op. cit., pp. 320—323 (cf. Zeitschrift für Kunstgeschichte, IX, 1940, p. 78); H. Keller, »Die Bauplastik des Sieneser Doms«, Kunstgeschichtliches Jahrbuch der Biblioteca Hertziana, I, !937) ΡΡ· Γ 3 9 — m (198—216); id., Orvietaner Domopera, op. cit.; id., »Bildhauerzeichnung«, Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte, II, Stuttgart, r948, coli. 625—639; id. und A. Ress, »Bozzetto«, ibid., coli. ro8i—Γ098. Oertel, Frühzeit, op. cit., p. 70.
N o d i bis zum Ende des Quattrocento diente offenbar »zur Planung und Veransch.aulidiung größerer und komplizierterer Innenräume . . . ausschließlich das Modell. Erst u m 1500 mehren sich die Anzeichen dafür, daß nunmehr auch das gezeichnete Raumbild an seine Stelle treten konnte« 4 7 3 . Die
praktische
D u r c h f ü h r u n g
des
Entwurfs
Die weitere Planung und Vorbereitung eines Bauvorhabens und der eigentliche Bauvorgang selbst vollziehen sich nach Filaretes Erzählung i n den folgenden Etappen: r. Wahl des Bauplatzes (lib. II, fol. i r v — 1 3 t : Reise in das T a l »Inda«; lib. XII, fol. 8gr— 93r: Reise nach dem Hafenplatz). — 2. Erkundung geeigneter Baumaterialien (lib. III, fol. i9r — 2 i v : Ertrag des Tales »Inda« an Baustoffen,· lib. X V , fol. r r o v — i i 2 v : Reise im T a l des »Ombrone«; fol. i r 6 r — i r 9 r : Reise nach dem Bauholz; lib. XVI, fol. 125Γ—128Γ: Reise nach einem Eisenwerk). — 3. Berechnung der nötigen Materialien und der Arbeiterzahl; Aufstellung eines genauen Kostenanschlags (lib. IV, fol. 21V—23t). — 4. Bestellung und Heranschaff u n g der Materialien,· Herstellung der Backsteine, Quadern und einzelnen Werkstücke (lib. IV, fol. 24V; lib. V, fol. 33v—34t; lib. VIII, fol. éar). — 5. Planung der Arbeitsorganisation; Rekrutierung der Arbeiter und Meister (lib. IV, fol. 23r—24V). — 6. Bestimmung des Termins und Entwurf der Feierlichkeiten f ü r die Grundsteinlegung (lib. IV, fol. 24V—26r). — 7. Herstellung des Schnurgerüsts (lib. IV, fol. 26V; lib. VI, fol. 40V, 44Γ; lib. XIV, fol. ioir), nach Einebnung des Geländes bei Berglage (lib. XIII, fol. 97V). — 8. Grundsteinlegung (lib. IV, fol. 26V; lib. VI, fol. 40V—4rr ; cf. lib. XI, fol. 83V: Bericht v o n der Grundsteinlegung des Mailänder Hospitals). — 9. Ausführung der Aushub- und Fundierungsarbeiten (lib. IV, fol. 27r— 27V; Hb. V, fol. 3sr—35V; lib. VII, fol. 47V—49r ; lib. IX, fol. 661 ¡ lib. XI, fol. 79r—79V; lib. XIII, fol. 94V—95V; lib. XXI, fol. 169V—r7or und passim). — ro. Hochführung der Mauern (lib. IV, fol. 28V—29V; lib. VI, fol. 39V, 4rr—42V; lib. XIII, fol. 97V—99V und passim). — 1 1 . Anbringung der plastischen und malerischen Dekoration und der Inschriften (passim). — 12. Beendigung der Arbeiten; Entlohnung der Arbeiter; Feste (lib. V, fol. 37r—37V). Diese Phasen der Planung und Realisierung werden mehr oder minder ausführlich beschrieben. Filaretes Darstellung hat dabei jedoch vielfach rein utopischen Charakter (so besonders in den Schilderungen der idealen Bauplätze, der bis ins Letzte rationalisierten Arbeitsorganisation, des Gründungsrituals, der raschen Vollendung der Arbeiten), so daß diese Dinge besser i m Rahmen einer Untersuchung von Filaretes Idealstadtgedanken zu besprechen sind 4 7 4 . Lediglich zu einigen Einzelheiten seiner Baupraxis mögen hier einige Anmerkungen folgen: Filaretes Beschreibung der Bauplätze von »Sforzinda« und »Plusiapolis« sind zu vergleichen mit den Anweisungen Vitruvs (1,4) und Albertis (De re aed., 1,2—5) über die Wahl gesunder Orte. Das T a l »Inda« erfüllt alle Forderungen Vitruvs (1,6) bezüglich der Vermeidung schädlicher Winde: »II sito ch'io h o visto si è che a m e pare che questa città sia ben posta. Il luogo salubre, cioè sano e anche fertile e ameno al vivere umano, si è questo il quale al presente ti discriverrò: Ell'è una valle, circundata da monti. E dalla parte mediana e' monti sono più alti in modo che quello vento il quale si chiama Austro, nè A f f r i c o nè Notto, non gli possono offendere. Euro, Subsolano, Vulturno ancora è assai diffesa pe'rispetto de'monti orientali. Le parti occidentali sono alquanto più basse. Zephiro e Circio e Fauonio assai temperatamente ci spirano. Maisì che la parte settantrionale Borea con Aquilone ed Eurus pure alquanto a certi, tempi con più ardire la vicitano che nessuno degli altri« (lib. II, fol. irv). D a 473
Lötz, Raumbild, op. cit., p. 201 ; cf. jedoch Ackerman, Practice, op. cit., pp. 8—9.
474
Cf. Müntz, Histoire, op. cit., pp. 379— 380; Staatsmann, op. cit., II, pp. r38— 140.
163
das Land auch ungemein frachtbar ist, befindet sich der Architekt nicht in der Verlegenheit des Dinokrates (lib. XIII, fol. 96V; cf. Vitruv, II, praef. 1—4). Was über Kostenberechnung, Materialbeschaffung und Verdingungswesen (Taglohn und Akkordverdingung!) zur Sprache kommt, verrät im wesentlichen keine Entfernung von mittelalterlichen oder quattrocentesken Praktiken 475 . Auffallend ist die Ausführlichkeit, mit der Filarete Fragen der Fundierung erläutert. Die theoretische Begründung hierzu findet sich in Buch VII: Eine solide Fundierung garantiert die »eternità« des Bauwerks (cf. Vitruv, I, 3. 2): »Alla eternità imprima noi caveremo uno fosso« (fol. 47r). Daß es sich hier nicht nur um die Rezeption eines Grandsatzes antiker Bauweisheit, sondern auch um Kritik an mittelalterlichen und gegenwärtigen Nachlässigkeiten handelt, wird klar, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die Fundierung wirklich der »schwache Punkt gotischen Konstruktionsvermögens« gewesen war: Die meisten Bauschäden und Einstürze gotischer Großbauten gingen auf mangelhafte Fundamentausführung zurück"®. Interessant sind in diesem Zusammenhang vor allem die Bemerkungen über Gründungen im Wasser, die Filarete in seinem dem Brückenbau gewidmetem Buch (XIII; cf. auch XXI) mitteilt. Gründungen im Wasser hatten während des ganzen Mittelalters eine große Rolle gespielt; man kennt eine Vielzahl von Bauten, die auf Pfahlrosten stehen. Die »Unterweisung« Lathers enthält eine anschauliche Schilderang, wie man bei derartigen Pfahlgründungen vorzugehen pflegte. »Selbstverständliche Vorbedingung für die Haltbarkeit einer solchen Pfahlgründung war stetige Lage im Wasser. Sollte der Grundwasserspiegel absinken, so war die Gefahr des Luftzutrittes und damit der Fäulnis gegeben« 477 . Hierüber ist sich auch Filarete im klaren. Im übrigen beschreibt er nicht (wie Lacher) die geläufige Gründung auf Pfahlrosten, sondern einmal eine selbsterdachte Methode und zum andern das (verwandte) »Spundwandverfahren« der Venezianer: »Ma dimmi: il fondamento, come fai tu che stia forte e che sia durabile che per piena neanche per altro venissi a mancare? — . . . Io voglio ordinare certe casse di legname, le quali saranno fatte in questa forma: Sarà l'uno per uno verso braccia quattordici e pell'altro ventiquattro. E queste bisogna che sieno di buono legname, il quale sgonfi all'acqua, acciò sta ben serrato. E perchè ancora non abbia cagione di doversi smuovere, io le farò in più luoghi punte di ferrer, come si fa a una saracinesca, acciò si ficchi nel fondo del fiume. — . . . E non averanno fondo? — Signor, no . . . Quando l'aremo messa nell'acqua, quelle punte si ficcheranno qui nel fondo . . . — Ben, piacemi. Ma come farai a metterle giù? — . . . Imprima avere due navi e faccisi su uno castello di legname . . . E quando . . . l'arò messa giù, io farò votare tutta l'acqua che sarà dentro nella cassa. E votata quanto sarà possibile, io vedrò il suo fondo e farò cavare. Se troverrò buono fondo da potere fondare, io lo farò, se non, farò ficcare pali nel fondo e dall'uno palo all'altro in quel vano farò mettere scaglia di pietra, in modo saranno bene serrate, secondo si fa a Vinegia ne'fondamenti (fig. Magi. ir6, 119). — Che, fanno a questo modo i Viniziani? — Signor, sì. — Molte casse debbono volere, essendo dentro nell'acqua. — Signore, loro non fanno casse in questa forma, ma ficcano pali dilunga l'uno dall'altro uno braccio. E poi ficcano asse di là e di qua, quanto vogliono fare grosso il fondamento. E poi votano l'acqua che è in mezzo di queste casse, e in qual mezzo ficcano i pali. E poi, fitti che gli hanno, mettono quelle scaglie o vuoi dire rompiture di pietre. E poi disopra mettono pietre vive per infino sopra dell'acqua. E disopra murano die pietre cotte comunemente. — E di che legname fanno questi pali che sieno buoni e durabili? — Ecci parecchi ragioni di legnami che durano sempre sotto l'acqua. Ma se parte ne sta sotto e parte che vegga l'aire, si marcisce« (lib. XIII, fol. 94V —95r; v. p. 135)· Eingehend ist von Brannenanlagen die Rede; Buch XXI gibt Anweisungen, wie man audi 475
Cf. Booz, op. cit., pp. 23—25.
476
Id., ibid., pp. 87—88.
164
477
Id., ibid., pp. 88—89.
in Venedig Keller und Zisternen anlegen könne (fol. i7or). Die verschiedenen Arten des Mauerverbands werden gleichfalls erwähnt (cf. Vitruv, II, 8), wobei vor allem, auffällt, daß die Idee der Verlegung der Treppen in die Hohlräume doppelschaliger Mauern für Filarete eine ganz besondere Faszination gehabt haben muß, da er immer wieder auf diesen Einfall zurückkommt. Brunelleschis
Praxis
Die Untersuchung der Voraussetzungen und Quellen der »Baupraxis« Filaretes muß sich auf die mit der Verwendimg von Zeichnungen und Modellen zusammenhängenden Probleme beschränken. Die vorangegangene Analyse hat ergeben, daß Filaretes Planverfahren vor allem durch zwei Prinzipien charakterisiert wird: i. durch die systematische Verwendung von Architekturzeichnungen und Architekturmodellen zur Verwirklichung und Veranschaulichung eines Baugedankens; 2. durch das Operieren mit maßstäblichen Plänen und Modellen, insbesondere durch die Anwendung eines arithmetischen Maßstaboder Koordinatennetzes. Mit der Feststellung, daß keines dieser Werkverfahren genetisch aus der mittelalterlichen Baupraxis abgeleitet werden kann, ist die Aufgabe gestellt, die Ausgangspunkte der Filarete'schen Methode in anderen Bereichen zu suchen. Der gegenwärtige Standpunkt der Forschung zur Baupraxis des Quattrocento478 wird dadurch gekennzeichnet, daß er auf mindestens drei Hypothesen beruht, die als Tatsachen hingenommen werden. Man setzt voraus: ι. Filaretes Theorie reflektiere die normale Praxis florentinischer Quattrocentobaumeister; 2. diese Praxis sei identisch mit den Arbeitsmethoden Brunelleschis, wie sie aus dessen erster, anonymer Biographie zu rekonstruieren sind. "Regardless of its humanist gloss and superficial resemblance to its prototypes ( = Traktate Vitruvs und Albertis), it ( =
die
Filaretes Buch) gives nothing more (or less) than a
fairly accurate reflection of the architectural practice of Brunelleschi and other early Renaissance architects" 4 7 9 .
3. Filarete und »Brunelleschi-Vita« seien daher äquivalente Dokumente, aus denen »die« Baupraxis des XV. Jahrhunderts erschlossen werden könne. Schon aus methodologischen Gründen ist keiner dieser Schlüsse — am wenigsten natürlich der dritte — annehmbar: Da aus dem frühen und mittleren Quattrocento allein die persönlichen Methoden Brunelleschis, Albertis und Filaretes literarisch überliefert sind, kann in erster Linie nur das konkrete Abhängigkeitsverhältnis zwischen Brunelleschis »Praxis« und den »Theorien« Albertis bzw. Filaretes untersucht werden. Einen Zusammenhang zwischen den Prinzipien Filaretes und den Bestrebungen des »Filippo di Ser Brunellesco, cittadino fiorentino, famoso e degnissimo architetto e sottilissimo imitatore di Dedalo« (lib. Vili, fol. 591), zu vermuten, ist in mehrfacher Hinsicht naheliegend. Hatte sich doch im Wirken Brunelleschis, namentlich in seiner 478
Cf. zuletzt Saalman, Theory, op. cit.
479
Id., ibid., p. 89. 165
genialen Lösung des Problems der Florentiner Domkuppel, zum ersten Male der »Rangunterschied dessen, dem das Genie und die >scientia< zu Gebote stehen, audi gegenüber den tüchtigsten und glänzendsten Handwerksmeistern vor aller Augen abgezeichnet« (v. pp. 33 ss.). Vor allem Brunelleschis Bestreben, einen Bau in Plan und Ausführung unter ein bestimmtes Grundgesetz zu stellen, entspricht durchaus den Idealen Filaretes: »Damit nicht jeder der Bauleute dieses Grundgesetz nach seinem Gutdünken auslegen könne, mußte es so sinnenfällig einfach, klar und folgerichtig sein, daß jeder Laie es begriff und ein Verstoß dagegen den gesunden Menschenverstand herausfordern mußte«480. Während aber Filarete diese Eigenschaften vor allem in der maßstäblichen, quadrierten Planzeichnung sah, fand sie Brunelleschi offenbar in den Elementen der Geometrie, d. h., er entschloß sich zu jenem Verfahren, das es ermöglichte, aus einem einmal gewählten Grundmaß alle weiteren Dimensionen eines Bauwerks zu entwikkeln 481 . Es wurde schon hervorgehoben, daß bei konsequenter Verfolgung dieses Prinzips grundsätzlich auf die Verwendung zeichnerischer oder plastischer Gesamtentwürfe und -pläne verzichtet werden konnte. Die Architekten der transalpinen Gotik hatten dies meisterhaft verstanden. Gerade aus der Praxis Brunelleschis ist aber zu ersehen, daß im Florenz des Quattrocento ein solches Verfahren anscheinend doch nur so lange die alte Ungewißheit und Anarchie im Baubetrieb verhindern konnte, als der entwerfende Meister die Ausführung seiner Werke persönlich zu überwachen in der Lage war. Mit Recht führt Manettis (?) »Vita« die allgemein bekannten Komplikationen, die nach dem Tode Brunelleschis bei der Vollendung seiner Schöpfungen auftraten, auf das Fehlen exakter Planzeichnungen und Modelle zurück. Da Brunelleschis Praxis sich gerade in diesem entscheidenden Punkt von der Theorie Filaretes unterscheidet, kommt sie als primäre Voraussetzung derselben nicht in Frage. Bei der Planung von S. Spirito legte Brunelleschi der Baubehörde zunächst eine Grundrißzeichnung (»un disegno insul quale erano fondamenti«) vor ; den Aufriß (»com'egli riuscirebbe rilevato«) erklärte er nur mündlich (»a bocca«). Erst nach der Entscheidung der Auftraggeber erhielt er den Auftrag zur Anfertigung eines Holzmodells. Bei anderen Planungen (Casa Barbadori, Palazzo di Parte Guelfa, Spedale degli Innocenti, auch S. Lorenzo) verzichtete er völlig auf Modelle »ed a bocca di mano in mano diceva agli scarpellini e maestri di cazzuola, quello ch'egli avessono a fare« 482 . Der Plan für das »Spedale« war den Werkmeistern nur durch die mündlichen Erklärungen Brunelleschis verständlich; kaum ist er für einige Zeit abwesend, ergeben sich sofort »più mancamenti principali e molti evidenti, da quel disegno discrepanti«483. Sein Modell für S.Maria degli Angeli muß so ungenau gewesen sein, daß man nach Brunelleschis Tod nicht einmal mehr feststellen konnte, »come sia adattata la cappella maggiore nel coro«484. Diese summarische Ausführung seiner Modelle erwähnt die Biographie mit Nachdruck: »La nature, l'usanza, die dirò meglio, di Filippo, poi ch'egli ebbe qualche 480 481 482
Förster, op. cit., pp. 60, 64—65. Cf. Saalman, Theory, op. cit., pp. 92—94. Manetti, ed. cit., pp. 72—73; cf. ibid., pp. 56—57, 78—79·
166
483 484
Id., ibid., pp. 56—57. Id., ibid., p. 61.
anno fatto sperienza di molte cose intorno al fatto della architettura, era, che i modegli ch'e' faceva per gli edificij che gli occorrevano, e'gli faceva, che intorno a'fatti delle simetrie poco v'appariva, ma attendeva solamente a fare fare le mura principali, alla rispondenza di qualche membro, sanza ornamenti, o modo di capitelli, o d'architravi, fregi e cornici ec. per che con l'arme sue medesime gli era dipoi dato di molte noie e rincrescimenti, non intendendo molti il tutto, facendosi molti belli delle cose sue. E per questa cagione, el modello del tempio degli Agnoli, fatto pel muramento, fu in questo modo e cosi quello di Santo Spirito«485. »Era dunque uso del Brunellesco di dare solo indicazioni approssimative, riservandosi di impartire le necessarie disposizioni a voce, via via che progredivano i lavori di costruzione: conferma a questo si ha nel fatto die non solo dopo la sua morte sorsero lunghi contrasti e discussioni su come dovevano essere continuate le opere rimaste incompiute, ma furono anche possibili, lui vivente, interpretazioni errate nelle sue fabbriche, quando egli dovette, per qualche ragione, assentarsi dai lavori, come avvenne per il portico degli Innocenti«488. Ungeachtet dieser Unterschiede im Planverfahren gibt es doch auch wieder gewisse Berührungspunkte (außer den oben genannten gemeinsamen Idealen) zwischen Filaretes Theorie und Brunelleschis Praxis, die sogar als genetische Beziehungen aufgefaßt werden können. Da ist einmal die Funktion der Handzeichnung, die in Filaretes Plansystem eine schlechthin universelle Rolle spielt, während sie für Brunelleschi doch wenigstens insofern von Bedeutimg gewesen sein muß, als er sich (falls dem Zeugnis der »Vita« zu vertrauen ist] mit Hilfe von Zeichnungen seine Vorstellung von der antiken Architektur erarbeitet hatte: Brunelleschi (und Donatello) »levassono grossamente (!) in disegno quasi tutti gli edifici di Roma . . ,«487. Zweitens: Zwar handelt es sich bei Branelleschis berühmten Perspektiven des Baptisteriums und der Piazza della Signoria488 »nicht um Architekturzeichnungen im engeren Sinn, d. h. sie dienen weder der Planung, Ausführung oder Veranschaulichung eines Bauvorhabens, noch war es Brunelleschis Absicht, Bauten um ihrer selbst willen, gleichsam als Beispiele vorbildlicher Architektur, darzustellen«489. Trotzdem bedeuten diese Ansichten eine wichtige Station auf dem Weg zu jener Erfassung architektonischer Gesamtsituationen mit Hilfe der Zeichnung, wie sie Filarete in Text und Illustration seines Traktats vor Augen führt. Verfolgt man diesen Weg weiter zurück, so stößt man auf die Architekturdarstellungen des Trecento: Die Malerei unter Giottos Führung hatte neue Methoden ausgebildet, um Bauwerke zur Darstellung zu bringen, und diese haben die italienische Baukunst des Trecento maßgeblich beeinflußt. Kennzeichnenderweise ist auch die dem Giotto zugeschriebene Pergamentzeich η ung des Florentiner Campanile (Siena, Museo dell'Opera del Duomo) in genauerem Sinne kein Bauriß, sondern »ein Abbild, ein Malwerk, das nicht aus einem konstruktiven Schema entwickelt wurde, sondern aus den Erfahrungen des Malers im Bereich des Sichtbaren und des Darstellbaren erwachsen konnte«480. Die Lehren
Albertis
Für die so auffallende Methodik der Filarete'schen Bauplanung gibt es nur eine Voraussetzung: die Theorie des Alberti. Nahezu alle Prinzipien Filaretes lassen sich aus ihr ableiten und besser verstehen. 486 486
487
Id., ibid., p. 72. U. Procacci, »Di un disegno del tempio degli Angioli attribuito al Brunelleschi«, Rinascimento, IV, 1953, pp. 227—231 (230). Manetti, ed. cit., p. 20.
488
489 490
Id., ibid., pp. 9-13; cf. dazu die p. 176, η. 5 3 Ο; angeführte Literatur. Lötz, Raumbild, op. cit., p. 193. Braunfels, Stadtbaukunst, op. cit., p. 229; cf. Paatz, Trecento-Architektur, op. cit., pp. 131—135· 167
Vor allem stammt zweifellos der Gedanke der Trennung von Entwurf und Ausführung und vom Vorrang des ersteren (v. pp. 123 s.) von Alberti: Nach Albertis Lehre setzt sich die Baukunst aus den »Rissen« und der Ausführung zusammen (De re aed., I,i; cf. praef.). Die Risse werden als der grundlegende, künstlerisch maßgebende und vornehmere Teil der Architektur (also übereinstimmend mit Filaretes Wertordnung) ausführlich behandelt; die Form der Gebäude wird in ihnen »zeichenhaft und abgelöst von jeder Materie vorwegbegriffen« (G. Soergel). »Die vornehmliche Tätigkeit des Baukünstlers stellt sich somit als eine vollkommene Abstraktion von der materiellen Ausführung dar« 491 . Filarete konnte dieses Prinzip auch in Albertis Malereitraktat niedergelegt finden. Alberti spricht dort von »concepti« (!) und »modelli«, d.h. skizzenhaften und sorgfältig ausgeführten Entwürfen, die der Ausführung eines Gemäldes voranzugehen hätten: »Et quando aremo a dipigniere storia, prima fra noi molto penseremo qual modo et quale ordine in quella sia bellissima,· et faremo nostri concepti et modelli di tutta la storia et di ciascuna sua parte prima et chiameremo tutti li amici a consigliarci sopra adciò. Et cosi ci sforzeremo avere ogni parte in noi ben pensata, tale che nella opera abbi ad essere cosa alchuna quale noi intendiamo ove et come debba essere fatta et conlocata«492. — Jedoch scheint dies »mehr eine theoretische Forderung gewesen zu sein als der Ausdruck eines schon allgemein verbreiteten Brauchs. Cennini hat vom Bildträger losgelöste Vorzeichnungen noch nicht gekannt«493. Besonderen Nachdruck legt Alberti daher auf eine systematische und sorgfältige Werkvorbereitung durch Zeichnungen und Modelle. Eine Anführung der wichtigsten einschlägigen Stellen seines Architekturtraktats ist unerläßlich, um die Ubereinstimmungen mit Filaretes Grundsätzen einzusehen: »Oft und viel muß man vorher nachsinnen und überlegen und mit Maßstäben, Tabellen, allen möglichen anderen Sachen und Modellen den ganzen Bau und die einzelnen Teile desselben vorher durcharbeiten, weil man hierbei noch ohne Nachteil etwas hinzufügen oder weglassen und sehen kann, welcher Art, wie beschaffen und wie groß das Haus werden wird, damit es dich nicht am Ende, wenn alles fertig ist, gereue und du sagst: Das hätte ich nicht wollen und das hätte ich lieber wollen . . . Deshalb werde ich immer den Brauch der alten tüchtigen Baumeister gutheißen, nicht nur durch Pläne und Zeichnungen, sondern auch an der Hand von Modellen aus Holz oder aus was immer, das gesamte Bauwerk und die Maße jedes einzelnen Gliedes nach den Ratschlägen der gewiegtesten Fachleute immer und immer wieder genau abzuwägen. Und zwar sollen sie vorher geprüft werden, bevor du etwas anderes in Angriff nehmen wirst, was Kosten und Mühe erfordert. Die Modelle sollen aber so ausgeführt sein, daß man die Lage der Gegend, den Umfang der Grundfläche und die Zahl und Anordnung der Teile, die Ansicht der Wände, die Stärke der Decken und schließlich die Art und Durchbildung alles dessen, was ich im vorigen Buche behandelt habe, aufs deutlichste ersehen und betrachten kann. Hier kann man auch ungestraft vergrößern, verkleinern, ändern, erneuern und gänzlich umgestalten, bis alles ordentlich zusammenstimmt und Beifall findet. Dazu kommt, daß man Art und Höhe der Kosten, was man nicht im geringsten vernachlässigen soll, genauer bestimmen kann durch Breite, Höhe, Dicke, Zahl, Umfang, Gestalt, Art und Qualität der einzelnen Dinge, indem man ihren Wert und den der Handarbeit schätzt. Denn man wird von den Säulen, Kapitellen, Basen, Gesimsen, Giebeln, Verkleidungen, Fußböden, Statuen und dergleichen, was sich entweder auf den Bau oder auf die Aus491
168
D. Frey, Bramantes St. Peter-Entwurf, op. cit., p. 87.
492 493
Alberti, Pittura, ed. cit., p. 112. Oertel, Wandmalerei, op. cit., p. 252.
schmückung der Häuser bezieht, Art und Summe deutlicher und genauer erhalten. Auch glaube ich, darf idi keineswegs unerwähnt lassen, was sehr wichtig ist, daß nämlich auf Glanz hergerichtete und sozusagen durch das Lockmittel der Malerei aufgeputzte Modelle vorzuweisen nicht das Vorgehen eines Architekten ist, der die Sache genau auseinanderzusetzen bestrebt ist, sondern eines selbstsüchtigen, der es versucht, Beschauern die Augen auszuwischen, ihre Aufmerksamkeit aber von einer eingehenden Untersuchung der zu prüfenden Teile ab- und der Bewunderung seiner Person zuzuwenden. Deshalb soll man keine kunstvoll ausgeführten, ausgefeilten, ins Auge fallenden, sondern schlichte und einfache Modelle zu machen, an denen du den Geist des Erfinders, nicht aber die Hand des Verfertigers bewunderst. Zwischen der Zeichnung eines Malers und der eines Architekten ist der Unterschied, daß jener die Vorsprünge aus dem Bilde durch Schatten sowie durch verkürzte Linien und Winkel ersichtlich zu machen bestrebt ist. Der Architekt läßt die Schatten beiseite und verzeichnet die Vorsprünge hier im Grundplane. Die Aufteilung und die Ansichten der Haupt- und Seitenfronten zeigt er auf anderen Blättern mit bestimmten Linien und wahren Winkeln, wie einer, der seine Pläne nicht für perspektivische Ansichten gehalten wissen will, sondern für Zeichnungen in bestimmten und giltigen Maßen. So sollen auch die Modelle ausgeführt sein, und man soll sie selbst und im Verein mit anderen prüfen und immer wieder genau betrachten, daß hernach, beim Bau auch nicht das Geringste vorkommt, von dem man keine Kenntnis hätte, was es ist und wie es ist, wo es hingehört, wieviel Raum es einnimmt und wozu es nötig ist« (De re aed., II, i). — »Erwäge alles . . . und zugleich ziehe Fachleute zu Rate, indem du von deinen Modellen Kopien machen läßt. An diesen geh, bitte, zweimal, dreimal, viermal, siebenmal, ja zehnmal mit Unterbrechungen und zu verschiedenen Zeiten alle Teile des zukünftigen Bauwerks durch, bis es von den untersten Wurzeln bis zum obersten Ziegelstein nichts Unbekanntes, nichts Offenbares, nichts Großes und nichts Kleines am ganzen Bauwerk geben wird, von dem du nicht lange und oft vorher erwogen, festgesetzt und bestimmt hast, mit welchen ¡Mitteln, an welchen Stellen, nach welcher Ordnung es am besten versetzt, angeschlossen und zugerichtet werden soll und kann« (De re aed., IX, 8). — »Was es alles an Bauwerken gibt, an allen Orten, welche nach der Meinung und dem übereinstimmenden Urteil der Leute sich bewähren, wird er (sc. der Architekt) auf das eingehendste betrachten, abzeichnen, ausmessen und will deren Modelle und Kopien besitzen . . .« (De re aed., IX, ro). — »Von mir gestehe ich, daß mir des öfteren viele Bauentwürfe in den Sinn gekommen sind, die mir dann erst in höherem Maße gefielen, wenn ich sie zu Papier brachte. Ich fand sogar in jenem Teile, der mich am meisten entzückt hatte, tadelnswerte Irrtümer. Als ich dann wieder die Zeichnung betrachtete und mit Zahlen zu messen begann, erkannte ich meine Unachtsamkeit und widerlegte sie. Hatte ich schließlich hiervon Modelle und Kopien hergestellt, da kam es mir manchmal beim Durchgehen aller Einzelheiten vor, daß ich mich darauf ertappte, daß ich mich auch in den Zahlen getäuscht hatte« (De. re aed., IX, io) 494 . Die Funktion des Architekturmodells ist bei Alberti die gleiche wie bei Filarete: beide sehen in ihm ein Hauptmittel zur Erfassung, Prüfimg, ständigen Verbesserung und Veranschaulichung der Gesamtwirkung und der Einzelheiten eines Baugedankens; beide benutzen es auch zur Berechnung der Maße und Kosten des zu realisierenden Werks. Sowohl Modelle wie Zeichnungen sollen nach Alberti streng und einfach sein, alles Malerische vermeiden. Auch diese Forderung kehrt bei Filarete wieder, wenn er sagt: » . . . molti vogliono parere di sapere e, mostrandogli (se. al padrone) in disegno 494
Zitiert nach Theuer, op. cit., pp. 67—70, 511, 516, 519. 169
ima cosa che pare che abbi fatta lui proprio, e lui sarà andato a uno dipintore a farla disegnare e dipignere« (lib. X V , fol. i i 5 r ; v. p. 32). Alberti weiß, daß architektonischen Planzeichnungen die Perspektive gefährlich ist. Deshalb will er die Angabe des Plastischen (»prominentias ex tabula«), die der Maler »umbris et lineis, et angulis comminutis« darstellt, nur im Grundriß (»ex fundamenti descriptione«) zulassen: die Ansichten der Fronten (»figurae frontis cuiusque et laterum«) und des Inneren (»spatia«) dürfen nicht in Verkürzung gezeigt werden, d. h., sie sollen nichts enthalten als den objektiven Bestand der Proportionierung495. Die so merkwürdige Unterdrückung der Perspektive in der Mehrzahl der Traktatillustrationen Filaretes (v. p. 1 5 1 ) findet von diesem Postulat Albertis her eine Erklärung (obgleich dieses sich ja wohl nur auf echte Werkzeichnungen bezieht). Endlich wird auch Albertis epochemachender Grundsatz, den Plan eines Gebäudes in (wenigstens drei) gesonderten Projektionen darzustellen (nämlich nach Grundriß, Aufriß und Schnitt), durch die Zeichnungen Filaretes weitgehend verwirklicht. Es ist überaus wichtig, "that the method, first clearly outlined by Alberti : plan, orthogonal elevations and section, but excluding perspectives as a primary tool, began to be practically accepted only at the beginning of the sixteenth century when the old architectural system no longer functioned effectively. The so-called Castiglione letter of rsi9 to Leo X . . . 4ββ is, after all, nothing else than . . . a correct translation and interpretation of the Alberti passage, made by a man for whom the problem of developing more effectual means of architectural representation to meet the needs of a changing architecture was no longer a matter of theoretical interest but of pressing everyday necessity on the building site of New St. Peter's. Alberti was, as usual, fifty years ahead of his time" 49T . Maßstäbliche
Pläne vor
Filarete
Die historische Bedeutung des Auftretens maßstäblicher Pläne und Modelle in Filaretes Traktat kann nicht überschätzt werden. Sie wird weder durch die Tatsache abgeschwächt, daß der Norden etwa gleichzeitig mit der theoretischen Durchdringung des Phänomens der maßstäblichen Vergrößerung beginnt, noch durch den Umstand, daß in Italien schon vor Filarete einige wenige maßstäblich genaue Pläne überliefert sind. Ähnlich wie Filarete beschreiben das spätgotische Architektur-Musterbuch der Albertina (MS. Cim. VT, 55, fol. 60, 67,71) um die Mitte des XV. Jahrhunderts und Lorenz Lacher r$r6 (aber wohl auf eine ältere Quelle zurückgehend), wie man aus einem »alten« einen verjüngten Maßstab durch sukzessives Unterteilen des gebräuchlichen Werkschuhs gewinnt. »Jedoch fehlte den gotischen Rissen eine arithmetische Maßstabskala, weil der >junge< Schuh nur die >Grundlein< oder Ausgangsstrecke für einen geometrischen Schlüssel befestigte, mit dessen Hilfe die Zeichnung in beliebige absolute Größen übersetzt werden konnte« 498 . 495
496 497
170
Cf. Liniert, op. cit., pp. 142—143; Lötz, Raumbild, op. cit., p. r94 ; Saalman, Theory, op. cit., p. ros. Cf. Raffaello, ed. cit., pp. 60—62. Saalman, Theory, op. cit., pp. ros—106;
498
cf. Förster, op. cit., pp. r70—172; Lötz, Raumbild, op. cit., pp. 2r3—2r6. Soergel, op. cit., pp. 49—50 (mit Literaturhinweisen); cf. Booz, op. cit., pp. 75— 79·
Der älteste zweifelsfreie Nachweis eines maßstäblichen Entwurfs in Italien bezieht sich auf ein Modell für S. Petronio in Bologna von 1390; der erhaltene Vertrag gibt auch das maßstäbliche Verhältnis zum geplanten Bau selbst499. Das berühmte, vermutlich ^89 in Mailand angefertigte kotierte Blatt des Antonio di Vincenzo600 mit der Wiedergabe von Grundriß und Querschnitt des Mailänder Domes ist "a particular case of an architect's 'taking notes' for another project" 501 . Was die von der »Brunelleschi-Vita«502 überlieferte kotierte (?) Aufrißzeichnung (»disegno a punto misurato a braccia piccole«) Brunelleschis für das Findelhaus in Florenz betrifft, so läßt — wie bei Filarete — die Formulierung des Textes darauf schließen, »daß es sich um etwas Ungewöhnliches handelte,· dies geht auch daraus hervor, daß die ausführenden >maestri di murare e scarpelliniwissenschaftlichsymbolische FormDivina Proporzione< nell'architettura del primo Rinascimento«, Il mondo antico nel Rinascimento (Atti del V Convegno Internazionale di Studi sul Rinascimento), Firenze, 1958, pp. 253—263. Annali della fabbrica del Duomo di Milano dall'origine fino al presente, I, Milano, 1877. Armoni, Α., »Filarete«, Enciclopedia Italiana (Fondazione Treccani), XV, Roma, 1932, pp. 260—261. — L'edificio sforzesco dell'Ospedale Maggiore di Milano e la sua rinascita (Memorie del R. Istituto Lombardo di Scienze e Lettere, ser. III, vol. XXV, fase. I), Milano, 1941. Argan, G. C., "The Architecture of Brunelleschi and the Origins of Perspective Theory in the Fifteenth Century", Journal of the Warburg and Courtauld Institutes, IX, 1946, pp. 96 —121. — Brunelleschi (Biblioteca Moderna Mondadori), Milano, 1935. — »Alberti«, Dizionario Biografico degli Italiani, I, Roma, i960, pp. 709—713. Arslan, E., »L'architettura milanese nella seconda metà del Quattrocento«, Storia di Milano (Fondazione Treccani), VII, Milano, 1956, pp. 599—690. Assunto, R., La critica d'arte nel pensiero medioevale, Milano, 1961. Astolfi, C., »Su la storia e le iscrizioni del reliquiario donato a Montalto da Sisto V«, Arte e Storia, XXIX, r9io, pp. 65—72. — »Sul Filarete e il reliquiario di Montalto. Nuovi importanti documenti«, ibid., pp. 139 —142. Aubert, M., »La construction au moyen-âge«, Bulletin Monumental, CXVIII, i960, pp. 241— 259, CXIX, 1961, pp. 7—42, 81—120. Babinger, F., »Maometto II, il Conquistatore, e l'Italia«, Rivista Storica Italiana, LXIII, 1951, pp. 469—505. — Mehmed der Eroberer und seine Zeit, München, 1953. Baldinucci, Filippo, Vocabolario toscano dell'arte del disegno, Firenze, 1681. — Notizie de'professori del disegno da Cimabue in qua, Firenze, 1681—1728,2 ed., 1767—1773. 178
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