Die Annäherung Peking-Washington und ihre Wirkungen auf Osteuropa / Das Antwortverhalten der Sowjetunion [1]


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1. Die Phase des zurückhaltenden Taktierens .... * 2
2. Erste publizistische Offensive und Vorbereitung
diplomatisch-politischer Gegenaktionen
innerhalb und außerhalb der sozialistischen
Staatengemeinschaft . . . . . . . . . 5
3. Diplomatisch-politische Gegenzüge . . . . . . . . 8
4. Positionsbestimmung gegenüber den USA
und der VR China . . . . . . . . . . . . . . . . 13
5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
ANMERKUNGEN . . . . . . . . . . . . . . . 22
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Die Annäherung Peking-Washington und ihre Wirkungen auf Osteuropa / Das Antwortverhalten der Sowjetunion [1]

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pEmbHtE DES BUNDESINSTITUTS FÜR OSTWISSENSCHAFTLICHE UND INTERNATIONALE STUDIEN

DIE ANNÄHERUNG PEKING-WASHINGTON UND IHRE WIRKUNGEN AUF OSTEUROPA

Teil 1: Das Antwortverhalten der Sowjetunion

Erik v. Groeling / Christian Meier

KÖLN LINDENBORNSTRASSE 22

INHALT

Seite

1. Die Phase des zurückhaltenden Taktierens

.... * 2

2. Erste publizistische Offensive und Vorbereitung diplomatisch-politischer Gegenaktionen innerhalb und außerhalb der sozialistischen Staatengemeinschaft . . . . . . . . .

5

3. Diplomatisch-politische Gegenzüge . . . . . . . .

8

4. Positionsbestimmung gegenüber den USA und der VR China . . . . . . . . . . . . . . . .

13

5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

ANMERKUNGEN

22

.....

. . . . . . . . . .

August

1971

Die Meinungen, die in den vom BUNDESINSTITUT FÜR O S T WISSENSCHAFTLICHE U N D INTERNATIONALE STUDIEN herausgegebenen Berichten geäußert werden, geben ausschließlich die Auffassung des Autors wieder. Abdruck - auch auszugsweise - nur mit Quellenangabe und vorheriger Genehmigung des Bundesinstituts gestattet.

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Einleitung

Am 16, Juli 1971 berichtete die chinesische Nachrichtenagentur "Hsinhua" von einer Begegnung zwischen dem Ministerpräsidenten der Volksrepublik China, Chou En-lai, und Präsident Nixons außenpolitischem Chefberater, Dr. Henry Kissinger, in Peking. Die Gesprächspartner vereinbarten einen Staatsbesuch des amerikanischen Präsidenten in Peking, der im Laufe der nächsten Monate stattfinden soll. Dieser Vorgang ist von großer Bedeutung für die gegenwärtigen Strukturzusammenhänge der internationalen Politik, deutet er doch den allmählichen Übergang von der bipolaren zu einer tripolaren Verfassung der Weltpolitik an. In den nachfolgenden drei Analysen soll das Antwortverhalten der europäischen sozialistischen Staatengemeinschaft in ihrer engeren und weiteren Form untersucht werden, d.h. unter Einbeziehung Jugoslawiens und Albaniens. Die erste Analyse befaßt sich mit dem Antwortverhalten der Sowjetunion. In einer zweiten werden die engeren Gefolgsstaaten der UdSSR, DDR, Polen, Bulgarien, Ungarn und die 5SSR untersucht. Die dritte Analyse untersucht die Haltung der Rumänen, Jugoslawen und Albaner. Im Mittelpunkt der drei Analysen wird die Erörterung von vier zentralen Fragen stehen: 1. Welche Phasen lassen sich im Antwortverhalten der einzelnen Länder feststellen? 2. Auf welchen Ebenen erfolgten die Reaktionen? 3, Welcher Instrumente und Methoden bedienten sich die genannten Länder in ihrem Antwrrtverhalten? 4. Welche Ziele lassen sich im Antwortverhalten der einzelnen Länder feststellen?

1. Die Phase des zurückhaltenden Taktierens

Die ersten sowjetischen Reaktionen auf die Ankündigung des bevorstehenden Besuchs des amerikanischen Präsidenten Richard M. Nixon in Peking im kommenden Frühjahr bestanden aus nicht näher kommentierten Meldungen der sowjetischen Nachrichtenagentur "Tass". Am 16. Juli wurde mitgeteilt, daß der chinesische Ministerpräsident Chou En-lai vom 9. bis 11. Juli in Peking mit Dr. Kissinger verhandelt habe, daß die Chinesen eine Einladung an Nixon ausgesprochen hätten und daß Nixon die Einladung angenommen habe. Nixon, so verlautete, motivierte seinen Entschluß mit dem 1 Wunsch, neue Beziehungen mit der VR China zu schaffen. Auch die sowjetische Regierungszeitung "Iswestija" beschränkte sich am 16. Juli auf die reine Nachrichtenübermittlung. Abweichend davon erlaubte sich das Organ des Jugendverbandes "Komsomolskaja Prawda" am 17. Juli die Bemerkung, Pekings Einladung an Nixon sei zwar "ungewöhnlich", wenngleich sie aber auch nicht "unerwartet" komme.

Ganz unverbindlich meinte der sowjetische Botschafter in Indonesien, Wolkow, der Besuch Nixons in Peking sei "eine gute Sache", solange die angekündigte Normalisierung der amerikanisch-chinesischen Beziehungen 2 sich nicht gegen die nationalen Interessen anderer Staaten richte.

Im Gegensatz zu der offiziell geübten Zurückhaltung, wußten westliche Nachrichtenagenturen unter Berufung auf Moskauer Diplomatenkreise von möglichen taktischen Cegenzügen der sowjetischen Regierung zu berichten. So hieß es bei UPI, in Moskau werde erwogen, der Reise Nixons nach Peking durch eine Einladung des amerikanischen Präsidenten in die 3 sowjetische Hauptstadt zuvorzukommen.

Die jugoslawische Nachrichten-

agentur "Tanjug" sprach von zu erwartenden "scharfe sowjetischen Regierung".

Reaktionen der

Einstweilen jedoch taktierte die sowjetische

Führung zurückhaltend, indem sie sich auf Scndierungs- und Erkundungsgespräche konzentrierte. Bei einer Zusammenkunft mit der polnischen Partei- und Staatsspitze erörterten Breshnjew und Podgomy aktuelle internationale Fragen, vermutlich im Zusammenhang mit der chinesischen Initiative.

Begegnungen Gromykos und Kossygins mit dem mongolischen

... ^ _

Außenminister Lodongiin Rinchin bezogen sich auf den gleichen Themenkomplex.

Zwischenzeitlich erhielt der sowjetische Botschafter in den

USA, Dobrynin, von US-Außenminister Rogers nähere Informationen über

7 die geplante Nixonvisite. Den Anschein einer konkreten diplomatischen Aktion erweckte die Bekanntgabe eines Schreibens des sowjetischen Außenministers Gromyko an den UNO-Generalsekretär U Thant. in dem sich die Sowjetregierung für die "Herstellung der legitimen Rechte der VR China in den Vereinten Nationen" und für den "Ausschluß der Tschiang Kai-shek-Leute" aussprach. Die Aufnahme der VR China in die UNO diene dem Ziel, "die Wirksamkeit und das Prestige der UNO zu erhöhen".

Das gleiche Maß an Zurückhaltung spiegelte sich in der sowjetischen Presse wider, die die Aufmerksamkeit auf diplomatisch-politische Aspekte des Vietnamkrieges lenkte. Ein Leitartikel in der "Iswestija" vom 19- Juli übte heftigste Kritik an der Weigerung der Amerikaner, ihre Truppen aus Südvietnam bedingungslos abzuziehen. Die sowjetischen Publikationen identifizierten sich mit der Kemthese eines "Nan Dhan"-Artikels vom 19. Juli;, daß die Nixon-Doktrin zum Scheitern verurteilt sei, weil sie lediglich eine "konterrevolutionäre Globalstrategie des US-Imperialismus" sei, die sich unter anderem auf die Spaltung der sozialistischen Länder durch Gewinnung eines Teils von ihnen für ihre Seite und deren Konfrontierung stütze. Einen scharfen polemischen Seitenhieb auf die Volksrepublik China verteilte "Radio Moskau" in einem Kommentar zum Pekingbesuch einer Delegation der französischen Nationalversammlung, indem es die Visaverweigerung für FKPParlamentarier als "Selbstentlarvung Pekings" und "Spaltung der anti10 imperialistischen Kräfte" brandmarkte. Nach Überwindung des ersten Schocks auf Grund der chinesisch-amerikanischen Annäherung war dies der Auftakt einer deutlicheren Artikulierung der eigentlichen sowjetischen Empfindungen. In sichtbarer Einmütigkeit griffen "Prawda", "Komsomolskaja Prawda" und "Krasnaja Swesda" am 20. Juli Passagen eines Artikels im Zentralorgan der amerikanischen Kommunisten("Daily World") auf, die das Zusammenspiel zwischen Nixon und der chinesischen Führung schärfstens kritisierten.

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Das sowjetische Mißtrauen an den Reiseplänen Nixons artikulierte die "Literatumaja Gaseta" am 21. Juli. Das Blatt warf die Frage auf, ob dem Wunsch nach Normalisierung der Beziehungen zwischen Washington und Peking nicht die Absicht zugrunde liegen könnte, die vereinigten Kräfte auf ein Ziel auszurichten, das "mit wirklicher Sorge um den Frieden" nichts zu tun habe. Es seien keine Anzeichen dafür vorhanden, daß sich die USA oder Peking anschickten, die anti-sowjetischen Zielsetzungen ihrer Politik zu ändern. Vor allen Dingen konzentrierten sich die Bemühungen Pekings darauf, einen Keil in die internationale sozialistische Arbeiterbewegung zu treiben. Die Wirkung dieses Artikels wurde noch zusätzlich dadurch erhöht, daß in der gleichen Ausgabe der "Literatumaja Gaseta" bestimmte innenpolitische Erscheinungen in der VR China mit Hohn und Sarkasmus ausgeschlachtet wurden. Mit der Verwendung von Mao-Aussprüchen bei der Bewältigung von Aufgaben im privaten und gesellschaftlichen Bereich werde das Bewußtsein der Menschen verwirrt.

Mit dieser "neuen Religion" werde die Isolierung des chinesischen Volkes von seiner Umwelt weiter verstärkt. "Eine gröbere Verletzung der menschlichen Vernunft ist bei einer derartigen Heiligsprechung von Aussprüchen und Ideen Mao Tse-tungs schwer vorstellbar".

Kritik in systematischerer Form an der Außenpolitik der VR China enthielt ein Leitartikel der außenpolitischen Wochenschrift "Nowoje Wremja" (Neue Zeit) vom 21. Juli. Die "chauvinistische Großmachtpolitik in ihrer Bedrohung für die Völker und den Frieden" werde schrittweise auch von jenen erkannt, die gegenwärtig Illusionen über die Absichten Pekings hätten und sogar die "maoistischen Faseleien" über das "Monopol der zwei Supermächte" wiederholten. In Verfolgung der "Doktrin des Sinozentrismus" habe sich Peking anfäi lieh des Verhältnisses zur Sowjetunion bedient, um seine wirtschaftliche Position zu konsolidieren. Als nächstes habe man dann versucht, die Einheit des sozialistischen Lagers zu zerstören. Mit der "Theorie der Zwischenzonen" habe Peking den Versuch unternommen, die Polarisierung der Welt mit den USA und der UdSSR auf der einen und der VR China auf der anderen Seite voranzutreiben. Das chinesische "Störverhalten" sei von

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der damaligen amerikanischen Johnson-Administration, wie den 'Pentagon-Papers' zu entnehmen sei3, geschickt zu einem Aggressionskrieg in Indochina ausgenutzt worden. Im einzelnen rechnete "Nowoje Wremja" der chinesischen Führung die Vernichtung der indonesischen KP im Jahre 1965 vor und unterstellte ihr^ in aggressiver Absicht, die Mongolische 12 Volksrepublik "schlucken" zu wollen.

2. Erste publizistische Offensive und Vorbereitung diplomatisch-politischer Gegenaktionen innerhalb und außerhalb der sozialistischen Staatengemeinschaft

Mit dem

Grundsatzartikel von I. Alexandrow, ^Zu den Kontakten Pekings

zu Washington") in der "Prawda" vom 25. Juli wurde die bis dahin geübte Praxis einer verklausulierten Auseinandersetzung mit der chinesischamerikanischen Annäherung aufgegeben. Eine zunächst allgemeine^ sodann inhaltliche präzisere und im Ton schärfere Diskussion der Motivationen auf chinesischer und amerikanischer Seite setzte ein.

Trotz der Beschwörungen von allen Seiten habe China die Politik des Antisowjetismus und der Spaltung der anti-imperialistischen und revolutionären Kräfte fortgesetzt. Die Führung in Peking unterstütze die "mit machiavellistischer List" betriebene Politik Nixons^, "das rote China gegen das rote Rußland aufzuhetzen". Dies sei für die Sowjetunion? so unterstrich Alexandrow^ keine Sensation.

Unter Hinweis auf die sowjetische Position gegenüber

der VR China und

den USA auf dem XHV. Parteitag der KPdSU erklärte Alexandrow, daß die UdSSR einen konsequenten Kampf gegen die "anti-leninistische Plattform der chinesischen Führung" und gegen deren Spalterai* tonen zur Untergrabung der anti-imperialistischen Front führe. Unbeeinflußt davon sei das Bestreben von Partei und Regierung der Sowjetunion, die Beziehungen zwischen den UdSSR und der VR China zu normalisieren^ die Freundschaft zwischen dem sowjetischen und dem chinesischen Volk wiederherzustellen, was den ureigensten Interessen der beiden Länder, dem Weltsozialismus sowie sprechen würde.

einem verstärkten Kampf gegen den Imperialismus ent-

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Das Prinzip der friedlichen Koexistenz sei das Strukturelement im Ver11 hältnis zwischen den USA und der Sowjetunion. Der Grundsatzartikel von Alexandrow wurde in der Folgezeit von den sowjetischen Massenmedien variiert, in den außenpolitischen Publikationen stärker akzentuiert.

In einem Kommentar von "Radio Frieden und Fortschritt" vom 27- Juli hieß es, daß sich die gegen andere Staaten abzielenden außenpolitischen Kombinationen Pekings und Washingtons letzten Endes gegen ihre Initiatoren richten würden.

"Sa Rubeshom" wertete die amerikanischen Kontaktversuche als "geschickte Manöver", die öffentliche Meinung in den USA und im Ausland zu täuschen sowie die alte imperialistische Politik auf neuen Wegen weiterzuverfolgen.

In einem Kommentar des sowjetischen Femsehens meinte Valentin Sorin, daß der Pekingbesuch Nixons zu einer Verschlechterung der internationalen Atmosphäre führen könne, wenn er gegen andere Länder gerichtet sei.

In einem "Prawda"-Artikel vom 27. Juli, "Einheit und Geschlossenheit - Das Gebot der Zeit!", rügte W. Korinow, daß die Kontaktaufnahme zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, wo die USA in Vietnam "unvermindert Agressionshandlungen" begingen. In die gleiche Kerbe hieb der Leitartikel der Zeitung vom 27.Juli, derdie reißerische Aufmachung, "Hände weg von 15 Indochina!", trug. Hintergründinformationen für den sowjetischen Leser vermittelte ein Aufsatz von L. Trofimehko in der Ausgabe der Zeitschrift "Nowoje Wremja" vom 28. Juli. Bereits im Jahre 1964 habe der damalige US-Präsident Lyndon B. Johnson eine Einladung aus Peking erhalten und hernach hätten sich Mao Tse-tung und Chou En-lai mehrfach um einen Besuch Nixons in Peking bemüht. Laut Kissinger sei dessen Besuch in Peking der Höhepunkt von "zweijährigen Offerten des US-Präsidenten" gewesen. Bei aufmerksamen Beobachtern habe somit die Bekanntgabe von

Nixons Reiseplänen keine Überraschung ausgelöst. Trofimenko bekräftigte die These, daß die amerikanisch-chinesische Annäherung darauf angelegt sei, die Sowjetunion unter Druck zu setzen. Dies könne man jedoch nicht ernst nehmen, denn in der UdSSR seien die Grenzen solcher außenpolitischer Kombinationen sehr wohl bekannt.

Den möglichen Standpunkt der sowjetischen Regierung schien der IswestijaArtikel "Sensation und Wirklichkeit" von Juri Nikolajew vom 28. Juli anzudeuten. Verbesserungen der Beziehungen zwischen den USA und der VR China seien wünschenswert, wenn sie den Interessen der Völker und der Regelung akuter internationaler

Spannungen dienten, doch werde sich

die Politik beider Staaten nach sowjetischer Einschätzung kaum ändern. Nachdrücklich unterstrich er den Grundsatz der sowjetischen Außenpolitiky die Entwicklung der Beziehungen zu einem Lande, im Interesse des Friedens und der Sicherheit, nicht auf Kosten der Interessen anderer Länder zu entwickeln. Auf das sowjetische Verhältnis zur VR China und den Vereinigten Staaten angewandt meinte Nikolajew^,

"Das ZK der KPdSU und die Sowjetregierung tun alles,... um die Normalisierung der Beziehungen zur VR China zu erreichen und sind bestrebt, zur Wiederherstellung von Beziehungen der guten Nachbarschaft und Freundschaft zwischen den beiden Ländern beizutragen."

"Ohne die aggressiven Aktionen der USA in verschiedenen Gebieten unbemerkt zu lassen, geht die Sowjetunion in ihren Beziehungen zu den USA davon aus, daß die Verbesserung der sowjetisch-amerikanischen Beziehungen unter den Bedingungen eines tatsächlichen Bestrebens der amerikanischen Seite möglich ist, die Fragen nicht von der Position der Stärke aus, sondern am Verhandlungstisch zu lösen."

Die Tass-Meldung vom 29. Juli, daß die USA ihre Erkundungsflüge über dem Territorium der VR China eingestellt hätten, um eventuelle Zwischenfälle (nach dem Vorbild des U-2 Zwischenfalls) vor dem geplanten

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Nixonbesuch zu verhindern, stellte in diesem Zusammenhang eine gezielte Veröffentlichung dar.

Lückenlos fügten sich in das allgemeine Argumentationsschema Kommentare von Sorin, Kobysch und Dimitrijew im Moskauer Rundfunk ein, die die These variierten, daß die USA China als Bündnispartner im Kampf gegen 17 die Sowjetunion benutzen wollten.

Ein Artikel in dem Mitteilungsblatt der sowjetischen Botschaft in London ("Soviet News") vom 30. Juli gab einen interessanten Hinweis auf die in der sowjetischen Presse in den letzten Wochen arg strapazierte sowjetische Solidarität mit dem vietnamesischen Volk. Darin hieß es, Nixon wolle durch seinen geplanten Chinabesuch eine Übereinkunft mit der chinesischen Führung über Vietnam erreichen, und dies offenkundig "hinter dem Rücken des vietnamesischen Volkes". Der US-Präsident müsse sich

jedoch darüber im klaren sein, daß er einen Frieden für Indo-

china "nicht mit Peking aushandeln" könne.

Die peinliche Sorgfalt im Aufspüren von Möglichkeiten zur propagandistischen Verunglimpfung der VR China ließ beispielsweise auch eine Erklärung der sowjetischen Nachrichtenagentur Tass über die chinesische Haltung zu den Ereignissen im Sudan erkennen. Die ganze Welt, so entrüstete sich Tass, protestiere gegen den "blutigen Terror" im Sudan, währenddessen die chinesische Presse darüber in einem "aufschlußreichen Schweigen" verharre. "Hsinhua" habe lediglich "mit sichtlicher Befriedigung" festgestellt, daß bewaffnete Kräfte des Sudan eine "Clique von Putschisten" zerschlagen hätten.

3. Diplomatisch-politische Gegenzüge

Hinter dem propagandistischen Sperrfeuer in den sowjetischen Massenmedien erfolgten offenbar fieberhafte Vorbereitungen für diplomatische Aktionen der Sowjets.

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Bereits am 26. Juli wußten verschiedene Nachrichtenagenturen aus Moskau zu berichten, daß Breshnjew ein Gipfeltreffen osteuropäischer Parteichefs angeregt habe, auf dem über Nixons Reisepläne gesprochen wer19 den solle. Die Notwendigkeit hierfür schien den Sowjets schon deshalb geboten zu sein, weil es sehr differenzierte Reaktionen in der sozialistischen Staatengemeinschaft auf die chinesisch-amerikanische Annäherung gegeben hatte. Die Zusammenkunft Breshnjews und Podgomys mit dem tschechoslowakischen Parteichef Gustav Husak sowie die auf sowjetisches Ersuchen erfolgte Begegnung zwischen Botschafter Drozdenko und dem rumänischen Partei- und Staatschef Ceausescu konnten als gezielte Sondierungen 20 gewertet werden.

Zum selben Zeitpunkt kursierten in Kreisen Moskauer Auslandskorrespondenten Gerüchte, daß Außenminister Gromyko kurzfristig Peking be21 suchen werde.

Den sowjetischen Bemühungen war offensichtlich ein wichtiger Erfolg beschieden, als am 2. August auf der Krim Partei- und Staatsführer der sowjetischen Gefolgsstaaten (ohne Rumänien) zusammentrafen. Zu den Teilnehmern zählten für die Sowjetunion Breshnjew, Podgomy und Schelest, für Bulgarien T. Schiwkow, für Ungarn J. Kadar, für die DDR Erich Honecker, für die Mongolische Volksrepublik J. Zedenbal, für die CSSR Gustav Husak und für Polen E. Gierek. Wie der Kommuniquefassung zu entnehmen ist, mußten während der eintägigen Beratungen am 2. August im Verlaufe der Gespräche die ZK-Sekretäre Katuschew und Ponomarjow sowie die ZK-Mitglieder Russakow und Zukanow hinzugerufen worden sein.

Wie das tschechoslowakische Parteiorgan "Rüde Pravo" am 4° August ohne Umschweife feststellte, war die Notwendigkeit der Einheit und des Zusammenhalts der sozialistischen Staatengemeinschaft, der internationalen Arbeiter- und Kommunistenbewegung sowie aller anti-imperialistischen Kräfte das zentrale Gesprächsthema. Auslösender Faktor war ohne Zweifel die chinesisch-amerikanische Annäherung. Dafür sprach

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die Teilnahme des mongolischen Parteichefs Zedenbal an der Krimberatung.

Das offizielle Abschlußkommunique des Krim-Treffens nahm in zwei wesent liehen Passagen auf diesen Sachverhalt Bezug.

"Auf dem Treffen wurden aktuelle Fragen der Entwicklung der kommunistischen Weltbewegung sowie Probleme der Außenpolitik behandelt, die von gegenseitigem Interesse sind. Es wurde hervorgehoben, daß der gesamte Verlauf der internationalen Entwicklung die Richtigkeit der Einschätzungen und Schlußfolgerungen der internationalen Beratung der. kommunistischen und Arbeiterparteien von 1969 bestätigt, die die unerschütterliche Grundlage der Politik der marxistisch-leninististischen Bruderparteien sind. Das Leben bestätigt die historische Bedeutung für die weitere Festigung der Einheit der internationalen kommunistischen und Arbeiterbewegung auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus, des Kampfes gegen den rechten und linken Opportunismus, für den Zusammenschluß aller Kräfte des Fortschritts und der nationalen Befreiung im anti-imperialistischen Kampf.

Die Teilnehmer an dem Treffen unterstrichen die besondere Wichtigkeit des Kampfes für die weitere Festigung der Einheit und Geschlossenheit der sozialistischen Staatengemeinschaft, der internationalen kommunistischen und Arbeiterbewegung, aller anti-imperialistischen Kräfte, für die Sicherung des erfolgreichen Verlaufs des sozialistischen und kommunistischen Aufbaus, für die Durchsetzung der Prinzipien der friedlichen Koexistenz in den Beziehungen zwischen Ländern mit unterschiedlicher sozialer Ordnung, für neue Siege der Arbeiterklasse und der 22 Sache des Sozialismus."

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Die Bedeutung dieser beiden Passagen erhielt zusätzliches Gewicht durch die getrennten bilateralen Zusammenkünfte der sowjetischen Staats- und Parteiführer mit den übrigen Konferenzteilnehmern im Anschluß an das gemeinsame Treffen.

In einem redaktionellen Leitartikel der PRAWDA vom 5- August zum Krimtreffen wurde vor allem der Gesichtspunkt der engen Koordination außenpolitischer Aktionen unter den sozialistischen Staaten hervorgehoben. Die sowjetische Angst hinsichtlich der nachteiligen Auswirkungen der chinesischen Außenpolitik für die sozialistische Staatengemeinschaft artikulierte Lew Sergejew in einem aufschlußreichen Kommentar von Radio Moskaus

"Für ein sozialistisches Land stellt die bloße Tatsache, daß es diplomatische Beziehungen zu kapitalistischen Staaten herstellt, nichts unrechtes dar. Wenn eine solche Praxis vor dem Hintergrund äußerst unbefriedigender Beziehungen zu den meisten sozialistischen Staaten geübt wird, vor dem Hintergrund der geheimen anti-sowjetischen Aktionen und Spalteraktivitäten, dann entsteht eine ernsthafte Besorgnis über 23 die strategische Tendenz seiner Politik."

Die zwischenzeitlich erfolgte chinesische Ablehnung des sowjetischen Vorschlages zugunsten einer Konferenz der fünf Atommächte ergab einen neuen Ansatzpunkt für propagandistische Anwürfe sowjetischer Kommentatoren gegen die VR China. Peking, so hieß es, unterstütze aktiv das atomare Wettrüsten, bagatellisiere die atomare Gefahr für die internationalen Beziehungen und lege mit seinen "demagogischen Aufrufen" der Abrüstung Bremsklötze in den Weg.

Den überraschendsten Coup in dieser Situation landete die sowjetische Diplomatie mit der Reise Andrej Gromykos nach Neu Delhi und der Unterzeichnung eines sowjetisch-indischen Vertrages über "Frieden, Freundschaft und Zusammenarbeit" am 9. August 1971. Den Besuch Gromykos hatte die sowjetische Seite zwar bereits am 5. August für den 8. angekündigt, 25 ohne sich indessen zum Zweck dieser Reise zu äußern.

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Das sowjetisch-indische Vertragswerk ist in der westlichen Presse vorwiegend unter den Gesichtspunkten betrachtet worden, daß sich die Sowjetunion vom Taschkent-Modell und Indien von der sogenannten nonalignment Politik abgewandt habe. Eine derartige Betrachtungsweise ist der Bedeutung des Vertrages vom 9. August 1971 nicht angemessen. Auf dem Hintergrund der Breshnjew-Initiative vom Frühsommer 1969, ein kollektives Sicherheitssystem für den asiatischen Kontinent zu errichten, vor allem aber der schwachen Resonanz, die dieser Vorschlag in Asien auslöste, könnte der sowjetisch-indische. Vertrag unter den gegenwärtigen Wirkungsbedingungen eine Modellfunktion erhalten. Und zwar im Sinne des Abschlusses weiterer bilateraler Verträge zwischen den asiatischen Staaten oder eines asiatischen Staates mit der UdSSR. Davon ausgehend könnte die Sowjetunion mit diesem Vertrag zwei günstige Erwartungen verknüpfens

1. Die Sperriegelfunktion: Der Vertrag könnte als ein nicht unwesentliches Hindernis für die Ausweitung der außenpolitischen Einflußzone Chinas in Asien wirken. Das wäre in der Tat die sowjetische Maximalerwartung. 2. Die Neutralisierungsfunktion: Der Vertrag könnte den bisherigen in der Vergangenheit geäußerten Überlegungen zur Schaffung neutraler Zonen in Asien, beziehungsweise künftigen Neutralisierungsbemühungen einstweilen wirksam den Boden entziehen. Das wäre die sowjetische Minimalerwartung. In Verbindung mit der chinesisch-amerikanischen Annäherung könnte die Sowjetunion schon recht bald mit einer weiteren günstigen Nebenwirkung rechnen: der außenpolitische Zug - wenn nicht gar Optionszwang Japans. Diese Konstellation könnte Georgij Ratjani in einem Prawda-Artikel vom 8. August anvisiert haben. Die Entwicklung der amerikanisch-chinesischen Beziehungen, so schrieb er, sei für die Japaner sehr beunruhigend, doch würden diese sicherlich so reagieren, wie es für die Interessen Japans am günstigsten sei. Wörtlich hieß es: "Eines ist in jedem Fall klar: in den sich schon lange herausgebildeten japanisch-amerikanischen imperialistischen Widersprüchen tritt eine qualitativ neue 26 Entwicklungsetappe ein."

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4. Positionsbestimmung gegenüber den USA und der VR China

Die unmittelbarste Wirkung dieser diplomatisch-politischen Schachzüge der Sowjetregierung war ein gesteigertes Selbstbewußtsein, wenn nicht gar neues Kraftgefühl für die weitere zumindest publizistische Diskussion der amerikanisch-chinesischen Annäherung. Ein recht anschauliches Bild vermittelte der Prawda-Artikel von Georgi Arbatow, "Fragen, die eine praktische Antwort erfordern", vom 10. August. Der Verfasser ist Leiter des Instituts für Probleme der USA an der Akademie der Wissenschaften der UdSSR. Die Stoßrichtung dieses Beitrages war damit klar vorgezeichnet. Vermutlich sollte auf diesem Wege den Vereinigten Staaten das Ergebnis interner und externer Beratungen der sowjetischen Führer über die chinesisch-amerikanische Annäherung mitgeteilt werden.

Einleitend stellte Arbatow die Frage, ob die neuen Beziehungen zwischen Peking und Washington zur Entstehung neuer Konfliktsituationen führen könnten. Dabei zunächst auf die inneramerikanische Situation eingehend,

stellte er fest, daß jene, die sich in den USA und ander-

wärts für eine Wiederannäherung an China einsetzten, "tollwütige Hasser der Sowjetunion" seien. In der bürgerlichen öffentlichen Meinung Amerikas habe sich ein Wandel in der Einstellung gegenüber der VR China vollzogen, der nur mit dem Übergang der chinesischen Führung zu einer anti-sowjetischen Haltung, kurzum mit dem Spalterkurs Pekings zu erklären sei. Das bürgerliche und kleinbürgerliche Amerika sei zu der Auffassung gelangt, man könne mit Peking schwungvollen Handel treiben. Außerdem könne Peking den USA behilflich sein, aus dem Indochinagrieg herauszukommen. Die chinesische Führung habe die Einladung an Nixon zu einem Zeitpunkt ausgesprochen, als d^r Vietcong seinen SiebenPunkte-Plan unterbreitet habe. Die chinesische Haltung sei somit ein Schritt, der dem Kampf der vietnamesischen Patrioten schade. Die "New York Post", so mokierte sich Arbatow, sei geradezu verwirrt von der chinesischen Kulanz. Die Frage, warum China den USA gerade zu diesem Zeitpunkt seine Position so erleichtere, sei in der Tat ein Problem für China-Experten und Maoisten.

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Ans den Darlegungen Arbatows ergibt sich, daß verschiedene Absichten auf amerikanischer Seite mit der Annäherung an Peking verknüpft werden:

- Parallelität von Bemühungen um einen amerikanisch-chinesischen und einen sowjetisch-amerikanischen Interessenausgleich.

- Unausgesprochenes Junktim zwischen einer Annäherung an die VR China und einer Erpressungspolitik gegenüber der UdSSR auf verschiedenen Gebieten.

- Langfristiges gegeneinander Ausspielen der VR China und der Sowjetunion.

Bei alledem ließ Arbatow die offizielle Zusicherung der Amerikaner nicht unerwähnt, die geplante Normalisierung mit der VR China nicht auf Kosten anderer Länder oder zu deren Nachteil abzuwickeln. Doch hielt er gleichzeitig den Amerikanern vor, daß es auf sowjetischer Seite als unbedingt notwendig erachtet werde, die allgemeine Vertrauensbasis für den gegenwärtigen amerikanisch-sowjetischen Dialog zu Stärken, da sonst die Komplexität der Fragen weiter vergrößert werde. Dies könne, so empfahl Arbatow, am besten dadurch geschehen, daß die amerikanische Regierung in einer Reihe anstehender Fragen eine "konstruktivere Haltung" einnehme. In diesem Zusammenhang verwies er auf das außenpolitische Aktionsprogramm des XXIV. Parteikongresses der KPdSU.

Für den Fall eines nicht kooperationswilligen Verhaltens der USA warnte Arbatow: "Was die Politik der Sowjetunion angeht, ist der Weg offen."

"Die Position der UdSSR und diejenigen des Weltsozialismus sind stark genug, um allen möglichen Wendungen der Ereignisse mit Zuversicht entgegentreten zu können.

Es ist ganz natürlich, daß in der Sowjetunion genauso wie in anderen Ländern, das amerikanisch-chinesische

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Handeln und die Entwicklung mit großer Aufmerksamkeit beobachtet werden. Denn dies ist eine Angelegenheit schwerwiegender Konsequenzen für das sowjetische Volk, für den Weltsozialismus, für die gesamte internationale Situation und für den Weltfrieden. Somit wird die Antwort auf die grundlegenden Fragen im Zusammenhang mit dem Besuch des amerikanischen Präsidenten in Peking und den Veränderungen der amerikanisch-chinesischen Beziehungen nicht in Worten und nicht in diplomatischen Manövern dieser Staaten, sondern mehr in ihren Taten, im praktischen Handeln während der kommenden Monate liegen.'^

Ohne besondere Aufmerksamkeit wurde in dieser Phase die Unterzeichnung eines Waren- und Zahlungsabkommens zwischen der Sowjetunion und der VR China in Moskau registriert, die seitens der Stellvertretenden Außenhandelsminister beider Staaten, Iwan Grischin und Chou Hua-min, am 5. August erfolgte. Während Arbatow mit unmißverständlichen Worten die sowjetische Position gegenüber den Vereinigten Staaten formulierte, drückte der Artikel von A. Nadezhdin das sowjetische Antwortverhalten gegenüber der VR China aus. Die Kernthesen seines Beitrages, "Pekings spalterische Aktionen gegen die sozialistische Gemeinschaft", in der außenpolitischen Wochenzeitschrift "Nowoje Wrmeja" (Neue Zeit), übertrafen in ihrer Härte alle bisherigen Äußerungen. "Der Anti-Sowjetismus ist die Grundlage der Ideologie und Politik der gegenwärtigen chinesischen Führung." "Indem sie ihre Angriffe auf die Sowjetunion konzentrieren, hoffen sowohl die Imperialisten wie auch die Pekinger Führer, den Weltsozialismus durch ständige Attacken gegen seine Kommandozentrale zer-

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schlagen zu können." "Pekings Außenpolitik stimmt in vielen Punkten mit der Chiang Kai-sheks überein. Wenn Mao auch immer zu sagen pflegt, von Chiang... könne man lernen, wie man es nicht machen solle, folgte er doch in Wirklichkeit eifrig seinen Spuren. Sowohl die Chiang-Leute als auch die Maoisten erheben der UdSSR und anderen Nachbarn gegenüber territoriale Forderungen, und beide vertreten im Hinblick auf die Rolle und den Platz Chinas in der Welt Großmachtpositionen. Der Vergleich zwischen Pekings Außenpolitik und dem Kurs des Anti-Sowjetismus in der Welt sowie dem außenpolitischen Programm der chinesischen Bourgeoisie-Landbesitzer-Reaktion führt zu dem Schluß, daß trotz bestimmter und manchmal recht ernster Gegensätze zwischen diesen drei politischen Kräften ihre Einstellung gegenüber dem Weltsozialismus viel gemein hat. Ein Revisionismus,der mit dem Nationalismus zusammengeht und von ihm unterstützt wird, ist besonders schändlich und piihzipienlos. Diese Kombination ist, wenn sie zur Staatsideologie wird, und einen entscheidenden Einfluß auf die Position und die Politik des einen oder anderen Landes ausübt, das den sozialistischen Weg eingeschlagen hat, umso gefährlicher, je größer das Land ist, das 29 in die Gewalt von Nationalisten gerät." Die fast gleichzeitige Freigabe von drei wichtigen Buchpublikationen, - "Maoismus ohne Maske" (Sammelband), - "Die Wirtschaftstheorien des Maoismus" und - "Die chinesisch-sowjetischen Beziehungen in den Jahren 1945 bis 1970"

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erweckte zwar den Eindruck einer geschickten Regieführung, diente aber vor allem der Spezifizierung und Detaillierung der Kernthesen des Grundsatzartikels von Nadezhdin. Diese drei Buchpublika.tionen und ihre entsprechenden Rezensionen in den mit Dedacht ausgewählten sowjetischen Zeitungen ("Sowjetskaja Rossija"s Ideologie, "Iswestija": Wirtschaft und "Prawda": Außenpolitik)stellten das Munitionsarsenal für die Angriffe in den sowjetischen Gefolgsstaaten gegen die VR China. In der Rezension des Sammelbandes "Maoismus ohne Maske" von J. Liwtzow in der "Sowjetskaja Rossija" hieß es, daß sich der Maoismus nach einer nationalistischen und opportunistischen Abkehr von der Weltrevolutionsbewegung zu einem anti-kommunistischen und anti-sowjetischen Großmachtstreben entwickelt habe, das den Weltrevolutionsprozeß sowie Demokratie, Sozialismus, Fortschritt und Frieden gefährde. 10 Zu den "Wirtschaftstheorien des Maoismus" schrieb W. Sidichmenow in der "Iswestija", daß die Maoisten versuchten, durch das '^dem.a,gogische Gerede" von der schöpferischen Entwicklung des Marxismus eine Revision der allgemeinen Ordnung des sozialistischen Aufbaus herbeizuführen. Der den maoistischen Wirtschaftstheorien gemeinsame methodologische Fehler zeige sich deutlich in der Verabsolutierung der Rolle des subjektiven Faktors. Das maoistische Prinzip des Vertrauens auf die eigene Kraft habe einen deutlich erkennbaren nationalistischen Inhalt. Eine Analyse der in China heute vorherrschenden Wirtschaftskonzeptionen bezeuge die Entstellung der 11 Grundlagen des wissenschaftlichen Kommunismus. Größte Aufmerksamkeit schenkte das sowjetische Parteiorgan "Pravda" der -yon 0.3. Borissow und 3.1. Koloskow verfaßten Studie zum Thema "Die sowjetisch-chinesischen Beziehungen 1945 - 1970". Rezensent war Sergej Tichwinski, Stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft für sowjetisch-chinesische Freundschaft und korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR. Jedesmal, so betonte Tichwinski, wenn die sowjetisch-chinesischen

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Beziehungen enger wurden, hätten die revolutionären Kräfte in China ihre Position festigen können. Eine wichtige Rolle habe dabei die allseitige wirtschaftliche, politische und militärische Hilfe seitens der Sowjetunion gespielt. Aus der reichhaltigen Dokumentensammlung des Buches führte Tichwinski an, daß unter Mitwirkung der Sowjetunion zwischen 1949 und i960 mehr als 250 große Industriebetriebe, Betriebsabteilungen und Objekte mit modernsten Ausrüstungen entstanden und ganze neue Industriezweige ins Leben gerufen worden seien (Automobil- und Traktorenbau, Flugzeugbau, Erdölverarbeitung, Funkelektronik u.a.). Mehr als 10.000 hochqualifizierte sowjetische Fachleute habe man in diesem Zeitraum in die VR China delegiert, außerdem habe die Sowjetunion in diesen Jahren etwa 2.000 chinesische Fachleute und rund 1.000 Wissenschaftler bei sich aufgenommen, um sie mit den neuesten Errungenschaften der sowjetischen Wissenschaft und Technik vertraut zu machen. Über 8.000 chinesische Bürger erhielten in der UdSSR eine produktionstechnische Ausbildung, mehr als 11.000 Chinesen studierten an sowjetischen Hochschulen. In reichlich zehn Jahren überließ die UdSSR der VR China 24.000 Sätze wissenschaftlich-technischer Dokumentation, "im Grunde genommen unentgeltlich", und leistete wesentliche Hilfe bei der Entwicklung von Wissenschaft, Kultur und Gesundheitswesen. Mit dem Jahre i960 hätten in der Führung der kommunistischen Partei Chinas Kräfte die Oberhand gewonnen, die dem Lande einen chauvinistischen Großmachtkurs aufzwangen. Die Verwirklichung dieses Kurses habe zu einer grundlegenden außenpolitischen Neuorientierung der VR China, zum Abrücken der KP Chinas von den Positionen des proletarischen Internationalismus und zum Abbruch der freundschaftlichen Beziehungen und der Zusammenarbeit mit der Sowjetunion und den anderen sozialistischen Ländern durch die Pekinger Führer sowie zur Aufnahme eines offenen politischen Kampfes gegen die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Länder geführt.

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Während sich die KPdSU in all den Jahren aktiv und kompromißlos für die Freundschaft zur KP Chinas eingesetzt habe., und in allen Etappen der Meinungsverschiedenheiten ihr aufrichtiges Interesse an einer Überwindung der Differenzen gemäß den Prinzipien des Marxismus-Leninismus bekundet habe und jederzeit bestrebt war^ zu verhindern, daß die Streitigkeiten in ideologischen Fragen auf die zwischenstaatlichen Beziehungen ausgedehnt wurden, predigten die chinesischen Führer Tag für Tag Feindschaft und Haß gegen die Sowjetunion. Für die eingetretene Entwicklung trügen die chinesischen Führer voll und ganz die Verantwortung. Ständig habe sich die KPdSU darum bemüht, das Sowjetvolk zur Freundschaft und zur Hochachtung für das chinesische Volk, für dessen Geschichte und Kultur, für die Heldentaten der chinesischen Werktätigen im Kampf für die Befreiung von den ausländischen Unterdrückern, für die revolutionäre Umgestaltung ihrer Heimat zu erziehen. Abschließend verwies Tichwinski in seiner Zusammenfassung dieser Studie auf einen Passus aus den Entschließungen des XXIV. Parteikongresses der KPdSU: "Eine Verbesserung der Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der VR China würde den ureigenen, langfristigen Interessen der beiden Länder, den Interessen des Weltsozialismus und den Interessen der Verstärkung des Kampfes gegen den 12 Imperialismus entsprechen.^ Diese mehr oder weniger unverbindliche Abschlußfloskei im Tich-winski-Artikel war ein geschickter Vorwand, um nun noch kräftiger auf die Chinesen einschlagen zu können. Das besorgte mit entsprechender Gründlichkeit die sowjetische Zeitschrift "Sa Rubeshoim' in ihrer Ausgabe vom 21. August. Peking wolle die Einheit des Ostblocks untergraben, indem es Rumänien und Jugoslawien heimlich umwerbe, darüber hinaus sei es bestrebt^ sich eine Einflußsphäre innerhalb der sozialistischen Staatengemeinschaft zu verschaffen. Im einzelnen führte die Zeitschrift aus: "Die chauvinistische Großmachtpolitik Chinas ist darauf gerichtet, unter der Ägide Pekings einen Block zu bilden, in den gewisse sozialistische

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und Entwicklungsländer und sogar kapitalistische Länder einbezogen werden sollen. Die chinesische Führung, die noch vor kurzem mit Ausnahme Albaniens alle sozialistischen osteuropäischen Länder als 'revisionistisch' verurteilte, hat jetzt ihre Taktik geändert. Peking ist darum bemüht, Kontakte zu bestimmten sozialistischen Ländern herzustellen, wobei versucht wird, einzelne Länder gegeneinander auszuspielen und die sozialistische Gemeinschaft zu erschüttern."

5. Zusammenfassung Im Antwortverhalten der Sowjetunion lassen sich, wie bereits oben dargelegt, vier Phasen feststellen. Die erste Phase ist die des zurückhaltenden Taktierens. Man beschränkt sich auf die kommentarlose Wiedergabe der entsprechenden Nachrichten über die amerikanisch-chinesische Annäherung und versucht, den Überraschungseffekt durch publizistische Ablenkungs- und Abwiegelungsmanöver aufzufangen. Gleichzeitig ist die sowjetische Seite bemüht, auf Zeit zu spielen. Diesem Zweck dient das Hochspielen eines Gromyko-Briefes an den UNO-Generalsekretär U Thant sowie die laufende Wiedergabe ausländischer Pressestimmen in den sowjetischen Massenmedien. In der zweiten Phase werden die ersten Ansätze einer publizistischen Offensive sichtbar. Darüber hinaus beginnt die sowjetische Regierung mit der Vorbereitung diplomatisch-politischer Gegenaktionen innerhalb und außerhalb der sozialistischen Staatengemeinschaft. Das Startzeichen für die Offensive ist der Alexandrow-Artikel in der "Prawda" vom 25. Juli 1971, dessen Thesen von den sowjetischen Massenmedien variiert und stellenweise akzentuiert werden. Gleichwohl ist die Erörterung der einzelnen Aspekte der amerikanisch-chinesischen Annäherung noch recht unsystematisch. Parallel dazu bemüht sich die sowjetische Regierung in ersten Sondierungsgesprächen mit den Parteichefs der engeren Gefolgsstaa-

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ten um eine koordinierte Antwort auf die chinesischen Aktionen. In der dritten Phase werden von der sowjetischen Führung konkrete diplomatisch-politische Gegenaktionen unternommen. Das Treffen führender Persönlichkeiten der sozialistischen Länder auf der Krim legt in bilateralen und multilateralen Gesprächen eine gemeinsame Marschroute für die engeren Gefolgsstaaten der UdSSR fest. Der sowjetisch-indische Vertrag vom 9, August 1971? Mit seiner Modell-, Sperriegel- und Neutralisierungsfunktion, läßt die Umrisse einer sowjetischen Gegenkonzeption in Asien zur amerikanisch-chinesischen Annäherung deutlich erkennen. Von einer klären Positionsbestimmung gegenüber den USA und der VR China ist die vierte Phase gekennzeichnet. In dem Grundsatzartikel von Georgi Arbatow in der "Prawda" vom 10. August 1971 unternimmt die sowjetische Seite den Versuch, die Toleranzgrenzen einer amerikanischen Annäherung an die VR China zu bestimmen und deren Perspektiven für das sowjetisch-amerikanische Verhältnis zu erörtern. Der Artikel von Nadezhdin in "Nowoje Wremja" sowie die gezielten 3uchveröffentlichungen und Rezensionen zu innerchinesischen Entzum Wicklungen und/sowjetisch-chinesischen Verhältnis lassen die Schlußfolgerung zu, daß ein machtpolitisches Arrangement zwischen der Sowjetunion und der VR China sowjetischerseits wegen der politischen Generallinie der chinesischen Führung ausgeschlossen ist.

Be.

Ju.

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ANMERKUNGEN

* Tass (engl.) vom 16.7.1971. ^ AP vom 19.7.1971. 3 UPI vom 16.7.1971. 4 Tanjug vom 16.7.1971. ^ Tass vom 19,7.1971. Tass vom 19. und 21.7.1971. ? USIS vom 20.7.1971. Tass (russ.) und "Iswestija" vom 20.7.1971. 9 Tass vom 19.7.1971. ^° Radio Moskau, dt., vom 17.7.1971. *i Tass (russ.) vom 21.7.1971. ^

Tass (russ.) vom 21.7.1971.

*3 u.a. in "Neues Deutschland" (ND) vom 26.7.1971 *4 Tass vom 25.7.1971. *^ Tass vom 27.7.1971. Tass (russ.) vom 28.7.1971. *7 Radio Moskau vom 1.8.1971. 18 Tass (russ.) vom 30.7.1971. 19 dpa, Reuter vom 26.7.) u.a. auch in "Newsweek" 20 Tass vom 26.7. und Agerpress vom 26.7.1971.

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^* Tanjug vom 29.7.1971. "Prawda" vom 3.8.; deutsch: ND vom 3.8.1971. ^3 Radio Moskau vom 6. und 8.8.1971. ^4 APN-Militärbeobachter Koslow a* 3.8.1971. 5 Deutscher Text bei: Gerd Linde, "Der sowjetisch-indische Vertrag", in: Berichte des Bundesinstituts, Herbst 1971. 26 ^" Tass vom 8.8.1971. ^? "Prawda" vom 10.8., Tass vom 10.8.1971. ^S ND vom 6.8.1971. ^

"New Times", Nr. 33, August 1971.

3° "Sowjetskaja Rossija" vom 19.8.1971. 3* "Iswestija" vom 18.8.1971. 3^ "Prawda" vom 20.8.; dt.: "Berliner Zeitung" vom 26.8. und ND vom 21.8.1971.