Die Annäherung Peking-Washington und ihre Wirkungen auf Osteuropa / Die Staaten der "Balkan-Achse" (Rwmänien„ Albanien, Jugoslawien) [3]


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German Pages 23 [22] Year 1971

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Table of contents :
1. Rumänien 1
2. Albanien 9
3. Jugoslawien 11
4- Anmerkungen 18
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Die Annäherung Peking-Washington und ihre Wirkungen auf Osteuropa / Die Staaten der "Balkan-Achse" (Rwmänien„ Albanien, Jugoslawien) [3]

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DES BUNDESINSTITUTS FÜR OSTWISSENSCHAFTLICHE UND INTERNATIONALE STUDIEN

DIE ANNÄHERUNG ZWISCHEN PEKING UND WASHINGTON UND IHRE AUSWIRKUNGEN AUF OSTEUROPA:

Teil 111g

Die Staaten der "Balkan-Achse" (Rwmänien„ Albanien^, Jugoslawien)

Erik von Groeling / Christian Meier

KÖLN LINDENBORNSTRASSE 22

/

*

INHALT Seite 1. Rumänien

1

2. Albanien

9

3. Jugoslawien

11

4- Anmerkungen

18

September 1971

Die Meinungen, die in den vom BUNDESINSTITUT F Ü R O S T WISSENSCHAFTLICHE U N D INTERNATIONALE STUDIEN herausgegebenen Berichten geäußert werden, geben ausschließlich die Auffassung des Autors wieder. Abdruck - auch auszugsweise - nur mit Quellenangabe und vorheriger Genehmigung des Bundesinstituts gestattet.

1. Rumänien Entscheidend für die Beurteilung der Reaktion Rumäniens auf die Einladung Präsident Nixons nach Peking ist die Tatsache, daß der rumänische Staats- und Parteichef Ceausescu Anfang Juni 1971 die VR China besucht hatte und bei diesem Anlaß mit der gesamten chinesischen Führungsgarnitur zu ausführlichen Gesprächen über die internationale Situation zusammengetroffen war. Dieser Umstand legt die Vermutung nahe, daß Ceausescu möglicherweise vorab über dieses Ereignis informiert worden sein könnte. Im Westen hat dies die Spekulation ausgelöst, ob der Generalsekretär der rumänischen KP nicht etwa eine Vermittlerrolle zwischen Peking und Washington gespielt hat, nachdem bekanntlich der amerikanische Präsident Anfang August 197o in Bukarest und Anfang Oktober in Washington mit Ceausescu konferiert hatte. Auf Anfrage der französischen Nachrichtenagentur AFP teilte die rumänische Botschaft in Paris am 16. Juli lediglich mit, daß Rumänien grundsätzlich jede Aktion begrüße, die zur Entspannung in der Welt führe. Das Gerücht über eine rumänische Vermittlerrolle hielt sich dennoch hartnäckig, weil das amerikanische State Department laut AFP angeblich zugegeben haben soll, daß "über andere Regierungen Kontakte zwischen den USA und der VR China aufgenommen" worden seien. Für die Übermittlung dieser "sensationellen" Nachricht sah sich die rumänische Führung denn auch nicht veranlaßt, sich besonderer Formen oder Methoden zu bedienen. Der Meldung von der Einladung der chinesischen Regierung an die USA-Regierung vom 16. Juli folgten Kommentare von Radio Bukarest, die mit Nachdruck unterstrichen, daß keines der großen internationalen Probleme ohne die Mitwirkung der VR China gelöst werden könne. Vermutlich, um allen weiteren Spekulationen im Westen wie im Osten den Boden zu entziehen, entschloß sich das rumänische Parteiorgan "Scinteia" am 21. Juli zu einer grundsätzlichen Stellungnahme. In dem von Romolo Caplescu und Ion Fintinaru verfaßten Artikel wurde die amerikanisch-chinesische Übereinkunft als ein wichtiges Ereignis

- 2 innerhalb eines positiven und höchst bedeutungsvollen Prozesses bezeichnet. Mit Nachdruck unterstrichen die Autoren die realistischen Tendenzen im internationalen Leben, die ihren überzeugenden Ausdruck in dem Bestreben vieler Länder fänden, die Beziehungen mit der VR China zu normalisieren. Insgesamt 5o Staaten hätten diesen Schritt gegenüber der VR China bereits getan. Diese Tatsachen seien ein unbestreitbarer Beweis dafür, daß eine brauchbare Regelung "irgendeines der großen Probleme" ohne Beteiligung der VR China nicht vorstellbar sei. Eine der "empörendsten Anomalien" sei, daß die VR China daran gehindert werde, den ihr rechtmäßig zustehenden Platz in der UNO einzunehmen. Unter Hinweis auf eine entsprechende Erklärung Ceausescus in Peking wurde die chinesisch-amerikanische Annäherung als Beitrag zur internationalen Sicherheit gewertet. Mit unmißverständlicher Deutlichkeit bekräftigten Caplescu und Fintinaru ein Grundaxiom rumänischer Außenpolitik: "Jede realistische, klare Analyse des internationalen Lebens wird zeigen, daß der einzige Weg zur Vermeidung eines atomaren Weltkriegs ... die Verwirklichung der friedlichen Koexistenz, die Entwicklung von Beziehungen zwischen Ländern mit unterschiedlicher Gesellschaftsordnung ist. Diese Prinzipien erfreuen sich heute einer praktisch: einhelligen Anerkennung, da es niemand mehr wagen kann, ihre Bedeutung in Frage zu stellen, ohne das Risiko einzugehen, in Verruf zu geraten," Die Spitze gegen die UdSSR war unüberhörbar. Abschließend bekundeten die beiden Verfasser die volle rumänische Unterstützung für die Forderungen der VR China: Abzug der USA aus Taiwan, Südkorea und Indochina, Wiederherstellung der legitimen Rechte der VR China in der UNO, Verwirklichung des Sieben-Punkte-Plans der Südvietnamesischen Befreiungsfront für die politische Lösung des Vietnamkonflikts. Ausgesprochen positiv kommentierte "Scinteia" am 22. Juli das Schreiben des sowjetischen Außenministers Gromyko an UNO-Generalsekretär

- 3U Thant, das die Forderung der UdSSR nach Aufnahme der VR China in die UNO enthielt. Besonders lobend wurde dabei ein weiterer Passus des Schreibens hervorgehoben, der die Drohung mit Gewalt in den zwischenstaatlichen Beziehungen als eine der hauptsächlichen internationalen Spannungsquellen bezeichnete. Die rumänische Parteiführung schien offenbar den Grundsatzartikel in "Scinteia" als nicht ausreichend zu beurteilen, denn am 24- Juli benutzte Nikolaes Ceausescu eine Rede in Konstanza, um mit institutioneller und personeller Autorität den rumänischen Standpunkt präzis zu formulieren. Als sozialistisches Land sei Rumänien beständig um die Entwicklung der Beziehungen mit allen sozialistischen Ländern bemüht. Bestehende Divergenzen im Verhältnis zwischen den sozialistischen Ländern in der einen oder anderen Frage sollten auf keinen Fall die Beziehungen zwischen den Staaten und Parteien beeinflussen. Wichtigste Kriterien sollten die enge Zusammenarbeit zwischen den sozialistischen Ländern und die gegenseitige Unterstützung im Kampf um den Aufbau des Sozialismus in jedem Land, im Kampf gegen den Imperialismus, im Kampf für sozialen Fortschritt und für den Frieden in der Welt sein. Das sozialistische Weltsystem bestehe gegenwärtig aus 14 sozialistischen Staaten, die unter den verschiedensten Bedingungen das "neue System" aufbauten. Die Besuche in den sozialistischen Ländern Asiens seien der präzise Ausdruck einer Politik der Stärkung der Einheit und Zusammenarbeit aller sozialistischen Länder. Damit habe Rumänien gleichzeitig einen außerordentlichen Beitrag für die Sache der Einheit aller kommunistischen und Arbeiterparteien sowie aller anti-imperialistischen Kräfte geleistet. Sich der VR China zuwendend erklärte Ceausescu:

... 4 "Es zeigt sich ganz deutlich, daß die Politik der Isolierung der VR China genauso wie die seinerzeitige Isolierung der anderen sozialistischen Länder vollkommen fehlschlug. Niemand in der Welt kann ein Volk, möge es groß oder klein sein, das den Weg des Sozialismus beschritten hat, am Aufbau des neuen Systems, am Beschreiten des von ihm gewünschten Weges hindern. Wir sind deshalb der Auffassung, daß die Anerkennung und Beteiligung der VR China am internationalen Geschehen, seine Aktivität in der UNO und in anderen internationalen Organisationen ein Faktor von großer Bedeutung für die Sache des Sozialismus, für den Kampf gegen den Imperialismus, für Frieden und Fortschritt in der Welt ist." Unsere Partei und unser Staat kämpfen dafür, daß neue Prinzipien in der heutigen Welt bei den zwischenstaatlichen Beziehungen geschaffen werden, daß man von vollkommen gleichen Rechten unter allen Ländern, von der Beachtung ihrer nationalen Unabhängigkeit und Souveränität, vom Verzicht auf Anwendung oder Androhung von Gewalt, von der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten, von der Notwendigkeit der Zusammenarbeit auf der Grundlage des gegenseitigen Vorteils ausgeht." "Nur im Geiste dieser Prinzipien können die neuen Beziehungen geschaffen werden, die Krieg ausschließen und jedem Volk die Möglichkeit einer unabhängigen Entwicklung zusichern. " (l) Von dieser Plattform aus konnten die Rumänen den zu erwartenden Reaktionen der anderen Ostblockstaaten mit Ruhe entgegensehen. Zu der am 3- August von der Sowjetunion einberufenen Konferenz kommunistischer Parteichefs verlautete tags darauf aus Bukarest, daß Ceausescu zwar von den sowjetischen Führern eine Einladung erhalten, diese jedoch wegen ihrer "unverbindlichen Form" abgelehnt habe.(2)

- 5Die in dem Kommunique über das Krim-Treffen enthaltene Aufforderung, gegen "linken und rechten Opportunismus", für Zusammenschluß und gegen Spaltung, griff "Scinteia" am 5. August auf. In einem Artikel befaßte sich das rumänische Parteiorgan mit der spanischen Splitter-KP, die sich angeblich in Prag befinde. Auf die Spaltungsursache, die CSSR-Intervention, Bezug nehmend meinte "Scinteia" nicht ohne Sarkasmus, daß die Stärkung einer jeden Abteilung der internationalen kommunistischen und Arbeiterbewegung (und demgemäß die Verhinderung ihrer Spaltung) eine der internationalistischen Hauptpflichten einer jeden kommunistischen Partei sei. Die Bekundung einer demonstrativen Freundschaft mit einer Delegation der kommunistischen Partei Spaniens unter der Leitung von Santiago Carillo durch Ceausescu löste offenbar eine entsprechende Demarche des sowjetischen Botschafters Drodzdenko aus.(3) Zu dieser Problematik traf Ceausescu in einer Rede vor Absolventen von Militärakademien in Bukarest eine grundlegende Feststellung: "Wir gehen von der Erkenntnis aus - die sich schon seit langem bestätigt hat - und gerade durch die 3. Internationale, durch ihre Selbstauflösung, daß die kommunistische Bewegung nicht länger mehr von einem Zentrum aus geführt werden kann, daß die kommunistische Bewegung nirgendwo in einem Teil der Welt eines Führungszentrums bedarf, daß es für jede Partei notwendig ist, selbständig zu handeln."(4) Gleichzeitig machte Ceausescu jedoch eine versöhnliche Geste gegenüber den sozialistischen Anrainerstaaten: "Wie auch jedes andere Land streben wir in erster Linie danach, gute Beziehungen mit unseren Nachbarn zu haben, der Sowjetunion, Bulgarien, Jugoslawien und Ungarn, mit denen wir nicht nur durch alte Traditionen der Zusammenarbeit und Freundschaft verbunden sind, sondern auch durch die Gleichheit des gesellschaftlichen Systems, durch die gemeinsamen Interessen im Kampf für den Sieg des Sozialismus, für die

^ 6Sache des Fortschritts und des Weltfriedens. Wir bedauern es, daß zwischen den sozialistischen Ländern Divergenzen bestehen, aber wir glauben., daß diese vorübergehender Art sind, und wir wirken dahingehend, diese Differenzen zu überwinden, die Zusammenarbeit und Einheit alier sozialistischen Länder zu festigen." Um alle möglichen Zweifel an der Geschlossenheit der rumänischen Führung und ihrer Politik zu beseitigen, wurde auf einer gemeinsamen Sitzung des ZK der rumänischen KP sowie des Staats- und Ministerrates die chinesische Frage diskutiert, denn das Kommunique' im Anschluß an diese gemeinsame Sitzung brachte die demonstrative Unterstützung der Ceausessu-Reise nach Peking zu Ausdruck.(5) Zu den bisherigen Schachzügen der sowjetischen Führung gegen die amerikanisch-chinesische Annäherung hatte "Scinteia" in einem Kommentar am 11. August kategorisch erklärt, Rumänien halte an den guten Beziehungen zur VR China fest. Die Einigkeit im sozialistischen Lager dürfe nicht durch "engherzige Konzeptionen und sektiererische Schritte präjudiziert" werden. Die Ostblockmanöver "Juk" und "Opal" hatte offenbar Radio Bukarest im Auge, als es unter Bezug auf den Gedanken einer Europäischen Sicherheitskonferenz erklärte, daß es notwendig sei, Militärstützpunkte auf dem Territorium fremder Staaten aufzulösen, die fremden Truppen innerhalb der Landesgrenzen zurückzuziehen, Militärblöcke aufzulösen, keine Militärmanöver auf dem Gebiet anderer Staaten abzuhalten, auf jede Gewaltanwendung sowie auf jede andere Haltung zu verzichten, die Spannungen hervorrufen und die Rüstung anregen könne.(6) Dieser Fragenkomplex stand vermutlich im Mittelpunkt von Erörterungen zwischen den Außenministern Rumäniens und Jugoslawiens, Manescu und Tepavac,am lo. August in Dubrovnik.(6a) Der 27" Jahrestag der "Befreiung Rumäniens von faschistischen Joch" bot einen willkommenen Anlaß, den rumänischen Standpunkt zu bekräftigen. Eine besondere Note erhielten die Festlichkeiten durch die

- 7Rede des Chefs der Allgemeinen Politischen Abteilung der chinesischen Volksbefreiungsarmee, General Li Te-sheng, in Bukarest. Rotchinas Volk und Armee werde Rumänien gegen die Gewaltandrohung des Imperialismus und bei der Erhaltung der nationalen Unabhängigkeit und staatlichen Souveränität fest unterstützen.(7) Die sowjetische Militärzeitung "Roter Stern" erinnerte in einem gezielten Artikel an den Beitrag der Sowjetunion bei der Schaffung und Festigung der rumänischen Volksrepublik, wo die kommunistische Machtübernahme erst durch die Siege der "Roten Armee" möglich geworden sei. Auf wirtschaftlichem Gebiet habe Rumänien die "reichen Erfahrungen der Sowjetunion nutzen" können. Das war auch der Tenor der Grußbotschaft der sowjetischen Staats- und Parteiführung an Ceausescu und Maurer.(8) Die entsprechenden Feierlichkeiten in der Pekinger Botschaft Rumäniens benutzte Chinas stellvertretender Außenminister Ch'i P'eng-fei zu polemischen Ausfällen gegen die Sowjetunion und ihre engsten Gefolgsstaaten. Ohne diese beim Namen zu nennen verstieg er sich zu den folgenden Anwürfen: "In jüngster Zeit schaffen diejenigen, die eine Politik der Hegemonie verfolgen, erneut Spannungen auf dem Balkan. Wiederholt haben sie politische Manöver durchgeführt, sie stellen ihre Stärke zur Schau und üben Druck auf andere Länder in dem zügellosen Versuch aus, ihre geheimen Ziele zu realisieren. Die Zeiten haben sich jedoch geändert. Die Länder wünschen Unabhängigkeit. Die Nationen wünschen Befreiung und die Menschen wünschen Entschlossenheit; dieses ist zum unwiderstehlichen Trend der Geschichte geworden. Die perversen Handlungen irgendeines Imperialismus können die Menschen verschiedener Länder nur zu noch größerem Widerstand erwecken und seine eigene Vernichtung beschleunigen."(9)

8 Zusammenfassung Das rumänische Antwortverhalten bewegt sich im Rahmen der für die Außenpolitik Rumäniens entscheidenden Grundprinzipien. Die amerikanisch-chinesische Annäherung wird dementsprechend als wichtiger Beitrag zur internationalen Entspannung und zur Sicherung des Friedens bewertet. Eine Vermittlerrolle in der vorbereitenden Phase der amerikanisch-chinesischen Kontakte ist von der rumänischen Seite nicht ausdrücklich dementiert worden. Die anfänglich gelassene5 sehr selbstbewußte Stellungnahme der Rumänen weicht in der Felgezeit einem zusehends gereizten Verhalten. Die rumänische Führung gewinnt offenbar den Bindruck, Opfer eines geschickten sowjetischen Einkreisungsmanövers zu werden, zu dem die multilateralen Blookkontakte, konzentrierte Presseattacken und militärische Manöver an den rumänischen Grenzen beitragen. In einer psycho-politischen Atmosphäre, die sich mit der Situation am Vorabend der Intervention in der CSSR vergleichen ließe, bemühen sich Ceausescu und seine Gefolgsleute um gezielte Bntlastungsaktionen. Dazu gehören demonstrative Kontakte mit kommunistischen Parteien, Konsultationen mit Jugoslawien und ein geschicktes Jonglieren mit der chinesischen Karte. Die chinesische Militärdelegation unter Li Te-sheng hält sich vor ihrem offiziellen Albanienbesuch in Bukarest auf und nimmt überdies an den Feierlichkeiten zum 27- Jahrestag der Befreiung Rumäniens teil. Die rumänische Seite scheut sich nicht, ein ehinesisehes Hilfs- und Beistandsversprechen als taktisches Instrument in der politischen Auseinandersetzung mit den engeren sowjetischen Gefolgsstaaten einzusetzen.

- 92. Albanien Albanien als der chinesische Vorposten in Europa sah sich nach der Ankündigung des Nixon-Besuches in Peking in keiner Weise veranlaßt, in einer besonderen Form auf dieses Ereignis zu reagieren. Von einem Widerhall kann nur in soweit gesprochen werden, als die albanische Seite sorgfältig die sowjetischen Gegenzüge zur amerikanischchinesischen Annäherung beobachtete und kommentierte. Zu dem Brief des sowjetischen Außenministers Gromyko meinte das Zentralorgan der albanischen Kommunisten, "Zeri i Populit", in einem Grundsatzartikel ("Die Sowjetrevisionisten in der Rolle des internationalen Gendarms"), die Sowjetunion wolle sich im Bunde mit den USA zum "Weltpolizisten" aufspielen und in allen Bereichen ihr genehme Regelungen durchsetzen. Diese "imperialistisch-revisionistische gemeinsame konterrevolutionäre Strategie" müsse entschieden verurteilt werden. Heuchlerisch sei das Anerbieten der USA-Imperialisten und der Sowjetrevisionisten, sich an einem System internationaler Garantien zu beteiligen, da sie zu denjenigen gehörten, die die Anwendung von Gewalt und Drohung mit ihrer Anwendung zum System erhoben hätten. Als Beispiele führte die Zeitung die Besetzung der CSSR und die sowjetische Flottenpolitik, insbesondere im Mittelmeerraum, an.(l) Vollste Unterstützung zollte das albanische Zentralorgan der chinesischen Haltung in der Frage der atomaren Abrüstung. Der sowjetische Vorschlag, eine Fünf-Atommächtekonferenz einzuberufen, dekouvriere die Täuschungsabsichten der sowjetischen Sozialimperiaiisten. Den Supermächten gehe es lediglich darum, ihr Atommonopol zu sichern und anderen Staaten ihre hegemoniale Vorherrschaft durch atomare Erpressung aufzuzwingen.(2) Ausführlich beschäftigte sich Albanien mit dem sowjetisch-indischen Vertrag, vor allen Dingen mit der von den Vertragspartnern geäußerten Zielsetzung, das Abkommen diene ausschließlich defensiven Zwekken. Mit Erstaunen fragte "Zeri i Populit", wemgegenüber sich ei-

- lo gentlich die Sowjetunion verteidigen müsse, da sie niemand angegriffen habe und auch niemand zu bedrohen beabsichtige. Es sei doch vielmehr so, daß die Moskauer Revisionisten aggressive Handlungen gegen die Grenzen Chinas unternähmen und Indien bestrebt sei, Ostpakistan abzutrennen. Unter diesen Gesichtspunkten entlarve sich der sowjetische Vorschlag über die sogenannte kollektive Sicherheit in Asien selbst. Es sei das Ziel des sowjetischen Sozialimperialismus, Indien und andere Staaten noch fester in den Griff zu bekommen. Der indisch-sowjetische Vertrag sei nichts anderes, als ein aggressiver Versklavungsvertrag.(3) Der Besuch einer chinesischen Militärdelegation unter Li Te-sheng und Ts'ao Li-huai in Tirana entsprach der wohlgemeinten Geste eines anerkennenden Schulterklopfens für gewohnt loyales Verhalten.(4)

- 11 3. Jugoslawien Für Jugoslawien war im Hinblick auf die Bewertung der amerikanischchinesischen Annäherung die gleiche Ausgangssituation gegeben, wie für Rumänien. Seit 1969 war eine kontinuierliche Verbesserung des Verhältnisses zur VR China zu beobachten. Sie gipfelte schließlich im Mai dieses Jahres in dem Pekingbesuch des jugoslawischen Außenministers Tepavac. Für die Jugoslawen war daher die chinesische Offerte an Nixon keine Überraschung im eigentlichen Sinne des Wortes. Sensationell, so hieß es in einem Kommentar von Radio Zagreb am 16. Juli, sei dieses Ereignis wohl für die Sowjetunion, die die Einladung Chou En-lais an Nixon als "einen ihrer größten Mißerfolge" bewerten werde. Davor habe man sich in Moskau schon lange gefürchtet, aber nie so recht daran glauben wollen. Mit Blickrichtung auf die anderen sozialistischen Staaten prophezeite der Sender: "Mit der Zeit wird man sich bestimmt auch im sozialistischen Lager fragen, ob es nicht viel vernünftiger und begründeter wäre, zu versuchen, mit China so zu sprechen, wie es Rumänien unternimmt." Dann, so meinte Radio Zagreb, werde sich auch die VR China fragen, ob man nicht mit der UdSSR und dem ganzen sozialistischen Lager anders sprechen solle, da man doch bereits mit kapitalistischen Ländern eine ganz andere Sprache spreche. Eine grundsätzliche Feststellung traf die jugoslawische Nachrichtenagentur "Tanjug". Jugoslawiens Außenpolitik habe stets alle Schritte begrüßt, die zur Beruhigung und zur Regelung der Beziehungen in der Welt führen könnten. Die Anerkennung der VR China gehöre zu den Postulaten der Politik der Blockfreien, deren Vorkämpfer Jugoslawien sei.(l) Auf die Wirkungen der chinesischen Einladung eingehend meinte Tanjug, daß dieses Ereignis dem "Überschreiten des Rubikons" gleichkomme.

- 12 Doch solle man nicht, sozusagen über Nacht, spektakuläre Ergebnisse erwarten. Betont gelassen bezeichnete das jugoslawische Parteiorgan "Borba" die Normalisierung der Beziehungen zwischen Peking und Washington als "eine schon längst fällige Notwendigkeit".(2) Die "Politika" wies in ihrem Kommentar auf die Schwierigkeiten hin, vor die sich Nixon im Hinblick auf seinen Pekingbesuch gestellt sehe. Im einzelnen nannte sie die T'aiwan-Frage, das Problem der Vertretung Chinas in der UNO, den Indochina-Krieg und das Vietnamisierungskonzept der USA.(3) Dementsprechend sei, so ergänzte die Zeitung "Dnevnik" (Novi Sad), Optimismus in der Tat verfrüht.(4) Eine wichtige Hintergrundinformation gab die Nachrichtenagentur AFP am 17. Juli in einem Bericht aus Belgrad, in dem es hieß, daß die jugoslawische Führung dank der ausgezeichneten Beziehungen zwischen Belgrad und Peking über die jüngsten Entwicklungen auf dem laufenden gewesen sei. China, so wurde betont, sei bereit, falls Nixon seine Zwei-China-Theorie fallenlasse, sich diskret zu verpflichten, sich Taiwan nicht mit Gewalt einzuverleiben. In einer offiziellen Erklärung würdigte der jugoslawische Außenminister Tepavac am 17. Juli den Entschluß des amerikanischen Präsidenten, nach Peking zu reisen, als einen bedeutenden Schritt. Poli- ^ tische Gespräche auf höchster Ebene, die zur Normalisierung der Beziehungen und zum Abbau der Spannungen beitrügen, seien nützlich und stimmten mit den Interessen der gesamten internationalen Gemeinschaft überein.(5) Die jugoslawische Wochenschrift "Kommunist" bezeichnete in ihrer Ausgabe vom 21. Juli den Beginn der Normalisierung der amerikanischchinesischen Beziehungen als das Ende einer anormalen und absurden Nichtanerkennungspolitik. Dies sei darüber hinaus eine Bestätigung für die These, daß Unterschiede in den Gesellschaftssystemen nicht unbedingt eine feindselige Politik oder eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten bewirken müßten. Ein derartiges Verhalten werde viel eher ausgelöst durch imperialistische

- 13 und "hegemoniale Ansprüche", überdies durch die "Politik aus der Position der Stärke." In belehrendem Ton verwies die Zeitschrift darauf, daß die Politik der friedlichen Koexistenz nicht Ausdruck des Pazifismus oder der Forderung nach Isolationismus und Disengagement in internationalen Angelegenheiten, sondern vielmehr "eine realistische Alternative zur Politik der Gewalt und des Drucks" sei. Eine anti-sowjetische Spitze war unüberhörbar. Das in diesen Stellungnahmen demonstrierte Selbstbewußtsein zeigte sich auch in einem Interview, das Staatspräsident Tito Alberto Moravia für das italienische Magazin "L'espresso" gab. Auf Moravias Frage, was er von der Breshnjew-Doktrin halte, erklärte Tito: "Wir müssen vor allem ganz offen sagen, daß wir weder die Gesetzmäßigkeit, noch die Existenz einer solchen Doktrin anerkennen, die uns - kurz gesagt - unannehmbar erscheint. So oder so stellt sie für Jugoslawien keine Gefahr dar. Wir sind imstande, mit jeder Situation fertigzuwerden, die sich aus der Anwendung dieser Doktrin ergeben könnte."(6) Die bisherige Gelassenheit wich einer leichten Nervosität, als mehrere Warschauer-Pakt-Staaten unter dem Code "Juk" in unmittelbarer Nähe der jugoslawischen Grenzen militärische Manöver abhielten. Ein solches Verhalten, so schrieb die "Borba", beunruhige nicht nur Jugoslawien, sondern auch die Rumänen. Man müsse annehmen, daß es eines der Hauptziele dieser militärischen Übungen sei, in der einen oder anderen Form Druck auf einzelne Länder auszuüben. Ein solches Verhalten unterminiere und verletze gröblichst die nationale Unabhängigkeit und Souveränität jedes Landes dieser Region und sei überdies unvereinbar mit dem Ziel der Umwandlung des Balkans in eine Zone des Friedens und der Zusammenarbeit.(7) Die Zagreber Zeitung "Vjesnik" stellte die Frage, wie ein solches Verhalten mit den ständig bekundeten friedlichen Absichten in der Politik der Teilnehmerstaaten zu vereinbaren sei.

- 14 Im Gegensatz zu dem in Mitteleuropa von beiden Blöcken anerkannten Status quo werde der Balkan offenbar als eine Zone des Wettbewerbs der beiden Militärbündnisse angesehen.(8) Möglichen aggressiven Absichten einzelner Staaten hatte d6r Generalstabschef der jugoslawischen Armee, Bubanj, die Aussicht eröffnet: "Jeder Aggressor muß ungeachtet seiner politischen, ideologischen und sonstigen Motive schon gleich an der Grenze mit schärfstem Widerstand rechnen."(9) Die chinesische Nachrichtenagentur "Hsinhua" zitierte ausführlich die kritischen Kommentare in der jugoslawischen Presse und bekundete damit eine solidarische Einstellung.(lo) Mit unverhüllter Empörung wandte sich die gesamte jugoslawische Presse einem Artikel in dem ungarischen Regierungsorgan "Magyar Hirlap" zu, in dem Jugoslawien unter Anspielung auf den geplanten Besuch Chou En-lais der Vorwurf gemacht wurde, zusammen mit Rumänien und Albanien auf dem Balkan eine an Peking angelehnte antisowjetische Achse zu bilden. Hier, so entrüstete sich Radio Zagreb, würden die gröbsten Vorwände gesucht, um Jugoslawien unter ständigem Druck zu halten und ihm ein bestimmtes Verhalten aufzuzwingen, gegebenenfalls sogar mit der Anwendung der Doktrin über die begrenzte Souveränität sozialistischer Staaten. Mit nicht zu überbietender Schärfe hieß es dann abschließend: "Wir lehnen jede blockmäßige Auffassung ab, die uns vorschreiben will, wie wir uns verhalten sollen, weil wir keinem Block angehören und kein Blockmitglied werden wollen. Wir lehnen die unhaltbare These, "wer nicht mit uns ist, ist gegen uns", auf das entschiedenste ab."(11) Sarkastisch bemerkte die "Borba": "Hinter diesem Gefasel und solchen kassandrischen Schreckgespenstern sind wohl kaum nur die Wucherungen einer unruhigen Phantasie zu erblicken." Mit Entschiedenheit wies sie das "provokatorische" Verhalten der ungarischen Zeitung zurück, den Besuch eines ausländischen Staatsmannes in Jugosla-

- 15 wien mit solchen "unzulässigen Mahnungen" zu verbinden.(12) Den "Magyar Hirlap"-Artikel nahm die jugoslawische Wochenschrift "Kommunist" zum Anlaß, sich einmal grundsätzlich mit den politischen Methoden im Warschauer Pakt auseinanderzusetzen. Unter dem Titel "Die Logik der Achse" entwarf "Kommunist" das nachfolgende Szenario: "Beziehungen zu einer anderen Großmacht als Feind oder Konkurrent darf ohne Gefahr nur die Führungsmacht eines Militärbündnisses, oder unter ihrer Anleitung und Kontrolle allenfalls ein disziplinierter Bündnispartner pflegen, und es müssen dabei Großmacht gegen Großmacht und Block gegen Block stehen. Alles was im Bereich der internationalen Zusammenarbeit außerhalb dieser Strukturen geschieht, ist von vornherein verdächtig, kann einen anti-sowjetischen Beiklang haben und muß daher kompromittiert, muß verhindert werden." Diesen Normvorstellungen stellte die Zeitschrift die jugoslawische Wertskala entgegen: "Jugoslawien hat schon seit langem seine politische Mündigkeit erreicht und sich ihrer ohne Genehmigung und Bevormundung von jedweder Seite bedient zur Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zu anderen Ländern, in diesem Fall zur VR China, wobei eine derartige Zusammenarbeit nicht gegen dritte Länder gerichtet ist. Das ist den Partnern Jugoslawiens in der internationalen Arena sehr wohl bekannt. Was also Achsen betrifft, so gehören diese unter keinen Umständen zum Arsenal der jugoslawischen Außenpolitik. Das Gespenst einer Achse mag jedoch denen erscheinen, die es gewöhnt sind, die Welt nur in derartigen Kategorien zu sehen, oder die durch die Erfindung nicht-existenter Verschwörungen und Gefahren die Handlungsfreiheit unabhängiger und souveräner Länder zu schmälern versuchen." Für den Fall einer möglichen späteren Versöhnungsgeste lieferte

- 16 "Kommunist" die Entschuldigungsformel sozusagen frei Haus: "Nash alledem wäre es noch am angenehmsten, von verantwortlicher Seite zu hören, daß diese ungehörige Auslassung der "Magyar Hirlap' nur die Frucht der mit einem Kommentator durchgegangenen Phantasie gewesen sei."(l3) Die unter Berufung auf das Politbüromitglied der KPC, Bilak, in der französischen "Le Monde" enthaltene Meldung, daß Jugoslawien und Rumänien einen geheimen Kriegsvertrag unterzeichnet hätten, wies "Nova Makedonija" mit der Bemerkung zurück, es handele sieh um die bekannten Methoden der primitivsten ideologischen Subversion gegen Jugoslawien.(14) Für den inoffiziell angekündigten Staatsbesuch Breshnjews in Jugoslawien in der zweiten Septemberhälfte scheint damit genügend Gesprächsstoff gegeben zu sein, um dem zu erwartenden "kameradschaftlichen" Meinungsaustausch einen bewegten Verlauf zu siehern. Den Prolog hat Chou En-lai bereits in einem Interview mit der Zagreber Zeitung "Vjesnik" gesprochen: "Wenn man von einer Verschärfung der Spannungen in Europa als Ergebnis der chinesisch-amerikanischen Verhandlungen spricht, müßte man mit der gleichen Logik sagen, daß sieh die Völker Indochinas mit den amerikanischen und den anderen ausländischen Truppen verbünden sollten, nur um eine Verschärfung der Spannungen in Europa zu vermeiden. Lassen Sie es mich genauer sagen: Würde es zu einer Minderung der Spannungen in Europa führen, wenn wir von außerhalb angegriffen würden, vom Norden - durch die Sowjetunion - wenn sie unser Land bis zum Gelben Fluß besetzen würde, wenn die Vereinigten Staaten den südlichen Teil bis zum Yangtzuchiang und der japanische Militarismus den östlichen Teil Chinas - von Chinghuangtao bis Shanghai - besetzen würde, wenn Indien einen Grenzkonflikt heraufbeschwören, in Tibet eindringen und den Südwesten besetzen würde? China

- 17 ist auf all diese Eventualitäten vorbereitet."(15)

Zusammenfassung Für das jugoslawische Antwortverhalten ist kennzeichnend, daß es von den Winkelzügen der Sowjetunion und ihrer engeren Gefolgsstaaten völlig unbeeindruckt bleibt. Heftige Reaktionen entsprangen der Entrüstung darüber, daß sich einige Staaten, offenbar auf höheres Geheiß, zu provokatorischen Handlungen mißbrauchen ließen. Das östliche Repertoire an Zwangsmaßnahmen - Militärmanöver, Presseattacken und subtile Drohungen - haben die Jugoslawen nur in der Richtigkeit ihrer Grundpositionen bestärkt. Eine Kompromißbereitschaft im Falle östlicher Ausgleichsbemühungen gilt in hohem Maße als unwahrscheinlich. An der Verwirklichung des Konzepts, den Balkan in eine Zone des Friedens umzuwandeln, wird unbeirrbar festgehalten.

- 18 4- Anmerkungen 1. Rumänien (1) Agerpress vom 24-7.1971. (2) Agerpress vom 4-8.1971. (3) Agerpress vom 18.8.1971. (4) Agerpress vom 2o.8.1971(5) Agerpress vom 19-8.1971. (6) Radio Bukarest vom io.8.1971. (6a) Tanjug vom lo.8.1971. "Der Tagesspiegel" (Berlin) vom 28.8.1971 Radio Moskau (russ.) vom 22.8.1971. Hsinhua vom 2 3-8.1971. Albanien Zeri i Populit vom 24-7-1971. Zeri i Populit vom lo.8.1971' Zeri i Populit vom 14.8.1971' Hsinhua vom 16.8.1971Jugoslawien Tanjug vom I6.7.I97I. Borba vom 17.7.1971. Politika vom 17.7.1971. Tanjug vom 17-7.1971Tanjug vom 17.7.1971. Tanjug vom 30.7.I97I. Borba vom 9.8.1971. Vjesnik vom 11.8.1971. Tanjug vom 22-7.1971Hsinhua vom 12.8.1971Radio Zagreb vom 16.8.1971. Borba vom 16.8.1971Kommunist vom 19-8.1971. Nova Makedonija vom 24-8.1971' Vjesnik vom 27.8.1971.