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German Pages [404]
Stadtgesellschaft und Memoria
MEMORIA AND REMEMBRANCE PRACTICES VOLUME 3 Series Editors Arnoud-Jan Bijsterveld, The Netherlands Douglas Brine, U.S.A. Caroline Horch, Germany Tillmann Lohse, Germany Meta Niederkorn, Austria Corine Schleif, U.S.A. Annemarie Stauffer, Germany Ruben Suykerbuyk, Belgium Rolf de Weijert, The Netherlands
Stadtgesellschaft und Memoria Die Ausrichtung auf das Jenseits und ihre sozialen Implikationen Thomas Schilp
Herausgegeben von arnoud-jan bijsterveld, meta niederkorn & annemarie stauffer
Cover illustration: Cover vorn: Ausschnitt aus dem Plan der Stadt Dortmund, gezeichnet von Detmar Mulher 1610 (© Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund; Foto: Madeleine-Annette Albrecht). Cover hinten: Ausschnitt aus dem Hochaltarretabel in der ehemaligen Dominikanerkirche, heute Propsteikirche Dortmund, Derick Baegert um 1470 (© Foto: Rüdiger Glahs, Dortmund).
© 2023, Brepols Publishers n.v., Turnhout, Belgium. All rights reserved. No part of this publication may be reproduced, stored in a retrieval system, or transmitted, in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying, recording, or otherwise without the prior permission of the publisher. D/2023/0095/88 ISBN 978-2-503-59993-9 eISBN 978-2-503-59994-6 DOI 10.1484/M.MEMO-EB.5.128817 ISSN 2565-8565 eISSN 2565-9804 Printed in the EU on acid-free paper.
Thomas Schilp 1953-2019 (© Benito Barajas, Dortmund).
Inhalt
Vorwort der Herausgeber
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Tabula Memoriae
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Thomas Schilp (1953-2019) – Das Werk eines Freundes Wilfried Reininghaus
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Memoria und Stadt 1. Tod und Jenseitsvorsorge in der spätmittelalterlichen Stadt
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2. Met groter broderlicher und truwelicher eindracht. Überlegungen zur politischen Stadtkultur des Dortmunder Mittelalters
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3. …in honore sancti Georgii… Burgkirche und Burgmannschaft: Erinnerungskultur der Reichsburg Friedberg im Mittelalter
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4. Jenseitsvorsorge in Städten der Grafschaft Mark. Aspekte der Mentalität, der sozialen Beziehungen und der Politik des Spätmittelalters
93
Memoria und Stadtgesellschaft 5. Stadtkultur im spätmittelalterlichen Dortmund. Der Berswordt-Altar im Kontext spätmittelalterlicher Denk- und Handlungsformen
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6. Sakrale Topographie im mittelalterlichen Dortmund
189
7. Kirchenbau und -ausstattung als politisches Programm. Zur Reichssymbolik im Hochchor der Dortmunder Reinoldikirche (um 1450)
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8. Seelenheil und Stadtkultur. Das Dortmunder Predigerkloster in der spätmittelalterlichen Stadt
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9. Zunft und Memoria. Überlegungen zur Selbstdeutung von Zünften im mittelalterlichen Westfalen
235
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Inhalt
10. Spielleute, Orgel, Scholarenchöre: Dortmunder Musikleben im Mittelalter. Zugleich ein Beitrag zur Bedeutung der Musik für die Memoria in der mittelalterlichen Stadt
249
Rauminszenierung 11. Memoria in der Dunkelheit der Nacht. Lichtinszenierung mittelalterlicher Kirchen zum Totengedenken
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12. Pfarrkirchen und Herrschaftsausbau. Zur Funktion von Pfarrkirchen des Frauenstifts Essen im 13. Jahrhundert
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13. 11. August 1899: Kaiser Wilhelm II. in Dortmund. Reichsstädtische Vergangenheit in der Erinnerung der industriellen Großstadt
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Verzeichnis der Veröffentlichungen von Thomas Schilp
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Quellenverzeichnis und Bibliographie
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Vorwort der Herausgeber
Die Beschäftigung mit der Memoria, dem mittelalterlichen Totengedenken, zieht sich leitmotivisch durch die Forschungstätigkeit von Thomas Schilp (19. Oktober 1953 in Friedberg (Hessen) – 28. September 2019 in Dortmund). Angeregt durch die Arbeiten von Otto Gerhard Oexle zur mittelalterlichen Erinnerungskultur erschloss er mit seiner ihn auszeichnenden Sorgfalt im historischen Sehen und Denken so‐ wie in der präzisen und gleichzeitig interdisziplinären Analyse der Quellen immer weitere Dimensionen dieses alle sozialen Schichten und alle Bereiche des täglichen Lebens umfassenden Phänomens. Als Handlungsraum hat er hierbei vor allem den Bereich der mittelalterlichen Stadt in den Fokus genommen. Einer der zentralen Forschungsansätze war für ihn die Frage, wie die Konstituierung unterschiedlichster gesellschaftlicher Gruppen, ja einer ganzen Stadt wie Dortmund, zur Sakralgemein‐ schaft zur materiellen und ideellen Gewährleistung des Totengedenkens erfolgte. Damit verdeutlichen seine Forschungen auf verschiedenen, sich durchdringenden Ebenen ein von heutigen Denkformen unterschiedenes Verständnis von sozialen Zusammenhängen. Thomas Schilps früher Tod ermöglichte es ihm nicht mehr, die geplante umfas‐ sende Monographie zum Thema ‚Stadt und Totengedenken‘ fertig zu stellen, in der auf Ergebnissen seiner Quellenarbeit beruhend, interdisziplinär verankerte Fra‐ gestellungen und Methoden nützend, die ‚Memoria‘ der Stadt sichtbar wird. Der vorliegende Band vereint daher eine Auswahl von dreizehn Aufsätzen, welche die Dimensionen seiner intensiven Beschäftigung mit Formen mittelalterlichen Denkens und Handelns im Hinblick auf Memoria als gemeinschaftsstiftendem Element reflek‐ tieren. In Teil 1 zeigt die einleitende Antrittsvorlesung, gehalten anlässlich seines Rufes auf eine außerplanmäßige Professur an die Universität Duisburg-Essen, bereits sehr früh seine Forschungsintentionen, die er bis zu seinem Tod erweitert und vertieft hat. Aufsatz 2 und 3 thematisieren memoriales Handeln des hohen und niederen Adels, sowie städtischer Eliten aus Bürgerschaft und Handwerk als Demonstration der Macht. Teil 2 bündelt Publikationen zum memorialen Handeln in der Stadt in all seinen Dimensionen. Thomas Schilp beleuchtet innerhalb dieses Themenfeldes die enge Verflechtung aller sozialen Schichten, vor allem des Stadtrats, der Zünfte, Bruder‐ schaften, und klösterlichen Gemeinschaften, die jeweils ihren Platz in der Vorsorge für das Jenseits und die dafür nötige Sicherung der Memoria seitens der Lebenden suchten und fanden.
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Vorwort der herausgeber
Teil 3 umfasst drei Aufsätze, die im weiteren Sinn die Konstituierung gesellschaft‐ licher Gruppen ansprechen. Bemerkenswert ist hier vor allem die Art und Weise wie ,Memoria‘ auch sensorisch gestaltet werden konnte, das heißt, durch Licht, Klang und visuelle Darstellungen wahrnehmbar, hörbar, sichtbar und damit allenfalls auch für jene, die nicht lesen konnten, begreifbar gemacht wurde. Auf der Basis seines Interesses und breiten Wissens in Kunst, Architektur und Musik, gelingt es Thomas Schilp in außerordentlicher Weise zu vermitteln, wie das Totengedenken und die Verbindung mit dem Jenseits nicht nur liturgisch und rituell, sondern auch durch akustische, visuelle und räumliche Perzeption inszeniert und konkretisiert wurde. Schließlich wird in Text 13 beleuchtet, wie der Historismus sich des Mittelalters be‐ dient und die Dortmunder Stadtgesellschaft des 19. Jahrhunderts eine mittelalterliche Kulisse hochzieht, um den Kaiser zu empfangen. Zusammen bilden die dreizehn Aufsätze einerseits eine inspirierende Anregung zur Erforschung der ‚Memoria‘ vor dem Hintergrund unterschiedlicher Zusammen‐ hänge, Gruppen, Konstellationen und Sozialgefügen, andererseits einen Ansatz zu ei‐ ner neuen, kulturhistorisch bestimmten Sichtweise auf die mittelalterliche Geschichte der Stadt Dortmund. Thomas Schilp bettet Dortmund darin immer in die Reichs-, Landes-, Sozial- und Kirchengeschichte und damit in Zusammenhänge historischkulturwissenschaftlicher Forschung, ein. Die Aufsätze sind weitestgehend in ihrem originalen Wortlaut wiedergegeben. Sie reflektieren den Thomas Schilp eigenen Schreib-Duktus der wissenschaftlichen Reflexion und Argumentation. Auch verzichteten die Herausgeber auf die Aufnahme neuerer Literatur in den Anmerkungen; Quellen und Literatur wurden in den Anhän‐ gen gesammelt. Die in den Fuẞnoten genannten, nummerierten Publikationen von Thomas Schilp finden sich im Verzeichnis seiner Veröffentlichungen im Anhang wieder. Die Abbildungen sind pro Aufsatz nummeriert, aber es wird auch zwischen den einzelnen Texten auf sie verwiesen. Jedem der Teile ist eine Abbildung als Titelbild vorgeschaltet, auf welches in den Aufsätzen immer wieder Bezug genommen wird. Die Edition wäre nicht möglich gewesen, ohne die Hilfe von Kollegen, Freunden und Menschen, denen Thomas Schilp auf seinem Lebensweg immer mit Interesse begegnet ist. Ihnen allen sei, ohne ihre Namen einzeln nennen zu können, unser tiefer Dank ausgesprochen. Wilfried Reininghaus, dem langjährigen Freund und Kollegen, danken wir für seinen sehr persönlichen Nachruf, mit dem er uns allen aus dem Herzen spricht. Abbildungen waren für Thomas Schilp stets unverzichtbarer Bestand‐ teil seiner Publikationen. Unser besonderer Dank geht deshalb an das Stadtarchiv Dortmund mit seinem Direktor Dr. Stefan Mühlhofer, das in großzügiger Weise die Finanzierung aller Abbildungen in Farbe übernommen hat. Auch den Verlagen bei denen die ursprünglichen Bücher und Bände erschienen sind und die sich alle bereit erklärten, auf ihre Urheberrechte zu verzichten, sei gedankt.
Vorwort der herausgeber
Durch die Unterstützung aller genannter und nicht persönlich genannter Kollegen und Freunde ist ein Band entstanden, der die Erinnerung an Thomas Schilp für uns alle lebendig erhalten wird. Tilburg – Wien – Herdecke, im Juli 2022
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Tabula Memoriae
Germania Sacra, Göttingen Verein für Orts- und Heimatkunde in der Grafschaft Mark, Witten Oliver Auge, Historisches Seminar, Abteilung für Regionalgeschichte der CAU, Kiel Mechthild Black-Veldrup, Landesarchiv NRW Abt. Westfalen, Münster Jan Gerard Boecker, Musikwissenschaftler, Dortmund Hans Borhmann, Dortmund Birgitt Borkopp-Restle, Universität Bern Norbert Brachthäuser, Kaufmann, Dortmund Frank Brandstätter, Zoo Dortmund, Dortmund Peter Bühner, Freier Wissenschaftler, Mühlhausen Ottfried Dascher, Dortmund Charlotte Dikken, Freie Wissenschaftlerin, Ede (NL) Helmut Flachenecker, Universität Wüirzburg Birgit Franke, Freie Wissenschaftlerin, Dortmund Stephan Freund, Otto-von-Guericke Universität Magdeburg Klaus Gereon Beuckers, Kiel Dieter Geuenich, Universität Duisburg-Essen Rüdiger Glahs, Dortmund Joachim J. Halbekann, Stadtarchiv Esslingen am Neckar Berndt Hamm, Universität Erlangen, Nürnberg Caroline Horch, Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg Hartwig Kersken, Stadtarchiv Dortmund Claudia Kleimann-Balke, Freie Wissenschaftlerin, Treia Christian Lackner, Institut für Österreichische Geschichtsforschung, Wien Klaus Lange, Freier Wissenschaftler, Ennepetal Ursula Lieb, Göttingen Gudrun Litz, Stadtarchiv Ulm Alfred & Ulrike Lübeck-Kalthoff, Freier Wissenschaftler, Dortmund Susan Marti, Bernisches Historisches Museum, Bern (CH) Petra Marx, LWL-Museum für Kunst und Kultur (Westfälisches Landesmuseum), Münster Helga Meise, Université de Reims Champagne-Ardenne Margit Mersch, Ruhr-Universität, Bochum Stefan Mühlhofer, Stadtarchiv Dortmund Gisela Muschiol, Universität Bonn Ulrich Rehm, Ruhr-Universität, Bochum
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tabula MeMorIae
Wilfried Reininghaus, Senden Frank Rexroth, Universität Göttingen Klaus Ries, Friedrich-Schiller Universität Jena, Jena Felicitas Schmieder, Historisches Institut FernUniversität, Hagen Thomas Spohn, Bauhistoriker, Dortmund Lars Straeter, Diplom Physiker, Dortmund Harald Tersch, Fachbereichsbibliothek für Geschichtswissenschaften der Universität Wien Truus van Bueren, Universität Utrecht Andrea von Hülsen-Esch, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf Joachim von Königslöw, Freier Wissenschaftler, Dortmund Roland Wanke, Pfarrer, Marl Patrick Weise, Stadtarchiv Friedberg, Friedberg (Hessen) Barbara Welzel, Technische Universität Dortmund Lothar Wigger, Dortmund Ulrich Wirth, Dortmund Helge Wittmann, Stadtarchiv Mühlhausen Andrea Zupancic, Stadtarchiv Dortmund
wIlfRIED REININghAuS
Thomas Schilp (1953-2019) – Das Werk eines Freundes*
Viel zu früh starb am 28. September 2019 Thomas Schilp. Die deutsche Landesge‐ schichte verliert mit ihm einen ihrer innovativsten Forscher. Weit über seine berufli‐ chen Wirkungsstätten im Ruhrgebiet und über sein engeres Fachgebiet – die Mediä‐ vistik – hinaus sind ihm viele neue Impulse zu verdanken. Ihm gelang es, Brücken zwischen Archiv und Universität zu schlagen und Kulturgeschichte interdisziplinär zu betreiben. Er suchte die Dialoge mit der Kunst- und Architekturgeschichte, Musikge‐ schichte, Theologie und Wirtschaftsgeschichte und brachte so Friedberg, Dortmund und Essen auf vielfältige Weise in den nationalen wie internationalen wissenschaftli‐ chen Diskurs ein. 1953 geboren in Friedberg, studierte Thomas Schilp von 1972 bis 1981 Ge‐ schichte, Germanistik, Politik und Philologie an der Philipps-Universität in Marburg. Walter Heinemeyer wurde dort sein akademischer Lehrer, der ihn 1981 mit einer Dissertation über die Reichsburg Friedberg promovierte. Die Reichspolitik des 12. bis 14. Jahrhunderts in der Wetterau war eine bestimmende Komponente; Schilp profitierte davon an seinem späteren Standort in Dortmund. Schon beim Abschluß des Staatsexamens 1978/1979 hatten Heinemeyer und er vereinbart, das bereits 1904 durch M. Foltz herausgegebene Friedberger Urkundenbuch bis 1410 durch ein Regestenwerk der Urkunden der Reichsburg zu ergänzen. Es erschien 1987 bei der Historischen Kommission für Hessen. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete Schilp be‐ reits am Hauptstaatsarchiv in Düsseldorf (heute Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland, in Duisburg). 1981 war er als Referendar in den Archivdienst des Landes Nordrhein-Westfalen getreten. Nach der Ausbildung in Münster und Marburg ging er zunächst für ein Jahr zum Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen. Er wirkte mit an einem Projekt der Germania Sacra zur Erforschung der Kollegiatstifte. Aus dieser Zeit in Göttingen erwuchs seine Habilitationsschrift, die 1994 an der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg angenommen wurde. 1999 erfolgte in Duisburg die Ernennung zum außerplanmäßigen Professor, 2014 die Umhabilitation nach Bochum. Mentoren waren in Duisburg Dieter Geuenich und in Göttingen Otto Gerhard Oexle, der 1987 die Leitung des Max-Planck-Instituts übernommen hatte. Beide waren Wegbegleiter und Förderer des Mediävisten Schilp, für beide sollte später er Fest- bzw. Gedenkschriften herausgeben.
* Der Beitrag ist eine erweiterte Fassung des in den Blätter für deutsche Landesgeschichte 155 (2019), S. 747-752 erschienen Nachrufs.
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Im Hauptberuf aber blieb Thomas Schilp Archivar, immer mit dem Bestreben, die von ihm betreuten Bestände und die Forschungen daraus nicht nur Fachleuten zu präsentieren. Aus seiner Zeit in Düsseldorf von 1985 bis 1987 datieren die Forschun‐ gen zum Frauenstift Essen und dessen in Düsseldorf lagernden Urkundenbestände. Der 1982 plötzlich verstorbene Oberarchivrat Manfred Petry hatte es übernommen, bei der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde die Regesten des Essener Stifts herauszugeben. Schilp schloss dessen Vorarbeiten ab und legte 2010 einen ersten Band der Regesten von der Gründung um 850 bis 1350 vor. Die Arbeiten am Regestenwerk kamen der eigenen Habilitationsschrift über die Frauenstifte im frühen Mittelalter zugute. Als Norbert Reimann das Stadtarchiv Dortmund 1987 verließ, um in Münster die Leitung des Westfälischen Archivamtes zu übernehmen, nutzte Schilp seine Chancen in der einzigen westfälischen Reichsstadt. Mit reichsstädtischer Geschichte seit Fried‐ berger Tagen vertraut, avancierte er zum Experten für die Geschichte Dortmunds in vorindustrieller Zeit. Bis in das 21. Jahrhundert nimmt die reichsstädtische Vergan‐ genheit erheblichen Einfluss auf Dortmunds Identität. Schilp brachte die Bürgerinnen und Bürger in Dortmund dazu, sich ihrer Vergangenheit auf neuen Wegen zu nähern, ohne den Wunsch nach Nostalgie zu bedienen. Ein reiches Instrumentarium stand dafür zur Verfügung. Der traditionsreiche Historische Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark besaß nicht nur eine Jahresschrift, die Beiträge, sondern gab seit 1986 die Zeitschrift Heimat Dortmund heraus. In drei bis vier Ausgaben pro Jahr wurden darin Themen der Stadtgeschichte in übersichtlicher und leicht zugänglicher Form behandelt. Schilp war an der Redaktionsarbeit führend beteiligt und bediente beide Publikationsorgane regelmäßig. Zwischen 1988 und 2001 veröffentlichte er achtzehn Beiträge in Heimat Dortmund sowie fünf längere in den Beiträgen, zuletzt 2014/2015 die Edition einer kaufmännischen Rechenkunst aus den Beständen des Stadtarchivs. Er gab darüber hinaus mehrere Führer und Bildbände zur Stadtgeschichte heraus, insbesondere zu den mittelalterlichen Kirchen der Reichsstadt, zuletzt mit Andrea Zupancic Dortmund so wie es war (2013, 2. Aufl. 2018). Ortsgeschichtlich beschritt Schilp mehrere Wege. Einer führte über die einge‐ meindeten Vororte. Zum größten, Hörde (bis 1929 eine kreisfreie Stadt), gab er 1990 anlässlich der 650-Jahrfeier der Stadtrechte einen Sammelband mit vier eigenen Beiträgen heraus. Das alte Zechenrevier an den Nordhängen des Ardeygebirges, heute in den Vororten des Dortmunder Süden gelegen, war 1993 Gegenstand der Edition eines Amtsbuchs der Bergverwaltung aus dem späten 18. Jahrhundert. Neben Aplerbeck und Barop konnte Schilp aus seinen Essener Forschungen eigene Studien zu Brechten und Huckarde im Mittelalter beisteuern; beide Orte gehörten bis 1802 zum Territorium des Reichsstifts Essen. Der erste Aufsatz zu Brechten, mit dem Schilp die Ersterwähnung des Ortes 200 Jahre vordatierte, erschien 1991 in Heimat Dortmund. Der im engeren Sinn reichsstädtischen Geschichte näherte sich Schilp seit 1989. Die Inbetriebnahme des neuen Rathauses auf dem Friedensplatz bot ihm damals Gelegenheit, in einer Ausstellung im Foyer die Stadtgeschichte (‚Zeit-Räume‘) von den Anfängen bis zur Gegenwart zu präsentieren. Der Katalog zur Ausstellung im
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Ruhrlandmuseum Essen anlässlich des Bochumer Historikertags 1990 eröffnete so‐ dann die Chance zu einer ersten vertieften Annäherung an die „Civitas tremoniensis imperialis“, so der Aufsatztitel. Im Rahmen der modernen Stadtgeschichte, die Schilp 1994 gemeinsam mit Gustav Luntowski, Günther Högl und Norbert Reimann vor‐ legte und die bis heute ein Standardwerk ist, behandelte er die Reichsstadt zwischen 1250 bis 1802. An Projekten der Historischen Kommission für Westfalen, der Thomas Schilp seit 2001 als Mitglied, von 2009 bis 2018 als Vorstandsmitglied angehörte, beteiligte er sich mit Beträgen über Dortmunder Themen im Westfälischen Klosterbuch und dem Historischen Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Er deckte auch Dortmund und seine Vorstädte in der Neuauflage des Handbuchs der Historischen Stätten in Nordrhein-Westfalen, erschienen 2006, ab. Seine Kompetenz brachte er in den Mühlhauser Arbeitskreis für Reichsstadtgeschichte ein, zu dessen Studien zur Reichstagsgeschichte er zwischen 2014 und 2018 drei Beiträge beisteu‐ erte. In mehrfacher Hinsicht bedeutete die von Thomas Schilp 1996 herausgegebene Publikation des Stadtarchivs Dortmund Himmel, Hölle, Fegefeuer einen Wendepunkt. Er intensivierte nach Annahme seiner Habilitationsschrift seine Lehrtätigkeit in Duis‐ burg – und holte seine Studierenden nach Dortmund. Er war ein begeisternder Lehrer und Motivator. Die Publikation ging hervor aus einem Hauptseminar und den dort gehaltenen Referaten. Es war eingebettet in ein langfristig angelegtes Projekt des Stadtarchivs zur Mentalitäts- und Sozialgeschichte der spätmittelalterlichen Stadt Dortmund, in dem sowohl die schriftliche Überlieferung wie die Ausstattung der Dortmunder Kirchen erfasst werden sollten. Die Klammer bildete Schilps Duisburger Antrittsvorlesung Tod und Jenseitsvorsorge in der spätmittelalterlichen Stadt (1995; hier Aufsatz Nr. 1). Er griff die weit ausgreifenden Forschungen von Otto Gerhard Oexle zur Memoria auf und machte sie für die Dortmunder Verhältnisse nutzbar. Die Rubri‐ ken hießen Stadt als Heilsgemeinschaft, kollektive Jenseitsvorsorge, Stiftungen der Bürger für das Seelenheil, Tod und Armut, Kirchenausstattung als Jenseitsvorsorge. Die Studierenden griffen damit viele der Themen auf, für die Schilp und andere in den folgenden zwei Jahrzehnten nicht müde wurden, Dortmunder Beispiele zu erforschen. Im Mittelpunkt der kommenden Jahre standen die vier mittelalterlichen Dort‐ munder Innenstadtkirchen und ihre prachtvollen Altäre: St. Reinoldi, St. Marien, St. Petri und die Dominikanerkirche. Wissenschaftliche Tagungen, die für alle geöffnet waren und z.T. in den Kirchen stattfanden, und die anschließenden Publikationen erreichten ein großes Publikum. Die ersten Bände zum Stadtpatron Reinoldus (2000) und zum Altar des Berswordt-Meisters in St. Marien (2002) erschienen noch als Ver‐ öffentlichungen des Stadtarchivs. Die Berufung der Kunsthistorikerin Barbara Welzel an die Technische Hochschule Dortmund erwies sich für Schilp und die ehemalige Reichsstadt als Glücksfall. Beide wurden die führenden Köpfe der Conrad-von-SoestGesellschaft, die Tagungen seit November 2001 veranstaltete; deren Erträge gaben sie unter dem Reihentitel Dortmunder Mittelalter-Forschungen heraus. Der genaue Vereinsname war Programm: Verein zur Förderung der Erforschung der Dortmunder
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Kulturleistungen im Spätmittelalter. Bis heute gibt es zwölf Bände in dieser Reihe. Daneben erscheint eine kleine Reihe Dortmunder Exkursionen zu Geschichte und Kultur. Schilp war an den meisten der Bände mit eigenen Aufsätzen beteiligt. Ihm gelang es zusammen mit Welzel außerdem, auswärtige Experten anzuwerben, sie auf Dortmunder Themen anzusetzen oder sie in vergleichende Kontexte einzubeziehen. Die Ausstellung „Ferne Welten – Freie Stadt. Dortmund im Mittelalter“ bedeutete einen Höhepunkt dieses Teils von Schilps Arbeit. Sie war 2006 im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte zu sehen und vereinigte 306 Spitzenexpo‐ nate aus ganz Europa. Schilp schrieb nicht nur zwei zentrale Aufsätze im Katalogteil und verfasste zwölf einführende Texte zu Ausstellungssequenzen, sondern setzte seine Paraphe TS unter 37 ausführliche Exponatbeschreibungen, die manchmal in quellenkundliche Exkurse mündeten. Ausstellung und Katalog verstanden sich als kulturhistoristische Symbiose mehrerer Disziplinen. Ein ganz neues Arbeitsfeld bot seit 2006 die Musikgeschichte. Was mit einer Ausstellungsgruppe zur Musik in der mittelalterlichen Stadt 2006 begann, führte zu einer mehrfach wiederholten Musikund Vortragsreihe in der Reinoldikirche unter dem Titel ‚Bild und Klang‘, an der Thomas Schilp bis 2019 beteiligt war. Die zeitlichen Schwerpunkte der Dortmunder Aktivitäten lagen zweifellos im Mittelalter. Schilp sicherte Dortmund deshalb mit großem Erfolg einen Platz in den überregionalen Forschungen zu Hanse- und Reichsstädten. Es wäre aber falsch, ihn darauf verkürzen zu wollen. Allein schon die aktuelle Präsenz der Innenstadtkirchen oder des Alten Rathauses verlangten nach einer Öffnung zur Gegenwart hin. Dabei kam ihm ebenso die Kooperation mit Kunsthistorikern zugute wie die Erfahrungen auf dem Gebiet der Memoria. Typisch ist ein Aufsatz, den er 2014 dem Besuch Kaiser Wilhelms II. in Dortmund 1899 widmete. Er erschien mit dem Untertitel ‚reichsstäd‐ tische Vergangenheit in der industriellen Großstadt‘. Die beiden Atlasblätter, die er von Dortmund aus mit zu verantworten hatte, durchbrachen eine lange gültige zeitli‐ che Begrenzung mit dem Schwerpunkt vor 1830. Das Blatt Hörde im westfälischen Städteatlas bezog 2001 schon die bevorstehende Umwandlung der Hermannshütte in den Phönixsee ein. Beim Blatt Dortmund des Deutschen Historischen Städteatlas standen 2017 das Industriezeitalter und die NS-Zeit im Vordergrund. Der Erfolg in der Bürgerschaft gab diesem Konzept recht, denn die erste Auflage war binnen kurzer Zeit vergriffen. Seit 2011 leitete Schilp das Stadtarchiv Dortmund. Dessen letzte von ihm verant‐ wortete Veröffentlichung stellte ‚ein Juwel der Wiederaufbaumoderne‘ vor, das vom Dortmunder Architekten Will Schwarz 1953 entworfene städtische Gesundheitsamt. Es charakterisierte Dortmunds Weg von der Zerstörung zur Neuordnung, so der Titel von Schilps eigenem Beitrag in diesem Band. Das Kolloquium, das die Stadt Dortmund ihrem scheidenden Archivdirektor am 12. September 2014 gab, stand auch deshalb unter dem Thema ‚Kriegszerstörung und Wiederaufbau in Dortmund‘. Weder Dortmund noch Essen noch das Mittelalter waren Gegenstand einer Edition, die Thomas Schilp mit dem Mediziner Jens Martin Rohrbach herausgab. An der Gelehrtenkorrespondenz zwischen dem Begründer der Deutschen Opthalmo‐ logischen Gesellschaft Albrecht von Graefe und seinem niederländischen Kollegen
thoMas schIlp (1953-2019) – das werk eInes freundes
Frans Cornelis Donders interessierten den Archivar nicht nur paläographischen Pro‐ bleme, sondern auch die besprochenen Inhalte, die weit über den Fachaustausch hinausreichten. In von Graefes Briefen wird auch der vom Schicksal hart getroffene Mensch sehr persönlich fassbar. Er sprach dabei unmittelbar den Herausgeber an, denn während der Arbeiten an diesem Buch starb im September 2012 Thomas Schilps Frau, die Medizinerin Jutta Mauch. Ihrem Gedenken widmete er das Buch bei seinem Erscheinen 2013. Von der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg aus, seit 2003 mit der Ge‐ samthochschule Essen zusammengeschlossen, eröffnete Schilp einen zweiten Haupt‐ schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Tätigkeit. Er wirkte 1990, 1995, 1997 und 1999 an mehreren Ausstellungen in Essen mit, um dort dann 1999 den Arbeitskreis für die Erforschung des Frauenstifts zu gründen. Er arbeitete eng mit der Katholi‐ schen Akademie des Bistums Essen „Die Wolfsburg“ zusammen. Am Anfang standen das Frauenstift Essen und seine Geschichte im Vordergrund. Doch bereits der erste Band der vom Arbeitskreis herausgegebenen Reihe Essener Forschungen zum Frau‐ enstift bezog 2002 das gesamte Sachsen des 9. bis 11. Jahrhunderts ein. Bis 2018 erschienen in der von Thomas Schilp und weiteren neun Wissenschaftlern herausge‐ gebenen Reihe insgesamt 15 Bände mit 209 Einzelbeiträgen. Wie fast nicht anders zu erwarten war, gab Schilp allein oder zusammen mit anderen zwei Drittel dieser Bände heraus. Auch unter den Autoren lag er mit elf eigenen Beiträgen weit vorne. Das Forschungsdefizit, das er in seiner Habilitationsschrift zu den Frauenstiften des früheren Mittelalters 1994 festgestellt hatte, dürfte nach dem Abschlussband 2018 endgültig beseitigt sein. Die Erweiterung der Mittelalterforschungen verlief in Essen wie in Dortmund nach einem ähnlichen Muster. Die auf schriftlichen Zeugnissen beruhenden Unter‐ suchungen wurden konsequent um Erkenntnisse anderer Disziplinen bereichert. Archäologie, Linguistik und vor allem Kunstgeschichte erweiterten das Spektrum ebenso wie die regionale Ausdehnung, die Köln, Gandersheim, Quedlinburg und westfälische Frauenstifte einbezog. Der gemeinsam mit Annemarie Stauffer 2013 herausgegebene Band über Textilien aus Seide in früh- und mittelalterlichen Frauen‐ stiften eröffnete schon im Ansatz neue Perspektiven. Zu fragen ist nämlich, wie Sei‐ denstoffe aus der byzantinischen Welt nach Essen, Neuss oder Köln kamen. Textil-, Wirtschafts- und Kirchengeschichte näherten sich also an. Auch Epochengrenzen waren in Essen nicht tabu. Die Barockisierung mittelalterlicher Frauenstifte, Thema eines 2014 erschienenen Bandes, hatte zugleich die größte regionale Reichweite, denn der Blick reichte von Essen bis Andlau im Elsass und Preetz in Schleswig-Holstein. Noch weiter war der Radius 2010 gezogen, als Essen und das Ruhrgebiet europäische Kulturhauptstadt waren. Die im Titel der Tagung angesprochenen internationalen Verflechtungen (‚Frauen bauen Europa‘) waren zwar längst bekannt, aber eine echte Sensation war die Aufführung der Oper Talestri, regina delle amazzoni im Rahmen der Tagung in Schloss Borbeck. Schilp veranlasste die am Hof des Kurfürsten von Sachsen aufgeführte Oper zu der Frage, ob die spätere Essener Fürstäbtissin Maria Kunigunde möglicherweise eine Opernsängerin gewesen sei.
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2014 verband Schilp die Geschichte von Dortmund, Essen und Friedberg zu einem Überblick über Reichsgutpolitik in königsfernen Regionen.1 Er setzte noch ein Fragezeichen hinter die von ihm postulierte terra imperii zwischen Rhein und Ruhr im 12. und frühen 13. Jahrhundert, doch lieferte er viele gute Argumente für seine These (u.a. durch die Ansiedlung von Prämonstratenser- und ZisterzienserNiederlassungen). Sie hat weitere Beachtung auf regionaler wie auf überregionaler Ebene verdient. Zu Thomas Schilps 60. Geburtstag 2013 gaben Freunde und Kollegen eine Fest‐ schrift für ihn heraus, die den Titel Netzwerke der Memoria trägt.2 Seine Forschungen zu Dortmund und Essen waren längst über die Grenzen Nordrhein-Westfalens hinaus bekannt geworden. Memoria war ja nicht regional begrenzt, sondern ein prägendes Phänomen ganz Alteuropas. Schilp nutzte daher seine internationalen Kontakte, um die Forschungen darüber noch weiter bekannt zu machen. Anknüpfend an DeutschNiederländische Gespräche über Memoria begründete er mit Dieter Geuenich, Jens Lieven und Caroline Horch aus Deutschland, Arnoud-Jan Bijsterveld und Truus van Bueren aus den Niederlanden, Douglas Brine und Corine Schleif aus den USA, Samuel K. Cohn aus Großbritannien und der Österreicherin Meta Niederkorn die Reihe Memoria and Remembrance Practices, die der Brepols-Verlag in Turnhout (Bel‐ gien) vertreibt. Der erste Band galt 2016 der Auswirkung der Reformation auf die memoriale Praxis in Europa. Der Mitherausgeber Schilp steuerte zwei Beiträge zu den schon erwähnten Dortmunder Vororten, Brechten und Hörde-Clarenberg, bei. Der zweite Band der Reihe erschien 2019 anlässlich des 80. Geburtstages von Otto Gerhard Oexle, der 2016 verstorben war. Schilp trug die Last der Herausgeberschaft. Er hat einen ersten Entwurf seines eigenen Beitrags über ‚Stadtbau und Memoria‘ im Pienza in der Toskana noch mit Oexle selbst diskutieren können. Als am 3. Juli 2019 die Gedächtnisschrift für Oexle in den Göttinger Räumen der Germania Sacra mit Schilps Beitrag vorgestellt wurde, ahnte niemand, dass es der letzte Aufsatz war, der zu seinen Lebzeiten erschien. Er steckte an diesem Abend in Göttingen voller Pläne und freute sich auf neue Herausforderungen. Keine drei Monate später musste der große Kreis seiner Kollegen und Kolleginnen erschüttert feststellen, dass die schwere Krankheit, die überwunden schien, zurückgekommen und stärker war als er. Die be‐ wegende Trauerfeier für ihn fand am 11. Oktober 2019 in der Brechtener Dorfkirche statt, die er als Gegenstand seiner Memoria-Forschungen besonders liebgewonnen hatte. Mit Thomas Schilp verlor die deutsche Landesgeschichte einen immer hilfsberei‐ ten und kompetenten Menschen, der fehlen wird. Wilfried Reininghaus
1 Schilp, ‚Zur historischen Einordnung – Die Region zwischen Ruhr und Lippe in der Stauferzeit‘ [Verzeichnis Nr. 191]. 2 Netzwerke der Memoria, hrsg. von Lieven, Schlagheck und Welzel.
Memoria und Stadt
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Tod und Jenseitsvorsorge in der spätmittelalterlichen Stadt*
Das Mittelalter ist für uns in weiten Bereichen eine andersartige, heutigen Vorstellun‐ gen geradezu entrückte Welt – dies spüren auch immer wieder die Studierenden, für die vor der Beschäftigung mit dem Mittelalter die Latte der zu überspringenden Hürde vielleicht höher liegt, als in anderen historischen Fachgebieten. Das hat ver‐ schiedene sachliche Gründe. Die mittelalterlichen Quellen, und damit die Erkennt‐ nismöglichkeiten, sind äußerst fragmentarisch, und dies in einem doppelten Sinn: Zum einen erfassen sie nur bestimmte Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, zum anderen sind erhebliche Verluste in der Überlieferung eingetreten. Es braucht also eine gehörige Portion an Spürsinn, aber auch an Fertigkeit, um aus den wenigen Mosaiksteinen ein Bild vergangener gesellschaftlicher Wirklichkeit zu rekonstruieren. Darüber hinaus ist die Welt des Mittelalters – immerhin ein Zeitraum von rund 1000 Jahren mit dynamischen Entwicklungen – in großen Bereichen unseren heuti‐ gen Vorstellungen fremd, selbst wenn zahlreiche Phänomene wie zum Beispiel die mittelalterliche Stadt und die Entstehung des Bürgertums bis in unsere Tage hinein fortwirken mögen. Es ist die Symbolhaftigkeit des spätmittelalterlichen Denkens und Fühlens, die Einbindung in religiös-spirituelle Denkweisen, die uns oft auch nach langjähriger Beschäftigung mit dem Mittelalter vor Schwierigkeiten der wissenschaft‐ lichen Erkenntnis stellen. Nachfolgend soll ein Forschungsprojekt vorgestellt werden, das weitgehend Neu‐ land betritt und für die Geschichte der spätmittelalterlichen Stadt Dortmund zu‐ nächst mehr Fragen stellt als es Antworten parat hat. Es ist ein Projekt, das die Tätigkeit als Archivar und den Umgang mit nicht ediertem Quellenmaterial, mit aktuellen Forschungsfragen zu kombinieren versucht. Ziel ist, die schriftliche Über‐ lieferung des Spätmittelalters in einem als paradigmatisch zu verstehenden Fall zu befragen: Welche Auffassungen stehen hinter den unzähligen Memorialstiftungen der Bürger zugunsten der Kirchen und Klöster? Wie waren die sogenannten mildtätigen Stiftungen (die Hospitäler, die Einrichtungen für arme Pilger und Reisende, die * Aktualisierte Fassung der Antrittsrede von Thomas Schilp: Tod und Jenseitsvorsorge in der spätmittelalterlichen Stadt. Gerhard-Mercator-Universität [GH] Duisburg. Veröffentlichung des Fachbereichs 1, Philosophie – Religionswissenschaft – Gesellschaftswissenschaft, Heft 11 (Duisburg: Gerhard-Mercator-Universität, 1995) [Verzeichnis Nr. 34]. Stadtgesellschaft und Memoria, ed. by Arnoud-Jan Bijsterveld, Meta Niederkorn & Annemarie Stauffer, Memoria and Remembrance practices, 3 (Turnhout: Brepols, 2023), pp. 23–34 10.1484/M.MEMO-EB.5.132318
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Almosenschüsseln etc.) motiviert? Welche Ausformungen nahmen die Vorstellungen vom Diesseits und Jenseits an? Dies alles sind Fragen, um die spätmittelalterliche Stadtgesellschaft im Hinblick auf die Mentalität und ihre sozialen Implikationen zu untersuchen. Affinitäten kirchlicher Institutionen zu sozialen Gruppen in der Stadt und Mentalitäten der Bürger sollen erkannt und interpretiert werden. Betrachten wir die mittelalterliche Überlieferung einer Stadt, so ist auf den er‐ sten Blick eine tiefe Religiosität der Bürger erkennbar: Neben den politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen, rechtsförmlich geregelt in den Urkunden, besteht ein wesentlicher Teil der schriftlichen Überlieferung aus Urkunden, die persönliche oder korporative Stiftungen zugunsten der Kirche beziehungsweise religiös fundier‐ ter Institutionen im weitesten Sinne in rechtserheblicher Form fixieren. Schon bei oberflächlicher Betrachtung scheint die Erklärung dieses Phänomens geradezu ein Schlüssel für die Erkenntnis der mittelalterlichen Stadtgesellschaft zu sein. Sie ist geprägt auch von der Ausrichtung auf das Jenseits, was sich in unterschiedlichen Aspekten ausdrückt, auf die zurückzukommen sein wird. Sie ist aber auch getragen von einer individuell gelebten Mentalität, die sich in der täglichen Lebenspraxis des mittelalterlichen Menschen auffinden lassen muss. Die Beschäftigung mit diesem Phänomen kann uns wohl ein Stück vorwärtsbringen in der Erkenntnis nicht nur der Vorstellungwelt des Mittelalters, sondern durchaus auch der Formierung sozialer Gruppen innerhalb der Stadt, die wir in der Überlieferung sonst kaum ausfindig ma‐ chen könnten. Motivationen genug, der Problematik nachzugehen. Das Thema kann nur erschlossen werden, wenn wir die geistesgeschichtliche Entwicklung, die christli‐ chen Auffassungen des Mittelalters vom Diesseits und Jenseits und der Stelle, die dem Individuum in diesen Konzepten zugewiesen wird, zugrundlegen. Ich möchte zwei für die Fragestellungen des Beitrags wesentlich erscheinende Aspekte in den Vordergrund rücken. Für den gläubigen Christen endet das Leben nicht mit dem Tod. Der physische Tod bedeutet für den mittelalterlichen Menschen nicht den Anfang eines neuen, völ‐ lig anderen Lebens, das Leben nach dem Tod wird vielmehr als eine Fortsetzung der im Diesseits begonnenen Existenz verstanden. Otto Gerhard Oexle hat nachdrücklich in verschiedenen Arbeiten darauf aufmerksam gemacht, dass diese Auffassung vom Tod einige Konsequenzen impliziert: Tote des Mittelalters bleiben nämlich Personen im rechtlichen Sinn, während der Tod nach heutigem Verständnis die Rechtsfähigkeit des Menschen beendet. Als diese Rechtssubjekte sind die Verstorbenen im Mittelalter nach wie vor Subjekte von Beziehung der menschlichen Gesellschaft: Ihr Vergegen‐ wärtigung unter den Menschen ist jedoch auf die Hilfe der Lebenden angewiesen; über den Tod hinaus müssen die sozialen Bindungen gerettet und aktiviert werden; die Toten bedürfen des Gedenkens, der Memoria durch die Lebenden, um nicht der Vergessenheit und der ewigen Verdammnis anheimzufallen.1 Über den Tod reicht also die Gemeinschaft mit den Lebenden hinaus; die Mög‐ lichkeit der Hilfe aus dem Diesseits in das Jenseits kann durch Gebet und Messopfer
1 Oexle, ‚Die Gegenwart der Toten‘; Ders., ‚Memoria und Memorialbilder‘. Zum Zusammenhang siehe auch Geuenich, Zukunftsvorstellungen im Mittelalter.
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gewährt werden. Die Toten sind auf diese memoriale Hilfe der Lebenden angewiesen, da sie selbst nichts mehr tun können, um ihre Vergehen im Diesseits auszugleichen. Diese Gemeinschaft der Lebenden und Toten wurde zu einem wesentlichen Element der Bildung sozialer Gruppen des Mittelalters, ja in der städtischen Gemeinschaft können wir aufgrund erheblicher Überlieferungsverluste Gruppenbildungen oft nur über memoriale Bezüge feststellen. Um gleich ein Beispiel anzuführen: Über die Vereinigung der Gesellen des Dort‐ munder Schuhmacherhandwerks in einer Bruderschaft im Jahre 1385 erfahren wir nur aus einer Notiz in der Stadtchronik des Dietrich Westhoff, da die Gesellen sich verpflichten, für das Seelenheil aller lebenden und toten Mitglieder zwei Kerzen in der Reinoldikirche brennen zu lassen.2 Die Bruderschaft verteilte den Aufwand für die Jenseitsvorsorge solidarisch auf alle Mitglieder – sie ist damit eine kollektive Vorsorgeversicherung für die Zeit nach dem Tode auf dem Weg zum ewigen Heil. Das Gedenken für die Toten wurde also geradezu konstitutiv für die Formierung der sozialen Gruppe der Schuhmacherknechte; wie dieses Beispiel zeigt, wird die Sorge um die Toten in der Stadt damit auch für genossenschaftliche Vereinigungen zu einem wesentlichen Aspekt, zu einem zentralen Element der Konstitution als Gruppe innerhalb der Stadtgesellschaft. Die Kommemoration der Toten machte den Bestand der sozialen Gruppe in der Zeit und über das Diesseits hinaus offensichtlich. Memoria im mittelalterlichen Sinn ist also mehr als die Vergegenwärtigung im bloß kognitiven oder emotionellen Sinn, sondern umfasst auch Formen sozialen und rechtlichen Handelns, durch die die Gegenwart der Toten im Gedächtnis der Lebenden institutionalisiert wird. Für diesen umfassenden Sinn der mittelalterlichen Memoria in Differenz zu heutigen Vorstellungen möchte ich ausführlicher eine Text‐ stelle der Utopia von Thomas Morus aus dem Jahre 1516 zitieren, eines Werks immerhin, das in seinen staatsphilosophischen Intentionen, seinen alternativ zur Rea‐ lität gedachten Ordnungsvorstellungen, als ein wesentliches Kronzeugnis des neuen Geistes zu Beginn des 16. Jahrhunderts gelten kann. Thomas Morus geht im zweiten Teil der Utopia auf die Religiosität der Utopier ein und in diesem Kontext erläutert er ihre Auffassung von den Toten: (…) Die Toten, die frohgemut und voller guter Hoffnung dahingegangen sind, betrauert niemand, sondern mit Gesang geleitet man sie zur Bestattung, empfiehlt ihre Seelen liebevoll der Hut des großen Gottes (…) und errichtet ein Denkmal auf der Grabstätte mit den Ehrentiteln des Verstorbenen. Heimgekehrt von der Bestattung, spricht man von seinem Charakter und seinen Taten, und kein Abschnitt seines Lebens wird dabei häufiger und lieber durchgenommen als sein seliger Tod. Diese Ehrung des Gedächtnisses rechtschaffener Menschen halten sie für einen höchst wirksamen Anreiz zur Tugend bei den Lebenden, und zugleich glauben sie, den Verstorbenen mit dieser Verehrung eine große Freude zu machen; sie stellen sich nämlich vor, diese wären bei den Gesprächen über sie zugegen, wenn auch unsichtbar für den stumpfen Blick der Sterblichen (…). Sie
2 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 248.
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glauben, dass die Toten unter den Lebenden umherwandeln als Zuschauer und Zuhörer ihrer Worte und Taten. Mit umso größerer Zuversicht greifen sie ihre Aufgaben an, im Vertrauen auf diesen Schutz, und der Glaube an die Gegenwart der Vorfahren schreckt sie zugleich vor heimlicher Schandtat zurück.3 Die Memoria der Toten bedeutet deren Gegenwart. Die Toten in der utopischen Gesellschaft versteht Thomas Morus als Subjekte von Beziehungen in der diesseitigen Gesellschaft – Utopia umfasst neben den Lebenden auch die Toten. In der Stadt ist der Kult für die Toten eng mit dem Heiligenkult verbunden. Das drückte sich schon darin aus, dass viele Städte den Schutzpatron der Stadt oder der ihm geweihten Kirche zum Motiv des Siegels wählten. Dadurch wurde die Stadt nach außen sozusagen ideologisierend repräsentiert. Die Heiligen selbst waren nach mittelalterlichem Verständnis Rechtssubjekte mit Rechts- und Handlungsfähigkeit. Sie galten als die eigentlichen Adressaten der Schenkungen an die Kirche, sie griffen schützend in die Geschicke der Stadt ein. Der Dortmunder Schutzpatron Reinoldus, so eine Dortmunder Stadtchronik, schlich des nachts auf der Stadtmauer herum, um Feinde abzuwehren, löschte Brände, ließ die Glocken schlagen, um Angriffe von Fein‐ den der Stadt frühzeitig zu verhindern und wurde dafür verehrt.4 Der Schutzpatron wird so zu einem wesentlichen Element der Identitätsfindung der mittelalterlichen Korporation der Bürger. Ein im Beitrag zu streifender Aspekt der sozialen Implikation der Memoria möchte ich verknüpfen mit der Fragestellung der Jenseitsvorstellungen im späten Mittelalter. Jacques Le Goff hat in seinem bahnbrechenden Buch Die Geburt des Fegefeuers 1981 den Wandel des Weltbildes im Mittelalter anhand der Jenseitsvorstel‐ lungen diskutiert.5 Mag sein Buch in manchen Akzentuierungen als überzogen gelten, indem es geradezu eine Erfindung des Fegefeuers durch frühscholastische Theologen der Pariser Universität kurz vor 1200 nahelegt, in vielen Details auch zu korrigieren sein, so hat es doch für die Mentalitätsgeschichte des Mittelalters wesentliche und neue Erkenntnisse in die Diskussion gebracht.6 Zwischen die Jenseitsvorstellung im Himmel und in der Hölle für die Guten und Schlechten tritt im 12. und 13. Jahrhundert in Anknüpfung an ältere theologische Konzeptionen in zunehmendem Maße in der christlich geprägten Vorstellung das Fegefeuer, sozusagen als eine die Seele reinigende Hölle auf Zeit. Die Existenz des Fegefeuers galt jetzt als gewiss, es war zu einer kirchlichen zu einer Glaubenswahrheit geworden: 1254 erstmals durch die Kurie definiert, galt das Fegefeuer als Ort, an dem Sünden getilgt werden können, um zum ewigen Heil zu gelangen. Der christlichen Praxis des Gebetsgedenkens für die Verstorbenen verlieh das Fegefeuer einen neuen und zugespitzten Sinn. Erst nach dem Tode gelangt die Seele ins Fegefeuer, wodurch die Buße der Sünde einen neuen Stellenwert erlangt: Nur im irdischen Leben kann man, nach Thomas von Aquin,
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Thomas Morus, Utopia, übersetzt von Gerhard Ritter, S. 101-102. Siehe zum Beispiel die Notizen in der Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 215-216, S. 226-228. Le Goff, La naissance du purgatoire. Siehe etwa zur kritischen Auseinandersetzung mit den Thesen von Le Goff die Rezension von Arnold Angenendt, Theologische Revue 82 (1986), Spalte 3-41.
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Buße tun. Die Strafe und Reinigung erfolgt, nach dem Tode und ihre Dauer bestimmt sich je nach der Schwere der Sünde und nach den Fürbitten der noch Lebenden. Die Angst vor dem Jenseits, vor der Zeit nach dem Tode, führte verstärkt zu individuellen Strategien der Buße: Wallfahrten, Eintritt in ein Kloster vor dem Tode, mildtätige Stiftungen, Memorialstiftungen an kirchliche Institutionen, Fürbitten der Hinterbliebenen, um einige Beispiele zu nennen, wurden jetzt verstärkt zu Etappen auf dem Weg zum ewigen Heil. Das Fegefeuer wurde dadurch zu einem zwiespältigen Moment, zur Hoffnung für den Sünder, aber auch zum Gegenstand der existentiellen Furcht. Trotz der in der Hölle auf Ewigkeit zu erleidenden ähnlichen Qualen war das Fegefeuer zeitlich befristet und es gab die Möglichkeit, etwas für die Zeit im Jenseits zu tun. Die Hoffnung, die mit dem Fegefeuer verbunden wird, steht etwa bei Cäsarius von Heisterbach den Vorstellungen der Furcht gegenüber deutlich im Vordergrund. Man versuchte im Spätmittelalter geradezu, Buch zu führen, zu kalkulieren, wie‐ viel Zeit im Fegefeuer in Relation zwischen den Sünden und der Buße oder den Fürbitten der Hinterbliebenen beziehungsweise den nach der Reue erworbenen Ab‐ lässen zu verbringen sei. Die irdische Zeit mit den begangenen Sünden wurde damit in Verhältnis zu der jenseitigen Zeit gesetzt, ein Verhältnis, das in den bekannten Überformungen des Ablasswesens instrumentalisiert wurde, aber im Ausgangspunkt den Jenseitsvorstellungen von Kirche und Gläubigen entsprach. Es ist diese Furcht vor dem Jenseits und vor dem die Seele durch Qualen reinigenden Fegefeuer, die wir im Mittelalter in zahlreichen Quellen spüren. Der Umgang mit dieser Furcht beherrschte auch einen großen Teil der religiösen Literatur seit dem 13. Jahrhundert und trug zweifellos zu den Formen der intensiven spätmittelalterlichen Frömmigkeit bei. Der praktische Umgang mit dieser Angst wurde auch zum Ausgangspunkt der zahlreichen Gegenströmungen des ausgehenden Mittelalters und der Frühen Neu‐ zeit. Auf die für Dortmund ausgestellten Ablässe kann an dieser Stelle nicht detailliert eingegangen werden; es käme weniger auf eine positivistische Erfassung als vielmehr auf eine Bewertung der Bedeutung der Ablässe für die städtische Gesellschaft an. Die Ablässe scheinen als Jenseitsvorsorge des ‚kleinen Mannes‘ geradezu die Funktion einer memorialen Stiftung eingenommen zu haben. Die Furcht vor den Strafen im Fegefeuer führte anlässlich der Ablässe zu regelrechten Massenbewegungen in der Stadt, so dass man sich zum Beispiel bei Gelegenheit eines großen Ablasses im Jahre 1502 in der Reinoldikirche vor so vil volks kume umbkeren konde.7 Das durch die Jenseitsvorstellung bestimmte Weltbild des Mittelalters, hier zwei‐ fellos nur in groben Konturen erfasst, als ein Strukturelement der sozialen Beziehun‐ gen einer spätmittelalterlichen Stadtgesellschaft zu untersuchen, kann bislang kaum vollständig gelingen; dafür stehen meine Überlegungen noch zu sehr am Anfang. Es soll im Folgenden vor allem darum gehen, anhand einiger Fallbeispiele und Indizien erste Anhaltspunkte für die sakral- spirituellen Bezüge und die Jenseitsvorsorge so‐ wohl der Korporation der Stadtgemeinde als auch für die individuellen Vorstellungen zu diskutieren. Bereits die erste und frühe Selbstdarstellung der autonomen reichs‐ städtischen Dortmunder Stadtgemeinde in dem ersten Siegel aus der zweiten Hälfte 7 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. Von Hansen, S. 372.
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Abb. 1.1: Turmsiegel der Stadt Dortmund, Dritter Typ, 1355-1727 in Gebrauch. Ikonographisch unterscheidet es sich kaum vom ersten Typ, das mit größter Wahrscheinlichkeit schon im 12. Jahrhundert entstanden ist (© Stadtarchiv Dortmund).
des 12. Jahrhunderts stellt heilsgeschichtlich und spirituelle Bezüge her (Abb. 1.1).8 Seit den Forschungen von Toni Diederich wissen wir, dass Stadtsiegel ein besonderes Mittel der ideologisierenden Selbstdarstellung der Bürgergemeinde und infolgedes sen eine Geschichtsquelle besonderer Art sind.9 Mit dem Siegel wollte die Bürgerge meinde sich selbst zum Ausdruck bringen und benutzte dafür sozusagen eine offizielle Symbolik. Beim ältesten Dortmunder Stadtsiegel mit seinen steinernen Architekturelemen‐ ten springt zunächst ins Auge, dass die Stadt sich eindrucksvoll und für jeden Betrach‐ ter der Zeit nachvollziehbar, aber abstrahierend in Abbreviaturen als das darstellt, was eine mittelalterliche Stadt schon äußerlich vom platten Land abhob. Der Bedeu‐ tungsgehalt aber reicht tiefer, denn das Siegel ist als eine symbolische Vermischung verschiedener Bedeutungsebenen auszumachen, und es löst sich bewusst von dem Versuch eines konkreten Abbildes der Stadt oder von konkreten Elementen der städtischen Architektur: Der gezinnte Turm ist unschwer als Symbol der ummauer‐ ten Stadt auszumachen; der repräsentative, palasartige und flügelartig aufgeklappte 8 Schilp, ,Sigillum Tremonie Civitatis Westfalie‘ [Verzeichnis Nr. 25]. 9 Diederich, Rheinische Städtesiegel.
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Steinbau erinnert wohl an die Grundlage Dortmunds als Reichsstadt mit Sitz einer bedeutenden Königspfalz, könnte aber auch für eine Basilika gehalten werden, die im hohen Mittelalter als vielschichtiges Symbol verwendet wurde; unter anderem symbolisiert die Basilika die sakral, spirituell aufgefasste Stadtgemeinde im Sinne des himmlischen Jerusalem. Ein eindeutiger spiritueller Bezug wird jedoch mit der Faltkuppel mit Knaufab‐ schluss im Zentrum des Siegels hergestellt, denn sie greift bewusst die zeitgenössi‐ schen Verwendungen der Architektur der Grabkapelle in Jerusalem auf. Exemplarisch erwähnt sei die entsprechende Darstellung aus einem Collectar aus Cambrai aus der Zeit um 1130-1170 (siehe Titelbild zu Memoria und Stadt): Die Darstellung der heiligen Stadt Jerusalem in einer Karte, die wohl aus eigener Anschauung gezeichnet wurde, wie zum Beispiel die Andeutung von Höhenlinien zeigt, und die die Grabka‐ pelle in den Mittelpunkt der Ansicht stellt.10 Mit der Aufnahme in das Siegelbild reklamiert man in Dortmund das himmlische Jerusalem, die civitas dei, sozusagen als Ideal für das Leben der Bürgergemeinde. Betrachten wir die älteste Ansicht der Stadt Dortmund auf dem von Derick Baegert um 1470 gemalten Hochaltar des Dominikanerklosters in Dortmund, so wird der spirituell-sakrale Zusammenhang, in den die Stadt und damit die Bürgerge‐ meinde gestellt ist, offensichtlich. Die detailgenaue Ansicht der Stadt von Süden ist über der heiligen Sippe positioniert und stellt damit die Stadtgemeinde in einen heilsgeschichtlichen Kontext. Das Porträt des Altarstifters, des Dortmunder Domini‐ kanerpriors Johann von Asseln, auf der Außenseite des linken Altarflügels vermittelt den realitätsnahen, individuellen Eindruck eines betenden, vor dem Altar knienden Menschen – die Darstellung will suggerieren, dass der Stifter vor seinem Altar beten, hier die Messe feiern würde (siehe Abb. 8.5). Als memoriales Zeugnis ist die Ikono‐ grafie des Altars als Abbild und Realisierung seiner Erlösungsvorstellung gemeint. Im Bild wird der Stifter für das Leben des Dominikanerkonvents gegenwärtig, der Konvent sorgt durch seine spirituell fundierte Lebensform für das ewige Seelenheil des Stifters.11 Kurz vor 1400 stiftete die Dortmunder Patrizier- und Ratsfamilie Berswordt für die Marienkirche einen Altar mit der Darstellung der Passion Christi. In den Ecken des Rahmens des Altarbildes wurde das Wappen der Familie Berswordt (ein nach rechts springender Eber auf rotem Grund) vom unbekannten Maler aufgebracht.12 Beide Altarstiftungen und -bilder sind von der Forschung häufig diskutiert wor‐ den.13 Man hat sich bislang aber weitgehend darauf beschränkt, den Zeitbezug der
10 Cambrai, Bibliothèque Municipale, Ms. 0446 (0437), fol. 1 vo. 11 Zum Altar vergleiche: Die Dortmunder Dominikaner und die Propsteikirche als Erinnerungsort, hrsg. von Schilp [Verzeichnis Nr. 124], hier Marx, ‚Das Hochaltarretabel des Derick Baegert‘; sowie Schilp, ‚Seelenheil und Stadtkultur‘ [Verzeichnis Nr. 125]; und Thomas Schilp, ‚Stadtkultur im spätmittelalterlichen Dortmund‘ [Verzeichnis Nr. 73]. 12 Zum Wappen am Berswordtaltar vgl. auch Schilp, ‚De Area Apri – Berswordt‘ [Verzeichnis Nr. 54). 13 Siehe hierzu Schilp, ‚Berswordt – Eine Familie der Dortmunder Führungsstelle‘ [Verzeichnis Nr. 74]. Inzwischen konnte die Frage nach dem Zeitpunkt der Anbringung des Wappens auf dem Rahmen geklärt werden. Siehe dazu Aufsatz 5.
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Ikonografie und weniger die motivierende Dimension der Stiftung selbst zu interpre‐ tieren: Die Stiftung des Altars – ähnlich wären Kirchenfenster, Stiftungen zugunsten von Kirchenbauten mit der Anbringung von Wappen, Emblemen etc. der Stifterfami‐ lien oder Stiftergruppen anzuführen – macht nur Sinn, wenn wir berücksichtigen, dass die Stiftung die Leidenszeit im Fegefeuer verkürzen sollte. Die Anbringung des eigenen Bildes oder im zweiten Falle des Familienwappens auf zum Beispiel dem Altar fixierte den oder die Stifter auf ewig, so dass die fürbittende Kommemoration in dieser Materialisierung gesichert erschien. Hiermit ist die Vorstellung verknüpft, dass das eigene Bildnis in diesem Zusammenhang die dauernde Fürbitte garantiert. Das memoriale Bild soll die Möglichkeit der Erlösung aufzeigen, die Gegenwart des oder der Toten in der Messliturgie findet in der bildlichen Darstellung ihren sprechendsten Ausdruck – beide Altäre mit den aus der Memoria zu verstehenden Stifterbildern benennen also einen sozialen Zusammenhang zwischen den Lebenden und den Toten. Die Stifterbilder setzen damit zum Beispiel die frühmittelalterliche Tradition der libri vitae, die auf dem Altar lagen, oder die Einritzungen von Namen in der Altarplatte in zeitgemäßer Form fort. Ein Beispiel einer memorialen Stiftung in Urkundenform sei mehr oder weniger willkürlich aus dem breiten Spektrum der spätmittelalterlichen Überlieferung heraus‐ gegriffen, um an einer typischen Stiftung die Vorstellungswelt der Stifter und die öko‐ nomische Umsetzung des Stiftungsgedankens zu diskutieren: Das Ehepaar Gerlach van Holte, ein Weseler Bürger, und Beleke Sudermann, die Tochter eines bedeuten‐ den Dortmunder Patriziergeschlechts mit weitreichenden Handelsverbindungen im gesamten Hanseraum und eine der tragenden Dortmunder Ratsfamilien, nehmen 1459 eine reich dotierte Stiftung am Dortmunder Dominikanerkloster vor, in heuti‐ gen Vermögensvorstellungen mit Sicherheit eine Stiftung, die an die Höhe des Werts einer Million DM (jetzt einer halben Million Euro) heranreichen dürfte.14 Kurze Zeit vor dem Tode Gerlachs von Holte nehmen sie zum Zweck ihrer persönlichen Verge‐ genwärtigung im Gebetsgedenken des Dominikanerkonvents die Memorialstiftung vor und übertragen dem Konvent die Hälfte eines Bauernhofes im nahegelegenen Brackel, das sie kurz zuvor gekauft hatten. Die Stiftung erfolgt zum Zwecke der Erlösung ihrer Seelen, der Seelen ihrer beiden Eltern, Brüder, Schwestern, Freunde und Anverwandten sowie der Seelen aller, die wissentlich oder unwissentlich Gutes für die Stifter getan haben oder tun werden. Nicht alle näheren Bestimmungen der ausführlichen Urkunde kann und will ich vorführen, nur einige wesentlich erscheinende Aspekte sollen betont werden: Auf ewig soll täglich zum Heil der Seelen der Stifter und ihrer Verwandten eine Messe am Altar Matthei apostoli und des heiligen Vincentius, der wahrscheinlich von den Stiftern eingerichtet worden war, gelesen werden, um Fürbitten für das Seelenheil zu erhalten, dienstags ausdrücklich zur Linderung der Sündenstrafen der Stifter. Die Priester, die die Messe lesen, sollen nach der Messe täglich mit Weihwasser den Kirchenboden segnen und mit zwei Psalmen dem Seelenheil der Stifter dienen.
14 Stadtarchiv Dortmund, Bestand 1 Nr. 3061.
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Ausdrücklich soll so die Gegenwart der Stifter im Gebetsgedenken des Dominikaner‐ konvents garantiert und auch publik gemacht werden. Die Stifter sind hinsichtlich ihrer Vergegenwärtigung im Gottesdienst und in den Fürbitten des Konvents nachgerade misstrauisch; demgemäß wird in die Urkunde ein Passus eingefügt, der das Gebetsgedenken als Vorsorgeversicherung für das Jenseits auch getrennt von den Fürbitten des Dominikanerkonvents garantieren soll: Zu Lebzeiten dürfen die Stifter die Erfüllung der Memoria kontrollieren; nach ihrer beider Tod wird der Rat der Stadt Dortmund damit beauftragt, die Erfüllung des Stiftungszwecks, die Kommemoration der Stifter, zu überwachen. Bei Versäumnissen der Dominikaner soll die Vermögensmasse der Stiftung dem städtischen Gasthaus für arme Reisende und Pilger sowie dem Städtischen Hospital zugutekommen, damit die Gegenwart der Stifter auch nach dem Tode im Gebet gewährleistet ist. Die Tradition der Armenspeisung mit der Verpflichtung zum Gebet für die Stifter wird hier aufgegriffen. Die Armen als Vertreter der Toten haben einen besonderen Anspruch auf Hilfe durch die Lebenden, jeder einzelne sollte als Gegengabe für die Stifter nach ihrem Tode beten. Der Rat als Instanz öffentlichen Glaubens, als quasistaatliche Obrigkeit, und nicht die Familie oder die engere soziale Gruppe übernimmt die Aufsicht über die Vergegenwärtigung der Stifter nach ihrem Tode im Messopfer und Gebet: Ihre Gegenwart soll damit objektiviert und institutionalisiert werden. Schon die ökonomische Dimension der Stiftung verdeutlicht darüber hinaus, dass die Memoria auch als Ausweis der sozialen Stellung der Stifter diente – durch die memoriale Stiftung repräsentiert sich die Stifterfamilie im städtischen Leben gemäß ihrem Ansehen, formiert sich für jeden Bewohner der Stadt offensichtlich als Teil der städtischen Führungsschicht. Diese Eindrücke, gewonnen aus einer einzelnen memorialen Stiftung, müssen am Gesamtbild der Überlieferung bestätigt, empirisch belegt und in verschiedener Hinsicht diskutiert und interpretiert werden. Soziale Aufsteiger, die aus den Zünften in das Ratsgremium gelangen, sind in Dortmund häufig lange vor der Erringung der Ratsfähigkeit durch memoriale Stiftungen als solche zu erkennen, ja man hat geradezu den Eindruck, als ordneten sich den unterschiedlichen geistlichen Institutionen über die memorialen Stiftungen soziale Gruppen zu. Wie sehr der Gedanke der Vergegenwärtigung der Toten im memorialen Gebet, in den Fürbitten, im Vordergrund der Motivation für eine Stiftung stand, das zeigen deutlich auch die sogenannten Memorialtafeln, die zum Zwecke der Vergegenwärti‐ gung in der mittelalterlichen Kirche selbst angebracht wurden und häufig unverändert und unbeschädigt noch heute in Kirchen besichtigt werden können – so gesehen hat die Kommemoration, die Gegenwart der verstorbenen Stifter in Gebet und Gottesdienst Jahrhunderte überdauert. Als ein Beispiel möchte ich eine solche Tafel vorstellen: Johann von Altenbochum und seine Ehefrau Christine van dem Loe stifteten 1474 für zwölf Dominikanerbrüder jährlich je ein Untergewand; als Gegen‐ leistung sollen die zwölf Mönche je eine Messe für das Seelenheil der Stifter lesen, der Konvent der Dominikaner acht über das Kirchenjahr verteilte Messopfer begehen. Die Vergegenwärtigung der toten Stifter im Gebetsgedenken des Konvents soll durch die Memorialtafel hergestellt werden. Darüber hinaus garantiert die erzielte Publizität
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das Gedenken für die Seelen der Verstorbenen, die Vergegenwärtigung nach ihrem Tode soll damit gewährleistet und sichergestellt sein; die Aufbringung der Wappen der Stifter bezieht die Familienverbände in das Gebetsgedenken des Konvents ein. Die Memorialtafel mit Namen und Wappen verschafft den Stiftern über den Tod hinaus die Gegenwart im Leben des Konvents.15 In beiden vorgestellten Fällen gelten die Stifter über den Tod hinaus als Rechtssubjekte, also auch als Subjekte von Bezie‐ hungen der diesseitigen städtischen Gesellschaft – mit anderen Worten, ihre Seelen sind unter den Lebenden als anwesende gedacht. In den letzten Jahren hat Dietrich Poeck die Frage der korporativen Ratsmemoria, vor allem am Beispiel der deutschen Hansestädte, in die Diskussion gebracht.16 Unter anderem ist es ihm gelungen, zahlreiche städtische Bauten des Spätmittelalters in ihren ursprünglich zumindest wesentlich auch memorial zu verstehenden Bezügen neu zu diskutieren und zu interpretieren. Die Sorge um die Memoria des Rates, damit aber auch stellvertretend für die gesamte Korporation der Bürgergemeinde, war Anlass der genossenschaftlichen Stiftung von Altären und Kapellen durch das Rats‐ gremium. Ratskapellen finden wir in Städten als Teil einer Kirche, als eigenständiges Bauwerk oder auch als Teil des Rathauses. Für Dortmund liegt mit dem Ratschorbau der Reinoldikirche, begonnen im Jahr 1421 und vollendet 1456, ein herausragendes Beispiel für diese Ratsmemoria vor, herausragend, weil sich in diesem repräsentativen gotischen Chorbau verschiedene Bedeutungsebenen vermischen.17 Nur durch einen groben Abriss der Vorgeschichte wird die Bedeutung des Chorbaus transparent. Aufgrund eines Patronatsstreits des ausgehenden 13. Jahrhunderts war die Rechts‐ stellung der städtischen Hauptpfarrkirche umstritten: Das Kölner Stift Mariengraden behauptete, die Reinoldikirche sei ursprünglich eine Stiftskirche gewesen, die Erzbi‐ schof Anno im 11. Jahrhundert in eine Pfarrkirche umgewandelt und Mariengraden inkorporiert habe. Dortmund hingegen verknüpfte seine Patronatsansprüche mit dem Status als Reichsstadt, die auf Karl den Großen zurückzuführen sei, der sowohl die Stadt als auch die Reinoldikirche gegründet habe. Der kanonische Prozess endete mit einem Kompromiss: Der Dekan von Mariengraden setzte den Pfarrer als Patron ein, verbunden aber mit der Auflage, nur einen gebürtigen Dortmunder Bürger als Pfarrer zu investieren. Der Kompromiss scheint für gut ein Jahrhundert Bestand gehabt zu habe. Nach dem siegreichen Bestehen der sogenannten Großen Dortmunder Fehde 1388/1389 des Erzbischofs von Köln und der Grafen von der Mark gegen die Stadt, die den finanziellen Ruin Dortmunds zur Folge hatte, kam die Auseinandersetzung jedoch erneut in Fluss: Das Stift Mariengraden greift den Streit um das Patronat erneut auf. Die durch die Fehde geschwächte Stadt kann sich kaum wehren: 1412 muss sogar die erzbischöfliche Oberhoheit über alle kirchlichen Angelegenheiten in der Stadt anerkannt werden. Erst seit 1417 erholt sich die Stadt allmählich von den Folgen der Großen Fehde, auch durch nachhaltige königliche Unterstützung.
15 Eine Abbildung der Tafel bei Rinke und Müller, Dortmunder Kirchen des Mittelalters. 16 Poeck, ‚Totengedenken in Hansestädten‘; Ders., ‚Rat und Memoria‘. 17 Zum Ratschoranbau siehe Lange, ‚Stadtrat und Ratschor‘. Siehe Aufsatz 7 in diesem Band.
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In diesem Zusammenhang muss der Plan für den Neubau des Reinoldichores durch den Rat gereift sein: die Grundsteinlegung durch den Rat ist so gesehen eine Demonstration der selbstbewussten reichsstädtischen Autonomie gegen die erzbischöflichen Einflüsse. Es ist der Rat, der „mit der Synthese von Ratskirche und Reliquienarchitektur für den Stadtpatron“, wie Klaus Lange den Ratschorbau genannt hat, gegen die kölnischen Ansprüche ein Zeichen setzt, indem er die Bin‐ dung der Stadt und der städtischen Hauptpfarrkirche St. Reinoldi an das Reich verdeutlicht. Dies zeigt sich auch im Programm der Ausstattung: Als Garanten der reichsstädtischen Autonomie stehen Skulpturen Karls des Großen und von Reinoldus am Triumphbogen. Für den Seiteneingang zur Sakristei stiftet der Rat eine Madonna, die auf einer Konsole mit dem Reichs- und Stadtwappen steht. Die Fenster greifen Themen auf – so eine Darstellung Karls IV. und der Kurfürsten – die eigentlich ein typisches Rathausbauprogramm ausmachen, um nur einige Beispiele anzuführen. Ist die repräsentative Architektur damit von einer selbstbewussten Demonstration der Autonomie als Reichsstadt geprägt, sind andererseits aber auch intensive memoriale Bezüge der Korporation und der Familien des Rates auszumache: Der gesamte Bau war mit Wappen überhäuft, von denen nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrie‐ ges nur noch ein Teil erhalten ist. Nicht nur das Reichs- beziehungsweise Stadtwappen fand Verwendung, auch die Ratsfamilien, die durch Stiftungen wesentlich zum Bau und zur Ausstattung des Chores beitragen, verewigen sich durch Anbringung ihrer Familienwappen auf den Apostelkonsolen und ursprünglich in den Glasfenstern. Damit werden Architek‐ tur und Ausstattung nicht nur demonstrativ zum städtischen Besitz deklariert. Im Übrigen wird die Auseinandersetzung um das Patronat der Reinoldikirche damit faktisch beendet. Die liturgische Nutzung durch den Rat, der sich im Chor ein Ratsgestühl schafft, weist den Reinoldichor als das sakrale Haus des Rates aus, der stellvertretend für die Korporation der Bürger mit dem Chorbau für das Seelenheil der Stadtgemeinde sorgt. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Tod und Vorsorge für das Jenseits in der spätmittelalterlichen Stadt sind also mehr als ein liturgisch-spiritueller Anlass für das Handeln der Bürger und der korporativen Stadtgemeinde. Sakrale, heilsgeschichtliche Bezüge sind ein zentrales Identifikationselement der Bürgergemeinde, erkennbar schon im Stadtsiegel des ausgehenden 12. Jahrhunderts, in einer Zeit also, in der sich die Bürgergemeinde als autonome Korporation zu bilden beginnt. Die Auffassung von der Gegenwart der Toten und ihre Einbeziehung in das Leben der Gesellschaft ist ein wichtiger Aspekt der Stadt des Spätmittelalters. Das Gebetsgedenken für die To‐ ten, ihre Vergegenwärtigung in Diesseits, ganz deutlich erkennbar in den Stiftertafeln und in der Ausstattung der städtischen Kirchen und Klöster, bestimmte die Mentali‐ tät der mittelalterlichen Menschen. Daher ist die Memoria Zeugnis eines Denkens und einer Vorstellungswelt, das viele Aspekte im Bereich von Religion, Politik, Sozi‐ algeschichte, aber auch der Wirtschaft beinhaltet. In der spätmittelalterlichen Stadt bestimmt die Jenseitsvorsorge in diesem Sinn das Denken und Handeln der Bürger sowohl als Individuen, aber auch als Korporation – die Memoria ist damit in erster Linie ein soziales Phänomen der spätmittelalterlichen Stadtgesellschaft, konstitutiv
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auch für die Bildung sozialer Gruppen in der Stadt. Die schriftliche Überlieferung, aber auch Zeugnisse der Architektur und der Kirchenausstattung, die Jenseitsbezüge in all ihren Ausformungen für eine Stadt des Spätmittelalters zu interpretieren und in die angedeuteten Zusammenhänge zu stellen, um damit die Mentalität in der spätmittelalterlichen Stadt zu erkennen, dies wird Aufgabe und Ziel der eingangs vorgestellten Forschungen sein.
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Met groter broderlicher und truwelicher eindracht* Überlegungen zur politischen Stadtkultur des Dortmunder Mittelalters
Otto Gerhard Oexle zum 65. Geburtstag am 28. August 2004
Prolegomenon: Die Fragestellung Mit großer brüderlicher Eintracht – der Titel dieses Beitrags über die politische Kultur einer mittelalterlichen Stadt, und damit über einen nicht unwesentlichen Teil des wirklichen Lebens einer Bürgergemeinde, erscheint trotz des Zitats aus dem Text eines mittelalterlichen Chronisten möglicherweise auf den ersten Blick zu sehr an moderne Denkformen und Deutungsschemata angelehnt zu sein. Insofern sei der inhaltliche Rahmen der Überlegungen methodisch kurz abgesteckt, denn vorschnelle Adaptionen der mittelalterlichen Stadt an moderne Vorstellungen sollen vermieden werden: Städtische Wirklichkeit des Mittelalters soll gerade nicht zu einer Vorform der Moderne idealisiert werden. Mit den Lebensformen einer größeren mittelalter‐ lichen Stadt wie auch mit der Differenzierung und Entwicklung ihres Bürgertums wurden und werden seit Aufklärung und Französischer Revolution oft Vorstellungen von Freiheitsrechten, Selbstbestimmung, ja Emanzipation verbunden – und dies prägt zum Teil auch noch das heutige Urteil darüber. Dennoch ist die Frage nach den besonderen Lebensformen der Stadt, der Ausgestaltung des sozialen und politischen Systems in Absetzung von der feudalen Welt, die auf Abhängigkeit und persönlicher Unfreiheit des Landbewohners von seinem Herrn beruhte, durchaus zulässig, ja drängt sich nachgerade auf.1 Die Stadt des Mittelalters nämlich kannte einerseits zumindest für die Bewohner mit Bürgerrecht Formen der Gleichheit und Freiheit, * Erstpublikation in: Dortmund und Conrad von Soest im spätmittelalterlichen Europa. Dortmunder MittelalterForschungen 3, hrsg. von Thomas Schilp und Barbara Welzel (Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 2004), S. 275-308 [Verzeichnis Nr. 104]. 1 Angeführt sei die treffende Formulierung von Isenmann, Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, S. 17: Die Stadt des deutschen Mittelalters ist eine „Insel stadtbürgerlicher Freiheit und Gleichheit inmitten einer herrschaftlich geordneten, auf Bindung und Ungleichheit ausgerichteten agrarisch feudalen Umwelt“. Stadtgesellschaft und Memoria, ed. by Arnoud-Jan Bijsterveld, Meta Niederkorn & Annemarie Stauffer, Memoria and Remembrance practices, 3 (Turnhout: Brepols, 2023), pp. 35–66 10.1484/M.MEMO-EB.5.132319
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an der die Einwohner ohne Bürgerrecht als Angehörige des städtischen Rechtskreises zwar partizipierten, vom aktiven Geschehen selbst aber weitgehend ausgeschlossen blieben. Diese Einschränkung setzt andererseits eine erste und deutliche Differenz zur Moderne. Die Kategorien Konflikt und Konsens – oder in anderen Worten: Streit und Kom‐ promiss, heftige oder gar handgreifliche Auseinandersetzungen der Stadtbewohner und die folgende konsensgestützte Herstellung des innerstädtischen Friedens – waren Kategorien der mittelalterlichen Stadt selbst.2 Sie beinhalteten insofern keine unzuläs‐ sigen methodischen Unterwerfungen des Mittelalters durch moderne Begriffssysteme oder Deutungsschemata. Diese Kategorien ziehen die Leistung der mittelalterlichen Stadt in den Blick, die selbst die Eintracht von Bürgern und Einwohnern als conditio sine qua non der Kommune verstanden hat. Das Ratsregiment, das politische System der spätmittelalterlichen Reichsstadt Dortmund – so die These – stützte sich auf den grundlegenden Konsens der sozialen Gruppen. Die Ratsverfassung und damit die Selbstverwaltung der Bürgergemeinde durch ein delegiertes Gremium wie auch die politische Autonomie der Stadt beruhten auf dem Ausgleich der zum Teil gegensätzli‐ chen Interessen, vor allem der patrizischen Ratsfamilien und der Zunftbürger. Im Übrigen ist einschränkend zu betonen, dass im Folgenden mit den sozialen und politischen Konflikten zwischen Bürgergemeinde und Ratsgremium und den Konsensfindungen in konkreten Situationen nur ein – allerdings zweifellos wesent‐ licher – Aspekt thematisiert wird. Auseinandersetzungen und folgend notwendige Kompromissfindungen sind bei näherem Zusehen im spätmittelalterlichen Dort‐ mund auch unter den Zunftbürgern selbst festzustellen, die ja überhaupt erst zu einer gemeinsamen politischen Willensbildung finden und diesen Konsens immer wieder neu herstellen mussten. Konfliktpotenziale in der mittelalterlichen Stadt be‐ standen auch etwa zwischen Klerus und Bürgern oder zwischen Klerikergruppen.3 Soziale Auseinandersetzungen waren unvermeidlich selbst im Stiftungswesen, wie die Analyse der Altarstiftungen der Patrizierfamilie Berswordt in der Dortmunder Marienkirche kürzlich verdeutlichen konnte.4
2 Diese beiden für die spätmittelalterliche Stadt sehr gut gewählten Kategorien greifen den Titel eines thematisch übergreifenden Aufsatzes auf: Oexle, ‚Konflikt und Konsens‘. Ebenso den Titel eines Buches, das stadthistorische Beiträge von Wilfried Ehbrecht in einem Sammelband zu seinem 60. Geburtstag veröffentlicht: Ehbrecht, Konsens und Konflikt. Mit den Aufsätzen von Ehbrecht zu den innerstädtischen Auseinandersetzungen in norddeutschen Städten (vor allem Braunschweig, Halberstadt, Bremen und andere) sind nicht nur methodische Grundlagen erarbeitet worden, sondern auch mannigfaltige Möglichkeiten vergleichender Untersuchungen. Synchrone Vergleiche des Verlaufs und der Zielrichtung innerstädtischer Konflikte und der folgenden Konsensfindung können im Rahmen dieses Aufsatzes nur angedeutet werden. Die Dortmunder Entwicklungen dürfen keineswegs als singuläre Erscheinung gewertet werden. Zu den Fragestellungen meiner Überlegungen siehe insgesamt auch prägend Meier und Schreiner, ‚Regimen civitatis‘. In den zitierten Publikationen findet sich der Nachweis der wichtigsten Literatur. Zum Begriff des ‚Gemeinen Wohls bzw. Nutzens‘ im Kontext mittelalterlicher Stadt siehe Blickle, ‚Der Gemeine Nutzen‘. 3 Für Dortmund sei nur auf die Auseinandersetzung um die Gründung des Dominikanerklosters im beginnenden 14. Jahrhundert – und die Gründung der Petrikirche in diesem Zusammenhang – hingewiesen; dazu zuletzt Schilp, ‚Die Reichsstadt (1250-1802)‘ [Verzeichnis Nr. 30], S. 156ff. 4 Siehe hierzu: Der Berswordt-Meister und die Dortmunder Malerei, hrsg. von Zupancic und Schilp [Verzeichnis Nr. 72]. Siehe hier auch Aufsatz 5.
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Zudem ist anzumerken: Die mittelalterliche Stadtgesellschaften Europas haben ein Bewusstsein über den Wert innerer Einigkeit, über die immer wieder geforderte Herstellung des innerstädtischen Konsenses als Grundvoraussetzung mittelalterlicher Stadt ausgebildet.5 Die Fragestellung der folgenden Überlegungen geht von verfas‐ sungshistorischen Aspekten aus, um die Diskrepanz von Norm und Wirklichkeit zum Thema zu machen, die Flexibilität städtischer Verfassung und die Dynamik der Entwicklung städtischer Realität zu diskutieren und innerstädtische politische Hand‐ lungsfelder auf soziale Gruppen in der Stadt zu beziehen. Die mittelalterliche Stadt – zumindest soweit es die von der Forschung noch immer als ‚Mutterstädte‘6 bezeich‐ neten älteren und organisch gewachsenen Städte ohne eigentlichen Stadtgründungs‐ akt betrifft – hat die Bürger zu einer „rechtsfähigen Körperschaft oder Genossenschaft mit Genossen gleichen Rechts“ erhoben.7 Die mittelalterliche Kommune beruhte auf dem Vertrag, der Vereinbarung ihrer vollberechtigten Mitglieder. Insofern bezieht sich die mittelalterliche Bürgergemeinde auf den von Mauern umfassten Ort ‚Stadt‘, war eine Form der Vergesellschaftung menschlicher Existenzen. Zwar kannte die Sprache der mittelalterlichen Stadt den Begriff ‚Gleichheit‘ kaum, auf der Grundlage der rechtlichen Gleichheit der Bürger vor dem Stadtgericht aber entstand Streit um die Partizipation aller Bürger-Gruppen an der Selbstverwaltung der Stadt und vor allem am Ratsregiment, das in der Regel zunächst von einer städtischen Führungselite besetzt war.8 Für die Stadt war das Prinzip der Selbstregierung und -verwaltung und in diesem Zusammenhang der Rat als das repräsentative Gremium von ganz entschei‐ dender Bedeutung. Die mittelalterliche Kommune bezog hierbei unterschiedliche, ja gegensätzliche Interessen von Bürgergruppen aufeinander. Die politischen Handlungsfelder unterschiedlicher Bürgergruppen im mittelalter‐ lichen Dortmund sind Gegenstand der folgenden Überlegungen; in den Blick genom‐ men werden Handlungsspielräume innerhalb des politischen Systems einer mittelal‐ terlichen Stadt, das für die Herstellung des Konsenses unterschiedlicher Gruppenin‐ teressen den Zunftbürgern und anderen Gruppen Partizipationsrechte einräumte, die über die Eroberung von Ratssitzen hinaus ging. Die Überlieferung ist zu befragen, wie das konsensgestützte politische System der Stadt Dortmund sich selbst definierte und konstituierte. Es ist gerade die Zeit der Krise, die den Konsens, die vielbeschworene Eintracht der Stadtgemeinde in Frage stellte. In der Krise forderten Bürger ein Recht der Zustimmung und Kontrolle ein, redeten mit bei der Definition des Gemeinen Wohls, des bonum commune: Ohne Kontrolle war Konsens der Gemeinde mit dem Ratsregiment in der Stadt nicht zu haben.
5 Siehe hierzu grundlegend Schreiner, ‚Legitimität, Autonomie, Rationalisierung‘. Vergleiche auch Schilp, ‚Die Korporationsbildung der Dortmunder Bürger‘ [Verzeichnis Nr. 50]. 6 Zur Begriffsbildung siehe Haase, ‚Stadtbegriff und Stadtentstehungsgeschichten in Westfalen‘. 7 So die Formulierung für die Dortmunder Verhältnisse unter Konrad III (um 1140) von Schmale, ‚Die soziale Führungsschicht des älteren Dortmund‘, S. 63. Siehe hierzu insgesamt auch Schilp, ‚Consules rempublicam Tremoniensem gubernantes‘ [Verzeichnis Nr. 35]. 8 Siehe hierzu Schwerhoff, Apud populum potestas?, S. 197f. Er hält für seine Untersuchung Kölns fest: „Der Terminus ‚Gleichheit‘ begegnet uns in den Verfassungstexten und Statuten kaum; und doch kann kein Zweifel daran bestehen, dass ‚bürgerliche‘ Gleichheit zu den Leitwerten der städtischen Gesellschaft zählten“.
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Die Formen der Freiheit und Gleichheit der Bürger in der mittelalterlichen Stadt unterschieden sich zweifellos von den Begriffen und der Wirklichkeit moderner Demokratien nach der Französischen Revolution.9 Auch ist der Dortmunder Bürger für uns als homo politicus in der Regel weniger als einzelnes Subjekt fassbar, sondern vielmehr als Mitglied einer der Korporationen der Stadt: Er war Angehöriger einer Patriziergilde (Reinoldigilde, später der Junkergesellschaft), des Erbsassenstandes, der alten handwerklichen Zünfte oder der neuen handwerklichen Ämter. In und mit diesen Korporationen wurde durchaus divergierender politischer Wille gebildet und artikuliert. In der mittelalterlichen Stadt spiegelte etwa Kleidung die Zugehörigkeit zu einer sozialen und ökonomischen Gruppe, Kleidung konstituierte damit auch innerhalb der Stadt einen besonderen ‚Stand‘.10 Im Unterschied zur Moderne war die Gleichheit der Bürger der mittelalterlichen Stadt nur denk- und lebbar in der Form der Selbstauffassung der Stadtgemeinde als sakraler Gemeinde in einem fundamenta‐ len Verständnis.11 Johann von Soest, Heidelberger Hofmann und Stadtarzt in Worms, hat in seiner kurz vor 1500 abgefassten Regierungslehre Wie men wol eyn statt regyrn sol die Stadt seiner Zeit in verschiedenen Dimensionen gekennzeichnet: den wehrhaften Charak‐ ter mit Mauern, Toren und Türmen, die wirtschaftliche Potenz, die Architektur, die besondere Lebensqualität. Vor allem anderen aber hob er den städtischen Frieden hervor und benannte die Einigkeit der Bürger als das Wesensmerkmal einer Stadt. Zu Beginn seiner Schrift über die beste Regierung einer Stadt erläutert er sein Verständ‐ nis des Begriffs ‚Stadt‘ daher folgerichtig:12 Eyn statt ist eyn communitett In lyeb und frontschafft vest und stett. Da yn men lebt myt eern und nutz In fryd un tughend schyrm und schutz, Und dy in yr beslossen hott, Als das em menschen mag syn nott Mit gassen hussern volbesetzt Eyn solche wort eyn statt geschetzt, Bas wort, merck, statt hot deas off ym, Das eynigkeit my taller tzym In eyner statt behafft sol syn.
9 Siehe unten, Anm. 19. 10 Zur schnellen Orientierung siehe Schneider, ‚Kleiderordnungen‘ (mit Hinweisen auf weiterführende Literatur). Ferner Eisenbart, Kleiderordnungen der deutschen Städte, vor allem S. 87-103. 11 Siehe hierzu zuletzt für Dortmund mit den Hinweisen auf die allgemeine Literatur zum Thema Schilp, ‚Sakrale Topographie im mittelalterlichen Dortmund‘ (hier Aufsatz 6); sowie Ehbrecht, ‚Jerusalem: Vorbild und Ziel‘. 12 Wie men wol wol ein statt regyrn sol, hrsg. von Heimann, S. 23f. Die dort gegebene Übersetzung des Textes wurde in Nuancen modifiziert. Eine äußerst gelungene Analyse des Textes von Johann von Soest, die auch die lateinischen Passagen mitberücksichtigt, weil sie wesentlich mehr und anderes als Paraphrasierungen des deutschen Textes, nämlich politik-theoretische Aspekte der Diskussion der Zeit enthält, siehe bei Meier, ‚Burgerlich vereynung‘, besonders S. 70-75. Jüngst zu Johann von Soest auch Isenmann, ‚Ratsliteratur und städtische Ratsordnungen‘, S. 295-305.
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War das nyt ist, hot statt keyn schyn, Dan das wort statt heyst civitas Quasi cum unitas. Das ist zu teutsch so vil gerett On welch vereynung nimmer, mag Keyn statt beharren jar und tag. Solche eynigheit, dy kann nyt syn, Ess sy dann sach darin gemyn. „Eine Stadt ist eine Gemeinschaft in gegenseitiger Achtung und Freundschaft, fest und stetig. In ihr lebt man mit Ehre und Nutzen, in Frieden, Tugend, Schirm und Schutz. Was in ihr eingeschlossen ist, versieht den Menschen mit Lebensnot‐ wendigem und sie ist angefüllt mit Gassen und Häusern. So etwas wird als Stadt eingeschätzt. Doch merke: Das Wort Stadt deutet vor allem darauf, dass Einigkeit in ihr herrscht. Wo diese nicht gegeben ist, kann Stadt nicht sein, denn das Wort Stadt heißt civitas, gleichsam Einheit der Bürger. Zu Deutsch bedeutet das so viel wie bürgerliche Vereinigung. Ohne diese Vereinigung kann eine Stadt nicht bestehen. Die Einigkeit muss eine Angelegenheit der Bürger sein.“ Die mittelalterliche Stadt war also eine Gesellschaftsbildung im modernen Sinn: Bevölkerungsverdichtung auf engstem Raum, das Verständnis der Bürger als Genos‐ sen gleichen Rechts, politische Willensbildung als Bürgergemeinde, das Prinzip der vertraglichen Vereinbarung, Selbstregierung durch das Prinzip der Repräsentation. Stadt war auch eine Gesellschaft, in deren Schutz eine große Zahl von Gruppen entstand (Gilden und Zünfte, Bruderschaften, Geselleneinigungen, kirchliche Zusam‐ menschlüsse, Klöster und so weiter). Gruppenbildung und -bindung ließen zwangs‐ läufig Gegensätze der Interessen entstehen, Konflikte, die zum Konsens geführt werden mussten, wollte die Stadtgemeinde als Korporation auf Dauer Bestand haben. Mit groter broderlicher und truwelicher eindracht Der Dortmunder Chronist Dietrich Westhoff handelt in seiner berühmten Stadt‐ chronik, entstanden um 1550, ausführlich auch über die Große Dortmunder Fehde 1388/1389, in der die Reichsstadt eine fast zweijährige Belagerung durch Truppen der Erzbischöfe von Köln und der Grafen von der Mark überstehen musste.13 Der Chronist reflektiert hier unter anderem, wie es den Bürgern von Dortmund gelang, die Fehde siegreich zu überstehen:14 1 Die Versorgung mit Milch und Fleischprodukten konnte aufrecht erhalten wer‐ den. 13 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 251ff. Zur Dortmunder Fehde siehe Kirchhoff, ‚Die Dortmunder Große Fehde 1388/89‘; Garnier, ‚Symbole der Konfliktführung im 14. Jahrhundert: die Dortmunder Fehde von 1388/89‘. 14 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 276ff.
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2 Die Versorgung mit Brennholz aus den stadtnahen Wäldern blieb während der ge‐ samten Fehdezeit gesichert, so dass die Dortmunder backen und browen konnten.15 3 Aus Münster und Haltern konnten ungehindert Lebensmitteltransporte in die belagerte Stadt vorgenommen werden. 4 Die Stadt hatte – so der Chronist – eine zwölfjährige Niedrigpreisperiode genutzt, um enorme Getreidevorräte anzulegen, so dass Dortmund nach der Fehde sogar Getreide verkaufen konnte. 5 Als wichtigsten Aspekt der Erklärung, warum die Dortmunder siegreich blieben, hob der Chronist hervor, die Dortmunder Bürger hätten brüderliche Eintracht bewahrt, sie hätten Ge- und Verbote befolgt und den Anweisungen ihrer militäri‐ schen Befehlshaber gehorcht, um daran als Maxime anzuschließen: „Wo Bürger und Stadtbewohner treu in Eintracht zusammen halten, können sie großer Gewalt ihrer Feinde widerstehen und sowohl großen Reichtum als auch ruhmreiche Ehre erlangen.“16 Den Fehdegegnern war es also nicht gelungen, innerhalb der Stadt Zwietracht zu säen. Dietrich Westhoff hielt als Urteil fest, Bürger und Stadtbewoh‐ ner hätten unter der starken Belastung der Belagerung während der Großen Fehde um den Wert der Eintracht gewusst; die Dortmunder Bürger hätten über den Wert der politischen Autonomie der Stadt ein klares Bewusstsein entwickelt für die innere Differenzen zurückgestellt werden mussten. Zugleich muss angemerkt werden: Der Bericht des Dortmunder Chronisten über den Konsens der Stadtgemeinde während der Großen Fehde ist durchaus auch als deutlicher Fingerzeig zu verstehen, dass der Rat in der Situation der Bedrohung der Stadt durch Gebot und Verbot, durch Anordnung, durch Herrschaft über die Stadt Eintracht herstellte. Nichts spricht in dieser Situation für eine Konsensfindung nach Auseinandersetzung und Konflikt. Dies war im Übrigen wohl zunächst die übliche Form der Herstellung städtischen Konsenses: Der Rat als repräsentatives Gremium der Selbstverwaltung der Stadt sorgte für die Einheit der Bürgergemeinde, bestimmte und definierte das gemeine Beste, setzte dieses auch nach Umständen mit unterschiedlichen Mitteln durch. Interessant wird für uns die Thematik immer dann, wenn die Bürgergemeinde beim Ringen um das bonum commune und um Konsens in Konflikte geriet. Es zeichnet die Chronik des Dietrich von Westhoff, aber auch andere Dortmun‐ der Chroniken (siehe unten) aus, das politische System der Reichsstadt Dortmund wiederholt als konsensgestützt vorgestellt zu haben. Die Stadtgemeinde konstituierte sich nach ihrem Urteil aus der Eintracht der Bürger, die in den Konflikten unter‐ schiedlicher Interessen-Gruppen vereinbart werden musste – und dies wurde schon kurz nach der Mitte des 13. Jahrhunderts evident.
15 Ebd., S. 277. 16 Ebd., S. 277f.: Der vijfte articul und der aller vurmeligste ist disse gewesen, dat die burger binnen der stat mit groter broderlicher und truwelicher eindracht ihre vursichtigen vursslege gehat und stedehen de einicheit in gebot und verbot geleivet, und derhalven altijt gehoersam den verordenten oversten ader capitein geleistet, want waer sich burger und statsvolk getruwelich mit eindracht lieflich tosamen halden, konnen sie keren und wedderstaen groete gewalt irer viande mit overkominge rijkdombs und roemrjicher eheren.
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Das Ratswahlstatut von 1260 Innere Differenzen, ja harte Auseinandersetzungen zwischen sozialen Gruppen be‐ herrschten das Geschehen in der mittelalterlichen Stadt. Gleichsam zwangsläufig standen Auseinandersetzungen um die politische Partizipation der HandwerkerBürger am Ratsregiment auf der Tagesordnung des politischen Lebens der Stadt. Dennoch schildert der Dortmunder Chronist nahezu idealisierend Eintracht und Ei‐ nigkeit der Bürger und Stadtbewohner im Kontext der großen Fehde. Freilich sind die schriftlichen Quellen für die Dortmunder Entwicklung nur fragmentarisch überliefert und lassen innerstädtische Auseinandersetzungen zwischen sozialen Gruppen um das Ratsregiment oft nur im Ergebnis eines gefundenen Kompromisses erkennen. Die folgenden Überlegungen werden sich auf die Lebenszeit Conrads von Soest um 1400 konzentrieren, aber dennoch zunächst auf die nur holzschnittartig wieder zu gebenden Entwicklungen der zweiten Hälfte des 13. und des 14. Jahrhunderts eingehen. Aus dem Jahre 1260, mithin nur rund zwanzig Jahre nach dem Einsetzen der Dortmunder schriftlichen Überlieferung und der ersten Erwähnung des Dortmunder Stadtrates, ist für die einzige Reichsstadt Westfalens ein Ratswahlstatut überliefert.17 Dem kommt für unsere Fragestellung erhebliche Relevanz zu (Abb. 2.1).18 Im März des Jahres 1260 kamen die consules, die regierenden Ratleute der Stadt – die rem publicam Tremoniensem gubernantes19 – mit den damals bestehenden Bruderschaften und Zünften oder ‚sechs Gilden‘ über die Ratswahl zu einer Vereinbarung.20 Diese 17 Für die erste Erwähnung des Stadtrates: Dortmunder Urkundenbuch, bearb. von Rübel (im Folgenden zitiert als DUB), hier DUB 1, bearb. von Rübel, Nr. 78: Der Dortmunder Graf Konrad verkauft und überlässt der Stadt im Jahr 1241 ein Haus am Markt und weitere Rechte; unter den Zeugen begegnen die consules Tremonienses, die Urkunde wird sowohl von Graf Konrad als auch von der Stadt mit dem Turmsiegel beglaubigt. Für das Ratswahlstatut: Dortmunder Statuten und Urtheile, bearb. von Frensdorff, S. 192f. 18 Siehe hierzu und auch zur Entwicklung der Stadt Dortmund im 13. Jahrhundert ausführlich im Kontext reichsstädtischer Autonomie Schilp, ,Consules rempublicam Tremoniensem gubernantes‘, vor allem S. 95ff. 19 Wenn sich die Dortmunder Ratleute hier selbst als das Gremium bezeichneten, das die res publica Dortmund regiert, so zeugt dies von einem ausgeprägten Selbstbewusstsein über die Stellung und Funktion des Rates. Der körperschaftliche Begriff der res publica, der seit dem 13. Jahrhundert autonomen politischen Körperschaften als Qualität zugemessen wurde, ist nicht mit dem Republikbegriff der Französischen Revolution und der Moderne in eins zu setzen. Siehe hierzu den Überblick für das Mittelalter von Mager, ‚Republik‘. Schon die soziale und politische Differenzierung der Bewohner einer mittelalterlichen Stadt in Bürger mit Bürgerrecht und Einwohner ohne Bürgerrecht verbietet die Übertragung des modernen Republik- oder gar Demokratiebegriffs. Dennoch ist mit der als res publica bezeichneten Stadt ein eindeutiger Akzent für die mittelalterliche Gesellschaft gesetzt. Nach mittelalterlicher Auffassung ist hiermit die als abstrakte Gesamtperson konstituierte Bürgergemeinde (juristische Person als Einheit) gemeint, die ihre Gemeinde durch Beauftragte, den Rat, regiert, richtet, regelt und ordnet, mithin sich selbst autonom verwaltet. Damit ist ein soziales und politisches Gefüge gebildet, das den Wechsel der Mitglieder überdauert und so zu einem historischen Subjekt wird, das zielgerichtetes Handeln der Korporation ermöglicht. Der von der Stadt Dortmund im Ratswahlstatut des Jahrs 1260 selbst verwendete Begriff der res publica akzentuierte meines Erachtens insofern bewusst den Gedanken der rechtlichinstitutionalisierten Einheit der Bürgergemeinde gegenüber äußeren Herrschaftsverhältnissen. 20 In der Formulierung der Urkunde von 1260 heißt es: cum fraternitatibus et ghildis sex que sunt in unviversitate civium Tremoniensium. Der Zusammenhang verdeutlicht, dass es sich bei den ‚Bruderschaften und sechs Gilden‘ des Jahres 1260 um handwerkliche Zünfte handelte, die sich von der vornehmen Reinoldigilde, die wenig später in dieser urkundlichen Vereinbarung genannt ist, als der Gilde der Fernkaufleute Dortmunds absetzte. Der Name ‚Sechsgilden‘ wurde von der Forschung des 19. Jahrhunderts als Bezeichnung für das politische Gremium
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enthält Folgendes: Die jährlich stattfindende Wahl der Ratsmitglieder sollte fürderhin in der Form organisiert werden, dass jede der sechs Gilden zwei Männer, die ihnen geeignet erscheinen, bestimmen soll, insgesamt also zwölf. Diese zwölf Wahlmänner hatten ihrerseits weitere sechs Wahlleute aus der Reinoldigilde, der Gilde der Dort munder Fernkaufleute, zu wählen. Zusammen mit dem bisherigen Rat aus 18 Mitglie der wählte das somit aus 36 Wahlmännern bestehende Gremium den neuen Rat. Selbst wenn das Ratswahlstatut des Jahres 1260 nicht ausdrücklich einen vorherge henden innerstädtischen Konflikt zwischen patrizischem Rat und Reinoldigilde auf der einen und den Zunftbürgern auf der anderen Seite benennt, ist eine solche Aus einandersetzung vorauszusetzen: Die Handwerker-Bürger drangen auf Beteiligung am politischen Geschehen der Stadt, an der Selbstverwaltung und Selbstrichtung der Bürgergemeinde. Ohne jede Beteiligung von Vertretern der Stadtherrschaft ordneten Rat und Sechsgilden das Führungsgremium der Bürgergemeinde.21 Der korporative Charakter wurde durch die Beteiligung der genossenschaftlichen Organisationen der Handwer‐ ker nachhaltig unterstrichen. Die Partizipation der Handwerker-Bürger der Stadt am Ratsregiment, wenn auch nur in der Beteiligung am Wahlgremium des Rates, schloss nachgerade die Entwicklung politischer Autonomie der Stadt ab, und dies in zweifacher Hinsicht. Erstens: Die vertragliche Regelung der Ratswahl, einer essentiel‐ len Frage städtischen Lebens, durch offensichtlich konkurrierende soziale Gruppen in der Stadt, führte den Prozess der autonomen städtischen Gemeindebildung und der Selbstverwaltung der Stadt durch einen Konsens zu einem Abschluss. Zweitens: Wilfried Reininghaus hat in einer vergleichenden Studie darauf aufmerksam gemacht, dass die Dortmunder Vertragsschließung des Jahres 1260 im Kontext einer um 1245 von Flandern ausgehenden Reihe von innerstädtischen Konflikten gesehen werden muss, in denen die Zünfte um politische Partizipation am Ratsregiment kämpften.22 Im Kontext der Auseinandersetzungen übernahm in Köln 1257 für einige Jahre eine antipatrizische, handwerkliche Opposition gegen das bisherige Ratsregiment die städtische Macht. Neben Dortmund sind 1260/1261 auch in Soest ähnliche Bestrebungen der Zünfte erkennbar.
der Dortmunder Zünfte übernommen. Zu den Sechsgilden zählten Schmiede, Schuster und Gerber, Bäcker, Metzger, Krämer und Fettkrämer. Entgegen der Vermutung von Gleba, ‚Politische „Umgangsformen“‘, S. 167, die fraternitates der Urkunde als religiöse Bruderschaften neben den Zünften zu verstehen, ist der Begriff hier wohl eher synonym für das deutsche Wort ghildis verwendet. Die Ausführungen von Gleba zu den Dortmunder Verhältnissen im Rahmen ihres Beitrages zum Ausstellungskatalog sind ungenau und oberflächlich, zum Teil auch grob vereinfachend; auch stimmt die gegebene Chronologie der Ereignisse in der Regel nicht oder nur zum Teil, so dass im Folgenden nicht näher auf diesen Aufsatz eingegangen wird. 21 Nach dem Zusammenbruch der staufischen Reichsgewalt um 1250 und dem folgenden Interregnum hätte der Graf von Dortmund als Spitzenfunktionär des Königtums vor Ort und damit Vertreter der königlichen Stadtherrschaft über die Reichsstadt Dortmund de iure Rechte der Stadtherrschaft wahrnehmen oder zumindest beanspruchen können. 22 Reininghaus, ‚Handwerk und Zünfte in Westfalen‘, besonders S. 275ff.
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Abb. 2.1: Statut zur Dortmunder Ratswahl 1259/1260, Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preussischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung, Ms. Boruss. Fol. 582, fol. 6r (© bpk Staatsbibliothek zu Berlin).
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Kaiser Ludwig greift in die städtische Verfassung ein Auf der Basis dieser grundlegenden Dortmunder Einigung über die Ratswahl mutet das große Privileg Kaiser Ludwigs des Bayern vom 25. August 1332 (Abb. 2.2), das Luise von Winterfeld unglücklich als magna charta der reichsstädtischen Verfassung bis zum Jahre 1802 bezeichnet hat, nachgerade seltsam an.23 Ein Abschnitt des Privilegs geht dezidiert auf die Ratswahl ein und legt fest: Die 18 Ratsherren sollten nur aus Kreisen „der besseren, alten, wohlhabenden, erbgesessenen und ehelich geborenen Bürger“ auf Lebzeit gewählt werden.24 Das Ratsamt erlosch nur dann, wenn Ehelosigkeit, Verbrechen, Krankheit oder Verarmung Ratsherren amtsunfähig werden lassen sollte. Die Ratleute sollten in erster Linie dem Reichsoberhaupt zu Huld und Treueid und erst in zweiter Hinsicht dem Wohl der Stadt eidlich verpflich‐ tet sein.25 In mehrfacher Hinsicht verstießen diese Bestimmungen des Privilegs zur Ratswahl offensichtlich gegen die städtischen Gewohnheiten und gegen den Konsens der Bür‐ gerschaft; das Privileg rief im Übrigen den einhelligen Widerstand der Dortmunder Bürgerschaft hervor. Nur so ist es zu deuten, dass die Bürger um eine Bestätigung des kaiserlichen Privilegs vom 25. August 1332 baten und der königlichen Kanzlei zu diesem Zweck eine Urkunde vorlegten, in der der Passus über die Ratswahl schlicht weggelassen wurde.26 Es war wohl eine Empfängerausfertigung, mit der sich die Stadt ein anderslau‐ tendes Recht erschleichen wollte, auf die der Kaiser am 5. Mai 1333 mit scharfen Worten Bezug nahm: Der Kleriker Bertram Sudermann war vor dem Kaiser mit der Bitte erschienen, eine wörtliche Abschrift des Privilegs vom 25. August 1332 nochmals mit einer Goldbulle zu bestätigen. Die Prüfung der kaiserlichen Kanzlei aber ergab, dass die Bestimmungen über die Ratswahl von den Dortmundern schlicht unterschlagen worden waren. Bis Pfingsten sollten die Dortmunder nach dem Pri‐ vileg jetzt einen neuen Rat wählen, damit der Kaiser nicht gegen die ‚eselhaften Intentionen‘ der Dortmunder vorgehen müsse. Das Geld, das für die Beglaubigung 23 DUB 1, bearb. von Rübel, Nr. 489. Von Winterfeld, Geschichte der freien Reichs- und Hansestadt Dortmund, S. 54: “Alle Freiheitsrechte der Stadt fasste das „Privilegium Ludovicianum“ zusammen, das als ‚magna charta‘ bis 1802 die grundlegende Verfassungsurkunde der westfälischen Reichsstadt geblieben ist.“ Die Verfassung der Reichsstadt aber war nicht so statisch fixiert, wie diese von Winterfeld voraussetzt, vielmehr wesentlich flexibler, wie im Folgenden zu zeige sein wird. Das Privileg wie auch die näheren Umstände seiner Ausfertigung bedürfen dringend einer grundlegenden Neubearbeitung, die die Rahmenbedingungen der Städtepolitik Ludwigs des Bayern einbeziehen und auf die Dortmunder Verhältnisse übertragen müssten. Die ältere Literatur, vor allem Luise von Winterfeld und auch bereits Rübel, Geschichte der Grafschaft und der freien Reichsstadt Dortmund, S. 431ff., lässt den Blick auf die allgemeinen Entwicklungen gänzlich vermissen. Die Gesamtwürdigung kann im Rahmen dieses Aufsatzes jedoch nicht geleistet werden. 24 DUB 1, bearb. von Rübel, Nr. 489, Artikel 22. Die Formulierung der Urkunde lautet: de parentelis melioribus, antiquioribus, discretioribus, uxoratis, melius hereditatis et legitime natis. 25 Das Privileg ist in dieser Hinsicht als gezielter Versuch der Reichspolitik Ludwigs des Bayern zu verstehen, die Reichsstadt Dortmund für reichspolitische Ziele einzusetzen. Eine moderne Untersuchung steht sowohl für die Reichs-Städtepolitik als auch für die Dortmunder Privilegien Ludwigs des Bayern aus. Hier muss dieser kurze Hinweis genügen. 26 Gleichzeitige Kopie, ursprünglich Stadtarchiv Dortmund, Bestand 1 Nr. 252 b (Kriegsverlust), vgl. DUB 1, Nr. 489, S. 387-343, hier S. 341.
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Abb. 2.2: Initiale L des großen Privilegs Kaiser Ludwigs des Bayern für die Stadt Dortmund vom 25. August 1332. Vor dem thronenden Kaiser knien die Dortmunder Gesandten, die durch Schriftbänder näher bezeichnet sind: Her(mann) Clepping (Bürgermeister) und Ber(tram) Suderman (Stadtschreiber und Kleriker). Stadtarchiv Dortmund, Kriegsverlust (© Stadtarchiv Dortmund).
der Urkunde von Dortmund gezahlt worden war, wurde als Buße für das Vergehen einbehalten.27 Selbst, wenn die urkundliche Überlieferung keine exakten Aufschlüsse zulässt, kann gefolgert werden, dass die Zünfte über die politische Organisation in den Sechsgilden auf Partizipation gedrängt und insofern die bereits 1260 erkennbaren Bemühungen fortgesetzt hatten. Offensichtlich war bereits eine Verlaufsform der po litischen Auseinandersetzungen in der Stadt gefunden worden, die die Zunftbürger an den Entscheidungen des Ratsregiments partizipieren ließ. Diesbezüglich scheint es in Dortmund ja sogar zu einem Konsens gekommen zu sein, denn nur so ist der Wunsch nach Beglaubigung des gefälschten Privilegs Ludwigs des Bayern plausibel zu erklä ren: Der offizielle Gesandte der Stadt, der Kleriker Bertram Sudermann, immerhin 27 DUB 1, bearb. von Rübel, Nr. 494.
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ein Mitglied einer der vornehmsten und mächtigsten Familien Dortmunds, legte der kaiserlichen Kanzlei das Privileg vor, das im Sinne des Stadtkonsenses unter Weglas sung der Ratswahlbestimmungen verfälscht worden war.28 Ludwig der Bayer und seine Kanzlei hingegen waren bemüht, mit einem ausschließlich patrizische bestimm ten Ratsgremium ein geeignetes Mittel für die Reichspolitik zu gewinnen. Leider lässt die Überlieferung die Zeichnung genauerer Konturen und damit eingehendere Inter pretationen nicht zu. Bildung von ‚Ständen‘ neben dem Rat Näheres über städtische Konflikte und ihre Regelung erfahren wir seit den 70er Jahren des 14. Jahrhunderts.29 Dortmund war lange vor der Großen Fehde, seit etwa 1350, unter den erheblichen politischen und militärischen Druck der der Reichsstadt benachbarten Territorialherren geraten, was immer wieder auch zu militärischen Übergriffen gegen die Reichsstadt führte.30 Im Kontext der äußeren Bedrohungen kam es aufgrund zahlreicher Fehden gegen die Stadt und auch der folgenden militäri‐ schen Aufrüstung zu außerordentlichem Finanzbedarf der Stadt. Die selbstbewusste Repräsentation und Selbstdarstellung der einzigen Reichsstadt Westfalens anlässlich des Besuchs Kaiser Karls IV. im November 1377 verschlang sicherlich ein Vermögen – der Besuch war für die Stadt äußerst wichtig, sowohl was die innere Festigung als auch was die Demonstration nach außen betraf.31 Die Stadtfinanzen waren auch durch die Auslösung des an die Grafen von der Mark durch das Reichsoberhaupt verpfändeten Königshofes Dortmund im Jahre 1376 erheblich belastet worden.32 Der für die Autonomie der Stadt wichtige Kauf wurde durch die Aufnahme von Leibrenten finanziert, die nur durch die Erhebung einer besonderen Weinakzise
28 Zur Familie Sudermann: Meyer, ‚Die Sudermanns von Dortmund‘; Schilp, ‚Sudermann, Patrizierfamilie in Dortmund, Soest und Köln‘ [Verzeichnis Nr. 184]. 29 Zum Folgenden siehe den Überblick bei Schilp, ‚Die Reichsstadt (1250-1802)‘ [Verzeichnis Nr. 30], S. 76ff., sowie Fehse, Dortmund um 1400. 30 Die wichtigsten, vor allem in der städtischen Chronistik berichteten Übergriffe seien in aller Kürze genannt (vgl. hierzu Schilp, ‚Die Reichsstadt (1250-1802)‘ [Verzeichnis Nr. 30], S. 78ff.): 1352 versuchte Graf Engelbert III. von der Mark eine Belagerung und nächtliche Überrumpelung Dortmunds, die nach der Legende vom Stadtpatron Reinoldus verhindert wurde. 1377 kam es zu einer kurzen Belagerung und Beschießung durch Truppen des Dietrich von Dinslaken, des jüngsten Bruders des regierenden Grafen von der Mark, die Stadt im Handstreich einzunehmen, ein Versuch, der als Verrat der Agnes von Vierbecke in die Dortmunder Stadtgeschichte eingegangen ist (siehe hierzu jüngst Hieber, ‚Agnes von Vierbecke‘. 31 Die Kosten für die Stadt sind bislang nicht annähernd ermittelt worden, sie sind aufgrund fehlender Rechnungen auch kaum zu ermessen: Bewirtung des Reichsoberhaupts und seines Gefolges, Gastgeschenke, Gebühren für die kaiserliche Kanzlei für die ausgestellten Privilegien und Urkunden usw. Die Stadt erreichte, dass der feindlich gesinnte Graf Wilhelm von Berg anlässlich des Kaiserbesuchs mit seinem Gefolge nicht, auch nicht mit nur 40 Pferden, in die Stadt einziehen durfte; freilich musste dies wohl durch eine Zahlung an den Erbmarschall des Kaisers abgegolten werden (Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 233ff.). 32 Am 23. Mai 1376 zahlte der Dortmunder Rat Graf Engelbert von der Mark dafür 6.800 Gulden (DUB 2, Nr58ff.). Dies ist im Kontext umfangreicher vertraglicher Vereinbarungen zwischen dem Grafen von der Mark und der Reichsstadt zu sehen, die die Sicherung Dortmunds zum Ziel hatten.
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abgesichert werden konnten.33 Schon die Analyse durch den ersten modernen Dortmunder Stadtarchivar Karl Rübel hat eine strukturelle Krise der städtischen Finanzen festgestellt, eine Krise, der die herkömmliche Ratspolitik, Geldbedarf der Stadt für gemeindliche Aufwendungen in der Regel erst im Nachhinein zu decken, auf Dauer nicht gewachsen sein konnte.34 All dies führte nahezu zwangsläufig in Dortmund immer wieder zu innerstädtischen Konflikten: Das Krisenmanagement bedeutete vermehrten Finanzbedarf des Rates für städtische Belange, und die Gelder mussten von den Bürgern und Einwohnern der Stadt aufgebracht werden. Neben dem Rat waren die Handwerker über die Sechsgilden wie auch die Erbsassen seit der Mitte des 14. Jahrhunderts institutionalisiert zur Mitsprache an städtischen Belangen berechtigt. Die grundlegenden sozialen Strukturen der Dortmunder Stadtgesellschaft können in diesem Aufsatz kaum erschöpfend dargestellt werden.35 Für das Verständnis im Folgenden muss ich mich auf das unbedingt Erforderliche beschränken: Das ‚Patri‐ ziat‘, die Führungselite der Stadt, war zunächst organisiert in der Reinoldigilde, die sich wohl noch vor 1350 – sowohl in der Folge der ‚Kommunalisierung‘ des Gildenpatrons als auch vor dem Hintergrund sozialer Differenzierungsprozesse der Führungsschichten der Stadt – aufteilte.36 Die alten und vornehmen Patrizierfamilien sammelten sich in der Junkergesellschaft, während die sozialen Aufsteiger in der Wandschneidergesellschaft organisiert waren, deren innere Verhältnisse und Organi‐ sation vom Rat 1346 geregelt worden waren.37 Die ‚Sechsgilden‘ organisierten die Mitglieder der alten Handwerkerzünfte ( die Gerber und Schuster, die Bäcker, die Fleischhauer, die Schmiede, die Fettkrämer beziehungsweise Butterleute und die Krämer). Sie waren seit 1260 an der Ratswahl beteiligt und übten darüber einen gewissen Einfluss auf das Ratsregiment aus. Schwierigkeiten bereitet immer wieder der Begriff der ‚Erbsassen‘, da die Gruppe der Erbsassen augenscheinlich sozial wesentlich offener war. Der Begriff begegnet erstmals wohl im Privileg Ludwigs des Bayern im Kontext der Ratswahlbestimmun‐ gen, denn hiernach sollten nur Bürger unter anderem melius hereditatis (‚besseren Erbes‘) zu Ratsleuten gewählt werden dürfen. In den 1340er Jahren wurden im Zusammenhang der Auseinandersetzungen zwischen den Dortmunder ‚Reichsleuten‘ einerseits und der Gemeinde und dem Rat andererseits um Weiderechte erfhechtige
33 Siehe ebd., Nr. 66ff.; siehe hier auch die Abrechnungen der Leibrenten. Die Weinakzise sollte befristet, nämlich nur so lange erhoben werden, bis der letzte Leibrentner verstorben war. Siehe hierzu auch Fehse, Dortmund um 1400, S. 64. 34 Rübel, Dortmunder Finanz- und Steuerwesen, S. 16 formulierte resümierend, sicher mit einem durch die moderne Haushaltsführung der öffentlichen Hand geprägten Blick: “Verursacht war die Krisis, in der die Stadt schwebte, hauptsächlich durch die große Fehde des Jahres 1388-1389, aber auch schon vorher war die Verwaltung der Finanzen keine sehr musterhafte gewesen, indem die besonderen Einnahmen die Ausgaben, die aus ihnen bestritten werden sollten, nicht gedeckt hatten“. Siehe auch ebd., S. 46ff. 35 Hier ist nach wie vor eine ausführliche Diskussion der Quellen erforderlich. Siehe Siedling, ‚Das Dortmunder Leprosenhaus‘; und grundsätzlich Fehse, Dortmund um 1400, S. 61ff. (Hier auch Nennung der wichtigsten älteren Literatur). 36 Schilp, ‚Reinoldus, unser stat overster patroen und beschermer‘ [Verzeichnis Nr. 58], S. 39ff. 37 Siehe hierzu noch immer von Winterfeld, Die Dortmunder Wandschneider-Gesellschaft, S. 331ff.
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lude (‚erbberechtigte Leute‘) genannt.38 Strittig blieb bisher in der Forschung, ob mit den Erbsassen – so Luise von Winterfeld und die ältere Dortmunder Forschung bis hin zu Gustav Luntowski – nur die Bürger gemeint seien, die Eigentum an zinsfreiem Grund und Boden in der Stadt hatten, oder aber alle Bürger unter dem Begriff subsumiert werden können, die Grund und Boden oder auch ihr Haus in der Stadt in der Form erblicher Leihe besaßen.39 Dieses Recht hob den Bürger von den in persönlicher Abhängigkeit lebenden und arbeitenden Landbewohnern grundsätzlich ab.40 In der Folgezeit wurden die ‚Erbsassen‘ in Dortmund allmählich zu einer Be‐ zeichnung einer für das politische System der Stadt relevanten Gruppe: Offenbar seit dem Untergang der Reinoldigilde wählten die Vertreter der Sechsgilden bei Ratswahl die weiteren sechs Wahlmänner nicht mehr aus den Reihen der vornehmen Gilde, sondern aus dem Kreis der Erbsassen; dies ist in der schriftlichen Überlieferung erstmals in der Regelung der Verhältnisse der Sechsgilden 1383 belegt.41 Zu den Erbsassen gehörten besitzende Bürger, die keinem Handwerk mehr nachgingen, die aber den Aufstieg in das Patriziat nicht schafften, ebenso die Mitglieder der Wandschneider-Gesellschaft, die Tuchhändler also, denen ebenfalls trotz durchaus sehr guter ökonomischer Positionen der Aufstieg in die soziale Spitzengruppe der Stadt verwehrt blieb, offensichtlich immer wieder aber auch Handwerker, die nicht einer der alten Sechsgilden, sondern einer der Zünfte angehörten, die als ‚Ämter‘ organisiert waren. Die so genannten ‚Ratserbsassen‘ gehörten hingegen ausschließlich der Junkergesellschaft an; sie stellten nach wie vor die erste Führungsschicht der patrizischen Familien, die per se als ratsfähig galt.42 Der Begriff ‚Erbsassen‘ blieb im 14. Jahrhundert aber insgesamt offen, bezeichnete keine festgefügte soziale Gruppe, umfasste Patrizier ebenso wie Wandschneider, ‚Ämterhandwerker‘ ebenso wie ehe‐ malige Mitglieder der Sechsgilden; nur der jeweilige Kontext kann weiterhelfen. Der soeben erwähnte Streit der Stadt mit den Dortmunder Reichsleuten wurde vor dem rade tho Dortmuonde ausgetragen; (…) ok waren dar gheghenwordich dee zes ghilde, dee erfhechtigen lude unde de ghemeynen borghere van Dortmuonde („auch waren dort anwesend die Sechsgilden, die Erbsassen und die gemeinen Bürger von Dort‐ mund“).43 Ja mehr noch: Die Sechsgilden hatten sich mit Erbsassen und gemeinen Bürgern in der gleichen Zeit vereinigt, um ihre diesbezüglichen Forderungen als Ge‐ meinde gegenüber den Reichsleuten vor dem Rat zu vertreten und diesen zu veranlas‐ sen, die Angelegenheit im Sinne der Bürgergemeinde zu behandeln und zu vertreten. Sechsgilden und Erbsassen begegnen also in diesem Kontext im korporativen Sinn, als Gruppe im Rahmen der Gestaltung innerstädtischer Verhältnisse. Der Rat nahm 38 DUB 1, bearb. von Rübel, Nr. 546 (Aufzeichnungen über Weiden, Feldmark und Hutungsrecht zwischen den Dortmunder Reichsleuten und Rat, Sechsgilden, Erbsassen und Bürgern 1340, 1343, 1345, 1347). Vgl. von Winterfeld, Reichsleute, Erbsassen und Grundeigentum in Dortmund, S. 35. 39 Ebd. und die resümierenden Überlegungen von Luntowski, Die kommunale Selbstverwaltung, S. 39ff. So zutreffend Fehse, Dortmund um 1400, S. 61f. Ich danke Frau Dr. Monika Fehse für manche Anregung und die kritische Diskussion dieses Aufsatzmanuskripts. 40 Siehe hierzu im Überblick Isenmann, Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, S. 74ff. 41 Statuten und Urtheile, bearb. von Frensdorff, S. 211. 42 Zur Institutionalisierung im Rahmen der Stadtverfassung nach 1400 siehe unten. 43 DUB 1, bearb. von Rübel, Nr. 546.
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diese Aufforderung an und trat mit Sechsgilden, Erbsassen und gemeinen Bürgern im Streit mit den Reichsleuten auf. Das Selbstverständnis der Bürgergemeinde – so verdeutlicht es diese Aufzeichnung – geht von der Zusammensetzung aus Rat als Vertretungsorgan der Gemeinde, Sechsgilden, Erbsassen und gemeinen Bürgern aus. Die Dortmunder Bürgergemeinde setzte sich aus beiden ‚Ständen‘ zusammen – der Begriff der Gemeinde hatte sich offensichtlich gewandelt, denn neben dem Rat wirkten jetzt beide Korporationen an der Gestaltung des Gemeinwohls und der Definition und aktiven Wahrnehmung der Gemeinde-Interessen mit. Die Bildung der ‚Stände‘ verdeutlicht in dieser Zeit auch die Abfassung von Statuten, also städtischer legislativer Akte, die immer häufiger auf dem Konsens von Rat, Erbsassen und Sechs‐ gilden als Vertreter der gemeinen Bürger beruhten.44 Überhaupt scheinen die Sechsgilden seit der Mitte des 14. Jahrhunderts zum Sprachrohr der Zunftbürger geworden zu sein: 1360 hatte der Rat einen Bürger in ei‐ nem schuldrechtlichen Verfahren gezwungen, einen Bürgen zu stellen:45 Der beklagte Hermann Semmen tat dies, beklagte sich aber zugleich auch bei den Sechsgilden, da dies nach Recht Dortmunder Bürgern nicht aufgezwungen werden dürfe. Die Sechs‐ gilden vertraten das Anliegen des Bürgers so vehement, dass der Rat seine Maßnahme gegen Hermann Semmen zurücknehmen musste.46 Das Gremium der Sechsgilden hatte sich zweifellos zu einem wichtigen Organ der Stadtverfassung ausgebildet. Sie kann im Einzelnen in der schriftlichen Überlieferung zwar nicht exakt nachvollzogen werden, ist sozusagen nur als Resultat von Entwicklungen feststellbar, die in der Genese der historischen Rekonstruktion im Einzelnen aber verborgen bleiben. In der Mitte des 14. Jahrhunderts war aus dem Regiment des Rates über die Stadt ein Regiment geworden, das in wichtigen Fragen der Übereinstimmung mit den Gremien der Erbsassen und Sechsgilden bedurfte, den Konsens der Bürgergemeinde suchen musste. Der Dominikaner Johann Nederhoff hat in seiner Dortmunder Chro‐ nik beschrieben, dass – ganz in diesem Sinne – während der Großen Fehde Vertreter des Rates und der ‚Stände‘ gemeinsam ihre Stadt bewachten, an jedem Tor nämlich unus consulum et unus mediocrum et duo de fraternitatibus teutonice den gilden („ein Vertreter des Rats, ein Vertreter der Erbsassen und zwei von den Bruderschaften, die man zu Deutsch Gilden nennt“).47 Dietrich Westhoff berichtet für 1386, dass die Türme und Pforten wie folgt besetzt waren: Täglich standen vor jeder Pforte fünf Männer, ein Ratsherr, ein Vertreter der Erbsassen, einer von den Ämtern bzw. Zünften und zwei weitere Männer.48
44 Siehe hierzu Dortmunder Statuten und Urtheile, bearb. von Frensdorff, S. 75ff. Nr. 411ff (1350), ähnlich wohl auch ebd., S. 78ff Nr. 50ff (1355). Freilich war dies noch nicht zur ständigen Praxis geworden, die Quellen bleiben im Weiteren durchaus uneinheitlich. 45 Statuten und Urtheile, bearb. von Frensdorff, S. 209f. Beilage IX. 46 Ebd., S. 210: Do bleven dey ses ghilde so lancge bi Hermanne Semmen eren borghere, dat hey qwiit word der borghetucht, dey eme dey rad geeschet hadde, unde dey borhe den hey gesat hadde, dey word mite me qwiit. 47 Des Dominicaners Jo. Nederhoff Cronica Tremoniensium, bearb. von Eduard Roese, S. 74. 48 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 254.
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Partizipation von Erbsassen und Sechsgilden in einer Krisensituation Der stetig anwachsende Geldbedarf der Stadt infolge äußerer Bedrohung sollte die innerstädtischen Konflikte zuspitzen. Der Finanzbedarf der prosperierenden Reichsund Hansestadt im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts konnte nur eine Zeit lang durch die Erhebung direkter Steuern oder durch Kredite, vermittelt über Leibren‐ tenkäufe, gedeckt werden. Strukturell mussten die städtischen Finanzen in der ange‐ spannten Situation bereits im Vorfeld der Großen Fehde über kurz oder lang in eine Krise geraten. Bei der Neufassung des Sechsgildenrechts im Jahre 1383, ihrer inneren Organisation und ihrer Beteiligung an der Ratswahl, weist das Statut zu Beginn darauf hin, dass die Stadt bereits 1374 von einer großen Schuldenlast bedrückt wurde.49 Der Kontext der Mitteilung verrät, dass hinter der Neufassung des Sechsgildenrechts innerstädtische Auseinandersetzungen vermutet werden müssen. Das Statut beginnt in Artikel 1 mit dem Bericht über die Verschuldung der Stadt schon im Jahre 1374, fährt in Artikel 2 fort, dass die Mitglieder des Ratswahlgremiums der Sechsgilden (dey twelff man, dey den rat kuoren) bislang auf Lebenszeit fungierten.50 Da die Stadt in große Schulden geraten sei, sollte künftig jährlich drei Wochen vor der Ratswahl zu Cathedra St. Petri (22. Februar) das Gremium neu bestimmt werden, wohl um Amtsmissbrauch zu vermeiden.51 Ausdrücklich begründet die Aufzeichnung die Neu‐ regelung für die Ratswahl mit der katastrophalen Lage der Stadtfinanzen im Jahre 1383: Vart in dem jare do man scref 1383 do duchte unsen borgeren, dat sey in groten vordreyte wren van schult (…) („im Jahre 1383 erschien es unseren Bürgern, dass sie wegen der Schulden in großer Bedrängnis waren“).52 Die Sechsgilden fungierten also offensichtlich als Vertretung der Bürger, zumindest insoweit dies die städtische Haushaltführung und die kommunale Schuldenaufnahme betraf. Der Dortmunder Stadtgesellschaft gelang es, soweit es der fragmentarische Quellenbefund als Schluss zulässt, augenscheinlich immer wieder, die sozialen und politischen Konflikte in den Krisensituationen zu einem Konsens der Stadtgemeinde zu führen. Um St. Jakob (25. Juli) 1386, also im unmittelbaren Vorfeld nur anderthalb Jahre vor der am 23. Februar 1388 beginnenden Großen Fehde, kam es – für uns anhand der städtischen Chronistik recht gut nachzuvollziehen – zu einem offenen Konflikt unter der Dortmunder Bürgerschaft, der letztlich nur durch das Gewaltmonopol und die Herrschaft des Stadtrates gelöst werden konnte.53 Da die Stadt infolge häufiger Belästigung und zahlreicher Fehden sehr verschuldet war, hatten sich Rat 49 Dortmunder Statuten und Urtheile, bearb. von Frensdorff, S. 210f. 50 Ebd., S. 210 Artikel 2. 51 Ebd., S. 210 Artikel 2: Hiir en bynnen quam dey stat in grote schaden unde schult, in grote lyfrene, in grote zyse unde der stades rente wort verkoft. 52 Ebd., S. 210 Artikel 3. 53 Zu diesem Konflikt siehe ausführlich den Bericht der Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 249f. Allein die Chronik des Dietrich Westhoff berichtet über den Vorgang; die Art der Schilderung lässt wie auch in anderen Fällen vermuten, dass dem Dortmunder Chronisten und Ratsschreiber Westhoff in der Mitte des 16. Jahrhunderts eine offizielle Darstellung des Rates aus dem 14. Jahrhundert zur Verfügung stand. Auf den Konflikt, der von der Dortmunder Stadtgeschichtsschreibung bis dato nicht näher interpretiert worden war
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und gemeine Bürger darauf geeinigt, einen jährlichen Schoss so lange zu erheben (1 Vierling auf 1 Mark) bis die Schulden der Stadt in Leibrenten abgelöst seien.54 Der Chronist fährt fort, diese Maßnahme sei von dem Rat, den oversten van den gilden sampt den gemeinen burgern („den Vorständen der Gilden mit den gemeinen Bürgern“) auch einhellig angenommen worden.55 Dennoch kam es in der Folge des gefundenen Kompromisses zu einem offenen Konflikt, der mit aller Härte ausgetragen wurde: Etliche Bürger, die von außerhalb der Stadt nach Dortmund zurückgekehrt waren, oder möglicherweise waren auch ein‐ gewanderte Bürger gemeint (nemlich die uetlendisch darin gkomen weren), wollten den Steuersatz des Schosses auf 1 Pfennig erhöhen, damit die Schuld schneller abbezahlt werden könne.56 Der Rat aber blieb bei dem niedrigeren vereinbarten Steuerersatz, so dass der Konflikt letztlich in der Schwebe blieb (und ist to lest mit viller twijdracht dar bij gebleven und nichts darvan domals entlich beslotten).57 Die Auseinandersetzung wird für uns nur dadurch verständlich, dass der Schoss zu dieser Zeit noch keine regelmäßig ständige Veranlagung der Bürger zu einer Vermögenssteuer war, sondern vereinzelt und nur für begrenzte Dauer erhoben wurde.58 Die Spaltung der Bürger‐ schaft ergab sich mithin daraus, dass vermögendere Bürger lieber eine einmalige Zahlung akzeptieren wollten, als durch die Verteilung der anstehenden finanziellen Belastung auf mehrere Jahre das Risiko einer Dauerbesteuerung einzugehen – ein Bedenken, das durchaus berechtigt war, wie die weiter Entwicklung der städtischen Finanzen im Kontext der äußeren Bedrohung zeigen sollte. Nicht so wohlhabende und ärmere Bürger hingegen konnten die höhere Steuer wohl nur schwer aufbringen und hatten daher erfolgreich für eine Minderung der jährlichen Steuerlast plädiert. An den folgenden Auseinandersetzungen ist deutlich abzulesen, dass alle an der Stadtführung beteiligten Gruppen in das Geschehen verwickelt waren: Der Rat ver‐ suchte, den mit Sechsgilden und Bürgern gefunden Kompromiss gegen Abweichler durchzusetzen. Der ehemalige Fleischhauer Alof Döckel (etwan ein vleichouwer ge‐ west), offenbar also ein in den entstehenden Erbsassenstand aufgestiegenes Mitglied der Sechsgilden, revoltierte gegen den Rat und rief nachhaltig auf, man solle von 1 Mark Vermögen 1 Pfennig zahlen.59 Da er von seinen der offiziellen Ratslinie abweichenden Standpunkten nicht lassen wollte, den Rat offen angriff und zum Aufruhr agitiere, wurde er kurzerhand gefangen genommen und nach gesprochen ordel vam leven tom dode enthovet.60 Der Konsens wurde mit der Gewalt der Ratsherrschaft
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(nur Rübel, Dortmunder Finanz und Steuerwesen, S. 47, weist mit einem Satz auf diese Vorgänge hin), hat dankenswerter Weise Fehse, ‚Stiftungen und Steuern‘, S. 162f. hingewiesen. Die Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 249 formuliert: ist beide mit des raetes vrunden und gemeinen burgern darselvest nach langer underhandlung eindrechtlich ingerumet und verwilgt, dat ein itlich burger ider jaer und alle jaers von einer mark geldes solde geven to schotte einen verink und van deme gelde betalt worde liifrente, so lange bis sie aller schulde entledigt weren. Ebd., S. 249. Ebd. Ebd. So auch Fehse, ‚Stifungen und Steuern‘, S. 249 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 249. Ebd., S. 250.
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gegen den Aufwiegler durchgesetzt. Selbst die Todesstrafe wurde vollstreckt, um den Konsens der Bürgergemeinde und den innerstädtischen Frieden herzustellen. Der städtische Chronist erwähnt zwei weitere Aufrührer namentlich: Der Schuh‐ macher Dietrich Gaute hatte nach seinem Bericht nicht nur die Besteuerung mit 1 Pfennig auf eine Mark Vermögen angemahnt, sondern den Rat auch des Betrugs und des Amtsmissbrauchs in Finanzfragen bezichtigt, dem Rat zudem mit stecken und slaens gedroht. Der Kürschner Schelle Heine hatte den Rat wie die andren verhöhnt und seine Beschimpfungen sogar mit Morddrohungen verknüpft.61 Der Rat ließ beiden Bürgern Freiheit und Bürgerrechte aufkündigen; offensichtlich waren sie vorab informiert worden denn angesichts des Schicksals von Alof Döckel hatten sie bereits die Stadt verlassen, als der Ratsdiener sie aufsuchen wollte – sie waren als Konsequenz des städtischen Konflikts zur Flucht aus der Reichsstadt gezwungen gewesen.62 Der Chronist fährt fort, twijdracht und unenicheit wegen der Vermögenssteuer hätten die Stadt eine geraume Zeit belastet, alles sei aber doch zu einem guten Ende gekommen. Interessant für unseren Kontext ist auch eine offensichtliche Neue‐ rung der städtischen Verfassung anlässlich der Veranlagung der Bürger zum Schoss, der sich aus den Konflikten der Bürgergemeinde ergeben hatte: Rat und Bürger einigten sich nämlich 1386, dass bei der Schoss-Veranlagung ein neues Gremium zur Durchführung und Kontrolle eingerichtet wurde, dem ein Vertreter des Rats, einer der Erbsassen und einer aus den Sechsgilden angehörten. Dietrich Westhoff fügt hinzu, der Konsens sei durch eine Urkunde, die der Rat den Gilden besiegelt übergeben hatte, rechtskräftig geworden.63 Nur durch die Beteiligung aller relevanten Bürger-Gruppierungen war eine Steuererhebung durchsetzbar – die Notsituation der Stadt war nur zu bewältigen, wenn die kontroversen Interessen der Bürgergemeinde zu einem Kompromiss geführt werden konnten. Der gemeinsame Beschluss freilich wurde dann mit Gewalt gegen abweichende Bürger durchgesetzt – der Konsens stütze auf diese Weise Herrschaft und Gewalt des Rates über die Stadt. Innerstädtische Unruhen 1399/1400 – Konflikt für den Konsens der Stadtgemeinde In der Folge der Großen Fehde wuchs das Konfliktpotenzial durch die enorme Belastung der Stadtkasse erheblich an. Die städtischen Finanzen brachen infolge der Zahlungsverpflichtungen in den neunziger Jahren regelrecht zusammen. Für unseren
61 Ebd.: derselvige heft ouch gedachten erbaren raet hoenlich wie die andern versprochen und scheltworte gegeven mit angehenkten mortdruwongen. 62 Ebd.: Dissen beiden heft die raet iren stad diener gesant und in ire vrijheit und burgschaft laten upkundigen; ter stunt, da sie bevruchteden, dat ine overkome sollte, wes dem vurscreven Dockel begegnet (dat ouch gescheen hette), der poerten ein hol gesucht und die stat entrumet. 63 Ebd.: Und ist ouch der tijt ingegangen beide van dem rade und burgeren, wanneer man die betalinge des schottes dede, of daer wes uet verkoft, dat daer drie, ein uet dem rade, die ander vanden erfsaten, die derde van den gilden bij verordent sollten sijn, welches also ouch ist verbrievet und der raet dat selvige den gilden versiegelt.
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Zusammenhang mögen die Finanztransaktionen der städtischen Verschuldung im Einzelnen weniger interessieren, sie sind schon von Karl Rübel, ergänzt durch Monika Fehse in jüngerer Zeit, nachgezeichnet worden.64 Sie boten das Potenzial für harte Auseinandersetzungen um das Ratsregiment, um die Partizipation nicht patrizischer Gruppen an den für Stadt und Bürgergemeinde lebenswichtigen Entscheidungen. In den Konflikten des letzten Drittels des 14. Jahrhunderts schritt die Institutionalisie‐ rung der Bürgergruppen von patrizischer Junkergesellschaft, der Erbsassen und der Sechsgilden weiter voran – die beiden letztgenannten Gruppen formierten sich zu ‚Ständen‘ neben dem Rat und wurden zu wichtigen Gremien mit Mitbestimmungs‐ rechten der städtischen Selbstverwaltung und Politik. Die Verschuldung der Stadt im Kontext von äußerer Bedrohung vor und während der Großen Fehde 1388/1389 erforderte trotz militärisch und politisch siegreicher Bewältigung der Belagerung eine stärkere Inpflichtnahme der Bürger zur Sanierung der Finanzsituation. Das Ausmaß der Verschuldung wurde offensichtlich nur in einer längeren Perspektive in aller Deutlichkeit sowohl den Vertretern des patrizischen Ratsregiments als auch den gemeinen Bürgern bewusst. Mit dem Chronikbericht des Johann Kerkhörde ist eine Darstellung der Ereignisse rund um innerstädtische Unru‐ hen in den Jahren 1399 und 1400 und ihrer Interpretation überliefert; sie sind als Be‐ richt in die Schilderung der von 1405 bis 1465 reichenden Chronik eingefügt – diese Passage, die die Verfassung der Reichsstadt beschreibt, ist die einzige Abweichung der ansonsten konsequent chronologisch gegliederten Darstellung.65 Die Chronik des Johann Kerkhörde ist nicht als ‚offizielle‘ Chronik von Stadt und Stadtrat, sondern als private Aufzeichnung eines sozial aufgestiegenen Handwerkers und Ratsherren in der Folge der geschilderten Ereignisse für seine Familie und möglicherweise einen kleinen Freundeskreis zu verstehen.66 Der Wert der Aufzeichnung liegt vor allem darin, dass der Chronist, der die Dortmunder Stadtpolitik selbst als Ratsmitglied mit‐ gestaltete, aus eigener Anschauung schreibt, sozusagen als Teil des Zeit-Geschehens, als Zeit-Zeuge.67
64 Siehe Rübel, Dortmunder Finanz und Steuerwesen, passim; Ders., Geschichte der Grafschaft und freien Reichsstadt Dortmund, S. 593ff., sowie Fehse, Dortmund um 1400, passim. 65 Chronik des Johann Kerkhörde, bearb. von Franck und Hansen, S. 41-46 und Einleitung S. XIX-XX. Der Bericht des Chronisten ist die wesentliche Grundlage der folgenden Überlegungen, die vor allem durch die urkundliche Überlieferung ergänzt, in der chronologischen Abfolge zum Teil auch geringfügig korrigiert werden können. 66 Insofern kann Kerkhörde als ‚Profiteur‘ der Veränderungen der Stadtverfassung im Jahre 1400 bezeichnet werden: Er war Ratsmitglied 1438-1448, 1455 und 1458-1462, in den Jahren 1431, 1433, 1436 und 1450 war er einer der als ‚Dreimann‘ bezeichneten Vorgänger der Sechsgilden, ohne dass wir mit Sicherheit das ausgeübte Handwerk des Chronisten ermitteln könnten. Vgl. hierzu Hansen, ‚Einleitung‘ zur Chronik des Johann Kerkhörde, bearb. von Franck und Hansen, S. 6f. Zu Johann Kerkhörde siehe Herkommer, ‚Kerkhörde, Johann‘ und Zupancic, ‚Der Berswordt-Altar in der Dortmunder Marienkirche‘, S. 105ff. Zu Johann Kerkhörde, dessen Chronik in der Stadt bis zur Chronik des Dortmunder Wandschneiders Detmar Mulher im beginnenden 17. Jahrhundert unbekannt blieb, siehe Hansen, ‚Einleitung‘ zur Chronik des Johann Kerkhörde, S. 1-13. Zum ‚privaten‘ Charakter der Chronik siehe ebd., S. 9ff. Siehe auch Chronik des Johann Kerkhörde, bearb. von Franck und Hansen, Einleitung, S. XIX. 67 Etwa ebd., S. 34, 96, 133, 143. Siehe hierzu auch Fehse, Stadtchroniken des späten Mittelalters und der Reformation in Dortmund und Duisburg, S. 19.
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Die ‚offizielle‘ Chronik der Stadt von Dietrich Westhoff aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, verfasst im Auftrag des Rates und in vielfacher Hinsicht ältere, gleich‐ sam amtliche Aufzeichnungen des städtischen Geschehens wiedergebend und verar‐ beitend, geht auf die Ereignisse eher dilatorisch und äußerst oberflächlich ein.68 Die Entwicklung der neunziger Jahre des 14. Jahrhunderts, die zu den innerstädtische Unruhen 1399/1400 führten, wurden von Westhoff noch nicht einmal erwähnt. Die Ereignisse des Jahres 1400 mit den Änderungen der städtischen Verfassung werden eher summarisch unter der Überschrift: Uet den ses gilden komen und weren verordent in den raet ijrstlich ses personen to Dortmunde („Aus den Sechsgilden wurden jährlich sechs Mitglieder in den Dortmunder Rat gewählt“) abgehandelt.69 Der Schilderung sind allgemeine Überlegungen über Wechselfälle menschlicher Existenz vorangestellt (Freude und Trauer, Gesundheit und Krankheit, Glück und Unglück, Stätigkeit und Veränderung), ebenso ein ‚Allgemeinplatz‘ über den stetigen Wandel von Lebens‐ verhältnissen durch die Zeit, von dem auch die Verfassung, Statuten und Gesetze abhängig seien.70 Hiermit wird gesellschaftliche Existenz nicht als statischer Zustand betrachtet, sondern als veränderbar – Stadt also als ein zu gestaltender Lebensraum vorausgesetzt, dies aber als alle sozialen Lebenszusammenhänge einend verstanden. Die Argumentation des Dortmunder Chronisten löst das Verständnis lokaler Er‐ eignisse daher andererseits in allgemeine Begründungszusammenhänge auf, die eben gar nicht mehr stadtspezifisch sind, gerade so, als wäre die Situation 1399/1400 mit groet mangel, uproer und twijtdracht (…) tuschen dem rade und den gemeinen Burgern („mit großer Not, Aufruhr und Zwietracht zwischen dem Rat und den Bürgern“) zu Dortmund im Rückblick ein für das ‚offizielle‘ Stadtimage um 1550 peinliche Episode der eigenen Geschichte und Identität. Nachdem durch die Chronik so jeder konkrete Bezug zur politischen Struktur der Selbstverwaltung der Reichsstadt genommen ist, wird – und dies erscheint rund 150 Jahre nach den Dortmunder Ereignissen 1399/1400 als Urteil des Stadthistorikers Westhoff aus heutiger Sicht verwunderlich – nur ganz allgemein und äußerst knapp auf die Ereignisse eingegangen: Wiewol vurijst groet mangel, uproer und twijtdracht sich tuschen dem rade und den gemeinen burgern darselvest erhaven, ja so ernstlich uproersch und twijspaltisch gewesen tegen malkander, dat die burger gemeintlich der overicheit to torne gevenklich gelacht, aver dannoch durch middel guder hern und vrunden underhandlunge to entlicher schedunge gedegen, dat niemant derhalven umbkomen ist. Und als die adel alleine ville und lange jaer darselvest dat regiment als erflich gehat over de burger, sint beneffen und bij sie ouch andere burgere, neemlich de vurneemligsten, achtbarsten und verstendigsten van den ses gilden als schomecker, becker, vleischower, smede, botterlude und kremer glijchvals wie de van adel mit to rade to gaen in behoef des gemeinen besten,
68 Siehe hierzu Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. XXV-XXVI und 290ff. Dazu noch immer die Einleitung von Hansen, ebd., S. 149-176 und Keussen, ‚Westhoff, Dietrich‘. 69 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 290. 70 Ebd., S. 291: und alsdan brengen de veranderunge der tijt, personen und menschen ouch nije regiment, statuten und gesette. Die allgemeine Einschätzung und Interpretation machen im Übrigen mehr als die Hälfte des Umfangs der Schilderung der Vorgänge aus.
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ja ouch hinvort vrede, eindracht, gunst und liefte der gemeiner burger und inwonner desto vuersichtiger gehalden worde, verordent.71 „Obwohl zuerst große Not, Aufruhr und Zwietracht zwischen dem Rat und den gemeinen Bürgern entstand, ja man sich so ernsthaft aufrührerisch und zwiespältig gegeneinander verhielt, dass die gemeinen Bürger die Obrigkeit in den Türmen gefangen setzten, so dass niemand um das Leben gebracht wurde. Der [Stadt-]Adel hatte allein und eine lange Zeit ein erbliches Regiment über die Bürger. Jetzt hat man auch andere Bürger, nämlich die vornehmsten, geachtetsten und verständigsten aus den Sechsgilden – nämlich der Schuhmacher, Bäcker, Fleischhauer, Schmiede, Butterleute und Krämer – wie die Vertreter des [Stadt-]Adels zur Förderung des gemeinen Besten in den Rat bestimmt. Damit soll fürderhin Friede, Eintracht, Gunst und Freundschaft der gemeinen Bürger und Einwohner umso besser gehalten werden.“ Die soziale und politische Auseinandersetzung zwischen den Gruppen in der Stadt erscheint bei Westhoff nachgerade nicht als Ereignis identitätsstiftender Erinnerung der Stadtgemeinde, sondern fand eine erschöpfende Erklärung in allgemeinem Wan‐ del und Veränderungen, dem auch die geslechten der keiseren, koningen, hertogen, grafen und anderen lantsheren („Geschlechtern der Kaiser, Könige, Herzöge, Grafen und anderen Landesherren“) unterworfen seien. Der Chronist kommt zum Schluss: so ist es weniger als mit nichte to verwunderen, dat solichen veranderung ouch in den steden mank der overicheit und burgeren geschuet („so ist es auch nicht verwunderlich, dass solche Veränderungen auch in den Städten zwischen Obrigkeit und Bürgern geschehen“).72 Doch kommen wir zu den eigentlichen Ereignissen: Zur Deckung der wegen der ‚Großen Fehde‘ aufgenommenen Leibrenten führte der Rat am 14. Januar 1391 eine allgemeine, als bedrückend empfundene Akzise ein, die fast alle Verkäufe von Gütern und Waren betraf, aber auch als Mahlakzise erhoben wurde. Hinzu kam eine Besteuerung von Vieh, sofern die städtische Weide benutzt wurde.73 Für die Erhebung der zunächst auf vier Jahre befristeten Akzise und die Verwaltung der Einnahmen erschien ein Konsens des Rates mit der Bürgerschaft augenscheinlich als conditio sine qua non, denn als ‚Kommission‘ wurde ein gemischtes Gremium eingesetzt: sechs Ratsherren, ein Erbsasse und vier Vertreter der Sechsgilden wurden ghevoget den opkome to entfanc („bestimmt, die Einkünfte zu empfangen“); die Mit‐ glieder der Kommission mussten geloben, die Einnahmen nur zur Schuldendeckung und -tilgung der Stadt zu verwenden. Die Erhebung der Akzise wurde 1395 mit vielen Modifikationen um weitere zehn Jahre verlängert.74 Die Erhebung und Verwaltung
71 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 291. 72 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 291, Zeilen 7-8 und 14-16. 73 DUB 2, bearb. von Rübel, Nr. 228. Die Urkunde stellten Bürgermeister, Rat und gemeine Bürger aus umme mit und not unser staid mit rechter vorseynicheit und mit guder eyndraicht und willen. Ziel der Maßnahme war, für Dorpmunde ere und vryheit behalden zu können. Siehe Rübel, Dortmunder Finanz und Steuerwesen, S. 103-104. 74 DUB 2, bearb. von Rübel, Nr. 888 (Regest), Druck der Urkunde bei Rübel, Dortmunder Finanz und Steuerwesen, S. 109f., hier folgend auch inhaltliche Kommentierung der Änderungen im Einzelnen.
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oblag jetzt ebenfalls der Aufsicht des Rats und von Bürgervertretern, das heißt unse vrende und van den erfsaten und unse borgere ere vrende („Ratsfreunde sowie Freunde der Erbsassen und der Bürger“). Die ‚Bürgerfreunde‘ waren, wie bei der Urkunde des Jahres 1391 ersichtlich, Vertreter der Sechsgilden. Dass die indirekte Besteuerung den Schuldendienst in keiner Weise decken konnte, wurde schnell offensichtlich: Auch die Erhebung einer außerordentlichen Vermögenssteuer von 5% auf alle Mobilien und Immobilien, der so genannten pun‐ tinghe, im Jahre 1393 stellte eine weitere harte Belastung aller Bürger dar, die letztlich aber auch keine endgültige Lösung der finanziellen Probleme bewirkte.75 Für unsere Fragestellungen von besonderem Interesse ist, dass Artikel 9 des städtischen Statuts über die Erhebung der puntinghe festlegt, dass die Abschätzung des Vermögens der Bürger wie auch die Verwaltung der Einnahmen und zu bestreitenden Ausgaben vor dem Rat erfolgen sollte, wobei Vertreter der Erbsassen und der Bürger, das heißt wohl Vertreter der Sechsgilden, dey dartho ghevoeghet werden („die dazu bestimmt wurden“), anwesend sein sollen – allem Anschein nach wurde mithin ebenfalls eine gemischt besetzte Kommission eingesetzt.76 Der Rat verpflichtete sich im Artikel 10 des Statuts, eine Auflistung aller Maßnahmen der Rechnungsführung, der Schul‐ deneinnahme und -bedienung, der Erbkäufe und Leibrenten während und nach der Großen Fehde an die Bürger (Sechsgilden) zu übergeben, sich also insgesamt der öffentlichen Kontrolle zu unterwerfen.77 Zudem übernahm der Rat in Artikel 11 gegenüber den Sechsgilden die Pflicht, keine weiteren Schulden ohne deren Wissen und Zustimmung aufzunehmen; würde der Rat dies dennoch tun, der en welt unsere borger nicht helpen betalen78 („dann werden die Bürger nicht bezahlen“). In der Krisensituation nach der Fehde, in der außerordentlich angespannten Finanzlage der Stadt, war der Rat also wiederholt gezwungen, Erbsassen und Sechsgil‐ den als Vertreter der Bürgerschaft in Maßnahmen des Stadtregiments einzubeziehen. Immer wieder führte die Entwicklung zu harten Auseinandersetzungen. Auf Interven‐ tion des Kölner Offizials79 war der Klerus der Stadt bei der zweiten Akzise (1395) steuerfrei geblieben – dies führte zu erheblicher Unruhe in der Bürgerschaft. Der Steuerkommission aus Ratsmitgliedern, Erbsassen- und Sechsgilde-Vertretern wurde auch vorgeworfen, durch gemeinschaftliche Mahlzeiten aus Wein, kostbarem Fisch und Fleisch Missbrauch getrieben zu haben.80 1396 bis 1399 brach die Zahlungsfä‐ higkeit der Stadt trotz der hohen Besteuerung der Bürger regelrecht zusammen.81 Die Bürger forderten vom Rat eine Auflistung aller städtischen Schulden und exakte
75 Edition siehe bei Dortmunder Statuten und Urtheile, bearb. von Frensdorff, S. 212ff.; zur Erläuterung siehe Rübel, Dortmunder Finanz und Steuerwesen, passim, und Fehse, Dortmund um 1400, besonders S. 11ff. und S. 36ff. Die Abtragung der Stadtschulden sollte trotz aller ergriffenen Maßnahmen Jahrzehnte dauern, siehe dazu Rübel, Dortmunder Finanz und Steuerwesen, S. 46ff. zu den Jahren 1393-1396, S. 103. 76 Dortmunder Statuten und Urtheile, bearb. von Frensdorff, S. 213. 77 Ebd., S. 213. 78 Ebd. 79 DUB 2, bearb. von Rübel, Nr. 378. 80 Chronik des Johann Kerkhörde, bearb. von Franck und Hansen, S. 42. 81 Siehe hierzu Rübel, Dortmunder Finanz und Steuerwesen, S. 48 mit den Einzelnachweisen.
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öffentliche Rechnungslegung.82 Hierbei wurden zwei weitere einschneidende Mängel offensichtlich.83 Erstens, als der Rat die Rechnung am 16. September 1399 vorlegte, bemerkte man, dass der Rat 1.700 Gulden mehr an Renten verkauft hatte, als mit den Bürgern vereinbart worden war.84 Zweitens, Leibrenten waren auf ‚vier Leben‘ zu zehnfachem Satz (statt auf eine Lebenszeit) verkauft worden, was zum Teil lang‐ wierige Prozesse für die Stadt, auch Bann und Exkommunikation zur Folge hatte.85 Der Rat war der Misswirtschaft überführt. Die Bürger verlangten vom Rat weitere Rechenschaft van langen jaren voer und na der vede.86 Erbsassen und Sechsgilden trafen zusammen und berieten; Mahlzeit und Trunk sind nicht im Sinne eines ablenkenden ‚fröhlichen Zechgelages‘ zu verstehen, wie dies die ältere Forschung interpretierte, sondern konstituierten Gemeinschaft. Die Erbsas‐ sen und Teil der Sechsgildenbürger schlossen sich zur Gesellschaft konink Artus hof zusammen und gaben meines Erachtens mit dem positiv besetzten Namen und der vornehm-adeligen Reverenz zu erkennen, nicht für den Eigennutz, sondern vielmehr für das Wohl der Stadtgemeinde zu handeln.87 Die Gesellschaft der Aufständischen orientierte sich mit diesem Namen wahrscheinlich auch an dem ‚Stadtadel‘, der bis dato exklusiv die Ratspolitik bestimmt hatte.88
82 Siehe DUB 2, bearb. von Rübel, S. 259ff. 83 So die Schilderung in der Chronik des Johann Kerkhörde, bearb. von Franck und Hansen, S. 43: Daerna quam dat also, dat unse borger begeerden van dem rade alle der stat schult in schrift, dat man do vant, dat man schaden van schaden gegeven hadde und hantgelt gaf van schaden, und dat men de rekenunge oversach und vant, dat die raet 1700 gulden geldes meer verkocht hadde, dan alse gelovet waasvan unsen borgeren, und dat rike unredelichen besweert was met groter erfrente und dat man verkoft hadde to veer liven rente vor 10d. Dat was gescheen Geerwin Breckerfelde sinen kinderen, daer Geerwin die stat umme geladen hadde vor den konink, dat der stat to groter kost quam; vaert hedde Geerwin die statt o bann; dat men hier sweech lange tijt. Item dat men do dedinge met Geerwin und andren uden to Collen, to Duesburch und vaert waer se weren; undn darumme satte men enne sate, dat men gelt annemen solde. 84 Die Rechnung der Bürgermeister Hermann Klepping und Johann Wale ist ediert bei Rübel, Dortmunder Finanz und Steuerwesen, S. 67-208. 85 Das bedeutet: Eine Leibrente pro 1 Pfennig jährlicher Zinszahlung wurde für 10 Pfennig verkauft. Üblich war die Rentenzahlung auf Lebenszeit des Gläubigers. Die Formulierung auf ‚vier Leben‘ heißt, dass die Rente z.B. auf Vater, seine Ehefrau und zwei Kinder verkauft worden war also eine wesentlich längere Zinszahlung durch die Stadt zu erwarten war als bei ‚einem Leben‘. Dies galt insbesondere für die Leibrentenverkäufe an den Kölner Patrizier Gerwin von Altenbreckerfeld (siehe hierzu DUB 2, bearb. von Rübel, S. 259ff.). Die Prozesse Gerwins von Altenbreckerfeld gegen die Stadt zogen sich zum Teil lange hin, siehe etwa DUB 3, bearb. von Rübel, Nr. 199. 86 Chronik des Johann Kerkhörde, bearb. von Franck und Hansen, S. 43. 87 Ebd.: (…) daer sik van verhoef, dat de erfsaten sik tosamen worpen und togen to sik, wen se kunden, und drunken und teerden tosamen in dem hus Everts van Werle (…) Und daer gengen en deel van den gilden to oen und hetten dat konink Artus hof. (…) Und de ses gilden gingen oek tosamen und hadden mannich bot bi broken, bi live und gude. Die Interpretation dieses Abschnitts von Rübel, Dortmunder Finanz und Steuerwesen, S. 46 erscheint insofern aufgrund einer negativen Bewertung der Unruhe (siehe dazu unten) irrig: Ebd., S. 291: „Zunächst aber hielten sich die Erbsassen stark genug, dem drohenden Sturm zu trotzen. Sie kamen in dem Hause des Evert von Werle zusammen und hielten dort fröhliche Zechgelage ab. Auch gelang es ihnen, einzelne Gildegenossen auf ihre Seite zu bringen.“ Möglicherweise kann man davon ausgehen, dass auch Teile der städtischen Führungsschicht an den gegen das Ratsregiment gerichteten Unruhen beteiligt war. So waren zwei Mitglieder der Familie von Werl Ratsherren (vgl. Rübel, ‚Westfälische und niederrheinische Reichshöfe‘, S. 247); eine Familie von Werl gehörte also selbst der Führungsschicht an. Ob der genannte Evert van Werl dieser Familie zuzuordnen ist, kann nicht entschieden werden, da er in der urkundlichen Überlieferung der Zeit um 1400 nicht mehr genannt ist. Die Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 291: und alsdan brengen de veranderunge der tijt, personen und menschen ouch nije regiment, satuten und gesette. 88 So auch Fehse, Stadtchroniken des späten Mittelalters und der Reformation in Dortmund und Duisburg, S. 55.
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Die weitere Entwicklung nahm ihren nahezu zwangsläufigen Fortgang; lassen wir Johann Kerkhörde die Ereignisse schildern: Daerna gingen unse borger sementlichen op dat Raethues und koren enen nijen raet, und den moste de alde raet stedigen. Und die alde raet moste gaen baven op dat Raethues, und daer worden se afgenomen, und er een deel worden gesat in den kerker, een deel in toerne. Kortlicken se quemen alle up toerne, so twe tosamen und so twe tosamen, die nicht bisunder bevronden tosamen weren, und op toerne, daer se verne van wonden; und daroppe saten se lange tijt. Item dat unse borger, de oppe den toernen saten, eenscheden quijt to kopen 1.700 gulden geldes, de se baven orlof verkoft hadden, item den schaden van Geerwin Breckervelde van dem koninge und van dem banne aftoleggen (…). Vele rede um der korte willen af to leggen: se baten 6.000 gulden te geven und Arnt Muerman 1.100 malder roggen. Dit wort afgestalt, dat se de 6.000 gulden der stat lenen solden. Daerna schreven se breve, itlick mit sine selves hand und baden, dat man se lete gaen op er ede in ire huse, und gaven sik aller absprake in gnade des rades und unser borger und baden, dat man enne gnaden dede. Kortlicken er gnade solde sijn 60 gulden und de vorgeschreven unkost van Geerwin; dat hadden geededingt unse borger dartoe gevoeget.89 „Danach gingen alle Bürger auf das Rathaus und wählten einen neuen Rat, den der alte Rat bestätigen musste. Der alte Rat musste sich nach oben begeben, wo man die Ratleute gefangen nahm; ein Teil von ihnen wurde in den Kerker gesetzt; ein Teil in die Türme. Kurz darauf verlegte man sie alle in die Türme, immer zwei zusammen, die nicht besonders befreundet miteinander waren. Dort saßen sie lange Zeit ein. Die Bürger forderten von den Gefangenen in den Türmen die 1.700 Gulden Kapital loszukaufen, die sie widerrechtlich verkauft hatten; sodann forderten sie die Begleichung des Schadens der Auseinandersetzung mit Gerwin [von Alten-]Breckerfeld sowie des Schadens, der vor dem König und wegen des Königsbanns entstanden war. Sie erbaten auch eine Zahlung von 6.000 Gulden und von Arnd Murmann 1.100 Malter Roggen. Das aber wurde nicht durchgeführt, sondern festgelegt, dass sie der Stadt 6.000 Gulden leihen sollten. Darauf stellten sie jeder eigenhändig Schriftstücke aus und baten, auf ihren Eid nach Hause entlassen zu werden. Sie begaben sich in die Gnade des [amtierenden] Rates und der Bürger und baten um Gnade. Für die Gnade sollte jeder von ihnen 60 Gulden zahlen und die entstandenen Unkosten [wegen der Leibrenten] Gerwins [von Altenbreckerfeld]. Das hatten die dazu bestimmten Bürger so entschieden.“ Kurzerhand hatten die Bürger das Rathaus eingenommen, einen neuen Rat einund den patrizischen Rat abgesetzt; die alten Ratsherren wurden gefangen gesetzt, um Verhandlungen der Bürger mit den Vertretern des bisherigen Stadtregiments führen zu können, diese zu erzwingen. Die Forderung nach Zahlung von 6.000 war
89 Chronik des Johann Kerkhörde, bearb. von Franck und Hansen, S. 43f.
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abgeschwächt worden, denn die alten Ratsherren sollten diese Summe der Stadt leihen. Jeder sollte aber dennoch 60 Gulden zahlen und den aus den Wirren um die Leibrenten des Gerwin von Altenbreckerfeld entstandenen Schaden zu decken. Kerkhörde schildert im Weiteren die Verhandlungen zwischen altem, patrizischem Rat und Vertretern der Erbsassen und der Sechsgilden. Der alte, patrizische Rat habe begehrt, dat unse borger to ene komen solden, up dat mallik dem andern holpe vinden, dat men de stat in eren und bestande behelde, und dat die stat uet den groten schaden queme („dass die Bürger zu ihm kommen sollten, damit jeder dem anderen zu finden helfe, damit die Stadt in Ehre und Bestand bleibt und aus dem großen Schaden kommt“).90 Alle Parteiungen der Auseinandersetzungen hatten also „Ehre und Be‐ stand der Stadt“ als oberstes Ziel anerkannt und machten dies zur Handlungsmaxime. Die alten Ratsherren erließen der Stadt die bei ihnen aufgenommenen Schulden; sie setzten damit ein Zeichen, dem alle Bürger folgten, indem sie die Schuldurkunden an die Stadt übergaben. Binnen weniger Wochen waren die Unruhen damit zu einem Ende gekommen. Alter und neuer Rat, über dessen Zusammensetzung wir freilich keine nähren Auskünfte geben können, Erbsassenkollegium und SechsgildenVertreter hatten den für die Stadt existenzbedrohenden Konflikt damit zu einem stadtpolitischen Konsens führen können. Nach dem Bericht Kerkhördes wurde schon am 5. Dezember, nachdem sich die Kontrahenten auf Eintracht besonnen hatten, auf Glockenschlag verkündet, dass man die twidracht beendet habe und mit Eid einander verpflichtet sei.91 Dies mag eher als Willensbekundung für die Stadtbewohner zu verstehen sein, denn die endgültige Einigung sollte noch einige Wochen auf sich warten lassen. In der vasten, do de grote twidracht hadde gewesen to Dorpmunde, do wart ener eendracht overdregen met ganzen willen und vulborde des rades van Dorpmunde, der erfsate lude und der 6 gilden und der gemeinen borger van Dorpmunde.92 „In der Fastenzeit, als man in Dortmund die große Zwietracht austrug, erzielte man eine Eintracht mit Willen und Zustimmung des Rats von Dortmund, der Erbsassen, der Sechsgilden und der gemeinen Bürger von Dortmund“. Diese ‚große Eintracht‘ des Jahres 1400 stellte endlich einen Konsens her, indem man vereinbarte:93 1 Das Dortmunder Recht soll in allem Bestand haben; die Stadt als Rechts- und Friedensbezirk war damit wieder hergestellt. 2 Alle sollen der gemeynen borgere beste tun und wollen; das gemeine Wohl also soll Handlungsmaxime der Bürger sein.
90 Ebd., S. 44; siehe hier auch die Schilderung der weiteren Maßnahmen, die im Folgenden dargestellt sind. 91 Ebd., S. 45 (…) de raet, de erfsaten, de ses gilden daerna met allem vlite, dat se eendrechtlich wolden wesen in ere stat (…). 92 Ebd., S. 45, es folgt S. 45f. eine Wiedergabe der ‚großen Eintracht‘. 93 DUB 2, bearb. von Rübel, Nr. 1037.
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3 Alle Dortmunder (wat to Dorpmunde bynnen wont und borger is) sollen die aus‐ getragenen Gegensätze ad acta legen, einig sein und künftig alles mit ganzer Eintracht tun, was einer Generalamnestie gleichkam. 4 Alle geloben für das Geschehene Vergessen. 5 Alle geloben, im Falle der Ladung vor den König oder vor einen anderen Herrn wegen der vergangenen Vorfälle treu bei einander zu bleiben. Die nachhaltigste Änderung der Ereignisse des Jahres 1399/1400 betraf freilich die Änderung der Ratsverfassung, die der sozialen und politischen Auseinandersetzung Rechnung trug: Von Stund an nahmen Vertreter der Sechsgilden die unteren sechs der 18 Ratssitze ein. Darüber freilich werden wir nur indirekt unterrichtet.94 Wenn König Ruprecht 1404 befahl, da die Stadt ihre Schulden nicht bezahlt habe, dass auch die sechs unberechtigten Ratsmitglieder aus dem Rat entfernt werden, die die gemeinde (…) in den rait gesetzt haben, gentzlich dar usz setzen, und bei der nächsten Ratswahl die Ratleute nur aus den geslechten von den alten gewählt werden.95 Ein Blick in die Ratslisten zeigt, dass die Beteiligung der Sechsgilden als Bürgervertreter fortan aber die Regel geworden war.96 Verstetigung der Verfassung Die Überlieferung des Sechsgildenrechts aus dem Jahre 1403 reflektiert diese Än‐ derung der Stellung der Sechsgilden bei der Ratswahl nachhaltig.97 Innerhalb der Sechsgilden waren angesichts der neuen Bedeutung der alten Zünfte für die städti‐ sche Politik seit 1400 zahlreiche Auseinandersetzungen über die Organisation der Ratswahlen und der Ausschüsse sowie Ämter der Sechsgilden entstanden.98 Auch die endgültige Durchsetzung der Beteiligung der Sechsgilden als einer der ‚Stände‘ an den Ratswahlen neben dem ‚alten‘ Rat gab Anlass zu heftigen Diskussionen.99 Die internen Auseinandersetzungen und ihre Beilegung bewiesen einmal mehr den Zwang der Bürger zum Kompromiss; die Willensbildung der Zunftbürger und Sechs‐ gilden bedurfte einer internen Abstimmung und der Institutionalisierung von Verfas‐ sungsabläufen. Die schriftliche Fixierung im Sechsgildenrecht (Abb. 2.3 und 2.4) brachte allen Zunftbürgern Rechtssicherheit und verschaffte den Sechsgilden auf Dauer Handlungsfähigkeit.
94 Die Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 291 erwähnt dies in der summarischen Schilderung der Ereignisse. 95 DUB 3, bearb. von Rübel, Nr. 204; Verhandlungen mit dem König in dieser Frage verliefen länger, die Stadt blieb bei der vorgenommenen Änderung. Am 12. März 406 (DUB 3, bearb. von Rübel, Nr. 271) erlaubte der König Dortmund schließlich, dat der rate, die erbsassen und die gemeyne burger zu Dorpmunde mit eyndracht die stad Dorpmunde regieren mogen in redelichen und bescheidenen sachen (…). Siehe hierzu auch Dortmunder Statuten und Urtheile, bearb. von Frensdorff, S. CXIIf. und von Winterfeld, ‚Hat König Ruprecht‘. 96 Siehe die Ratslisten bei Rübel, ‚Westfälische und niederrheinische Reichshöfe‘, S. 213ff. und 248ff. 97 Edition bei Dortmunder Statuten und Urtheile, bearb. von Frensdorff, S. 215ff. 98 Ebd., S. 215 (…) dat eyn twidracht vel tusschen Johannesgilde und den vif gilden (…). 99 Die Bestimmungen können hier im Einzelnen nicht analysiert werden – sie setzen den Zwang zum Konsens der Bürgergemeinde auf der Ebene der Korporation der alten Zünfte fort.
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Abb. 2.3: Sechsgilde-Buch der Fleischhauer von 1403, Titelseite, Dortmund Stadtarchiv, Bestand 202 X 9, fol. 1r (© Stadtarchiv Dortmund).
Seit 1404 agierte ein Zwölfergremium zur Schuldentilgung: Es wurde offensicht lich aus patrizischen Ratsherren, Erbsassen und Sechsgildenvertretern zusammenge setzt.100 Die Konflikte der Jahre nach der Fehde hatten die ‚Stände‘ für die politischen Verfahrensabläufe zu festen Einrichtungen des politischen Systems der Stadt werden lassen. Sie waren im Sinne des Gemeinwohls der Stadt bei wichtigen Angelegenheiten an der Entscheidungsfindung und der Durchsetzung von Beschlüssen der Gemeinde beteiligt. Die Konflikte wurden von den sozialen Gruppen um die Gestaltung des bo num commune, des Gemeinwohls, geführt, einer Allgemeinheit, die getrennt von Ein zelnen wie auch der Korporation definiert war. Die Kritik der Erbsassen und Sechsgil den des Jahres 1399 richtete sich gegen Verstöße des patrizischen Rats gegen das All gemeinwohl, gegen die Misswirtschaft und den Amtsmissbrauch des amtierenden Ra tes. Der Konsens war jetzt nur mehr über die dauerhafte Beteiligung der Sechsgilden und Erbsassen am Ratsregiment sowie die Anerkennung der ‚Stände‘ denkbar. Die Freiheit des Stadtbürgers ist im Übrigen in der Dortmunder Überlieferung weniger als individuelles Recht greifbar; der Erwerb des Bürgerrechts war zugleich Erwerb der städtischen Freiheitsrechte und damit Voraussetzung zur Partizipation am politischen Geschehen. Das politische System der Reichsstadt Dortmund ließ den Einzelnen in der schriftlichen Überlieferung weitgehend verschwinden, denn er 100 Siehe hierzu etwa DUB 3, bearb. von Rübel, Nr. 262, Nr. 341, Nr. 389 und Nr. 444.
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Abb. 2.4: Titelseite und Beginn des Sechsgilderechts von 1403, Dortmund Stadtarchiv, Bestand 202 X 9, fol. 3r (© Stadtarchiv Dortmund).
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agierte für uns mehr oder weniger anonym als Teil der Korporationen der Sechsgil den oder Erbsassen, der Zünfte und Ämter. Die Sechsgilden organisierten zudem ja als ‚Handwerkerelite‘ die alten, vornehmen Handwerkerkorporationen der Gerber und Schuster, Bäcker, Fleischhauer, Schmiede, Fettkrämer und Krämer. Die jüngeren Zünfte, etwa der Goldschmiede, Pelzer, Wollweber, Schneider, Leinenweber oder Schreiner und möglicherweise auch der Maler, wurden als Ämter bezeichnet, bleiben von der politischen Partizipation der Sechsgilden zunächst aber ausgeschlossen.101 Dies sollte sich nur allmählich ändern: Als sich Dortmund zu Beginn der Soester Fehde 1444 für die Partei des Kölner Erzbischofs und damit gegen die Stadt Soest er klärte, rief der Rat zur Herstellung eines eigenen Willens der Stadt eine Versammlung ein, zu der nicht nur der alte Rat, die Erbsassen und die Sechsgilden, sondern auch die Ämter geladen wurden.102 Offensichtlich war in der Krisensituation Westfalens für die Stadt die Einbeziehung aller Gruppen von herausragender Bedeutung. Auch in den innerstädtischen Wirren anlässlich der Huldigung gegenüber König Friedrich III. im Jahr 1450 waren die Ämter neben den Sechsgilden eingezogen.103 Die Ereignisse, die wir hier nur am Rande streifen können, zeigen, wie die Konsensfindung alle Bürger gruppen einbezog. Der gefundene Konsens war verbindlich und wurde gegen abwei chende Meinungen durchgesetzt, der Konsens legitimierte insofern die Herrschaft des Rates über die Stadt. Zur Kritik moderner Bewertungen Die ältere Dortmunder Stadtgeschichtsforschung hat die Vorgänge der Jahre 1399/1400 als Dortmunder ‚Revolution‘ bezeichnet und damit Bewertungen vorge‐ nommen die die Krisensituation der Stadt, die Konflikte der Bürger und das Ringen um die Grundlagen eines konsensgestützten Regiments über die Stadt präjudizierten Überlegungen unterwarf. Der Begriff ‚Revolution‘ nämlich meint ja die gewaltsame Veränderung der politisch-sozialen Verhältnisse der Stadt. Schon die Bewertung des städtischen Chronisten Dietrich Westhoff war ungenau in der Schilderung der Ereignisse der Jahre 1399/1400; sie hielt jedoch fest, dass die Einnahme der unteren sechs Ratssitze durch die Sechsgilden zum Nutzen des Gemeinwohls sei, in behoef des gemein besten.104 Der städtische Chronist beließ es aber bei einem oberflächlichen und dilatorischen Urteil. Arnold Mallinckrodt hat die innerstädtischen Unruhen und Konflikte 1794 erstmals als ‚Revolution‘ bezeich‐ net.105 Dem Vorgang gewann er durchaus Positives ab, denn die innerstädtischen
101 Zu einer möglichen Zunft der Dortmunder Maler siehe Zupancic, ‚Eine Dortmunder Malerschule?‘, S. 265. 102 Chronik des Johann Kerkhörde, bearb. von Franck und Hansen, S. 68. Für den hiesigen Kontext wird nur eine Dimension der Vorgänge dieses Jahres thematisiert. Die Opposition gegen das Bündnis mit dem Kölner Erzbischof war zunächst breit, der Konsens wurde per Gewalt hergestellt und führte zu heftigen Auseinandersetzungen. 103 Siehe ebd., S. 113ff. 104 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 291. 105 Mallinckrodt, Versuch über die Verfaßung, S. 148 und öfter.
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Auseinandersetzungen verstand er als Grundlage der Dortmunder Verfassungsent‐ wicklung, die er als geeignet bewertete, aktuellen Herausforderungen an moderne Staatlichkeit zu genügen.106 Der Sicht des 19. Jahrhunderts erschienen diese Dort‐ munder Ereignisse dann als eine „unblutige (…) Revolution“, so das Urteil von Ferdinand Frensdorff aus dem Jahr 1882.107 Die Tradition des Stolzes auf die Vertreter des mittelalterlichen Patriziats als vor‐ bildliche Vorgänger des modernen Bürgertums war so stark, dass die innerstädtischen Konflikte und Unruhen nur als negative Abweichung erschienen: Erleichtert stellte Frensdorff wenige Zeilen später fest, dass der ‚Conservativismus‘‚ so stark gewesen sei, dass sich in der Folge der ‚Revolution‘ eigentlich nicht sehr viel geändert habe.108 Karl Rübel meinte gar, Johann von Kerkhörde habe die Ereignisse insgesamt zwar zutreffend beschrieben, „nur sind die Folgen der Revolution von 1400 zu günstig geschildert“; warum dies so sei, ist aufgrund des Präjudizes indes keiner näheren Er‐ läuterung wert.109 Die Zunftbürger werden implizit wohl als „aufrührerischer Pöbel“ interpretiert. Dies wird deutlich, wenn Karl Rübel meint, die Erbsassen hätten 1399 zunächst dem ‚Sturm‘ der Zunftbürger getrotzt.110 Auch Luise von Winterfeld hat die Ereignisse als ‚Revolution‘ der Sechsgilden gegen das Ratsregiment des Patriziats verstanden.111 Die Ereignisse als ‚Revolution‘ zu fassen, das verbietet jedoch die Analyse der Ver‐ hältnisse.112 Die Vorgänge sind nur als innerstädtischer Konflikt um das bonum com‐ mune zu verstehen, indem gemeine Bürger auf Konsens und Kompromiss drangen: Der patrizische Rat war von Erbsassen und Zunftbürgern wegen Amtsmissbrauchs kritisiert und abgesetzt worden, um die Reichsstadt in ihrem Bestand wahren und die Krisensituation nach der Großen Fehde bewältigen zu können. Der Aufstand richtete sich also nicht auf die gewaltsame Veränderung der ökonomischen, sozialen und politischen Verhältnisse in der Stadt, sondern reflektierte das Allgemeinwohl, das dem größten Teil der Bürger Dortmunds mit dem bisherigen Rat nicht mehr gewahrt schien. Die durchaus realisierbare Beseitigung der patrizischen Ratsherrschaft war zu keiner Zeit Ziel dieses Konflikts. Die Partizipation der Sechsgilden in der Form der unteren sechs Ratssitze drängte nicht auf die Majorisierung des Rats durch die Zunft‐ bürger, sondern hatte als Minorität wohl eher die Kontrolle der Ratsmaßnahmen und zukünftig die Öffentlichkeit des Handelns des Rats zum Ziel.113 Der berühmte Dortmunder Ratsherr und Publizist Arnold Mallinckrodt, ein wichtiger Vertreter des frühen deutschen Liberalismus, hat 1794, beeinflusst von Französischer Revolution und Aufklärung, die im Jahre 1400 als Ergebnis der 106 107 108 109 110 111 112 113
Siehe hierzu unten. So Dortmunder Statuten und Urtheile, bearb. von Frensdorff, S. CIX. Ebd. S. CX. Rübel, Dortmunder Finanz und Steuerwesen, S. 47. Ebd., S. 46; Versammlung der Erbsassen mit einem Teil der Sechsgildevertreter, siehe hierzu oben. von Winterfeld, Geschichte der freien Reichs- und Hansestadt Dortmund, S. 93. Zum Begriffsinhalt siehe zusammenfassend den Artikel von Bulst u.a., ‚Revolution‘. Das Prinzip des Ehrenamtes des Ratsherrn setzte die ökonomische Potenz des Mandatsträgers voraus: Er musste vom Geschäftsleben abkömmlich sein. Die Annahme von Frenz, Gleichheitsdenken in deutschen Städten, S. 150, die große Eintracht des Jahres 1400 habe „die alte Ratsordnung zementiert“, ist irrig.
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Auseinandersetzungen geänderte Ratsverfassung der Reichsstadt Dortmund in durchaus positivem Lichte gesehen: „Denn da die Landeshoheit und die öffentliche Gewalt auf dem Inbegriffe der Bürgerschafft ruhet, der Rath sowohl als die Stände nicht jure proprio, sondern als Repräsentanten der Bürgerschaft die Regierungsrechte ausüben, die Wahl der Mitglieder dieser repräsentierenden Collegien auch nicht auf einzelne, insbesondere vornehme Familien beschränket ist, dieselben vielmehr von und aus der Bürgerschaft gewählet werden: so ist keinem Zweifel unterworfen, dass die Verfaßung dieser Stadt eine wahre, jedoch modificierte Democratie oder Volksregierung ist.“114 Den 1400 gefundenen Konsens über das politische System der Reichsstadt sah er um 1800 also durchaus als richtungsweisend an, ja er meinte, die auf Konsens der Gruppen beruhende Verfassung hätte die Stadt in die Moderne führen können. Missstände sah er kurz vor der Mediatisierung der Reichsstadt durch Erbprinz Wilhelm Friedrich von Oranien-Nassau im Jahre 1802 weniger im System, sondern vor allem in den Fehlern der agierenden Personen begründet.115 Das Regiment des reichsstädtischen Rates über die Stadt beruhte im Urteil Arnold Mallinckrodts auf Konsens der Interessen sozial geprägter Gruppen der Bürger. Er meinte, die reichsstädtische Verfassung habe bereits die Ideale der Französischen Revolution Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit als Stadtgesellschaft von Gruppen zu einem guten Stück verwirklicht. Dies trifft insoweit zu, als die Herrschaft des Rates konsensgestützt war, im Konsens die Legitimation fand; der Konsens hatte vor allem das bonum commune zum Zweck und Ziel. Dass insofern bereits durchaus im modernen Sinne bürgerliche Öffentlichkeit vor-gelebt wurde, ist ein auffälliges Phänomen, das hier nicht näher vertieft werden kann.116 Die innerstädtischen Ausein‐ andersetzungen des ausgehenden 14. Jahrhunderts konstituierten Öffentlichkeit im Sinne des gemeinen Besten. Die Änderung der städtischen Verfassung im Jahr 1400 zielte nicht auf die Majorisierung des Rates durch Vertreter der Sechsgilden, sondern unterwarf das Regiment des Rates der öffentlichen Kontrolle.
114 Mallinckrodt, Versuch über die Verfaßung, S. 218. 115 Siehe hierzu Schilp, Die Reichsstadt Dortmund im 18. Jahrhundert‘ [Verzeichnis Nr. 87]; Ders., ‚Vom Bürger der Reichsstadt zum Untertanen des Fürsten‘ [Verzeichnis Nr. 88]. Mallinckrodt, Versuch über die Verfaßung, S. 2ff. geißelt vor allem folgende Missstände: „Mangel an Gemeingeist, und edlem Patriotismus; Liebe zum Alten, Schlendrian und Trägheit; Mangel an Aufsicht; Mißtrauen der Bürgerschaft gegen den Rat; Mangel an genauen Bestimmungen über die Verfassungen; die Factionen; die Despotie eines oder einer weniger überstimmenden Einzelnen; der unrichtige Begriff von Freyheit; eine schlechte schläfrige Justiz; schlechte nachläßige Policey; unordentliches Rechnungswesen (…)“. 116 Siehe dazu Schilp, ‚Stadtkultur im spätmittelalterlichen Dortmund‘ [Verzeichnis Nr. 73], S. 54ff. (mit weiterer Literatur).
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…in honore sancti Georgii…* Burgkirche und Burgmannschaft: Erinnerungskultur der Reichsburg Friedberg im Mittelalter Die Geschichte der Reichsburg Friedberg im Mittelalter war in den vergangenen Jahrzehnten wiederholt Gegenstand der Forschung.1 Die bisherigen Arbeiten kon‐ zentrierten sich vor allem auf die Rekonstruktion der Gründungsumstände, die reichspolitischen Einordnungen der Burg, die soziale Zusammensetzung der um‐ fangreichen Burgmannschaft, das Burggericht und die Beziehungen zwischen Burg und Stadt Friedberg. Weitgehend unberücksichtigt blieben dagegen bislang sowohl die Geschichte als auch die Dimensionen des sakral-politischen Lebens in der Burg, ebenso die Besonderheiten der Erinnerungskultur der reichsministerialischritterlichen Burgmannschaft, soweit diese aus den schriftlichen Quellen im Umfeld der Burgkirche überhaupt noch zu rekonstruieren sind.2 Außerhalb des Blickfeldes der Forschung lagen auch die Ausstrahlung der Burgkirche auf das geistige Leben oder die in der schriftlichen Überlieferung der Burgkirche erkennbaren Mentalitäten beziehungsweise Denk- und Deutungsformen der Burgmannschaft sowie ähnliche Fragestellungen. Allein Karlheinz Rübeling hat 1965, basierend auf älteren Arbeiten des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, eine Rekonstruktion der Baugeschichte der Burgkirche St. Georg in der Burg Friedberg versucht, ohne freilich auf die inneren Verhältnisse und die soeben angedeuteten Fragestellungen näher einzugehen.3 Die folgenden Überlegungen sind bemüht, diese Lücke der bisherigen Forschung zu schließen. Die allgemeinen Verhältnisse und die rasante Entwicklung der Friedber‐ ger Burgkirche vor allem während des 14. Jahrhunderts sollen zunächst vorgestellt und interpretiert werden. Der Schwerpunkt der Analyse wird sodann dem Versuch der Rekonstruktion einer spezifischen Erinnerungskultur der Burgmannschaft gel‐ ten: Tod und Jenseitsvorsorge, die memorialen Stiftungen der Burgmannen, aber auch von Nicht-Mitgliedern der Burgmannschaft, sollen auf ihre Intentionen befragt * Erstpublikation in: Hundert Jahre Historische Kommission für Hessen 1897-1997. Band 1. Festgabe, hrsg. von Walter Heinemeyer (Marburg: Elwert, 1997), S. 181-207 [Verzeichnis Nr. 43]. 1 Vergleiche zuletzt Schilp, Die Reichsburg Friedberg im Mittelalter [Verzeichnis Nr. 1]. Hier auch die Hinweise auf die weitere Literatur, vor allem die Arbeiten von Fred Schwind und Albrecht Eckhardt. 2 Lediglich Ranft, ‚Adelsgesellschaften‘, S. 228-230 geht am Rande seiner Überlegungen auf die Gesellschaften innerhalb der Friedberger Burgmannschaft ein. 3 Rübeling, ‚Die alte Friedberger Burgkirche‘ stützte sich vor allem auf die Arbeit von F.R. Schazmann, Die gewesene Sankt Georgen-Kirche (um 1836). Weitere Literatur bei Rübeling, S. 1-3. Stadtgesellschaft und Memoria, ed. by Arnoud-Jan Bijsterveld, Meta Niederkorn & Annemarie Stauffer, Memoria and Remembrance practices, 3 (Turnhout: Brepols, 2023), pp. 67–92 10.1484/M.MEMO-EB.5.132320
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werden, um Denkmuster und Deutungsschemata in ihrer individuellen Ausprägung zu erfassen und ihre Implikationen für das soziale Handeln in der Burg Friedberg und ihrem Umfeld zu erhellen.4 Zu untersuchen wird auch die Förderung der Burgkirche durch die Korporation der Burgmannen sein, die sich unter anderem in besonderen Schenkungen erkennen lässt. Die der folgenden Untersuchung zugrundeliegenden Quellen sind ediert im Urkundenbuch der Stadt Friedberg; die Analyse ist auf die Zeit bis um 1410 beschränkt.5 Erst im Jahre 1216 ist die Reichsburg Friedberg, eine Gründung der staufischen Reichsgewalt wohl kurz nach 1180, erstmals in der schriftlichen Überlieferung er‐ wähnt.6 Am 26. Oktober 1216 richtete sich König Friedrich II. an seine Getreuen Burggraf Gisilbert und die übrigen Burgmannen von Friedberg, den Schultheißen von Frankfurt und alle Getreuen des Reiches in der Wetterau; er teilte ihnen mit, dass er seinem Getreuen Ulrich von Münzenberg seine Grafschaft und die Güter, die dessen Vater und Bruder zuvor besessen hatten, zurückgegeben habe. Die Stellung des Fried‐ berger Burggrafen und der Burgmannen an der Spitze der Wetterauer Reichsgetreuen in dieser Urkunde zeigt zum einen, dass die Gründung der Burg älteren Datums sein muss: Die Friedberger Burgmannschaft wurde von König Friedrich II. 1216 ja offensichtlich bereits als funktionsfähige Körperschaft im Reichsdienst eingesetzt, denn er richtete sich an Burggraf und Burgmannen als fidelibus suis. Burggraf und Burgmannen in Friedberg rangieren in der Reichsverwaltung der Wetterau hier ja zudem vor dem mächtigen Frankfurter Schultheißen. Zum anderen wurde mit die‐ ser Urkunde die strenge dienstrechtliche Strukturierung der in der Burg Friedberg zusammengeschlossenen Burgmannschaft evident. In ähnlicher Weise übertrug in der nächsten schriftlichen Erwähnung der Burg Friedberg König Friedrich II. 1219 dem Burggrafen und den Reichsministerialen (ministerialibus imperii) in Friedberg für das nahe gelegene Kloster Arnsburg, das er unter seinen Schutz gestellt hatte, die Wahrnehmung des königlichen Schutzes vor Ort.7 Die Übernahme dieser und in den folgenden Jahren ähnlicher Funktionen im Rahmen des Ausbaus der Wetterau durch die staufische Reichsgutpolitik zu einer terra imperii, wie die Landschaft von der Chronistik der Zeit bezeichnet wurde, setz‐ ten eine funktionsfähige reichsministerialische Burgmannschaft in Friedberg voraus.8 Ganz in diesem Sinne der staufischen Dienstmannschaft der Korporation ist auch das erste Siegel der Burgmannschaft zu deuten; überliefert erstmals im Jahr 1242, greift
4 Zum Begriff Erinnerungskultur: Oexle, ‚Memoria als Kultur‘, besonders S. 3-38. 5 Die Reichsburg Friedberg im Mittelalter. Regesten der Urkunden 1216-1410, bearb. von Schilp [Verzeichnis Nr. 3; im Folgenden zitiert als UB Friedberg]. Vergleiche zum Folgenden und zur allgemeinen Entwicklung der Burg während des Spätmittelalters ausführlich Schilp, Die Reichsburg Friedberg. Die Untersuchung ließ die Verhältnisse der Burgkirche, der Memoria und Erinnerungskultur der Burgmannschaft aufgrund der zugrundeliegenden Fragestellungen ebenfalls unberücksichtigt. 6 UB Friedberg, bearb. von Schilp, Nr. 1 (1216). 7 UB Friedberg, bearb. von Schilp, Nr. 2. 8 Vergleiche Schilp, Die Reichsburg Friedberg, S. 27ff. Die Bezeichnung terra imperii in Annales Sancti Pantaleonis, bearb. von Cardauns, S. 536.
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es im Siegelbild den staufischen Reichsadler auf und trägt vor allem die Umschrift: SIGILLVM CAESARIS IN FRIDEBERIC, Siegel des Kaisers in Friedberg.9 Die Anlage der ein Areal von circa 4 ha umfassenden großen Burganlage des Reiches auf dem nach Norden, Osten und Westen steil abfallenden Burgberg nutzte den Platz eines römischen Kastells. Schon die räumlichen Verhältnisse machen es wahrscheinlich, dass die Stadt Friedberg mit ihrem bedeutenden Straßenmarkt etwas später, aber als planmäßige städtische Gründung sozusagen im Schatten der Burg angelegt wurde, die Stadt blieb der Burg bis zur Mediatisierung im beginnenden 19. Jahrhundert immer untergeordnet. Der Burggraf der Reichsburg war militärischer Befehlshaber der Burgmannen. Als höchster königlicher Amtsträger in Burg und Stadt war er, wie wir bereits sahen, ein bedeutender politischer Funktionär der staufischen Reichspolitik und der Wetterau. In dieser Funktion war der Burggraf auch dem städtischen Schultheißen in Friedberg übergeordnet; er war zugleich Vorsitzender des Burggerichts und des städtischen Schöffengerichts. Wahrscheinlich noch im 13. Jahrhundert wurden dem Burggrafen zwei Baumeister und später zwölf Regiments‐ burgmannen für die Verwaltung der Burg zur Seite gestellt.10 Trotzdem blieb die Burgmannschaft als Genossenschaft bis zur Mediatisierung im Jahre 1806 Trägerin der mit der Burg verbundenen (Hoheits-)Rechte und Pflichten. Die Anfänge der Friedberger Burgkirche In der Reichsburg Friedberg mit zahlreicher reichsministerialischer Burgmannschaft, in der mit den Burgmannen deren Angehörigen, aber auch Abhängigen (Knechte, Mägde, Beisassen, Bedienstete) lebten, wird wahrscheinlich schon sehr früh eine Kapelle für seelsorgerisch-liturgische Zwecke der Burgbewohner bestanden haben.11 Für lange Zeit war die Kapelle in der Burg Filialkirche der Friedberger Stadtkirche und hatte damit zunächst keine vollen Pfarrechte. Freilich erteilt die Überlieferung des 13. Jahrhunderts nicht mehr als vage Hinweise bezüglich der Existenz einer solchen Kapelle in der Burg. Ein Gotteshaus hat daher für lange Zeit die eigentlich für das Mittelalter zu erwartende Bedeutung offensichtlich noch nicht eingenommen, zumindest lässt die schriftliche Überlieferung dies nicht erkennen. Im Jahre 1245 wurde eine Güterauflassung eines Friedberger Bürgers zugunsten des Klosters Arnsburg in castro capellam in Friedeberg vorgenommen.12 Eine Kapelle in der Burg ist damit genannt, doch bleibt dies für Jahrzehnte die einzige sichere Nennung eines Gotteshauses in der Burg. Für das gesamte 13. Jahrhundert ist nur eine weitere indirekte Erwähnung zu ermitteln: In einer urkundlichen Auflistung der bisherigen Ablassbriefe der Friedberger Burgkapelle aus dem Jahre 1321 begegnet an erster Stelle ein Ablass des Bischofs Dietrich von Wierland, der hier zudem als 9 UB Friedberg, bearb. von Schilp, Anhang, Siegeltafel Nr. 1. 10 Schilp, Die Reichsburg Friedberg, S. 100-106. 11 Siehe Verzeichnisse ebd., S. 147ff. Vergleiche zur Kapelle, wie auch zur Baugeschichte der Burgkirche, Rübeling, ‚Die alte Friedberger Burgkirche‘. 12 Urkundenbuch der Stadt Friedberg 1, bearb. von Foltz, Nr. 19.
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Consecrator der Burgkapelle bezeichnet wird. Zur Kirchweihe der Kapelle, an den Festtagen der Patrone und zu weiteren Kirchenfesten habe dieser an der Burgkapelle einen weiteren Ablass gewährt.13 Karlheinz Rübeling hat diesbezüglich zutreffend bemerkt, dass dieser Dietrich um 1246 Bischof von Wierland wurde.14 Da er sein Amt im Baltikum aber zunächst nicht antreten konnte, begegnete er bis 1272 als Suffragan der Erzdiözesen Trier, Köln und Mainz. Um 1260 ist ein Schwerpunkt seiner Mainzer Tätigkeit festzustellen, und alles spricht daher dafür, die beiden erwähnten Ablass‐ briefe auf die Zeit um 1260 zu datieren. Die oben erwähnte Konsekration könnte sich dabei auf einen Neu- oder Umbau eines Gotteshauses beziehen, eine Kapelle in der Burg hätte damit also durchaus auch schon früher bestehen können. Die Burgkirche in Friedberg war Maria, St. Georg und St. Antonius geweiht, wobei als wichtigstes Patrozinium St. Georg gelten kann, denn die Burgkirche wird in der mittelalterlichen Überlieferung in der Regel als Georgskirche bezeichnet. Auch das Siegel des bedeutenden Burgpfarrers Kraft von Rockenberg zeigt St. Georg, im Übrigen in der erst seit dem 14. Jahrhundert typischen Darstellung als Drachen‐ kämpfer.15 St. Georg ist ein Märtyrer der Spätantike; er war ein im Kriegsdienst stehender Kappadokier, der wegen seines Bekenntnisses zum Christentum im Jahre 303 gemartert und schließlich enthauptet worden war. Die Legende der ritterlichen Drachenkampfepisode, die wir heute mit St. Georg verbinden, verknüpft mit der Errettung einer Prinzessin, ist in unserem Kulturraum vor dem beginnenden 12. Jahrhundert gar nicht überliefert. Vor allem seit den Kreuzzügen wurde St. Georg als miles Christi zum Schutzheiligen der Soldaten, später zum Schutzpatron der Deutsch‐ herren, der Templer, ritterlicher Bruderschaften und Burgen, so auch der Friedberger Burgmannschaft.16 Als die Burgmannschaft in den Thronwirren zwischen dem Luxemburger Wenzel und Ruprecht von der Pfalz im Jahre 1400 sich schließlich für Ruprecht entschieden hatte, berichtet eine Aufzeichnung der Burg zum Gang der Ereignisse und der eige‐ nen Entscheidungsfindung vom Zug zahlreicher Burgmannen nach Heldenbergen, um den von Frankfurt kommenden Ruprecht als König zu empfangen und nach Friedberg zu geleiten: Item daselbes die burgman hiene quamen wole siebentzig odir achtzieg mit gleyven und czereten da und rieden da konig Ruprechten engen biß gein Heldebergen und hatten sante Georgen baner zur burge da uffgeworffen und an allen gleyven wympelchin roid und wiß uff ire sitten ….17 Sankt Georg also wurde nicht nur als Patron der Burgkirche verehrt, die Burgmannschaft selbst führte ein Banner mit seinem Bildnis oder mit einem Georgssymbol – die gemeinschaftliche Verehrung des heiligen Patrons ist ein wichtiges Element der Identitätsfindung der Burgmann‐ schaft. Als Korporation nahmen die Friedberger Burgmannen zu ihrem Patron allem Anschein nach eine besondere, geradezu individuelle Beziehung ein. 13 UB Friedberg, bearb. von Schilp, Nr. 204. 14 Rübeling, ‚Die alte Friedberger Burgkirche‘, S. 25. 15 Vergleiche zu ihm unten; eine Abbildung des Siegels in UB Friedberg, bearb. von Schilp, Anhang, Siegeltafel Nr. 5c. 16 Pollems, ‚Georg‘, mit weiterführender Literatur. 17 UB Friedberg, bearb. von Schilp, Anhang 7/24, S. 355; Schilp, Die Reichsburg Friedberg, S. 216ff
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Erst knapp hundert Jahre nach der ersten schriftlichen Nennung der Burgkapelle, findet wieder ein Sakralraum in der Burg sichere Erwähnung in der schriftlichen Überlieferung. Offenbar war die ministerialische Burgmannschaft in Friedberg zuvor kaum für ihre Burgkapelle oder -kirche intensiver tätig geworden, zumindest schlug sich dies zuvor offensichtlich nicht in schriftlicher Überlieferung nieder. 1306 aber besserten Burggraf und Burgmannen die Vermögensverhältnisse der Kapelle in der Burg auf.18 Um den Patronen der Burgkapelle, St. Georg und St. Antonius, besser dienen zu können, erhielt der Kaplan von der Friedberger Burgmannschaft zukünftig jährlich Zinszahlungen und Öl für das Geleuchte von den Hofstätten am Fuße des Burgberges vor dem Hospital, dort, wo man Steine für den Burgbau gebrochen hatte; der Kaplan namentlich fassbar – besiegelte die Urkunde mit. Alles scheint in eine Richtung der Deutung zu weisen: Nach dem Zusammen‐ bruch der staufischen Reichsgewalt hatte die Korporation der ‚kleinen‘ reichsministe‐ rialischen Burgmannen in Friedberg offenbar zunächst Mühe, sich als Genossenschaft in der politischen Landschaft der Wetterau zu bewähren und die Versuche, der be‐ nachbarten dynastischen Kräfte (etwa von Hanau, von Eppstein, von Trimberg, von Falkenstein- Münzenberg, und so weiter) um Einflussnahme auf die Burg abzuweh‐ ren.19 Nur im Zusammenschluss der Korporation der Reichsburg Friedberg konnten die ‚kleinen‘ reichsministerialischen Burgmannenfamilien allem Anschein nach ihrem in der Stauferzeit aufgrund der Förderung durch das Königtum einsetzenden und schließlich errungenen politischen und sozialen Aufstieg sichern. Nach dem Zusammenbruch der staufischen Königsherrschaft scheint sich die Friedberger Burgmannschaft erst an der Wende zum 14. Jahrhundert im politischen und herrschaftlichen Kräftespiel der Wetterau als Korporation reichsministerialischer milites endgültig konsolidiert zu haben. Die Zahl der Burgmannen, die wir für die Zeit um 1250 auf um 25 bis 30 schätzen können, stieg im Zuge dieser Entwicklung allmäh‐ lich an.20 In der erwähnten Urkunde von 1306 sind 19 Burgmannen namentlich „und viele andere“ als Zeugen genannt.21 1314 sind 80 Ritter und Edelknechte namentlich als Burgmannen zu Friedberg bezeichnet.22 Auf ältere Grundlagen sind im Übrigen in dieser Zeit auch wesentliche Elemente einer Herrschaftsbildung der Korporation der Burgmannen festzustellen: Mit dem großen Sühnebrief König Albrechts von 1306 wurden die Auseinandersetzungen zwischen Burg und Stadt wenn auch nicht beigelegt, so doch zumindest auf einen Status quo fixiert und für die Zukunft kanali‐ siert: Die Burgmannschaft behielt dabei die faktische Vorherrschaft über die Stadt Friedberg.23 Die Rechte der Burg in der Stadt mit den entsprechenden Einnahmen waren eine wesentliche Grundlage der Bildung eines eigenen Herrschaftsbezirks der Burgmannschaft. Erst 1306 werden auch erstmals Beisassen der Burg in der
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UB Friedberg, bearb. von Schilp, Nr. 166. Schilp, Die Reichsburg Friedberg, S. 40ff. Ebd., S. 54ff. UB Friedberg, bearb. von Schilp, Nr. 166. Ebd., Nr. 187. Urkundenbuch der Stadt Friedberg 1, bearb. von Foltz, Nr. 162. Vergleiche hierzu im Einzelnen Schilp Die Reichsburg Friedberg, S. 131ff. und S. 187ff.
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sogenannten Vorstadt zum Garten westlich des Friedberger Burgbergs erwähnt.24 Seit der Jahrhundertwende scheint sich die Burgmannschaft Zug um Zug auch im Besitz des unweit südlich Friedbergs gelegenen Freigerichts Kaichen durchgesetzt zu haben; Ansätze zur Bildung eines Territoriums durch die Friedberger Burgmannschaft im Freigericht Kaichen sind seitdem unverkennbar.25 Erst im Zuge dieser Konsolidie‐ rung der äußeren Verhältnisse der Burgmannschaft ergaben sich allem Anschein nach auch Möglichkeiten sowohl der Förderung der Burgkirche (wie bereits für 1306 fest‐ zustellen war) als auch der Entwicklung spezifischer Formen einer Erinnerungskultur der Burgmannschaft als Korporation und auch der einzelnen Burgmannen und ihrer Familien. Ausbreitung der Benefizien, Kirchneubau und Versuch zur Stiftung eines Kollegiatstiftes Dies findet einen Beleg zunächst darin, dass sich die Burgmannen 1308, also nur zwei Jahre nach der ersten sicheren Nennung und offensichtlich im Zuge dieser Entwick‐ lungen, abermals nachhaltig fördernd für ihre Kapelle einsetzten: Auf Bitten nämlich billigte Erzbischof Peter von Mainz die Abtrennung der in der Burg errichteten Ka‐ pelle von der Mutterkirche in der Stadt Friedberg vorbehaltlich nur der Zustimmung des Königs als des Patronatsherren; die Trennung sollte der Mutterkirche in der Stadt Friedberg zudem nicht zum Nachteil gereichen.26 Offensichtlich wollte man die bestehende Abhängigkeit der Burgkapelle von der Friedberger Stadtkirchenpfarrei beseitigen und der Korporation der Burgmannen eine Kirche mit vollen Pfarrechten verschaffen. Ob dies auch sogleich vollzogen worden ist, lässt die Überlieferung aller‐ dings offen; die 1308 geforderte Zustimmung des Königs etwa ist nicht überliefert. 1321 ist zunächst in einem Testament von einer Zahlung an die Altaristen in der Burg Friedberg die Rede, neben dem Pfarrer waren also inzwischen weitere Kleriker an der Burgkirche tätig.27 Im gleichen Jahr ist die erwähnte Auflistung der Ablassbriefe der Burgkapelle durch den Vizepleban überliefert.28 Noch 1345 wird das Gotteshaus in der Burg als Kapelle bezeichnet, an der ein Pfarrer und zwei weitere Priester tätig sind.29 In einer weiteren Urkunde diesen Jahres sind ebenfalls Pfarrer und Altaristen in der Burg erwähnt.30 1356 wird eine Kapelle in der Burg als Ort für Schiedsverhandlungen erwähnt.31 Ähnlich legte man 1358 vor der Burgkapelle eine Erbauseinandersetzung vor den Baumeistern und Burgmannen der Burg bei.32 1371
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Urkundenbuch der Stadt Friedberg 1, bearb. von Foltz, Nr. 162; Schilp, Die Reichsburg Friedberg, S. 156. Schilp, Die Reichsburg Friedberg, S. 156ff. UB Friedberg, bearb. von Schilp, Nr. 169. Ebd., Nr. 203. Ebd., Nr. 204. Ebd., Nr. 261. Ebd., Nr. 262. Ebd., Nr. 305. Ebd., Nr. 312.
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wird ein Streit zwischen zwei Burgmannen in der Burgkapelle geschlichtet.33 1394 erfolgte eine Sitzung des Burggerichts in der Burgkapelle.34 Möglicherweise bestand neben der eigentlichen Burgkirche daher noch eine eigene Burg(-gerichts)-Kapelle, die wir bislang freilich nicht näher lokalisieren können. Ein erstes Siegel eines Burgpfarrers, Nikolaus, aus dem Jahr 1359 könnte als Abschluss der Trennung von der Mutterkirche verstanden werden, zumal er als Rück‐ siegler der Burgmannschaft Urkundenabschriften für das Zisterzienserkloster Thorn beglaubigte.35 Sein Siegel hatte also offensichtlich eine gewisse Rechtskraft erlangt; wahrscheinlich war er im Auftrag der Burg der Schreiber der Urkundenabschrift. Seit dieser Zeit ist in der schriftlichen Überlieferung auch eine erhebliche Intensivie‐ rung des Gottesdienstgeschehens in der Burgkirche festzustellen. 1365 werden die drei nach dem Altar des Pfarrers ältesten Altäre in der Burgkirche mit einem Zins bedacht.36 1367 sind fünf Priester der Burgkirche anlässlich einer Memorienstiftung genannt, ein weiterer Altar steht unmittelbar vor der Fundierung.37 Noch in diesem Jahr ist der Altarist des neuen Altars der ritterlichen Gesellschaft zur Grünen Minne belegt.38 1370 bestätigt Erzbischof Gerlach von Mainz die Stiftung und Dotierung dieses Altars durch den König und die Gesellschaft zur Grünen Minne.39 1370 wird ein Grundstück neben der Burgkirche zur Anlage eines Friedhofs und zur Verbesserung der Kirche übergeben.40 Ein Jahr darauf werden der Friedhof und der Elisabethaltar der Gesellschaft zur Grünen Minne geweiht.41 In einer Memorienstiftung dieser Zeit werden der Nikolausaltar, der Marienaltar, der Altar corporis Christi und der Barbaraaltar bedacht.42 1378 wurde von einer Burgmannenwitwe, Lukard Dugel (von Karben), ein siebter Altar in der Sakristei der Burgkirche gestiftet, er wurde 1381 St. Martin und St. Michael geweiht.43 1380 dotierte und fundierte Burgpfarrer Kraft von Rockenberg den Kreuzaltar in der Burgkirche, der Burgpfarrer war offensichtlich auch der erste Vikar des Kreuzaltars.44 Gilbrecht Wais von Fauerbach stiftete 1383 den Bonifatiusaltar, der noch im gleichen Jahr geweiht wurde.45 An der Kirche in der Burg Friedberg war damit binnen kurzer Zeit ein Gremium von neun Klerikern, dem Pfarrer und acht Vikaren, entstanden. Zahlreiche Ablassbriefe für die Burgkirche erhöhten mit Sicherheit deren Attraktivität
33 Ebd., Nr. 362. 34 Ebd., Nr. 597. 35 Ebd., Nr. 316f. Vergleiche ebd., Anhang Siegeltafel Nr. 5b mit der Umschrift: S(IGILLUM) NICOLAI PBL(E)B(AN)I CASTRI FREDEB(ER)G. 36 Ebd., Nr. 333. 37 Ebd., Nr. 337. 38 Ebd., Nr. 338. 39 Ebd., Nr. 350. 40 Ebd., Nr. 351. 41 Ebd., Nr. 366. 42 Ebd., Nr. 354. 43 Ebd., Nr. 435-439. Vergleiche hierzu im Einzelnen unten. 44 Ebd., Nr. 461, Nr. 463; eine Urkunde von 1396 (ebd., Nr. 621) resümiert die Stiftung des Kreuzaltars durch Burgpfarrer Kraft mit Unterstützung anderer Christgläubiger. 45 Ebd., Nr. 483, Nr. 490.
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in der Region, aber auch ihre Einnahmen, die für den Kirchenbau verwendet werden konnten.46 Seit Beginn der 70er Jahre des 14. Jahrhundert nämlich ist für die Burgkirche eine rege Bautätigkeit festzustellen; darüber hinaus wurde, soweit es die Quellen er‐ kennen lassen, jetzt auch die Ausstattung der Kirche erheblich verbessert (Abb. 3.1). Verschiedene Stiftungen der Burgmannen für den Bau der Burgkirche sind dabei eine wesentliche Voraussetzung für den Baufortschritt.47 Von den Burgbeisassen in der Vorstadt zum Garten werden 1375 und in den folgenden Jahren Renten zugun‐ sten der Burgkirche (für den Bau oder das Geleuchte) gekauft, um auf Dauer eine Besserung der finanziellen Verhältnisse zu schaffen.48 Für 100 Pfund Heller konnte 1372 mit dem Bau eines Glockenturms begonnen, 1374 eine größere Glocke gekauft werden, 1384 wurde eine Uhrglocke und ein Uhrwerk angeschafft.49 1375 konnte ein Tafelbild für den Hochaltar in Auftrag gegeben und fertiggestellt werden.50 1378 be‐ gannen Steinmetze mit der Fertigung von Fenstern für den neuen Chor, im kommen‐ den Jahr wurde mit dem neuen, repräsentativen gotischen Chor begonnen.51 1380 erfolgten Baubeginn und -vollendung der neuen Sakristei.52 Der neue Chorbau der Burgkirche konnte bereits 1383 vom Mainzer Weihbischof geweiht werden; zugleich wurden ein Bildnis Mariae neben dem Taufbecken und ein Bildnis St. Georgs, in die jeweils Reliquien eingeschlossen waren, geweiht.53 Um 1390 ist ein Verzeichnis der Reliquien der Burgkirche überliefert.54 Erst 1393 aber ließen die Burgmannen die Einwölbung des Chores der Burgkirche vornehmen.55 Für 1396 ist erstmals eine Orgel und ein Organist in der Burgkirche erwähnt.56 Diese baulichen Maßnahmen an der Burgkirche, die Besserung der Vermögensverhältnisse der Pfarrei und die Einrichtung mehrere Vikarien ließen eine erhebliche Intensivierung der Liturgie in der Burgkirche zu. Vor allem den persönlichen Initiativen des Burgpfarrers Kraft von Rockenberg (1369-1396, gestorben 1405) war dieser zielstrebige Ausbau der Burgkirche zu ver‐ danken. Die Überlieferung aus den letzten Dezennien des 14. Jahrhunderts sind von dem Ehrgeiz Krafts gezeichnet, aus seiner Kirche ‚etwas zu machen‘. Dies drückte sich auch in neuen Formen der Schriftlichkeit der Burgkirche aus: Kraft von Rockenberg hat mit der Aufzeichnung einer Chronik der Burgkirche begonnen, die von seinen
46 Neben dem bereits erwähnten Verzeichnis der älteren Ablässe von 1321 (ebd., Nr. 204) sind Ablassbriefe überliefert für 1357 (ebd., Nr. 310), 1379 (ebd., Nr. 452), 1380 (ebd., Nr. 458), 1382 (ebd. Nr. 480), 1383 (ebd. Nr. 490), 1387 (ebd. Nr. 519). 47 Siehe etwa ebd. Nr. 370, Nr. 376, Nr. 397. 48 Ebd., Nr. 398-406 und passim. 49 Ebd., Nr. 372, 373 und 496. 50 Ebd., Nr. 397. 51 Ebd., Nr. 447, 453. 52 Ebd., Nr. 464. 53 Ebd., Nr. 490. 54 Ebd., Nr. 569. 55 Ebd., Nr. 595. 56 Ebd., Nr. 623.
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Abb. 3.1: Die älteste Ansicht der Burg Friedberg stammt von 1514 und gibt gedrängt und perspektivisch verzerrt die wichtigsten Burggebäude wieder. Die Mitte des Bildes nimmt die von einem Dachreiter gekrönte Burgkirche St. Georg ein, doch ist vom Maler nur der Chor der Kirche dargestellt: Als symbolischer Ort der Gerechten, als der repräsentativste und das Kirchenschiff um einiges überragende Teil reichte dies für die Intention der Darstellung aus. Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. Urk. 69, Nr. 460, fol. 15v (© Hessisches Staatsarchiv Marburg).
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Nachfolgern im Amt nur dilatorisch fortgesetzt wurde.57 Dabei folgt er nicht dem üblichen Schema mittelalterlicher Chroniken, indem er eine Geschichte der Burgkir che aufbereitet, die nach mittelalterlichem Verständnis nur unter Einbeziehung des Heilsgeschehens möglich erschien, oder die Lehre der Weltalter als Gliederungsprin zip der Geschichte zugrunde legte, in der die Burgkirche und die Amtszeit des Chro nisten eingebettet waren. Die Chronik beginnt erst mit der Amtszeit Krafts und liest sich wie ein persönlicher Rechenschaftsbericht seiner von Ehrgeiz gekennzeichneten Amtstätigkeit. Seine Leistungen werden minuziös aufgelistet, ja man gewinnt gera dezu den Eindruck, als habe der Autor mit der Chronik sich selbst ein erinnerndes Denkmal setzen wollen.58 Kraft hat seine Bemühungen um Aufbesserung der Burgkirche mit einer Straffung der Verwaltung des Vermögens und der internen Verhältnisse verknüpft, was in der Anlage eines Kopialbuches der Burgkirche ebenso seinen Ausdruck fand wie in der Anlage eines sogenannten Ordinationsbuches oder des Präsenzbuches.59 Möglicher‐ weise geht auch die Anlage eines Zinsbuches auf die Amtszeit Krafts von Rockenberg als Burgpfarrer zurück.60 Seine Bemühungen trafen ganz offensichtlich auf Überlegun‐ gen von Burggraf und Burgmannschaft, die Burgkirche zu einem bedeutenden sakralliturgischen Mittelpunkt auszugestalten und für die reichsministerialisch-niederadlige Burgmannschaft auch zu repräsentativen Zwecken zu nutzen. Die letztlich scheitern‐ den Bemühungen jedenfalls, die Gemeinschaft der Kleriker der Burgkirche zu einem Kollegiatstift zu erheben, wozu unten mehr, führten die Motivationen des Burgpfar‐ rers Kraft von Rockenberg und der Vikare mit den Intentionen der Burgmannschaft zusammen. 1379, so notiert die Chronik des Burgpfarrers demgemäß, begannen Pfarrer und Vikare an allen Sonn-, Fest und Feiertagen Vesper und Completorium zu lesen und täglich in der Matutin und während der Messe nach Noten zu singen, um dies mit dem Zusatz zu versehen, prout in ecclesiis collegiatis est consuetum.61 Ähnlich
57 Die Chronik von Kraft von Rockenberg ist nur als Abschrift von Philipp Dieffenbach überliefert (Darmstadt, Universitäts- und Landesbibliothek, Hs. 3337, S. 43ff. und S. 78ff.; Edition zuletzt in UB Friedberg, bearb. von Schilp, Anhang 8, S. 357ff.). 58 Sie beginnt: Nota anno domini 1369: Ego Crafto de Rockinberg fueram factus plebanus in castro Friedeberg … Nota, quod illo tempore non fuit in castro Friedeberg cimiterium ad sepulturam mortuorum (UB Friedberg, bearb. von Schilp, Anhang 8 S. 357). Vergleiche zum Problemkreis Geuenich, Zukunftsvorstellungen im Mittelalter, S. 13ff. mit weiterführender Literatur. 59 Das Kopialbuch ist nur als Fragment erhalten (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg Orig. Perg. Urk. 1306-1525, dort Hs. 7090/16), liegt jedoch ebenfalls in einer Abschrift Philipp Dieffenbachs vor (Darmstadt, Universitäts- und Landesbibliothek, Hs. 3337). Das Kopialbuch ist zunächst wohl in einem Zuge bis 1394 abgefasst und enthält für die jüngere Zeit zahlreiche Nachträge: Urkunden bis zum Jahre 1394, gefolgt von der Chronik des Burgpfarrers Kraft von Rockenberg mit einigen Nachträgen, so dass Kraft als Schreiber auch des Kopialbuches anzusehen ist. Es folgen dann weitere Abschriften von Urkunden der Zeit nach 1394 sowie Zinsverzeichnisse der Burgkirche des späten 15. Jahrhunderts (vgl. hierzu UB Friedberg, bearb. von Schilp, S. XII f.). Kraft von Rockenberg scheint das Kopialbuch und die Chronik also kurz vor seiner Resignation als Pfarrer in der Burg (1396) angelegt und niedergeschrieben zu haben; damit wurde diese Schriftlichkeit selbst zu einem Element der Memoria des Burgpfarrers. Das Ordinationsbuch wird erwähnt 1392 (UB Friedberg, bearb. von Schilp, Nr. 579), ist aber nicht erhalten. Das Präsenzbuch wird erwähnt 1390 (Präsenzbücher) und 1391 (Präsenzbuch), siehe ebd., Nr. 566 und Nr. 573. 60 Es ist in einem Transfix Ende des 14. Jahrhunderts genannt, siehe UB Friedberg, bearb. von Schilp, Nr. 401. 61 UB Friedberg, bearb. von Schilp, Nr. 449 sowie ebd., Anhang 8.
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heißt es hier zum Jahr 1387: Sie begannen, an Sonn-und Feiertagen alle kanonischen Horen zu lesen und dazu nach Noten zu singen, so wie es an Kollegiatkirchen üblich war.62 Zum Jahr 1389 wird notiert, dass man begann täglich alle kanonischen Horen nach Noten zu singen und zu lesen, ebenfalls mit dem Zusatz versehen, so wie es an Kollegiatkirchen üblich war.63 Die Bitten des Pfarrers und seiner sieben Vikare sowie der Reichsburgmannen als Patronatsherren und Kollatoren der Burgkirche um Erteilung der Rechte eines Kollegiatstifts im Jahre 1381 wurden jedoch niemals erfüllt.64 Über die näheren Gründe für diese Ablehnung der Bitte lassen sich leider in der Überlieferung keinerlei Anhaltspunkte ermitteln. Die Absicht aber, die Friedberger Burgkirche zu einem Kollegiatstift auszubauen, lässt die Verfolgung sehr hoch gesteckter Ziele vermuten.65 Denn offensichtlich beabsichtigte man in der niederadlig-reichsministerialischen Burgmannschaft, hochadeligen und äußerst repräsentativ gestalteten Vorbildern zu folgen. Burgkapellen bildeten seit dem Hochmittelalter einen wichtigen und integrier‐ ten Bestandteil des Typs der neuen dynastischen Burgen; Burganlage und Kirche verschmolzen seit der salischen Zeit geradezu zu einer Einheit. Im Rahmen der Vorstellung hochadeliger Herrschaftsgebilde sind Burgstiftsgründungen als wesent‐ licher Teil der Memoria des Adels seit dem beginnenden 10. Jahrhundert, mit dem Höhepunkt in der salischen Zeit, auszumachen.66 Sie lassen durchaus erste Ansätze landesherrlicher Residenzbildung erkennen. Die Burgstifte sind Ausdruck des Selbstgefühls und der Selbstsicht der Herrschaft des Adels, der sich deutlich an königlichen Vorbildern, wie der Aachener Pfalzkapelle seit karolingischer Zeit, orientierte. Die Vermehrung der Altäre und Vikarien, die aufwändige Gestaltung des Gottesdienstes in der Friedberger Burgkirche um 1380, oder auch die mit dem goti‐ schen Chorneubau getroffenen baulichen Voraussetzungen konnten sich durchaus mit den Gewohnheiten und Zuständen in hochadeligen Burgstiften vergleichen; die Vorbilder erreichen konnte man in Friedberg aber trotz aller Anstrengungen offenbar nicht. Eine Ordination für den Gottesdienst der Friedberger Burgkirche des Jahres 1379, erlassen von Burggraf und Burgmannen mit der Zustimmung des Burgpfarrers und seiner Altaristen, gewährt uns erstmals nähere Einblicke in die inneren Verhältnisse;
Ebd., Nr. 525 sowie ebd., Anhang 8. Ebd., Nr. 557 sowie ebd., Anhang 8. Ebd., Nr. 469 und 470. Vergleiche zum Folgenden Streich, Burg und Kirche, vor allem S. 481-482. Die Ausführungen zur Friedberger Burgkirche, ebd., S. 618-619, beruhen auf älterem Forschungsstand. 66 Ebd., S. 343ff.; vgl. auch die Liste ebd., S. 486-487. Vergleiche hierzu exemplarisch die Untersuchung eines herausragenden Beispiels von Wießner und Crusius, ‚Adeliges Burgstift und Reichskirche‘, mit der Zusammenfassung S. 257-258: „Wenn also im Naumburger Westchor die Seelmessen gesungen und die Namen der umstehenden Stifter (…) fürbittend memoriert wurden, so waren Markgraf Ekkehard, Graf Thimo und die anderen Angehörigen des wettinischen Hauses gegenwärtig, nicht nur spirituell in der Zeit und Ewigkeit umspannenden communio sanctorum, sondern anwesend in der Gegenwart und an diesem Ort als Rechtssubjekte – das ist die Botschaft der noch heute anrührenden Lebensnähe der Skulpturen. Es bedeutet aber zugleich historisches Selbstbewusstsein, Repräsentation, rechtliche Präsenz und Legitimierung der Landesherrschaft in diesem Bischofsdom – das ist die Komplexität der Memoria.“ 62 63 64 65
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die wichtigsten Bestimmungen seien für den Zusammenhang genannt.67 Burggraf und Burgmannen sind die Herren ihrer Burgkirche denen in allen wesentlichen Aspekten der Kirche daher ein Mitspracherecht zukommt. Das Amt des Plebans der Burgkirche wird hier als ‚Gotteslehen‘ bezeichnet, das die Versammlung von Burggraf, Baumei‐ ster und Burgmannen der Burg überträgt. Pfarrer und Vikare bilden ein Kollegium für die Gottesdienstverpflichtungen, auf die in diesem Kontext nicht im Einzelnen eingegangen werden kann. Eingeschärft wird in der Ordination, dass alle Kleriker der Burgkirche an den gemeinsamen Messen teilzunehmen haben; täglich ist im wöchentlichen Wechsel durch einen Kleriker die Frühmesse zur gleichen Zeit wie in der Stadtkirche Friedbergs zu lesen. Auf Läuten haben sich die Kleriker im Habit (es heißt in der Urkunde mit geistlichem Gewand und Chorhut) im Chor einzufinden, um den Pfarrer bei der Messfeier zu unterstützen, die Vesper und die Komplet zu singen, an den Prozessionen teilzunehmen und so weiter. Durch die persönliche Anwesenheit bei den Gottesdiensten und die Teilnahme am Chorgebet müssen die Kleriker ihre Präsenzgelder verdienen, die Abzüge und Strafgelder werden von Pfarrer und Präsenzmeister der Kasse des Burgkirchenbaus zugeführt. Pfarrer und Vikare wählen jährlich einen Präsenzmeister, der mit der Unterstützung der Burgmannen und des Burgpfarrers die Präsenzgelder einnehmen und ausgeben soll. Einigen sich die Kleriker nicht auf einen Kandidaten, bestimmen Burggraf und Baumeister aus ihrer Mitte einen Präsenzmeister. Pfarrer und Vikare haben für den Geschäftsverkehr der Burg bereitzustehen, der Pfarrer soll jedoch nicht zugleich Schreiber der Burg sein. Diese Ordination wurde in den folgenden Jahren ausgestaltet, so etwa 1387, als die Versammlung von Burggraf, Baumeister und Burgmannen zum Nutzen ihrer Pfarrkirche hinsichtlich der Memorienstiftungen ihrer Vorfahren und von ihnen selbst, aber auch von andern, in einer Urkunde bestimmt.68 Um die Einhaltung der Memoria an der Burgkirche zu wahren, wird künftig den dortigen Klerikern verboten, anderswo Pfründen innezuhaben. Der Pfarrer und die Vikare haben im Übrigen die Einhaltung der Ordination vor der Investitur zu geloben.69 Im gleichen Jahr wurden die Strafgelder bei unentschuldigter Abwesenheit der Kleriker von den liturgischen Verpflichtungen in der Friedberger Burgkirche verschärft.70 Überhaupt rücken, ähnlich wie in dieser Urkunde, in jenen Jahren Bemühungen um die Einhal‐ tung und Sicherung der Memoria der Burgmannschaft verstärkt in das Zentrum der Überlieferung der Burgkirche.71
67 UB Friedberg, bearb. von Schilp, Nr. 450. Die Ordination wird 1381 bestätigt von Pileus, Kardinalpriester von St. Praxedis (ebd., Nr. 470) und 132 von Erzbischof Adolf von Mainz (ebd., Nr. 474). 68 Ebd., Nr. 515. 69 Vergleiche etwa ebd., Nr. 516-518. 70 Ebd., Nr. 526. 71 So etwa 1387, siehe ebd., Nr. 525.
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Memoriale Stiftungen in der Friedberger Burgkirche Die Memoria des Mittelalters ist in den letzten Jahren in den Brennpunkt des Forschungsinteresses gerückt.72 Otto Gerhard Oexle hat in verschiedenen Arbeiten nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass die Verstorbenen im Mittelalter als Rechtssubjekte nach wie vor Subjekte von Beziehungen der menschlichen Gesell‐ schaft waren.73 Über den Tod reichte also nach mittelalterlichem Verständnis die Ge‐ meinschaft mit den Lebenden hinaus; die Möglichkeit der Hilfe aus dem Diesseits in das Jenseits war durch Gebet und Messopfer zu gewähren. Die Toten blieben auf die memoriale Hilfe der Lebenden, auf die Vergegenwärtigung im Diesseits angewiesen, da sie selbst nichts mehr tun konnten, um ihre Vergehen im Diesseits auszugleichen. Die Gemeinschaft der Lebenden und Toten wurde auch zu einem wesentlichen Element der Bildung sozialer Gruppen des Mittelalters.74 Erst die Forschungen zur Geschichte der Memoria des Mittelalters haben zudem neue Einordnungen der spirituell motivierten Stiftungen ermöglicht.75 Die zahllosen Stiftungen zugunsten der Burgkirche während des 14. und 15. Jahrhunderts waren zugleich Toten- oder Gedenkstiftungen mit dem Zweck der Vergegenwärtigung der Toten im liturgischen Geschehen.76 Im Unterschied zur älteren Stiftungsforschung, die den Blick auf die durch die Stiftungen geschaffenen oder geförderten Institutionen konzentrierte, sind auf dieser Grundlage neue Dimensionen und Aspekte zu fassen.77 Die Stiftungen zugunsten der Burgkirche spiegeln ein soziales System wieder, das im Folgenden anhand einiger Beispiele interpretiert werden soll. Die Stiftung im memorialen Sinn sollte die Person des Stifters und seine Familie, gegebenenfalls auch seine soziale Gruppe, im Gebet und in der Liturgie vergegenwärtigen – die Erfüllung des Stiftungs‐ zwecks stellt eine Gemeinschaft der Lebenden und der Toten her. Die mittelalterliche Stiftung selbst kann daher als soziales Handeln verstanden werden, denn durch die memoriale Stiftung organisierten und repräsentierten sich soziale Gruppen innerhalb des mittelalterlichen Gesellschaftsgefüges. Ein wesentlicher Aspekt der Friedberger Burgkirche war zweifellos die seelsor‐ gerische Betreuung der Burgmannen und aller in der Burg lebenden BurgmannenFamilienangehörigen sowie ihrer Bediensteten und Abhängigen; hierbei kam unter‐ schiedlichen Formen der Memoria, dem Gedenken der Toten im Gebet und in der Liturgie der Burgkirche, eine herausragende Bedeutung zu. 1387 trafen Burgpfarrer
72 Zur Memoriaforschung allgemein die Sammelbände: Memoria in der Gesellschaft des Mittelalters, hrsg. von Geuenich und Oexle und Memoria als Kultur, hrsg. von Oexle (hier in den Anmerkungen der Beiträge auch weiterführende Literatur). 73 Oexle, ‚Die Gegenwart der Toten‘; Ders., ‚Memoria und Memorialbilder‘. 74 Vergleiche hierzu für eine Stadt des Mittelalters, Himmel, Hölle, Fegefeuer, hrsg. von Schilp [Verzeichnis Nr. 39]. 75 Vergleiche hierzu Borgolte, ‚Die Stiftungen des Mittelalters in rechts- und sozialhistorischer Sicht‘; sowie Ders., ‚Stiftungen des Mittelalters im Spannungsfeld von Herrschaft und Genossenschaft‘; Oexle, ‚Memoria in der Gesellschaft und in der Kultur des Mittelalters‘. 76 Ein Blick in das UB Friedberg, bearb. von Schilp, bestätigt diesen allgemeinen Eindruck: Für die Burgkirche werden im Zeitraum von 1350 bis 1410 rund 150 Urkunden ausgestellt oder nehmen auf die Burgkirche Bezug. 77 Siehe hierzu, wenn auch aus anderem Ansatz, der die Baugeschichte der Burgkirche zu rekonstruieren versucht, Rübeling, ‚Die alte Friedberger Burgkirche‘, S. 23ff.
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und Vikare mit Zustimmung von Burggraf, Baumeistern und Burgmannschaft, ihren Herren, eine Vereinbarung zur Sicherung der Memoria der Burgmannschaft, auf die bereits kurz hingewiesen wurde.78 Ausdrücklich wird hier auf eine ganze Reihe auch kleinerer memorialer Stiftungen Bezug genommen, die von Pfarrer und Vikaren unbedingt eingehalten und verdient werden sollen: Die Gemeinschaft der lebenden und toten Burgangehörigen war offensichtlich konstitutiv für die Identität der Burg‐ mannschaft, sie formierte und konstituierte die Genossenschaft der Burgmannen über die Dauer des eigenen Lebens hinaus als eine politische und soziale Gruppe. Mit Zustimmung der Burgmannen wurde mit dieser Urkunde von 1387 auch eine Bruderschaft zum Gedächtnis der Seelen aller Wohltäter der Burgkirche, aller lebenden und toten Mitglieder der Bruderschaft und zum Trost der Seelen aller Gläu‐ bigen gegründet: Jeden Donnerstag sollte für die toten Mitglieder eine Vigilie, freitags dann eine Messe gefeiert werden, zudem jeden Samstag eine Messe für alle leben‐ den Mitglieder der Bruderschaft. Diese Bruderschaft an der Burgkirche fand in der folgenden Zeit wiederholt Erwähnung, ohne dass die Überlieferung allerdings nähere Aufschlüsse über Organisation, Modalitäten der Aufnahme und so weiter erlauben würde, doch scheinen nach den wenigen Urkunden, die auf die Bruderschaft Bezug nehmen, nur Burgmannen und die Kleriker der Burgkirche aufgenommen worden zu sein.79 Die Bruderschaft organisierte offensichtlich alle Burgangehörigen zu einer Gemeinschaft mit dem Zweck der kollektiven Jenseitsvorsorge: In der korporativen Form memorialer Messliturgie, durch das gemeinsame Gebet und den liturgischen Gottesdienst der Bruderschaft sollte das Seelenheil ihrer Mitglieder gesichert werden; in der liturgischen Gemeinschaft der lebenden und toten Burgmannen und ihrer Angehörigen stellte die Burgmannschaft als Gruppe ihre Selbstvergewisserung her. Die besondere Form der Gemeinschaft der Lebenden und Toten lässt die mit‐ telalterliche Vorstellung erkennen, dass im Rahmen der Memoria die eigene Lebens‐ perspektive überschritten werden musste. Die Bruderschaft der toten und lebenden Mitglieder bot als soziale Gruppe auf Dauer und in organisierter Form Gewähr für die regelmäßige wöchentliche Vergegenwärtigung der Toten in gemeinschaftlichem Gebet und in der Eucharistiefeier.80 Da außer den wenigen angeführten urkundlichen Nennungen keine weiteren Belege in der schriftlichen Überlieferung zu ermitteln waren, können wir nur annehmen, dass die Bruderschaft ein Buch oder eine Liste mit den Namen ihrer Mitglieder führte. Mit der Eintragung der Namen wurde die Bru‐ derschaft als soziale Organisationsform der Lebenden und Toten konstituiert. Das Buch wurde wohl vom Burgpfarrer in der wöchentlichen Liturgie der Bruderschaft am Donnerstag, Freitag und Samstag verwendet. Wahrscheinlich dürfen wir uns dies wie den Gebrauch eines der Libri memoriales, (auch als Libri vitae bezeichnet) einer klösterlichen Gemeinschaft des Frühmittelalters vorstellen.81 Das Buch legte der 78 UB Friedberg, bearb. von Schilp, Nr. 526. 79 Ebd., Nr. 534, Nr. 537, Nr. 558, Nr. 565, Nr. 570, Nr. 572, Nr. 574, Nr. 646. 80 Vergleiche hierzu Oexle, ‚Gilden als soziale Gruppen‘, S. 6. Hier auch weiterführende Literatur zu den spätmittelalterlichen Bruderschaften. 81 Vergleiche hierzu Oexle, ‚Memoria und Memorialüberlieferung im früheren Mittelalter‘. Diese „Bücher des Lebens“ repräsentierten das himmlische Buch des Lebens; die in den Libri vitae angelegten langen Listen mit bis
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Priester während der Eucharistiefeier auf dem Altar nieder. Aller im Buch eingetrage‐ nen Personen, Lebender wie Verstorbener, wurde gedacht. Lebende und Tote der Bruderschaft bildeten in der Liturgie der Burgkirche eine soziale Gemeinschaft – mit der Eintragung des Namens und der Verwendung der Namensliste in der Messliturgie wurden die Genannten als Personen evoziert, die Toten unter den Lebenden verge‐ genwärtigt.82 Exemplarisch sollen im Folgenden einige memoriale Stiftungsurkunden an die Burgkirche vorgestellt werden, um die Memoria der Burgkirche und spezifische As‐ pekte der Erinnerungskultur der Burgmannschaft zu interpretieren. Im Jahre 1378 stiftete Lukard Dugel (von Karben), Witwe des Friedberger Burgmannen Friedrich Dugel, zu Ehren der Patrone der Friedberger Burgkirche Maria, Georg und Antonius eine Memoria, für die mehrere Urkunden überliefert sind.83 Lukard Dugel ging mit der Stiftung zu den Patronen im jenseitigen Paradies mit ihren Urkunden eine per‐ sönliche Beziehung ein – mit den Heiligen schloss sie in der Hoffnung auf Fürsprache am Throne Gottes einen regelrechten Vertrag.84 Die Memoria sollte für Lukard selbst, ihren verstorbenen Ehemann, ihre Tochter Grete sowie für alle Vor- und Nachfahren begangen werden; in dieser durch die Memoria hergestellten Gemein‐ schaft von lebenden und toten Angehörigen formierte sich die Familie Dugel als soziale Gruppe innerhalb der Burgmannschaft. Der Pfarrer und die sechs Altaristen der Burgkirche sollten nach ihrem Tode 350 Gulden aus dem Erlös des Verkaufs ihres Hofs in der Burg Friedberg erhalten, um den Pfarraltar und die übrigen sechs Altäre zu verbessern. In allen Wochen des Kirchenjahres mit Marientagen hatten sie als Gegenleistung eine Vesper am Freitag und am Samstag eine Memorialmesse für die Familie Dugel zu begehen.85 Die Memorialstiftung von 350 Gulden stellte für eine ritterliche Friedberger Burgmannenfamilie zweifellos ein großes Vermögen dar. Lukard kaufte das ewige Gebetsgedenken in den Wochen mit Marienfesttagen zur Erlösung ihrer Seele wie auch der Seelen ihrer Familie, um auf diese Weise die Vergegenwärtigung der Toten in der Messliturgie der Burgkirche auf ewig zu sichern. Durch das fürbittende Gebet und die Messfeiern in der Burgkirche wurde nach mittelalterlicher Vorstellung die Gemeinschaft der Lebenden und Toten hergestellt, um Bußstrafen im Fegefeuer zu mindern. Diese Gemeinschaft der Lebenden und Toten war offenbar zugleich für Lukard und ihre Familie ein Mittel der Selbstdarstel‐ lung und Repräsentation innerhalb der sozialen Gruppe der Burgmannschaft, die das Gedenken an die Toten sichert.
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zu 40.000 Namen erfüllten ihre liturgische Funktion in der eucharistischen Mahlfeier, während der sie auf dem Altar lagen. Vergleiche hierzu die exemplarische Untersuchung eines solchen Bruderschaftsbuches, das im Wesentlichen aus einer Namensliste besteht, von Güntürk, ‚Die Dortmunder Nikolai Bruderschaft‘. 1387 Mai 3 bezeichnete Lukard Dugel, die offensichtlich als Witwe einen Hof in der Burg Friedberg besaß, Burggraf, Baumeister und Burgmannen als ihre Hausgenossen (UB Friedberg, bearb. von Schilp, Nr. 434, Nr. 435-439). Zur Bedeutung der Heiligen im Kontext mittelalterlicher Memoria vgl. Oexle, ‚Gegenwart der Toten‘, S. 30-31. Soweit die Urkunde von 1387 Mai 5, UB Friedberg, bearb. von Schilp, Nr. 435.
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Nur wenige Tage später, am 9. Mai 1378, erklärt Lukard Dugel notariell ihr Testament zum Seelenheil ihres verstorbenen Ehemanns, ihrer Tochter Grete und all ihrer Vorfahren.86 In der Sakristei sollte ein Altar eingerichtet und St. Martin und St. Michael geweiht werden.87 Dem Vikar des Altars stiftete sie eine Rente von 40 Gulden, damit am Altar Gottesdienste begangen werden. Zudem übergab sie 100 Gulden, damit für den Altar (liturgische) Bücher, Kelche, Messgewänder und andere nötige Dinge gekauft werden. Dies bot im Übrigen die zusätzliche Möglichkeit, die Familie Dugel und die Stifterin durch Anbringung von Wappen oder Bildnissen in der Messliturgie zu vergegenwärtigen. Durch ein solches Memorialbild beziehungsweise ein memorialiter (als ein im Gedächtnis verankertes) zu verstehendes Symbol wurde die Person oder die Personengruppe in der Messliturgie evoziert, auf Dauer als gegen‐ wärtig gedacht.88 Auf den umfangreichen bäuerlichen Gütern, 8 ½ Hufen und 18 Morgen Wiesen mit Häusern, Hofstätten und allem Zubehör in Wisselsheim, stiftete sie darüber hinaus Einkünfte für Anniversare an der Burgkirche mit Vigilien und Mes‐ sen an den Freitagen in den Fronfasten: Dem Pfarrer zu den Fronfasten je 1 Achtel Korn und den sechs Altaristen je ½ Achtel Korn. Am Samstag nach den Fronfasten sollte dem Inhaber des oben genannten Altars 1 Malter Korn gegeben werden, das ausgebacken und an Arme verteilt werden sollte.89 Von diesen Gütern sollten zudem 4 Achtel Korn an den Pfarrer der Burgkirche entrichtet werden, damit an genannten Tagen des Kirchenjahres Präsenzbrot gebacken und an die anwesenden Priester der Burgkirche verteilt wird. Diese Tage waren Allerheiligen, Katharina (25. November), Barbara (4. Dezember), und Bartholomäus (24. August), Tage von Festen und Heili‐ gen, mit denen Lukard Dugel mit Sicherheit eine individuelle Erlösungsvorstellung, eine besondere Fürbitte für ihr Seelenheil, verband. Für die Memorien der Eltern des jeweiligen Vikars, dem der Altar übertragen werden sollte, stiftete Lukard von den genannten Gütern darüber hinaus jährlich zu den Jahrgedächtnissen zwei Kerzen aus je 3 Pfund Wachs an die Burgkirche. Damit ruhte die Memoria Lukards von Dugel und ihrer Familie auf mehreren Säulen, die die Vergegenwärtigung der Toten sichern sollte: Wiederkehrende Memorialmessen in den Wochen mit Marienfesttagen, die Stiftung eines Altars mit memorialen Verpflichtungen, weitere Verpflichtungen von Pfarrer und Vikaren der Burgkirche in den Fronfasten, die Stiftung von Brot für die Armen, Präsenzbrot für die Kleriker der Burgkirche und Kerzen, die für das Seelenheil der jeweiligen Eltern des Vikars des von ihr gestifteten Altars an den Todestagen brennen sollten.
86 Ebd., Nr. 436. 87 So ebd., Nr. 438: Kraft von Rockenberg bestätigt die Stiftung des Altars St. Martin und St. Michael; der Altar wird 1381 geweiht (ebd., Nr. 471). 88 Vergleiche hierzu Oexle, ‚Memoria und Memorialbilder‘, sowie Schilp, ‚Stadtkultur im spätmittelalterlichen Dortmund‘ [Verzeichnis Nr. 73 und Aufsatz 5 in diesem Band]; Ders. ‚Kirchenbau und -ausstattung als politisches Programm‘ [Verzeichnis Nr. 195 und Aufsatz 7 in diesem Band]. 89 Zur besonderen Beziehung von Tod und Armut siehe unten.
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Lukard genügte es hierbei nicht, ihren Willen in einer einseitigen, von ihr aus‐ gestellten Urkunde zu beglaubigen.90 Eigens ließ sie nach einem Diktat der Bestim‐ mungen auf einem Papierzettel ein Notariatsinstrument, eine Urkunde mit hohem öffentlichen Glauben also, ausfertigen. Da sie ein gewisses Misstrauen hinsichtlich der Erfüllung der Memoria zu plagen schien, wurden in die Urkunde verschiedene sichernde Elemente eingebaut: Die Stiftung der Memoria erfolgte ja an einer Institu‐ tion, die Heiligen (St. Georg, Antonius und Maria) geweiht ist; als Institution bot die Burgkirche eine Gewähr ewigen Gedenkens gemäß Stiftungszweck, da sie eine Gemeinschaft von Klerikern auf Dauer darstellte, also unabhängig von individuellen Lebenswegen und -schicksalen bestand. Zudem wiederholen sich in der Urkunde Formulierungen, die Pfarrer, Burggraf und Baumeister beauftragen, die Einhaltung der Memoria zu beaufsichtigen. Die Sicherung der Memoria durch die Kontrolle der Leitung der Burgmannschaft wurde damit auf eine weitere Organisationsform, die auf Dauer und über die individuelle Lebensperspektive bestand, ausgedehnt. 1371 beurkundeten Burggraf Eberhard Wais sowie der Ritter Eberhard Löw von Steinfurth als Treuhänder des Testaments die Memoria des verstorbenen Edel‐ knechts und Burgmannen Johann von Vilbel, wie dieser sie in ihrer und des damaligen Pfarrers der Burgkirche Friedebracht zu dem Schilde sowie anderer Personen Anwe‐ senheit einst erklärt hatte.91 Er stiftete als Memoria einen jährlichen Zins von 12 Achteln Korn an die Burgkirche: 1 Achtel an den Pfarrer in der Burg, 1 Malter dem Nikolausaltar in der Burgkirche, sodann dem Marienaltar, dem Altar corporis Christi und dem Barbaraaltar je ½ Achtel; sodann (dem Bau) der Burgkirche 1 Achtel. Die Kleriker der Burgkirche haben dafür die Anniversarien Johanns von Vilbel und seiner ebenfalls verstorbenen Ehefrau Gerte zu begehen. Der Erlös aus dem Verkauf seines roten Hengstes und seines Harnischs soll je zur Hälfte dem Nikolausaltar und dem Bau der Georgs-Kirche in der Burg zugutekommen. Den Augustinern, den Barfüßern und dem Bau der Stadtkirche in Friedberg je 1 Achtel Korn jährlichen Zinses; dem Bau der Leonhardkirche im Süden der Stadt, den Armenstiftungen Hospital und Gutleuten zu Friedberg je ½ Achtel Korn; dem Almosen des Klosters Arnsburg 1 Achtel und den geystkynden zu Friedberg ½ Achtel Korn. Seine drei Pferde, zwei Rappen und ein Schimmel, sollen armenluden zukommen, die Johann geschädigt hatte. Mit den armenluden sind in diesem Zusammenhang wohl Hintersassen oder Abhängige des Johann von Vilbel gemeint. Mehrerer Dimensionen dieser testamentarischen Verfügung erscheinen von Be‐ lang: Johann von Vilbel, unter Umständen ohne männlichen Erben verstorben, da er seine Pferde und Teile seiner Rüstung als Stiftungskapital einsetzte ist offensichtlich zu einer materiell so wertvollen Stiftung wie Lukard Dugel entweder nicht in der Lage oder dazu gar nicht willens. Die Burgkirche ist zwar in das Zentrum seiner Memoria gerückt, doch streute Johann ebenfalls Stiftungen an die religiös fundierten Institutionen in der Stadt Friedberg und an das nahegelegene Zisterzienserkloster
90 Wie etwa UB Friedberg, bearb. von Schilp, Nr. 437 (Ausstattung des Altars) oder ebd., Nr. 439 (Verfügung über einen Zins). 91 Ebd., Nr. 354.
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Arnsburg. Dies könnte auf mehreren individuellen Motivationen beruhen: Ein gewis‐ ses Misstrauen gegenüber der Einhaltung der memorialen Stiftungen durch eine reli‐ giös fundierte Einrichtung schien während des Spätmittelalters durchaus verbreitet92; eine gewisse Streuung des Stiftungskapitals an verschiedene Institutionen, jeweils ja unsterbliche ‚juristische Personen‘, ließ die Memoria, die nach mittelalterlichen Denkmustern auf ewig beziehungsweise bis zum Jüngsten Gericht währen sollte, als sicherer erscheinen. Johann von Vilbel könnte zu Lebzeiten zu den bedachten Institutionen auch eine besondere, individuelle Beziehung eingegangen sein, die wir leider nicht näher ergründen können. Eine besondere Form des Totengedenkens ist wohl in dem Zugeständnis zu sehen, im Rahmen einer Stiftung seinen Begräbnisplatz innerhalb der Burgkirche wählen zu dürfen. Die letzte Ruhestätte mit dem den Namen des Verstorbenen nennenden Epitaph garantierte die Vergegenwärtigung des Toten im Rahmen der Liturgie der Burgkirche gleichsam von allein, die Seele des Toten war sozusagen ja bei jeder Handlung im Gotteshaus als anwesend gedacht; für das Mittelalter sind freilich kaum Grabstätten in der Burgkirche nachweisbar. Dem Ritter und Burgman‐ nen Gernand von Schwalbach wurde im Rahmen einer Stiftungsurkunde 1372 zum Beispiel das Recht zugestanden, am Nikolaus-Altar bestattet zu werden; der Vikar dieses Altars erhielt hierfür eine Sonderzahlung an Korn.93 Auffällig ist zudem, dass den Armen in der ausführlicher angeführten Stiftungsur‐ kunde von Johann von Vilbel eine herausragende Bedeutung zukommt, denn nicht nur armelude, die Johann von Vilbel zu Lebzeiten offensichtlich geschädigt hatte, wer‐ den bedacht.94 Die Armenstiftungen in Friedberg (Hospital, Gutleute, geystkynden), aber auch das Almosenamt des Klosters Arnsburg, erhielten jährlich wiederkehrende Kornzahlungen zur Versorgung von Armen. Dem liegt zum einen die Verknüpfung der Memoria mit dem Gedanken des die Toten und Lebenden vereinenden Mahles zugrunde, was bis auf die heidnische Antike und die christliche Antike zurückgeht.95 Der Kreis der dem Toten Verpflichteten wurde mit der Spende an die Armen im Sinne der Memoria ausgeweitet, ja die Totenmähler wurden während des Mittelalters allmählich zugunsten der Armenspeisungen und -spenden eingeschränkt. Die Memo‐ ria der Toten und die Speisung der Armen blieben aber eng verknüpft. Die Armen sind dabei nicht allein Objekt des Schenkungsvorgangs, denn dem Stifter kam es ge‐ rade auf die Gegengabe der Armen an: Ihr Gebet, ihre Teilnahme an der memorialen Messliturgie wurde als wichtig erachtet und deshalb häufig vom Stifter als Gegengabe auch direkt eingefordert. Dies entspricht dem mittelalterlichen Grundmodell der
92 Vergleich dazu Schilp, ‚Pro salute anime. Bedeutungsebenen der Jenseitsvorsorge‘ [Verzeichnis Nr. 105]. 93 UB Friedberg, bearb. von Schilp, Nr. 367; für das 14. Jahrhundert sind Bestattungen in der Burgkirche zwar anzunehmen, aber kaum nachzuweisen (vgl. etwa ebd., Nr. 534). Seit dem 16. Jahrhundert sind zahlreiche Grabmäler und Epitaphien in der Burgkirche überliefert; vergleiche Rübeling, ‚Die alte Friedberger Burgkirche‘, S. 29-30. 94 UB Friedberg, bearb. von Schilp, Nr. 354. 95 Vergleiche auch zum Folgenden Oexle, ‚Die Gegenwart der Toten‘ (mit Hinweisen auf die wichtigste Literatur); Poeck, ‚Totengedenken in Hansestädten‘, S. 193ff.; Wollasch, ‚Gemeinschaftsbewusstsein und soziale Leistung‘.
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Beziehung zwischen den Lebenden, Toten und den Armen.96 Die Armen sind die Vertreter der Toten und haben deshalb nach mittelalterlicher Auffassung auch einen Anspruch auf Hilfe durch die Lebenden. Die Vorstellung der Verknüpfung der Armen mit den Toten ist in dieser Stiftung also stark betont.97 Aus diesen Gründen und Intentionen begegnen Gaben zugunsten der Armen immer wieder auch in den Memorialurkunden der Burgmannen zugunsten der Burgkirche. Auf die Memorienstiftung der Lukard Dugel wurde diesbezüglich schon hingewiesen; einige weitere seien kurz angeführt. In der memorialen Stiftung des verstorbenen Friedberger Burgmannen Erwin Löw von Steinfurth aus dem Jahr 1345 war vorgesehen, dass Arme mit Brot versorgt werden, jedoch nur im dem Falle, dass einer der Kleriker der Burgkirche die eingegangenen Verpflichtungen im Rahmen der Messliturgie nicht erfüllte.98 Ganz ähnlich sollten nach der bereits erwähnten Stiftungsurkunde des Ritters und Burgmannen Gernand von Schwalbach 1372 nur die über die Zahlungen an die Kleriker der Burg entstehenden Überschüsse aus einer halben Hufe für Armenbrot Verwendung finden.99 1367 stiftete Gilbrecht Löw von Steinfurth für die Memoria seiner Familie jährlich vier Seelenmessen und Vigilien an den Freitagen in den Fronfasten; von den 12 Achteln Korn des gestifteten jährlichen Zinses waren 1 Achtel für Kerzen zu den Seelenmessen zu verwenden und 3 Achtel für die Kleriker der Burgkirche, die die Messen feiern. 8 Achtel Korn, also zwei Drittel des gestifteten Zinses, mussten zu diesen Terminen zu Brot ausgebacken und an die Armen verteilt werden, die als Gegengabe offensichtlich an der Vergegenwärtigung der Toten während der Messe teilgenommen hatten.100 Gilbrecht Wais von Faulbach errichtete mit der Fundierung und Dotierung des Bonifatius-Altars in der Burgkirche 1383 zugleich auch eine Armenstiftung: 4 Achtel Weizen waren vom zukünftigen Altaristen zu den Fronfasten zu Brot auszubacken und vor seinem Haus den Armen zu verteilen; die Baumeister der Burg und der Burgpfarrer hatten die Armenspeisung zu kontrollieren und bei Säumigkeit des Altari‐ sten auf die sonstigen Einkünfte des Altars zurückzugreifen, um dem Stiftungszweck Genüge zu leisten.101 In der Burgkirche wurde auch eine Kerze für das Seelenheil der Armen unterhalten, denn 1371 bekundete zum Beispiel ein Beisasse, für eine Stiftung des genannten Gilbrecht Löw jährlich am Palmsonntag 2 Pfund Wachs für die elendigen kirzen in der Burgkirche schuldig zu sein.102 In der erwähnten testamentarischen Stiftung des Johann von Vilbel wird eine wei‐ tere Dimension der Erinnerungskultur der Friedberger Burgmannschaft deutlich.103
96 Vergleiche dazu Wollasch, ‚Gemeinschaftsbewusstsein und soziale Leistung‘, bes. S. 273; für Hansestädte siehe Poeck, ‚Hansestädte‘, S. 193-194. 97 Oexle, ‚Die Gegenwart der Toten‘, S. 70-71. 98 UB Friedberg, bearb. von Schilp, Nr. 261. 99 Ebd., Nr. 367. 100 Ebd., Nr. 337. 101 Ebd., Nr. 483; fast gleich lautend diesbezüglich auch die Stiftung Eberhard Wais von Fauerbach 1391 (ebd., Nr. 570). 102 Ebd., Nr. 359; ähnlich bekundeten Beisassen in der Vorstadt zum Garten 1378, für diese Armenkerzen 1 Pfund Wachs schuldig zu sein (ebd., Nr. 431). 103 Ebd., Nr. 354, vergleiche oben.
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Johann setzte als Vermögen für seine Memoria, unter Umständen auch aus Mangel an sonstigen Vermögenswerten, seinen roten Hengst und seinen Harnisch ein: Der Verkaufserlös sollte dem Nikolaus-Altar und dem Bau der Burgkirche zukommen, der Erlös dreier weiterer Pferde zur Entschädigung geschädigter Armer verwendet werden. Noch rund zehn Jahre später nimmt eine Urkunde auf den Vorgang Bezug, denn Ritter Gilbrecht Löw von Steinfurth genannt in der Gasse bekundete mit Ehefrau, der Burgkirche und dem Nikolaus-Altar für diesen Hengst eine Rente von 1 Malter Korn schuldig zu sein.104 Das Kapital der Rente, gleichzusetzen dem Wert des Hengstes, wurde mit 28 Gulden angesetzt. Korporative Memoria: Gesellschaften von Burgmannen Im Jahr 1373/1374 überstanden die Burgmannen eine Fehde mit denen von Runkel (valde durum bellum contra die Runkilschin) siegreich und konnten zahlreiche Gegner gefangen nehmen.105 Aus der Beute übergaben die Burgmannen der Baukasse der Burgkirche 1373 das beste Pferd und Waffen, deren Erlös insgesamt 27 Gulden erbrachte.106 Im Jahr 1374 weitere Pferde: Das beste Pferd, das für 70 Gulden verkauft werden konnte; ein weiteres für 5(?) Gulden; die Burgfrauen erhielten ein Pferd im Wert von 18 Gulden, die diese ebenfalls der Burgkirche übergaben.107 30 Gulden, die Eberhard Löw für ein Pferd aus dem Beutegut gezahlt hat, wurden für ein neues Tafel‐ bild des Hochaltars ausgegeben.108 Der Sieg der Burgmannschaft in der Fehde wurde also auch für den beginnenden Ausbau und die Ergänzung der Kirchenausstattung der Burgkirche genutzt – mit der Zuwendung aus dem Beutegut an die Burgkirche sorgte die Genossenschaft der Burgmannen und Burgfrauen nach dem militärischen Erfolg für ihre korporative Memoria. Der Sieg in der Fehde wurde also auf die Burgkirche und St. Georg als das geistige Zentrum der Burg bezogen; die Bewährung der Burgmannschaft ist ohne Partizipation des Patrons nicht vorstellbar. Vor allem für die Sicherung der Memoria schlossen sich Friedberger Burgmannen offensichtlich auch zu Gesellschaften zusammen. Adelsgesellschaften, vor allem nie‐ deradlige Ritter, hatten durchaus unterschiedliche Ausgangspunkte und Zielsetzun‐ gen.109 Der wechselseitige militärische Schutz, eine interne Schiedsgerichtsbarkeit, das gesellige Leben, der Charakter einer Turniergesellschaft oder auch genossen‐ schaftliche Formen der Memoria mögen die wesentlichen Aspekte einer solchen Gesellschaft gewesen sein. Für den Kreis der Friedberger Burgmannen, die in der Reichsburg seit alters eine ‚Adelsgesellschaft‘ im Sinne der Wahrung weltlicher
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Ebd., Nr. 486. Ebd., Nr. 370; zur Fehde siehe auch ebd., Nr. 376-391 (chronikalische Berichte und Uhrfehdebriefe). Ebd., Nr. 370. Ebd., Nr. 376 und Nr. 397: Die Burgfrauen erlösen 1375 17 Gulden aus dem Verkauf eines Pferdes und stiften den Betrag mit weiteren 6 Gulden an die Burgkirche. 108 Ebd., Nr. 376 und Nr. 397. 109 Siehe Ritterorden und Adelsgesellschaften im spätmittelalterlichen Deutschland, hrsg. von Kruse, Paravicini und Ranft. Siehe hier zur Burg Friedberg und zum Folgenden besonders S. 228-230.
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Interessen in vollendeter und insgesamt homogener Form hatten, war in der Burg ein gleichsam natürlicher Mittelpunkt geschaffen. Die Burg-Friedberger Gesellschaften konnten sich daher auf die memorial-liturgische Funktion konzentrieren, zumindest legt die fragmentarische Überlieferung dies nahe. Die „Gesellschaft der Grünen Minne“ wurde von einem aus den eigenen Reihen bestimmten „König“ geführt, der – so lässt es die erste Erwähnung der Gesellschaft 1365 vermuten – auch schiedsrichterliche Funktionen wahrnahm.110 Mertz von Krüf‐ tel erklärte am 4. September 1365, er wolle die gegenseitigen Rechtsansprüche mit Ulrich von Kronberg vor dem König der Gesellschaft, Johann von Reifenberg, und den Mitgesellen zur gütlichen Beilegung vortragen. Weist die Liste der am Schiedsakt beteiligten Ritter sicher nur auf Wetterauer Ritter, so engt sich der Kreis der Gesellen zur Grünen Minne im Folgenden auf die Friedberger Burgmannschaft ein.111 In der Friedberger Burgkirche jedenfalls fand diese Gesellschaft ihr spirituell-liturgisches Zentrum: In einer Urkunde der Burgkirche begegnet die Gesellschaft der Grünen Minne (Grunen Minne) 1367 erstmals.112 Im Rahmen einer memorialen Stiftung sollte dem Pfarrer ½ Achtel Korn jährlichen Zinses so lange zukommen, bis der Altar dieser Gesellschaft eingerichtet und ein Vikar investiert sei. Noch im gleichen Jahr ist der Vikar des Altars, Fredebracht, anlässlich eines Rentenkaufs für den Altar der Grünen Minne genannt.113 Am 28. Februar 1370 wird ein Notariatsinstrument in domus seu habitationis site retro novam turrim, pertinet etiam ad altare armatorum dicto‐ rum der Mene ausgestellt.114 Kurze Zeit später bestätigte der Mainzer Erzbischof die Stiftung und Ausstattung eines Altars (Allen Heiligen, Elisabeth, Agnes und Wendelin geweiht), der vom „König“ der Gesellschaft und der ritterlichen Gemeinschaft der Grünen Minne gestiftet worden war.115 Der Altar wird allem Anschein nach aber erst Ende des Jahres 1371 geweiht.116 Die Altarstiftung der Gesellschaft entwickelte sich also rasch, die Überlieferung bricht aber in den achtziger Jahren des 14. Jahrhunderts wieder ab. Weitaus seltener wird eine weitere Gesellschaft von Burgmannen erwähnt: 1371 bekundete Ritter Gilbrecht Löw von Steinfurth, von der „Gesellschaft vom Monde“ 36 Gulden erhalten zu haben, um sie nach Rat der Gesellschaft sowie der Burgman‐ nen für eine Memoria an der Burgkirche anzulegen, was durch die Urkunde erfolgte: Pfarrer und Altaristen haben die Verpflichtung, für die toten Mitglieder der Gesell‐ schaft vom Monde am Montag nach Mariae Lichtmess ein Jahrgedächtnis mit Vigilie
110 Ritterorden und Adelsgesellschaften im spätmittelalterlichen Deutschland, hrsg. von Kruse, Paravicini und Ranft, S. 65ff., Nr. 7. 111 Siehe ebd., die Beiträge von Kronberg, Huser, Brendel, Binthammer von Homburg, von Werberg, Clemme, von Bellersheim. 112 UB Friedberg, bearb. von Schilp, Nr. 337; die Gesellschaft wird in den Quellen bezeichnet als ritterliche Gemeinschaft oder als Gesellschaft, 1371 etwa als: socii ac societas de verdi amore (ebd., Nr. 366). 113 Ebd., Nr. 338. 114 Ebd., Nr. 349. 115 Ebd., Nr. 350. 116 Ebd., Nr. 366.
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und Messe zu begehen.117 Diese Gesellschaft stiftete zum Seelenheil ihrer Mitglieder den Altar corporis Christi in der Burgkirche.118 Neben der Bruderschaft der Kleriker und aller Burgmannen in Friedberg schienen also für die Memoria von leider nicht näher zu identifizierenden Gruppen innerhalb der Friedberger Burgmannschaft diese beiden Gemeinschaften gegründet worden zu sein. Da die Gesellschaften in der Überlieferung letztlich nur durch memoriale Bezüge fassbar sind, kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass sich hier Burgmannen für eine kollektive Jenseitsvorsorge zusammenschlossen. Die Stiftung eines Altars durch einen Burgmannen der Burgkirche überschritt wohl die finanziellen Möglichkeiten dieser ritterlichen Familien; nur oder auch durch den Zu‐ sammenschluss im Rahmen einer religiösen Bruderschaft konnten oder wollten diese Burgmannen für ihre Memoria sorgen. Der Zusammenschluss in der Gesellschaft für die Jenseitsvorsorge löste die Memoria durch Übertragung an eine Korporation darüber hinaus von individuellen Lebensperspektiven und Zufällen. Die Namen der beiden Gesellschaften von Burgmannen können aufgrund fehlender Überlieferung kaum näher interpretiert werden, entsprechen aber den bekannten Gewohnheiten, wie sie für vergleichbare Gesellschaften festgestellt worden sind. 1387 jedenfalls treten beide Gesellschaften der Bruderschaft der Burgkirche bei.119 Die von ihnen ge‐ stifteten Altäre bestehen weiter.120 Nachrichten fehlen seitdem aber, so dass Andreas Ranft mit einiger Berechtigung die Vermutung geäußert hat, die Gesellschaften seien wohl de facto in der Bruderschaft aufgegangen.121 Dass die Friedberger Burgmannschaft auch rund einhundert Jahre später im Rah‐ men einer spirituell fundierten Gemeinschaft ihre Selbstvergewisserung als soziale Gruppe suchte und fand, zeigt auch die Gründung der fraternitas equestris S. Georgii um 1490, die alle Burgmannen zu umfassen schien.122 Am Montag nach Fronleich‐ nam trafen sich die Mitglieder in der Burgkirche zu Totenmessen, zur Darbringung von Opfergaben und Almosen. Den Abschluss bildete eine feierliche Prozession, angeführt von den inzwischen zehn Klerikern der Burgkirche, von denen einer die konsekrierte Hostie, die übrigen die Reliquien der Burgkirche tragen sollten.
117 Ebd., Nr. 361. 118 Ebd., Nr. 526. Ritterorden und Adelsgesellschaften im spätmittelalterlichen Deutschland, hrsg. von Kruse, Paravicini und Ranft, S. 11-12. Die Mitglieder trugen in der Regel entsprechende Zeichen oder Symbole. Dies kann für die Friedberger Gesellschaften nicht festgestellt werden. Erst für die Bruderschaft St. Georg in der Burg ist für 1492 das Tragen eines Symboles zu gewissen Terminen erwähnt: Eine vergoldete oder silberne Kette mit einem Bild des heiligen Georg. Siehe Ritterorden und Adelsgesellschaften im spätmittelalterlichen Deutschland, hrsg. von Kruse, Paravicini und Ranft, S. 458-459. 119 UB Friedberg, bearb. von Schilp, Nr. 526. 120 Ebd., Nr. 638. 121 Ritterorden und Adelsgesellschaften im spätmittelalterlichen Deutschland, hrsg. von Kruse, Paravicini und Ranft, S. 229-230. 122 Codex diplomaticus exhibens anecdota (…) Moguntiaca, bearb. von Von Gudenus, Teil 4, Nr. 234: Die Bruderschaft wurde am 26. August 1492 vom Mainzer Erzbischof bestätigt; hierbei wurden die wichtigsten Statuten wiedergegen; vergleiche Ritterorden und Adelsgesellschaften im spätmittelalterlichen Deutschland, hrsg. von Kruse, Paravicini und Ranft, S. 458-459.
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An der Burgkirche wurden auch von über die Burgmannschaft hinausgehenden Personenkreisen Stiftungen vorgenommen; nur einige Beispiel seien kurz genannt. Testamentarisch sorgten auch Vikare der Burgkirche für ihre Memoria. 1396 zum Beispiel erklärte Gerlach Holczschur von Fritzlar, Notar, Schreiber der Burg Fried‐ berg, Vikar der Altäre Allerheiligen und St. Martin/St. Michael in der Burgkirche, Vikar der Barbarakapelle in der Stadt Friedberg in der großen Stube seines Hauses hinten in der Burg Friedberg sein ausführlich gehaltenes Testament.123 Seinen Haus‐ rat und weitere Vermögenswerte in Geld und Sachen (Schwert, Kleidung, Bücher und so weiter) vermacht er dem Erzbischof von Mainz, dem Kapitel in der Stadt, Verwandten und befreundeten Personen, seiner Magd, den Augustinern und Barfü‐ ßern in Friedberg, dem Pfarrer und der Barbarakirche in der Stadt, dem Pfarrer und der Burgkirche, den Kartäusern zu Mainz und Koblenz, Kanonikern und Vikaren zu Fritzlar, zum Teil auch für den Erwerb von Anniversaren für seine Eltern und Verwandte oder Freunde. Seine Präsenzeinkünfte aus dem Chordienst in der Stadt Friedberg nach dem Tode sind für die Armenkerze in der Burgkirche zu verwenden. Den größten Teil seines Vermögens aber hinterließ er der Friedberger Burgkirche: Seinen Grundbesitz sowie alles, was im Testament nicht ausdrücklich aufgeführt ist, vermachte er allein der Bruderschaft und der Präsenz der Friedberger Burgkirche, um Anniversare an einer Reihe von ihm einzelnen genannten Festtagen im Laufe des Kirchenjahres mit Vigilien und festlichen Gottesdiensten für ihn, Lukard Dugel und andere zu begehen. Darüber hinaus ist von den Einkünften zur Fastenzeit in der Burg wöchentlich 1 Malter Korn auszubacken und an die Armen zu verteilen; zu den Anni‐ versaren in der Burgkirche sind jeweils zwei Kerzen bereitzuhalten; zur Besserung der Bücher der Burgkirche sollen jährlich Einkünfte von 1 Malter Korn verwendet werden. Dem von Lukard Dugel gestifteten Altar St. Martin und St. Michael in der Sakristei der Burgkirche, dessen Vikar der Testamentar ja war, vermachte er eine Hälfte seines Hauses in der Burg; die andere Hälfte fiel an die Burgkirche. Vereinzelt stifteten auch Beisassen der Burg für ihre Memoria an der Burgkirche: Wigand Kratz etwa, der in der Burg wohnte, stiftete 1371 den Betrag von 16 Schilling jährlichen Zinses für ein Anniversar für sich und seine Familie.124 Diese Stiftung wurde in den Jahren 1381 und 1382 wesentlich erweitert.125 Selten aber nur sorgten Personen, die nicht näher der Burg Friedberg zugeordnet werden können, an der Burgkirche für ihre Memoria. Eine große Ausnahme stellt diesbezüglich das Testa‐ ment eines Heinrich Stryncz von Rockenberg dar126, auf das aber nicht im Einzelnen eingegangen werden braucht.
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UB Friedberg, bearb. von Schilp, Nr. 623 (zu seinen Pfründen siehe den Zugang über den dortigen Index). Ebd., Nr. 360. Ebd., Nr. 468 und Nr. 477. Ebd., Nr. 514.
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Fazit Insgesamt drängt sich bei Betrachtung der Gesamtüberlieferung damit der Eindruck auf, dass die Friedberger Burgkirche in ihrer Ausstrahlung während des Spätmittelal‐ ters ebenso wie die lokal-regionale Verehrung des Patrons St. Georg mehr oder weni‐ ger auf den engen Kreis der Burgmannschaft beschränkt blieb. Für die Burgmannen mit ihren Angehörigen, ihren Bediensteten und Abhängigen stellte die Burgkirche jedoch zweifellos das Zentrum der Jenseitsvorsorge dar. Für die Selbstvergewisserung und die Identitätsfindung der reichsministerialisch-ritterlichen Burgmannen als auf Dauer bestehender Genossenschaft war die Burgkirche St. Georg ein wichtiges Ele‐ ment; die Verehrung des Patrons konzentrierte sich in der Region geradezu exklusiv auf die Burg Friedberg. Erst nach der Konsolidierung der schwierigen äußeren Ver‐ hältnisse der Burg in der Folge des Zusammenbruchs der staufischen Reichsgewalt ist die Burgkapelle, später die Burgkirche, für uns seit dem beginnenden 14. Jahrhun‐ dert in der Überlieferung besser fassbar: Nicht zuletzt der Auf- und Ausbau von Herrschaftsverhältnissen durch die Genossenschaft der Burgmannen verlangte nach mittelalterlicher Vorstellung einen religiösen Bezugspunkt, ein sakral-spirituelles Zen‐ trum, das in der Verehrung St. Georgs als Patron der Burg und im Bau der Burgkirche mit repräsentativem Chor konkrete Ausdrucksformen fand. Des militärischen Siegs der Burgmannschaft wurde, soweit ließ es die schriftliche Überlieferung erkennen, ebenso spirituell gedacht wie er durch die Spenden erbeute‐ ter Pferde, Waffen oder Rüstungen an St. Georg und die Burgkirche in liturgische Formen der Memoria transponiert wurde. Diesbezüglich scheinen in der zwar in vielerlei Hinsicht nebulösen und zufällig bleibenden schriftlichen Überlieferung den‐ noch Spezifika einer genossenschaftlich-ritterlichen Erinnerungskultur in der Reichs‐ burg Friedberg auf. Leider können wir in der Ausstattung der alten Friedberger Burgkirche St. Georg die zu erwartenden Besonderheiten nicht mehr aufspüren. Die mittelalterliche Burgkirche, deren Um- und Ausbau wir für das 14. Jahrhundert ver‐ folgen konnten, wurde wegen Baufälligkeit und aufgrund neuer Verkehrsbedürfnisse 1783 abgerissen und in der Burg an anderer Stelle durch einen Neubau seit 1782 ersetzt; die Ausstattung der alten Burgkirche muss daher weitgehend als verloren gelten.127 So waren wir für die Untersuchung fast ausschließlich auf die schriftliche Überlieferung der Burg und der Burgkirche verwiesen. In der Friedberger Burgkirche St. Georg wurden die Seelenmessen gefeiert, der stiftenden Burgmannen und ihrer Familien in der Messliturgie auf vielfältig Weise für‐ bittend gedacht. Durch diese Vergegenwärtigung der Toten waren nach mittelalterli‐ chem Verständnis alle Burgmannen, sowohl die verstorbenen als auch die lebenden, in einer Zeit und Raum überdauernden Gemeinschaft vereint. Durch die Memoria fand die Burgmannschaft als soziale Gruppe ihre Identität und Selbstvergewisserung. Die Burgkirche St. Georg in ihrer memorialen Dimension wurde damit zugleich zu einem wesentlichen Element des Selbstbewusstseins der Burgmannschaft; die Aspekte der Repräsentation und Legitimation der reichsministerialisch-niederadligen 127 Rübeling, ‚Die alte Friedberger Burgkirche‘, S. 1-2.
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Friedberger Burgmannen als Korporation, erkennbar deutlich in den Bemühungen der Burg um Errichtung eines Kollegiatstifts, waren im Mittelalter augenscheinlich in einer Einheit verknüpft. Spirituell-religiöse Motive erschienen mit weltlich-profanen Intentionen in der Memoria wechselseitig verschränkt. Dies galt in analoger Weise für die Memoria sowohl der Burgmannen und ihrer Familien als auch der beiden Gesell‐ schaften (Zur grünen Minne, Zum Monde), zu denen sich nicht näher zu identifizie‐ rende Burgmannen zum Zweck der kollektiven Jenseitsvorsorge zusammenschlossen. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts – vor allem durch die RenaissanceInterpretation Jacob Burckhardts und in deren Folge – war es zu einem Topos der Be‐ schäftigung mit dem Mittelalter geworden, dieses habe keine Individualität gekannt, eine Interpretation, die von der Entgegensetzung des ‚dunklen‘ Mittelalters und der ‚gar so hellen‘ frühen Neuzeit seit der Renaissance ausging.128 Von der jüngeren Forschung ist wiederholt in Abgrenzung zur älteren Forschung festgestellt worden, dass sich im Kontext der Memoria des Mittelalters das Individuum Ausdrucksformen der Darstellung persönlicher Motivationen verschaffte, ja auch die Memoria des Mittelalters eine Kultur der Individualität war.129 Die unterschiedlichen Intentionen der an der Burgkirche stiftenden Burgmannen etwa fanden in der individuellen Gestaltung des Totengedenkens die jeweils adäquate Erscheinungsform, selbst wenn diesem einheitliche Vorstellungen von der Zeit nach dem Tode, vom Verhältnis von Diesseits und Jenseits zugrunde liegen mochten. Die diskutierten Beispiele sollten zeigen, dass sich die Memoria in der Burg Friedberg auf Individuen selbst dann bezog, wenn es um die Memoria der Burgmannschaft ging: Es waren Individuen, die im Kontext der Burgmannschaft für ihre Memoria sorgten. Der Name oder auch ein Symbol für die aus Individuen bestehende soziale Gruppe evozierte die Personen im Rahmen der Liturgie der Friedberger Burgkirche. So haben die mittelalterlichen Quellen eine spezifische, ja eine individuelle Erin‐ nerungskultur der niederadlig-reichsministerialischen Burgmannschaft in Friedberg erkennen lassen, selbst wenn viele Fragen aufgrund der Überlieferungslücken keine Antworten mehr zulassen. Dem entgegenzusetzen, der Memoria seien ja ‚bloß‘ die Vorstellungswelt und die Deutungsschemata des Mittelalters zugrunde gelegt gewe‐ sen, verkennt die Verschränkungen mittelalterlichen Denkens und Handelns: In den konkreten Erscheinungsformen der Jenseitsvorsoge in der Reichsburg Friedberg drückte sich die Individualität der Burgmannen und ihrer Familien während des Mit‐ telalters aus. Die Analyse der Überlieferung zeigt im Detail, dass hierbei ‚Typik‘ und ‚Statistik‘ für den Kontext von Memoria und Individualität für den mittelalterlichen Menschen keine zutreffenden Kategorien sind; sie waren viel weniger ausschlagge‐ bend, als es der erste Blick aus moderner Sicht vielleicht vermuten lässt.
128 Eine Bestandsaufnahme der Renaissance-Forschung und kritische Würdigung Burckhardts siehe bei Burke, Die Renaissance in Italien, S. 13ff. Jetzt auch Schilp, ‚Stadtbau und Memoria‘ [Verzeichnis Nr. 215], hier S. 143-145. 129 Vergleiche zum Folgenden Oexle, ‚Memoria als Kultur‘, S. 48.
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Jenseitsvorsorge in Städten der Grafschaft Mark* Aspekte der Mentalität, der sozialen Beziehungen und der Politik des Spätmittelalters
…so sulen die juncvrowen van dem Clarenberge onser aelderen zeyle, onser zeyle und al onser nacomelynge zyle darvan gedenken.1
Einführung Der gedankliche und praktische Umgang mit dem Tod ist nachgerade ein Spiegel des gesellschaftlichen Lebens. Zu Beginn der Überlegungen möchte ich deshalb als These formulieren, dass sich im Kontext der Äußerungsformen der Jenseitsvorsorge verschiedenste Phänomene aufspüren lassen, die Aufschlüsse über die Selbstauffas‐ sung und die Selbstdeutung der mittelalterlichen Menschen und der jeweiligen sozia‐ len und politischen Gruppen ermöglichen.2 Damit eröffnen sich neue Zugänge zur Bearbeitung mentalitäts- und sozialgeschichtlicher Fragstellungen. Bei näherem Hinsehen wird rasch eine soziale, ja eine politische Dimensionierung des Themas für die spätmittelalterliche Geschichte der Stadt und ihrer politischen Umfelder deutlich. Drei Bereiche werden nach allgemeinen Überlegungen zur The‐ matik im Folgenden voneinander geschieden. Erstens: Zunächst ist auffällig, dass die Familie der Grafen von der Mark für ihre Zeit im Jenseits auch in den Städten der Grafschaft Mark zugunsten ihres Seelenheils vorsorgte; dies wird näher anhand der
* Erstpublikation in Westfälische Zeitschrift 149 (1999), S. 35-55 [Verzeichnis Nr. 53]. Es handelt sich um die überarbeitete und um Anmerkungen erweiterte Fassung eines Vortrags, der vor dem 49. Tag der Westfälischen Geschichte am 13. September 1997 in Schwerte unter dem Titel: „Himmel, Hölle, Fegefeuer. Überlegungen zur spätmittelalterlichen Jenseitsvorsorge in Städten der Grafschaft Mark“ gehalten wurde. 1 Aus der Urkunde Graf Adolfs von der Mark und seines Bruders Konrad, des Herrn von Hörde, zur Fundierung des Klosters Clarenberg zu Hörde, 1341 Oktober 1: Urkundenbuch des Clarissenklosters, bearb. von Merx, Nr. 19. 2 Vergleiche hierzu mit Hinweisen auf die wichtigste weiterführende Literatur Oexle, ‚Memoria als Kultur‘; Borgolte, ‚Memoria. Zwischenbilanz eines Mittelalterprojekts‘. Zur Thematik siehe auch Schilp, Tod und Jenseitsvorsorge in der spätmittelalterlichen Stadt [Verzeichnis Nr. 34; hier Aufsatz 1]; Ders., ‚Memoria in der mittelalterlichen Stadtgesellschaft‘ [Verzeichnis Nr. 47]; Ders., … in honore sancti Georgii … [Verzeichnis Nr. 43; hier Aufsatz 3]. Stadtgesellschaft und Memoria, ed. by Arnoud-Jan Bijsterveld, Meta Niederkorn & Annemarie Stauffer, Memoria and Remembrance practices, 3 (Turnhout: Brepols, 2023), pp. 93–110 10.1484/M.MEMO-EB.5.132321
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Gründung und frühen Geschichte des Klosters Clarenberg in Hörde zu untersuchen sein. Zweitens, in der Folge der Landesherren sind rasch auch Spuren analogen Handelns des landsässigen Adels in der Grafschaft Mark erkennbar, die sozusagen an den kirchlichen Mittelpunkten, um die sich Herrschaftsrechte kumulieren ließen, zu einem vergleichbaren Handeln führte. Schließlich finden wir im 14. und deutlicher im 15. Jahrhundert vielfältige Spuren der Jenseitsvorsorge der Bürger auch in den märkischen Städten. Die beiden letzten Bereiche werden vor allem am Beispiel der Stadt Schwerte diskutiert. Vorab muss aber darauf hingewiesen werden, dass eine Bearbeitung dieser drei Aspekte im Folgenden nur exemplarisch und aufgrund der bisherigen Forschung lediglich in ersten Ansätzen erfolgen kann. Es wird versucht, sich zunächst an die The‐ matik heranzuwagen, um an ausgewählten Quellen die Fragestellungen zu entwickeln und erste Antworten zu geben. Eine Sichtung aller in Frage kommender Quellen für märkische Städte und die systematische Auswertung stellen sich für die Forschung als Aufgabe der Zukunft.3 Ziel ist im Folgenden die Interpretation der Vorstellungwelt und die sozialgeschichtliche Dimensionierung von Tod und Jenseitsvorsorge in der mittelalterlichen Gesellschaft märkischer Städte sowie ihres Umfeldes. Nicht in jeder Hinsicht kann mit fertigen Antworten und Vermittlung vollständiger Rekonstruktio‐ nen gedient werden; manches muss im Bereich der Formulierung von Hypothesen verbleiben. Zunächst steht die Entwicklung von Fragestellungen im Vordergrund der Überlegungen. Auf eine Schwierigkeit der Analyse ist vorab aufmerksam zu machen. Als Johann Christoph Bährens 1822 in seiner Chronik für Schwerte formulierte, dass die ältere Geschichte von Schwerte in tiefer Dunkelheit liege und man nur beginnen könne, die‐ ses Dunkel zu erhellen, hat er wohl das gesamte Mittelalter gemeint.4 Dieses Schicksal teilt Schwerte im Übrigen mit der überwiegenden Zahl der kleineren Städte in der Grafschaft Mark. Ein Blick in die jüngst erschienene ‚Schwerter Stadtgeschichte‘, die zum städtischen Jubiläumsjahr 1997 eine von Wilfried Reininghaus erarbeitete Geschichte der Stadt in Mittelalter und früher Neuzeit enthält, verdeutlicht die Pro‐ blematik der Geschichtsschreibung nachhaltig.5 Die Quellen setzen zum Beispiel in Schwerte für die meisten Lebensbereiche, auch für unser Thema also, erst allmählich und erst im 15. Jahrhundert reicher ein. Wir müssen mithin konstatieren, dass die Überlieferung häufig nur mosaiksteinartig erhalten ist, vielleicht auch überhaupt nie umfangreicher war, was der Interpretation die erforderliche Sorgfalt und Behutsam‐ keit auferlegt. 3 Eine Sichtung des Urkundenarchivs der Stadt Unna zum Beispiel hat die Vielfalt der Überlieferung seit dem beginnenden 14. Jahrhundert deutlich werden lassen: Zahlreiche Urkunden überliefern Ablässe in der Stadt, berichten über das Armenhospital belegen Stiftungen der Bürger zugunsten ihres Seelenheils an die Kirchen und Klöster in der Stadt, die Gründung und die Aktivität von Bruderschaften (Unserer lieben Frauen, St. Nikolaus, St. Antonius sowie eine Kalandsbruderschaft), Altarstiftungen usw. Eine Auswertung dieser Quellen würde den Rahmen des Aufsatzes sprengen. Im Folgenden wird eine konzentrierte Auswahl vorgenommen. Paradigmatische Überlegungen stehen im Zentrum um Aufgaben und mögliche Wege zukünftiger Forschung abzustecken und aufzuzeigen. 4 Vergleiche hierzu Reininghaus, ‚Schwerte im Mittelalter und früher Neuzeit‘, S. 89. 5 Vergleiche ebd., S. 89-190.
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Tod und Jenseitsvorsorge Wenden wir uns dem Leben in einer spätmittelalterlichen Stadt zu, ist in der schrift‐ lichen Überlieferung, aber auch an den baulichen Überresten, allenthalben festzustel‐ len, dass christliche Motive und Intentionen nicht nur einfach präsent waren; dies gilt für den einzelnen Menschen, das Individuum, dies gilt selbstredend aber auch für die städtische Gesellschaft und die Bürgergemeinde oder die genossenschaftlichen Organisationen in der Stadt des Mittelalters. Die Vergegenständlichung christlichen Denkens, Fühlens und Handelns machen in gewissem Sinne in der Regel sogar einen Hauptteil dessen aus, was an Überresten des Mittelalters erhalten ist. Das äußere Bild einer mittelalterlichen Stadt wurde wesentlich stärker als heute von den Stadtkirchen, den Stadtklöstern und den Gebäuden der sonstigen religiösen Institutionen geprägt. Erinnert sei etwa an die Schwerter Stadtkirche St. Viktor, deren mächtiger Turm und Chor das Stadtbild des Mittelalters und der frühen Neuzeit beherrschten.6 Versetzen wir uns in die Lage eines Reisenden oder Pilgers des Mittelalters, der sich zu Fuß oder zu Pferde einer Stadt näherte, so nahm dieser lange vor den Toren, Türmen und Mauern oder gar einzelnen Bürgerhäusern schon aus der Ferne eine Stadtsilhouette wahr, die von den mächtigen Bauten der Kirchen und deren Türmen geprägt war.7 Im Folgenden soll einigen schon auf den ersten näheren Blick wesentlich erschei‐ nenden Aspekten dieses Phänomens nachgegangen werden: Die durchaus eigentüm‐ lichen und bei aller Vertrautheit von heutigen Vorstellungen doch unterschiedlichen Jenseitsvorstellungen des Mittelalters sind auf die Umsetzung in praktisches soziales Handeln in der Stadt und ihrem politischen Umfeld zu befragen. Die Phänomene, die man mit dem umstrittenen Begriff der ‚Volksfrömmigkeit‘ des Spätmittelalters zu beschreiben versuchte, die durchaus auch zu Handlungen im Massenrausch oder Massenwahn führen konnten, wenn wir zum Beispiel an Exzesse des mittelalterlichen Ablasswesens denken, sollen in den Konsequenzen für das Leben der einzelnen wie der Gemeinschaft verstanden werden.8 Die Sozialgeschichte der Stadt, ihrer Bürger und Bürgerfamilien, der sozialen Gruppen sollen von einem anderen Ansatz her durchleuchtet werden. Aus den Formen der Vergegenständlichungen der mittelalter‐ lichen Denkformen, in der schriftlichen Überlieferung, in der Architektur und der Ausstattung der Stadtkirchen des Mittelalters kann die Thematik erschlossen werden. Die Dimension des Themas kann auch an einem Vergleich mit der heutigen Zeit verdeutlicht werden. Zu einem in letzter Zeit häufig diskutierten und beklagten Phänomen der modernen westlichen Gesellschaft gehört die Inhumanität des Todes und die Anonymität des Sterbens. Carl Friedrich von Weizsäcker etwa hat beklagt,
6 Zur Bedeutung der Kirche St. Viktor, die sich in der herausragenden kunsthistorischen Ausstattung trotz der zahlreichen Verluste auch heute noch nachvollziehen lässt und der Viktorverehrung für die Entwicklung der mittelalterlichen Stadt, vergleiche ebd., S. 155ff. 7 Siehe hierzu Schilp, ‚Tod und Jenseitsvorsorge im spätmittelalterlichen Dortmund‘ [Verzeichnis Nr. 39]. 8 Vergleiche hierzu Gerchow, ‚Volksreligion, Massenreligiosität oder Laienfrömmigkeit im Spätmittelalter?‘ (hier auch Hinweise zu weiterführender Literatur). Die Ablasspraxis des Spätmittelalters kann bekanntlich als einer der wesentlichen Anlässe der Reformation betrachtet werden. Vergleiche zum Beispiel die Schilderung zur Praxis des Jubelablasses in Dortmund 1502 in der Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 372f.
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dass „wahrscheinlich keine Menschheit je dem Tode gegenüber so ratlos“ sei „wie die heutige“.9 In der Geschichte wird sich kaum eine Gesellschaft finden lassen, der die Toten so fern sind wie den Menschen der Moderne. Der Mediävist Arno Borst hat aus der Perspektive des mittelalterlichen Umgangs mit dem Sterben und den Toten diesen Sachverhalt provozierend umschrieben, als er feststellte, dass „keine Klasse der heutigen Gesellschaft so rücksichtslos unterdrückt“ werde wie die Toten.10 Im Mittelalter erlebten die Menschen vorbereitet und innerhalb einer Gemeinschaft den Tod bewusst, ja sie verstanden den Tod im christlichen Sinne durchaus als Krönung des diesseitigen Lebens, der den Übergang zum ewigen Heil in einem jenseitigen Le‐ ben ermöglichte. Deshalb fanden Tod und Sterben im Mittelalter, ohne idealisieren oder idyllisieren zu wollen, in der Regel auch nicht im Verborgenen statt, sondern galten gleichsam als ein öffentliches Ereignis; der Sterbende wurde auf seiner Reise zum ewigen Heil von Verwandten, Freunden und Klerikern in das Jenseits begleitet. Im mittelalterlichen Leben und Denken kommt dem heutigen Tabuthema ‚Tod und Sterben‘ ein gänzlich anderer Stellenwert zu. Leicht verständliche Lehrsammlungen des Mittelalters verdeutlichen die vom heutigen Denken abweichende Vorstellung vom Tode; sie lassen auch erste Besonderheiten mittelalter Denkweisen erkennen, die als Deutungsschemata zur Jenseitsvorsorge und zu sozialem Handeln führten.11 Als ein markantes Beispiel sei eine Belehrung des Marseiller Franziskaners Sachet aus dem ausgehenden 13. Jahrhundert angeführt:12 Ein gewisser Mann, Vater mehrerer Töchter, machte sein Testament. Er hinterließ ihnen jeweils eine große Mitgift und behielt nichts für seine Seele. Ein Weiser kam zu ihm und sagte: „Herr Ihr habt da eine Tochter, der Ihr nichts gegeben habt.“ Der Erblasser antwortete ihm: „Wer ist das? Habe ich nicht Berta, Maria und Bertranda bedacht?“ Darauf erwiderte sein Gesprächspartner: „Herr, gewiss habt Ihr eine, der Ihr noch nichts vermacht habt.“ „Wer denn? Heraus mit der Sprache!“ Darauf entgegnete der Weise: „Bei Gott, Herr, es ist eure Seele.“ „Richtig“, sagte jener Vater, „und ich hatte nicht mehr an sie gedacht.“ Der Vater sah sich darauf veranlasst, den Töchtern Teile der Mitgift zu entziehen, um sie für eine Stiftung zugunsten des eigenen Seelenheils zu verwenden. In vielen Testamenten der städtischen Führungsschichten wurde die Familie erst dann berücksichtigt, wenn die Verfügungen für das Seelenheil zugunsten der Armen und kirchlicher Institutionen erfüllt worden waren. Nicht, dass der christlichen Glau‐ benspraxis heute Seelenmessen unbekannt gewesen wären. Was das Mittelalter aber von heutigen Vorstellungen unterscheidet, ist die besondere Form der Sorge um die Zeit nach dem Tode, die offensichtlich in Elemente der Jenseitsvorsorge umgesetzt
9 Von Weizsäcker, ‚Der Tod‘, S. 320. 10 Borst, Mönche am Bodensee 610-1525, S. 17. Oexle, ,Die Gegenwart der Toten‘, S. 21 hat dies sogar noch dahingehend präzisieren können, „dass die Toten in der modernen Gesellschaft nicht einmal mehr eine unterdrückte Klasse sind; sie sind nämlich, im radikalen Sinne, nichts mehr“. 11 Zitiert nach Ohler, Sterben und Tod im Mittelalter, S. 44; übersetzt bei Schilp, ‚Memoria in der mittelalterlichen Stadtgesellschaft‘ [Verzeichnis Nr. 47]. 12 Vergleiche zum Beispiel Tappe, ‚Das Bürgertestament des Goddert van Hövel‘, S. 111ff.
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wurde und im weitesten Sinne des Wortes zu sozialem und wirtschaftlichem, auch zu künstlerischem Handeln führte.13 Auf Grundlage der hier sicher nur grob umrissenen Denkformen, auf Basis des sich daraus ergebenden Verhältnisses von Diesseits und Jenseits im mittelalterlichen Fühlen und Denken werden im Folgenden exemplarisch drei Bereiche und Dimen‐ sionen unterschieden und analysiert. Erstens die Jenseitsvorsorge der Landes- und Stadtherren, der Grafen von der Mark in und bei ihren Städten; als Beispiel wird die Stadt Hörde mit dem Clarissenkloster auf dem Clarenberg in das Blickfeld gezogen. Ferner wird der Bereich der Memoria des Niederadels in den märkischen Städten zu streifen sein. Für Schwerte wird die Jenseitsvorsorge der Familie Sobbe erörtert. Zum Schluss werden Formen und Elemente der Jenseitsvorsorge der Bürger in den märkischen Städten aufgezeigt; auch hier werde ich mich vor allem auf Schwerter Beispiele konzentrieren. Memoria als Legitimierung der Herrschaft Seit langem ist erwiesen, dass die entstehenden Territorialherrschaften seit dem beginnenden 13. Jahrhundert zielstrebig Städtegründung und Stadtrechtsverleihung eingesetzt haben, um mit der Stadt und von der Stadt aus einen Raum politischadministrativ zu erfassen, wirtschaftlich zu erschließen und militärisch zu sichern. Dies tritt besonders deutlich zutage, wenn sich Territorien ineinander verschlingen, wie dies am unteren Niederrhein mit den Territorien der Grafen von Geldern, von Kleve und der Erzbischöfe von Köln deutlich zu erkennen ist – hier wurden in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts oft binnen weniger Tage konkurrierende Städte von unterschiedlichen Herren gegründet.14 Für die Grafschaft Mark können wir bekanntlich eine regelrechte Stadtgründungswelle zur Festigung des Territoriums erst viel später, vor allem für die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts, feststellen.15 Viel zu wenig ist von der Forschung bislang im Kontext der Territorienbildung der Grafen von der Mark die geistig-geistliche Dimension beachtet worden, die sich vor allem auch in den Kloster- und Stiftsgründungen oder deren nachhaltiger Förderung in oder bei den Städten, den neuen Zentren der märkischen Herrschaft, Ausdruck verschaffte.16 Viel zu wenig, weil wir hier sozusagen die ideologische und spirituelle
13 Siehe hierzu ausführlich Schilp, ‚Stadtkultur im spätmittelalterlichen Dortmund‘ [Verzeichnis Nr. 73; hier Aufsatz 5]. 14 Siehe Kastner, ‚Stadterhebung, Stadtwerdung und das Privileg für Xanten vom 15. Juli 1228‘. 15 Siehe Haase, Die Entstehung der westfälischen Städte, S. 13ff. mit der Grundlegung der Entstehungsgeschichte der westfälischen Städte. 1240 entstanden mit Hamm und Kamen nur zwei märkische Städte (siehe ebd., S. 52ff.), es sollten bis 1290 die Stadtrechtsverleihungen für Iserlohn, Lüdenscheid, Lünen und Unna folgen (ebd., S. 113); erst nach 1350 ist eine deutliche Intensivierung der märkischen Städtepolitik festzustellen: 1350-1400 erhielten Bochum, Breckerfeld, Neuenrade, Plettenberg und Schwerte Stadtrechte. Altena, Blankenstein, Castrop, Hattingen, Wattenscheid und Wetter wurden zu Freiheiten erhoben. Vergleiche ebd., S. 123ff., S. 147f., S. 154ff. sowie Varenhold-Huland, Grundlagen und Entstehung des Territoriums der Grafschaft Mark, S. 150ff. 16 Dieser Aspekt und die Fragestellung bleiben auch in der Arbeit von Varenhold-Huland, Grundlagen und Entstehung des Territoriums der Grafschaft Mark völlig außerhalb des Blickwinkels.
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Dimension der aufsteigenden Landesherrschaft und damit einen Teil der Selbstsicht und Selbstdeutung der aufstrebenden Adelsfamilie verfolgen und rekonstruieren kön‐ nen. Nach mittelalterlicher Auffassung konstituierte Memoria ‚Adel‘, Steigerung der Memoria bedeutete zugleich Intensivierung der Adelsqualität. Die Sorge um die adelige Memoria gibt für die Vergangenheit und Zukunft der adeligen Familie, der Dynastie, Kunde von der Leistung des Geschlechts und legitimiert die Herrschaft, ja begründet – genauer gefasst – ideologisierend die Befähigung und Berechtigung des Adels zur Herrschaft. Wir berühren damit einen Themenbereich, der für die großen Dynastien der Staufer oder Welfen für das 12. und 13. Jahrhundert inzwischen weitge‐ hend als erforscht gelten kann, für kleiner Dynastien aber bislang kaum systematisch untersucht wurde. Ein Hinweis auf die Diskussion der Memoria Heinrichs des Löwen im Kontext der großen Ausstellung in Braunschweig im Jahr 1995 soll hier genügen.17 Auch für die Grafen von der Mark und ihre Herrschaftsbildung lassen sich bei näherem Zusehen zahlreiche solche Aspekte feststellen.18 Nur ein Beispiel aus der Fülle der Überlieferung soll im Folgenden vorgestellt werden: Die Stadtrechtsverlei‐ hung für Hörde im Jahr 1340 – ursprünglich zum Territorium des Kölner Erzbistums gehörend und seit dem Ende des 13. Jahrhunderts Zug um Zug in den Besitz der Grafen von der Mark übergegangen – war eine Maßnahme, die zur Sicherung des eigenen Territoriums und gegen die Reichsstadt Dortmund gerichtet war.19 Die Verleihung der Stadtrechte stand in engem Zusammenhang mit der gleichzeitigen Gründung und Ausstattung des Clarissenklosters Clarenberg in Hörde.20 Edelherr Konrad von der Mark als Herr von Hörde gründete mit Zustimmung seines Neffen Adolf II. als des Regenten der Grafschaft Mark 1339/1340 dieses Kloster, für das eine Gründungsurkunde leider nicht überliefert ist; für die Anfangsjahre sind jedoch verschiedene Urkunden erhalten, die vor allem die märkische Gründungsausstattung betreffen. Deutlich wird hier formuliert, dass die Nonnen des Klosters zum Gedenken der Stifterfamilie tätig zu werden haben; sie sollen zum Totengedenken durch das Gebet und den Gottesdienst, aber auch zur Fama, dem Ruhm der Familie, beitragen: In der Urkunde zur Fundierung des Klosters, die die Gründer Adolf II. von der Mark und sein Onkel Konrad ausstellten, wurde als Gegenleistung eingefordert, dass die Nonnen des Klosters Clarenberg für das Seelenheil der Vorfahren, der Aussteller und all ihrer Nachkommen bitten sollen.21 1344 bestimmte das Gründerehepaar Konrad 17 Vergleiche zum Themenkomplex schon die Arbeiten von Schmid, ‚Welfisches Selbstverständnis‘; sowie Ders., ‚Die „regia stirpe Waiblingensium“‘; Oexle, ‚Die Memoria Heinrichs des Löwen‘; Ders., ‚Welfische Memoria‘; Ders., ‚Fama und Memoria‘. 18 Zu denken wäre zunächst an eine Sicherung der schriftlichen Überlieferung aller Klöster und Stifte im Gebiet der Grafschaft Mark, an kirchliche Institutionen in den Städten der Grafschaft usw. Dringend wäre in diesem Zusammenhang auch die Untersuchung der 1357/1358 niedergeschriebenen Chronik der Grafen von der Mark des Levold von Northof, die bis zu den Anfängen der märkischen Dynastenfamilie zurückreicht und damit sowohl Fama als auch Memoria im oben bezeichneten Sinne zum Gegenstand hat; siehe: Die Chronik der Grafen von der Mark von Levold von Northof, bearb. von Zschaeck, mit der kommentierenden Einleitung. 19 Zur Stadtrechtsverleihung vgl. Schilp, „… van dem dorpe tho Huerde eyne statt tho makene …“ [Verzeichnis Nr. 10]. Zum Übergang an den Grafen von der Mark: Bausch, Stadt und Amt Hörde, S. 24f. 20 Einen Überblick über Gründung und Anfänge siehe bei Schilp, ‚Kloster und Stift Clarenberg‘ [Verzeichnis Nr. 11]; vergleiche auch Ders., ‚Clarenberg‘, in: Westfälisches Klosterbuch [Verzeichnis Nr. 20]. 21 Urkundenbuch des Clarissenklosters, bearb. von Merx, Nr. 19.
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von der Mark und seine Ehefrau Elisabeth von Kleve, die selbst als Nonne und spätere Äbtissin in Clarenberg lebte, dass die Schenkung eines auf dem Grundbesitz des Klosters durch die Gründer errichteten und offensichtlich von ihnen noch genutzten Hauses pro salute animarum nostrarum ac omnium parentum nostrorum erfolge.22 Ebenfalls im Jahre 1344 lässt das Gründerehepaar in einer gesonderten Urkunde all seine Stiftungen und Schenkungen an Grundbesitz, Abhängigen usw. an das Claris‐ senkloster auflisten, um am Ende der Urkunde festzustellen: Dit hebbe wi al gheghyven vor unse zeile unde vor al der zeile, de van der Marke unde van Cleve verstorven sint efte verstervet.23 Die Gründung und Ausstattung des Klosters Clarenberg in Hörde diente mithin der Memoria, der Selbstfindung und Selbstsicht der adligen Herrscherfamilie; Ziel war sicher auch die repräsentative Selbstdarstellung der Dynastie und der Ausweis der Berechtigung und Befähigung zur Herrschaft. Das Kloster wurde auch rasch zum Ort wichtiger politischer Verhandlungen der Adelsdynastie: Nach dem Tode Graf Adolfs im Jahre 1347 versammelte die Familie der Grafen von der Mark in der Clarenberger Klosterkirche Burgmannen, Ritter und Ritterbürtige und bedeutende Bürger aus der Grafschaft, um über die Zukunft der Grafschaft zu beraten. Die Verhandlungen dreh‐ ten sich um die Frage, ob die Grafschaft unter den berechtigten Erben aufzuteilen sei oder aber ungeteilt in einer Hand verbleiben solle; für letzteres entschied man sich auf dieser Versammlung.24 Für den Kontext unserer Überlegungen ist vor allem wichtig, dass die neue Klostergründung für die Adelsherrschaft vielfältige Aufgaben übernahm, die die politische Selbstdarstellung ebenso berührten wie sie die Bereiche der Selbstsicht und Selbstdeutung der Dynastie beinhalteten. Man wählte im Mittelalter zur Herstellung von Identität des Adels wie zur De‐ monstration der Selbstdeutung bewusst das Mittel der klösterlichen Institution, um zu gewährleisten, dass das Gedenken der Toten im Diesseits durch das Gebet und das religiöse Leben der Nonnen quasi institutionalisiert wurde: So formuliert die angeführte Urkunde von 1341, dass die Nonnen zu Clarenberg als Gegenleistung für die Stiftung und den freien Besitz des Grund und Bodens, auf dem das Kloster errichtet wird, für die Seelen der Vorfahren, der Stifter und aller ihrer Nachkommen beten sollen. Da in all diesen frühen Urkunden keine konkreten Handlungen der Nonnen des Klosters, seien es Messen, Jahrgedächtnisse oder ähnliches, angegeben werden, ist die gründende Absicht der Grafenfamilie offensichtlich: Das neue Kloster hatte die Aufgabe, gleichsam allein durch seine Existenz, die Gemeinschaft der toten und lebenden Angehörigen der Adelsfamilie herzustellen, zur Memoria der Familie einen wesentlichen Beitrag zu leisten. Zahlreiche märkische Urkunden für das Kloster der Gründungszeit wiederholen diese oder eine ähnliche Bestimmung. Die Identität der neuen Gründung der Clarissen geht, aus dem Blickwinkel der Stifterintention 22 Ebd., Nr. 43. 23 Ebd., Nr. 44. 24 Siehe hierzu den ausführlichen Bericht des Levold von Northof, Die Chronik der Grafen von der Mark von Levold von Northof, bearb. von Zschaeck, S. 9f. Zu Levold siehe: Brinkhus, ‚Levold von Northof ‘, sowie Scheler, ‚Levold von Northof ‘.
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betrachtet, zu einem Großteil in dieser Funktion des Totengedenkens auf: Über die Perspektive des eigenen, beschränkten individuellen Lebens hinaus formiert sich die Familie der Grafen von der Mark mit der Klostergründung für jeden sichtbar als mächtige Adelsgruppe, und als solche wird ihrer gedacht. Spirituelle Memoria und politische Selbstdarstellung fallen mit der Klostergründung in eins. Ganz deutlich wird diese Aufgabe des Klosters gemäß Gründerintention nach dem Tode Konrads von der Mark: Kurze Zeit nach seinem Ableben kann an der Klosterkirche all denen ein Ablass von 40 Tagen der jenseitigen Sündenstrafe im Fegefeuer gewährt werden, die an den Messen zugunsten des Seelenheils des Toten teilnehmen.25 1522, fast 200 Jahre nach der Gründung, wird die Gründungsintention der Grafen von der Mark im Konventsleben mahnend wiederbelebt. Die Dauer der Memoria, die ja gemäß Gründer- und Stifterintention auf ewig währen sollte, war offensichtlich nicht eingehalten, die beabsichtige Kontinuität der Vergegenwärtigung der Toten durchbrochen worden. In der gerühmten, der sogenannten Stifterurkunde des Klo‐ sters Clarenberg, die im Konvent oder in der Klosterkirche zur Mahnung und Erin‐ nerung aufgehängt wurde, wird zunächst von der Gründung durch Konrad von der Mark und seine Frau Elisabeth von Kleve berichtet. Sodann sind die Wohltaten der Grafen von der Mark – sowohl die Ausstattung mit Grundbesitz als auch die Schen‐ kung von Kleinodien, Gegenständen und Büchern für den liturgischen Gebrauch – und die memorialen Gegenleistungen des Konventes im Einzelnen vermerkt.26 Die Todestage der Stifter wurden mit fürbittenden Vigilien und Messen begangen, am Grab des Stifterpaares im Kapitelhaus des Klosters wurde sodann ein miserere mei gebetet. Seelenmessen und fürbittende Gebete wurden zu verschiedenen Zeiten im Jahr für die Familie der Grafen von der Mark begangen. Zum Zeichen des Gedenkens wurde an den Todestagen der Stifter auch eine Mahlzeit mit Fisch, Weizenbrot und gutem Wein vom Konvent eingenommen, um das Gedenken zu bekräftigen. Dies greift die Bedeutung des Abendmahls als gemeinschaftlicher christlicher Mahlzeit symbolisch für das Leben des klösterlichen Konvents auf, in das die Toten einbezo‐ gen werden. Wie exklusiv das Kloster Clarenberg in der Frühzeit auf die Familie der Grafen zugeschnitten war, zeigt sich auch daran, dass für längere Zeit kaum Stiftungen Dritter festgestellt werden können; erst nach dem Tode Konrads von der Mark setzen diese allmählich und sehr zögernd ein. Hierbei ist auffällig, dass Stiftungen zunächst vom Niederadel der Region vorgenommen werden: So sorgten Ludolf und Johann von Ergste 1355 durch die Stiftung von freien Eigengütern in Derne an das Kloster als erste für die Memoria ihrer Familie.27 1362 schenkte Ritter Engelbert Sobbe aus Schwerte und seine Frau Gerburg eine jährliche Rente von 18 Schilling, damit dat
25 Urkundenbuch des Clarissenklosters, bearb. von Merx, Nr. 81 26 Ebd. Nr. 429; Schilp, ‚Memoria: Kultur der Erinnerung und Vergessen. Überlegungen zur Frauengemeinschaft Clarenberg‘ [Verzeichnis Nr. 201]; eine Farbabbildung der Prachturkunde siehe bei Ders., ‚Kloster und Stift Clarenberg‘ [Verzeichnis Nr. 11], S. 17. 27 Urkundenbuch des Clarissenklosters, bearb. von Merx, Nr. 88.
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Abb. 4.1: Epitaph Graf Dietrichs II. von der Mark um 1398, St. Clara, Dortmund Hörde (© Foto: Thomas Schilp).
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closter der Claren tho Hurde die Memoria der Stifter und ihrer Vorfahren begeht.28 Die erste memoriale Stiftung eines Bürgers an Kloster Clarenberg geht auf den ehemali gen Bürgermeister zu Kamen, Gerd Lare, 1387 zurück.29 Eine weitere Beobachtung ist sinnfällig: Das Zisterzienserinnenkloster Frönden‐ berg, nur einige Kilometer von Hörde entfernt, war der übliche Begräbnisort der Grafen von der Mark.30 Dennoch wurde in Clarenberg mit Sicherheit neben dem Stifterpaar, das im Kapitelhaus des Klosters bestattet wurde, auch Graf Dietrich II. von der Mark im Jahre 1398 bestattet.31 Dessen Epitaph (Abb. 4.1) blieb als einer der wenigen Gegenstände der ursprünglichen Ausstattung der Klosterkirche erhalten; es kann auch heute noch, nach Abbruch der ehemaligen Klosterkirche in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts, im Nordflügel des Querhauses der katholischen Stifts‐ kirche St. Clara in der Nachbarschaft besichtigt werden. Mit dem Wappen (gespalte‐ ner Schild, rechts klevisches, links märkisches Wappen) auf dem Epitaph war der Angehörige der Herrscherfamilie im Chor der Klosterkirche bestattet worden, dem symbolischen Ort der Gerechten, des jenseitigen Paradieses. Mit dem Wappen an diesem exklusiven Ort der Klosterkirche wurden der Tote und seine gesamte Familie in jeder liturgischen Handlung nach mittelalterlicher Auffassung vergegenwärtigt, als Person evoziert; so wurde seinem und seiner Familie Seelenheil im Jenseits geholfen, nach der mittelalterlichen Vorstellung der Notwendigkeit der Memoria gilt dies bis zum heutigen Tag. Memoria der Familie Sobbe in Schwerte Doch kommen wir nach Schwerte zurück: Im Verlauf des 14. Jahrhunderts, also vor der sicher verspäteten Stadtrechtsverleihung im Jahre 1397, ist hier keine intensive memoriale Aktivität der Grafen von der Mark festzustellen.32 Bei näherem Zusehen werden Bedingungen und Gründe deutlich, warum dies so war. Wir entdecken näm‐ lich, analog zur politischen Geschichte Schwertes auf der Stiftungsseite ein Pendant und damit einen nachhaltigen Beleg für die Verschränkung von Jenseitsvorsorge, 28 Ebd., Nr. 119. 29 Ebd., Nr. 218 30 Die Anfänge des Zisterzienserinnenklosters Fröndenberg liegen weitgehend im Dunkeln verborgen. Es lässt sich jedoch ausmachen, dass bereits Graf Otto von Altena-Mark († 1262) als besonderer Förderer des Klosters in Erscheinung trat. Wahrscheinlich ist daher, dass die Gründung unter anderem auch auf die Grafen Altena-Mark zurück geht und möglicherweise von einem Sühnekloster für die Mordtaten an dem Kölner Erzbischof Engelbert von Berg im Jahre 1225 auszugehen ist. Urkundlich begegnet das Kloster erstmals 1230 (Westfälisches UrkundenBuch. Band 7. Die Urkunden des kölnischen Westfalen vom J. 1200-1300, Nr. 348). Die Grafen von Altena-Mark zählten sicher zu den bedeutenden Förderern des Klosters, so dass von einem für die politische Durchsetzung der Adelsfamilie wichtigen Familienkloster ausgegangen werden kann. Vergleiche hier Klueting, ‚Fröndenberg‘, sowie ausführlich Ostrowitzki, Die Ausbreitung der Zisterzienserinnen im Erzbistum Köln, S. 46ff., S. 54f. und S. 67ff. 31 Urkundenbuch des Clarissenklosters, bearb. von Merx, Nr. 429 erwähnt das Grab des Stifterpaares im Kapitelhaus. Zu Graf Dietrich von der Mark und seiner Grabinschrift siehe Vogt, ‚Graf Diderik von der Mark‘. 32 Zur Stadtrechtsverleihung siehe Reininghaus, ‚Schwerte im Mittelalter und früher Neuzeit‘, S. 112f. Zur Überlieferungsgeschichte der Stadtrechtsurkunde Schwertes aus den Jahren 1397/1398 und der Edition des Schwerter Privilegienbuches siehe Reininghaus, ‚Das Privilegienbuch der Stadt Schwerte‘.
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sozialer Selbstdarstellung und Politik: die niederadlige, ritterschaftliche Familie Sobbe war seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert, spätestens seit der Zeit um 1300, in oder bei Schwerte ansässig und konnte hier unter Ausnutzung der Gegensätze der Territorialherrschaften der Erzbischöfe von Köln und der Grafen von der Mark eine starke ‚Unterherrschaft‘ aufbauen, die zeitweilig dazu führte – so formuliert es Wilfried Reininghaus – dass „Schwerte … auf längere Sicht den Märkern entfremdet zu werden drohte“.33 Im Laufe des 14. Jahrhunderts sollte die Familie Sobbe aber andererseits über den Schwerter Raum hinaus zu einer der wichtigsten Stützen der märkischen Landesherrschaft werden.34 Die Bündelung von Herrschaftsrechten in Schwerte war vielleicht hierfür der Preis, den die Grafen von der Mark zu entrichten hatten. Die Familie Sobbe konnte, bedingt durch die Beraterfunktionen der Grafen von der Mark und vor allem durch die aufgrund der Finanzmisere der Landesherren erfolgte Verpfändung zahlreicher Herrschaftsrechte auch in und um Schwerte, im Laufe des Jahrhunderts ihre Herrschaftsrechte so weit verdichten und ausbauen, dass Engelbert Sobbe 1381 in einem Gildebrief für die Schwerter Krämer und Höker von den Schwerter Einwohnern sogar als minen borgeren to Swierte sprechen konnte, ohne dass sich – zumindest nicht erkennbar – Widerspruch erhob.35 Der Gildebrief formuliert aus der Sicht Sobbes unter anderem auch, in Schwerte würden unser raet und richter to Swierte amtieren. Die Rechte der Familie Sobbe und der Landesherren waren so mit einander verwoben, dass sie nach der Wiedererlangung der vollen Rechte durch das märkische Grafenhaus seit 1394 im sogenannten Scheidbrief von 1403 eigens vertraglich auseinanderdividiert werden mussten.36 Für die Verdichtung von Herrschaftsrechten der Familie Sobbe in Schwerte, aufgrund derer im Übrigen die märkische Stadtrechtsverleihung für Schwerte bis 1397 auf sich warten ließ, ist etwas ähnliches auszumachen, wie oben für die märki‐ sche Grafenfamilie in Hörde festgestellt werden konnte.37 1359 stiftete Engelbert Sobbe nämlich mit Genehmigung des Kölner Erzbischofs in Schwerte ein HeiliggeistHospital, das in seiner spirituellen Attraktivität durchaus mit der Pfarrkirche St. Viktor konkurrieren konnte, wie die leider nur verderbt überlieferte Stiftungsurkunde ausführt, erfolgte die Stiftung zur Mehrung des Gottesdienstes und der karitativen Werke in Schwerte.38 Sobbe stattet das Hospital zum Nutzen der Schwerter Armen 33 Vergleiche hierzu und zum Folgenden ausführlich Reininghaus, ‚Schwerte im Mittelalter und früher Neuzeit‘, S. 106f., S. 111 (Zitat), sowie Schütte, ‚Die Umlandgemeinden im Mittelalter‘, S. 209f (mit Hinweisen auf die weiterführende Literatur). 34 Reininghaus, ‚Schwerte im Mittelalter und früher Neuzeit‘, S. 110f. 35 ‚Gildebrief der Kramer und Höker zu Schwerte‘ in Jahrbuch des Vereins für Orts- und Heimatgeschichte des Sauerlandes 1902, S. 88. Regest bei Reininghaus, Zünfte, Städte und Staat in der Grafschaft Mark, S. 204. 36 Münster, Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Kleve-Märkische Regierung Landessachen 128, Blatt 49-51. 37 Reininghaus, ‚Schwerte im Mittelalter und früher Neuzeit‘, S. 111. 38 Die Urkunde ist nur nach Annales Circuli Westphalici, bearb. von Stangefol, S. 435f. bei von Steinen, Westphälische Geschichte, S. 1483 überliefert. Daher sei die Urkunde im vollen Wortlaut nach von Steinen zitiert: An. 1359 d. 12 Aprilis, testibus Alberto Wetteren, Henrico Maggenei et aliis, Engelbertus Sobbe Haereditarius in Vilgest, Miles, cultum Divinum aliaque opera charitativa in Swerte ampliari desiderans, ut habet litera fundationis, ob honorem Dei Omnipotentis, Mariaeque ejus genetricis Gloriosae, omniumque et unanimi omnium suorum cohaeredum consensu et voluntate, Hospitale, nomen S. Spiritus, in usum pauperum Swertensium, una cum Altari in honorem S.S. Antonii et
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mit einem Altar aus, der Antonius und Margarete geweiht wurde. Ausdrücklich fährt die Urkunde fort, dass im Hospital durch den Priester täglich eine Messe gefeiert werden musste für die Memoria seiner, seiner Vorfahren und aller gläubigen Seelen. Schon in diesen wenigen Sätzen wird deutlich, dass ein mittelalterliches städti‐ sches Hospital nur wenig mit dem modernen Krankenhaus zu tun hat; offensichtlich war das Hospital viel mehr eine Heilsstätte als eine Heilstätte, mehr eine Armenein‐ richtung für bettlägerige Kranke als eine Stätte medizinischer Kunst, mehr eine Stätte zum Sterben des Armen als eine Einrichtung zur Wiederherstellung der Gesundheit. Zwei Aspekte sind in diesem Zusammenhang hervorzuheben: Nach mittelalterli‐ cher Auffassung waren die Armen die Vertreter der Toten. Dem Armutsgebot Jesu folgend, wurde der irdischen Not der Lohn im Jenseits entgegengesetzt, die Armen hatten daher ein Recht auf Almosen, das durch die Gegengabe des fürbittenden Gebets für den Stifter oder Spender entgolten wurde.39 Die Familie Sobbe konnte aufgrund der Hospitalstiftung also des täglichen fürbittenden Gebets der Armen im Gottesdienst sicher sein. Eigens stellte die Familie genügend Kapital für die Anstel‐ lung eines Priesters am Hospital zur Verfügung. Der weltliche Besitz, die irdische Machtfülle der Familie Sobbe wurde so – wenigstens zum Teil – in einen spirituellen, auf das Jenseits bezogenen Reichtum verwandelt. Gleichzeitig kann die Familie mit dieser Stiftung ihre irdische Macht repräsentieren und durch die Spiritualität ideolo‐ gisch als legitim darstellen; die Stiftung des Hospitals untermauerte die politische Position der Familie, legitimierte den Herrschaftsanspruch im spirituellen Kontext. Die Sorge um das Seelenheil der Familie und die Selbstdarstellung ließen Engel‐ bert Sobbe aber offenbar keine Ruhe. 1378 nämlich stiftete er in der Schwerter Kirche St. Viktor vier Altäre mit Vikarien, damit hier Gottesdienste zum Seelenheil gefeiert würden.40 Die vier Altäre waren folgenden Heiligen geweiht: Maria, Johannes Apo‐ stoli, Stephan; Gregor und 10.000 Märtyrern; Heilig Kreuz und Maria Magdalena; und Katharina und 11.000 Jungfrauen. Wir müssen davon ausgehen, dass Engelbert Sobbe mit dieser Stiftung eine besondere Beziehung zu den Altarheiligen eingehen wollte. Sie sollten am Stuhle Gottes für ihn und seine Familie um Verkürzung der Zeit im Fegefeuer bitten. Hinzu kommt möglicherweise ein fünfter Altar – der heiligen Anna geweiht –, der wahrscheinlich auch von Engelbert Sobbe fundiert worden war.41 Als Angehörige des Niederadels demonstrierte die Familie Sobbe damit aber auch ihre weltlichen Ansprüche auf Schwerte. Zu Lasten der Grafen von der Mark bün‐ delte die Familie Sobbe politische und wirtschaftliche Herrschaftsrechte in und um Schwerte und stellte sie mit diesen Stiftungen auch im sakral-religiösen Kontext dar. Wohl aus diesem Grunde können wir keine Stiftungsimpulse der märkischen Grafen
Margaretae ibidem erecti [sic!], fundavit et dotavit, ut in eo memoria quotidiana per sacerdotem missam facientem pro animae suae, parentum et omnium fidelium animarum salute perpetuo peragatur, patet ex litera fundationis, Sigillo Engelberti fundatoris munita et mortificationis Sigillo archiepiscopalis munitis. 39 Vergleiche hierzu Schilp, ‚Memoria in der mittelalterlichen Stadtgesellschaft‘ [Verzeichnis Nr. 47], S. 53ff. (mit der wichtigsten weiterführenden Literatur). 40 Siehe hierzu den Bericht durch von Steinen, Westphälische Geschichte, S. 1474, der ebenfalls auf Hermann Stangefol rekurriert. 41 Ebd., S. 1474f.
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in Schwerte feststellen, aus diesem Grunde erscheint auch die Stadtrechtsverleihung für Schwerte als verspätet. Die weitreichenden Ansprüche konnten die Nachfahren Engelbert Sobbes im Übrigen nicht mehr aufrechterhalten; in den neunziger Jahren des 14. Jahrhunderts ist eine Konsolidierung der märkischen Herrschaft auch für Schwerte unverkennbar. Am Beispiel von Schwerte haben wir jedoch im ‚Kleinen‘ für eine niederadelige Familie das feststellen können, was die Analyse exemplarisch auch für die Grafen von der Mark in Hörde ergeben hatte: Während des Mittelalters gehörten Herr‐ schaftsanspruch und -ausübung sowie die Selbstdarstellung der Herrschaft im religiö‐ sen Kontext eng zusammen. Die Trennung der Moderne zwischen weltlicher und geistlich-religiöser Darstellung ist dem Mittelalter fremd. Mit ihren Stiftungen des Hospitals für die Schwerter Armen und Altäre mit entsprechenden Klerikerpfründen in der Stadtpfarrkirche St. Viktor stellte die Ritterfamilie Sobbe sich nach mittelalter‐ licher Auffassung in vielschichtiger Form dar: mit der Vereinigung der Toten und Lebenden formierte sich die Familie über die diesseitige Zeit hinaus als eine soziale Gruppe; durch die für die Ewigkeit gedachte, immer wiederkehrende Vereinigung von Diesseits und Jenseits wurde die Familie Sobbe gemäß der Vorstellungen der mittelalterlichen Lebenswelt zu einem historischen Subjekt. Die Familie nahm für ihr Seelenheil das tägliche Gebet der Armen als Gegengabe für die Stiftung des Hospitals in Anspruch und stellte auf diese Weise im religiösen Kontext Herrschaft und Herrschaftsanspruch der Familie dar. In der städtischen Pfarrkirche sorgte die Familie durch Altarstiftungen für ihre Memoria und präsentierte sich auch hier als Herrschaft. Bürgerliche Stiftungen Bürgerliche Stiftungen sind für Schwerte erst im 15. Jahrhundert dichter überliefert; die Überlieferung zu unserer Fragestellung ist äußerst fragmentarisch und lässt auf‐ grund der wohl schon seit der unmittelbar nachreformatorischen Zeit eingetretenen Verluste eine erhebliche Dunkelziffer vermuten. Dies unterscheidet die Schwerter Verhältnisse, wie wohl die der kleineren Städte der Grafschaft Mark überhaupt, zum Beispiel von der Entwicklung in der Reichsstadt Dortmund oder auch der Verhältnisse in Unna.42 Die Stiftungstätigkeit der Bürger ist natürlich zum einen durch die Wirtschaftspotenz, den erlangten Reichtum bedingt. Zum anderen besteht aber offensichtlich, wie das Dortmunder Beispiel nahelegt, auch ein Zusammenhang mit dem erweiterten Grad der städtischen Autonomie. Trotz des dürftigen Quellen‐ befunds sind jedoch auch für Schwerte einige Rückschlüsse möglich. Nach der Stadt‐ rechtsverleihung im Jahre 1397 erlebten Schwerte und seine Bürger offensichtlich einen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Aufstieg.43 Die Bürger, vor allem die 42 Bürgerliche Stiftungen setzen in Dortmund in der Mitte des 13. Jahrhunderts ein; vgl. hierzu den Sammelband Himmel, Hölle, Fegefeuer, hrsg. von Schilp [Verzeichnis Nr. 39]. Die in den Quellen nachweisbaren Stiftungen in Unna setzen um 1300 ein. 43 Siehe Reininghaus, ‚Schwerte im Mittelalter und früher Neuzeit‘, S. 115.
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Fernkaufleute, aber auch Handwerker, gelangten oft binnen weniger Jahrzehnte zu einem beträchtlichen Reichtum. Lässt sich das Stiftungswesen in Schwerte kaum an der Praxis zum Beispiel in der Reichsstadt Dortmund messen, auch nicht – wie wir schon eingangs feststellten – an der entsprechenden Überlieferung zum Beispiel für Unna, so lassen sich dennoch einige Quellen ermitteln und wesentliche Tendenzen erkennen. Einige dieser Quellen sollen als Beispiele vorgestellt und diskutiert werden: Die Familie Molderpas etwa, eine wohl seit der Mitte des 14. Jahrhunderts in die städti‐ sche Führungsschicht Schwertes aufsteigende Familie, stellte im 14. und 15. Jahrhun‐ dert Richter und nahm wiederholt auch das Amt des Bürgermeisters ein. Die Familie erwarb ihr Vermögen vor allem im hansischen Fernhandel.44 Else, die Witwe des herausragenden Schwerter Bürgers Gerwin Molderpas, hat 1467 ein Testament for‐ muliert, das auch einen Eindruck vom Reichtum der Familie vermittelt.45 Sie bedenkt zunächst ihre Enkel, die in Lifland leben (myne kinder kindere in Liffland, Hinrichs und Arndes kijndere) und offensichtlich im hansischen Ostseehandel tätig sind. An zweiter Position des Testaments folgen umfangreiche Stiftungen von Grundbesitz, unter anderem auch zum Bau der Pfarrkirche zu Schwerte (to tymmer … der hilligen kerken to Swerte), für deren Kirchengeleuchte und zugunsten der bedeklocken; die beste Kuh im Stall soll dem Altar St. Hubertus und St. Antonius zustehen. Umfangreichen Grundbesitz verwendet die Testarin zur Gründung einer Vikarie für das Seelenheil ihres verstorbenen Mannes und ihrer sowie ihrer Familie Seelenheil, aber auch für das Heil aller Seelen (… vor selicheit myns selgen hussheren und myne seile und aller seilen) an der Schwerter Pfarrkirche: Die Jahrtage der Stifterin und ihres Mannes sollen von dem anzustellenden Vikar feierlich mit Vigil, Commendatio und Messe begangen werden. Umfangreiches Vermögen wird für den Altar und die Unterhaltung des Vikars konzentriert; der Altar soll, wann immer möglich, einem Mitglied der Familie als Vikar übertragen werden. Diese Bestimmung wurde vorgenommen zum einen wohl, um die Versorgung eines Familienmitglieds zu sichern, zum anderen aber, da so das fürbittende Gedächtnis für die Seelen der Toten besser gesichert erschien. Bei dem reich fundierten Altar handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um den Altar, der im Raum unter dem Turm als Stiftung der Else Molderpas in anderem und späterem Zusammenhang erwähnt wird.46 An dritter Stelle des Testaments werden weitere Verfügungen zugunsten der Familie getroffen. Doch auch hier begegnet noch eine memoriale Stiftung: So haben Drudeke und Rotger, Nichte und Neffe der Testarin, für vermachten Grundbesitz zwei Malter Korn an die Kirche zu Bochum zu zahlen, damit dort für Else und Gerwin Molderpas auf ewig jährlich zu den Todestagen Seelenmessen gefeiert wer‐ den können. Nicht unwesentliche Vermögenswerte wurden also für das Seelenheil der Witwe und ihres verstorbenen Mannes aufgewandt; die erkennbare Streuung der Jenseitsvorsorge sollte vielleicht das Risiko des Vergessens nach dem Tod der
44 Im Einzelnen vergleiche ebd., S. 143f. 45 Geschichte der Stadt Bochum 3. Urkundenbuch. A. Mittelalter, bearb. von Darpe, Nr. 108. 46 Siehe Reininghaus, ‚Schwerte im Mittelalter und früher Neuzeit‘, S. 155.
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Testarin mindern, die Memoria sicherer gestalten, um die qualvolle Reinigungszeit im Fegefeuer zu verkürzen. Doch war es durchaus üblich, an all den Orten, die zu Lebzeiten intensiver berührt worden waren, als Verstorbener eine Bindung zu den Lebenden herzustellen. Zwei weitere Seelenstiftungen sind aus späteren Vorgängen rekonstruierbar: Hermann Pötken stattete 1518 die Vikarie St. Matthäus, Remigius und St. Maria Egyptiacae in St. Viktor aus. Unter anderem stiftete er Einkünfte von 38 Malter Getreide sowie 2 ½ Gulden und einen Garten; auch diese Vikarie sollte von männ‐ lichen Nachfahren des Stifters versehen werden.47 Die Familie Aldendorp stiftete den Bartholomäus-Altar und stattete die Vikarie mit einem Kapital von über 100 Reichstaler aus.48 Auch ausgewanderte Schwerter Bürger, dies lässt sich zumindest für vermögende Fernkaufleute feststellen, hielten nicht nur persönlichen Kontakt zu ihren Familien in der einstigen Heimat. Sie waren auch bemüht, über ihren Tod hinaus in das Ge‐ denken der lebenden Schwerter Bürger einbezogen zu werden. Ihre soziale Bindung zur Heimatstadt sollte also über den Tod hinaus beibehalten und gepflegt werden, um die Fürbitte der sozialen Gemeinschaft Schwertes für ihr Seelenheil zu sichern. Im Testament des Johann Viandt aus dem Jahre 1524 zum Beispiel, der nach Reval ausgewandert und dort offensichtlich zu immensem Reichtum gekommen war, wird zunächst die eigene Familie (Frau und Kinder) in Reval bedacht.49 Es folgen Stiftun‐ gen an Kirchen, Klöster, Armeneinrichtungen in Reval und der näheren Umgebung, aber auch im weiteren Ostseeraum, so vor allem in Dorpat, die im Testament mit insgesamt über 2000 Mark – einem wahren Vermögen also – bedacht werden. Zudem sind kleinere Testate für entferntere Familienangehörige in Schwerte und Iserlohn aufgeführt, vor allem aber springen zwei Stiftungen an geistliche Einrichtungen in Schwerte ins Auge: Das Heilig-Geist-Hospital wird mit 300 Mark, die Pfarrkirche St. Viktor mit 100 Mark bedacht. Ganz offensichtlich erkaufte sich Johann Viandt damit die Fürbitte für die Zeit der Reinigung seiner Seele im Jenseits in der einstigen Heimat, mit der er sich offensichtlich nach wie vor intensiv verbunden fühlte. Ganz ähnlich, wenn auch in bescheidenerer Form, stiftete 1494 Hinrick Balm, Bürger zu Reval, testamentarisch zugunsten des Heilig-Geist-Hospitals in Schwerte 3 Gulden; auch er wird ursprünglich aus Schwerte stammen.50 Der Bürger Hans Potgether zu Reval vermacht um 1505 testamentarisch unter anderem der Pfarrkirche zu Schwerte 20 Mark und einen Kleiderstoff für eine Messkasel im Wert von 10 Mark; darüber hinaus bedachte er das Heilig-Geist-Hospital in Schwerte mit demselben Kapital und ebenfalls einem Stoff für ein Messgewand im Wert von 10 Mark.51 Die Stiftung der Messgewänder hatte nach mittelalterlicher Vorstellung wohl das Ziel, die Seele des Verstorbenen in der Messliturgie zu vergegenwärtigen. Auffällig ist zudem, dass in allen Stiftungen sowohl die Armen des Schwerter Hospitals als auch 47 48 49 50 51
Ebd., S. 158. Ebd., S. 158. Revaler Regesten Band 3. Testamente Revaler Bürger und Einwohner, bearb. von Seeberg-Elverfeldt, Nr. 127. Ebd., Nr. 61. Ebd., Nr. 87.
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die Pfarrkirche der Bürger bedacht werden, um auch in Schwerte zwei wesentliche Elemente der Jenseitsvorsoge gewährleisten zu können. Mit der Stiftung des Johan Viandt und der beiden anderen einstigen Schwerter Bürger zugunsten der Schwerter Pfarrkirche St. Viktor, an deren Chor 1524 noch in‐ tensiv gebaut wurde, wird eine weitere Dimension der Jenseitsvorsorge deutlich: Das gesamte Großbauwerk wurde nicht von einzelnen oder gar der Kirche im Sinne der heutigen Amtskirche errichtetet. Es verdankte sich vielmehr der kollektiven Bemü‐ hung der Bürgergemeinde um die Zeit im Jenseits. Die Kirche, nach mittelalterlichem Verständnis der symbolische Ort des jenseitigen Paradieses, des himmlischen Jerusa‐ lem, spielte für die mittelalterliche Schwerter Stadtgemeinde eine erhebliche Rolle: Sobald die Gemeinde nach der Stadtrechtsverleihung 1397 zu Wohlstand gekommen war, wird man das Großbauwerk geplant haben – als solches ist es Ausdruck der Erlö‐ sungsvorstellung der Bürgergemeinde, wichtiges Element der genossenschaftlichen Jenseitsvorsorge, der Identität der Bürger, die sich als Sakralgemeinde verstand.52 Hier stifteten die vermögenden Bürger und der Niederadel zum Seelengedächtnis Vikarien; insgesamt dreizehn Vikarien sind an St. Viktor bislang ermittelt worden.53 Überhaupt – und auch das wird in der Schwerter Stadtgeschichte in Ansätzen deutlich – hatte das Mittelalter ein anderes Verständnis von sozialen Zusammenhän‐ gen. Anhand der im Gebet und in der Messliturgie hergestellten Gemeinschaft der lebenden und toten Familien und Bürger Schwertes wird eine von heutigen Denkfor‐ men unterschiedene Auffassung gesellschaftlichen Lebens deutlich. Soziale Gruppen hatten ein anderes Selbstverständnis, eine von heutigen Auffassungen durchaus un‐ terschiedene Selbstsicht: Nur wenn die Gemeinschaft der Lebenden und Toten her‐ gestellt wurde, eine Verbindung, die über die individuelle diesseitige Lebensperspek‐ tive hinaus einen Raum und Zeit überspannenden Zusammenhang schuf, wurde eine soziale Gruppe konstituiert. Leider setzt die schriftliche Überlieferung der Schwerter Zünfte erst nach der Reformation intensiver ein,54 so dass das hier Geäußerte nur Vermutung bleiben kann. Belegt sind für das Spätmittelalter in Schwerte jedoch immerhin einige Bruder‐ schaften, Zusammenschlüsse für die kollektive Jenseitsvorsorge. Dietrich Mankorn, eine der markanten Persönlichkeiten der Schwerter Geschichte des frühen 15. Jahr‐ hunderts,55 stiftete 1419 zusammen mit seiner Frau Beleke der Kalandsbruderschaft umfangreich, um in das Seelgedenken der Bruderschaft aufgenommen zu werden.56 Im Findbuchregest des Dortmunder Stadtarchivs, die Urkunde ist leider seit dem
52 Zur Selbstauffassung der mittelalterlichen Bürgergemeinde als Sakralgemeinde siehe Ehbrecht, ‚Die Stadt und ihre Heiligen‘. 53 Vergleiche Reininghaus, ‚Schwerte im Mittelalter und früher Neuzeit‘, S. 158, nach von Steinen, Westphälische Geschichte, S. 147. 54 Vergleiche Reininghaus, , Zünfte, Städte und Staat in der Grafschaft Mark, S. 203ff. Den Schwerter Zünften kam schon im Stadtrecht von 1397 eine bedeutende Position zu, denn zwölf Gildemeister aus den Gilden der Stadt, bestimmt vom Rat, wählten den Bürgermeister. Hierbei bildeten die Gildemeister eine Gesamtgilde, der Mitspracherecht in den kommunalen Angelegenheiten zustand. 55 Zu ihm siehe Reininghaus, ‚Schwerte im Mittelalter und früher Neuzeit‘, S. 142f. 56 Stadtarchiv Dortmund, Bestand 311, Nr. 44; die Urkunde ist seit dem Zweiten Weltkrieg verloren, so dass wir auf das Regest im archivischen Findbuch angewiesen sind.
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Zweiten Weltkrieg verloren, heißt es: Die Brüder der Schwerter Kalandsbruderschaft „nehmen Died(erik) Mankorn und seine Frau Beleke wegen größerer Seelspenden in ihre Bruderschaft auf“.57 Des Weiteren wird so viel aus dem Findbuchregest des Dort‐ munder Stadtarchivs deutlich: Der Kalandsbruderschaft gehörten Kleriker und Laien der Führungsschicht der Stadt und des Umlandes an.58 Die Bruderschaft hatte enge Verbindungen zum Heilig-Geist-Hospital, wenn sich die Mitglieder 1419 als gebrodere des hilges gestes und kalandsbroderscap to Swerte bezeichnen. Doch handelt es sich um etwas anderes als um eine Vereinigung, die an einen heutigen Rotary- oder Lions‐ club erinnern könnte. Der Zweck der Bruderschaft war nämlich vor allem religiös be‐ stimmt; das institutionalisierte Gedenken der verstorbenen Bruderschaftsmitglieder in regelmäßig erfolgenden Gottesdiensten stand auch bei den Kalandsbruderschaften im Vordergrund. Bei der Kalandsbruderschaft handelte es sich um eine Art kollektiver Jenseitsvorsorgeversicherung auf Basis der herausgehobenen sozialen Stellung ihrer Mitglieder, die sich in der Form dieser religiösen Bruderschaft selbstredend auch für die Außenwelt darstellten. Die Mitgliedschaft in dieser elitären Bruderschaft war sicherlich ein Mittel der Darstellung des sozialen Status, des Selbstbewusstseins, der Repräsentanz in der Öffentlichkeit der städtischen Gesellschaft. Zudem sind in Schwerte noch eine Liebfrauenbruderschaft und eine JohannesGilde überliefert, die wir in den Quellen aber nur in unscharfen Konturen ermitteln können.59 Für die Marienbruderschaft ist immerhin 1433 überliefert, dass ihr Bürger‐ meister Helmich Helweg vorstand. Er vereinbarte mit dem Priester an St. Viktor, dass die Priesterschaft der Kirche für die Schwestern und Brüder der Marienbruderschaft Messen lesen sollen in der Fastenzeit täglich am Abend, sodann an allen Sonntagen und an allen üblichen Festtagen des Kirchenjahres.60 Für die Johannes-Gilde wissen wir nur aus einer Stiftung aus dem Jahre 1506: Lambert und Lise Winter vermachten den Vorgängern der Gilde eine jährliche Rente von 3 Schilling, die vermutlich zu einer Seelenmesse in St. Viktor am Johannestag dienen sollte.61 Vielleicht können wir diese beiden Bruderschaften im Unterschied zum Kaland als sozial ungebundene, offene Bruderschaften wie in Dortmund die Nicolai- und Marienbruderschaft verste‐ hen, die allen Schwerter Einwohnern für die Jenseitsvorsorge offenstand.62 Fazit Die Jenseitsvorsorge des Spätmittelalters war also mehr als ein bloß liturgischspiritueller Anlass für das Handeln der Menschen – sie bestimmte das Denken
Stadtarchiv Dortmund, Bestand 311, Findbuch, Bl. 217r. Zur prosopographischen Analyse der Mitglieder vergleiche Reininghaus, ‚Die Schwerter Kalandsbruderschaft‘. Siehe hierzu ebd., S. 111 und Reininghaus, Schwerte (wie Anm. 5), S. 159. Reininghaus, ‚Schwerte im Mittelalter und früher Neuzeit‘, S. 159 (mit den Hinweisen auf weiterführende Literatur). 61 Stadtarchiv Schwerte U20: 1506. 62 Vergleiche die exemplarische Untersuchung der Dortmunder Nikolai-Bruderschaft von Güntürk, ‚Die Dortmunder Nikolai Bruderschaft‘. 57 58 59 60
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und auch das Handeln in anderer und weiter reichender Weise als heute. Die Un‐ tersuchung der Totenmemoria in den Städten der Grafschaft Mark, die hier nur an einigen ausgewählten Beispielen vorgenommen werden konnte, verdeutlicht die intensive Verschränkung der Religiosität des Mittelalters mit den unterschiedlichen Lebensbereichen, mit der Politik, der Wirtschaft, den sozialen Beziehungen in der Stadt und ihrem Umfeld. Die Städte waren Mittelpunkte der aufstrebenden Landesherrschaft der Grafen von der Mark. Die Verleihung der Stadtrechte an Hörde ging Hand in Hand mit der märkischen Gründung des Klosters Clarenberg; die neue Stadt wurde damit zu einem Zentrum der Memoria der Dynastenfamilie, die die Befähigung zur Adelsherrschaft nachhaltig unterstrich und legitimierte. Die Religiosität, die Sorge um die Memoria der Dynastie, wurde damit auch als ein Mittel der politischen Selbstdarstellung ge‐ nutzt. Die Selbstsicht und die Selbstdarstellung der Adelsdynastie erfordern Memoria im liturgischen Sinne – Memoria erhebt und konstituiert nach der Deutung des Mittelalters den Adel zum historischen Subjekt, untermauert und steigert die adelige Standesqualität. Ganz analog ließ sich dies auch für die Konzentration verschiedenster Rechte durch die Familie Sobbe in Schwerte feststellen; der Verdichtung der Herrschaft der Sobbes in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts folgte die religiöse Umsetzung durch die Stiftung des Hospitals zum Heiligen Geist und zahlreicher Vikarien an der Stadtpfarrkirche St. Viktor in Schwerte. Die Konzentration politischer Macht um Schwerte bedingte die Sorge um die Memoria, die als Demonstration der Macht, der Befähigung zur Ausübung von Herrschaft sowohl auf das Diesseits als auch das Jenseits bezogen war. Die Formulierung von Herrschaftsansprüchen über die Bürger zu Schwerte und die Sorge um die Memoria der Familie in Schwerte erscheinen von hier aus betrachtet als zwei Seiten einer Medaille, dem Auf- und Ausbau von Herrschaftsrechten durch die niederadelige Familie. Trotz der äußerst dürftigen Überlieferung ließen sich in der Folge des Aufblühens von Schwerte nach der Stadtrechtsverleihung von 1397 memoriale Handlungen der vermögenden Bürger der Stadt ausmachen. Heilsgeschichtliche Bezüge waren ein wichtiges Element der Identifikation und der Selbstvergewisserung einer mittelalterli‐ chen Bürgergemeinde. Ansätze ließen sich in der Viktorverehrung und dem Bau der Kirche St. Viktor durch die Bürger Schwertes zumindest erahnen. Die Auffassung von der Gegenwart der Toten, ihre Einbeziehung in das Leben der Gesellschaft, ja die gedachte und gelebte Gemeinschaft der Lebenden und Toten, all dies ließ sich für Schwerte im Leben der Bruderschaften, in den wenigen überlieferten memorialen Stiftungsurkunden der Bürger erkennen, wenn auch nur in zarten Andeutungen der kargen schriftlichen Quellen.
Memoria und Stadtgesellschaft
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Stadtkultur im spätmittelalterlichen Dortmund* Der Berswordt-Altar im Kontext spätmittelalterlicher Denk- und Handlungsformen
”Der Mensch des Mittelalters ist unser Vorläufer – und gleichzeitig ein Anderer, kein Fremder, aber eben ein Anderer, und muß daher in seiner unwiederholbaren Spezifik begriffen werden” – Aaron J. Gurjewitsch1
Das verborgene Dortmunder Mittelalter Dortmund während des Spätmittelalters führt uns – trotz des erheblichen Einbruchs der städtischen Entwicklung infolge der Überstrapazierung der städtischen Finanzen während der Großen Fehde 1388/1389 – eine Reichs- und Hansestadt auf dem Höhepunkt der Entwicklung von Macht und Wohlstand vor Augen.2 Dortmunder Kaufleute unterhielten regelrechte Handelsimperien, die sich von London über Brügge bis in den Ostseeraum erstreckten und Dortmunder Fernhandelsfamilien zu
* Erstpublikation in: Der Berswordt-Meister und die Dortmunder Malerei um 1400. Stadtkultur im Spätmittelalter. Veröffentlichungen des Stadtarchivs Dortmund 18, hrsg. von Thomas Schilp und Andrea Zupancic (Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 2002), S. 13-68 [Verzeichnis Nr. 73]. 1 Gurjewitsch, Das Individuum im europäischen Mittelalter, S. 307. 2 Zur Stadtentwicklung siehe den allgemeinen Überblick (mit entsprechenden Hinweisen auf die weiterführende Forschung) bei Schilp, ‚Die Reichsstadt 1250-1802‘ [Verzeichnis Nr. 30]; zur Großen Fehde, siehe Ders., ‚mit groter broderlicher und truwelicher eindracht‘ [Verzeichnis Nr. 104; hier Aufsatz 2]. Die grundlegende These der Dortmunder Stadtgeschichtsforschung, die für Jahrzehnte alle Forschungen über Dortmund im Spätmittelalter prägte und als gültige Tatsache angenommen wurde, Dortmund habe nach der Großen Fehde 1388/1389 einen Niedergang erlebt, sei in einen Zustand der Stagnation geraten oder ähnliches, geht auf Karl Rübel zurück: vgl. Rübel, Dortmunder Finanz- und Steuerwesen, S. 102. Rübel im Grundtenor folgte letztlich die große Dortmunder Stadtgeschichts-Forscherin Luise von Winterfeld, die in ihrer Geschichte der freien Reichs- und Hansestadt Dortmund das Kapitel über die Zeit nach 1388 als „Verfall und Nachblüte (1388-1520)“ betitelte. Allein die rege Bautätigkeit in der Stadt im beginnenden 15. Jahrhundert dagegen bezeugt eine nachhaltige Erholung der städtischen Wirtschaft, da von der Bürgerschaft z.B. mit dem Großbauwerk des Chorneubaus der Reinoldikirche belastende Großprojekte umgesetzt wurden (vgl. hierzu unter anderem Kirchhoff, ‚Die Dortmunder Große Fehde 1388/1389‘, S. 126f.; Michalak, ‚Dortmund an der Wende zum 15. Jahrhundert‘). Stadtgesellschaft und Memoria, ed. by Arnoud-Jan Bijsterveld, Meta Niederkorn & Annemarie Stauffer, Memoria and Remembrance practices, 3 (Turnhout: Brepols, 2023), pp. 113–188 10.1484/M.MEMO-EB.5.132322
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den wohlhabendsten Bürgerfamilien in Westfalen werden ließen. So sind etwa für die Familien Berswordt und Sudermann im 14. und 15. Jahrhundert umfangreiche Geschäftsaktivitäten in England und Flandern, aber auch in Lübeck und im gesamten Ostseeraum belegt.3 Dortmunder Kaufleuten war es sogar möglich, 1343 an der Spitze eines Konsortiums von Fernhändlern die im Kontext des Hundertjährigen Krieges Englands mit Frankreich verpfändete Königskrone Eduards III. für 45.000 Goldgulden – wahrhaft ein immenses Vermögen – auszulösen.4 Wir können uns die Welt der städtischen Führungsschicht des Spätmittelalters vorstellen als Welt des weitreichenden Handels, riskanter Kauffahrten und finanzieller Transaktionen, als Welt der Politik und des blendenden Reichtums, als eine Welt also, die ganz dem Diesseitigen zugewandt war. War in dieser Welt des Handels, des Gewinns und des Geschäfts überhaupt Platz für etwas ganz anderes, für das ‚gute Werk‘ im christlichen Sinne, Spielraum für Got‐ tesdienst und Gebet, für Stiftungen zugunsten der Armen oder für Messstiftungen? Da umfangreiche Zeugnisse im schriftlichen und kulturellen Vermächtnis des Mittel‐ alters überliefert und erhalten sind, werden wir diese Frage schnell positiv beantwor‐ ten, und genauer fragen müssen: Welche Bedeutung kam diesen Äußerungsformen der Religiosität des Mittelalters zu, wie können sie in ihrer Bedeutung im Alltagsleben in der spätmittelalterlichen Stadt Dortmund genau verortet werden, welche Dimen‐ sionen hatte dieses spirituell geprägte Denken und Handeln für die mittelalterlichen Menschen darüber hinaus und wie ist das Verhältnis zur wirtschaftlichen und sozialen Welt zu bestimmen?5 Nur wenig vom Glanz und bürgerlichen Selbstbewusstsein der mittelalterlichen Vergangenheit ist in Dortmund erhalten geblieben. Dafür ist die Geschichte der Stadt gekennzeichnet von zu vielen Brüchen, die heute den direkten Blick auf das Dortmunder Mittelalter erschweren.6 Nach kometenhaftem Aufstieg der Stadt im Mittelalter stagniert die Entwicklung im 17. und 18. Jahrhundert. Während des Drei‐ ßigjährigen Krieges war Dortmund als protestantische Stadt des katholischen Kaisers als Stadtherrn Gegner jeder konfessionellen Kriegspartei, so dass die Stadt besondere Kriegslasten zu erleiden hatte. Die Depression der kommunalen Entwicklung war so intensiv, dass Dortmund sich davon lange nicht erholen sollte. Von der mächtigen Reichs- und Hansestadt sank Dortmund gegen 1800 zu einem Ackerbürgerstädtchen herab, das Justus Gruner 1802 wie folgt beschrieb: Die Stadt ist, wie die meisten kleineren freien Reichsstädte, im Aeussern und Innern gleich sehr verwahrloset. Ihr Umfang ist bedeutend genug, weißt aber keine Merkwürdigkeiten, sondern nur schlecht gepflasterte Gassen, meistens alte Gebäude, viel Unreinlichkeit, und andere hässliche Polizeimängel, auf. 3 Vgl. Knippenberg, ‚Das Patriziergeschlecht der Berswordt und Dortmund‘, S. 39-46, sowie Meyer, ‚Die Sudermanns von Dortmund‘, S. 32-70. Dies gilt analog auch für die anderen Familien der Dortmunder Führungsschicht, die aber nicht in gleichem Umfang erforscht sind. 4 Vgl. hierzu ausführlich Luntowski, ‚Dortmund und die Hanse‘, S. 136ff. 5 Vgl. hierzu Schilp, ‚Zunft und Memoria‘ [hier Aufsatz 9], mit weiterführender Literatur. 6 Zur Problematik der Mittelalterrezeption in Dortmund siehe Schilp, ‚Städtische Identität durch Erinnerung‘ [Verzeichnis Nr. 52]; Ders. ‚11. August 1899: Kaiser Wilhelm II. in Dortmund‘ [hier Aufsatz 13].
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Sehenswerte öffentliche Einrichtungen habe ich durchaus nicht gefunden; und das Rathaus, das wegen seines gothischen Alters einen Besuch verdient, beherbergt zugleich in sehr elenden Gefängnissen die öffentlichen Verbrecher, welche man jedoch selten einsperrt […] sind über Dortmunds Gemeinwesen alle die gewöhnlich den kleineren Reichsstädten anklebenden Mängel und Gebrechen ausgegossen.7 Dieses abwertende Urteil über Dortmund als kleinstädtisch, verwahrlost und zurück‐ geblieben mag einseitig und überspitzt formuliert sein, die Übertreibung des späteren preußischen Staatsrates auch als literarisches Stilmittel dienen. Die Reaktion in West‐ falen, und nicht nur in Dortmund, über dieses Buch war einhellige Empörung ob der einseitigen Sichtweise von Justus Gruner. In die Empörung stimmte auch der Dortmunder Schriftsteller, Verleger und Pu‐ blizist Arnold Mallinckrodt (1768-1825) ein, der sonst so kritische Analytiker der Dortmunder Verhältnisse, der Gruner im Westfälischen Anzeiger vorwarf, auf einer flüchtigen Reise Westfalen und auch Dortmund ohne jede Lokalkenntnis ganz unwahr oder nur halbwahr beschrieben zu haben.8 Die Beurteilungen und Wertungen Gruners dürfen wir heute nicht unkritisch als historische Wirklichkeit annehmen. Aber den‐ noch hat der Autor in mancherlei Hinsicht offensichtlich ein weit verbreitetes Urteil der Zeitgenossen außerhalb Westfalens über den Zustand Dortmunds aufgegriffen – die Stadt hatte einen Großteil der ursprünglichen Bedeutung verloren und dümpelte wie ein Segelschiff in einer Flaute vor sich dahin. Industrie und Gewerbe stagnierten, die politische Verfassung war verknöchert und noch 1818 hatte Dortmund nur 4.289 Einwohner und war damit kleiner und unbedeutender als etwa Münster, Minden, Bielefeld, Paderborn, Herford, Iserlohn, Soest oder Hamm.9 Die Sozialstruktur der Stadt wandelte sich seit der Zeit um 1800 nur allmählich, aber unaufhaltsam; Schritt um Schritt wurde die einstige Elite der reichsstädtischen Zeit verdrängt, eine Entwicklung, die mit der um 1840 einsetzenden Industrialisie‐ rung von Stadt und Region in atemberaubendem Tempo voranschritt. Es verdoppelte sich z.B. zwischen 1849 und 1858 nicht nur die Bevölkerungszahl auf 22.099 Perso‐ nen (bis 1870 sollte sie auf knapp 40.000 Einwohner, bis 1914 – nach den ersten Eingemeindungen – auf über 250.000 Einwohner steigen), sondern die Stadt selbst wandelte sich jetzt in einem atemberaubenden Tempo auch zu einer Industriestadt mit vielen sozialen Strukturproblemen. In der bürgerlichen Elite mit ebenfalls um‐ fangreichem Zuzug führte dies zu Neuorientierungen: Nicht mehr Besinnung auf die vergangene reichsstädtische Geschichte war ein wesentliches Identitätsmuster, sondern wirtschaftlicher und technischer Fortschritt waren die fast ausschließlichen Faktoren des Bewusstseins und der städtischen Identität. Konjunkturelle Einbrüche und Krisen der Wirtschaft auf der einen, Wohnungsnot und Armut für die unteren Schichten auf der anderen Seite standen zwangsläufig im Vordergrund des Denkens
7 Gruner, Meine Wallfahrt zur Ruhe und Hoffnung, Teil 2, S. 370-371. 8 Westfälischer Anzeiger Band 10, Beilage 4; zu Mallinckrodt, Versuch über die Verfaßung, vgl. Luntowski, ‚Arnold Mallinckrodt (1768-1825)‘; Schambach, Stadtbürgertum und industrieller Umbruch. 9 Die Grafschaft Mark, hrsg. von Meister, S. 548.
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und Handelns des 19. Jahrhunderts. Der industrielle Charakter der Stadt wurde als dauerhafte neue Realität begriffen, der Charakter als einstige Reichsstadt war zu einer eher unbedeutenden Historie geworden. In diesem Zuge wurden die Überreste des Mittelalters in der Stadt als hemmende und retardierende Schranke verstanden und weitgehend beseitigt: Die Befestigungsanlagen, das Katharinen- und das Franzis‐ kanerkloster, die Nikolaikirche an der Wißstraße fielen binnen weniger Jahrzehnte dem Abbruchhammer vollständig zum Opfer; Bürgerhäuser wurden abgerissen und dem Zeitgeschmack entsprechend neu aufgebaut, das Rathaus, zurückreichend bis in das 13. Jahrhundert und eines der ältesten steinernen Rathäuser nördlich der Alpen, wurde dem schleichenden Zerfall überlassen. Nicht nur die äußere Gestalt Dortmunds aber hatte sich gewandelt, auch die Selbstsicht und Selbstdarstellung der Führungseliten und der Bevölkerung wurden erschüttert. Die Findung neuer Identi‐ täten der industriellen Großstadt über Industrie, wirtschaftlichen und technischen Fortschritt hinaus konnte für lange Zeit nicht Schritt halten. Die in Vergessenheit geratene Vergangenheit der mittelalterlichen Reichsstadt erlebte gleichsam über Nacht eine unerwartete Renaissance, als im wilhelminischen Historismus und vor allem in Erwartung des Besuchs Kaiser Wilhelms II. zur Einwei‐ hung des Dortmunder Hafens und des Dortmund-Ems-Kanals im Jahre 1899 die Anknüpfung des öffentlichen Bewusstseins an das ‚große und ruhmreiche Dortmun‐ der Mittelalter‘ zur conditio sine qua non der Selbstdarstellung der Industriestadt wurde.10 Plötzlich wurde versucht, die industrielle Großstadt mit all ihren sozialen und strukturellen Problemen romantisch zu überhöhen, indem man mit ideologisie‐ renden Symbolen des Mittelalters eine Verbindung zur Vergangenheit knüpfte. Ein neues Geschichtsbild wurde erstellt und als „historisch gesättigtes Identifikationsmu‐ ster“ angeboten, städtische Identität durch Erinnerung an das Mittelalter geprägt.11 In Windeseile wurde das durch einen barocken Giebel entstellte mittelalterliche Rathaus in historisierenden Bauformen als frühgotischer Bau wiederhergestellt. Dortmund schuf sich im Jahre 1899 mit einer historisierenden Stadtarchitektur – auch durch den Bau des Hafenamtes und des Stadthauses am heutigen Friedensplatz – ein vermeint‐ lich passenderes und besseres Image, ein neues Identitätsmuster. Darüber hinaus erstellte man zum Kaiserbesuch eine mittelalterliche Vergangenheit im Stadtbild in Form von Dachlatten, Leinwand und Pappmaché. Für den Zug des Kaisers durch Dortmund rekonstruierte man das Burgtor; der Marktplatz, auf dem von den alten Gebäuden nur mehr das wiederhergestellte Rathaus stand, wurde als mittelalterlicher Platz in Szene gesetzt, indem man die modernen Fassaden zum Teil hinter Fachwerk‐ verkleidungen aus Leinwand versteckte. Die gerade abgerissenen Architekturformen des Mittelalters wurden im Sinne der jetzt aktuellen historisierenden Identitätsmuster als Kulisse erzeugt, die zerstörte Vergangenheit, die gebrochene Identität in einer Welt des Scheins neu hergestellt. Durch diese Rezeption des Mittelalters wurde der Blick auf die städtische Vergangenheit eindimensional verengt, vereinseitigt; Werte
10 Vgl. hierzu Schilp, ‚Städtische Identität durch Erinnerung‘ [Verzeichnis Nr. 52], S. 48ff; Ders. ‚11. August 1899: Kaiser Wilhelm II. in Dortmund‘ [hier Aufsatz 13]. 11 Johanek, ‚Mittelalterliche Stadt und bürgerliches Geschichtsbild‘; Ders., ‚Stadtgeschichtsforschung‘, S. 92.
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der Gegenwart wie etwa ‚Gewerbefleiß und Bürgerstolz‘ wurden auf das Mittelalter übertragen und mit Symbolen des Mittelalters bebildert und mit der Bedeutung der Stadt im Alten Reich verbunden (Abb. 5.1 und 5.2). Wie dem zum Kaiserbesuch ge schaffenen und von Bürgern gestifteten Dortmunder Ratssilber anzumerken ist, ver einte man in unzulässiger Weise die Gegenwart mit dem Mittelalter – gerade dies lässt heute die frappierende Diskrepanz zwischen historisierender Scheinwelt und der Rea lität des städtischen Lebens erkennen.12 Das 19. Jahrhundert, nicht die Zerstörung durch den Zweiten Weltkrieg, hat die Überreste des mittelalterlichen Dortmund weitgehend beseitigt. Blicken wir auf die Deutungen der mittelalterlichen Stadt in Deutschland, wird der Eindruck der aus der jeweiligen Zeit geborenen Willkür des Umgangs mit der Stadt des Mittelalters noch deutlicher: Die Romantik hatte ein verklärendes Idyll des überschaubaren sozialen Umfelds der Stadt des Mittelalters erzeugt, wie es sich auch der heutige Alltagsver‐ stand und der internationale Massentourismus an den herausragenden Beispielen Ro‐ thenburg ob der Tauber oder Dinkelsbühl illustrieren. Das Idyll der mittelalterlichen Stadt hat auch heute noch einen Gegenpol, die Auffassung des Mittelalters als ‚dunkle Zeit‘. Auf der anderen Seite hatte, sozusagen als Gegenbewegung des Bürgertums zum wilhelminischen Historismus, die Schule des Soziologen Max Weber den Anfang der Moderne im Bürgertum der mittelalterlichen Stadt rekonstruiert, indem ganz zu Recht nachhaltig auf die Gleichheit der Bürger und den bewussten Zwang zum Konsens der Bürgergemeinde hingewiesen wurde. Umsicht ist also bei der Deutung der Überreste und Sachzeugnisse der mittelalter‐ lichen Vergangenheit Dortmunds geboten. Die wenigen Sachzeugnisse sollten behut‐ sam zum Sprechen gebracht werden, um sie als Zeugen der Entstehungszeit zu werten und zu interpretieren. Was an Sachzeugnissen vom Dortmunder Mittelalter erhalten blieb, sind neben den Kulturzeugnissen in der Form von Schriftgut, aufbewahrt heute vor allem im Stadtarchiv Dortmund, in der Hauptsache die Kirchen mit ihren Bil‐ dern und kunsthandwerklichen Schätzen von überregionaler Ausstrahlung. Sie sind Zeugen einer Vergangenheit, in der Dortmund und seine Bürger zu Reichtum und Wohlstand gelangt waren. In jüngster Zeit rücken die auf das Mittelalter zurückrei‐ chenden Kirchen Dortmunds mit ihren Kunstschätzen von überregionaler Bedeutung in den Vordergrund des öffentlichen Interesses. Als Zeugen der großen Zeit der Stadt werden sie zu Zeugen autochthoner Prägung, zu Dortmunder Erinnerungsorten, die häufig aber außerhalb Dortmunds größere Beachtung finden als vor Ort. Kollektive Erinnerung ist unabdingbarer Teil der Kultur der Gegenwart. In Deutschland wird es aufgrund des Nationalsozialismus und des Völkermordes von Deutschen im deutschen Namen noch immer häufig als eine Last empfunden, sich mit Vergangenheit auseinander zu setzen.13 Mag dies freilich auch dadurch bedingt sein, dass der Weg der Nationalstaatsbildung Deutschlands im Unterschied zu 12 Siehe zuletzt Schilp, ‚Städtische Identität durch Erinnerung‘ [Verzeichnis Nr. 52], passim. 13 So formulierte Assmann, Arbeit am nationalen Gedächtnis, S. 8, zitiert nach Deutsche Erinnerungsorte, hrsg. von François und Schulze, S. 10: „Der deutsche Sonderweg, der durch Hitler und die Folgen bestimmt ist, macht die Frage nach dem nationalen Gedächtnis in Deutschland ebenso unerquicklich wie notwendig. Auschwitz ist die nationale Katastrophe, die das kulturelle Gedächtnis der Deutschen gesprengt hat und sprengt.“
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Abb. 5.1: Bericht über den Besuch Kaiser Wilhelms II. in Dortmund, Gastbuch der Stadt Dortmund von 1899, fol. 10r, Dortmund Stadtarchiv (© Stadtarchiv Dortmund).
manchem Nachbarstaat problematisch und von anderen Identitäten überlagert gewe sen war und auch mit der Wiedervereinigung ein Sonderweg beschritten worden ist, so hat sich dies in den letzten Jahren gewandelt. Erinnerung wird in unserer Gegen wart wieder eher als Identität stiftende Kultur verstanden – und dies zunehmend auch vor Ort. Die dreibändige Publikation Deutsche Erinnerungsorte, die 2001 veröffentlicht wurde, stellt historische Ereignisse und Entwicklungen, herausragende Personen, his torisch bedeutsame Orte, Rituale, Monumente, Feindbilder, innere Divergenzen, Phänomene des Alltags usw. vor, kommemoriert also viele – durchaus auch sehr sub jektiv geprägte – verschiedene Bilder und Wertungen Deutschlands und definiert diese damit zum Teil überhaupt durch kritische Intention.14 Die Entwicklung vor Ort verlangt in der Zeit der strukturellen Krise der Wirtschaft und der tradierten sozialen
14 Deutsche Erinnerungsorte, hrsg. von François und Schulze.
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Abb. 5.2: Einband des Gastbuchs der Stadt Dortmund von 1899 mit Darstellung des Besuchs Kaiser Karls IV. 1377 und der Kaiserin Elisabeth 1378, Entwurf und Ausführung: Rudolf Mayer, Karlsruhe, Dortmund Stadtarchiv (© Stadtarchiv Dortmund).
Bezugsrahmen, in der Zeit des Wandels der Stadt, vernehmbar auch nach ‚Dortmun der Erinnerungsorten‘, nach historischen Bezugspunkten unterschiedlichster Art, wo bei dem Mittelalter deutlich erkennbar in der Öffentlichkeit verstärkte Bedeutung beigemessen wird, ohne dass dies bislang eine stärkere Förderung der Erforschung der mittelalterlichen Stadtkultur Dortmunds zur Folge hätte. Denk- und Lebenswelten des Mittelalters Dass unsere Vorstellung beschränkt bliebe, wenn wir unsere Überlegungen als Histo‐ riker allein auf die geschäftlichen Äußerungsformen des Lebens der Führungsschich‐ ten konzentrierten, das wird rasch evident, wenn wir tiefer in die Welt der mittelal‐ terlichen Stadt eindringen. Das Wesen bzw. der größte Teil dessen, was man mit der Stadtkultur des europäischen Mittelalters im ersten und oberflächlich bleibenden Zugriff nur vage umschreiben kann, bliebe verborgen. Diese spezifische städtische Kultur aus verschiedenen Blickwinkeln zu analysieren, ist Aufgabe und Ziel dieses Beitrags. Schon ein oberflächlicher Blick auf die schriftliche Überlieferung des Dortmunder Mittelalters zeigt, welch großer Raum in der Welt der Urkunden dem religiösen
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Leben zugekommen ist, wohlgemerkt in Urkunden, die das wirkliche Leben nur inso‐ fern erfassen, als es rechtserheblich geregelt werden sollte oder musste.15 Ein großer Teil der städtischen Urkunden des Dortmunder Mittelalters ist trotz aller in der Reformation eingetretenen Verluste den religiös veranlassten Stiftungen der Bürger im Rahmen ihrer Jenseitsvorsorge gewidmet, was schon auf den ersten Blick deutlich macht, dass religiös-spirituellen Intentionen im Mittelalter ein anderer Stellenwert zukam als dies für die Moderne festgestellt werden kann. Ganz aus dem Blickwinkel der Moderne urteilen wir bei oberflächlicher Betrach‐ tung nämlich leicht und äußerst vorschnell, sofern wir das Handeln der mittelalter‐ lichen Menschen dahingehend zu rekonstruieren versuchen, dass dem ‚wirklichen‘ Leben der Geschäfts- und Berufsfelder im privaten Bereich etwas anderes, die christ‐ liche Religiosität im fundamentalen Sinne gegenübersteht. Allzu leicht verharrt die Analyse in den modernen Denkmustern und Deutungsschemata, wenn unhistorisch die moderne Trennung von Religion und Staat, von christlichem Glauben und Welt als Bewertungsmaßstab auch der spätmittelalterlichen Stadtgesellschaft zugrunde ge‐ legt wird. Der christliche Glaube – oder ein anderes religiöses Bekenntnis bzw. NichtGlauben, Atheismus usw. – ist mit der Moderne eine Angelegenheit der Privatsphäre und wird neben Arbeit und Beruf im allgemeinen Bewusstsein eher dem Bereich der Freizeit zugeordnet. Die Denk- und Deutungsformen des Mittelalters sind hiervon grundsätzlich zu unterscheiden. Den nichtreligiösen Menschen gibt es aus gesellschaftlicher Sicht – der Erwartungshaltung der Gesellschaft – nicht. Seit langem beachtet ist etwa die Bedeutung des gemeinschaftlichen Mahles für die sozialen Gruppen in der spätmit‐ telalterlichen Stadt. Dem modernen Denken ist es in der konstitutiven Funktiona‐ lität für die Bildung, Selbstvergewisserung und Selbstsicht einer sozialen Gruppe weitgehend fremd. Angesichts der heutigen Aufteilung des Lebens in ‚Arbeit‘ und ‚Freizeit‘, erscheint uns die Gleichrangigkeit von Arbeit, Geselligkeit und Religiosität, die gegenseitige Durchdringung und Verschränkung dieser Aspekte im Alltagsleben mehr als äußerlich, ja das gemeinsame Mahl etwa von Zunftgenossen wirkt aus der Sicht der Moderne auf den ersten Blick eher atavistisch.16 Ebenso wird das im Spätmittelalter manifeste religiöse Denken und Handeln noch immer mit dem Attribut der ‚Volksfrömmigkeit‘ belegt, die vor der Reformation die Mentalität des ‚Volkes‘ ausgezeichnet habe. Hierbei ist der Begriff der Volksfrömmig‐ keit mehr als frag- und diskussionswürdig.17 Die Spiritualität und Frömmigkeit der mittelalterlichen Menschen wie auch des gesellschaftlichen Lebens kennt eine solche
15 Vgl. hierzu die exemplarisch zu verstehenden Untersuchungen in: Himmel, Hölle, Fegefeuer, hrsg. von Schilp [Verzeichnis Nr. 39], sowie hier auch den Beitrag von Fremer und Runde, ‚Datenbank „Jenseitsvorsorge in der spätmittelalterlichen Stadt Dortmund“‘, S. 26ff. 16 Siehe hierzu Schilp, ‚Zunft und Memoria‘ [hier Aufsatz 9], mit Hinweisen auf weiterführende Literatur. 17 Vgl. hierzu die kritische Bestandsaufnahme von Gerchow, ‚Volksreligion, Massenreligiosität oder Laienfrömmigkeit im Spätmittelalter?‘ (mit der wichtigsten Literatur) sowie zuvor von Schreiner, ‚Laienfrömmigkeit – Frömmigkeit von Eliten oder Frömmigkeit des Volkes?‘; vgl. auch die Untersuchung über die Bedeutung der Memoria für das Leben der mittelalterlichen Zunft von Schilp, ‚Zunft und Memoria‘ [hier Aufsatz 9].
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Differenzierung zwischen Klerus und Laien, zwischen Eliten und Laien nicht. Reli‐ giöse Praktiken wie Wallfahrt, Reliquienkult, Stiftungen, Bußopfer wurden von allen sozialen Gruppen und Schichten ausgeübt. Dualistische Erklärungsmodelle, in der Regel entstanden im Kontext kirchenpolitischer Diskussionen des 19. Jahrhunderts, vermögen die Dimensionen mittelalterlicher Religiosität nicht zu erfassen. Um diese Dimension mittelalterlicher Religiosität zu verdeutlichen, sei ein illu‐ strierendes Beispiel angeführt: Der Klerus einer Pfarrkirche z.B. war nach mittelalter‐ licher Auffassung gar nicht Empfänger einer Stiftung ad pias causas, sondern der heilige Patron der Kirche; mit diesem als Vertreter am Throne Gottes schloss der mittelalterliche Mensch einen Vertrag und nicht mit dem Pfarrer, wie dies auch Beispiele aus Dortmund deutlich erkennen lassen. So geht aus einer Urkunde aus dem Jahre 1281 etwa hervor, dass der Ritter Bernhard von Hörde den Hermann, genannt Unversagede, freigelassen und ihm und seiner Familie die Vogtei über Güter in Berghofen als Lehen übertragen habe. Hermann hat für die Freilassung und ein überlassenes Lehen dem heiligen Reinold einen jährlichen Zins zu zahlen.18 Nicht die Institution Reinoldikirche, nicht der Pfarrer der Reinoldikirche und seine Nachfolger, treten hier als urkundliche Vertragspartner und Zahlungsempfänger auf, sondern der heilige Reinoldus selbst. Der heilige Schutzpatron wurde hier ganz offensichtlich als Rechtssubjekt verstanden und behandelt. Nach mittelalterlicher Vorstellung endet die Rechtsfähigkeit einer Person im Unterschied zu heute auch nicht mit dem Tode. Die Heiligen griffen als Subjekte nach mittelalterlicher Vorstellung direkt in die Geschicke der Stadt ein.19 Der Dualismus zwischen Laien-Stiftern und Pfarrklerus greift nicht weit genug, ja konstruiert Unterschiede und Gegensätze der Frömmigkeit, die für die Wirklichkeit der mittelalterlichen Stadt in keiner Weise als angemessen erscheinen. Auch die Kate‐ gorie der Massenreligiosität, der Massenhaftigkeit und des Kollektivismus religiösen Handelns, gewonnen aus Phänomenen wie den Geißlerzügen des 14. Jahrhunderts, den Wallfahrten, Bruderschaften, Jubelablässen etc. des Spätmittelalters, gründet letztlich auf einem – oft unausgesprochenen - Dualismus, da sie einen modernen Begriff des Individualismus voraussetzt und die Bedeutung des Individuums im reli‐ giösen Denken und Handeln leugnet, wo es gerade auf Person und Individualität ankommt.20 Zunächst jedoch soll auf das ins Auge springende Phänomen der Selbstauffassung der mittelalterlichen Stadt als Sakralgemeinde hingewiesen werden; das einzelne Mitglied dieser Gemeinde verstand sich als Teil einer Allgemeinheit. In der Dort‐ munder Überlieferung des Mittelalters stoßen wir auf unzählige Belege für diese Erscheinung, die dem Verständnis der Moderne letztlich ebenfalls fremd erscheint. Die Stadt des deutschen Mittelalters ist in einer Resümierung der neueren Stadtge‐ schichtsforschung von Eberhard Isenmann als „eine Insel stadtbürgerlicher Freiheit 18 DUB, bearb. von Rübel, Ergänzungsband, Nr. 254. 19 Vgl. hierzu ausführlich die Beiträge in Die mittelalterliche Stadt und ihr heiliger Patron, hrsg von Schilp und Weifenbach [Verzeichnis Nr. 57]. 20 Dazu siehe die grundlegenden Arbeiten von Oexle, hier vor allem ‚Memoria in der Gesellschaft und in der Kultur des Mittelalters‘, S. 321ff. und Ders., ‚Memoria als Kultur‘, S. 48ff. Vgl. hierzu auch unten.
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und Gleichheit inmitten einer herrschaftlich geordneten, auf Bindung und Ungleich‐ heit ausgerichteten agrarisch feudalen Umwelt“ bezeichnet worden.21 Insbesondere der Begriff der Reichsstadt wird – auch bereits während des Mittelalters – allgemein verbunden mit der städtischen Freiheit, der weitgehenden Selbständigkeit und Selbst‐ verwaltung der Bürgergemeinde, mit einem genossenschaftlichen Gemeinwesen also, das auf den ersten Blick nicht so recht in die Vorstellung über das Mittelalter mit der Dominanz der Königs- und Adelsherrschaft, der Grundherrschaften religiöser Gemeinschaften und der feudalen politischen Strukturen zu passen scheint. Diese we‐ sentlichen Strukturelemente der agrarisch bestimmten Gesellschaft des Mittelalters beruhen allesamt auf der persönlichen Abhängigkeit des Untergebenen von einem Herrn. In der Stadt hingegen werden die Bürger grundsätzlich als Genossen gleichen Rechts betrachtet und behandelt, wie dies schon in dem ältesten königlichen Privileg des staufischen Königs Konrad III. für Dortmund aufscheint.22 Vor allem die Bischofs- und die Reichsstädte haben sich im 12. und 13. Jahrhun‐ dert aus den strukturellen Bindungen an den Herrn, den Bischof, den König oder eine führende Adelsfamilie, emanzipieren können und das bürgerlich geprägte Städ‐ tewesen zu einem bis dato ungeahnten Grad von Selbständigkeit erhoben. Dieser Prozess der Urbanisierung der europäischen Gesellschaft war von quantitativer, vor allem aber von „qualitativer Natur, [denn] …er brachte die Emanzipation der Städte von der stadtherrlichen Gewalt.“23 Mit der Bildung des Gremiums eines Stadtrates und mit der Übernahme des Stadtgerichts gelangten die Bürger als Korporation zu autonomem politischen Handeln und zu einer alle Lebensbereiche erfassenden und durchdringenden Selbstverwaltung der Stadtgemeinde. Diese Entwicklungen führten einerseits zu spezifischen Ausformungen des bürger‐ lichen Bewusstseins.24 In Dortmund bezeichneten die Ratsleute sich im Jahr 1260 als consules rempublicam Tremoniensem gubernantes, als die regierenden Räte des Gemeinwesens Dortmund.25 Es war selbstredend der Konkurrenz und dem Streit unterworfen, wer an diesem Ratsregiment teilhaben konnte, denn die Äußerung in 21 Isenmann, Die deutsche Stadt im Mittelalter 1150 - 1550, S. 17. Vorsicht ist zweifellos geboten, den modernen Begriff von Freiheit und Gleichheit, entstanden im Kontext der Französischen Revolution (1789), unhinterfragt und unkritisch auf die mittelalterliche Stadt zu übertragen (vgl. hierzu die Rezension von Heinz Thomas zu Frenz, Gleichheitsdenken in deutschen Städten des 12. bis 15. Jahrhunderts, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 15. September 2001). Das Urteil trifft insofern das Wesen der mittelalterlichen Stadt – und dies wird im Folgenden für Dortmund kurz zu zeigen versucht – als es auf die sozialen und politischen Grundstrukturen der Stadtgemeinde im Unterschied zum Lande abzielt. Insofern kann die Stadt des Mittelalters durchaus als eine Vorform der Moderne angesehen werden (vgl. hierzu unten sowie Schilp, ‚Die Stadt des europäischen Mittelalters‘ [Verzeichnis Nr. 79]). Zur politischen Entwicklung der reichsstädtischen Autonomie Dortmunds siehe im Einzelnen Schilp, ‚Consules rempublicam Tremoniensem gubernantes’ [Verzeichnis Nr. 35] und Ders., ,Königtum und Stadt‘ [Verzeichnis Nr. 42]. 22 Vgl. hierzu Schilp, ‚Consules rempublicam Tremoniensem gubernantes’ [Verzeichnis Nr. 35], S. 64ff. Von den Freiheits- und Gleichheitsrechten bleiben die Einwohner ohne Bürgerrecht, in der Regel der größte Teil der städtischen Bewohner, grundsätzlich ausgeschlossen; dies ist gegen jedwede Idealisierung oder Idyllisierung der mittelalterlichen Stadt festzuhalten. 23 Maschke, ‚Die deutschen Städte der Stauferzeit‘, S. 70. 24 Vgl. zum Folgenden Schilp, ‚Consules rempublicam Tremoniensem gubernantes’ [Verzeichnis Nr. 35], S. 101ff. mit weiteren Hinweisen auf Quellen und Literatur. 25 Dortmunder Statuten und Urtheile, bearb. von Frensdorff, S. 193 Beilage III; vgl. hierzu auch unten.
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dieser Urkunde geht auf die Forderung der handwerklichen Zünfte nach Partizipation am Ratsregiment zurück. Auch hatten die Bürger von Dortmund ein Bewusstsein um den Wert der reichsstädtischen politischen Autonomie entwickelt, wenn in den ältesten (1250-1254 niedergeschriebenen) Statuten selbstbewusst formuliert wird: De libertate oppidi nostri. Civitas nostra integraliter sita est in fundo sacri imperii, unde unusquisque possidet fundum et aream suam libere absque omni pensione et tributo („Von der Freiheit unserer Stadt: Unsere Stadt liegt insgesamt auf dem Boden des Heiligen Reichs; deshalb besitzt jeder seinen Grund und seine Hofstätte frei und ohne jeden Zins oder Abgabe“).26 Nur auf Befehl des Königs und nicht irgendeines Fürsten (alicuius principis) müsse die Stadt eine Kriegsbesatzung aufnehmen und nur auf den Befehl des Königs und nicht irgendeines Landesherren (alicuius domini terre) Kriegs‐ folge leisten, die Stadtbefestigungen dürften jedoch für städtische Belange eingesetzt werden.27 All dies belegt das Wissen der Stadtgemeinde Dortmunds um den Wert der reichsstädtischen Autonomie für das Leben der Bürgergemeinde wie der einzelnen Bürger bereits in der Mitte des 13. Jahrhunderts. Auf der anderen Seite, und dies soll hier stärker betont werden, ist dieser Prozess zur Entstehung der Dortmunder Bürgergemeinde nur in einem religiös-spirituellen Kontext zu verstehen. Schon das älteste Siegel der Stadt Dortmund, mit größter Wahrscheinlichkeit schon im 12. Jahrhundert entstanden, bringt in seinem Siegelbild mit der Darstellung steinerner Architekturelemente abstrahierend in Abbreviaturen das zur Geltung, was eine mittelalterliche Stadt schon äußerlich vom umgebenden Lande absetzte (siehe Abb. 1.1).28 Der Bedeutungsgehalt reichte aber zweifellos tie‐ fer, denn das Siegel vermischt in den verwendeten Motiven symbolhaft verschiedene Bedeutungsebenen; das Siegelbild löst sich auch bewusst von dem Versuch eines konkreten Abbildes der Stadt oder konkreter Elemente städtischer Architektur, wie dies die ältere Dortmunder Forschung irrig angenommen hatte. Das Stadtsiegel ist – und darauf beruhen die Überlegungen im Folgenden – zudem zu werten als ein sehr frühes Selbstzeugnis Dortmunds, da generell von einem engen Zusammenhang zwischen Siegelführer und Siegelbild auszugehen ist. Siegel, die Beglaubigungsmittel der mittelalterlichen Urkunden, sind zu Recht schon von Günter Bandmann 1951 als „Ort offizieller Symbolik“ bezeichnet worden.29 Mit dem Siegelbild strebte der Siegelführer, in unserem Fall die Stadtgemeinde Dortmunds, eine Aussage, eine Bot‐ schaft im Rahmen der Repräsentation nach außen an, der eine besondere Bedeutung zugemessen wurde, die die Stadt selbst darstellte und zur Geltung brachte.30 Das
26 Ebd., S. 33. 27 Ebd., S. 31. 28 Die in Abb. 1.1 abgebildete dritte Version unterscheidet sich ikonographisch kaum vom ersten Typ. Siehe zum Folgenden Schilp, ‚Sigillum Tremonie Civitatis Westfalie‘ [Verzeichnis Nr. 25], passim. Siehe auch Van Boxem, ‚Das Dortmunder Stadtsiegel‘, sowie Ehbrecht, ‚Überall ist Jerusalem‘, S. 182 (hier grundlegende Überlegungen zum Selbstverständnis der mittelalterlichen Stadt als Sakralgemeinschaft mit unzähligen Beispielen aus der vergleichenden Stadtgeschichtsforschung). 29 Bandmann, Mittelalterliche Architektur als Bedeutungsträger, S. 130. 30 Zum Stadtsiegel als Geschichtsquelle siehe grundlegend Diederich, Rheinische Städtesiegel.
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Dortmunder ‚Turmsiegel‘ ist insofern Träger einer ideologisierenden Selbstdarstel‐ lung. Das Siegelbild, nur mit geringen Änderungen sollte es für das große Stadtsiegel für feierliche Beurkundungen bis zum Ende des Alten Reiches Verwendung finden, zeigt in der Mitte einen gezinnten Wehrturm, davor einen Rundbau, der von einer Faltkup‐ pel mit Knaufabschluss bekrönt wird. Beidseitig des Turms schließen sich flügelartig aufgeklappt, schräg aufwärts gerichtete doppelgeschossige Architekturelemente an, die an Seitenfronten einer Basilika erinnern könnten. Die Faltkuppel mit Knaufab‐ schluss im Zentrum des Siegelbildes stellt eindeutig einen religiös-spirituellen Bezug her, denn diese Architekturform greift auf zeitgenössische Darstellungen der Jeru‐ salemer Grabkapelle zurück, die seit den Kreuzzügen verstärkt in Kirchenbauten, liturgischen Geräten und zeitgenössischen Darstellungen der heiligen Stadt Jerusalem begegnet. Die Faltkuppel begegnet genau in dieser Form in zeitgenössischen Jerusa‐ lemdarstellungen, so etwa in dem außergewöhnlichen Jerusalem-Plan eines Collectars aus Cambrai (Abb. 5.3), der aus der Mitte des 12. Jahrhunderts stammt und dort die Anastasis, die Grabeskirche der Kreuzfahrer über der Grabes- und Auferstehungs‐ kapelle kennzeichnet. Mit der Aufnahme der Grabeskapelle in das Dortmunder Siegelbild reklamiert man zweifellos das heilige Jerusalem, das Symbol der himmlischen Stadt, als Ideal für das Selbstverständnis des Lebens in der Dortmunder Bürgergemeinde. Der gezinnte Turm ist unschwer als Symbol der ummauerten Stadt auszumachen, der den Sonderbezirk Stadt vom Umland abgrenzte. Wilfried Ehbrecht hat aber mit voller Berechtigung darauf hingewiesen, dass dieser Turm in seiner Ausgestaltung „der Zitadelle neben dem Jaffator (curia regis, da damals noch Sitz des lateinischen Königs)“ in Jerusalem ähnele und daher durchaus auch als Jerusalem-Zitat verstanden worden sein könnte.31 Das flügelartig aufgeklappte Gebäude schließlich könnte eine Basilika zitieren, die im gesamten Mittelalter als vielschichtiges Symbol Verwendung fand, unter anderem für die Königsherrschaft und die sakral-spirituelle Auffassung der christlichen Gemeinde, die in der Basilika ihren Versammlungsort hatte. Die palasartige Gebäudeform könnte eine Anspielung an die Grundlage Dortmunds als Reichsstadt sein, die im 12. Jahrhundert noch Standort einer wichtigen Königspfalz war. Das Symbol wäre von den Zeitgenossen durchaus als Symbol für die Königsstadt Dortmund verstanden und die sakral-spirituell geprägte Symbolik der Herrschaft Kai‐ ser Friedrich Barbarossas auf die wichtige Reichsstadt Dortmund bezogen worden. Deutlich in der Überlieferung zu erkennen ist mithin das Selbstverständnis der Dortmunder Bürgergemeinde als sakraler Gemeinschaft. Die selbstbewusste Stadt‐ gesellschaft hat in dieser Form die Idee und Vision der heiligen Stadt Jerusalem nicht nur rezipiert, sondern sich selbst als Gemeinschaft in die Perspektive der Erlösung, auf den Weg zur Civitas Dei eingeordnet. Selbstredend orientierten sich neben städtischen Gesellschaften des Mittelalters auch andere, ja fast alle Gruppen an diesem Leitbild Jerusalem und dem Bild der heiligen Stadt. Erinnert sei hier vor allem an das Königtum Friedrich Barbarossa aufgrund der Zeitnähe zur Entstehung 31 Ehbrecht, ‚Überall ist Jerusalem‘, S. 182.
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Abb. 5.3: Karte Jerusalems mit der Anastasiskirche, Collectar Cambrai, um 1140-1170, Bibliothèque municipale Cambrai, Ms. 437, fol. 1r (© Wikimedia Commons).
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des Dortmunder Siegels, an die Bischöfe, an die Selbstdeutung des Herzogtums von Heinrich dem Löwen, usw.32 Doch ist auffällig, dass neben den religiösen Gemein schaften unter den Einungen vor allem die Bürgergemeinden sich unter dem Identifi kationsmuster der heiligen Stadt und der sakralen Gemeinde zusammenschlossen. Die städtische Freiheit und Autonomie wollten in der feindlich gesinnten feudalen Umwelt auch gerechtfertigt, in der christologisch geprägten mittelalterlichen Gesell schaft religiös legitimiert sein; die politische Freiheit der Stadt des Mittelalters war ohne religiös-spirituelle Begründung kaum denkbar. Wie in klösterlichen Gemein schaften des Mittelalters, diese im Unterschied zur Stadt aber aus der Welt durch Stif tung hervorgehend und in der spirituellen Ausrichtung sich von der Welt abwendend, passte die Vision der heiligen Stadt, das Selbstverständnis der Gemeinde im Sinne der Urkirche, der Bundescharakter, die Zukunftsvision der Civitas Dei zur Stadtgenossen schaft. So wurde die Gemeinschaft der Bürger und Einwohner Dortmunds immer wieder als sakrale Gemeinschaft hergestellt. Nirgendwo wird dies deutlicher als in der Ver‐ ehrung des heiligen Patrons der Stadt, des heiligen Reinoldus, der im Verständnis des Dortmunder Mittelalters als himmlischer Ritter in das Geschehen der Welt für seine Stadt eingriff, die Stadtgemeinde mit seiner jenseitigen militärischen Kraft gegen die Übergriffe der Adelsherrschaft vor allem der Grafen von der Mark und des Erzbischofs von Köln als Herzogs von Westfalen zu schützen wusste und auch am Throne Gottes die Stadtgemeinde vertrat.33 Die Exklusivität des Besitzes der Reliquien des Reinoldus stellte eine spezifische, ja individuelle Beziehung zwischen dem Heiligen und seiner Stadt her. Seit langem weiß man auch, dass die (verstorbenen) Heiligen im Mittelalter als Rechtssubjekte mit Rechts- und Handlungsfähigkeit, als geschäftsfähig angesehen wurden. Der Kult für die Toten war im Mittelalter daher eng mit dem Heiligenkult verbunden.34 Die Verehrung der Reliquien des heiligen Reinoldus in Dortmund, des Patrons der städtischen Hauptpfarrkirche und der Stadtgemeinde, das alltägliche Leben mit diesem Heiligen in der Stadt war im Sinne von Augustinus bereits ein Stück weit die Verwirklichung der Civitas Dei.35 Die Symbiose von Reinoldus und Dortmunder Bürgergemeinde, der Stadt als einer neuen Form des politischen und sozialen Lebens in der mittelalterlichen Gesellschaft, verteidigte den ‚Fremdkörper‘ 32 Ebd., passim. 33 Eine Zusammenstellung und Interpretation der Wirkungen Reinolds für das Schicksal und die Entwicklung Dortmunds, auch seines Handelns für die Stadt im Verständnis der mittelalterlichen Bürgergemeinde, siehe bei Schilp, ‚Reinoldus, unser stat overster patroen und beschermer‘ [Verzeichnis Nr. 58], passim. 34 Dies formulierte schon Von Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht 2, S. 526ff.: „Eigentliche Subjekte des Kirchenguts waren Gott und die Heiligen … jede einzelne Kirche aber mit ihrem Zubehör war das specielle Eigenthum eines Heiligen …“ (ebd. S. 527f.); freilich scheint Von Gierke dies ganz im Zeichen der Moderne als eine Folge rechtfertigenden instrumentellen Denkens betrachtet zu haben, wenn er schon zu Beginn seiner Überlegungen festhielt: „… so hatte die Kirche gute Gründe, eine Anschauung zu befördern, welche als Schutzmittel gegen jede Antastung des Kirchenguts und als Motiv seiner Vermehrung wirkte“ (ebd. S. 527). Vgl. zum Themenkomplex neuerdings Ehbrecht, ‚Die Stadt und ihre Heiligen‘, S. 196-261; für Dortmund siehe Behrens, ‚St. Reinoldus‘, S. 39ff. (hier auch die Hinweise auf die Literatur). 35 Vgl. hierzu zuletzt Die mittelalterliche Stadt und ihr heiliger Patron, hrsg von Schilp und Weifenbach [Verzeichnis Nr. 57], passim, mit den Angaben weiterführender Literatur; Ehbrecht, ‚Die Stadt und ihre Heiligen‘, S. 212ff.
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Stadt nicht nur gegen die feindliche Umwelt, sondern legitimierte Dortmund auch göttlich. Der Dortmunder Chronist und Dominikanermönch Johann Nederhoff hat hinsichtlich der Beziehung Dortmunds zu seinem Patron aus der Sicht des 15. Jahr hunderts entsprechend formuliert: „Wahrhaftig, durch die Gebeine der Heiligen wird eine Stadt geheiligt, die fromme Hingabe der Bürger gemehrt und die Stadt in Gefah ren verteidigt … Die Reichsstadt hat den Kaiser als irdischen Patron …, den heiligen Reinold aber als himmlischen Patron“.36 In diesem Funktionszusammenhang wurde der Stadtpatron zum himmlischen Ritter, der die Stadt Dortmund und ihre Freiheiten in den Unbilden der Realität gegen Anfeindungen verteidigt und Dortmunder Kaufleute auf ihren ausgedehnten Kauffahrten als Beschützer begleitet. Der Kölner Mönch und Märtyrer Reinoldus wurde in Dortmund fast ausschließlich als Ritterheiliger verehrt – und so begegnet er noch heute in überlebensgroßer Statue am Triumphbogen der Reinoldikirche, der städtischen Hauptpfarrkirche des Dortmunder Mittelalters (Abb. 5.4). In den Dank- und Bittprozessionen scharte sich die Stadtgemeinde um ihren Patron; die Gemeinde der Bürger wurde in diesen Prozessionen immer wieder neu konstituiert, die Stadtgemeinde, als Gemeinschaft aller, die in ihr wohnen, stellte sich als Kultein‐ heit mit dem heiligen Patron her.37 Die Stadtgemeinde vergewisserte sich in den Prozessionen unter dem Schutze von Reinoldus, ihres werdigen hovethern und patron, als Sakralgemeinde.38 Gebetsgedenken und Erinnerungskultur in der mittelalterlichen Stadt: Die Gemeinschaft der Lebenden und Toten Um die Bedeutung des Umgangs der mittelalterlichen Menschen mit dem Tod, die Furcht vor dem Sterben ohne Vorbereitung und das Verhältnis zwischen den Toten und den Lebenden in der Vorstellungswelt zu verstehen sowie den Wirkungen der Deutungsschemata auf das soziale Handeln nachzuspüren, wird zunächst auf die nachhaltige existentielle Bedrohung der europäischen Gesellschaft durch die Pest in der Mitte des 14. Jahrhunderts eingegangen. Die Pestkatastrophe des 14. Jahrhun‐ derts brachte die mittelalterliche Gesellschaft nämlich in unterschiedlicher Hinsicht regelrecht ins Wanken. Giovanni Boccaccio beginnt die berühmte Einleitung des Decamerone in „schmerzlicher Erinnerung an die todbringende Pest“ (la dolorosa ricordazione della pestifera) von 1348 und schildert hier detailliert nicht nur den Krankheitsverlauf, sondern als Augenzeuge auch die sozialen Folgen für die florentinische Stadtge‐
36 Des Dominicaners Jo. Nederhoff Cronica Tremoniensium, bearb. von Roese, S. 33f.: … imperiale oppidum imperatorem habens patronum in terris de imperatorum sangwine exortum sanctum habeat patronum in celis. 37 Ausführlich hierzu siehe zuletzt Schilp, ‚Reinoldus. Die mittelalterliche Stadt Dortmund und ihr heiliger Patron‘ [Verzeichnis Nr. 194]. 38 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 387.
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Abb. 5.4: Hl. Reinoldus, Dortmund, St. Reinoldi, Holzskulptur Anfang 14. Jahrhundert (© Foto: Rüdiger Glahs Dortmund).
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sellschaft.39 Die Pestkatastrophe ist in ihrer Wirkung „kollektiv; [sie] zerstört die Si gnaturen der Individualität“.40 Die Grausamkeit des Schwarzen Todes ließ in der Schilderung Boccaccios die Menschen verrohen – die Stadtgesellschaft bricht regel recht auseinander. Göttliche und menschliche Gesetze finden keinen Respekt mehr; natürliche soziale Bande werden zerrissen; bislang verschleierter Egoismus tritt unge bändigt zutage; Sittenlosigkeit, ungehindertes Amüsement, Trieb zu nackter Selbster haltung – all dies sprengt den Rahmen der Normen, die bisher städtisches Leben und bürgerliche Kultur bestimmten. Otto Gerhard Oexle hat in Anknüpfung an ältere Un tersuchungen von Margarete Zimmermann und Kurt Flasch verdeutlicht, wie Boccac cio in Erinnerung an die Pest und die Verkehrung der Lebensverhältnisse nicht nur die 100 Episoden entwickelt, sondern in der Gruppe der Novellen-Erzähler den Ent wurf einer anderen und neuen Form menschlichen Zusammenlebens entwirft, in dem Elemente des ‚Hauses‘, der Bruderschaft und der vita communis des Klosters zu etwas Neuem verschmelzen.41 Nachdrücklich gelingt Boccaccio die Schilderung, wie die Pest Ängste und Alp‐ träume der Überlebenden erzeugte, denn sie änderte das gewohnte System der sozia‐ len Handlungen.42 Manche Menschen versuchten, der Pest auszuweichen durch z.B. selbstgewählte Isolation, maßvolle Ernährung usw. Andere empfahlen und taten das schiere Gegenteil, lebten in Saus und Braus, in jeder Hinsicht zügellos. Interessant ist in der Schilderung Giovanni Boccaccios der Aspekt, auf den der zeitgenössische Autor nachhaltigen, vielleicht sogar den größten Wert legen wollte: Die Sprengung sozialer Zusammenhänge der Familie und von sozialen Gruppen. Dies wird anhand von zwei Phänomenen illustriert: Zum Ersten stellt Boccaccio fest, dass die Menschen sich allenthalben im Stich ließen – kein Nachbar kümmerte sich mehr um den anderen, ja selbst familiäre Bande lösten sich auf; man pflegte keine Kranken mehr, Eltern vernachlässigten angesichts der Bedrohung durch die Pest so‐ gar ihre Kinder und umgekehrt, Familienbeziehungen wurden aufgrund des Umgangs mit der Seuche oft beeinträchtigt oder völlig zerstört. Boccaccio verdeutlicht zum Zweiten das ganze als schrecklich empfundene Ausmaß dieser Entwurzelungen der florentinischen Stadtgesellschaft im Fortgang vor allem jedoch auch an einem weiter‐ gehenden Phänomen, das uns heute auf den ersten Blick vielleicht ungewöhnlich erscheinen mag. Er konzentriert seine Überlegungen auf den Umgang der Lebenden mit den Toten; die Beschreibung des Zusammenbruchs dieser tradierten Umgangs‐ formen nimmt sogar den breitesten Raum in der Schilderung der Folgen der Pest für die Stadtgesellschaft ein.43 Niemand kam mehr im Hause des Toten am Totenbett zusammen, um die Trauer der Angehörigen zu lindern und Fürbitten für die Seele des Verstorbenen zu leisten. Kleriker kamen nicht mehr an das Sterbebett, wodurch dem
39 Giovanni Boccacio, Poesie nach der Pest, übersetzt von Flasch, S. 208; vgl. zum Folgenden auch Schilp, ‚Pest und Judenpogrome‘ [Verzeichnis Nr. 68], S. 150ff. 40 Giovanni Boccacio, Poesie nach der Pest, übersetzt von Flasch, S. 71f. 41 Oexle, ‚Memoria als Kultur‘, S. 42f.; Zimmermann, ‚Krise‘, S. 141-155, und Giovanni Boccacio, Poesie nach der Pest, übersetzt von Flasch, S. 105ff. 42 Giovanni Boccacio, Poesie nach der Pest, übersetzt von Flasch, S. 223-233. 43 Ebd., Abschnitt 31-42.
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Sterbenden die Chance auf die letzte Beichte und Lossprechung, sowie der Empfang der Sakramente, verwehrt blieb. Niemand aus der sozialen Gruppe des Verstorbenen trug mehr den Sarg im feierlichen Trauerzug zum Ort des Begräbnisses. Je mehr die Pest tobte, desto mehr rückte die Gesellschaft von Gewohnheit und Tradition des Umgangs mit dem Tod ab. Die für das mittelalterliche Leben so zentrale Gemeinschaft der Lebenden und Toten, die grundlegend war auch für die Organisation sozialer Gruppen wie etwa der Zunft, der Familie, der Bruderschaften usw. in der Stadt, erschien durch die Pest gefährdet und dadurch das soziale Leben im Diesseits selbst. Eine Zunft etwa fühlte sich durch die Bedrohung der Pest auch auf diese Art und Weise gefährdet, in ihren innersten Werten infrage gestellt. Die Gruppe der Handwerker eines Gewerbezweigs verstand sich im Mittelalter als eine Gemeinschaft der lebenden und toten Mitglieder. Die Zunft stellte sich als Gruppe im Totengedenken immer wieder auch für das diesseitige Leben her – diese praktizierte Gemeinschaft der Toten und Lebenden war wichtig für das Selbstverständnis der Zunft. Je länger die Pest dauerte, desto mehr wurden die Toten vernachlässigt – am Schluss warf man sie einfach auf die Straße, um sie hier liegen zu lassen, bis sie entfernt wurden und von der Stadt in Massengräbern bestattet wurden. Boccaccio beklagt den liederlichen Umgang mit den Toten durch die Lebenden und die Kon‐ sequenzen der Missachtung von Jenseitsvorsorge und Totengedächtnis durch die Lebenden – die Schilderung dieser Phänomene illustriert für den mittelalterlichen Menschen die Bedeutung der Tradition, die Gefährdung und Bedrohung des Den‐ kens und Handelns, ja über die Gefahr des Verlusts des eigenen Lebens auch die Bedrohung des sozialen Lebens der Menschen durch die Pest. Dies können wir durchaus als ein wichtiges und wesentliches Phänomen der Krise des Denkens, Fühlens und Handelns der Menschen in der Mitte des 14. Jahrhunderts fassen. Interessant und typisch für die Vorstellungswelt der mittelalterlichen Menschen ist, wenn Boccaccio in seiner Schilderung den Umgang der Lebenden mit den Toten auf eine Stufe mit dem gestörten Sozialverhalten der Lebenden stellt, beide Phänomene als gleichrangig bewertet. Die Beschreibung und Analyse der Krisensituation der Pest bei Boccaccio jedenfalls zeigt nachhaltig, dass dem Umgang mit den Toten, dem Verhältnis der Lebenden zu den Toten im Mittelalter eine andere Bedeutung als heute zukam. Für den gläubigen Christen endet das Leben nicht mit dem Tod.44 Der physische Tod bedeutet für den mittelalterlichen Menschen im Unterschied zu heute nicht den Anfang eines neuen, völlig anderen Lebens; das Leben nach dem Tod wird vielmehr als eine Fortsetzung der im Diesseits begonnenen Existenz verstanden. In der Erwartung, am Jüngsten Tag mit Christus wieder aufzuerstehen und das ewige Heil zu erlangen, wurde der Todestag als dies natalis bezeichnet, als Tag der eigent‐ lichen Geburt. Für unsere Thematik interessant und bedeutsam erscheint es, dass
44 Zu den folgenden grob skizzierten Überlegungen vgl. Oexle, ‚Einleitung. Gegenwart der Toten‘, hier vor allem S. 21ff. Für den Bezug auf die Stadtgesellschaft siehe ausführlicher auch Schilp, ‚Tod und Jenseitsvorsorge im spätmittelalterlichen Dortmund‘ [Verzeichnis Nr. 40], mit Hinweisen auf weiterführende Literatur.
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die Vergegenwärtigung der Toten unter den Lebenden auf die Hilfe der Lebenden angewiesen bleibt. Daher soll an den Todestagen eines Individuums jährlich mit Vigi‐ lie und Messe für sein Seelenheil gesorgt werden. Dies erscheint unseren modernen Auffassungen vom Verhältnis von Leben und Tod, von Diesseits und Jenseits auf den ersten Blick zweifellos als befremdlich oder mutet uns sogar seltsam an. Diese Auffassung vom Tod impliziert eine ganze Reihe von Konsequenzen: Die Toten des Mittelalters blieben Personen im rechtlichen Sinn, während der Tod nach heutigem Verständnis ja die Rechtsfähigkeit des Menschen beendet. Als diese Rechtssubjekte waren die Verstorbenen nach wie vor Subjekte von Beziehungen der menschlichen Gesellschaft: sie konnten vor Gericht verklagt werden oder als Kläger in Erscheinung treten, mit Toten wurden im Mittelalter auch Verträge geschlossen.45 Es ist zu fragen, welche Auffassungen hinter einer solchen Kultur der Erinnerung und des Gedenkens des Mittelalters verborgen sind, wie die Stiftungen der Bürger zugunsten der Kirchen und Klöster eigentlich verstanden werden können, wie man solche und ähnliche Phänomene des Denkens und Handelns plausibel erklären und in ihren Konsequenzen deuten kann. Über den Tod hinaus müssen die sozialen Bindungen gerettet und aktiviert werden, die Toten bedürfen des Gedenkens, der Memoria, durch die Lebenden, um nicht der Vergessenheit und damit einer kaum zu ermessenden, langen Leidenszeit im jenseitigen Fegefeuer anheim zu fallen. In diese Gemeinschaft der Lebenden mit den Toten werden die Heiligen als Vertreter der Diesseitigen am Throne Gottes einbezogen. Das Spezifikum der mittelalterlichen Jenseitsvorstellung ist die konstitutive Ver‐ knüpfung von Diesseits und Jenseits im Denken und Handeln. Nach mittelalterlicher Auffassung reicht die Gemeinschaft mit den Lebenden über den Tod hinaus; dies führt zu einer vielfältigen Gedächtniskultur, die im Lauf des Mittelalters stetigen Wandlungen unterworfen ist. Die Möglichkeit der Hilfe aus dem Diesseits in das Jenseits ist vor allem durch das Gebet und das Messopfer zu gewähren. Die Toten sind auf diese memoriale Hilfe angewiesen – sie selbst können nichts mehr tun, um ihre Vergehen im Diesseits auszugleichen. Die Gemeinschaft der Lebenden und Toten wurde aus diesen Gründen auch zu einem wesentlichen Element der Bildung sozialer Gruppen in der mittelalterlichen Stadtgesellschaft. Der Mediävist Arno Borst hat aus der Perspektive des mittelalterlichen Umgangs mit dem Sterben und den Toten diesen Sachverhalt provozierend umschrieben, als er feststellte, dass „keine Klasse der heutigen Gesellschaft so rücksichtslos unterdrückt“ werde wie die Toten.46 Diese Erscheinung der Moderne wird – im Übrigen oft unbewusst und sicherlich mit der Gefahr von Idyllisierungen – mit der angeblich heileren Welt der Vergangenheit verglichen. Die Menschen erlebten den Tod trotz aller Trauer und allem Schmerz der Hinterbliebenen vorbereitet und innerhalb einer Gemeinschaft bewusst, ja verstanden ihn im christlichen Sinne durchaus als Krönung
45 Siehe hierzu bereits Brunner, ‚Die Klage mit dem toten Mann‘, sowie Schreuer, Das Recht der Toten. 46 Borst, Mönche am Bodensee, S. 17; Oexle, ‚Einleitung. Gegenwart der Toten‘, S. 21, hat dies sogar noch dahingehend präzisieren können, „dass die Toten in der modernen Gesellschaft nicht einmal mehr eine unterdrückte Klasse sind; sie sind nämlich, im radikalen Sinne, nichts mehr“.
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des diesseitigen Lebens, der den Übergang zum ewigen Heil im jenseitigen Leben ermöglichte. Die Kennzeichnung der Moderne des schnellen, überraschenden Todes als ‚schönem‘ Tod war dem mittelalterlichen Denken in dieser Form jedenfalls fremd, da er unvorbereitet eintrat. Im Mittelalter, das durch die Totenmemoria von einer in beide Richtungen begehbaren Brücke zwischen Jenseits und Diesseits ausging, fand der Tod daher auch nicht im Verborgenen statt, er war vielmehr in der Idealität christlicher Lebens- und Heilsvorstellung gleichsam ein öffentliches Ereignis. Auf der Reise ins Jenseits wurde der Sterbende von Verwandten, Freunden und Klerikern begleitet, eine Gemeinschaft, die über den individuellen Tod hinaus Bestand haben sollte und immer wieder hergestellt werden musste. Dem heutigen Tabuthema Tod und Sterben, so ist unschwer zu erkennen, kam im mittelalterlichen Leben und Denken also ein gänzlich anderer Stellenwert zu. Dem katholischen Glauben heute sind Seelenmessen nicht unbekannt. Was das Mittelalter aber von heutigen Vorstellungen unterscheidet, ist die besondere Form der Sorge um die Zeit nach dem Tode, die das Jenseits in die diesseitige Welt ein‐ bindet. Diese Verschmelzung führte zu sozialem, wirtschaftlichem, auch zu künstleri‐ schem Handeln. Es ist zu fragen: Welche Auffassungen standen hinter den immensen Stiftungen der Bürger des Mittelalters zugunsten der Klöster und Kirchen, wie waren die Armenstiftungen (Hospital, Gasthaus, Leprosenhaus, um nur die wichtigsten zu nennen) motiviert? Wie und in welchem Maße setzten sich diese Denkformen im Handeln der Bürger, aber auch der unteren Schichten, der sozialen Gruppen in der Stadt um? Das Gebetsgedenken in all seinen Ausformungen, und damit wesentliche Aspekte der Gedächtnis- und Erinnerungskultur des Mittelalters, hat den Ausgangspunkt, die Toten nicht der Vergessenheit anheim fallen zu lassen, denn die irdischen Verfehlun‐ gen der Sünder müssen gesühnt und ausgeglichen werden – der Verstorbene selbst kann für die Sühne im Jenseits ja nichts mehr tun. Jedem mittelalterlichen Menschen, je nach seinen wirtschaftlichen und sozialen Möglichkeiten in unterschiedlicher Weise, war es daher ein zentrales Anliegen, schon im Diesseits für die Vergegenwärti‐ gung seiner Seele unter den Lebenden, seine Memoria, Sorge zu tragen. Das Gebets‐ gedenken begann im Frühmittelalter zunächst durch religiöse Gemeinschaften, denn die Klöster und Stifte gingen ja in der Regel selbst auf eine Stiftung zurück, die memo‐ riale Intentionen verfolgte. Die Memorialverpflichtung wurde durch das Gedenken in der Liturgie der Gemeinschaft erfüllt. Die mündliche Nennung des Namens eines Verstorbenen während der Eucharistiefeier oder im kollektiven Gebet evozierte das Individuum; die konkrete Person war damit nach mittelalterlicher Vorstellung im Diesseits präsent. Schon bald führte das zur Verschriftlichung des Totengedenkens, eine Verschriftlichung, die gerade die Individualität des zu Gedenkenden zum Pro‐ gramm erhob, denn es war die konkrete Person, die nicht vergessen werden und durch die diesseitige Vergegenwärtigung Hilfe erhalten sollte. Die Namen der zu ge‐ denkenden Toten wurden bald in Bücher eingetragen, die bezeichnenderweise nicht nur libri memoriales, sondern auch libri vitae, Gedenkbücher bzw. Bücher des Lebens, genannt wurden. Solche Bücher des Lebens, die z.B. in den Klöstern St. Gallen, Reichenau oder in der Frauengemeinschaft Remiremont im Elsass im 9. Jahrhundert
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auf Eintragungen von bis zu 40.000 Namen von Verstorbenen anwachsen konnten, wurden in der Regel zur Vergegenwärtigung der Toten in der Messliturgie auf den Al‐ tar gelegt. Daher trat seit dem 10. Jahrhundert verstärkt das Totenbuch, das Nekrolog zur Seite, ein Buch, das die Namen der Toten, dem Kirchenjahr folgend, kalendarisch zu ihrem Sterbetag erfasste, um zur rechten Zeit die Memoria der konkreten Person liturgisch zu begehen. Jeder war so im Früh- und Hochmittelalter auf die Gemeinschaft der Lebenden angewiesen und musste zugleich selbst für seine Memoria Sorge tragen. In dieser Zeit war die Jenseitsvorsorge weitgehend auf die sozialen und politischen Eliten konzentriert, vor allem auf die Königsfamilie, führende Adelssippen und auch auf den führenden Klerus, in der Form der Gebetsverbrüderung auch auf die Mitglieder der religiösen Gemeinschaften untereinander, wie (bei den festzustellenden Ausnahmen, etwa der namentlichen Aufnahme der kompletten familia eines Klosters mit allen Abhängigen) ein Blick in die libri vitae oder die Nekrologe zeigt. Eine Verbreiterung dieser auf der Gemeinschaft der Lebenden und Toten beru‐ henden Gedächtniskultur, der Kultur der Memoria, erlebten die Äußerungsformen mit der Urbanisierung Europas seit dem 12. Jahrhundert. In den Städten setzten nach der Erringung der politischen Autonomie durch die Bürgergemeinden neue Formen der Memoria ein, zum Teil auf die überkommenen Vorbilder der adligen Lebenswelt zurückgreifend und diese imitierend, zum Teil aber auch neue Wege beschreitend: die Stadt selbst verstand sich als Sakralgemeinde, als Allgemeinheit. Dieser Weg soll im Folgenden nachgezeichnet werden, in dem Bewusstsein, dass im Kontext der Memoria ein gewichtiger Teil der spezifischen Kultur des spätmittelalterlichen Bürgertums entstand. Für Dortmund lassen sich die ersten bürgerlichen Stiftungen zur Totenmemoria in der urkundlichen Überlieferung seit der Mitte des 13. Jahrhunderts feststellen; die urkundliche Überlieferung setzt zunächst zögernd ein, um im Lauf des 14. Jahrhunderts kontinuierlich anzusteigen.47 Wahrscheinlich gab es auch ältere Bürger‐ stiftungen im Kontext der Kirchenbauten oder der Ausstattung des Hospitals zum Heiligen Geist, das 1269 erstmals genannt ist, die aber keinen schriftlichen Nieder‐ schlag fanden, oder die entsprechende Schriftlichkeit muss als verloren gelten.48 Die Auswertung der kontinuierlich ansteigenden Überlieferung für Dortmund ist freilich in den Möglichkeiten der Bewertung durchaus problematisch, da die Archive der Stadtkirchen und der städtischen Armenstiftungen, vor allem Hospital, Gasthaus, Leprosenhaus, Almosenschüsseln, nicht oder weniger als fragmentarisch erhalten sind; nur punktuell und oft zufällig werden wir also in Dortmund über Stiftungen und Schenkungen ad pias causas in Kenntnis gesetzt.
47 Vgl. hierzu im Einzelnen Schilp, ‚Tod und Jenseitsvorsorge im spätmittelalterlichen Dortmund‘ [Verzeichnis Nr. 40], S. 21ff. 48 Siehe Kleemann, ‚Die Neuordnung des Heiliggeist-Hospitals‘, S. 136f.
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Die Lehre vom Fegefeuer Nach dem berühmten Buch von Jacques Le Goff Die Geburt des Fegefeuers hatten Pa‐ riser Frühscholastiker um 1170/1180 eine völlig neue Jenseitsgeographie entworfen und eine Verortung christlicher Jenseitsvorstellungen vorgenommen, die der Realität der neu entstandenen und entstehenden Stadtgesellschaften eher entsprochen hätte als der tradierte Dualismus von Himmel und Hölle.49 Das binäre System von Gut und Böse sei mit der Schaffung des Fegefeuers als eines dritten jenseitigen Ortes zur Rei‐ nigung der Seele zu einer dreifach gegliederten Topographie fortentwickelt worden. Nach Jacques Le Goff habe dies eher den neuen sozialen Realitäten entsprochen und dem wachsenden Selbstbewusstsein der Stadtbürger Rechnung getragen: Die soziale Funktion des jenseitigen Fegefeuers nämlich habe darin bestanden, bislang nach theologischen Vorstellungen der Verdammnis anheimfallenden Berufen wie dem des gewinnorientierten Kaufmanns oder Geldhändlers eine Perspektive für den Weg zum ewigen Heil einzuräumen. Zu Recht ist dagegen eingewandt worden, vor allem von Arnold Angenendt, dass die Vorstellung vom jenseitigen Reinigungsfeuer als einer Läuterung zwischen Tod und Jüngstem Gericht wesentlich älter und auch der Begriff des Fegefeuers oder purgatorium schon bei Gregor von Tours im 7. Jahrhundert nachzuweisen sei.50 Auch sei es ein alter theologischer Lehrsatz gewesen, dass Sünde und Sühne sich notwen‐ digerweise entsprechen müssten. Die Vorstellung des vergeltenden Gottes sei vor allem schon für die frühmittelalterliche Tarifbuße bestimmend gewesen, während die scholastische Bußtheologie seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert zu einer Theologie der Barmherzigkeit Gottes neigte, die schließlich entgegen der von Le Goff betonten comptabilité de l’au-delà zu einer Aufhebung des rechnerischen Proporzdenkens bei den Mystikern des 14. Jahrhunderts geführt habe. Trotz der zum Teil durchaus berechtigten Einwände und Relativierungen sind ei‐ nige der Hauptthesen von Jacques Le Goff ernsthaft kaum zu bestreiten. Die Systema‐ tisierung der Lehre vom Fegefeuer im Rahmen der frühscholastischen Bußtheologie ist unverkennbar; sie bewirkte im Übrigen relativ rasch einen tiefen Einschnitt im Denken und Fühlen der Menschen; wir können dies vor allem in den sich bildenden und wachsenden Städten feststellen. Das Fegefeuer änderte dabei nicht nur die Einstellung der Menschen zum Leben nach dem Tod, sondern hatte Auswirkungen vor allem auf das diesseitige Denken und Handeln der Menschen. Die Theologie predigte nicht mehr allein eine Vertröstung auf das Jenseits, sondern setzt diese jetzt verstärkt mit richtigem Verhalten im diesseitigen Leben in Beziehung. Nach der Meinung des Regularkanonikers und berühmten Theologen seiner Zeit Jakob von Vitry (um 1160-1240) ist das Fegefeuer in Analogie zum irdischen Elend der ‚Sterbenden‘ (terra morientium) und zur Glorie des zukünftigen Reiches der
49 Le Goff, La naissance du purgatoire; Ders., Geburt des Fegefeuers. Zum Folgenden vgl. auch Wehrli-Johns, ‚„Tuo daz guote und lâ daz übele“: Das Fegefeuer als Sozialidee‘; sowie Schilp, ‚Tod und Jenseitsvorsorge im spätmittelalterlichen Dortmund‘ [Verzeichnis Nr. 40], S. 16ff. 50 Angenendt, ‚Rezension von J. Le Goff, Die Geburt des Fegefeuers‘.
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‚Lebenden‘ (terra viventium) zu einem Aufenthaltsort für Büßer geworden, wobei das Jenseits dreigeteilt ist in Hölle, Vorhölle (Limbus) und Fegefeuer: Das Land der Lebenden mit Christus in der Herrlichkeit, sodann das Land der Sterbenden im diesseitigen Elend.51 Das Land der Toten (terra mortuorum) schließlich besteht aus der Hölle, in der sich alle in der ‚Finsternis der Todsünde‘ Verstorbenen befinden; in der Vorhölle (in limbo inferni) halten sich die Kinder auf, die ungetauft mit der Erbsünde behaftet sind; im Fegefeuer hingegen sind alle Christen, die als Büßer im Diesseits ihre Buße nicht vollbracht haben. Mit dem Fegefeuer ist in den um 1226 niedergeschriebenen Überlegungen des Jakob von Vitry also die Buße im diesseitigen „Land der Sterbenden“, im Land des irdischen Elends verknüpft. Das Fegefeuer als Ort der Reinigung der Seele wurde im 13. Jahrhundert neben Himmel, Limbus und Hölle als Ort definiert, an dem die See‐ len eine Zeit der Läuterung durchliefen, bis die Buße für die im Diesseits begangenen Sünden geleistet war.52 Noch im 13. Jahrhundert fand das Fegefeuer Eingang in die Seelsorge des gesamten christlichen Abendlandes. Die Kirche ließ damit die Idee des dritten jenseitigen Ortes zwischen Himmel und Hölle, zwischen den ganz Guten und den ganz Schlechten, also für die meisten Seelen der Christenheit, „aus den theologi‐ schen Höhen in die Niederungen der täglichen Lehre, in die seelsorgerische Praxis, herabsteigen“.53 Wie ein Blick auf die theologische Literatur des 13. Jahrhunderts, die Predigtsammlungen, Traktate, Visionsberichte usw., schon bei einem oberflächlichen Blick zeigt, hatte die Verbreitung der Vorstellungen über das Fegefeuer einen raschen und kaum nachzuvollziehenden Erfolg.54 Nur ein weiteres Beispiel sei hier angeführt: Heinrich Seuse (1295-1366) hat sich wiederholt in seinen Schriften den Kontext von Fegefeuerlehre und Bußpraxis zum Gegenstand gewählt; im Dialog zwischen der ewigen Weisheit und einem Diener lässt Seuse die ewige Weisheit ausführen: Wie sollte nun ein großer Sünder, der vielleicht mehr als hundert Todsünden begangen hat und nach der Schrift für jede sieben Jahre büßen müßte oder die ungeleistete Buße in dem heißen Feuerofen des furchtbaren Fegefeuers abzuleisten hätte, ja, wann sollte die arme Seele ihre Buße zu Ende gebracht haben, wann ihr langes Ach und Weh verstummen? Wie würde es ihr doch gar zu lange! Sieh, diese Zeit der Buße und Besserung hat ihr mein unschuldiges ehrwürdiges Leiden verkürzt. Sie kann sehr wohl in den edlen Schatz meines verdienten Lohnes greifen und daraus für sich entnehmen. Und sollte sie tausend
51 Longère, ‚Un sermon inédit de Jacques de Vitry‘, S. 39f.: Primus sermo defunctorum:… De multiplici terra et multiplici loco animarum: Est enim terra uiuentium, terra morientium, terra mortuorum. Terra uiuentium cum Christo in Gloria; terra morientium in hac presenti miseria. Terra autem mortuorum triplex: quidam in inferno, alii in inferni limbo, tertii in purgatorio. In inferno sunt qui mortui sunt in Egypto, id est in tenebrosis mortalium peccatorum. In purgatorio sunt qui mortui sunt in deserto, id est penitentes, non dum peracta penitentia. In limbo inferni sunt qui mortui sunt quasi in confinio Egypti et deserti, id est paruuli, qui mortui sunt tantum in originali peccato. 52 Die erste päpstliche Definition des Fegefeuers stammt von 1254, die mit dem zweiten Konzil von Lyon (1274) zum Dogma, sozusagen amtlich wurde; siehe hierzu Le Goff, Geburt des Fegefeuers, S. 343ff. 53 Le Goff, Geburt des Fegefeuers, S. 350. 54 Siehe die unzähligen Beispiele ebd., S. 351ff.
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Jahre im Fegefeuer brennen, so hat sie in kurzer Zeit Schuld und Buße abgelegt, so dass sie ohne Fegefeuer zur ewigen Freude gelangt.55 Es ist hier kaum der Ort, auf alle Konsequenzen und Folgen der Fegefeuerlehre für die Vorstellungswelt des Mittelalters, die Mentalität, das Denken und Fühlen, das Handeln der mittelalterlichen Menschen näher einzugehen. Eine Beschränkung auf einige wesentlich erscheinende Aspekte, die in den Quellen vor allem bezüglich der Modifikationen des Totengedenkens beobachtet wurden, muss im Folgenden genü‐ gen. Zunächst drückte sich die Faszination der neuen Jenseitstopographie mit dem Fegefeuer in zwei entgegengesetzte Richtungen aus. Zum einen erhielt das Fegefeuer aufgrund der reinigenden, läuternden Wirkung auf die von Sünden belasteten Seelen den Charakter der Hoffnung, die Perspektive nämlich, durch die Buße im Jenseits doch zum ewigen Heil gelangen zu können. Auf der anderen Seite wird das Fegefeuer mit der Qual der Reinigung der Seele im Feuer, mit der Nähe zur Höllenqual, zu einem Ort, der dem Christenmenschen des Mittelalters Angst einflößte. Eines der herausragenden literarischen Zeugnisse des europäischen Mittelalters, La Divina Commedia – Die göttliche Komödie – von Dante, ist nur etwas mehr als einhundert Jahre nach dem Bauplan der neuen Jenseitsgeographie in den Jahren 1302 bis 1321 geschrieben worden.56 Das Purgatorium Dantes besteht aus sieben sich zu einem Gipfel verjüngenden Kreisen. In diesen Kreisen reinigt sich die Seele von ihren sieben Todsünden: Hochmut, Neid, Zorn, Trägheit, Geiz, Schlemmerei und Wollust. Auf dem Gipfel betreten Dante und sein Begleiter Vergil das Paradies. Das Fegefeuer, eingefügt in die Trias Hölle, Fegefeuer und Paradies, hat bei Dante also eine eindeutige Richtung, die Erlösung der Seelen im Paradies nach der Reinigung; es hat seinen Ausgangspunkt auf der Erde und es führt letztlich zur Erlösung. Der Weg durch das Fegefeuer ist ein Weg der Läuterung, wobei die individuelle Reinigung bei Dante auf dreifache Art erfolgt. Durch körperliche Strafen, durch Meditation über die zu tilgende Sünde und die ihr entgegengesetzte Tugend und schließlich durch das Gebet.57 Im Purgatorium Dantes steigen die Seelen allmählich auf, die Leiden und Qualen werden mit dem Aufstieg geringer, das Fegefeuer also wird nicht als statischer Zustand, sondern als Prozess zur Erlösung verstanden. Insofern ist bei Dante das Prinzip der Hoffnung mit dem Fegefeuer verbunden. Konstitutiv für die Reinigung im Fegefeuer ist vor allem aber die Hilfe der Le‐ benden; die Fürbitte für die Verstorbenen ist von wesentlicher Bedeutung für den Fortschritt bei der Reinigung der Seelen. Tote im Fegefeuer bitten so wiederholt Dante, bei seiner Rückkehr ins Diesseits vor allem Verwandte zu grüßen und um
55 Heinrich Seuse, Deutsche mystische Schriften, bearb. von Hofmann, S. 263. Die ewige Weisheit fährt später fort: 1. Ein Mensch soll mit Reue im Herzen oft und bekümmert seine großen und häufigen Fehltritte erwägen, mit denen er so offensichtlich seinen himmlischen Vater erzürnt hat. 2. Und danach soll er für nichts achten die Werke seiner eigenen Besserung, denn die sind gegen einen Sünder wie ein Tröpflein Wasser gegen das tiefe Meer. 3. Sodann soll er freudig die unermessliche Größe meiner Buße bedenken … und doch zieht jeder Mensch nur so viel Gutmachung an sich, wie er sich durch Mitleiden mir angleicht. … (Ebd. S. 263f.). 56 Benutzt wurde die Ausgabe von Dante Alighieri, Die göttliche Komödie, bearb. und übersetzt von Gmelin. 57 Siehe z.B. Dante Alighieri, Die göttliche Komödie. 2. Der Läuterungsberg, bearb. und übersetzt von Gmelin, Erster Gesang, 4-6: e canterò di quel secondo regno, dove l’umano spirito si purga, e di salire al ciel diventa degno.
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das Gebet für die Linderung der Sündenstrafen im Fegefeuer zu bitten. Noch im Vorfegefeuer bittet z.B. der staufische Erbe Manfred den wandernden Dante, seine Tochter Constanze zu grüßen, ihr von seinem Stand zu berichten, da sie ja glauben könnte, er sei wegen seiner Exkommunikation verdammt: „Denn die Diesseitigen können den Seelen viel helfen“.58 Der einst verräterisch ermordete Jacopo del Cassero fordert Dante inständig auf, seine Bitte mit nach Fano zu nehmen: Drum will ich, der ich vor den andren spreche, Dich bitten, kommst du jemals zu dem Lande, Das von [dem Reiche] Karls bis zur Romagna reichet, Du mögest mir mit deinen Bitten helfen, In Fano, dass man dort gut für mich bete, Um auszutilgen meine schweren Sünden.59 Resümierend berichtet Dante auch von den Seelen, Die baten, andre möchten für sie beten, Um schneller zu der Seligkeit zu gelangen.60 Dante verdeutlicht damit, dass das Fegefeuer nicht nur Ort und Raum ist, sondern auch die Dimension der Zeit in sich trägt, der Zeit nämlich, die man im Fegefeuer verharren muss, bis die Läuterung der Seele durch Buße, Gebet, Reue und Meditation erfolgt. Um nur noch ein weiteres Beispiel aus der Schilderung des Purgatorio von Dante anzuführen, das aus anderer Perspektive berichtet: Die Sieneserin Sapia hatte zu spät auf Erden Reue gezeigt, doch kam ihr der Landsmann Pier Pettignano, ein Franziskanertertiar, zu Hilfe: Den Frieden suchte ich mit Gott am letzten Tag meines Lebens; doch wäre meine Sünde Noch nicht durch meine Buße abgetragen, Wenn nicht geschehen wär, dass mein gedachte Pier Pettignano in heiligen Gebeten, Weil er mit meinem Lose Mitleid hatte.61 Eine weitere Dimension ist damit in der literarischen Jenseitsreise Dantes angedeutet: Das richtige Verhalten auf Erden, die Reue und Buße für begangene Sünden bereits im Diesseits, rückt mit dem Ort des Fegefeuers in den Vordergrund. Es gilt ja, die Straf- und Bußzeit im Fegefeuer, die an Höllenqualen erinnernde Leidenszeit so
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Ebd., Dritter Gesang, 145. Ebd., Fünfter Gesang, 68-72. Ebd., Sechster Gesang, 25-27. Ebd., Dreizehnter Gesang, 124-129.
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kurz wie möglich zu halten. Die diesseitigen Bußopfer, die versäumt worden waren, können durch die noch Lebenden nachgeholt werden (Abb. 5.5). Insofern änderte die Fegefeuerlehre nachhaltig die Praxis in der irdischen Welt: Tuo daz guote und lâ daz übele … daz vegefiur ist ze einem dinge guot, wan ez überhebet der helle. Buoze ûf ertriche ist ze zwein dingen guot: ez überhebet helle und vegefiures („Tue das Gute und lass das Üble … das Fegefeuer ist zu einem Dinge gut, denn es befreit von der Hölle. Buße auf Erden ist zu zwei Dingen gut: Sie befreit von Hölle und Fegefeuer“), so predigte der Franziskaner Berthold von Regensburg um 1250.62 Das Fegefeuer kann insofern auch als Konsequenz eines neuen Bußbegriffs verstanden werden: Jede Sünde verlängert die zu erwartende Reinigungszeit im Fegefeuer, wobei die Angst vor der anwachsenden Strafzeit Bußakte im Diesseits bedingte. Das Fegefeuer ist kein unbestimmter Zustand der Läuterung mehr, den die Seele durchschreiten muss, dieser besteht vielmehr in Beziehung zum Leben des Menschen auf Erden und kann durch die Gemeinschaft der Lebenden und Toten im Bußopfer gefördert werden. Die Bußopfer selbst werden etwa auch von Jakob von Vitry direkt auf die Leidenszeit der Seelen im Fegefeuer bezogen. Den Toten im Fegefeuer nämlich – so führt er aus – sind äußerst nützlich: die Zelebration von Messen, Almosen und andere gute Werke wie das Gebet, Pilgerreisen oder andere Bußopfer (Abb. 5.5). Er fügt hinzu, dass auf diese Weise die Sünden getilgt werden.63 Gerade auf die Jenseitsvorsorge vor allem in der Stadt, das Totengedenken und auch den Totendienst hatte die neue Bußtheologie nachhaltige Wirkungen.64 Die tradierten Formen des Totengedenkens dienten der Fürbitte um Vergebung der Sündenschuld und der Unterstützung des Sünders im Bußgeschehen. Die Sündenver‐ gebung durch den Priester war abhängig von der erbrachten Bußleistung in Abhängig‐ keit von der Schwere des Vergehens. Diese Bußauffassung entsprach dem seit dem 6. Jahrhundert bekannten System der Tarifbuße, die nach der Beichte vom Priester dem reuigen Bekenner auferlegt wird. Mit dem Fegefeuer änderte sich der Bußbegriff, da an diesem Ort der Büßer nach der Vergebung der Schuld die Bußstrafen erleiden musste, die er zu Lebzeiten nicht hatte abbüßen können. Hierbei konnten ihm die Lebenden durch stellvertretende Buße zu Hilfe kommen in Form von Almosen, guten Werken, Gebet, durch Messen oder durch Bußnachlass im jenseitigen Fegefeuer per Ablass, den die Kirche gewähren konnte. Aus der mit dem Fegefeuer verbundenen zwiespältigen Haltung der mittelalterlichen Menschen zwischen Angst vor der Bußund Leidenszeit im Fegefeuer und der mit ihm verbundenen Hoffnung auf Erlösung entstand ein komplexes System der Jenseitsvorsorge, das jeden Gläubigen verpflich‐ tete, nach seinen Möglichkeiten für die Zeit im Fegefeuer vorzusorgen. Dies führte zu individuellen Strategien der Buße im Diesseits: Wallfahrten oder Pilgerreisen, Eintritt in ein Kloster vor dem Tode, mildtätige Stiftungen zugunsten 62 Berthold von Regensburg, Vollständige Ausgabe seiner Predigten, bearb. von Pfeiffer, 1, S. 9. 63 Longère, ‚Un sermon inédit de Jacques de Vitry‘, S. 41: Quod sunt illa que prosunt defunctis in purgatorio: Missarum igitur celebratio, elemosine et alia opera misericordie, orationes, peregrinationes et alia opera penitentie, defunctis qui in purgatoriio sunt, dum pro ipsis fiunt, ualde prosunt. Sancta enim et salubris est cogitatio pro defunctis exorare et alia opera bona facere, ut a peccatis solvantur. 64 Vgl., auch zum Folgenden, Wehrli-Johns, ‚„Tuo daz guote und lâ daz übele“: Fegefeuer als Soziallehre‘, S. 50ff.
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Abb. 5.5: Fürbittende Nonnen: Die Seelen der verstorbenen Nonnen im Fegefeuer sind auf das Gebetsgedenken der Lebenden angewiesen. Memorialbuch des Weiße-Frauen-Klosters in Köln, 15. Jahrhundert, Historisches Archiv der Stadt Köln, Köln (© Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln rba_c009605).
der Bedürftigen, Messstiftungen, Fürbitten der Hinterbliebenen, um nur wesentliche Möglichkeiten zu nennen, wurden zu Etappen auf dem Weg zum ewigen Heil, die man über den eigenen Tod hinaus erwerben konnte. Man versuchte jetzt auch, zu rechnen und Buch zu führen, zu kalkulieren, wie viel Zeit im Fegefeuer in Relation zwischen den Sünden und der Buße bzw. den Fürbitten der Hinterbliebenen bzw. den nach der Reue erworbenen Ablässen im Fegefeuer zu verbringen wäre, Fragen der mittelalterlichen Menschen, auf die niemand eine Antwort zu geben vermochte; die Antworten vermittelten vielmehr völlig unterschiedliche Vorstellungen der zu verbü ßenden Fegefeuer-Zeit. Exaktheit konnte nur verbal vorgegeben werden. All dies führte zu Intensivierungen der Bußformen und der Angebote zur Jenseitsvorsorge auf der einen und zu Verunsicherungen der Gläubigen auf der anderen Seite. Die irdische Zeit mit den begangenen Sünden wurde in der Vorstellung in ein Verhältnis gesetzt zur Strafzeit im Fegefeuer, ein Verhältnis, das nicht nur durch die bekannten Exzesse des Ablasswesens instrumentalisiert wurde. Bußopfer konnte man käuflich erwerben,
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etwa durch Messstiftungen, Almosenstiftungen, etc.65 Sünde, Bußleistungen jedweder Art: Reue, Stiftung und Almosen, Eucharistiefeier oder Ablass wurden berechnend auf die Zeit im jenseitigen Fegefeuer bezogen, Linderungen der jenseitigen Sünden strafen erkauft und die Reise der Seele durch das Jenseits kaufmännisch berechnet. Hoffnung und Angst vor der jenseitigen Strafzeit im Fegefeuer ließen die Stiftun‐ gen in der mittelalterlichen Stadt mit den neuen Möglichkeiten ins nahezu Uner‐ messliche ansteigen, das Fegefeuer selbst wurde als leidensvoller Weg zur Erlösung verstanden. Das Gebetsgedenken und die Nennung des Namens eines Verstorbenen in der Messliturgie des Früh- und Hochmittelalters wurde weiterentwickelt; jeder Bewohner der Stadt, Bürger wie Einwohner ohne Bürgerrecht, sorgte für die Zeit im jenseitigen Fegefeuer vor. Jenseitsvorsorge in der spätmittelalterlichen Stadt Im Folgenden sollen anhand der Dortmunder Überlieferung, aber auch einiger weiterer Zeugnisse aus anderen Städten, die beiden wesentlichen Bußformen des Spätmittelalters untersucht werden – die Messstiftung und das Almosen. Hierbei wird zunächst auf genossenschaftliche Handlungen vor allem der handwerklichen Zünfte, aber auch sonstiger Bruderschaften, ferner auf Stiftungen der Familien der städti‐ schen Führungsschichten eingegangen.66 Im ersten analytischen Schritt ist auf die spirituell-liturgischen Funktionen dieser Stiftungen im Rahmen der Jenseitsvorsorge und auf ihre unterschiedlichen Ausprägungen und Formen in der Stadt einzugehen; damit werden die vorherrschenden Deutungsschemata, der common sense des Mittel‐ alters hinsichtlich der Notwendigkeit der Gemeinschaft der Lebenden und Toten erfasst. Im Anschluss daran sind jeweils weitere Funktionen und Bedeutungen dieser Handlungen für das Leben in der mittelalterlichen Stadt zu thematisieren. Hierbei ist die Polyfunktionalität der mittelalterlichen Memoria zu bedenken, die der histori‐ schen Forschung immer wieder Schwierigkeiten bereitet hat.67 Insbesondere ist an die Bedeutungsebenen bei der Bildung sozialer Gruppen, der Demonstration und Re‐ präsentation sozialer Positionen, an die Konstituierung einer städtisch-bürgerlichen Öffentlichkeit und politische Funktionen zu denken. Schätze sollten nach der christlichen Vorstellung des Mittelalters nicht auf Erden, sondern im Himmel angelegt werden. Der Glaube an Christus allein reichte dazu nicht aus, das Gute Werk im Sinne sozialen Handelns war gefordert: Die sechs Werke der Barmherzigkeit entscheiden nach Matthäus (25, 35-40) über den Weg im Jenseits, es sind die Almosen für den Hungernden, den Durstigen, den Fremden, den Nackten, den Kranken und den Gefangenen. Das Neue Testament hat in Abgrenzung zur antiken Welt der Armut einen besonderen Stellenwert eingeräumt und dies wird bereits mit der Wertschätzung der sechs Werke der Barmherzigkeit bei Matthäus
65 Siehe hierzu ausführlich Angenendt, Offertorium. Das mittelalterliche Meẞopfer. 66 Siehe hierzu den Beitrag von Klug, ‚Nicht nur ein Schatz im Himmelreich‘. 67 Vgl. hierzu Oexle, ‚Memoria als Kultur‘, S.48ff., und Fremer, ‚Die Essener Äbtissin Theophanu‘, S. 11f.
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deutlich.68 Das Neue Testament beinhaltet durchaus radikale Verurteilungen des Reichtums und eine Hochschätzung von Armut und Arbeit. Die Gaben für die Not‐ leidenden gelten eigentlich Christus; sie wurden daher als sündentilgend betrachtet. Voraussetzung für die persönliche Jüngerschaft Christi war die persönliche Armut; die Armen wurden in Anknüpfung an das Neue Testament als Vertreter Christi und der Toten im Diesseits verstanden. Gaben der Lebenden an die Armen bewirkten die Gegengabe des Armen in der Form des Gebets oder der Teilnahme am Gottesdienst. Auf die Frage eines Jünglings, was zu tun sei, um das ewige Leben zu erlangen, antwortet Jesus im Matthäus-Evangelium (Mt. 19, 16-24): „…gehe hin, verkaufe alles, was du hast und gib es Armen, so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben.“ Als der reiche Jüngling sich abwendet, weil er gar so viele Reichtümer besitzt, spricht Christus zu den Jüngern: „Wahrlich ich sage euch, es ist schwer, dass ein Reicher ins Himmelreich eingehe. … Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher in das Himmelreich eingehe.“ Hier tat sich dem wohlhabenden Bürger, der an seinem Eigentum und Besitz klammernd festhielt, eine bedrohliche Welt auf, eine so bedrohliche Perspektive, dass das Almosen in der Nachfolge Christi jedenfalls zum festen Bestandteil des städtischen Lebens wurde. Als Empfänger der Gabe des Reichen begegnet aber auch schon früh Christus selbst, dem von hieraus ein Teil des persönlichen Erbes der Wohlhabenden zustand. Kirchliche Institutionen fungierten sozusagen als Treuhänder dieser Almosen für Christus auf Erden. Das Christentum kannte im Übrigen ursprünglich für jede Kirche eigentlich nur einen Altar für die Feier der Eucharistie der Gemeinde – die Altar-Mensa wurde daher im Sinne der Eucharistiefeier Jesus Christus als Salva‐ tor mundi geweiht.69 Nebenaltäre, an denen in der Gemeinde-Öffentlichkeit privat fundierte Messen zelebriert wurden, waren zunächst aufgrund der Betonung des Gemeindegedankens des früheren Christentums nicht statthaft; sie kommen aber schon früh auf, um im Rahmen der Liturgie einer Ortskirche die Örtlichkeiten Jerusa‐ lems oder der heiligen Stadt Rom nachzuempfinden.70 Nebenaltäre werden schon bald für die Feier einer missa specialis genutzt, worunter in Abgrenzung zur missa publica eine Messe verstanden wird, die für einzelne Personen oder für besondere Anliegen gefeiert wurde. Es „kann nicht verwundern, dass die Sondermessen bald die höchste Wertschätzung erfuhren, schien es doch, als könne die … Gnadenwirkung der Messe gezielt auf Einzelne gelenkt werden, statt sich auf die große Zahl einer Gemeinde zu verteilen. Die ungeschmälerte Gnade einer Messfeier aber war dadurch zu erlangen, dass man für die Zelebration die notwendige oblatio darbrachte oder besser noch stiftete. An der letzten Sicherheit, die Messgnade zu erlangen, fehlte dann
68 Zum Folgenden siehe Oexle, ‚Armut, Armutsbegriff und Armenfürsorge im Mittelalter‘, und Wollasch, ‚Gemeinschaftsbewußtsein und soziale Leistung im Mittelalter‘. Vgl. auch zu den Dortmunder Almosenschüsseln: Klug, ‚„Ad mensam pauperum pertinentia“‘. 69 Vgl. hierzu Angenendt, ‚Missa specialis‘, S. 153-221; Ders., Offertorium. Das mittelalterliche Meẞopfer, S. 132-133, sowie Fremer, Äbtissin Theophanu und das Stift Essen, S. 111ff. am Beispiel der memorialen Stiftungsurkunde der Essener Äbtissin Theophanu um 1050. 70 Siehe hierzu exemplarisch für die Münsterkirche des mittelalterlichen Frauenstifts Essen die Untersuchung von Bärsch, ‚Die Essener Münsterkirche‘.
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nur noch die vertragliche Bindung der zelebrierenden Priester oder der beschenkten Kommunität. Diese mussten sich deswegen bei Annahme der Gaben oder Stiftungen verpflichten, die Spezialmessen auch wirklich zu feiern. Indem dann solche Abspra‐ chen im Austausch mit Geld vereinbart wurden, geschah tatsächlich nichts anderes als ein Sich-Einkaufen in die Messgnade“.71 Im früheren Mittelalter war die Armenfürsorge bei den religiösen Gemeinschaften und den Bischofssitzen konzentriert. Die Gaben der Gläubigen mussten jedoch nicht unbedingt für die Armen verwendet werden, sondern auch für die Förderung des Kultus, den Bau und die Ausstattung von Kirchen. In Testamenten seit etwa 1000 be‐ gegnet immer häufiger die Förderung des Kirchenbaus, die allgemeine Mehrung des Gottesdienstes, wie die Anschaffung von wertvollen liturgischen Geräten, prunkvol‐ len Messgewändern und Büchern, Kerzen usw., aber auch das Almosen für die Armen und die Stiftung von Privatmessen für das eigene Seelenheil rücken in den Vorder‐ grund.72 Diese Auffassung hat immer wieder Gegenbewegungen, Reformprozesse religiöser Gemeinschaften hervorgerufen, die in der Nachfolge des Lebens Christi auf die Grundidee einer Lebensform in persönlicher Armut insistierten und sich kritisch gegen die herrschende Praxis kirchlichen Lebens richteten. Einer der radikalsten Kritiker der ‚Amtskirchen‘ war zweifellos Franziskus von Assisi (1181/1182-1226), der offen Kritik am Reichtum kirchlicher Institutionen und Würdenträger äußerte. Mit seiner Ordensbewegung hatte er auf der Basis dieser Kritik des Reichtums über das gesamte Europa explosionsartig Erfolg, ein Erfolg, der sich in der Gründung von Ordensniederlassungen binnen weniger Jahrzehnte in quasi jeder christlichen Stadt ausdrückte. Man suchte sich in der Folgezeit – und mit der Durchsetzung der Fegefeuerlehre seit dem 13. Jahrhundert in den Städten in immer intensiver werdenden Formen – durch die materielle Stiftung von Vermögen zunächst eine regelmäßig etwa zum eigenen Todestag wiederkehrende Messe, später einen eigens für persönliche Zielset‐ zungen eingerichteten Altar zu erwerben, um so einen Schatz im Himmel anzulegen. In der Sprache der mittelalterlichen Urkunden war dies ein ‚Seelgerät‘, der käufliche Erwerb eines Vorrats aus dem Gnadenschatz Christi für die eigene Zeit der Läuterung im jenseitigen Fegefeuer. Neben den Almosen wird die Mess- und in der Folge die Altarstiftung zum herausragenden Bußopfer in der spätmittelalterlichen Stadt. Altarretabel sind als von Stiftern in Auftrag gegebene Bilder nur ein für uns heute noch sinnlich wahrnehmbares Zeugnis für den Vorgang einer solchen Stiftung zur Jenseitsvorsorge der Bürger – sie stehen im Kontext zu den Stiftern und sind als Ausdrucksformen der Vorstellungswelt der Stifter zu verstehen. Stiftungen setzen den Stifter in Szene. Die Bilder verleihen der Hoffnung auf ewiges Heil ebenso Ausdruck, wie sie Jenseitsfurcht ausdrücken können. Verzahnungen der Stifterpersönlichkeiten
71 Angenendt, ‚Missa specialis‘, S. 179f. 72 Vgl. hierzu: Fremer, Äbtissin Theophanu und das Stift Essen, S. 111ff. et passim; und Ders., ‚Äbtissin Theophanu (1039 - 1058)‘, S. 63ff., weist ausführlich auf das in dieser Hinsicht einschlägige Testament des Hildesheimer Bischofs Bernward (gest. 1022) hin.
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mit dem Bildprogramm sind für uns heute häufig nicht rekonstruierbar, aber eigent‐ lich immer vorauszusetzen. Unzählige Bebilderungen dieser Vorstellungswelt des Mittelalters sind noch heute erhalten. Aus der Fülle der Überlieferung sei ein Altarretabel aus Regensburg etwas ausführlicher vorgestellt, da dessen Bildprogramm in einzigartiger Weise das Ver‐ ständnis des Mittelalters von den guten Werken wie in einem Lehrbuch darstellt.73 Der Altar stand ursprünglich in der Stiftskirche zur Alten Kapelle in Regensburg.74 Die Schrift auf der Sockelleiste des geöffneten Retabels – Herr Sigmund Graner, Elizabeta sein hausfrauw 1488 – offenbart die Entstehungszeit und die Auftraggeber des Retabels, die zugleich als Stifter einer Vikarie, die dem Altarretabel zugrunde liegt, präsentiert sind. Bei dem Stifterpaar handelt es sich um den bereits 1484 verstorbenen Ratsherren Sigmund Graner und seine Frau Elisabeth Englmayr, die 1491 verstarb. Die gemalten Außenflügel, also die Seite, die auf dem zugeklappten Retabel üblicherweise in der Kirche zu sehen war, zeigen die Heiligen Simon und Bartholomäus, offenbar die Schutzpatrone der Familie, denn sie sind mit den Wappen der Stifterfamilie dargestellt. Die Innenseite (also das geöffnete Retabel, das an Sonnund Festtagen bzw. immer dann, wenn vor dem Retabel Gottesdienst gefeiert wurde, zu sehen war) zeigt in Flachrelief-Technik Vorstellungen des ausgehenden Mittel‐ alters über das Verhältnis zwischen Diesseits und Jenseits und Orte des Jenseits, die weitgehend der Lehre vom Fegefeuer entsprechen. Auch die Festtagsseite zeigt die Stifter mit Wappen, eingebunden in ein komplexes System von guten Werken, Weltgericht, fürbittenden Heiligen, Jenseitsorten als Unterwelt und Perspektiven der Erlösung. In den vier nebeneinander liegenden Bildfeldern des unteren Randes sind von links nach rechts die Orte des Jenseits dargestellt. Die Darstellungsform als Gebäude vermittelt die Vorstellung konkreter Örtlichkeiten, eine Geographie des Jenseits. Erstens, ein aufgebrochener Kerker, der nach Peter Jezler „die Vorhölle in der Form eines aufgebrochenen Kerkers (zeigt), aus welcher Christus Adam und Eva und die Patriarchen befreit hat“.75 Zweitens, in der Form eines Gebäudes mit großen Fenstern ist das Fegefeuer zu sehen; Engel bringen den armen Seelen Hilfe. Danach stellen die vier brennenden Kuppelöfen die Hölle dar; Teufel und Engel tragen Sorge dafür, dass keine Seele entrinnen kann. Zum Schluss: Das von einem Engel beschützte Kerk‐ ergebäude mit verschlossener Tür ist sicher kein Höllenort, denn Teufel und Engel fehlen. Die Überlegung von Jezler, es handele sich um den Limbus, in dem Seelen
73 Zum Altar vgl. vor allem Halm, ‚Ikonographische Studien zum Armen Seelen-Kultus‘. Boockmann, Die Stadt im späten Mittelalter, S. 214f., mit offensichtlichen Schwierigkeiten der Deutung des Bildprogramms. Eine gelungene Erklärung des Bildprogramms bietet erst Peter Jezler im Katalog: Himmel, Hölle, Fegefeuer, hrsg. von Jezler, S. 190f., der die Dimension der Memoria bei der Interpretation des Retabels allerdings nicht berücksichtigt; der ausführlichen Beschreibung des Bildprogramms folge ich zunächst weitgehend. Slenczka, Lehrhafte Bildtafeln, S. 54ff., hat das Retabel irrig als Beichttafel klassifiziert. Sie lässt die Dimension der Stiftung für das Seelenheil des Ehepaars Graner für sich und die jeweiligen Familien völlig außer Acht und berücksichtigt insofern eine memoriale Intention des Altarretabels ernsthaft nicht; „…die Erinnerung an die Stifter…“ bezeichnet sie als „…eine dem didaktischen Anliegen der Tafel untergeordnete Funktion“ (ebd., S. 59). 74 Der heutige Standort ist: Museen der Stadt Regensburg, HV 1415. 75 Himmel, Hölle, Fegefeuer, hrsg. von Jezler, S. 190.
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der ungetauft verstorbenen Kinder gleichsam in einem Neutralzustand verharren, erscheint als eine äußerst plausible Interpretation.76 Im Hauptbild der Festtagsseite thront der richtende Christus zwischen den Für‐ bittern Maria und Johannes dem Täufer. Unter Christus wird die Stifterfamilie von den persönlichen Patronen dem Jüngsten Gericht gnädig anempfohlen: Links kniet Sigmund Graner vor dem heiligen Simon, rechts Elisabeth mit zwei Töchtern vor dem heiligen Bartholomäus. Vor der Stifterin steht ihr Familienwappen, das vor Sig‐ mund ist offensichtlich verloren. Neben den Stiftergruppen sind jeweils eigenständige Motive angebracht: Rechts bietet Maria unter ihrem Mantel Vertretern der geistli‐ chen und weltlichen Stände Schutz. Links ist eine Fons pietatis zu sehen: Christus als Schmerzensmann weist auf seine Wunden, und auf die Hostie als Symbol dafür; sie lindern die Qual der Seelen im kastenartigen dargestellten Fegefeuer. Die jeweils zwei oberen Bildtafeln der Seitenflügel thematisieren einen GuteWerke-Zyklus. Links oben ist die Eucharistiefeier zu sehen. Der Priester vor dem Altar erhebt gerade die geweihte Hostie. In der Elevation des Leibes Christi sah man im Spätmittelalter den Höhepunkt der Messfeier; die Wandlung ist es auch heute noch. Darunter werden dem Werk der Barmherzigkeit entsprechend Nackte beklei‐ det. Rechts oben ist eine Szene mit der Darstellung des guten und des schlechten Gebets zu sehen: Der linke Mann ist andächtig in sein Gebet zu Christus vertieft; der Mann im modischen roten Gewand rechts hingegen ist gar nicht auf das Gebet kon‐ zentriert, sondern hängt weltlichen Gedanken nach, indem er auf das Gebäude hinter seinem Rücken schielt. Der Inhalt seiner schlechten und sündhaften Gedanken ist in diesem Gebäude symbolhaft dargestellt: In den Fenstern oben Geiz durch Truhe und Wandschrank sowie Eitelkeit durch eine Frau vor einem Spiegel, darunter Wollust und Unzucht durch ein Paar im Bett sowie Trunksucht und Zechgelage durch einen großen Kelch, im Erdgeschoss sind Weinfässer sowie ein Pferd mit Pferdeknecht zu sehen, sie stellen wohl die Habsucht dar. In der vierten Szene, mittleres Bildfeld des rechten Flügels, wird ein armer Pilger beherbergt. In drei der vier Szenen erscheinen Engel, um Gegenstände abzuholen: Kelch, Gewand und Pilgertasche. Gleiches ist ursprünglich mit Sicherheit für das vierte Bild zu vermuten: Der entsprechende und heute verlorene Engel wird eine Gebetsschnur bzw. einen Rosenkranz ergriffen haben. Diese vier Objekte jedenfalls werden von den Engeln in das Fegefeuer in der unteren Bildzeile gebracht, um die Leiden der Seelen dort zu lindern. Gute Werke im Diesseits lindern also die Zeit der Läuterung und des Leidens, ja eine Seele wird durch die Überbringung des Kelches sogar aus dem Fegefeuer befreit – ein weiterer Engel öffnet für sie die Tür zum Reich der Erlösung. Im Zentrum dieses Geschehens befindet sich die Darstellung der Stifterfamilie, die mit den Familienwappen zugleich ihre Vor- und Nachfahren in das Geschehen einbezieht. Dies ist nur im Sinne des Totengedenkens, der mittelalterlichen Auffas‐ sung von Memoria zu verstehen. Die Stifter begnügen sich nicht nur mit guten Werken als Bußform. Auf ewig vergegenwärtigt das Bild die Stifter in der Liturgie vor dem Altar; die Familie sichert sich dadurch gute Werke für die Leidenszeit im 76 Ebd., S. 190.
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Fegefeuer, die Messfeier vor dem Altar kommt als gutes Werk ihnen zugute, denn sie sind durch die Gemeinschaft der Lebenden und Toten teilhaftig. Das Stifterpaar mit Familienverbänden sichert sich durch Stiftung und Bild ihre Evozierung. Das Bild ist insofern als Materialisierung der Jenseitsfurcht und der Jenseitsvorsorge, aber auch als Sicherung vor dem Vergessenwerden zu verstehen.77 Auffällig ist schon bei oberflächlicher Betrachtung auch, dass die Stifter mit der Altarstiftung und dem Altarbild einen öffentlichen Raum nutzen. Dies hat zunächst eine liturgische Bedeutungsebene, denn eine Gemeinschaft von Gläubigen soll mit dem Gebet und der Eucharistiefeier vor dem Altar die Familie vergegenwärtigen. Zu diesem Zweck dient das Bild, denn es bildet ja die Stiftergruppe als soziale Gemeinschaft im Rahmen der Heilsvorstellung ab. Damit wird das Retabel als Ort der Selbstdarstellung in der städtischen Öffentlichkeit genutzt: Stiftung der zugehörigen Vikarie und Altarretabel dienen als Ausweis der sozialen und politischen Stellung in der Stadt. Das Gute Werk an Christus, für die Zeit im Jenseits, ist auf diese Weise in den städtischen Alltag des Diesseits einbezogen, es dient der Selbstdarstellung der Familie der städtischen Führungsschicht durch das Retabel. Genossenschaftliche Formen der Memoria Schon bei einem oberflächlichen Blick auf die Überlieferung ist offensichtlich, dass in der Stadt des Spätmittelalters neue Formen genossenschaftlicher Memoria ent‐ standen. Selbst wenn hier nicht ausführlich auf diese neuen Formen eingegangen werden kann, sollen einige Aspekte vor allem anhand der Dortmunder Verhältnisse vorgestellt werden.78 Zunächst ist auffällig, dass wir immer wieder von sozialen Grup‐ pen in der Stadt überhaupt nur erfahren, weil Akte der Totenmemoria der Gruppe überliefert sind. In Dortmund z.B. werden wir von einer Korporation der Gesellen des Schuhmacherhandwerks nur aus einer Notiz in der Chronik des Dietrich Westhoff zum Jahre 1385 in Kenntnis gesetzt: … hebn ouch die schomecker knechte ire broder‐ schap to der eer gots, Unser lieven Vrouwen und sent Johannis Baptisten angevangen … und derhalven 2 lechte to Sanct Reinolt angenommen staen to halden …79 Die Schuhma‐ chergesellen hatten sich verpflichtet, für das Seelenheil der lebenden und toten Mit‐ glieder zwei Kerzen in der Reinoldikirche brennen zu lassen; die Gesellen verteilten den Aufwand der Jenseitsvorsorge solidarisch auf alle Mitglieder. Sie gelobten für den Fall der Krankheit oder der Not eines Mitglieds auch die Gewährung einer Unterstüt‐ zung. Dem Chronisten jedenfalls waren die für die Gesellen in der Reinoldikirche brennenden Kerzen wichtig, der Charakter der Korporation als Bruderschaft stand
77 Weitere Forschungen zur Familie und Stiftungspraxis der Familie stehen aus; sie waren im Kontext dieses Aufsatzes nicht zu leisten. 78 Zum Folgenden siehe ausführlich Schilp, ‚Memoria in der mittelalterlichen Stadtgesellschaft‘ [Verzeichnis Nr. 47], S. 39ff. und Ders., ‚Zunft und Memoria‘ [hier Aufsatz 9]. Eine gelungene exemplarische Studie zur Memoria der Zunft der Schuhmacher zu Kalkar siehe Kircher und Klug, ‚‚Op dat oere ampte verbetere und te beth in Eren gehalden blieue‘‘. 79 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 248.
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ganz im Vordergrund, denn die Gesellen sind als Gruppe durch diesen Akt in der Öffentlichkeit der Stadt präsent. Mehr noch: Die Gemeinschaft der Lebenden und Toten ist konstitutiv für die Bildung der sozialen Gruppe und ihre Selbstdarstellung in der städtischen Öffentlichkeit; nur als die Gemeinschaft, die über die individuelle Lebensperspektive hinausreicht, gilt die Gesellenvereinigung als soziale Gruppe. Das Totengedenken durch die brennenden Kerzen im öffentlichen Raum der Pfarrkirche macht die Gesellenbruderschaft zu einer festen Größe im städtischen Leben. Die Bedeutung dieser Handlung für die Konstituierung und die Identität einer Handwerkergruppe wird in der Form der Bestreitung einer solch spirituell begrün‐ deten Handlung evident: In Soest etwa versucht die Zunft der Wollweber 1525 den Gesellen des Handwerks das Recht zu bestreiten, Kerzen zur Ehre Gottes zu unterhalten – sowohl der Ehre Gottes als auch der Stadt Soest tue dies Abbruch. Auf die Intervention der Meister vor dem Rat ergeht schließlich nach langen Ausein‐ andersetzungen der Bescheid, dass die Bruderschaften innerhalb des Wollweberamtes unverändert bei ihrem alten Herkommen bleiben sollen.80 Offensichtlich hatten die Meister die Gesellen ihres Handwerkes an einer sehr empfindlichen Stelle treffen wollen, wenn sie danach trachteten, mit der Verhinderung des genossenschaftlichen liturgisch-spirituellen Handelns die Bildung der Gesellenkorporation zu verhindern. Zünfte unterhalten eine Wachskasse, in die Straf- und Aufnahmegelder oder sonstige Gebühren des handwerklichen Lebens eingezahlt werden, zum Zwecke der Sicherung des Totengedenkens der Zunft, weil Priester, Messdiener, Sänger, Kerzen usw. bezahlt werden müssen. Als ein Beispiel aus der Fülle der Überlieferung mag eine Bestimmung aus den Statuten der Dortmunder Wollweber dienen. Zum Jahre 1472 heißt es hier: Item welck mester eynen leerknecht annemet, dey sal dem ampte geven ein punt wasses und eynen gulden und den knechten ein halff punt wasses to eren lechten (Nimmt ein Meister einen Lehrling an, zahlt er ein Pfund Wachs und 1 Gulden sowie den Gesellen ½ Pfund Wachs, damit diese ihre Kerze unterhalten können).81 Das Totengedenken ist von zentraler Bedeutung für die Zunft, wenn regelmäßig Abgaben zu dieser Liturgiekasse der Handwerker entrichtet werden. Für die Dortmunder Goldschmiede ist eine Zuordnung dieser Wachseinkünfte ausdrücklich überliefert, werden doch die Wachszahlungen der Zunftgenossen direkt der Gruppenmemoria zugeordnet.82 Im August jeden Jahres wird ein Gottesdienst zum Gedenken an die verstorbenen Zunftgenossen gehalten, der aus der Wachskasse bezahlt wird. Mit den Kirchmeistern der Dortmunder Marienkirche war vereinbart worden, dass an einem Montag im August eine feierliche memoriale Messe für das Seelenheil der verstorbenen Brüder und Schwestern der Zunft gefeiert werden soll.
80 Reininghaus, Zünfte, Städte und Staat in der Grafschaft Mark, S. 248ff., Schilp, ‚Zunft und Memoria‘ [hier Aufsatz 9]. 81 Vgl. Lüdicke, ‚Die Statuten der Wollweber zu Dortmund‘, S. 18f. Eine Zusammenstellung weiterer Belege aus den Statuten der Wollweber siehe bei Kleimann, ‚Die soziale Gruppe der Handwerker‘. 82 Siehe hierzu im Einzelnen ausführlich Kleimann, ‚Die soziale Gruppe der Handwerker‘, S. 73ff., und Schilp, ‚Zunft und Memoria‘ [hier Aufsatz 9] (hier auch eine Edition der relevanten Passagen des Statutenbuches der Goldschmiede und weiterführende Überlegungen). Für das Statutenbuch der Goldschmiede siehe Stadtarchiv Dortmund, Bestand 202 Nr. X 10, hier vor allem S. 30ff.
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Die Kirchmeister der Marienkirche laden zu diesem Gottesdienst mit dem Geläut der großen Glocke. Für die Lohnkiste der Marienkirche erhalten sie aus der Wachskasse der Goldschmiede eine Zahlung von 2 ½ Schilling. Die Seelenmesse wird feierlich mit Chor und Kerzenlicht begangen: Der Pastor und alle Vikare zelebrieren eine Seelenmesse mit Vigil und erhalten dafür ebenfalls 2 ½ Schilling; der Kaplan erhält eine Sonderzahlung von 12 Pfennig, damit hie bitte vor brudere und sustere der gilde. Dem Küster steht eine Zahlung von 8 Pfennig für die Verwahrung der Kerzen zu, der Schulmeister erhält 3 Pfennig, dat hie die seylemysse singhe. Die ausführliche Beschreibung des Totengedenkens in den Statuten entspricht der Bedeutung, die man ihm im Rahmen des Zunftlebens beimaß: Alle verstorbenen Zunftgenossen werden im diesseitigen Leben der Goldschmiede, in der gemeinschaft‐ lichen Eucharistiefeier der Zunft in der Dortmunder Marienkirche vergegenwärtigt. Diese Gemeinschaft der Lebenden und Toten war nach mittelalterlichem Verständnis konstitutiv für die soziale Gruppe. Durch die Vergegenwärtigung der Toten waren die Goldschmiede über den individuellen Lebenshorizont hinaus in einer Zeit und Raum überdauernden Gemeinschaft vereint, die Zunft wurde verstetigt und damit zu einem historischen Subjekt. Hierin fand sie einen wesentlichen Teil ihrer Identität und ihrer Selbstvergewisserung als Gruppe. Weltliche und ökonomische Intentionen scheinen so mit der Memoria verschränkt, die weltliche und soziale Wirklichkeit der Zunft schloss die religiösen Deutungsschemata ein. Geschildert wird in den Zunftstatuten auch ein gemeinsames Mahl an einem nicht näher spezifizierten Marienfesttag, das ebenfalls spirituelle Intentionen verfolgte: Alle Zunftgenossen haben an dem Mahl teilzunehmen. Die Männer finden sich um vier Uhr auf dem Marienkirchhof ein, wo wohl vorzugsweise die Toten der Zunft bestattet worden sind; sie holen das Geleuchte aus der Kirche und bringen es in das Zunfthaus. Sobald das Bier halb ausgetrunken war, bringen die Gildefrauen Kerzen in die Marienkirche. Der Vorsteher der Zunft erhebt sich jetzt von der Tafel, um auf den Tisch zu klopfen und zu proklamieren, dass das Bier zu Ehren Mariens, der Patronin der Zunft, gebraut worden sei. Dann wird zu einer Prozession aufgebrochen: Das Geleuchte aus der Marienkirche wird abgeholt und die Kerzen in allen Kirchen der Stadt verteilt, auch bis nach Huckarde und up die gracht, in das Leprosenhaus vor den Toren der Stadt (Abb. 5.6). Die gemeinschaftliche Mahlzeit unter Beteili‐ gung der Zunftpatronin Maria erinnert an das Abendmahl, sie verwirklicht die Idee der christlichen Brüderlichkeit und verfolgt zweifellos zugleich auch die Intention der Erneuerung und Selbstvergewisserung der Goldschmiede in religiös-spirituellem Kontext. Der Besuch des Leprosenhauses deutet auf ein Almosen zugunsten der dortigen Armen, vielleicht wurden diese mit Bier und Lebensmitteln versorgt.83 Auch im Leben der Zunft also kommt dem Guten Werk, der Gabe an die Armen, ein fester Platz zu – das Almosen, wie auch eine Messstiftung, linderte das Ausmaß der im Jenseits zu ertragenden Strafen für die Sünden der Stifter und Spender. Zudem kann sich die Zunft mit der Prozession durch die Stadt und dem Almosen für die Leprosen in der christlichen Stadtgesellschaft sozial und repräsentativ darstellen, 83 Vgl. dazu auch Schilp, ‚Zunft und Memoria‘ [hier Aufsatz 9].
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Abb. 5.6: Leprosenhaus vor den Toren der Stadt (links im Bild, unter dem Wappen der Stadt), Ausschnitt aus Detmar Mulher, Ansicht der Stadt Dortmund, um 1610 (© Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund; Foto: Madeleine-Annette Albrecht).
demonstrativ ihre wirtschaftliche Bedeutung und soziale Position öffentlich zur Schau stellen. Die Zunft konstituiert und erneuert sich im Gottesdienst für ihre verstorbe nen Mitglieder, im gemeinschaftlichen Mahl und in der Prozession durch die Stadt, erfährt hierin ihre Selbstvergewisserung innerhalb der Stadtgemeinde. Die Zunft er lebt sich durch dieses Handeln selbst in einem historischen Kontext, nur durch diese Handlungen wird die Genossenschaft der Handwerker zu einem historischen Subjekt, das über Raum und Ort der Lebensperspektive hinausweist. Aus diesem Blickwinkel ergeben sich auch für die gesamte Stadtgemeinde insge‐ samt weitere Dimensionen. Für den Chorbau der Dortmunder Reinoldikirche seit 1421, ein herausragendes Beispiel, ergeben sich mehrere Bedeutungsebenen und damit neue Ansätze der Interpretation.84 Klaus Lange hat den Bau als eine politische Demonstration der Reichsstadt und ihres Ratsgremiums gegen die politischen An‐ sprüche des Erzbischofs von Köln gedeutet, die sich auf Ansprüche bezüglich der 84 Vgl. zum Folgenden Lange, ‚Stadtrat und Ratschor‘; Michalak, ‚Der Chorneubau der Reinoldikirche‘; Schilp, ‚Memoria in der mittelalterlichen Stadtgesellschaft‘ [Verzeichnis Nr. 47], S. 45ff.; Ehbrecht, ‚Die Stadt und ihre Heiligen‘, S. 249ff. sowie zuletzt Schilp, ‚Reinoldus. Die mittelalterliche Stadt Dortmund und ihr heiliger Patron‘ [Verzeichnis Nr. 194].
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Patronatsherrschaft über die Hauptpfarrkirche Dortmund stützen.85 Aufgrund eines Patronatsstreites des ausgehenden 13. Jahrhunderts war das Patronatsrecht umstrit‐ ten: Das Kölner Stift Mariengraden behauptete, die Reinoldikirche sei ursprünglich eine Stiftskirche gewesen, die Erzbischof Anno im 11. Jahrhundert in eine Pfarrkirche umgewandelt und Mariengraden inkorporiert habe. Dortmund hingegen verknüpfte seine Ansprüche mit dem Status der Autonomie der Reichsstadt, die auf Karl den Großen zurückzuführen sei, der sowohl Stadt als auch Reinoldikirche gegründet habe. Der kanonische Prozess endete um 1290 mit einem Kompromiss: Der Dekan von Mariengraden als Patron soll den Pfarrer einsetzen, dies jedoch unter der Auflage, nur einen gebürtigen Dortmunder als Pfarrer zu investieren. Als sich die Stadt von dem finanziellen Ruin nach der Großen Fehde 1388/1389 um 1415 erholt hatte, reifte der Plan für den Neubau des Chores der Reinoldikirche. Die durch die Fehde geschwächte Stadt hatte sich nach 1389 von der Kölner Seite einiges gefallen lassen müssen; so hatte man 1412 sogar die erzbischöfliche Oberhoheit über alle kirchli‐ chen Angelegenheiten in Dortmund grundsätzlich anerkennen müssen. Daher kam die Grundsteinlegung einer politischen Demonstration der Reichsstadt gegen den Erzbischof gleich, denn der Rat der Reichsstadt nahm ungefragt das Baurecht des Kirchenpatronats wahr. Es ist der Rat, der mit der „Synthese aus … Ratskirche und Reliquienarchitektur für den Stadtpatron“ nicht nur die Stadtgemeinde als Sa‐ kralgemeinde verwirklicht, sondern auch gegen die Kölner Ansprüche ein deutliches Zeichen setzte.86 Dies zeigt sich auch im Programm der Ausstattung: Als Garanten der reichsstäd‐ tischen Autonomie stehen z.B. überlebensgroße Skulpturen Karls des Großen und des Stadtpatrons Reinoldus am Triumphbogen, dem Übergang vom Kirchenschiff zum Chor, dem lichtdurchfluteten Symbol des himmlischen Jerusalem. Beide Statuen stehen auf dem Dortmunder Stadtwappen, identisch mit dem Adlerwappen des Reiches, das die beiden Stadtheiligen für die Dortmunder Bürgergemeinde mit in das Paradies nehmen, um die Stadt am Throne Gottes zu vertreten. Für den Seiten‐ eingang zur Sakristei stiftet der Rat eine Marienskulptur, die auf einer Konsole mit dem Stadtwappen steht. Hier befindet sich vor dem Reliquienhaus mit den Gebeinen des Stadtpatrons auch das Ratsgestühl, auf dem die Stadtspitze in Vertretung der Gemeinde zum Gottesdienst Platz nimmt. Die großflächigen Fenster greifen Themen auf, die eigentlich ein typisches Programm für einen Rathausbau gewesen wären – so etwa eine Darstellung Karls IV., dem irdischen Stadtherren, der 1377 Dortmund besucht hatte, inmitten der Kurfürsten, also auch des Erzbischofs von Köln.87 Ist die repräsentative Architektur damit von einer selbstbewussten Demonstration der Autonomie der Reichsstadt geprägt, sind andererseits auch intensive memoriale Bezüge der Korporation und der Ratsfamilien auszumachen. Der Neubau des Cho‐ res war mit Wappen überhäuft, von denen nach den Zerstörungen des Zweiten
85 Lange, ‚Stadtrat und Ratschor‘, S. 241ff. 86 Ebd., S. 244. 87 Zu den im Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstörten Kirchenfenstern vgl. Rinke, ‚Erhaltene und verlorene Glasmalereien der Spätgotik in St. Reinoldi zu Dortmund‘.
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Weltkriegs nur noch ein geringer Teil erhalten geblieben ist. Nicht nur das Reichsund das Stadtwappen fanden Verwendung, auch die Ratsfamilien, die durch Stiftung und Schenkung wesentlich zum Bau und zur Ausstattung des Chores beigetragen hatten, verewigten sich durch Anbringung ihrer Familienwappen auf den Konsolen von zwölf Apostelstatuen und ursprünglich auch in den Glasfenstern. Die Führungs‐ schicht der Stadt sorgte also an exponierter Stelle für ihre Vergegenwärtigung in der Liturgie der städtischen Hauptkirche, denn der Chorbau war nach mittelalterlicher Auffassung ein Symbol des Paradieses. Die Memoria in der Form des Wappenbildes, die die jeweilige Familie der Führungsschicht im liturgischen Geschehen als Perso‐ nengruppe evozierte, ist ebenfalls verknüpft mit einer Demonstration des Reichtums und der politischen Machtposition der Führungselite der Stadt. Jenseitsvorsorge und Repräsentation in der städtischen Öffentlichkeit sind zwei Bedeutungsebenen des Handelns der Memoria. Dieser Akt wurde schon in der Zeit des Baus vielschichtig verstanden: Die repräsentative Ausstattung des Chorneubaus diente der Mehrung des Gottesdienstes und damit der als Allgemeinheit verstandenen Sakralgemeinde ebenso wie der Jenseitsvorsorge, der sozialen Repräsentation und der innerstädtischen politi‐ schen Demonstration der Stärke der Führungsschicht. Denn eine politische Funktion tritt sicher hinzu: Dieser Selbstdarstellung der Familien der Dortmunder Führungselite kommt nach dem erfolgreichen Aufbegeh‐ ren der Handwerker im Jahr 1400 gegen das patrizische Ratsregiment auch eine innerstädtische Bedeutung zu. Unter der Führung der Zünfte hatten sich die gemei‐ nen Bürger gegen den Rat erhoben, der der finanziellen Misswirtschaft bei der Abtra‐ gung der städtischen Schulden angeklagt wurde. Die Ratsherren wurden nach dem Bericht der Chronik des Johann Kerkhörde kurzerhand in den Stadttürmen gefangen gesetzt, um nicht nur Verhandlungen über die Finanzpolitik, sondern erfolgreich auch über die stärkere Partizipation der Handwerkergruppen am Ratsregiment zu erzwingen.88 Die Selbstdarstellung der Führungsfamilien im öffentlichen sakralen Raum der Reinoldikirche demonstrierte sozusagen die Machtpositionen in der Stadt durch himmlische Legitimation.89 Architektur und Ausstattung des Chorbaus wurden demonstrativ zum städtischen Besitz deklariert; der Bau des Reinoldichores als sakrales Haus des Rates war für die Stadtgemeinde eine bedeutende Handlung. Man nahm die Reinoldikirche durch den Neubau aber nicht einfach nur in Besitz, sondern lebte die Stadtgemeinde als Sakralgemeinde. Die Selbstdarstellung der Stadt und von Gruppen in der Stadt in diesem Bau nutzte den sakralen öffentlichen Raum also nicht nur für liturgische Handlungen, sondern auch für soziale und politische Zwecke. Die Stadtgemeinde vereinigte sich in Dortmund auch in religiösen Bruderschaf‐ ten90; soweit es die äußerst fragmentarische Überlieferung erkennen lässt, hatten die Bruderschaften das Gedenken der Seelen der verstorbenen Mitglieder zum alleinigen 88 Chronik des Johann Kerkhörde von 1405-1465, bearb. von Franck und Hansen, S. 43; vgl. hierzu auch unten. 89 Michalak, ‚Der Chorneubau der Reinoldikirche‘, S. 64ff. 90 Die Erforschung der spätmittelalterlichen religiösen Bruderschaften ist nach wie vor ein Desiderat der Forschung. Siehe die Untersuchungen von Remling, Bruderschaften in Franken und Gerchow, ‚Bruderschaften im spätmittelalterlichen Freiburg i. Br.‘. Die umfangreiche Edition der Quellen zur Geschichte der Kölner
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Zweck und sind als Laienvereinigungen zu bezeichnen, selbst wenn an der Spitze der Bruderschaftslisten Kleriker genannt werden.91 Neben eher zufälligen Erwähnungen in der urkundlichen Überlieferung sind für die Marien-Bruderschaft an der Marienkir‐ che und für die Nikolai-Bruderschaft an der Nikolaikirche Bruderschaftsbücher, die sich weitgehend auf Namenlisten der Mitglieder beschränken, überliefert.92 Der Dort‐ munder Stadtrat hatte im Jahre 1345 die Gründung von Bruderschaften in Dortmund generell untersagt, wohl um zu verhindern, dass sich innerhalb der Stadtgemeinde neben den berufsbezogenen Korporationen weitere Genossenschaften organisierten und so die Bürgergemeinde in vielfältige Einzelgruppen-Bildungen zerfiel.93 Das ent‐ sprechende Ratsstatut formuliert diesbezüglich, de broderscap nicht nutte was der stat unde ok den kerken. Augenscheinlich befürchtete man den Zerfall der Gemeinde der Bürger, die sich ja als eine Sakralgemeinschaft verstand. Gegen die religiösen Deutungsschemata der Bürger und Einwohner der Stadt, gegen die zunehmenden religiösen Aktivitäten im Sinne der Jenseitsvorsorge als Mentalität eines common sense, war dieses Verbot in Dortmund jedoch nicht sehr lange aufrechtzuerhalten, denn das Buch der Nikolai-Bruderschaft lässt mit dem Eintrag zu Beginn der Namenliste: Hec est fraternitas sancti Nicholai sub anno Domini 1365 eine Gründung der Korporation in diesem Jahre vermuten.94 1413 – so ein Vermerk auf dem Vorsatzblatt95 – wurde das Buch der Bruderschaft angelegt und jetzt in einem Zuge eine ältere Liste der Mitglieder der Korporation eingetragen (Bl.1r - 7v), die alle Brüder von 1365 bis 1413, vom zeitlichen Umfang betrachtet also eine Periode von etwas mehr als einer Generation, erfasst. 853 Mitglieder sind für diese Zeit eingetragen, zum großen Teil mit Zusätzen wie et uxor (mit Ehefrau) oder cum suis (mit den Seinen, also der Familie) oder ähnlichen Ergänzungen. Wir müssen die Zahl der Bruderschafts-Mitglieder also sicher entsprechend ergänzen. Berücksichtigen wir, dass es in Dortmund seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wohl sieben Bruderschaften an den Pfarrkirchen der Stadt gab, war wahrscheinlich wohl jeder der rund 7.000 Einwohner Dortmunds im Spätmittelalter Mitglied in einer oder gleich in mehreren Bruderschaften. In dem Buch der Nikolai-Bruderschaft sind für die Zeit der Aufhebung der Bruderschaften im Kontext der Durchsetzung
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Laienbruderschaften, bearb. von Militzer, die 2000 abgeschlossen wurde, hat die Erforschung der mittelalterlichen Bruderschaften belebt. Siehe: Militzer, ‚Totengedenken in den Statuten der Kölner Bruderschaften‘. Das Buch der Nikolai-Bruderschaft, Landeskirchliches Archiv der evangelischen Kirche von Westfalen in Bielefeld (im Bestand 4.150), Bl.1r nennt an der Spitze Andreas, Pastor der Nikolaikirche sowie Lambert und Hildebrand Keyser, Ludolph von Culpe sowie Hinrik von Braucke, die durch den Zusatz dominus als Kleriker kenntlich gemacht sind; das Buch der Marien-Bruderschaft, Stadtarchiv Dortmund, Bestand 210 Hs. 1, Bl. 1r, nennt an der Spitze Albert Plater und Johannes Hengstenberg, die als pastores und domini bezeichnet sind. Die Kleriker sind Mitglieder der Bruderschaft, zugleich halten sie wohl die Bruderschafts-Gottesdienste. Das Buch der Marien-Bruderschaft siehe Stadtarchiv Dortmund, Bestand 210 Hs. 1 (eine moderne Beschreibung und sozialtopographische Auswertung siehe bei Fehse, Dortmund um 1400, S. 17ff.). Das Buch der NikolaiBruderschaft wird seit 1996 im Landeskirchlichen Archiv der evangelischen Kirche von Westfalen in Bielefeld aufbewahrt. Zum Buch der Nikolai-Bruderschaft vgl. Güntürk, ‚Die Dortmunder Nikolai-Bruderschaft‘. DUB, bearb. von Rübel, 1, Nr. 598. Buch der Nikolai-Bruderschaft, Bl. 1r. Ebd., Vorsatzblatt der ursprünglichen Einbanddecke: Anno Domini ipso die Nicolai episcopi dedit istum librum fraternitati sancti Nicolai Goscalcus tor G(?)heren pro se et uxore et pro omnibus suis, ut oretur pro eis.
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der Reformation neben der Nikolai- die Sakraments-, die Marien-, die Apostel-, die Antonius-, die 10.000 Ritter- sowie die Iodocus-Bruderschaft genannt.96 Im Buch der Nikolai-Bruderschaft ist auch erwähnt, dass offensichtlich beim Eintritt in die Bruder schaft ein bestimmter Betrag zu entrichten war; als Strafe für das Fernbleiben von Bruderschaftstagen und -gottesdiensten wurde ½ Pfund Wachs erhoben.97 Das Buch der Marien-Bruderschaft (Abb. 5.7) wurde 1396 angelegt und erfasst zu dieser Zeit etwa 800 Mitglieder; einzelne Personen, nicht Ehepaare oder Familien wurden Mitglieder, wenngleich die Einträge von Personen auch in das Buch der Marien-Bruderschaft häufig einen Zusatz enthalten: et uxor bzw. cum suis. Bei einer Einwohnerzahl der Stadt Dortmund von rund 7.000 um 1400 ist also in der Tat davon auszugehen, dass die gesamte städtische Gesellschaft in den Bruderschaften organisiert war. Die Dortmunder Bruderschaften waren nicht berufsständisch, sondern sozial of‐ fen gestaltet.98 So finden sich als Mitglieder neben den erwähnten Klerikern Mitglie‐ der der ratsfähigen Patrizierfamilien, daneben Handwerker der unterschiedlichsten Gewerbe, so auch in beiden Bruderschaftsbüchern der berühmte Dortmunder Maler Conrad von Soest, aber auch Mägde oder Knechte.99 Über alle sozialen Differenzie‐ rungen hinweg schließt sich ein Teil der Stadtgemeinde zur Bruderschaft mit dem Zweck des gemeinschaftlichen Totengedenkens zusammen. Die Mitgliederliste in Buchform scheint auch – in der Tradition der umfangreichen frühmittelalterlichen Libri memoriales oder Libri vitae – allein dem Zweck gedient zu haben, durch Nieder‐ legung auf dem Altar während der Bruderschafts-Gottesdienste alle eingetragenen Namen als Personen zu evozieren. In der Nikolai-Bruderschaft sind in der Gruppe der ersten Einträge bis zum Jahre 1413 von den Familien der Dortmunder Führungsschicht vor allem die Familien von Wickede, Wißstrate, Murmann, von Brackel, Sudermann, Kalf, Klepping und auch Berswordt zu finden. Auffällig aber ist, dass Mitglieder der Familie Berswordt eher ausnahmsweise als Mitglieder der beiden Bruderschaften begegnen, so in der Nikolai-Bruderschaft nur ein sonst unbekannter Heleke Berswordt cum suis und Conrad Berswordt cum suis, aber immerhin drei eindeutig als Mägde der Familie bezeichnete Frauen: Greyte, Aleke, Beleke, famule Bersword.100 Es fehlen aber so berühmte Vertreter wie Lambert von Berswordt, den wir 1397 als Akteur in einer Ur‐ kunde finden, die sich auf den Kreuzaltar in der Dortmunder Marienkirche bezieht.101 Auch der in der Urkunde von 1397 begegnende Klaus Berswordt ist nicht Mitglied der Nikolai-Bruderschaft. Bis zum Jahre 1445 sollten noch Detmar, Johann und Arnd 96 Ebd., Bl. 28. 97 Ebd., Bl. 30r. 98 In der Regel sind die Bruderschaften in der Stadt eher festen sozialen Gruppen zugeordnet, wie dies ein Blick auf die Kölner Bruderschaften verdeutlicht; siehe hierzu Quellen zur Geschichte der Kölner Laienbruderschaften, bearb. von Militzer; Militzer, ‚Totengedenken in den Statuten der Kölner Bruderschaften‘. 99 Buch der Nikolai-Bruderschaft, Bl. 7r: Mester Conrad, meler, sowie Buch der Marien-Bruderschaft, Bl. 1v: Conrad meler et uxor. 100 Buch der Nikolai-Bruderschaft, Bl. 7v. 101 Siehe zu dieser Urkunde Schilp, ‚Anhang 1: Urkunden zum Kreuzaltar in der Dortmunder Marienkirche‘ [Verzeichnis Nr. 75], und Zupancic, ‚Der Berswordt-Altar in der Dortmunder Marienkirche‘.
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Abb. 5.7: Buch der Marienbruderschaft, Seite mit einer Liste der verstorbenen Mitglieder, darunter Her Lambert Bersword und vrowe Gertrud syn husvrouwe, 1396 angelegt, Stadtarchiv Dortmund, Bestand 210 Hs. 1, fol. 7v (© Stadtarchiv Dortmund).
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Berswordt als Nikolai-Brüder folgen und mit Gertrud, Hilleke und Drude ebenfalls drei Mägde der Familie; die Neffen von Lambert Berswordt, die 1431 für den Altar Sanctae Crucis urkunden, nämlich Segebodo, Konrad, Detmar und Johannes, sind also wohl zum Teil (Detmar und Johann) Mitglieder der Nikolai-Bruderschaft. Im Bruderschaftsbuch St. Marien gestaltet sich das Bild ähnlich: Im Jahr 1396, dem Jahr der Anlage des Bruderschaftsbuchs, ist Detmar Berswordt mit Ehefrau in die Liste der Bruderschaftsmitglieder aufgenommen – sie wohnen im Rosental.102 Ein Nachtrag in der ersten Anlage nennt Segebodo Berswordt mit Ehefrau und zwei Kin‐ dern.103 Unter den Beginen des Hauses ton Braken im Rosental wird Greiteke Bers‐ wordt aufgeführt.104 In der Liste der 1396 bereits verstorbenen Mitglieder der Bruder‐ schaft wird Lambert Berswordt mit Ehefrau Gertrud genannt.105 Auch hier können wir also davon ausgehen, dass nicht alle Mitglieder der Familie auch Mitglieder der Bruderschaft waren. Auffällig ist zudem, dass im Buch der Marien-Bruderschaft die Familienmitglieder Berswordt mit Ausnahme des Segebodo als Herren bezeichnet werden, ein Attribut, das ansonsten nur Klerikern und den anderen Dortmunder Patriziern in der Mitgliederliste zukommt. Die herausgehobene soziale Position der Führungselite findet in dieser Hervorhebung also einen adäquaten Ausdruck. Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, als wäre die Mitgliedschaft von Fami‐ lienangehörigen der Führungsschicht, so auch der Familie Berswordt, nicht das zentrale Element der Jenseitsvorsorge der städtischen Elite, denn nicht alle Famili‐ enmitglieder versichern sich das Gebetsgedenken der Gemeinschaft der toten und lebenden Bruderschaftsmitglieder. Offensichtlich setzten die Patrizierfamilien andere Schwerpunkte der Jenseitsvorsorge; sie hatten augenscheinlich andere wirtschaftliche Möglichkeiten, Erinnerung und Gedenken an die eigene Person und Familie in der Liturgie der Stadtkirchen zu sichern. Stiftungen der städtischen Führungsschicht für das Seelenheil Almosen und Messfeier galten als die herausragenden Bußleistungen in der spätmit‐ telalterlichen Stadt; Stiftungen von Seelenmessen und Almosen waren die beliebte‐ sten Formen der Jenseitsvorsorge der vermögenden städtischen Patrizierfamilien – wie dies das analysierte Stifterprofil für die Familie Berswordt von Martina Klug am Beispiel einer Familie aus der Führungsschicht der Stadt Dortmund nachdrücklich zeigt.106 Hierbei ist zunächst noch einmal kurz auf die Bedeutung des Almosens und auf den Zusammenhang von Tod und Armut für das mittelalterliche Denken und Han‐
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Buch der Marien-Bruderschaft, Bl. 3v. Ebd. Ebd. Ebd., Bl. 7v. Klug, ‚Nicht nur ein Schatz im Himmelreich‘.
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deln hinzuweisen.107 Das Neue Testament beinhaltet durchaus radikale Verurteilun gen des Reichtums und eine Hochschätzung von Armut und Arbeit. Voraussetzung für die Jüngerschaft Christi war die persönliche Armut; die Armen des Mittelalters wurden zu den Vertretern der Toten im Diesseits durch die Gabe der Lebenden, die die Gegengabe des Armen in der Form des Gebets, der Teilnahme am Gottesdienst bewirkte. Ein Almosen zugunsten der bedürftigen Armen diente dem Seelenheil durch die Linderung der jenseitigen Sündenstrafe. Im Markus-Evangelium (Mk. 10, 21) wird dies deutlich ausgesprochen: Auf die Frage, was zu tun sei, um das ewige Leben zu erlangen, antwortet Jesus: „Geh, verkaufe, was du hast, gib das Geld den Ar men, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben“. Die Armenspeisung als in diesem Sinne verstandene Gabe des Wohlhabenden an Christus ist ein fester Bestandteil des Alltags des städtischen Lebens.108 Der Arme hatte von hier aus be trachtet die bessere Möglichkeit, das ewige Heil im Reich Gottes zu erlangen; der Ver mögende war zum Almosen verpflichtet. Tod und Armut gehörten während des Mittelalters also zusammen, ja die Armen galten geradezu als Vertreter der Toten im Diesseits. Dem liegt die Verknüpfung des Gebetsgedenkens mit dem Gedanken des Mahles zugrunde, das Tote und Lebende vereint. Dies reicht bis auf die heidnische und christliche Antike zurück und wurde in die christliche Eucharistiefeier transponiert. Der Kreis der dem Toten Verpflichteten wurde mit der Spende an die Armen im Sinne der Memoria ausgeweitet, ja die Totenmähler wurden während des Mittelalters allmählich zugunsten der Armenspei‐ sung und -spende eingeschränkt. Das fürbittende Gedenken an die Toten und die Speisung der Armen blieben auf das engste verknüpft. Die Armen sind dabei auch nicht reine Objekte des Schenkungsvorgangs, denn den Stiftern kam es gerade auf die Gegengaben der Armen an: Ihr Gebet, ihre Teilnahme an der gedenkenden Messliturgie wurde als wichtig erachtet und deshalb häufig vom Stifter als Gegengabe auch direkt eingefordert. Ganz in diesem Sinne ist eine Dortmunder Urkunde gehalten, die als Beispiel einer individuellen Bürgerstiftung angeführt werden soll: Der Dortmunder Bürger Arnd Kalf stiftete 1410 für seine Memoria dem Heiliggeist-Hospital (Abb. 5.8) in Dortmund unter anderem ein Gartengrundstück to behof der armen lude, de men dar inne pleget to spisene.109 Von den Einnahmen aus diesem Garten sollte einerseits wiederkehrend am Todestag des Stifters eine Seelenmesse an der Dortmunder Niko‐ laikirche gefeiert werden; hierfür hat das Hospital jährlich an zwei Terminen je 3 Schilling zu zahlen. In das Zentrum der Stiftung sind von Arnd Kalf aber die Armen des Hospitals gestellt: Jährlich am Dienstag nach dem Martinstag sollen die Armen eine festliche Mahlzeit erhalten. Die Urkunde formuliert diesbezüglich, jeder Arme des Hospitals solle erhalten einen Weck, eine Schüssel mit gutem Potthast sowie 107 Siehe zum Folgenden Oexle, ‚Armut, Armutsbegriff und Armenfürsorge‘, sowie Wollasch, ‚Gemeinschaftsbewußtsein und soziale Leistung‘; vgl. auch oben. 108 Vgl. Oexle, ‚Die mittelalterlichen Gilden‘, S. 213ff., mit einigen Beispielen aus dem Bereich der Gilden. 109 Zum Heiliggeist-Hospital vgl. Kleemann, ‚Die Neuordnung des Heiliggeist-Hospitals‘, S. 135-141 (hier auch Hinweise auf die ältere Literatur). DUB, bearb. von Rübel, 3, Nr. 458; zur Urkundeninterpretation vgl. Konietzny, ‚Stiftung des Dortmunder Patriziers Arnd Kalf ‘.
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Abb. 5.8: Heiliggeisthospital (Buchstabe E), Ausschnitt aus Detmar Mulher, Ansicht der Stadt Dortmund, um 1610 (© Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund; Foto: Madeleine-Annette Albrecht).
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einen vollen Becher guten Biers, wie es der Meister des Hospitals selbst zu trinken pflegt.110 Alles in allem handelt es sich also mit Sicherheit um eine eher festliche Mahlzeit für die Hospitalbewohner. Die so bedachten Armen hatten zuvor an der Vi gilie und der Seelenmesse in der Hospitalkapelle teilzunehmen und für die zu beten, für die Arnd es verlangt; zudem haben die Armen, die verköstigt werden, eyn pater noster und eyne Ave Maria den ghenen to troste, dar des Arnd vore begheret, zu beten. Nach mittelalterlichem Verständnis ist die Gabe des Stifters und die Gegengabe der Armen in der Form des Gebets ein gleichwertiger Austausch von Leistungen, offen sichtlich ohne den negativen Beigeschmack, den die moderne Gesellschaft so leicht mit dem Almosen verbindet. Stiftungen zugunsten der Armen im Rahmen der Jenseitsvorsorge begegnen in dieser oder ähnlicher Form in zahlreichen mittelalterlichen Quellen. Jede mittelalter‐ liche Kirche, jedes Kloster in der Stadt gab auf der Grundlage oft auch kleinerer Stiftungen der Bürger regelmäßig, meist an den Sonntagen, Nahrungsmittel, manch‐ mal auch Kleidung, an die bedürftigen Armen der Stadt, die in eigenen Haushalten lebten, aus.111 Die Armenstiftungen beruhten überhaupt allein auf Stiftungen zum Seelenheil der Bürger und kamen ohne Zuschüsse der ‚öffentlichen Kassen‘ aus. Auch die Stadtgemeinde insgesamt entrichtete Almosen: Der Dortmunder Chronist Dietrich Westhoff berichtet zum Jahre 1506 ausführlich von einer Prozession der gesamten Stadtgemeinde, die der Rat angeordnet hatte, nachdem Dortmund einem verräterischen Angriff gerade noch einmal hatte entrinnen können.112 Alle Einwohner der Stadt fanden sich in der Reinoldikirche zusammen, um von hier aus mit den städ‐ tischen Reliquien und Heiligtümern zur Prozession durch die Stadt zu den Pfarr- und Klosterkirchen als Stationsorten aufzubrechen. Mit einem Gottesdienst in der Reinol‐ dikirche wurde die Prozession beendet. An diesem Tage fastet die Stadtgemeinde; die Bürger bringen ihr Almosen in die Marienkirche, von wo aus die Verteilung an die städtischen Armen erfolgt. Die Armen als Vertreter der Toten werden auf diese Weise in das Geschehen einbezogen, sie gehören zur Stadtgemeinde, die im Mittelalter als Sakralgemeinde gedeutet wurde. Die soeben angeführte Stiftungsurkunde des Patriziers Arnd Kalf hat die Almosen‐ stiftung mit der Stiftung von Messen für das Heil seiner Seele verbunden. Die Mess‐ leistungen für den Stifter werden in der Urkunde näher beschrieben.113 Pastor und Kirchmeister der Nikolaikirche – hier war Arnd Kalf im Übrigen nach Ausweis des Bruderschaftsbuchs auch Mitglied der Nikolai-Bruderschaft – erhalten jährlich von einem dem Hospital zum Heiligen-Geist gestifteten Gartengrundstück 6 Schilling, damit die Memoria begangen werden kann. 3 Schilling sind nach dem Wortlaut der Urkunde zu Mariae Himmelfahrt (15. August) und 3 Schilling zu einem Termin, den Arnd Kalf noch bestimmen muss, zu zahlen. Die jeweils 3 Schilling sind wie folgt 110 DUB, bearb. von Rübel, 3, Nr. 458: … itliken armen menschen in dem Hilligen Geiste eynen wecghe unde eyne redelike schotele mid potharste, de wal beret zy, unde eynen vullen beker beirs, alzolich als de mester drincket in dem Hilligen Geiste … Potthast ist ein westfälisches Gericht aus geschmortem Rindfleisch. 111 Zu den sogenannten Almosenschüsseln in Dortmund siehe Klug, ‚„Ad mensam pauperum pertinentia“‘. 112 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 387ff. 113 DUB, bearb. von Rübel, 3, Nr. 458.
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aufzuteilen: Für das Geleuchte vor dem heiligen Sakrament in der Nikolaikirche 12 Pfennig und den anwesenden Priestern je 3 Pfennig, dem Schulmeister 2 Pfennig, dem Küster 1 Pfennig; für diese Geldzahlung soll eine Vigilie und eine Seelenmesse zelebriert werden. Wenn der Schulmeister der Nikolaikirche hier eine Zahlung erhält, so zeigt dies, dass Arnd Kalf einen feierlichen memorialen Gottesdienst nicht im Stillen, sondern vor der Gemeinde zelebriert wissen wollte, denn der Schulmeister der angeschlossenen Lateinschule der Nikolaikirche war zugleich Leiter des Chores, der Schola; hierdurch sollte auch der Gottesdienst der Pfarrkirche gemehrt werden – Stif‐ terwohl und Wohl der Gemeinde waren also miteinander verknüpft und verwoben. Die Erinnerung an Arnd Kalf in der Liturgie der Nikolaikirche bedurfte der Kirchen‐ gemeinde, denn für die Linderung der Leiden und die Abkürzung der Strafzeit der Seele im jenseitigen Fegefeuer sollte ja mit der Stiftung auf Dauer die Gemeinschaft der Lebenden mit dem Toten aktiviert werden. Dem Patrizier gelingt mit dem Kauf der Messen nach seiner Vorstellung der Kauf von wesentlichen Elementen der Vor‐ sorge und Leidenslinderung für seine Zeit im Jenseits; als Vermögender erbringt er mit der Stiftung eine doppelte Bußleistung, für die Armen des Hospitals zum Heiligen Geist ein Almosen und Messen in der Nikolaikirche – beide Bußopfer sollten ihm einen Gnadenschatz im Jenseits erwerben. Arnd Kalf stiftet im Jahre 1410 zwei Messen zu seinem Seelenheil, die auf ewig in der Nikolaikirche begangen werden sollen. Den Zweck des Seelengedenkens ungleich sicherer – und der Furcht vor dem Vergessen der eigenen Seele und Person nach dem Tode entgegenwirkend – gestaltete die Stiftung eines Altars, einer Vikarie bzw. Kapelle wie auch die Stiftung des Kreuzaltars der Familie Berswordt. Mit dem Einsatz eines erheblichen Vermögensaufwands wurde mit der Stiftung der Vikarie ja eine regelrechte Institution an einer Pfarrkirche geschaffen. Täglich sollte und konnte vor dem Altar unter Einbeziehung der Gemeinde ein Gottesdienst im Rahmen der Gottesdienstordnung der Pfarrkirche gefeiert werden, der den oder die Stifter durch die liturgische Handlung im diesseitigen Geschehen vergegenwärtigte, ihn in das Geschehen vor dem Altar erinnernd und gedenkend einbezog. Hier wurde die Vermi‐ schung von privater Vorsorge für das Jenseits mit der Mehrung des Gottesdienstes für die Allgemeinheit auf das perfekteste verknüpft. Für die Gemeindemitglieder selbst – und dies ist die Voraussetzung für das Funktionieren in der Wirklichkeit – hatte die Teilnahme an der Messfeier ja den Charakter des Bußopfers. Eine solche Altarstiftung war ein äußerst komplexer Vorgang, bei dem das Altar‐ retabel, das für uns heute noch sinnlich zugängliches Zeugnis einer solchen Altar‐ stiftung, zunächst durchaus von zweitrangiger Bedeutung war.114 Für die Stiftung eines Altares, die der Intention nach ewig, bis zum Jüngsten Tag, Gültigkeit haben sollte, musste zunächst von dem Stifter bzw. der Stiftergruppe eine hinreichende Vermögensmasse aufgebracht werden, ein Kapital, das regelmäßig wiederkehrend ausreichende Erträge zur Verfügung stellte.115 In der Regel diente hierzu die Stiftung
114 Zum Folgenden und zur Geschichte des Kreuzaltars in der Marienkirche siehe Zupancic, ‚Der Berswordt-Altar in der Dortmunder Marienkirche‘. 115 Siehe hierzu Peter Jezler, ‚Jenseitsmodelle und Jenseitsvorsorge‘, S. 22ff.
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umfangreicheren Grundbesitzes. Mit den wiederkehrenden Einnahmen wurde z.B. fi‐ nanziert: Die Besoldung einer ‚Planstelle‘, einer Pfründe für einen Priester, den Vikar oder Altaristen, damit dieser täglich am Altar vor der Gemeinde eine Messe zelebriert, die dem Seelenheil der Stifter, der Linderung der Sündenstrafen im Fegefeuer, zu Gute kommt; ein ewiges Licht für die Kapelle musste dauernd mit Öl oder Wachs ver‐ sorgt werden, bei den Gottesdiensten wurden ebenfalls Kerzen benötigt, Messwein und Hostien waren zu kaufen usw. Der Küster der Pfarrkirche war für seine Dienste, z.B. das Bereitstellen der Kerzen, liturgischer Gerätschaften usw. zu entlohnen; wie wir bei der Stiftung des Arnd Kalf nachvollziehen konnten, erhielt der Schulmeister als Chorleiter für die feierliche Gestaltung bestimmter Messen wiederkehrend eine Aufbesserung seiner Einkünfte. Für alle diese Zwecke waren dauernde Einkünfte für die Vikarie erforderlich; eine solche Vikarie war in der Folge der kaufmännischen Strategie der spätmittelalterlichen Jenseitsvorsorge also durchaus als ein Wirtschafts‐ unternehmen zu betrachten. Eine derartige Altarstiftung war nur gefährdet, wenn das Kapital, durch welche Gründe auch immer, seinen Wert verlor, z.B. durch die kriegerische Zerstörung eines Bauernhofes, oder wenn die geistliche Institution, sei es eine Kirche, ein Kloster, eine Kapelle in einer Armeneinrichtung oder ähnliches, an der die Stiftung selbst vorgenommen wurde, in ihrem Bestand gefährdet war oder gar zum Erliegen kam. Aus diesem Grunde bauen vermögende Stifter ihre Jenseitsvor‐ sorge vielseitig auf, bedenken verschiedene Institutionen und verteilen das Risiko des Vergessen-Werdens möglichst breit. Dies führte zu regelrechten ‚Anlagestrategien‘ vermögender Kaufleute mit Risikostreuung, wie dies insbesondere die Akte der Jen‐ seitsvorsorge in Bürger-Testamenten des Spätmittelalters deutlich zeigen.116 Der Altarist jedenfalls lebte von den Einkünften des Stiftungskapitals und zele‐ brierte als Gegenleistung nach der Vereinbarung mit den Stiftern die Seelenmessen vor dem Altar. Im Falle seines Todes kann in der Regel die Stifterfamilie einen Nach‐ folger präsentieren, der vom Pfarrer der Kirche für den Altar investiert wird. Zudem waren einmalige Schenkungen für die Vikarie erforderlich, u.a.: Liturgisches Gerät für die Zelebration der Messe, vor allem ein Kelch mit Patene, Messgewänder und Alben, Altartücher, liturgische Bücher für die Messfeier des Priesters und Altaristen, Kerzen‐ leuchter usw.117 Zu diesen einmaligen, aber zum Teil sehr wertvollen und durchaus herausragenden Schenkungen der Stifter gehört auch die Beauftragung eines Malers, später vielleicht auch eines Holzschnitzers, mit der Anfertigung eines Altarretabels, eines Bildes, das die Heilsvorstellung für die mittelalterlichen Menschen zum Gegen‐ stand hat und den Stifter zusätzlich in Erinnerung halten soll.
116 Siehe zu den Bürgertestamenten von Brandt, ‚Mittelalterliche Bürgertestamente‘; Baur, Testament und Bürgerschaft; Klosterberg, Zur Ehre Gottes und zum Wohl der Familie. Exemplarisch für eines der wenigen auf Dortmund Bezug nehmenden Testamente, Tappe, ‚Das Bürgertestament des Goddert van Hövel‘. Im Mittelalter war in Dortmund keine öffentliche Hinterlegung der Testamente beim Rat der Stadt vorgeschrieben, so dass nur wenige Testamente Dortmunder Bürger überliefert sind. 117 Vgl. zur Stiftung einer Vermögensmasse mit regelmäßig wiederkehrenden Einkünften und der Schenkung von Gegenständen Schilp, ‚Anhang 1: Urkunden zum Kreuzaltar in der Dortmunder Marienkirche‘ [Verzeichnis Nr. 75], und Zupancic, ‚Der Berswordt-Altar in der Dortmunder Marienkirche‘.
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Die Lebenswelt der spätmittelalterlichen Stadt umfasst in der Vorstellung und Deutung der Menschen der Zeit die Lebenden und die Toten in einer Einheit; auch die Bürgerfamilie, und hier für uns erkennbar vor allem die Familie als Teil der städtischen Führungselite, ist im Mittelalter nur als Zusammenhang von Toten und Lebenden denkbar und wird als diese Gemeinschaft gelebt. Der Frankfurter Patrizier Bernhard Rorbach hat in seiner Stirps Rorbach die Geschichte seiner Familie vor allem anhand von Tod und Jenseitsvorsorge, von Totenmemoria und Grablege beschrieben und diese Elemente offensichtlich für sehr wesentlich gehalten.118 So beschreibt er unter anderem ausführlich die Ereignisse rund um die Bestattung sei‐ nes Großvaters Johann, der Schöffe in Frankfurt war.119 Zuvor hatte er schon die einzelnen Stiftungen und Aspekte von dessen Jenseitsvorsorge aufgelistet.120 Am 22. Oktober 1459 war er gestorben und fand im Chor der Klosterkirche der Dominikaner vor dem Sakramentshäuschen seine letzte Ruhestätte; das Sakramentshäuschen hatte er selbst als Stiftung erbauen lassen. Es heißt in der Aufzeichnung weiter, dass … man beging en in demselbigen choro und truge em sin schilt und helm zu opper, wie es für die Frankfurter Schöffen üblich sei.121 Die ganze Stadt sei von diesem Ereignis ergriffen gewesen, denn alle Glocken in Frankfurt wurden geläutet. Die Dominikanerund Minoritenmönche trugen den Verstorbenen gemeinsam und feierlich zu Grabe; die Schilderung schließt mit der Bemerkung ab: … und man biß uf itzunt, mit namen 1478, kein scheffen men also begangen.122 Solche oder ähnliche Schilderungen mögen dem modernen Verständnis noch relativ nahe liegen, da die Familie mit der Gestaltung des Begräbnisses die Bühne der städtischen Öffentlichkeit betritt, sich repräsentierend darstellen kann. Je mehr Menschen an einem Begräbnis teilnehmen, je mehr Honoratioren darunter sind, desto bedeutsamer erscheint die Stellung des Verstorbenen und seiner Familie. Im Verständnis des Mittelalters schwingt jedoch mehr und anderes mit. Wichtig, ja wich‐ tiger war z.B., wo und wie der Tote seine letzte Ruhestätte fand. Für die Gemeinschaft der Lebenden und Toten, das ewige Gedenken für die Toten in der Messliturgie, ist die geschilderte Bestattung des Johann Rorbach vor dem Sakramentshäuschen in der Dominikanerkirche eine ganz wesentliche Voraussetzung. So berichtet Bernhard Rorbach auch, seine Schwester Katharina liegt begraben nach irer begirde uf dem pharkirchoffe mit dem heubt widder daz ewig liecht und mit den fuessen gegen dem fronehoffe uber, also offensichtlich an einem bevorzugten und sehr exklusiven Platz.123 Das Begräbnis des Mittelalters orientierte sich intensiver auf das ewige Leben der Toten als dies auch dem heutigen Christen vertraut ist.
118 Bernhard Rorbachs Stirps Rohrbach, bearb. von Froning. 119 Ebd., S. 168f. 120 Ebd., S. 157f.: Unter anderem Aufnahme in die Gebetsverbrüderung des Dominikanerordens, Totengedenken und -messen in der Frankfurter Dominikanerkirche, Testat von rund 400 Gulden auf dem Totenbett zugunsten der Frankfurter Dominikaner; Jahrgedächtnisse in der Stiftskirche St. Bartholomäi, an St. Leonhard und im Barfüßerkloster zu Frankfurt. 121 Ebd., S. 168f. 122 Ebd., S. 169. 123 Ebd., S. 173.
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Katharina, die Schwester Bernhard Rorbachs, sollte in ihrem Grab der vom heiligen Licht ausströmenden Seligkeit teilhaftig werden. Aus diesen und ähnlichen Gründen waren die Friedhöfe des Mittelalters auch im Zentrum der Stadt rund um die Pfarrkirchen angeordnet und wurden zu einem we‐ sentlichen Kernbezirk der Stadt neben dem Markt; Bestattungen im Kirchengebäude waren bevorzugt, für die Führungselite aber dennoch fast schon etwas Alltägliches. Die Siedlungen der Toten und der Lebenden mussten im Mittelalter wegen der Be‐ deutung der Totenmemoria eng beieinander liegen; Kirchhöfe hatten eine Bedeutung auch für das Alltagsleben und im Recht, der Friedhof als Schutzzone oder Asyl ist wohl allgemein bekannt.124 Er war Ort für Versammlungen, für die Beurkundung von Verträgen und Rechtsgeschäften, häufig auch Gerichtsort.125 Der Bericht Bernhard Rorbachs über seine Schwester Elisabeth handelt ausführlich von der Problematik ihrer Bestattung, denn sie musste wegen eines gegen die Stadt verhängten Interdik‐ tes zunächst und vorläufig in der ungeweihten Erde innerhalb des Kreuzgangs der ‚Pfarrkirche‘ erfolgen.126 Nach Aufhebung des Interdiktes war dann das Begräbnis im geweihten Raum mit allen Riten möglich, in der Pfarrkirche gegenüber dem Dreifaltigkeitsaltar. Die Verstorbene lebte nun im geweihten Raum weiter, nur hier konnte sie durch die Gemeinschaft der Lebenden und Verstorbenen existieren, die Familie ist diese Gemeinschaft der Lebenden und Toten; auf diese Weise wurde das Jenseits sozusagen in das Diesseits hereingeholt. Von hier aus erscheint es für die Dortmunder Bürgerfamilie Berswordt mehr als konsequent, wenn sie als eine der potentesten und bedeutendsten Familien der Dort‐ munder Führungselite des ausgehenden Mittelalters nicht nur für die Kreuzkapelle in der Marienkirche stiftete, sondern auch an die Nikolaikirche eine Familienkapelle anbauen ließ, um hier ihre Toten bestatten und durch eigene Kleriker Totenmessen zelebrieren zu lassen.127 Martina Klug hat ein Stifterprofil der Familie erarbeitet, das die Risikostreuung der Jenseitsvorsorge der Familie erkennen lässt.128 Die Wohnhöfe der verschiedenen Linien der Familie Berswordt am Ostenhellweg und im Rosental gehörten dem Pfarrbezirk der Marienkirche, die in der Nicolaistraße und in der Wißstrasse dem Pfarrbezirk der Nikolaikirche an, so dass für alle Verstorbenen der
124 Siehe hierzu Ariès, Geschichte des Todes, S. 43ff. 125 Insofern ist der Hinweis von Oexle, Oexle, ‚Die Gegenwart der Toten‘, S. 57, wichtig, dass die Verlegung des Friedhofs außerhalb der Siedlung seit der Mitte des 18. Jahrhunderts einen Wandel des Umgangs der Gesellschaft mit den Toten anzeigt. 126 Bernhard Rorbachs Stirps Rohrbach, bearb. von Froning, S. 173f.: ader iß waz dozumol ein generale interdictum hie, daz man niemanden uf den kirchoffe noch in die kirchen begrube, und man begrube sie in daz graß mitten in dem crucegang, daz waß do noch nit gewihet, und in demselbigen jare 1473 … grube man sie widder uß und leget sie in daz grap in der kirchen gegen der heilgen Drifaltikeit altar uber, do Johan Rorbach zu Ernfelsch obgenant min anherre in liget… 127 Siehe hierzu im Einzelnen die Beiträge von Zupancic, ‚Der Berswordt-Altar in der Dortmunder Marienkirche‘ und Klug, ‚Nicht nur ein Schatz im Himmelreich‘. 128 Klug, ‚Nicht nur ein Schatz im Himmelreich‘.
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Familie in der zuständigen Pfarrei eine angemessene Grablege geschaffen war.129 Mit den beiden Kapellen hatte sich die Familie exklusive Orte des Totengedenkens sichern können.130 Bedeutungsebenen der Erinnerungskultur in der spätmittelalterlichen Stadt Lassen wir die vorangegangenen Überlegungen zusammenfassend und resümierend Revue passieren, indem wir versuchen, die Bedeutungsebenen des Totengedenkens und der Erinnerungskultur mit all ihren Implikationen zu fassen. Zunächst ist nach‐ drücklich darauf hinzuweisen, dass die Grundlage aller hier angesprochenen religiösspirituellen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Handlungen der Bürger in der spätmittelalterlichen Stadt in der Angst vor dem Fegefeuer und der Sorge um die jenseitige Buß- und Leidenszeit zu suchen ist. Denkmuster und Handlungsformen des Spätmittelalters sind in der intensiven christlichen Religiosität und Frömmigkeit der Menschen begründet; was uns in diesem Handeln als kaufmännische Berechnung und buchhalterische Kalkulation erscheinen mag, entspricht in der mittelalterlichen Stadtgesellschaft dem common sense, ist als mainstream der Deutungsschemata zu bezeichnen. Jeder Stadtbewohner hat nach seinen Möglichkeiten und nach den ver‐ spürten Notwendigkeiten für seine Zeit im jenseitigen Fegefeuer zu sorgen, indem er für sich und die Seinen Almosen stiftete oder spendete und auf ewig für die Vergegenwärtigung in der Messliturgie Sorge trug. Bei aller Distanz der unterschied‐ lichsten Standpunkte der Moderne zu den dargelegten kalkulierenden Formen der Jenseitsvorsorge des Spätmittelalters, der maßlosen Vervielfältigung der Messfeiern in diesem Zusammenhang und eingeschlossen auch aller Pervertierungen christlicher 129 Zur Lage siehe Scholle, Dortmund im Jahre 1610, S. 201f. 130 Neues Licht auf die Memorialstiftungen der Berswordts werfen die 2016 erfolgten technologischen Untersuchungen am Altarretabel in der Marienkirche Dortmund. 2006 hatte eine dendrochronologische Untersuchung für das Holz des Malgrundes ein Zeitfenster in den 1380er Jahren ergeben. Dieser Befund schien zunächst zu einer Großstiftung zu passen, die 1385 ein Heinrich Lemberg für den Heilig-Kreuzaltar vornimmt. Da die Berswordts erst 1397 urkundlich in Zusammenhang mit dem Altar beziehungsweise der Kapelle im Ostabschluss der Südseite der Marienkirche fassbar sind, ergab sich folglich die Frage, ob das Wappen der Familie, das prominent mehrfach auf dem Rahmen erscheint, erst nachträglich, nämlich um 1397, angebracht und das Bild der Lembergs für die Anliegen der Berswordts vereinnahmt worden ist. Die minuziösen technologischen Untersuchungen durch Regina Urbanek belegen aber eindeutig, dass Altartafel und Rahmen mit den Wappen gleichzeitig – also schon in den 1380er Jahren – entstanden sind. Das heißt für das Berswordtretabel: Es steht auf einem Altar in der Hl. Kreuz-Kapelle, an dem sowohl die Lembergs als auch die Berswordts (und andere?) ihre Memoria feiern lassen. Alles läuft ruhig, bis die Berswordts um 1397 aufmerken. Sie investieren jetzt erneut und aktivieren die Stiftung unter anderem durch einen Kelch und ein Wohnhaus für ihren Vikar in der Stadt und beanspruchen das Patronat für den Altar und die neue Vikarie. Dabei wird deutlich, dass sie die Lembergstiftung von 1385 einfach kassiert haben. Um 1430 schließlich stiftet eine weitere Gruppe, eine Patrizierin als letzte Vertreterin ihres Geschlechts und Johann Kerkhörde ein sozialer und wirtschaftlicher Aufsteiger, am Heiligkreuzaltar eine weitere Vikarie. Das möchten sich die Berswordts nicht gefallen lassen: Sie geben keine Ruhe, bis sie 1490 auch diese Vikarie in ihre Hand bekommen. Johann Kerkhörde wird im Totengedenken der Stiftung gestrichen. Prof. Dr. Regina Urbanek, Köln, sei für ihre Untersuchungen und den ausführlichen Bericht herzlich gedankt. (Auszug aus einem Vortragsmanuskript von Thomas Schilp in der Marienkirche im Dezember 2017).
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Frömmigkeit, die im Handel mit Ablässen zweifellos einen Gipfelpunkt erreichten und zu einem wesentlichen Ausgangspunkt für die Reformation werden sollten, dürfen wir diesen Ausgangspunkt als die Intention für alle genannten Formen des Handelns nicht negieren und müssen ihn für die Rekonstruktion mittelalterlicher Lebenswirklichkeit festhalten.131 Tod und Jenseitsvorsorge in der spätmittelalterlichen Stadt sind – so sollte gezeigt werden – mehr als eine bloße Aneinanderreihung rein spirituell-liturgischer Anlässe für das Handeln der einzelnen Bürger, der sozialen Gruppen in der Stadt, ja auch der Bürger- und Stadtgemeinde insgesamt. Die Kultur der Stadt des Mittelalters ist aufgrund der überragenden Bedeutung und Funktion des Totengedenkens zu einem wesentlichen Teil eine Erinnerungskultur. Die Analyse der Totenmemoria gewährt Zugang zu den Deutungsschemata und den Denkformen des Spätmittelalters und lässt Rückschlüsse auf die Selbstsicht und -deutung des Individuums sowie der sozialen Gruppen in der Stadt zu. Heilsgeschichtliche Bezüge sind ein wichtiges Element schon der Identifikation, der Selbstvergewisserung der mittelalterlichen Bür‐ gergemeinde, die sich seit ihrer Konstituierung im Laufe des 12. Jahrhunderts als Sakralgemeinde von Bürgern gleichen Rechts verstand und selbst deutete, infolgedes‐ sen ein Bewusstsein über sich als Allgemeinheit entwickelte. Die Auffassung von der Gegenwart der Toten, ihre Einbeziehung in das Leben der Gesellschaft, ja die gedachte und gelebte Gemeinschaft der Lebenden und Toten - all dies sind wichtige Aspekte der städtischen Lebenswelt des Spätmittelalters, die bei der Rekonstruktion der Realität durch den Historiker nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Die Analyse der Memoria gestattet Zugang zu wesentlichen Berei‐ chen der Lebenswirklichkeit: Die sozialen Gruppen in der Stadt definierten sich selbst auch über die Gemeinschaft der Toten und Lebenden. Wie an den Zünften und Bruderschaften, aber ebenfalls an den Handlungen der Patrizierfamilien, gezeigt werden konnte, ist diese Selbstdeutung ein zentrales Element der Konstituierung, der Identität, der Selbstvergewisserung der sozialen Gruppe als Zeit und Raum überschreitendes historisches Subjekt. Eine soziale Gruppe in der Stadt, sei es eine Bruderschaft, eine Zunft oder eine Familie, ist ohne Totengedenken und Memoria infolgedessen gar nicht vorstellbar. Begräbnis, Totendienst, Ort der letzten Ruhe‐ stätte, Seelenmess- und Altarstiftungen, Almosen usw. sind die spirituell-liturgischen Handlungen in der Stadt des Spätmittelalters, denen von hieraus eminente soziale Funktionen zukommen. Das Selbstverständnis sozialer Gruppen manifestiert sich im Handeln für die Zeit nach dem Tode, die Gruppe ist die gelebte Gemeinschaft der Lebenden und Toten. Handlungen der Jenseitsvorsorge sind daher Handlungen der sozialen Selbstdar‐ stellung und der Repräsentation; sie drücken soziale und politische Vorrechte der Führungseliten in der Stadt ebenso aus wie die ökonomische Potenz und Privilegie‐ rung dieser Familien. Die Materialisierungen eigener Identität in Wappen, Stifterbil‐ dern und dergleichen im Kirchenraum, auf den Altarretabeln, in den Glasfenstern, im
131 Zur Vervielfältigung der Messfeiern siehe Angenendt, ‚Missa specialis‘, S. 216ff. Zur Information über den mittelalterlichen Ablass mit Hinweisen auf die wichtigste Literatur siehe Rova, ‚Ablass‘.
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Kontext gestifteter Figuren, auf liturgischem Gerät usw., stellen im Verständnis des Mittelalters sozusagen auch eine göttliche Legitimation der sozialen und politischen Position der dargestellten Gruppen und Individuen dar. Die Hierarchie der städti schen Gesellschaft, so sollte an den unterschiedlichen Beispielen gezeigt werden, spie gelte sich in den Akten der Jenseitsvorsorge wider. Die Ratsfamilien nutzen die Stif tungstätigkeit zur Demonstration der sozialen Stellung im Rahmen der Stadtgesell schaft, und auch diese Dimension muss für das Verständnis des Retabels des Bers wordt-Altares in der Marienkirche Berücksichtigung finden (Abb. 5.9a und 5.9b). Die Stadt des Mittelalters hat die Akte der Jenseitsvorsorge aus der Exklusivität der Welt des Adels und der Geistlichkeit befreit, zu einem Gemeingut gemacht, auf das sich jeder Bewohner der Stadt beziehen konnte. Dies setzt Sicht und Wirklichkeit der Gemeinde, der Allgemeinheit in der Stadt voraus und weist zugleich auf einen fundamentalen Wandel hin, der mit den Prozessen der Urbanisierung der europäi‐ schen Gesellschaften verbunden und auch für Dortmund festzustellen ist. Betritt man heute z.B. die Kathedrale Notre-Dame in Chartres, die nach einer Zerstörung des Vorgängerbaus durch Brand im Jahre 1194 bis zum Jahre 1220 neu errichtet worden ist, so wird diese Dimension der Stadt und damit ein wesentlicher Bestandteil städtischer Kultur evident, ja sinnlich erfahrbar.132 Einzigartig ist die Wirkung der weitgehend intakten Verglasung des Mittelalters. Die überreiche Ausstattung mit den berühmten Glasfenstern geht auf Schenkungen von unterschiedlichen Gruppen zurück; neben Königshaus, Adel und Klerus sind es vor allem Vertreter des Bürger‐ tums und der Zünfte von Chartres, die zu dem Gesamtkunstwerk auf diese Weise beigetragen haben. Die Fenster dienen der Jenseitsvorsorge und der Repräsentation der Schenker; diese eignen sich den Kirchenraum augenscheinlich als Sphäre der Öffentlichkeit für die Stadt an, ja die Schenkungen der Fenster sind damit durchaus als Akte der Konstituierung einer städtischen Öffentlichkeit zu verstehen, die eine Differenz zur Welt des Adels und der hohen Geistlichkeit zum Ausdruck bringt. Allerdings ist die Verwendung des Begriffs der Öffentlichkeit für vormoderne Gesellschaftsformen nicht unproblematisch und muss daher kurz erläutert werden, weil wir als Mittelalter-Historiker die Kategorie – ähnlich wie den Begriff der Me‐ dien – ganz unterschiedlich verwenden und einsetzen können.133 Ausgehend von Althoffs Überlegungen zu den „Spielregeln der Politik“ wurden die Begriffe Ritual, Inszenierung und Öffentlichkeit zahlreichen Überlegungen unterworfen. Immer aber geht es um die Frage der Erwartungshaltung einer Gesellschaft – eines Sozialgefüges, das Stadt, Pfarrgemeinde, Kloster, Zunft, Familie sein kann – einerseits und die Aktion eines Individuums bzw. einer Gruppe einer anderen gegenüber, andererseits. Vor diesem Hintergrund wird auch in der Mediävistik die Dichotomie Öffentlich‐ keit thematisiert. Wie Althoff es formuliert: „Diese Öffentlichkeit rekrutierte sich aus den Mitgliedern der Führungsschichten selbst sowie aus ihren Vasallen und 132 Zum Folgenden siehe die einschlägigen Artikel von Chédeville, Reinle und Lymant, ‚Chartres‘, im Lexikon des Mittelalters 2 mit den Hinweisen auf die ältere Literatur. Für die von den Zünften geschenkten Glasfenster siehe Sauvanon und Le Roux, Les métiers au Moyen Âge. 133 Althoff, Spielregeln der Politik im Mittelalter, der die Inszenierung des ottonischen Königtums als politische Öffentlichkeit behandelt.
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Abb. 5.9a: Hochaltarretabel der Familie Berswordt in der Marienkirche Dortmund, sogenannter BerswordtMeister, zwischen 1380 und 1390 (© Foto: Rüdiger Glahs, Dortmund).
Abb. 5.9b: Wappen der Familie Berswordt auf dem Rahmen des Hochaltarretabels (© Foto: Rüdiger Glahs, Dortmund).
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Gefolgsleuten, die ihre Begleitung bildeten. Insofern unterscheidet sie sich von dem, was wir unter moderner Öffentlichkeit verstehen, nicht unerheblich.“134 Während Faulstich Teilöffentlichkeiten, wie Hof/Burg, Land/Dorf, Stadt, Kloster/Universität, Kirchenraum usw., differenziert, sieht Imhoff soziologische und philosophische As pekte als öffentlichkeitsdeterminierende an.135 Erst in der Aufklärung – in der Zeit unmittelbar vor der Moderne also – ist Öffent‐ lichkeit als Begriff in einem ganz spezifischen Sinn entstanden und seitdem konkret belegt, wenngleich auch zuvor durchaus zwischen Privatem und Öffentlichem, zwi‐ schen Geheimem und Öffentlichem etc. differenziert worden ist.136 Öffentlichkeit bezeichnet hiernach zunächst eine Sphäre, an der alle teilhaben können und die daher allen als Referenzrahmen für Zwecke dient, die allgemein bekannt sind. In Öffentlichkeit sind alle Glieder einer Gesellschaft involviert. Immanuel Kant hat das Verständnis der Aufklärung von ‚Öffentlichkeit‘ auf den Punkt gebracht. Neben der Sphäre der Privatheit, in der die Menschen ihren privaten Geschäften nachgehen und in der sie sozial und wirtschaftlich sehr unterschiedlich bestimmt sind, tritt der Bürger in einen öffentlichen Diskurs über die Belange der Allgemeinheit – und hier kristalli‐ siert sich die öffentliche Meinung heraus, eine Meinung über die Allgemeinheit bzw. das Gemeinwohl, das sich nach Kant als Ausdruck von Vernunft und Mündigkeit artikuliert. Der Staatsgewalt des Alten Reichs wird so ein räsonierendes Publikum gegenübergestellt, das bis dato als Untertanen in Unmündigkeit gehalten worden war. Im Geist der Aufklärung formuliert Kant durch diesen Begriff der Öffentlichkeit einen Gegensatz zur Herrschaft und als Öffentlichkeitsideal die Kontrolle der Herrschaft durch mündige Bürger. Hierdurch wird in kritischer Auseinandersetzung mit den Verhältnissen der Zeit ‚Öffentlichkeit‘ als Kategorie der Moderne geboren.137 Welche Sprengkraft mit diesem Ideal der Öffentlichkeit verbunden ist, da sie mit Kontrolle von Herrschaft und Hervorbringung von Vernunft und Moral einhergeht, das haben die Revolutionen an der Schwelle zur Moderne nachdrücklich bewiesen. Andererseits differenzieren wir als Historiker sicherlich anders und schneller, vielleicht auch schlicht pragmatisch, indem wir schon früh unterscheiden zwischen Privatheit und öffentlicher Angelegenheit. So wird mit Berechtigung von Historikern von Öffentlichkeit auch gesprochen, wenn Adels- oder Königsherrschaft sich legiti‐ mierend an eine Öffentlichkeit wendet und Öffentlichkeit in Auseinandersetzung und Konflikt von Herrschaft durchaus zielgerichtet genutzt wird. So können wir auch für ein spätmittelalterliches Territorium von frühen Ansätzen einer Öffentlichkeit im Kant‘schen Sinne sprechen, wenn sich die Gemeinheit des Landes mit der Bildung der Landstände gegenüber dem Landesherren artikuliert, die Interessen des Landes gegen den Herrscher wahrnimmt und damit – bei aller Interessenlastigkeit der Arti‐
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Althoff, Spielregeln der Politik im Mittelalter, S. 12ff. Faulstich, Medien und Öffentlichkeiten; Imhof, ‚„Öffentlichkeit“ als historische Kategorie‘, S. 3-5. Vgl. hierzu die grundsätzlichen Überlegungen von Von Moos, ‚Das Öffentliche und das Private im Mittelalter‘. Kant, ‚Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung‘, hrsg. von Weischedel, Band XI, S. 54; Ders., Kritik der reinen Vernunft, hrsg. von Weischedel, Band III, S. 33.
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kulationen von Landständen – so etwas wie eine Vorstufe eines Bewusstseins von Allgemeinwohl und Öffentlichkeit im modernen Sinne ausbildet.138 Jürgen Habermas, der moderne kritische Theoretiker der bürgerlichen Öffentlich‐ keit, hat bei der Analyse der Genese von Öffentlichkeit in der Moderne meines Erachtens aus seiner Blickrichtung zu Recht für das Mittelalter einschränkend formu‐ liert, dass an den vormodernen und soeben angedeuteten bzw. kurz vorgestellten Formen von Öffentlichkeit nicht alle Glieder der Gesellschaft teilnahmen und auch nicht teilnehmen konnten. Er nennt dies von der Belegung des Begriffs durch die Aufklärung her gesehen folgerichtig auch Teilöffentlichkeit oder repräsentative Öffentlichkeit, eine Öffentlichkeit eben, die sich letztlich nicht auf Allgemeinheit, sondern nur auf eine besondere soziale Gruppe bezogen habe.139 Dagegen Position einnehmend streicht von Moos heraus, dass Moderne und Mittelalter gerade nicht als unüberbrückbare Gegensätze zu fassen seien, und zutreffend warnt er davor, die Zeit vor der Aufklärung lediglich als negative Kontrastfolie des modernen Denkens zu verstehen.140 Allerdings sei vor der überzogenen Kritik an Habermas durch von Moos gewarnt.141 Zugleich hat Habermas angemerkt, dass sich die Stadt des Mittelalters von dem Bereich der repräsentativen Öffentlichkeit des Adels deutlich abgehoben habe, da in der Stadt des Mittelalters Privatheit vom Gemeinwohl getrennt und als Gemeinde der Bürger konstituiert sei, wodurch insofern Öffentlichkeit im Sinne der bürgerli‐ chen Gesellschaft hergestellt worden sei.142 Von Moos spricht sich dafür aus, den „geschichtswissenschaftlichen Habitus, Moderne und Mittelalter als unüberbrückbare Gegensätze zu sehen“, zu überwinden.143 Diese Gegensätze affirmiert Habermas durchaus von anderem Standpunkt aus, nämlich der Sicht der Zeit vor der Moderne als negativem Kontrast zur bürgerlichen Öffentlichkeit als Ideal. Gerade in diesem Sinne scheint die Analyse der mittelalterlichen Stadt Möglichkeiten zu bieten, ver‐ meintlich Unvereinbares zu vereinbaren. Durchaus können wir in der entwickelten Stadt mit politischer Autonomie und hohem Grad von Selbstverwaltung in verschie‐ dener Sicht Vorformen der Moderne erkennen, wie es zum Teil durchaus auch Vertreter der Aufklärung selbst taten.144 Hierzu ist meines Erachtens die Kategorie
138 Zahlreiche Beispiele hierfür siehe in, Das Öffentliche und Private in der Vormoderne, hrsg. von Melville und von Moos. 139 Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 17f. und S. 58ff. Siehe hierzu auch die Einschränkung von Althoff, Spielregeln der Politik im Mittelalter, S. 12f. 140 Von Moos, ‚Das Öffentliche und das Private im Mittelalter‘, S. 17 141 Es ist nachgerade unsinnig, dem Nachdruck von Habermas, dass von Öffentlichkeit im strengen Wortsinn erst seit der Aufklärung gesprochen werden könne, zu entgegnen: „Man kann daraus a fortiori schließen, daß die Rede von mittelalterlicher Öffentlichkeit ein geradezu potenzierter Anachronismus (im Sinne des Prochronismus) wäre“ (von Moos, ‚Das Öffentliche und das Private im Mittelalter‘, S. 17). 142 Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 60 und S. 69ff. 143 Von Moos, ‚Das Öffentliche und das Private‘, S. 12. 144 Für Dortmund siehe etwa das resümierende Urteil von Mallinckrodt, Versuch über die Verfaßung, Teil 1, S. 218: „Denn da die Landeshoheit und die öffentliche Gewalt auf dem Inbegriffe der Bürgerschaft ruhet, der Rath sowohl als die Stände nicht jure proprio, sondern als Repräsentanten der Bürgerschaft die Regierungsrechte ausüben, die Wahl der Mitglieder dieser repräsentierenden Collegien auch nicht auf einzelne, insbesondere vornehmere Familien beschränket ist, dieselben vielmehr von und aus der Bürgerschaft gewählet werden: so ist
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der bürgerlichen Öffentlichkeit zu zählen.145 Bei aller gebotenen Vorsicht und im Bewusstsein der methodischen Grenzen können jedoch – und das soll im Folgenden am Dortmunder Beispiel aufgezeigt werden – neue Zugänge zur Kultur der Stadt des Mittelalters gewonnen werden, wenn wir den modernen Begriff bürgerlicher Öffentlichkeit auf die Stadtgemeinde des Mittelalters anwenden. Implizit geht es dabei auch um die Frage, welche die Stadtgeschichtsforschung immer wieder bewegt hat und wahrscheinlich auch in nächster Zeit bewegen wird, wie z.B. Heinz Thomas in einer Rezension der Arbeit über das Gleichheitsdenken von Barbara Frenz bestätigt.146 Es handelt sich um die Frage, ob die Gleichheit der Bürger und die Idee von dieser Gleichheit des Mittelalters mit der Gleichheit im Sinne der Egalität der bürgerlichen Moderne in eins gesetzt werden könne oder ob für die mittelalterliche Stadt nicht eher von Gleichheit im Sinne einer Parität im politischen Sinne gesprochen werden müsse. Damit ist ein komplexes thematisches Umfeld umrissen, das hier nur angedeutet sein soll, um auf wesentlich erscheinende Elemente der Stadtkultur des Mittelalters hinzuweisen. Öffentlichkeit in der mittelalterlichen Stadt sei daher für die Überlegungen im sachlichen Kontext dieses Buches wie folgt definiert und zugleich als These formu‐ liert. An Öffentlichkeit können alle Glieder der mittelalterlichen Stadtgesellschaft partizipieren und sie dient daher allen als gemeinsamer Referenzrahmen für ihre Betätigung als Bürger. Über soziale und wirtschaftliche Belange hinaus, die Privatheit konstituieren, gibt es den Bereich der Allgemeinheit, in dem sich die Glieder der Stadtgesellschaft als Gleiche betätigen; in diese Öffentlichkeit sind alle Glieder invol‐ viert. Gleichwohl sind Differenzierungen des Zugangs festzustellen: In der Regel tritt der Einzelne innerhalb einer Korporation auf; die Korporationen sind hierar‐ chisch gegliedert, an der Spitze der Rat der Stadt. Erst die Herstellung der Öffent‐ lichkeit ermöglicht von hieraus gesehen aber die Stadtgesellschaft des Mittelalters im eigentlichen Sinne. Einschränkend müssen wir jedoch hinzufügen, dass wir die Stadtgemeinde hiermit als Gemeinde der Bürger fassen, die alle Nicht-Bürger in der Stadt ausgegrenzt hat. Also müssen wir gegenüber der gerade getroffenen Definition des zugrundegelegten Begriffs von Öffentlichkeit für die Stadt des Mittelalters eine wesentliche Einschränkung machen. Nur der Bereich der Gemeinde der Bürger ist von hier aus zu thematisieren; die Stellung der Einwohner ohne Bürgerrecht müsste gesondert bearbeitet werden. Der in der Regel größte Bevölkerungsteil einer Stadt,
keinem Zweifel unterworfen, daß die Verfaßung dieser Stadt eine wahre, jedoch modificierte Democratie oder Volksregierung ist.“ 145 Löther, ‚Städtische Prozession zwischen repräsentativer Öffentlichkeit, Teilhabe und Publikum‘, vor allem S. 443ff. und resümierend S. 459 zeigt anhand städtischer Prozessionen die Möglichkeiten und Grenzen des Begriffs der bürgerlichen Öffentlichkeit im Sinne von Habermas für die Analyse der mittelalterlichen Stadtgesellschaft auf. Die mittelalterliche Stadtgesellschaft beruht nicht auf der Trennung von Staat und Gesellschaft, die Individuen sind in Korporationen organisiert, die in der Öffentlichkeit zusammentreten, die Stadtgesellschaft schließt sich vom Lande ab, mischt repräsentative Formen der Öffentlichkeit mit – so Löther – repräsentierenden Formen, usw. In der Stadt des Spätmittelalters aber zeige „die Möglichkeit von Kritik … auch Anschluß an bürgerliche Öffentlichkeit“ (S. 459) im modernen Sinne. 146 Siehe Fuẞnote 21.
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die Nicht-Bürger oder Einwohner, bleibt von der Entwicklung der Gleichheit oder Parität weitgehend ausgeschlossen. Dass die Dortmunder Bürger des Mittelalters ein Wissen um diese Dimension ihres Lebens in der Gemeinde entwickelten, verdeutlichen über das bisher Erwähnte hinaus verschiedene Äußerungen des Mittelalters selbst, die auch die öffentliche Präsentation der Stadt in den Außenbeziehungen einschlossen. Ein Beispiel sei angeführt: Die Dortmunder Juncheren geselschopp hat sich im 14. Jahrhundert eine Ordnung gegeben, um das Leben der vornehmsten Patrizier in ihrer Gilde, der Nach‐ folgeeinung der Reinoldigilde, zu organisieren und Rechte wie Pflichten schriftlich zu fixieren.147 Im ersten Artikel dieser Ordnung heißt es nach der Anrufung Gottes zunächst, dass die Einung nur aus ‚guten ehrsamen Erbsassen‘ bestehen soll. Die Gilde sei gemaket und gehalden umb ere und nut der Stad, auch um eine entsprechende Repräsentation Dortmunds in den Außenbeziehungen ist die Gilde bemüht.148 Die Ordnung fährt aber fort: … und umb dat dey ghene, dey andere lande versoiken ume erre handelinge willen, sey syn borgere ofte gheste, wanner dat sey hyr kommen, dey better geselschopp lyden und dey des mer geneyget werden, hyr mit uns to blyvene.149 Die so verstandene Öffentlichkeit als Strukturmerkmal der voll entwickelten Stadt des Mittelalters hat mannigfache Dimensionen für das Leben der Bürger, die in diesem Kontext nur angedeutet und auf die Thematik dieses Buches bezogen werden sollen. Die politische Bedeutung erscheint evident und soll an einigen Eckpunkten der Dortmunder Stadtentwicklung verdeutlicht werden. Im März des Jahres 1260 wird in der Reichsstadt Dortmund, noch nicht einmal 20 Jahre nach der ersten Nennung des Stadtrates, ein Statut über die Ratswahl formuliert.150 Die consules rem publicam Tremoniensem gubernantes, die die res publica Dortmund regierenden Ratsleute also, einigen sich in einem Vertrag mit den Sechsgilden in einer offenbar für das Gemeinwesen existentiell empfundenen Frage. Die Sechsgilden sind zu dieser Zeit die Zünfte der Gerber und Schuster, der Bäcker, der Fleischer, der Schmiede, der Krämer und der Fettkrämer. In dieser Quelle sind Dortmunder Zünfte überhaupt das erste Mal belegt und gleich als fest gefügte Korporationen innerhalb der Stadt, sie sind also zweifellos um einiges älter. Die Handwerkerkorporationen beginnen mit diesem Vertrag ja bereits, politisch als Sechsgilden zu handeln, denn der Inhalt des gefundenen Kompromisses zwischen Rat und Zünften ist die Neuregelung der jährlich erfolgenden Wahl des Stadtrates: Jede der Sechsgilden soll zwei Wahlmänner bestimmen, also insgesamt zwölf; diese zwölf wählen weitere sechs Wahlmänner aus der Reinoldigilde, der Vereinigung der Fernkaufleute in der Stadt; zusammen mit dem bisherigen Rat aus 18 Mitgliedern wird ein Wahlausschuss aus 36 Wahlmännern gebildet, ein Gremium, das den neuen Rat wählt. Offensichtlich nach einer Ausein‐ andersetzung, nach einer Zeit des Konflikts und Dissenses, hat man in Dortmund 147 Die Niederschrift ist in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts erfolgt, siehe die Edition von Rothert, ‚Das Buch der Dortmunder Juncheren Gesellschaft‘. 148 Ebd., S. 2. 149 Ebd. 150 Dortmunder Statuten und Urtheile, bearb. von Frensdorff; vgl. zum Folgenden ausführlich Schilp, ‚Consules rempublicam Tremoniensem gubernantes’ [Verzeichnis Nr. 35].
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einen Konsens gefunden, mit dem die Bürgergemeinde insgesamt zunächst leben konnte. Der Konsens war nicht durch Gewalt hergestellt worden, sondern durch eine rationale Einigung der streitenden Parteien innerhalb der Gemeinde der Bürger. Das Wissen um und das Bewusstsein von der Allgemeinheit und ihrer Bedeutung für die Stadt bedingt den Zwang der Stadtgemeinde zur Einigung, denn nur mit dem den Dissens und Konflikt abschließenden Konsens ist die Stadtgemeinde auf Dauer überlebensfähig. Mehrere Aspekte sind auffällig: Stadtgeschichtlich wird mit diesem Vertrag die vollkommene Unabhängigkeit der Bürgergemeinde in der Regelung ihrer Selbstver‐ waltung evident. Weder der Stadtherr Dortmunds, der König, noch der Vertreter des Reiches in der Verwaltung des lokalen Reichsgutbezirks, zu dem auch die Reichsstadt gehört, der Graf von Dortmund aus dem Kreis der lokalen Reichsministerialität, nehmen in irgendeiner Weise Einfluss auf die Vereinbarung der Bürgerschaft. Der genossenschaftliche Charakter der Bürgergemeinde wird durch die Beteiligung der genossenschaftlichen Organisationsformen der Handwerker nachhaltig unterstrichen. Daher hat Wilfried Reininghaus zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass wir diese Partizipation der Zünfte sozusagen als Vollendung und wesentlichen Abschluss der Erringung der städtischen Autonomie in Dortmund werten können.151 Dortmund als Stadtgemeinde wird durch diesen Vertrag sozusagen erst komplett. Die Teilhabe der Zünfte am Ratsregiment schließt den Prozess der Bildung der städtischen Gemeinde‐ bildung ab, denn autonom, frei von jedem äußeren Einfluss, hat die Bürgerschaft Dortmunds diese für das Leben in der Stadt wichtige Vereinbarung getroffen, Kon‐ sens und Kompromiss gefunden, Belange der civitas selbstbestimmt geregelt und einen Konflikt durch rationales Handeln gelöst. Der Dortmunder Vorgang ist im Übrigen nicht singulär. Allgemein können wir um 1250, im Westen in flandrischen Städten noch einige Jahre früher, von einer Welle solcher Auseinandersetzungen zwischen Zunftbürgern und patrizischer Führungselite in den Städten ausgehen, die in unserer Region vom Westen langsam nach Osten vor‐ rückt. 1257 übernahm in Köln eine handwerkliche Opposition gegen das patrizische Ratsregiment sogar für einige Zeit die Stadtgewalt. In Soest sind 1260/1261 ähnliche Vorgänge wie in Dortmund erkennbar.152 Das Aufbegehren der Dortmunder Handwerker und der folgende Vertrag zwi‐ schen Sechsgilden und Rat konstituiert Öffentlichkeit im modernen Sinne. Das Handeln der Bürger zeigt, dass die Bildung der Gemeinde als Genossenschaft von Genossen gleichen Rechts erfolgt ist: Die Stadtgemeinde besteht aus Bürgern als rechtlich gleichgestellten Gliedern, so dass das Drängen auf Partizipation an den Organen der städtischen Selbstverwaltung legitim erschien. Die Dortmunder Hand‐ werker müssen in ihrem Aufbegehren als Bürger auch ein Bewusstsein um die Legiti‐ mität ihres Handelns entwickelt haben – der im innerstädtischen Vertrag gefundene Kompromiss gibt dem im Resultat ja auch Recht. Im Kant‘schen Sinne erstreiten die Handwerker eine erste Beteiligung am Ratsregiment – sie treten als Gleiche auf
151 Reininghaus, ‚Handwerk und Zünfte in Westfalen‘, S. 275ff. 152 Ebd., S. 275ff.; vgl. auch Schilp, ‚Consules rempublicam Tremoniensem gubernantes’ [Verzeichnis Nr. 35], S. 104ff.
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und nehmen dadurch Öffentlichkeit für sich in Anspruch – der Kompromiss wird rational gefunden. Die Stadtgemeinde existiert nur erfolgreich, wenn der Konflikt durch Diskurs zum Konsens der Bürger geführt wird, immer wieder muss dieser Konsens hergestellt werden. Die sogenannte Große Dortmunder Fehde von 1388/1389, in der Dortmund für fast zwei Jahre von kölnischen und märkischen Truppen belagert wurde, konnte sieg‐ reich überstanden werden, weil man als Bürgerschaft einig war und um den Schutz des heiligen Stadtpatrons Reinoldus wusste.153 Bei der Reflexion, warinne und durch welch die stat Dortmund unoverwunnen bleven, bringt der Chronist Dietrich Westhoff verschiedene Aspekte in Anschlag.154 Die Feinde hätten geglaubt, die Dortmunder Bürger vor den Toren der Stadt so bedrängen zu können, dass sie sich unterwerfen; entgegen der Hoffnung wären die Bürger einig geblieben; langfristig seien auch Lebensmittelvorräte eingelagert worden, so dass in der Stadt niemand Hunger leiden musste. Besonders hebt Westhoff jedoch das Bewusstsein von Stadt und Bürgern um den Wert des Charakters einer freien Stadt und um die Bedeutung der politischen Autonomie für die Unabhängigkeit als Reichsstadt hervor: Die heren und burger van Dortmunde … sprechende, sie hedden eine vrije stat und darin ir regiment ine van iren aldern und altvedern nachgelaten, die ine weer, aver van dem roemschen rijche to lehen gude entfangen hetten.155 Aus diesen Worten geht das intensive Bewusstsein von Stadt und Bürgern um den Charakter als Stadt des Reiches hervor, sie betonen aber auch den Charakter der einigen Genossenschaft als Grundlage der Ausgestaltung der Reichsfreiheit Dortmunds.156 Dass sich Stadt und Bürger über innere soziale Differenzierungen hinweg als Bürgergemeinde immer als eine Sakralgemeinschaft definierten, wird zu Beginn des Resümees des Dortmunder Chronisten deutlich: Wiewol nu de van Dortmunde in dissen langen krijgslopen nicht oen schaden beide der menschen und guets gebleven, ist derselvige schaden idoch uet gots vuersichtigheit und sine gnade durch vuerbit des hilgen mertelers und der stat principal patronen sant Reinolts gegen der wedderpart verderf seer geringe gewesen …157 Allein in der Einheit und Gemeinschaft mit Reinoldus, dem Hauptpatron der Stadt, als himmlischem Vertreter am Throne Gottes – so das Ver‐ ständnis des Chronisten – konnte Dortmund die Fehde letztlich nahezu unbeschadet überstehen. Zwar erlitt die Stadt Schaden an Menschen und Gut – Westhoff nennt den Tod von 30 Dortmundern im Verlauf der Fehde – aber die Gemeinschaft mit dem Stadtpatron und die einige, sakral verstandene Bürgergemeinde verhinderten jedoch Schlimmeres und garantierten den militärischen Sieg. Die Stadtfinanzen aber gestalteten sich trotz dieses Sieges nahezu katastrophal: Nicht nur war für die Zeit der Belagerung das Gewerbeleben und der Handel der Stadt weitgehend zum Erliegen gekommen, was wirtschaftliche Verbindungen gefähr‐ dete und die Stadt ihrer Einnahmequellen beraubte. Die Stadt musste nämlich die 153 154 155 156 157
Siehe hierzu Kirchhoff, ‚Die Dortmunder Große Fehde 1388/1389‘. Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 276. Ebd., S. 278. Vgl. hierzu ausführlich Schilp, ‚Consules rempublicam Tremoniensem gubernantes’ [Verzeichnis Nr. 35], S. 106ff. Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 284.
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Kriegskosten tragen und hatte sich über Gebühr verschulden müssen. Eine rigide Besteuerung der Bürger zur Sanierung der Stadtfinanzen war die zwangsläufige Folge. Auch kurz vor 1400 war die Verschuldung der Stadt trotz der intensiven Besteue‐ rung der Bürger noch nicht behoben. Die gemeine Bürgerschaft unter Führung der Zünfte schrieb die miserable finanzielle Situation zehn Jahre nach der Fehde der Misswirtschaft des patrizischen Rates zu. Man beklagte den verschwenderischen und sorglosen Umgang mit den Stadtfinanzen durch die gebildeten Ratsdeputationen. Insgesamt betrachtet geriet die Stadt und mit ihr das politische System in eine andauernde Krisensituation. Als schließlich am 16. September 1399 die Bürgermeister Rechnung ablegten, traten finanzielle Missstände zutage, der Unmut unter den Bürgern wuchs.158 Der Rat hatte Renten in Höhe von 1.700 Gulden mehr verkauft als ursprünglich vorgesehen war. Die Ansprüche zahlreicher Gläubiger, auch innerhalb der Stadt, konnten daher nicht befriedigt werden. Da Lösungen der Misere auch weiterhin nicht zu erkennen waren, erhob sich unter Führung der Zünfte im Frühjahr des folgenden Jahres die Bürgerschaft gegen den patrizischen Rat. Der Chronist Johann Kerkhörde, ein Ange‐ höriger der Sechsgilden, berichtet zu den Ereignissen: Daerna gingen unser borger sementlichen op dat raethues und koren enen nijen raet, und den moste de alde raet stedigen. Unde die alde raet moeste gaen baven op dat raethues, und daer worden se afgenomen, und er een deel worden gesat in den kerker, een deel in toerne. Kortlicken se quemen alle up toerne, so twe tosamen und so twe tosamen, die nicht besunder bevronden tosamen weren, und op toerne, daer se verne van wonden; und daroppe saten se lange tijt.159 Die Zünfte verlangten vom inhaftierten Rat die Bezahlung der entstandenen Schäden, die durch die finanzielle Misswirtschaft verursacht worden waren. Nach der Annahme dieser Bedingung wurden die Ratsherren freigelassen, aber sie mussten sich weiteren Verhandlungen zur Schuldentilgung fügen, nach der Argumentation der Zünfte zum Wohle der Stadt – dat men de stat en eren und bestande behelden.160 Hiermit ist ausdrücklich das Gemeinwohl der Stadt angesprochen, dass durch die Misswirtschaft der Ratsherren gelitten hatte und durch die Aktion der städtischen Öffentlichkeit unter Führung der Zünfte wiederhergestellt werden sollte. Neben der Beseitigung der Finanzmisere, auf die hier nicht näher eingegangen werden braucht, hatte das Aufbegehren der Handwerker an der Spitze der gemeinen Bürgerschaft in diesem Sinne auch langfristige Wirkungen. Die Zünfte nämlich gaben sich mit den erreichten Maßnahmen nicht zufrieden. Um die Entscheidungen des Rates in Angelegenheiten des allgemeinen Interesses fürderhin auf eine breitere Grundlage zu stellen, wurde eine neue Zusammensetzung des Führungsgremiums vereinbart: Zwölf Ratsherren aus den patrizischen Familien wurden sechs Ratsherren als Vertreter der Zünfte beiseite gestellt. Die Sechsgilden, die seit 1260 nur als
158 Siehe hierzu den Bericht ebd., S. 290ff. 159 Chronik des Johann Kerkhörde von 1405-1465, bearb. von Franck und Hansen, S. 43 160 Ebd., S. 44.
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Wahlmänner des Rates an der Stadtführung mitwirkten, hatten damit im Rat eine wichtige Position, eine echte Partizipation am politischen Regiment über die Stadt errungen. Für unsere Fragestellung entscheidend ist, wie diese Vorgänge des Jahres 1400 von den Zeitgenossen empfunden wurden. Der Chronist bewertet als zentrales Er‐ gebnis des Aufbegehrens der Zünfte, dass erst jetzt garantiert sei, dass jeder, der to Dorpmunde binnen wonet und borger is, de si in dem rade, in den erfsaten, in den ses gilden – sowie alle anderen –, dat die genzlicken eens sijn, und wat der Stadt andrept, dat se dat met ganzer eendracht doen.161 Die Herstellung einer umfassenden Öffentlichkeit der Bürger in Dortmund wird von dem Chronisten als eine Garantie für Eintracht gesehen, als die Verpflichtung, im Sinne des Gemeindecharakters der Bürger in Konflikten zum Kompromiss aller Gruppen verpflichtet zu sein. Nach der Einigung wurde durch Glockenschlag die Bürgergemeinde auf dem Markt zusammengerufen, um die getroffenen Vereinbarungen mitzuteilen und die akklamative Zustimmung der Bürger dazu einzuholen – der städtische Friede war wiederhergestellt.162 In einem Vertrag formuliert die gesamte Bürgergemeinde nach der groten twydracht noch im Jahre 1400 eine neue eindracht: Rat, Erbsassen, Sechsgilden und gemeine Bürger vereinbaren, dass das Dortmunder Recht bestehen bleiben soll; jeder soll nur das der stades und der gemeynen borgere beste verfolgen; Ratsleute, Erbsassen und Sechsgildner sollen genslike eyns sin … und wat des stad andrepet, dat sey dat mit gantzer eyndracht don; wegen der Handlungen im Rahmen der Auseinandersetzungen geloben sie für alles Geschehene Vergessenheit – alle wollen zueinander stehen, auch wenn sie zum König oder sonst jemand vorgeladen werden.163 Die städtische Öffentlichkeit wird auch im Rahmen religiös-spirituellen Handelns als Medium der Gruppen und Individuen in der mittelalterlichen Stadt genutzt und dadurch immer wieder konstituiert. Die Stadtgemeinde verstand sich im sakralen Sinne als Kultgemeinschaft. Dieses Selbstverständnis hatte mannigfache Auswirkun‐ gen auf das städtische Leben; nur auf einige wenige soll kurz hingewiesen werden. Die Identität der Stadt, ihre jenseitige wie diesseitige Legitimation, stellt sich im Ritual der Prozessionen immer wieder her. Im Jahre 1506, als die Stadt einem verräterischen Anschlag durch die Hilfe des Patrons entrinnen konnte, ist in der Stadtchronik des Dietrich Westhoff eine Prozession ausführlicher beschrieben.164 Der Chronikbericht lässt zum einen die Rekonstruktion eines typischen Prozessionswegs durch die Stadt zu, den wir an‐ hand des vogelperspektivischen Stadtgrundrisses von Detmar Mulher aus dem Jahre 1610 nachvollziehen können (siehe Titelbild zu Memoria und Stadtgesellschaft und Abb. 6.1). Die Prozession geht von der Reinoldikirche, der städtischen Hauptpfarrkir‐ che aus, zieht zum Franziskanerkloster, dann zur Marienkirche, zur Nikolaikirche, zum Dominikanerkloster, zur Petrikirche, zum Katharinenkloster und schließlich 161 Ebd., S. 45. 162 Ebd., S. 46: Oppe dat alle unenicheit van dussem geschichte afgelaget worde, so wort bi enem klockenslage uetgeropen van dem raethuese alle ede und lofte quijt, de mallik dem andren gedaen hadde, up sunte Nicolaus avent, late. 163 DUB, bearb. von Rübel, 3, Nr.1037. 164 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 387ff.
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zurück zur Reinoldikirche. An diesen Stationen sind kleine Altäre errichtet und es wird jeweils gehalten, um alle Heiligen des Orts durch Lobgesänge und Fürbitten in das Geschehen einzubinden. Reinoldus, dessen kostbarer Reliquienschrein an der Spitze des Zuges mitgeführt wird, ist in der Chronik als Hauptherr der Stadt und ihr Patron bezeichnet, als ihres werdigen hovetherrn und patron, der am Haupt der Prozession ‚geht‘.165 In die Reinoldikirche zurückgekehrt, feiert die Stadtgemeinde einen Dankgottesdienst. Wenn sich die Stadtgemeinde in dieser Prozession selbst vergewisserte, so weist dies der Prozession einen öffentlichen Rang zu. Im Bewusstsein, dass die Stadtge‐ meinde als Sakralgemeinde in der Verehrung von Reinoldus und im Verständnis der Gemeinschaft der Stadtbewohner mit ihrem Patron ihre Identität herstellt, ist es nicht gleichgültig, an welcher Position der Aufstellung des Zuges sich eine soziale Gruppe oder ein Individuum befindet. Immer wieder kommt es in Städten des 15. Jahrhunderts zum Streit der Gruppen um diese Positionierung.166 Für Dortmund ist für 1496 ein solcher Streit überliefert.167 Zwist war in der Bürgerschaft entstanden, insbesondere mit den Gesellen der Sechsgilden und anderen handwerklichen Organi‐ sationen um diese Positionen, da man dem Sakrament am nächsten sein wollte. Auch das Tragen von Wachskerzen bei der Prozession war so heftig umstritten, dass es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen kam. Westhoff fügt hinzu, zu Auseinanderset‐ zungen dieser Art sei es schon häufiger gekommen, noch nie aber seien sie so scharf ausgetragen worden. Die Auseinandersetzungen weisen auf die Bedeutung der Nähe der Teilnehmer der Prozession zum heiligen Patron oder zur Monstranz mit Hostie, die als spiritu‐ elle Nähe aufgefasst wurde. Darüber konstituiert sich städtische Öffentlichkeit: Vor allem die Zünfte verstanden ihre Position als öffentliche Repräsentation ihres Rangs innerhalb der Stadtgemeinde. Ich möchte dies als deutlichen Hinweis verstehen, dass die Zünfte die neuen Räume der Öffentlichkeit nutzen wollen. Sie konkurrieren untereinander als grundsätzlich Gleiche um ihre Selbstdarstellung im spirituellen Leben der Stadt, sie wollen den Rang einnehmen, den sie sich selbst zuweisen zu können glauben. Ganz deutlich wird dies an Auseinandersetzungen der Zünfte mit den Gesellen eines Handwerks, die sich ebenfalls zu Korporationen zusammenschließen. Sie ver‐ deutlichen, wie sehr die Religiosität öffentliche Räume nutzt und dabei zum Gegen‐ stand der Auseinandersetzung wird. In Soest etwa bestreitet die Zunft der Wollweber 1525 den Gesellen des Handwerks das Recht, Kerzen zur Ehre Gottes und für
165 Ebd., S. 387. 166 Siehe hierzu allgemein Löther, Prozessionen in spätmittelalterlichen Städten, S. 292ff. et passim. 167 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 363: Was ouch dis jaers groet unwille und twist under den gemeinen burgern und sunderlings mit den knechten der sesgilden und ampter to Dortmunde der kersen halven, damit vuer ader achter to gaen in der procession, wanneer man dat hillige sacrament umb die stat ader in die kerspel droeg, dat sie under malkander westen in der Vogotten gedachte knechte over malkander komen und ein groet ufruer mit stechen, houwen, slaen to wege bracht, derwelchen etliche ouch angegrepen und derhalven to torn gelacht, aver tolest gedaelt worden. Und dit spil was meermalen vurhanden gewesen, aver nicht so weldiug und daetlich als der tijt.
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das Gedenken der Verstorbenen in einer Kirche zu unterhalten.168 Dem Stadtrat gegenüber begründen sie das damit, das Verhalten der Gesellen sei nicht nur der Ehre Gottes abträglich, sondern auch der Ehre der Stadt Soest tue ein solches Verhalten Abbruch. Der Rat entschied für die Gesellen nach langen Auseinandersetzungen: Alle Bruderschaften innerhalb des Wollweber-Handwerks sollten bei ihrem Herkommen bleiben.169 Den Meistern war offensichtlich ein Dorn im Auge, dass die Gesellen die städtische Öffentlichkeit für ihre Korporation nutzen wollten. Indem man den Gesel‐ len den öffentlichen Raum der Kirche für eine Repräsentation der sozialen Gruppe bestritt, wollte man die Korporation insgesamt verhindern und zerstören. Ohne einen solchen spirituellen Bezug auf die Öffentlichkeit war eine Gruppenbildung in der mittelalterlichen Stadt gar nicht denkbar. Die Gruppen und Individuen in der Stadt – dies wird an den bislang vorgestellten Zusammenhängen ebenso deutlich wie in der Analyse der Stiftungen am Kreuzaltar in der Dortmunder Marienkirche – konkurrieren um die öffentlichen Stiftungsorte, um Institutionen und Gelegenheiten der Sorge um Memoria mit all ihren Bedeu‐ tungsebenen, die weit über die Ebene der Liturgie und Religiosität hinausreichen. Dass auch die kirchlichen und karitativen Institutionen in der mittelalterlichen Stadt (Kirchen und Klöster, Kapellen und Klusen; Hospitäler, Gasthäuser, Leprosenhäuser etc.) um Stifter konkurrieren, wurde von Jan Gerchow in einer Untersuchung der Bruderschaften und Stiftungen in Freiburg im Breisgau erstmals untersucht und ange‐ deutet. Stiftung als anerkannte religiöse Handlungsform schafft in der Stadt einen regelrechten ‚Markt‘, für den die religiöse Intention als Voraussetzung gefasst werden kann; zu untersuchen ist von hieraus die Wahl der Institution des Einzelnen und der Gruppen im Raum der Stadt.170 Die soziale Differenzierung der Stadtgesellschaft spiegelt sich in den Stiftungen und ihren Materialisierungen wider: Über alle sozialen Grenzen hinweg organisieren die Dortmunder Bruderschaften Jenseitsvorsorge von Mägden und Knechten bis hin zu den patrizischen Familien der Führungsschicht. Einungen von Gesellen und Zünften finden wir als Stifter und aktive Teilnehmer der städtischen Prozessionen, die patrizischen Familien, wie beispielsweise die Familie Berswordt, nutzen alle Mög‐ lichkeiten der religiösen Stiftung als Handlungspotenzial: Altarstiftung, karitative Stiftungen, Repräsentation im spirituellen Kontext der Pfarrkirchen. Hierbei ist interessant, wie sich in den privaten Stiftungen und Schenkungen zum Seelenheil die unterschiedlichen Bedeutungsebenen ergänzen. Die Evozierung der eigenen Person und Gruppe in der Liturgie im Rahmen der Jenseitsvorsorge ist Hauptintention des Handelns; die Stifter stellen sich im Rahmen der wirtschaftlichen und sozialen Hierarchie der Stadtgesellschaft dar, demonstrieren ihre Stellung in der Stadt. Hierfür wird die Kirche als neuer Raum der Öffentlichkeit genutzt und konstituiert, indem die private Stiftung eben auch als Mehrung des Gottesdienstes
168 Reininghaus, Zünfte, Städte und Staat in der Grafschaft Mark, S. 248ff: „Die Kerzen der Gesellen (der wullenknappen licht) tun der Ehre Gottes und der Stadt Soest Abbruch.“ 169 Ebd., S. 249. 170 Gerchow, ‚Volksreligion, Massenreligiosität oder Laienfrömmigkeit im Spätmittelalter?‘, S. 15ff.
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für die Gemeinde verstanden werden konnte. Memoria in der mittelalterlichen Stadt ist damit ein „totales soziales Phänomen“, denn dieses Handeln schließt alle Lebensbereiche ein, ja integriert sie.171 Alle denkbaren Aspekte der Lebenswelt in der spätmittelalterlichen Stadt finden Formen des Ausdrucks in Memoria, die Kultur der mittelalterlichen Stadt ist in ihrem Selbstverständnis zu einem wesentlichen Teil eine Kultur der Erinnerung. Funktionen der Bilder in der spätmittelalterlichen Stadt aus der Sicht des Historikers Im Kontext der bisher angestellten Überlegungen soll im Folgenden aus der Sicht des Historikers thesenhaft versucht werden, Bedeutung und Funktion der Bilder im allge‐ meinen, der Altarretabel und Andachtsbilder im Besonderen, zu erläutern. Ebenso gilt es die in der Stadt tätigen Maler im Leben der mittelalterlichen Stadt Dortmund einzuordnen. Die beschriebenen und analysierten Denk- und Handlungsmuster, die daraus rekonstruierte Mentalität der Zeit haben zweifellos eine eigentümliche und besondere Kultur der mittelalterlichen Stadt ausgebildet, zu der neben der politischen Autonomie und Selbstverwaltung der Stadtgemeinde, neben den wirtschaftlichen Entwicklungen (es seien hier erwähnt: Arbeitsteilung, Produktion für den Markt, Exportgewerbe, Fernhandel), neben der Ausbildung einer Öffentlichkeit, in die zu‐ mindest alle Bürger der Stadt involviert sind, neben der Partizipation der Bürger am Stadtregiment und neben dem im Konfliktfall rational gefundenen Konsens der Stadtgemeinde eben auch eine spezifische Form der Kunst gehört, die Vorbilder adliger Lebenswelten adaptiert und in eigentümlichen Formen weiterentwickelt. Kunst des Mittelalters ist zum überwiegenden Teil sakrale Malerei für den öf‐ fentlichen, aber wie das Conrad von Soest zugeschriebene Tafelbild mit Reinoldus und Paulus auf dem Wappen der Familie Berswordt zeigt, auch für den privaten Bedarf. Mag diese Feststellung auf den ersten Blick aufgrund des religiösen Codes des Mittelalters konnotiert sein und möglicherweise als Banalität erscheinen, so gilt dies bei näherem Zusehen jedoch auch für Bilder, die auf den ersten Blick die religiös-spirituelle Dimension zu verlassen scheinen. Um 1510 bemerkte Albrecht Dürer in seinem Manuskript für die Vorrede seines unvollendet gebliebenen Malerbuchs als Aufgabenbereich des spätmittelalterlichen Malers: Dann die Künst des Molens würd gebraucht im Dienst der Kirchen und durch das angezeigt das Leiden Cristy und viel andrer guter Ebenbild, behält auch die Gestalt der Menschen nach ihrem Absterben. Die Messung des Erdrichs, Wasser und der Stern ist verständlich worden durch Anzeigung der Gemäl und würd noch mänchem viel kund durch Anzeigung der Gemäl.172
171 Siehe Oexle, ‚Memoria als Kultur‘, S. 39. 172 Dürer, Schriften und Briefe, bearb. von Ullmann und Pradel, S. 125f.
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Gemälde also hatten nach Dürer ihre Funktion als Tafelbilder bzw. Altarretabel im Dienst der Kirche; hier würden sie benötigt, denn sie zeigten das Leiden Christi sowie die guten Ebenbilder der Heiligen; damit würden sie die Möglichkeit der Erlösung und des ewigen Heils des Christenmenschen offenbaren. Als ob es eine Selbstver ständlichkeit wäre, fügt er hinzu, sie hätten eine zweite Aufgabe: Nach ihrem Ableben bewahrten Gemälde nämlich auch die Gestalt des Menschen und würden auch sonst in vielfältiger Weise informieren.173 Das Bild wird also von Albrecht Dürer – durchaus im modernen Sinne – als Medium für eine Öffentlichkeit verstanden. Hatte Fedja An zelewsky in seinem monumentalen Standardwerk zum malerischen Werk Albrecht Dürers das Porträt als abhebende Differenzierung vom sakral geprägten Bild verstan den, so ergeben sich aus der Sicht der Denk- und Handlungsmuster des Mittelalters andere und neue Perspektiven des Verständnisses der Dürer‘schen Überlegung. Otto Gerhard Oexle hat Kunstwerke des Mittelalters als Zeugnisse der Memoria bestim men können, denn häufig sind sie eindeutig als „Hervorbringungen vor allem der lit urgischen und sozialen Memoria zu erkennen. Man kann hier von ‚Memorialbildern‘ sprechen … “, bei denen es sich um bildliche Ausdrucksformen der ‚Gegenwart der Toten‘ handelt.174 Auch bei nicht auf den ersten Blick zugänglichen Bildern ist in den vergangenen Jahren durch die Memoriaforschung der Schlüssel zur Erkenntnis, zu einem neuen deutenden Zugang gefunden worden.175 Das berühmte Bildnis des Tymotheus von Jan van Eyck aus dem Jahre 1432 (Abb. 5.10) wurde von Dieter Jansen neu gedeu‐ tet.176 Nach seiner Untersuchung handelt es sich um ein Selbstbildnis des Malers im Kontext einer Armenstiftung an der Kirche St. Donatian zu Brügge; das Jahr deutet auf einen Wendepunkt der Vita van Eycks. In einem seiner erfolgreichsten Jahre als Maler heiratete er. Die Einrichtung von Haushalt und Werkstatt würde im mittelal‐ terlichen Denk- und Handlungsrahmen wie selbstverständlich diese Maßnahme für die Jenseitsvorsorge einschließen. Freilich könnte auch eine andere Person auf dem Gemälde dargestellt sein – nicht zwingend muss es sich um ein Selbstporträt handeln. Dennoch gewährt die Analyse des Totengedenkens neue Zugänge zum Bild. Zum einen verweist die Urkunde in der Hand der dargestellten Person, wohl der Vertrag über die Stiftung zugunsten der Armen durch van Eyck oder über die Stiftung einer anderen Person, und die lateinische Datierungszeile (Actu[m] an[n]o d[omi]ni. 1432. 10. die octobris. a. ioh[anne] de Eyck) direkt auf die Stiftung und möglicherweise eben auch auf van Eyck als Maler und Stifter.177 Zum anderen spricht die Inschrift Leal Souvenir („Getreues, aufrichtiges Gedenken“) den Betrachter des Bildes direkt
173 Vgl. zum Folgenden auch Schmid, ‚Zwischen Tod und Auferstehung‘. 174 Oexle, ‚Memoria als Kultur‘, S. 43 (hier auch der ausführliche Hinweis auf Jansen, ‚Jan van Eycks Selbstbildnis‘). Ausführlich dazu siehe auch Oexle, ‚Memoria und Memorialbild‘. 175 Siehe zum Folgenden Oexle, ‚Memoria als Kultur‘, S. 44f., der Jansen, ‚Jan van Eycks Selbstbildnis‘, folgt. 176 Jansen, ‚Jan van Eycks Selbstbildnis‘. 177 Der Hinweis von Dhanens, Hubert und Jan van Eyck, S. 182, dass das „Wort Actum … dieser Inschrift, der Signatur und dem Werk selbst eine größere Bedeutsamkeit“ gibt, ist sicher richtig, denn van Eyck gebraucht nicht das übliche fecit. Actum verweist gerade auf eine Handlung, die mit der Urkunde in der Hand des dargestellten Mannes betont wird und auf eine memoriale Stiftungsurkunde hinweisen dürfte.
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Abb. 5.10: Jan van Eyck, ‚Léal souvenir‘, 1432, London National Gallery (© Wikimedia Commons).
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an: er wird zum Gedenken an die dargestellte Person aufgefordert und soll den Darge stellten in sein Denken und Handeln einbeziehen. Die darüber geschriebene Inschrift in griechischen Buchstaben, die namengebend bislang meist als Tymotheus gelesen worden war, ist als Time Deum zu verstehen, damit als Lebensmaxime Jan van Eycks bzw. der dargestellten Person. Das Porträt, aber auch die Namensnennung des Malers, wird für die Jenseitsvor‐ sorge, die Vergegenwärtigung unter den Lebenden genutzt. Die Bildsprache wird verständlich und erscheint in einem neuen Licht, wenn die grundlegenden Denkfor‐ men des Mittelalters selbst für unsere Deutung in den Blick genommen werden. Gleichgültig, ob es sich nun um ein Porträt eines uns nicht bekannten Mannes oder gar um ein Selbstporträt des Malers handelt, das Bild ist ein Zeugnis der spätmit‐ telalterlichen Erinnerungskultur. Das Porträt in diesem Kontext kann als perfekte Form der Evozierung der eigenen Person gewertet werden. Insofern zeigt das Bild aus dem Jahre 1432 überdeutlich, dass Memoria eine Kultur der Individualität auch bereits des Mittelalters ist. Nur aus modernistischer Sicht der Individualität kann das Porträt daher als eine Abkehr vom Mittelalter erscheinen.178 Der Bildinhalt ist eine konsequente Fortführung der Deutungsmuster mittelalterlicher Memoria. Die liturgische Memoria des Mittelalters mit ihren verschiedenen Bedeutungsebe‐ nen zeugt davon, wie gerade auch im Mittelalter „Memoria und Individualität in einem unlösbaren und wechselseitigen Begründungszusammenhang stehen”.179 Es ist eine weitverbreitete Meinung, auch des gebildeten Alltagsverstandes der Moderne, dass erst Humanismus und Renaissance eine Emanzipation des Menschen aus der dogmatisierten Glaubens- und Vorstellungswelt des Mittelalters ermöglicht hätten, weil jetzt vorchristliche und antike Lebenswelten rezipiert und die entsprechenden Geistesströmungen entdeckt worden seien. Bereits das europäische Mittelalter aber hat die vorchristliche Antike, ihre Kunst und Philosophie, hochgeschätzt und ist ohne diese Rezeption überhaupt nicht denkbar. Das Urteil verkennt zum einen die funda‐ mentale Bedeutung der Antike in allen rezipierbaren Formen für die Entstehung und Entwicklung des Christentums wie der mittelalterlichen Welt, zum anderen deutet es den Wandel der Rezeption der Antike irrig als Neubeginn, anstatt ihn aus den Bedürfnissen und Schranken des Mittelalters selbst zu erklären.180 Das 19. Jahrhun‐ dert, an der Spitze zweifellos die Renaissance-Deutung Jakob Burckhardts, und in der Folge große Teile der Forschung bis heute, ging davon aus, dass das Mittelalter keine Vorstellung von Individualität, weder als ‚Mentalität‘ noch als ‚Realität‘, entwickelt habe. „Im Mittelalter“ – so hat Jakob Burckhardt es in seinem berühmten Werk über die Kultur der Renaissance in Italien 1860 programmatisch formuliert – „lagen die
178 Eine Klärung, was unter Individualität, Subjekt, Subjektivität etc. im Mittelalter, durchaus auch in Abgrenzung zur Kategorie der Moderne, verstanden werden soll, steht noch aus. Zweifellos ist der Unterschied zwischen der Namensnennung des Früh- und Hochmittelalters in einem Liber vitae, auf einem Dedikationsbild usw., die das Individuum evozieren soll und dem Porträt des Spätmittelalters evident. Dennoch kann in der Memoria das Individuum deutlich aus einer Gruppe heraustreten, muss es aber nicht. 179 Vgl. hier grundlegend zum Folgenden: Oexle, ‚Memoria als Kultur‘, S. 49. 180 Siehe hierzu Ohlig, ‚Christentum – Kirche – Individuum‘, S. 32f.
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beiden Seiten des Bewusstseins – nach der Welt hin und nach dem Innern des Menschen selbst – wie unter einem gemeinsamen Schleier träumend oder halbwach. Der Schleier war gewoben aus Glauben, Kindesbefangenheit und Wahn; durch ihn hindurchgesehen erschienen Welt und Geschichte wundersam gefärbt, der Mensch aber erkannte sich nur als Rasse, Volk, Partei, Korporation, Familie oder sonst in irgendeiner Form des allgemeinen. In Italien zuerst verweht dieser Schleier in die Lüfte; es erwacht eine objektive Betrachtung und Behandlung … der sämtlichen Dinge dieser Welt überhaupt; daneben aber erhebt sich mit voller Macht das Subjek‐ tive; der Mensch wird geistiges Individuum und erkennt sich als solches“.181 Die Ausbildung des Menschen der Moderne im Blick, benutzt Burckhardt das negativ empfundene Bild des Mittelalters als Kontrastfolie, als kontradiktorischen Gegensatz zur Moderne. Erst Renaissance und Humanismus hätten die Emanzipation des Men‐ schen von kirchlichem Glauben eingeleitet. Dagegen ist zu Recht eingewandt worden, dass eine solche Sicht „die ausgeprägten individualistischen Tendenzen, die schon in der städtischen Sozialsphäre zu Beginn des Hochmittelalters in Erscheinung treten“, übergeht.182 Jüngst hat Karl-Heinz Ohlig, auf eigenen älteren Arbeiten basierend, zeigen kön‐ nen, wie seit dem Frühmittelalter gerade das Christentum zur Individualisierung der abendländisch-europäischen Gesellschaften beigetragen hat.183 Die Kategorien der Schuld und der Rechtfertigung haben seit Augustinus den Blick notwendig auf das Individuum gelenkt, denn neben der Erbsünde ist es nach dem Leben und Kreuzestod Christi, die Erlösung ermöglicht haben, der einzelne Mensch, der Schuld auf sich nimmt. Jeder Christ steht vor der Frage, was aufgrund seines Denkens und Handelns nach dem Tod mit ihm geschehen solle.184 Im Spätmittelalter wird hieraus die subjektiv empfundene Heilsangst, eine Angst, die wir in den Denk- und Handlungsmustern der Stadtgesellschaft als treibendes Movens der Jenseitsvorsorge ausgemacht haben. Ein Kennzeichen des Menschen über alle Kulturen hinweg ist, dass er sich – gleichgültig in welcher Form auch immer – als Unterschied, in der Differenz zu anderen weiß. Was uns heute als Banalität erscheinen mag, weil wir um die Besonder‐ heit des Ich wissen, war und ist indes in allen Religionen, mit dem von Gott bzw. von Göttern bestimmten Daseinsverständnis, nicht einfach als Selbstverständlichkeit formuliert worden. Für das Christentum seien einige wichtige Etappen der intellektu‐ ellen Fassung des Individuums genannt. Erst Boëthius († 524) hat den Menschen als Person verstanden, indem er formuliert, Person sei die individuelle Substanz einer geistigen Natur (persona est naturae rationalis individua substantia).185 Damit
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Burckhardt, Die Kultur der Renaissance in Italien, hrsg. von Günther, S. 89. Bayer, ‚Zur Soziologie des mittelalterlichen Individualisierungsprozesses‘, S. 121. Ohlig, ‚Christentum – Kirche – Individuum‘. Siehe hierzu ebd., S. 13ff., sowie Flasch, Das philosophische Denken im Mittelalter, S. 44. Zitiert nach Ohlig, ‚Christentum – Kirche – Individuum‘, S. 20. Ähnlich formuliert Boethius, Liber de persona et duabus naturis contra Eutychen et Nestorium, bearb. von Elsässer, S. 74-75: „Individuen heißen solche Wesen, weil jedes von Ihnen aus Eigentümlichkeiten besteht, deren ‚collectio‘-Gesamtheit bei keinem anderen dieselbe ist“. Siehe auch Hödl und Laarmann, ‚Individuum, -ation, -alität‘.
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hat Boethius die Individualität des Menschen, die er mit persona bezeichnet, von allen nicht vernunftbegabten individuellen Dingen unterschieden und diesbezüglich einen wesentlichen theologisch-theoretischen Ausgangspunkt des mittelalterlichen Denkens von Individualität geschaffen. Der Frühscholastiker Hugo von St. Viktor († 1141) hat diesen Gedankengang konsequent weitergeführt, indem er den Begriff der Individualität als Bewusstsein des Menschen seiner selbst bestimmt hat: Men‐ schen seien als geistige Naturen substanziell persönlich, denn Person sei selbstbe‐ wusster Geist; der Mensch habe also ein Bewusstsein seiner selbst und sei reflexiv, deswegen personal und individuell.186 Aus diesen und ähnlichen Theoremen haben sich in erster Linie natürlich theolo‐ gische Debatten ergeben, die vermittelt aber dennoch auch die ‚normalen‘ Menschen des Mittelalters erreichten.187 In der kirchlich-religiösen Praxis wurden die Gläubi‐ gen mit komplizierten Dogmen konfrontiert; der Gottesdienst und andere Riten wurden in fremder Sprache gehalten. In ihrer Heilserwartung waren die Menschen jedoch notwendig auf diese Riten verwiesen. In der Predigt wurden die Menschen nachhaltig auf ihre grundsätzliche Sündhaftigkeit und Eigenverantwortung in der Sünde hingewiesen, was Angst vor den Sündenstrafen Gottes verursachen musste. Für das Bewusstsein von der eigenen Person ist die Bildung des Gewissens, das Geständnis der eigenen Sünde in der Beichte und zuvor die Erforschung des Gewis‐ sens, spätestens seit dem 12. Jahrhundert von entscheidender Bedeutung. Mit der Institutionalisierung der Beichte wird die Leistung des Sünders und damit des Ich aufgewertet, denn nur die innere Seelenregung kann eine Vergebung der Sünden durch Gott bewirken. In dem berühmten Diktum von Petrus Abaelardus († 1142) „Erkenne dich selbst“ wurde die Absicht über die Tat gestellt.188 Das Bekenntnis des Katholiken: mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa bedeutete den permanenten Zu‐ stand schlechten Gewissens, ja einen Gewissensdruck im Kontext drohender Strafen in Fegefeuer oder Hölle. Die Gewissenserforschung vor und während der Beichte förderte die Individualisierung, den Prozess der Eigenverantwortung des Christen für sein Tun. Mit der Betonung der Eigenverantwortlichkeit des Individuums, der Kombination mit individuellen Sühnestrategien und Bußkonzepten, wurde im Kontext der Urba‐ nisierung Europas vor allem in der mittelalterlichen Stadt die tradierte christliche Praxis modifiziert. Die individuelle Lebenswelt wurde verstärkt in die christlichen Erlösungsvorstellungen transponiert, die Möglichkeit des ewigen Heils wie die Furcht vor den jenseitigen Höllen- oder Fegefeuerstrafen in das Diesseits projiziert. Der Donator eines Retabels drückt sich und sein Selbstbewusstsein aus, indem er die Heilsvorstellung in die städtische Welt seiner Zeit steckt, in die Architektur und Kleidung seiner Lebenswelt. Der Emanzipation des Bürgers vom weltlichen Herrn entspricht das Selbstbewusstsein in der Sicht seiner selbst und in der Sicht seiner 186 Hugo von St. Viktor, De sacramentis Christianae fidei: Dogmatica 2,1, bearb. von Migne, Spalte 406 (B): Ecce ergo [secundum hanc diffinitionem] proprie dicimus, quod spiritus rationalis personae est, per se discernens se. 187 Siehe zu diesen hier exemplarisch und knapp gefassten Entwicklungen ausführlich bei Ohlig, ‚Christentum – Kirche – Individuum‘, S. 20ff. mit den Hinweisen auf weiterführende Literatur. 188 Vgl. hierzu Dinzelbacher, ‚Das erzwungene Individuum‘, S. 43ff.
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selbst in Religion und Welt. Die Gleichheit der Bürger in der Stadt, das Ringen um rationale Einigung und Konsens als Strukturprinzip des städtischen Gemeinschaftsle‐ bens, findet eine Entsprechung in der Verallgemeinerung des religiösen Bildes im Rahmen der Konstituierung städtischer Öffentlichkeit. Religiöse Unterweisung und Bebilderung der Heilsvorstellung sind eine wesentliche Dimension des Bildes in der Stadt. Der allgegenwärtige christliche Glaube machte das Altarretabel darüber hinaus zum hervorragenden Mittel der Darstellung von Individualität, der Sorge des Indivi‐ duums um seine Vergegenwärtigung im öffentlichen Raum der Stadt. Dies schloss die Repräsentation der sozialen Position des Individuums in der städtischen Gesellschaft ein. Es gilt hierbei zu berücksichtigen, dass im Christentum ursprünglich Bilder Gottes wie aller Lebewesen auf der Erde, in der Luft und im Wasser grundsätzlich verboten waren – auch Bilder von Menschen waren hierin eingeschlossen.189 Papst Gregor der Große fand um 600 eine Kompromissformel, die Bildern im Kirchenraum eine Nützlichkeit zuwies, da sie den der lateinischen Sprache unkundigen Gläubigen als bebilderte Bibel dienen könnten; angebetet werden sollten die Bilder jedoch nicht. Von hier aus setzte der Siegeszug des Bildes im christlichen Abendland ein. So kennen wir schon im frühen Mittelalter das Herrscherbild, das in der Regel religiöse Intentionen verfolgt. In Rom und Ravenna begegnen schon früh Stifter- und Grabbil‐ der, die über lange Zeit mit Dedikationsbildern verknüpft sind.190 Stifterbilder sind eigentlich Memorialbilder – sie zeigen den oder die Schenker eines Gemäldes oder sonstigen Kunstwerks im Kontext einer religiös motivierten Stiftung, die nach mittelalterlicher Vorstellung bis zum jüngsten Tag dem Gedenken der dargestellten Person(en) dienen sollen.191 Die zu gedenkende Person oder Per‐ sonengruppe ist verschieden dargestellt, häufig in betender und kniender Haltung, jedenfalls in den Kontext der Erlösungsvorstellung und Heilserwartung gestellt, Heiligen als persönlichen Patronen zugeordnet usw. Die irdische Welt des oder der Erinnernden wird mit ihrer lebensnahen Darstellung in die himmlische Welt integriert, zugleich die himmlische Welt auf die irdische Lebenswelt bezogen. Auch die Anbringung des Wappens der Familie Berswordt auf dem Kreuzaltarretabel in
189 Vgl. hierzu Schmid, ‚Zwischen Tod und Auferstehung‘, S. 101 mit Hinweisen auf die wichtigste Literatur. Ich folge seinen Überlegungen weitgehend. Ob freilich das Porträt „eine von religiösen Bindungen freie Bildgattung (ist, die) … erst im ausgehenden Mittelalter“ entstand, erscheint mir in dieser Absolutheit aufgrund des fundamentalen Charakters der Memoria für das Denken und Fühlen der mittelalterlichen Menschen fragund diskussionswürdig. Auch hier sind polyfunktionale Ebenen des Bildes zu berücksichtigen, die memoriale Aspekte zweifellos einschließen. Abgestritten sein soll nicht die neue Sichtweise des Porträts auf das Individuum; das Neue jedoch knüpft auch konsequent an das Tradierte an, aus dem es hervorgeht. Zur Geschichte des Porträts aus kunsthistorischer Sicht ohne Berücksichtigung der Ergebnisse der modernen Memoriaforschung siehe Wagner, ‚Porträt und Selbstbildnis‘. 190 Eine gelungene Untersuchung zu einem hochmittelalterlichen Dedikationsbild mit der Fragestellung des Gedenkens der Person und all ihren Implikationen siehe neuerdings Fremer, Äbtissin Theophanu und das Stift Essen. Er hat gerade die Frage der Bedeutung der Individualität in das Zentrum seiner Überlegung gerückt. 191 Schmid, ‚Zwischen Tod und Auferstehung‘, S. 101ff. berücksichtigt die grundlegende Arbeit von Oexle, ‚Memoria und Memorialbild‘ in seinen Überlegungen nicht. Er differenziert zwar zutreffend zwischen Stifterund Donatorenbild, erkennt aber die gemeinsame Mitte, die zugrundeliegende Intention des Bildes, das Gedenken der Person oder der Personengruppe, nicht ausreichend und differenziert genug.
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der Marienkirche (Abb. 5.9b) ist in diesem Sinne als Memorialbild zu verstehen. Die Familie reiht sich als Gruppe in die Erwartung der mit dem auf dem Retabel dargestellten Kreuzestod Christi verbundenen Erlösung der Christen ein. Das Bild rückt damit in der Stadt des Spätmittelalters in einen neuen und wichti‐ gen Kontext. Im Unterschied zur Ikone, dem statischen Bildnis des Heiligen und des heilig empfundenen Kontextes des früheren Mittelalters, nähert sich das Bild jetzt sei‐ nem Publikum, das sich im Bild selbst darstellt und empfindet und seine Lebenswelt in das Heilsgeschehen projiziert. Genau hier setzt die Aufgabe des Malers ein, der – wie das Bild im Übergang zur Kunst – im Übergang zum Künstler zu verstehen ist.192 Noch besitzt die Kunstgeschichte des Mittelalters keine fixierten Bezugsrahmen oder Klassifikationen, auch keine Funktionsmodelle und erschöpfend diskutierten Erklärungsmuster zur Erfassung der Kunst und der Dimensionen der Wirkung der Bilder auf das städtische Publikum – das vorliegende Buch will, ausgehend von dem Retabel des Berswordt-Altars für die Dortmunder Stadtkultur des Spätmittelalters Ergebnisse interdisziplinärer Zusammenarbeit vorstellen. Die Bilder in der spätmittelalterlichen Stadt sind eben auch viel zu wenig befragt worden, was sie den Zeitgenossen eigentlich bedeutet, was sie mit ihnen verbunden, welche Intentionen die Stifter und auch die Maler eigentlich mit den Bildern verfolgt haben. Und nur wenn diese Fragen gestellt werden, sind auch Antworten zu erwarten. Ein Retabel, wie der Berswordt-Altar, ist ein öffentliches Medium an einem öf‐ fentlich zugänglichen Ort in der mittelalterlichen Stadt, sei es aufgestellt in einer Kirche oder im Ratssaal. Damit ist es eine Form der öffentlichen Aneignung spiri‐ tueller Denk- und Deutungsformen, eine Bebilderung der Heilsvorstellungen und -erwartungen, der Jenseitsängste, wenn wir nur den Raub der Seele des schlechten Schächers durch ein dämonisches Wesen in Hölle oder Fegefeuer auf diesem Altar‐ bild betrachten. Dass der Künstler in Abstimmung mit dem Stifter das Bild kompo‐ niert, die dargestellten Menschen in die Kleidung der eigenen Lebenszeit steckt, oder in Architekturformen einbettet, deren Symbolgehalt das Publikum symbolisch zu deuten weiß, bedeutet zweifellos wesentlich mehr. Das Berswordt-Retabel holt Theologie und Religiosität in die eigene Lebenswelt und -zeit der Menschen, in die Istzeit. Das städtische Leben ist in der Sprache dieses Bildes präsent und insofern Interpretation wie Deutung der eigenen Welt, die in dem allgemeingültigen Code des Mittelalters vorgegebener Religiosität zu einer subjektiven Aneignung von Religion und Welt wird. Was Dante und Petrarca, Giotto und Lorenzetti, um nur einige Namen zu nen‐ nen, für die Toskana des ausgehenden 13. und beginnenden 14. Jahrhunderts sind, macht für uns heute nachvollziehbar und rekonstruierbar eine Stadtkultur aus – eine Kultur, die die exklusive Welt des Adels verlässt und zum Allgemeingut wird, zu 192 Ich greife hier ganz bewusst die durchaus provozierend gewählten Buchtitel von Belting auf: Das Bild und sein Publikum im Mittelalter, sowie: Bild und Kult. Die grundlegenden Überlegungen Beltings in diesen beiden mehrfach aufgelegten Büchern zur Kunstgeschichte des Mittelalters hören eigentlich in der Epoche auf, in der die Überlegungen dieses Buches über das Retabel des Berswordt-Altars und die Dortmunder Stadtkultur des Mittelalters einsetzen, in der Zeit nämlich, in der das Bild – um in der Terminologie Beltings zu bleiben – von der Ikone zum Kunstwerk wird.
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einer bürgerlichen Welt der Vormoderne eben, die alle Lebensbereiche erfasst und in der Stadt – sehr wohl außerhalb der Stadt – niemanden ausschließt. Die genannten Akteure schreiben und malen für die Stadtgesellschaft, selbst wenn sie die Stadt wie Dante verlassen mussten, nutzen die entstehenden öffentlichen Räume in der Stadt und finden dort ihr bevorzugtes Publikum.193 Ähnliche Vorgänge rekonstruieren wir auch in den Städten nördlich der Alpen, zweifellos in kleineren Maßstäben als in der differenzierten Welt der wohlhabenden italienischen Kommunen vielleicht, aber in zeitversetzten Formen durchaus vergleichbar. Die mittelalterliche Reichsstadt Dort‐ mund scheint für eine solche Entwicklung insgesamt ein herausragendes Beispiel im Nordwesten des deutschen Sprachraums des 14. und 15. Jahrhunderts zu sein. Eine über weite Strecken prosperierende mittelalterliche Stadtwirtschaft auf der Grundlage expandierenden Handels – zunächst mit dem Westen und Osten verbindenden Ost‐ seehandel, später mit dem Aufkommen der Hanse mehr nach Westen (Flandern und England) orientiert – und einer gut organisierten handwerklichen Produktion, über deren Produkte wir im Einzelnen aber noch zu wenig wissen, sind die Basis des Aufstiegs der Stadt und einer solchen mittelalterlichen Stadtkultur in Dortmund. Der Charakter als einziger Reichsstadt im städtereichen Westfalen des Mittelalters mag Dortmund einen besonderen Charakter verliehen haben. Die bewusst gelebte reichsstädtische Autonomie, die Fähigkeit, Konflikte durch Konsensbildung enden zu lassen, das Selbstbewusstsein, als Bürgergemeinde und Bürger unabhängig von den herrschaftlichen Schranken des mittelalterlichen Lebens zu sein, all dies entwickelt sich in der Selbstsicht und Selbstdeutung der Stadt und ihrer Bürger schon im 12. und 13. Jahrhundert.194 Hierbei gilt es nachhaltig zu betonen, dass die Kunstwerke in der Stadt Dortmund nicht mehr auf ein illiterates Publikum treffen, die Bürger, auch die Handwerker konnten in der Regel schreiben und lesen. Wie selbstverständlich berichtet der Dortmunder Ratsherr Heinrich Calvus schon im ausgehenden 13. Jahrhundert von einem Treffen von Hansestädten in Lübeck, auf dem über die gemeinsame Politik der Städte in schwierigen politischen Händeln beraten wurde, eigenhändig und in lateinischer Sprache an seine Dortmunder Ratskollegen – und diese müssen den Wortlaut verstanden haben.195 Die Zunft der Wollweber – das Buch der Zunft ist mehr oder weniger zufällig erhalten geblieben (Abb. 9.1) – hat ihre Statuten selbst aufgezeichnet und niedergeschrieben, sprachlich durchaus unbeholfen, aber in einer Form, die zur Organisation und Regelung des Zunftlebens tauglich war.196 In der Stadt werden auf dem Markt Schauspiele veranstaltet.197 Die Lateinschulen an den städtischen Pfarrkirchen müssen so gut etabliert gewesen sein, dass sie – und leider begegnet uns nur dies in den Quellen – einen Schulmeister mit Chor der Scholaren
193 Siehe hierzu die Beiträge in dem Sammelband: Malerei und Stadtkultur in der Dantezeit, hrsg. von Blume und Belting, die diesen Sachverhalt von verschiedenen Blickrichtungen aus analysieren. 194 Im Einzelnen siehe hierzu Schilp, ‚Consules rempublicam Tremoniensem gubernantes’ [Verzeichnis Nr. 35]. 195 Hanserecesse 1, Nr. 80 (Stadtarchiv Dortmund, Bestand 1 Nr. 81). 196 Stadtarchiv Dortmund, Bestand 202 Nr. X 6. 197 Siehe etwa Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, passim.
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stellen, um feierliche Messen auch für die Familie Berswordt vor dem Kreuzaltar mit ihrem Gesang zu begleiten.198 In diesem Kontext entsteht in Dortmund auch – spätestens mit dem Meister des Berswordt-Altarretabels einsetzend – ein neuer Umgang mit dem Bild als Kunstwerk. Zwar mögen die religiösen Inhalte auf den oberflächlichen Blick gleich geblieben sein, aber die Formen und Vermittlungen, die die sakrale Kunst wählt, werden differenzier‐ ter, sie benutzen eine eigentümliche Bildsprache, die den Übergang zur Kunst im Sinne Hans Beltings, eben Neues schaffen. Das Verstehen dieser Bilder und Kunst‐ werke mag uns heute schwer fallen, auch durch moderne Denkmuster verstellt sein, hier bahnt sich aber Neues an, das sich für den heutigen Betrachter aus den religiösen Codes der Zeit zu lösen scheint, zumindest einen Beginn dieser Lösung markiert. Im Bild wird eine Geschichte erzählt, das Heilige vom Sockel der Entrücktheit gestoßen, indem der Maler in Abstimmung mit dem auftraggebenden Donator den Vorgang in das Kostüm der eigenen Zeit transformiert, um Bürgerstolz und -bewusstsein zur Geltung zu bringen. Hierdurch wird die Religion vermenschlicht, dem Subjektiven zugänglicher gemacht, und das Individuum, Maler wie Auftraggeber, beginnt, sich direkter selbst im Geschehen des Bildes unterzubringen. Dies geschieht mehr oder weniger direkt, am Anfang eher verhalten, denn zum Porträt im Sinne des Ausdrucks der Individualität im modernen Sinne, das einen wesentlichen – wie ausgeführt – Ausgangspunkt in der spirituell intendierten Erinnerungskultur der mittelalterlichen Stadt hat, ist von der Entstehungszeit des Retabels des Berswordt-Altares noch eine gewaltige Strecke zurückzulegen. Dem Kunstwerk kommt in der Stadtgesellschaft des Spätmittelalters insgesamt aufgrund seiner Polyfunktionalität eine herausragende Bedeutung zu. Die Maler, Holzschnitzer, Goldschmiede, Steinmetze usw. nehmen auf der Grundlage dieser fundamentalen Bedeutung unter den Handwerkern eine sozial bevorzugte soziale Position ein. Sie waren hochgeachtet und wurden, wie der Ehevertrag des Conrad von Soest zeigt, von den Patriziern als ebenbürtig betrachtet.199 Sie arbeiteten vornehm‐ lich für die patrizischen Familien und ermöglichten diesen ja umgekehrt die Nutzung des öffentlichen Raums der Stadtkirchen in der beschriebenen Art und Weise der städtischen Erinnerungskultur. Dortmund ist im 14. und 15. Jahrhundert durchaus eine Stadt des Kunstexports – und dies unterstreicht die ausgeprägten Formen einer neuen Stadtkultur in Dort‐ mund. Neben dem Meister des Berswordt-Retabels und Conrad von Soest, für die der Export von Retabeln eindeutig belegt ist, hat es zahlreiche Maler in der Stadt gegeben, die wir zwar namentlich nachweisen können, denen wir aber keine Werke zuschrei‐ ben können. Dies deutet auf eine regelrechte Dortmunder ‚Malerschule‘ des 14. und beginnenden 15. Jahrhunderts.200 Doch auch darüber hinaus lassen sich deutliche In‐ dizien feststellen: Der eindeutig als Baumeister des Chorneubaus der Reinoldikirche
198 Schilp, ‚Anhang 1: Urkunden zum Kreuzaltar in der Dortmunder Marienkirche‘ [Verzeichnis Nr. 75], Nr. 10. 199 Schilp, ‚Anhang 2: Ehevertrag zwischen Conrad von Soest und Gertrud von Münster‘ [Verzeichnis Nr. 76]. 200 Siehe hierzu die Beiträge von Zupancic, ‚Der Berswordt-Altar in der Dortmunder Marienkirche‘ und Dies. ,Eine Dortmunder Malerschule?‘.
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seit 1421 zu fassende Meister Roseer hat nachweislich auch außerhalb Dortmunds ge‐ baut, selbst wenn wir ihn nur für die Erbauung des Westteils der Christophoruskirche in Werne an der Lippe sicher ausmachen können.201 Géza Jászai hat 1996 in einem kleinen Beitrag – leider an entlegenem Ort publiziert – eine für die Dortmunder Stadtkultur äußerst interessante Beobachtung festgehalten.202 An dem monumentalen Holzbildwerk der Kreuzigungsgruppe aus der Stadtpfarrkirche St. Viktor zu Schwerte von einem unbekannten Meister konnte er eine „enge stilistische Verwandtschaft“ zu den Apostelfiguren im Chor der Reinoldikirche feststellen. Die Apostelfiguren, die im Chorneubau auf Wappenkonsolen stehen, wurden von Familien des Dortmunder Pa‐ triziats zur Memoria der Familie genutzt; gleichzeitig demonstrierten die Ratsfamilien hiermit ihre soziale und politische Position, nutzten den heiligen Raum des Chores zur Demonstration ihrer Stellung in der Stadtgesellschaft. Jászai ordnet den Meister in die Zeit um 1425/1430 ein, was dendrochronologische Untersuchungen bestäti‐ gen, weist ein weiteres Werk des Meisters in Soest (Triumphkreuz der Wiesenkirche) nach, um den Bildhauer/Bildschnitzer der Skulpturen „provisorisch als ‚Dortmunder Meister der hölzernen Chorapostel von St. Reinoldi´ zu bezeichnen“.203 Dem entspricht auf der anderen Seite, dass auch Kunstgegenstände nach Dort‐ mund importiert worden sind, nur einige Beispiele seien genannt.204 Das Retabel auf dem Hochaltar von St. Reinoldi aus dem beginnenden 15. Jahrhundert, ein aus dem Raum Brügge stammendes Werk. Das Retabel in der heutigen Dortmunder Propsteikirche um 1470 von Derik Baegert aus Wesel. Der flämische Flügelaltar, ein Antwerpener Schnitzaltar des Franziskanerklosters aus dem Jahre 1521, der heute als ‚Goldenes Wunder Westfalens‘ in der Petrikirche steht; der Antwerpener Schnitzaltar in der Kirchlinder St. Josephs-Kirche, der ursprünglich ebenfalls aus dem Dortmunder Franziskanerkloster stammt. Schließlich das Fragment des Altarretabels der Rosenkranz-Bruderschaft in der Propsteikirche aus den Jahren 1519/1523, der in Köln entstand. Der Import von Ausstattungsgegenständen für die Dortmunder Kirchen des Mittelalters muss immens gewesen sein, wenn wir mit der großen Zahl der seit der Reformation verlorenen Kunstwerke kalkulieren. Interessanterweise sind die Entstehungsorte jene westlichen Städte und Regionen, in denen Dortmunder Kaufleute im 14. und 15. Jahrhundert intensiv tätig sind. Die Kaufleute des Mittelalters waren aufgrund ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten und Verflechtungen wesentlich aktiver und mobiler, als wir uns dies heute vorstellen mö‐ gen, wobei die Verbindungen, auch bei längerer Abwesenheit, nach Dortmund nicht
201 Siehe hierzu Rinke und Müller, Dortmunder Kirchen des Mittelalters, S. 42ff. 202 Lucchesi Palli und Jászai, ‘Kreuzigung Christi‘; hier speziell Jászai, Die monumentale Kreuzigungsgruppe aus der Stadtpfarrkirche St. Viktor zu Schwerte. 203 Ebd., S. 4. Karrenbrock, Christus am Kreuz, hat darüber hinaus auf eine ganze Reihe von Schnitzwerken des 15. Jahrhunderts im westfälischen Raum hingewiesen, die auf eine Entstehung in Dortmund hinweisen könnten. Hier stehen weitere systematische und vergleichende Untersuchungen aus. 204 Zur schnellen Orientierung sei hingewiesen auf Rinke und Müller, Dortmunder Kirchen des Mittelalters, sowie auf Altarbilder im mittelalterlichen Dortmund, hrsg. von Schilp und Zupancic [Verzeichnis Nr. 71a], mit den Hinweisen auf die wichtigste weiterführende Literatur.
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abrissen.205 Der Transfer von Waren durch den Handel ist dabei zugleich auch ein Transfer von Kunstwerken im Besonderen und von Stadtkultur im Allgemeinen. Was der Historiker z.B. an den Kämpfen der Zünfte um Partizipation am Ratsregiment in der Weise einer Bewegung von West nach Ost feststellt, findet sicher Entsprechungen auch in der Kunst und weiteren Phänomenen der Stadtkultur. Im Rahmen dieses Transfers rezipieren Dortmunder Kaufleute flandrisch-burgundische Kultur und brin‐ gen sie nach Dortmund, eine Möglichkeit des kulturellen Austausches, die bislang von der kunsthistorischen Forschung noch viel zu wenig bedacht worden ist und auch für die Dortmunder ‚Meister‘ diskutiert werden sollte.206
205 Siehe hierzu die Hinweise für die Familie Berswordt in Schilp, ‚Berswordt – Eine Familie der Dortmunder Führungsstelle des Mittelalters‘ [Verzeichnis Nr. 74]. 206 Siehe hierzu Zupancic, ‚Der Berswordt-Meister und die Kunst seiner Zeit‘.
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Sakrale Topographie im mittelalterlichen Dortmund*
Mittelalterliches Leben war generell viel intensiver von christlichen Glaubensvorstel‐ lungen durchdrungen als die heutige Welt – diese Feststellung mag als Banalität er‐ schienen. Allein, beim Thema sakrale Topographie der Stadt gilt es, vorab nachdrück‐ lich auf diese Grundkodierung der mittelalterlichen Stadt hinzuweisen. Zugleich ist einschränkend zu bemerken, dass die folgenden Überlegungen nicht beabsichtigen, den Problemkreis des Himmlischen und irdischen Jerusalem, der Heiligen Stadt also, mit ihren ‚Ablegern‘ Rom oder den Städten wie etwa Köln oder Trier, die sich selbst nicht nur als heilig, sondern auch als golden, das heißt himmlisch, bezeichneten, in irgendeiner Weise erschöpfend zu behandeln.1 Es soll hier auch nicht näher diffe‐ renziert werden zwischen der Stadt und den verschiedenen mittelalterlichen Gemein‐ schaften, vor allen anderen den religiös motivierten Kommunitäten, die ebenfalls als Wesensmerkmal ihrer Lebensform, durchaus in Abkehr von den Strukturprinzipien der feudalen Welt, christliche Heilsvorstellungen verstanden. Dies ist ein weiteres Thema und wäre in ganz anderem Kontext interdisziplinär zu diskutieren, als es dieser Rahmen gestattet, und als der Kontext es eigentlich erfordern würde. Für die Bischofsstädte des 10. und 11. Jahrhunderts ist bekannt, wie die Bischöfe nördlich der Alpen bei der Planung und dem Bau der Siedlungen um die Bischofskir‐ chen herum nachgerade wetteiferten, um in deren Topographie mit der bewussten Zuordnung von Kirchenbauten, der Schaffung von viae sacrae und so weiter ein konkretes Abbild des heiligen Jerusalem zu errichten.2 Hierbei kann es inzwischen als Konsens der Forschung gelten, dass Rom als heilige Stadt das Vorbild Jerusalem mit seinen heiligen Stätten nach- und abbildete. Über die Rezeption und Imitation wurde das Vorbild Rom im Stadtbau der Bischofsstädte der Zeit als heilige Stadt
* Erstpublikation in: Das „Goldene Wunder“ in der Dortmunder Petrikirche. Bildgebrauch und Bildproduktion im Mittelalter. Dortmunder Mittelalter-Forschungen 2, hrsg. von Barbara Welzel, Thomas Lentes und Heike Schlie (Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 2003; 2. Auflage Bielefeld 2004), S. 37-56 [Verzeichnis Nr. 89]. 1 Vgl. hierzu, auch zum Kontext der folgenden Überlegungen insgesamt, Hirschmann, Stadtplanung, Bauprojekte und Großbaustellen, S. 475ff.; Ehbrecht, ‚Überall ist Jerusalem‘. 2 Siehe hierzu ausführlich die Untersuchung von Hirschmann, Stadtplanung, Bauprojekte und Großbaustellen für die topographische Planung und Gestaltung der Bischofsstädte westlich des Rheins: Köln, Utrecht, Lüttich, Tournai, Cambrai, Noyon, Laon, Soissons, Reims, Châlons-en-Champagne, Verdun, Metz, Trier, Mainz, Worms, Speyer, Strassburg, Basel, Besançon, Langres, Troyes, Sens und Auxerre. Stadtgesellschaft und Memoria, ed. by Arnoud-Jan Bijsterveld, Meta Niederkorn & Annemarie Stauffer, Memoria and Remembrance practices, 3 (Turnhout: Brepols, 2023), pp. 189–204 10.1484/M.MEMO-EB.5.132323
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nachempfunden und in die eigene Lebenswelt um die Bischofssitze transformiert. ‚Kirchenkranz‘ und ‚Kirchenkreuz‘ bildeten die Heilige Stadt, Jerusalem oder Rom in der Topographie dieser Städte nach, wie dies Helmut Maurer für Konstanz schon in ottonischer Zeit nachdrücklich gezeigt hat.3 Mit den Pilgerreisen nach Jerusalem seit der Karolingerzeit kann die Kenntnis der heiligen Stätten des Christentums in Jerusa‐ lem für das Mittelalter als bekannt angenommen werden, ja Bischöfe pilgerten nach Jerusalem, um die Topographie für die Planung der eigenen Bischofsstadt aus persön‐ licher Anschauung selbst kennen zu lernen, oder entsandten Beauftragte zu diesem Zweck, wie dies etwa für Bischof Meinwerk von Paderborn überliefert ist.4 Seit dem ersten Kreuzzug 1096 haben sich die Kenntnisse über die Topographie der heiligen Stätten in Jerusalem und deren architektonische Gestalt zweifellos intensiviert und verbreitert. Die architektonischen Formen der Jerusalemer Gebäude waren allgemein bekannt – sie wurden allenthalben, so auch in Dortmund, als Symbol für die Heils‐ vorstellungen der Menschen verwendet. Auffällig ist dabei, und dies lässt sich zum Teil auch an der Dortmunder Entwicklung nachvollziehen, dass sich die Verwendung Jerusalems im Versuch des konkreten Abbilds im Städtebau der ottonisch-salischen Zeit über die Stauferzeit mit der Darstellung von Architekturelementen der heiligen Stadt in Symbolen hin zu bloßen Zitaten entwickelte, in denen wir aus moderner Sicht ohne geschärften Blick kaum mehr einen direkten Jerusalembezug erkennen könnten. Im Folgenden soll für das Beispiel Dortmund, einer Reichsstadt ohne geistliche Herren innerhalb der Mauern, eher pragmatisch analysiert werden, welche Verbin‐ dungen das mittelalterliche Denken mit Stadtvorstellungen verknüpfte, und wie eine Stadt sich im Mittelalter selbst sah, interpretierte und bewertete – und dann auch von außen gesehen wurde. Nur von hier aus ist die mittelalterliche Stadtgemeinde in ihrem Selbstverständnis als Sakralgemeinde zu verstehen und in der Folge die sakrale Topographie analysierbar. In diese fügte sich ja auch das Franziskanerkloster mit dem Antwerpener Retabel ein. Es scheint auf den ersten Blick aus der Wahrnehmung und mit dem Bewusstsein der Moderne gar nicht plausibel und selbstverständlich zu sein, gerade die Stadt des Mittelalters, die „Insel stadtbürgerlicher Freiheit und Gleichheit inmitten einer herrschaftlich geordneten auf Bindungen und Ungleichheit ausgerichteten agrarisch-feudalen Umwelt“,5 eine Gemeinschaft also in Abgrenzung zur Welt der persönlichen Abhängigkeit, die neue soziale, politische und wirtschaft‐ lich Grundstrukturen entwickelte, mit spirituellen und religiösen Grundkodierungen des Mittelalters zu verknüpfen. Umgekehrt ist zu fragen, ob und wie sich die dem 3 Siehe hierzu die knappen kritischen Bemerkungen von Hergemöller, ‚Kirchenkranz‘; Maurer, ‚Kirchengründungen und Romgedanke‘. 4 Bischöfe reisten selbst nach Jerusalem, um das Vorbild der heiligen Stadt kennen zu lernen, wie zum Beispiel Bischof Lietbert von Cambrai, oder sendeten Beauftragte zu diesem Zweck. So wird z.B. in der Vita Bischof Meinwerks von Paderborn berichtet, er habe Abt Wido von Helmarshausen nach Jerusalem geschickt, um dort die Grabeskirche zu vermessen, um den Bau der Busdorfkirche daran zu orientieren, derjenigen Kirche, die den südlichen Arm des Paderborner Kirchenkreuzes bildete und zur Grabeskirche des Bischofs werden sollte (Vita Meinwerci, bearb. von Tenckhoff, S. 82, 128 und 131). Siehe hierzu Hirschmann, Stadtplanung, Bauprojekte und Großbaustellen, S. 482. 5 So die grundlegende Definition von Isenmann, Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, S. 17.
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modernen Denken auf Basis der grundsätzlichen Trennung von Staat und Kirche, Welt und Religion fremd und gegensätzlich erscheinende Kodierung in der mittelal‐ terlichen Stadtwelt und mit dem Bewusstsein über die Stadt im Mittelalter selbst vereinbaren lassen. Erst seit einigen Jahren hat sich die stadthistorische Forschung diesem Themen‐ feld intensiver zugewendet. Wilfried Ehbrecht hat programmatisch darauf hingewie‐ sen, dass es das allgemeine Wissen um die Heilige Stadt in ihrer historischen Realität und „in ihrer endzeitlichen Zukunftsvision der Offenbarung des Johannes [war], aus dem […] die Städter ihr doch so von der herrschaftlich organisierten Welt des christlichen Abendlandes abweichendes Gesellschaftsmodell schöpfen konnten.“6 Er fügt hinzu, die Vorbildfunktion christlicher Gemeinschaft habe in der Forschung nicht immer die notwendige Beachtung gefunden. Diese Formulierungen mögen im Folgenden als Fragestellung für das Dortmunder Mittelalter und als Hypothese dienen. Fragen wir nach den Vorstellungen von Stadt im Mittelalter, so ist zunächst auffäl‐ lig, dass die Befestigung mit Mauern, Türmen und Toren vorherrschend war. Diese Attribute verbinden wir auf den ersten Blick noch heute meist völlig unreflektiert mir der Stadt des europäischen Mittelalters; dieses Bild verknüpft man romantisierend und als idealisierendes Gegenkonzept zur heutigen Welt mit der Überschaubarkeit der sozialen Beziehungen oder aber mit der Wehrhaftigkeit gegen außen, sozusagen mit dem Ausschluss des umgebenden Landes von der Stadt. Gerade dieses Bild der mittelalterlichen Stadt aber stellt nicht die individuellen Züge einer konkreten Stadt dar, bemüht sich auch in keiner Weise, gerade die Besonderheiten der Stadt des Mittelalters zu erfassen. Damit geraten allerdings wesentliche und allgemeine Spezi‐ fika der Stadt aus dem Blick, die wir knapp und zweifellos hier nur generalisierend in der Struktur der erfolgreichen Wirtschaft mit Arbeitsteilung des Handwerks und den Fernhandelsimperien der Patrizier, folgend im politischen System und in der Gestaltung der sozialen Beziehungen beschreiben können. Das Bild der Stadt als Befestigung wurde auf den ersten Blick zur Abbreviatur, zur bloßen Chiffre, und ver‐ stand das Wesen der mittelalterlichen Bürgergemeinde schlicht als Genossenschaft, die in einem von Mauern umschriebenen Raum lebte. Mag dies aus dem Blickwinkel der Moderne verwundern, öffnet sich der Bedeu‐ tungsgehalt dieser Bilder jedoch bei näherem Zusehen – die Vorstellung von und über die Stadt des europäischen Mittelalters selbst nämlich war vor allem anderen christlich-spirituell geprägt.7 Die Buchmalerei des Mittelalters stellte das Himmlische Jerusalem, wie es die Offenbarung beschreibt, als Stadtabbreviatur mit Befestigungen dar. Am eindrucksvollsten und bekanntesten ist heute wohl die Darstellung im Liber Floridus des Lambert von St. Omer aus dem 12. Jahrhundert (Abb. 6.1). Der Sitz Gottes erhielt in der Vorstellung die Form der Stadt – Gottes Reich wurde als Stadt mit Mauern, Türmen und Toren gedacht und dargestellt, in deren Mitte Kirchen
6 Ehbrecht, ‚Überall ist Jerusalem‘, S. 130f. 7 Zum Folgenden Johanek, ‚Die Mauer und die Heiligen‘, der auf S. 29 auf diesen Widerspruch hinweist, ohne ihn aufzulösen.
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Abb. 6.1: Liber Floridus des Lambert von Saint-Omer, Das Himmlische Jerusalem, 2. Hälfte 12. Jahrhundert, Ghent, University Library Ms. 92, fol. 64v-65r. (© Creative Commons).
standen. Das Bild der Stadt errang für die mittelalterliche Vorstellungswelt damit eine außerordentliche Bedeutung, stand doch die Stadtgestalt symbolisch für Gottes Ge genwart und für die Heilserwartung der in der Stadt Lebenden.8 Schon in der Buchmalerei des 9. Jahrhunderts wurde diese Vorstellung von Stadt verwendet, etwa wenn in einem Evangelistar, das aus dem Besitz von St. Florin in Koblenz an das Frauenstift Essen gelangte, Christus den durch ein Stadttor zu ihm gelangenden Leprosen empfängt (Abb. 6.2).9 Die Städte des Mittelalters haben sich im Zuge des Urbanisierungsprozesses der europäischen Gesellschaften seit dem 11./12. Jahrhundert diese Vorstellungen zu eigen gemacht, sie für sich als Stadt reklamiert und als Anspruch und Ideal der Bürgergemeinde erklärt. Die Himmlische Stadt wurde auf das irdische Jerusalem bezogen, von hier auf Rom und folgend auf alle Städte übertragen. Für Dortmund soll dies kurz diskutiert werden.
8 Dieses Bild fand Eingang in die Selbstdarstellung von Städten auf frühen Stadtsiegeln; hingewiesen sei auf das Siegel Kölns, vgl. hierzu mit Abbildung Diederich, Rheinische Städtesiegel, S. 261 mit Farbtafel 4. 9 Zur Handschrift siehe Bodarwé, Sanctimoniales litteratae, S. 387-388.
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Abb. 6.2: Christus empfängt den Leprosen am Eingang zum Himmlischen Jerusalem. Evangelistar aus St. Florin in Koblenz, ehemals Frauenstift Essen, Federzeichnung 3. Drittel 9. Jahrhundert, Düsseldorf Universitäts- und Landesbibliothek B 113, fol. 5r (© Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf).
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Dass sich das mittelalterliche Dortmund als Sakralgemeinde verstand, soll – ältere eigenen Forschung resümierend – zunächst kurz gezeigt werden.10 Die Stadtwerdung Dortmunds, die Schaffung einer Bürgergemeinde als Genossenschaft mit „Genossen gleichen Rechts“,11 war in erster Linie ein Prozess politischer und sozialer, also weltli cher Dimension, denn das Königtum entließ die familia der Pfalzsiedlung und zum Teil auch des Dortmunder Königshofes aus der persönlichen Unfreiheit in die Städti sche Freiheit des Bürgers. Auf der anderen Seite überließ das Königtum die Bürgerge meinde spätestens gegen Ende der Stauferzeit um 1250 in feindlich gesinnter Umge bung ihrem Schicksal, das die Stadt im Sinne der Selbstverwaltung der Bürgerge meinde und der Entwicklung politischer Autonomie im Ringen mit den herrschaftli chen Elementen der Reichsministerialität und der Territorialherren im Umfeld der Stadt selbst gestalten musste. Dass dieser durchaus weltliche Prozess mit sozialen und wirtschaftlichen Differenzierungen der Bürgerschaft – verknüpft mit der Bewältigung innerer Konfliktsituationen und Anfeindungen von außen – verbunden war, muss nachdrücklich betont werden.12 Die Entstehung der Stadtgemeinde und ihrer eigenen und eigentlichen Identi‐ tät haben die Dortmunder Bürger des Mittelalters selbst immer in einem religiösspirituellen Kontext gedeutet. Das älteste Dortmunder Stadtsiegel, aufgrund des Sie‐ gelbildes als ‚Turmsiegel‘ bezeichnet, entstand wohl noch vor 1200 (siehe Abb. 1.1).13 Es bringt in seinem Siegelbild mit der Abbildung steinerner Architekturelemente auf den ersten Blick abstrahierend das zur Geltung, was eine mittelalterliche Stadt ausmachte und sie vom umgebenden Land absetzte. Der Bedeutungsgehalt des Bildes reicht aber weiter und tiefer, denn das Bild selbst vermischt verschiedene semantische Dimensionen. Das Siegelbild, ein ‚Ort offizieller Symbolik‘ der Stadt als Siegelfüh‐ rerin, löste sich ganz bewusst von dem Versuch eines realistischen Abbildes der Stadt beziehungsweise konkreter Elemente städtischer Architektur.14 Es ist als frühes Selbstzeugnis der Dortmunder Stadtgemeinde zu werten, als Mittel ideologisierender Selbstdarstellung. Der Bezug auf Rom, auf das irdische und damit Himmlische Jerusa‐ lem ist in dem Dortmunder Siegelbild vereint. Die Stadt präsentierte sich in diesem Bild selbst als ‚Heilige Stadt‘.15
10 Zum Folgenden vergleiche ausführlich die Analyse der Dortmunder Verhältnisse in Schilp, ‚Stadtkultur im spätmittelalterlichen Dortmund‘ [hier Aufsatz 5]. 11 Schmale, ‚Die soziale Führungsschicht des älteren Dortmund, S. 63. 12 Für Dortmund siehe hierzu Schilp, ‚Consules rempublicam Tremoniensem gubernantes’ [Verzeichnis Nr. 35] und sowie Ders., ‚Met groter broderlicher und truwelicher eindracht‘ [hier Aufsatz 2]. 13 Die in Abb. 1.1 abgebildete dritte Version unterscheidet sich ikonographisch kaum vom ersten Typ. Vgl. hierzu Schilp, ‚Sigillum Tremonie Civitatis Westfalie‘ [Verzeichnis Nr. 25], sowie Ders., ‚Stadtkultur im spätmittelalterlichen Dortmund‘ [hier Aufsatz 5]; Ehbrecht, ‚Überall ist Jerusalem‘, S. 182; Ders., ‚Jerusalem: Vorbild und Ziel mittelalterlicher Stadtgesellschaft‘. 14 Das Siegelbild wurde mit geringen Änderungen nach Stilempfinden und Geschmack der Zeit, im Grundmotiv aber gleich bleibend für feierliche Beurkundungen der Stadt bis zum Ende des Alten Reichs beibehalten. Drei Typen sind bekannt: 1. Verwendung nachgewiesen 1241-1255, 2. 1257-1348, 3. 1355-1727. Zum Zitat siehe Bandmann, Mittelalterliche Architektur als Bedeutungsträger, S. 130. Zum Stadtsiegel als Geschichtsquelle siehe grundlegend Diederich, Rheinische Städtesiegel. 15 Sie hierzu ausführlich Schilp, ‚Stadtkultur im spätmittelalterlichen Dortmund‘ [hier Aufsatz 5].
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Die Identität der Bürger und Einwohner, ihre diesseitige wie jenseitige Legiti‐ mation als Sakralgemeinde, wurde zum einen durch die Verehrung des Heiligen Reinoldus, des Hauptpatrons der Stadt, zum anderen im Ritual der Prozessionen her‐ gestellt.16 Die sozialen und stadtpolitischen Funktionen der städtischen Prozessionen sind in den vergangenen Jahren wiederholt Gegenstand der Forschung geworden.17 Hierbei blieben aber die erste Ebene der Bedeutung städtischer Prozessionen, die religiös-spirituelle wie auch die liturgische Funktion, weitgehend außer Acht.18 Allge‐ genwärtig war der Bezug zur Heiligen Stadt als Weg und Anspruch der Stadtgemeinde in den städtischen Prozessionen: Klerus und Stadtgemeinde zogen mit Bildern von Christus und der Gottesmutter Maria, unter Mitführung der Reliquien des Stadtpa‐ trons Reinoldus durch die Stadt zu den sonstigen Stadtheiligen in den Pfarrkirchen und Klöstern Dortmunds, die durch Stationsgottesdienste in das Geschehen einge‐ bunden wurden. Durch die Prozession wurde die Stadtbevölkerung „gewissermaßen zu Bewohnern der himmlischen Stadt“.19 Das Leben in der konkreten Stadt wurde mit den Heilserwartungen zu einer untrennbaren Einheit verwoben und verflochten. Ebenso ließen die Stationsgottesdienste die Vorbilder Jerusalem und Rom für die eigenen Stadt aufleben. An den Prozessionen und Stationsgottesdiensten beteiligte sich die gesamte Stadtgemeinde und erlebte dies als Gleichsetzung der eigenen Stadt mit den heiligen Stätten und den heiligen Städten. Im Jahr 1506, als die Stadt einem verräterischen Anschlag durch die Hilfe des Patrons Reinoldus entrinnen konnte, ist in der Stadtchronik des Dietrich Westhoff eine Prozession ausführlicher beschrieben.20 Der Chronikbericht lässt zum einen die Rekonstruktion eines typischen Prozessionswegs durch die Stadt zu, den wir anhand des vogelperspektivischen Stadtgrundrisses von Detmar Mulher aus dem Jahr 1610 nachvollziehen können (Abb. 6.3): Die Prozession ging von der Reinoldi‐ kirche, der städtischen Hauptpfarrkirche, aus, zog zum Franziskanerkloster, dann zur Marienkirche, zur Nikolaikirche, zum Dominikanerkloster, zur Petrikirche, zum Katharinenkloster und schließlich zurück zur Reinoldikirche; an diesen Stationen wurde jeweils gehalten, um alle Heiligen des Orts durch Lobgesänge und Fürbitten in das Geschehen einzubinden. Reinoldus, dessen kostbarer Reliquienschrein an der Spitze des Zuges mitgeführt wurde, ist in der Chronik als Hauptherr der Stadt und
16 Siehe hierzu ausführlich ebd. 17 Siehe vor allem Löther, Prozessionen in spätmittelalterlichen Städten; Dies., ‚Städtische Prozessionen zwischen repräsentativer Öffentlichkeit, Teilhabe und Publikum‘; Gedeon, ‚Prozessionen in Frankfurt am Main‘. Eine Kritik aus der Sicht eines Liturgiewissenschaftlers siehe Bärsch, ‚Stiftungsliturgie und städtische Religiosität‘, S. 133. 18 Siehe aber etwa Bärsch, ‚Stiftungsliturgie und städtische Religiosität‘, S. 134ff.; Fehlbecker, Die Prozession. Für Dortmund, beide Bedeutungsebenen vereinend, Schilp, ‚Stadtkultur im spätmittelalterlichen Dortmund‘ [hier Aufsatz 5]. 19 Hirschmann, Stadtplanung, Bauprojekte und Großbaustellen, S. 477. 20 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 387f. Siehe Heimann, ‚Städtische Feste und Feiern‘, S. 173 (hier erstmals auch die Einzeichnung des Prozessionswegs in die Stadtansicht von Detmar Mulher aus dem Jahre 1610). Zu dieser Prozession siehe auch Schilp, ‚Stadtkultur im spätmittelalterlichen Dortmund‘ [hier Aufsatz 5], mit einer Transkription der Westhoffschen Beschreibung nach dem Original im Stadtarchiv Dortmund, Bestand 203 Nr. 7, Bl. 71v-72r.
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Abb. 6.3: Prozessionsweg eingetragen in die Karte des Detmar Mulher von 1610 (© Stadtarchiv Dortmund).
ihr Patron bezeichnet, als ihres werdigen hovetherrn und patron.21 In die Reinoldikirche zurückgekehrt, feierte die Stadtgemeinde einen Dankgottesdienst. Hiermit begegnet für Dortmund in der Überlieferung ein sogenannter ‚Kirchenkranz‘, der das Selbstver ständnis der Dortmunder Bürger und Einwohner des Mittelalters als Sakralgemeinde nachhaltig unterstreicht. Freilich ist die Überlieferung zu den Dortmunder Prozessio nen in der städtischen Chronistik nur punktuell und bruchstückhaft überliefert. Die Prozession der Stadt war liturgisch-spirituell geprägt und motiviert. In einer weiteren Bedeutungsebene ist sie aber auch ein Vorgang in der städtischen Öffent‐ lichkeit mit herausragenden Funktionen für die Selbstdarstellung der sozialen Grup‐ pen, der Familien, auch der Individuen, und insofern ein stadtpolitisches Ereignis er‐ sten Ranges.22 Es war eben nicht gleichgültig, an welcher Position der Prozession man selbst in seiner Gruppe platziert war. So kam es in Dortmund 1496 zu einem Streit um diese Positionen, der sogar handgreiflich ausgetragen wurde.23 Seit 1352 wurde der nächtlichen Errettung Dortmunds vor der Eroberung durch märkische Eindringlinge
21 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 387. 22 Vgl. hierzu ausführlich Schilp, ‚Stadtkultur im spätmittelalterlichen Dortmund‘ [hier Aufsatz 5]. Siehe jetzt auch Müsegades, Heilige in der mittelalterlichen Bischofsstadt. 23 Siehe die Beschreibung in der Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen.
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mit einer herlichen procession mit den Reinoldireliquien um den Reinoldi-Kirchhof mit abschließender feierlicher Messe gedacht.24 Die Vereitelung des heimtückischen Anschlags durch Agnes von der Vierbecke führte zur jährlichen Dankprozession am Sontag nach St. Michael, die noch im 17. und 18. Jahrhundert begangen wurde.25 1452 wurde bestätigt, dass man in Dortmund mit allen Priestern am Freitag nach St. Johannes im Mittsommer (24. Juni) und ebenso an den vier Freitagen danach das heilige Sakrament und die Reliquien der Stadt um die Stadt herum trage und dann in den vier Kirchspiel-Kirchen Station mache.26 Der Dortmunder Prozessionsweg aus dem Jahre 1506 zu sieben Stationskirchen aber griff das Vorbild der ursprünglich sieben römischen Stationskirchen in der Kopie der heiligen Stätten Jerusalems auf, ohne dass das Vorbild – anders als in den sakralen Topographien zahlreicher Bischofsstädte der ottonische-salischen Epoche – Entspre‐ chungen in den konkreten Patrozinien oder in der topographischen Zuordnung der Kirchenbauten Dortmunds gefunden hätte.27 Die Siebenzahl der Stationskirchen in Rom freilich kann als Allgemeinwissen und -gut des Mittelalters vorausgesetzt wer‐ den; in Dortmund knüpfte der Prozessionsweg an die sieben Stationskirchen Roms an. Die Pfarrkirchen der Stadt gaben mit ihrem Hauptpatrozinium schon im Namen zu erkennen, welche Heiligen die Stadt zu ihrem ‚Himmel‘ erklärte: Reinoldus als der Hauptpatron der Stadt war auch Hauptpatron der Hauptpfarrkirche; die Filialen Marien-, Nikolai- und Petrikirche fügten den Heiligen zentrale Bedeutung hinzu. Folgen wir dem Prozessionsverlauf des Jahres 1506 zu den Klosterkirchen als Stationskirchen, so erfuhr der Dortmunder Heiligenhimmel sinnvoll erscheinende Ergänzungen. Das Franziskanerkloster hatte das Patrozinium Petrus und Paulus und ergänzte mit dem Franziskus-Bezug den Heiligen, der durch die Wahl des Lebens in freiwilliger, wirklich persönlicher Armut, auch durch das Ideal der Caritas, den lokalen Heiligenhimmel sinnstiftend vervollständigte.28 Das Dominikanerkloster war Johannes Baptist geweiht und hatte Johannes den Evangelisten sowie Maria Magda‐ lena als Nebenpatrozinien, das Katharinenkloster der Prämonstratenserinnen gab das Hauptpatrozinium in seinem Namen zu erkennen und hatte Johannes den Täufer und Antonius als Nebenpatrozinien.29 Auffällig ist und bleibt die Siebenzahl der Stationen dieses Prozessionswegs durch die Stadt, zumal gerade nicht alle Kirchen und Kapellen Dortmunds genutzt wurden. Die Zahl Sieben, bei aller Vorsicht vor der Überstrapazierung der Interpretation, hat als ‚heilige‘, als ‚vollkommene‘ Zahl über den Bezug auf die römischen Stations‐ kirchen hinaus ein umfangreiches Spektrum von Bedeutungen: Sie ist Zeichen der
24 Ebd., S. 216. 25 Ebd., S. 242 mit Anm. 26 Chronik des Johann Kerkhörde von 1405-1465, bearb. von Franck und Hansen, S.119f. Erwähnt seien hier noch die Prozessionen der Goldschmiede am Jahrtag der Zunft. Vgl. hierzu ‚Zunft und Memoria‘ [hier Aufsatz 9]. 27 Siehe zur sakralen Topographie der ottonisch-salischen Bischofsstädte ausführlich Hirschmann, Stadtplanung, Bauprojekte und Großbaustellen. 28 Westfälisches Klosterbuch, hrsg. von Hengst, hier Bd. 1, S. 256. 29 Ebd., S. 261 und 252.
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irdischen Zeit (Wochentage) wie der Ewigkeit und der ewigen Ruhe aufgrund der Ruhe Gottes nach den sieben Schöpfungstagen, sie ist die Zahl der Gnade und des Heiligen Geistes mit seinen sieben Gaben, daneben auch die Zahl des Menschen mit seinen sieben Tugenden und sieben Todsünden und so weiter. Sieben verkörpert auch ein altes hebräisches Symbol (Siebenarmiger Leuchter). Der Zahl kommt vor allem auch in der Offenbarung des Johannes eine herausragende Symbolkraft zu: sie‐ ben Gemeinden, sieben Hörner der Bestie, sieben Schalen des göttlichen Zorns, Buch mit den sieben Siegeln, um nur einige Beispiele für die Symbolkraft der Zahl Sieben zu nennen. Die sieben Stationskirchen des Dortmunder Prozessionswegs griffen die römischen Stationskirchen, allgemeines Wissen um die römischen Prozessionen mit sieben Stationskirchen im Mittelalter auf, bezogen sich auf die Symbolkraft der Zahl Sieben.30 Man hätte jedenfalls auch weitere und andere Kapellen und Kirchen Dortmunds im Rahmen der Prozessionen und Stationen nutzen, den Dortmunder ‚Kirchenkranz‘ auch anders gestalten können: das Leprosenhaus vor dem Ostentor mit der Johannes‐ kapelle.31 Hier befand sich offensichtlich – wie in der Stadtansicht Detmar Mulhers von 1610 zu erkennen ist – auch ein Kalvarienberg, der vereinzelt auch in der schriftlichen Überlieferung erwähnt wird.32 Innerhalb der Stadtmauern – alle Einrich‐ tungen sind auf der Stadtansicht Mulhers innerhalb des Mauerrings auszumachen – sind erstens die Benediktskapelle auf dem Ostentor und die Jakobuskapelle auf dem Westentor zu erwähnen.33 Weiter gab es am Westenhellweg die Kapellen des Heiliggeist-Hospitals und des Gasthauses für arme Pilger und Reisende.34 Hinzu kam die wahrscheinlich bis in die Karolingerzeit zurückreichende Martinskirche in der Nähe des Westentores.35 Die Bewohner der Stadt, Bürger wie Einwohner, stellten diese Dortmunder Sakraltopographie her, sie lebten in und mit dieser. Die Zuordnung der Kirchen und Klöster, der Kapellen und Armeneinrichtungen war in ihrer Bedeutung für das
30 Zur Zahlensymbolik des Mittelalters siehe Meyer und Suntrup, Lexikon der mittelalterlichen Zahlenbedeutung. Zur schnellen Orientierung Suntrup, ‚Zahlensymbolik, -mystik‘. 31 Erstmals erwähnt bei Jankrift, ‚Der apokalyptische Reiter in Dortmund‘, S. 119f.; Siedling, ,Das Dortmunder Leprosenhaus‘; Rübel, ‚Die Armen- und Wohltätigkeitsanstalten der freien Reichsstadt Dortmund‘, S. 163ff. 32 J.C. Beurhaus, Die Merkwürdigkeiten der Kayserl. und des Heiligen Röm. Reichs freier Stadt Dortmund aus dem 18. Jahrhundert (Stadtarchiv Dortmund, Bestand 448 Nr. 15, 1. Buch 2. Kapitel § 19): An diesem Siechen Hof findet sich ein besonderes Steinen Gebäude, so den Berg Calvaria vorstellet und noch beständig unterhalten wird, von dessen Erbauung kann man aber nichts melden. 33 Zur Benediktskapelle, trotz einiger Irrtümer, siehe noch immer Rübel, ‚Armen- und Wohltätigkeitsanstalten der freien Reichsstadt Dortmund‘, S. 179ff. Die Jakobuskapelle wurde 1292 aufgrund einer Stiftung des Dortmunder Bürgers Johann Crispin erbaut, siehe Rübel, Geschichte der Grafschaft und der freien Reichsstadt, S. 184; DUB, bearb. von Rübel, Nr. 348. 34 Die Kapelle des Heiliggeist-Hospitals wurde erstmals erwähnt 1269. Vergleiche Rübel, ‚Armen- und Wohltätigkeitsanstalten der freien Reichsstadt Dortmund‘, S. 140; Kleemann, ‚Die Neuordnung des Heiliggeist-Hospitals‘. Zur Gasthauskapelle: Langelüddecke, ‚Das Dortmunder Gasthaus‘; Rübel, ‚Armen- und Wohltätigkeitsanstalten der freien Reichsstadt Dortmund‘, S. 150ff. Das neue Gasthaus wurde 1358 von Hildebrand Keiser mit einer Kapelle gestiftet: DUB, bearb. von Rübel, Nr. 787, sowie Die Grafschaft und freie Reichsstadt Dortmund 2: Urkundenbuch der freien Reichsstadt Dortmund, bearb. von Fahne, Nr. 152. 35 Zur Martinskirche, die 1662 wegen Baufälligkeit abgerissen werden musste, siehe Reimann, ‚Das Werden der Stadt‘, S. 23f.
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Leben in der Stadt bislang überhaupt noch nicht Gegenstand der stadthistorischen Forschung. Diese hat sich bisher auch, bedingt zum Teil sicher durch die erheblichen Überlieferungsverluste im Kontext von Reformation und Säkularisation des begin‐ nenden 19. Jahrhunderts, noch nicht näher um die Rolle der einzelnen kirchlichen Institutionen des ‚Kirchenkranzes‘ für die Bewohner Dortmunds bemüht. Nach Lage des Wohnorts in der Stadt waren diese einer der vier Kirchspielskirchen als den für sie zuständigen Pfarrkirchen zugeordnet. Hier wurden sie daher getauft, hier empfingen sie die Sakramente, beichteten und beteten, schickten sie ihre Söhne in die Lateinschule der Pfarrkirche, und auf dem Kirchhof dieser Kirche wurden sie auch beerdigt. Ausnahmen hiervon waren für lange Zeit eigentlich nicht üblich und bedurften der Genehmigung. An den zugeordneten Kirchspielskirchen stifteten zu ihrer Jenseitsvorsorge die vornehmeren und vermögenden Familien der Stadt.36 Ihre Pfarrkirche nutzten sie als Ort ihrer Stiftungen und damit die städtische Öffentlichkeit im Kontext ihrer engsten sozialen Bindungen für ihre Jenseitsvorsorge. Gerade die patrizischen Familien der Stadt verfolgten aber auch regelrechte Anlagestrategien im Sinne des vom Reichen erkauften ‚Schatzes im Himmelreich‘, wie dies Martina Klug in ihrer Skizze für die Dortmunder Familie Berswordt hat nachzeichnen können.37 Die Berswordts, in ihren verschiedenen Familienzweigen aufgrund der Lage der Wohnhöfe eingepfarrt an der Marien- und Nikolaikirche, stifteten – soweit es die Überlieferung erkennen lässt – an folgenden kirchlichen und karitativen Einrichtungen Dortmunds (nur die wichtigsten seien genannt). Sie sollen schon den Bau der Nikolaikirche kurz vor 1200 nachhaltig unterstützt haben, hier errichteten sie im 15. Jahrhundert jedenfalls eine abgeschlossene ‚private‘ Familienkapelle. An der Marienkirche sind sie im Zusam‐ menhang des Kreuzaltars mit dem berühmten Retabel seit 1398 und mit zahlreichen kleineren Stiftungen und Schenkungen urkundlich nachweisbar. Darüber hinaus sind Berswordts als Stifter für das Heiliggeist-Hospital festzustellen, beteiligt waren sie an der Gründung des neuen Gasthauses 1358 ebenso wie zuvor am Bau der Petrikirche. An der Petrikirche begegnen sie auch als Stifter; wir finden Berswordts als Mitglieder in den religiösen Bruderschaften Dortmunds. Schriftliche Hinweise lassen auch eine Stiftungstätigkeit an der Reinoldikirche erkennen, die aber bisher nicht exakt gefasst werden kann. Einen interessanten Hinweis – so hat Martina Klug festgestellt – auf das Franziska‐ nerkloster erteilt der Liber memorabilium des Konvents, ein Mischbuch auf älteren Grundlagen aus dem 18. Jahrhundert.38 Hier ist vermerkt, dass im September für das Seelenheil von Lambert und Sybilla Berswordt sowie ihre Familie aufgrund einer Stif‐ tung eine Lesung gehalten werden solle; der Schreiber fügt hinzu, man wisse nichts über die Dotation und ihren Zeitpunkt. In die bekannte Genealogie der Familie lässt 36 Zu den Bedeutungsebenen der Stiftungen der Jenseitsvorsorge in der mittelalterlichen Stadt, der Reichweite der mittelalterlichen Jenseitstopographie sowohl für die Denk- und Deutungsschemata als auch für das Handeln der Stadtgesellschaft und ihrer Glieder siehe ausführlich Der Berswordt-Meister und die Dortmunder Malerei um 1400, hrsg. von Zupancic und Schilp [Verzeichnis Nr. 72]. 37 Klug, ‚Nicht nur ein Schatz im Himmelreich‘ (siehe hier auch die Quellennachweise). 38 Ebd., S. 149 auf Grundlage des Liber memorabilium im Stadtarchiv Dortmund, Bestand 218 Nr. 3, S. 232.
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sich das Stifterpaar nicht einordnen, weshalb der Bezug auf das Franziskanerkloster im Nebel der Geschichte verbleibt.39 Bürger der Stadt haben aber auch an das Franziskanerkloster gestiftet. Die Franzis‐ kanerregel untersagte ursprünglich eigentlich die Annahme von Stiftungen zugunsten der Konvente, die allein vom Betteln und ihrer Hände Arbeit leben sollten. Eine erste Stiftung ist für das Jahr 1298 auszumachen: zwei Dortmunder Beginen hinterlassen den Minoriten zu Dortmund eine jährliche Rente von ½ Mark; die Stiftung wurde aber 1322 vom Guardian, Lektor und Konvent der Dortmunder Minoriten dem Zisterzienserinnenkloster Fröndenberg überlassen ohne dass die Urkunde hierfür einen näheren Grund angeben würde.40 Seit dem beginnenden 15. Jahrhundert aber nahmen die Dortmunder Franziskaner Stiftungen vor allem der Dortmunder Patrizierfamilien und des Niederadels der Region an.41 Nach der Reformation der Pfarrkirchen der Reichsstadt ist eine deutliche Zunahme der Stiftungsaktivität an der Klosterkirche festzustellen – es waren die katholischen Familien der städtischen Führungsschicht (Klepping, Berswordt, Prume und Wickede), die jetzt hier entweder zu ihrem Seelengedenken aktiv wurden (vor allem die Familie Klepping) oder zum Teil ältere Stiftungen nach der Reformation an das Kloster umwidmeten.42 Auch die Dortmunder Grafenfamilie war in der Klosterkirche vertreten: Der letzte Graf von Dortmund Johann Stecke, der 1504 verstarb, war in der Klosterkirche bestattet; an seinem Grab wurde ein Anniversar gefeiert.43 Das Dortmunder Franziskanerkloster des Mittelalters und der frühen Neuzeit ist bislang nur unzureichend bearbeitet worden: die schriftliche Überlieferung ist nur äußerst fragmentarisch erhalten, der erwähnte Liber memorabilium harrt noch immer einer systematischen Auswertung und Bearbeitung.44 Dennoch kann zumindest ein Eindruck von der Integration und Bedeutung der Franziskaner in die städtische Gesellschaft des Mittelalters versucht werden. Franziskaner waren als Bettelmönche auf der Grundlage des wirklich gelebten Ideals der freiwilligen Armut allgemein bei den unteren sozialen Schichten einer mittelalterlichen Stadt beliebt – dies können wir zweifellos auch für Dortmund annehmen, ohne nähere Quellen anführen zu können. In der näheren Umgebung des Konvents waren auch mehrere Beginenhäuser angesie‐ delt, die wahrscheinlich von den Franziskanern seelsorgerisch betreut wurden.45 Über die Funktion der Stationskirche auf dem Weg der bereits geschilderten Prozession des Jahres 1506 hinaus sind zahlreiche Spuren der Integration der
39 Siehe Knippenberg, ‚Das Patriziergeschlecht der Berswordts und Dortmund‘. 40 DUB, bearb. von Rübel, Ergänzungsband, Nr. 288 und 559. 41 Ein Überblick ergibt sich aus Münster, Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Findbuch A 402: Dortmunder Minoriten. 42 Siehe hierzu: Stadtarchiv Dortmund, Bestand 218 Nr. 3, Liber memorabilium, S. 206ff. Zu zahlreichen Belegen für nachreformatorische Stiftungen Dortmunder Patrizierfamilien siehe auch Münster, Landesarchiv NordrheinWestfalen, Bestand 402, Findbuch. 43 Stadtarchiv Dortmund, Bestand 218 Nr. 3, Liber memorabilium, S. 230. 44 Siehe zur Klostergeschichte den Überblick im Westfälisches Klosterbuch, hrsg. von Hengst, S. 255-260. Zur äußeren Gestalt der Klosteranlage siehe Scholle, Dortmund im Jahre 1610, S. 114ff; Pieper, Die Kirchen der Bettelorden in Westfalen. 45 Westfälisches Klosterbuch, hrsg. von Hengst, S. 257.
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Dortmunder Minoriten in die städtische Sakraltopographie und damit das städtische Leben festzustellen. Die Dortmunder Stadtchroniken des Dietrich Westhoff und vereinzelt auch des Johann Kerkhörde nahmen mehr als bloße Eckdaten der Kloster‐ entwicklung in ihre Darstellungen der Stadtgeschichte auf. So wurde etwa die Weihe des Chors der Klosterkirche 1252 ebenso berichtet wie ein Brand im Jahr 1386 bezie‐ hungsweise 1395 oder ein Sturmschaden an den Klostergebäuden im Jahre 1434.46 Die päpstliche Exemption des Klosters 1334 wurde von der Chronistik ebenso ver‐ merkt wie eine Provinzialversammlung der Minoriten im Jahr 1423; ein Diebstahl in der Sakristei 1437 begegnet ebenso wie das Klosterareal als Ortsbezug städtischer Ereignisse.47 Ausführlich wird auch das Begräbnis des letzten Grafen von Dortmund, Johann Stecke geschildert. Zum Minoritenkloster, wo er seine letzte Ruhestätte fand, folgten dem Sarg im Leichenzug durch die Stadt am 8. April 1504 nicht nur alle Ratsmitglieder sondern mit den ‚Zwölfern‘ (Erbsassenstand) und den ‚Vierundzwan‐ zigern‘ (Sechsgilden), den zwei Ständen des Stadtregimentes neben dem Rat seit den innerstädtischen Unruhen des Jahres 1400, die gesamte städtische Führungselite.48 Am Streit um das Patronatsrecht der Dortmunder Kirchen in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts hatte der Konvent der Minoriten auf Seiten Dortmunds teil, wie einige Reflexe in der urkundlichen Überlieferung der Stadt erkennen lassen.49 Der Kreuzgang des Klosters als Ort besonderen Friedens wurde vereinzelt auch für die rechtsgültige Ausfertigung von städtischen Urkunden genutzt.50 Der Guardian stellte 1278 auch eine Urkunde für eine Dortmunder Bürgerwitwe in heikler Situation aus, da sich die Bürgerwitwe ein Recht des Stifts Essen an einer Huckarder Mühle in betrügerischer Absicht angeeignet hatte und vor ihrem Tode die Angelegenheit ins Reine bringen wollte.51 All diese Belege weisen das Kloster als Teil der städtischen Geschichte und der Stadtkultur im weiteren Sinne aus. Dass das Kloster als ein fester Bestandteil der Sa‐ kraltopographie und infolgedessen des städtischen Lebens angesehen wurde, zeigen auch weitere Schilderungen der Dortmunder Stadtchronistik: Berichte von Dietrich Westhoff zu städtischen Prozessionen der Jahre 1503 und 1529 verdeutlichen, dass sich der für 1506 ausführlich beschrieben Prozessionsweg zu den sieben städtischen Stationskirchen als ‚Normalweg‘ eingebürgert haben muss. Zu 1503 wird berichtet, die Prozession habe in die seven kerken der Stadt geführt. Der Weg zum Minoritenklo‐ ster war von so groten gedrenkt überschattet, dass die städtische Prozession fürderhin
46 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 190, S. 249 und S. 288; zum Sturmschaden siehe Chronik des Johann Kerkhörde von 1405-1465, bearb. von Franck und Hansen, S. 51. 47 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 210 und S. 302. Zur Provinzialversammlung siehe auch Chronik des Johann Kerkhörde von 1405-1465, bearb. von Franck und Hansen, S. 28. Für die letzten Beispiele siehe Chronik des Johann Kerkhörde von 1405-1465, bearb. von Franck und Hansen, S. 59 und Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 215, 259 und 437. 48 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 375; Schilp, ‚Met groter broderlicher und truwelicher eindracht‘ [hier Aufsatz 2]. 49 DUB, bearb. von Rübel, Band 1, Nr. 186, 187 und 208. Zum Streit um das Patronatsrecht der Dortmunder Kirchen siehe Rüschenschmidt, ‚Entstehung und Entwicklung des Dortmunder Pfarrsystems‘, S. 95ff. 50 Ebd., Nr. 517 und 865. 51 DUB, bearb. von Rübel, Band 2, Nr. 401.
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bei Bedarf einen anderen Weg zum Kloster nahm (ist verordent worden, durch den hof, so durch nach der Broder velt gehet, to gene, den man ouch noch helt, so wan ist die noet vuerdert).52 Als die Stadt 1529 von einer Epidemie des englischen Schweißes überrollt wurde und innerhalb von drei Tagen über 500 menschen […] storven, führten beddemissen durch Dortmund in die seven kerken.53 Die Franziskaner waren also ein fester Bestandteil des städtischen Lebens. Dies trat überdeutlich auch beim Besuch Kaiser Karls IV. in der Reichsstadt Dort‐ mund vom 22. bis 24. November 1377 hervor. Die Bürgergemeinde sollte den Besuch nutzen, nicht nur Reinoldus als himmlischen Hauptpatron mit dem Kaiser als dem irdischen Herren der Stadt durch die Gestaltung des Empfangs und Besuchs in festli‐ chem Rahmen vereinen, sondern sich selbst in diesem Kontext als politisch autonome wie als sakrale Gemeinde zu präsentieren.54 Als die Stadtgemeinde dem Kaiser vor die Tore Dortmunds entgegen zog, gestaltete man den Empfang des Herrschers durch eine Prozession nach Körne.55 Der Zug wurde von den Schwestern des Katharinen‐ klosters angeführt, denen paarweise Minoriten- und Dominikanermönche folgten; die Nonnen und Mönche trugen ihre hilgedoms (Heiligtümer/Reliquien) mit sich. Dann folgten die Geistlichen der Stadt, ebenfalls mit Reliquien in Händen, und die Schüler der Stadtkirchen, sodann alle kersen, so der tijt in allen kerken binnen Dortmunde waren, die dem Reliquiar des Stadtpatrons Reinoldus vorangetragen wurden. Die Vertreter der drei Stadtklöster wurden als wichtiger Teil des städtischen Lebens verstanden, waren zentrale Elemente der Selbstdeutung und der Inszenierung der Stadtgemeinde, wenn ihnen eine so herausragende Position im städtischen Zug zugewiesen wurde. Mehr noch: Die Stadtgemeinde ließ Nonnen und Mönche ihre Reliquienschätze mitführen. Zusammen mit den Reliquien der Stadtkirchen und dem Reliquiar des Reinoldus präsentierte man dem nahenden Kaiser den lokalen Heiligenhimmel die spirituelle Absicherung der Reichsstadt im irdischen Leben. Gruppen und Individuen in der Stadt konkurrieren um die öffentlichen Orte ihrer Stiftungen im Rahmen der Jenseitsvorsorge, um Institutionen und Gelegenheiten für die Betätigung der Sorge um ihr Gedenken in der Liturgie mit allen weiteren Ebenen der Bedeutung dieses Handelns. Die kirchlichen karitativen Institutionen in der Stadt – Pfarrkirchen und Klöster, Kapellen und Klausen, Hospital und Gasthaus, Leprosenhaus und Armenschüssel – konkurrierten ihrerseits um die Zuwendung der Stifter und Stiftergruppe. Das Altarwerk der Franziskaner, sein Bedeutungsgehalt, sein Gebrauch, seine Funktionen werden von anderen Autoren dieses Bandes diskutiert – ihre Beiträge gehen von den liturgischen Funktionen des Retabels und seinen religiös-spirituellen Dimensionen aus. Von der Ebene der Sakraltopographie der mittelalterlichen Stadt aus betrachtet ist die Ausschmückung des Altars und der Altarstiftungen ein Mittel 52 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 373. 53 Ebd., S. 425. 54 Zum Besuch siehe vor allem den ausführlichen Bericht in der Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 229-236, sowie Des Dominicaners Jo. Nederhoff Cronica Tremoniensium, bearb. von Roese, S. 58-60. Zum Besuch siehe zuletzt Schilp, ‚Reinoldus, unser stat overster patron und beschermer‘ [Verzeichnis Nr. 58]. 55 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 231.
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der jeweiligen Institution, sich auf dem ‚Markt‘ der Stiftung durch eine besonders schöne wie prächtig Ausstattung attraktiv und interessant zu machen. Stiftungen ad pias causas als anerkannte Handlungsform, als Bestandteil des Grundcodes mit‐ telalterlicher Denkformen und -schemata wie des sozialen Agierens, konstituierten diesen ‚Markt‘ in der Stadt.56 Die religiöse Intention des Stifters erscheint von hier aus geradezu als Voraussetzung dieser Konkurrenz der kirchlichen und karitativen Institutionen um materielle Zuwendung. Das monumentale Antwerpener Retabel der Klosterkirche der Dortmunder Fran‐ ziskaner aus dem Jahre 1521 könnte von hier aus betrachtet als Reaktion auf die Ausstattung der Dominikanerkirche mit dem farbenprächtigen und qualitativ hochstehenden Retabel des Derik Baegert aus der Zeit der siebziger Jahre des 15. Jahrhunderts interpretiert werden. Die Franziskaner zogen mit der Beschaffung des Schnitzaltars aus Antwerpen nicht nur gleich. Sie überholten die örtliche dominika‐ nische Konkurrenz um Längen – und präsentierten zweifellos eine ganz besondere Attraktion. Zwar waren wohl beide Retabel, die den Hauptaltar der Klosterkirche schmückten, hinter Lettnern verborgen und in der üblichen Liturgie nur dem Kon‐ vent zugänglich, doch mag der Lettner dennoch nicht als undurchsichtige Wand konzipiert gewesen sein.57 Gerade die Entrücktheit bei gleichzeitiger Möglichkeit partieller visueller Wahrnehmung mag das Retabel zu dem »Goldenen Wunder« Westfalens gemacht haben, als das das Altarwerk noch heute bekannt ist. Noch im 18. Jahrhundert sprechen die Zeilen des Mönchs, der den Liber memo‐ rabilium zusammenstellte, den selbstbewussten Stolz des Franziskanerkonventes auf das prächtige Antwerpener Retabel in der Klosterkirche aus.58 Als er nämlich die Architektur der Klosterkirche beschrieb, kam er nach knappen Worten über die Zweischiffigkeit der Kirche rasch (schon in der vierten Zeile) auf die Ausstattung der Kirche zu sprechen: Ecclesia nostra […] continet septem altaria, ex quibus eminet summum altare, cui in variis provinciis vix reperitur simile, et enim admirabili artificio exsculptum est, et in eo apprime excisa et mirifice expressa praecipua totius passionis domini nostri Jesu Christi mysteria et historia inventionis et exaltationis crucis […] est quoque auro optimo deauratum […] et illud summum altare anno 1521 Antwerpia est factum et stetit sexcentis quadraginta florenis aureis, seclusis aliis expensis. „Unsere Kirche […] beherbergt sieben Altäre, unter denen der Hochaltar herausragt, wobei etwas Vergleichbares weit und breit schwerlich zu finden ist, und in der Tat ist er in bewundernswerter Kunstfertigkeit geschnitzt und darin sind vorzüglich ausgeführt und besonders wundervoll ausgedrückt, das ganze
56 Siehe hierzu Gerchow, ‚Volksreligion, Massenreligiosität oder Laienfrömmigkeit im Spätmittelalter?‘. 57 Welzel, ‚Das „Goldene Wunder“ im kulturgeschichtlichen Kontext‘. 58 Stadtarchiv Dortmund, Bestand 218 Nr. 3, Liber memorabilium, S. 255.
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Mysterium der Passion unseres Herrn Jesus Christus und die Geschichte der Entdeckung und Erhöhung des Kreuzes […] ist auch mit bestem Gold vergoldet […] und dieser Hochaltar wurde im Jahre 1521 in Antwerpen gefertigt und kostete 640 Goldgulden, nicht gerechnet die weiteren Kosten.“
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Kirchenbau und -ausstattung als politisches Programm* Zur Reichssymbolik im Hochchor der Dortmunder Reinoldikirche (um 1450) Zur Einführung Architektur ist in vielfältiger Hinsicht Bedeutungsträger.1 Im Folgenden werden für den Hochchor der Kirche St. Reinoldi ‒ der Hauptpfarrkirche von Dortmund ‒, erbaut in den Jahren 1421 bis 1460, politische Implikationen und Dimensionen eines städtischen Sakralbaus diskutiert (Abb. 7.1).2 Hierbei wird es zunächst um den Bauherrn beziehungsweise um die Frage gehen, wer eigentlich bauen oder für den Bau dieser Kirche aufkommen durfte und musste, und welche Bedeutung der Wahrnehmung dieses Rechts ‒ und der damit verbundenen Pflichten ‒ im Leben der spätmittelalterlichen Stadt Dortmund zukam. Die Fenster aus der Zeit um 1450 waren ursprünglich zweifellos ein visueller Hö‐ hepunkt des Hochchores von St. Reinoldi. Leider wurden diese in den Jahren 1867 bis 1872 wegen der im Laufe der Zeit eingetretenen Schäden nach Zeitgeschmack
* Erstpublikation in: Reichszeichen. Darstellungen und Symbole des Reichs in Reichsstädten. Studien zur Reichsstadtgeschichte 2, hrsg. von Helge Wittmann (Petersberg: Michael Imhof Verlag, 2015), S. 73-86 [Verzeichnis Nr. 195]. 1 Siehe hierzu bereits programmatisch: Bandmann, Mittelalterliche Architektur als Bedeutungsträger. Freilich kommt es für jeden einzelnen Fall auf den jeweiligen sachlichen Gehalt einer Deutung von Architektur an. 2 Die folgenden Überlegungen verdanken sich dem interdisziplinären Projekt zur Kunst, Kultur und Geschichte der Stadt Dortmund im Mittelalter, das Thomas Schilp und Barbara Welzel seit etwa 2005 koordinierten und moderierten. Fragestellungen und zahlreiche Ergebnisse der folgenden Überlegungen resultieren aus dieser Zusammenarbeit, zu der zahlreiche Kolleginnen und Kollegen im Kontext der „Dortmunder Kolloquien zur Kunst, Kultur und Geschichte in der spätmittelalterlichen Stadt“ und der daraus resultierenden Bände in den Reihen der Dortmunder Mittelalter-Forschungen und der Dortmunder Exkursionen zur Geschichte und Kultur beigetragen haben. Insbesondere sind für diesen Kontext die folgenden Bände zu nennen: Städtische Repräsentation, hrsg. von Büttner, Schilp und Welzel [Verzeichnis Nr. 109]; Stadtführer Dortmund im Mittelalter, hrsg. von Schilp und Welzel [Verzeichnis Nr. 114]; Ferne Welten – Freie Stadt, hrsg. von Ohm, Schilp und Welzel [Verzeichnis Nr. 116]. Im Umfeld dieses langjährigen Dortmunder Projekts ist auch eine kunsthistorische Dissertation entstanden, die für den Zusammenhang zahlreiche relevante Fragestellungen bearbeitet hat: Zepp, St. Reinoldi in Dortmund. Wegen der Überlieferungsproblematik kommt diese Dissertation auf die Glasfenster von St. Reinoldi jedoch nur kurz, S. 227-229, zu sprechen. Insgesamt führt diese Dissertation für den Zusammenhang der Überlegungen in vielen Aspekten weiter. Hinzuweisen ist vorab auch auf den Anfang der modernen Beschäftigung mit dem Hochchor von St. Reinoldi als Ratschor: Lange, ‚Stadtrat und Ratschor‘. Stadtgesellschaft und Memoria, ed. by Arnoud-Jan Bijsterveld, Meta Niederkorn & Annemarie Stauffer, Memoria and Remembrance practices, 3 (Turnhout: Brepols, 2023), pp. 205–218 10.1484/M.MEMO-EB.5.132324
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Abb. 7.1: St. Reinoldi Dortmund, heutiger Zustand des Hochchores (© Foto: Rüdiger Glahs, Dortmund).
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und Zeitempfinden sehr stark ergänzt (Abb. 7.1). Das Bildprogramm war damals auch zum Teil erheblich modifiziert worden, da man neben den Ergänzungen – ohne es zu dokumentieren – die erhaltenen Reste der spätmittelalterlichen Fenster recht frei neu komponierte. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Fenster mit den mittelalterli chen Bestandteilen dann nicht zur Sicherung vor den Bomben der Alliierten auf die einstige Reichsstadt ausgebaut, weil man sie nicht als wertvoll erachtete.3 Die auf das Mittelalter zurückgehenden Chorfenster hatten die ersten Bombenangriffe auf Dort mund im Jahre 1943 noch überlebt, gingen bis 1945 aber fast vollständig im Trüm mermeer der Stadt verloren. Am Schluss der folgenden Überlegungen soll der Ver such unternommen werden, das zentrale Fenster des Chorabschlusses aus dem 15. Jahrhundert zu rekonstruieren. Das Bildprogramm der Chorfenster des Hochchors fehlt heute also bis auf einen kleinen Rest mit der Darstellung der Kirchenväter Augustinus, Ambrosius, Hierony‐ mus und Gregor, der nach dem Krieg aus den Trümmern geborgen werden konnte und im Kontext des Wiederaufbaus im Westturm eingebracht wurde. Dieses allein erhaltene Fragment zeugt in der Qualität vom Anspruch der Bauherren des Hochcho‐ res in der Mitte des 15. Jahrhunderts (Abb. 7.2). Ein wenig können wir anhand des Fragments die einstige Wirkung der Fenster auf den Innenraum der Reinoldikirche erahnen: der Hochchor war in leuchtende Farbigkeit getaucht.4 Die Fenster stellten auch zahlreiche Bezüge Dortmunds zum Reich her. Aufgrund der Kriegseinwirkungen sieht der Hochchor von St. Reinoldi in Relation zum 15. Jahrhundert nach Kriegszerstörung und Wiederaufbau heute im Vergleich zum Zustand vor dem Zweiten Weltkrieg völlig verändert aus. Die Fenster, die in Abb. 7.1 zu erkennen sind, stammen aus den Jahren 1967/1968. Diese wurden von Gottfried von Stockhausen geschaffen und finden bis zum heutigen Tag breite Aner‐ kennung, denn in Farb- und Lichtwerten vermitteln sie den Eindruck einer mittelal‐ terlichen Kirche, ohne eine vermeintliche mittelalterliche Formen- und Bildsprache in Anspruch zu nehmen beziehungsweise in mehr oder weniger irrige Historisierun‐ gen zu verfallen. Die mittelalterlichen Schriftquellen zu den Fenstern des Hochchores sind äußerst knapp gehalten. Immerhin meldet der städtische Chronist Dietrich Westhoff zum Jahr 1450 zum Tag Mariae Himmelfahrt, das Gewölbe des Chors sei fertig gestellt worden. Der Chronist fügte hinzu: Dat glasevinster achter dem hogen altar, dar die keiser mit den 7 churvursten inne steit, was ouch al ingesamt.5 Es handelte sich bei dieser Beschreibung des Bildprogramms des Fensters also um das zentrale Ost-Fenster des Chorabschlusses. Zum Jahr 1456 vermerkt der Dortmunder Chronist, dass die Arbeiten an den Glasfenstern des Hochchores abgeschlossen worden seien: Dis jaer ist Sanct Reinolts chor […] al beglast gewest.6
3 Zu dieser gewaltsamen Restaurierung der Fenster des Hochchores im 19. Jahrhundert siehe Rinke, ‚Erhaltene und verlorene Glasmalereien der Spätgotik in St. Reinoldi zu Dortmund‘, hier S. 181f. 4 Zepp, St. Reinoldi in Dortmund, S. 227f. 5 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 322. 6 Ebd., S. 324.
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Abb. 7.2: Fensterfragment aus dem Hochchor von St. Reinoldi, Dortmund um 1450, heute angebracht im Westturm (© Foto: Rüdiger Glahs, Dortmund).
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Wir sind für unsere Analyse in vielfältiger Hinsicht auf Ersatzüberlieferung ange wiesen, vor allem auch auf Fotos vor den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs, die leider nur einen Teil dessen wiedergeben, was für den hier diskutierten Zusammen hang von Bedeutung ist. Vor den Zerstörungen in den Jahren 1943 bis 1945 vermit telte der Hochchor der Kirche St. Reinoldi jedenfalls einen völlig anderen Eindruck als heute. Rechtliche Stellung und politische Bedeutung von St. Reinoldi Von alters her gebührte St. Reinoldi der erste Rang unter den Dortmunder Kirchen.7 St. Reinoldi war Hauptpfarrkirche der Stadt und Sitz eines Archidiakonats des Erzbis‐ tums Köln. Im Rahmen des Strebens der Reichsstadt nach politischer Autonomie war die Gewinnung des Patronatsrechts für die Reinoldikirche ein vordringliches Ansinnen. Diese städtische Intention geriet in Konflikt mit dem Erzbistum Köln, das seine Archidiakonatskirche nicht einfach aufgeben wollte: das Patronatsrecht für St. Reinoldi wurde vom Dekan des Kölner Stifts Mariengraden beansprucht. In einem von 1262 bis 1290, also über fast dreißig Jahre, gegen den Dortmunder Rat geführten Prozess behauptete der Dekan vom Mariengraden mit einer gefälschten Urkunde, St. Reinoldi sei ursprünglich eine Stiftskirche gewesen, die Erzbischof Anno im 11. Jahr‐ hundert in eine Pfarrkirche umgewandelt – das könnte stimmen – und Mariengraden inkorporiert habe – das ist eher unwahrscheinlich, braucht uns aber im hiesigen Kontext nicht weiter zu beschäftigen. Dortmund begründete in der Schrift De iure patronatus die eigenen Ansprüche mit dem Status der Reichsstadt, der vermeintlichen Gründung von Stadt und Kirche durch Karl den Großen und die königlichen Privile‐ gierung der Stadt: Cum igitur ius patronatus omnium ecclesiarum altarium et capellarum infra muros nostros a Divis Romanorum Imperatoribus et Regibus in prima fundatione nostre civitatis usque in hodiernum diem habuerimus ex regia liberalitate […] („Das Patronatsrecht aber für alle Kirchen, Altarstiftungen und Kapellen innerhalb unserer Stadt haben wir seit der Gründung unserer Stadt bis zum heutigen Tage aufgrund kö‐ niglicher Privilegierung […]“).8 Die Schrift fährt fort, der Dekan von Mariengraden stütze sich in seinen Ansprüchen auf das Patronatsrecht für Dortmund auf reine An‐ maßung. Deutlich begründet der Dortmunder Rat in dieser Schrift seine Ansprüche mit der Reichsunmittelbarkeit und den königlichen Privilegien – Argumente für die Selbstverwaltung der Stadt, die auf die Regelung der kirchlichen Angelegenheiten in Dortmund bezogen wurden. Der Kölner Erzbischof verfolgte zweifellos mit der potestas des Diözesanherren seit 1180 stets auch territorialpolitische Interessen als Herzog von Westfalen ‒ und genau dies stieß auf den Widerstand von Rat und Stadt Dortmund.
7 Zum Folgenden siehe Rüschenschmidt, ‚Entstehung und Entwicklung des Dortmunder Pfarrsystems‘, und Lange, ‚Stadtrat und Ratschor‘. 8 De iure patronatus, zitiert nach Rüschenschmidt, ‚Entstehung und Entwicklung des Dortmunder Pfarrsystems‘, S. 120f. Anhang.
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Der kanonische Prozess endete mit einem Vergleich: Der Dekan von Mariengra‐ den setzte sich als Patron durch, allerdings mit der Auflage, nur Dortmunder Bürger als Pfarrer an Reinoldi zu investieren – der Rat konnte damit faktisch den Kandidaten nominieren. Der Vergleich scheint Bestand gehabt zu haben, wenngleich der Rat immer wieder versuchte, durch Privilegien das Rad zu eigenen Gunsten zu drehen.9 In Fluss kamen die Dinge aber erst kurz nach 1400: Zwar hatte die Stadt die Große Fehde des Kölner Erzbischofs und der Grafen von der Mark 1388/1389 siegreich überstanden, aber in der kriegerischen Auseinandersetzung erhebliche finanzielle Be‐ lastungen zu tragen.10 Der Kölner Erzbischof versuchte das Patronatsrecht auf andere Dortmunder Kirchen und Kapellen auszudehnen.11 Dortmund geriet offensichtlich in die Defensive – erst seit 1417 konnte Dortmund mit königlicher Unterstützung in die Gegenoffensive gehen. Zug um Zug wurden Kölner Einflüsse auf Dortmunder Belange zurückgedrängt.12 In diesen Kontext gehört der Neubau des Reinoldichors, dessen Grundstein 1421 gelegt wurde.13 Bezeichnenderweise ist Bürgermeister Kon‐ rad Berswordt nicht nur bei der Grundsteinlegung für Stadtrat und Stadtgemeinde anwesend, sondern tritt der erste Dortmunder Bürgermeister für seine Stadt auf diesen Grundstein (ist der eerbare, vuersichtige und wolwise her Conrat Berswort burger‐ meister up denselvigen ersten stehen getreten) – Rat und Stadt sind also Bauherren des Choranbaus, kommen der Pflicht der Baulast nach. Als Bauherr zahlt der Dortmunder Bürgermeister dem Baumeister meister Roseer, der hier auch als muermeister bezeich‐ net ist, 10 Rheinische Gulden drinkgelde. Für den Kontext unserer Überlegungen ist zu vergegenwärtigen, wie durch die symbolische Handlung und die Übergabe des Trinkgelds demonstrativ gezeigt wird, wer hier Bauherr und wer verfügungsberechtigt für St. Reinoldi ist. Es ist von hier aus zu fragen: Welche Rechte standen dem Patronatsherrn einer Kirche zu und welche Pflichten hatte er zu erfüllen, um die Dortmunder Vorgänge für das 15. Jahrhundert
9 So privilegierte zum Beispiel Kaiser Ludwig IV. 1332 die Stadt mit dem Recht, wie von altersher alle kirchlichen Benefizien innerhalb der Stadtmauern innezuhaben: Etiam, ut vos successoresque vestri nati et nascituri curata vel simplicia ecclesiatica beneficia, que antiquibus contulistis, intra muros civitatis vestre sita, conferre more et modo solito possitis (DUB, bearb. von Rübel, Band 1/1, Nr. 489/4, S. 340). Es ist davon auszugehen, dass sich die Stadt um diese Privilegierung eigens bemüht hat, um sich alle Optionen offen zu halten. 10 Zur Großen Dortmunder Fehde siehe den ausführlichen chronikalischen Bericht in der Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 251ff. Siehe auch Kirchhoff, ‚Die Dortmunder Große Fehde 1388/89‘; Garnier, ‚Symbole der Konfliktführung im 14. Jahrhundert: die Dortmunder Fehde von 1388/89‘, sowie Schilp, ‚mit groter broderlicher und truwelicher eindracht‘ [hier Aufsatz 2]. Siehe hier auch für die Schuldenkrise Dortmunds und die politischen Auseinandersetzungen in der Folge, worüber die Chronik des Johann Kerkhörde von 1405-1465, bearb. von Franck und Hansen, S. 41-46 ausführlich berichtet. 11 Siehe etwa die Auseinandersetzungen der Stadt mit dem Erzbischof von Köln im Jahre 1409 um Urkunden von Papst Bonifaz VIII. und um die Ansprüche des Erzbischofs auf das Patronatsrecht für die Benediktskapelle (DUB, bearb. von Rübel, Band 3, Nr. 395), sowie die Anmaßung von St. Mariengraden auch des Patronatsrechts für die Jakobskapelle auf dem Westentor in diesem Jahr, siehe ebd., Nrr. 408, 417, 418. Diese Auseinandersetzungen sind eingebettet in eine Fülle von weltlichen Übergriffen des Erzbischofs und der ihm Untergebenen gegen die Stadt, wie ein Blick in die urkundliche Überlieferung zeigt. 12 Siehe etwa die Vorgänge dieses Jahres, vor allem Stadtarchiv Dortmund, Bestand 1 Nr. 1776, 1797, 1817. 13 Zur Grundsteinlegung siehe den Bericht in der Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 300.
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einzuordnen?14 Die Hauptpflicht des Patronatsherren ist in der sogenannten Baulast für die Kirche zu sehen, die bis auf das Eigenkirchenwesen zurückgehen dürfte. Wer eine Kirche erbaute, erwarb auf Dauer Patronatsrechte; jeder, der eine Kirche baute, baulich änderte oder anbaute, nahm Patronatsrechte wahr. Zu den Rechten und ‚Ehrenrechten‘ eines Patronatsherren gehörte das Präsen‐ tationsrecht eines geeigneten und entsprechend qualifizierten Kandidaten (persona idonea) gegenüber dem in der kirchlichen Hierarchie höherstehenden Kirchenoberen für die vakante Pfarrstelle. Diese kann – zumindest allgemein und auf den ersten Blick ‒ als das wichtigste Recht des Kirchenpatrons einer Pfarrkirche bezeichnet werden. Der Kirchenobere nahm – nach entsprechender Überprüfung ‒ dann die Investitur des Präsentierten in das Amt vor. Nicht umsonst ging der angeführte Dortmunder Patronatsstreit vor allem um dieses Präsentationsrecht, da es den Einfluss auf die künftige Ausrichtung des kirchlichen Leben Dortmunds sicherte. Insofern ist der ab‐ schließende Vergleich im kanonischen Prozess um das Dortmunder Patronatsrecht, der der Stadt die Nomination des geeigneten Kandidaten vorbehielt, als ein echtes Zugeständnis zu bewerten.15 Dem Patronatsherren stand das Recht auf Einblick in die Vermögensverwaltung der Kirche zu, ebenso das Recht, dass Zusammenlegungen oder Trennungen von Kirchen (und damit Kirchenvermögen und Sprengel) nur mit seiner Zustimmung erfolgen durften – leicht ist zu ersehen, dass dies für das Leben einer mittelalterlichen Stadt Dimensionen erheblicher Bedeutung berührte. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung für das städtische Leben des Mittelalters sind auch die Rechte, die vom Patronatsherren wahrgenommen werden durften und von der (älteren) Forschung als Ehrenrechte bezeichnet wurden.16 Für Dortmund ging es dabei um Rechte, die der Rat als politische Vertretung der Bürgergemeinde wahrnehmen durfte, erstens das ius processionis: das Recht, der Stadtgemeinde bei Prozessionen vorwegzugehen. Zweitens gab es den honor sedis, das heißt das Recht eines besonderen Sitzplatzes, vor allem auch im Chorraum. Zum Schluß ging es um das ius inscriptionis, das Recht der Ratsmitglieder, das eigene Wap‐ pen oder entsprechende Symbole an und in der Kirche anzubringen. Diese Rechte waren von erheblicher Bedeutung, sicherten sie doch dem Rat als der Vertretung der Stadtgemeinde im liturgischen Leben in der städtischen Hauptpfarrkirche St. Reinoldi einen besonderen Raum, um die Stadt zu repräsentieren. Das ius processionis weitete dieses Recht auf das spirituelle Leben im gesamten Stadtraum aus. Es ist also mehr als der Streit um die »symbolische Präsenz«, wenn um das Patronatsrecht der Stadtkirche gerungen wurde.
14 Zum Folgenden siehe grundlegend Hinschius, Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in Deutschland, Band 3, S. 42-75, sowie Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte. Band. 1: Katholische Kirche, S. 397-422. 15 Zum Nominationsrecht siehe Hinschius, Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in Deutschland, Band 3, S. 98ff. 16 Siehe etwa Hinschius, Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in Deutschland, Band 3, S. 64.
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Wer baut den Hochchor? – Eine eminent politische Frage Die Bauleistung für den Hochchor von St. Reinoldi ab 1421 stand de iure allein dem Patronatsherren zu. Nahm der Rat diese Baupflicht als Baurecht wahr, kam das kirchenrechtlich einer Neufundierung von St. Reinoldi gleich, denn im Chor wurde der Hochaltar platziert; hier ruhte auch der Reliquienschatz der Kirche und Stadt. Der Bau durch die Stadt ist als ein politischer Affront gegen den Dekan von St. Mariengraden in Köln und den Erzbischof von Köln zu bewerten. Schon von der Bau‐ leistung her betrachtet nahm der Rat die Rechte und Pflichten eines Patrons wahr! Der Chor erhält von hier aus – wie Klaus Lange dies formuliert hat ‒ die Funktion einer Bühnenarchitektur für die Selbstdarstellung von Stadt und Rat, der Chor wird auch als Ort der Memoria von Stadtgemeinde, Rat und Ratsfamilien genutzt.17 Die ikonographische Ausstattung des Chors von St. Reinoldi basiert auf den Sujets Kaiser/König, Reinoldus, Maria und Christus. Diese sind so miteinander verwoben, dass unauflösliche Bedeutungszusammenhänge zwischen politischer und religiöser Selbstauffassung auf der einen und der politischen Selbstdarstellung von Stadt und Rat auf der anderen Seite entsteht. Hier können nur grobe Umrisse vermittelt wer‐ den. Den Auftakt bilden die beiden Skulpturen am Aufgang zum Chor (Abb. 7.1): Reinoldus – entstanden schon Anfang des 14. Jahrhunderts – und Karl der Große – für den Chorneubau des 15. Jahrhunderts geschaffen – stehen als Garanten der Stadt‐ freiheit und Schutzherren der Stadt, legitimiert durch das über ihnen im Chorbogen hängende Triumphkreuz. Karl der Große steht zudem auf einer Konsole mit dem Wappen des Reiches – die Skulptur präsentiert den ‚großen‘ Kaiser als Patron und als vermeintlichen Gründer der Stadt Dortmund als Reichsstadt. Mit Reinoldus und Karl dem Großen am Triumphbogen bekommt die Reichsunmittelbarkeit der Stadt eine Tradition, die Dortmund in Symbiose mit dem Reich und dessen Oberhaupt verschweißt. Das Chorgestühl wurde 1460 geschaffen. Der Rat nimmt das nördliche Ratsge‐ stühl ein, der Klerus das südliche. Der Rat sitzt vor dem Reliquienhaus mit den Reliquien des Stadtpatrons (und anderen) – er nimmt also den honor sedis des Patronatsherren ein. Der Rat hat seit alters die Schlüssel für Reliquienhaus und Reli‐ quienschrein inne. Der Rat vertritt die Stadtgemeinde am heiligsten Ort der Kirche, dem symbolischen Ort der himmlischen Stadt! An der Wange des Ratschorgestühls ist ein Engel angebracht, der das Stadtwappen trägt, das auf den Reichsadler rekurriert (Abb. 7.3), himmlische und irdische Bezüge Dortmunds werden in diesem Bild vereint. Der Chor von St. Reinoldi dient als Kapelle des Rates – hier versammelte sich das Gremium zum Gottesdienst nach der jährlich erfolgenden Wahl, hier empfing die Stadt auch hohe Besucher. Der Chor als Ort der himmlischen Stadt wird um den Hochaltar herum von den Türmen des Paradieses, die von den Aposteln bewohnt werden, flankiert – die Apostelskulpturen stehen auf Konsolen, die mit Wappen von Ratsfamilien versehen sind: Auch hier wird ein Recht des Patronatsherren in Anspruch genommen und von 17 Lange, ‚Stadtrat und Ratschor‘, S. 245.
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Abb. 7.3: Gestühlwange des Ratschorgestühls in St. Reinoldi von 1460 (© Foto: Rüdiger Glahs, Dortmund).
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Abb. 7.4: Apostelstatuen im Hochchor von St. Reinoldi, um 1450, Vorkriegsaufnahme 1939. Zu erkennen sind auf den Konsolen der Statuen die Stifterwappen der Dortmunder Patrizierfamilien Swarte (links) und Swarte-Sudermann (rechts) (© Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) – Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen).
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der Führungsschicht der Stadt zur sozialen Repräsentation und zur eigenen Memoria genutzt (Abb. 7.4). Bezeichnend ist insgesamt das Spiel mit der sakral-profanen Doppeldeutigkeit von Adler- und Löwensymbolik, die zugleich der christlichen und der reichsstädtischen Ikonographie angehören, Adlerpult, Kapitell der Reinoldusstatue, Konsolenadler der Maria neben dem Ratsgestühl usw. Der gesamte Bau war mit Wappen überhäuft, die heute nur noch zum geringsten Teil erhalten sind, von denen wir aber aus den schriftlichen Quellen wissen. Der Stadtadler prangt am äußeren Westgiebel des Chorbaus, für das Innere der Kirche wurde gerade einiges genannt. Hinzu kommen die folgenden Symbole: auf den Wandleuchtern und dem Taufbecken, ebenfalls um 1460 geschaffen, wechseln sich Adler und Löwe ab. Mit den Wappen eignet sich die Stadtgemeinde, vertreten durch den Rat, und das Patriziat den Kirchenbau demon‐ strativ an. Sie gravierten die Stadt mit den Bildern in den Bau regelrecht ein. Fama und Memoria der Stadt, des Rates der Patrizierfamilien sind so eingeschrieben und zugleich eine politische Demonstration des Selbstbewusstseins der Stadt gegen den Erzbischof von Köln.18 1440 wurde dem Rat von Papst Eugen IV. das Präsentations‐ recht für St. Reinoldi zugesprochen.19 Was sich im Bau des Chores ausdrückt, wurde offensichtlich auch real vollzogen. Da die Schriftquellen noch nicht abschließend ge‐ sichtet werden konnten, werden hierzu in Zukunft noch weitergehende Forschungen erforderlich sein. Zur Ausstattung des Hochchores: eine politische Deutung Völlig ungewöhnlich für einen Sakralbau in diesem Kontext ist das zentrale Dortmun‐ der Ostfenster mit Kaiser Karl IV., der 1377 Dortmund besucht hatte, und den sieben Kurfürsten. Dies ist nämlich ein typisches Bildprogramm für ein Rathaus, so zum Bei‐ spiel in Bremen 1405 bis 1410, und 1481 wird das Programm auch im Dortmunder Rathaus verwirklicht. Kurz vor 1871 war das Fenster sehr stark überholt worden, doch für das zentrale Fenster kann bei allen Schäden und Ergänzungen sehr gut imaginiert werden, was einst zu sehen war. Im zentralen Feld (Abb. 7.5) Kaiser Karl IV. über dem Wappenschild des Königs Wilhelm I. von Preußen, 1867 für den zerstörten Wappenschild Karls IV. eingesetzt. Links daneben steht der König von Böhmen als vornehmster Kurfürst über dessen Wappenschild, daneben der Kurfürst von Mainz. Rechts neben Karl IV. steht der Erzbischof von Köln. In der Fensterreihe darunter können wir uns die übrigen vier Kurfürsten vorstellen, so wie dies der Dortmunder Chronist ja auch beschrieben hat. Über den Kurfürsten (Abb. 7.6) in der Mitte die Gottesmutter als Himmelskönigin neben Christus als Weltenherrscher mit der Salva‐ torkugel in der Linken, die Rechte im Segensgestus erhoben. Christus hat unter sich das Wappen des Reiches und Karls IV.: den Doppeladler. Das Wappen unter Maria 18 Vergleich Oexle, ‚Fama und Memoria. Legitimation fürstlicher Herrschaft im 12. Jahrhundert‘. 19 Stadtarchiv Dortmund, Bestand 1 Nr. 2605; Druck der Urkunde bei Die Grafschaft und freie Reichsstadt Dortmund. Band 2: Urkundenbuch der freien Reichsstadt Dortmund, bearb. von Fahne, Nr. 247 (mit irrtümlicher Auflösung der Datierung auf das Jahr 1448).
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Abb. 7.5: Zentrales Fenster des Hochchores, Ausschnitt: Kaiser Karl IV. mit den Kurfürsten: König von Böhmen, Erzbischof von Mainz, Erzbischof von Köln, Zustand nach 1867, Aufnahme um 1925. Stadtarchiv Dortmund, Bestand 413 (Nachlass Stein), Nr. 12 (© Stadtarchiv Dortmund).
fehlt, dafür wurde eine Inschrift angebracht, die auf die Restaurierung und Ergänzung 1867 hinweist. Rechts und links der beiden gekrönten Himmelsherrscher sind Panta‐ leon und Reinoldus gestellt, die Patrone der Kirche und Schutzheilige der Stadt. Es ist anzunehmen, dass vom ersten, aber nur legendenhaft überlieferten Patron Pantaleon Reliquien in Dortmund verblieben waren. Den Löwen im Wappen unter Pantaleon und Reinoldus dürfen wir als den brabantischen Löwen des Reinoldus deuten, doch bleibt dies im Unklaren. Reinoldus mit den Attributen des Hammers und eines Buchs in Händen wurde 1867 vollkommen ersetzt, doch ist die Anordnung logisch und dürfte ein Vorgängerfenster des 15. Jahrhunderts haben.
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Abb. 7.6: Zentrales Fenster des Hochchores, Ausschnitt: Gottesmutter als Himmelskönigin und Christus als Weltenherrscher mit Pantaleon und Reinoldus, Zustand nach 1867, Aufnahme um 1925. Stadtarchiv Dortmund, Bestand 413 (Nachlass Stein), Nr. 12 (© Stadtarchiv Dortmund).
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kIrchenbau und -ausstattung als polItIsches prograMM
Mit den Stadtheiligen und Kirchenpatronen jedenfalls wurde nach mittelalterli chen Vorstellungen die Stadt in Einheit mit Reinoldus und Pantaleon in einen himm lischen Kontext gestellt, und damit eigentlich über die weltliche Ebene des Kaisers und der Sieben Kürfürsten erhoben. Es entsprach der Selbstauffassung der Stadt als Sakralgemeinschaft und dem politischen Selbstbewusstsein Dortmunds, dies mit dem Bildprogramm des Fensters demonstrativ auszudrücken. Der Erzbischof von Köln ist zwar einer der vornehmsten Königswähler, die Stadt aber ist in der sakral-spirituellen Selbstdeutung schon längst im Paradies angekommen, damit eigentlich über den Kur fürsten angeordnet, zumindest auf Augenhöhe mit diesen. Der Ratschor von St. Reinoldi ist also eine Inszenierung in einer Bühnenarchitek‐ tur. Flankiert von den himmlischen Beschützern der Stadtfreiheit am Choraufgang, mit den Stadtheiligen bei der Gottesmutter und Christus vertreten, wohnt der Rat in seinem Gestühl den Gottesdiensten zum Wohle der Stadt als korporativer Patronats‐ herr bei. Das Ganze ist eine grandiose Selbstinszenierung als autonome Reichsstadt, die mit dem Rat als Patronatsherr der städtischen Hauptpfarrkirche politisch gegen alle Kölner Einflüsse auf Stadt und Kirche Flagge zeigt und den Rat zugleich als spirituell legitimierte Obrigkeit der Stadt von der Gemeinde im Kirchenschiff absetzt. Der Rat wurde visuell in einen Dialog mit dem vermeintlichen Stadtgründer Karl dem Großen und dem Stadtpatron Reinoldus gestellt. Besser konnte sich Dortmund in sei‐ ner Unabhängigkeit als Stadt des Reiches im 15. Jahrhundert in einem Bildprogramm kaum präsentieren.
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Seelenheil und Stadtkultur* Das Dortmunder Predigerkloster in der spätmittelalterlichen Stadt Dortmund im Spätmittelalter, das war eine blühende Reichs- und Hansestadt, eine Stadt der Prosperität und des Aufstiegs in ökonomischer und politischer Hinsicht.1 Das 14. Jahrhundert brachte einen Höhepunkt, vielleicht den Gipfelpunkt in der Ent‐ wicklung der Stadt. Das öffentliche Leben Dortmunds war in den ersten Dezennien dieses Jahrhunderts jedoch auch von den heftigen Auseinandersetzungen um die Gründung des Dominikanerklosters geprägt, die im Kontext der großen politischen Verwicklungen der Zeit erst im Jahre 1330 in einem dritten Anlauf gelingen sollte.2 Das religiös-spirituelle Leben erfüllte den Alltag der spätmittelalterlichen Stadt in einer Intensität, die wir uns heute kaum vorstellen können. Vier Pfarrkirchen gab es in der Stadt: St. Reinoldi, St. Marien, St. Petri und St. Nikolai, von der die Nikolaikirche im beginnenden 19. Jahrhundert abgerissen wurde.3 Zudem gab es unzählige Kapel‐ len, es seien nur genannt die Kapellen auf dem Westen- wie auf dem Ostentor, die Kapellen des Heiliggeist-Hospitals, des Gasthauses oder des Leprosenhauses vor den Toren der Stadt und die Martinskapelle. Ferner drei Klöster: ein Prämonstratenserin‐ nenkonvent, das einstige Katharinenkloster, das in der Welle der Säkularisationen des beginnenden 19. Jahrhunderts ebenso wie das Franziskanerkloster aufgehoben und auf Abbruch verkauft wurde, und schließlich das Dominikanerkloster, dessen Kloster‐ kirche den Aufhebungs- und Vermögensauflösungsprozess überstand.4 Kirchen und Klöster prägten also das Bild und das Leben der Stadt des Mittelalters nachhaltig. In anderem Zusammenhang haben wir darauf hingewiesen, wie sich die Stadt‐ gesellschaft als Sakralgemeinschaft, als eine Genossenschaft im christlichen Sinne
* Erstpublikation in: Die Dortmunder Dominikaner und die Propsteikirche als Erinnerungsort. Dortmunder Mittelalter-Forschungen 8, hrsg. von Thomas Schilp und Barbara Welzel (Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 2006), S. 57-69 [Verzeichnis Nr. 125]. 1 Vgl. hierzu zuletzt Ferne Welten – Freie Stadt., hrsg. von Ohm, Schilp und Welzel [Verzeichnis Nr. 116], mit den Hinweisen auf die weiterführende Literatur. 2 Vgl. hierzu den Beitrag von El-Akramy, ‚Eine verworrene Geschichte‘. 3 Siehe hierzu Scholle, ‚Die alte St. Nicolaikirche‘; Stadtführer Dortmund im Mittelalter, hrsg. von Schilp und Welzel [Verzeichnis Nr. 114], S. 121f; Ohm, ‚Rathäuser des deutschen Mittelalters‘; und Pieper, ‚Von der Uneinheit des einheitlichen Raumes‘. 4 Siehe hierzu Saal, ‚Die drei Dortmunder Stadtklöster‘; Schilp, ‚Die katholische Kirche in Dortmund im Mittelalter und in der frühen Neuzeit‘ [Verzeichnis Nr. 126]. Stadtgesellschaft und Memoria, ed. by Arnoud-Jan Bijsterveld, Meta Niederkorn & Annemarie Stauffer, Memoria and Remembrance practices, 3 (Turnhout: Brepols, 2023), pp. 219–234 10.1484/M.MEMO-EB.5.132325
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verstand, die die Topographie, die Räume der Stadt im sakral-spirituellen Sinne ausgestaltete und nutzte; damit wurde die Himmelsstadt Jerusalem als Anspruch und Ziel der Lebenswelt in der eigenen Stadt formuliert.5 Gerade die Bettelorden, vor allem die Franziskaner und die Dominikaner, verstan‐ den sich als klösterliche Gemeinschaften in der und für die Stadt. Die Gründung des Dortmunder Dominikanerklosters verdankte sich jedoch einer „verworrenen Geschichte“.6 Erst im dritten Anlauf sollte die Gründung gelingen: Die großen politi‐ schen und spirituellen Auseinandersetzungen zwischen Kaiser und Papst, zwischen Dominikanern und Franziskanern, wie sie Umberto Eco zum Gegenstand seines populären Romans Der Name der Rose gemacht hat, spielten dabei ebenso eine Rolle wie die lokalen Dortmunder Verhältnisse und ihre Verstrickung in die großen politischen Auseinandersetzungen in Europa.7 Mal mit, mal gegen den König oder den Papst, hatten die Stadt und ihr Klerus für lange Zeit hinreichende Gründe, gegen die Gründung einer Niederlassung des Predigerordens anzugehen. In der Auseinan‐ dersetzung um die Dortmunder Klostergründung bildeten theologische Grundlagen der Bettelorden ebenso ein Fundament wie die Auseinandersetzung zwischen Papstund Königtum oder auch der Widerstreit lokaler Gruppeninteressen. Ordo fratrum Praedicatorum, ‚Orden der Predigerbrüder‘ – schon im Namen der Dominikaner kommt die Essenz der Tätigkeit des Ordens zum Ausdruck.8 Der predigende Ordensgründer Dominikus Guzmán (* um 1170, † 1221) wurde rasch zum Leitbild des Predigerordens. Es nimmt daher kein Wunder, dass sich auch für die Dortmunder Niederlassung des Predigerordens auf dem erhaltenen Fragment des Retabels der am Kloster tätigen Rosenkranzbruderschaft von 1523 die typische Darstellung des predigenden Ordensgründers findet (Abb. 8.1). Die Predigt und – gleichsam als Voraussetzung für die gute Predigt – das intensive Studium, das sind die wesentlichen Merkmale des Ordens, Merkmale, die die Brüder des Predigerordens während des Mittelalters zweifellos motiviert haben, gerade diesen Orden für ihre Entscheidung eines Lebens im Kloster zu wählen. Der Orden übte auf die Menschen in der Stadt des Mittelalters eine immense Faszination aus, denn die Predigt der Dominikaner erklärte den Laien Glauben, sie verfolgte ausdrücklich den Zweck der Erklärung des christlichen Glaubens. Wie Ulrich Meier hat zeigen können, entwickel‐ ten die Dominikaner auf der Grundlage der Rezeption der ‚Praktischen Politik‘ des
5 Vgl. hierzu Schilp, ‚Sakrale Topographie im mittelalterlichen Dortmund‘ [hier Aufsatz 6]. 6 So schon der Titel des Beitrags zur Gründung des Dortmunder Dominikanerkonvents von El-Akramy, ‚Eine verworrene Geschichte‘. 7 Eco, Il nome della rosa. Siehe dazu: … eine finstere und fast unglaubliche Geschichte?, hrsg. von Kerner; Petersohn, ‚Ecos Echo‘; Ecos Rosenroman, hrsg. von Haverkamp und Heit. 8 Die Bezeichnung ‚Dominikaner‘, nach dem Ordensgründer Dominikus Guzmán, kommt erst im 15. Jahrhundert auf. Siehe, auch zur schnellen Orientierung zum Predigerorden, Vicaire und andere, ‚Dominikaner, Dominikanerinnen‘. Conrad-von-Soest-Gesellschaft, Universität Dortmund, Stadtarchiv Dortmund und Propsteikirche sind Pater Rodrigo H. Kahl OP als verantwortliche Veranstalter für den Vortrag vor dem 5. Dortmunder Kolloquium zur Kunst, Kultur und Geschichte in der spätmittelalterlichen Stadt am 8. Juli 2005 sehr dankbar, aus der Sicht eines Dominikaners die Spiritualität des Predigerordens eindrücklich aufzuzeigen und zu vermitteln. Siehe Kahl, ‚Spiritualität der Dominikaner‘.
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Abb. 8.1: Ehemalige Dominikanerkirche, heute Propsteikirche Dortmund, Meister Hilgardus, Tafel vom ehemaligen Rosenkranzaltar, 1523: Der predigende Ordensgründer auf der Kanzel (© Foto: Rüdiger Glahs, Dortmund).
Aristoteles eine Theologie der Stadt, eine Dimension, die die Predigttätigkeit in allen Niederlassungen des Ordens – und so zweifellos auch für Dortmund – geprägt hat.9 Vom Kloster der Dominikaner in Dortmund ist nur wenig geblieben, was Antwor‐ ten auf Fragen nach dem Leben und Wirken in der Stadt und für die städtische Bevölkerung geben könnte; kaum etwas ist geblieben, das heute noch eine Vorstel‐ lung vermittelt, wie sich das interne Leben im Dominikanerkonvent im Einzelnen abgespielt haben könnte.10 Die Dominikaner des Mittelalters waren sehr mobil, sie 9 Siehe hierzu Meier, ‚Urbane Utopien‘, der eigene frühere Forschungen weiterführt, vor allem Meier, Mensch und Bürger. 10 Die archivalische Überlieferung ist infolge der Säkularisation und der Verluste des Zweiten Weltkriegs weitgehend zerstört, die einst reichhaltige Bibliothek bis auf geringe Reste vernichtet. Rensing, Das Dortmunder
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waren oft nur für kurze Zeit ortsfeste Mitglieder eines Konvents, um bald im Auftrag des Ordens weiter zu ziehen. Eigentlich nur der Prior als Vorsteher und der Lektor als Leiter der Ausbildung waren ortsgebunden und für längere Zeit Angehörige eines Konvents. Für den Dortmunder Konvent, der immerhin ein Generalstudium des Ordens bot, ist davon auszugehen, dass viele Predigerbrüder nur für die Zeit ihrer Ausbildung beziehungsweise die Vervollkommnung dieser Ausbildung im Dortmun‐ der Kloster weilten. Wenige Brüder nur können wir neben den Prioren und den Lektoren namentlich für den Dortmunder Konvent feststellen.11 Wege führten von Dortmund aus vor allem nach Norden und Nordosten. Die Tallinner Archivarin Tiina Kala hat vor einiger Zeit die Spuren eines Dortmunder Dominikaners in Tallinn (früher Reval) ermittelt. David Sliper war im beginnenden 16. Jahrhundert als Proku‐ rator in der Wirtschaftsverwaltung des Tallinner Konvents tätig und hat eine Hand‐ schrift über Logik und Grammatik hinterlassen, die westfälische Einflüsse erkennen lässt. Er bezeichnete sich selbst als de Tremonia („von Dortmund“), stammte also offensichtlich aus Dortmund beziehungsweise war einst zur Ausbildung Mitglied des Dominikanerkonvents in Dortmund.12 Geblieben ist die beeindruckende Architektur der Klosterkirche im Herzen der Stadt mit einem Teil ihrer Kunstschätze, die sich wahrlich sehen lassen können. Daher besteht, auch wenn nur wenige Schriftquellen zur Geschichte des Klosters überliefert sind, mit der Architektur der Klosterkirche und deren prachtvollen Aus‐ stattung genug Anlass, das Kloster als kulturelles Erbe unserer Stadt zu bezeichnen.13 Es als solches anzunehmen, und die Bedeutung des Klosters für das Leben in der spätmittelalterlichen Stadt zu rekonstruieren und – sich annähernd – zu verstehen. Die einst reiche Bibliothek der Predigerbrüder ist bis auf kleinste Reste für immer vernichtet, die meisten Archivalien für immer verloren – und dennoch, betreten wir die heutige Kirche, können wir ein Stück der Faszination, die einst vom Dominikaner‐ kloster ausging, erahnen und nachempfinden. Nur wenige Steine für das Mosaik der Bedeutung der Dominikaner für die Kultur der mittelalterlichen Stadt können vorgestellt werden. Auf der Grundlage der frag‐ mentarischen Überlieferung kann nur ein schemenhaftes Bild, eine schlichte Skizze entworfen werden, eine Skizze, die jedoch Dimensionen des Lebens in der mittelal‐
Dominikanerkloster, konnte zumindest die Archivbestände im Zustand vor dem Zweiten Weltkrieg auswerten und für viele Fragestellungen daher Eindrücke des Lebens im Konvent der Dortmunder PredigerordensNiederlassung vermitteln. Die Analyse der Architektur der Klosterkirche von Pieper, ‚Von der Uneinheit des einheitlichen Raumes‘, erteilt ebenso Hinweise wie die Untersuchungen der erhaltenen Ausstattung und der schriftlichen Überlieferung. 11 Siehe hierzu die Verzeichnisse bei Rensing, Das Dortmunder Dominikanerkloster, S. 123-207, hier die Liste der Prioren, S. 125-166, der Lektoren, S. 167-178, und das Verzeichnis sonstiger Dominikaner, S. 179-207. Ortsfest waren darüber hinaus in gewissem Umfang der Subprior als Vertreter des Priors und der Prokurator als Wirtschaftsverwalter des Klosters. 12 Vgl. hierzu Kala, ‚Die Beziehungen zwischen Dortmund und Reval im Mittelalter‘, S. 105-120. Dazu Dies. über David Sliper, in: Ferne Welten – Freie Stadt, hrsg. von Ohm, Schilp und Welzel [Verzeichnis Nr. 116], Kat. 279 und 280, S. 352f. 13 Die Quellen finden sich vor allem im Stadtarchiv Dortmund, Bestand 210 Hs. 1 (Die Chronik des Dominikanerklosters zu Dortmund) und Dortmund, Archiv der Propsteikirchengemeinde.
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terlichen Stadt erahnen und das allgemein festgestellte Phänomen der Symbiose von Predigerorden und Stadt greifbar werden lässt. Schon der Gründungsakt erteilt erste Hinweise.14 Die Gründung wurde ermög‐ licht durch die Schenkung des Grundstücks, auf dem das Kloster errichtet werden sollte. Die Schenkung war als eine Stiftung gemeint, die das Totengedenken der niederadligen Familie Vridag im Gebetsgedanken und Messfeier der Predigerbrüder regelmäßig wiederkehrend und auf Dauer sichern sollte. Die Familie Vridag war mit der Familie der Grafen von Dortmund verwandt und verschwägert; sie begegnet immer wieder im Kontext der Dortmunder Stadtgeschichte. Überhaupt wird das Dominikanerkloster wiederholt zum Stiftungsziel im Kontext der Jenseitsvorsorge von Dortmunder Bürgerfamilien und Familien des Niederadels der Region, die mit den Grafen von Dortmund liiert waren.15 Allein diese Feststel‐ lung, und deswegen weise ich resümierend darauf hin, rückt das Dominikanerkloster in einen engen Kontext der Stadtkultur des Spätmittelalters: Patrizier wählten, neben ihren Pfarrkirchen und den anderen Stadtklöstern, auch das Dominikanerkloster für ihre Memoria, um von den Predigerbrüdern die Vergegenwärtigung ihrer Verstorbe‐ nen in der Liturgie der Konvents begehen zu lassen – offensichtlich kamen hier in der Klosterkirche viele Gläubige zusammen, weshalb eine solche Stiftung über die Sicherheit der Verknüpfung mit einem Konvent zahlreicher Brüder hinaus attraktiv erschien. Die Vergegenwärtigung der Toten in der Liturgie der Niederlassung des Predigerordens anzuvertrauen, dies galt augenscheinlich als eine besonders gute Sicherung der Jenseitsvorsorge. Martina Klug konnte deutlich zeigen, dass die Me‐ moria von Dortmunder Patrizierfamilien damit auch genutzt wurde, um sich mit den niederadligen Förderern und Stiftern des Predigerklosters auf eine soziale Stufe zu stellen. Die Jenseitsvorsorge-Stiftung wurde auch zur sozialen und politischen Positionierung und Repräsentation genutzt.16 Nur in schwachen Konturen sind mit den Bruderschaften am Dominikanerkloster Umrisse weiterer Akte der Jenseitsvorsorge erkennbar. Die Chronik des Dietrich Westhoff berichtet zum Jahr 1475: Unser leiver Vrauwen broderschap des rosenkranzes ist to Coln to den Predichern angevangen am dagen Marien gebort, und derselvige broder‐ schaft wort ouch binnen Dortmunde im Predichercloester gehalden („Die Bruderschaft Unserer lieben Frau des Rosenkranzes wurde am Tage Mariae Geburt [8. September 1475] bei den Predigern in Köln gegründet; diese Bruderschaft wurde auch im Dortmunder Predigerkloster gehalten“).17 Daraus dürfen wir schließen, dass die Ro‐ senkranzbruderschaft, im Übrigen gebunden an Niederlassungen des Predigerordens, schon bald nach 1475 auch in Dortmund aktiviert werden konnte. Rosenkranzbruder‐
14 Siehe hierzu El-Akramy, ‚Eine verworrene Geschichte‘ und Klug, ‚Dortmunder Patriziat und märkischer Niederadel‘. 15 Siehe im Einzelnen die Überlegungen von Klug, ‚Dortmunder Patriziat und märkischer Niederadel‘. 16 Ebd., S. 155-174. 17 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 340.
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schaften18 unterschieden sich in mancher Hinsicht von anderen Bruderschaften in der spätmittelalterlichen Stadt, denn sie waren nicht berufsständisch organisiert, sie erhielten ihren Zusammenhalt nicht durch eine gemeinsame Ordnung, regelmäßige Treffen oder Mahlzeiten, nicht durch gemeinsame Gottesdienste, gleiche Kleidung zu bestimmten Anlässen oder auch regelmäßige Beitragszahlungen in die Bruderschafts‐ kasse. Sie beruhten allein auf der Verpflichtung der Brüder und Schwestern, privat wöchentlich einen marianischen Psalter – das entspricht drei Rosenkränze zu je 50 Ave Maria mit fünf Vaterunsern – zu beten. Die Brüder und Schwestern sollten sich in das Bruderschaftsbuch einschreiben lassen, das für Dortmund leider nicht erhalten ist. Der Eintrag des Namens in ein solches Buch ließ alle Mitglieder auf ewig an der Gebetsleistung der Rosenkranzbruderschaft teilhaben. Die Mitgliedschaft war nicht an Geldzahlungen oder Gebühren gebunden – gleichwohl waren materielle Zuwendungen durchaus willkommen; es war ausdrücklicher Zweck der Bruderschaft, dass auch Arme und Bedürftige Aufnahme fanden. Die Mitglieder mussten auch nicht am Ort des Sitzes der Bruderschaft selbst wohnen. Durch all dies waren die Rosenkranzbruderschaften sehr attraktiv und hatten oft mehrere Tausend Mitglieder. So verzeichnet etwa das Bruderschaftsbuch für Freiburg im Breisgau für die Jahre zwischen 1494 und 1520 annähernd 2.500 Namen, die Frankfurter oder Colmarer Bruderschaft wiesen in ihren Büchern je ca. 7.000 Namenseinträge auf.19 Die Mitglie‐ der repräsentierten das gesamte soziale Gefüge der Zeit, reichten von Mitgliedern des Hochadels der jeweiligen Region über die Schicht von Niederadel und Patriziat, alle Gruppen von Handwerkern bis hin zu Tagelöhnern und Armen; auffallend ist die Häufigkeit von Frauen in den Mitgliederlisten der Rosenkranzbruderschaften. Für Dortmund können wir aufgrund der fehlenden Überlieferung diesbezüglich jedoch keine konkreten Angaben machen; der Befund dürfte aber durchaus ähnlich gelagert gewesen sein. Aus den materiellen Zuwendungen wurden Altarstiftungen der Bruderschaft in den Predigerklöstern unterhalten, so auch in Dortmund, wo das Fragment eines Retabels des Altars der Rosenkranzbruderschaft aus dem Jahr 1523 in der einstigen Dominikanerkirche erhalten ist. Der nicht erhaltene geschnitzte Teil des Rosenkranz‐ retabels von Wilhelm von Arborch aus Köln stammt nach Theodor Rensing aus dem Jahr 1519, die gemalten Flügel des Altars von Meister Hilgardus aus Köln.20 Theodor Rensing kannte, wohl wegen der Hängung der noch nicht gespaltenen Flügel nur vier gemalte Tafeln: Geburt Christi, Heilige Sippe, Marientod und Wurzel Jesse. Die Rückseiten dieser Tafeln, wie sie heute zu sehen sind, waren ihm offensichtlich noch nicht zugänglich. Die vier rückseitigen Bildfelder zeigen erstens die Verkündigung an Maria; zweitens Maria in einem Rosenkranz als Himmelskönigin auf der Mondsichel 18 Zu Rosenkranzbruderschaften an Niederlassungen des Predigerordens siehe anhand der Freiburger Rosenkranzbruderschaft Gerchow, ‚Bruderschaften im spätmittelalterlichen Freiburg i.Br.‘, hier S. 24-31 mit den Hinweisen auf weiterführende Literatur. 19 Vgl. ebd., S. 29. 20 Siehe Rensing, Das Dortmunder Dominikanerkloster, S. 239ff. Die erhaltenen Tafeln des Retabels haben die Maße je ca. 180 x 85 cm.
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Abb. 8.2: Ehemalige Dominikanerkirche, heute Propsteikirche Dortmund, Meister Hilgardus, Tafel vom ehemaligen Rosenkranzaltar, 1523: Maria beschützt Dominikus vor der Dortmunder Stadtsilhouette (© Foto: Rüdiger Glahs, Dortmund).
mit Kind, die dem Ordensgründer Dominikus den Rosenkranz überreicht. In den Ecken begleiten vier Ordensheilige diese Szene. Nach den Attributen handelt es sich um die Heiligen Katharina von Siena (rechts unten), darüber Thomas von Aquin, Pe trus Martyr (links oben) und darunter vermutlich Vinzenz Ferrer.21 Im dritten Bild beschützt Maria Dominikus, der einen Rosenkranz betend vor der Dortmunder Stadt silhouette dargestellt ist (Abb. 8.2; siehe dazu unten). Auf der vierten Tafel schließ lich sehen wir den predigenden Ordensgründer auf der Kanzel (Abb. 8.1).
21 Ich danke Isolde Parussel für die Identifizierung der Ordensheiligen.
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Am Dortmunder Predigerkloster gab es zudem eine Sakraments- und Kreuz-Bruderschaft, die erstmals 1482 Erwähnung findet.22 Als sozial offene Laienbruderschaft von Bürgern und Einwohnern hatte sie es sich auch zur Aufgabe gemacht, Arme als die Vertreter Christi auf Erden zu unterstützen; dafür wurde eine Almosenschüssel eingerichtet, die den Armen auf dem Kirchhof des Klosters mehrmals jährlich Unterstützung zukommen ließ. Die Bruderschaft unterhielt einen Altar, der ebenfalls mit einem Retabel geschmückt war, der aber verloren ist. Die Gottesdienste vor diesem Altar wurden zum Gedenken der Toten genutzt. Noch fragmentarischer sind die Nachrichten über eine dritte Bruderschaft, die sich die Klosterkirche der Dominikaner als Ort ihrer Gottesdienste gewählt hatte. 1516 findet die Jakobs- und Annenbruderschaft Erwähnung; vielleicht handelte es sich um eine Bruderschaft zur Unterstützung von Wallfahrern, doch muss dies eine Vermutung bleiben.23 Da unser Orden wegen der Predigt und des Seelenheils gegründet worden ist, müssen wir uns glühenden Eifers so dem Studium hingeben, dass wir auf wirksame Weise dem Heil der Menschen nützlich sein können, so heißt es im Prolog zu den Konstitutionen des Dominikanerordens.24 Predigt und Seelsorge in diesem Sinne sind verknüpft mit dem Studium, sie führen in der Selbstsicht des Ordens nachgerade zwangsläufig zur Wissenschaft, und sowohl die Predigt als auch die Wissenschaft sollten im Leben jedes Konventes verwirklicht werden – das wohl war das Neue und Faszinierende der Ordensgründung im Jahre 1216/1217. Viele Universitätsgründungen des Mittel‐ alters gehen auf das Studium der Dominikaner zurück, denken wir nur etwa an die Universitätsgründung von Köln im Jahre 1388, die aus dem Generalstudium der Dominikaner hervorgegangen war. Das Studium der Dominikaner hat im 14. und 15. Jahrhundert eine kaum zu überschätzende Ausstrahlung auch des Dortmunder Konventes bedeutet. Über die Predigttätigkeit und das Studium der Dortmunder Dominikaner wissen wir aus der dürftig erhaltenen Überlieferung jedoch nur wenig Konkretes oder ge‐ nauer sogar: so gut wie nichts. Nur aus den allgemeinen Verhältnissen können wir vergleichend begründete Vermutungen äußern. Roland Pieper hat bei der Analyse der Architektur der Klosterkirche zeigen können, dass die räumlich in den Chor für die Predigerbrüder und in den Laienraum geteilte Dominikanerkirche im unbestuhlten Hauptschiff vor allem auch als Predigtraum genutzt wurde. Der Haupteingang war im Mittelalter an der Nordseite – und genau gegenüber war im Süden die Predigtkanzel angebracht, die vom Kreuzgang aus zugänglich war. Der nördlich an die Klosterkirche zum Hellweg ausgerichtete kleine Platz (noch heute im Stadtbild gut erkennbar mit dem Namen ‚Mönchenwordt‘, im Mittelalter sicher noch etwas breiter) diente den Dominikanern – und dies hat Roland Pieper ebenfalls deutlich machen können – als Predigtplatz unter freiem Himmel.25
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Vgl. hierzu Rensing, Das Dortmunder Dominikanerkloster, S. 31. Siehe ebd., S. 32. Zitiert nach Frank, ‚Die Grundlegung des intellektuellen Profils des Predigerordens‘, S. 22. Siehe hierzu Pieper, ‚Von der Uneinheit des einheitlichen Raumes‘.
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Ob die Dominikaner – wie andernorts – zur Predigt außerhalb des Klosters zugelassen waren, wissen wir für Dortmund leider nicht, all dies können wir nur annehmen. Nur ausnahmsweise berichten die Chroniken von der Predigt der Predi‐ gerbrüder in den anderen Stadtkirchen. Einige Dortmunder Dominikaner jedenfalls erhielten den Titel eines Praedicator generalis, eines Generalpredigers des Ordens; Theodor Rensing konnte vor der Vernichtung von Archivalien im Zweiten Weltkrieg eine ganze Reihe solcher Predigermönche auflisten.26 Wie intensiv sich die Dominikaner als Teil des städtischen Lebens selbst betrach‐ teten, wird in einem auf den ersten Blick vielleicht gar nicht besonders erscheinenden Kontext deutlich. Wiederholt war das Dortmunder Kloster Tagungsort des Kapitels der sächsischen Provinz des Predigerordens, erstmals 1354.27 Anlass der Versamm‐ lung war die feierliche Weihe des Chores, des Hauptaltars sowie weiterer Altäre der Dortmunder Klosterkirche; darüber hinaus beschäftigte sich das Kapitel der Ordens‐ provinz wohl ausschließlich mit Ordensangelegenheiten. 1382 hielten sich wohl 250 Predigermönche vom 7. bis 9. September zu einem Provinzialkapitel in Dortmund auf.28 Die versammelten Predigerbrüder nutzten die Stadt für eine Prozession, bezo‐ gen die Stadt also in das Ereignis ein: Sie zogen nach der Komplet am Vorabend von Mariae Geburt (7. September) in einer Prozession über den Markt, um dort das Salve regina misericordiae zu singen. Am folgenden Tag, dem Tag Mariae Geburt (8. September), wiederholten sie die Prozession, zogen vom Predigerkloster zur Marien‐ kirche, um dort und bei der Rückkehr am Markt jeweils diese Antiphon zu singen. Am Tag darauf zogen die Dominikaner mit Sakrament und ihrem Reliquienschatz zur Reinoldikirche, um dort eine feierliche Marienmesse vor Bürgermeister und Rat sowie der Stadtbevölkerung zu begehen. Dafür erhielten die Predigerbrüder vom Stadtrat 24 Gulden für eine Mahlzeit (ad unam comestionem). Der Bericht endet mit der Bemerkung, dass sich zum Tag Mariae Geburt in der Stadt eine große Zahl Men‐ schen aufgehalten habe (fuit hic in civitate multitudo populi). Feierte man vielleicht die endgültige Versöhnung zwischen Kloster und Stadtgemeinde, hatte man vielleicht erst jetzt die Zwistigkeiten wirklich beendet? Dafür spricht, dass der Bericht über das Ereignis in einem städtischen Amtsbuch, dem großen Kopierbuch des Dortmunder Stadtrates, aufgezeichnet wurde. Johann Kerkhörde berichtet in seiner Chronik dann schließlich zum Jahr 1443 ganz nüchtern: Zum Tag Marie Geburt, einem Sonntag, tagte das Kapitel der Predi‐ germönche in Dortmund, und hijr weren 200 monnicke und gengen neine processio
26 Siehe die Liste der Prioren, Lektoren und Brüder bei Rensing, Das Dortmunder Dominikanerkloster, S. 125-207. 27 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 217. Die Chronik des Dominikanerklosters zu Dortmund, von Constantin Schulz OP 1706 nach einer Vorlage von Johann Crawinckel OP (um 1490) zusammengestellt, datiert die Versammlung irrig auf 1355 (Stadtarchiv Dortmund, Bestand 210 Hs. 1). Die Chronik wurde 1872 von Heinrich Volbert Sauerland transkribiert und der Abschrift eine Übersetzung beigegeben (Stadtarchiv Dortmund, Bestand 449/01 Nr. 14). Vergleich jedoch die in Dortmund auf dem Kapitel ausgestellte Urkunde des Provinzials, DUB, bearb. von Rübel, Band 1, Nr. 716. Nur eine kurze Mitteilung gibt auch: Des Dominicaners Jo. Nederhoff Cronica Tremoniensium, bearb. von Roese, S. 54. 28 Siehe hierzu den Bericht der Stadt, DUB, bearb. von Rübel, Band 2, Nr. 529. Die Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 246 erwähnt das Provinzialkapitel lediglich, die Chronik von Crawinckel/Schulz (siehe Fuẞnote 27) übergeht das Ereignis ebenso wie die Des Dominicaners Jo. Nederhoff Cronica Tremoniensium ganz.
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(„und hier waren 200 Mönche und gingen eine Prozession“).29 Dennoch hielt der Chronist die Kapitelsversammlung für erwähnenswert, die Predigerbrüderversamm‐ lung bereicherte im Verständnis des Chronisten offensichtlich das Leben der Stadt. Dass die Dominikaner nach den Wirren der Gründung seit der Mitte des 14. Jahr‐ hunderts in die Stadtgesellschaft integriert waren, das beweist auch die Schilderung des Besuchs Kaiser Karls IV. in der Reichsstadt 1377 in der Chronik des Dietrich Westhoff. Nach den Nonnen des Dortmunder Katharinenklosters, die den den Kaiser empfangenden Zug der Stadt vor den Toren anführten, folgten paarweise angeordnet die Franziskaner und die Predigerbrüder, die wie die Prämonstratenserinnen von St. Katherina je eine Reliquie trugen. Mit den Nonnen und Franziskanern waren die Dominikaner also offenbar zu einem integralen Bestandteil der Stadt und ihres Selbstverständnisses geworden.30 Vereinzelt waren Dominikaner auch im städtischen Auftrag auf Reisen, bezie‐ hungsweise übernahmen auf ihren Reisen Aufgaben für städtische Belange. In der Folge der Großen Fehde sollte etwa der Dominikaner Heinrich von Hamm von einem unbekannten Partner Schulden der Stadt eintreiben und diese für städtische Geschäfte in Deventer einsetzen.31 Er erhielt in unbekannter Mission auch ‚Zehrgeld‘ vom Stadtrat.32 Das Dortmunder Kloster gewährte der Stadt während der Großen Fehde 1388/1389 auch einen Kredit von immerhin 39 Gulden, die das Kloster 1411 der Stadt erließ.33 Das Dominikanerkloster diente auch für Verhandlungen als gleichsam neutraler Ort: 1402 erfolgte die Beurkundung einer Memorienstiftung am Kreuzaltar in der Dortmunder Nikolaikirche durch Johannes von Wale und Arnold Murmann, zwei reichen Patriziern und Ratsherren, im Refektorium der Predigerbrüder. Das Kloster also wird als besonderer Ort für eine Beurkundung gewählt; die Zeugen der Beurkun‐ dung sollten sich in besonderer Weise an den Akt der Beurkundung erinnern.34 1436 war das Refektorium des Klosters Ort der Verhandlung und Schlichtung eines Streits des Grafen von Dortmund mit den Reichsleuten um Mastrechte im Reichswald bei Dortmund, nachdem der Graf alle seine Schweine zur Eichelmast und auch wilde Pferde in den Forst getrieben hatte. Man einigte sich darauf, die Zahl der Schweine auf 30 zu beschränken, und die überzähligen einschließlich der wilden Pferde aus dem Forst zu treiben.35 Luise von Winterfeld hat in ihrem Buch über die Dortmunder WandschneiderGesellschaft aufgrund heute verlorener Überlieferung darauf hingewiesen, dass die Gilde ihre Zusammenkünfte bis ins 17. Jahrhundert hinein im Predigerkloster ge‐
29 Chronik des Johann Kerkhörde, bearb. von Franck und Hansen, S. 66. 30 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 231. Der Text ist abgedruckt und in modernes Deutsch übertragen, in: Städtische Repräsentation, hrsg. von Büttner, Schilp und Welzel [Verzeichnis Nr. 109], S. 155-166. 31 DUB, bearb. von Rübel, Band 2, Nr. 658e. 32 DUB, bearb. von Rübel, Band 2, Nr. 295, S. 324. 33 Rensing, Das Dortmunder Dominikanerkloster, S. 132 34 DUB, bearb. von Rübel, Band 3, Nr. 126. 35 Chronik des Johann Kerkhörde, bearb. von Franck und Hansen, S. 57f.
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halten hat.36 Wiederholt wird im Buch der Wandschneider-Gesellschaft auf den Tagungsort der Korporation im Dominikanerkloster hingewiesen. Es erschien der Wandschneider NN to swarten moneken by der gesellschop („bei den ‚schwarzen Mön‐ chen‘ [nach dem schwarzen Habit der Predigerbrüder – TS] bei der Gesellschaft“) oder eine Formulierung wie de wantsnyder geselschop verbotet to swarten moneken („die Wandschneidergesellschaft wurde in das Dominikanerkloster eingeladen“). Das sind typische Formulierungen, die das Kloster der Predigerbrüder als den regelmäßigen Versammlungsort der Wandschneider erkennen lassen. Wiederholt hat der Rat auch Vergleichsverhandlungen, vor allem mit dem Niederadel der Region, aber auch mit Handwerkern hierhin verlegt.37 Die fragmentarische Überlieferung lässt für unsere Fragestellung nur vage Kontu‐ ren erkennen, darauf musste ich schon einleitend hinweisen. Dennoch offenbaren die kargen schriftlichen Quellen zweierlei: Die Predigerbrüder verstanden sich selbst als Teil der Stadt, sie nutzten die städtischen Räume für ihre Aktivitäten und prägten so einen nicht unwesentlichen Teil der Stadtkultur des Mittelalters mit. Zugleich nahmen die Stadt und ihre Bewohner nach der verworrenen Geschichte der Grün‐ dung die Predigermönche als einen Teil ihrer selbst an, reklamierten die spirituelle Ausstrahlung der Dominikaner für das städtische Leben. Dass die Predigerbrüder ihre ‚Theologie der Stadt‘ im praktischen Leben der Stadt bewusst akzentuierten, wird auch in den beiden erhaltenen Retabeln der Klosterkirche evident. Es dürfte kein Zufall der Überlieferung sein, dass die ältesten erhaltenen Ansichten der Stadt Dortmund im Predigerkloster überliefert sind: auf dem Hochaltarretabel des Derick Baegert aus der Zeit um 1470 und auf dem Fragment des Retabels der Rosenkranz‐ bruderschaft von 1523. Ulrich Meier hat überzeugend zeigen können, dass die Ansicht der Stadt Dort‐ mund von Süden im Kontext der Heiligen Sippe auf dem linken Flügel des Hochal‐ tarretabels (Abb. 8.3) – folgen wir dem theologischen Konzept des Dominikaners Giordano da Pisa von Stadt – für die Stadt Nazareth stehen dürfte, in der sich Jesus gewöhnlich aufhielt; nach den Überlegungen von Ulrich Meier steht die Dortmunder Ansicht auf dem Retabel mithin für die „Stadt der Freude und des ewigen Lebens“. Nazareth deutet auf den Alltag der Heiligen und aller seligen Bürger, hier leben sie bei ihrer wahren Familie.38 Der Bezug auf Dortmund, das als bewehrte Stadt mit den die Silhouette beherrschenden Kirchen als sakrale Stadt dargestellt ist, formuliert in dominikanischer Sprache den Anspruch der realen Stadt Dortmund als heilige Stadt, stellt die Heilserwartung und Hoffnung für das Jenseits das irdische Leben in der städtischen Gemeinschaft in Bezug zum Leben in der heiligen Stadt. Doch auch in anderen Szenen des Hochaltar-Retabels bezieht Derick Baegert die bestehende Welt und die Sicht seiner Auftraggeber auf die Welt in die Darstellung
36 Von Winterfeld, Die Dortmunder Wandschneider-Gesellschaft, S. 35f. 37 Ebd., S. 35 Anm. 9. Sie weist auf das Dortmunder Gerichtsbuch 1558/1560 fol. 6r, 14r, 23r und 28v hin, das seit dem Zweiten Weltkrieg verloren ist. 38 Vgl. Meier, ‚Urbane Utopien‘.
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Abb. 8.3: Ehemalige Dominikanerkirche, heute Propsteikirche Dortmund, Derick Baegert, Hochaltarretabel, um 1470, Heilige Sippe, Ausschnitt mit der ältesten erhaltenen Ansicht der Stadt Dortmund (© Foto: Rüdiger Glahs, Dortmund).
des heilsgeschichtlichen Geschehens ein.39 Die zentrale Darstellung der Kreuzigung ist vor einer Stadtkulisse Jerusalems platziert (Abb. 8.4), die zum Teil nach konkreten Vorbildern der Region am Niederrhein und in Westfalen geformt ist, ohne jedoch eine wirkliche und konkrete Stadt der Region abbilden zu wollen. Der Maler kommt jedoch offenbar dem Willen der Auftraggeber nach und realisiert die gestellte Auf gabe, indem er die Jerusalem-Vorstellung auf die städtische Wirklichkeit der Zeit und der Region bezieht.40 Dabei strebt er aber kein bloßes Abbild an, sondern eine fiktive Zusammenstellung der heiligen Stadt aus unterschiedlichsten Architekturen. Damit wird das Geschehen des Kreuzestodes Christi als Erlösung der Christenheit bezogen auf die eigene Lebenswelt einer gegenwärtigen Stadt und damit den eigenen Lebens raum. Der prägende Rundkuppelbau der Jerusalemer Grabeskirche Christi, während des Mittelalters allen Menschen als das Symbol des irdischen wie des Himmlischen Jerusalems vertraut, wird in zeitgemäßen gotischen Architekturformen gestaltet. Türme, Häuser, Burgen der heiligen Stadt werden in die Natur und die kulturelle To pographie der Region versetzt. In einer Szene des geschlossenen linken Flügels des Retabels von Derick Baegert ist Christus als Salvator mundi („Erlöser der Welt“) zu sehen. Als Weltenherrscher 39 Vgl. Ferne Welten – Freie Stadt., hrsg. von Ohm, Schilp und Welzel [Verzeichnis Nr. 116], Kat. 86*, S. 187-190 (Martin W. Roelen, Petra Marx und Barbara Welzel). Siehe auch Welzel, ‚Memoria und bildende Kunst‘; Marx, ‚Das Hochaltarretabel des Derick Baegert‘. Zur Darstellung städtischer Architektur aus einer anders gewählten Blickrichtung, siehe Büttner, ‚Wo Dortmund liegt‘. 40 Zum Leitbild der Jerusalemvorstellungen für die Städte des Mittelalters siehe Ehbrecht, ‚Jerusalem‘, mit der weiterführenden Literatur. Für Dortmund vgl. Schilp, ‚Sakrale Topographie im mittelalterlichen Dortmund‘ [hier Aufsatz 6].
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Abb. 8.4: Ehemalige Dominikanerkirche, heute Propsteikirche Dortmund, Derick Baegert, Hochaltarretabel, um 1470, Kreuzigung, Ausschnitt mit der Ansicht Jerusalems (© Foto: Rüdiger Glahs, Dortmund).
ruht der rechte Fuß Christi auf der Weltkugel, die ein Stadtbild von Jerusalem spie gelt, ein Bild also des himmlischen Jerusalems und des Kosmos (Abb. 8.5).41 Der Maler hat hier die Welt der Menschen als Stadtdarstellung in das Zentrum gestellt. Die Welt ist umgeben vom Weltmeer, das von typischen Handelsschiffen des ausgehenden 15. Jahrhunderts befahren wird. Mauern, offene Tore und Türme sichern diese Stadt gemäß der Vorstellung von der himmlischen Stadt. Hinter den Mauern wird die Stadtgestalt von hoch aufragenden Türmen der Gotteshäuser geprägt. Einige Giebel vornehmer Häuser verschwinden fast. In die Szenerie der hügeligen Landschaft hinter der Fiktion einer als Hansestadt konstruierten Stadt sind weitere Städte und Burgen gestellt. Die Weltkugel ist in der bildlichen Umsetzung von Derick Baegert als ein städtischer Kosmos gedeutet, als ein Kosmos, im dem sich die Weltdeutungen der Predigerbrüder ebenso wie die der Städter auffinden lassen. Das Spruchband der vor Christus knienden Stifterfigur im dominikanischen
41 Siehe zu einer Makroaufahme Die Dortmunder Dominikaner, hrsg. von Schilp und Welzel [Verzeichnis Nr. 125], Tafel 17.
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Habit trägt die Aufschrift: Salvator mundi miserere nobis („Erlöser der Welt, erbarme dich unser“). Die Aufschrift bezieht dem gemäß nicht nur die Predigerbrüder des Dortmunder Konventes, sondern auch die Bewohner der Hansestadt Dortmund in das Geschehen ein (Abb. 8.5). Die spirituelle Deutung von der Lebenswelt Stadt wird auch in der zweitältesten Stadtansicht deutlich, die in einer konkreten, auf Dortmund bezogenen Szene auf einer Tafel des Fragments des Rosenkranzaltar-Retabels aus dem Jahre 1523 zu sehen ist (Abb. 8.2).42 Die Dortmunder Stadtsilhouette aus südlicher Blickrichtung zeigt die Stadt, wohl mit dem Rathaus, das am typischen Treppengiebel erkennbar ist, und mit den Türmen von Reinoldi- und Marienkirche. Dominikus, dargestellt unter dem Schutzmantel Mariens, galt als wichtiger Fürbitter gegen die Pest. Der Ordensgründer ist durch Habit und den Hund zu seiner Rechten, der eine Fackel im Maul hält, eindeutig kenntlich gemacht. Dominikus betet kniend einen Rosenkranz vor der schützenden Maria, die Patronin des Predigerordens ist. Ein Engel trägt den Rosenkranz gen Himmel, das Gebet des Rosenkranzes wirkt so gegen den strafenden, unheilbringenden Pestengel, der versucht, drei Pfeile auf Dortmund abzuschießen: Krieg, Hunger/Missernte und Pest/Seuche/Krankheit. Die Szene ist auf konkrete historische Situationen Dortmunds bezogen. Die Pest – oder eine andere Seuche, die Dortmund gerade 1519/1520 wieder heimgesucht hatte – war ebenso reale Gefahr des städtischen Lebens wie Krieg und Hunger.43 Dominikus greift als Fürbitter für die Stadt Dortmund ein und ein Engel trägt das Symbol des Rosenkranzes gegen die Pest. Das Bild des Rosenkranz-Retabels also ist auf eine historische Situation der Dortmunder Stadtgeschichte bezogen: die Predigermönche waren integraler Teil der Stadt. Die Stadtkultur des Dortmunder Spätmittelalters ist ohne ihr Wirken nicht zu verstehen.
42 Zur Deutung dieser Tafel siehe Westfälisches Ruhrgebiet. Band 9, bearb. von Schmitt unter Mitarbeit von Schuchert, S. 116; Ferne Welten – Freie Stadt., hrsg. von Ohm, Schilp und Welzel [Verzeichnis Nr. 116], Kat. 183*, S. 271ff. (Barbara Welzel). 43 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 407. Zur Seuchenproblematik im spätmittelalterlichen Dortmund siehe Jankrift, ‚Der apokalyptische Reiter in Dortmund‘.
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Abb. 8.5: Ehemalige Dominikanerkirche, heute Propsteikirche Dortmund, Derick Baegert, Hochaltarretabel, um 1470, linker Außenflügel, Ausschnitt mit dem Stifterbildnis und der Darstellung der Welt als städtischem Kosmos unter dem Fuß des Salvators (© Foto: Rüdiger Glahs, Dortmund).
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Zunft und Memoria* Überlegungen zur Selbstdeutung von Zünften im mittelalterlichen Westfalen Am 5. März 1489 bestätigen Bürgermeister und Rat der Stadt Münster eine Memori‐ enstiftung eines verstorbenen Lübecker Bürgers an der Lambertikirche in Münster.1 Der dispositive Teil der Urkunde formuliert die folgenden vier Bestimmungen: Jeden Donnerstag sollte morgens für das Gedächtnis der Seelen des verstorbenen Bürgers und seiner Angehörigen eine Messe gelesen und nach der Vesper das Responsorium Dicubit Jesus mit feierlicher Orgelbegleitung gesungen werden. Die betreffende Stif‐ tungsurkunde war zur Bewahrung bei der Gilde der Wandschneider in Münster hin‐ terlegt worden, die auch die Einhaltung der Memoria des Verstorbenen kontrollieren soll. Dafür hatte die Gilde vom Verstorbenen 80 Gulden erhalten, die eine Rente von 4 Gulden erbringen, damit die Memoria auch eingehalten wird. Schließlich wird in der Urkunde bestätigt, dass die Wandschneider den verstorbenen Lübecker Bürger in ere broderschap sollen nemen gelick und alzo, oft he in sinen levene ere medegildebroder gewest were, und eme jarlix mit vigilien und zeilemisse gelick eren anderen verstorvenen gildebroderen to begaen unde vor eme to bidden to ewigen tiden sunder alle versumenisse. Der verstorbene Lübecker Bürger, der sicher einer Münsterschen Familie ent‐ stammte, wurde also nach seinem Tode zu einem vollwertigen Mitglied der Bru‐ derschaft der Wandschneider-Gilde in Münster ernannt. Dies mutet den heutigen Menschen mit seiner modernen Auffassung über das Verhältnis von Leben und Tod auf den ersten Blick sicherlich seltsam an; auf den Zusammenhang wird wiederholt zurückzukommen sein. Blickrichtung der Analyse ist im Folgenden die genossenschaftliche Organisation von gewerblichen Gruppen im Hinblick auf die Innensicht der Zunft, auf Elemente des Selbstverständnisses und in der Folge deren Deutung durch den Historiker. Diese Dimensionen ergeben sich aus der Analyse der Memoria der Zunft. Bezüge der Zunft im innerstädtischen Kontext, die in keiner Weise bestritten werden sollen,
* Erstpublikation in: Zunftlandschaften in Deutschland und den Niederlanden im Vergleich, Kolloquium der Historischen Kommission für Westfalen am 6. und 7. November 1997 auf Haus Welbergen. Schriften der Historischen Kommission für Westfalen 17, hrsg. von Wilfried Reininghaus (Münster: Aschendorff, 2000), S. 107-120 [Verzeichnis Nr. 63]. 1 Siehe ausführlich zum Thema: Schilp, ‚Stadtkultur im spätmittelalterlichen Dortmund‘ [Verzeichnis Nr. 72; hier Aufsatz 5]. Siehe auch Krumbholtz, Die Gewerbe der Stadt Münster bis zum Jahre 1661, S. 210-211. Stadtgesellschaft und Memoria, ed. by Arnoud-Jan Bijsterveld, Meta Niederkorn & Annemarie Stauffer, Memoria and Remembrance practices, 3 (Turnhout: Brepols, 2023), pp. 235–248 10.1484/M.MEMO-EB.5.132326
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werden aufgrund der gewählten Blickrichtung nur thematisiert, wenn sie sich aus der Analyse des gewählten Aspekts der Genossenschaft selbst ergeben, z.B. wenn das lit urgische Handeln, das Totengedenken die Bühnen der städtischen Öffentlichkeit be tritt. Es geht im Folgenden also nicht um eine Diskussion der gemeindlichen, kom munalen Ordnung des ausgehendenden Spätmittelalters und der beginnenden Neu zeit, die die Zünfte in ein Netzwerk sich überschneidender Beziehungen einband. Ge meindliche Ordnungsmodelle stellen einen anderen Gegenstand der Betrachtung dar. Deren Analyse würde von der hier vorgenommenen Analyse mittelalterlicher Quellen wegführen und einen neuen, zweifellos interessanten Aspekt eröffnen.2 Die Fragestellungen und der Blickwinkel der Überlegungen können anhand dieses Beispiels näher erläutert werden. Über das Memorialwesen der Zünfte soll nicht in dem Sinne gehandelt werden, dass religiöse Aspekte zu den Merkmalen einer Zunft des Spätmittelalters gehörten; dies kann als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Es soll vielmehr um Ansatzpunkte der Bewertung und der Interpretation der Memoria, des Gebetsgedenkens, der Deutung von Tod und Jenseits für das Leben einer mittelalterlichen Zunft, ihrer Selbstsicht und ihr Selbstverständnis gehen. Die Fragestellung des Beitrags berührt also – und dies bleibt zu berücksichtigen – nur einen Aspekt, nur eine Dimension des Lebens von Handwerkern und Gewerbetrei‐ benden in Genossenschaften des spätmittelalterlichen Westfalens. Ausgangspunkt dieser Untersuchungen waren zunächst erste Forschungen und erste Ergebnisse im Rahmen eines Projektes des Stadtarchivs Dortmund zur Jen‐ seitsvorsorge der spätmittelalterlichen Stadtgesellschaft, die für die Zunftforschung fruchtbar gemacht werden können. Im Rahmen des Projekts wurden auch zwei Dortmunder Zunft-Statutenbücher untersucht. Das erste ist ein Buch der Wollweber des 15. Jahrhunderts (Abb. 9.1).3 Vor allem gibt es aber das Buch der Goldschmiede, zusammengestellt in den vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts, jedoch auf älteren Vorlagen basierend (Abb. 9.2).4 Leider ist das Statutenbuch der Goldschmiede nur als Fragment überliefert. Es enthält jedoch für unsere Fragestellung wichtige Passagen, so dass sich die Überlegungen im Folgenden auf die Statuen der Dortmun‐ der Goldschmiede konzentrieren können. Im Vordergrund des Beitrags sollen eher theoretische und methodische Fragen stehen als bloße Aufzählung oder Aneinander‐ reihung von Belegstellen zur Totenmemoria in den westfälischen Zünften. Ganz aus dem Blickwinkel der Moderne wird das religiöse Leben des Spätmittelal‐ ters, auch das der Zunft, noch immer häufig als Teilbereich der ‚Volksfrömmigkeit‘ vor der Reformation betrachtet. Hierbei ist der Begriff der Volksfrömmigkeit diskus‐ sionswürdig, er fasst die religiösen Aspekte zünftischen Lebens als Ziel einer ganz allgemeinen Erscheinung.5 Die Spiritualität der Zunft erscheint von hier aus leicht als bloßes Beiwerk, als Zutat, ja als ‚Freizeitbereich‘, der getrennt von dem Bereich 2 Zur Diskussion dieser Fragestellungen sei auf den Sammelband: Theorien kommunaler Ordnung in Europa, hrsg. von Blickle, verwiesen, hier insbesondere Oexle, ‚Gilde und Kommune‘. 3 Stadtarchiv Dortmund, Bestand 202 Nr. X 6; Edition nach Abschrift der Statuten im Stadtarchiv Unna von Lüdicke, ‚Die Statuten der Wollweber zu Dortmund‘. 4 Stadtarchiv Dortmund, Bestand 202 Nr. X 10. 5 Gerchow, ‚Volksreligion, Massenreligiosität oder Laienfrömmigkeit im Spätmittelalter?‘.
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Abb. 9.1: Statutenbuch der Dortmunder Wollweberzunft, 15. Jahrhundert, Stadtarchiv Dortmund, Bestand 202 Nr. X 6 (© Stadtarchiv Dortmund).
Abb. 9.2: Statutenbuch der Dortmunder Zunft der Goldschmiede, 16. Jahrhundert, Stadtarchiv Dortmund, Bestand 202 Nr. X 10 (© Stadtarchiv Dortmund).
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der Arbeit existiert. Andererseits wurde und wird die religiöse Bruderschaft, die wir seit dem Frühmittelalter kennen, zu Recht als eine Vorstufe der handwerklichen Or ganisationsform Zunft in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht betrachtet.6 Man wird diesem Blickwinkel letztlich nicht die Berechtigung absprechen können, doch fehlt der Analyse häufig ein verbindendes Glied zwischen der Religiosität des Zunftlebens des Spätmittelalters und der wirtschaftlichen beziehungsweise sozialen Ausrichtung der Organisation einer Gruppe Gewerbetreibender. Eine Durchdringung der Proble matik erscheint von zwei Seiten aus möglich, die ich thesenhaft formulieren möchte. Erstens: Vielleicht orientieren wir uns bei der Untersuchung mittelalterlicher Wirklichkeit auch häufig und noch immer viel zu sehr an modernen Schichtmodellen, indem wir versuchen, sie auf die Wirklichkeit des Mittelalters zu übertragen (Adel, Bauer, Klerus, Ritter, Bürger). Es ist wohl plausibler und richtiger, die mittelalterliche Gesellschaft als ein „Gefüge einander über- und untergeordneter, in sich relativ geschlossener Kleinverbände„ zu fassen, wie es schon Michael Mitterauer 1977 gera‐ dezu programmatisch formuliert hat.7 Das gilt vorzugsweise auch für die städtische Gesellschaft, bei aller Berechtigung der Analyse sozialer Schichtungen gerade in der spätmittelalterlichen Stadt.8 In ihrer Vielfalt bildeten diese ‚Kleinverbände‘, wenn wir bei der Stadt als einem Mikrokosmos mittelalterlicher Realität bleiben, durchaus eine komplexe Einheit in der Kommune. Wir sollten und können die Zunft von hier aus betrachtet in einem ersten Schritt analytisch isolieren und durchaus als eine soziale Gruppe innerhalb des Sozialgefüges der Stadt und zunächst als eine Korporation für sich untersuchen. Zweitens: die Wirklichkeit des Mittelalters bedeutet, dass religiöse Phänomene immer auch ökonomische und soziale sind. Umgekehrt heißt dies – und das wird im Folgenden für die Zunft zu zeigen versucht –, dass soziale und wirtschaftliche Erscheinungen des Mittelalters eigentlich immer auch einen religiösen Charakter, eine spirituelle Dimension haben. Das moderne Denken räumt dem Bereich der Wirtschaft in der Regel ein Primat, eine vorrangige und grundlegende Bedeutung zu. Diese Bedeutung sollte nicht unhinterfragt auf das Mittelalter bezogen werden, da die Blickrichtung sonst bereits zu einem großen Teil die Ergebnisse der Forschung bestimmen würden. Die Religiosität des Mittelalters ist mehr als eine Zutat zur Reali‐ tät – sie ist in diesem Sinne wesentlicher Bestandteil der mittelalterlichen Lebenswelt
6 Reininghaus, Die Entstehung der Gesellengilden im Spätmittelalter, S. 108ff. 7 Mitterauer, ‚Probleme der Stratifikation‘, S. 54. Bei der Rekonstruktion der sozialen Wirklichkeit ist den mittelalterlichen Verhältnissen demnach eine generelle Vertikalgliederung in Schichten oder Klassen allein nicht angemessen. 8 Mitterauer, ‚Probleme der Stratifikation‘ hat nachgewiesen, dass der Bezug soziologischer Schichtmodelle auf die mittelalterliche Gesellschaft nur „in sehr beschränktem Rahmen“ (ebd., S. 41) möglich ist. Allenfalls für die Gemeindebildungen, deren wichtigste die Stadt darstellt, ist von einer geschichteten Sozialstruktur auszugehen. Die Bürger standen untereinander in keinem herrschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis, ihr Verhältnis untereinander kann auch durch Rangabstufungen charakterisiert werden. Charakteristische Kennzeichen der Stadt sind aber auch zahlreiche „genossenschaftliche Bildungen als soziale Teilsysteme“ (ebd., S. 40), die die sozialen Schichtungen innerhalb der Stadtgemeinde auch durchbrechen können. In ähnlichem Sinne siehe zuletzt auch Oexle, ‚Gilde und Kommune‘, S. 93f. Auch Schilp, ‚mit groter broderlicher und truwelicher eindracht‘ [Verzeichnis Nr. 104; hier Aufsatz 2].
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und daher der Deutung dieser Lebenswelt durch das Mittelalter selbst. In unserer Interpretation des Mittelalters dürfen wir die nicht außer Acht lassen. Die These lautet also: Das Selbstverständnis der mittelalterlichen Zunft hat eine ganz wesentli‐ che religiös-spirituelle Ausrichtung; die Zunft ist ohne diese Spiritualität gar nicht denkbar. Zu erforschen sind von diesen beiden Thesen aus die sozialen Gruppen der mittelalterlichen Stadt, zu denen zweifellos die Zünfte gehören. Zu fragen ist von hier aus aber auch, wie sich diese Gruppen selbst sahen, welche Auffassungen sie über sich bildeten, wie sie sich letztlich selbst definierten. Von großer Bedeutung für die sozialgeschichtlichen Forschungen ist nicht nur die bloße Existenz der Zunft, ihre Gründung, ihre Geschichte, ihre Bedeutung, ihre Organisation des Wirtschaftslebens und ihre soziale Aufgabe. Von Bedeutung sollte meines Erachtens auch sein: Welche Vorstellungen der Zunft über sich selbst als Gruppe können wir ausmachen, obwohl die mittelalterliche Zunft, und dies muss nachdrücklich betont werden, kaum eine Überlieferung mit direkten Aussagen zur Frage der Selbstsicht hinterlassen hat. Es geht im Folgenden um Denk- und Deutungsschemata der Zunft, mit denen die gesellschaftliche Wirklichkeit des Mittelalters erfasst werden sollte; Gegenstand des Beitrages ist also die Selbstdeutung der Handwerker, die in einer Gruppe, der Zunft zusammengeschlossen waren und hier kommt dem Memorialwesen eine herausgeho‐ bene Bedeutung zu.9 Zunächst ist auffällig, dass für viele Zünfte des Mittelalters zwar eine sakralspirituelle Ausrichtung des alltäglichen Lebens in der Gemeinschaft anzunehmen ist, die schriftliche Überlieferung aber häufig hierzu schweigt oder nur Andeutungen vermittelt. Allein zu argumentieren, die spirituelle Ausrichtung der Zunft sei im Mittelalter gleichsam eine Selbstverständlichkeit, reicht nicht hin, denn eine solche Annahme schlösse allein aus dem Allgemeinen. Die Andeutung der Quellen sollten wir jedoch ernst nehmen und genauer befragen, sie nicht allein damit abtun, das Mit‐ telalter sei eben wesentlich religiöser geprägt gewesen als die Moderne. Im Folgenden möchte ich zwei Bereiche solcher Andeutungen näher untersuchen. Zum einen ist zu beachten, dass Zünfte sich sozusagen als Sondergemeinden in Anlehnung an eine Kirche bildeten und sich auch als solche Sondergemeinden verstanden. Zünfte verehrten nicht nur einen besonderen Heiligen, sie unterstellten sich auch regelrecht dem Schutz des Heiligen. Dies bedeutete im Mittelalter wohl mehr als es der moderne christliche Glaube praktiziert: Mit dem Heiligen schloss die Zunft des Mittelalters nämlich als Korporation sozusagen einen Vertrag und dieser Vertrag ist ein ganz wesentliches Element der Konstitution der sozialen Gruppe. Die Breckerfelder Bäcker z.B. verstanden ihre Gilde bei der Gründung 1464 als eine solche Sondergemeinde und widmeten ihre Korporation der Ehre der Dreifaltigkeit und St. Jakobus, dem Patron der Breckerfelder Pfarrkirche.10 Ähnlich hatten die
9 Die Erforschung der Memoria des Mittelalters bezieht sich, wie Otto Gerhard Oexle es in Anlehnung an Marcel Mauss formuliert hat, auf ein „totales gesellschaftliches Phänomen“. Siehe Oexle, ‚Memoria und Memorialbild‘, S. 394. 10 Reininghaus, Zünfte, Städte und Staat in der Grafschaft Mark, S. 46 und S. 86.
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Breckerfelder Stahlschmiede ihre Gilde schon früher zu Ehren der Dreifaltigkeit gegründet und St. Jakobus gewidmet beziehungsweise unterstellt.11 Durch die beson‐ dere Form der Verehrung des Ortsheiligen erfuhren die Zunftmitglieder offenbar ihre Identität als Sondergruppe innerhalb der Stadtgemeinde. An der Pfarrkirche unterhielten sie Kerzen zum Gedenken an die toten und lebenden Mitglieder der Zunft; die Schmiede durften sogar einmal jährlich eine Messe in der Stadtkirche feiern. Es ist zudem bekannt, dass die Zünfte liturgisches Gerät unterhielten, eine Sonderstellung im Rahmen der städtischen Prozessionen einnahmen usw.12 Allein diese und ähnliche Andeutungen in der oft kargen Überlieferung lassen erkennen, dass die Zunft ganz wesentlich auch von diesem sakral-spirituellen Leben geprägt gewesen sein muss. In Dortmund wissen wir von einer Korporation der Schuhmachergesellen nur aus einer Notiz zum Jahre 1385. Die Chronik meldet: Dis jaers hebn ouch die schomecker knechte ire broderschap to der eer gots, Unser lieven Vrouwen und sent Johanns Baptisten angevangen… und derhalven 2 lechte to Sanct Reinoldi angenommen staen to halden…13 Die Gesellen hatten sich also verpflichtet, für das Seelenheil aller lebenden und toten Mitglieder zwei Kerzen in der Reinoldikirche brennen zu lassen: Den Aufwand für die Jenseitsvorsorge verteilten sie solidarisch auf alle Mitglieder. Diese wird damit zur kollektiven ‚Vorsorgeversicherung‘ für die Zeit nach dem Tode auf dem Weg zum ewigen Heil; es wird noch zu fragen sein, ob weitergehende Schlüsse möglich sind. Die Gesellen gelobten auch, im Falle der Krankheit eines Bruderschaftsmitglieds eine Unterstützung zu gewähren. Dem Chronisten waren jedenfalls die in der Reinoldikir‐ che brennenden Kerzen wichtig – der Charakter der Korporation als Bruderschaft stand offensichtlich ganz im Vordergrund der Bemühungen und auch dem Chroni‐ sten erschien der spirituelle Aspekt als das Wesentliche. Es sind im westfälischen Raum auch Fälle überliefert, welche die Bedeutung der liturgisch-spirituellen Aktivitäten für die Konstituierung und die Identität einer Handwerker-Gruppe sozusagen in der Form einer Negation belegen. In Soest etwa bestreitet die Zunft der Wollweber 1525 den Gesellen das Recht, Kerzen zur Ehre Gottes zu unterhalten – sowohl, der Ehre Gottes als auch der Stadt Soest tue dies Abbruch. Wir wissen über den Anlass dieses Streites sonst nichts, nur dass Bürgermei‐ ster, Rat, Ämter und Gemeinheit zu Soest 1532 in einer Ordnung regeln, dass die Bruderschaften innerhalb des Wollweberamts unverändert bei ihrem Herkommen verbleiben sollen.14 Offensichtlich hatte die Zunft der Wollweber die Korporation der Gesellen an einer sehr empfindlichen Stelle treffen und ihre Konstitution als soziale Gruppe durch die Zerstörung der spirituellen Ausformungen rückgängig machen wollen.15
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Ebd., S. 89. Siehe hierzu ebd., S. 48. Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 248. Reininghaus, Zünfte, Städte und Staat in der Grafschaft Mark. Zur Auseinandersetzung von Zunft und Gesellengilde, die sich häufig an der Sorge um die Totenmemoria der Gesellen entzündete, siehe Reininghaus, Die Entstehung der Gesellengilden im Spätmittelalter, S. 65ff.; zu den religiös-spirituellen Aspekten der Gesellengilde vergleiche ebd., S. 108ff.
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Als zweite Andeutung in der zünftischen Überlieferung des Mittelalters möchte ich die Zahlung von Wachs – sei es als Aufnahmegeld, sei es aber auch als Strafgeld – an die Zunftkasse anführen, die weit verbreitet war und von der Forschung immer wieder festgehalten worden ist.16 Das Wachs war in der Regel für die Kerzen in der Kirche bestimmt, auf die sich die Zunft bezog und in der die Zunft ihr spirituellsakrales Zentrum sah. Die Kerze – wie wir schon am Beispiel der Dortmunder Schuh‐ macherknechte sehen konnten – dienten der Vergegenwärtigung der Toten durch die lebenden Zunftmitglieder im Gotteshaus, an der heiligen Stätte der Korporation. Wachszahlungen der Zunftgenossen an die Zunftkasse begegnen daher in den mei‐ sten Statuten und sonstigen schriftlichen Aufzeichnungen mittelalterlicher Zünfte; dies lässt die sakralen und liturgischen Bezüge in ihrer fundamentalen Bedeutung für die Genossenschaft, wenn nicht deutlich erkennen, so zumindest aber erahnen. Die Breckerfelder Bäcker regeln 1464 z.B., dass ein Geselle bei Annahme durch einen Meister unter anderem 1 Pfund Wachs für die Kerzen der Gilde zu zahlen hat; ein Bäckersohn, der Mitglied der Gilde und Bürger werden will, wohl ebenfalls unter anderem 1 Pfund Wachs für die Kerzen der Gilde zahlen soll. Wird ein Bürger oder ein Geselle Mitglied der Gilde, so gibt er u.a. zwei Pfund Wachs für die Gildekerzen.17 Ähnliche Bestimmungen enthalten die Statuten der Dortmunder Wollweber aus dem Jahr 1472: Item welck mester eynen leerknecht annemet, dey sal dem ampte geven eyn punt wasses und eynen gulden und den knechten eyn halff punt wasses to eren lechte.18 Ein Meister nimmt einen Lehrling auf und zahlt dabei ein Pfund Wachs und 1 Gulden und den Gesellen ½ Pfund Wachs, damit sie ihre Kerze unterhalten können. Weitere Statuten schreiben Wachszahlungen vor, so heißt es 1519 bei der Regelung der Lehrlingsaufnahme, der Lehrling habe das Pfund Wachs vor seiner Annahme zu entrichten. Auch als Strafgeld begegnen bei den Dortmunder Wollwebern vereinzelt Wachszahlungen. Die Unterhaltung einer Kerze in einer Kirche erscheint als ein wesentliches Element der Konstituierung der Zunft im Rahmen der städtischen Gesellschaft, nach außen stellte man sich im sakralen Kontext als soziale Gruppe dar. Die Genossenschaft wird nachgerade mit der Kerze identifiziert. Einen direkten Bezug zur Liturgie und Memoria stellen die Statuten der Soester Leineweber aus dem Jahre 1480 her.19 Zum Jahrmarkt werden die Kerzen der Zunft aufgestellt; die Männer der Zunft halten zunächst eine feierliche Mahlzeit und sollen dann der Kerze in die Kirche folgen. Erwähnt werden hier auch – dies sei nur am Rande angemerkt – Wachszahlungen wie in den bereits angeführten Beispielen. Im Folgenden sollen ausführlich einige Artikel der Statuten der Dortmunder Goldschmiede vorgestellt und interpretiert werden. Sie stehen vielleicht für eine ähnliche Praxis in anderen Zünften, selbst wenn wir davon ausgehen müssen, dass die Zunft der hochqualifizierten und in der Regel wohlhabenden Goldschmiede im Ausmaß des Totengedenkens in der Dortmunder Stadtgesellschaft eine Ausnahme 16 Siehe etwa Isenmann, Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, S. 308. 17 Ebd., S. 86f. 18 Vergleiche Lüdicke, ‚Statuten der Wollweber zu Dortmund‘, S. 18. Zur Zusammenstellung weiterer Belege aus den Statuten der Wollweber vergleiche Kleimann, ‚Die soziale Gruppe der Handwerker‘. 19 Vergleiche Reininghaus, Zünfte, Städte und Staat in der Grafschaft Mark, S. 232.
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darstellen dürfte. Es mag zudem sein, dass der Anlass der Aufzeichnung in der Form der Statuten um das Jahr 1540 auf Auseinandersetzungen innerhalb der Zunft in Rah‐ men der beginnenden Reformation in Dortmund gesucht werden muss. Die Zunft‐ mitglieder hätten sich in diesem Fall mit der schriftlichen Fixierung der spirituellsakralen Tradition in einer Zeit der Krise eine Selbstvergewisserung verschafft. Selbst wenn die Statuten hauptsächlich die wirtschaftlichen, rechtlichen und sozialen Be‐ lange des Zunftlebens betreffen, Belange also, um die leicht Streit entstand, sind die Statuten als Selbstzeugnis der Dortmunder Goldschmiedezunft zu bewerten.20 Eine Transkription einiger zentraler Textpassagen ist voranzustellen; sie erteilen Aufschluss über die Verwendung der Wachsgelder und gewähren genauere Einblicke in das spirituell-liturgische Leben der Zunft.21 S. 30: Item up unser lieven vrowen dagh, wanner dat man den richtman kueset, soe sall eyn juwelick gildebroder, dey unser gilde volchafftich is, suster und broider, komen und brenghen er wasgelt bii voirlues erer gilde. S. 31: Item wanner dat eymant stervet, die in unser gilde is, in wat kerspell dat yt sii, dar sall eyn juwelick gildebroder, die unser gilde volchafftich is, suster offte broder, komen und brengen da er offer yn godes huse; wer des nicht eyndede, syn broke is 6 pfennig. Item des mandages nae brekermysse, wanner dat men begenchnysse doit in unser leyver vrowen kercken vor die broideren unde susteren, dey in unsere gilde gestorven synt, so sallen eyn juweligh gildeborder, beyde suster und broider, komen und brenghen dar er offer; wey des nicht eyndede, syn brocke is 6 pfennig. S. 32f.: Item in den jaren, so men schreyff 1490 siit die vorgenger mit wyllen erer gilde eyndrechtlichen eyns geworden miit den kerckmeysteren tho unser lieven vrowen, dat sie solt laten lueden mit den groiten klocken des mandages tho brekelermysse, wanner men brodere und susteren beget der gilde, darvan sall men geven den kerckmeisteren op dey loinkiste to der tydt 2 ½ schilling und dat sall men nehmen van dem wasgelde, und dat stede tho halden to godes love. Item die pastor sall halden vigilie und seylemyssen mit all synen vicarien, dar van sall men en geven 2 ½ schilling op dey tiid van dem wasgelde. Item dem cappelaen sall men geven 12 pfennig, dat hie bidde vor brodere und sustere der gilde. Item die koester sall heben 8 pfennig, dat hie die lechte vorware. Item die scholemester sall hebben 3 pfennig, dat hie die seylemysse singhe op den mandach tho brekelmysse. Item des alden vorgengers vrowe sall offeren 6 pfennig, dey soelt er dey wasscheffer dovn. S. 37f.: Item unse beerscheffer stellet up dat loyhus, wanner wy eyn vull gildebeer heben tegen unser lieven vrauwen avent, achte tunnen beers, dar pleget unser vorgenger die gemeynen hop, beide man und vrowen, by laten vorboden und alle die genne, die unser
20 Siehe hierzu Oexle, ‚Die mittelalterlichen Gilden‘, S. 303ff. 21 Stadtarchiv Dortmund, Bestand 202 Nr. X 10, die Angaben der Seite entspricht der modernen Paginierung der Vorlage. Vergleiche hierzu auch schon Kleimann, ‚Die soziale Gruppe der Handwerker‘, S. 75ff. Im Folgenden ist auf die transkribierten Statuten durch Angabe der Seite in runden Klammern verwiesen.
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gilde volchafftich syn, dat syn goltsmede odder kannengeiter und swertfeger, dat die mans syn op dem kerckhove tho veir uren und helpen dat geloichte holen up dat loyhus; unde van den vrowen, dey dat gylde gedient heben mit eren foelen, dat gelochte in dey kercken tho brengen, als dat beer halff uiit gedruncken is, so gat unse vorgengere aen dey taffell, staen und kloppen op, dar sii eyn gildebeer gebruwet yn er unser lieven vrowen, dat sey sitten und dryncken men sals en genoich schenken, dan gaen sie ock to den goltsmeden op dat wynhus unde seggen en ock so under unse schenkken moeten eynen schenken stellen vor dey goldsmede und dey beerscheffer eynen bekker den goltsmeden und eynen becker vor unser gilde und oick kruiit vor dey genne, dey dat gilde gedeynt heben nae alder gewonte, dat stellet dey wasscheffer vor die genne, die dat gilde gedient heben. Item wanner dat man dat geloichte holt, soe gaet veir schenken und dreget die staellechte, die ander veir schenken volgen en nae und dan twe stakendregers unde unse boiden dregen dey groiten lechte, dar volgen dan unse wasscheffer nae und dreghen den luetken kersen; der luetken lechte is 17, dey verdeilt man in alle kerken, tho Hokkerde und up die gracht. Zunächst begegnen auch in den Statuten der Dortmunder Goldschmiede also Zah‐ lungen von Wachs: Jährlich sollen die Zunftmitglieder etwa an einem Marientag anlässlich der Wahl des Richtmeisters der Zunft ihr Wachsgeld entrichten, ohne dass der Marienfesttag genauer bestimmt wäre. In unserem Fragment wird auch geregelt, dass bei Verstößen gegen die Ordnung der Anstellung von Gesellen 10 Schilling und 1 Pfund Wachs als Strafe gezahlt werden müssen.22 Dies mag nach dem Blick auf andere Quellen durchaus als Normalität des Zunftlebens erscheinen. Eine Besonderheit der Statuten ist jedoch, dass sie ganz eindeutig eine Zuordnung des Wachsgeldes zur Memoria herstellen, denn die Ausgaben für einen memorialen Gottesdienst der Zunft im August jeden Jahres wurden von der Wachskasse getragen. Dies mag auch im relativen Reichtum und Wohlstand der Goldschmiede und dem Status ihrer Zunft im Rahmen der städtischen Öffentlichkeit begründet liegen; die Memoria in einer solch aufwendigen und repräsentativen Form war sicherlich nicht allen Handwerkergruppen möglich, wie schon der Vergleich mit den Statuten der Dortmunder Wollweber ergibt.23 Ich fasse die betreffenden Statuten der Goldschmiede kurz zusammen: Die Zunft hat mit den Kirchmeistern der Dortmunder Marienkirche 1490 vereinbart, dass am Montag des Brackeler Jahrmarkts (die Quelle spricht von tho und nae), eine feierliche memoriale Messe in der renommierten Dortmunder Marienkirche stattfinden sollte für das Seelenheil der verstorbenen Brüder und Schwestern der Zunft.24 Die Messe oder der Jahrmarkt im heutigen Dortmunder Stadtteil Brackel fand am Sonntag nach Bartholomäi, dem 24. August, statt. Die Kirchmeister der Marienkirche luden zu diesem Gottesdienst mit dem Geläute der großen Kirchenglocke ein. Für die
22 Siehe ebd., S. 31f. 23 Vergleiche Kleimann, ‚Soziale Gruppen der Handwerker‘, S. 71ff. 24 Zur Marienkirche siehe Lange, ‚„Capella regis“. Zum Bauprogramm der Dortmunder Marienkirche‘; Schilp, ,Consules rempublicam Tremoniensem gubernantes‘ [Verzeichnis Nr. 35], hier S. 90f.
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Lohnkiste der Marienkirche erhielten sie eine Zahlung von 2 ½ Schilling aus der Wachskasse. Dass die Memoria sehr feierlich begangen wurde, ergibt sich aus dem folgenden: Der Pastor und alle Vikare der Kirche sollen Vigilie und Seelenmesse halten; der Kaplan erhält für das Totengedenken eine Sonderzahlung; dem Küster kommt eine Zahlung für die Verwahrung der Kerzen zu, der Gottesdienst wurde also sicher mit Kerzenlicht feierlich gestaltet; dem Schulmeister, der den Chor der Scholaren der Marienkirchschule leitete, steht eine Geldzahlung für den Gesang während der Gottesdienste zu. Auffällig ist zunächst und dies ließe sich mit weiteren Statuten unserer Quelle bestätigen, dass die Wachskasse der Goldschmiede, getragen durch regelmäßige frei‐ willige Zahlungen der Handwerker und durch Strafgelder, eine regelrechte ‚Liturgie‐ kasse‘ war, denn aus ihr wurden die Ausgaben für die Memoria der Zunft bezahlt. Für die Verwaltung der Wachskasse werden sogar eigens Wachsscheffer bestellt, die am Ende des Jahres Rechenschaft über Einnahmen und Ausgaben der Wachskasse ablegen müssen.25 Allein die Kasse und das Amt der Wachsscheffer zeigen im geschil‐ derten Kontext die Bedeutung der Liturgie für die Zunft. Sodann können wir feststellen, dass der Memoria für die verstorbenen Brüder und Schwestern der Zunft eine außerordentliche Bedeutung zukam. Die Beschreibung der liturgischen Handlungen, die in der Quelle im Übrigen vor allem wegen des finanziel‐ len Aufwandes erwähnt sein dürften, drückt jedenfalls deren Wichtigkeit im Rahme des Zunftlebens aus. Alle verstorbenen Zunftmitglieder werden im diesseitigen Le‐ ben der Zunft, in der gemeinschaftlichen Eucharistiefeier der Goldschmiede in der Marienkirche, vergegenwärtigt. Diese Vergegenwärtigung, diese Einbeziehung der Toten in das Zunftleben erschient aus mittelalterlicher Perspektive als konstitutiver Akt der sozialen Gruppe. Durch eine Vergegenwärtigung der Toten waren nach mit‐ telalterlichem Verständnis alle Goldschmiede, sowohl die verstorbenen als auch die lebenden, über den Lebenshorizont hinaus in einer Zeit und Raum überdauernden Gemeinschaft vereint. In der Memoria fanden die Goldschmiede einen wesentlichen Teil ihrer Identität und durch die Memoria ihre Selbstvergewisserung als Gruppe. Die Darstellung als diese Gruppe im Gottesdienst war mit Sicherheit auch ein wesentliches Element des Selbstbewusstseins der Zunft, verließen die Handwerker doch hiermit den eigentlichen, den inneren Bereich der Zunft und stellten sich der Öffentlichkeit als Sondergemeinde innerhalb der Stadt dar. Spirituell-religiöse Motive erscheinen mit weltlichen Intentionen in der Memoria der Zunft wechselseitig ver‐ schränkt. Die ökonomische und soziale Wirklichkeit der Zunft schließt die religiösen Deutungsschemata ein und umgekehrt. Der Totendienst ist über dieses regelmäßige liturgische Gedenken hinaus im Zunftleben ein wichtiger Aspekt: Wenn ein Gildenmitglied stirbt, so sollen alle Zunft‐ mitglieder, Frau oder Mann, ihr Opfer in der Kirche darbringen. Offensichtlich waren damit das letzte Geleit des Toten und eine materielle Spende gemeint. Interessant für unseren Zusammenhang erscheint auch die Art, wie die Gold‐ schmiede, deren Gilde ebenso die Kannegießer und die Schwertfeger angeschlossen 25 Stadtarchiv Dortmund, Bestand 202 Nr. X 10, S. 46f.
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waren, ihre gemeinsamen Mahle veranstalteten. Geschildert ist in unserer Quelle etwa das Begängnis von eyn vull gildebeer am Nachmittag oder Abend eines nicht genannten Marienfesttages. An dem gemeinschaftlichen Trinken und Essen sollten alle Gildegenossen nach Einladung teilnehmen. Die Männer hatten sich um vier Uhr auf dem Kirchhof der Marienkirche einzufinden, das Geleuchte der Zunft aus der Kirche zu holen und in das Lohhaus zu bringen, das den Dortmunder Zünften zu solchen Zwecken zur Verfügung stand. Das folgende klingt zunächst verwirrend, da verschiedene Örtlichkeiten genannt sind, die für die Analyse des Zusammenhangs hier aber nicht weiter von Bedeutung sind. Sobald das Bier zur Hälfte ausgetrunken war, bringen die Frauen der Gilde die Kerzen in die Kirche. Jetzt erhebt sich der Vorgänger der Zunft an der Tafel, klopft auf den Tisch, um zu proklamieren, dass sie das Bier zu Ehren Mariens gebraut hätten. Man zieht in das Weinhaus der Goldschmiede, wo weiter getrunken und ein Imbiss verzehrt wird; dies hat der Wachsscheffer zu bezahlen. Sodann wird zu einer Prozession aufgebrochen, denn man holt das Geleuchte in der Marienkirche ab und verteilt Kerzen in allen Kirchen der Stadt, auch bis nach Huckarde und up die gracht, in das Leprosenhaus vor den Toren der Stadt (Abb. 5.6).26 Verschiedene Aspekte sind bereits früher von mir angeschnitten worden.27 Her‐ vorzuheben ist, dass mit der Schilderung des Zunftmahles auch die Verköstigung der Armen angesprochen sein könnte, denn das Treffen, das als ein eyn vull gildebeer bezeichnet wird, bedeutet den Konsum von achte tunnen beers. Dies entspricht rund 900 Liter Bier, ein Quantum, das unmöglich von den Zunftmitgliedern allein an diesem Tag konsumiert worden sein kann, wenn wir von allenfalls 15 Zunftmeistern ausgehen. Hinzu kämen Familienangehörige und möglicherweise Gesellen. Da wir an einen Schreibfehler aufgrund der Verbindlichkeit der Statutenaufzeichnung in diesem Zusammenhang kaum denken dürfen, ist wohl an die Verköstigung von Armen anlässlich der Mahlzeit zu denken, die ja mit dem Besuch des Leprosenhauses zumin‐ dest auch angesprochen wird. Es ist wiederholt darauf hingewiesen worden, dass die Armenspeisungen durch die Zünfte zum Alltag des handwerklichen Lebens gehörten, die Verköstigung von Armen erscheint auch als die wahrscheinliche Erklärung für die Konsumtion von rund 900 Litern anlässlich des geschilderten gemeinsamen Zunftmahles.28 In der eingangs zitierten Urkunde von 1489, die die Jenseitsvorsorge des inzwi‐ schen verstorbenen Lübecker Bürgers Dietrich von der Becke in der Stadt Mün‐ ster betraf, scheint eine Trennung der gewerblichen Organisation und der spirituellreligiösen Bruderschaft der Gewandschneider auf. Wie die Aufnahme des verstorbe‐ nen Lübecker Bürgers in die Bruderschaft der Gewandschneider deutlich zeigt, ist der Kreis der Mitglieder in der Bruderschaft, der Lebenden und Tote vereint, umfangrei‐ cher als der der Mitglieder der gewerblichen Organisation selbst. Im Zusammenhang 26 Huckarde gehörte zum Territorium des Frauenstifts Essen. Möglicherweise wurde mit dem Besuch der Huckarder Kirche im Rahmen der Prozession ein wichtiger Auftraggeber der Dortmunder Goldschmiede ‚bedient‘. Siehe Schilp, ‚Huckarde – eine dörfliche Siedlung‘ [Verzeichnis Nr. 145]. 27 Siehe hier Aufsätze 3 und 5. 28 Oexle, ‚Die mittelalterlichen Gilden‘, S. 205f.
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dieser Überlegungen soll nicht ausführlich auf diesen Aspekt eingegangen werden; nur einige Hinweise sollen genügen. Motive für die Trennung der Gilde als wirtschaftlich-soziale Organisationsform des Gewerbes mag die Erweiterung des Kreises der den Toten einer sozialen Gruppe verbundenen Lebenden gewesen sein. Die Bruderschaft des Gewerbes, die auch andere Personenkreise aufnehmen konnte, verbreiterte die soziale Verankerung und Selbstdarstellung der Zunft oder Gilde.29 Die Trennung wurde aber noch nicht einmal im mittelalterlichen Westfalen überall vollzogen. Sie scheint in Münster nach dem zitierten Beispiel durchaus üblich gewesen zu sein; für Soest sind Bruderschaften der Handwerker des Mittelalters in dichter Folge zu belegen.30 Für Dortmund hingegen ließ sich diese Trennung bislang nicht ermitteln. Dies mag darin begründet liegen, dass 1346 der Rat in einer Verordnung die Bildung religiöser Bruderschaften insgesamt verboten hat: Als Nachtrag eines Ratsstatutes für die Butterleute wird die Bruderschaft, die der Stadtklerus mit Laien gegründet hatte, verboten, da sie nicht nutte was der stat unde ok den kerken….31 Der Rat verkündete, dat tho Dortmunden neyn borderschap wesen sal. Da der Nachtrag im Zusammenhang der Verordnung bezüglich der Butterleute überliefert ist, könnte sich das Dortmunder Verbot vor allem auf die Bruderschaften des Handwerks und Gewerbes bezogen haben. So fehlten in Dortmund während des Mittelalters religiöse Bruderschaften der Handwerker und Gewerbetreibenden, getrennt von der wirtschaftlichen und sozialen Organisation des Gewerbes, vollkommen. Trotzdem kann seit 1365 in Dortmund z.B. eine sozial ungebundene Bruderschaft an der städtischen Nikolaikirche ausgemacht werden und eine ähnliche Bruderschaft bestand an der Marienkirche.32 Es wäre von hier aus weiter zu fragen, ob die Trennung beziehungsweise Nicht-Trennung gewerblicher Organisation und religiöser Bruderschaft der Korporation ein Kriterium für die Feststellung einer Zunftlandschaft darstellen könnte. Die Thematik ist für Deutschland insgesamt bislang aber nicht eingehend unter‐ sucht worden, so dass Verallgemeinerungen nicht vorgenommen werden können.33 Rainer S. Elkar hat jedoch für die katalanische Handwerksgeschichte festgestellt, dass dort confratria und officio beziehungsweise gremio deutlich getrennte Einrichtungen waren.34 Die confratria wirkte im kirchlichen Bereich im Sinne der religiösen Bruder‐ schaft: Stiftung eines Ewiglichts, Regelung kirchlicher Feiertage und vor allem Bestat‐ tungsritus der Bruderschaftsmitglieder; sie bot auch karitative Hilfe. Das officium organisierte den gewerblichen Bereich wie die Beschaffung von Rohstoffen, Kontrolle der Produktion und des Warenabsatzes. In Katalonien bleibt die Trennung der 29 Reininghaus, Zünfte, Städte und Staat in der Grafschaft Mark, S. 124 hat dies für die Bruderschaften der Gesellengilden feststellen können: sie waren – so Reininghaus – beliebter als Bruderschaften von Zünften, „weil sie die religiösen Verpflichtungen ernster nahmen als etwa die Zünfte“. Es ist aber auch an Motivationen zu denken, die Spenden an die Gesellen-Bruderschaften aufgrund der Fürbitten der arbeitenden, aber kaum wohlhabenden Gesellen günstig erschienen ließen. 30 Siehe Reininghaus, Zünfte, Städte und Staat in der Grafschaft Mark, S. 48, mit zahlreichen Beispielen. 31 DUB, bearb. von Rübel, Nr. 598. 32 Güntürk, ‚Die Dortmunder Nikolai-Bruderschaft‘, S. 82f. 33 Siehe hierzu die Bemerkungen von Elkar, ‚Handwerk als Lebensform‘, S. 99f. 34 Ebd., S. 100.
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beiden gewerblich-handwerklichen Organisationsformen bis in das 19. Jahrhundert hinein bestehen, wobei die religiösen Bruderschaften des Handwerks zahlreicher waren. Die Memoria der mittelalterlichen Zunft scheint also wesentlich mehr als eine An‐ einanderreihung rein liturgischer Anlässe für das Handeln der Handwerkergruppen neben dem Alltag gewesen zu sein. Gerade die Verknüpfung spiritueller Elemente mit den gemeinsamen und feierlich-rituellen Mahlzeiten der Zunft verdeutlicht die Bedeutung dieser Aspekte für das mittelalterliche Denken der Handwerkergruppen selbst. Im Totenkult und im Totengeleit, in der Memoria, in der Verehrung der Zunftheiligen, in der Prozession, in der Sonderbeziehung zur Marienkirche, durch die Gemeinschaft der Toten und Lebenden, die Einbeziehung der Zunftheiligen Maria etwa zum gemeinschaftlichen Mahl – in all diesen spirituellen Formen konstituierte und erneuerte sich z.B. die Zunft der Dortmunder Goldschmiede nach mittelalterli‐ chem Verständnis durch Selbstvergewisserung innerhalb der Stadtgemeinde. All diese Elemente, die Totenmemoria und alle damit in Zusammenhang stehenden Akte, zeigen die Dauer der Zunft in der Zeit, die über den individuellen, diesseitigen Lebenshorizont hinausweist. Durch die Einbeziehung des jenseitigen Fegefeuers und des Paradieses überschreitet die Zunft nach der mittelalterlichen Vorstellung auch Räume. Erst diese Auffassungen und die daraus hergeleiteten Handlungen verleihen der Zunft den Charakter des historischen Subjekts; diese Deutungsschemata werden zum Ursprung des Wissens von der eigenen Geschichtlichkeit. Damit sind die To‐ tenmemoria und die sonstigen liturgisch-spirituellen Handlungen wesentlich für die Identität und die Selbstdeutung der Zünfte. Die Genossenschaft der Handwerker darf demgemäß für das Mittelalter nicht auf wirtschaftliche und soziale Bestimmungen reduziert werden.35 Den Überlegungen lag die Frage zugrunde: wie sieht sich die Zunft als Gruppe, wie wird die soziale Gruppe hergestellt? Die Fragen zielten über den empirischen Befund hinaus. Es ist aber auch nicht einfach ‚ideologischer Überbau‘, der diskutiert werden sollte; Memoria vergegenwärtigt die Toten in der liturgischen Handlung. Im Mittelalter hatte man einen realen Bezug zum Zunftpatron, der bis zu vertrags‐ ähnlichen Kontrakten mit dem Heiligen führte. Insofern hat die Spiritualität und die Denkweise, die christliche Deutungsform des Mittelalters Wirklichkeit erzeugt, indem sie dazu beitrug, die Gemeinschaft der Zunftangehörigen herzustellen. Die Memoria, das spirituelle Leben der mittelalterlichen Zunft, stellte sich öffentlich dar, wurde zur Selbstdarstellung und Präsentation der Handwerkerkorporation in der städtischen Öffentlichkeit genutzt. Mit genossenschaftlichen Formen der Memoria konstituierte sich die Zunft immer wieder neu in den spirituellen Elementen. Ohne die Religiosität und ihre diskutierten Äußerungsformen – es mag weitere geben – ist eine Zunft des Mittelalters offensichtlich gar nicht denkbar; ihr hätte der Platz im
35 Siehe hier Aufsätze 2 und 5.
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Lebensalltag der Stadt gefehlt. Die mittelalterliche Zunft existierte als Gruppe nur in der Einheit der Dimensionen von Wirtschaft, Gemeinschaft und Religiosität. In dieser Einheit hat sie sich offensichtlich selbst gedeutet und ihr Wesen ist für uns nur in dieser Form zu erkennen.
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Spielleute, Orgel, Scholarenchöre: Dortmunder Musikleben im Mittelalter* Zugleich ein Beitrag zur Bedeutung der Musik für die Memoria in der mittelalterlichen Stadt Die Dortmunder Schriftquellen des Mittelalters erteilen zahlreiche Hinweise auf Mu‐ sik in der Stadt. Die Hinweise erlauben trotz ihres nur fragmentarischen Charakters in mehr oder weniger dichten Indizienbündeln Rückschlüsse auf ein reiches städtisches Musikleben, so dass mehrere Bedeutungsebenen städtischer Musik erkennbar wer‐ den. Dieser Beitrag erhebt in keiner Weise den Anspruch einer musikwissenschaftli‐ chen Untersuchung; dafür fehlt dem Autoren die erforderliche Fachkompetenz. Es sollen vielmehr aus sozial- und mentalitätsgeschichtlichem Blickwinkel anhand der Dortmunder Schriftzeugnisse Bedeutungsebenen der Musik für die Stadtkultur des Spätmittelalters nachgespürt und Schlüsse auf das Leben in der mittelalterlichen Stadt gezogen werden. Schriftzeugnisse zum Musikleben sind vor allem in den städtischen Chroniken, aber auch in Urkunden überliefert. Aus diesem historischen ‚Schatz‘ kann im Folgenden selbst für Dortmund nur eine typische Auswahl vorge‐ stellt werden.1 Als der Dortmunder Chronist Dietrich Westhoff zum Jahr 1331 die erst im drit‐ ten Anlauf erfolgreich gelungene Gründung des Dortmunder Dominikanerklosters schilderte, fand nach heutiger Kenntnis wohl zum ersten Mal Musik ausdrückliche Erwähnung in der schriftlichen Überlieferung.2 Westhoff berichtet, die Dominikaner * Erstpublikation in: Städtische Repräsentation. St. Reinoldi und das Rathaus als Schauplätze des Dortmunder Mittelalters. Dortmunder Mittelalter-Forschungen 5, hrsg. von Nils Büttner, Thomas Schilp und Barbara Welzel (Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 2005), S. 79-104 [Verzeichnis Nr. 110]. 1 Eine moderne musikwissenschaftliche Analyse steht für Dortmund aus. Die wichtigeren älteren Arbeiten, die freilich keine vollständige Untersuchung der Schriftquellen bieten, seien genannt: Schröder, Studien zur Geschichte des Musiklebens der Stadt Dortmund; Salmen, Geschichte der Musik in Westfalen. [1] Bis 1800. Einen knappen Überblick mit dem ‚üblichen Überspringen‘ der wichtigsten Schriftzeugnisse bietet Tadday, ‚Dortmund‘. Weitere Hinweise sind dem forschungsgeschichtlichen Überblick (mit kritischer Würdigung) zu entnehmen: Imort, Musikalische Kultur Dortmunds im 16. Jahrhundert, S. 9-14. Andrea Zupancic, Dortmund, sei für die Unterstützung der Quellenrecherche, und Wolfgang Spindler, Bamberg, für die kritische Lektüre und Anregungen herzlich gedankt. 2 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 204ff. Zur Gründung des Klosters im Jahre 1331 nach gescheiterten Gründungsversuchen in den Jahren 1309 und 1324 siehe Rensing, ‚Das Dortmunder Dominikanerkloster (1309-1816)‘, S. 8-23; El-Akramy, ‚Eine verworrene Geschichte‘ und Schilp, ‚Das Dortmunder Predigerkloster in der spätmittelalterlichen Stadt‘ (hier Aufsatz 8). Zur Klostergründung siehe Stadtgesellschaft und Memoria, ed. by Arnoud-Jan Bijsterveld, Meta Niederkorn & Annemarie Stauffer, Memoria and Remembrance practices, 3 (Turnhout: Brepols, 2023), pp. 249–272 10.1484/M.MEMO-EB.5.132327
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seien mit List am 24. März, dem Tag vor Mariae Verkündigung, in die Stadt einge‐ drungen, ihren Ordensbruder und Kölner Weihbischof Johann, Titularbischof von Skopje, mitführend. Nächtens hatten sie im Zentrum der Reichsstadt eine Kapelle mit Altar errichtet und am nächsten Morgen weihte der Bischof in aller Frühe die Kirche in einem Gottesdienst: Indem als er nu das Confiteor las vur dem altar staende, hebn die andern hern und broder vrolich mit heller stemme Terribilis [est locus iste]3 den introitum der kerkwigung to singen angehaven, underdes ouch die klocke gelut und dat ampt der miß vulendigt.4 Zur Weihe des Altars und der Kirche also sangen die Herren und Mönche mit heller Stimme und das Läuten einer Glocke kommunizierte das Ereignis in die Stadt, zumin‐ dest berichtet die städtische Chronistik dies ausführlich. Einige Bedeutungsebenen der Musik in der mittelalterlichen Stadt, die Gestaltung der Liturgie und die Glocke als Medium der Kommunikation, werden in dem zitierten Chronikeintrag angespro‐ chen. Die folgenden Überlegungen gehen den Hinweisen der Schriftquellen nach und spüren die Bedeutung der Musik für die Stadtkultur des Mittelalters in ihren verschie‐ denen Ebenen auf. Die bruchstückhafte schriftliche Überlieferung – und darauf sei vorab hingewiesen – geht in der Regel auf die musikalische Ausgestaltung der spät‐ mittelalterlichen Stadtkultur Dortmunds nur im Zusammenhang mit Ereignissen des Stadtgeschehens ein. Musik ist in der lokalen Überlieferung so gut wie nie explizites Thema der erhaltenen Schriftlichkeit, auch lassen sich nur eingeschränkte Schlüsse auf die genaue Instrumentierung oder die Art des Musizierens ziehen. Im Folgenden wird ausgehend von Überlegungen zum Klang der Stadtglocken zunächst auf die Bedeutung der Musik für die städtische Liturgie und die Funktion der Musik im Rahmen der Erinnerungskultur in der spätmittelalterlichen Reichsstadt eingegangen. Sodann werden Überlegungen zu den Spielleuten und zur Bedeutung der ‚weltlichen‘ Musik für festliche Anlässe und Feiern des Rates und der Bürger angestellt. Gemeinschaftliche Musikausübung und Chorgesang setzten im Übrigen einen gewissen Bildungsstand der Musiker und Sänger voraus. In der Stadt wurden auch (Theater-)Spiele aufgeführt. Daher sollen die folgenden Überlegungen auch den Bildungsstand der Stadtbewohner des Spätmittelalters analysieren, ist es doch ein verbreitetes Präjudiz des allgemeinen Bewusstseins, aber auch von Teilen der Forschung, bei der mittelalterlichen Stadtgesellschaft habe es sich um eine illiterate Gesellschaft gehandelt.5
auch: Stadtarchiv Dortmund, Bestand 210 Hs. 1 (Die Chronik des Dominikanerklosters zu Dortmund) und Des Dominicaners Jo. Nederhoff Cronica Tremoniensium, bearb. von Roese, S. 49ff. 3 So ergänzt eine Mitteilung der Chronik des Dominikanerklosters zu Dortmund von Constantin Schulz OP 1706 nach einer Vorlage von Johann Crawinckel OP (um 1490) zusammengestellt (Stadtarchiv Dortmund, Bestand 210 Hs. 1, S. 12). 4 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 205. 5 Zu diesem Problemfeld siehe die grundlegende, zahlreichen Vor-Urteile überwindende Untersuchung zum hochmittelalterlichen Venedig von Fees, Eine Stadt lernt schreiben.
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Der Klang der Glocken Die Gestalt einer mittelalterlichen Stadt und ihrer Silhouette war geprägt von den Türmen der Pfarrkirchen und den Dachreitern der Bettelordenskirchen; sie alle waren mit mehr oder weniger großen Glocken bestückt.6 Auch in Dortmund war das so, doch haben nicht alle Kirchen und Kapellen des Mittelalters die Jahrhunderte überdauert.7 Über die noch heute erhaltenen Türme von Reinoldi-, Marien- und Petrikirche sowie den Dachreiter der heutigen Propsteikirche, einst die Kirche des Dominikanerklosters, hinaus wären für das spätmittelalterliche Dortmund zu nennen: die Nikolaikirche an der Wißstraße, das Franziskanerkloster, das Katharinenkloster der Prämonstratenserinnen; die Kapellen des Heilig-Geist-Hospitals und des Gast‐ hauses am Westenhellweg, die Martinskirche in der Nähe des Grafenhofes, die Benediktkapelle im Ostentor und die Jakobskapelle im Westentor, die ebenfalls mit Glocken bestückt waren, und schließlich ist zu erwähnen die einstige Kapelle des vor dem Ostentor gelegenen Leprosenhauses. Die Glocken dieser Kirchen gaben dem Alltag der mittelalterlichen Stadt seinen Rhythmus. Ihr Klang rief sowohl zum Gottesdienst als auch zum Gebet, und insofern stellten sie eine Verbindung zu den Engeln des Gottesreiches her. Die Glockenaus‐ stattung einer Stadt wie Dortmund ermöglichte differenzierte Signale: Das Schlagen der Glocken war auch ein Signal zur Warnung der Stadtgemeinde bei Gefahr, rief die Bürger und Einwohner zusammen, war ein nicht ersetzbares Medium der innerstädti‐ schen Kommunikation und Öffentlichkeit auch vor der Erfindung der mechanischen Turmuhren, die der Stundeneinteilung des Tages in einer Stadt objektivierte Form verliehen.8 So erteilt die Chronik des Dietrich Westhoff wiederholt Hinweise auf die Bedeu‐ tung der Glocke für das städtische Leben des Mittelalters; nur auf einige kann hier eingegangen werden. Auf das Glockengeläut zur (heimlichen) Gründung des Domi‐ nikanerklosters im Jahr 1331 wurde bereits hingewiesen. 1352 berichtet Westhoff – kritisch distanziert – von einer für Dortmund bedrohlichen Situation.9 In der Nacht von Sonntag Laetare auf den Montag (18./19. März 1352) waren Männer des Grafen von der Mark durch List und Verrat heimlich in die Stadt eingedrungen, um die Stadt‐ tore von innen zu öffnen. Durch eine Erscheinung des Reinoldus, so die Chronik, erwachte der Wächter auf dem Turm der Marienkirche gerade noch rechtzeitig, um auf dessen Geheiß die Glocke zum Alarm zu schlagen; die Feinde suchten das Weite. Die Stadtchronik berichtet auch davon, dass 1367 auf dem Westentor die Glocken stadtseitig vermauert wurden, als man hier eine Klause einrichtete. Das Tor war zuvor stadtseitig oben mit Mauerlöchern versehen, damit man den Klang der Glocke
6 Zur Funktion der Glocken in der mittelalterlichen Stadt siehe grundlegend Dohrn-van Rossum, Die Geschichte der Stunde, S. 185-201; Ders. ‚Uhren, Glocken und Zeitorganisation in der Vormoderne‘. 7 Siehe Schilp, ‚Sakrale Topographie im mittelalterlichen Dortmund‘ (hier Aufsatz 6). 8 Vgl. Dohrn-van Rossum, Die Geschichte der Stunde, S. 124ff. 9 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 215f. Siehe hierzu Schilp, ‚Reinoldus, unser stat overster patroen und beschermer‘ [Verzeichnis Nr. 58], S. 41f.
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in der Stadt gut hören konnte.10 Erwähnt wurde in der Chronik auch, als für die Marienkirche im Jahr 1442 eine neue, die bisher größte Glocke von Meister Johann Windenbroech gegossen wurde.11 Der Klang der Kirchenglocken gehörte als Kommunikationsmittel also in mehrfa‐ cher Hinsicht zum Leben der mittelalterlichen Stadt. Er warnte die Stadtbewohner vor drohender Gefahr, rief sie zusammen, zeigte sicher wohl auch Arbeits- und Pausenzeiten an, diente aber selbstredend vor allem für den Ruf zum Gottesdienst. Städtische Stiftungsurkunden erwähnen häufig ausdrücklich, dass für eine Messe oder für eine Gebetszeit, die besonders feierlich gestaltet werden sollten, auch die Glocken zu läuten waren; dafür war dann auch eine besondere Entlohnung für den Küster zu leisten.12 Himmlische Musik – der Lobpreis Gottes auf Erden Wie den Klang der Glocken verbinden wir zu Recht auch die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes mit der mittelalterlichen Stadt. Zahlreiche Miniaturen klösterli‐ cher Codices zur Gestaltung der Liturgie seit dem frühen Mittelalter, zahlreiche AltarRetabel und Gemälde des Spätmittelalters zeigen musizierende Engel, die sowohl mit Instrumenten als auch mit Gesang zum Lobe Gottes musizieren oder aber mit Trompeten die Toten erwecken, mit ihren Signalen zum Jüngsten Gericht blasen.13 Aus der Fülle der überlieferten spätmittelalterlichen Zeugnisse sei kurz auf drei Bilder eingegangen. Ein Würzburger Psalter aus der Zeit um 1230, eine Handschrift mit den 150 Psalmen,14 die einmal jede Woche in den christlichen Klöstern gesungen wurden, beginnt den ersten Psalm Beatus vir, qui non abiit in consilio impiorum… („Selig der Mann, der nicht im Rat der Ungläubigen wandelt …“) mit einer Initiale B, die reich mit Miniaturen versehen ist.15 Das Glück des Mannes wird in eine musikanti‐ sche Darstellung umgesetzt. Zehn Personen, dargestellt auf der in kostbarem Blau gehaltenen Initiale, musizieren in einem Ensemble mit typischen mittelalterlichen Instrumenten: Oben links ein Fidelspieler und unten links ein Trommler bilden bereits ein Ensemble weltlicher Tanzmusik der Zeit – sie stehen fast außerhalb des eigentlichen Geschehens, sind nur lose verbunden mit dem Orchester für die Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 220. Ebd., S. 315. Siehe hierzu im Einzelnen unten. Vgl. hierzu Hammerstein, Die Musik der Engel; Braun, ‚Musik, Musikinstrumente‘. Zur himmlischen Musik gehörte auch die Vorstellung des Tanzes. Nur als ein Beispiel sei auf das Gemälde von Sandro Botticelli ‚Die Geburt Christi‘ (National Gallery, London) hingewiesen. Vgl. hierzu den Überblick bei Jones, Dancing: wir tanzen, weil wir leben, S. 36ff. Auch der himmlische Tanz wurde durchaus in der Liturgie der mittelalterlichen Kirchen nachempfunden; siehe hierzu einige Hinweise ebd. Katharina Stoye, Karlsruhe, sei für diesen Hinweis herzlich gedankt. 14 Das Wort Psalm spielt auf Musik an, denn die griechische Wurzel Psalmoi bedeutet Lobgesänge mit Saitenspiel. 15 Universitätsbibliothek München Cod. Ms. Qu. 24: Würzburger Psalter, hergestellt in Würzburg oder Bamberg um 1230. Zum Folgenden siehe Spindler, ‚Schalmeien, Trumeln, Zauberharfen‘, S. 233ff. Ich folge der Interpretation von Spindler weitgehend.
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geistliche Musik. Links in der Mitte, in die eigentliche Initiale einbezogen, sitzt König David, der Psalmendichter, mit einer Lyra, einem Saiteninstrument, das beidhändig zum Erklingen gebracht wird. Oben in der Mitte des Bauchs der Initiale thront ein Drehleierspieler, dem links ein (Noten-)Buch gehalten wird. Ein älterer Mann, mögli cherweise eine Personifikation der Weisheit, schaut dem Musikanten von rechts inter essiert zu. Zu Füßen des Drehleierspielers sitzt ein Querflötenspieler. Unten ist im Zentrum ein Organist, unterstützt durch den Registranten, der die Register rechtzei tig zieht, und einem Calcanten, der den Blasbalg betätigt, dargestellt, die zu den süßen Tönen aus den kupfernen Pfeifen zu singen scheinen. Oberhalb des Orgelspielers ar beitet ein Glockenspieler. Rechts, am äußersten Bauch der Initiale, lässt ein weiterer Musiker ein Tierhorn ertönen. Das Glück, die Seligkeit des Mannes des ersten Psalms ist als harmonischer Zustand dargestellt, der durch Musik erzeugt wird. Musik ist Symbol für Glück, für ewiges Heil. Von diesem durch Musik erzeugten Glück bleiben dämonische Wesen ausgesperrt. Außen auf den Rundungen der Initiale sind zu sehen: Unten rechts zwei Drachen, oben eine Kreuzung aus Hund und Wildschwein sowie ein Hund mit Löwentatzen, unten links ist noch eine kopflose Nebelkrähe zu sehen. Zum Zweiten sei ein Blick auf ‚Maria mit Kind und musizierenden Engeln‘ eines anonymen Meisters aus dem Frankfurter Dom (um 1420, Abb. 10.1) geworfen.16 Maria als Himmelskönigin sitzt auf dem Boden mit dem Kind im Arm, das in der Linken eine kleine Schale hält und mit der Rechten nach einer Blume in Marias Hand greift. Maria ruht auf einer blütenbewachsenen Wiese, die den Ort als paradiesisch kennzeichnet. Vier Engel um Maria musizieren; mit ihrer himmlischen Musik gestal‐ ten sie das Paradies als Ort der Harmonie, kennzeichnen den himmlischen Zustand. Das Orchester der musizierenden Engel spielt eine Handharfe, eine Mandoline, eine Viola und eine Kithara. Zum Dritten sei für unseren Kontext ‚Das Weltgericht‘ Stefan Lochners ange‐ führt.17 Zwei Engel erwecken mit dem Signal ihrer Businen die Toten, indem sie zum Jüngsten Gericht blasen. Zwei Teufelsmusikanten, Pauker und Businenspieler, unter‐ stützen das Hinab-Treiben der Verurteilten in die Hölle durch schrillen Ton und harte Rhythmik. Als Höllenmusik war Musik also durchaus auch negativ konnotiert.18
16 Dommuseum Frankfurt am Main. Siehe hierzu die Katalogbeschreibung von Frank Günter Zehnder im Katalog Stefan Lochner, hrsg. von Zehnder, S. 306, der als Maler den ‚Meister von Sankt Laurenz‘ vermutet hat, aber auch westfälische Einflüsse feststellte. Letztere erklärt er sich durch eine ‚westfälische Wanderschaft‘ seines Meisters. Siehe zu der Problematik der wandernden Malergesellen des Spätmittelalters Reininghaus, ‚Wanderungen von Malern und anderen Handwerkern im Mittelalter‘. Vorsichtiger in der Zuordnung des Gemäldes Karin Tebbe, in Spiegel der Seligkeit, hrsg. von Kammel, S. 179. 17 Wallraf-Richartz-Museum Köln, Inv. Nr. WRM 66. Siehe hierzu Budde, Nebensächliches? – Zur Darstellung der Musik auf Stefan Lochners Weltgericht‘. Abbildung im Katalog Stefan Lochner, hrsg. von Zehnder, S. 319. 18 Vgl. hierzu Hammerstein, Diabolus in musica, vor allem S. 106ff., sowie exemplarisch die Überlegungen von Belting, Hieronymus Bosch. Garten der Lüste, S. 35ff., zum ‚Höllenflügel‘: „Auch die Musikinstrumente sind Erfindungen der Menschen, die sich aber an diesem Ort [in der Hölle – TS] gegen ihn wenden“ (ebd., S. 35). „Eine besondere Bestrafung liegt in dem unerträglichen ‚Höllenlärm‘, wie wir heute noch sagen. Die Kakophonie, eine höllische Musikfolter, ist die Strafe für die Verführung zur Sünde, für die man im Leben die Musik missbraucht hatte. […] Die Dissonanzen jagen und überbieten einander, wenn man die Lautstärke an der gigantischen Vergrößerung der Musikinstrumente misst, die zu Folterinstrumenten geworden sind. Da werden zwei Sünder an einem hybriden Doppelinstrument aus Harfe und Laute gekreuzigt […].“ (ebd., S. 38). Ulrich
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Abb. 10.1: Meister von St. Laurenz, Maria mit Kind und musizierenden Engeln, um 1420, Dommuseum Frankfurt am Main (Abbildung nach Ferne Welten – Freie Stadt, hrsg. von Ohm, Schilp und Welzel, S. 287).
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Am Tor zum Paradies hingegen empfängt ein Ensemble aus fünf musizierenden En geln (Laute, Harfe, Bomhart, ein fidelähnliches Rhythmusinstrument, und Psalte rium) die Prozession der guten Gläubigen an der Himmelspforte mit ihrer lieblichen Musik. Diese Gruppe musizierender Engel findet eine Entsprechung in einem zweiten Ensemble auf dem Balkon des Tores zur himmlischen Stadt: Engel mit Instrumenten (Laute, Portativ, Psalterium und ein weiteres Saiteninstrument) begleiten einen Chor aus fünf singenden Engeln. Die musizierenden Engel weisen den Ort als das Paradies aus, das durch Musik verschönt ist. Die süße Musik realisiert mit paradiesischer Har monie mit dem immerwährenden Lobpreis Gottes die himmlische Liturgie, eine Liturgie, wie sie im Diesseits in der Gestaltung des Gottesdienstes nachempfunden werden sollte und konnte. Diese oder ähnliche Darstellungen der Akteure himmlischer Musik setzen den Inhalt der letzten Psalmen (Psalm 145-150), die sich auf das Lob Gottes konzentrie‐ ren, aus der Sphäre des Paradieses in Handlungsanweisungen für das Diesseits um. Alle Menschen werden in den letzten Psalmen aufgefordert, den heiligen Namen des Herrn zu preisen. Dies beginnt mit der Aufforderung zur Lobpreisung und Verbreitung der Werke und Taten Gottes durch das gesprochene Wort, um mit Psalm 150, 1-6 zu dem Höhepunkt zu gelangen, der seinen adäquaten Ausdruck in der Form der Musik findet: Lobt Gott in seinem Heiligtum, lobt ihn in seiner starken Himmelsfeste! Lobt ihn ob seiner mächtigen Taten, lobt ihn ob seiner gewaltigen Größe! Lobt ihn mit dem Schall der Posaune, lobt ihn mit Harfe und Zither! Lobt ihn mit Pauke und Reigen, lobt ihn mit Saitenspiel und Flöte! Lobt ihn mit Zimbeln, lobt ihn mit schmetternden Zimbeln! Alles, was Odem hat, lobe den Herrn! Damit sind wir schon mitten in ein Zentrum des Themas gelangt: Die musikalische Ausgestaltung der Liturgie, die schon im frühen Mittelalter, zunächst in den bischöfli‐ chen Domkirchen und rasch auch in Klöstern und Stiften, praktiziert wurde.19 Wo immer christliche Gemeinschaften zusammengekommen sind, in welchen sozialen Formen auch immer, wurde der Gottesdienst zumindest bei feierlichen Anlässen besonders ausgestaltet. Der Gottesdienst als bevorzugtes Bußopfer der Christenge‐ meinschaften wurde dabei feierlich zelebriert: Goldene und edelsteinbesetzte liturgi‐ sche Geräte, eine kostbare Ausstattung der gesamten Kirche oder der Gebrauch von Weihrauch und Myrrhe sind noch heute in der Liturgie der katholischen Gemeinden Teil des Gotteslobs der Gläubigen. Die musikalische Gestaltung der Liturgie durch Orgel und andere Instrumente, durch den Gesang der Schola oder des Chores sowie der Gemeinde fügen sich gemäß dem Wortlaut von Psalm 150 in das Lob Gottes ein. Schon im frühen Mittelalter wurde Musik genutzt, um die Gemeinde in der Lobpreisung Gottes durch das Nachempfinden himmlischer Musik symbolisch in
Meier, Bielefeld, sei für die freundlichen Hinweise während und nach unserem Dortmunder Kolloquium vom 28. bis 30. Oktober 2004 herzlich gedankt. 19 Zur Musik im Rahmen der Liturgie des Frühmittelalters siehe Niederkorn-Bruck, ‚Amalarius und die Liturgie seiner Zeit‘.
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einen quasi-paradiesischen Zustand zu versetzen. Mit der musikalischen Gestaltung der Liturgie durch die Gemeinde wird auch eine aktive Gestaltung des Gottesdienstes durch die Gläubigen möglich. Dem Kyrie eleison, vorgetragen häufig von der Schola als vierzeiliger Gesang, folgte der Refrain durch die Gemeinde der Gläubigen. Einige noch heute gesungene Kirchenlieder gehen auf eine über tausendjährige Tradition zurück, so ‚Christ ist erstanden‘ oder ‚Nun bitten wir den Heiligen Geist‘.20 Wieder‐ holt ist von der musikwissenschaftlichen Forschung betont worden, dass sich um die frühen Zentren kirchlicher Musik an den Bischofskirchen auch weltliche Musikanten konzentrierten, ja seit dem 10. und 11. Jahrhundert von einer wechselweisen Durch‐ dringung weltlicher und geistlicher Musik ausgegangen werden kann.21 Musik und Memoria – Bedeutungsebenen in der mittelalterlichen Stadt Zu fragen ist nach Besonderheiten von Musik in der spätmittelalterlichen Stadt – und dies unter der grundlegenden Voraussetzung, dass sich die musikantische Gestaltung der mittelalterlichen Liturgie zu einem bestimmten Zeitpunkt in unterschiedlichen Kontexten zweifellos ähnelte,22 genauer: Es ist zu fragen nach den besonderen Bedeu‐ tungsebenen und Funktionen der Musik im Rahmen der Liturgie in der Stadt. Es berührt dies die noch nicht bearbeitete Frage nach der Bedeutung der Musik für die ›Memoria‹ in der mittelalterlichen Stadt, für die in der Liturgie hergestellte Gemein‐ schaft der Toten und der Lebenden, der Bedeutung der Musik für die ‚Gegenwart der Toten‘.23 Die musikalische Darbietung, die konkrete Melodie, das Orgel- oder Instrumentenspiel, der Gesang der Chöre dürften sich im kirchlichen Kontext der Stadt ja nicht grundsätzlich anders angehört haben als im Kontext eines Klosters oder der Kultur des Adels, selbst wenn wir durchaus von einer Nachahmung adliger Musik‐ kultur in der Welt der bürgerlichen Führungsschichten ausgehen müssen,24 und auch annehmen können, dass sich weltliche und geistliche Musik gegenseitig beeinflussten. Auch der Gesang der Gemeinde mit unzähligen Stimmen im Gottesdienst oder der Gesang des städtischen Klerus im Rahmen der kanonischen Horen dürfte sich nicht wesentlich vom Klang der Musik in anderen politischen und sozialen Kontexten unterschieden haben, der in gleicher Weise das Lob Gottes in musikalischer Form in konkrete Liturgie umzusetzen versuchte. Analysieren wir jedoch die Kontexte von geistlicher Musik in der Stadt weiter, stoßen wir auf Ebenen der Bedeutung, die
20 Spindler, ‚Schalmeien, Trumeln, Zauberharfen‘, S. 226. 21 Siehe hierzu den gelungenen Überblick zur Musikgeschichte des Mittelalters anhand der fränkischen Landschaft von Spindler, ‚Schalmeien, Trumeln, Zauberharfen‘, S. 225-242 (mit Exponatbeschreibungen und einige Literaturangaben), hier besonders S. 226ff. Siehe auch Ders., ‚Musik in der mittelalterlichen Stadt‘. 22 Diese im Einzelnen zu analysieren, wäre sicher eine lohnende Fragestellung für musikwissenschaftliche Untersuchungen. Durchaus möglich könnte es ja sein, dass sich in der Stadt – auch aufgrund der gegenseitigen Durchdringung von weltlicher und geistlicher Musik – eine stadttypische Musik entwickelte. 23 So der Titel eines grundlegenden Aufsatzes von Oexle, ‚Die Gegenwart der Toten‘. 24 Siehe hierzu Schreurs, ‚Klänge in der Stadt‘, S. 158ff.
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sich als bürgerliche Spezifika von klösterlicher oder adliger Musik im Gottesdienst durchaus unterschieden. Für den Christen endet das Leben nicht mit dem Tod; das Leben nach dem Tod wurde vielmehr als eine Fortsetzung der im Diesseits begonnen Existenz verstanden. Die Toten behielten deshalb einen rechtlichen und sozialen Status.25 Die Gemein‐ schaft der Lebenden und der Toten in der Liturgie, die Memoria, vergegenwärtigte den Genannten; durch die Nennung des Namens oder auch die Darstellung im Bild wurde der Tote als gegenwärtig evoziert. Die Evozierung der Person war vertraglich gesichert, der Tote war Subjekt des von ihm zu Lebzeiten oder von seinen Angehöri‐ gen nach seinem Tode geschlossenen Vertrags. Die Familien der Führungsschicht, aber auch die Genossenschaften (sowohl die Zünfte der Handwerker als auch die Gilden der Kaufleute, Gesellengilden ebenso wie Bruderschaften jedweder Art) in der mittelalterlichen Stadt gingen ihrer Sorge um die Zeit, die im jenseitigen Fegefeuer zu verbüßen sein würde, ihrer Sorge um Verge‐ genwärtigung im Diesseits auf vielfältige Weise nach. Die Menschen des Mittelalters taten dies vor allem mit Bußopfern, die über die Zeit der Lebenden in die Zukunft wiesen und auch die bereits Verstorbenen einbezogen, sie als Teil einer durch Perpe‐ tuierung des Bußopfers bis zum Jüngsten Tag sozialen Gemeinschaft und Gruppe konstituierten und dadurch zum historischen Subjekt erhoben, das sowohl über die eigene als auch die Lebenszeit der unmittelbaren Vorfahren und Nachkommen andauerte. Diese Selbstdeutung wurde in der Stadt zu einem wesentlichen Element der Konstituierung, der Identität, der Selbstvergewisserung und der Selbstdeutung der Einzelnen wie der Gruppen – so verstanden sich Bürger als Teil einer Gruppe, die Zeit und Raum überschreitend zum historischen Subjekt wurde. Die Stadtkultur des Mittelalters ist daher ohne Totengedenken und Memoria gar nicht vorstellbar. Seelenmessen und Altarstiftungen, Totendienst und Begräbnis, Karitas und Almosen sind spirituell-liturgische Handlungen, denen in der Stadt eminente soziale Funktio‐ nen zukamen: Das Selbstverständnis von Familien und Gruppen manifestierte sich im Handeln für die Zeit nach dem Tode, soziale Gruppe war die gelebte Gemeinschaft der Lebenden und Toten. Almosen und Messfeiern galten als die herausragenden Bußleistungen in der mittelalterlichen Stadt; die Stiftung von Seelenmessen und Almosen waren die belieb‐ testen Formen der Jenseitsvorsorge der vermögenden Patrizierfamilien, aber auch der Zünfte. Nach mittelalterlicher Auffassung reichte die Gemeinschaft mit den Leben‐ den über den Tod hinaus; dies führte zu einer vielfältigen Kultur der Erinnerung. Die Möglichkeit der Hilfe aus dem Diesseits in das Jenseits war zu sichern. Die Toten blieben auf die dauernde Hilfe aus dem Diesseits angewiesen, denn sie selbst konnten ja nichts mehr tun, um ihre Sünden im Diesseits zu tilgen. Daher war die Stiftung einer ewigen Messe zu Lebzeiten die Sicherung des fürbittenden Gedenkens für das eigene Seelenheil und für das Seelenheil der Lebenden und Toten der eigenen sozialen Gruppe.
25 Siehe Schilp, ‚Stadtkultur im spätmittelalterlichen Dortmund‘ (hier Aufsatz 5).
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Die mittelalterliche Stadt hat die Akte der Jenseitsvorsorge, der Memoria, aus der Exklusivität der Welt des Adels und der Geistlichkeit befreit, zu einem Gemeingut gemacht, auf das sich alle Bewohner der Stadt, Bürger wie Einwohner, beziehen konnten, jeder nach seinen materiellen Möglichkeiten.26 Konzentrieren wir uns hier zunächst auf die Stiftung eines Altars mit Kapelle oder Vikarie. Grundmotiv war die konstitutive Verknüpfung von Diesseits und Jenseits, um das Bußopfer der Le‐ benden im Gottesdienst vor dem Altar zu sichern. Eine solche Stiftung garantierte mit dem am Altar angestellten Kleriker regelmäßige Gottesdienste mit der Nennung des Namens (beziehungsweise der Namen) und der Vergegenwärtigung des/der Stifter und damit auf ewig das Bußopfer für die Reinigung der Seelen. Dazu war zunächst ein Handeln des Stifters als homo oeconomicus gefordert. Der eigentliche Altar als Ort des Messopfers musste mit Vermögen ausgestattet werden, damit regel‐ mäßig wiederkehrende Einkünfte die Entlohnung des Klerikers für seinen Altardienst sicherten. Grundbesitz, ganze Bauernhöfe, Häuser in der Stadt, Renteneinkünfte von Immobilien mussten als Ertrag den Unterhalt des am Altar diensttuenden Klerikers erbringen und alle regelmäßigen Ausgaben decken, etwa Wachs für die Kerzen, Öl oder Talg für das ewige Licht liefern, die Entlohnung von weiterem Personal wie etwa des Küsters für seinen Aufwand übernehmen (Glockenschlagen, Bereitstellung von Hostien und Wein, Wäsche der Messgewänder und Paramente usw.) oder auch für den Schulmeister27 mit seinem Chor.28 Nach der Regelung, wo der gestiftete Altar in der zuständigen Pfarrkirche aufgestellt werden konnte, der Weihe dieses Altars und der Einfügung der Messen in die Gottesdienstordnung der Pfarrkirche konnte der Kleriker seinen Dienst vor dem Altar aufnehmen. Der Altarist – und seine Nachfolger – lebte von den regelmäßigen Einkünften aus dem Stiftungskapital. Daneben über‐ nahm der Stifter auch die Kosten für erforderliche Schenkungen: Wertvolles liturgi‐ sches Gerät (etwa: Kelch mit Patene), teure Bücher für die Messe, Kerzenleuchter, Messgewänder und dergleichen mehr; auch die Aufstellung eines Retabels war eine einmalige Ausgabe des Stifters. Der Altarist feierte täglich die Seelenmesse für den oder die Stifter vor dem Altar, so wie es in der Stiftungsurkunde vertraglich vereinbart worden war. Der Stifter hatte sich damit nach der Vorstellung des Mittelalters einen wertvollen Schatz für das Himmelreich erworben: Vor dem Altar wurde täglich bis zum Jüngsten Tag seiner gedacht, wurde er als Person in der Liturgie vergegenwärtigt, als Person evoziert. Die Motivation für eine solche memoriale Stiftung lag in der Sorge um die Zeit im Jenseits: Das Bußopfer der täglich am gestifteten Altar zelebrierten Messen kam dem
26 Siehe Schilp, ‚Stadtkultur im spätmittelalterlichen Dortmund‘ (hier Aufsatz 5). 27 Siehe dazu unten. 28 Als Beispiel mag hier der gut erforschte Kreuzaltar der Familie Berswordt in der Dortmunder Marienkirche dienen. Er war vor allem ausgestattet mit den Einkünften aus einem halben Vollerwerbs-Bauernhof in Brackel und umfangreichen Einkünften aus den Zehnten in Renninghausen, Barop und Brünninghausen. Diese Einkünfte reichten für die Entlohnung des Altaristen. Später kommt noch ein Wohnhaus für den Altaristen in der Stadt hinzu. Siehe hierzu Zupancic, ‚Der Berswordt-Altar in der Dortmunder Marienkirche‘, S. 98ff., und den Urkundenanhang, Der Berswordt-Meister und die Dortmunder Malerei, hrsg. von Zupancic und Schilp, S. 297-312.
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Stifter zugute, linderte seine Leiden im Fegefeuer, half der Reinigung seiner Seele und beschleunigte nach mittelalterlicher Vorstellung so die Erlösung. Insofern ist die Stiftung exklusiv auf das Heil der Seele des Stifters beziehungsweise der Stiftergruppe ausgerichtet; in der Stadt ist dieses Handeln zugleich ein Akt der Selbstdarstellung und der Repräsentation. Die Stiftung brachte bewusst soziale und politische Positio‐ nen zum Ausdruck, wies selbstbewusst die ökonomische Potenz und Privilegierung der Stifter aus. Das für den Stifter geleistete Bußopfer fiel jedoch umso größer aus, je mehr Gläubige an der Messe vor dem eigenen Altar teilnahmen. Die Exklusivität des Bußopfers für den Stifter bedingte in der städtischen Öffentlichkeit insofern zugleich seine Verallgemeinerung, räumte die Altarstiftung doch auf der anderen Seite allen städtischen Bewohnern zusätzliche Möglichkeiten ein, im Rahmen der Vergegenwärtigung der toten Stifter in den Gottesdiensten vor diesem Altar mit der Leistung für deren Seelenheil zugleich Bußopfer für das eigene Seelenheil zu leisten. Religiös-spirituelle Stiftungen in der Stadt standen in Konkurrenz zueinander, versuchten, möglichst große Teile der städtischen Öffentlichkeit auf eigene Belange zu verpflichten.29 Der Altar und die Gottesdienste wurden daher zum Lob Gottes und zugleich zur Mehrung der Attraktivität des eigenen Stiftungszwecks besonders ausge‐ stattet. Ein Altarwerk konnte eine solche das Publikum der Gläubigen anziehende Attraktion sein; auch die besondere musikalische Gestaltung der Messe vor dem eigenen Altar sollte aufgrund der Feierlichkeit vermehrt Gläubige anziehen. Im Kontext der Stiftung von Seelenmessen oder gar Familienaltären begegnen da‐ her folgerichtig auch Anweisungen für die musikalische Ausgestaltungen der Liturgie; insbesondere weltliche Musiker werden dafür bezahlt. Die urkundlichen Quellen wei‐ sen der Musik im Kontext der Memoria einen auszeichnenden, einen herausragenden Platz zu. Die Lobpreisung Gottes durch einen Chor mit Orgelbegleitung ließ die Vergegenwärtigung einer Stiftergruppe zu einem repräsentativen Akt werden, der das Bußopfer des besonders feierlichen Gottesdienstes auf die eigene Jenseitsvorsorge bezog und dadurch um Teilnahme möglichst vieler Stadtbewohner warb. Diese Exklusivität des Bußopfers (für den Stifter) wurde verallgemeinert, denn jeder teil‐ nehmende Gläubige leistete zugleich ein Bußopfer für die Verstorbenen und für sich; grundsätzlich war aufgrund der Öffentlichkeit in der Stadt die gesamte Gemeinde beteiligt. Nur einige Beispiele aus der reichen schriftlichen Überlieferung Dortmunds sol‐ len angeführt werden: 1432 erklärten die Testamentsexekutoren30 des Dortmunder Klerikers und Altaristen Gottfried von Brackel, dieser habe zu seinem Seelenheil einen Acker in der Dortmunder Feldmark gestiftet. Es folgt in der entsprechenden Urkunde eine Regelung der Verteilung der Einkünfte dieses Ackers für Zwecke der Jenseitsvorsorge. Für die Seelenmesse an seinem Todestag und am Tag zuvor für die Totenvigilien erhalten nicht nur die Rektoren der in der Urkunde im einzelnen genannten Kirchen und Kapellen in Dortmund einen Geldbetrag, sondern auch die
29 Zur Problematik des Begriffs der Öffentlichkeit für die mittelalterliche Stadt siehe Schilp, ‚Stadtkultur im spätmittelalterlichen Dortmund‘ (hier Aufsatz 5). 30 Siehe Schilp, ‚Urkunden zum Kreuzaltar‘ [Verzeichnis Nr. 75], S. 303.
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Scholaren der Marienkirche 3 Pfennig für einen besonders feierlichen Gottesdienst mit Chorbegleitung. In den Statuten der Dortmunder Goldschmiede, niedergeschrieben um 1540, aber sicher auf ältere Gewohnheiten der Zunft zurückgreifend, wird ausführlich der jährliche Zunfttag an einem Montag im August beschrieben:31 An diesem Tag wurde der richtman der Zunft gewählt; alle Zunftmitglieder, suster und broider (Schwestern und Brüder), sollen an diesem Tag ihr Wachsgeld an die Zunft zahlen. Es wird Rechnung gelegt, über Zunftinterna beraten und dergleichen mehr. Interessant für unseren Zusammenhang ist, dass die Wachsgelder der Zunftkasse direkt auf die Memoria der Goldschmiede in der Dortmunder Marienkirche dat men begenchnysse doit in unser leyver vrowen kercken vor die broideren und susteren, dey in unser gilde gestorven synt; („dass man die Begängnisse in der Liebfrauenkirche für die Brüder und Schwestern leistet, die als Zunftmitglieder verstorben sind“) bezogen sind, die an diesem Montag im August begangen werden soll. Im Fortgang der Statuten wird geschildert, dass 1490 mit den Kirchmeistern der Marienkirche eine vertragliche Vereinbarung über die Formen des feierlichen Begängnisses für die Zunftbrüder und -schwestern, die während des vergangenen Jahres verstorben waren, getroffen worden war.32 An diesem Montag im August, wahrscheinlich handelt es sich um den letzten Montag des Monats, sollte der städtischen Öffentlichkeit mit den großen Glocken der Marienkirche das Totenamt beziehungsweise die Seelenmesse für die verstorbenen Zunftmitglieder gefeiert werden. Dafür erhielten die Kirchmeister der Marienkirche aus der Wachskasse 2 ½ Schilling zugunsten der loinkiste. Der Pastor sollte mit allen Altaristen seiner Kirche feierlich die Vigilien und die Seelenmesse begehen, und dafür wurden ihm ebenfalls 2 ½ Schilling ausgezahlt. Der Kaplan erhielt für seine besonde‐ ren Fürbitten 12 Pfennig, der Küster 8 Pfennig für die Verwahrung der Lichter. Dem Schulmeister, der auch den Chor der Scholaren der Lateinschule an der Marienkirche leitete, wurden 3 Pfennig ausgezahlt, damit das Seelenamt an diesem Tage gesungen wurde (dat hie die seylemysse singhe). Die Ausgestaltung des Gottesdienstes mit dem Licht zahlreicher Kerzen und dem Gesang des Chores der Scholaren beschreibt ein hohes Anspruchsniveau der Goldschmiede. Zum Gottesdienst für die Toten der Zunft wurde die Stadtgemeinde der Lebenden geladen, kein Aufwand wurde gescheut, um die Gemeinschaft der Toten mit den Lebenden zu einem möglichst gro‐ ßen Bußopfer und zu einem besonderen Erlebnis werden zu lassen. Die Zunft nutzte die Musik zum Lobpreis Gottes als Mittel der Repräsentation und der sozialen wie politischen Platzierung innerhalb der Stadtgesellschaft. Die musikalische Gestaltung setzte für die Totenmesse der Goldschmiede in der Berechnung auf die städtische Öffentlichkeit eine als gelungen verstandene Vollendung.
31 Stadtarchiv Dortmund, Bestand 202 Nr. X 10, hier vor allem S. 28ff. Siehe hierzu Kleimann, ‚Die soziale Gruppe der Handwerker‘, S. 73ff., und Schilp, ‚Zunft und Memoria‘ (hier Aufsatz 9), mit einer Edition der relevanten Passagen des Statutenbuches der Goldschmiede. 32 Diese und alle folgenden Angaben und Zitate aus dem Statutenbuch der Goldschmiede, Stadtarchiv Dortmund Bestand, 202 Nr. X 10, S. 32f.
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Dietrich Westhoff berichtet zum Jahre 1476 einen für den Zusammenhang typi‐ schen Vorgang.33 Der Patrizier Godert van Hövel hatte ein Kapital zur Verfügung gestellt, damit in der Kirche St. Petri an jedem Tag des Kirchenjahres das Salve regina feierlich gesungen wurde. Der Schulmeister hatte mit seinen Schülern im Sommer um fünf Uhr, im Winter um vier Uhr zu singen, wofür er 10 Schilling als Lohn erhielt. Die Kollekte sollte der Rektor des Altars singen, der Hl. Kreuz und St. Stephan geweiht war; zwei Kerzen sollten dazu auf Leuchtern vor dem Marienbild brennen, das in der Kirche aufgehängt war. Der Küster läutete zum Salve regina drei Glocken, die Messglocke und die beiden nächstgrößeren Glocken; auch soll er für die zwei Kerzen sorgen. Der Chronikbericht erwähnt zwar nicht ausdrücklich, dass der Name des Stifters genannt werden soll, doch ist dies anzunehmen. Allein der Bericht des Chro‐ nisten jedenfalls bringt den in der Stadt offensichtlich bekannten Zusammenhang zwischen Stifter und dem feierlichen Gesang des Salve regina in Erinnerung. Die Stiftung zeichnete die St. Petrikirche aus, machte sie für die Gläubigen attraktiver, zog vermehrt Gläubige an, die durch ihre Anwesenheit des Stifters gedachten.34 Auch für die Reinoldikirche ist im beginnenden 16. Jahrhundert eine Stiftung mit dem Zweck überliefert, täglich das Salve regina singen zu lassen; Der Kaplan, der Schulmeister und der Küster sollten dafür je 1 Mark als Lohn empfangen.35 Musik und städtische Repräsentation Als Kaiser Karl IV. auf seiner Reise nach Paris von Nordosten kommend im Novem‐ ber 1377, und ihm folgend im Januar 1378 seine Frau Kaiserin Elisabeth, die Reichs‐ stadt Dortmund besuchte, wurde er in feierlichem Rahmen von der Stadtgemeinde empfangen.36 Hier sei nur kurz auf die musikalische Gestaltung der Einzüge und Feiern während der Besuche eingegangen. Vor den Toren der Stadt wurde er von einer Prozession empfangen, die von den Klöstern und der Geistlichkeit der Stadt mit den Reliquienschätzen Dortmunds angeführt wurde. Höhepunkt war das mitgeführte Reliquiar des Stadtpatrons Reinoldus: Vor ihm stieg der Kaiser vom Pferd (ist er […] van sinem rosse afgetreden und hoechster reverenz und eerwerdicheit dat hilge hovet sanct Reinolts devoetlich sich neigende gekusset), um es zu küssen.37 Dem Heiligen der Stadt – und damit der Stadt selbst – wurde damit Reverenz erwiesen. Als der Kaiser wieder sein Pferd bestieg, um sich in dem großen Zuge Richtung Stadt zu bewegen, fährt der Chronikbericht fort:
33 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 341. 34 Ein ähnliche Stiftung für die Petrikirche im Jahre 1510 erwähnt die Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 391, die Pfarrer Reinhold Vetter, Pastor zu Osnabrück und St. Nikolai in Dortmund, vornahm: Im Advent sollte zur Komplet in der Petrikirche das Veni redemptor gentium gesungen und zuvor die größte Glocke geläutet werden. 35 Siehe ebd., S. 377 und S. 390. 36 Siehe Franke, ‚Kaiser Karl IV. und Kaiserin Elisabeth in Dortmund 1377 und 1378‘ und Lampen, ‚Karl IV. in Dortmund ‘; siehe dort auch der Nachweis der Literatur zu diesen Besuchen. Zu den Besuchen siehe vor allem die ausführlichen Berichte in Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 229-236 und S. 243f. 37 Ebd., S. 231.
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[…] in welcherer procession sich die hellen basunen und ander vijlvoltige allerlei sote und lieflich spil und dat geluet aller klocken mit vreuden in der hoegde under der priester, clerich und scholer sank schal gegeven und sich horen laten. Und ist keiserliche majestät mit solichern und vreudenreicher jubilation vor die Oestenporte komen […].38 „In der Prozession ließen sich die hellen Posaunen und vielerlei anderes süßes und liebliches Spiel, das Geläute aller Glocken mit Freude in der Höhe und unter dem Gesang der Priester, Kleriker und Schüler vernehmen. Kaiserliche Majestät ist mit solcher und freudenreicher Jubilation vor die Ostenpforte gekommen.“ In die Stadt gelangt, zogen Kaiser und Gefolge durch ein Spalier der Bürger am Straßenrand zur Reinoldikirche, um dort vor dem Hochaltar auf den Knien zu beten. Dazu wurde zu Ehren und zum Lob Mariens das Responsorium Foelix (sic!) namque es sacra virgo Maria gesungen; und dat orgeln vermits groter vreuden vrolich sinen clank und sote stemme tuschen dem sange der priesters und scholers lieflich horen laten („Die Orgel ließ mit großer Freude ihren Klang und ihre süße Stimme zum Gesang der Prie‐ ster und Schüler lieblich hören“).39 Als Karl IV. am nächsten Tag zum Gottesdienst abermals in die Reinoldikirche kam, überreichte die Stadt nicht nur Reliquien des Stadtpatrons, sondern auch zwei Codices: Eine Vita und eine Handschrift, wie man Reinoldus […] historij im choer gesungen mit wort und noten […] („Historie im Chor gesungen hatte mit Worten und Noten“).40 Einen Eindruck, wie ein Reinoldusoffi‐ zium in Dortmund gestaltet worden sein könnte, vermittelt eine Kölner Handschrift des 15. Jahrhunderts, die heute in der Universitätsbibliothek Bonn aufbewahrt wird und schon 1956 von Paul Fiebig ediert worden ist (Abb. 10.2).41 Ganz bewusst setzte die Stadtgemeinde die musikalische Gestaltung für den feier‐ lichen Empfang des Kaisers ein. Vor den Toren der Stadt gab Musik dem Empfang einen würdigen Rahmen; in der Kirche wurde das Lob Mariens zur feierlichen Gestaltung des kaiserlichen Gebets vor dem heiligen Sakrament genutzt, um sich angemessen darzustellen. Die Stadt bediente sich der Musik und des Gesangs zur selbstbewussten Repräsentation gegenüber dem Kaiser und seinem Gefolge. Auch der Besuch der Kaiserin Elisabeth im Januar 1378 wurde feierlich gestal‐ tet. Zwar geht der Chronikbericht des Dietrich Westhoff auf einen feierlichen Got‐ tesdienst und das Geschenk einer Reliquie des Stadtheiligen Reinoldus ein, die
38 Ebd. 39 Ebd., S. 232. 40 Ebd., S. 233. und Des Dominicaners Jo. Nederhoff Cronica Tremoniensium, bearb. von Roese, S. 59 berichtet in diesem Kontext: Insuper optulit ei civitas librum de gestis sancti Reynoldi et historiam, que in eius festo decantari consuevit. In Dortmund ist weder eine Reinoldusvita noch eine Reinoldusliturgie erhalten geblieben. Alle Recherchen des Stadtarchivs, in Prag, wo noch heute die 1377 an Karl IV. geschenkte Reinoldusreliquie im Veitsdom zum Kirchenschatz zählt, die dem Kaiser geschenkten Codices ausfindig zu machen, sind bislang gescheitert. Welchen Inhalt eine solche Vita gehabt haben könnte, ist mit der Edition zweier Kölner ReinoldusViten zu erahnen: Weifenbach und Kettemann, ‚Die Historie van sent Reynolt‘, S. 122-156. 41 Bonn, Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, Abt. Handschriften und Rara S 2948; vgl. Fiebig, St. Reinoldus in Kult, Liturgie und Kunst, S. 111ff., mit geringfügigen Korrekturen wiederholt: Schilp, ‚Historia Reinoldi martyris‘ [Verzeichnis Nr. 59), mit vollständiger Abbildung aller Seiten des Reimoffiziums.
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Abb. 10.2: Historia Reinoldi martyris aus einem Antiphonar, St. Kunibert zu Köln?, 15. Jahrhundert, Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, S 2948, fol. 279r und 279v (© Universitäts- und Landesbibliothek Bonn; Foto: Stadtarchiv Dortmund).
musikalische Gestaltung der Messfeier aber findet mit keinem Wort Erwähnung.42 Der Empfang der Kaiserin im Rathaus durch Rat und den vornehmen jungen Män nern und Frauen am Nachmittag des zweiten Besuchstags (Nach der middaegs mael tijt) hingegen berichtet von einer musikalischen Darbietung, wie sie üblicherweise zum Tanze gespielt wurde (manicherlei lustlich und sote spilwerk tom danze gebruekt anhorende) („mancherlei lustvolle und süße Musik, wie sie zum Tanze gebraucht wird, wurde angehört“). Vor der Kaiserin wurde sodann von den Dortmunder Vor nehmen mit hoechster tucht, ere und werdichheit sedich gedanzet („wurde mit höchster Zucht, Ehre und Würde getanzt“). Unter Musik und Tanz wurde am Nachmittag köstlicher Konfekt gereicht und der allerbeste Wein der Kaiserin ausgeschenkt und getrunken; man verbrachte einen Nachmittag mit Lust und Freude auf dem Rathaus – und also den ganzen namiddag mit lust und vreuden vulendigt. Musik und Tanz dienten der Unterhaltung des hohen Gastes – der Chronist betont nachdrücklich, nur die Vornehmsten der Stadt seien zum Tanz auf das Rat‐ haus gekommen. Musik und Tanz waren auch in diesem ausdrücklich ›weltlichen‹
42 Siehe Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 243f. Die folgenden Zitate siehe ebd., S. 244.
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Kontext Medium der Selbstdarstellung und der Repräsentation des reichsstädtischen Rates – man versuchte sich als fähig zu erweisen, den Ansprüchen des höfischen Zeremoniells zu entsprechen. Städtische Spielleute Die beschriebene Inszenierung auf dem Dortmunder Rathaus erteilt einen zarten Hinweis auf die musikantische Gestaltung für den Tanz der patrizischen Jugend – das zitierte lustlich und sote spilwerk übernahmen zweifellos städtische Spielleute. Unter den aufgenommenen Bürgern, die seit 1295 in Bürgerbücher eingetragen wurden, sind zwei interessante Personennamen aufgeführt.43 Schon im Jahr 1300 wurde ein gewisser Lambertus spilmennic, ‚Lambert (der) Spielmann‘, und 1350 Willike pipere, ‚Willike (der) Pfeifer‘, als Dortmunder Bürger aufgenommen, wahrscheinlich also zwei Musiker als Bürger in Dortmund sesshaft.44 Möglich könnte jedoch auch sein, dass der Vater oder Großvater der beiden genannten als Musiker tätig waren und den Zu-Namen weitergaben. Dietrich Westhoff hielt es noch in der Mitte des 16. Jahrhunderts für das Jahr 1363 durchaus angemessen, zu diesem Jahr den folgenden Eintrag in seine Dortmunder Stadtchronik aufzunehmen: Umb disse jaren (1363) waren 3 statspiper to Dortmunde, hatten jaers irer 2 iderein 5 mark und der baßuner 6 mark und drogen ader worden mit Weselschem brune geklet mit stripen up den mohen, und disse kledungen worden van den beerpennigen betalt. „Um das Jahr 1363 waren drei Stadtpfeifer in Dortmund; zwei von ihnen erhielten jährlich 5 Mark, der Trompeter 6 Mark; sie trugen ein Gewand aus braunem Weseler Tuch mit einem Streifen auf dem Ärmel. Diese Kleidung wurde aus den Einnahmen des Bierpfennigs bezahlt.“45 Damit sind Stadtmusikanten 1363 für Dortmund belegt. 1363 also hatte die Stadt Dortmund drei Musiker, drei Stadtpfeifer, angestellt, von denen einer näher als Trompeter bezeichnet ist.46 Dass sie festangestellt und daher sesshaft waren, ergibt sich aus der festen jährlichen Besoldung, die der indirekten Besteuerung des Bierausschanks zugewiesen wurde, und der einheitlichen Kleidung,
43 Die Bürgerbücher gingen im Zweiten Weltkrieg verloren, die Listen der aufgenommenen Bürger seit 1295 wurden aber von Karl Rübel im DUB ediert. 44 DUB 1, bearb. von Rübel, Nr. 279 und Nr. 670. 45 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 219. 46 Hartung, Die Spielleute im Mittelalter, S. 206f., eine sehr kenntnisreiche Veröffentlichung zum Problemfeld der ‚fahrenden‘ Leute, irrt meines Erachtens, wenn er die Sesshaftigkeit von Spielleuten, unter die er die Musiker einbegreift, in den Städten des Spätmittelalters gleichsam als Ausnahme betrachtet: „Was nun die Spielleute betrifft, so zeigt sich […] ein hoher Bedarf an musikalischen und anderen Darbietungen. In den […] Großstädten des Mittelalters konnten sich Spielleute auch als (halb-)seßhafte Künstler ein Auskommen sichern – wenn die Obrigkeit es zuließ.“ Dass die Dortmunder ‚Stadtpfeifer‘ des Jahres 1363 keine Ausnahme waren, das zeigen zahlreiche städtische Quellen; vgl. etwa für Braunschweig die ausführliche Untersuchung von Greve, Braunschweiger Stadtmusikanten, besonders S. 27-46. Für Westfalen siehe die Belege bei Salmen, Geschichte der Musik in Westfalen, S. 84-99.
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die städtischerseits zur Verfügung gestellt wurde. Das Gewand aus braunem Tuch aus der Stadt Wesel verwendete ein Wolltuch mittlerer bis gehobener Qualität.47 Die Kennzeichnung des Gewands durch einen Streifen auf dem Ärmel machte die Stadt pfeifer durch eine Quasi-Uniformierung eindeutig kenntlich, hob sie unter Umstän den auch von fahrenden Spielleuten ab, die als unehrenhafte Leute galten. Die ge nannte jährliche Entlohnung der Musiker mit 5 bzw. 6 Mark Silber deckte sicher den Lebensbedarf nicht vollständig ab, kann aber zumindest als eine Grundbesoldung ver standen werden. Nachrichten über die Kaufkraft von 1 Mark Silber oder die Relation von Löhnen und Preisen liegen erst für das 15. Jahrhundert vor.48 Aufgrund völlig an derer Angebots- und daher auch der Bedürfnisstrukturen des Mittelalters ist die Ver mittlung einer konkreten Vorstellung zur Kaufkraft eines solchen Lohns äußerst pro blematisch. Nur selten begegnen uns die Dortmunder Stadt-Musiker in der schriftlichen Überlieferung; obwohl sie im städtischen Leben ständig präsent gewesen sein müs‐ sen, werden sie kaum erwähnt. Anzunehmen ist die musikalische Gestaltung der Hochzeiten durch die städtischen Spielleute gegen Lohn, vielleicht auch bei Tau‐ fen, Verlöbnissen oder Beerdigungen. Musik im Kontext von Hochzeiten begegnet im mittelalterlichen Dortmund freilich nur bei der Einschränkung eines Hochzeits‐ brauchs im beginnenden 16. Jahrhundert: Am Abend vor einer Hochzeit fanden sich Jugendliche im Haus der Brauteltern zusammen, um zu tanzen; hierbei war es immer wieder zu großer Unzucht und Folgeproblemen gekommen, die für die Zukunft abgestellt wurden. Das Ritual der Hochzeit wurde entsprechend modifiziert.49 Für die Dortmunder Schmiede berichtet Westhoff über den jährlichen Zunfttag, den sie mit einer Vor-Mahlzeit (vurbodde) im Hospital zum Heiligen Geist am Sonntag nach Maria Himmelfahrt begingen; die weiteren Feierlichkeiten sind zum Jahr 1542 nur deshalb berichtet, weil das übliche Fischen der Zunftmeister in den Fischteichen der Osterbauerschaft am Dienstag darauf 1542 durch den Rat verboten werden musste.50 Nach dem Ausfischen der Teiche wurden die Fische üblicherweise in feierlicher Prozession mit pipen und trumen (‚mit Pfeifen und Trommeln‘) auf das Lohhaus gebracht, um dort in einer gemeinschaftliche Mahlzeit der Zunftgenossen verzehrt zu werden. Die städtischen Spielleute musizierten ohne Zweifel für Repräsentationszwecke des Rates, wie wir sie anlässlich des Besuchs der Kaiserin Elisabeth im Jahr 1378
47 Der Weseler Stadtarchivar Martin Roelen sei gedankt für die freundlich gewährte Auskunft. 48 Selbst die Münzrelationen, das heißt die Ausprägung von 1 Mark in Pfennige, variierten je nach Feingehalt Silber der geprägten Münzen. 1 Mark Silber galt in Dortmund so 1394 zu 233,856 Gramm und wurde in 384 Pfennigen ausgeprägt, während früher auf 1 Mark nur 144 Pfennig bzw. 12 Schilling ausgeprägt worden waren. Über 12 Schilling zu 20 Pfennig fand allmählich im Spätmittelalter eine Münzverschlechterung statt. Siehe hierzu Gropp, ‚Moneta Nova Tremoniensis‘, S. 10f. Der Wert einer Mark lässt sich für die Dortmunder Verhältnisse um 1360 also nur ungefähr angeben. Siehe aber zum Beispiel Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 247 für 1417/1418: Ein Scheffel Roggen kostete 35 Pfennig, Gerste 2 Schilling; Lohn für einen Arbeitsmann 3 Pfennig, ohne Beköstigung 5 Pfennig pro Tag. Schon 1407 galt dieser Lohn (ebd., S. 294). 49 Siehe die Schilderung in der Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 400f. 50 Ebd., S. 441f.; siehe hierzu Fehse, Stadtchroniken des späten Mittelalters und der Reformation in Dortmund und Duisburg, S. 115.
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Abb. 10.3: Dortmunder Spielleuteordnung, um 1550, Stadtarchiv Dortmund, Bestand 2 Nr 19/14 (© Stadtarchiv Dortmund).
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ausmachen konnten; sie dienten möglicherweise mit ihren Instrumenten teilweise auch als Wächter für die Stadt. Einige Anhaltspunkte bietet die Ratsverordnung für die städtischen Spielleute aus der Mitte des 16. Jahrhunderts (Abb. 10.3), selbst wenn sie erst rund zwei hundert Jahre nach dem ersten schriftlichen Beleg für Spielleute entstand.51 (1.) Die Trompeter und Spielleute hatten die Einhaltung der Ordnung eidlich zu geloben. (2.) […] alle und ein jeder van innen […], diese Formulierung legt es im Übrigen nahe, dass eine genossenschaftliche Organisationsform der Musiker vereinbart worden war, haben zu geloben, dass sie dem Rat gehorsam Dienst tun; ebenso allen Bürgern und Bürgerinnen, die sie für das Musizieren beschäftigen. (3.) Jeden Morgen, wenn die Nachtwache vom Reinoldi-Turm herunterkommt, soll einer von ihnen den Turm besteigen, um die Wache zu übernehmen bis die Kirche abends erschlossen wird; jede volle Stunde soll er ein Trompetensignal blasen. Wenn ein Herr oder Reiter in die Stadt kommt, hat er dies durch Signal anzuzeigen. (4.) Sollte sich jedoch Kriegsvolk nähern, hat er zuerst in das Horn zu stoßen (irstlich in dat horne stoten). Dann hat er Mitteilung mit seiner Stimme in die Stadt zu machen, wel chen Weg das Kriegsvolk käme, und sobald sie in die Stadt gelangten, sollte er die Trompete anspielen. (5.) Der wachhabende Spielmann darf den Turm nur verlassen, wenn er durch einen seiner Kollegen abgelöst wird. (6.) Alle drei Trompeter sollen auf den Glockenschlag um zehn Uhr zum Reinolditurm kommen, um dort eine Mo tette oder ein anderes Musikstück dreistimmig zu spielen, sowohl an der Süd- als auch an der Westseite des Turms. (7.) Morgens haben die Spielleute mit einer Trompete ein geistliches Lied oder einen Psalm nach der Jahreszeit zu spielen, abends immer den Abendsegen. (8.) Gegen Entlohnung sollen die Spielleute bei Hochzeiten auf spielen, für jeden Spieler mit Instrument ist ein Taler zu zahlen. (9.) Für den Fall, dass die Spielleute vor Bürgern im Weinhaus spielen, ist zu beachten: Die Spielleute sollen auf einer gesonderten Bank stehen, um von dort zum Tanz aufzuspielen. An Instru menten werden genannt: Trompete, Zinke und Schalmeien. Die Musiker dürfen nicht um Trinkgeld bitten, dürfen es aber annehmen, wenn es angeboten wird. In ähnlicher Art dürfen wir uns wohl die Aufgaben und Pflichten der StadtSpielleute auch für das 14. und 15. Jahrhundert vorstellen: Musik in der Stadt wurde für den Rat im Kontext der städtischen Repräsentation eingesetzt, die Musiker waren mit ihren Instrumenten (Horn und Trompete) im Wachtdienst tätig, spielten bei Hochzeiten und zum öffentlichen Vergnügen im städtischen Weinhaus auf. Der Stadtmusikant war im 14. Jahrhundert in Dortmund offensichtlich zu einem ange‐ sehenen Beruf geworden. Die öffentlichen Darbietungen der drei Trompeter am Reinolditurm, eines Trompeters am Morgen und am Abend mit einem geistlichen Lied, bereicherten den städtischen Alltag. Johann Kerkhörde schildert in seiner Chro‐ nik eine Episode zum Jahr 1434, die offensichtlich von den Stadt-Spielleuten mitge‐ staltet wurde. Mit 700 Mann und 50 Pferden waren die Dortmunder ausgerückt, um ein festes Haus des Hermann von Witten jenseits der Ruhr (im Übrigen erfolgreich)
51 Stadtarchiv Dortmund, Bestand 2 Nr. 19/14.
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zu zerstören. Die Bürgerschaft zog den Akteuren entgegen, mit 400 Mann und 30 Pferden und pepen und trumpetteden.52 Dass fahrende Spielleute das musikalische Leben Dortmunds mitprägten, ist zwar anzunehmen, kann aber aus dem Überlieferungsbefund nicht eindeutig erschlossen werden. Dietrich Westhoff berichtet allein zum Jahr 1430, im Winter diesen Jahres habe ein Spielmann auf dem Markt seine Künste vorgeführt: Auf dem Seil (uf einer li‐ nen) spielte er jedermann zu wunder, wobei das Seil zwischen den Häusern Schonegge und der Krone, also in der südöstlichen Ecke des Marktes, gebunden war.53 Geistliche Spiele – Theater auf dem Markt für die städtische Öffentlichkeit Wiederholt finden seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert auch Aufführungen geistli‐ cher Spiele auf dem Dortmunder Markt Erwähnung, die unter starker Teilnahme der Stadtbewohner erfolgten. Feste, Prozessionen, Tage der Zünfte, die Gestaltung des Besuchs hochgestellter Personen, gewonnene Schlachten, Errettung aus der Gefahr, Feste des Kirchenjahres (Kirchweih, Festtag des heiligen Patrons und dergleichen mehr), Ratswahl wurden von der Stadtgemeinde festlich begangen. Als öffentliche Akte dienten sie auch der Repräsentation: Die Stadt oder Teile (etwa der Markt oder die Straße des Herrschereinzugs) wurden dazu geschmückt, regelrecht herausgeputzt. Nicht nur die musikalische Gestaltung gehörte zu solchen Anlässen; auch Thea‐ teraufführungen der Bürger zählten dazu: Sie sollten zerstreuen und belehren. Alle waren in der Stadt an einem solchen Geschehen beteiligt; der Übergang von Akteu‐ ren, Gestaltern, Planern, Musikanten, ‚Schauspielern‘, Tänzern und Publikum war fließend – alle waren aktiv.54 Musik und Theater, das öffentliche Lesen, besser: das Vorlesen von Literatur gehörten zum Rhythmus der Stadt. Geistliche Spiele, von kirchlicher Seite durchaus beargwöhnt, gehörten in Städten allgemein zum Alltag – sie sind seit dem 14. Jahrhundert belegt.55 Auch für Dortmund sind sie schon früh anzunehmen, doch erst seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert greifbar: In der Faschingszeit wurde 1497 von Bürgern mit großem Erfolg ein Georgs-
52 Chronik des Johann Kerkhörde von 1405-1465, bearb. von Franck und Hansen, S. 50. 53 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 306. 54 Siehe den Überblick anhand flandrischer Städte von Pleij, ‚Die städtische Literatur 15.-16. Jahrhundert‘. Das Thema kann hier nur am Rande gestreift werden. Pleij weist zu Recht (ebd., S. 174f.) darauf hin, dass Theater und Literatur auch zur Bildung städtischer Elite beitrugen, sich Elite im Medium von Literatur ausdrückte. Musik und die literarische Gestaltung brachte soziale Differenzierung zum Ausdruck, konstituierte diese mit. Zu den Dortmunder chronikalischen Quellen siehe die Zusammenstellung bei Mämpel, Das Dortmunder Theater, S. 9-20; eine moderne Analyse und Deutung der Quellen stehen aus. 55 Zu den geistlichen Spielen des Mittelalters aus stadthistorischer Sicht siehe Freise, Geistliche Spiele in der Stadt des ausgehenden Mittelalters. Für Frankfurt am Main ist eine ‚Dirigierrolle‘ eines Passionsspiels aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts überliefert. Eine frühe Überlieferung ist auch einer Handschrift eines Katharinen-Spiels (erwähnt 1321) und eines Zehnjungfrauenspiels (zweite Hälfte 14. Jahrhundert) in Mühlhausen/Thüringen erhalten: Stadtarchiv Mühlhausen Th. 60 / 20. Martin Sünder in Mühlhausen sei für die freundlichen Hinweise und Auskünfte herzlich gedankt.
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Spiel aufgeführt.56 Im Jahr darauf wurde von Bürgern mit großem Aufwand ein Johannes-Spiel gegeben, wobei die (Rats-)Herren den Aufwand mit einer großen Spende unterstützten.57 1506 ist abermals eine Theater-Aufführung zum Fastabend genannt: Ein herrlich Vastavents spil, genant der Kalkoven, wurde durch treffliche Bürger und junge Gesellen auf dem Markt gegeben.58 Bürgergruppen inszenierten auf Bühnen Szenen des Heilsgeschehens, Heiligenviten und dergleichen – sie setzten die von den Altar-Retabeln der Kirchen in der Stadt gekannten Bilder und Bildgruppen in eigene Aktion um, setzten sich mit dem Inhalt deutend auseinander und drückten ihre Sicht über den religiösen Gehalt im eigenen Spiel aus. An diesen Inszenierungen wurde, wie Dorothea Freise vor allem für Frankfurt am Main hat zeigen können, intensiv gearbeitet, von Aufführung zu Aufführung auch verbessert und geändert, die Choreographie modifiziert.59 Zum Tag der hl. Dorothea, am Sonntag zu Fastabend, des Jahres 1513 erhalten wir einige weitere Informationen.60 Bürger führten auf dem Marktplatz ein AntichristSpiel auf, das mit sechs verschiedenen Burgen, das heißt Bühnen, operierte: (1.) In der Nähe der ‚Krone‘ waren zu sehen Gott, Maria, Johannes Baptist, die Heiligen Peter und Paul sampt den engeln seer kostlich uet gebutzet und verziert mit kleinodien. (2.) In der Nähe der Fleischbänke der Papst mit Kardinälen und Bischöfen. (3.) An der Westseite des Rathauses eine kaiserliche Burg mit Königen, Fürsten und Herren. (4.) Gegenüber dem Rathaus im Norden der Antichrist mit seiner Gesellschaft. (5.) Direkt daneben die Burg der Juden mit ihrem Anhang. (6.) Die abschließende Szene stellte die Hölle dar, mit vil gruwelichcen und helschen duveln („mit sehr grausamen und höllischen Teufeln“) Der Chronist vermeldet, diese Aufführung habe viel Geld und Arbeit gekostet. Zu solchen Ereignissen, und das sollten wir uns vor Augen führen, war im Spätmittelalter die gesamte Stadt auf den Beinen – ein Geistliches Spiel, eine Theateraufführung, das war ein Ereignis von erstem Rang für die städtische Öffentlichkeit. Die mittelalterliche Stadt – singende, lesende und schreibende Bürger Dietrich Westhoff, geborener Dortmunder Bürger, teilt wiederholt Einzelheiten sei‐ ner Biographie mit.61 An zwei Stellen seiner Dortmunder Chronik erinnert er auf eigentümliche Weise an stadtgeschichtliche Ereignisse aus seiner eigenen Lebenszeit. Zum Jahr 1513 beschreibt er etwa mit detaillierten Informationen die Bauarbeiten
Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 364. Ebd., S. 368. Ebd., S. 377. Freise, Geistliche Spiele in der Stadt des ausgehenden Mittelalters, S. 113ff. Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen; siehe hierzu ausführlicher Meier, ‚Repräsentation und Teilhabe‘. 61 Zur Biographie des Dietrich Westhoff siehe noch immer die Einleitung zur Chronik von Hansen, in: Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 173-176. Die folgenden Hinweise folgen Hansen.
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am Turm der Petrikirche: Nicht nur die spektakuläre Aufsetzung des Turmhelms und der Turmspitze war ihm im Gedächtnis geblieben, sondern auch der Name des Baumeisters, dessen Mund durch eine Hasenscharte (durch meester Herman mit dem Hasenscharde (den er ouch an dem munde hatte) entstellt war. Er teilt weiter mit, warum er diese Information geben konnte, denn er habe das alles selbst gesehen, dwile ich ein junk veger was und daer to schole gangen („als ich ein junger Feger war und dort zur Schule ging“). Er kann sogar weitere Informationen über die Länge des Turmhelms und wie beziehungsweise wo der Aufbau im unteren Gelände vorbereitet wurde.62 Für das folgende Jahr 1514 teilt der Chronist mit, er sei Zeuge beim Einsturz eines Hauses gewesen, bei dem er beinahe ums Leben gekommen wäre. Er berichtet weiter, er sei damals auf dem Wege aus der Schule nach Hause gewesen.63 An einer anderen Stelle berichtet Westhoff, er sei siebzehn Jahre als Schmied tätig gewesen. Wohl 1509 geboren, war er schon 1513 Schüler der Petrischule; nach einer anderen Angabe besuchte er sie noch 1522. Die Angaben sind in der Chronologie nicht ganz stimmig – sein Schulbesuch aber ist zweifellos bezeugt. Als Schmied wurde er dann zum Dortmunder Gerichtsschreiber ernannt und vom Rat mit der Niederschrift der Chronik beauftragt. In einer der überlieferten Chroniken ist eingetragen, er habe Liebe und Lust am Gesang zum Gottesdienst gehabt. Daher können wir mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen, dass Dietrich Westhoff als Schüler der Lateinschule an St. Petri nicht nur die lateinische Sprache, das Lesen und Schreiben erlernte, sondern als Schüler auch unter Führung des Schulmeisters im Chor der Scholaren mitgesungen hat. Und Schulen muss es schon im 13. Jahrhundert in Dortmund gegeben haben; erstmals erwähnt ist 1268 der rector scolarum der Reinoldikirche, 1310 ein rector scolarum der Marienkirche, als die Schulmeister der diesen Kirchen angeschlossenen Schulen.64 Überhaupt ist zu bemerken, dass die Chöre der Stadtkirchen, wie auch die Auffüh‐ rungen der geistlichen Spiele durch Bürger einen gewissen Grad der Ausbildung und Umfang der Bildungskenntnisse voraussetzt. Dass ein Schmied zum Gerichtsschrei‐ ber und Chronisten wurde, deutet auf eine Grundbildung hin, die in den Städten der Zeit auch in privaten Schreib- und Rechenschulen gelehrt wurde. Auch der Dortmun‐ der Chronist Johann Kerkhörde, der für private Zwecke schrieb, war als Handwerker Mitglied des Rates geworden, auf jeden Fall war er des Lesens und Schreibens mäch‐ tig.65 Das Zunftbuch der Goldschmiede, niedergeschrieben um 1540, ist erkennbar von den Zunftangehörigen selbst geschrieben worden. Aus dem Jahre 1299 ist ein Schreiben des Dortmunder Ratsherren Heinrich Calv erhalten, der als Ratssendbote aus Lübeck in gepflegtem Latein über die Verhandlungen von Hansestädten in seine Heimatstadt berichtet.66
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Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 416. Ebd., S. 419. DUB 1, bearb. von Rübel, Nr. 126 und Nr. 321. Zu Johann Kerkhörde siehe Hansen, ‚Einleitung‘ zur Chronik des Johann Kerkhörde von 1405-1465, S. 5-9. DUB Ergänzungsband, bearb. von Rübel, Nr. 388.
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Die Ausdrucksfähigkeit, der Stil dieser schreibenden Bürger mag heute etwas un‐ beholfen wirken, die Schriftzeugnisse, die sich auch in Dortmund für das Mittelalter vermehren ließen, widerlegen das weit verbreitete Urteil über die mittelalterliche Stadt als einer illiteraten Gesellschaft: Bürger entwickelten jenseits der obrigkeitli‐ chen Verwaltung durch das Ratsgremium eine Stadtkultur, die umfassend auf der Schriftlichkeit beruhte. Die Grundlagen dafür wurden an den Lateinschulen der städtischen Pfarrkirchen gelegt: die Bürgersöhne gingen eventuell sogar zum Studium nach Köln, Paris oder Bologna.
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Memoria in der Dunkelheit der Nacht* Lichtinszenierung mittelalterlicher Kirchen zum Totengedenken Die große Ausstellung Leven na de dood. Gedenken in de late Middeleeuwen (‚Leben nach dem Tod. Gedenken im Spätmittelalter‘) – präsentiert 1999 im Museum Catha‐ rijneconvent Utrecht − hat die Aufmerksamkeit der niederländischen Öffentlichkeit nachhaltig auf das Thema des Totengedenkens gelenkt.1 Mit dieser Ausstellung war es gelungen, einen wesentlichen Teil des kulturellen Erbes der vormodernen europäischen Gesellschaften für die Niederlande näher in den Blick zu ziehen. Das Totengedenken nämlich war über die liturgischen und spirituellen Dimensionen hinaus ein alle Lebensbereiche durchdringendes Handeln: Memoria war ein „totales gesellschaftliches Phänomen“.2 Memoria war soziale Praxis, da die sozialen Gruppen sich wesentlich auch über die Formen des Totengedenkens organisierten. Memoria bedingte wirtschaftliches Handeln, praktizierte die Gemeinschaft der Lebenden mit den Toten und die Toten selbst als Rechtssubjekte, und last but not least: Unzählige Kunstwerke der Vormoderne verdankten sich den Sorgen von Stiftern und Schenkern um die Zeit nach ihrem Tode, gehen auf den Zweck des eigenen Totengedenkens zu‐ rück und verdankten sich daher dem Kampf gegen das Vergessen der eigenen Person nach dem Tode. Truus van Bueren hat 1999 im Katalog an verschiedenen Stellen in den Objektwelten des späten Mittelalters auch auf die Bedeutung von Kerzenlicht für das Totengedenken aufmerksam gemacht – ihr Forschungsansatz wird im Folgenden aufgegriffen und weitergeführt, wenn die Bedeutung der nächtlichen Beleuchtung von Kirchen oder Teilen von Kirchenräumen in die Überlegungen einbezogen wird.3 Ohne Kerzenlicht ist Liturgie im Mittelalter nicht denkbar. Im Totengedenken kommt diesem besondere Bedeutung zu: Licht im liturgischen Kontext galt − negativ formuliert − als die Überwindung der Schrecknisse der Nacht und der Dunkelheit, positiv gesprochen als das Symbol des ewigen Lebens, der Hoffnung auf Heil und
* Erstpublikation in: Living Memoria. Studies in Medieval and Early Modern Memorial Culture in Honour of Truus van Bueren. Middeleeuwse Studies en Bronnen 137, hrsg. von Rolf de Weijert, Kim Ragetli, Arnoud-Jan Bijsterveld und Jeanette van Arenthals (Hilversum: Verloren, 2011), S. 221-234 [Verzeichnis Nr. 171]. 1 Leven na de dood, hrsg. von Van Bueren. 2 Vgl. hierzu grundlegend Oexle, ‚Memoria als Kultur’, besonders S. 37ff. (hier auch Hinweise auf die wichtigste Literatur zur Erforschung der Memoria und des Totengedenkens vor 1994). 3 Leven na de dood, hrsg. von Van Bueren, S. 50ff., oder S. 186ff. (Katalog Nr. 51ff.). Stadtgesellschaft und Memoria, ed. by Arnoud-Jan Bijsterveld, Meta Niederkorn & Annemarie Stauffer, Memoria and Remembrance practices, 3 (Turnhout: Brepols, 2023), pp. 275–288 10.1484/M.MEMO-EB.5.132328
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Erlösung – ein Zusammenhang, der hier nur angedeutet werden kann.4 In der Schöpfungsgeschichte ist Licht als die Erscheinungsform des Göttlichen schlechthin verstanden. Die Schöpfungsgeschichte weiß konsequent zu unterscheiden: Gott schuf am ersten Tag das Licht, am dritten Tag aber Sonne, Mond und Sterne (Gen. 1,1 ff.); ‚Licht‘ meint mithin theologisch gedeutet anderes und wesentlich mehr als das bloße Tageslicht der Sonne. Christus galt und gilt Christen als die Verkörperung göttlichen Lichts, und das ‚Ewige Licht‘ in jeder katholischen Kirche, seit der Zeit um 400 nachweisbar, galt und gilt einerseits als Versinnbildlichung Christi, diente und dient andererseits zugleich der Verehrung der Eucharistie im Tabernakel. So weist Licht dem gläubigen Christen bis heute den Weg zur Erlösung und zum ewigen Heil. Die christlichen Gotteshäuser sind aus diesem Grunde seit je geostet, ausgerichtet auf die aufgehende Sonne als der Zeugin Gottes, die Heil bringt. Durch Kerzenlicht und Lampen sind die Kirchen beleuchtet, um Dunkelheit zu überwinden. Das Evan‐ gelium wurde von Süden nach Norden (oder von Osten nach Westen) verlesen, um den Schrecken der Dunkelheit mit dem Wort Gottes als Licht entgegen zu treten. Kirchenbauten sind auf ihre Weise gebaute Lichteffekte – ihre Architektur setzt Licht ein, um Räume in beabsichtigter Weise wahrnehmen zu lassen, Raumeindrücke hervorzurufen und zu bewirken. Der durch Architektur gebildete und erzeugte Raum beschreibt ein symbolisches Abbild der Stadt Gottes, des Himmlischen Jerusalem. Selbst wenn eine konkrete Kirchenarchitektur der Vision der Himmlischen Stadt nie im eigentlichen Wortsinne nachgebildet wurde, diente dieses Ideal der Civitas Dei dennoch als Leitvorstellung – man konnte sich diesem nur annähern, man griff Elemente auf, um die Heilige Stadt als Ziel menschlichen Strebens aufzuzeigen, fühlte sich im symbolisch verstandenen Raum selbst gut aufgehoben; die Architektur versuchte auf mannigfache Weise Elemente in das Raumgefüge einzubinden, um mit dem Bau einer Kirche das Himmlische Jerusalem auf Erden nachzuleben. Dabei ori‐ entierte sich das Mittelalter an der Beschreibung des Evangelisten Johannes in seiner Vision der Apokalypse, in der ein Engel ihm die Himmlische Stadt zeigte: Dieser, so wird unter anderem berichtet, „… zeigte mir die große Stadt, das heilige Jerusalem hernieder fahren aus dem Himmel von Gott, die hatte die Herrlichkeit Gottes. Und ihr Licht war gleich dem alleredelsten Stein, einem heiligen Jaspis …“ (Joh., Off. 21, 9 f.). Der Lichtstrahl der Sonne im Tageslauf als Abbild Gottes wurde regelrecht in der Kirche gefangen, Tag für Tag als Sieg Gottes über das Diabolische der Nacht gefeiert, doch blieben die Schrecknisse der Nacht, die Furcht vor Ungewissheit und Verdammnis, die Angst vor dem Nichts.
4 Die folgenden Überlegungen sind aus dem Kontext der für Universität und Stadtöffentlichkeit konzipierten Dortmunder Vorlesung „Bild und Klang“ in der Dortmunder Stadtkirche St. Reinoldi entstanden; im Wintersemester 2010/2011 war diese Vorlesung dem Thema „Licht“ gewidmet. Die Vorlesungsreihe „Bild und Klang“ wurde von Barbara Welzel (Kunstgeschichte), Michael Stegemann (Musikwissenschaft) und Thomas Schilp (Geschichte) seit 2005 zu unterschiedlichen kulturhistorischen Themen von der Technischen Universität Dortmund und der Universität Duisburg-Essen veranstaltet und vereinzelt, aber immer wieder, auch durch Gastreferenten ergänzt. Barbara Welzel und Michael Stegemann sei für das produktive kollegiale Zusammenwirken, die Bereicherung des Wissens der eigenen Disziplin um andere Blickperspektiven und den interdisziplinären Diskurs herzlich gedankt.
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Der Barbarossaleuchter der Aachener Pfalzkapelle (Abb. 11.1), entstanden im Auftrag Kaiser Friedrichs I. Barbarossa und dessen Frau Beatrix zwischen 1164 und 1170, vereint wie kaum ein anderes Kunstobjekt des Mittelalters diese Dimensio‐ nen der Deutung von Licht und Kirchenarchitektur: Der Radleuchter unter der oktogonalen Kuppel der Pfalzkapelle symbolisiert mit seiner stilisierten Stadtmauer die Himmlische Stadt. Der Leuchter fasst 48 Kerzen, die einst inmitten silberner Figürchen von Heiligen, Engeln und Torwächtern die gesamte Kirche in ein heiliges Licht hüllten. Die Figürchen waren an den 16 Türmen angebracht und sind seit Längerem schon verloren. Dennoch versinnbildlicht der Barbarossaleuchter auch heute nachvollziehbar eine Stadt der Lichter, die „keiner Sonne noch des Mondes bedarf, denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie“ (Joh., Off. 21, 23). Der Leuchter gestaltet die Aachener Pfalzkapelle zum Abbild des Himmlischen Jerusalem und vollendet auf diese Weise die Bedeutung des Kirchenraums als Ort des wahren Lichts, der lichtstrahlenden Civitas Dei.5 Es nimmt von hier aus betrachtet nicht wunder, wenn das Totengedenken die theologischen Deutungen des Lichts bis zum heutigen Tage aufgreift, und bereits die mittelalterliche Memoria brachte gleichsam zwangsläufig Lichtmittel für die Akte der Erinnerung in der Liturgie zum Einsatz. Die Nacht – so war die Deutung – bringt Unheil, bietet nichts als Schrecknisse; die Finsternis des Todes mit allen Unbilden und Schrecknissen sollte durch das Licht der Kerze überwunden werden. Die Seele des Verstorbenen sollten sich in der Dunkelheit der Nacht durch das Licht der Kerze geborgen fühlen, ihren Weg finden können. Der Akt der Entzündung der Kerze, die Sorge der Lebenden um die Kerze für die Seele praktizierte die Vergegenwärtigung des oder der Toten – die Überwindung der Finsternis durch das Licht bezog die Lebenden insgesamt in das Totengedenken ein. Schon im Mittelalter kam daher der Sterbekerze eine hohe Bedeutung zu, ein‐ drücklich dargestellt im Marientod etwa des Malers Conrad von Soest auf der Mitteltafel des Hochaltarretabels in der Dortmunder Marienkirche (Abb. 11.2). Der Apostel Johannes übergibt der entschlafenden Gottesmutter eine brennende Sterbe‐ kerze in die Hand, die die Seele begleiten soll. Engel reichen ihre Hände an den Mund Mariens, um die Seele in Empfang zu nehmen und zum Himmel zu geleiten.6 Der Marientod gehörte zu den wichtigsten Bildthemen des Spätmittelalters, denn der gut vorbereitete Tod inmitten der vertrauten Familienangehörigen und Freunde galt sozusagen als der ideale Tod; die Sterbekerze, Symbol Gottes sowie Christi und damit des Wegs zum Heil, gehörte in der Vorstellungs- und Deutungswelt des Mittelalters zum „guten“ und „gelungenen“ Tod, ganz wie dies auch dafür galt, im Kreis der Familie und Freunde zu sterben und von diesen zur letzten Ruhestätte geleitet zu werden. 5 Zum Barbarossaleuchter siehe Minkenberg, ‚Der Barbarossaleuchter’, bes. S. 97-102. Ohne neue Ergebnisse, aber mit einer exzellenten fotografischen Dokumentation zum Abschluss der Sicherungs- und Sanierungsarbeiten am Barbarossaleuchter: Lepie und Schmidt, Der Barbarossaleuchter. 6 Zum Marienretabel des Conrad von Soest siehe die Aufsätze in den Sammelbänden Conrad von Soest, hrsg. von Buberl; Dortmund und Conrad von Soest, hrsg. von Schilp und Welzel [Verzeichnis Nr. 103]; Ferne Welten – Freie Stadt, hrsg. von Ohm, Schilp und Welzel [Verzeichnis Nr. 116], vor allem S. 178ff.
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Abb. 11.1: Barbarossa Leuchter im Aachener Dom, zwischen 1164 und 1170 (© Wikimedia Commons).
Die Praxis des mittelalterlichen Totengedenkens – und bis in unsere Zeit hinein ist dies ja so – ist ohne Kerzenlicht überhaupt gar nicht zu denken: „… ohne Kerzen oder andere Beleuchtung ist … nirgends Memoria gehalten worden“, so hat es Renate Kroos 1984 bei ihren Überlegungen zu Grabbräuchen des Mittelalters formuliert.7 Sie hat eine beeindruckende Zahl von Quellen über den Zusammenhang von Memoria und Licht zusammengestellt, eine Zusammenstellung von Quellen, die – wie Kroos selbst anmerkt − keinerlei Vollständigkeit beansprucht und quantitativ fast beliebig fortgesetzt werden könnte. Äußerst zahlreich begegnen in den memorial motivierten Stiftungsurkunden des Mittelalters Kerzen, die dem Seelenheil des Stifters, oft seine Familie und Freunde einbeziehend, oder einer sozialen Gruppe dienten. Sie wurden am Grab zum Jahrestag des Todes, an bestimmten Fest- oder Heiligentagen des Kir chenjahres in einer Kapelle, vor einem Bild, während eines Gebets, zu einer Messe eingesetzt, um dem ungewissen Zustand der Dunkelheit des Todes das Licht der Er lösung im Sinne der Möglichkeit des ewigen Lebens entgegenzustellen. Die Praxis des Totengedenkens nutzte die Symbolkraft des Lichts für die Vergegenwärtigung des oder der Verstorbenen in der Liturgie der Lebenden. Im Folgenden sollen einige Quellen aus der Region zwischen Lippe und Ruhr vorgestellt und diskutiert werden, in denen die Absicht zu erkennen ist, durch Ker‐ zenlicht für das Totengedenken zu sorgen sowie wohl noch mehr und auch anderes zu bewirken. Die Überlegungen wollen anhand weniger Beispiele die Lichtinszenie‐ rung eines Kirchenraumes in der Dunkelheit der Nacht im Kontext von Memoria
7 Kroos, ‚Grabbräuche − Grabbilder’, S. 320ff. Dieser Auflistung habe ich einige Anregungen entnommen.
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Abb. 11.2: Conrad von Soest, Marientod, Detail von der Mitteltafel des Marienretabels, Marienkirche Dortmund, vor 1420 (© Foto: Rüdiger Glahs, Dortmund).
diskutieren. Welche Wirkungen waren beabsichtigt, welche Ziele hatten die Akteure im Blick? Mit dem Einsatz von Kerzen als Lichtquelle wurde der konkrete Ort einer Kirche oder Kapelle für das Totengedenken in spezifischer Weise genutzt. Die Erhel lung des Raumes sollte die Erinnerung an den oder die Toten wachhalten und dessen Vergessen verhindern, lenkte die Wahrnehmung des Menschen auf bestimmte Punkte im Raum, ließ andere Aspekte des Raumgefüges in der relativ stärker betonten
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Dunkelheit des Raums ignorieren oder in den Hintergrund treten. Dieses Licht sorgte im konkreten örtlichen Kontext eo ipso für die Vergegenwärtigung des oder der To ten. Es verfolgte darüber hinaus aber auch das Ziel, Aufmerksamkeit für das konkrete Gedenken an einem ganz bestimmten Ort im Raumgefüge der Kirche zu erzielen. Möglichst viele Menschen sollten durch die brennenden Kerzen in die konkret ge lebte Gemeinschaft von Lebenden mit den Toten einbezogen werden. Die Lichtin szenierung des Raumes durch Kerzenlicht nutzte in einer Zeit, die noch keine moder nen automatisierten Mittel der Beleuchtung einer Kirche oder eines Klosters, aber etwa auch einer ganzen Stadt oder auch eines kleineren Raumes kannte, geschickt das Medium des Lichts, um die relative Finsternis der Nacht, erleuchtet allein durch Mond und Sterne, zu überwinden. Die sinnliche Wahrnehmung sowohl innerhalb des Raums selbst als auch in der Wirkung eines beleuchteten Raumes nach außen, wurde durch Kerzenlichter erheblich geändert. Berücksichtigen müssen wir nämlich auch, dass Kerzen zur Herstellung Wachs, im Mittelalter einen extrem teuren Rohstoff, nutzten, und Wachs konnte in der je eigenen Region gar nicht bedarfsdeckend herge stellt werden.8 Kerzen waren ein Luxusartikel nahezu exklusiv für die Reichen und Mächtigen, die das Licht zur Inszenierung höfischen Lebens oder zu Repräsentations zwecken einsetzten, und für die Praxis der Liturgie. Oft von weit her, etwa durch den Handel der Hanse mit Russland in Nowgorod, wurde Wachs für die Kerzen und auch die Anfertigung der für die Beglaubigung von Urkunden im Mittelalter unbedingt ge forderten Siegel importiert. Praktiziert wurde vor allem das Entzünden von Kerzen am Anniversartag oder an anderen vertraglich bestimmten Tagen des Kirchenjahres. Für das Jahrgedächtnis der Essener Äbtissin Svanhild († nach 1085) zum Beispiel wurde in den Consuetudines der Essener Kanoniker aus der Zeit um 1410 festgehalten, dass am Grab der Äbtissin in den vier Ecken der Grabplatte vier Wachskerzen aufgestellt wurden, die für eine Nacht bis zur ersten der vier Memorial-Messen für die Äbtissin am folgenden Tage brannten.9 Da sich das Grab, wie auch die Consuetudines mehrfach betonen, in der Krypta der Essener Münsterkirche befand, war die Wirkung dieses Kerzenlichtes auf den Raum der Krypta und damit weitgehend auf das Leben der Kanonikerinnen und Kanoniker des Stifts beschränkt. Von einer Wirkung auf die nächtliche Wahr‐ nehmung der Münsterkirche von außen dürfen wir in diesem Fall also eher nicht ausgehen. Theophanu (1039-1058), Vorgängerin von Äbtissin Svanhild im Essener Abbatiat, hat eine berühmte Memorialurkunde hinterlassen, mit der sie das Totengedenken für das Jahr nach ihrem Tode bis in kleinste Details regelte.10 In einem Nachtrag der
8 Siehe hierzu nur Schilp, ‚Novgorod’ [Verzeichnis Nr. 118a], 343ff. mit den Hinweisen auf weiterführende Literatur. 9 Urkunden und Akten des Essener Münsterarchivs, bearb. von Arens und Schäfer, S. 298. Der Liber ordinarius (um 1370 niedergeschrieben) erwähnt für das Anniversar der Äbtissin Svanhild am Tage der Heiligen Abdon et Sennes (30. Juli) vier Messen mit Kommendation und den Gebrauch von zwölf Kerzen (Liber ordinarius, bearb. von Arens, S. 121). 10 Zuletzt ediert in Essener Urkundenbuch, bearb. von Schilp [Verzeichnis Nr. 157], Nr. 30; vgl. hierzu zuletzt Horch, ‚…pro commemoratione animae meae distribuenda‘ mit den Hinweisen auf die umfangreiche ältere Literatur.
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nicht durch ein Siegel beglaubigten, also nur für den internen Gebrauch des Konvents bestimmten Urkunde, eingetragen von der gleichen Hand auf der Rückseite des Pergamentblattes, ordnete Theophanu an. Für die Memoria ihrer Seele hat sie dem Konvent (congregationi) zu jedem 30. Tag bis zum Jahrgedächtnis ihres Todes weitere Geldzahlungen von 46 Pfennig für das Totengedenken ausgesetzt; unter anderem sind hier sodann 6 Schilling 1 Pfennig für Kerzen an jedem Monatssiebten bis zum ersten Jahrestag ihres Todes genannt; an jedem Termin wurden 5 Pfennig gezahlt. Dafür waren je zehn Nachtlichter zu den Terminen aufzustellen, nämlich in Essen in der Münsterkirche selbst, sodann in deren Krypta, in der Kapelle der Äbtissin, in der Kapelle St. Pantaleon, bei der hl. Maria, in St. Johann, in St. Quintin, in St. Gertrud; sodann werden als Orte für Nachtkerzen Rellinghausen und Gerresheim genannt. Die beiden letztgenannten Orte beziehen die wichtigsten sozialen Stationen des religiösen Lebens der Essener Äbtissin für ihr Totengedenken ein: Im Frauenstift Gerresheim bei Düsseldorf war Theophanu ebenfalls Äbtissin, das Frauenstift in Essen-Rellinghausen war unter ihrer Vorgängerin Äbtissin Mathilde gegründet wor‐ den. Ebenso sind die beide Essener Kirchen St. Johann, in unmittelbarer Nachbarschaft der eigentlichen Stiftskirche gelegen, und St. Gertrud, die spätere Marktkirche der Stadt Essen, mit Nachtlichtern in die Memoria der Äbtissin einbezogen, denn beide Kirchen waren von der Essener Stiftskirche abhängig und wurden von Klerikern des Frauenstifts betreut.11 Hinzu kommt, dass die Kapelle St. Quintin, ebenfalls in unmittelbarer Nähe des Stifts, auch mit einem Nachtlicht beleuchtet wurde – St. Quintin war die Kapelle, in der die Essener Kanonikerinnen nach ihrem Tode aufge‐ bahrt wurden.12 St. Johann und St. Quintin befanden sich im engeren Stiftsbereich, in der Stiftsimmunität, St. Gertrud lag nur wenige Meter außerhalb der einstigen Immunität. Die Nachtlichter in den Kirchengebäuden in der Nähe des Stifts waren mit Sicherheit von Betrachtern außerhalb der Gebäude wahrnehmbar und sollten wahrgenommen werden. Mir scheint die Annahme plausibel, dass der Zweck der Memoria nicht nur durch die bloße Verwendung des Lichts, sondern gerade auch durch die nächtliche Sichtbarmachung des Raums nach außen bewirkt werden sollte. Die beleuchtete Kirche lenkte nächtens die Aufmerksamkeit auf sich, ließ fragend ermitteln, zu welchem Zweck dies erfolgte, bezog also die „Außenstehenden“ in das Totengedenken ein. Dies gilt umso mehr, als in der Urkunde Theophanus in der Stiftimmunität ja wei‐ tere Nachtlichter erwähnt sind, nämlich in der Münsterkirche selbst, in der Krypta, in der Kapelle der Äbtissin (engerer Stiftsbereich oder Klausur), in der Kapelle St. Pantaleon, sodann „bei der hl. Maria“. Hier ist wohl ein Licht vor der ‚Goldenen Madonna‘ in der Münsterkirche gemeint, der bis heute erhaltenen und verehrten Marienskulptur aus der Zeit um 980/990, der ersten vollplastischen Marienfigur des europäischen Mittelalters und eine der ersten vollplastischen Skulpturen der
11 Siehe hierzu Schilp, ‚Pfarreien des Frauenstifts Essen‘ [Verzeichnis Nr. 147], S. 60-64. Zur Architektur und Funktion von St. Johann zuletzt auch Beuckers, ‚Atrienkirche, Kanonikerkirche, Pfarrkirche. St. Johann in Essen’. 12 Zu St. Quintin siehe Bodarwé, ‚„Kirchenfamilien“’, S. 125ff. (dort auch zu St. Johann und zu St. Gertrud).
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christlichen Kultur überhaupt.13 Die Nachtlichter der Theophanu nutzen die gesamte ‚Kirchenfamilie‘ des Stifts Essen – die von der Äbtissin gestifteten Kerzen er- und beleuchteten ja ein ganzes Ensemble von Kirchen und Kapellen, einst errichtet auch in Essen als symbolisches Abbild der Himmlischen Stadt Gottes. Die Nachtlichter setzten auch schlaglichtartige Akzente innerhalb dieses Ensembles, um dem Seelen‐ heil der ‚großen‘ Essener Äbtissin zu dienen. Zugleich wurde mit der nächtlichen Erleuchtung an den heiligen Essener Orten die Finsternis überwunden, die Erlösung symbolisch realisiert. Das gesamte Ensemble wurde im Dunkel der Nacht als das symbolische Abbild des Himmlischen Jerusalem inszeniert und als Lichtinszenierung dieses Inhalts für die Vergegenwärtigung Theophanus eingesetzt. Abt Liudbert des Klosters Werden an der Ruhr, heute im Süden der Stadt Essen an der Ruhr gelegen, regelte 1115 seine Memoria in einer Urkunde.14 Er übertrug dem Kloster einen Hof (bona precarii nostri) in Dahl. Von den Einkünften sollten nach seinem Tode zu seinem Anniversar an allen Altären der Werdener Klosterkirche Wachskerzen (cerea luminaria) entzündet und den Mönchen und Klerikern des Klo‐ sters bestes Brot, Fisch und Wein im Refektorium gereicht werden; auch sollten an diesem Tage Arme zu seinem Gedenken reich mit Lebensmitteln versorgt werden. So weit erscheint die Stiftung zum Totengedenken des Abts im Bereich des Üblichen. Das Kerzenlicht war dem um sein Gedenken bemühten Abt Liudbert offensichtlich besonders wichtig; auffällig erscheint indes bereits die Erwähnung der großzügigen Beleuchtung der Klosterkirche zum Anniversar des stiftenden Abtes. Abt Liudbert hatte sich offensichtlich auch bereits eine letzte Ruhestätte in der Klosterkirche gewählt, denn die Urkunde fährt fort, dass im Fenster an seinem Grab jede Nacht eine Kerze aufzustellen sei, die nicht nur für seine Memoria, sondern auch für die seiner Vorgänger leuchten sollte. Dieses Licht am Fenster deutet uns darauf, dass es dem Abt besonders darauf ankam, für seine Ruhestätte die als bedrohlich erachtete Finsternis der Nacht mit Kerzenlicht zu bekämpfen. Doch seine Absichten reichten offensichtlich noch weiter: Das schwache Licht der nächtlichen Kerze am Fenster in der Nähe seines Grabes für seine und seiner Vorgänger Memoria sollte nicht einfach in der Klosterkirche brennen, sondern offensichtlich unbedingt von außen wahrnehmbar sein – nur daraus ist der Platz der Kerze am Fenster einleuchtend plau‐ sibel. Die Beleuchtung des Grabes im heiligen Kirchengebäude des Klosters Werden sollte der Memoria des Abtes dienen, ihn am Grab vergegenwärtigen. Dass die Kerze aber in das Fenster gestellt werden sollte, zog den Kreis der angestrebten Wirkung weiter, bezog die Außenwelt in das Totengedenken ein, erregte Aufmerksamkeit für das Seelenheil des Abtes, hielt die Erinnerung an ihn wach, erinnerte den Abt mit
13 Zur Goldenen Madonna siehe Der Essener Domschatz, hrsg. von Falk, S. 62f. sowie Welzel, ‚Die „Goldene Madonna“‘. 14 Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrhein 4, bearb. von Lacomblet, Nr. 617. In der Urkunde heißt es unter anderem: In fenestra vero quam iuxta sepulchrum nostrum fecimus, omni nocte candelam esse statuimus, non solum in nostri memoriam sed etiam anteccessorum nostrorum … („Im Fenster aber, das wir an unserem Grab machen, werden wir jede Nacht eine Kerze aufstellen, nicht allein für unsere Memoria, sondern auch für die unserer Vorgänger…“)
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seinen Amtsvorgängern außerhalb des heiligen Ortes der Kirche, dem Symbol der Civitas Dei, als die die Klosterkirche ja konzipiert war. Am 19. Juni 1259 beurkundete der Rat der Stadt Marsberg im kurkölnischen Westfalen eine Memorialstiftung.15 Der Ritter Friedrich von Horhusen hatte – mit Zustimmung von seiner Frau Adele und ihren gemeinsamen Söhnen Stephan und Konrad – zu seinem und seiner Eltern Seelenheil sein Haus mit Hofstätte in der Stadt Marsberg an das Zisterzienserkloster Bredelar in der Nähe der Stadt übertragen. Von Interesse ist, wie in dieser Urkunde die Memoria des Stifters vom Kloster begangen werden sollte: Auf dem klösterlichen Kirchhof war von den Einkünften des Hauses und mit Hilfe von Dietrich, dem Bruders des Stifters Friedrich, vom Kloster eine Kapelle zu erbauen, in der, erstens, ein Nachtlicht zu brennen hatte, zweitens täglich eine Messe für die Verstorbenen – sowohl der Stifterfamilie als auch der auf dem Friedhof bestatteten – zu zelebrieren war und, zum Schluß, der Vater des Stifters, der kurz zuvor verstorben war, begraben werden sollte. Auf mehrfache Weise also sollte der Stiftergruppe gedacht sein, wobei das Wichtigste der Kapellenbau selbst war, mit dem der Stifter auf Dauer verbunden und daher erinnert blieb. Die Memoria bezog alle Verstorbenen des Kirchhofes ein, band die tägliche Messfeier durch einen Zisterziensermönch des Klosters Bredelar an das Seelenheil des Stifters und seiner Familie. Das Nachtlicht in dieser Kapelle des klösterlichen Friedhofs hatte den Sinn, das Totengedenken auf Dauer sichtbar zu machen. Es durchbrach für die Verstorbenen, die in der Kapelle selbst bzw. auf dem Friedhof ruhten, die Finsternis der Nacht, wies den Weg zum ewigen Heil, bezog alle, die dieses Nachtlicht schauten, in die Heilserwartung ein, ließ die Lebenden und die Verstorbenen am Bußopfer der Stifter teilhaben. Die Kapelle der Stifter und ihr memoriales Anliegen wurden in den Nächten regelrecht in Szene gesetzt. Der Essener Kanoniker Heinrich genannt Scriptor nahm am 18. September 1274 eine umfängliche Memorienstiftung an die Marienkapelle in Huckarde, heute ein Stadtteil von Dortmund, vor.16 Huckarde war ein wichtiger Oberhof des Stifts Essen, zu dem die Kapelle zählte; der Oberhof war zwischen 870 und 874 von König Ludwig dem Deutschen an das Stift geschenkt worden.17 Heinrich genannt Scriptor stiftete jährliche Einkünfte an Getreide und von zwei Hühnern, die der jeweilige Kaplan der Kapelle zum Teil zum eigenen Gebrauch und zum Teil für Wachs für das nächtliche Geleuchte der Kapelle erhalten sollte. Ein anderer Teil der Einkünfte war für Mess‐ wein und -brot zu verwenden, ein weiterer an eine Klausnerin und den Glöckner in Huckarde zu zahlen. Zudem wurde von diesen Einkünften weiteres Wachs gekauft,
15 Westfälisches Urkundenbuch 4, bearb. von Wilmans, Nr. 800. In der Urkunde heißt es unter anderem: …capella, in qua lumen de nocte iugiter haberetur, in cimiterio predicti claustri edificeretur, in qua et missa pro defunctis celebraretur et pater suus iam pridem defunctus ibidem sepulture traderetur (… „eine Kapelle, in der auf ewig ein Nachtlicht gehalten werden soll, ist auf dem Kirchhof des Klosters zu errichten. In der Kapelle soll sowohl eine Messe für die Verstorbenen gefeiert werden als auch sein Vater, der vor kurzem verstorben ist, sein Grab finden.“) 16 Essener Urkundenbuch, bearb. von Schilp, Nr. 129. 17 Zum Oberhof und der Kirche in Huckarde siehe ausführlich Mittelalter und Industrialisierung. St. Urbanus in Huckarde, hrsg. von Welzel und Schilp [Verzeichnis Nr. 143]; hier zum Oberhof: Schilp, ‚Huckarde - eine dörfliche Siedlung‘ [Verzeichnis Nr. 145]. Siehe auch Janssen, ‚Huckarde‘.
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damit zur Nocturn an den Festtagen Mariae Reinigung (Februar 2), Mariae Verkün‐ digung (März 25), Mariae Himmelfahrt (August 15) und Mariae Geburt (September 8) Wachs für Kerzen gekauft wird. Etwaige Reste dieser Kerzen wurden ebenfalls dem nächtlichen Geleuchte zugeschlagen. All dies diente zum Seelengedenken des Stifters, insbesondere – so weist es ein Transfix zu dieser Urkunde vom gleichen Tage aus – war von diesen Einkünften sein Anniversar am Freitag nach der Pfingstoktav mit Vigil und Seelenmesse zu begehen. Für den hiesigen Kontext erscheint vor allem das Folgende interessant. Offensichtlich wurde die Stiftung zugunsten der Ausstattung der Kapelle, die um 1250 erbaut und 1272 erstmals in der urkundlichen Überliefe‐ rung genannt ist, hier verbunden mit der Memorienstiftung des Essener Kanonikers Heinrich genannt Scriptor.18 Die Kapelle im Zentrum der Grundherrschaft Huckarde wurde offensichtlich nachts von innen mit Kerzen beleuchtet und diese zweifellos deutlich wahrnehmbare Lichtinszenierung der Dorfkirche für die Memoria des Esse‐ ner Kanonikers Heinrich genannt Scriptor eingesetzt. Mit den Nachtlichtern in der Kapelle wurde die Seele des Stifters aus den Schrecken der nächtlichen Dunkelheit befreit und zum ewigen Licht Gottes, zur Erlösung geführt – die nächtliche Innen‐ beleuchtung wirkte zweifellos auch auf die Bewohner des kleinen Dorfes über das Gedenken an den verstorbenen Wohltäter hinaus als Sinnbild des ewigen Heils. Auch die Kapelle der Huckarder Grundherrschaft funktionierte als Symbol der heiligen Stadt für die Memoria Heinrich Scriptoris – durch die nächtliche Erleuchtung wies sie den Dorfbewohnern den Weg zur Himmlischen Stadt. Vielleicht müssen wir Schriftquellen, die Nachtlichter – oder auch Tag und Nacht brennende Kerzen – in liturgischen Bezügen bezeugen, nur aufmerksamer und durch die Fragestellung sensibilisiert lesen. Als die Gesellen der Dortmunder Schuhmacher im Jahre 1385 eine Korporation gründeten, ist dies dem Dortmunder Stadtchronisten Dietrich Westhoff eine Mitteilung aus zwei Gründen wert.19 Erstens berichtet er, dass die broderschap in der Reinoldikirche zur Ehre von Maria und St. Johannes Baptist zwei Kerzen brennen ließ. Zweitens teilt er mit, die Gesellen hätten vereinbart, sich im Falle der Krankheit zu unterstützen. Alles spricht für die Annahme, dass diese beiden Kerzen dem Totengedenken der Schuhmachergesellen dienten und vor einem Altar der Zunft der Schuhmacher, die in Dortmund als vornehmste Zunft Johannes Baptist zu ihrem Patron gewählt hatten. Nichts spricht auch dagegen, dass die Wachs‐ lichter Tag und Nacht brennen sollten, um die Zunftkapelle in der Reinoldikirche zu inszenieren, was als Beleuchtung zweifellos auch nach außen wirkte. In der Dorfkirche zu Brechten, erbaut um 1250 im heutigen Stadtteil von Dort‐ mund, sind auf dem Mittelpfeiler der südlichen Seite des nördlichen Mittelschiffs, also zum Langhaus hin, zwei Inschriften eingemeißelt worden.20 Diese können auf‐ grund des unsicheren Schriftbefunds und weil die handelnden Personen nicht exakt 18 Zur Baudatierung siehe Pieper, ‚Zeitensprung‘, S. 121; in der urkundlichen Ersterwähnung 1272 (Essener Urkundenbuch, bearb. von Schilp, Nr. 116) regelt Äbtissin Berta des Stifts Essen den Unterhalt der Kapelle und des Huckarder Klerikers. 19 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 248. 20 Zum Folgenden siehe Schilp, ,Die Inschriften – Steinerne Zeugen der Vergangenheit‘ [Verzeichnis Nr. 155], S. 43-48.
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zugeordnet werden können, nur vage auf die Zeit zwischen 1350 und 1450 datiert werden (Abb. 11.3). Die obere Inschrift lautet: HER ALBRACHT REP DE RIDERE GHAF EYN MOLDERZEDE LANDES TO GHELVCHTE AN ERE GOTES VN[D] DES GHODEN SVNTE IOHANS. HER HVGHE VAN WALSHEM DE RIDDERE GHAF AN ERE GOTES TOR ACHT LECHTEN TVENE SCEPELZEDE LANDES TO […]PPE. „Herr Albrecht Rep, der Ritter, gab ein Maltersaat Land für das Geleuchte zu Ehren Gottes und des guten St. Johannes. Her Hugo von Walsum, der Ritter, gab zu Ehren Gottes für acht Kerzen zwei Scheffelsaat Land zu […]ppe.“ Die untere Inschrift lautet: IOH WESZEL ARDE IUTE HOLTHVSEN HEBBET GHEGHEVEN EYN SCEPELZEDE LANDES DAT LEGHET VPPER BEKE BOVEN HOLLIKEN HVSE IN GOTTES ERE TO GHELVCHTE DER APOSTELLECHTEN. OVER HEVET GHEGHEFT DIT KERSPEL WEDES ROTEBERG ANA ICHORNE TVENE SCEPELZEDE LANDES TO DEN APOSTELLEGHTEN. „Johann Wessel [von] Arde[y] [und] Jutta [von] Holthausen haben ein Scheffelsaat Land, das jenseits des Bachs oberhalb von Holliken-Haus liegt, zur Ehre Gottes an das Apostelgeleuchte gegeben. Darüber hinaus haben für dieses Kirchspiel Wedes [von] Roteberg und Anna [von] Ickern zwei Scheffelsaat Land an das Apostelgeleuchte gegeben.“ Die beiden Inschriften auf dem Mittelpfeiler der Brechtener Kirche können mit dem Duktus eingemeißelter Urkunden als eine Besonderheit gelten. Sie deuten auf Stiftungen von Grundbesitz für das Kirchengleuchte: Die obere Inschrift bezeugt zwei zu Ehren Gottes und des heiligen St. Johannes Baptist, des Patrons der Brechtener Kirche, gestiftete Kerzen, offensichtlich zum allgemeinen Gebrauch der Kirche. Die untere Inschrift mit den beiden Stiftungen beziehen sich auf Kerzen für das Apostel‐ geleuchte; an einigen Stellen an Wänden und Pfeilern der Kirche sind noch heute aufgemalte Apostelkreuze gerade noch zu erkennen, die wohl einst mit Leuchtern für Kerzen geschmückt waren. Alle Kerzenstiftungen dienten also eher und zunächst dem allgemeinen liturgischen Gebrauch der Kirche. Aus diesem Grund ließen sich die Stifter wohl auf den zwei Steinen des Pfeilers für die Ewigkeit einschreiben: Das Gedenken ihrer Seelen, ihre Memoria, war abhängig von der Nennung ihres Namens in der Praxis der Liturgie – immer, wenn die gestifteten Kerzen entzündet wurden, waren sie nach memorialer Deutung vergegenwärtigt. Auch die Brechtener Kirche war eine Patronatskirche des Essener Stifts; eine Bauinschrift in der Ostwand der Ostabschlusses weist bis heute auf diesen Kontext: HEINRICUS DE ESSEN DEPARAVIT ME, wahrscheinlich auf einen Kanoniker des Frauenstifts weisend, der für das Stift oder in Abstimmung mit Äbtissin und Frauenkonvent am Bau in Brechten tätig oder beteiligt war. Alles spricht dafür, als sei die Kirche St. Johann Baptist wie die erwähnte Marienkapelle in Huckarde ab und an nächtens erleuchtet worden, um die Schrecken der Finsternis der Nacht zu
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Abb. 11.3: Steinerne ‚Stiftungsurkunde‘ auf dem Mittelpfeiler des Langhauses der St. Johann-BaptistKirche in Brechten, ca. 1350-1450 (© Foto: Rüdiger Glahs, Dortmund).
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überwinden, den Gemeindemitgliedern den Weg zum ewigen Heil zu weisen. Die Lichter dienten zugleich für die Memoria der Stifter der Kerzen und inszenierten die Kirche als Abbild des Himmlischen Jerusalem. Auch der eingangs meiner Überlegungen angeführte Barbarossaleuchter der Aa‐ chener Pfalzkapelle war und ist auf seinen Schenker Kaiser Friedrich I. und dessen Frau Beatrix bezogen. Die beiden Skelettringe des Leuchters sind nach innen und außen mit vergoldeten Kupferstreifen besetzt, in welche Inschriften graviert sind. Da diese vergoldeten Kupferstreifen nur mit Klammern befestigt sind, wurden sie im Laufe der Jahrhunderte offensichtlich vertauscht. Clemens Bayer hat die Inschriften jedoch plausibel rekonstruiert – ich zitiere seine Übertragung ins Deutsche:21 „Das Himmlische Jerusalem wird durch dieses Bild bezeichnet, die ‚Erscheinung des Friedens‛: Dort ist sichere Hoffnung auf Ruhe für uns. Jener Johannes, ‚Christi Wohlgefallen‘, der Herold des Heils, sah die Stadt, strahlend von lauterem Gold und von Edelsteinen gleißend, vom gestirnten Himmel herabschweben, (die Stadt), die die Patriarchen und die Propheten, schließlich die Macht des apostolischen Lichtes gegründet hat durch Lehre (und) Leben. In diese Heimat bring’ uns durch deine Fürbitte, gütige Maria! Der katholische Kaiser, Friedrich, König der Römer, selbst gottesfürchtig, gelobte und schenkte der gottesfürchtigen Maria die königliche Gabe dieser achteckigen (Lichter-)Krone, wobei er den Klerus anwies, sowohl auf die Gestalt als auch auf die Zahl zu merken: Nach dem Vorbild des Gotteshauses nimmt seine Schenkung ihre Form. Nimm als Meeresstern, der du den hellen Sternen voraufleuchtest, den Schenker Friedrich in dein frommes Gebet auf; ihm verbinde seine Mitherrscherin Beatrix!“ Die bisherige Forschung hat die Dimension der symbolischen Himmlischen Stadt in diesem Leuchter viel zu wenig auf die Memoria des Kaisers und seiner Frau bezogen. Wollten Friedrich Barbarossa und Beatrix in der Aachener Pfalzkapelle mit dem Leuchter nicht an prominentem Ort, in der gebauten Civitas Dei des Reiches, auf besondere Art bis zum Jüngsten Tag gegenwärtig sein, um ihr Seelenheil zu sichern? Der Leuchter als vollendetes Sinnbild der Himmlischen Stadt wies ihnen in geradezu vollkommener Form aus der Dunkelheit des Todes und der Finsternis der Nacht den Weg zur Erlösung, sicherte ihnen Gegenwart unter den Lebenden. Mit seinen 48 Kerzen hat der Leuchter das Oktogon der Pfalzkapelle in göttliches Licht getaucht und vor allem bei Nacht eine vollkommene Rauminszenierung geschaffen, 21 Bayer, ‚Die beiden großen Inschriften des Barbarossa-Leuchters‘, S. 225, verändert allein die Übersetzung von solvitque aus „und stiftete“ zu „und schenkte“. Ein Gegenstand kann nur geschenkt werden – Stiftung meint auch im Mittelalter die Übertragung eines Vermögens, das für einen bestimmten Zweck regelmäßig wiederkehrende Einnahmen erzeugt. Die Inschrift lautet: Celica Iherusalem signatur imagine tali, visio pacis: certa quietis spes ibi nobis. Ille Iohannes, Gracia Cristi, preco salutis, urbem sidera labentem vidit ab aethera, auro ridentem mundo gemmisque nitentem, quam patriarche quamque prophete denique virtus lucis apostolice fundavit dogmate, vita. Qua nos in patria precibus pia siste Maria! Cesar catholicus, Romanorum Fridericus rex, pius ipse pie uovit solvitque Marie istius octogone donum regale corone, cum specie numerum cogens attendere clerum: ad templi normam sua sumunt munera formam: Ergo, Stella maris, astris prevulgidia claris, suscipe munificum prece devota Fridericum: conregnatricem sibi iunge suam Beatricem!
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die auch von außen wahrgenommen werden konnte. Diese Lichtinszenierung der Aachener Pfalzkapelle bei Nacht zum Totengedenken des kaiserlichen Paares freilich bedürfte einer eingehenden eigenen Untersuchung, die mit den hier angestellten Überlegungen nur angedeutet, ja provoziert werden kann.22 Zu zeigen war in diesem Aufsatz an ausgewählten und weniger prominenten Exempla, dass und wie die Lichtinszenierung mittelalterlicher Kirchenarchitektur während des Mittelalters zielgerichtet für das Totengedenken eingesetzt wurde: Es galt, die Schrecknisse der ewigen Finsternis, die Furcht vor der immerwährenden Dunkelheit nach dem Tode mit der nächtlichen Erleuchtung der Kirche zu überwin‐ den – den Toten bei den Lebenden durch das Licht Vergegenwärtigung zu sichern. Lichtinszenierungen mittelalterlicher Kirchen dienten auf diese Weise der Memoria in der Dunkelheit der Nacht.
22 Minkenberg, ‚Der Barbarossaleuchter’, S. 94ff. stellt Belege für die Nutzung des Leuchters im Kontext von Memorialstiftungen Dritter zusammen – auffällig ist hierbei, dass für das Totengedenken verschiedener Stifter die Entzündung des Leuchters zur Matutin, dem Nachtgebet nach Mitternacht, erfolgte. Für die Memoria des kaiserlichen Paares in Aachen fehlt bislang eine eingehende Untersuchung.
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Pfarrkirchen und Herrschaftsausbau* Zur Funktion von Pfarrkirchen des Frauenstifts Essen im 13. Jahrhundert Prolegomena Für die folgenden Überlegungen kann an die Tagung des Essener Arbeitskreises zur Erforschung der Frauenstifte „Frauenstifte, Frauenklöster und ihre Pfarreien“ im Jahre 2008 angeknüpft werden; deren Ergebnisse sind im Folgenden für Pfarr‐ kirchen des Stifts Essen überdacht und weitergeführt worden. Hedwig Röckelein hatte im Tagungsband Ergebnisse und entwickelte Fragestellungen des Kolloquiums resümierend zusammengefasst, da seinerzeit ein neues Forschungsthema bearbeitet und diskutiert worden ist.1 Im Folgenden werden einige Essener Schriftquellen und Befunde erneut analysiert und in Kontexte gestellt, die bislang von der Forschung noch nicht oder doch zu wenig berücksichtigt wurden und denen sowohl für die Pfarrkirchen des Stifts als auch für den Herrschaftsanspruch und -ausbau im 13. Jahrhundert erhebliche Bedeutung zukam.2 Entgangen ist der bisherigen deutschen Forschung zum Niederkirchenwesen eine entscheidende Weichenstellung des Vierten Lateranums (1215).3 Diesem Konzil nämlich kam mit zahlreichen Neuerungen und mit dem Wandel der
* Erstpublikation in: Fragen, Perspektiven und Aspekte der Erforschung mittelalterlicher Frauenstifte. Beiträge zur Abschlusstagung des Essener Arbeitskreises für die Erforschung des Frauenstifts. Essener Forschungen zum Frauenstift 15, hrsg. von Klaus Gereon Beuckers und Thomas Schilp (Essen: Klartext Verlag, 2018), S. 167-203 [Verzeichnis Nr. 213]. 1 Röckelein, ‚Die Frauenkonvente und ihre Pfarreien‘, S. 9: „Die Pfarrei war neben Familie und Verwandtschaft das umfassendste soziale System, dem ein europäischer Christ von der Geburt bis zum Tod angehörte. Denn durch die Taufe wurden die Bewohner eines Dorfes oder einer Stadt zwangsläufig Mitglied einer Pfarrgemeinde. Dieser ‚Pfarrzwang‘ ist wörtlich zu nehmen, denn er erzwang die Taufe, den Besuch der Messe, das Anhören der Predigt und das Ablegen der Beichte bis hin zur Beerdigung in einer durch den Geburts- und Wohnort bestimmten Pfarrkirche. Die freie Wahl des Beichtvaters oder des Bestattungsplatzes konnte im späten Mittelalter nur durch ein Privileg oder Dispens erwirkt werden.“ Dieses Urteil kann im Folgenden erheblich geschärft und präzisiert werden. 2 Zu den Pfarrkirchen des Stifts Essen siehe zuletzt Schilp, ‚Pfarreien des Frauenstifts Essen im Mittelalter‘ [Verzeichnis Nr. 147], sowie die bau- und kunsthistorische Diskussion von zwei Essener Pfarrkirchen von Welzel, ‚Exkursionen nach Brechten und Huckarde‘. 3 Siehe zuletzt die Forschungsüberblicke von Petke, ‚Die Pfarrei‘, sowie von Bünz, ‚Die mittelalterliche Pfarrei in Deutschland‘. Beide instruktiven Überblicke zur modernen Pfarrkirchen-Forschung gehen mit keinem Wort auf die Bedeutung der Beschlüsse des Vierten Lateranums 1215 und deren Folgen für die Pfarrkirchen ein. Stadtgesellschaft und Memoria, ed. by Arnoud-Jan Bijsterveld, Meta Niederkorn & Annemarie Stauffer, Memoria and Remembrance practices, 3 (Turnhout: Brepols, 2023), pp. 289–316 10.1484/M.MEMO-EB.5.132329
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pfarrkIrchen und herrschaftsausbau
Sakramentenlehre erhebliche Bedeutung für die Entwicklung der Pfarrkirche zu.4 Das Konzil, u.A. veranlasst durch die häretischen Bewegungen der Zeit, bewirkte durch die konsequente Ausweitung von Sakramenten auf alle Christgläubigen beider‐ lei Geschlechts zum einen den Ausgangspunkt eines Wandels der Frömmigkeit im Allgemeinen und der Eucharistiefrömmigkeit im Besonderen; mit der Einführung der Pflichtbeichte (vor Ostern), Kommunionpflicht (vor Ostern) und kirchlicher Eheschließung wurde indes der Zwang verknüpft, all dies allein in der zuständigen Pfarrkirche zu tun. Seit dem Vierten Lateranum ist der Bezug zwischen Pfarrer und Gemeinde modifiziert, erst als Folge der Bestimmungen dieses Konzils fanden Pfarrkirche und Pfarrei Eingang in die universalkirchliche Gesetzgebung – erst jetzt wurde begonnen, die rechtliche Form der Pfarrei flächendeckend einheitlich und verbindlich zu regeln.5 Die Pfarreien organisierten nun konsequent über alle sozialen, wirtschaftlichen und politischen Grenzen hinweg Gemeinden, wohl auch, um durch die Kontrolle der Mitglieder künftig häretischen Entwicklungen früher und besser entgegenzuwirken. Von der Taufe über Firmung, Beichte, Eucharistie mit Kommu‐ nion, Eheschließung, Sterbesakrament und der letzten Ruhestätte auf dem Kirchhof der Pfarrkirche war jeder Bewohner des Kirchspielsprengels nun gleichsam mit der Geburt Zwangsmitglied der Kirchengemeinde geworden – in seiner Pfarrkirche ging er regelmäßig zu den Gottesdiensten, hörte dort die Predigt und gedachte der Toten seiner Familie und seiner sozialen Gruppe, und nur hier empfing er die Sakramente. Über die spirituell-liturgischen Funktionen hinaus wurde mit der Pfarrkirche nach 1215 damit auch ein Anspruch der Kirche für die Welt formuliert, denn die ‚Pfarr‐ gemeinde‘ wurde zu einer alle sozialen und politischen Schranken überwindenden sozialen und damit auch politischen Organisationsform des Pfarrsprengels. Insofern ist die Bedeutung der Pfarrkirchen des Stifts Essen für Herrschaftsanspruch und Herrschaftsbildung erneut zu thematisieren. Ausgangspunkt für die erneute Beschäftigung mit dem Thema war der auffällige Befund der zahlreichen Neubauten von Essener Patronatskirchen im 13. Jahrhundert, der in der Regel im Zuge allgemeiner Entwicklungen des Kirchenbaus mit dem nicht zu leugnenden Bevölkerungswachstum der Zeit in Verbindung gebracht worden ist; diese pragmatische Deutung des Befundes allein freilich ist kaum hinreichend, um die exzellente Ausstattung vieler dieser ‚neuen‘ Kirchen zu erklären. Die Analyse der Bau‐ ten und ihrer Ausstattung jedenfalls eröffnet für Pfarrkirchen des Stifts Essen weitere Perspektiven der Interpretation. Und hier wird genauer auf die repräsentative und
4 Constitutiones Concilii quarti Lateranensis, bearb. von García y García; Foreville, Lateran I-IV. Maleczek, ‚IV. Laterankonzil‘, kommentiert den die bisherige Forschung resümierenden Beitrag mit den Worten: „Obwohl im Detail noch zu erforschen, prägte das IV. Laterankonzil die Kirche bis zum Tridentinum mehr als alle anderen mittelalterlichen Konzile“ (Spalte 1744). Das ist bis heute ein Desiderat der Forschung geblieben; ein Umstand, für den dieser Aufsatz auch nicht mehr als erste Anregungen bieten kann. Für die Frage nach der Bedeutung des Laterankonzils für die Intensivierung von Pfarrseelsorge und Pfarrgemeinde siehe bislang allein die Untersuchung für die italienischen Verhältnisse, vor allem für Genua: Maccarrone, ‚„Cura animarum“ e „parochialis sacerdos“ nelle costituzioni del IV Concilio Lateranense (1215)‘. 5 Siehe hierzu den Überblick von Hallermann, Pfarrei und pfarrliche Seelsorge, S. 35-47. Hallermann stößt auf das Vierte Lateranum, weil er nach allgemein verbindlichen Vorschriften für Pfarrkirchen fragt und hierbei vor allem nach universalkirchlich verbindlichen Anweisungen und praktischen Regelungen sucht.
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‚individuelle‘ Ausstattung einer der Neubauten dörflicher Essener Patronatskirchen des 13. Jahrhunderts einzugehen sein, auf St. Johann Baptist in Dortmund-Brechten. Vorab sei angemerkt, dass für die Pfarrkirchen des Stifts für die in Rede stehende Zeit so gut wie keine Schriftquellen überliefert sind, wir also weitgehend auf das Ver‐ ständnis der Sprache von Bau und Ausstattung angewiesen bleiben; nur im Kontext allgemeiner Entwicklungen können diese interpretiert werden. Zunächst wird jedoch die Urkunde von 1264, die von der Forschung stets herangezogen worden ist, wenn es um die Klärung der Pfarrverhältnisse in der Stadt Essen selbst ging, noch einmal befragt und um Überlegungen zum Verhältnis von Pfarrkirche und Herrschaft des Stifts über die Bürger der Stadt Essen ergänzt. Essener Pfarrorganisation seit 1264 – Pfarrzwang der Stiftskirche für die gesamte Stadt Im Jahre 1264 wurde die Pfarrorganisation in Essen von Äbtissin Berta (amtierend 1243-1292) bekanntlich grundsätzlich neu geordnet. Ausgangspunkt hierfür waren offensichtlich Auseinandersetzungen um Dienste der Essener Kanoniker. St. Johann und St. Gertrud jedenfalls wurden von der Äbtissin für die Seelsorge der Bürger und Einwohner der Stadt Essen jetzt zu Filialpfarreien der Stiftskirche erhoben. Mit der Urkunde von 1264 wurde nämlich festgelegt:6 „Äbtissin Berta des Stifts Essen bekundet: In der Gottesdienstordnung des Stifts besteht eine solche Unordnung, dass Gefahr für das Heil der Seelen besteht. Daher hat sie, auf Abhilfe bedacht, mit dem Rat des Konvents und anderer guter Männer das Folgende verfügt: Die Pfarrseelsorge (tota parrochia) steht den Plebanen der Kirchen St. Johann und St. Gertrud, Essener Kanonikern, zu; um den Dienst (habebunt disponere) in der Münsterkirche (monasterio) haben sie sich nicht zu kümmern, es sei denn, sie würden von den Rektoren darum gebeten. Den Dienst in der Münsterkirche versehen die übrigen präsenten Priesterkanoniker (sacerdotes canonici); die beiden genannten Plebane sollen zu den Begräbnissen dazu geholt werden.“ So die Urkunde, die im weiteren Einzelheiten der Gottesdienstordnung der Münster‐ kirche festlegte, Bestimmungen, die für den Kontext hier nicht weiter von Interesse
6 Essener Urkundenbuch, bearb. von Schilp [Verzeichnis Nr. 157], Nr. 99. Zur Urkunde siehe zuletzt Schilp, ‚Pfarreien des Frauenstifts Essen im Mittelalter‘ [Verzeichnis Nr. 147], S. 60-62, sowie Beuckers, ‚Atrienkriche, Kanonikerkirche, Pfarrkirche‘, S. 78f. (siehe dort auch die Hinweise auf die ältere Literatur).
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sind.7 Auch die Weihe des Taufwassers verblieb bei dem Hebdomadar der Münster‐ kirche.8 Die Essener Stiftskirche ist von jeher zugleich Pfarrkirche der Siedlung Essen und 1264 auch der inzwischen entstandenen Stadt.9 Mit dieser Urkunde wurden St. Jo‐ hann, zugleich Kirche des kurz zuvor formierten Kapitels der Stiftskanoniker, und die Marktkirche St. Gertrud zu Filialen der Münsterkirche erhoben. Die Stiftskirche aber – und dies wird in der Regel entweder übersehen oder aber nicht konsequent genug verstanden – behielt mit dem Begräbnisrecht für alle Essener Bewohner grundsätzlich die Stellung der Pfarrkirche für den Bereich nicht nur der Stiftimmunität, sondern auch für die gesamte Stadt Essen; sie nahm für den eigentlichen dies natalis der Essener Bürger mit dem Kirchhof den Pfarrzwang wahr, entzog die Gemeinschaft der Lebenden mit den Toten also weitreichend der Kompetenz der Filial(pfarr)kirchen. Kam die Aufteilung der täglichen Seelsorge für die Bewohner der Stadt auf St. Ger‐ trud und St. Johann pragmatisch den täglichen Erfordernissen nach, so betonte vor allem das Begräbnisrecht der Münsterkirche die Hoheit des Stifts in allen Pfarrangele‐ genheiten. Die Münsterkirche blieb nicht nur Mutterkirche, sondern auch eigentliche Pfarrkirche. Die Filialen nahmen zwar Teile der Pfarrrechte und -pflichten wahr, aber eben gerade nicht vollständig. Auch hinsichtlich der Besetzung der beiden Filialen mit Plebanen behielt das Stift die Oberhand, wie die Beschreibung der Verhältnisse der Gertrudkirche in den Consuetudines für die Kanoniker der Essener Stiftskirche um 1400/1410 zeigt. Die Beschreibung ist ausführlicher als die folgende für St. Johann, doch können wir die Bestimmungen insgesamt wohl auf St. Johann übertragen.10 Die Investitur des von
7 Das Regest der Urkunde im Essener Urkundenbuch, bearb. von Schilp, Nr. 99, lautet für die folgenden Bestimmungen: „Im Einzelnen wird für die Ordnung der Münsterkirche festgelegt: Ein Priesterkanoniker ist Hebdomadar und liest das Hochamt (summam missam), ein zweiter die Messe für die Verstorbenen im Chor (pro defunctis ad chorum), ein dritter die Totenmesse am Kreuzaltar (missam funerum in medio), ein vierter die Messe am Petrusaltar (ad sanctum Petrum). Diese Ordnung berührt aber nicht die Rechte des Hofkaplans (capellani curie); ebenso nicht die Feiern der Totengedenken (memoriis defunctorum) und weitere Feierlichkeiten, die den Plebanen obliegen. Die Einkünfte der Rektoren der Münsterkirche werden zu gleichen Teilen an alle vergeben, nur die Lebensmittelgaben (oblationes victualium) verbleiben dem zelebrierenden Priester, nachdem die Anteile der Ministranten abgezogen sind. Bitten um Privatmessen (missam specialem) müssen erfüllt werden. Die Priester dürfen nicht zwei Messen pro Tag lesen, es sei denn, es ist offenkundig nötig. Verstöße gegen diese Ordnung werden mit Kürzung der Einkünfte bestraft.“ Siehe im Essener Urkundenbuch, bearb. von Schilp auch die Volltextedition: Anhang: Urkundentexte Nr. IV, S. 351f. 8 Siehe Beuckers, ‚Atrienkirche, Kanonikerkirche, Pfarrkirche‘, S. 7: Die Weihe des Taufwassers begegnet in der Urkunde von 1264 freilich nicht, sondern ist nur aus den späteren Quellen zu erschließen; siehe hierzu Weier, ‚Die Pfarrstruktur der Essener Innenstadt‘, S. 88. 9 In einer Urkunde von 1243/1244 (Essener Urkundenbuch, bearb. von Schilp, Nr. 62) ist die Stadtbildung und -werdung greifbar. Zur Urkunde und zum Vorgang der Kommunebildung siehe zuletzt Kersken, ‚Die Essener ‚Stadtrechtsurkunde‘ von 1243/44‘ (mit den Hinweisen auf die ältere Literatur). 10 ‚Consuetudines ecclesie Assindensis ad canonicos Assindenses presertim spectantes. Der zweite Teil des Liber catenatus‘, in: Urkunden und Akten des Essener Münsterarchivs, bearb. von Arens und Schaefer, S. 290: Capellam sancte Gertrudis Assinden(sem) forensem domina abbatissa ecclesie Assindensis habet et consuevit conferre pleno iure uni canonico iam actu prebendato, qui infra annum possit promoveri in sacerdotem et non alteri, ipsumque canonicum investire de eadem et cura per interpositam personam virilem, ut premittitur, auctoritate privilegiorum et antique conuetudinis sibi committere. Nam ipsa capella est sic annexa prebendis, non tamen uni prebende distincte. Qui canonicus ministrabit populo suo sacramenta baptismi, confessionis, eucaristie et inunctionis, seu cetera, sicud cavetur in
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der Äbtissin pleno iure bestimmten Priesterkanonikers erfolgte durch den caplanus honoris der Äbtissin; die Kapelle zählte zu den Kanonikerpräbenden, ohne einer bestimmten zugeordnet zu sein. Der an der Kapelle investierte Kanoniker spendete seiner Gemeinde die Sakramente der Taufe, der Beichte, der Eucharistie und der letzten Ölung, im Übrigen ist nach den detaillierten Bestimmungen im Liber ordina‐ rius des Stifts zu verfahren. Der Pfarrzwang der Münsterkirche bestand aber insofern weiter, als das Begräbnis aller Städter auf dem Kirchhof bei der Münsterkirche zu erfolgen hatte – im Tod führte der Pfarrzwang alle Essener, Bürger wie Einwohner, auf dem Kirchhof zusammen, während die Kanoniker im Paradies und die Kanoni‐ kerinnen in der Stiftskirche und im Garten der Abtei bestattet wurden. Es fehlt in den Consuetudines im Übrigen für die beiden Filialkirchen neben dem Begräbnis auch das Sakrament der Ehe, das ebenfalls in der Folge des Lateranums für alle Eheschließungen verbindlich wurde. Der Primat der Münsterkirche als der Pfarrkirche für das kirchliche Leben der Stadt wird auch bei Prozessionen offensichtlich. Jürgen Bärsch hat in seiner Untersu‐ chung des Prozessionswesens deutlich machen können, dass diese Vorrangstellung und damit die Herrschaft des Stifts im Essener Liber ordinarius11 in mannigfacher Hinsicht im Laufe des Kirchenjahres erkennbar ist, selbst wenn er in seiner Unter‐ suchung die Fragestellung nach dem Pfarrzwang gar nicht berücksichtig hat.12 Der Essener Liber ordinarius, aufgezeichnet spätestens in der zweiten Hälfte des 14. Jahr‐ hunderts, möglicherweise jedoch bereits mit dem Abschluss der Baumaßnahmen an der Münsterkirche im zweiten Drittel dieses Jahrhunderts, beschreibt und fixiert den Ablauf der Liturgie des Kirchenjahres unter besonderer Berücksichtigung der lokalen Besonderheiten im Stift Essen aus der Sicht der Kanoniker, die hier ihren Dienst versahen. Die Liturgie der Stiftskirche als Pfarrkirche für den Immunitätsbezirk rund um das Frauenstift, die so genannte ‚Burgfreiheit‘, und für die Stadt Essen bezog in den Gottesdiensten der Festtage daher alle Stadtbewohner als Angehörige der Pfarrei ein. Vor allem in den zahlreichen Prozessionen der Sonntage und der Festtage, der Umgänge durch Stadt und Gemarkung, Teile des Territoriums des Frauenstifts in Es‐ sen umgreifend, wird deutlich, wie das Stift als große Pfarrgemeinde unter Beteiligung des ‚Volkes‘ eine Einheit der ‚Essener Kirche‘ auch in der Feier des Gottesdienstes gelebt hat, selbst wenn aufgrund des Charakters des Liber ordinarius als Regiebuch für die Kanoniker das ‚Volk‘ gar nicht unbedingt erwähnt werden musste.13
‚Ordinario monasterii Assindensis‘ […] Rector etiam eiusdem capelle non habet post mortem suam annum grazie, sed dumtaxat unum mensem, sicut cetera officia ecclesie Assindensis. 11 Essen, Domschatz, Hs. 19, Liber ordinarius. Zuletzt dazu die Beschreibung in Der Essener Domschatz, hrsg. von Falk, S. 192f., Katalog Nr. 91. Zum Liber ordinarius siehe vor allem die Beiträge in: Liturgie in mittelalterlichen Frauenstiften. Forschungen zum Liber ordinarius, hrsg. von Beuckers, insbesondere die forschungsund problemorientierte Einleitung von Beuckers, ‚Forschungen zum Liber ordinarius‘, sowie Bärsch, ‚‚… processiones et stationes fiunt quatuor modis in monasterio‘. Dem Band sind auf einer CD-ROM eine Bilddatei der Handschrift sowie Digitalisate zweier Bücher beigegeben: Der Kommentarband von Arens, Der Liber ordinarius der Essener Stiftskirche und seine Bedeutung (1901), sowie die Edition, Der Liber ordinarius der Essener Stiftskirche, bearb. von Arens (1908). 12 Zum Folgenden siehe ausführlich auch Bärsch, ‚Stiftsliturgie und städtische Religiosität‘. 13 Ebd., S. 143; siehe so auch Gerchow, ‚Fromme Bürger in einer geistlichen Herrschaft‘, hier S. 179.
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Wie sich der Pfarrzwang geltend machte, sei an zwei Prozessionen verdeutlicht. Erstens, erwähnt die Systematik des Liber ordinarius zwar die Prozession der Stadt am Tag nach Fronleichnam, jedoch nur, weil ein Kanoniker und einige ältere Scholaren als Kleriker von der Bürgerschaft gebeten erbeten werden mussten, die Hostie in der Monstranz an der Spitze des Zuges voran zu tragen. Sonst aber nahm wohl kein Stiftsangehöriger an der Prozession der Stadt teil. Zum Abschluss der Prozession in der Johannes- und dann in der Münsterkirche trat jedoch der Essener Frauenkonvent hinzu, um die Herrschaft von Äbtissin und Frauenstifts über die Pfarrkirche zu unterstreichen; die Essener Kanoniker aber blieben auch dieser statio fern.14 Die zweite Prozession, zum Kirchweihtag, dem Festtag des hl. Kilian (Juli 8), war zweifellos von besonderer Bedeutung.15 Sie glich weitgehend dem Umgang vor dem Osterhochamt. Die Stadt Essen war als Pfarrgemeinde in der Münsterkirche anwesend – es war der Weihetag ihrer Pfarrkirche. Die Prozession ging von der Münsterkirche aus und zuerst um den Friedhof, man vereinigte auf diese Weise die verstorbenen mit den lebenden Bürgern und Einwohnern der Stadt. Am Spanhaus, gelegen am Friedhof, predigte ein Kanoniker den Gläubigen; anschließend wurden „den Gläubigen die mitgeführten Reliquien in einer Art Heiltumsweisung einzeln präsentiert“.16 Jetzt erfolgte unter den anwesenden Essener Bürgern und Einwohnern auch eine Kollekte zugunsten der Münsterfabrik. Ich verzichte auf das weitere Ge‐ schehen und merke nur an, dass die Stadtgemeinde beim abschließenden Hochamt in der Münsterkirche versammelt war. Die Münsterkirche als die Hauptpfarrkirche mit ihrem Kirchhof wurde umschritten, die Lebenden bezogen die Verstorbenen explizit in ihr Handeln ein – Pfarrgemeinde wurde an diesem Tag im Akt der Prozession Jahr für Jahr immer wieder neu konstituiert und bestätigt. Allein die Münsterkirche als die Pfarrkirche Essens stellte die Stadtgemeinde als alle sozialen Differenzierungen über‐ greifende soziale Gemeinschaft her, den Zusammenhang in einer Pfarrgemeinde. Aus diesem Grunde erfolgte auch die Reliquienweisung: Die göttliche Virtus der Heiligen, gegenwärtig in den Reliquien, übertrug sich nach mittelalterlicher Auffassung auf die anwesenden Teilnehmer der Prozession. Die Verfügung über die Reliquien der Heiligen der Stadt aber hatte nicht die Stadtgemeinde, sondern allein das Stift. ‚Pfarr‐ gemeinde‘ war in der Hand von Äbtissin und Stift insofern ein herrschaftssichernder Zwangszusammenhang, dem sich die Bürger und Einwohner bis zur Reformation zu unterwerfen hatten. Wie sehr die Zwangsgemeinde der Pfarr- und Münsterkirche das Leben der Stadt herrschaftlich durchdrang, lässt sich auch am Umgang des Stifts mit den Memorial‐ stiftungen von Essener Bürgern erkennen. Auffällig für Essen ist zunächst, dass in der Überlieferung erst in den letzten drei Dezennien des 14. Jahrhunderts Memorial‐ stiftungen und -schenkungen Essener Bürger festzustellen sind, und sich um diese langwierigen Auseinandersetzungen rankten.17 14 Der Liber ordinarius der Essener Stiftskirche, bearb. von Arens, S. 26f. 15 Ausführlich dazu siehe Bärsch, ‚‚… processiones et stationes fiunt quatuor modis in monasterio‘, S. 63ff. nach dem Liber ordinarius der Essener Stiftskirche, bearb. von Arens, S. 100ff. und 186ff. 16 Bärsch, ‚‚… processiones et stationes fiunt quatuor modis in monasterio‘, S. 64. 17 Siehe hierzu Büttner, ‚Stiftungspraxis an der Essener Münsterkirche‘.
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Ein prominentes Beispiel möchte ich kurz vorstellen.18 Werner von Haselbeck wurde in Essen als Sohn des Albert von Haselbeck, 1323 bis 1342 Mitglied des Essener Stadtrates, geboren. Er war Alleinerbe des elterlichen Erbes, und daher wohl das einzige (überlebende) Kind der Familie. Werner wurde Kleriker und war späte‐ stens seit 1347 in päpstlichen Diensten tätig, erhielt 1357 ein Kanonikat am Bonner Cassiusstift, war seit 1367 Sekretär des Papstes Urbans V. Bereits 1360 hatte er von Papst Innozenz VI. das Privileg erhalten, in Essen an einer beliebigen Kirche einen Martins-Altar stiften zu dürfen, der mit Einkünften von 24 Gulden jährlich für den diensttuenden Vikar ausgestattet sein sollte. 1371 wurde das Vorhaben in der Essener Stiftskirche umgesetzt, ohne dass in der Überlieferung Probleme erkennbar werden.19 Probleme stellten sich erst beim zweiten Stiftungsversuchs Werners: Er hatte 1379 von Papst Urban VI. das (erbetene) Privileg erhalten, zu seinem, seiner Eltern und Wohltäter Seelenheil ein oder zwei Altäre in einer beliebigen Kirche zu Ehren Gottes, der Jungfrau Maria, des hl. Bischofs Nikolaus und aller Heiligen zu stiften.20 Die Bemühung Werners, das päpstliche Privileg mit der Stiftung eines Nikolausaltars an der Marktkirche St. Gertrud in Essen zu realisieren, scheiterte am Widerstand von Äbtissin und Kanonikerinnen. Aufgrund der Herrschaft über die Pfarreien für die Stadt Essen beharrten diese nämlich darauf, dass eine solche Nikolaus-Stiftung eines Bürgers in der Kirche, in deren Kirchspiel er geboren worden war und seine Kindheit verbracht hatte, wie es die Urkunde formulierte, nur in der Münsterkirche erfolgen dürfe. Erst die Treuhänder des Testaments Werners von Hasselbeck, der am 9. September 1384 verstorben war, erreichten daher einen Kompromiss, den der Stifter selbst wahrscheinlich so gar nicht eingegangen wäre.21 Das für die Ausstattung eines Nikolausaltars in St. Gertrud vorgesehene Vermögen wurde post mortem des Stifters für die Dotation eines Georgsaltars in der Münsterkirche verwendet, die Pfarrgewalt von Äbtissin und Kapitel verweigerte also die Erfüllung des Willens des Stifters – sowohl hinsichtlich des Ortes als auch des Patroziniums des zu stiftenden Altars.
18 Thorsten Fischer sei für die Überlassung des Manuskripts seines Vortrags, den er auf einem der deutschniederländischen Kolloquien zur Memoria (der Universitäten Utrecht und Duisburg-Essen) in Arnheim gehalten hat, herzlich gedankt. Dieses Manuskript, mit dem Arbeitstitel ‚Werner von Haselbeck – ein Essener Bürgersohn in päpstlichen Diensten stiftet für sein Seelenheil‘, über Vita und Memorialstiftungen des Essener Bürgers und Klerikers Werner von Haselbeck, hat die folgenden Überlegungen erheblich erleichtert. Siehe jetzt die Drucklegung des Aufsatzes: Fischer, ,„Verkauft, versetzt, verschrieben“‘. 19 Ausführliches Regest der Urkunde bei Urkunden und Akten des Essener Münsterarchivs, bearb. von Arens und Schäfer, 1906, Nr. 22. 20 Insert in Duisburg, Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland, Stift Essen Urkunden 875. 21 Ebd., nicht alle Treuhänder stimmten diesem Kompromiss zu, wie die Urkunde festhält.
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Exemplum: Das Bußsakrament als Kirchenausstattung – der Neubau von St. Johannes Baptist in Brechten (um 1250) Patronatskirche – politisches Anspruchsniveau
Äbtissin Berta von Arnsberg (amtierend von 1243-1292) und das Stift bauten in der Mitte des 13. Jahrhunderts auch die Essener Patronatskirche St. Johannes Baptist in Brechten neu, um mit diesem Bau und seiner Ausstattung ihre Position als bedeu‐ tende Grund- und Patronatsherren nachhaltig in einem Dorf zu demonstrieren, das zum Territorium der Grafschaft Dortmund gehörte.22 Brechten, wo das Stift auch Grundbesitz hatte, lag in der Nähe der Essener Herrschaft Huckarde,23 die zu einem Teil der Essener Landesherrschaft werden sollte. Allein die politische Konstellation bot Grundlagen für weiterreichende Ambitionen von Äbtissin und Stift, barg aber auch Konfliktpotentiale. Der Sprengel des Kirchspiels reichte nämlich weit über das Dorf Brechten und die Grafschaft Dortmund hinaus, ohne dass die schriftliche Überlieferung diesen geographisch exakt rekonstruieren ließe. In Stifterinschriften auf der südlichen Seite des nördlichen Mittelpfeilers des Kirchenschiffs (Abb. 11.3) – be‐ zugnehmend auf vorangegangene urkundliche Verfügungen – werden als Stifter des Geleuchtes, zum Teil von Apostellichtern, in der Pfarrkirche genannt: Ritter Albrecht Rep, Ritter Hugo von Walsum, Johann Wessel von Ardey und Jutta von Holthausen, Wedes von Rodenberg und Anna von Ickern.24 Die Stifter entstammten der sozialen Schicht der Ministerialität beziehungsweise dem Niederadel und können nicht der Grafschaft Dortmund zugewiesen werden; sie kamen aus dem weiteren Umland des Brechtener Kirchspiels und gehörten der Dienstmannschaft der Grafen von der Mark beziehungsweise des Stifts Essen an, doch sind sichere Zuweisungen der Namen zu konkreten Personen bisher noch nicht möglich gewesen. Für die Familien von Holthausen und von Ickern ist ein Dienst für das Stift Essen nachzuweisen, ohne dass die hier genannten Personen freilich bislang identifiziert werden konnten.25 Wilhelm Janssen hat vor einigen Jahren die schriftliche Überlieferung zur Ge‐ schichte der mittelalterlichen Pfarrei gesichtet. Zu Recht geht er davon aus, dass die Kirche auf eine frühe stiftische Hofeskirche im Umfeld dichten Grundbesitzes
22 Der folgende Abschnitt führt für die Brechtener Pfarrkirche unter anderer Fragestellung und Überlegungen weiter, die mit jeweils anderer Zielsetzung früher Jahren publiziert worden sind: Schilp, ‚Im Blick der Lebenden‘ [Verzeichnis Nr. 169]; Schilp, ‚Memoria in einer Dorfkirche‘ [Verzeichnis Nr. 200]. Siehe hier Aufsatz 11. Zu den folgenden Überlegungen siehe darüber hinaus: Rehm, ‚Im Blick der Verstorbenen‘; Janssen, ‚Die mittelalterliche Pfarre Brechten‘, und Pieper, ‚Von Planwechseln und Umbauten‘. Siehe hier jeweils auch die Hinweise auf die ältere Literatur. 23 Zur Essener Herrschaft Huckarde-Dorstfeld (heute ein östlicher Stadtteil Dortmunds) und der dortigen Essener Kapelle siehe: Mittelalter und Industrialisierung. St. Urbanus in Huckarde, hrsg. von Schilp und Welzel [Verzeichnis Nr. 143], insbesondere die Beiträge: Schilp, ‚Huckarde – eine dörfliche Siedlung‘ [Verzeichnis Nr. 145], und Janssen, ‚Huckarde‘. 24 Siehe zu den Inschriften im Einzelnen Schilp, ‚Memoria in einer Dorfkirche‘, S. 64-66, mit den Hinweisen auf Quellen und weiterführende Literatur. Die Stifter stifteten regelmäßige Einkünfte auf Ackerland für das Geleuchte der Kirche und die dortigen Apostellichter. 25 Essener Urkundenbuch, bearb. von Schilp, Nr. 141, 150 und 178.
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zurückging, die dann in das sich ausbildende Pfarrsystem integriert wurde.26 Erst für 1272 jedoch begegnen zum einen ein plebanus, zum anderen eine parrochia zu Brechten in der urkundlichen Überlieferung.27 Noch im 13. Jahrhundert gewann die Brechtener Pfarrei erheblich an Bedeutung: Kurz vor 1300 nämlich erwarb der Graf von der Mark vom Bischof von Münster (Alt-)Lünen nördlich der Lippe und verlegte die entstehende Stadt auf das südliche Flussufer und damit in den Sprengel des zur Erzdiözese Köln gehörenden Kirchspiels Brechten.28 Heftige Auseinandersetzungen auch um die Pfarrzugehörigkeit waren eine zwangsläufige Folge, denn (Neu-)Lünen gehörte eindeutig zum Kirchspiel Brechten – und der dortige Pfarrer war daher auch für die Stadt Lünen zuständig.29 Der Brechtener Pleban jedenfalls feierte 1348 in der Stadt in einer noch ungeweihten Kapelle mit bischöflicher Erlaubnis die Messe, bis schließlich unter erheblichem Druck und in günstiger politischer Situation in Lünen eine zweite Pfarrkirche des Kirchspiels eingerichtet wurde. Die capella in Lünen war es nämlich nur ihrer Funk‐ tion nach, die ecclesia parrochia aber blieb der Rechtsstellung nach weiterhin in Brechten. Bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts sollte dies Bestand haben. Mit der Brechtener Pfarre blieben mithin politische Ansprüche des Essener Stifts und der Äbtissin im fremden Territorium erhalten. Ein anderer Vorfall ist meines Erachtens im Kontext ebenfalls zu berücksichtigen: 1254 erhob sich Bischof Simon von Paderborn gegen den Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden als Herzog von Westfalen. Der Konflikt entbrannte um den territo‐ rialen Ausbau des Hochstifts Paderborn und wurde von den Kirchenfürsten auch militärisch ausgetragen. Am 9. Oktober dieses Jahres kam es zur blutigen Schlacht auf dem Wulferinkskamp in Brechten zwischen Truppen des Paderborner Bischofs und Adligen des kölnischen Westfalens.30 Die Paderborner unterlagen und Bischof Simon wurde von den kölnischen Adligen gefangen genommen, um später offensichtlich in Gewahrsam des Stifts Essen überführt zu werden. Grundlage hierfür dürfte der Grundbesitz und Herrschaftsrechte des Stifts im Kirchspiel Brechten gewesen sein, die tangiert worden waren: Die Schlacht nämlich war auf Grundbesitz des Stifts und unweit der Patronatskirche ausgetragen worden und von daher hatte Essen Ansprü‐ che auf Entschädigung gegen den Paderborner Bischof und von daher auch ein Recht auf den Gefangenen. Die Schiedsverhandlungen jedenfalls wurden apud Essende ge‐ führt und am 20. August 1256 dort ein vorläufiger Friedensvertrag geschlossen, der in Essen am 24. August 1256 dann endgültig besiegelt wurde.31
26 Janssen, ‚Die mittelalterliche Pfarre Brechten‘, S. 113. 27 DUB 1, bearb. Rübel, Nr. 142f.; Westfälisches Urkundenbuch Band 3, bearb. von Wilmans, Nr. 4: Nur wenige, nicht weiterführende Urkunden des 13. Jahrhunderts folgen; siehe Janssen, ‚Die mittelalterliche Pfarre Brechten‘, S. 120. 28 Bockhorst, ‚Zwischen Münster und Mark‘. 29 Zum Folgenden ausführlich Janssen, ‚Die mittelalterliche Pfarre Brechten‘, S. 114ff. 30 Siehe: Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter. Dritter Band, 1205-1261, bearb. von Knipping, Nr. 1807. 31 Ebd., Nr. 1912, 1913 und 1917.
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Zur Ausstattung Zu dem geschilderten politischen Anspruchsniveau passte die Ausstattung der Esse‐ ner Patronatskirche in Brechten in mehrfacher Hinsicht (Abb. 12.1). Oft habe ich mich gefragt, warum die während des Mittelalters im Kirchenschiff stehenden oder sitzenden Gemeindemitglieder wesentliche Teile der Ausmalung des Chorraumes, kurz nach 1250 entstanden und zur ältesten Schicht der Ausstattung gehörend, gar nicht sehen konnten. Aus dem Kirchenschiff kann von der eindrucksvollen Szenerie des Jüngsten Gerichts über dem Altar je nach eingenommenem Standort und Blick‐ position jedenfalls nur ein mehr oder weniger großer Ausschnitt der Malerei des Chorgewölbes wahrgenommen werden (Abb. 12.2). Das ist nur möglich, wenn der Betrachter unter dem Chorgewölbe, am Altar, steht – nur von hier kann die Ausma‐ lung mit allen Bedeutungsebenen gesehen und verstanden werden (Abb. 12.3).32 Im Chorgewölbe ist die Szenerie des Jüngsten Gerichts eindrucksvoll imaginiert. In der von Engeln getragenen Mandorla thront Christus als Weltenrichter. Aus der Ferne, und darauf hat Ulrich Rehm hingewiesen, wird zunächst der Eindruck erweckt, als handele es sich um eine Darstellung des thronenden Herrschers beziehungsweise der Majestas Domini, was als Gewölbemotiv auf eine lange Tradition zurückblicken konnte.33 Der thronende Christus jedenfalls zieht den Betrachter in den Bann, her‐ vorgehoben durch die mehrfarbig gerahmte Mandorla. Christus, begleitet von zwei Engeln, ist in deutlich größerem Maßstab mit ausgebreiteten Armen dargestellt. Erst beim Näherkommen öffnet sich der Blick auf das Weltgericht und dies in zwei zeitlichen Ebenen: Engel in den vier Eckzwickeln, den Pendentifs, kündigen mit Blasinstrumenten das Gericht an; darunter erstehen Menschen aus ihren Gräbern auf. Allenfalls zwei der Pendentifs mit den Auferstehenden – die östlichen – sind vom Kirchenschiff aus erheblicher räumlicher Distanz nur zu erahnen. Das Wandgemälde des Chorgewölbes vermittelt – mit gemalten Sternen als Him‐ melszelt – ein realistisches Bild der christlichen Erlösungsvorstellung der Zeit. Zur Rechten des Weltenrichters wird den ‚guten Seligen‘ von einem Engel der Zutritt in die Himmlische Stadt Jerusalem gewährt (siehe Titelbild zu Rauminszenierung). Verwendet wird eine Darstellung der himmlischen Stadt, die in ihrer Formensprache seit dem 12. Jahrhundert als Gemeingut angesehen werden kann und im Detail Elemente der irdischen Stadt Jerusalem zitiert, wie eine Karte mit Andeutungen der Topographie und der Darstellung der heiligen Stadt mit konkreten Gebäuden zur Orientierung verdeutlicht (siehe Titelbild zu Memoria und Stadt).34
32 Die Datierung auf die Zeit kurz nach 1250 wurde durch die Untersuchung von Skriver und Helling, Bildwelten – Weltbilder, S. 317-368, vor allem S. 350-354, grundsätzlich bestätigt. Siehe dort, S. 365-368, auch zur Übermalung der Fresken im 17./18. Jahrhundert, zur Freilegung und historistischen Rekonstruktion beziehungsweise Ergänzung 1911 und die Rückführung auf den mittelalterlichen Bestand 1960 bis 1962. Vgl. auch Rüsche, ‚Die Fresken der St.-Johann-Baptist-Kirche‘ (mit den Hinweisen auf die ältere Literatur). 33 Vgl. hierzu Rehm, ‚Im Blick der Verstorbenen‘, S. 89f. 34 Siehe zur Deutung des Himmlischen Jerusalem im 12. und 13. Jahrhundert die Überlegungen von Horch, „Nach dem Bild des Kaisers“, S. 129-143.
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Abb. 12.1: St. Johann Baptist, Brechten, Südansicht (© Foto: Rüdiger Glahs, Dortmund).
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Abb. 12.2: St. Johann Baptist, Brechten, Blick aus der Turmhalle auf den Chorabschluss (© Foto: Rüdiger Glahs, Dortmund).
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Abb. 12.3: St. Johann Baptist, Brechten, Chorgewölbe mit der Darstellung des Weltgerichts (© Foto: Rüdiger Glahs, Dortmund).
Abb. 12.4: St. Johann Baptist, Brechten Chorgewölbe, Höllenschlund (© Foto: Rüdiger Glahs, Dortmund).
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Zur Linken Christi werden die Verdammten – getrieben von einem Engel – von einem Teufel zum Höllenschlund gezogen (Abb. 12.4).35 Nur wer sich am Altar auf hält und nach Westen, zurück in das Kirchenschiff, blickt, kann die zwei westlichen Pendentifs mit den musizierenden Engeln und den Auferstehenden vollständig sehen, und nur von hier aus kann man in der Mitte den westlichen Abschluss des Deckenge mäldes mit der Gottesmutter und Johannes dem Täufer wahrnehmen (Abb. 12.5), die als Interzessoren zum Weltgericht gehören und zusammen mit Christus die De esis bilden. Beide gehören zu den wichtigsten Fürsprechern der Menschen am Throne Gottes: Maria, neben den Märtyrern Cosmas und Damian Haupt-Patronin des Stifts Essen, sowie Apostel Johannes der Täufer, der zugleich als Patron der Kir che in Brechten eine besondere Verehrung erfuhr.36 Beide sind in den äußeren Kreis des Gewölbes gestellt – sie stehen zu dem Weltenrichter des Deckengemäldes gera dezu auf dem Kopf – und sie sind nur sichtbar, wenn man unter dem Gewölbe am Altar steht und in das Kirchenschiff nach Westen schaut. Zugleich – und auch dies hat Ulrich Rehm erstmals thematisiert – stehen die beiden Interzessoren damit gerade nicht wie sonst üblich begleitend zum Weltenrichter, sondern auf einer Ebene mit den Gruppen der Seligen und der Verdammten.37 Üblich ist für das Weltgericht in der Deesis die Positionierung seitlich oder seitlich unterhalb von Christus, damit die In terzessoren eindeutig auf die zu richtenden Auferstandenen herabblicken, um von diesen ein letztes Mal angesprochen werden zu können. Dieser besonderen Bildstellung muss ein tieferer Sinn zukommen. Maria und Johannes der Täufer nämlich blicken am Altar ja den Betrachter regelrecht an, wenn dieser nach Westen, in das Kirchenschiff, zurückschaut. Mit Schriftbändern sprechen sie ihn zusätzlich an – das Band Mariens ist heute kaum mehr zu lesen und dürfte lauten: SANCTA MARIA, MATER DEI. Sie soll eine an sie gerichtete Fürbitte an Christus weiter reichen. Das Schriftband von Johannes dem Täufer trägt die Aufschrift: POENITENTIAM AGITE. Johannes der Täufer weist im Bild den Gläubigen – unterstützt durch eine Geste der rechten Hand, die auf den Betrachter zeigt – mahnend darauf hin, dass nur über die Erfüllung der (auferlegten) Bußen ein Weg zu Christus zu finden ist. Diese Mahnung wie auch die Fürbitte machen aber in der Bildsprache des Weltgerichts gar keinen Sinn: Die Aufteilung der Auferstehenden in die Seligen und die Verdammten ist durch das Weltgericht im Bild erfolgt, eine Bußleistung jetzt kommt zu spät. Maria und Johannes der Täufer muss in ihrer beson‐ deren Stellung im Brechtener Chorgewölbe also eine andere Bedeutung zukommen. Bildanordnung und Spruchband des Johannes deuten auf eine neue Praxis der Buße – die Verallgemeinerung des Bußsakraments in der Folge des Vierten Lateranums.
35 Zur Bildsprache der Brechtener Ausmalung und der Ikonographie im Einzelnen siehe insgesamt Rehm, ‚Im Blick der Verstorbenen‛. 36 Zum Essener Marienpatrozinium siehe zuletzt die ältere Forschung zusammenfassend: Röckelein, ‚Altfrid, Gründer des Stifts Essen‘, S. 50ff. et passim. Zum Essener Marienpatrozinium gehört die Goldene Madonna, siehe dazu unter anderem: Humann, Die Kunstwerke der Essener Münsterkirche, S. 251-261; Fehrenbach, Die Goldene Madonna; Welzel, ‚Die „Goldene Madonna“‘; Gerwing, ‚‚Essen sein Schatz‘‘. 37 Rehm, ‚Im Blick der Verstorbenen‘, S. 90.
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Abb. 12.5: St. Johann Baptist, Brechten, Chorgewölbe, Maria und Johann Baptist (© Foto: Rüdiger Glahs, Dortmund).
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Bußsakrament und Viertes Laterankonzil – die Pfarrkirche als Instrument der Herrschaft Ungewöhnlich ist bereits, dass das Deckengemälde des Chorgewölbes das Jüngste Gericht thematisiert. Dies ist vor 1260 und für das 13. Jahrhundert insgesamt sehr selten, möglicherweise in dieser Weise sogar singulär.38 Darstellungen des Jüngsten Gerichts gehören liturgisch im 12. und 13. Jahrhundert – und auch später in erster Li‐ nie noch – eigentlich in den Westabschluss einer Kirche: Hier sei an die wohl älteste erhaltene Darstellung eines Weltgerichts (um 800) an der Westwand der Klosterkir‐ che St. Johann in Müstair erinnert, das heute zum schweizerischen Kanton Graubün‐ den gehört.39 Für unseren Kontext sei wegen der Beziehung Brechtens nach Essen vor allem, aber in gebotener Kürze, auf die vier Orte der Liturgie des mittelalterlichen Frauenstifts in der Essener Münsterkirche verwiesen.40 In der Osternacht wurde im geistlichen Spiel die Auferstehung Christi auf der Empore des Westbaus aufgeführt.41 In der Münsterkirche war im Westbau auf der Empore ein Altar des Erzengels und Seelenwägers Michael platziert.42 Dort, im Westen der Essener Münsterkirche, wurde 38 Rüber-Schütte, ‚Zur Wandmalerei des 13. Jahrhunderts‘, hat auf zwei Dorfkirchen in Sachsen-Anhalt hingewiesen, die für den hier diskutierten Zusammenhang von Interesse sind, da sie in ihrer Ausstattung mit der Brechtener Dorfkirche vergleichbar erscheinen. Die Pretziener Dorfkirche, gelegen südöstlich von Magdeburg und einst im Besitz des Magdeburger Liebfrauenklosters, ist ausgemalt in der Apsiskalotte mit einer Majestas Domini-Darstellung und einer Deesis (mit bekrönter Maria). Die übrige Malerei ist noch nicht ausreichend genug untersucht, um die Sprache der Bilder in allen Einzelheiten ausdeuten zu können. Das Bildprogramm verweist mit der Deesis sowie den ‚Klugen‘ und den ‚Törichten Jungfrauen‘ eindeutig auf die Thematik des Weltgerichts im östlichen Abschluss der Kirche. Die angenommene Datierung der Malerei auf das zweite Viertel des 13. Jahrhunderts ist nur eine Annahme, die näherer Untersuchung bedarf. Die Dorfkirche in Axien, gelegen zwischen Wittenberg und Torgau, weist im Chorrechteck mit abgesetzter Apsis ebenfalls eine monumentale Majestas Domini-Darstellung auf, die von vier Evangelistensymbolen umfangen wird, und durch die Darstellung der Deesis sowie von Propheten, die auf Christus weisen, erweitert ist. Vier Engel rufen mit Blasinstrumenten zum Jüngsten Gericht, Auferstehende werden in die Seeligen und die Verdammten geteilt. Rüber-Schütte nimmt an, hier seien auch Szenen des Fegefeuers und der Hölle dargestellt. Zugleich wird für Axien eine Datierung ebenfalls auf das zweite Viertel des 13. Jahrhunderts vorgenommen. Bilder des Fegefeuers, dies hat uns Le Goff, La naissance du purgatoire, Paris 1981 (deutsche Übersetzung: Die Geburt des Fegefeuers, S. 447ff.) gezeigt, stammen frühestens aus der Zeit kurz vor 1300, es müsste sich also hier wohl eher um Höllenflammen handeln. Die Durchsetzung des Dogmas vom Fegefeuer als einem eigenen Ort in der Jenseitstopographie nämlich ist erst mit dem Konzil von Lyon 1274 abgeschlossen und fand seitdem ganz allmählich Eingang in die Welt der Bilder. Die beiden hier angeführten Dorfkirchen aus Sachsen-Anhalt bedürfen also weiterer Forschungen, um für den diskutierten Zusammenhang fruchtbar eingebracht werden zu können. Zu Pretzien siehe Rüber-Schütte, ‚Zur Wandmalerei des 13. Jahrhunderts‘, S. 249-252, zu Axien, S. 260-262. In der Ostapsis von St. Peter in Schmallenberg-Wormbach (Westfalen) ist eine Weltgerichtsdarstellung aus dem ausgehenden 12. Jahrhundert erhalten, die hinsichtlich der Motive für die Platzierung dort trotz der Untersuchungen von Skriver und Heiling noch nicht abschließend geklärt ist; die Darstellung unterscheidet sich so erheblich von jener in Brechten und ist daher kaum mit dieser zu vergleichen. Siehe hierzu Skriver und Heiling, Bildwelten – Weltbilder, S. 569-618 mit zahlreichen Abbildungen und Rekonstruktionen des ursprünglichen Zustands. 39 Leider ist diese Darstellung erheblich beschädigt; vgl. hierzu Goll, Exner und Hirsch, Müstair. Die mittelalterlichen Wandbilder. 40 Zu dieser Funktion des Essener Westbaus siehe zuletzt Lange, ‚Der Werdener und der Essener Westbau‘. 41 Siehe hierzu Bärsch, Die Feier des Osterfestkreises im Stift Essen, S. 194-240. Zur Ausstattung des Westbaus der Essener Münsterkirche siehe zusammenfassend Kosch, Die romanischen Kirchen von Essen und Werden, S. 9-10 und 14-18 und vor allem Beuckers, ‚Die Westbauten ottonischer Damenstifte und ihre liturgische Funktion‘. Vgl. hierzu auch Lange, ‚Der Werdener und der Essener Westbau‘. 42 Siehe etwa die urkundlichen Erwähnungen: Essener Urkundenbuch, bearb. von Schilp, Nr. 592 und 621.
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also offensichtlich an die Auferstehung und an das Jüngste Gericht erinnert. Die dritte Stelle, die Halbkuppel der Empore des Westbaus, war einst mit einem Wandgemälde des Jüngsten Gerichts ausgemalt.43 Wohl auch wegen dieser liturgischen Konnotation befand sich unter dem Chorbogen des Westbaus – dem vierten Ort – ein Petrus, dem Portarius am Tor zum Paradies, geweihter Altar, der seit 1264 häufig urkundliche Erwähnung findet.44 Dieser Essener Befund lässt sich ohne Mühe anhand zahlloser Exempla andernorts bestätigen. Der bevorzugte Platz für ein Bild des Weltgerichts war zunächst die Innen‐ wand des meist westlichen Eingangsbereichs einer Kirche.45 Seit der Zeit um 1100 begegnen Weltgerichtsdarstellungen im Westen oder an bevorzugten Eingangsberei‐ chen (Südwesten, Nordwesten) der Kirchen als Portalskulptur oder als Tympana. Ich möchte hier auf die monumentalen Weltgerichtsportale vor allem in Frankreich aus dem 11. bis 13. Jahrhundert und im Besonderen als Exempel an den nachgerade als ‚klassisch‘ zu bezeichnenden romanischen Tympanon mit Szenerien des Jüngsten Gerichts über den Westportalen Burgunds aus dem 12. Jahrhundert verweisen.46 Dies soll für den Zusammenhang nur als Befund angeführt, nicht aber eingehender untersucht werden; hier gilt es festzuhalten, dass das Weltgericht für lange Zeit liturgisch im Westen der Kirchen verortet wurde und daher üblicherweise zunächst auch einmal für Jahrhunderte die entsprechenden Bilder in den Westabschlüssen der Kirchen zu finden sind.47 Das Brechtener Chorgewölbe ist mithin bemerkenswert, ja nimmt eine gewisse Ausnahmestellung ein. Das lässt nach besonderen Erklärungen für die Ausmalung mit der Weltgerichtszenerie des Ostchores in Brechten fragen. Eine Antwort liegt im Kontext der Zeit nahe: Jede katholische Christin und jeder katholische Christ ist – sobald er/sie das Alter sittlicher Unterscheidungsfähigkeit erlangt hat – auch heute nach dem Kirchenrecht verpflichtet, mindestens einmal im Jahr zur Beichte zu gehen, um Sünden aufrichtig zu bekennen, auferlegte Buße zu leisten und schließlich vom Beichtvater Lossprechung zu erlangen.48 Die Beichtpflicht für Laien wurde erstmals vom Laterankonzil des Jahres 1215 im Canon 21: Omnis utriusque sexus fidelis („jeder Gläubige beiderlei Geschlechts“) als verbindliche Vorschrift für jeden
43 Siehe Clemen, Die romanische Monumentalmalerei, S. 104ff. und Zimmermann, Das Münster zu Essen, S. 251f. 44 Siehe Essener Urkundenbuch, bearb. von Schilp, Nr. 99, 519, 520, 521, 523, 524. Dies ist auch eine Reminiszenz an die Verhältnisse im Kölner Dom, wo sich ebenfalls Marien- und Petrusaltar gegenüberstehen. 45 Vgl. hierzu Rehm, ‚Im Blick der Verstorbenen‘, S. 87-89 mit den weiteren Beispielen: Sant’ Angelo in Formis in Capua und Santa Maria Assunta in Torcello. 46 Hier sei das Tympanon der Kathedrale Saint-Lazare in Autun (1130/1145) mit dem berühmten Weltgericht gewählt, das sogar den Namen des Künstlers Gislebertus unter den Füßen Christi nennt. Zur Linken Christi, dargestellt als thronender Weltenrichter in einer von vier Engeln gehaltenen Mandorla und begleitet unter anderem von Maria als Himmelskönigin, sind die Verdammten, zu seiner Rechten wie in Brechten die Seligen dargestellt. Zudem sind der Apostel Petrus und der Erzengel Michael – als Seelenwäger – dem Weltenrichter beigestellt. Zur Kathedrale Saint-Lazare (mit Abb.) siehe unter anderem Sauerländer, ‚Über die Komposition des Weltgerichtstympanon in Autun‘; Romanische Skulptur in Frankreich, hrsg. von Rupprecht, S. 111-114; zuletzt Serexhe, Studien zur Architektur und Baugeschichte der Kathedrale Saint-Lazare in Autun. 47 Siehe die Auflistung weiterer Beispiele von Engemann, Jászai und Restle, ‚Weltgerichtsdarstellung‘, (mit Hinweisen auf die wichtigste weiterführende Literatur). 48 Vgl. hierzu Ohst, Pflichtbeichte, S. 1 mit Anführung der jüngeren Passagen des Kirchenrechts.
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Christgläubigen formuliert.49 Dies war eine Neuerung von größter Tragweite. Sehr früh in der Geschichte des Christentums sind immer wieder Bemühungen erkennbar, auch für Laien die regelmäßige Beichte zur Pflicht zu machen, allein es handelt sich um regionale Impulse oder Vorschläge einzelner Bischöfe, ohne dass wir überprüfen könnten, welche Praxis befolgt wurde.50 So war nur die Verpflichtung für Geistliche in allen Stufen der kirchlichen Hierarchie zur regelmäßigen Beichte bezeugt, doch galt dies zunächst keineswegs für Laien. Die hiermit ausgesprochene Verpflichtung aller Christgläubigen zur regelmäßigen Beichte fand mit der Publikation am 5. November 1234 Eingang in den Liber Extra, die Dekretalensammlung Papst Gregors IX., die den zweiten Teil des Corpus Iuris Canonici bildet. Damit war die Beichte zu einer rechtsverbindlichen Vorschrift des kirchlichen Lebens in Europa geworden. Jeder Laie beiderlei Geschlechts hatte fortan jährlich vor dem zuständigen Priester seiner Pfarrkirche zu beichten.51 Im Mittelalter brauchte es geraume Zeit, bis eine solch einschneidende Innovation für die gesamte Christenheit durchgesetzt und auch mit entsprechenden bürokratisch anmutenden Kontrollen ausgestattet war.52 Es brauchte mit einem Wort nach dem Lateranum Zeit, bis die Beichte als das siebte Sakrament flächendeckend durchgesetzt war.53 Entscheidend und auf Dauer von erheblicher Bedeutung waren die Beschlüsse des Konzils zur Reform des kirchlichen Lebens in den Diözesen bis hinunter zur kleinsten Pfarrkirche oder Kapelle mit cura animarum. Diese Beschlüsse beinhalteten ein breites Spektrum an Regeln, angefangen bei der Hebung des sittlichen Lebens der Kleriker (Canones 12-20),54 der Verbesserung der Ausbildung der Priester (Canones 10, 11, 27),55 der Stärkung der Ortspfarrer (Canon 51),56 der Verdammung der Simo‐ nie (Canones 63-66),57 bis hin eben zur allgemeinen Stärkung der für den Gläubigen einzig zuständigen Pfarrkirche, die – durch den Zwang der jährlichen Beichte, die im Übrigen in Canon 21 mit der verbindlichen Teilnahme an der Osterkommunion verbunden war – für das Leben der Gläubigen nachhaltige Wirkungen entfaltete. Durch den Zwang des Gläubigen zu Beichte und Kommunion erlebte auch die Eucharistiefrömmigkeit einen Aufschwung. Die Beichtpflicht für Laien – das Bußsakrament – verdankte sich einer neuen Theologie der Buße und bedingte eine völlig neue Bußpraxis. Vor allem die Funktion
49 Siehe hierzu ausführlich ebd., S. 1 et passim. Constitutiones Concilii quarti Lateranensis, bearb. von García y García, S. 67-68. 50 Siehe hierzu Browe, ‚Die Pflichtbeichte im Mittelalter‘, der zahlreiche Bemühungen zusammengetragen hat, aber immer wieder feststellen muss, dass vor der Zeit um 1200 keine Regelungen für die gesamte römisch-katholische Kirche auszumachen sind. Ähnliches muss er auch für Teilnahme an der Kommunion konstatieren, siehe Ders., ‚Die Pflichtkommunion der Laien im Mittelalter‘. 51 Zu den Quellenhinweisen und der wichtigsten Literatur siehe Ohst, ‚Pflichtbeichte‘, S. 2ff. 52 Hier ist vor allem an Beichtbücher, in die die Beichtenden eingetragen wurden, und an Beichtzettel zu denken, die der Beichtgeistliche ausstellte, um Sündenbekenntnis und Lossprechung festzuhalten. Siehe hierzu Sebott, ‚Beichtzettel‘ (mit Hinweisen auf weiterführende Literatur). 53 Siehe hierzu Dinzelbacher, ‚Das erzwungene Individuum‘, S. 48-49 und S. 51. 54 Foreville, Lateran I-IV, S. 412-417. 55 Ebd., S. 411f. und 420f. 56 Ebd., S. 433f. in Bezug auf die Eheschließung. 57 Ebd., S. 440-442.
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des Beichtvaters setzte die Autorität des Priesters für die Kirchengemeinde durch – mit allen Folgen für die Gemeindebildung und die Formen sozialer Kontrolle, die sich durch die Beichte aller Mitglieder einer Gemeinde ergab.58 An der Beichtpflicht wird das neue Verhältnis von Gemeinde und Pfarrer beziehungsweise Pfarrkirche evident.59 Die Gemeindemitglieder haben nach Canon 21 einen sacerdos proprius – dieser hatte eine besondere rechtliche Beziehung zur Gemeinde, denn allein er übt die cura animarum aus. Ausschließlich bei ihrem Pfarrer gehen sie zur Beichte und allein von ihm empfangen sie (an Ostern) die Eucharistie. Wollte ein Gemeindemit‐ glied bei einem anderen Priester beichten, bedurfte es der Erlaubnis des Gemeinde‐ pfarrers. Ohne diese Erlaubnis konnte ein anderer Priester weder binden noch lösen – Beichte war jetzt an die jurisdiktionelle Zuständigkeit des Pfarrers für seine Gemeinde gebunden. Der Pfarrer hatte Gläubige anderer Pfarreien auch am Betreten seiner Gemeinde-Kirche zu Gottesdiensten zu hindern, sie zu befragen, warum sie in dieser für sie fremden Kirche an der Messe teilnehmen wollten, und er konnte die ‚Fremden‘ von der Messe ausschließen. Der Pfarrer hatte also jetzt mannigfache rechtsrelevante Aufsichtsfunktionen. Die Gläubigen durften die Sakramente nach dem Lateranum nur in der eigenen Kirche empfangen, sie hatten umgekehrt aber auch den Anspruch auf seelsorgliche Betreuung durch den Pfarrklerus. Das Lateranum, und darauf ist mit Nachdruck hinzuweisen, hatte geradezu zwangsläufig – und dieser Nachweis ist durch eine breit angelegte Studie von Paul Binski gelungen – Konsequenzen für den Bau und die Ausstattung der Kirchen, von den großen Kathedral- und Stiftskirchen bis hin zu den Dorfkirchen.60 Die Essener Äbtissin erwies sich mit dem Neubau der Brechtener Kirche und deren Ausstattung erstens auf der Höhe der theologisch-kirchlichen Diskussionsprozesse. Zweitens nahm sie als Äbtissin des exemten Stifts Essen quasi-episkopale Funktionen wahr, indem sie sich mit dem Bau und der Ausstattung um die Umsetzung der Beschlüsse des Lateranums bemühte. Viel zu wenig ist von der Forschung bisher die Bedeutung des Lateranums sowohl für die Pfarrseelsorge als auch für die Ausbildung der Pfarrgemeinde im Einzelnen untersucht und diskutiert worden.61 Michele Maccarrone hat für die italienischen Verhältnisse in der Folge des Laterankonzils in einer Detailstudie die nachhaltige Stärkung des Pfarrers und der Pfarrkirche durch die Einführung der Laienbeichte, 58 Ebd., S. 151-152. 59 Siehe hierzu Hallermann, Pfarrei und pfarrliche Seelsorge, S. 44-46. 60 Binski, Becket’s Crown, S. 180f.: „Lateran IV was without doubt the most pastoral of all the medieval ecumenical councils, acknowledging not only the importance of moral theology for clergy and laity alike, but also the role and importance of the parishes within the diocese system as the principal vehicle for a general transformation of mores. […] Its role was in effect to consolidate the development of a veritable industry of pastoralia whose didactive objective was in the first instance to explain the relationship between the seven sacraments – especially the sacraments of penance and the Mass […] In this regard its two leading canons were its first, Firmiter credimus, and canon 21, Omnis utriusque sexus fidelis, the latter requiring adults individually to confess their sins to their own priest at least once a year, to perform any penance imposed on them, and to receive the sacrament of the Mass at least at Easter.” Ebd., S. 180: “The ‘rhetorical empowerment’ of the priest-confessor is exactly what guaranteed his authority. It was one aspect of the broader reformist drive of the Church examined above in the contexts both of architecture and the figurative arts.” 61 Siehe hierzu oben Anm. 4.
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den Zwang der jährlichen Teilnahme an der Kommunion zu Ostern und damit die starke Betonung der Eucharistie sowie der Einführung des Sakraments der Ehe feststellen können. Die Stellung des Priesters als vicarius Christi wurde nach seiner Untersuchung vor allem durch das verbindliche Bußsakrament entscheidend gestärkt, denn der Gemeindepfarrer richtete über die Sünden des Beichtenden, er erlegte diesem eine Buße auf, er gewährte in Vertretung Christi Absolution. Das stärkte nicht nur den Priester, sondern auch die Pfarrkirche und die Bedeutung der Pfarrgemeinde. Über alle politischen und sozialen Schranken hinweg erfolgte durch die Stärkung der Seelsorge eine Institutionalisierung des Gemeindebegriffs im neuen Sinne.62 Sowohl die Pfarrer als auch die Gläubigen wurden hierbei durch das Bußsakrament in neuer Form in die Pflicht genommen.63 Ein Zusammenhang ist zweifellos zur expandierenden Eucharistiefrömmigkeit im Verlauf des 13. Jahrhunderts zu sehen, denn die Beichte wurde immer häufiger als Voraussetzung des Empfangs der Kommunion postuliert.64 Auch ist es wohl kaum ein Zufall, dass Papst Innozenz III. die Pflicht zur Beichte jedes Christen verordnete, als die Kirche zum großen Kampf gegen die Häresie ansetzte und meinte, dass nun mehr die Gewalt des Kreuzzugs und die Inquisition gegen die Häretiker eingesetzt werden könnten. Das Bußsakrament mit der Beichte war von hier aus betrachtet für die Zukunft ein Instrument, für Glaubensfragen in der allein zuständigen Pfarrkirche über den Priester einen ‚Diskurs‘ zwischen ‚Kirche‘ und Gläubigen zu institutionalisieren. (Häretische) Abweichung sollte früh erkannt und mit belehrender Predigt begegnet werden können; die Beichte fungierte insofern als eine willkommene Kontrolle der Gläubigen.65 Zunächst müssen wir uns für das Mittelalter von den modernen Vorstellungen des Beichtstuhls als einer Art Beicht-‚Kabine‘ in den Seitenschiffen der Kirchen lösen, die im 13. und 14. Jahrhundert noch keinesfalls in Gebrauch waren.66 Der Beichtstuhl, wie er in der Regel heute in der katholischen Kirche üblich ist, und an dem sich
62 Zu Recht stellt Maccarrone, ‚„Cura animarum“ e „parochialis sacerdos“ nelle costituzioni del IV Concilio Lateranense (1215)‘, S. 160-166 fest, dass kein anderes Konzil zuvor – und auch bis zum Konzil von Trient (1545-1563) keines danach – solche präzisen Vorschriften für die Pfarrkirchen formuliert hat. Die Aufgaben der Seelsorge wurden durch das Lateranum völlig neu gestaltet und das Leben der Pfarrgemeinde erheblichen Anforderungen unterworfen. Leider fehlen vergleichbare Detailstudien zu den Folgen des Laterankonzils für Pfarrkirchen anderer Regionen. Maccarrone stellt hier, S. 163ff., einige Zeugnisse der Umsetzung der von Canon 21 der Beschlüsse des IV. Laterankonzils vorgeschriebenen Laienbeichte vor, so etwa die Einschärfung der Beichte vor der Kommunion für eine Pfarrkirche in Genua, die freilich nur ungefähr auf 1230-1240 datiert werden konnte. 63 Enno Bünz bezeichnete diese Überlegung in der Rezension von St. Johannes in Brechten als Erinnerungsort des Ruhrgebiets, hrsg. von Schilp und Welzel [Verzeichnis Nr. 168], in: Rheinische Vierteljahrsblätter 77 (2013), S. 378, leicht süffisant mit: „eher assoziative Weise“ – und scheint damit, offensichtlich empiristisch im Denken befangen, ohne fest formulierten Befehl des Vierten Lateranums für den konkreten Ort der Beichte in einer Kirche intellektuell nicht auskommen zu wollen. 64 Die Beichte fiel daher häufig in die vorösterliche Zeit, um die Kommunion an Ostern empfangen zu können; siehe hierzu den oben zitierten Canon 21 der Beschlüsse des Vierten Laterankonzils sowie Ohst, Pflichtbeichte, S. 33f. 65 Dinzelbacher, ‚Das erzwungene Individuum‘, S. 46ff. Zu diesem Kontext siehe auch Binski, Becket’s Crown, S. 151f. 66 Siehe hierzu Hundsbichler, ‚Beichtstuhl‘.
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moderne Vorstellungen orientieren, stammt frühestens aus der Zeit um 1500.67 Im Mittelalter sollte jeder sehen können, wer beichtete, jedoch nicht hören, welche Sünden der oder die Gläubige aus der Gemeinde bekannte und welches Gespräch sich zwischen dem oder der Beichtenden und dem Priester ergab. Die Beichte erfolgte bis in die Zeit um 1500 vor oder seitlich des Altartischs, manchmal auch hinter der Mensa des Hauptaltars, auf jeden Fall aber in der unmittelbaren Nähe des Altars im Ostabschluss der Kirche. Im Altar war Christus präsent. Bei der Weihe jeden Altars wurden in das Altarsepulchrum Reliquien des Kirchenpatrons und unter Umständen weiterer Heiliger eingebracht, später häufig auch eine geweihte Hostie. Der Altar war der Ort der Vergegenwärtigung Christi. Da der Priester als Beichtvater in Vertretung des Weltenrichters, als Vikar Christi, handelte, war der (Haupt-)Altar einer Kirche der angemessenste Ort der Beichte. Über Jahrhunderte fand die Beichte in der unmit‐ telbaren Nähe des Altars im Osten der Kirchen statt.68 Die Beichte erfolgte mithin in einem öffentlichen Raum, war bewusst als öffentlicher Akt inszeniert – zumal, wenn wir bedenken, dass alle Gemeindemitglieder einmal jährlich vor der verbindlichen Osterkommunion zu beichten hatten; die soziale Kontrolle des einzelnen Gemeinde‐ mitglieds war dadurch regelrecht institutionalisiert. Jeder Dorfbewohner wusste, wer nicht zur Beichte gegangen war. Das Chorgewölbe – die gemalte neue Auffassung des Bußsakraments Das berühmte Retabel des ‚Sakramentsaltars‘ von Rogier van der Weyden, entstanden in den Jahren zwischen 1440 und 1450, stellt in sieben Szenen die sieben Sakramente dar (Abb. 12.6).69 Das Triptychon gewährt Einblicke in einen hochgotischen Kir‐ chenbau, dessen Mittelschiff die mittlere, die Seitenschiffe samt Kapellen die beiden seitlichen Tafeln bilden. Hier können nur einige auf die Thematik dieses Beitrags bezogene Fragen diskutiert werden. Vorne im Mittelschiff bietet uns der Maler – monumental vergrößert – eine eindrückliche Kreuzigungsszene mit den trauernden Marien und Johannes dar. Vom Opfertod Christi rühren die Sakramente her. Das heiligste, mithin das wichtigste und zentrale Sakrament, die Eucharistie, wird im Bild folgerichtig im Hintergrund der Kreuzigung am zentralen Altar des Mittelschiffs vor dem Lettner gefeiert. Der Priester erhebt im Moment der Konsekration demonstrativ die Hostie zum Zeichen der Eucharistie – jedes Messopfer, wie dies dogmatisch ver‐ standen werden muss, lässt den Kreuzestod Christi wieder zur Wirklichkeit werden, 67 Zur Geschichte der Beichtstuhlformen siehe noch immer allein Schlombs, Die Entwicklung des Beichtstuhls. 68 Dies bricht mit dem aus Gründen der kultischen Unreinheit der Frau während der Menstruation verhängten generellen Verbot für Frauen, sich dem Altar zu nähern und im Altarraum aufzuhalten. Meta Niederkorn-Bruck sei für den Hinweis in der Diskussion der Tagung gedankt. Zum Problem der kultischen Reinheit siehe Angenendt, Kloster und Stift; Ders., ‚„Mit reinen Händen“. 69 Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Inventar-Nr. 393-395, 200 x 223 cm, Öl auf Holz. Zum Retabel siehe: Sauerländer, ‚Gedanken über das Nachleben des gotischen Kirchenraums‘; De Vos, Rogier van der Weyden. Das Gesamtwerk; zuletzt Eclergy, ‚Von Mausefallen und Ofenschirmen‘, hier S. 147. Hier siehe auch den Nachweis der umfangreichen Forschungsdiskussion.
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Abb. 12.6: ‚Sakramentsaltar‘ von Rogier van der Weyden, 1440-1450, Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten (© Wikimedia Commons).
verwandelt Brot und Wein zu Fleisch und Blut Christi. Im Kreuzestod Christi haben die Sakramente ihren Ursprung, und allein deshalb ist die Eucharistie in das Zentrum des Bildes platziert. Die anderen sechs Sakramente stehen in einer zweiten Bedeu tungsebene und sind im Bild daher in und vor den Seitenkapellen zur Anschauung gebracht, und zwar in der chronologischen Reihenfolge des menschlichen Lebens. Der ‚Sakramentenkreis‘ beginnt vorne auf dem linken Flügel, dem nördlichen Seiten schiff einer Kirche entsprechend, mit der Taufe, gefolgt von der Firmung, und dem Bußsakrament mit einer Beichtszene. Real gehen diese Sakramente der am zentralen Ort der Kirche gezeigten Eucharistie im Leben eines Menschen voraus, während ihr die Sakramente der rechten Seite zeitlich folgen. Auf dem rechten Flügel des Gemäl des, dem südlichen Seitenschiff einer Kirche entsprechend, wird dies daher folgerich tig fortgesetzt, wenn man die drei Szenen chronologisch von hinten nach vorne liest: Priesterweihe beziehungsweise Eheschließung und das Sterbesakrament mit der
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Abb. 12.7: ‚Sakramentsaltar‘ von Rogier van der Weyden, linker Flügel Detail: Beichtszene, Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten (© Wikimedia Commons).
letzten Ölung, wobei das letzte dargestellte Sakrament zudem den Kreislauf des menschlichen Lebens schließt. Diese Art der Inszenierung erzählt in der Bildsprache die Spende der sieben Sakramente als einen gleichsam gleichzeitigen Akt, was im Leben jedes Menschen indes chronologisch aufeinander folgt. Keinesfalls auch soll die reale liturgische Praxis in den Seitenkapellen der Kirche zur Anschauung gebracht werden. Alle Sakramente außer der letzten Ölung, die ja am Kranken- respektive dem Sterbeort erfolgt, wären liturgisch an anderen Orten in der Kirche zu platzieren, eher am Hauptaltar, der im Bild aber durch die Feier der Eucharistie belegt ist. In der Sprache des Bildes wird also eine erzählerische Anordnung gewählt, hierarchisiert mit der zentralen Euchari‐ stiefeier und in den Seitenkapellen chronologisch angeordnet. Die Lokalisierung der einzelnen Sakramente wird vom Maler mithin nicht in eine reale, sondern vielmehr in eine symbolische Topographie des Kirchengebäudes vorgenommen. Die Darstellung des Bußsakraments auf diesem Retabel verdeutlicht für das Spät‐ mittelalter eine gleichsam öffentliche Beichtsituation. Der Ort im Seitenschiff, dies gilt es nachhaltig zu betonen, gibt nicht den realen Ort an, an dem notwendigerweise die Beichte zu erfolgen hatte. Rogier van der Weyden wollte alle Sakramente an den heiligen Ort der Kirche binden, zeigen, dass alle Sakramente durch den Opfertod Christi ermöglicht worden sind und nur von der Kirche gewährt werden können. Die Sakramente deuten hier den christlichen Kreislauf menschlichen Lebens.
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Abb. 12.8: Hambach, St. Jakobus, Beichtszene, um 1500 (Foto: Kirchgemeinde St. Jakobus; nach Schilp, Seelenheil und Stadtkultur‘ [Verzeichnis Nr. 125]).
Doch nun zur Beichtszene in diesem Bild (Abb. 12.7) selbst. Bei der Beichte saß der Priester im Mittelalter, wie hier lebensnah dargestellt, in der Regel leicht erhöht auf einem hölzernen Armlehnstuhl hinter oder vor dem Hochaltar, unter Umständen, je nach den lokalen Verhältnissen, auch seitlich des Altars. Mit dem Lehnstuhl für die Beichte wurde der Thron als etwas majestätisches zitiert und der Beichtvater als Ver treter Gottes auf Erden gezeigt. Der Armlehnstuhl stellte im Gemeindeleben demon strativ die Rangfolge von Priester und Gemeindemitgliedern her. Diese Form des Beichtstuhls erinnerte an den Stuhl eines Richters, und damit auch an mittelalterliche Darstellungen des Jüngsten Gerichts mit der Majestas Domini im Zentrum. Die von Rogier van der Weyden auf diese Weise gestaltete Beicht-Situation scheint nachge rade die in Brechten gemalte Darstellung von Christus als thronendem Weltenrichter aufzugreifen. Der Beichtende kniete auf dem Fußbänkchen des Armlehnstuhls vor dem Priester beziehungsweise etwas seitlich versetzt. Eine Frau wartet kniend in ge bührendem Abstand darauf, selbst beichten zu können. Der Beichtvater bedeckt den Kopf mit einem grauen Beichttuch, wahrscheinlich aus einem Fell.70 Seine Individua lität soll zurückgenommen werden, entpersonalisiert und dadurch die Funktion ver deutlicht sein, dass er nur in Stellvertretung Gottes in der Kirche handelt, den Welten richter des Jüngsten Gerichts auf der Erde in der Beichte vertritt.
70 Hier geht es weniger um ein Tuch als Kopfbedeckung „gegen die Kälte“, wie De Vos, Rogier van der Weyden. Das Gesamtwerk, S. 221, dies annimmt.
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Eine weitere Darstellung einer Beichtszene, bislang nur ungefähr auf die Zeit um 1500 datiert, möchte ich kurz vorstellen. In der Jakobuskirche in Hambach ist als östlicher Abschluss im Chorturm der Kirche ein Fresko einer Beichtszene überliefert (Abb. 12.8).71 Im Bild ringen der Teufel und ein Engel um eine Menschenseele. Zwei Etappen des Ringens sind ins Bild gesetzt: Die erste Szene zeigt einen Menschen, der sich, geleitet von einem Engel, zur Kirche begibt – der Sünder aber ist noch fest in der Hand des Teufels, der diese mit einer ‚Geige‘ an Hals und Händen ‚gefesselt‘ hat und zurückzuhalten versucht. In der zweiten Szene des Freskos nimmt ein Priester, ähnlich wie in der Beichtszene des ‚Sakramentsaltar‘ Rogier van Weydens um das Haupt ein Beichttuch gewunden, dem Sünder die Beichte ab – der Teufel muss infolge des Beichtvorgangs die Fessel seiner ‚Geige‘ öffnen – er hat also infolge des Bußsakraments seine Macht über den Sünder verloren. Der Beichtvater sitzt auf dem Stuhl, der Sünder kniet vor ihm, um seine Sünden zu bekennen. So nimmt es eigentlich nicht wunder, wenn auf dem 1521 in Antwerpen für das Dortmunder Franziskanerkloster geschaffenen Altarretabel, dem ‚Goldenen Wunder‘, das seit 1809 in der St. Petri-Kirche in der Dortmunder City zu bewundern ist, im geschlossen Zustand neben dem zentralen Bildthema der Anbetung der Eucharistie eben auch eine Beichtszene neben dem Empfang der Kommunion in den beiden mittleren Bildfeldern der Predella gezeigt ist (Abb. 12.9).72 Durch diesen Bildzusam‐ menhang wird darauf hingewiesen, dass der Kommunion die Beichte vorauszugehen hat. Unter einem Baldachin sitzt der Beichtvater leicht erhöht auf einem thronarti‐ gen Armlehnstuhl; dessen Haupt ist durch eine graue Kopfbedeckung, ähnlich dem Beichttuch der beiden älteren hier gezeigten Bilder, entpersonalisiert. Ein Gläubiger kniet vor ihm nieder, um die Beichte abzulegen. Der Priester segnet ihn gerade zum Zeichen der erteilten Absolution. Weitere Gläubige warten in unmittelbarer Nähe darauf, selbst beichten zu können. Auch diese Szenerie betont die Beichte als öffentliche Handlung, ohne dass das Beichtgespräch selbst veröffentlicht sein sollte. Die lutherische Reformation hatte neben der Eucharistiefrömmigkeit, dem Ablass be‐ ziehungsweise dem Ablasshandel unter anderem auch das katholische Bußsakrament einer Kritik unterzogen, ohne die Beichte selbst zu verwerfen.73 Wenn wir die Sprache des vorgestellten Bildes auf die Brechtener Kirche beziehen, so ist der Bezug der Ausmalung des Chorgewölbes in den Jahrzehnten nach dem Vierten Lateranum plausibel gemacht. Als These kann formuliert werden: Das Bußsa‐ krament fand in St. Johann zu Brechten wie in allen anderen Kirchen des Mittelalters über Jahrhunderte am Hochaltar statt. Auch hier dürfte der Priester der Gemeinde als Beichtvater in Vertretung Christi etwas erhöht auf einem Armlehnstuhl am Altar zum
71 Siehe zum Fresko Habermehl, ‚Wandmalereien im Chorturm der Kirche St. Jakobus in Hambach‘, S. 4. Der Kirchengemeinde St. Jakobus sei herzlich für die Überlassung der Abbildung gedankt. 72 Siehe hierzu Altes Gold in neuer Pracht. Das „Goldene Wunder“ in der Dortmunder Petrikirche, hrsg. von Welzel, S. 44 (C 4 Beichte). Beichtender und Kommunionempfangender scheinen nach Kleidung und Aussehen identisch zu sein – die beiden Innen-Tafeln der Predella des Retabels in geschlossenem Zustand weisen überdeutlich auf den Zusammenhang von Beichte und Kommunion und damit auf die gesteigerte Bedeutung der Eucharistiefrömmigkeit in der Zeit der Reformation hin. 73 Siehe hierzu Roth, Die Privatbeichte und die Schlüsselgewalt.
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Abb. 12.9: Dortmund, St. Petrikirche, „Goldenes Wunder“, Beichtszene auf der Predella (© Foto: Rüdiger Glahs, Dortmund).
Beichtgespräch gesessen haben, den Kopf mit einem Tuch bedeckt. Der Kontext des Bußsakraments mit der Szenerie von Auferstehung und Jüngstem Gericht führte dem Beichtenden den Ziel- und Endpunkt christlichen Lebens vor Augen, trug auf diese Weise zur Verinnerlichung der Alternative bei – es ging um das ewige Heil oder die ewige Verdammnis. Mit der Ausmalung des Brechtener Chorgewölbes erhielt das Bußsakrament sei‐ nen Zielpunkt, seinen eigentlichen Sinn. Erhob sich der Beichtende nämlich vom Beichtgespräch, um aus dem Chorgewölbe in das Kirchenschiff zurück zu schreiten, musste er sich drehen: Jetzt stand er Auge in Auge der Gottesmutter und Johannes dem Täufer im Chorgewölbe gegenüber, umgeben von den Auferstehenden in den Pendentifs und den Gerichteten: Maria sah er dort als seine Fürbitterin am Throne Christi, Johannes den Täufer aber vor allem als Mahner: POENITENTIAM AGITE – steht auf dessen Schriftband (Abb. 12.5). Erklärt war ihm dies worden als: Leiste
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eifrig die Buße, die dir auferlegt worden ist, um zum Heil zu gelangen. Johannes wies ihn auf die Buße und den Sinn der Beichte hin. In der Beichte, der Rechenschaft des Gläubigen vor Gott und vor sich selbst über das eigene Denken und Handeln, war insofern eine Soziallehre einbegriffen, die konstitutiv für das individuelle und das gemeindliche Leben war und zusammengefasst werden kann mit: Tu das Gute, lass das Üble, gehe zur Beichte und lege im oben bezeichneten Sinn öffentlichen Rechenschaft über dein Denken und Tun ab. Voraussetzung für diese Deutung ist der Ort der Beichte am Hochaltar. Conclusio Das Brechtener Chorgewölbe mit seiner Ausmalung wurde mithin auf die Situation der Laienbeichte bezogen; die Wandmalereien formten die neuen Anforderungen des Lateranums von 1215 an das Bußsakrament zu einem ‚sprechenden‘ Bild, das für den modernen Betrachter entschlüsselt werden musste. Die Ausgestaltung der Kirche setzte im Übrigen ein handelndes Subjekt voraus, das nicht aus der Gemeinde des Dorfes Brechten selbst stammte: Ökonomische, politische und soziale Potenz, theologische Bildung und Partizipation am theologischen und kirchenpolitischen Diskurs der Zeit, Kontakt mit entsprechenden Bauhandwerkern und Künstlern – all dies waren Voraussetzungen für den Bau und die Ausstattung von St. Johann Baptist in Brechten. Allein das Frauenstift Essen und dessen Äbtissin kommen aufgrund des Patronatsrechts als Urheber und Verantwortliche in Frage. Die Essener Äbtissin ‒ und auch ihr Beauftragter Heinrich von Essen, der in einer Brechtener Bauinschrift ge‐ nannt ist ‒ demonstrierten ihre soziale und politische Stellung, ihre Fama.74 Dass die Brechtener Kirche mit dem theologisch-herrschaftlichen Programm für die Memoria 74 Zur Inschrift siehe zuletzt Schilp, ‚Memoria in einer Dorfkirche‘ [Verzeichnis Nr. 200], S. 30-33. Die nach Abschluss der Arbeiten an diesem Aufsatz erschienenen kritischen Bemerkungen von Dethlefs, ‚Kirche – Gemeinde – Grundherr‘, vor allem S. 10-12 und 16, zu meinen Ausführungen in Schilp, ‚Im Blick der Lebenden‘ [Verzeichnis Nr. 169], bezüglich des Bauherren der Brechtener Kirche kann ich nicht teilen und möchte daher in hier gebotener Kürze erwidern: Die Essener Äbtissin sei wegen erheblicher Beanspruchungen (Auseinandersetzungen mit dem Vogt; Streit mit dem Kapitel; Baufälligkeit der Essener Stiftskirche) auf keinen Fall Bauherrin in Brechten gewesen; Patronatsrechte seien kein Herrschaftsmittel mehr. Die Essener Äbtissin war jedoch in Brechten nicht nur Patronatsherrin, sondern auch wichtige Grundherrin, und sie nahm, wie ich mit dieser Studie zeigen wollte, mit dem Neubau und der Ausstattung der Kirche weitreichende Herrschaftsrechte wahr. Dass ausgerechnet Heinrich von Essende aus der Ministerialenfamilie, die als Amtmänner die Güter des Stifts im Salland bei Zwolle in den Niederlanden für das Stift verwalteten und sich dort für Generationen festsetzten, alleiniger Bauherr der Kirche im von Zwolle aus gesehen sehr fernen Brechten gewesen sein und sich dort auch vor dem Ostchor bestattet lassen haben soll, betritt das Reich der Spekulation. Denn es stellen sich mehrere Fragen: Wie konnte sich dieser Heinrich über die Patronatsrechte der Äbtissin hinwegsetzen, der allein das Baurecht für die Kirche zustand? Wieso sollte dieser Heinrich sich getrennt von seiner Familie und allen sozialen Zusammenhängen seines Lebens hunderte Kilometer entfernt in Brechten bestatten lassen und ohne Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe vor Ort sein Totengedenken begehen lassen? Das ist konstruiert und entbehrt der Plausibilität. Jeder Heinrich aus dem Kreise der stiftischen Dienstmannschaft und der Essener Kanoniker – es handelt sich im 13. Jahrhundert im Übrigen um eine soziale Gruppe, da die Essener Kanoniker weitgehend aus der Essener Ministerialität rekrutiert wurden – hätte als Vertreter der Äbtissin in Brechten am Bau mitwirken können; also sollten wir uns vor vorschnellen Identifizierungen hüten. Hinzuweisen ist auf das Essener Urkundenbuch, bearb. von Schilp, das auch die zahlreich erschienene Literatur zu Essen im 13.
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von Äbtissin und Stift Essen im Kontext der Ausstattung des 13. Jahrhundert genutzt worden ist, setzt der vorangegangenen Analyse eine Krone auf.75 Bau und Ausstattung nämlich rühmten im Totengedenken die Auftraggeber und die Patronatsherrin. Die Pfarrkirche St. Johann Baptist in Brechten diente als Mittel der Repräsentation der Essener Äbtissin und Patronatsherrin Berta von Arnsberg als Reichsfürstin und Terri‐ torialherrin, sie fungierte für Essen als ein politisches Mittel für die herrschaftlichen Rivalitäten im Kontext des Landesausbaus während des 13. und 14. Jahrhunderts. Als Äbtissin sorgte Berta von Arnsberg quasiepiskopal für die Umsetzung der Konzils‐ beschlüsse in ihrem Herrschaftsgebiet, stellte die Pfarrgemeinde Brechten in einem fremden Territorium über alle politischen und sozialen Schranken hinweg her und beanspruchte damit herrschaftliche Zuständigkeit für alle Mitglieder des Kirchspiels. Dies korrespondierte in Brechten mit der Artikulation politischer Zuständigkeit für den Sprengel des gesamten Kirchspiels, der sich über die Territorien Grafschaft Dortmund und Grafschaft Mark erstreckte – die Pfarrkirche fungierte seit dem 13. Jahrhundert als ein Herrschaftsinstrument. Die Auseinandersetzungen um die von der Brechtener Pfarre abhängige Organisation kirchlichen Lebens in der entstehen‐ den Stadt Lünen ließ dies ebenso erkennen wie die Gefangenschaft des Paderborner Bischofs in Essen nach der Schlacht auf dem Brechtener Wulferinkskamp 1254 für annähernd zwei Jahre. Die Ergebnisse der Analyse korrespondieren mit der Pfarreiorganisation in der Stadt Essen nach dem Vierten Lateranum und bis zur Reformation: Der Bevölke‐ rungsanstieg in der Stadt Essen bewirkte aus pragmatischen Gründen im 13. Jahrhun‐ dert die Erhebung von St. Johann und der Marktkirche St. Gertrud zu Filialpfarreien der stiftischen Münsterkirche. Beide übernahmen seit 1264 eindeutig die Aufgaben der Seelsorge für die Essener Stadtbevölkerung. Freilich blieb die Münsterkirche die Pfarrkirche auch für die Stadt Essen, denn nur auf deren Kirchhof durften Essener Bürger und Einwohner bestattet werden; nur hier ließ sich also die für die Gesell‐ schaften der Vormoderne essentielle Gemeinschaft der lebenden und verstorbenen Städter herstellen. Ebenso wurde das Taufwasser für die Stadt Essen allein in der Stiftskirche geweiht. Prozessionen und die Reglementierung memorialer Stiftungen Essener Bürger unterstrichen die herrschaftliche Funktion des Pfarrkirchensystems. Das Stift bestand grundsätzlich auf dem Primat der Münsterkirche für die Stadt und nur hier konnte die Essener Stadtgemeinde Identität als Pfarrgemeinde der Lebenden und Toten finden.
Jahrhundert auflistet. Es ist Dethlefs zu danken, die Diskussion zum ‚Fall‘ Brechten mit seinen Überlegungen aufgegriffen zu haben. 75 Siehe hierzu ausführlich Schilp, ‚Memoria in einer Dorfkirche‘ [Verzeichnis Nr. 200].
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11. August 1899: Kaiser Wilhelm II. in Dortmund* Reichsstädtische Vergangenheit in der Erinnerung der industriellen Großstadt Für den Besuch Kaiser Wilhelms II. zur Eröffnung des Dortmund-Ems-Kanals und des Dortmunder Kanalhafens wurde von der Stadt – den Honoratioren, aber auch den bürgerlichen Vereinen und der breiten bürgerlichen Öffentlichkeit – ein regel‐ rechtes Spektakel veranstaltet, das in seiner historistischen Ausformung als Anachro‐ nismus, ja im Rückblick der Geschichtsschreibung sogar als ein Antagonismus wahr‐ genommen werden kann.1 Die mittelalterliche Wirklichkeit des Kaiserreiches, das um 1900 geschichtsklitternd als erstes Deutsches Kaiserreich rezipiert worden ist, wurde ohne Umschweife als großartige mittelalterliche Tradition für das wilhelminische Deutschland reklamiert. Im Folgenden soll es um Besonderheiten des Dortmunder Bezugs auf die als ruhmvoll verstandene mittelalterliche Vergangenheit der einstigen Reichsstadt und damit lokale Spezifika der Mittelalterrezeption kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert gehen. Der lange Zeit im Bereich der Unsicherheit verbleibende Besuch des Kaisers zur Dortmunder Kanal- und Hafeneinweihung2 war über Monate in zahlreichen städtischen Commissionen minuziös, ja geradezu generalstabsartig vorbereitet worden.3 Kanal und Hafen sind als technischer Fortschritt des ausgehenden 19. Jahrhun‐ derts zu würdigen und waren für die wirtschaftliche Zukunft der Stadt Dortmund * Erstpublikation in: Tempi passati. Die Reichsstadt in der Erinnerung. Studien zur Reichsstadtgeschichte 1, hrsg. von Helge Wittmann (Petersberg: Michael Imhof Verlag, 2014), S. 149-174 [Verzeichnis Nr. 189]. 1 Siehe zum Folgenden ausführlich bereits Schilp, ‚Städtische Identität durch Erinnerung an das Mittelalter‘ [Verzeichnis Nr. 52]. Zuvor: Dortmund 11. 8. 1899. Der Kaiser kommt zur Hafeneinweihung, hrsg. von Langemeyer und Christiansen; Schilp, ZEIT-RÄUME. Aus der Geschichte einer Stadt [Verzeichnis Nr. 5], S. 84-127. Zur Thematik siehe auch Ders., ‚Deutungen mittelalterlicher Stadtgeschichte‘ [Verzeichnis Nr. 44]. Zuletzt siehe den Überblick zur Situation des Ruhr-Reviers um 1900: Schilp, ‚Leben – Bauen – Gestalten. Die Städte des Ruhrgebiets‘ [Verzeichnis Nr. 193]. 2 Vgl. hierzu die Akte Stadtarchiv Dortmund, Bestand 3 Nr. 1566, Bl. 169: Erst am 22. Juli trifft per Telegramm die Zusage ein, der Kaiser werde zur Einweihung des Kanals und des Dortmunder Hafens kommen; wann, das wird zunächst noch im Unklaren belassen; ebd., Bl. 175f.: Am 7. August trifft die Mitteilung ein, dass der Kaiser am 11. August nach Dortmund kommen wird. Jetzt schließt die Vollendung der lange vorbereiteten Inszenierungen anlässlich des Kaiserbesuchs unter hektischem Hochdruck ab. 3 Stadtarchiv Dortmund, Bestand 3 Nr. 1566, Bl. 18ff. nennt elf städtische Kommissionen (mit den Mitgliedern), die seit März 1899 in Dortmund eingerichtet worden waren. Stadtgesellschaft und Memoria, ed. by Arnoud-Jan Bijsterveld, Meta Niederkorn & Annemarie Stauffer, Memoria and Remembrance practices, 3 (Turnhout: Brepols, 2023), pp. 317–342 10.1484/M.MEMO-EB.5.132330
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eminent wichtig. Die Dortmunder Feier zum Anlass der Eröffnung von Kanal und Hafen hatte freilich andere Ausgangspunkte: Sie griff intensiv auf Symbole und Bilder der längst verflossenen reichsstädtischen Zeit und die führende Mitwirkung der einstigen Reichs-Stadt in der Hanse zurück. Um den Kaiser des ‚Zweiten Kaiserrei‐ ches‘ gebührend in der Industriestadt Dortmund empfangen zu können, wurde zum Teil ein mittelalterlich-illusionäres Bild der Stadt erzeugt. Beispielsweise wurden aus Latten und Leinwand, Leim und Farbe regelrechte potemkinsche Dörfer errichtet; die mittelalterlichen Befestigungsanlagen und deren Architektur waren für den Weg des Kaisers vom Hafen in die Stadt als Scheinwelt errichtet worden. Die wirkliche Stadtbefestigung, einst Symbol der Autonomie der Reichsstadt, hatte man im Geiste einer vermeintlich fortschrittlichen Gesinnung seit dem beginnenden 19. Jahrhundert abgebrochen. Wenige Jahrzehnte zuvor hatte man in diesem Kontext auch den Status des mittelalterlichen Bürgers und die mittelalterliche Stadtgemeinde als antiquiert, als Schranke des Fortschritts oder Schlimmeres gefasst und gedanklich ad acta gelegt, ja gleichsam zu Grabe getragen. Die Stadt, die von der blühenden Reichs- und Hansestadt des Spätmittelalters bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert zu einer Ackerbürgerstadt geworden war, wurde von Zeitgenossen polemisch bezeichnet als „ein großes Dorf mit Mauren [!], eine Stunde im Umkreis, worin alle Bürger Ackerleute sind”.4 Aber jetzt präsentierte sich Dortmund zum Kaiserbesuch bewusst durch den Rückgriff auf die als ruhmvoll empfundene mittelalterliche Vergangenheit als einziger Reichsstadt Westfalens. Im Jahr 1803, wohl kurz vor der Aufhebung der Reichsunmittelbarkeit hatte der spätere preußische Staatsrat Justus Gruner in seiner berühmten Reisebeschreibung Westfa‐ lens Dortmund als kleinstädtisch, verwahrlost und zurückgeblieben beschrieben:5 Die Stadt ist, wie die meisten kleineren freien Reichsstädte, im Aeussern und Innern gleich sehr verwahrloset. Ihr Umfang ist bedeutend genug, weisst aber keine Merkwürdigkeiten, sondern nur schlecht gepflasterte Gassen, meistens alte Gebäude, viel Unreinlichkeit, und andere hässliche Polizeimängel, auf. Sehenswerthe öffentliche Einrichtungen habe ich durchaus nicht gefunden; und das Rathhaus, das wegen seines gothischen Alters einen Besuch verdient, beherbergt zugleich in sehr elenden Gefängnissen, die öffentlichen Verbrecher, welche man jedoch selten einsperrt (…) sind über Dortmunds Gemeinwesen alle die gewöhnlich den kleineren Reichsstädten anklebenden Mängel und Gebrechen ausgegossen. Wir können sicherlich Übertreibungen als literarisches Stilmittel berücksichtigen. In der Zeit um 1800 blieb dennoch allgemein ein negativer Eindruck von der Stadt bei den zeitgenössischen Reiseschriftstellern haften, ein Urteil, das sicher auch über diesen Personenkreis hinausgehend geteilt wurde.
4 ‚Anonymes Schreiben aus Dortmund‘, in: Westphälisches Magazin (1788), hrsg. von Weddigen, S. 310ff.; der Herausgeber formulierte in seiner Anmerkung korrigierend: „Von Rechts wegen eine Reichsstadt”. 5 Gruner, Meine Wallfahrt zur Ruhe und Hoffnung 2, S. 370f.
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Selbstredend dürfen wir diese Beurteilungen und Wertungen nicht unkritisch als historische Realität übernehmen. Zweifellos hatte sich Dortmund als einst bedeu‐ tende Reichs- und Hansestadt kurz vor der Aufhebung des Alten Reichs in vielfacher Hinsicht überlebt. Die Stadt hatte mit rund 4.000 Einwohnern noch nicht einmal die Bevölkerung, die wir für das Spätmittelalter aufgrund grober Schätzungen mit 6.000 bis 7.000 annehmen können.6 Die reichsstädtische Verfassung verharrte in Kleinstaaterei und war zum Hemmnis einer modernen städtischen Entwicklung ge‐ worden. Industrie und Gewerbe stagnierten. Die Stadt war aufgrund der politischen Entwicklungen von den tradierten Einzugsgebieten abgetrennt. Die Mängel aber, wie auch die Problematik der städtischen Zukunft, dies wird häufig viel zu wenig berücksichtigt, waren an der Wende zum 19. Jahrhundert in Dortmund durchaus erkannt, denn allenthalben sind Bemühungen um Reformen erkennbar.7 1818 hatte die Stadt aber nur 4.289 Einwohner und war kleiner und damit unbedeutender als etwa Münster, Minden, Bielefeld, Paderborn, Herford, Iserlohn, Soest oder Hamm.8 Das Gesicht der Stadt begann sich allmählich zu wandeln, zögernd nur setz‐ ten Neuerungen ein. Im Dortmunder Raum wurden mit der Hermannshütte in Hörde und der Harkortschen Eisengießerei und Kesselschmiede in Hombruch die ersten modernen Industrien gegründet, die das spätere Revier prägen sollten. Die Eisenindustrie des märkischen Sauerlandes begann ihren Zug zu den immer besser erschließbaren Steinkohlevorkommen zunächst des Dortmunder Raumes. Als auch die Verkehrsprobleme mit dem Anschluss an die Köln-Mindener-Eisenbahn (1847) und an die Bergisch-Märkische Bahn (1849) erheblich minimiert werden konnten, hatte Dortmund seine Standortnachteile aufgrund der geographischen Lage vorüber‐ gehend mehr als ausgeglichen und sich von der durch die Landwirtschaft bestimmten Ackerbürgerstadt zu einer aufstrebenden Industriestadt entwickelt - die Einwohner‐ zahl war 1849 auf 10.515 gestiegen und hatte sich binnen zehn Jahren um 53 Prozent erhöht.9 Seit 1850 wurde der Prozess der Industrialisierung immer rasanter. Es ist hier nicht der Ort, diese Entwicklungen im Einzelnen nachzuzeichnen.10 Nur einige Eck‐ daten seien mitgeteilt, um die regelrechte Explosion der wirtschaftlichen Entwicklung und ihre sozialen sowie politischen Konsequenzen anzudeuten. Seit etwa 1850 ent‐ standen in Dortmund und der näheren Umgebung die ersten Großunternehmen der Montanindustrie. Die wohl wichtigsten seien genannt: 1852 der aus der Hörder Hermannshütte hervorgegangene Hörder Verein, die erste Hüttenaktiengesellschaft
6 Mallinckrodt, Versuch über die Verfaẞung 1, S. 36 konnte 1795 die Einwohner der Stadt mangels einer amtlichen Erfassung oder gar Statistik, die er kritisch als erheblichen Mangel der öffentlichen Verwaltung geißelt, nur grob schätzen: „Nimmt man nun gegen 800 Häuser an, so betrüge die Volksmenge der Stadt 4.000 (…)”. Für das Spätmittelalter: Schilp, ‚Die Reichsstadt (1250-1802)‘ [Verzeichnis Nr. 31], S. 148. 7 Vgl. hierzu etwa die umfassenden Arbeiten von Arnold Mallinckrodt vor 1800; siehe Luntowski, ‚Arnold Mallinckrodt‘. 8 Die Grafschaft Mark, hrsg. von Meister, S. 548. 9 Ebd., S. 564. 10 Vgl. zum folgenden noch immer den Überblick von Dascher, ‚Grundzüge der wirtschaftlichen Entwicklung Dortmunds im 19. Jahrhundert‘, sowie Luntowski, ‚Das Jahrhundert der Industrialisierung (1803-1914)‘, mit den Hinweisen auf die einschlägige weiterführende Literatur.
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des Ruhrgebiets. 1856 folgte die Dortmunder Hütte, aus der 1872 die Dortmunder Union wurde; 1856 die Harpener Bergbau AG; 1871 schließlich das Eisen- und Stahlwerk Hoesch. Die Bevölkerung wuchs in rasantem Tempo durch Zuwanderung an, ein Tempo, das man kaum mehr ermessen kann und das wir heute nur aus Regionen der sogenannten Dritten Welt unter gänzlich anderen Vorzeichen kennen. Von 10.515 Einwohnern im Jahre 1849 wuchs die Bevölkerung auf 66.544 im Jahre 1880. 1914, nach den ersten Eingemeindungen, die aber die der einst selbständigen märkischen Stadt Hörde im Dortmunder Süden noch nicht einschlossen, sollten es bereits über 250.000 sein. Über viele Jahrzehnte wurde die Wohnungsnot zum Dauer‐ problem der Industriestadt Dortmund. Die Wohnungsnachfrage ließ die Mietpreise in die Höhe schnellen. Der industrielle Aufstieg der Stadt war zudem von heftigsten konjunkturellen Einbrüchen und Krisen begleitet, die eine immense Arbeitslosigkeit zunächst ohne jede Absicherung und zahlreiche Erscheinungsformen von Pauperis‐ mus mit sich brachten. Die traditionellen Instrumente der Armenfürsorge waren immer weniger in der Lage, den neuen Formen der Not in ihrer Massenhaftigkeit zu begegnen. Diese Situation führte zu Konfliktpotenzialen, das sich vor allem im Bergbausektor schon früh in sozialen und politischen Protesten äußerte. Der große Bergarbeiterstreik des Jahre 1889, der in der Dortmunder Region sein wesentliches Zentrum hatte, und die Gründung einer gewerkschaftlichen Bergarbeiterorganisation sind zweifellos nur als herausragende Beispiele der sozialen Auseinandersetzungen und Konfliktpotenziale zu verstehen. Fragen wir nach der Selbstsicht, der Identität der Industriestadt, müssen diese explosionsartigen Sprünge der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen berück‐ sichtigt werden. Nicht nur die äußere Erscheinung der Stadt, ihr Gesicht, hatte sich gewandelt, auch die Selbstdarstellung, die Mentalität seiner Führungsschichten und der Bevölkerung musste sich in diesem Kontext erheblich anpassen. Die Findung neuer Identitäten der industriellen Großstadt konnte für lange Zeit mit der histori‐ schen Entwicklung kaum Schritt halten, ja wurde regelrecht von ihr überrollt. Der Besuch Kaiser Wilhelms II. zur Hafen- und Kanaleinweihung in Dortmund bietet uns Gelegenheit, die Identitätsmuster der Stadt kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert zu erkennen. Alles hat den Anschein, als wäre der Besuch des Kaisers in der Industriestadt zum Kulminationspunkt der Entwicklung neuer städtischer Identitätsmuster geworden, die mit ihrem Höhepunkt auch einen gewissen Abschluss fand, von dem die Stadt dann ‚zehren‘ konnte. Der Kaiserbesuch, der nur drei und ein Viertel Stunden währte, kann daher als das Großereignis in der Stadt Dortmund im wilhelminischen Kaiserreich bezeichnet werden. Unter Hochdruck, unter Einbe‐ ziehung aller bürgerlichen Vereine und Kräfte, aller Bevölkerungsschichten in der Stadt versuchte man, Dortmund an diesem Tage für eine breite Öffentlichkeit mit einem neuen, offiziell formulierten Selbstbewusstsein darzustellen. Der wirtschaftliche Fortschritt der eigenen Zeit wurde bezogen auf Vergangen‐ heit, Gegenwart und Zukunft; im Kontrast hierzu stehen allenthalben die von den Umwälzungen hinterlassenen ‚Wunden’ in der Stadt und die raue soziale Wirklichkeit des Lebens der zugewanderten und zum Teil entwurzelten unteren Schichten der Gegenwart. Die Identität, die offizielle und zweifellos ideologisch gefärbte Selbstsicht
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der Stadt und ihrer Honoratioren präsentierte sich in dieser Situation zunehmend auch durch den Bezug auf die reiche mittelalterliche Vergangenheit, in der der Reichs- und Hansestadt weit über Westfalen hinaus Bedeutung zugekommen war. Ähnlich wie Hermann Piepenstock sein Eisen- und Stahlwerk in die alte Hörder Burg oder Friedrich Harkort seine erste Fabrik in die Ruine der Burg Wetter an der Ruhr gebaut hatten, um so Überreste des Mittelalters mit der Gegenwart in der Sprache der Architektur der modernen Industrie zu verknüpfen, ist der Versuch Dortmunds un‐ verkennbar, die Industrie-Stadt mit romantisch überhöhten, ideologisierenden Sym‐ bolen des Mittelalters zu einer neuen Einheit zu verknüpfen, „neue Geschichtsbilder zusammenzusetzen und als historisch gesättigte Identifikationsmuster anzubieten”.11 Im Vorfeld der Hafeneinweihungsfeier und auch der Wiederherstellung des alten Rathauses, die unter Hochdruck auf diesen Termin bezogen wurde, hat Joseph Cremer, als Brauereibesitzer und Stadtverordneter führendes Mitglied des neuen Honoratiorenstandes in der Stadt, mit einem fulminanten Startschuss programma‐ tisch für diese neue Identität der Stadt gewirkt und geworben. Er hat dabei die Überlegungen des unermüdlich für die historisierende Wiederherstellung des alten Rathauses agierenden Stadtbauinspektors Friedrich Kullrich, den er auch namentlich anführt, aufgegriffen; hinzu kamen zweifellos die Arbeiten des Stadtarchivars Karl Rübel, der durch die Edition der mittelalterlichen Urkunden der Stadt und durch seine wissenschaftlichen Publikationen in den Jahren zuvor das Material für diese Bemühungen zur Verfügung gestellt hatte. In einem Schreiben an den Oberbürger‐ meister formulierte Joseph Cremer schon am 15. September 1896:12 Quousque tandem? [‚Wie lange noch?‘ - TS] – So kann es doch nicht länger bleiben! Wenn man sieht, wie eifersüchtig andere Städte ihre ehrwürdigen Alterthümer hegen und pflegen, wenn man sich die stolze Geschichte unserer alten Hansastadt vergegenwärtigt, wenn man im vorigen Winter dem enthusiasmierenden Vortrag des Herrn Bauinspector Kullrich gelauscht hat, so kocht es einem schließlich doch, in dem beschämenden Bewußtsein, daß die jetzige Generation mißachtend, sogar spöttelnd das älteste Denkmal Dortmunds, den fast allein übrig gebliebenen Zeugen früheren Glanzes, ja das älteste erhaltene Rathhaus ganz Deutschlands so lange in mehr als verwahrlostem Zustande dastehen läßt. Was der reiche Handels- und Gewerbestand des Mittelalters im Bewußtsein seiner Kraft und Macht zur Zierde der Stadt, zur Bewillkommnung der deutschen Kaiser geschaffen, unsere heute so kräftige und blühende heimatliche Industrie und Handel haben die Ehrenpflicht, es zu erhalten! Was durch Krieg und Noth verfallen, müssen wir, durch langen Frieden und Blütezeit gestärkt, jetzt endlich wieder herstellen! Zu diesem Zwecke stelle ich, wenn für die Eröffnung des Canals und unseres Hafens das alte Rathhaus restauriert wird, Ihnen, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, resp[ektive] der Stadt Dortmund
11 So formulierte allgemein Johanek, ‚Mittelalterliche Stadt und bürgerliches Geschichtsbild im 19. Jahrhundert‘, S. 92. 12 Stadtarchiv Dortmund, Bestand 426 Nr. 4; Sander, ‚Das Goldene Gastbuch der Stadt Dortmund‘ hat erstmals auf das Schreiben und diesen Zusammenhang aufmerksam gemacht.
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die Summe von fünfzigtausend Mark zur Verfügung, in der Hoffnung, daß Sie andere Nachfolger der Dortmunder Hanseaten veranlassen werden, auch dazu beizutragen, der Stadt ihre alte Zierde wiederzugeben. Wir wollen uns das Epitheton ‚das schmutzige’ nicht mehr gefallen lassen. Die Spendenaktion lief zunächst zögernd an; bis zum Januar 1897 aber waren bereits weitere 15.500 Mark an Spenden für die Wiederherstellung des Rathauses eingegan‐ gen. Das ‚Comité zur Wiederherstellung des Dortmunder Rathhauses‘ intensivierte die Bemühungen und verfasste ein Schreiben an einzelne Vertreter des Bürgertums mit der Bitte um weitere Spenden, um „die zum Ausbau des Rathhauses erforderli‐ che Summe von 150.000 Mark, wenn möglich, ganz durch freiwillige Beiträge von hiesigen Bürgern und von auswärtigen aus Dortmund stammenden Familien zusam‐ menzubringen.“13 Dem gedruckten Schreiben war der Aufruf von Joseph Cremer in anonymisierter Fassung unter Auslassung des zitierten letzten Satzes und ebenso die Denkschrift über das Dortmunder Rathaus von Bauinspektor Friedrich Kullrich (Ber‐ lin 1859 – Dortmund 1934) beigefügt.14 Spenden gingen im gewünschten Umfang jetzt nicht nur für die Wiederherstellung des alten Rathauses ein, sondern fast der gleiche Betrag wurde für die Innenausstattung des Rathauses gestiftet.15 Hierbei wurde der Gewerbefleiß der mittelalterlichen Bürger beschworen – das war nicht nur in Dortmund zu einem der Schlüsselbegriffe geworden, die seit etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts Stadt und Bürgertum, bürgerlichen Charakter und bürgerliche Mentalität miteinander verknüpften. Man meinte, an die Tugend des mittelalterlichen ‚deutschen‘ Kaufmanns und Handwerkers anknüpfen zu können. Gewerbefleiß wurde als die spezifische Tugend des Bürgers seit Jahrhunderten an‐ gesehen, aus ihm sollte der Bürger in der Ideologie der zweiten Hälfte des 19. Jahr‐ hunderts die Tatkraft für die Gestaltung der Zukunft schöpfen. Mannigfach wurde diese bürgerliche Tugendhaftigkeit aus unterschiedlichen politischen und sozialen Richtungen belegt.16 Ein Ehrenbecher war für den Empfang des Kaisers im wiederhergestellten Rat‐ hause gefertigt und gestiftet worden (Abb. 13.1). Wie die Hörder Zeitung meldete, hat Wilhelm II. den Ehrenpokal auch benutzt: „Oberbürgermeister Schmieding kre‐ denzte dem Kaiser in einem herrlichen Pokal einen Trunk 93er Schwarzhofberger Auslese (…). Der Kaiser leerte den Pokal bis auf die Nagelprobe und wandte sich dann zur Besichtigung des Rathauses in bester Laune.”17 Dieser Trunk sollte in der inzwischen einhundertjährigen Geschichte seit seiner Schenkung der erste und letzte ‚Nutzungsnachweis’ für den Kaiserbecher bleiben. Der Kaiserbecher galt als
13 Stadtarchiv Dortmund, Bestand 3 Nr. 2426, Bl. 26ff. 14 Ebd., Bl. 28; Kullrich, Das Dortmunder Rathhaus und seine Wiederherstellung (1897). 15 Die Summe von 150.000 Mark wurde sogar übertroffen; im Januar 1898 lagen so zahlreiche Zulagen vor, dass nur noch 5.700 Mark fehlten, siehe Stadtarchiv Dortmund, Bestand 3 Nr. 2426 Bl. 142f.; im November 1898 war die gesamte Summe durch Spendengelder eingegangen (ebd., Bl. 180ff. mit Spenderliste). Stadtarchiv Dortmund, Bestand 3 Nr. 2427: Verzeichnis der rund 250 Stifter der Rathausausstattung; vgl. auch: Kullrich, Denkschrift über die innere Ausschmückung u[nd] Ausstattung des wiederhergestellten Rathhauses zu Dortmund (1899). 16 Vgl. hierzu Johanek, ‚Mittelalterliche Stadt und bürgerliches Geschichtsbild im 19. Jahrhundert‘, S. 85. 17 Hörder Zeitung vom 12. August 1899.
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Abb. 13.1: Kaiserbecher, Entwurf und Ausführung Rudolf Mayer, Karlsruhe 1899, Museum für Kunst und Kulturgeschichte (© Stadtarchiv Dortmund).
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das Prunkstück des Ratssilbers, das für den Besuch Wilhelms II. im Jahre 1899 be schafft worden war. Händeringend, so gewinnt man bei der Lektüre der städtischen Akten und Korrespondenzen den Eindruck, suchte man nach Mitteln und Wegen, den Kaiser einerseits würdevoll empfangen zu können und andererseits Bürgerstolz und Gewerbefleiß der Stadt repräsentierend zum Ausdruck zu bringen.18 Die histori sierende Wiederherstellung des Rathauses mit aufwändiger Inneneinrichtung und die Beschaffung des Ratssilbers waren hierbei ein eminent wichtiger Bestandteil der Dortmunder Aktivitäten. Bis zur Hafeneinweihung waren im Zuge der Festvorbereitungen seit November 1897 die folgenden Gegenstände des Dortmunder Ratssilbers entstanden.19 Der er‐ wähnte Kaiserbecher, das Tintenfass mit Federhalter, das Gastbuch und ein Leuch‐ terpaar für die als angemessen empfundene Gestaltung der Eintragung des Kaisers anlässlich des Besuchs, sodann ein Paar Buckelbecher, ein silberner Becher. Später kamen noch weitere Gegenstände hinzu: ein Tafelaufsatz 1903 und ein Paar Jahres‐ zeitenschalen 1914/1915. Zahlreiche Städte der Gründerzeit und des ausgehenden 19. Jahrhunderts knüpf‐ ten mit der Beschaffung eines historisierenden Ratssilbers an eine Tradition an, die bis in das Spätmittelalter zurückzuverfolgen ist, seit dem 17. Jahrhundert aber weitgehend zum Erliegen gekommen war. Man wollte mit dem neuen Ratssilber an die große Zeit der mittelalterlichen reichsstädtischen Autonomie anknüpfen, in der Dortmund nur dem Römischen König als Stadtherrn unterstellt war, um auf diese Weise exklusive Besonderheiten der Stadtgeschichte in das neue Zeitalter zu retten.20 Das Mittelalter verstand man mithin als eine Einheit von Königtum und Reichsstadt, die man in der Moderne durch die Symbiose von Stadt Dortmund und wilhelminischem Kaisertum konsequent wieder aufgreifen und zur Vollendung führen zu können. Diese Symbiose sollte Dortmund zu dem ‚Weltruhm‘ führen, der der Stadt von Geschichte und aktueller Leistung des Gewerbefleißes seiner Bürger zustehe – in dieser Kurzformel lässt sich die Selbstsicht mit ihren Implikationen zusammenfassen. Der ausschlaggebende und letzte Anlass der Anschaffung eines solchen Ratssilbers war in den Städten, so auch in Dortmund, meist der Besuch des Kaisers oder eines Mitglieds der kaiserlichen Familie. Das Bildprogramm des Ratssil‐ bers ist auf die Dortmunder Verhältnisse zugeschnitten; es geht auf die Initiativen von Friedrich Kullrich zurück, der – beeinflusst sicher auch von den historischen Arbeiten des Stadtarchivars Karl Rübel – intensiven Kontakt zu den Künstlern, vor allem zu Prof. Rudolf Mayer (1846-1916) in Karlsruhe, hielt.21 Als herausragende Beispiele seien im Folgenden der Kaiserbecher und das Gast‐ buch vorgestellt und untersucht (Abb. 13.1, 5.1 und 5.2). Für den Kaiserbecher ist
18 Siehe etwa die Korrespondenz von Friedrich Kullrich im Auftrag der Stadt mit dem Künstler Prof. Rudolf Mayer, Karlsruhe (Stadtarchiv Dortmund, Bestand 444 Nr. 2; vgl. auch die Edition einiger Schreiben bei Appuhn, Das Dortmunder Ratssilber 1898-1915, S. 25ff. 19 Siehe hierzu zuletzt Schilp, ZEIT-RÄUME. Aus der Geschichte einer Stadt [Verzeichnis Nr. 5], S. 122-127. 20 Zur Bedeutung der reichsstädtischen Autonomie für die Entwicklung der Stadt vgl. zuletzt Schilp, ‚Vom „guten Regiment“ über die Stadt‘ [Verzeichnis Nr. 117] (mit den Hinweisen auf weiterführende Literatur). 21 Zum Werk von Rudolf Mayer siehe den Ausstellungskatalog: Mayer, Medaillen und Metallarbeiten.
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im Ausschreibungstext des Künstlerwettbewerbs programmatisch die Ikonologie für die gewünschte Verknüpfung der Gegenwart mit der Vergangenheit für das gesamte Ratssilber formuliert:22 D. Programm 1) Der Becher soll zunächst der Bedeutung der Stadt Dortmund im Mittelalter als freie Reichs- und Hansestadt gerecht werden. (Zur kurzen Orientierung hierüber füge ich den Abdruck eines Vortrages über ‘Bau- und Kunstgeschichtliches aus Dortmunds Vergangenheit’ und eine Denkschrift über ‘Das Dortmunder Rathaus und seine Wiederherstellung’ bei.) 2) Der Becher soll zum Ausdruck bringen, daß durch die Entwicklung der Eisen- und Kohlenindustrie heut[e] Dortmund der Mittelpunkt des gewerblichen Lebens Westfalens geworden ist. 3) Der Becher wird gestiftet aus Anlaß der Eröffnung des Dortmund-Emshäfen Canals und soll daher die direkte Beziehung Dortmunds zum Weltverkehr durch die neue Wasserstraße versinnbildlichen. Es ist Bedingung, daß diese Punkte 1-3 besonders hervorgehoben werden. Das Bildprogramm des Kaiserbechers greift gemäß dieser Vorgaben die folgenden Elemente auf.23 Der Deckelbecher steht auf einer achteckigen Kredenzplatte, die von vier historisierenden Tortürmen getragen wird. Auf dem profilierten Rand sitzen vier Engel, die Wappen halten: des Deutschen Reiches, der Provinz Westfalen sowie der Städte Dortmund und Emden. Wie in der Ausschreibung gefordert, wurde auf die Platte ein Verzeichnis der Magistratsmitglieder Dortmunds eingraviert. Der eigentli‐ che Becherkörper, hoch und schlank gestaltet, ist am Fuß und am oberen Rand mit Buckeln, Laubwerk und gotisierendem Zierrat geschmückt. Um die Mitte verläuft ein Ornamentband mit Karneolen, das zwei übereinander liegende Bildfelder, gestaltet als Flachrelief, voneinander trennt. Im oberen steht eine Hansekogge auf bewegten Wellen mit dem Dortmunder Wappen (Reichs-Adler) auf dem geblähten Großsegel; im Hintergrund eine Industrielandschaft mit Fördertürmen, Schloten und Hochofen (wohl ein Bezug auf das Stahlwerk ‚Union‘) sowie ein Blick auf die neuen Dortmun‐ der Hafenanlagen. Daneben ist eine Ansicht der Stadt Dortmund zu sehen, für die auch die vogelperspektivische Darstellung Detmar Mulhers aus dem Jahre 1610 als Vorlage gedient hat; davor eine Fortuna-Gestalt mit Füllhorn. Im unteren Bildfeld sind ein Bergmann vor Ort und ein Schmied am Amboss dargestellt, die Dortmunder Symbole für die Säulen des wirtschaftlichen Fortschritts im 19. Jahrhundert.24
22 Stadtarchiv Dortmund, Bestand 444 Nr. 2; Konzept des Ausschreibungstextes vom 12. November 1897 von Friedrich Kullrich; von den angeschriebenen Künstlern Prof. Mayer, Prof. Seubert und Leven gewann Mayer den Wettbewerb. 23 Siehe Mayer, Medaillen und Metallarbeiten, S. 102. 24 Die Figuren Bergmann und Schmied begegnen in zahllosen Dortmunder Selbstdarstellungen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, meist in verniedlichender historisierender und romantisierender Form wie auch auf den Gegenständen des Ratssilbers, am berühmtesten wohl aber die beiden Figuren als seitliche Ornamente der Stadtansicht von Riefstahl aus der Zeit um 1862 (Stadtarchiv Dortmund, Bestand 451/02).
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Der ebenfalls gebuckelte und reich ornamentierte Deckel trägt als Bekrönung den mittelalterlichen Stadtpatron Reinoldus in einer Halbfigur, die die Statue des Heiligen in der Reinoldikirche kopiert. Angehängt sind zwei Medaillen: die erste zeigt ein Bildnis mit Gravur Wilhelm II. Deutscher Kaiser, auf der Rückseite fortgesetzt: „trank am 11. 8. 1899 aus diesem Bescher im alten Rathause auf das Wohl der Stadt Dortmund“. Die zweite präsentiert „Stadtbaurat Marx, Wasserbauinspector Mathies, Stadtbauinspector Kullrich“, denen die Bauleitung des Hafens und der Wiederherstel‐ lung des alten Rathauses anvertraut war. Das reich verzierte Gastbuch der Stadt Dortmund, das ebenfalls von Prof. Rudolf Mayer aus Karlsruhe unter erheblicher Zeitnot zum Besuch des Kaisers entworfen und hergestellt worden war, nimmt sowohl in den verwendeten Formen als auch im Inhalt der Darstellung noch deutlicher und intensiver Bezug auf das Dortmunder Mittelalter (Abb. 5.1 und 5.2).25 Die Vorderseite des Einbandes ist im Mittelteil in drei Felder geteilt, die durch gotisierendes Maßwerk getrennt sind. Im oberen Feld halten zwei Engel das Dortmunder Stadtwappen. Im mittleren und zentralen Feld ist der Besuch Kaiser Karls IV. im Jahre 1377 nach dem Bericht der Stadtchronik von Dietrich Westhoff um 1550 dargestellt.26 Die Dortmunder ziehen dem zu Pferd sitzenden Kaiser entgegen; zwei Nonnen des Katharinenklosters mit Reliquien führen den städtischen Zug an, es folgen ein Mönch und ein Kleriker und palmzweigschwin‐ gende Schüler, wie es in der Stadtchronik beschrieben ist. Im Hintergrund sind der Reliquienschrein des Reinoldus und weitere Personen und Architekturelemente schemenhaft zu erkennen. Im unteren Feld steht – zwischen zwei angedeuteten Rundbögen mit gotischen Elementen Karl der Große unter einem Baldachin. Auf den Kaiser führte man seit dem Mittelalter irrtümlich die Stadtgründung Dortmunds zurück. Die Karlsfigur zi‐ tiert die Kaiserstatue in der Reinoldikirche; sie wurde in dieser Form auch am wieder‐ hergestellten Rathaus angebracht. Links und rechts der Karlsfigur ist der Schriftzug eingraviert: Gastbuch der Stadt Dortmund A.D. MDCCCIC. Der Vorderdeckel ist von Laubranken umrahmt, in denen acht goldene D für Dortmund angebracht sind. Die Rückseite des Einbands weist dieselbe Ornamentik auf. Das mittlere Feld ist gerautet; jede Raute zeigt das Dortmunder Wappen, den Reichs-Adler. Im Zentrum steht ein Flachrelief im gotisierenden Vierpass: Es zeigt eine Szene des Festes, das nach der Westhoffschen Chronik aus Anlass des Besuchs der Kaiserin Elisabeth 1378 in Dortmund gefeiert wurde. Elisabeth thront bekrönt unter einem Baldachin; vor ihr tanzen drei Paare, zahlreiche weitere Festteilnehmer aus Hofstaat und Stadt sind angedeutet. Auf den Schließen des Bucheinbandes ist in gotischer Schrift eingraviert: so vast as dürppem, ein Dortmunder Sinnspruch, der – entstanden im Verlauf des 19. Jahrhunderts – auf die gegen die Herren der umliegenden Territorien – Grafschaft Mark, Erzbischöfe von Köln mit dem Vest Recklinghausen und dem Herzogtum
25 Zur ausführlichen Beschreibung und Interpretation des Gastbuches siehe Sander, ‚Das Goldene Gastbuch‘, (mit Hinweisen auf weiterführende Literatur). 26 Chronik des Dietrich Westhoff, bearb. von Hansen, S. 229ff. Siehe hierzu Franke, ‚Kaiser Karl IV. und Kaiserin Elisabeth in Dortmund 1377 und 1378‘; Lampen, ‚Karl IV. in Dortmund‘.
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Westfalen – siegreich überstandene Große Fehde 1388/1389 der einzigen Reichs‐ stadt in Westfalen Bezug nimmt.27 Das Gastbuch greift im Bildprogramm Ereignisse der mittelalterlichen Stadtge‐ schichte auf, die aus der Blickrichtung wilhelminischer Betrachtung zu den Großer‐ eignissen in Dortmund zählten. Dies scheint aus nüchterner Sicht überzeichnet: Selbstredend war Kaiser Karl IV. als Reichsoberhaupt von der Reichsstadt feierlichst empfangen und bewirtet worden, um in bedrängter politischer Situation – gut zehn Jahre vor der Großen Fehde in einer Zeit der fast täglichen Übergriffe der Territori‐ alherren gegen die Stadt Dortmund – mit der Reichsunmittelbarkeit die politische Autonomie der Stadt nachhaltig zu demonstrieren. Kaiser und Reich stellten in dieser Zeit nur noch den Verfassungsrahmen und die Rechtstitel, die Dortmund Tag für Tag und ohne Unterstützung gegen die territorialen Widerstände durchsetzen musste. Die historisierende Gestaltung des kostbaren Einbandes setzt sich in der inhalt‐ lichen und formalen Anlage des Buchs fort.28 Auf den ersten neun Blättern wurde nach der Ausarbeitung des Stadtarchivars Karl Rübel in historisierender Schrift ein Verzeichnis angelegt der „gaeste, so nach ausweis der urkunden und chroniken hier ihren aufenthalt genommen, auch gebuehrender maaßen von der stadt empfangen und verehret sind“,29 das mit dem Besuch König Heinrichs I. im Jahre 928 beginnt und zunächst die Reihe der Königsbesuche bis zum Besuch Karls IV. 1377 und seiner Gemahlin Elisabeth 1378 fortführt. Es folgen, da die Königsbesuche in der Reichsstadt damit abbrachen, sodann Besuche von Fürsten, Schiedsverhandlungen von Fürsten in Dortmund etc., um die Bedeutung der Reichsstadt in Mittelalter und früher Neuzeit zu unterstreichen. Als Höhepunkte werden die Kontakte mit Brandenburg-Preußen hervorgehoben: „1609 war der Fürstentag zu Dortmund, der (…) zur dauernden Vereinigung von Cleve, Mark und Ravensberg mit Brandenburg geführt hat.30 Großes Interesse hatte der König Friedrich Wilhelm IV. für die Stadt Dortmund (…)“.31 An dieses Verzeichnis reiht sich inhaltlich wie formal lückenlos der Bericht Karl Rübels über den Besuch Kaiser Wilhelms II. in Dortmund ein:32 Am 11. August 1899 vormittags 9 uhr 30 minuten kommt kaiser wilhelm II auf dem neu erbauten dortmund/emshaefen/kanal vom hebewerk henrichen‐ burg zu schiff nach dortmund, eröffnet den dortmunder hafen und nimmt im wiederhergestellten rathause die huldigung der stadt entgegen, wobei ihm der
27 Siehe hierzu Reininghaus, ‚Von der Freien Reichsstadt zur Westfalenmetropole?‘, S. 153: Exkurs: ‚„So fast as Düörpm“. Ein stadtgeschichtliches Motto als erfundene Tradition‛. 28 Stadtarchiv Dortmund, Bestand 100 Nr. 1; die erste Einlage des Gastbuchs wurde bis zum Jahre 1943 fortgeführt, um wegen der unrühmlichen Zeit des Dritten Reiches 1945 abgebrochen und durch einen neuen Buchblock ersetzt zu werden. 29 Dieses Verzeichnis war unter anderem auch Bestandteil der von der Redaktion der Dortmunder Zeitung in hoher Auflage, der rasch eine zweite Auflage folgen sollte, verlegten: Erinnerungs-Blätter an den 11. August 1899. Der Kaiser in Dortmund (Dortmund 1899), S. 22-31. 30 Stadtarchiv Dortmund, Bestand 100 Nr. 1, Bl. 7. 31 Ebd., Bl. 8; die Kontakte, das „große Interesse”, werden im Folgenden ausführlich geschildert. 32 Ebd., Bl. 10.
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oberbürgermeister schmieding einen ehrentrunk reicht. Nach besichtigung des kaiser wilhelm haines verläßt der kaiser um 12 uhr 45 minuten die stadt. Diesem Bericht folgt unmittelbar die Unterschrift des Kaisers sowie folgend die Unterschriften der im Rathaus an diesem Tage anwesenden Ehrengäste.33 Auf lokaler Ebene wird mit dieser Reihung der Kaiserbesuche von Heinrich I. bis Wilhelm II., vom Jahr 928 bis zur Gegenwart 1899, die Traditionsbildung und Herrschaftsideologie des wilhelminischen Deutschland aufgegriffen. Das junge Deut‐ sche Reich von 1871 suchte eine Legitimation und Identifikation in der als ruhmreich verstandenen Geschichte des Königtums im Mittelalter, das Deutschland von Karl dem Großen bis Friedrich Barbarossa einen Höhepunkt der historischen Entwicklung gebracht habe. Die Idealfigur des mittelalterlichen Monarchen verkörperte sich für das offizielle und populäre Verständnis im Kaiser, insbesondere auch mit dem My‐ thos des Kaisers Barbarossa im Kyffhäuser. Wilhelm I. wird im Zuge der Einungspo‐ litik 1870/1871 als eine siegreiche Figur, als Barbablanca triumphator, gefeiert, die Kaiser Rotbart aus der Gefangenschaft und überhistorisch das Kaisertum aus der Verbannung befreit.34 In diesem Kontext ist auch der Mythos vom Zusammenhang der Hohenstaufen mit den Hohenzollern entstanden; beide Mythenbildungen fanden Eingang in das breite Bewusstsein der Öffentlichkeit. Der Bezug Dortmunds auf seine mittelalterliche Vergangenheit in der Bildgestal‐ tung des Ratssilbers zog einen analogen Schluss. Die einstige Reichsstadt, im Mittel‐ alter wirtschaftlich bedeutend und in voller Blüte, erlebte einen Niedergang durch äußere Ereignisse. Im wilhelminischen Kaiserreich wird die Stadt aus dem Schlaf der Jahrhunderte erlöst, indem die Reichs-Tradition endlich gebührende Berücksich‐ tigung findet. Die zweite Blütezeit der Stadt greift die mittelalterliche Prosperität auf, die Reichsstadt erlangt erst jetzt durch das moderne deutsche Kaisertum ihre Vollendung. Die Stadt des industriellen Ruhrgebiets greift also im Einklang mit der offiziellen Ideologie bei der Findung einer neuen Identität auf ihr Mittelalter zurück - sie kann sich, so die akzeptierte Mentalität in Dortmund, wahrhaft eins sehen mit dem Deutschen Reich und seinem Kaiser. Die historisierende Selbstsicht Dortmunds lässt sich ebenfalls in der kommunalen Architektur ausmachen, die aus Anlass der Hafeneinweihung und des Kaiserbesuchs in Dortmund erstand. Im Giebel des eigens zu diesem Anlass wiederhergestellten Rathauses prangte Karl der Große in der gleichen Form wie in der Reinoldikirche und auf dem Gastbuch (Abb. 13.2 ).35 Der Kaiser am Rathaus empfing 1899 den Besucher Wilhelm II. als Garant der bürgerlichen Freiheit, ja für die Gegenwart im Kaiserreich als ihr Vollender, auch als Überwinder von Kleinstaaterei und Fürstenzwietracht, durch die man die Entfaltung der bürgerlichen Tugenden und wirtschaftlichen Po‐ tenzen für lange Zeiten behindert glaubte. Das in seinen historistischen Formen wiederhergestellte Rathaus erinnerte im Übrigen kaum noch vage an den Rathausbau
33 Ebd., Bl. 11, 12ff. 34 Vgl. hierzu Sander, ‚Das Goldene Gastbuch‘, S. 136ff. (mit Hinweisen auf weiterführende Literatur). 35 Siehe hierzu noch immer den guten Überblick zur Geschichte des Dortmunder Rathauses und seiner Wiederherstellung Jacobi, ‚Das alte Rathaus in Dortmund und seine Wiederherstellung‘.
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Abb. 13.2: Das wiederhergestellte Dortmunder Rathaus nach den Plänen von Friedrich Kullrich, 1901, Museum für Kunst und Kulturgeschichte (© Stadtarchiv Dortmund).
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des 13. Jahrhunderts, oder wie es der Dortmunder Journalist Karl Richter 1917, in der Retrospektion, formulierte: Das „Rathaus, das Bauinspektor Kullrich zu diesem Tage wiederhergestellt, oder sagen wir richtiger, neu erbaut hatte”, der Bau sei ein „eignes Kunstgemisch (…) das Dach hat Pfefferpotthaststil”.36 Die Schwierigkeiten und Brüche der Selbstsicht des Dortmunder Bürgertums und der Stadt während des 19. Jahrhunderts sind in der Geschichte des Rathausbaus deut‐ lich spürbar.37 Als einer der ältesten erhaltenen steinernen Rathausbauten nördlich der Alpen, erstmals 1241 erwähnt und wohl kurz zuvor vom Grafen von Dortmund erbaut, war das zentrale Gebäude der mittelalterlichen Bürgergemeinde nach zahlrei‐ chen Umbauten im Zuge des Niedergangs der Stadt so baufällig geworden, dass man im beginnenden 18. Jahrhundert den gotischen Giebel abtragen musste und ihn 1740 durch einen barocken Giebel ersetzte. Gänzlich gefährdet war das alte Rathaus aber nach dem Verlust der Reichsunmittelbarkeit Dortmunds; nachdem es von Preußen nach der Machtübernahme 1815 in den Besitz der Stadt zurückgegeben worden war, wollte das ehrwürdige Haus des reichsstädtischen Rates in Dortmund niemand mehr akzeptieren. Allenthalben wurden Stimmen laut, die den Abbruch des Gebäudes forderten. Nur einem Veto des preußischen Cultusministeriums war es zu verdanken, dass die Dortmunder Bemühungen um den Abriss des Rathauses 1868 nicht zum Erfolg führten, wenngleich der Abbruch aufgrund zahlreicher Begutachtungen allge‐ mein befürwortet worden war (so auch von E.E. Viollet-le-Duc) und eigentlich nur aufgeschoben wurde. Allein, in der rasant wachsenden industriellen Großstadt Dortmund fehlten in den kommenden Jahrzehnten bei den drückenden Problemen der Herstellung groß‐ städtischer Infrastrukturen die finanziellen Mittel, vor allem aber auch die innere Einsicht in die Notwendigkeit der grundlegenden Renovierung und Sanierung eines auf das Mittelalter zurückgehenden Gebäudes. 1890 wollte man das Gebäude noch abreißen, um einem Rathaus als Großbau bis zur Wißstraße Platz zu machen. Noch im Jahr 1893 wurden, nach dem Abriss des Gebäudes in der Wißstraße, von der Stadtverordnetenversammlung Mittel für die Instandhaltung des Gebäudes zwar beantragt, aber im Haushalt der Stadt nicht bewilligt. Der verfallende Rathausbau sollte von der Stadtverwaltung offensichtlich dem schleichenden Zerfall preisgegeben werden. Mit der freigelegten Westfront des Rathauses Richtung Wißstraße war aber jetzt eine Analyse der Baugeschichte möglich geworden, die Kullrich alsbald begann und die zur Grundlage seiner späteren Werbekampagne für den Erhalt des Rathauses werden sollte. Hierbei verfuhr er zweigleisig: Die Bemühungen um die Erhaltung des Rathauses am Markt wurden ergänzt durch die Entwicklung der Planung eines Neubaus für die gewachsene Stadtverwaltung an der Olpe/Betenstraße.
36 Ein Dortmunder Agent, hrsg. von Mönnich, S. 189, hier heißt es: “(…) denn aus der angeblich restaurierten Ruine war ein ganz neues, stimmungsvolles Rathaus geworden, mit einem fünfstufigen Giebel statt jenes dreigestuften, den es einst besessen hatte (…). Wir hatten statt eines alten Dortmunder jetzt ein neues Kullrichsches Rathaus!” 37 Vgl. zum folgenden Hinrichsen, ‚Die „Wiederherstellung” des Dortmunder Rathauses‘ (trotz der zahlreichen Irrtümer und Fehlinterpretationen im Detail); Appuhn und Neumann, Das alte Rathaus zu Dortmund; Schilp, Schilp, ZEIT-RÄUME. Aus der Geschichte einer Stadt [Verzeichnis Nr. 5], S. 44ff.; Ohm, ‚Das alte Rathaus in Dortmund‘.
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Für den Kaiserbesuch wurde die Inneneinrichtung, die aufgrund der kurzen Bau zeit nicht fertig gestellt werden konnte, weitgehend durch bloße Dekorationen er setzt. Unter großer Beteiligung war das gesamte ‚Innenleben’ des historistischen Ge bäudes - unter Ausklammerung des Ratssilbers, das vom industriellen Bürgertum in gesonderten Aktionen gespendet wurde, aber angefangen bei Wandmalereien und Gobelins, Kaminen und Kachelöfen über kolorierten Glasfenstern mit Porträtzügen der stiftenden Honoratioren bis hin zu Treppengeländern, Stühlen und Tischen – von den Bürgern der Stadt gestiftet worden. Die Spendenlisten mit Nennung der Ge genstände und der gespendeten Geldbeträge sind, zum Teil wurden die Stifter hand schriftlich von Kullrich in die Spendenliste eingetragen, noch erhalten.38 Der Große Ratssaal (Abb. 13.3a und 13.3b) wurde als Erinnerungsort an die reichsstädtische Zeit gestaltet: Auf jedem Stuhl prangt das Stadt- und Reichswappen – der Dortmunder Adler. Der große Leuchter mit den zwölf Stadttürmen greift die Symbolik der mittel alterlichen Selbstdeutung der Stadt auf, ein gutes Stück Verwirklichung der Civitas Dei auf Erden zu sein: Die zwölf Türme stehen für die zwölf Apostel als den Türmen der himmlischen Stadt.39 Allgemein also teilte das Bürgertum die beabsichtigte Wir kung des Baus und sah darin ein wichtiges Mittel des modernen Geschäftslebens und der Repräsentation; wer sich zur ‚Gesellschaft’ zählen wollte, sah sich zur Stiftung ei nes Gegenstands veranlasst. Im Übrigen ist in der weiteren Entwicklung des Gebäudes die zeittypische Pro‐ blematik des historistischen Denkens und Bewusstseins in der Ruhrgebietsstadt Dort‐ mund zu erkennen. Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg – das Rathaus war ausgebrannt und bis auf die Außenmauern zerstört – riss man die Ruine des gut ein halbes Jahrhundert zuvor wiederhergestellten Gebäude kurzerhand ab, da es in die Wiederaufbaupläne der Stadt nicht zu passen schien. Offensichtlich verband man das wiederhergestellte Rathaus sehr intensiv mit dem obrigkeitlichen Denken und Handeln der Kaiserzeit, von dem man sich deutlich distanzieren wollte. Der Widerstand gegen den Abriss der Rathaus-Ruine war nur schwach und wurde von Museumsdirektor Dr. Rolf Fritz und Archivdirektorin Dr. Luise von Winterfeld ange‐ führt. Geblieben sind vom alten Rathaus Dortmunds neben Fotos und Gemälden nur einige Schrift- und Sachzeugnisse, die nach den Abbrucharbeiten beim Ausbaggern des Grundstücks 1955 gesichert wurden und heute im Stadtarchiv aufbewahrt wer‐ den, unter anderem die auf Pergament geschriebene und im Duktus dem Mittelalter nachempfundene Urkunde, die am 21. November 1898 im Rathaus in einem Balken‐ loch versenkt worden war, hier heißt es unter anderem:40 Was einst nach schwerer Feuersbrunst unsere Vorfahren beim Erstarken der städtischen Herrschaft an dieser Stelle glanzvoll errichtet, was als Sitz des Rathes einer freien Reichsstadt, als Ausgangspunkt des weitverzweigten Handels
38 Zur Innenausstattung des Rathauses siehe insgesamt: Denkschrift über die Ausschmückung und Ausstattung des wiederhergestellten Rathauses (Stadtarchiv Dortmund En26, mit den handschriftlichen Einträgen der Spender aus der Feder Kullrichs). 39 Siehe dazu ausführlich Schilp, ‚Memoria in der Dunkelheit der Nacht‘ (hier Aufsatz 11 mit Abb. 11.1). 40 Stadtarchiv Dortmund, Bestand 426 Nr. 1.
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Abb. 13.3a: Altes Rathaus Dortmund, großer Ratssaal. Der Saal wurde als Erinnerungsort an die reichsstädtische Zeit gestaltet: Auf jedem Stuhl prangte das Stadt- und Reichswappen. Der große Leuchter mit den zwölf Stadttürmen griff die Symbolik der mittelalterlichen Selbstdeutung der Stadt auf, ein gutes Stück Verwirklichung der Civitas Dei auf Erden zu sein: die zwölf Türme stehen für die zwölf Apostel als den Türmen der himmlischen Stadt (© Stadtarchiv Dortmund).
Abb. 13.3b: Die historisierende Inneneinrichtung des Rathauses war durch die Spenden der Honoratioren der Stadt finanziert worden (© Stadtarchiv Dortmund).
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einer angesehenen Hansestadt, sechs Jahrhunderte hindurch das gesammte städtische Leben in sich aufnahm, was dann durch Noth und Krieg verfiel, als Dortmunds Stern verblich – mit Gottes gnädigem Beistand soll’s jetzt zu alter Pracht und Herrlichkeit wiedererstehen. Ermöglicht ist unser Beginnen durch die hochherzige Zuwendung eines kunstsinnigen Mannes, dessen Namen an der Spitze der beigefügten Stifterliste zu lesen ist; seinem Beispiel folgten (…) da heute unter des neuen Kaiseraares Fittigen Handel und Gewerbefleiß schöner blühen denn zu Zeiten der alten Hanse 21. November 1898 (…). Zudem befand sich hier eine Liste der 102 Stifter, die die Spenden von 150.000 Mark für die Wiederherstellung des alten Rathauses aufgebracht hatten, angeführt von Joseph Cremer, sodann eine Liste der Bauleitung und der Unternehmer sowie der oben zitierte Brief von Cremer an den Oberbürgermeister der Stadt.41 Inzwischen sind sogar die Kapitellfragmente, die an der Stelle des einstigen Rathauses am Nach‐ folgebau zur Erinnerung eingemauert worden waren, seit dessen Umbau 1995/1996 spurlos verschwunden. Die Wiederherstellung des Rathauses muss zudem auch im Kontext des Baus des alten Stadthauses, heute am Friedensplatz, gesehen werden. Wachstum und Aufstieg der Stadt im Zuge der Industrialisierung hatten nicht nur die Notwendig‐ keit der allmählichen Entwicklung großstädtischer Infrastrukturen und daher eine Vergrößerung der Kommunalverwaltung zur Folge, sondern auch ein zunehmendes Bedürfnis nach Repräsentation und der Demonstration eines gewachsenen histori‐ schen Bewusstseins. Neben der der Repräsentation dienenden Wiederherstellung des alten Rathauses mit Festsaal und historistischem, festlichen Interieur, sollten im Stadthaus Zug um Zug sowohl die gesamte Kommunalverwaltung als auch die kommunalpolitischen Gremien Platz finden, die bis dato an verschiedenen Orten untergebracht waren. Die Fertigstellung des ersten Bauabschnitts nach den Plänen von Friedrich Kullrich am 1. Mai 1899 ist im Neorenaissance-Stil gehalten. Insbeson‐ dere die Fassade zum heutigen Friedensplatz diente ebenfalls der Repräsentation (Abb. 13.4). Sie griff auf die historistische Bildersprache zurück: Reinoldus stand auf der Giebelspitze als Garant der städtischen Unabhängigkeit und bürgerlichen Freiheit, im Giebel prangt der Reichsadler als Dortmunder Wappen, Figuren Karls des Großen und Wilhelms II. verknüpfen Mittelalter und wilhelminisches Deutsches Reich, Wappen der Hansestädte erinnern an die einstige Bedeutung der Stadt, zwei überlebensgroße weibliche Gestalten personifizieren Handel und Industrie mit Attri‐ buten aus der mittelalterlichen Vergangenheit, wie Hansekogge und Rathausmodell.42 Das Turmsiegel, begleitet vom historischen Trutzspruch so fast as Dörpem, „so fest wie Dortmund“, im Mittelteil der Westfassade, fordert zur Besinnung auf die vom Zeitgeist verspürten bürgerlichen Tugenden des Mittelalters auf. Friedrich Kullrich hat auch das Hafenamt, das architektonische Herzstück des Hafens, entworfen (Abb. 13.5): Damit geht das Ensemble der drei großen Neubauten 41 Stadtarchiv Dortmund, Bestand 426 Nr. 1-4. 42 Vgl. Hinrichsen, ‚Die „Wiederherstellung” des Dortmunder Rathauses‘, S. 223f. (mit den Hinweisen auf die weiterführende Literatur).
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Abb. 13.4: Stadthaus (heute Friedensplatz), am 1. Mai 1899 nach Plänen des Stadtbauinspektors Friedrich Kullrich fertig gestellt (© Stadtarchiv Dortmund).
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Abb. 13.5: Dortmunder Hafenamt, um 1900 (© Stadtarchiv Dortmund).
des Jahres 1899 in Dortmund allein auf seine Planungen zurück. Programmatisch hat er die Wahl des historisierenden Baustils und der Bauformen des Hafenamts begrün det und den Bau wie folgt selbst beschrieben:43 43 Kullrich, ‚Das Hafenamt‘, in: Der Hafen von Dortmund, hrsg. von Mathies, S. 65. Siehe hier S. 65ff. eine detaillierte Beschreibung des Gebäudes.
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Abb. 13.6: Dortmunder Hafenamt: Die Eingangshalle ziert ein Fußbodenmosaik mit einer mittelalterlichen Hansekogge mit Dortmunder Wappen auf dem Segel und einem Wimpel in den Stadtfarben rot-weiß am Mast (© Stadtarchiv Dortmund).
Im Mittelpunkt des Hafengeländes gelegen, erhebt sich das Gebäude für die Hafenverwaltung (…). Diese die Umgebung beherrschende Lage wurde Veranlassung, den von allen Seiten frei sichtbaren Bau architektonisch aufwendiger zu gestalten, als dies für ein gewöhnliches Verwaltungsgebäude zu geschehen pflegt, und über seinem Haupteingang einen Thurm zu errichten, der dem einfahrenden Schiffer schon von weither als Merkmal des Dortmunder Hafens erscheinen soll. Im Hinblick auf die Endigung des Kanals an der Nordseeküste erfolgte die Ausbildung der Architektur in deutschen Stilformen unter Anlehnung an die holländische Bauweise des 17. und 18. Jahrhunderts. Die Flächen der Fronten sind mit kräftigrothen Ziegeln verblendet, zwischen welchen niedrige bandartige Schichten aus hellgrauem Werkstein wechseln; die Ecken sind
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gequadert, alle Gliederungen an den Thüren und Fenstern, das Sockelgeschoss und alle Gesimse bestehen aus Werkstein (…). Zweifellos sollte der das Gebäude beherrschende Turm an einen Leuchtturm erin‐ nern; das Hafenamt repräsentierte die Stadt und verlieh den Zukunftserwartungen einen architektonischen Ausdruck, einen Ausdruck, der ebenfalls intensiv auf die Vergangenheit der Stadt zurückgriff. Die Flurhalle im Erdgeschoß erhielt einen Mosa‐ ikboden, der eine Hansekogge mit geblähtem Segel zeigt (Abb. 13.6). Auf dem Segel ist das Dortmunder Wappentier zu sehen, an der Mastspitze weht ein rot-weißer Wimpel in den Stadtfarben. Über dem Gesims des Portals ist eine Gedenkplatte aus Granit mit einem Bronzerelief Kaiser Wilhelms II. von Prof. Rudolf Mayer ange‐ bracht, darüber schweben, von Delphinen getragen, die Wappen der Städte Emden und Dortmund. Im zweiten Obergeschoß des Turms wurde eigens für den Besuch Wilhelms II. das sogenannte Kaiserzimmer (mit einem Waschraum) eingerichtet, das Kullrich, wohl um späterer Kritik vorzubeugen, vornehm als „Empfangszimmer für Gäste der Stadt” umschreibt.44 Das Zimmer ist vom Kaiser gar nicht benutzt worden und wurde nahezu unverändert bis zum heutigen Tage im ursprünglichen Zustand belassen. Die Stadt setzte ihre neu gefundene Identität durch Erinnerung an das Mittelalter also auch in den kommunalen Prachtbauten um, die aus Anlass der Hafeneinweihung durch den Kaiser unter Hochdruck und Einsatz aller Kräfte in kürzester Bauzeit fertig gestellt worden waren. Diese Repräsentation in den Bauformen der Zeit war mehr als die bloße Adaptierung eines Zeitgeschmacks; wie die zitierten Äußerungen der Honoratioren oder von Stadtbauinspektor Friedrich Kullrich veranschaulichen, war man sich bewusst, durch die Historisierung der Architektur der Stadt ein neues und vermeintlich passendes, besseres Image verschaffen zu wollen. Der Rückgriff auf die in mancher Hinsicht auch irrig verstandene mittelalterliche Wirklichkeit der Reichsstadt Dortmund stellte neue Identitätsmuster zur Verfügung und verknüpfte die Vergangenheit sowohl mit der Gegenwart der Industriestadt als auch mit dem wil‐ helminischen Kaisertum zum Wohle der Stadt. Dies war mit Sicherheit keine Beson‐ derheit Dortmunder Vorstellungen, sondern Allgemeingut der Selbstdarstellung der Städte im Kaiserreich, wie schon ein Blick auf den Rathausneubau der Stadt Duisburg mit extrem historisierendem Beiwerk zeigt.45 Im kommunalen Vergleich dürften die Leistungen von Friedrich Kullrich, der die Dortmunder Bauten als Stadtbauinspektor in offiziellem Auftrag entworfen hat, ohnehin als eine herausragende Leistung erschei‐ nen, die im Trend des Zeitgeschmacks auch aus heutiger Sicht durchaus optimale Lösungen schuf. Der Kaiser berührte bei seiner Fahrt durch die Stadt nach der Einweihungsfeier diese drei Gebäude, aber nur das Rathaus wurde aufgesucht. Die weitere Route
44 Der Hafen von Dortmund, hrsg. von Mathies, S. 66: „(…) von hier aus geniesst man einen günstigen Ueberblick über den südlichen Teil des Hafens sowie über die Neuanlagen der Union.” 45 Vgl. Der Rathausneubau der Stadt Duisburg am Rhein (1902); Dokumentation zum Jubiläum „75 Jahre Rathaus Duisburg“ (1977). Weitere Beispiele aus der Region siehe bei Hesse, ‚Mittelalterrezeption in profanen Bauaufgaben des Historismus‘.
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vom Rathaus zum Kaiser-Wilhelm Hain wurde wohl extra am neuen Stadthaus vor beigeführt. Die Visite Wilhelms II. in Dortmund endete mit dem Besuch des KaiserWilhelm-Haines, der seit 1890 – ebenfalls unter reger Spendenbeteiligung Dortmun der Bürger – angelegt worden war.46 Von hier aus fuhr der Kaiser zum Dortmunder Bahnhof, um 12:45 Uhr einen Zug nach Essen zu besteigen, wo er die Krupp‘sche Villa Hügel besuchte und hier auch übernachtete. Die Fahrt des Kaisers durch die Stadt zählte zweifellos zu den Großereignissen der Stadtgeschichte (Abb. 13.7 und 13.8), so wollte die Stadt dies zumindest gesehen haben. In einem ‚Bürgerbericht‘ legten die Stadt und Oberbürgermeister Schmieding offiziell Rechenschaft über die Gestaltung der Hafeneinweihungsfeier ab: „Seine Majestät der Kaiser wurde bei seiner Ankunft am Hafen u[nd] seinem Durchzuge durch die auf’s herrlichste geschmückte Stadt von der Bevölkerung mit einem Jubel begrüßt, wie er in Dortmunds Mauern noch niemals gehört worden war.“47 In der Mallinckrodtstraße waren 25.000 jubelnde Schulkinder aufgestellt worden, es folgte“ das Spalier der Vereine, die sich um die Mitwirkung selbst bemüht hatten; der Bericht geht von 20.000 Personen aus. Rund 300.000 auswärtige Gäste sollen an diesem Tage nach Dortmund gekommen sein, um der Einweihungsfeier beizuwohnen oder aber den vorüberfahrenden Kaiser zu bewundern. Der ‚Bürgerbericht‘ formuliert: „Es war fürwahr auch ein Hochgenuß, die Feststraßen, die eine ununterbrochene ‚via triumphalis’ bildeten, jetzt in aller Muße zu betrachten.“48 Der Hafen war zur Feier festlich geschmückt, aber auch für den ‚Kaiserweg’ hatte man keine Kosten gescheut: Flaggen- und Fahnenmasten flankierten den Weg.49 Aus Holzlatten und Leinwand hatte man in der Mallinckrodtstraße voluminöse Ehrentore errichtet, für die Ecke zur Münsterstraße war „ein mächtiges Frauenbildnis, die ‚Arbeit’“, errichtet worden.50 Zu sehen war am „Ausgange der Brückstraße [das] im Genre des Mittelalters errichtete Burgthor, wie es früher in diesem Style im Kranze der Festungswerke unserer freien Reichs- und Hansestadt bestanden hatte.“51 Der Markt mit dem wiederhergestellten Rathaus wurde als ein mittelalterlicher Platz inszeniert, der er schon an der Jahrhundertwende gar nicht mehr war: Die realen Gebäude wurden zum Teil hinter einer Fachwerkfassade aus bemalter Leinwand versteckt. Die Stadt suchte und fand ihre Identität an diesem Tag in einer Scheinwelt; die dem Kaiser huldigende Stadt und ihre Honoratioren stellten sich gegenüber dem Monarchen und der Öffentlichkeit als das dar, was man im Sinne der Erinnerung an einst längst abgerissene Tradition sein wollte, aber eigentlich gar nicht mehr war. Die
46 Laut Satzung war Zweck des am 17. Februar 1889 gegründeten Vereins zur Errichtung eines Kaiser-WilhelmHains in Dortmund, „(…) das Andenken an Kaiser Wilhelm I. durch Schaffung eines Hains mit Denkmal im Stadtbezirk zu ehren” (Stadtarchiv Dortmund, Bestand 3 Nr. 1360). 47 Stadtarchiv Dortmund, Bestand 3 Nr. 1566, Bl. 264ff, Zitat Bl. 269. 48 Ebd., Bl. 273. 49 Insgesamt hat der Kaiserbesuch die Stadt, nur die Dekorationen und den engeren Empfang gerechnet, rund 170.000 Mark gekostet. 50 Stadtarchiv Dortmund, Bestand 3 Nr. 1566, Bl. 273. 51 Ebd., Bl. 274.
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Abb. 13.7: 1899 war die Dortmunder Stadtbefestigung vollständig abgebrochen. Das Burgtor aber wurde für den Empfang des Kaisers aus Holz, Leinwand, Pappmaché, Farbe und Kleister hergerichtet, um die Stadt in der Tradition der mittelalterlichen Reichs- und Hansestadt in der Gegenwart zu präsentieren (© Stadtarchiv Dortmund).
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Abb. 13.8: Der Kaiser ist vor dem Rathaus vorgefahren, um sich in das Goldene Buch der Stadt einzutragen und den Ehrentrunk der Stadt entgegenzunehmen. Wartend stehen Reitereskorte, Kaiserkutsche und das zahlreiche Publikum auf dem Markt vor dem Rathaus – zum Jubel werden im Vordergrund die Hüte geschwenkt (© Stadtarchiv Dortmund).
via triumphalis für den Kaiser war zugleich eine Triumphstraße für die Stadt, die sich als Erinnerung an die Bürgerwelt des Mittelalters repräsentierte und selbst feierte. Im zweiten Teil des Festtages, nach der Abfahrt des Kaisers um 12:45 Uhr, feierte die Stadt ausgiebig. Höhepunkt war das Festessen im Fredenbaum, zu dem sich die Ehrengäste und die Honoratioren der Stadt am Nachmittag versammelten. Hier blieb man unter sich, um sich in den Festreden in der Einheit mit dem Kaiser und unter Rückbesinnung auf die mittelalterliche Blütezeit selbst zu feiern, als ein Dortmund, dessen Wirtschaft unter Besinnung auf den ‚Westfälischen Gewerbefleiß’ seiner mit‐ telalterlichen Bürger im kommenden Jahrhundert wieder Weltgeltung erlangen sollte. An dem Ausschluss des Publikums vom Festessen wurde in der Öffentlichkeit verhalten Kritik geübt.52 Die Stadt präsentierte sich am 11. August 1899 aber im grundsätzlichen Konsens: Es sind keinerlei Indizien für ernstzunehmende Proteste auszumachen; die polizeilichen Maßnahmen anlässlich des Kaiserbesuchs, soweit sie aus den Akten überhaupt erkennbar sind, erwecken den Eindruck der Routine, denn eigentlich sind keine nennenswerten Proteste zu erwarten gewesen, vor allem nicht
52 Siehe etwa Stadtarchiv Dortmund, Bestand 3 Nr. 1568, Bl. 145.
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aus Dortmunder Kreisen.53 Verhalten war auch die Kritik der Sozialdemokratie und der Rheinisch-Westfälischen Arbeiterzeitung - der Unmut bezog sich allenfalls auf die Gestaltung des Festes: „Potemkin’sche Dörfer, Byzantinismus und Cäsarenthum”, so krittelte die linke Tageszeitung.54 Offensichtlich nahm man in der national heiß umkämpften Frage des Kanalbaus politische Rücksicht, um nicht Wasser auf die Mühlen der Kanalgegner zu gießen. So bleibt für die Selbstsicht der Stadt im Jahre 1899 der Eindruck einer Mittelal‐ terrezeption, die im Sinne der Ideologien des wilhelminischen Kaisertums auf lokaler Ebene die Vergangenheit selektiv für die Gegenwart auszuschlachten versuchte. Dass hierbei die Erzeugung von Scheinwelten erforderlich war, macht deutlich, dass die Rezeption mittelalterlicher Stadtgeschichte sich auf die Präsentation der Stadt kon‐ zentrierte. Heute würde man das ‚Imagepflege‘ nennen – und diese Diskussion ist bekanntlich nach wie vor für die Stadt Dortmund aktuell. 1899 versuchte die Schicht der Honoratioren für die Stadt aber auch, die Mittelalterrezeption mit der Gegenwart zu verknüpfen und dies lässt die Bedeutung historischen Bewusstseins für die Gegen‐ wart erkennen, denn die historische Selbstsicht will über die ökonomische und soziale Wirklichkeit hinausweisen, ohne freilich die Realität überwinden zu können oder gar zu wollen. Der heutigen Betrachtung jedenfalls stößt frappierend die Diskrepanz zwischen den historisierenden Scheinwelten und der Realität des städtischen Lebens auf.
53 Siehe etwa Stadtarchiv Dortmund, Bestand 3 Nr. 1582, Bestand 12 Nr. 108, Bestand 18 Nr. 278, Bestand 25 Nr. 357. 54 Rheinisch-Westfälische Arbeiterzeitung vom 28. August 1899.
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Verzeichnis der Veröffentlichungen von Thomas Schilp
Mitherausgeber der Reihe: Essener Forschungen zum Frauenstift von 2002 bis 2017 (zusammen mit Klaus Gereon Beuckers, Katrinette Bodarwé, Birgitta Falk, Klaus Lange, Hedwig Röckelein, Michael Schlagheck, Annemarie Stauffer u.a.). Mitherausgeber der Reihe: Dortmunder Mittelalter-Forschungen. Erste Schriftenreihe der Conrad-von-Soest-Gesellschaft (zusammen mit Barbara Welzel). Mitherausgeber der Reihe: Dortmunder Exkursionen zur Geschichte und Kultur. Zweite Schriftenreihe der Conrad-von-Soest-Gesellschaft (zusammen mit Barbara Welzel). Mitherausgeber der Reihe: Westfalen in der Vormoderne (Studien zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Landesgeschichte) (zusammen mit Werner Freitag, Stefan Gorissen, Eva-Maria Seng und Siegrid Westphal). Mitherausgeber der Reihe: MEMO. Memoria and Remembrance Practices (zusammen mit Arnoud-Jan Bijsterveld (Nl), Douglas Brine (USA), Truus van Bueren (Nl), Samuel Cohn (GB), Julian Gardner (GB), Dieter Geuenich (D), Caroline Horch (D), Jens Lieven (D), Meta Niederkorn (A) und Corine Schleif (USA)) Mitherausgeber der Beiträge des Historischen Vereins für Dortmund und die Grafschaft Mark von 1987 bis 2014. 1982 1. Die Reichsburg Friedberg im Mittelalter. Untersuchungen zu ihrer Verfassung, Verwaltung und Politik. Wetterauer Geschichtsblätter 31 (Friedberg: Verlag der Bindernagelschen Buchhandlung, 1982).
1983 2. ‚Eine Rechnung der Reichsburg Friedberg aus dem Jahre 1443‘, Wetterauer Geschichtsblätter 32 (1983), S. 29-65.
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VerZeIchnIs der VeröffentlIchungen Von thoMas schIlp
1986 Rezension: Jürgen Huck, Neuss, der Fernhandel und die Hanse. Teil 1. Neuss bis zum Ende der Hansezeit. Schriftenreihe des Stadtarchivs Neuss Band 9, Teil 1 (Neuss: Stadt Neus, 1984), in: Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 73 (1986), S. 238-239.
1987 3. Die Reichsburg Friedberg im Mittelalter. Regesten der Urkunden 1216-1410. Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 3. Urkundenbuch der Stadt Friedberg, Band 2 (Marburg: Elwert, 1987).
1988 4. ‚Auch damals in Throtmanni schon drückten Steuern und Abgaben: der „liber homo“ Arnold z. B. mußte jährlich soviel an das Kloster zahlen, wie ein Schwein kostete‘, Heimat Dortmund Nr. 3 (1988), S. 8-13. Rezension: Hartmut Boockmann, Die Stadt im späten Mittelalter (München: Beck, 1986), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 79 (1988). Rezension: Festschrift 75 Jahre Museum für Naturkunde der Stadt Dortmund 1912 bis 1987. 100 Jahre Naturwissenschaftlicher Verein 1887-1987, hrsg. von Museum für Naturkunde der Stadt Dortmund (Dortmund 1987), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 79 (1988).
1989 5. ZEIT-RÄUME. Aus der Geschichte einer Stadt. Ausstellung und Dokumentation des Stadtarchivs zur Geschichte der Stadt Dortmund im neuen Rathaus (Dortmund: Wittmaack, 1989). 6. Rheinischer Städteatlas. Lieferung IX, Nr. 48. Bad Breisig (Köln und Bonn: Rheinland-Verlag, 1989). 7. ‚Neue Techniken bei Archivausstellungen. Zur Konzeption und Realisierung der Dortmunder Ausstellung „ZEIT-RÄUME. Aus der Geschichte einer Stadt“‘, Archivpflege in Westfalen und Lippe Heft 30 (1989), Spalte 53-58. 8. ‚Das Stadtarchiv Dortmund erprobt neues EDV-Verfahren für archivische Ausstellungen‘, Der Archivar 4 (1989), S. 549-554. Rezension: Helvetia Sacra. Abteilung III. Die Orden mit Benediktinerregel. Band 1. Frühe Klöster, die Benediktiner und Benediktinerinnen in der Schweiz, hrsg. von Elsanne Gilomen-Schenkel (3 Bde.; Bern: Francke, 1986), in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 125 (1989). Rezension: Johann Moritz Schwager, Bemerkungen auf einer Reise durch Westfalen, bis an und über den Rhein. Neudruck der Ausgabe Leipzig und Elberfeld 1804, mit einem Nachwort von Olaf Eimer (Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 1987), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 80 (1989).
VerZeIchnIs der VeröffentlIchungen Von thoMas schIlp
1990 9. Hörde. Beiträge zur Stadtgeschichte. 650 Jahre Stadtrechte Hörde (1340-1990), hrsg. von Günther Högl und Thomas Schilp (Dortmund: Wittmaack, 1990). 10. ‚„… van dem dorppe tho Huerde eyne stat tho makene …“. Überlegungen zur Stadtrechtsverleihung im Jahre 1340‘, in: Nr. 9, S. 8-15. 11. ‚Kloster und Stift Clarenberg bei Hörde (1339-1812)‘, in: Nr. 9, S. 16-27. 12. ‚Geleit – Emanzipation – Verfolgung. Zur Geschichte der Juden in Hörde‘, in: Nr. 9, S. 68-75. 13. ‚Biographie Giesbert Christian Friedrich von Romberg (1773-1859)‘, in: Nr. 9, S. 162. 14. ‚Biographie Moritz Nußbaum (1850-1915)‘, in: Nr. 9, S. 164. 15., „Civitas Tremoniensis imperialis“. Aspekte der Geschichte Dortmunds im Wandel des Königtums‘, in: Vergessene Zeiten. Mittelalter im Ruhrgebiet, Katalog zur Ausstellung im Ruhrlandmuseum Essen 26. September 1990 bis 6. Januar 1991, hrsg. von Ferdinand Seibt u.a. (2 Bde.; Essen: Pomp, 1990), Bd. 2, S. 28-33. 16. ‚Die Grundherrschaftsorganisation des hochadligen Damenstifts Essen. Von der wirtschaftlichen Erschließung zur politisch-administrativen Erfassung des Raumes‘, in: Vergessene Zeiten. Mittelalter im Ruhrgebiet, Katalog zur Ausstellung im Ruhrlandmuseum Essen 26. September 1990 bis 6. Januar 1991, hrsg. von Ferdinand Seibt u.a. (2 Bde.; Essen: Pomp, 1990) Bd. 2, S. 89-92. 17. Exponatbeschreibungen, in: Vergessene Zeiten. Mittelalter im Ruhrgebiet. Katalog zur Ausstellung im Ruhrlandmuseum Essen 26. September 1990 bis 6. Januar 1991, hrsg. von Ferdinand Seibt u. a., (2 Bde.; Essen: Pomp, 1990) Bd. 1.
1991 18. ‚Die Finanzen der Reichsstadt Dortmund‘, in: 150 Jahre Stadtsparkasse Dortmund (1841 1991), hrsg. von Gustav Luntowski und Norbert Reimann (Dortmund: Stadtsparkasse, 1991), S. 63-94. Rezension: Essener Offizialatsakten als personengeschichtliche Quelle. Veröffentlichungen der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde e.V. NF 47, bearb. von Reimund Haas (Köln 1989), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 81/82 (1990/1991). Rezension: Urkundenbuch der Stadt Duisburg 1 (904-1350). Duisburger Geschichtsquellen 8. Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 67, bearb. von Werner Bergmann, Hans Budde, Günter Spitzbart und Joseph Milz (Duisburg und Düsseldorf: Braun, 1989), in: Düsseldorfer Jahrbuch 63 (1991).
1992 19. ‚Der Ausbau der Wetterau zur „terra imperii“ unter den Staufern – Nidda und die staufische Wetterau‘, in: Nidda. Die Geschichte einer Stadt und ihres Umlandes, hrsg. von Ottfried Dascher (Nidda: Stadt Nidda, 1992), S. 21-31.
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VerZeIchnIs der VeröffentlIchungen Von thoMas schIlp
20. ‚Clarenberg – Klarissen in Dortmund-Hörde‘, in Westfälisches Klosterbuch. Lexikon der vor 1815 errichteten Stifte und Klöster von ihrer Gründung bis zur Aufhebung. Teil 1. Ahlen – Mülheim. Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen 44. Quellen und Forschungen zur Kirchen- und Religionsgeschichte 2, hrsg. von Karl Hengst (Münster: Aschendorff, 1992), S. 181-185. 21. ‚Dortmund – Beginen‘, in: Westfälisches Klosterbuch. Lexikon der vor 1815 errichteten Stifte und Klöster von ihrer Gründung bis zur Aufhebung. Teil 1: Ahlen – Mülheim. Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen 44. Quellen und Forschungen zur Kirchen- und Religionsgeschichte 2, hrsg. von Karl Hengst (Münster: Aschendorff, 1992), S. 268-269. 22. Zusammen mit Petra Schulze: ‚Bibliothek des Stadtarchivs und des Historischen Vereins für Dortmund und die Grafschaft Mark‘, in: Handbuch der Historischen Buchbestände in Deutschland. Band 3. Nordrhein-Westfalen. A – I, hrsg. von Severin Corsten (Hildesheim, Zürich und New York: Olms-Weidmann, 1992), S. 244f. 23. Zusammen mit Marianne Able: ‚Verwaltungsbibliothek der Stadt Dortmund‘, in: Handbuch der Historischen Buchbestände in Deutschland. Band 3. Nordrhein-Westfalen A – I, hrsg. von Severin Corsten (Hildesheim, Zürich und New York 1992), S. 249f. Rezension: Urkundenbuch der Stadt Lünen bis 1341. Schriftenreihe des Stadtarchivs Lünen 10, bearb. von Wolfgang Bockhorst und Fredy Niklowitz (Lünen: Stadt Lünen, 1991), in: Der Märker 41 Nr. 1 (1992). Rezension: Rechtsbuch der Stadt Herford. Vollständige Faksimile-Ausgabe im Originalformat der illuminierten Handschrift aus dem 14. Jahrhundert. Mit Kommentarband, hrsg. von Theodor Helmert-Corvey (Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 1989), in: Westfälische Forschungen 42 (1992).
1993 24. Das Muth-, Verleih- und Bestätigungsbuch 1770 - 1773. Eine Quelle zur Frühgeschichte des Ruhrbergbaus. Veröffentlichungen des Stadtarchivs Dortmund 9, bearb. von Joachim Huske, Wilfried Reininghaus und Thomas Schilp (Dortmund: Stadtarchiv Dortmund, 1993). 25. ‚Sigillum Tremonie Civitatis Westfalie. Überlegungen zu den mittelalterlichen Siegeln der Reichsstadt Dortmund‘, Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 83/84 [= Walter Heinemeyer zum 80. Geburtstag] (1992/1993), S. 9-35. 26. ‚Im Wandel der Geschichte: Dortmunds Rat- und Stadthäuser‘, in: Rathaus Dortmund, hrsg. von der Stadt Dortmund (Dortmund: Stadtamt für Angelegenheiten des Rates und des Oberbürgermeisters, 1993), S. 42-49. 27. ‚Ratssilber dokumentiert Zeitgeist‘, in: Rathaus Dortmund, hrsg. von der Stadt Dortmund (Dortmund: Stadtamt für Angelegenheiten des Rates und des Oberbürgermeisters, 1993), S. 50-51. 28. ‚Ganz Dortmund auf vier Quadratmetern‘ [Zum Stadtmodell Dortmund um 1610], in: Rathaus Dortmund, hrsg. von der Stadt Dortmund (Dortmund: Stadtamt für Angelegenheiten des Rates und des Oberbürgermeisters, 1993), S. 52-55.
VerZeIchnIs der VeröffentlIchungen Von thoMas schIlp
Rezension: Deutscher Städteatlas. Lieferung IV. Aachen, Bad Frankenhausen, Breisach, Breslau, Essen, Kaiserslautern, Küstrin, Kulmbach, Weißenburg (Altenbeken: GSV Städteatlas Verlag, 1989), hrsg. von Heinz Stoob, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 83/84 (1992/1993). Rezension: Westfälischer Städteatlas. Lieferung III. Barntrup, Borgentreich, Dülmen mit Hausdülmen, Lippstadt, Lübbecke, Meschede, Rheine, Schöppingen, Schwerte, Telgte (Dortmund und Altenbeken: Verlag W. Größchen und GSV Städteatlas Verlag, 1990), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 83/84 (1992/1993). Rezension: Willy Timm, Die Ortschaften der Grafschaft Mark in ihren urkundlichen Früherwähnungen und politischen Zuordnungen bis zur Gegenwart. Schriftenreihe zur Geschichte Unnas und der Grafschaft Mark 11 (Unna: Verlag Hellweg-Bücherei, 1991), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 83/84 (1992/1993). Rezension: Die Bestände des Nordrhein-Westfälischen Staatsarchivs Münster. Kurzübersicht, 3. Aufl. (erweiterte Neubearbeitung). Veröffentlichungen der staatlichen Archive des Landes Nordrhein-Westfalen. Reihe B. Archivführer und Kurzübersichten 1 (Münster: NordrheinWestfälisches Staatsarchiv, 1990), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 83/84 (1992/1993). Rezension: 175 Jahre Regierungsbezirk Arnsberg. Streiflichter aus der Geschichte. Ausstellung im Großen Sitzungssaal des Regierungshauptgebäudes in Arnsberg vom 5. September bis 4. Oktober 1991. Schriften der Universitätsbibliothek Münster 7, bearb. von Reinhard Feldmann und Hans Mühl (Arnsberg: Regierungspräsident, 1991), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 83/84 (1992/1993). Rezension: Beiträge zur Westfälischen Stadtgeschichte. Beiträge und Quellen zur Stadtgeschichte Niederdeutschlands 1, hrsg. von Friedrich Bernward Fahlbusch (Warendorf: Fahlbusch, 1992), in: Osnabrücker Mitteilungen 98 (1993).
1994 29. Geschichte der Stadt Dortmund, hrsg. von Gustav Luntowski, Günther Högl, Thomas Schilp und Norbert Reimann (Dortmund: Harenberg Verlag, 1994). 30. ‚Die Reichsstadt (1250 bis 1802)‘, in: Nr. 29, S. 67-211. 31. Die Ratsverordnungen der Reichsstadt Dortmund 1596 – 1803. Veröffentlichungen des Stadtarchivs Dortmund 10, bearb. von Katharina Tiemann, hrsg. von Thomas Schilp (Dortmund: Stadtarchiv, 1994). 32. Udo Steinmetz, Thomas Schilp und Gustav Luntowski, Dortmund ehemals – gestern – heute (Stuttgart und Hamburg: Steinkopf, 1994). Rezension: Reimer Stobbe, Die Stadt Friedberg im Spätmittelalter. Sozialstruktur, Wirtschaftsleben und politisches Umfeld einer kleinen Reichsstadt. Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 92 (Darmstadt und Marburg: Selbstverlag der Hessischen Historischen Kommission, 1992), in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 44 (1994).
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1995 33. ‚Der Kanonikerkonvent des (hochadligen) Damenstifts St. Cosmas und Damian in Essen während des Mittelalters‘, in: Studien zum weltlichen Kollegiatstift in Deutschland. Studien zur Germania Sacra 18. Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 114, hrsg. von Irene Crusius (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1995), S. 169-231. 34. Tod und Jenseitsvorsorge in der spätmittelalterlichen Stadt. Gerhard-Mercator-Universität [GH] Duisburg. Veröffentlichung des Fachbereichs 1, Philosophie – Religionswissenschaft – Gesellschaftswissenschaft, Heft 11 (Duisburg: Gerhard-Mercator-Universität, 1995) [hier Aufsatz 1]. 35.,Consules rempublicam Tremoniensem gubernantes. Die Entwicklung der reichsstädtischen Autonomie Dortmunds im Jahrhundert der staufischen Königsherrschaft‘, Blätter für deutsche Landesgeschichte 131 (1995), S. 51-111. 36. ‚Überlegungen zur Stadtwerdung. Vom locus des Frauenstifts zur civitas in der Mitte des 13. Jahrhunderts‘, in: Die Mauer der Stadt Essen vor der Industrie 1244 bis 1865, hrsg. von Jan Gerchow (Bottrop und Essen: Pomp, 1995), S. 82-92. 37. ‚Städtische Autonomie unter der Äbtissin? Stadt und Stift im Spätmittelalter‘, in: Die Mauer der Stadt Essen vor der Industrie 1244 bis 1865, hrsg. von Jan Gerchow (Bottrop und Essen: Pomp, 1995), S. 93-101. 38. ‚Essen, Stift‘, in: Lexikon für Theologie und Kirche. Band 3 (Freiburg im Breisgau, Basel un Wien: Verlag Herder, 1995). Rezension: Jan Gerchow, Mittelalter vor Ort. Exkursionen in 800 Jahre Geschichte zwischen Lippe und Ruhr. Kunst, Archäologie und Geschichte im Ruhrgebiet von 750 bis 1550 (Bottrop und Essen: Pomp, 1994), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 85/86 (1994/1995). Rezension: Sönke Lorenz, Kaiserswerth im Mittelalter. Zum Reichsgut am Niederrhein. Studia humaniora 23 (Düsseldorf: Droste, 1993), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 85/86 (1994/1995). Rezension: Hermann Burghard, Kaiserswerth im späten Mittelalter. Personen-, wirtschafts- und sozialgeschichtliche Untersuchungen einer niederrheinischen Kleinstadt. Veröffentlichung des Landschaftsverbandes Rheinland (Köln: Rheinland-Verlag, 1994), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 85/86 (1994/1995). Rezension: Die Patrozinien Westfalens von den Anfängen bis zum Ende des alten Reichs. Westfalia Sacra. Quellen und Forschungen zur Kirchengeschichte Westfalens 11, hrsg. von Peter Ilisch und Christoph Kösters (Münster: Aschendorff, 1992), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 85/86 (1994/1995). Rezension: Bauern, Bürger und Soldaten. Quellen zur Sozialisation des Militärsystems im preußischen Westfalen 1713-1803. Regesten und Listen. Veröffentlichungen der staatlichen Archive des Landes Nordrhein-Westfalen. Reihe C. Band 29 und 30, bearb. von Jürgen Kloosterhuis (Münster: Selbstverlag des NW Staatsarchivs Münster, 1992), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 85/86 (1994/1995).
VerZeIchnIs der VeröffentlIchungen Von thoMas schIlp
Rezension: Ulrich Lemke, Schulgeschichte in regionalen Zeitschriften. Kommentierte Bibliographie der Aufsätze zur Schulgeschichte in Nordrhein-Westfalen 1784-1982. Dortmunder Arbeiten zur Schulgeschichte und zur historischen Didaktik 21/1-2 (2 Bde.; Bochum: Brockmeyer, 1993), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 85/86 (1994/1995). Rezension: Nordrhein-Westfalen. Landesgeschichte im Lexikon. Veröffentlichungen der staatlichen Archive des Landes Nordrhein-Westfalen. Reihe C. Quellen und Forschungen 31, hrsg. von Anselm Faust, Norbert Andernach und Dieter Lück (Düsseldorf: Patmos, 1993), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 85/86 (1994/1995).
1996 39. Himmel, Hölle, Fegefeuer. Jenseitsvorstellungen und Sozialgeschichte im spätmittelalterlichen Dortmund. Veröffentlichungen des Stadtarchivs Dortmund 12, hrsg. von Thomas Schilp (Essen: Klartext Verlag, 1996). 40. ‚Tod und Jenseitsvorsorge im spätmittelalterlichen Dortmund. Eine Einführung‘, in: Nr. 39, S. 9-25. 41. ‚Anleitung zum Rechnen mit arabischen Ziffern: Überlegungen zur Edition einer Handschrift aus der Mitte des 16. Jahrhunderts‘, in: Der „mathematicus“. Zur Entwicklung und Bedeutung einer neuen Berufsgruppe in der Zeit Gerhard Mercators. Duisburger MercatorStudien 4 (Bochum: N. Brockmeyer, 1996), S. 183-200. 42. ‚Königtum und Stadt. Die Dortmunder Bürgergemeinde im Jahrhundert der staufischen Königsherrschaft‘, Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 87 (1996), S. 33-78. Rezension: Hans-Werner Goetz, Frauen im frühen Mittelalter. Frauenbild und Frauenleben im Frankenreich (Köln, Weimar und Wien: Böhlau Verlag, 1995), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 87 (1996). Rezension: Vestigia Monasteriensia. Westfalen – Rheinland – Niederlande. Studien zur Regionalgeschichte 7, hrsg. von Ellen Widder, Mark Mersiowsky und Peter Johanek (Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 1995), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 87 (1996). Rezension: Ludwig Freiherr Vincke. Ein westfälisches Profil zwischen Reform und Restauration in Preußen. Veröffentlichungen der staatlichen Archive des Landes Nordrhein-Westfalen. Reihe C. Quellen und Forschungen 34, hrsg. von Hans-Joachim Behr und Jürgen Kloosterhuis (Münster: Selbstverlag des NW-Staatsarchivs Münster, 1994), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 87 (1996). Rezension: Karin Schambach, Stadtbürgertum und industrieller Umbruch. Dortmund 1780-1870. Stadt und Bürgertum 5 (München: R. Oldenbourg, 1996), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 87 (1996). Rezension: Die Bestände des Nordrhein-Westfälischen Hauptstaatsarchivs. Kurzübersicht, 3. Erw. Neuauflage. Veröffentlichungen der Staatlichen Archive des Landes Nordrhein-Westfalen. Reihe B. Archivführer und Kurzübersichten 4 (Düsseldorf: Nordrhein-Westfälisches Hauptstaatsarchiv, 1994), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 87 (1996).
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Rezension: Rheinischer Städteatlas. Lieferung XI. Nr. 58-62, hrsg. von Margret Wensky, Karthographie Esther Weiss (Köln und Bonn: Rheinland-Verlag und Habelt, 1994), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 87 (1996). Rezension: Jörg Engelbrecht, Landesgeschichte Nordrhein-Westfalen. UTB 1827 (Stuttgart: E. Ulmer, 1994), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 87 (1996). Rezension: Handbuch der Kommunalarchive in Nordrhein-Westfalen. Teil 1. Landesteil Nordrhein. Archivberatungsstelle Archivhefte 27, bearb. von Peter Karl Weber, Albert Eßer, HansWerner Langbrandtner, Angelika Raschke und Waltraud Rexhaus (Köln: Rheinland-Verlag, 1994), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 87 (1996).
1997 43. ‚… in honore sancti Georgii … Burgkirche und Burgmannschaft: Erinnerungskultur der Reichsburg Friedberg im Mittelalter‘, in: Hundert Jahre Historische Kommission für Hessen 1897-1997. Band 1. Festgabe, hrsg. von Walter Heinemeyer (Marburg: Elwert, 1997), S. 181-207 [hier Aufsatz 3]. 44. ‚Deutungen mittelalterlicher Stadtgeschichte. Ergebnisse und Perspektiven Dortmunder Mittelalterforschung‘, Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 88 (1997), S. 25-42. 45. Exponatbeschreibungen, in: Transit. Brügge – Novgorod. Eine Straße durch die europäische Geschichte. Katalog zur Ausstellung im Ruhrlandmuseum Essen 15. Mai - 21. September 1997, hrsg. von Ferdinand Seibt, Ulrich Borsdorf und Heinrich Theodor Grütter (Bottrop: Pomp, 1997). Rezension: Klaus Lange, Die ehemalige Stiftskirche in Herdecke. Baugeschichte – Bauschichten (Essen: Klartext Verlag, 1997), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 88 (1997). Rezension: Soest. Geschichte der Stadt. Band 2. Die Welt der Bürger. Politik, Gesellschaft und Kultur im spätmittelalterlichen Soest. Soester Beiträge 53, hrsg. von Heinz Dieter Heimann, Wilfried Ehbrecht und Gerhard Köhn (Soest: Westfälische Verlagsbuchhandlung Mocker & Jahn, 1996), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 88 (1997). Rezension: Soest. Geschichte der Stadt. Band 3. Zwischen Bürgerstolz und Fürstenstaat. Soest in der frühen Neuzeit, Soester Beiträge 54, hrsg. von Ellen Widder, Wilfried Ehbrecht und Gerhard Köhn (Soest: Westfälische Verlagsbuchhandlung Mocker & Jahn, 1995), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 88 (1997).
1998 46. Norm und Wirklichkeit religiöser Frauengemeinschaften im Frühmittelalter. Die Institutio sanctimonialium Aquisgranensis des Jahres 816 und die Problematik der Verfassung von Frauenkommunitäten. Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 137. Studien zur Germania Sacra 21 (Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1998).
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47. ‚Memoria in der mittelalterlichen Stadtgesellschaft‘, in: Lectiones eruditorum extraneorum in facultate philosophica Universitatis Carolinae Pragensis factae, fasciculus 5, hrsg. von Ivan Hlavácek (Praha: Charles University, 1998), S. 25-58. 48. ‚Juden im mittelalterlichen Westfalen‘, in: Jüdisches Leben in Westfalen. Eine Ausstellung der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Dortmund e.V., hrsg. von Kirsten Menneken und Andrea Zupancic (Essen: Klartext Verlag, 1998), S. 13-22. 49. ‚In Afaldrabechi… Überlegungen zur urkundlichen Ersterwähnung Aplerbecks (899)‘, in: 1100 Jahre Aplerbeck 899-1999. Festschrift, hrsg. von Hans Georg Kirchhoff und Siegfried Liesenberg (Essen: Klartext Verlag, 1998), S. 37-47. Rezension: Jürgen Bärsch, Die Feier des Osterfestkreises im Stift Essen nach dem Zeugnis des Liber Ordinarius (zweite Hälfte 14. Jahrhundert). Ein Beitrag zur Liturgiegeschichte der deutschen Ortskirchen. Quellen und Studien - Veröffentlichungen des Instituts für kirchengeschichtliche Forschung des Bistums Essen 6 (Münster: Aschendorff, 1997), in: Essener Beiträge. Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 110 (1998). Rezension: Wilhelm Janssen, Geschichte des Erzbistums Köln 2.1. Das Erzbistum Köln im späten Mittelalter 1191-1515. Teil 1 (Köln: Bachem, 1995), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 89 (1998). Rezension: Ute Küppers-Braun, Frauen des hohen Adels im kaiserlich-freiweltlichen Damenstift Essen (1605-1803). Eine verfassungs- und sozialgeschichtliche Studie. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Stifte Thorn, Elten, Vreden und St. Ursula in Köln. Quellen und Studien. Veröffentlichungen des Instituts für kirchengeschichtliche Forschung des Bistums Essen 8 (Münster: Aschendorff, 1997), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 89 (1998). Rezension: Gotische Buchmalerei aus Westfalen. Choralbücher der Frauenklöster Paradies und Welver bei Soest. Soester Beiträge 57, hrsg. von Ulrich Löer mit Beiträgen von Jochen Grade, Michael Hermes und Ilse Maas-Steinhoff (Soest: Westfälische Verlagsbuchhandlung Mocker und Jahn, 1997), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 89 (1998). Rezension: Der dreißigjährige Krieg und der Alltag in Westfalen. Quellen aus dem Staatsarchiv Münster. Veröffentlichungen der staatlichen Archive des Landes Nordrhein-Westfalen. Reihe C. Quellen und Forschungen 43, bearb. von Leopold Schütte (Münster: Selbstverlag Nordrhein-Westfälisches Staatsarchiv, 1998), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 89 (1998). Rezension: Rheinischer Städteatlas. Lieferung XII. Nr. 63-68, hrsg. von Margret Wensky, Karthographie Esther Weiss (Köln und Bonn: Rheinland-Verlag und Habelt, 1996), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 89 (1998). Rezension: Schwerte 1397-1997. Eine Stadt im mittleren Ruhrtal und ihr Umland, hrsg. von Stadt Schwerte (Essen: Klartext Verlag, 1997), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 89 (1998). Rezension: Werner Freitag, Heiliger Bischof und Moderne Zeiten. Die Verehrung des heiligen Ludger im Bistum Münster. Schriftenreihe zur religiösen Kultur 4 (Münster: Ardey-Verlag, 1995), in: Westfälische Forschungen 48 (1998).
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1999 50. ‚Die Korporationsbildung der Dortmunder Bürger im Jahrhundert der staufischen Königsherrschaft‘, in: Genossenschaftliche Strukturen in der Hanse. Quellen und Darstellungen zur Hansischen Geschichte NF 48, hrsg. von Nils Jörn, Detlef Kattinger und Horst Wernicke (Köln, Weimar und Wien: Böhlau Verlag, 1999), S. 182-204. 51. ‚Männerkloster und Frauenstift. Werden und Essen‘, in: Das Jahrtausend der Mönche. KlosterWelt Werden 799-1803. Ausstellungskatalog Ruhrlandmuseum Essen, hrsg. von Jan Gerchow (Essen und Köln: Wienand, 1999), S. 74-79. 52. ‚Städtische Identität durch Erinnerung an das Mittelalter: 11. August 1899 – Kaiser Wilhelm II. besucht Dortmund zur Hafeneinweihung‘, in: Dortmunds Tor zur Welt. Einhundert Jahre Dortmunder Hafen, hrsg. von Karl-Peter Ellerbrock (Essen: Klartext Verlag, 1999), S. 48-62 und S. 253-256 (Anmerkungen). 53. ‚Jenseitsvorsorge in Städten der Grafschaft Mark. Aspekte der Mentalität, der sozialen Beziehungen und der Politik des Spätmittelalters‘, Westfälische Zeitschrift 149 (1999), S. 35-55 [hier Aufsatz 4]. 54. ‚De Area Apri – Berswordt. Überlegungen zur Frühgeschichte einer Familie der Dortmunder Führungsschicht und zur Verwendung des Familienwappens‘, Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 90 (1999), S. 61-78. 55. ‚Kloster – Stadt – Burg. Überlegungen zur Geschichte Hördes im Spätmittelalter‘, in: Impressionen aus Hörde, hrsg. von Willi Garth (Hörde: Verein zur Förderung der Heimatpflege e. V., 1999), S. 7-11. 56. ‘Hellweg’, in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Band 14 (Berlin und New York: De Gruyter, 1999), S. 315-317. Rezension: Dore Bolege-Vieweg, Fotografie Gerhard P. Müller und Josef H. Neumann, Dortmunder Dorfkirchen. Schätze mittelalterlicher Kunst (Dortmund: Fr. Wilh. Ruhfus, 1998), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 90 (1999). Rezension: Gerhard Köhn, Der Dreißigjährige Krieg in Stadt und Land – zum Beispiel in Soest/ Westfalen und in der Soester Börde. Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung des Stadtarchivs vom 13. September 1998 bis zum 31. März 1999 (Soest: Verlag M. Köhn, 1998), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 90 (1999). Rezension: Rheinischer Städteatlas. Lieferung XIII. Nr. 69-73, hrsg. von Margret Wensky, Karthographie Esther Weiss (Köln und Bonn: Rheinland-Verlag und Habelt, 1998), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 90 (1999). Rezension: Friedberg in Hessen. Die Geschichte der Stadt. Band 1. Von den Anfängen bis zur Reformation. Wetterauer Geschichtsblätter 44, hrsg. von Michael Keller (Friedberg: Bindernagel, 1997), in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 49 (1999). Rezension: Robert Prößler, Das Erzstift Köln in der Zeit des Erzbischofs Konrad von Hochstaden. Organisatorische und wirtschaftliche Grundlagen in den Jahren 1238-1261. Kölner Schriften zu Geschichte und Kultur 23 (Köln: Janus, 1997), in: Westfälische Forschungen 49 (1999).
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2000 57. Die mittelalterliche Stadt und ihr heiliger Patron. Reinoldus und die Dortmunder Bürgergemeinde. Veröffentlichungen des Stadtarchivs Dortmund 15, hrsg. von Thomas Schilp und Beate Weifenbach (Essen: Klartext Verlag, 2000). 58. ‚Reinoldus, unser stat overster patroen und beschermer‘, in: Nr. 57, S. 35-49. 59. ‘Historia Reynoldi martyris. Ein Reimoffizium zum Fest des heiligen Reinoldus aus St. Kunibert in Köln‘, in: Nr. 57, S. 157-170. 60. Herrschaft, Bildung und Gebet. Gründung und Anfänge des Frauenstifts Essen, hrsg. von Günter Berghaus, Thomas Schilp und Michael Schlagheck (Essen: Klartext Verlag, 2000; 2. Auflage Essen 2002). 61. ‚Religiöse Frauengemeinschaften des Früh- und Hochmittelalters im Spannungsfeld von Glauben und Welt. Eine Einführung‘, in: Nr. 60, S. 9-18. 62. ‚Altfrid oder Gerswid? Zur Gründung und den Anfängen des Frauenstifts Essen‘, in: Nr. 60, S. 29-43. 63. ‚Zunft und Memoria. Überlegungen zur Selbstdeutung von Zünften im mittelalterlichen Westfalen‘, in: Zunftlandschaften in Deutschland und den Niederlanden im Vergleich, Kolloquium der Historischen Kommission für Westfalen am 6. und 7. November 1997 auf Haus Welbergen. Schriften der Historischen Kommission für Westfalen 17, hrsg. von Wilfried Reininghaus (Münster: Aschendorff, 2000), S. 107-120 [hier Aufsatz 9]. 64. Religiöse Frauengemeinschaften des Mittelalters am Niederrhein. Xantener Vorträge zur Geschichte des Niederrheins 20 (Duisburg: Universität Duisburg-Essen, 2000). Wiederabdruck in: Xantener Vorträge zur Geschichte des Niederrheins 1999-2001, hrsg. von Julia Weibel und Dieter Geuenich (2002), S. 9-26. 65. ‚Gründung und Anfänge der Frauengemeinschaft Essen‘, Essener Beiträge. Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 112 (2000), S. 30-63. 66. ‚Kirche und Stadtrat - Überlegungen zum Ratsgestühl im Chorbau der Reinoldikirche des 15. Jahrhunderts‘, Heimat Dortmund Nr. 3 (2000), S. 3-6 Rezension: Das Neusser Totenbuch. Liber animarum capituli monasterii sancti Quirini Nussiensis (London. British Library, Ms. Add. 15456), bearb. von Rolf Nagel, Joachim Oepen und Raymund Kottje (Neuss: Stadtarchiv, 2000), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 91 (2000).
2001 67. Westfälischer Städteatlas. Lieferung VII. Nr. 3. Hörde (Altenbeken: GSV-Städteatlas-Verlag, 2001). 68. ‚Pest und Judenpogrome. Gesellschaftliche „Krisen“ in der Mitte des 14. Jahrhunderts‘, in: Wegmarken europäischer Zivilisation, hrsg. von Dirk Ansorge, Dieter Geuenich und Wilfried Loth (Göttingen, Wallstein Verlag, 2001), S. 148-161. 69. ‚Die Gründungsurkunde der Frauenkommunität Essen – eine Fälschung aus der Zeit um 1090‘, in: Studien zum Kanonissenstift. Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 167. Studien zur Germania Sacra 24, hrsg. von Irene Crusius (Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2001), S. 149- 183.
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70. ‚Der Rat der mittelalterlichen Reichsstadt Dortmund‘, Heimat Dortmund Nr. 1 (2001), S. 3-7. 71. ‚Vom reichsstädtischen Rat zur napoleonischen Munizipalverwaltung – Kommunale Selbstverwaltung in einer Zeitenwende‘, Heimat Dortmund Nr. 1 (2001), S. 13-16. 71a. Altarbilder im mittelalterlichen Dortmund = Heimat Dortmund Nr. 2 (2001), hrsg. von Thomas Schilp und Andrea Zupancic. 71b. ‚Altarstiftung und Altarbild – Überlegungen zur Bedeutung und Funktion in den Dortmunder Kirchen des Mittelalters‘, in: Nr. 71a, S. 3-9. 71c. ‚Fragment des Altarretabels der Rosenkranz-Bruderschaft in der Propsteikirche St. Johann‘, in: Nr. 71a, S. 46-48.
2002 72. Der Berswordt-Meister und die Dortmunder Malerei um 1400. Stadtkultur im Spätmittelalter. Veröffentlichungen des Stadtarchivs Dortmund 18, hrsg. von Andrea Zupancic und Thomas Schilp (Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 2002). 73. ‚Stadtkultur im spätmittelalterlichen Dortmund. Der Berswordt-Altar im Kontext spätmittelalterlicher Denk- und Handlungsformen‘, in: Nr. 72, S. 13-68 [hier Aufsatz 5]. 74. ‚Berswordt – eine Familie der Dortmunder Führungselite des Mittelalters‘, in: Nr. 72, S. 139-144. 75. ‚Anhang 1: Urkunden zum Kreuzaltar in der Dortmunder Marienkirche‘, in: Nr. 72, S. 297-311. 76. ‚Anhang 2: Ehevertrag zwischen Conrad von Soest und Gertrud von Münster‘, in: Nr. 68, S. 312-314. 77. Herrschaft, Liturgie und Raum. Studien zur mittelalterlichen Geschichte des Frauenstifts Essen. Essener Forschungen zum Frauenstift 1, hrsg. von Katrinette Bodarwé und Thomas Schilp (Essen: Klartext Verlag, 2002). 78. ‚De stat Essende sal gevestent werden… Die Entwicklung zur Stadt unter der Herrschaft von Äbtissin und Stift‘, in: Nr. 77, S. 146-159. 79. ‚Die Stadt des europäischen Mittelalters. Beginn der Moderne oder „dunkle Zeiten“? (Essay)’, Quadratur. Kulturbuch 4 (2002), S. 11-17. 80. ‚1802/1803 – auch für Dortmund eine Zeitenwende‘, Heimat Dortmund Nr. 2 (2002). 81. ‚Die Reichsstadt Dortmund im 18. Jahrhundert – eine Ackerbürgerstadt in feindlicher Umgebung‘, Heimat Dortmund Nr. 2 (2002). 82. ‚Die Besitzergreifung durch Erbprinz Wilhelm Friedrich von Oranien-Nassau – das Ende der Reichsstadt‘, Heimat Dortmund Nr. 2 (2002). 83. ‚Mit aller nach den Umständen nur möglichen Gerechtigkeit, Billigkeit und Mäßigung – Handlungen der oranien-nassauischen Regierung‘, Heimat Dortmund Nr. 2 (2002). 84. ‚Rezeption der Dortmunder Reichsfreiheit um 1900 – die Stadt verschafft sich durch Erinnerung eine Identität‘, Heimat Dortmund Nr. 2 (2002).
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Rezension: Der Bielefelder Marienaltar. Das Retabel in der Neustädter Marienkirche. Religion in der Geschichte. Kirche, Kultur und Gesellschaft 8, hrsg. von Alfred Menzel (Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 2001), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 92/93 (2002). Rezension: Quellen zur Geschichte der Kölner Laienbruderschaften vom 12. Jahrhundert bis 1562/1563. Band 1-4. Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 71, bearb. von Klaus Militzer (Düsseldorf: Droste, 1997-2000), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 92/93 (2002).
2003 85. Essen und die sächsischen Frauenstifte im Frühmittelalter. Essener Forschungen zum Frauenstift 2, hrsg. von Jan Gerchow und Thomas Schilp (Essen: Klartext Verlag, 2003). 86. ‚Gebetsgedenken in der Krise? – Zu den Namenlisten der Essener Frauengemeinschaft in einer Sakramentarhandschrift des 9. Jahrhunderts‘, in: Ein Eifler für Rheinland-Pfalz. Festschrift für Franz-Josef Heyen zum 75. Geburtstag am 2. Mai 2003. Quellen und Abhandlungen zur Mittelrheinischen Kirchengeschichte 105, hrsg. von Johannes Mötsch (2 Bde.; Mainz: Selbstverlag der Gesellschaft für Mittelrheinische Kirchengeschichte, 2003) Bd. 1, S. 157-163. 87. ‚Die Reichsstadt Dortmund im 18. Jahrhundert‘, in: Klostersturm und Fürstenrevolution. Staat und Kirche zwischen Rhein und Weser 1794/1803. Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung im Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund. Veröffentlichungen der Staatlichen Archive des Landes Nordrhein-Westfalen. Reihe D. Ausstellungskataloge staatlicher Archive 31, hrsg. von Ulrike Gärtner und Judith Koppetsch (Dortmund und Bönen: Kettler, 2003), S. 28-37. 88. ‚Vom Bürger der Reichsstadt zum Untertanen des Fürsten. Dortmund unter oraniennassauischer Herrschaft 1802-1806‘, in: Klostersturm und Fürstenrevolution. Staat und Kirche zwischen Rhein und Weser 1794/1803. Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung im Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund. Veröffentlichungen der Staatlichen Archive des Landes Nordrhein-Westfalen. Reihe D. Ausstellungskataloge staatlicher Archive 31, hrsg. von Ulrike Gärtner und Judith Koppetsch (Dortmund und Bönen: Kettler, 2003), S. 154-163. 89. ‚Sakrale Topographie im mittelalterlichen Dortmund‘, in: Das „Goldene Wunder“ in der Dortmunder Petrikirche. Bildgebrauch und Bildproduktion im Mittelalter. Dortmunder Mittelalter-Forschungen 2, hrsg. von Barbara Welzel, Thomas Lentes und Heike Schlie (Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 2003; 2. Auflage Bielefeld 2004), S. 37-56 [hier Aufsatz 6]. 90. ‚Die Institutio sanctimonialium Aquisgranensis des Jahres 816 und die Problematik der Verfassung religiöser Frauengemeinschaften‘, in: 1000 Jahre Stift St. Georgen am Längsee, Festschrift. Frauen zwischen benediktinischem Ideal und monastischer Wirklichkeit, hrsg. von Johannes Sacherer (St. Georgen am Längsee: Bildungshaus Stift St. Georgen, 2003), S. 58-73.
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91. ‚18. Januar 1292: Die Essener canonice et canonici wählen Beatrix von Holte zur Äbtissin. Eine Annäherung an die erste überlieferte Wahlurkunde einer Äbtissin in Essen‘, Das Münster am Hellweg 56 (2003), S. 143-148. 92. ‚Der Ausbau der Wetterau zur „terra imperii“ unter den Staufern – Nidda und die staufische Wetterau‘, in: Nidda. Die Geschichte einer Stadt und ihres Umlandes, hrsg. von Ottfried Dascher (Nidda: Niddaer Heimatmuseum, 2003; 2. Auflage von Nidda 1992), S. 23-36. 93. Das Restitutionsedikt 1628. Lieferung des Archivs: Deutsche Geschichte (Braunschweig 2003). 94. ‚Mittelalterlicher Steinkohlenbergbau im Dortmunder Raum‘, Heimat Dortmund Nr. 1 (2003) 15. 95. Zusammen mit Günther Högl, Stadthistorie. Dortmund und seine Vergangenheit (Dortmund, Dortmund-Agentur, 2003). 96. ‚Der Werner Städtebund von 1253 im Kontext der westfälischen Stadtentwicklung des 13. Jahrhunderts‘, in: 750 Jahre Werner Bund 1253 – 2003, hrsg. vom Karl-PollenderStadtmuseum Werne (Werne 2003), S. 11-15. Rezension: Aus Überrest und Tradition. Festschrift für Anna Dorothee von den Brincken, hrsg. von Peter Engels (Lauf: Europaforum-Verlag, 1999), in: Rheinische Vierteljahrsblätter 67 (2003). Rezension: Rosemarie Kosche, Studien zur Geschichte der Juden zwischen Rhein und Weser im Mittelalter. Forschungen zur Geschichte der Juden. Abteilung A. Abhandlungen 15 (Hannover: Hahn, 2002), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 94 (2003). Rezension: Eberhard Fricke, Die westfälische Veme im Bild. Geschichte, Verbreitung und Einfluss der westfälischen Vemegerichtsbarkeit (Münster: Aschendorff, 2002), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 94 (2003). Rezension: Klosterkultur und Säkularisation im Rheinland, hrsg. von Georg Mölich, Joachim Oepen und Wolfgang Rosen (Essen: Klartext Verlag, 2002), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 94 (2003). Rezension: Elisabeth Tillmann, Von der „freien Liebestätigkeit“ zum sozial-karitativen Fachdienst, 100 Jahre SKM – Katholischer Verein für soziale Dienste in Dortmund e.V. 1902-2002 (Dortmund: Katholisches Bildungswerk der Dortmunder Dekanate, 2002), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 94 (2003).
2004 97. Mittelalter an Rhein und Maas. Beiträge zur Geschichte des Niederrheins. Dieter Geuenich zum 60. Geburtstag. Studien zur Geschichte und Kultur Nordwesteuropas 8, hrsg. von Uwe Ludwig und Thomas Schilp (Münster, New York, München und Berlin: Waxmann, 2004). 98. ‚Liturgisches Gedenken zur Bewältigung einer Krisensituation: Überlegungen zu den Namenlisten in einer Essener Sakramentarhandschrift des 9. Jahrhunderts‘, in: Nr. 97, S. 57-68. 99. Reform – Reformation – Säkularisation. Frauenstifte in Krisenzeiten. Essener Forschungen zum Frauenstift 3, hrsg. von Thomas Schilp (Essen: Klartext Verlag, 2004). 100., Zur Einführung‘, in: Nr. 99, S. 31-36.
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101. ‚Reform und Neuorientierung: Essen im 13. Jahrhundert. Zur Einführung‘, in: Nr. 99, S. 31-36. 102. ‘… sorores et fratres capituli ecclesie Assindensis … Binnenstrukturen des Frauenstifts Essen im 13. Jahrhundert‘, in: Nr. 99, S. 37-66. 103. Dortmund und Conrad von Soest im spätmittelalterlichen Europa. Dortmunder MittelalterForschungen 3, hrsg. von Thomas Schilp und Barbara Welzel (Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 2004). 104. ‚mit groter broderlicher und truwelicher eindracht – Überlegungen zur politischen Stadtkultur des Dortmunder Mittelalters‘, in: Nr. 103, S. 275-308 [hier Aufsatz 2]. 105. ‘Pro salute anime. Bedeutungsebenen der Jenseitsvorsorge in der spätmittelalterlichen Stadt. Überlegungen zur Funktion von Altarbildern‘, in: Conrad von Soest. Neue Forschungen über den Maler und die Kulturgeschichte der Zeit um 1400. Dortmunder MittelalterForschungen 1, hrsg. von Brigitte Buberl (Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 2004), S. 14-27. 106. ‚Ein Museum zur Geschichte der Industrialisierung des Raums und die Geschichte davor‘, in: Großer Ratschlag. Stellungnahmen aus der Wissenschaft zu einem Ruhrmuseum auf Zollverein. Dokumentation der Tagung am 17./18. Oktober 2003 (Essen 2004), S. 81-83.
2005 107. ‚Die Wirkung der Aachener ‚Institutio sanctimonialium’ des Jahres 816‘, in: Frühformen von Stiftskirchen in Europa. Funktion und Wandel religiöser Gemeinschaften vom 6. bis zum Ende des 11. Jahrhunderts. Festgabe für Dieter Mertens zum 65. Geburtstag. Vorträge der Wissenschaftlichen Tagung des Südtiroler Kulturinstituts in Zusammenarbeit mit dem Institut für geschichtliche Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften der Universität Tübingen und der Abteilung Landesgeschichte des Historischen Seminars der Universität Freiburg im Breisgau im Bildungshaus Schloß Goldrain/Südtirol, 13. – 16. Juni 2002. Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 54, hrsg. von Sönke Lorenz und Thomas Zotz (Leinfelden-Echterdingen: DRW-Verlag, 2005), S. 163-184. 108. ‚852 – Gründung des Stifts Essen?‘, in: Gründerjahre. 1150 Jahre Stift und Stadt Essen, hrsg. von Ulrich Borsdorf, Heinrich Theodor Grütter und Oliver Scheytt (Essen: Klartext Verlag, 2005), S. 25-42. 109. Städtische Repräsentation. St. Reinoldi und das Rathaus als Schauplätze des Dortmunder Mittelalters. Dortmunder Mittelalter-Forschungen 5, hrsg. von Nils Büttner, Thomas Schilp und Barbara Welzel (Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 2005). 110. ‚Spielleute, Orgel, Scholarenchöre: Dortmunder Musikleben im Mittelalter – Zugleich ein Beitrag zur Bedeutung der Musik für die Memoria in der mittelalterlichen Stadt‘, in: Nr. 109, S. 79-104 [hier Aufsatz 10].
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111. ‚Zwei Schreiben zur Herstellung des Chorgestühls in St. Reinoldi, 1462 (Edition und Übersetzung)‘, in: Nr. 109, S. 152-154. 112. Exponatbeschreibungen, in: Krone und Schleier. Kunst aus mittelalterlichen Frauenklöstern. Ruhrlandmuseum: die frühen Klöster und Stifte 500-1200. Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland: Die Zeit der Orden 1200-1500, hrsg. von Jutta Frings und Jan Gerchow (München: Hirmer Verlag, 2005).
2006 113. ‚Die Vita Hathumodae, der ersten Äbtissin der Frauenkommunität Gandersheim (852-874): Lebensform im Spannungsfeld von Norm und Wirklichkeit‘, in: Fromme Frauen – unbequeme Frauen? Weibliches Religiosentum im Mittelalter. Hildesheimer Forschungen 3, hrsg. von Edeltraud Klueting (Hildesheim, Zürich und New York: G. Olms, 2006), S. 1-25. 114. Stadtführer Dortmund im Mittelalter. Dortmunder Mittelalter-Forschungen 6, hrsg. von Thomas Schilp und Barbara Welzel (Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 2006; 2. Auflage 2006). 115. ‚Dortmund im Mittelalter – aus der Geschichte der Reichs- und Hansestadt‘, in: Nr. 114, S. 13-30. 116. Ferne Welten – Freie Stadt. Dortmund im Mittelalter. Katalog zur Ausstellung Dortmund 2. April – 16. Juli 2006. Dortmunder Mittelalter-Forschungen 7, hrsg. von Matthias Ohm, Thomas Schilp und Barbara Welzel (Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 2006). 117. ‚Vom „guten Regiment“ über die Stadt. Wie men wol eyn stat regyrn sol‘, in: Nr. 116, S. 21-30. 118. ‚Reinoldus. Die mittelalterliche Stadt Dortmund und ihr heiliger Patron‘, in: Nr. 116, S. 49-53. 118a. ‚Novgorod‘, in: Nr. 116, S. 343-347. 119. Zusammen mit Günther Högl, ‚Dortmund‘, in: Handbuch Historischen Stätten NordrheinWestfalen, hrsg. von Manfred Groten, Peter Johanek, Wilfried Reininghaus und Margret Wensky (Stuttgart: Kröner, 2006), S. 230-242. 120. ‚Dortmund-Brünninghausen‘, in: Handbuch der Historischen Stätten Nordrhein-Westfalen, hrsg. von Manfred Groten, Peter Johanek, Wilfried Reininghaus und Margret Wensky (Stuttgart: Kröner, 2006), S. 243-244. 121. ‚Dortmund-Hörde‘, in: Handbuch der Historischen Stätten Nordrhein-Westfalen, hrsg. von Manfred Groten, Peter Johanek, Wilfried Reininghaus und Margret Wensky (Stuttgart: Kröner, 2006), S. 244-245. 122. ‚Dortmund-Hohensyburg‘, in: Handbuch der Historischen Stätten Nordrhein-Westfalen, hrsg. von Manfred Groten, Peter Johanek, Wilfried Reininghaus und Margret Wensky (Stuttgart: Kröner, 2006), S. 245-246. 123. ‚Dortmund-Huckarde‘, in: Handbuch der Historischen Stätten Nordrhein-Westfalen, hrsg. von Manfred Groten, Peter Johanek, Wilfried Reininghaus und Margret Wensky (Stuttgart: Kröner, 2006), S. 246. 124. Die Dortmunder Dominikaner und die Propsteikirche als Erinnerungsort. Dortmunder Mittelalter-Forschungen 8, hrsg. von Thomas Schilp und Barbara Welzel (Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 2006).
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125. ‚Seelenheil und Stadtkultur. Das Dortmunder Predigerkloster in der spätmittelalterlichen Stadt‘, in: Nr. 124, S. 57-69 [hier Aufsatz 8]. 126. ‚Die katholische Kirche in Dortmund im Mittelalter und in der frühen Neuzeit‘, in: Die katholische Kirche in Dortmund. Ihre Geschichte und ihre Pfarrgemeinden, hrsg. von Paul Montag, Elisabeth Tillmann, Brigitte Spieker und Dieter Höltershinken (Paderborn: Bonifatius, 2006), S. 14-55. Rezension: Die Statuten der Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen, hrsg. von Wolfgang Weber und Gerhard Lingelbach (Köln, Weimar und Wien: Böhlau Verlag, 2005), in: Mühlhäuser Beiträge 29 (2006), S. 144-146, und, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 96/97 (2005/2006), S. 362f. Rezension: Weseler Edikte 1324-1600. Band 1. 1324-1558; Band 2. 1558-1600, bearb. von Martin Wilhelm Roelen und Erich Wolsing (Wesel: Historische Vereinigung Wesel e.V., 2005), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 96/97 (2005/2006), S. 364f. Rezension: Westfälisches Klosterbuch. Lexikon der vor 1815 errichteten Stifte und Klöster von ihrer Gründung bis zur Aufhebung. Teil 3. Institutionen und Spiritualität. Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen 44. Quellen und Forschungen zur kirchen- und Religionsgeschichte 2, hrsg. von Karl Hengst (Münster: Aschendorff, 2003), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 96/97 (2005/2006), S. 365-367. Rezension: Karl-Peter Ellerbrock, Die Geschichte des „Phoenix“ in Hörde (Münster 2006), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 96/97 (2005/2006), S. 383.
2007 127. … wie das Gold den Augen leuchtet. Schätze aus dem Frauenstift Essen. Essener Forschungen zum Frauenstift 5, hrsg. von Birgitta Falk, Thomas Schilp und Michael Schlagheck, (Essen: Klartext Verlag, 2007). 128. ‚Stiftungen zum Totengedenken – Schenkungen für den Schatz. Überlegungen zur urkundlichen Überlieferung des Stifts Essen im Mittelalter‘, in: Nr. 127, S. 39-52. 129. ‚Vernetzungen der Region des Ruhrgebiets im Mittelalter. Eine Region vor der Industrie? – Schlaglichter‘, Forum Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur Nr. 1 (2007), S. 35-39. 130. ‚Lesen und Schreiben in der mittelalterlichen Stadt Dortmund‘, Heimat Dortmund Nr. 1 (2007), S. 5-8. 131. ‚Dortmund‘, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. Band 2 (2. Auflage Berlin: E. Schmidt, 2007), Spalte 1136f. 132. ‚St. Reinoldi – Funktionen einer Stadtkirche im Wandel‘, in: Tag des offenen Denkmals. Orte der Einkehr und des Gebets (Dortmund 2007), S. 36-41. 133. Hörde. Aus Geschichte und Gegenwart = Heimat Dortmund Nr. 3 (2007) [inhaltliche Gesamtkonzeption und Redaktion]. 134. ‚Vom Clarissenkloster zum dreikonfessionellen Stift. Überlegungen zur Frauengemeinschaft St. Clara in nachreformatorischer Zeit‘, in: Nr. 133, S. 13-15.
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2008 135. Nomen et Fraternitas. Festschrift für Dieter Geuenich zum 65. Geburtstag. Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 62, hrsg. von Uwe Ludwig und Thomas Schilp (Berlin und New York: De Gruyter, 2008). 136. Pro remedio et salute anime peragemus. Totengedenken am Frauenstift Essen im Mittelalter. Essener Forschungen zum Frauenstift 6, hrsg. von Thomas Schilp (Essen: Klartext Verlag, 2008). 137. ‚Totengedenken des Mittelalters und kulturelles Gedächtnis. Überlegungen zur Perspektive der Memorialforschung für das Frauenstift Essen‘, in: Nr. 136, S. 19-36. 138. ‚… ein edles und ausgezeichnetes Stift, in dem sehr edle Kanonikerinnen leben … Zur Geschichte des Stifts Essen‘, in: Gold vor Schwarz. Der Essener Domschatz auf Zollverein. Katalog zur Ausstellung im Ruhr Museum 2008, hrsg. von Birgitta Falk (Essen: Klartext Verlag, 2008), S. 23-37. 139. Thementext: Das Archiv, und Exponatbeschreibungen, in: Gold vor Schwarz. Der Essener Domschatz auf Zollverein. Katalog zur Ausstellung im Ruhr Museum 2008, hrsg. von Birgitta Falk (Essen: Klartext Verlag, 2008), S. 199f. 140. ‚Nur Spuren bleiben, Spuren werden entdeckt. Im Mittelpunkt: Hörde‘, in: Tag des offenen Denkmals. Archäologie und Bauforschung (Dortmund 2008), S. 28-30. Rezension: Wilhelm Damberg und Johannes Meier mit Verena Schmidt, Das Bistum Essen 1958-2008. Eine illustrierte Kirchengeschichte der Region von den Anfängen des Christentums bis zur Gegenwart (Münster: Aschendorff Verlag, 2008), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 98/99 (2007/2008), S. 221f.
2009 141. … mit Gold und Seide reich verziert. Ein mittelalterliches Reliquiar aus Dortmund-Barop. Dortmunder Exkursionen zur Geschichte und Kultur 1, hrsg. von Thomas Schilp und Annemarie Stauffer (Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 2009). 142. ‚Historische Kontexte des Kapellenbaus und des Reliquiars‘, in: Nr. 141, S. 61-74. 143. Mittelalter und Industrialisierung. St. Urbanus in Huckarde. Dortmunder MittelalterForschungen 12, hrsg. von Thomas Schilp und Barbara Welzel (Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 2009). 144. ‚St. Urbanus in Huckarde als Erinnerungsort: Annäherung 2‘, in: Nr. 143, S. 51-56. 145. ‚Huckarde – eine dörfliche Siedlung unter der Herrschaft des Frauenstifts Essen im Mittelalter‘, in: Nr. 143, S. 77-90. 146. ‚Essen – Bochum – Dortmund. Mittelalterliche Städte am Hellweg im Vergleich‘, in: Bochum, der Hellwegraum und die Grafschaft Mark im Mittelalter. Ein Sammelband. Schriften des Bochumer Zentrums für Stadtgeschichte 2, hrsg. von Stefan Pätzold (Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 2009), S. 73-96. 147. ‚Pfarreien des Frauenstifts Essen im Mittelalter‘, in: Frauenstifte, Frauenklöster und ihre Pfarreien. Essener Forschungen zum Frauenstift 7, hrsg. von Hedwig Röckelein (Essen: Klartext Verlag, 2009), S. 55-75.
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148. ‚Die Hanse‘, in: Weltwissen Kunstgeschichte. Kinder entdecken das Mittelalter in Dortmund. Dortmunder Schriften zur Kunst. Studien zur Kunstdidaktik 10, hrsg. von Barbara Welzel (Norderstedt: Books on Demand, 2009), S. 15-17. 149. ‚Stadtgeschichte – in Dortmund das Mittelalter entdecken‘, in: Weltwissen Kunstgeschichte. Kinder entdecken das Mittelalter in Dortmund. Dortmunder Schriften zur Kunst. Studien zur Kunstdidaktik 10, hrsg. von Barbara Welzel (Norderstedt: Books on Demand, 2009), S. 25-29. 150. ‚Jakobusverehrung im mittelalterlichen Dortmund‘, Die Kalebasse 45 (2009), S. 23-25. 151. ‚… ein edles und ausgezeichnetes Stift, in dem sehr edle Kanonikerinnen leben … Zur Geschichte des Stifts Essen‘, in: Der Essener Domschatz, hrsg. von Birgitta Falk (Essen: Klartext Verlag, 2009), S. 23-37. 152. Thementext: Das Archiv, und Exponatbeschreibungen, in: Der Essener Domschatz, hrsg. von Birgitta Falk (Essen: Klartext Verlag, 2009), S. 199f. 153. ‚Das Frauenstift Essen an der Ruhr und Fronhausen an der Lahn im Mittelalter‘, in: Von Essen nach Hessen. 850 Jahre Fronhausen 1159-2209, hrsg. von Renate Hildebrand, Friedrich von Petersdorff und Siegfried Becker (Fronhausen: Gemeinde Fronhausen, 2009), S. 489-496. 154. ‚Zur mittelalterlichen Geschichte des Dorfes Brechten‘, in: Die St. Johann-Baptist-Kirche in Dortmund Brechten. Dortmunder Exkursionen zur Geschichte und Kultur 2, hrsg. von Silke Rüsche und Barbara Welzel (Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 2009), S. 12-14. 155. ‚Stichwort: Patronatsrecht‘;, Die Inschriften – Steinerne Zeugen der Vergangenheit‘;, Stichwort: Memoria‘, in: Nr. 149, S. 15, 43-48, 49. 156. ‚Westfälische Städte und Rheinischer Bund. Überlegungen zur städtischen Autonomie in der Mitte des 13. Jahrhunderts‘, in: Bünde – Städte – Gemeinden. Bilanz und Perspektiven der vergleichenden Landes- und Stadtgeschichte. Städteforschung Reihe A. Darstellungen 77, hrsg. von Werner Freitag und Peter Johanek (Köln, Weimar und Wien: Böhlau Verlag, 2009), S. 41-61.
2010 157. Essener Urkundenbuch. Regesten der Urkunden des Frauenstifts Essen im Mittelalter, Band 1: Von der Gründung um 850 bis 1350. Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 80, bearb. von Thomas Schilp (Düsseldorf: Droste, 2010). 158. Katholisch – lutherisch – calvinistisch. Frauenkonvente im Zeitalter der Konfessionalisierung. Essener Forschungen zum Frauenstift 8, hrsg. von Ute Küppers-Braun und Thomas Schilp (Essen: Klartext Verlag, 2010). 159. ‚Vom Klarissenkloster zum dreikonfessionellen Stift. Die Frauengemeinschaft Clarenberg bei Dortmund-Hörde im 16. und 17. Jahrhundert‘, in: Nr. 158, S. 111-131. 160. ‚Städte zwischen Ruhr und Lippe im Kontext der Territorialisierung des 13. Jahrhunderts‘, in: AufRuhr 1225! Ritter, Burgen und Intrigen. Das Mittelalter an Rhein und Ruhr. Ausstellung im Westfälischen Landesmuseum für Archäologie in Herne (Mainz: P. von Zabern, 2010), S. 147-158.
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161. Acht Exponatbeschreibungen, in: AufRuhr 1225! Ritter, Burgen und Intrigen. Das Mittelalter an Rhein und Ruhr. Ausstellung im Westfälischen Landesmuseum für Archäologie in Herne (Mainz: P. von Zabern, 2010). 162. „Allen, die diese Urkunde sehen oder hören werden, sei bekundet…“. Urkunden des Frauenstifts Essen bis zum Jahre 1350. Ausstellungskatalog der Domschatzkammer Essen 22. September – 1. November 2010 (Essen 2010). 163. ‚Der Hellweg – Reisen im Mittelalter‘, in: Tag des offenen Denkmals. Kultur in Bewegung – Reisen, Handel und Verkehr (Dortmund 2010), S. 36-41. 164. Evangelische Stadtkirche St. Reinoldi in Dortmund. DKV-Kunstführer Nr. 272 (Berlin und München: De Gruyter, 2010) und englische Übersetzung: City Protestant Church of St. Reinoldi in Dortmund (Berlin und München: De Gruyter, 2010). Rezension: Fremde Impulse. Baudenkmale im Ruhrgebiet. 80 Denkmalporträts für historische Streifzüge durch die Kulturhauptstadt Europas Ruhr 2010, hrsg. von Stefan Nies und Barbara Seifen (Münster: Coppenrath, 2010), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 100/101 (2009/2010), S. 382-384.
2011 165. Frauen bauen Europa. Internationale Verflechtungen des Frauenstifts Essen. Essener Forschungen zum Frauenstift 9, hrsg. von Thomas Schilp (Essen: Klartext Verlag, 2011). 166. ‘“Ecclesia, in qua nobilissime domicelle existunt”. Soziale Differenzierung des Essener Frauenkonvents im Spätmittelalter‘, in: Nr. 165, S. 341-368. 167. ‚Äbtissin Maria Kunigunde von Essen, eine Opernsängerin? Zur Uraufführung der Aper „Talestri, regina delle amazzoni“ am Hof des Kurfürsten von Sachsen‘, in: Nr. 165, S. 451-461. 168. St. Johannes in Brechten als Erinnerungsort des Ruhrgebiets. Dortmunder MittelalterForschungen 14, hrsg. von Thomas Schilp und Barbara Welzel (Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 2011). 169. ‚Im Blick der Lebenden. Brechten mit dem „Jüngsten Gericht“ als Erinnerungsort des Ruhrgebiets – und Europas‘, in: Nr. 163, S. 58-85. 170. ‚Nachtlichter‘, in: Warum ist hier kein Einkaufszentrum? Die Reinoldikirche in Dortmund. Dortmunder Schriften zur Kunst, Studien zur Kunstgeschichte, Band 3, hrsg. von Birgit Franke und Barbara Welzel (Norderstedt, Books on Demand, 2011), S. 48-49. 171. ‚Memoria in der Dunkelheit der Nacht. Lichtinszenierung mittelalterlicher Kirchen zum Totengedenken‘, in: Living Memoria. Studies in Medieval and Early Modern Memorial Culture in Honour of Truus van Bueren. Middeleeuwse Studies en Bronnen 137, ed. Rolf de Weijert, Kim Ragetli, Arnoud-Jan Bijsterveld and Jeanette van Arenthals (Hilversum: Verloren, 2011), S. 221-234 [hier Aufsatz 11].
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2012 172. Dortmund und die Hanse: Fernhandel und Kulturtransfer. Dortmunder MittelalterForschungen 15, hrsg. von Thomas Schilp und Barbara Welzel (Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 2012). 173. ‚Fremde Impulse – Baudenkmale als Zeugnis von Austausch, Handel, Migration‘, in: Nr. 172, S. 11-16 174. ‚Dortmund als Hansestadt‘, in: Nr. 172, S. 57-94. 175. Die Marienkirche in Dortmund. Dortmunder Exkursionen zur Geschichte und Kultur 3, hrsg. von Thomas Schilp und Barbara Welzel (Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 2012). 176. ‚Frauen und Männer. Kanoniker und Kanonikerkonvent am Frauenstift Essen‘, in: Liturgie in mittelalterlichen Frauenstiften. Forschungen zum Liber ordinarius. Essener Forschungen zum Frauenstift 10, hrsg. von Klaus Gereon Beuckers (Essen: Klartext Verlag, 2012), S. 91-112. 177. ‚Orgel, Scholarenchöre und Spielleute im reichsstädtischen Dortmund‘, in: Schwingungen. Dortmund – die Musikstadt, hrsg. von Stefan Keim und Didi Stahlschmidt (Essen: Klartext Verlag, 2012), S. 8-11. 178. ‚Musik in der Stadt. Überlegungen zur Musik vor dem Philharmonischen Orchester Dortmund‘, in: Heimat Dortmund Nr. 4 (2012), S. 8-12. 179. ‚Essen – Stift‘, in: Nordrheinisches Klosterbuch. Lexikon der Stifte und Klöster bis 1815. Teil 2. Düsseldorf bis Kleve. Studien zur Kölner Kirchengeschichte 37 Teil 2, hrsg. von Manfred Groten, Georg Mölich, Gisela Muschiol und Joachim Oepen (Siegburg: F. Schmitt, 2012) 296-319. Rezension: Die Inschriften der Stadt Essen. Die Deutschen Inschriften, Band 81. Düsseldorfer Reihe 7. Band, bearb. von Sonja Hermann (Wiesbaden: Reichert, 2011), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 102/103 (2011/2012), S. 305f. Rezension: Mathilde – Glanzzeit des Essener Frauenstifts, hrsg. von Birgitta Falk und Andrea von Hülsen-Esch (Essen: Klartext Verlag, 2011), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 102/103 (2011/2012), S. 306f. Rezension: Soest. Geschichte der Stadt. Band 1. Der Weg ins städtische Mittelalter. Soester Beiträge 52, hrsg. von Wilfried Ehbrecht mit Gerhard Köhn und Norbert Wex (Soest: Westfälische Verlagsbuchhandlung Mocker & Jahn, 2010), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 102/103 (2011/2012), S. 307f. Rezension: Das Herzogtum Westfalen, Band 1. Das kurkölnische Westfalen von den Anfängen der kölnischen Herrschaft im südlichen Westfalen bis zur Säkularisation 1803, hrsg. von Harm Klueting und Jens Foken (Münster: Aschendorff, 2009), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 102/103 (2011/2012), S. 309f.
2013 180. Seide im früh- und hochmittelalterlichen Frauenstift. Besitz – Bedeutung – Umnutzung. Essener Forschungen zum Frauenstift Band 11, hrsg. von Thomas Schilp und Annemarie Stauffer (Essen: Klartext Verlag, 2013).
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181. ‚Kleidung aus Seide in Frauengemeinschaften? Spannungsfelder von Norm und Wirklichkeit‘, in: Nr. 180, S. 49-100. 182. Albrecht von Graefe an Frans Cornelis Donders. Briefe 1852 bis 1870, hrsg. von Thomas Schilp und Jens Martin Rohrbach (Essen: Klartext Verlag, 2013). 183. Thomas Schilp und Andrea Zupancic, Dortmund so wie es war (Düsseldorf: Droste Verlag, 2013; 2. Auflage als Sonderausgabe und Paperback 2018). 184. ‚Sudermann, Patrizierfamilie in Dortmund, Soest und Köln‘, in: Neue Deutsche Biographie Band 25 (Berlin: Duncker & Humblot, 2013), S. 668-669. 185. ‚Vom Bürger der Reichsstadt zum oranien-nassauischen Untertanen: Dortmund 1802-1806‘, in: „Wachse hoch, Oranien“. Auf dem Weg zum ersten König der Niederlande: Wilhelm Friedrich Prinz von Oranien-Nassau als regierender deutscher Fürst 1802-1806: Fulda + Corvey + Dortmund + Weingarten. Studien zur Geschichte und Kultur Nordwesteuropas, Band 24 (Münster, New York, München und Berlin: Waxmann, 2013), S. 111-130. 186. ‚Die Anfänge des Dortmunder Handwerks – Spuren in der Stadtgeschichte des Mittelalters‘, in: Handwerk in Dortmund. Wirtschaft, Kultur, Gesellschaft = Heimat Dortmund Nr. 2/3 (Essen: Klartext Verlag Verlag, 2013), S. 12-20. 187. ‚Handel, Finanzwelt, Schuldenfalle: Ökonomie und Politik im mittelalterlichen Dortmund‘, in: Reden anlässlich des Reinoldimahls am 26. April 2013 im Dortmunder Rathaus (Dortmund 2013), S. 29-34. 188. Ulrich Reich und Thomas Schilp, ‚Johann Albert, Unterweisung in die Rechenkunst (um 1540). Eine Anweisung für Kaufleute und Handwerker im Rechnen mit der Feder. Kommentierte Edition der Handschrift Stadtarchiv Dortmund Bestand 203 Nr. 29. Teil 1. Edition, bearb. von Thomas Schilp‘, Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 104 (2013), S. 7-98. Rezension: Urkundenbuch des Klosters Lüne (Lüneburger Urkundenbuch, 6. Abteilung). Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen Band 263, bearb. von Dieter Brosius (Hannover: Hahn, 2011), in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 104 (2013), S. 168-169.
2014 189. ‚11. August 1899: Kaiser Wilhelm II. in Dortmund ‒ Reichsstädtische Vergangenheit in der Erinnerung der industriellen Großstadt‘, in: Tempi passati. Die Reichsstadt in der Erinnerung. Studien zur Reichsstadtgeschichte 1, hrsg. von Helge Wittmann (Petersberg: Michael Imhof Verlag, 2014), S. 149-174 [hier Aufsatz 13]. 190. Tore, Türme, Mauern. Stadtansichten erzählen Geschichte. Eine Ausstellung des Stadtarchivs Dortmund (Dortmund: Stadtarchiv Dortmund, 2014; 2. Auflage Dortmund 2014). 191. ‚Zur historischen Einordnung – Die Region zwischen Ruhr und Lippe in der Stauferzeit‘, in: Textile Kostbarkeiten staufischer Herrscher. Werkstätten ‒ Bilder ‒ Funktionen. Tagungsband zum internationalen Kolloquium im Rahmen der Ausstellung „Die Staufer und Italien“ am 20. und 21. Januar 2011 in den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim, hrsg. von Irmgard Siede und Annemarie Stauffer (Petersberg: Michael Imhof Verlag, 2014), S. 110-115.
VerZeIchnIs der VeröffentlIchungen Von thoMas schIlp
191a. „Das neue Dortmund“. Das Dortmunder Gesundheitshaus von Will Schwarz. Veröffentlichungen des Stadtarchivs Dortmund 20, fotografiert von Gerd Kittel, hrsg. von Thomas Schilp und Andrea Zupancic (Tübingen und Berlin: Ernst Wasmuth Verlag, 2014). 192. ‚Von der Zerstörung zur Neuordnung. Dortmund in den Jahren 1945 bis 1960‘, in: Nr. 191, S. 13-32. 193. ‚Leben – Bauen – Gestalten. Die Städte des Ruhrgebiets um 1900 und der „Hagener Impuls“‘, in: „Eines der wichtigsten Monumente unserer Zeit überhaupt“. Das Krematorium von Peter Behrens in Hagen, hrsg. von Birgitt Borkopp-Restle und Barbara Welzel (Essen: Klartext Verlag, 2014), S. 123-146. 194. ‚Reinoldus. Die mittelalterliche Stadt Dortmund und ihr heiliger Patron‘, in: Ein Heiliger unterwegs in Europa. Tausend Jahre Koloman-Verehrung in Melk (1014-2014), hrsg. von Meta Niederkorn-Bruck (Wien, Köln und Weimar: Böhlau Verlag, 2014), S. 279-300.
2015 195. ‚Kirchenbau und -ausstattung als politisches Programm: Zur Reichssymbolik im Hochchor der Dortmunder Reinoldikirche (um 1450)‘, in: Reichszeichen. Darstellungen und Symbole des Reichs in Reichsstädten. Studien zur Reichsstadtgeschichte 2, hrsg. von Helge Wittmann (Petersberg: Michael Imhof Verlag, 2015), S. 73-86 [hier Aufsatz 7]. 196. ‚Überlegungen zur Sakramentarhandschrift D 1 als Liber vitae der Essener Frauenkommunität‘, in: Libri vitae. Gebetsgedenken in der Gesellschaft des Frühen Mittelalters, hrsg. von Dieter Geuenich und Uwe Ludwig (Köln, Weimar und Wien: Böhlau Verlag, 2015), S. 203-222 und Farbtafeln 30-32. 197. ‚Kirche und Stadtöffentlichkeit. Aus der Geschichte von Stadt und St. Reinoldi‘, in: Evangelisch in Dortmund, Lünen und Selm. Kirche der Reformation 1517 bis 2017, hrsg. von Ulf Schlüter (Essen: Klartext Verlag, 2015), S. 42-55 und 335-337. 198. ‚Das Handwerk in der Dortmunder Stadtgeschichte des Mittelalters‘, in: Tag des Offenen Denkmals 2015: Handwerk, Technik, Industrie, hrsg. von der Denkmalbehörde der Stadt Dortmund (Dortmund 2015), S. 74-79.
2016 199. Reformations and their Impact on the Culture of Memoria. MEMO. Memoria and Remembrance Practices 1, hrsg. von Truus van Bueren, Paul Cockerham, Caroline Horch, Martine Meuwese und Thomas Schilp (Turnhout: Brepols, 2016). 200. ‚Memoria in einer Dorfkirche nach dem Vierten Laterankonzil (1215). Bau und Ausstattung von St. Johann Baptist in Dortmund-Brechten (um 1250)‘, in: Nr. 199, S. 25-66. 201. ‚Memoria: Kultur der Erinnerung und Vergessen. Überlegungen zur Frauengemeinschaft Clarenberg bei Dortmund-Hörde im 16. und 17. Jahrhundert‘, in: Nr. 199, S. 121-140. 202. ‚Königliches Privileg gegen reichsstädtische Autonomie? Überlegungen zu den Wirren um das Privileg Kaiser Ludwigs IV. für Dortmund 1332‘, in: Kaiser, Reich und Reichsstadt in der Interaktion. Studien zur Reichsstadtgeschichte 3, hrsg. von Thomas Lau und Helge Wittmann (Petersberg: Michael Imhof Verlag, 2016), S. 57-80.
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VerZeIchnIs der VeröffentlIchungen Von thoMas schIlp
203. ‚Zum Wiederaufbau in Dortmund‘, in: St. Reinoldi in Dortmund: Forschen – Lernen – Partizipieren. Mit einem Findbuch zu den Wiederaufbauplänen von Herwarth Schulte im Archiv für Architektur und Ingenieurbaukunst NRW (A:Al) der Technischen Universität Dortmund, hrsg. von Wolfgang Sonne und Barbara Welzel (Oberhausen: ATHENA, 2016), S. 37-39. 204. Zusammen mit Günther Högl, ‚Dortmund‘, in: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe: Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Arnsberg. Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen. Neue Folge Band 12, hrsg. von Frank Göttmann, Burkhard Beyer, Wilfried Reininghaus und Rita Schlautmann-Overmeyer (Münster: Ardey-Verlag, 2016), S. 260-287. 205. Zusammen mit Günther Högl, ‚Dortmund-Hörde‘, in: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe: Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Arnsberg. Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen. Neue Folge Band 12, hrsg. von Frank Göttmann, Burkhard Beyer, Wilfried Reininghaus und Rita Schlautmann-Overmeyer (Münster: Ardey-Verlag, 2016), S. 296-303. 206. ‚Theophanu, Äbtissin von Essen und Gerresheim‘, in: Neue Deutsche Biographie Band 26 (Berlin: Duncker & Humblot, 2016), S. 99f. Rezension: Rainer Hugener, Buchführung für die Ewigkeit. Totengedenken, Verschriftlichung und Traditionsbildung im Spätmittelalter (Zürich: Chronos Verlag, 2014), in: Zeitschrift für Historische Forschung 43 Nr. 1 (2016), S. 85-87.
2017 207. Stefan Mühlhofer, Thomas Schilp und Daniel Stracke, Deutscher Historischer Städteatlas. Nr. 5. Dortmund. Veröffentlichungen des Instituts für vergleichende Städtegeschichte Münster (Münster: Ardey-Verlag, 2017; 2. verbesserte Auflage 2018). 208. ‚Übersetzung der Urkunde zur Ersterwähnung Aplerbecks von 899‘, Geschichtsblätter des Aplerbecker Geschichtsvereins 23 (2017), S. 28-29.
2018 209. Beiträge zur Erforschung des Kulturraums an Rhein und Maas. Dieter Geuenich zum 75. Geburtstag. Rhein-Maas. Geschichte, Sprache und Kultur 8, hrsg. von Jens Lieven, Uwe Ludwig und Thomas Schilp (Hamburg: Verlag tredition, 2018). 210. ‚Überlegungen zur Memoria der Essener Äbtissin Beatrix von Holte (1292-1327)‘, in: Nr. 209, S. 199-206. 211. ‚Krieg, Verschuldung und Stadtpolitik: Die Reichsstadt Dortmund im Umfeld der „Großen Fehde“ (1388/1399)‘, in: Reichsstadt und Geld. Studien zur Reichsstadtgeschichte 5, hrsg. von Michael Rothmann und Helge Wittmann (Petersberg: Michael Imhof Verlag, 2018), S. 169-200.
VerZeIchnIs der VeröffentlIchungen Von thoMas schIlp
212. Fragen, Perspektiven und Aspekte der Erforschung mittelalterlicher Frauenstifte. Beiträge zur Abschlusstagung des Essener Arbeitskreises für die Erforschung des Frauenstifts. Essener Forschungen zum Frauenstift 15, hrsg. von Klaus Gereon Beuckers und Thomas Schilp (Essen: Klartext Verlag, 2018). 213. ‚Pfarrkirchen und Herrschaftsausbau. Zur Funktion von Pfarrkirchen des Frauenstifts Essen im 13. Jahrhundert‘, in: Nr. 212, S. 167-203 [hier Aufsatz 12].
2019 214. Memoria – Erinnerungskultur – Historismus. Zum Gedenken an Otto Gerhard Oexle (28. August 1939 – 16. Mai 2016). MEMO. Memoria and Remembrance Practices 2, hrsg. von Caroline Horch und Thomas Schilp (Turnhout: Brepols, 2019). 215. ‚Stadtbau und Memoria. Das memoriale Pienza (1459-64) und Sabbioneta (1554-91)‘, in: Nr. 214, S. 139-248.
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Quellenverzeichnis und Bibliographie
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QuellenVerZeIchnIs und bIblIographIe
———, Bestand 210 Hs. 1: Chronik des Dominikanerklosters zu Dortmund, von Constantin Schulz OP 1706 nach einer Vorlage von Johann Crawinckel OP (um 1490) zusammengestellt. ———, Bestand 218 Nr. 3: Liber memorabilium. ———, Bestand 311 Nr. 44. ———, Bestand 311, Findbuch. ———, Bestand 426 Nr. 1: Bau-Urkunde des Rathauses, 1898. ———, Bestand 426 Nr. 4. ———, Bestand 444 Nr. 2. ———, Bestand 448 Nr. 15: J.C. Beurhaus, Die Merkwürdigkeiten der Kayserl. und des Heiligen Röm. Reichs freier Stadt Dortmund, 18. Jahrhundert. ———, Bestand 449/01 Nr. 14: Transkription und Übersetzung von Heinrich Volbert Sauerland der Chronik des Dominikanerklosters zu Dortmund, von Constantin Schulz OP 1706 nach einer Vorlage von Johann Crawinckel OP (um 1490) zusammengestellt. ———, Bestand 451/02: Stadtansicht von Riefstahl aus der Zeit um 1862. Duisburg, Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland, Stift Essen Urkunden 875. Essen, Domschatz, Hs. 19, Liber ordinarius. Marburg, Hessisches Staatsarchiv, Kloster Naumburg, Kopialbuch. Mühlhausen, Stadtarchiv, Th. 60 / 20: Handschrift eines Katharinen-Spiels (erwähnt 1321) und eines Zehnjungfrauenspiels (zweite Hälfte 14. Jahrhundert). Münster, Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Kleve-Märkische Regierung Landessachen 128, Bl. 49-51. ———, Findbuch A 402: Dortmunder Minoriten. Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Orig. Perg. Urk. 1306-1525, dort Hs. 7090/16: Kopialbuch und Chronik der Burgkirche Friedberg (Fragment). [Kataloge des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. Die Handschriften des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. Zweiter Band. Die lateinischen mittelalterlichen Handschriften. Erster Teil, hrsg. von Hardo Hilg (Wiesbaden: Otto Harrassowitz 1983), S. 71]. Schazmann, F.R., Die gewesene Sankt Georgen-Kirche in der vormals Kaiserlichen und des Heiligen Reichs Burg Friedberg in der Wetterau (= Darmstadt, Universitäts- und Landesbibliothek, Historischer Verein für Hessen Handschrift 14 [um 1836]). Schwerte, Stadtarchiv, U20 (1506).
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Plan Jerusalems mit Darstellung der Anastasiskirche mit dem überkuppelten Grab Jesu, Collectar Cambrai, um 1140-1170, Bibliothèque municipale Cambrai, Ms. 437, fol. 1r (© Wikimedia Commons).
Ausschnitt aus Ansicht der Stadt Dortmund, gezeichnet von Detmar Mulher um 1610 (©Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund (© Foto: Madeleine-Annette Albrecht).
Das Himmlische Jerusalem, Ausschnitt aus der Darstellung des Jüngsten Gerichts am Chorgewölbe, Kirche St. Johann in Dortmund Brechten, kurz nach 1250 (© Foto: Rüdiger Glahs, Dortmund).