Deutschlands neue Außenpolitik: Band 4 Institutionen und Ressourcen [Reprint 2014 ed.] 9783486829303, 9783486561159

Der vierte, die Buchreihe abschließende Band behandelt ein von der deutschen Forschung vernachlässigtes Feld: die Instit

197 118 28MB

German Pages 320 Year 1998

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Table of contents :
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
VORWORT
EINLEITUNG: WISSENSCHAFT UND AUSSENPOLITISCHER ENTSCHEIDUNGSPROZESS
VERFLECHTUNG, INSTITUTIONEN UND AUSSENPOLITISCHE ENTSCHEIDUNGEN
FORSCHUNG UND PRAXIS
INSTITUTIONEN DER BUNDESREGIERUNG DIE KLASSISCHEN AUSSENPOLITISCHEN INSTITUTIONEN
DAS KANZLERPRINZIP IN DER REGIERUNGSZUSAMMENARBEIT
ENTSCHEIDUNGSFINDUNG ALS KOORDINIERUNGSPROBLEM
Bundeskanzleramt
Kabinett
Koalitionsgremien
RESSORTVERANTWORTLICHKEIT UND PROBLEME DER ZUSTÄNDIGKEITEN
NEUE AUFGABEN UND ZUKUNFTSPERSPEKTIVEN DER KLASSISCHEN INSTITUTIONEN
RESÜMEE
DIE »AUSSENPOLITIK« DER FACHMINISTERIEN
INSTITUTIONELLE FOLGEN ZUNEHMENDER VERFLECHTUNG
AUSSENVERTRETUNG UNTER BEDINGUNGEN VON VERFLECHTUNG
PRIMAT DER AUSSENPOLITIK GEGENÜBER DER FACHPOLITIK
FACHPOLITIKEN IM WIDERSTREIT
ABGRENZUNGSKONFLIKTE
KOORDINIERUNGSMECHANISMEN
TRANSNATIONALE NETZE
AUSSENBEZIEHUNGEN UND AUSSENPOLITIK
DER BUNDESNACHRICHTENDIENST IN DEN ENTSCHEIDUNGSPROZESSEN DER AUSSENPOLITIK
GESETZLICHER AUFTRAG
DER BND IM INFORMATIONSSYSTEM DER BUNDESREGIERUNG
AUFTRAGSGESTALTUNG
AUFTRAGSERFÜLLUNG UND BESCHAFFUNGSLAGE
INTERNATIONALE ZUSAMMENARBEIT
EXEKUTIVE AUFGABEN DES BUNDESNACHRICHTENDIENSTES
REFORMBEDARF
DER AUSWÄRTIGE DIENST VOR NEUEN HERAUSFORDERUNGEN
STRUKTURWANDEL IN DER AUSSENPOLITIK
Wandel der internationalen Architektur: Vermehrung der Akteure und Themen
Wandel der nationalen Struktur: Internationalisierung der Innenpolitik
Erhöhte Nachfrage nach internationaler Kompetenz und »Europafähigkeit«
VERÄNDERTE AUFGABEN DES AUSWÄRTIGEN DIENSTES
ANPASSUNG DES AUSWÄRTIGEN DIENSTES
Personal- und Ressourcenausstattung
Auswahl, Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter
Personalaustausch und Einbindung amtsfremden Sachverstands
Politikberatung: Wissenschaft und Außenpolitik
Ausschöpfung der neuen Kommunikationsmittel: Diplomatie im »Cyberspace«
PERSPEKTIVEN
QUERSCHNITTSTHEMEN IM ENTSCHEIDUNGSPROZESS NATIONALE ENTSCHEIDUNGSSTRUKTUREN DEUTSCHER EUROPAPOLITIK
BUNDESREGIERUNG
ZUSAMMENARBEIT ZWISCHEN BUNDESREGIERUNG UND GESETZGEBENDEN KÖRPERSCHAFTEN
Bundestag
Bundesrat
»EUROPAFÄHIGKEIT«
SICHERHEITSPOLITIK: NATIONALE STRUKTUREN UND MULTILATERALE VERFLECHTUNG
NEUE SICHERHEITSRISIKEN
FORMELLE KOMPETENZEN UND VERFAHREN
Exekutive
Legislative
INFORMELLE VERFAHREN UND NEUE AKTEURE
Internationale Zusammenarbeit nationaler Verwaltungsapparate
Parlamentarische Regierungsweise
Nichtregierungs-Organisationen
SCHWACHSTELLEN DES POLITISCHEN PROZESSES UND KORREKTURMÖGLICHKEITEN
DIE GESTALTUNG DER WIRTSCHAFTSPOLITIK BEI WACHSENDER INTERNATIONALER VERFLECHTUNG
NATIONALE GESTALTUNG AUSSENWIRTSCHAFTLICHER FRAGEN
Prinzipien der Entscheidungsfindung
Ressortabstimmung und internationale Wirtschaftsbeziehungen
GESTALTUNG DER EU-WIRTSCHAFTSPOLITIK
Kompetenzzuweisung in der Europapolitik
Die konkrete Koordinierung der EU-Wirtschaftspolitik
GESTALTUNG DER INTERNATIONALEN WIRTSCHAFTSPOLITIK
Internationale Handelspolitik
Internationale Stabilisierungspolitik
WEITERENTWICKLUNG DER NATIONALEN GESTALTUNGSINSTRUMENTE
INSTITUTIONELLE STRUKTUREN UND ENTSCHEIDUNGSPROZESSE DER UMWELTAUSSENPOLITIK
DIE NATIONALE EBENE
DIE EBENE DER EUROPÄISCHEN UNION
REFORMBEDARF IN DER UMWELTAUSSENPOLITIK?
POLITISCHES SYSTEM, GESELLSCHAFT UND AUSSENPOLITIK DIE ROLLE DES BUNDESTAGES IN DER AUSSENPOLITIK
DIE FUNKTIONEN DES BUNDESTAGES IN DER AUSSENPOLITIK
DIE AUSSENPOLITISCHE PRAXIS DES BUNDESTAGES
Debatten
Außenpolitische Grundsatzentscheidungen
Der Bundestag als außenpolitisches Arbeitsparlament
Vermittlung
RESÜMEE
AUSWÄRTIGES HANDELN DER DEUTSCHEN LÄNDER
INTERPRETATIONEN DER ROLLE DER LÄNDER IN DEN AUSWÄRTIGEN BEZIEHUNGEN
EXTERNE REPRÄSENTATION DER LÄNDERINTERESSEN IN DER EUROPAPOLITIK
PARALLELE PARADIPLOMATISCHE STRATEGIEN DER DEUTSCHEN LÄNDER
FAZIT
AUSSENPOLITISCHER EINFLUSS UND AUSSENBEZIEHUNGEN DER PARTEIEN
AUSSENPOLITISCHE ORGANISATIONS- UND KOMMUNIKATIONSSTRUKTUREN
DIE BEDEUTUNG DER PARTEIEN FÜR DIE GESELLSCHAFTLICHE VERANKERUNG DER AUSSENPOLITIK
AUSSENPOLITIK IM PARTEIENPARLAMENT
REGIERUNGSPOLITIK, KOALITIONSPOLITIK UND PARTEIPOLITIK
TRANSNATIONALE PARTEIENKOOPERATION
SCHLUSSFOLGERUNGEN UND AUSBLICK
POLITISCHE STIFTUNGEN: GRENZGÄNGER ZWISCHEN GESELLSCHAFTS- UND STAATENWELT
DIE STIFTUNGEN IM AUSSENPOLITISCHEN INSTITUTIONENGEFÜGE
UMFANG UND INHALT DES INTERNATIONALEN ENGAGEMENTS
Demokratieförderung in Afrika, Asien und Lateinamerika
Transatlantische und europäische Elitenvernetzung
Förderung von Demokratie und Marktwirtschaft in den Staaten Mittel-, Ost- und Südosteuropas
AUSSENPOLITISCHE RELEVANZ
Die politischen Stiftungen und das außenpolitische Selbst- und Machtverständnis der Bundesrepublik
PERSPEKTIVEN
GESELLSCHAFTLICHE MITTLERORGANISATIONEN
MOTIVE, AUFGABEN UND REGIONALE SCHWERPUNKTE
Frankreich
Großbritannien
Vereinigte Staaten von Amerika
Israel
Arabische Staaten
Polen
Rußland
Afrika und Asien
GESELLSCHAFTLICHE AUSSENPOLITIK
MASSENMEDIEN, ÖFFENTLICHE MEINUNG UND AUSSENPOLITIK
MEDIENWANDEL UND DEMOKRATISCHE AUSSENPOLITIK
MEDIENINHALTE UND IHR ZUSTANDEKOMMEN
MEDIENBERICHTERSTATTUNG UND ÖFFENTLICHE MEINUNG
ÖFFENTLICHE MEINUNG UND AUSSENPOLITISCHES HANDELN
FAZIT
EINSTELLUNGEN DER BEVÖLKERUNG UND DER ELITEN: VOM ALTEN ZUM NEUEN AUSSENPOLITISCHEN KONSENS?
DER STELLENWERT VON AUSSEN- UND SICHERHEITSPOLITISCHEN EINSTELLUNGEN
LANGFRISTIGE ORIENTIERUNGEN
Europäische Integration
NATO
USA
DAS VERHÄLTNIS ZWISCHEN ELITEN- UND BEVÖLKERUNGSMEINUNG
FAZIT
ORGANISIERTE INTERESSEN UND AUSSENPOLITIK
INTERESSENARTIKULATION IN DER EUROPÄISCHEN UNION
Rahmenbedingungen des europäischen Marktes
Organisationsformen und Einflußmöglichkeiten von Firmen und Verbänden
Besonderheiten des Agrarsektors
Besonderheiten des Rüstungssektors
»PUBLIC INTERESTS«
Greenpeace
Amnesty International
Vertriebenenverbände
RESÜMEE
POLITIKBERATUNG IM AUSSENPOLITISCHEN ENTSCHEIDUNGSPROZESS
FUNKTIONEN UND REALISIERUNGSVORAUSSETZUNGEN
STRUKTUREN
AKTIVITÄTEN
EINFLUSS IM ENTSCHEIDUNGSPROZESS
SCHLUSSBETRACHTUNG DIE PREKÄRE MACHT: DEUTSCHLAND AN DER SCHWELLE ZUM 21. JAHRHUNDERT
ZENTRALE BEGRIFFE
STABILISIERUNG DES REGIONALEN UMFELDS
Einbindung der östlichen Nachbarn und Anbindung Rußlands
Die Reform »westlicher« Institutionen
GLOBALE HERAUSFORDERUNGEN
DIE ZUKUNFT DER DEUTSCHEN AUSSENPOLITIK: VIER SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EIN RATSCHLAG BISMARCKS
PERSONENREGISTER
SACHREGISTER
DIE AUTOREN
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Deutschlands neue Außenpolitik: Band 4 Institutionen und Ressourcen [Reprint 2014 ed.]
 9783486829303, 9783486561159

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DEUTSCHLANDS NEUE AUSSENPOLITIK BAND 4: INSTITUTIONEN UND RESSOURCEN

SCHRIFTEN DES FORSCHUNGSINSTITUTS DER DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR AUSWÄRTIGE POLITIK E.V. Reihe: Internationale Politik und Wirtschaft Band 63

Diese Studie wurde gefördert durch die Otto Wolff von Amerongen-Stiftung

Deutschlands neue Außenpolitik Band 4: Institutionen und Ressourcen Herausgegeben von

Wolf-Dieter Eberwein und Karl Kaiser

unter Mitarbeit von Sebastian Bartsch

Autoren Lisette Andreae, Sebastian Bartsch, Frank Brettschneider, Wolf-Dieter Eberwein, Wolfgang Fischer, Jürgen Hartmann, Gunther Hellmann, Christian Holst, Petra Holtrup, Werner Hoyer, Karl Kaiser, Michèle Knodt, Joachim Krause, Markus Mildenberger, Manfred Mols, Hans-Friedrich von Ploetz, Lothar Rühl, Judith Siwert-Probst, Horst-Dieter Westerhoff, Hans-Georg Wieck

R. OLDENBOURG VERLAG MÜNCHEN 1998

DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR AUSWÄRTIGE POLITIK E.V. D-53113 Bonn, Adenauerallee 131, Telefon (02 28) 26 75-0, e-mail: [email protected] D-10787 Berlin, Rauchstraße 18, Telefon (030) 25 42 31-0, e-mail: [email protected] PRÄSIDIUM G E S C H Ä F T S F Ü H R E N D E S DR. WERNER

PRÄSIDIUM

LAMBY

Präsident HELMUT SCHMIDT

HANS L.

MERKLE

Stellvertretende Präsidenten D R . I M M O STABREIT Geschäftsführender stellvertretender Präsident

D R . F . WILHELM CHRISTIANS Schatzmeister

PROF. D R . H A N S - P E T E R SCHWARZ Vorsitzender des Wissenschaftlichen Direktoriums

PROF. DR. WERNER WEIDENFELD Herausgeber »Internationale Politik«

PROF. D R . K A R L KAISER O t t o - W o l f f - D i r e k t o r des Forschungsinstituts D R . KLAUS VON D O H N A N Y I - HANS-DIETRICH C . PETER H E N L E - D R . W E R N E R W A L T H E R LEISLER K I E P - A X E L

GENSCHER

HOYER

OSENBERG

JÜRGEN E . SCHREMPP - PROF. D R . DIETER

SPETHMANN

P R O F . D R . RITA SÜSSMUTH - D R . GIUSEPPE VITA D R . THEODOR WAIGEL - O T T O W O L F F VON

AMERONGEN

DEM GESAMTPRÄSIDIUM GEHÖREN AN: EBERHARD DIEPGEN - MICHAEL GLOS - H A N S - O L A F PROF. DR. KARL-HEINZ HORNHUES -

HENKEL

U L R I C H IRMER - CHRISTINE

LIEBERKNECHT

ALFRED FREIHERR VON O P P E N H E I M - VOLKER R Ü H E - JÜRGEN SARRAZIN R U D O L F SCHARPING - DIETER SCHULTE - FRIEDRICH SPÄTH - D R . H A N S STERCKEN M A N F R E D STOLPE - KARSTEN D . V O I G T - D R . ANTJE VOLLMER - H E I N R I C H WEISS D R . RICHARD VON WEIZSÄCKER - D R . M A R K DR. MONIKA WULF-MATHIES - DR. MONIKA

WÖSSNER

ZIMMERMANN

WISSENSCHAFTLICHES DIREKTORIUM DES FORSCHUNGSINSTITUTS P R O F . D R . H A N S - P E T E R S C H W A R Z ( V O R S . ) - P R O F . D R . H E L G A H A F T E N D O R N (STELLVERTR. V O R S . ) PROF. D R . G E O R G BRUNNER -

PROF. D R . D R . RUDOLF DOLZER - PROF. D R . JUERGEN

PROF. D R . GERHARD FELS - PROF. D R . W O L F PROF. D R . T H E O D O R H A N F - PROF. D R . H A N S - A D O L F JACOBSEN

DÖNGES

HÄFELE - P R O F . D R . K A R L KAISER

P R O F . D R . H A N N S W . M A U L L - P R O F . D R . K L A U S SEGBERS - P R O F . D R . C H R I S T I A N T O M U S C H A T Die Deutsche Gesellschaft f ü r Auswärtige Politik hat nach ihrer Satzung die Aufgabe, die Probleme der internationalen, besonders der europäischen Politik, Sicherheit u n d Wirtschaft zu erörtern u n d ihre wissenschaftliche Üntersuchung zu fördern, die D o k u m e n t a t i o n über diese Forschungsfragen zu sammeln und das Verständnis f ü r internationale Fragen durch Vorträge, Studiengruppen u n d Veröffentlichungen anzuregen und zu vertiefen. Sie unterhält zu diesem Zweck ein Forschungsinstitut, eine Bibliothek u n d Dokumentationsstelle sowie die Zeitschrift » I N T E R N A T I O N A L E P O L I T I K · . Die Deutsche Gesellschaft f ü r Auswärtige Politik bezieht als solche auf G r u n d ihrer Satzung keine eigene Stellung zu internationalen Problemen. Die in den Veröffentlichungen der Gesellschaft geäußerten Meinungen sind die der Autoren. © 1998 R. O L D E N B O U R G V E R L A G G M B H , M Ü N C H E N Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des N a c h d r u c k s , der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege sowie der Speicherung und Auswertung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben auch bei nur auszugsweiser Verwertung vorbehalten. Werden mit schriftlicher Einwilligung des Verlages einzelne Vervielfältigungsstücke für gewerbliche Zwecke hergestellt, ist an den Verlag die nach § 14 Abs. 2 U G zu zahlende Vergütung zu entrichten, über deren H ö n e der Verlag A u s k u n f t gibt. ISBN 3-486-56115-4 Gesamtherstellung: Richarz Publikations-Service, Sankt Augustin Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme D e u t s c h l a n d s n e u e A u ß e n p o l i t i k / [Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik]. - München : Oldenbourg

Bd. 4. Institutionen und Ressourcen / hrsg. von Wolf-Dieter Eberwein und Karl Kaiser unter Mitarb. von Sebastian Bartsch. Autoren Lisette Andreae ... - 1998 (Schriften des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V., Bonn : Reihe: Internationale Politik und Wirtschaft ¡Bd. 63) ISBN 3-486-56115-4

H A N S L. M E R K L E zum 85. Geburtstag gewidmet

INHALT

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

XV

VORWORT

XIX

EINLEITUNG: WISSENSCHAFT UND AUSSENPOLITISCHER ENTSCHEIDUNGSPROZESS/ Wolf-Dieter Eberwein und Karl Kaiser

1

VERFLECHTUNG, INSTITUTIONEN UND AUSSENPOLITISCHE ENTSCHEIDUNGEN

L

FORSCHUNG UND PRAXIS

6

INSTITUTIONEN DER BUNDESREGIERUNG

DIE KLASSISCHEN AUSSENPOLITISCHEN INSTITUTIONEN/Judith Siwert-Probst

13

DAS KANZLERPRINZIP IN DER REGIERUNGSZUSAMMENARBEIT

13

ENTSCHEIDUNGSFINDUNG ALS KOORDINIERUNGSPROBLEM

Bundeskanzleramt Kabinett Koalitionsgremien

.

. . .

15

16 17 19

RESSORTVERANTWORTLICHKEIT UND PROBLEME DER ZUSTÄNDIGKEITEN

20

NEUE AUFGABEN UND ZUKUNFTSPERSPEKTIVEN DER KLASSISCHEN INSTITUTIONEN

25

RESÜMEE

27

DIE »AUSSENPOLITIK« DER FACHMINISTERIEN/ Lisette Andreae und Karl Kaiser

29

INSTITUTIONELLE FOLGEN ZUNEHMENDER VERFLECHTUNG

. .

29

VIII

INHALTSVERZEICHNIS

AUSSENVERTRETUNG UNTER BEDINGUNGEN VON VERFLECHTUNG

32

PRIMAT DER AUSSENPOLITIK GEGENÜBER DER FACHPOLITIK

34

. .

FACHPOLITIKEN IM WIDERSTREIT

37

ABGRENZUNGSKONFLIKTE

39

KOORDINIERUNGSMECHANISMEN

40

TRANSNATIONALE NETZE

43

AUSSENBEZIEHUNGEN U N D AUSSENPOLITIK

45

DER BUNDESNACHRICHTENDIENST IN DEN ENTSCHEIDUNGSPROZESSEN DER AUSSENPOLITIK/ HANS-GEORG WIECK

47

GESETZLICHER AUFTRAG

47

D E R B N D IM INFORMATIONSSYSTEM DER BUNDESREGIERUNG

.

49

AUFTRAGSGESTALTUNG

50

AUFTRAGSERFÜLLUNG U N D BESCHAFFUNGSLAGE

52

INTERNATIONALE ZUSAMMENARBEIT

55

EXEKUTIVE AUFGABEN DES BUNDESNACHRICHTENDIENSTES

. .

56

REFORMBEDARF

57

DER AUSWÄRTIGE DIENST VOR N E U E N HERAUSFORDERUNGEN/HANS-FRIEDRICH VON PLOETZ

59

STRUKTURWANDEL IN DER AUSSENPOLITIK WANDEL DER INTERNATIONALEN ARCHITEKTUR: VERMEHRUNG DER AKTEURE UND THEMEN WANDEL DER NATIONALEN STRUKTUR: INTERNATIONALISIERUNG DER INNENPOLITIK ERHÖHTE NACHFRAGE NACH INTERNATIONALER KOMPETENZ UND »EUROPAFÄHIGKEIT« VERÄNDERTE AUFGABEN DES AUSWÄRTIGEN DIENSTES

59 59 61 62 63

INHALTSVERZEICHNIS

IX

ANPASSUNG DES AUSWÄRTIGEN DIENSTES

66

Personal- und Ressourcenausstattung Auswahl, Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter Personalaustausch und Einbindung amtsfremden Sachverstands . . Politikberatung: Wissenschaft und Außenpolitik Ausschöpfung der neuen Kommunikationsmittel: Diplomatie im »Cyberspace«

66 68 68 70

PERSPEKTIVEN

72

70

QUERSCHNITTSTHEMEN IM ENTSCHEIDUNGSPROZESS NATIONALE ENTSCHEIDUNGSSTRUKTUREN DEUTSCHER EUROPAPOLITIK/Werner Hoyer

75

BUNDESREGIERUNG

76

ZUSAMMENARBEIT ZWISCHEN BUNDESREGIERUNG UND GESETZGEBENDEN KÖRPERSCHAFTEN

80

Bundestag Bundesrat

81 83

»EUROPAFÄHIGKEIT«

85

SICHERHEITSPOLITIK: NATIONALE STRUKTUREN U N D MULTILATERALE VERFLECHTUNG/Lothar Rühl

87

NEUE SICHERHEITSRISIKEN

87

FORMELLE KOMPETENZEN UND VERFAHREN

89

Exekutive Legislative

89 91

INFORMELLE VERFAHREN UND NEUE AKTEURE

93

Internationale Zusammenarbeit nationaler Verwaltungsapparate . . Parlamentarische Regierungsweise Nichtregierungs-Organisationen

93 94 96

SCHWACHSTELLEN DES POLITISCHEN PROZESSES UND KORREKTURMÖGLICHKEITEN

97

χ

INHALTSVERZEICHNIS

DIE GESTALTUNG DER WIRTSCHAFTSPOLITIK BEI WACHSENDER INTERNATIONALER VERFLECHTUNG/ Horst-Dieter Westerhoff

100

NATIONALE GESTALTUNG AUSSENWIRTSCHAFTLICHER FRAGEN

Prinzipien der Entscheidungsfindung Ressortabstimmung und internationale Wirtschaftsbeziehungen . . GESTALTUNG DER EU-WIRTSCHAFTSPOLITIK

107

Kompetenzzuweisung in der Europapolitik Die konkrete Koordinierung der EU-Wirtschaftspolitik GESTALTUNG DER INTERNATIONALEN WIRTSCHAFTSPOLITIK

Internationale Handelspolitik Internationale Stabilisierungspolitik

100

100 104 107 109

. .

113

113 115

WEITERENTWICKLUNG DER NATIONALEN GESTALTUNGSINSTRUMENTE

117

INSTITUTIONELLE STRUKTUREN UND ENTSCHEIDUNGSPROZESSE DER UMWELTAUSSENPOLITIK/ Wolfgang Fischer und Petra Holtrup

121

DIE NATIONALE EBENE

122

DIE EBENE DER EUROPÄISCHEN UNION

130

REFORMBEDARF IN DER UMWELTAUSSENPOLITIK?

135

POLITISCHES SYSTEM, G E S E L L S C H A F T AUSSENPOLITIK

UND

DIE ROLLE DES BUNDESTAGES IN DER AUSSENPOLITIK/ Joachim Krause DIE FUNKTIONEN DES BUNDESTAGES IN DER AUSSENPOLITIK

137 .

138

DIE AUSSENPOLITISCHE PRAXIS DES BUNDESTAGES

140

Debatten Außenpolitische Grundsatzentscheidungen Der Bundestag als außenpolitisches Arbeitsparlament Vermittlung

140 142 144 150

INHALTSVERZEICHNIS

XI

RESÜMEE

151

AUSWÄRTIGES H A N D E L N DER DEUTSCHEN LÄNDER/ Michèle Knodt

153

INTERPRETATIONEN DER ROLLE DER LÄNDER IN DEN AUSWÄRTIGEN BEZIEHUNGEN

154

EXTERNE REPRÄSENTATION DER LÄNDERINTERESSEN IN DER EUROPAPOLITIK

156

PARALLELE PARADIPLOMATISCHE STRATEGIEN DER DEUTSCHEN LÄNDER

161

FAZIT

165

AUSSENPOLITISCHER EINFLUSS U N D AUSSENBEZIEH U N G E N DER PARTEIEN/Sebastian Bartsch

167

AUSSENPOLITISCHE ORGANISATIONS- UND STRUKTUREN

168

KOMMUNIKATIONS-

DIE BEDEUTUNG DER PARTEIEN FÜR DIE GESELLSCHAFTLICHE VERANKERUNG DER AUSSENPOLITIK

169

AUSSENPOLITIK IM PARTEIENPARLAMENT

172

REGIERUNGSPOLITIK, KOALITIONSPOLITIK UND PARTEIPOLITIK

176

TRANSNATIONALE PARTEIENKOOPERATION

179

SCHLUSSFOLGERUNGEN UND AUSBLICK

183

POLITISCHE STIFTUNGEN: GRENZGÄNGER ZWISCHEN GESELLSCHAFTS- U N D STAATENWELT/ Sebastian Bartsch

185

DIE STIFTUNGEN IM AUSSENPOLITISCHEN INSTITUTIONENGEFÜGE

185

UMFANG UND INHALT DES INTERNATIONALEN ENGAGEMENTS .

187

Demokratieförderung in Afrika, Asien und Lateinamerika . . . . Transatlantische und europäische Elitenvernetzung Förderung von Demokratie und Marktwirtschaft in den Staaten Mittel-, Ost- und Südosteuropas

188 190 191

XII

INHALTSVERZEICHNIS

AUSSENPOLITISCHE RELEVANZ

192

Die politischen Stiftungen und das außenpolitische Selbst- und Machtverständnis der Bundesrepublik

196

PERSPEKTIVEN

197

GESELLSCHAFTLICHE MITTLERORGANISATIONEN/ Karl Kaiser und Markus Mildenberger

199

MOTIVE, AUFGABEN U N D REGIONALE SCHWERPUNKTE

. . . .

199

Frankreich Großbritannien Vereinigte Staaten von Amerika Israel Arabische Staaten Polen Rußland Afrika und Asien

201 203 204 206 208 209 210 212

GESELLSCHAFTLICHE AUSSENPOLITIK

213

MASSENMEDIEN, ÖFFENTLICHE MEINUNG U N D AUSSENPOLITIK/Frank Brettschneider

215

MEDIENWANDEL U N D DEMOKRATISCHE AUSSENPOLITIK

. . . .

215

MEDIENINHALTE U N D IHR ZUSTANDEKOMMEN MEDIENBERICHTERSTATTUNG U N D ÖFFENTLICHE MEINUNG ÖFFENTLICHE MEINUNG U N D AUSSENPOLITISCHES H A N D E L N

217 . .

219

.

221

FAZIT

225

EINSTELLUNGEN DER BEVÖLKERUNG U N D DER ELITEN: VOM ALTEN ZUM N E U E N AUSSENPOLITISCHEN KONSENS ?/Christian Holst

227

DER STELLENWERT VON AUSSEN- U N D SICHERHEITSPOLITISCHEN EINSTELLUNGEN

227

LANGFRISTIGE ORIENTIERUNGEN

229

Europäische Integration NATO USA

230 232 234

INHALTSVERZEICHNIS

XIII

DAS VERHÄLTNIS ZWISCHEN ELITEN- UND BEVÖLKERUNGSMEINUNG

235

FAZIT

238

ORGANISIERTE INTERESSEN U N D AUSSENPOLITIK/ Jürgen Hartmann

239

INTERESSENARTIKULATION IN DER EUROPÄISCHEN U N I O N . . .

239

Rahmenbedingungen des europäischen Marktes Organisationsformen und Einflußmöglichkeiten von Firmen und Verbänden Besonderheiten des Agrarsektors Besonderheiten des Rüstungssektors

243 245 248 249

»PUBLIC INTERESTS«

250

Greenpeace Amnesty International Vertriebenenverbände

250 251 251

RESÜMEE

252

POLITIKBERATUNG IM AUSSENPOLITISCHEN ENTSCHEIDUNGSPROZESS/Manfred Mols

253

FUNKTIONEN UND REALISIERUNGSVORAUSSETZUNGEN

254

STRUKTUREN

257

AKTIVITÄTEN

259

EINFLUSS IM ENTSCHEIDUNGSPROZESS

261

SCHLUSSBETRACHTUNG

DIE PREKÄRE MACHT: DEUTSCHLAND A N DER SCHWELLE ZUM 21. JAHRHUNDERT/Gunther Hellmann

.

ZENTRALE BEGRIFFE

265 266

STABILISIERUNG DES REGIONALEN UMFELDS

268

Einbindung der östlichen Nachbarn und Anbindung Rußlands . . Die Reform »westlicher« Institutionen

269 273

XIV

INHALTSVERZEICHNIS

GLOBALE HERAUSFORDERUNGEN

277

DIE ZUKUNFT DER DEUTSCHEN AUSSENPOLITIK: VIER SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EIN RATSCHLAG BISMARCKS

280

PERSONENREGISTER

283

SACHREGISTER

285

DIE AUTOREN

299

*



ABBILDUNGEN UND TABELLEN Der Auswärtige Dienst im internationalen Vergleich Institutionelle Zuständigkeiten in der Umweltaußenpolitik Entscheidungsstrukturen und -prozesse in der Europäischen Union

. . .

73 124 131

Außenpolitische Themen der Bundestagsausschüsse Anzahl der Mitarbeiter des Deutschen Bundestages

146 147

Repräsentation der Länder in der europäischen Integration Ubereinstimmung zwischen öffentlicher Meinung und Handlungen im Deutschen Bundestag, 1949-1990

160 222

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

AA ABC-Waffen ACEA

-

AdR AFP AI ANC AP APuZ ARD

-

AStV

-

AWACS

-

BAköV BDI BdV BfAI BfN BfV BGBl BlOst BK BKA BMA BMBau BMBF BMF BMFSFJ BMG BMI BMJ BML BMU BMV BMVg BMWi BMZ BND BPA BSE BSR Bulletin BVerfG

-

Auswärtiges Amt Atomare, biologische und chemische Waffen Association des constructeurs Européens d'automobiles (Europäischer Verband der Automobilindustrie) Ausschuß der Regionen Agence France - Presse Amnesty International African National Congress (Afrikanischer Nationalkongress) The Associated Press Aus Politik und Zeitgeschichte Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland Ausschuß der Ständigen Vertreter bei der Europäischen Union (auch: Comité des représentants permanents, C O R E P E R ) Airborne Warning and Control System (Luftgestütztes Frühwarn- und Leitsystem) Bundesakademie für öffentliche Verwaltung Bundesverband der Deutschen Industrie Bund der Vertriebenen Bundesstelle für Außenhandelsinformation Bundesamt für Naturschutz Bundesamt für Verfassungsschutz Bundesgesetzblatt Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien Bundeskanzleramt Bundeskriminalamt Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Bundesministerium für Gesundheit Bundesministerium des Innern Bundesministerium der Justiz Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Bundesministerium für Verkehr Bundesministerium der Verteidigung Bundesministerium für Wirtschaft Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Bundesnachrichtendienst Presse- und Informationsamt der Bundesregierung Bovine Spongiforme Enzephalopathie (sog. »Rinderwahnsinn«) Bundessicherheitsrat Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Bonn Bundesverfassungsgericht

XVI

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

CAP CCMS ODI CDU CEFIC

-

CIRAC CNN COPA

-

COSAC

-

co2 CSD

CSU DAAD DAG DBV ddp/ADN DDR DEG DFG DFI DG DGAP DGB DIG DIHT dpa DVPW EA EACEM

-

-

-

-

ECDPM ECE ECOFIN-Rat EDU EEA EFGP EFPIA

• -

EG EGB EGKS EGV ELDR EMK

-

ENA EP

-

-

Centrum für angewandte Politikforschung, München N A T O Committee on the Challenges of Modern Society Christlich-Demokratische Internationale Christlich-Demokratische Union Conseil Européen de l'industrie chimique (Europäischer Verband der chemischen Industrie) Centre d'Information et de Recherche sur l'Allemagne Contemporaine, Paris Cable News Network Comité des organisations professionnelles agricoles (Ausschuß der berufsständischen landwirtschaftlichen Organisationen der Europäischen Union) Conférence des organismes spécialisés dans les affaires communautaires (Konferenz der Europa-Ausschüsse der nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten) Kohlendioxyd United Nations Commission on Sustainable Development (UN-Kommission für Nachhaltige Entwicklung) Christlich-Soziale Union Deutscher Akademischer Austauschdienst e.V. Deutsch-Arabische Gesellschaft Deutscher Bauernverband e.V. Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst Deutsche Demokratische Republik Deutsch-Englische Gesellschaft e.V. Deutsche Forschungsgemeinschaft Deutsch-Französisches Institut Direction Générale (Generaldirektion der Europäischen Kommission) Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. Deutscher Gewerkschaftsbund Deutsch-Israelische Gesellschaft e.V. Deutscher Industrie- und Handelstag Deutsche Presse-Agentur Deutsche Vereinigung für Politische Wissenschaft Europa-Archiv. Zeitschrift für Internationale Politik European Association of Consumer Electronics Manufacturers (Europäischer Fachverband Unterhaltungselektronik) European Centre for Development Policy Management United Nations Economic Commission for Europe (UN-Wirtschaftskommission für Europa) Rat der Wirtschafts- und Finanzminister der EU Europäische Demokratische Union Einheitliche Europäische Akte Europäische Föderation Grüner Parteien European Federation of Pharmaceutical Industries' Associations (Europäische Föderation der pharmazeutischen Industrieverbände) Europäische Gemeinschaft Europäischer Gewerkschaftsbund Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Europäische Liberale, Demokratische und Reformpartei Ständige Konferenz der Europaminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland Ecole nationale d'administration Europäisches Parlament

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ΕΡΖ ESG EU EUCD EuGH EUI EUROPOL EUV EVP EWG EWI E+Z FAZ FBE FDP FES FNSt FNSEA

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GAD GASP GATT

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G-3 G-7 G-8 HBS HSFK HSS IB IDG IEP IFP IFRI IP IuKDG IWF JCIE JDZB KAS LA LI

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Europäische Politische Zusammenarbeit European Study Group Europäische Union Europäische Union Christlicher Demokraten Europäischer Gerichtshof European University Institut (Europäisches Hochschulinstitut) Europäisches Polizeiamt Vertrag über die Europäische Union Europäische Volkspartei Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäisches Währungsinstitut Entwicklung und Zusammenarbeit Frankfurter Allgemeine Zeitung Fédération Bancaire de l'Union Européenne (Europäischer Verband der Banken) Freie Demokratische Partei Friedrich-Ebert-Stiftung Fondation Jean-Jaurès Friedrich-Naumann-Stiftung Fédération nationale des syndicats d'exploitants agricoles (Französischer Bauernverband) Gesetz über den Auswärtigen Dienst Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik General Agreement on Tariffs and Trade (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen) Global Environment Facility (Finanzierungsmechanismus der Weltbank für Umweltmaßnahmen in Entwicklungsländern) Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien Geschäftsordnung der Bundesregierung Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit Gemeinschaft Unabhängiger Staaten Gesellschaft für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit Baden-Württemberg Gruppe der Vertreter der drei Weltleitwährungen (USA, Japan, Deutschland) Gruppe der sieben größten Industrienationen Gruppe der sieben größten Industrienationen und Rußland Heinrich-Böll-Stiftung Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung Hanns-Seidel-Stiftung Internationale Beziehungen Israelisch-Deutsche Gesellschaft Institut für Europäische Politik Inkatha Freedom Party (Inkatha Freiheitspartei) Institut Français des Relations Internationales Internationale Politik Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz Internationaler Währungsfonds Japan Center for International Exchange Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin Konrad-Adenauer-Stiftung Länderarbeitsgemeinschaft Liberale Internationale

XVIII MAD NACC NATO NED NELF NGO NPD OECD OSZE PDS PP PS PVS SACEUR SDI SFOR SI SPD SPE SWP UdSSR UBA UN(O) UNCED UNICE UNIDO US, USA VCI VDA VR VRE WEU WHO WTO WWU ZDF ZIB ZParl ZVBw ZVEI

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS Militärischer Abschirmdienst North Atlantic Cooperation Council (Nordatlantischer Kooperationsrat) North Atlantic Treaty Organization (Nordatlantikpakt) National Endowment for Democracy Forum der Neuen Europäischen Linken Non-Governmental Organization (Nichtregierungs-Organisation) Nationaldemokratische Partei Deutschlands Organization for Economic Cooperation and Development (Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Partei des Demokratischen Sozialismus Partido Popular Parti Socialiste Politische Vierteljahresschrift Supreme Allied Commander Europe (Oberster Alliierter Befehlshaber Europa) Strategie Defense Initiative (Strategische Verteidigungsinitiative) Stabilization Force (multinationale Truppe zur Stabilisierung der Friedensregelung für Bosnien-Herzegowina) Sozialistische Internationale Sozialdemokratische Partei Deutschlands Sozialdemokratische Partei Europas Stiftung Wissenschaft und Politik Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Umweltbundesamt United Nations (Organization) (Vereinte Nationen) United Nations Conference on Ecology and Development (UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung) Union of Industrial and Employers' Confederations of Europe (Dachorganisation der Industrie- und Arbeitgeberverbände Europas) United Nations Industrial Development Organization (Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung) United States / United States of America (Vereinigte Staaten von Amerika) Verband der Chemischen Industrie e.V. Verband der Automobilindustrie e.V. Volksrepublik Versammlung der Regionen Europas Westeuropäische Union World Health Organization (Weltgesundheitsorganisation) World Trade Organization (Welthandelsorganisation) Wirtschafts- und Währungsunion Zweites Deutsches Fernsehen Zeitschrift für Internationale Beziehungen Zeitschrift für Parlamentsfragen Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V.

VORWORT

Mit dem vorliegenden Band »Institutionen und Ressourcen« kommt ein mehrjähriges Forschungsvorhaben zum Abschluß, das 1992 begann. Schon während und kurz nach der deutschen Vereinigung widmeten sich die Studien- und Projektgruppen der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) der Frage, welche Folgen sich aus den grundlegenden Veränderungen der europäischen und internationalen Politik sowie der Stellung Deutschlands für die Zukunft der deutschen Außenpolitik ergeben würden. Zwei Konferenzen im Forschungsinstitut erörterten systematisch eine Reihe von Aspekten dieser Problematik. Die Ergebnisse erschienen in zwei »Arbeitspapieren zur internationalen Politik«.1 Eine Reihe kleinerer Publikationen beleuchtete Teilaspekte der neuen Lage.2 Vor allem die Konferenzen halfen jene Fragen zu formulieren, die dann die Grundstruktur des in vier Phasen geplanten Vorhabens bildeten. In einem ersten Schritt untersuchten Autoren aus unterschiedlichen Blickwinkeln die Veränderungen des europäischen und internationalen Umfelds. Das Ergebnis erschien 1994 unter dem Titel »Deutschlands neue Außenpolitik, Band 1: Grundlagen«. In einem zweiten Schritt analysierten Experten aus den verschiedensten Bereichen diejenigen Probleme, die sich nach dem Ende des Ost-West-Konflikts und mit der Uberwindung der europäischen und deutschen Teilung für die Bundesrepublik Deutschland und ihre Partner stellen. Die Ergebnisse wurden 1995 als »Band 2: Herausforderungen« publiziert. Eine Auswertung dieses Bandes legte die Grundlage für den dritten Schritt. Ausgehend von einer generellen Uberprüfung der Frage nach den deutschen Interessen unter den neuen Bedingungen untersuchte eine größere Zahl von Autoren jeweils die deutschen Interessen und wünschenswerte Strategien einer zukunftsorientierten deutschen Außenpolitik auf einer Vielzahl von globalen, multilateralen und bilateralen

1 Vgl. Karl Kaiser/Hains W. Maull (Hrsg.), Die Zukunft der deutschen Außenpolitik (Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Arbeitspapiere zur Internationalen Politik, N r . 72), Bonn 1993; dies. (Hrsg.), Die Zukunft der europäischen Integration: Folgerungen für die deutsche Politik (Arbeitspapiere zur Internationalen Politik, N r . 78), Bonn 1993. 2 Vgl. Karl Kaiser, Deutschlands Vereinigung. Die internationalen Aspekte, Bergisch Gladbach 1991; in der Reihe »Arbeitspapiere zur Internationalen Politik«: Michael Ludwig, Polen und die deutsche Frage (Nr. 60), Bonn 1991; Ingo Kolboom, Vom geteilten zum vereinten Deutschland: Deutschlandbilder in Frankreich (Nr. 61), Bonn 1991; Karl /foiser/Klaus Becher, Deutschland und der Irak-Konflikt. Internationale Sicherheitsverantwortung Deutschlands und Europas nach der deutschen Vereinigung (Nr. 68), Bonn 1992; Nikolaus Meyer-Landrut, Die Entstehung des Vertrags über konventionelle Streitkräfte in Europa und die Herstellung der deutschen Einheit (Nr. 69), Bonn 1992; Ole Diehl, Postsowjetische Risiken. Neue Herausforderungen an die deutsche Sicherheitspolitik (Nr. 70), Bonn 1992; Helmut Hubel, Das vereinte Deutschland aus internationaler Sicht. Eine Zwischenbilanz (Nr. 73), Bonn 1993; ferner die von außenpolitischen Forschungsinstituten aus den Staaten der Europäischen Gemeinschaft gemeinsam für die EG-Kommission erarbeiteten Studien: Die EG und die jungen Demokratien in Europa, Baden-Baden 1991; Falk Bomsdorf et al., Die Risiken des Umbruchs in Osteuropa und die Herausforderungen für die Europäische Gemeinschaft (Arbeitspapiere zur Internationalen Politik, N r . 74), Bonn 1993.

XX

VORWORT

Aktionsfeldern. Anläßlich einer größeren Konferenz von Praktikern und Wissenschaftlern wurden in der Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation in Strausberg Entwürfe und Teilprobleme der Kapitel dieses Bandes erörtert. Die Ergebnisse wurden 1996 als »Band 3: Interessen und Strategien« herausgebracht. Der vorliegende vierte Band untersucht, wie sich der außenpolitische Entscheidungsprozeß unter den gewandelten internationalen Bedingungen verändert hat, welche Akteure hierbei eine Rolle spielen und wo Anpassungsprobleme für die Zukunft erkennbar sind. Wie in der Einleitung der Herausgeber erläutert, erwies sich dieses Vorhaben als unvorhergesehen schwierig, denn die mit der Öffnung der Gesellschaft und der Verflechtung mit der Außenwelt einhergehende Differenzierung, nicht zuletzt auch das Auftreten neuer, bisher ungenügend beachteter Akteure, erforderte auf vielen Sachgebieten originär neue Forschung. Zudem handelte es sich hierbei um Themen, die von der deutschen Politikwissenschaft weitgehend vernachlässigt worden sind. Dieses Vorhaben war nur möglich, weil die Otto Wolff von Amerongen-Stiftung in Köln bereit war, es in seiner Gründlichkeit zu unterstützen. Ihr gebührt deshalb besonders herzlicher Dank. In diesen muß auch die Bundeszentrale für politische Bildung einbezogen werden, die die Verbreitung der Bände unterstützte und damit deren erfreulich aufmerksame Rezeption durch Wissenschaft und Publizistik förderte. Besonderer Dank gebührt den Mitherausgebern Hanns W. Maull, Joachim Krause und Wolf-Dieter Eberwein, die diese Bände konzeptionell mitentwickelten und editorisch mitbetreuten. Die Bände 1 und 2 betreute Gabriele Brenke als verantwortliche Redakteurin. Der frühe Tod dieser begabten Wissenschaftlerin riß eine große Lücke. Das Institut widmete den zweiten Band ihrem Andenken. Zur Kontinuität des Vorhabens trug Sebastian Bartsch wesentlich bei, der als verantwortlicher Redakteur die Bände 3 und 4 mit großer Sachkompetenz und erheblichem persönlichen Einsatz betreute. Ihm sei deshalb besonders gedankt. Im Hause wurden die insgesamt neunzig Autoren und Manuskripte betreut von Ingrid Bodem, Doris Dirks, Annick Ries und Dagmar Uhle. Beatrix Schmelzle und Christian Westhoff leisteten wichtige Hilfe bei Band 4. Das Forschungsinstitut dankt ihnen hierfür herzlich. Auch wenn dieser Band das Forschungsvorhaben abschließt, bleibt die Analyse der Veränderungen des europäischen und internationalen Umfelds und der sich daraus für die deutsche Außenpolitik ergebenden Folgerungen eine ständige Aufgabe der Forschung und des praxisrelevanten Dialogs, wie sie in der DGAP gepflegt werden. Dies erfordern die wachsenden Verantwortungen Deutschlands, das Entstehen einer Vielfalt neuer Staaten und Probleme sowie die für ein offenes Land wie die Bundesrepublik charakteristische Verletzbarkeit gegenüber globalen Entwicklungen. Der vorliegende Band ist Hans L. Merkle zum fünfundachtzigsten Geburtstag gewidmet. Damit soll eine der großen deutschen Unternehmerpersönlichkeiten geehrt werden. Seine Verpflichtung auf das Gemeinwohl gerade unter Bedingungen gewachsener deutscher Verantwortung bleibt Vorbild. Die Republik und die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik verdanken ihm viel. Bonn, im Juni 1998

Karl Kaiser

EINLEITUNG: WISSENSCHAFT U N D AUSSENPOLITISCHER ENTSCHEIDUNGSPROZESS Wolf-Dieter Eberwein und Karl Kaiser Durch die Vereinigung und die Erlangung der vollen Souveränität hat sich die Stellung Deutschlands in der internationalen Politik gewissermaßen über Nacht verändert. Das allein ist Grund genug, darüber nachzudenken, ob bzw. wie es seine Position im internationalen System neu bestimmen muß, welche Rolle es außenpolitisch spielen soll und kann. Die Fülle der Literatur zu diesem Thema beweist, daß darüber in aller Ausführlichkeit diskutiert wird. Heute gibt es viele Antworten auf die Frage, wie Deutschland seinem neuen Status gerecht werden könnte. Auch die Buchreihe »Deutschlands neue Außenpolitik« der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) trägt zu dieser Auseinandersetzung bei. Den Auftakt bildete die »Suche nach Kontinuität in einer Welt des Wandels« 1 - das Leitmotiv des ersten Bandes, in dem die Grundlagen der deutschen Außenpolitik untersucht wurden. Der zweite Band war den neuen Herausforderungen gewidmet, 2 der dritte den außenpolitischen Interessen und Strategien.3 Der hiermit vorliegende vierte und die Reihe abschließende Band beschäftigt sich mit den Institutionen und Ressourcen. Vordergründig mag diese Problemstellung weniger attraktiv erscheinen. Doch wie aus den nachfolgenden Detailanalysen hervorgeht, sind diese beiden Elemente nicht nur konstitutiv für die praktische Durchführung der Außenpolitik, sondern auch wissenschaftlich von großem Interesse, gerade weil sie dort allem Anschein nach bislang vernachlässigt worden sind.

VERFLECHTUNG, INSTITUTIONEN UND AUSSENPOLITISCHE ENTSCHEIDUNGEN Außenpolitik ist nach dem Ende des Kalten Krieges nicht einfacher, sondern schwieriger geworden. Selbst wenn die Ziele die gleichen geblieben sind, ist unbestritten, daß sich das nationale und internationale Handlungsfeld der deutschen Außenpolitik zum Teil dramatisch verändert hat. So geht es etwa bei der Standortdebatte nicht nur um betriebssoziologische Probleme. Ihre Themen können auch unter dem Aspekt der Lohnkostensenkung nicht nur arbeits- und sozialpolitisch betrachtet werden. Vielmehr handelt es sich hier um ein zentrales Problem der Stellung Deutschlands im internationalen System.

1 Karl Kaiserl Hanns W. Maull, Einleitung: Die Suche nach Kontinuität in einer Welt des Wandels, in: dies. (Hrsg.), Deutschlands neue Außenpolitik, Band 1: Grundlagen, 3. Auflage, München 1997, S. XV-XXV. 2 Karl Kaiserl Hanns W. Maull (Hrsg.), Deutschlands neue Außenpolitik, Band 2: Herausforderungen, München 1995. 3 Karl Kaiser/Joachim Krause (Hrsg.), Deutschlands neue Außenpolitik, Band 3: Interessen und Strategien, München 1996.

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EINLEITUNG

Der Prozeß zunehmender internationaler Verflechtung ist schon lange im Gange, hat inzwischen allerdings Dimensionen erreicht, die zu Recht mit dem plastischeren Begriff der Globalisierung umschrieben werden. Die neue Ära des Globalismus verbindet wachsende Interdependenz mit anarchischen Tendenzen.4 Nach und nach sind die Kernelemente des Strukturwandels des internationalen Systems in der wissenschaftlichen Diskussion herausgearbeitet worden. Bereits in den fünfziger Jahren wurde darauf hingewiesen, daß die harte Schale des Territorialstaates durchlässig geworden sei.5 Die Veränderung der Sicherheit des Staates, der sich inzwischen zum Wohlfahrtsstaat weiterentwickelt hatte, wurde spätestens mit der Ölkrise im Jahre 1973 für jeden praktisch nachvollziehbar. Uber die Folgen der zunehmend komplexeren Vernetzung der Staaten und Gesellschaften setzte in den siebziger Jahren eine zum Teil heftig geführte Kontroverse ein. Die damals noch anzutreffende These, internationale Verflechtung sei ein Mythos, 6 dürfte inzwischen wohl niemand mehr ernsthaft vertreten. Heute machen der Treibhauseffekt und die Zerstörung der Ozonschicht deutlich, daß kein Staat mehr in der Lage ist, sich allein gegen die Folgen von bestimmten Gefahren oder Bedrohungen zu schützen. Nationale Sicherheit ist nur noch regional oder gar global definierbar. Aus deutscher Sicht ist die unmittelbare militärische Bedrohung drastisch zurückgegangen. Heute gefährden Wirtschaftskrisen und Umweltrisiken sowie die Probleme der Migration und der organisierten Kriminalität die Stabilität und Sicherheit. Schon hieraus folgt, daß eine Betrachtung der außenpolitischen Entscheidungsstrukturen nicht auf die klassischen Institutionen verengt werden darf. Die Fachressorts sind gleichermaßen in den Prozeß der internationalen, bi- und multilateralen Verflechtung eingebunden. Der Zwang zur internationalen Zusammenarbeit macht sich auch in der Zahl der internationalen Organisationen geltend, denen Deutschland angehört. Hierdurch werden in zunehmendem Maße Ressourcen gebunden. Diese Auffächerung der Außenpolitik hat auch Folgen für deren begrifflichen Bedeutungsgehalt. Während »Außenpolitik« der Wahrnehmung der von den zuständigen Institutionen - dem Kabinett, dem Bundeskanzler und dem für die Ausführung zuständigen Auswärtigen Amt (AA) - offiziell definierten gesamtstaatlichen Interessen dient, umfassen »Außenbeziehungen« die Gesamtheit der Auslandsbeziehungen aller anderen politischen und gesellschaftlichen Akteure, also etwa der Fachministerien, Parteien und Verbände. Die Außenbeziehungen können, müssen aber nicht Teil der Außenpolitik sein. Idealerweise sind sie es dann, wenn sie sich einbetten in die Interessen, die von Kabinett, Kanzler und AA vorgegeben werden. Erstaunlicherweise wird dieses Problem bislang kaum thematisiert, im Gegensatz etwa zum Souveränitätsverlust der Staaten. So behauptet die neorealistische Denkschule, man befände sich heute wieder in einer Situation, in der sich die Großmächte 4 Vgl. Karl Kaiser, Die neue Weltpolitik: Folgerungen für Deutschlands Rolle, in: dm./l Uns-Pcter Schwarz (Hrsg.), Die neue Weltpolitik, Baden-Baden 1995, S. 497-511, hier S. 498-501. 5 Vgl. John H. Herz, Rise and Demise of the Territorial Sute, in: World Politics, Nr. 4, April 1957, S. 473-493. 6 Vgl. Kenneth Ν . Waltz, Theory of International Politics, Reading, Mass. 1979, S. 158.

EINLEITUNG

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neu positionieren. Deutschland, befreit von den Fesseln der Spaltung Europas, müsse sich wieder in eine Großmachtrolle hineinbegeben. 7 Die zentrale Funktion der Außenpolitik wäre dieser Konzeption zufolge nach wie vor die vor allem unilaterale Aufrechterhaltung der eigenen Uberlebensfähigkeit. Andere Bereiche, etwa die Wirtschaft, wären zweitrangig, sofern sie nicht unmittelbar zur Wahrung der eigenen Machtposition im internationalen System beitragen. Alternative Denkansätze sind jedoch bereits in den sechziger und siebziger Jahren entwickelt worden. Unter Bedingungen der Interdependenz 8 und der transnationalen Politik 9 verliert die traditionelle Außen- und Sicherheitspolitik ihre zentrale Stellung. Statt dessen sind im Prinzip sämtliche Tätigkeitsfelder staatlichen Handelns, die grenzüberschreitender Natur sind, gleichermaßen wichtig. Mit dieser Enthierarchisierung ist ein Bedeutungsverlust militärischer Macht verknüpft. Macht und Konkurrenz bleiben zwar nach wie vor zentrale Bestandteile internationaler Politik und nationaler Außenpolitik, doch bekommt Sicherheit einen multidimensionalen Charakter: sie ist nur noch bedingt eindimensional militärisch garantierbar. Auch kann im Prinzip jeder Sachbereich staatlicher Tätigkeit Gegenstand von Konflikt und Konkurrenz werden und ist damit sicherheitspolitisch im weiteren Sinne von Bedeutung. Daraus ergibt sich zugleich, daß zwar unter den Bedingungen komplexer Interdependenz die Wahrscheinlichkeit militärischer Auseinandersetzungen sinkt, gleichzeitig aber die Möglichkeit von Konflikten steigt. Im Prinzip ist deshalb jeder Sachbereich, also auch jedes Fachressort, mit der Wahrung von Wohlstand und Sicherheit befaßt, auch wenn dies in der Regel so nicht gesehen wird. Jeder Sachbereich enthält ein Konfliktpotential, das jederzeit zu einer außenpolitisch akuten Auseinandersetzung führen kann, bei der es um Macht und Einfluß sowie um Sicherheit und Wohlstand des eigenen Landes geht. Wohlstand selbst wird, nicht zuletzt wegen seiner Bedeutung für die innere Stabilität, sicherheitspolitisch relevant. Damit stellt sich zum einen das Problem, inwieweit die Konzeption der nationalen Außenpolitik in diesem umfassenden Sinne der komplexen Interdependenz im internationalen System materiell gerecht wird. Zum anderen stellt sich die Frage, ob die Strukturen der Regierung dieser externen Verflechtung institutionell entsprechen. Eine Konsequenz ist in jedem Falle, daß die formale Dominanz des Auswärtigen Amtes gerade wegen der Enthierarchisierung der Themen nicht mehr der Realität gerecht wird. Daraus ergibt sich weiterhin, daß die Koordinierung der Außenbeziehungen aller Ressorts ganz entscheidend wird. Berücksichtigt man diese institutionelle Dimension der Interdependenz, dann wird unmittelbar einsichtig, warum dieser

7 Vgl. John J. Mearsbeimer, Back to the Future: Instability in Europe After the Cold War, in: International Security, Nr. 1, Sommer 1990, S. 5-56. 8 Vgl. Richard Ν. Cooper, The Economics of Interdependence: Economic Policy in the Atlantic Community, New York 1968. 9 Vgl. Karl Kaiser, Transnationale Politik. Zu einer Theorie der multinationalen Politik, in: Ernst-Otto Czempiel, Die anachronistische Souveränität. Zum Verhältnis von Innen- und Außenpolitik (Politische Vierteljakresschrift (PVS), Sonderheft 1/1969), Köln/Opladen 1969, S. 80-109; Robert O. /fonane/Joseph S.Nye, Jr. (Hrsg.), Transnational Relations alid World Politics, Cambridge, Mass. 1971.

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EINLEITUNG

vierte und abschließende Band der Buchreihe zur neuen deutschen Außenpolitik den Ressourcen und Institutionen gewidmet ist. Ließe sich der internationale Verflechtungsprozeß auf den zwischenstaatlichen Bereich einschränken, so bedeutete dies an sich schon eine wachsende Belastung für die bestehenden Institutionen in bezug auf ihr außenpolitisches Handeln. Denn multilaterale Kooperation ist konfliktträchtig und arbeitsaufwendig. Die Konfliktträchtigkeit beginnt jedoch nicht erst jenseits der Grenzen, sondern bereits zwischen den Ressorts, die zum Teil verschiedene Interessen vertreten. Zusätzlich wird die Situation durch die »Vergesellschaftung der Außenpolitik« verschärft. Zu den verschiedenen staatlichen Akteuren haben sich nichtstaatliche gesellt, deren Entscheidungen außenpolitisch bedeutsam sind und deren Handlungen mitunter erhebliche internationale wie innenpolitische Auswirkungen haben, etwa im Fall von Investitionsentscheidungen großer transnationaler Konzerne oder von Menschenrechtsorganisationen, die einen Handlungszwang auf die Regierungen ausüben. Das ändert aber nichts daran, daß die Staaten nach wie vor die Rahmenbedingungen für diese transnationalen und nichtstaatlichen Akteure normieren. Dafür, daß das internationale System nicht tatsächlich anarchisch im wahrsten Sinne des Wortes ist, spricht die Regimebildung, die inzwischen eine historisch einmalige Dichte erreicht hat. Diese Art der Regulierung ist heute integraler Bestandteil der Außenpolitik und zugleich der Außenbeziehungen aller Fachressorts, die damit ganz wesentlich zur Verrechtlichung in den internationalen Beziehungen beitragen. Für die Thematik der Institutionen und Ressourcen ist auch die seit Jahren geführte wissenschaftliche Diskussion über die Steuerungs- und Kontrollfähigkeit des Staates von Bedeutung. Der Erörterung der speziellen Frage nach dem Funktionswandel des Staates im internationalen System fehlt es allerdings bislang an der notwendigen Tiefenschärfe. Mit dem internen Strukturwandel der Staaten in Verbindung gebracht werden die externen Veränderungen der Staatlichkeit nur in Teilaspekten. Dies gilt etwa für die Folgen des Vergesellschaftungsprozesses der Außenpolitik, der mitunter als demokratischer Gewinn verbucht wird, 10 wohingegen andernorts darauf verwiesen wird, daß der außenpolitische Entscheidungsprozeß durch transnationale Politikmuster erschwert und in seiner demokratischen Substanz ausgehöhlt worden ist. 11 Auch stellt sich die Frage, wie sich dadurch der gestalterische Spielraum nationaler Außenpolitik insgesamt verändert hat. Wenngleich die These plausibel ist, daß der Staat mit seiner normierend regulierenden Kompetenz nach wie vor der zentrale Akteur in der internationalen Politik ist, sagt dies noch nichts darüber aus, wie groß sein Handlungsspielraum effektiv ist. Wenn heute die Bundesregierung ebenso 10 Vgl. Ernst-Otto Czempiel, Vergesellschaftete Außenpolitik, in: Merkur, Nr. 1, 1994, S. 1-14. 11 Vgl. Karl Kaiser, Das internationale System der Gegenwart als Faktor der Beeinträchtigung demokratischer Außenpolitik, in: Probleme der Demokratie heute. Tagung der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW) in Berlin, Herbst 1969 (PVS, Sonderheft 2/1970), Opladen 1971, S. 340-358; äers., Zwischen neuer Interdependenz und altem Nationalstaat. Vorschläge zur Re-Demokratisierung, in: Werner Weidenfeld (Hrsg.), Demokratie am Wendepunkt. Die demokratische Frage als Projekt des 21. Jahrhunderts, Berlin 1996, S. 311-328. Vgl. auch die Beiträge zum Themenschwerpunkt »Demokratie und internationale Politik«, in: Internationale Politik (IP), 4/1998.

EINLEITUNG

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wie eine ganze Reihe von Wissenschaftlern davon ausgeht, daß Deutschland aufgrund seiner veränderten Position über einen vergrößerten Handlungsspielraum verfügt nicht zuletzt bedingt durch die spezifischen Attribute, die Deutschland als große Macht mit globaler Verantwortung auszeichnen - , dann ist Skepsis angebracht. Denn träfe diese optimistische Einschätzung tatsächlich zu, müßte zweierlei nachgewiesen werden können: (i) daß sich das komplexe internationale und innerstaatliche Umfeld seit 1989 leichter in der gewünschten Richtung beeinflussen läßt und (ii) daß die Entscheidungsstrukturen den neuen Rahmenbedingungen ausreichend angepaßt worden sind, um die zunehmende Komplexität bewältigen zu können. Was den ersten Punkt betrifft, so könnte man argumentieren, daß nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums internationale Kooperation einfacher geworden ist. Immer neue Bereiche werden vertraglich und institutionell verregelt. Fortschritte sind unverkennbar, etwa bei der Schiedsgerichtsbarkeit der Welthandelsorganisation (WTO). Doch gleichzeitig zeigt sich, daß die Bereitschaft zur kooperativen Problemlösung keineswegs mit der Uberwindung konfligierender nationaler Interessen gleichzusetzen ist. Die Bemühungen um soziale Mindeststandards im Welthandel oder um die Reduzierung der Treibhausgase machen deutlich, wie schwierig es ist, kollektiv-konsensuale Lösungen mit nationalen Sonderinteressen in Einklang zu bringen. Faktisch verstecken sich in jedem noch so unpolitisch erscheinenden Sachbereich massive politische, wirtschaftliche und soziale Interessen. Die seit einiger Zeit geführte Diskussion über Risiken und Chancen in der internationalen Politik zeigt deutlich, daß die Fülle der Probleme nicht ab-, sondern zunimmt. 12 Im innerstaatlichen Kontext steht Außenpolitik traditionell nicht auf den obersten Rängen der Prioritätenliste der gesellschaftlichen Gruppen und der Bevölkerung. Außen- und Sicherheitspolitik ist der einzige Bereich, der über keine einflußreiche Pressure-group verfügt. Innenpolitische Probleme im allgemeinen und der durch die deutsche Vereinigung zu bewältigende Aufbau- und Integrationsprozeß im besonderen binden psychologisch wie materiell einen nicht unerheblichen Teil der für staatliches Handeln zur Verfügung stehenden Ressourcen. Doch wenn außenpolitische Entscheidungen, wie es häufig der Fall ist, finanzielle Lasten nach sich ziehen, kann es sehr schnell zu innenpolitischen Konflikten über außenpolitische Prioritäten kommen, 13 bei denen die Innenpolitik oft die Oberhand behält. U m erfolgreich zu sein, muß Außenpolitik möglichst auf einem breiten Konsens der Öffentlichkeit beruhen. Wie aber die Debatte über die Einführung einer gemeinsamen europäischen Währung zeigt, enthalten außenpolitische Themen erhebliches innerstaatliches Konfliktpotential, das zur Einschränkung des Handlungsspielraumes führen kann, sei es, weil sich die Politik selbst blockiert oder weil sie die Risiken scheut, die mit bestimmten Entscheidungen verknüpft sind. Viele Entscheidungen 12 Vgl. Wolf-Dieter Eberwein, Überlegungen zur Zukunft Europas, in: ders. (Hrsg.), Europa im Umbruch. Chancen und Risiken der Friedensentwicklung nach dem Ende der Systemkonfrontation, Münster 1997, S.285-314. 13 Vgl. Helga Haftendom, Außenpolitische Prioritäten und Handlungsspielraum. Ein Paradigma zur Analyse der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland, in: PVS, Nr. 1, 1989, S. 32-49.

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EINLEITUNG

haben heute gleichermaßen außen- wie innenpolitische Folgewirkungen, selbst wenn dies immer wieder übersehen oder heruntergespielt wird. Der zweite Punkt führt zu einer zentralen Frage dieses Bandes: Haben sich die außenpolitisch relevanten Institutionen und Akteure den neuen Handlungsbedingungen tatsächlich ausreichend angepaßt, um die zunehmende Komplexität verarbeiten zu können? Hierbei muß das Augenmerk nicht nur auf die Regierung mit den verschiedenen Ressorts gerichtet werden, sondern auch auf wichtige Einrichtungen aus den Bereichen der Politik, der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Gesellschaft. Alle zusammen bilden das komplexe Netzwerk der Akteure, die außenpolitisch bedeutsame Entscheidungen oder Entscheidungen mit außenpolitischen Folgewirkungen treffen. Diese Institutionen sind zugleich integraler Bestandteil der außenpolitisch verfügbaren Ressourcen, die Handlungen und Entscheidungen erst ermöglichen. Die Begriffe »Institutionen« und »Ressourcen« umfassen somit all das, was als außenpolitische Problemverarbeitungskapazität bezeichnet werden kann. Angesichts der gewachsenen internationalen Verflechtung und der zunehmenden Multilateralisierung ist zu erwarten, daß sich diese komplexe Problemstruktur in der institutionellen Arbeitsteilung widerspiegelt. Da viele Probleme zugleich bereichsübergreifend sind, gewinnen Kompetenzverteilung und Koordinierung zunehmend an Bedeutung. Dies kann zu der paradoxen Situation führen, daß die Problemverarbeitungskapazitäten zunehmend für interne Koordinierung in Anspruch genommen und damit der externen Problemlösung entzogen werden. Die Bestandsaufnahme der Institutionen und Ressourcen ist aufgrund der veränderten Rolle Deutschlands im internationalen System ebenso notwendig wie die Anpassung der Politik. Sie gehört zu den Aufgaben der Politikwissenschaft, an die die Frage gerichtet werden muß, inwieweit sie über theoretische Ansätze und empirische Erkenntnisse verfügt, die für die Politik nützlich sind.

FORSCHUNG UND PRAXIS

Wissenschaft und Politik sind durch ein hohes Maß an Fragmentierung gekennzeichnet. Dies ist auf der Ebene der politischen Praxis nahezu unvermeidlich in einem pluralistischen System und in einer bürokratisch-arbeitsteiligen Regierungsorganisation, die sich an die komplexer werdenden Probleme anpassen muß. Querschnittsaufgaben nehmen tendenziell zu. Etwa 40 Prozent der Bonner Beamten des höheren Dienstes sind immer wieder direkt am politischen Entscheidungsprozeß in Brüssel beteiligt. 14 Neue, ressortübergreifende Probleme führen zu Kompetenzstreitigkeiten innerhalb und zwischen den Ministerien oder zwischen dem Bund und den Ländern, obgleich immer wieder tragfähige Lösungen gefunden werden. Auch die gelegentlich aufflackernde Auseinandersetzung über die Schaffung neuer Ressorts - Stichwort 14 Vgl. Wolfgang Wessels, An Ever Closer Fusion? A Dynamic Macropolitical View on Integration Processes, in: Journal of Common Market Studies, Nr. 2, 1997, S. 267-299, hier S.281.

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»Europaministerium« - oder über die Zusammenlegung bestehender Ministerien etwa des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit dem Auswärtigen Amt - ist hier einzuordnen. Derartige Überlegungen zeigen, daß die Notwendigkeit der Anpassung bzw. Veränderung des institutionellen Systems der Regierungs- und Verwaltungsorganisation durchaus gesehen wird. Wie sinnvoll dabei die Vorschläge im einzelnen sind, sei dahingestellt. Daß Anpassung zugleich praktiziert wird, belegen die Bemühungen des Auswärtigen Amtes, die Ausbildung des diplomatischen Nachwuchses den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Auch in der Forschung ist Fragmentierung ein konstitutives Element. Daß verschiedene Ansätze, Paradigmen oder »world views« miteinander konkurrieren, ist zwar mitunter Anlaß für - auch fachinterne - Kritik15 und für den Vorwurf fehlender Praxisrelevanz, gleichzeitig aber eine notwendige Folge der inhaltlichen Ausdifferenzierung der Fachdisziplinen und der Arbeitsteilung, etwa zwischen Grundlagenund Detailforschung, Lehre und Politikberatung. Das zentrale forschungsinterne Problem besteht eher in einem Mangel an ansatzübergreifender Diskussion, der dazu führt, daß über die Tauglichkeit der konkurrierenden Zugänge und Erklärungen nicht durch empirische Validierung oder Falsifizierung entschieden wird, sondern durch Glaubensbekenntnisse. Hinzu kommt, daß »vor allem an den Hochschulen zu wenig Geld für die IB-Forschung vorhanden (ist), da sie von den zuständigen Stellen als nicht besonders relevant angesehen wird« 16 . Die zu Beginn der sechziger Jahre ausgesprochene Empfehlung des Wissenschaftsrates, jeder dritte politikwissenschaftliche Lehrstuhl sollte dem Bereich Außenpolitik/Internationale Beziehungen (IB) zugeordnet werden, ist bis heute Makulatur geblieben. Grundsätzlich können forschungsinterne Auseinandersetzungen auch für die politische Praxis von Bedeutung sein. Ein klassisches Beispiel ist der Sicherheitsbegriff. Ursprünglich eng definiert, besteht heute ein Konsens darüber, daß - wie es auch im Weißbuch des Bundesministeriums der Verteidigung von 1994 heißt - nur ein weiter Sicherheitsbegriff den veränderten Bedingungen entspricht.17 Hat sich diese Einsicht erst einmal durchgesetzt, eröffnen sich für die Wissenschaft neue Forschungsperspektiven. Für die Praxis dagegen stellt sich die Frage, welche institutionellen Konsequenzen daraus gezogen werden sollten. Wie die seit einiger Zeit geführte

15 Vgl. Ernst-Otto Czempiel, Der Stand der Wissenschaft von den Internationalen Beziehungen und der Friedensforschung in der Bundesrepublik Deutschland, in: Klaus von Beyme (Hrsg.), Politikwissenschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Entwicklungsprobleme einer Disziplin (PVS, Sonderheft 17/1986), Opladen 1986, S. 250-263. 16 Volker Rittberger/Hartwig Hummel, Die Disziplin »Internationale Beziehungen« im deutschsprachigen Raum auf der Suche nach ihrer Identität: Entwicklung und Perspektiven, in: Volker Rittberger (Hrsg.), Theorien der Internationalen Beziehungen. Bestandsaufnahme und Forschungsperspektiven (PVS, Sonderheft 21/1990), Opladen 1990, S. 17-47. 17 Vgl. Bundesministerium der Verteidigung, Weißbuch 1994 zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Lage und Zukunft der Bundeswehr, Bonn 1994, S. 26. Den ersten Versuch einer systematischen Untersuchung eines erweiterten Sicherheitsbegriffs unternahm eine Mitte der siebziger Jahre arbeitende Projektgruppe der D G A P . Vgl. Karl Kaiser/Markus Kreis (Hrsg.), Sicherheitspolitik vor neuen Aufgaben, Frankfurt a.M. 1977.

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Debatte über den Zusammenhang von Umwelt und Sicherheit zeigt, bedürfen derartige sprachlich-konzeptionelle Neuerungen eines erheblichen intellektuellen und zeitlichen Aufwandes, um die damit verbundenen Probleme zu klären. 18 Wissenschaftliche Fragmentierung bedeutet auch keineswegs, daß damit ein Dissens über die bzw. ein fundamentaler Wandel der zentralen Fragen der Analyse der Außenpolitik und der internationalen Politik einhergehen würde. Vielmehr kann ein hohes Maß an Kontinuität festgestellt werden, auch wenn diese zuweilen in der Fülle der sich auf Details konzentrierenden Studien untergeht. Wichtige Probleme der Außenpolitikanalyse, die bis heute nichts von ihrer Relevanz eingebüßt haben, wurden bereits in den sechziger Jahren aufgeworfen, etwa das sich wandelnde Verhältnis von Innen- und Außenpolitik 19 oder auch die Frage nach der Gestaltungsfähigkeit der Staaten in einem immer komplexer werdenden internationalen System, die in der westdeutschen Politikwissenschaft insbesondere mit dem Stichwort der »anachronistischen Souveränität« verbunden wurde. 20 Später zeigte die Institutionalismusdebatte im Zusammenhang mit Ansätzen kollektiver Entscheidungen, daß selbst dann, wenn rationale Akteure bereit sind zu kooperieren, die Ergebnisse häufig nur suboptimal ausfallen können. Insofern ergänzt der wissenschaftliche Diskurs die möglicherweise leidvolle Erfahrung der praktischen Politik über die Grenzen der Wirksamkeit staatlicher Außenpolitik. Gleichermaßen relevant ist auch heute die Frage nach der Bedeutung des Territorialstaates. Während sie in den siebziger Jahren vor allem im Zusammenhang mit den neuen Begriffen der transnationalen Beziehungen und Organisationen thematisiert wurde, stehen heute eher die Nichtregierungs-Organisationen (NGOs) im Zentrum der Diskussion. Zudem wird vermehrt die Frage aufgeworfen, ob der Nationalstaat noch zentraler Bezugspunkt kollektiver Identitätsbildung ist, oder ob nicht kommunitaristische oder fundamentalistische Identitäten zunehmend konstitutiv sind.21 Auch darauf, daß der Strukturwandel der internationalen Politik eine Gefahr für den demokratischen Entscheidungsprozeß darstellt, wurde schon frühzeitig hingewiesen. An der Aktualität dieses Problems hat sich seither nichts geändert. Der Begriff der Macht steht seit jeher mit im Zentrum der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Außen- und internationaler Politik, seine Konkretisierung jedoch verändert sich im Laufe der technologischen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklung. Das Modell der komplexen Interdependenz hat zu der - keineswegs generell akzeptierten - Auffassung geführt, daß Macht im Sinne der traditionellen Indikatoren Wirtschaftskraft, militärisches Potential, Territorium und Bevölkerung 18 Vgl. Wolf-Dieter Eberwein, Umwelt - Sicherheit - Konflikt. Eine theoretische Analyse (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Ρ 97-303), Berlin 1997. 19 Vgl. Ekkehart Krippendorff, Ist Außenpolitik Außenpolitik} Ein Beitrag zur Theorie und der Versuch, eine unhaltbare Unterscheidung aufzuheben, in: PVS, Nr. 3, 1963, S. 243-266. Für einen Uberblick zur diesbezüglichen Forschungsentwicklung vgl. Harald MüllerlThomas Risse-Kappen, Internationale Umwelt, gesellschaftliches Umfeld und außenpolitischer Prozeß in liberaldemokratischen Industrienationen, in: Rittberger, a.a.O. (Anm. 16), S. 375-400. 20 Vgl. Czempiel, Die anachronistische Souveränität, a.a.O. (Anm. 9). 21 Vgl. Bertrand Badie, La fin des territoires, Paris 1995.

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heute nur noch bedingt brauchbar ist. Und schon die Nuklearwaffen hatten diese alte Gleichung erheblich relativiert. Heute gilt manchen die technologische Potenz als zentral, anderen nichtmaterielle, ideelle Faktoren. Unbeantwortet bleibt dabei allerdings meist die Frage nach der methodischen Uberprüfbarkeit der tatsächlichen Wirkung jedweder Machtindikatoren. Aus all diesen Beispielen geht hervor, daß in der heutigen Außenpolitikforschung Probleme aktuell sind, die schon in den sechziger und siebziger Jahren thematisiert wurden. Allerdings harrt die institutionelle Binnenstruktur der deutschen Außenpolitik, die grosso modo sämtliche Akteure umfaßt, die direkt oder indirekt grenzüberschreitend tätig sind und zugleich zur Setzung der Rahmenbedingungen außenpolitischer Entscheidungen beitragen, nach wie vor einer systematischen Aufbereitung. An diesem Punkt setzt der nun vorliegende Band an. Sein Ziel ist eine empirisch fundierte Bestandsaufnahme der Funktionen und des Stellenwerts jener Institutionen, die die Außenbeziehungen Deutschlands gestalten oder durch eigene Aktivitäten indirekt beeinflussen. Erkennbar wird dabei die Komplexität demokratischer Außenpolitik der hochgradig international verflochtenen, im Innern stark dezentral verfaßten Bundesrepublik. Entsprechend weit greift das Buch über die klassischen Institutionen der Diplomatie hinaus. Der erste Teil ist den Institutionen der Bundesregierung gewidmet. Er enthält Einzelbeiträge zu den klassischen außenpolitischen Institutionen (Bundeskanzleramt, Auswärtiges Amt und Bundesministerium der Verteidigung), zur »Außenpolitik« der Fachministerien, zum Bundesnachrichtendienst und zum Auswärtigen Dienst. Im zweiten Teil stehen ausgewählte Querschnittsthemen im Entscheidungsprozeß im Mittelpunkt, und zwar die Felder der Europa-, Sicherheits-, Wirtschafts- und Umweltpolitik. Spezifika des politischen Systems und die gesellschaftlichen Akteure bilden den Gegenstand des dritten Teils. Dabei geht es im einzelnen um den Bundestag, die Bundesländer, die Parteien und die ihnen nahestehenden politischen Stiftungen, um die gesellschaftlichen Mittlerorganisationen, die Massenmedien, die Einstellungen von Bevölkerung und Eliten, um organisierte Interessen sowie um die Politikberatung. Abgerundet wird das Buch mit einem Beitrag zur Ausstattung Deutschlands mit verschiedenen Machtressourcen sowie zu der Frage, welche außenpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten diese Ressourcen eröffnen. Die Notwendigkeit, die Institutionen des außenpolitischen Entscheidungsprozesses zum Thema zu machen, zeigt sich bereits daran, daß hierzu seit den siebziger Jahren kein neues Standardwerk mehr erarbeitet worden ist. 22 Die Forschung hat bisher auch nicht jene Teile des Puzzles geliefert, die sich unter dieser Problemperspektive zu einem Gesamtbild zusammenfügen ließen. Zwar ist eine Fülle partieller Analysen vorhanden, doch besteht eine erhebliche Asymmetrie bezüglich der Themen und

22 Vgl. zuletzt Hans-Peter Schwarz (Hrsg.), Handbuch der deutschen Außenpolitik, 2. Auflage, München 1976. Für einen ersten Versuch, zumindest einige Lücken zu schließen, vgl. Hans-Hermann Hartwich/Gottrik Wewer (Hrsg.), Regieren in der Bundesrepublik, Band V: Souveränität, Integration, Interdependenz - Staatliches Handeln in der Außen- und Europapolitik, Opladen 1993, S. 9-37.

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Schwerpunkte. 23 Bei der Bearbeitung der meisten der in diesem Band behandelten Themen konnte nur in geringem Maße auf vorliegende Forschungsergebnisse zurückgegriffen werden. Um so größer war der originäre Forschungsaufwand. Der regelrechte Boom, der Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre im Hinblick auf die Erforschung von Regierung und Verwaltung einsetzte, 24 hat nur vereinzelt auf die Außenpolitikanalyse ausgestrahlt.25 Zu den klassischen Institutionen der Außenpolitik fehlt bis heute ein Standardwerk. Nicht speziell auf die Außenpolitik bezogene Einzelanalysen liegen dagegen insbesondere zur Stellung des Bundeskanzlers im Regierungssystem vor. 26 Keine einzige Monographie gibt es bis heute über die Fachressorts und deren Einbindung in den außenpolitischen Entscheidungsprozeß. Zum Bundesnachrichtendienst gibt es zwar einzelne Veröffentlichungen, 27 seine außenpolitische Bedeutung ist jedoch bislang vernachlässigt worden. Und zur Rekrutierung und Ausbildung der Diplomaten in Deutschland hat es seit den späten siebziger Jahren 28 keine neueren Studien gegeben, ganz zu schweigen von der Ausund Fortbildung der Beamten in den Fachressorts, die in zunehmendem Maße auf der internationalen Bühne tätig sind. Ahnlich stellt sich die Situation bei den Entscheidungsstrukturen zentraler Querschnittsthemen dar. Was die Europapolitik betrifft, so hat das inzwischen zur Analyse der Entscheidungsprozesse im Rahmen der Europäischen Union gebräuchliche Konzept des Mehrebenensystems gezeigt, wie sehr sich dieser Bereich gegenüber anderen internationalen Beziehungen ausdifferenziert und Innen- und Außenpolitik zusammengeführt hat. 29 Auch liegt eine ganze Reihe von Untersuchungen zu Teilaspekten der nationalen Strukturen deutscher Europapolitik vor, etwa zur Rolle des Bundestages, der Länder oder auch der Verbände. Die konkreten Folgen und 23 Vgl. Wolf-Dieter £¿erwin/Barbara Hörsch, The Worlds of Science and Practice: The German Case, in: Michel Gar¿/Wolf-Dieter £ ¿ m p « « / K e i t h Webb (Hrsg.), Theory and Practice in Foreign Policy Making. National Perspectives on Academics and Professionals in International Relations, London/New York 1994, S. 34-50. 24 Vgl. Renate MayntzlFritz W. Scharpf (Hrsg.), Planungsorganisation. Die Diskussion um die Reform von Regierung und Verwaltung des Bundes, München 1973; Peter Grottian/Axe\ Murswieck (Hrsg.), Handlungsspielräume der Staatsadministration. Beiträge zur politisch-soziologischen Verwaltungsforschung, Hamburg 1974. 2 5 Vgl. Helga Haftendom et al. (Hrsg.), Verwaltete Außenpolitik. Sicherheits- und entspannungspolitische Entscheidungsprozesse in Bonn, Köln 1978. 26 Vgl. Ferdinand Müller-Rommel/Gabriele Pieper, Das Bundeskanzleramt als Regierungszentrale, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. Β 21-22/91, 17.5.1991, S. 3-13; Ludger Helms, Executive Leadership in Parliamentary Democracies: The British Prime Minister and the German Chancellor Compared, in: German Politics, Nr. 1, 1996, S. 101-120. 2 7 Vgl. Michael Brenner, Bundesnachrichtendienst im Rechtsstaat. Zwischen geheimdienstlicher Effizienz und rechtsstaatlicher Kontrolle, Baden-Baden 1990. 28 Vgl. Wolf-Dieter Eherwein, Personelle und institutionelle Anpassung des Auswärtigen Amtes an den Strukturwandel in der Außenpolitik. Theoretische Probleme, alternative Modelle und die Realität, in: Udo Bermbach (Hrsg.), Politische Wissenschaft und politische Praxis ( P V S , Sonderheft 9/1978), Opladen 1978, S. 455-483. 29 Vgl. Markus Jachtenfuchs/Bate Kohler-Koch, Regieren im dynamischen Mehrebenensystem, in: dies. (Hrsg.), Europäische Integration, Opladen 1996, S. 15-44; Thomas König/Elmar Rieger/Hermann Schmitt (Hrsg.), Das europäische Mehrebenensystem (Mannheimer Jahrbuch für Europäische Sozialforschung, Band 1), Frankfurt a.M./New York 1996.

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Anpassungsnotwendigkeiten, die sich aus dem Integrationsprozeß für die Arbeitsorganisation der Bundesregierung ergeben, hat die Wissenschaft jedoch bis heute weitgehend ignoriert. Die Sicherheitspolitik ist traditionellerweise ein gut bearbeitetes Forschungsfeld. Doch während es mittlerweile eine Fülle von Studien über die neuen Dimensionen der Sicherheit gibt, fehlen fundierte Analysen zu deren institutionellen Implikationen. So gut wie nichts ergibt eine Literaturrecherche zum wirtschaftspolitischen Entscheidungsprozeß unter den Bedingungen internationaler Interdependenz, 3 0 während im Gegensatz dazu der umweltpolitische Entscheidungsprozeß inzwischen auf die Forschungsagenda gelangt ist. 31 Daß die Bundesländer verstärkt außenpolitische Neigungen entdecken, ist bekannt. Erforscht wird - oft aus einer juristischen Perspektive - primär ihre Beteiligung an der Europapolitik. 3 2 Einen umfassenden Überblick über die Breite der außenpolitikrelevanten Aktivitäten der Länder gibt es dagegen nicht. Ahnlich ist die Situation bezüglich der außenpolitischen Rolle des Bundestages. Die überwiegende Zahl der Publikationen ist juristischer Natur mit einer klar erkennbaren Konzentration auf die europäische Integrationsproblematik. 3 3 Die Parteienforschung ist in der Bundesrepublik fest etabliert. 34 Spezifische Analysen über die außenpolitischen Handlungsmöglichkeiten der Parteien fehlen jedoch, wenn auch seit neuerem die europäischen Parteienföderationen stärker in das Blickfeld der Forschung rücken. 3 5 Zu den internationalen Aktivitäten der politischen Stiftungen sind einzelne Studien erstellt worden, doch bleiben diese in der Regel auf bestimmte Regionen und auf den Ausschnitt der Entwicklungspolitik bzw. der internationalen Demokratisierungshilfe beschränkt, ohne den Stellenwert der Stiftungen in den größeren Zusammenhang der 30 Zu einem Spezialaspekt vgl. Gerhard W. Wittkämper, Transnationale Geld- und Währungssteuerung als Problem nationaler Regierungen, in: Hans-Hermann Hartwich/GoUTÌk Wewer (Hrsg.), Regieren in der Bundesrepublik, Band IV: Finanz- und wirtschaftspolitische Bestimmungsfaktoren des Regierens im Bundesstaat - unter besonderer Berücksichtigung des deutschen Vereinigungsprozesses, Opladen 1992, S. 277-299. 31 Vgl. Michael Strubel, Internationale Umweltpolitik: Entwicklung, Defizite, Aufgaben, Opladen 1992; Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Die institutionelle Dimension der Umweltpolitik. Eine vergleichende Untersuchung zu Frankreich, Deutschland und der Europäischen Union, Baden-Baden 1996. 32 Vgl. Ulrich Fastenrath, Länderbüros in Brüssel - Zur Kompetenzverteilung für informales Handeln im auswärtigen Bereich, in: Die öffentliche Verwaltung, N r . 4, 1990, S. 125-136; Franz H . U . Borkenhagen et al. (Hrsg.), Die deutschen Länder in Europa. Politische Union und Wirtschafts- und Währungsunion, Baden-Baden 1992; Ulla Kalbfleisch-Kottsieper, Die Rolle der Landesregierungen und -Verwaltungen sowie des Ausschusses der Regionen im Europäischen Integrationsprozeß im Hinblick auf die Regierungskonferenz von 1996, in: Andreas Maurerl Burkard Thiele (Hrsg.), Legitimationsprobleme und Demokratisierung der Europäischen Union, Marburg 1996, S. 65-84. 33 Vgl. Philippe A. Weher-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union: Eine rechtsvergleichende Studie zur Beteiligung nationaler Parlamente an der innerstaatlichen Willensbildung in Angelegenheiten der Europäischen Union im Vereinigten Königreich, Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland, Baden-Baden 1995. 34 Vgl. Oskar Niedermayer/Richard Stöss (Hrsg.), Stand und Perspektiven der Parteienforschung in Deutschland, Opladen 1993; Oscar W. Gabriel!Oskar Niedermayer/Richard Stöss (Hrsg.), Parteiendemokratie in Deutschland, Opladen 1997. 35 Vgl. Ernst Kuf er, Transnationale Parteienbünde zwischen Partei- und Weltpolitik, Frankfurt a.M. 1995; Thomas Jansen, Die Entstehung einer Europäischen Partei. Vorgeschichte, Gründung und Entwicklung der EVP, Bonn 1996; Thomas Dietz, Die grenzüberschreitende Interaktion grüner Parteien in Europa, Opladen 1997.

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deutschen Außenbeziehungen zu rücken. 36 Eine noch größere Lücke tut sich bei den gesellschaftlichen Mittlerorganisationen auf. Der Forschungsstand zur öffentlichen Meinung in Fragen der Außenpolitik ist vergleichsweise gut, 37 weniger befriedigend ist er dagegen im Hinblick auf den Prozeß der Meinungsbildung, auf den die Massenmedien einen bedeutenden Einfluß ausüben. 38 Gemischt ist das Bild bei den Interessenverbänden. Zwar ist ihre Präsenz und Einflußnahme im innerstaatlichen und ansatzweise auch im europäischen Rahmen vergleichsweise gut erschlossen, 39 doch die außenpolitische Dimension ihrer Aktivitäten ist bislang weitgehend vernachlässigt worden. Die Mängelliste läßt sich abschließen mit dem Hinweis darauf, daß die Klage über mangelnde Praxisrelevanz der Forschung immer wieder auftaucht, obwohl Politikberatung durch die Wissenschaft erfolgt. Insofern ist es erstaunlich, daß nur eine geringe Zahl von neueren Analysen vorliegt, die sich den Formen und Problemen außenpolitischen Beratung widmet. 40 Angesichts der skizzierten großen Forschungsdefizite kann mit diesem Buch nicht der Anspruch erhoben werden, alle Probleme auf einmal klären zu wollen. Sehr wohl wird aber versucht, zumindest einige Lücken zu schließen und zugleich Anregungen für die weitere wissenschaftliche und politische Diskussion zu liefern. Insgesamt sollte dieser die Buchreihe »Deutschlands neue Außenpolitik« abschließende Band als Aufforderung an die Wissenschaft, aber auch an die Politik verstanden werden, den Institutionen und Ressourcen als zwei zentralen Aspekten der Außenpolitik zukünftig mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden.

36 Vgl. Christoph Wagner, Die offiziöse Außen- und Entwicklungspolitik der deutschen politischen Stiftungen in Lateinamerika, in: Manfred Λ/o/s/Christoph Wagner (Hrsg.), Deutschland - Lateinamerika. Geschichte, Gegenwart und Perspektiven, Frankfurt a.M. 1994, S. 167-228; Stefan Mair, The Role of the German »Stiftungen« in the Process of Démocratisation (ECDPM Working Paper, Nr. 32), Maastricht 1997. 37 Vgl. Hans Ädifmger/Joachim Behnke/Christian Holst, Außenpolitik und öffentliche Meinung in der Bundesrepublik. Ein Datenhandbuch zu Umfragen seit 1954, Frankfurt a.M. 1995. 38 Vgl. Gerhard W. Wittkämper (Hrsg.), Medienwirkungen in der internationalen Politik, 2 Bände, Münster 1986; Jürgen Wilke, Internationalisierung der Massenmedien. Auswirkungen auf die internationale Politik, in: IP, 11/1996, S. 3-10. 39 Vgl. Wolfgang Streeck (Hrsg.), Staat und Verbände (PVS, Sonderheft 25/1994), Opladen 1994; Volker Eichener!Helmut Voelzkow (Hrsg.), Europäische Integration und verbandliche Interessenvermittlung, Marburg 1994. 40 Vgl. Albrecht Zunker, Selbstverständnis und Wirksamkeit externer Politikberatung, in: Axel Murswieck (Hrsg.), Regieren und Politikberatung, Opladen 1994, S. 193-205; Girard! Eberwein/Webb, a.a.O. (Anm.23).

DIE KLASSISCHEN AUSSENPOLITISCHEN

INSTITUTIONEN

Judith Siwert-Probst Regierungschefs, Außenminister und Verteidigungsminister sind die klassischen Akteure der Exekutive in den auswärtigen Beziehungen. Vor dem Hintergrund von vielfältigen Veränderungen der Politikprozesse auf internationaler und nationaler Ebene wandelt sich ihre Bedeutung im außenpolitischen Entscheidungssystem. Welcher Art diese Veränderungen und die daraus resultierenden Anforderungen an die klassischen Institutionen sind und in welcher Weise ihnen in Deutschland entsprochen wird, sind die Leitfragen des vorliegenden Beitrags.

DAS KANZLERPRINZIP IN DER REGIERUNGSZUSAMMENARBEIT Die Frage nach dem eigentlichen Träger der »auswärtigen Gewalt« 1 läßt sich vom Grundgesetz (GG) her nicht eindeutig beantworten. Abgesehen von der Maßgabe, daß der Bund die ausschließliche Gesetzgebung im Bereich der »auswärtigen Angelegenheiten« hat (Art. 73 GG), ist die Zuständigkeitsverteilung nicht strikt festgelegt. Folglich kommt es immer wieder zu Diskussionen über die Streitfrage, ob die auswärtige Gewalt in der alleinigen Verantwortung der Exekutive liegt oder als kombinierte, Regierung und Parlament übertragene Gewalt zu verstehen ist. 2 Auch innerhalb des Verantwortungsbereichs der Exekutive ist die Aufgabenverteilung zwischen den sogenannten klassischen außenpolitischen Institutionen - dem Auswärtigen Amt (AA), dem Bundeskanzleramt und dem Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) - fließend. Die konkrete Ausgestaltung hängt nicht zuletzt vom historischen Umfeld und den Persönlichkeiten der Amtsinhaber ab. Auch wenn die Verfassung im Bereich der Exekutive Kanzler-, Ressort- und Kabinettsprinzip nicht hierarchisch zueinander in Beziehung setzt, so entspricht es doch der herrschenden Meinung, daß der Kanzler bei Bedarf der eigentliche »Herr im Hause« 3 ist. Er besitzt durch seine starke verfassungsrechtliche Stellung - festgelegt in der Richtlinienkompetenz (Art. 65 GG) 4 , in der Organisationsgewalt (Art. 64 G G ) sowie im konstruktiven Mißtrauensvotum (Art. 67 G G ) - gerade auch auf dem Gebiet der Außenpolitik einen breiten Gestaltungsspielraum. 1 Für eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Begriff vgl. Wilhelm G. Grewey Auswärtige Gewalt, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band III: Das Handeln des Staates, Heidelberg 1988, S. 921-975. 2 Vgl. hierzu auch den Beitrag von Joachim Krause in diesem Band. 3 Maunz-Dürig-Herzog-Scholz, Grundgesetz Kommentar, München, Art. 65, Rand-Nr. 41. 4 Die Geschäftsordnung der Bundesregierung (GOBReg) weist in § 1 ergänzend darauf hin, daß es sich bei den Richtlinien sowohl um die der inneren als auch der äußeren Politik handelt. Die GOBReg ist abgedruckt in: Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien. Allgemeiner Teil ( G G O I). Besonderer Teil ( G G O II). Geschäftsordnung der Bundesregierung (GOBReg), Loseblattsammlung, Stuttgart, Kapitel 4.

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INSTITUTIONEN DER BUNDESREGIERUNG

Gleichzeitig sind Richtlinienentscheidungen nicht immer deutlich nachzuvollziehen, da der Kanzler seine politischen Leitgedanken häufig formlos in Grundsatzreden, Regierungserklärungen oder Parteiprogramme einfließen läßt. Die Organisationsgewalt, die dem Kanzler Ernennung und Entlassung der Ressortchefs ermöglicht, erfährt in der Praxis Einschränkungen durch koalitionspolitische Zwänge. 5 Inwieweit der Kanzler seine verfassungsrechtlichen Möglichkeiten ausschöpft und zur Grundlage einer konsequenten außenpolitischen Linie macht, hängt von vielen Faktoren ab, die von seiner Persönlichkeit über die Auswahl der Minister bis zu koalitionspolitischen Notwendigkeiten und parteipolitischer Integrationskraft reichen. Diese politischen Aspekte des Regierungsstils haben den Begriff der »Kanzlerdemokratie« geprägt. 6 Dabei ist strittig, ob es sich u m ein historisches Phänomen oder ein im Grundgesetz angelegtes, verfassungspolitisches Strukturelement handelt. Versteht man unter Kanzlerdemokratie eine historische Machtkonzentration im Bundeskanzleramt zu Lasten des Ressort- und Kabinettsprinzips, so wird es immer Phasen in einer Kanzlerschaft geben, die von einem Mehr oder Weniger an Kanzlerdemokratie geprägt sind. Die Kanzlerschaft Konrad Adenauers ist gewiß als »Kanzlerdemokratie im Wortsinn« 7 zu verstehen. Sein dominanter Regierungsstil innerhalb der exekutiven Machtverschränkungen prägte nachhaltig die Amtsauffassung und dient noch immer als Vergleichsmaßstab. Indem Adenauer, der das Außenministerium bis 1955 in Personalunion führte, vor der Ernennung Heinrich von Brentanos zum Außenminister darauf verwies, daß die Richtlinien in der Europapolitik sowie der Politik gegenüber den USA und der Sowjetunion weiterhin beim Kanzler verbleiben würden, begründete er eine Tradition, in der sich die jeweiligen Bundeskanzler auch über eine außenpolitische Agenda mit eigenen Schwerpunkten definieren. 8 Gerade dies ist aber angesichts der veränderten nationalen und internationalen Rahmenbedingungen ungleich schwieriger geworden. Die Politik der Westbindung unter Adenauer wie auch die Ostpolitik unter Willy Brandt waren von dem Bemühen getragen, im Rahmen der vorgegebenen Strukturen das Beste aus den eng begrenzten Möglichkeiten zu machen. Als Folge der Vereinigung und des Endes des Ost-West-Konflikts verfügt die deutsche Außenpolitik nun über einen erweiterten Handlungsspielraum und ist gezwungen, die Rahmenbedingungen und Handlungsmöglichkeiten nach Maßgabe ihrer Interessen aktiv mitzugestalten. Der Ruf nach mehr internationaler Verantwortung in einem zunehmend komplexer und unübersichtlicher werdenden Umfeld führt gleichzeitig zu einer steigenden Zahl der am nationalen außenpolitischen Entscheidungsprozeß beteiligten Akteure. Je komplexer dabei die Sachzusammenhänge, desto leichter kann es zu einem Spannungsverhältnis zwischen Kanzlerprinzip und Ressortgesichtspunkten kommen, 5 So erhebt etwa die F D P als ständiger Koalitionspartner seit 1969 mit Selbstverständlichkeit Anspruch auf ministerielle Schlüsselpositionen. 6 Vgl. Wilhelm Hennis, Richtlinienkompetenz und Regierungstechnik, Tübingen 1964. 7 Hans-Peter Schwarz, Adenauers Kanzlerdemokratie und Regierungstechnik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), N r . Β 1-2/89, 6.1.1989, S. 15-27, hier S. 27. 8 Beispiele hierfür bieten die Ostpolitik von Willy Brandt, die Außenwirtschaftspolitik von Helmut Schmidt oder die Vereinigungspolitik von Helmut Kohl.

KLASSISCHE I N S T I T U T I O N E N

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denn fragmentierte Entscheidungsprozesse bedürfen einerseits allgemeiner Richtlinienvorgaben, andererseits sollten wichtige Einzelaspekte nicht einer vereinfachten Gesamtsicht zum Opfer fallen. Richtlinienentscheidungen erfordern somit zunehmend die Kunst, aus einer Fülle von Entscheidungsaspekten jene herauszufiltern, die mit Blick auf die politischen Zielvorgaben von unmittelbarer Relevanz sind. Diese Entwicklung wird auch mit dem Begriff der »Koordinationsdemokratie« umschrieben. 9 Dennoch kann auch ein ständig steigender Koordinierungsbedarf nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Kanzler den politischen Entscheidungsprozeß nicht nur auf seine Einheitlichkeit hin »verwaltet«, sondern zugleich Entscheidungswillen und -kompetenz der Exekutive sicherstellen muß. Gerade die außergewöhnlichen politischen Umstände nach dem Ende des Ost-West-Konflikts fordern ein besonderes Maß an Weitsicht und Führungsbereitschaft seitens des Bundeskanzlers. Je nach Bedeutung und Gewicht der zu fällenden Entscheidungen schließt sich hieran mitunter die Behauptung an, der Kanzler würde »einsam« entscheiden und in originäre Ressortkompetenzen hineinregieren. Auch wenn im Rahmen des Vereinigungsprozesses vereinzelte Indizien diese Behauptung vordergründig stützen mochten - z.B. die Geheimhaltung des sogenannten Zehn-Punkte-Programms zur Uberwindung der Teilung Deutschlands und Europas 10 , dessen Inhalt selbst dem Außenminister erst unmittelbar vor der Präsentation im Rahmen der Haushaltsdebatte des Bundestages am 28. November 1989 zugänglich gemacht wurde - , würde es den komplexen Bedingungsfaktoren des außenpolitischen Entscheidungsprozesses kaum gerecht, hieraus verallgemeinernd auf einen »autokratischen« Entscheidungsstil zu schließen. Denn die Entscheidungen des Kanzlers fallen nicht im »luftleeren« Raum, sondern werden von fachlich-konzeptioneller Zuarbeit begleitet, die gerade mit Blick auf die internationalen Sachzusammenhänge und detaillierten Einzelfragen ein zunehmendes Maß an Spezialwissen erfordert. Diese Entscheidungsgrundlagen, die dem Kanzler in formellen oder informellen Gesprächsrunden vorgetragen und zumeist von Experten der mitentscheidenden Ressorts erstellt werden, sind in einer hochgradig spezialisierten Umwelt immer auch Teil der eigentlichen Entscheidung.

E N T S C H E I D U N G S F I N D U N G ALS K O O R D I N I E R U N G S P R O B L E M

Als »Generalist« und »Parteipolitiker«11 ist Helmut Kohl ein Kanzler, der grundsätzlich eher an übergeordneten Leitlinien als an Detailausarbeitungen der Ressorts interessiert ist. Vordergründig führt dies zwar zu einer Stärkung der Ressortverantwortung in Einzel- und Sachfragen, im Ergebnis entsteht jedoch ein erhöhter Koordinierungsbedarf, den es auf mehreren politischen Ebenen aufzufangen gilt. 9 Vgl. Wolf gang Jäger, Von der Kanzlerdemokratie zur Koordinationsdemokratie, in: Zeitschrift für Politik, Nr. 1, 1988, S. 15-32. 10 Abgedruckt in: Europa-Archiv (EA), 24/1989, S. D728-734. 11 Ferdinand Müller-Rommel!Gabriele Pieper, Das Bundeskanzleramt als Regierungszentrale, in: APuZ, Nr. Β 21-22/91, 17.5.1991, S. 3-13, hier S. 12.

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INSTITUTIONEN DER BUNDESREGIERUNG

Bundeskanzleramt Das Bundeskanzleramt unterstützt den Bundeskanzler bei der Erfüllung seiner verfassungsmäßigen Aufgaben und dient ihm gewissermaßen als Geschäftsstelle.12 Da das Kanzleramt im Verfassungstext nicht als eigenständige Institution genannt wird und somit seine Stellung unmittelbar von der des Bundeskanzlers ableitet, ist es ebenso wie der Kanzler selbst in die verfassungsrechtlichen Kompetenzverschränkungen von Kanzler-, Ressort- und Kabinettsprinzip eingebunden. Es bildet das »flexible verfassungsrechtliche Gerüst für eine effektive Zusammenarbeit innerhalb der Bundesregierung« 13 . Die Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit der Bundesregierung hängt wesentlich vom Erfolg des Kanzleramts ab, Sachfragen und Abstimmungsprobleme zwischen den Ressorts durch möglichst effiziente Koordinierungsmechanismen zu steuern und den Kanzler umfassend und frühzeitig über alle Ressortvorhaben in Kenntnis zu setzen. Folglich orientiert sich der Aufbau von Abteilungen, Gruppen (d.h. Unterabteilungen) und Referaten sowohl spiegelbildlich an den jeweiligen Ressorts als auch querschnittsmäßig an ressortübergreifenden Fragen. Da jeder Kanzler um eine eigenständige außenpolitische Agenda bemüht ist, kommt der außenpolitischen Abteilung des Kanzleramts besondere Bedeutung zu.14 Für die Aufarbeitung und Koordinierung der klassischen außenpolitischen Ressortgesichtspunkte ist die Abteilung 2 des Kanzleramts verantwortlich. Hier werden in zwei Gruppen mit insgesamt sieben Referaten die Bereiche Auswärtige Beziehungen, Entwicklungspolitik und äußere Sicherheit bearbeitet. Der fast spiegelbildliche Aufbau der Gruppe 21 gegenüber dem Auswärtigen Amt sowie ihre Besetzung mit Beamten des AA weist auf die Notwendigkeit einer möglichst umfassenden Zusammenarbeit hin, um so dem Kanzler im Rahmen seiner außenpolitischen Aktivitäten vereinfachte Zugriffsmöglichkeiten auf Informations- und Organisationsstrukturen zu ermöglichen. Die Gruppe 22, die mit Beamten des BMVg besetzt ist, befaßt sich mit den klassischen Fragen der Sicherheitspolitik sowie mit der Bundeswehrverwaltung und ist folglich Koordinierungs- und Anlaufstelle für das BMVg, zumal hier auch das Sekretariat des Bundessicherheitsrates (BSR) angesiedelt ist. Auch wenn der außenpolitischen Abteilung zweifellos eine wichtige Rolle zukommt, kann sie in ihrer im Verhältnis zu den entsprechenden Arbeitseinheiten der 12 Vgl. Grundgesetz Kommentar, a.a.O. (Anm. 3), Art. 62, Rand-Nr. 28. 13 Volker Busse, Bundeskanzleramt und Bundesregierung: Aufgaben, Organisation, Arbeitsweise, Heidelberg 1994, S. 50. 14 So war der Erfolg von Brandts Ostpolitik auch ein Ergebnis der Unterstützung des Kanzleramts, speziell des außen- und deutschlandpolitischen Beraters Egon Bahr, der mit den Vorverhandlungen zum Moskauer Vertrag betraut war und die Verhandlungen über den Grundlagenvertrag führte. Helmut Schmidt, der sich selbst als Wirtschafts- und Währungsexperte verstand, zog eher Fachexperten des Kanzleramts als bewährte Parteikollegen in politische Gremien und Gesprächsrunden mit ein. Auch Helmut Kohl, dem mitunter vorgeworfen wird, nur einen kleinen Kreis von politischen Vertrauten im Rahmen sogenannter »Küchenkabinette« am Entscheidungsprozeß teilhaben zu lassen und die Ressource Kanzleramt somit nicht voll auszuschöpfen, hat sich besonders im Vereinigungsprozeß auf seinen außenpolitischen Berater im Kanzleramt gestützt. Zur Kritik an Personalpolitik und Entscheidungsweise Helmut Kohls vgl. Roland Sturm, The Chancellor and the Executive, in: Stephen Padgett (Hrsg.), Adenauer to Kohl. The Development of the German Chancellorship, London 1994, S. 78-105, hier S. 97-99.

KLASSISCHE INSTITUTIONEN

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Ressorts knappen personellen Besetzung eine selbständige Aufarbeitung von Detailund Sachfragen kaum leisten. Allein die Bearbeitung von täglich rund 200 Drahtberichten der Auslandsvertretungen würde den Rahmen des Möglichen sprengen. Da die an das Kanzleramt ausgeliehenen Beamten aus dem AA zudem Generalisten sind und in der Regel nach drei bis vier Jahren wieder versetzt werden, sind Sach- und Detailfragen nur über einen effizient geführten administrativen Interaktionsprozeß mit den Ressorts zu lösen. 15 Für das Kanzleramt geht es darum, in möglichst engem Kontakt mit den Büros der Leitungsebene der jeweiligen Ressorts politische Standpunkte zu koordinieren, Meinungsverschiedenheiten frühzeitig zu erkennen, auszugleichen und wenn nötig auch auf Richtlinienvorgaben des Kanzlers zu verweisen. Kabinett Der außenpolitische Entscheidungsprozeß wird jedoch nicht allein vom Kanzleramt in Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt und dem BMVg beeinflußt, sondern von der Bundesregierung als Kollegialorgan mitbestimmt, der grundsätzlich »alle Angelegenheiten von allgemeiner innen- oder außenpolitischer, wirtschaftlicher, sozialer, finanzieller oder kultureller Bedeutung« zur Beratung und Beschlußfassung zu unterbreiten sind (§15 GOBReg). Da im zunehmend komplexer werdenden außenpolitischen Beziehungsgeflecht auch die Fachressorts Mitsprache fordern und um eine eigene Außendarstellung bemüht sind, hängt die Entscheidungsfähigkeit der Bundesregierung wesentlich vom Erfolg des Kanzleramts ab, die gewünschte einheitliche Meinung möglichst im Vorfeld der eigentlichen Entscheidung herbeizuführen. Den von der G O B R e g vorgegebenen umfangreichen Katalog von Kabinettsangelegenheiten jeweils mit den einzelnen Ressortstandpunkten abzustimmen, erweist sich in der Regierungspraxis oftmals als mühsamer Prozeß. Gerade in Zeiten erhöhten Entscheidungsbedarfs wird deshalb das relativ starke Ressortprinzip zuweilen als Hindernis im Fall schneller Abstimmungsnotwendigkeiten empfunden. 16 Auch wenn die Kabinettssitzung formal das wichtigste Koordinierungsgremium innerhalb der Regierung ist, stellt sich doch die Frage, inwieweit und zu welchen außenpolitischen Problembereichen überhaupt eine abschließende Meinungsbildung

15 Daß die Abteilung 2 unter Horst Teltschik, dem langjährigen Mitarbeiter und außenpolitischen Berater des Kanzlers, an Bedeutung gewann, war eher auf die besonderen Bedingungsfaktoren des Vereinigungsprozesses als auf eine grundsätzlich veränderte Struktur der täglichen Arbeitsweise zurückzuführen. Auch daß Teltschik kein Berufsdiplomat war und sich somit dem Auswärtigen Dienst nicht vorrangig verpflichtet fühlte, dürfte dazu beigetragen haben, daß er weniger die außenpolitischen Vorgaben aus dem Auswärtigen Amt »verwaltet« als vielmehr selbst außenpolitische Weichenstellungen konzeptionell mitgestaltet hat. Die Idee zum Zehn-Punkte-Programm entstand unter seinem maßgeblichen Einfluß, und der Kanzler schickte ihn bei Bedarf als »Sonderbotschafter« nach Washington, Paris, London und Moskau. Vgl. Horst Teltschik, 329 Tage. Innenansichten der Einigung, Berlin 1991; Eduard Ackermann, Mit feinem Gehör. Vierzig Jahre in der Bonner Politik, Bergisch Gladbach 1994, S. 335. Nachdem Teltschik mit Vollendung der Einheit das Kanzleramt verlassen hatte, wurde die außenpolitische Abteilung wieder mit etwas größerer Zurückhaltung von Berufsdiplomaten geführt. 16 Vgl. Wolfgang Schäuble, Die Bewährungsprobe der Normalität. Deutsche Außenpolitik nach dem Gezeitenwechsel von 1989/90, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 2.7.1997.

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im Kabinett erfolgt.17 Da sich das Kabinett im wesentlichen mit Gesetz- und Verordnungsentwürfen und den daraus resultierenden notwendigen Implementierungsschritten befaßt, ergibt sich aus den vergleichsweise geringen Gesetzgebungskompetenzen des AA sowie des BMVg, daß außenpolitische Fragen innerhalb des Gesamtkabinetts weniger strukturiert vorgegeben, sondern eher kurzfristig in die Diskussion einbezogen werden. Eine Möglichkeit bietet hierbei der regelmäßig auf der Tagesordnung erscheinende Punkt »Internationale Lage«, der einerseits dem Bundesaußenminister zur formlosen Berichterstattung dienen kann und andererseits es dem Kanzler ermöglicht, die Ressortchefs auf außenpolitische Kursänderungen hinzuweisen und damit auf das geschlossene Auftreten der Bundesregierung zu verpflichten. Da die Kabinettsvorlagen in der Regel von den federführenden Ressorts ausgearbeitet werden, müssen die jeweiligen Facharbeitseinheiten im Kanzleramt speziell bei Gesetzesvorhaben schon in einem sehr frühen Stadium unterrichtet werden, um den Meinungsbildungsprozeß der Ressorts begleiten zu können. Dieser ressortübergreifende Austausch beginnt auf der Referatsebene und führt - wenn nötig - über die Abteilungsleiter- bis zur Staatssekretärsebene. Verbleibende Fragen werden dann entweder in der Runde der beamteten Staatssekretäre aller Ressorts geklärt oder vom Kanzler selbst im Rahmen einer »Ministerbesprechung« entschieden. Die zunehmend an Bedeutung gewinnende europäische Dimension übergreifender Politikbereiche und der damit verbundene Steuerungsbedarf erfordert eine besonders sorgfältige Unterrichtung des Kanzlers, die in Fragen der Europapolitik auch über den Staatsminister im Auswärtigen Amt erfolgt, der als Vorsitzender des Staatssekretärausschusses für Europafragen zudem einen Sonderstatus am Kabinettstisch besitzt.18 Dem Kanzler ist dadurch die Möglichkeit gegeben, europapolitische Fragen und Koordinierungsprobleme zwischen den Ressorts auf höchster politischer Ebene schnell und definitiv zu entscheiden. Ebenso ist das Kanzleramt im Staatssekretärausschuß durch seinen eigenen, u.a. für die Koordinierung von Europafragen zuständigen Staatsminister vertreten. Der weitere Teilnehmerkreis umfaßt jeweils einen beamteten Staatssekretär aus jedem Ressort, das mit Europafragen befaßt ist, sowie den Ständigen Vertreter der Bundesrepublik bei der Europäischen Union (EU). Die Kabinettsausschüsse sind als außenpolitische Koordinierungsinstrumente unter Helmut Kohl praktisch bedeutungslos geworden. Lediglich der BSR19 tagt noch nach Bedarf, und der bereits 1951 eingerichtete Wirtschaftsausschuß tritt einmal jährlich vor dem Erscheinen des Jahreswirtschaftsberichts zusammen. Aufgrund der ihm verbliebenen Kompetenzen kommt dem BSR jedoch noch immer eine gewisse Bedeutung zu. Als einziger Kabinettsausschuß mit eigener Geschäftsordnung kann er nicht nur empfehlende Beschlüsse an das Gesamtkabinett liefern, sondern auch in eigener Verantwortung in Fragen entscheiden, die nach der Verfassung oder nach einem 17 Durch das Vertraulichkeitsprinzip, das für Kabinetts-, Kabinettsausschußsitzungen und Ministergespräche gilt und sowohl Tagesordnungen als auch Protokolle einschließt, sind hier einer Analyse der außenpolitischen Meinungsbildung der Bundesregierung Grenzen gesetzt. 18 Vgl. hierzu den Beitrag von Werner Hoyer in diesem Band. 19 Zum Bundessicherheitsrat vgl. auch den Beitrag von Lothar Rühl in diesem Band.

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Bundesgesetz nicht dem Gesamtkabinett vorbehalten sind. Viele sicherheitspolitische Fragen wurden in der Vergangenheit dennoch im Rahmen des Nordatlantikpaktes ( N A T O ) vom Bundeskanzler gemeinsam mit dem Außen- und Verteidigungsminister eher auf der informellen Konsultationsebene behandelt. Seit dem Zerfall der Sowjetunion sind die N A T O und ihre Mitgliedstaaten tiefgreifenden Wandlungsprozessen im sicherheitspolitischen Selbstverständnis unterworfen. Ein erweiterter Sicherheitsbegriff stellt neue Anforderungen an ressortübergreifende Koordinierung. Dies erfordert wiederum eigenständige nationale Zielvorgaben und Planungskonzepte. Mit dem BSR existiert zumindest eine Struktur, die den Rahmen zur Bewältigung dieser Aufgaben vorgeben könnte, auch wenn von der in der Geschäftsordnung des BSR vorgesehenen Möglichkeit zur Bildung interministerieller Ausschüsse in der jüngeren Vergangenheit selbst in zentralen Fragen kein Gebrauch gemacht worden ist. 20 Statt dessen erfolgen die wichtigen Abstimmungen direkt zwischen Kanzleramt, A A und BMVg sowohl auf der politischen Leitungsebene wie auch auf der administrativ nachgeordneten Ebene eher in informellen Gesprächsrunden. Koalitionsgremien In einer parlamentarischen Demokratie mit Koalitionsregierungen ist eine permanente Abstimmungs- und Uberzeugungsarbeit Voraussetzung f ü r die Regierungsstabilität. Dabei entwickeln sich Koalitionsgespräche zwischen Partei- und Fraktionsvorsitzenden sowie weiteren führenden Politikern fast zwangsläufig zu unverzichtbaren informellen Koordinierungsinstrumenten. Daß die verantwortlichen Minister, sofern sie nicht Parteivorsitzende sind, keineswegs automatisch an diesen Gesprächsrunden teilnehmen, kann im Ergebnis dazu führen, daß Entscheidungen ohne das verfügbare Fachwissen der Ressorts zustande kommen. Die knappen Mehrheitsverhältnisse der derzeitigen Regierung haben dazu beigetragen, daß sich Koalitionsgespräche - bzw. die sogenannte Koalitionsrunde - zu einem institutionell verfestigten Koordinierungsinstrument mit schriftlichen Einladungen, Tagesordnungen und Beschlußprotokollen entwickelt haben. Zudem finden während der Sitzungswochen fast ständig Ad-hoc-Gespräche statt, sei es im Kanzleramt, in den Landesvertretungen oder

20 Ein administrativ und politisch aufgewerteter BSR in Verbindung mit einer um ihre Analysekapazität verstärkten außenpolitischen Abteilung im Kanzleramt könnte auf institutioneller Ebene die neuen Dimensionen bündnispolitischer Verbindlichkeiten (Stärkung des europäischen Pfeilers der N A T O , Osterweiterung, Auslandseinsätze, Katastrophenhilfe etc.) sinnvoll begleiten. Fragwürdig ist dagegen die Vorstellung, den BSR aufwendig nach dem Vorbild des Nationalen Sicherheitsrates der USA zu organisieren und mit eigenem Etat auszustatten, da ein zu autonomer, dem Kanzler als eine Art persönliches Entscheidungszentrum dienender BSR in Konflikt mit den politischen Planungsebenen des AA und des BMVg geraten könnte und damit eher zu Reibungen als zur Optimierung außenpolitischer Entscheidungsfindung führen würde. Die vom Grundgesetz vorgegebene Struktur der Regierungszusammenarbeit unterscheidet sich nun einmal wesentlich von einem Präsidialsystem, das den Präsidenten gerade nicht in die verfassungsrechtlichen Kompetenzverschränkungen einer Kollegialregierung - und damit in den Anspruch des Mitregierens seitens der Fachressorts - einbindet. Vgl. Hans-Ulrich Seidt, Die Apparate sind hilflos: Deutschland braucht ein eigenes Instrument für Krisenmanagement, in: Denkwürdigkeiten. Journal der Politisch-Militärischen Gesellschaft, N r . 1, Oktober 1997, S. 4-7.

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anderswo, u m dem permanenten K o n s e n s z w a n g zu begegnen. In diesem ständigen Prozeß der K o m p r o m i ß f i n d u n g auf »sub-informeller« Ebene hat kaum jemand mehr einen umfassenden Uberblick darüber, wer mit w e m wann worüber spricht. Im Gegensatz zu den Koalitionsvereinbarungen, die v o m U m f a n g und Inhalt her detaillierter werden und einen offiziellen Charakter bekommen, 2 1 besitzen die Koalitionsrunden einen informellen und vertraulichen Status. Ihre Arbeitsweise sowie ihre politisch verbindlichen Vorentscheidungen schüren mancherorts die Befürchtung, daß hier eine A r t »Uberregierung« entstehen könnte, die zu einer Schwächung des Kabinetts und damit zu einem Unterlaufen der verfassungsrechtlichen Kompetenzen führt. 2 2 Allerdings muß berücksichtigt werden, daß die gewünschte einheitliche Regierungsmeinung nur dann hergestellt werden kann, wenn kontroverse Fragen und komplizierte Sachverhalte gründlich abgestimmt werden. Diese Feinarbeit ist nicht v o m Gesamtkabinett zu leisten. Somit sind Koalitionsrunden ein notwendiges Abstimmungsinstrument, u m das Gesamtkabinett zu entlasten. Allerdings erscheint es fraglich, o b sie als dauerhaftes Regierungsinstrument geeignet sind, einen Koordinierungsbedarf aufzufangen, der weit über koalitionspolitische Allgemeinbestimmungen hinausgeht und K o m p r o m i ß l ö s u n g e n in z u m Teil äußerst komplizierten Sach- und Detailfragen notwendig macht, die zunehmend Spezialwissen erfordern.

RESSORTVERANTWORTLICHKEIT UND PROBLEME DER ZUSTÄNDIGKEITEN

D i e grundsätzliche ministerielle Zuständigkeit für die auswärtigen Beziehungen liegt beim Bundesaußenminister, der den Auswärtigen Dienst, bestehend aus dem Auswärtigen A m t und den Auslandsvertretungen, unter einer einheitlichen Bundesbehörde leitet. Allerdings ist der außenpolitische Entscheidungsprozeß längst nicht mehr die exklusive D o m ä n e des A A . Immer mehr Situationen erfordern die Einbeziehung der Fachressorts. 2 3 D e r Außenminister definiert seine nach wie vor starke Position nicht so sehr über den Verwaltungsunterbau und die Kompetenzen seiner Behörde, sondern vielmehr über den Primat der Außenpolitik, auch wenn dieser durch die verstärkten Außenbeziehungen der Fachressorts sowie durch die Verflechtung von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren zunehmend zur Disposition gestellt wird. A n diese veränderten

21 Vgl. D a s vereinte Deutschland zukunftsfähig machen. Die Koalitionsvereinbarung von C D U , C S U und F D P für die 13. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages ( C D U - D o k u m e n t a t i o n , N r . 37/1994), Bonn 1994. Koalitionsvereinbarungen wurden früher vertraulich behandelt. Nach der deutschen Vereinigung ging man zur Veröffentlichung über. Bereits die Koalitionsvereinbarungen von 1991 wurden zu einer Art »Vollprogramm« für die Regierungsbildung. Auch für die 13. Legislaturperiode erstellte man einen umfangreichen Katalog aller Politikbereiche, einschließlich der großen Linien in der Europa-, Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. 22 Vgl. Waldemar Scbreckenberger, Informelle Verfahren der Entscheidungsvorbereitung zwischen der Bundesregierung und den Mehrheitsfraktionen: Koalitionsgespräche und Koalitionsrunden, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, N r . 3, 1994, S. 329-346. 23 Vgl. hierzu den Beitrag von Lisette Andreae und Karl Kaiser in diesem Band.

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Rahmenbedingungen muß sich der Auswärtige Dienst anpassen. 24 Die im Gesetz über den Auswärtigen Dienst (GAD) 2 5 festgeschriebene Koordinierungskompetenz weist auf das Grundproblem hin, daß Außenpolitik nicht mehr »aus einem Guß« betrieben werden kann und daher das frühere außenpolitische Monopol im wesentlichen durch koordinierende Funktionen in jenen Bereichen ersetzt wird, wo auswärtige Aufgaben nicht mehr umfassend selbst wahrgenommen werden. 26 Vergegenwärtigt man sich, daß neben dem AA rund 250 Arbeitseinheiten anderer Ressorts (ohne BMVg) mit außen- und europapolitischen Fragen befaßt sind, so wird die Schwierigkeit deutlich, Einzelperspektiven zu verbindlichen außenpolitischen Gesamtpositionen, zum Beispiel im Rahmen internationaler Konferenzen, 27 zu verbinden. Nach Maßgabe der GOBReg soll einer Aufsplitterung deutscher Außenpolitik vor allem dadurch entgegengewirkt werden, daß Mitglieder und Vertreter auswärtiger Regierungen und zwischenstaatlicher Einrichtungen nur nach vorherigem Benehmen mit dem AA empfangen werden sollen und Verhandlungen mit dem Ausland oder im Ausland nur mit Zustimmung des AA, auf sein Verlangen auch nur unter seiner Mitwirkung geführt werden dürfen (§11). Ergänzend wird in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) 2 8 darauf hingewiesen, daß oberste Bundesbehörden grundsätzlich nur auf der Grundlage von internationalen oder zwischenstaatlichen Abmachungen mit dem Ausland verkehren und daß bei regelmäßigem Kontakt mit nichtamtlichen Stellen oder Personen im Ausland das AA sowie die jeweiligen Vertretungen vor Ort zu unterrichten sind (§ 76 G G O I). Geht es bei internationalen Verhandlungen und Konferenzen um die Ausarbeitung völkerrechtlicher Ubereinkünfte, so muß das federführende Ministerium das AA rechtzeitig vor der Verhandlungsaufnahme unterrichten und seine Zustimmung einholen (§ 79 G G O II). Die Bundesministerien des Innern (BMI) und der Justiz (BMJ) sind zwecks verfassungsrechtlicher Prüfung immer schon an den Vorarbeiten zu beteiligen. Auch wenn durch diese Bestimmungen die Verantwortlichkeiten des AA bei der Gestaltung der Außenpolitik präzisiert werden sollen, ergeben sich in der politischen

24 Vgl. hierzu den Beitrag von Hans-Friedrich von Ploetz in diesem Band. 25 Abgedruckt in: Bundesgesetzblatt (BGBl) 1990, Teil I, S. 1842-1848. 26 Vgl. Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst. Kommentar unter Berücksichtigung des Auslandsvertretungsgesetzes und der einschlägigen Tarifverträge, Baden-Baden 1996, S. 83 u. 104. 27 So sah sich der Bundeskanzler beispielsweise veranlaßt, im Hinblick auf die Tagung der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen ( U N ) im April 1997, auf der es u m eine gemeinsame China-Resolution der EU-Staaten ging, von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen, um bei unterschiedlichen Bewertungen der Menschenrechtsfrage durch das AA und das Kanzleramt eine Entscheidung herbeizuführen. Ungeachtet des vom Bundesaußenminister an den EU-Ratspräsidenten gestellten Fragenkatalogs zur Menschenrechtssituation in China und der Tatsache, daß die Erstellung gemeinsamer Menschenrechtsberichte maßgeblich auf frühere deutsche Initiativen im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) zurückzuführen ist, fiel im Kanzleramt die Entscheidung gegen eine deutsche Beteiligung an einer solchen Resolution. Dem AA wurde trotz dessen Zuständigkeit für Menschenrechtsfragen der Handlungsspielraum genommen, u m eine Verbesserung der Beziehungen zu China nicht durch eine Verurteilung zu gefährden. 28 Abgedruckt in: BMI, a.a.O. (Anm.4), Kapitel 1.1 ( G G O I) und 2 ( G G O II).

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Praxis speziell durch die Vielzahl neuer Akteure auf nichtstaatlicher Ebene komplexe Beziehungsgeflechte, die sich in weiten Teilen formalisierten Regelungen entziehen. Die Aufteilung der Europapolitik nach inhaltlichen Schwerpunkten auf verschiedene Ressorts läßt aufgrund des ständig zunehmenden Abstimmungsbedarfs immer wieder die Diskussion über Vor- und Nachteile eines eigenständigen Europaministeriums aufflammen und verdeutlicht exemplarisch die Problematik der Federführung. Gebündelt in einem »Superministerium« würde der komplexe Bereich der Europapolitik sicherlich leichter zu koordinieren sein, gleichzeitig aber würden all jene Ressorts »entmachtet« werden, die mit europapolitischen Fragen befaßt sind. Da der Bundeskanzler Vertiefung und Erweiterung der EU zu außenpolitischen Schwerpunkten und damit zu Bereichen seiner Richtlinienkompetenz gemacht hat, liegt die Verantwortlichkeit für die Europapolitik zum einen beim Bundeskanzleramt, das etwa an den Verhandlungen und Abstimmungsprozessen zum Schengener Abkommen unmittelbar beteiligt war. Damit ist die europapolitische Zuständigkeit eine klassische Querschnittsaufgabe des Kanzleramts. Mit der Einrichtung einer Europaabteilung (Abt. E) nach Vollendung des Binnenmarktes hat zum anderen das AA sein im GAD festgelegtes außenpolitisches »Koordinierungsmonopol« umgesetzt. Die Europaabteilung des A A hat mit der zum 1. Juli 1998 in Kraft getretenen Organisationsreform des Auswärtigen Dienstes eine weitere Aufwertung erfahren, indem die Länderreferate für die Mitgliedstaaten der EU von der Politischen Abteilung (Abt. 2) dorthin verlegt worden sind. Während der Politische Direktor der Abt. 2 die koordinierende Gesamtverantwortung speziell für den Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) trägt und durch einen Stellvertreter entlastet wird, erstreckt sich die Zuständigkeit der Abt. E von institutionellen Fragen auf weitere Bereiche der EU-Politik, für die bereits die Europäische Kommission eigene materielle Zuständigkeit besitzt. Durch das grundsätzliche Zusammenfassen aller bilateralen Aufgaben im Bereich der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit in Länderreferate erhalten diese wiederum eine umfassende Zuständigkeit, was die Koordinierungsprozesse sowohl innerhalb der Zentrale als auch mit den Botschaften erleichtern dürfte. Würde man das Auswärtige Amt in »Bundesministerium für Auswärtige und Europa-Angelegenheiten« umbenennen, 29 wäre damit zwar die Diskussion um ein separates Europaministerium beendet, nicht aber das Problem der Federführung gelöst, das sich aufgrund der umfassenden Mitzeichnungspflicht der jeweiligen Ressorts ergibt. Während das AA für die Unterrichtung des Bundestages über grundlegende Aspekte und Entwicklungen in der GASP zuständig ist und auch die Federführung bei der Ausarbeitung des Vertrags von Maastricht besaß, ist das Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) grundsätzlich für die Weiterleitung aller Verordnungs- und Richtlinienentwürfe der EU an den Bundestag sowie an das jeweils federführende Ressort zuständig. Auch das BMWi übernimmt somit Koordinierungsaufgaben, indem es 29 Vgl. Günther van Well, Der Auswärtige Dienst in einer Zeit des Wandels, in: ΕΛ, 14/1992, S. 391-396, hier S. 394.

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sowohl die Europaabteilung des AA als auch das Parlaments- und Kabinettsreferat des Kanzleramts administrativ entscheidend entlastet. Folglich umschreibt der Begriff der Federführung eher organisatorische Verfahrensweisen denn originäre Zuständigkeiten. So liegt die Federführung für die deutsche Beteiligung am Einsatz der multinationalen Truppe zur Stabilisierung der Friedensregelung für Bosnien-Herzegowina (SFOR) beispielsweise gemeinsam bei AA und BMVg, obgleich die Geschäftsführung über das BMVg erfolgt. Und Kabinettsvorlagen zu so richtungsweisenden Entscheidungen wie der Bundeswehrbeteiligung an Auslandseinsätzen entstehen keineswegs allein im Auswärtigen Amt, sondern werden von allen beteiligten Ressorts gemeinsam erstellt. Die Gefahr von Zuständigkeitsüberschneidungen ergibt sich meist, wenn Ressortchefs nicht nur die Richtlinien des Kanzlers begleiten, sondern auch eigene Felder besetzen wollen. Die wachsende wirtschaftliche Verflechtung hat beispielsweise die Außenwirtschaftsförderung zum »vorrangigen Auftrag jeder deutschen Auslandsvertretung« 30 gemacht. Jedoch liegt dabei die Federführung nicht beim AA, sondern beim BMWi. Nachdem Stellenwert, Bedeutung und Chancen der Außenwirtschaft mit dem Ende des Ost-West-Konflikts im Parlament neu bewertet wurden und die Bundesregierung hier eine bereits im Konsulargesetz von 1974 verankerte alte Aufgabe neu entdeckt hat, 31 ist der Bundesaußenminister dennoch bemüht, die Diplomaten verstärkt als Interessenvertreter der deutschen Wirtschaft einzusetzen. Um eine Konkurrenz der mit Außenwirtschaftsfragen befaßten Ressorts zu vermeiden und um Ressourcen zu bündeln, wurde als Ergebnis eines ressortübergreifenden Ministergesprächs Ende 1995 unter Federführung des BMWi auf Arbeitsebene ein interministerieller Ausschuß gebildet, der die außenwirtschaftlich relevanten Maßnahmen der Ressorts mit den Spitzenverbänden der Wirtschaft konzeptionell abstimmen und koordinieren soll. 32 Das ursprüngliche Ziel von sechs jährlichen Treffen wurde bisher zwar nicht umgesetzt, doch erschließt sich die Effizienz von Koordinierung nicht allein aus der Quantität von Leitungsbesprechungen, sondern erfordert permanente Abstimmungsmechanismen auf der Arbeitsebene. Die Themen erstrecken sich von der Mittelstandsförderung bis zur Flankierung von Groß- und Schlüsselprojekten der deutschen Wirtschaft. Eine verbesserte Koordinierung der verschiedenen Träger der Außenwirtschaftsförderung soll besonders in den erweiterten Aufgabenbereich 30 Peter Hartmann, Generalisten im Dienste der deutschen Außenpolitik, in: FAZ, 22.10.1996. 31 Vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 13/2236 vom 1.9.1995 (Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage »Unterstützung deutscher Unternehmen auf den Weltmärkten und Sicherung von Arbeitsplätzen durch eine umfassende Außenwirtschaftskonzeption«); Deutseber Bundestag, Gemeinsame Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft (Protokoll Nr. 77) und des Auswärtigen Ausschusses (Protokoll Nr. 71) vom 18.6.1990 (Öffentliche Anhörung zum Thema »Langfristige Wahrung der wirtschaftlichen Interessen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland«). 32 Regelmäßige Mitglieder sind das BMWi, das AA, die Bundesministerien für Finanzen (BMF), wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) sowie drei Ländervertreter und der Chef des Bundeskanzleramts. Als Vertreter der Wirtschaft nehmen die Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT) und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) teil. Vgl. hierzu und generell zum wirtschaftspolitischen Entscheidungsprozeß den Beitrag von Horst-Dieter Westerhoff in diesem Band.

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I N S T I T U T I O N E N DER B U N D E S R E G I E R U N G

der Vertretungen vor Ort fallen. Durch die engere Vernetzung von Auslandsvertretungen, bilateralen Auslandshandelskammern und den Auslandskorrespondenten der Bundesstelle für Außenhandelsinformation (BfAI) wird der Auswärtige Dienst gewissermaßen auch als verlängerter außenpolitischer Arm des BMWi tätig. Im Vergleich zum AA als einem Querschnittsressort sind die originären Zuständigkeiten des BMVg zumindest für den militärpolitischen Bereich verfassungspolitisch eindeutig vorgegeben. Der Bundesminister der Verteidigung hat in Friedenszeiten die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte (Art. 65 a GG). Die Bundeswehr ist damit auch in die Ressortverantwortung des Ministers eingebunden, was dem Bundeskanzler verbietet, über den Kopf des Ministers hinweg militärische Befehle zu erteilen oder Umstrukturierungen des Militärs zu verfügen. Die starke Stellung des Verteidigungsministers im Kabinett ergibt sich somit daraus, daß die militärpolitischen Führungsaufgaben verfassungspolitisch in die außen-, innen- und wirtschaftspolitischen Gesamtzusammenhänge der Regierungsarbeit integriert sind. Auch wenn sich der Verteidigungsminister bisweilen genötigt sieht, auf den eher unwahrscheinlichen Fall der Landes- und Bündnisverteidigung als unveränderte Hauptaufgabe der Bundeswehr zu verweisen, besteht kein Zweifel darüber, daß sich die Hauptfunktion zunehmend auf Krisen- und Konfliktbewältigung verlagert. Die Bundeswehr soll hier als »eines von mehreren Instrumenten der deutschen Außenund Sicherheitspolitik« 33 dazu beitragen, Konflikte im Vorfeld zu verhindern, einzudämmen oder zu beenden. So stehen die Soldaten beispielsweise beim Aufbau von zivilen Strukturen in Krisengebieten vor völlig neuen Aufgaben, die nicht nur psychologisches Feingefühl sondern auch spezielle Kenntnisse in nicht-militärischen Bereichen erfordern. Indem die Bundeswehr im Rahmen des SFOR-Einsatzes Wiederaufbauhilfe leistet und die Rückkehrbedingungen der Flüchtlinge überprüft, unterstützt sie den Rückführungsbeauftragten der Bundesregierung und trägt damit zur innenpolitischen Lösung des Flüchtlingsproblems bei. Der im AA angesiedelte Sonderstab Bosnien ist für die Koordinierung der Flüchtlingsproblematik innerhalb der sogenannten zivilmilitärischen Zusammenarbeit zuständig. Die Rückführungspolitik kann nur im Einvernehmen und in enger Zusammenarbeit zwischen dem AA und dem Bundesinnenminister bzw. den Innenministern der Länder erfolgen. Daß die verstärkte internationale Präsenz der Bundeswehr ebenfalls zu einer verstärkten Außendarstellung des Bundesverteidigungsministers führt, liegt gewissermaßen in der Natur der Sache. Ein verstärktes internationales Engagement Deutschlands wird in Zukunft möglicherweise aber auch dazu führen, daß andere Kabinettsmitglieder zunehmend den internationalen Rahmen nutzen. In Bosnien etwa wird die ökonomische Entwicklung für das friedliche Zusammenleben bedeutsam sein. Dabei können sich auch für die Bundeswehr als Instrument des BMVg verstärkt ressortübergreifende Berührungspunkte ergeben, die eine intensivere Zusammenarbeit beispielsweise mit dem Umwelt- oder Wirtschaftsministerium erfordern. Auch wenn

33 Bundesministerium der Verteidigung, Weißbuch 1994 zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Lage und Zukunft der Bundeswehr, Bonn 1994, S. 87.

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die eingespielten, zumeist auf informeller Ebene stattfindenden Informations- und Abstimmungsmechanismen zwischen AA, Kanzleramt und BMVg nicht zur Disposition stehen, könnte das BMVg seine direkten Kontakte auch auf andere Ressorts ausdehnen und so den erweiterten Sicherheitsbegriff administrativ verfestigen.

N E U E A U F G A B E N UND ZUKUNFTSPERSPEKTIVEN DER KLASSISCHEN INSTITUTIONEN

Die neuen außenpolitischen Aufgabenstellungen haben in Verbindung mit der Idealvorstellung eines »schlanken« Staates bei Verantwortlichen des AA bereits die ironisch zugespitzte Frage nach einer deutschen Außenpolitik ohne Diplomaten und Botschaften aufgeworfen. 34 Der Bundesaußenminister sieht die Zukunft des Auswärtigen Dienstes neben den traditionellen Aufgaben der Konferenzdiplomatie vorrangig im Dienstleistungsbereich für Wirtschaftsvertreter, Journalisten und Politiker. 35 Inwieweit sich der klassische Diplomat allerdings mit diesem Wandel vom einst mitbestimmenden politischen Akteur zum modernen »Serviceunternehmen« zu identifizieren vermag, wird auch von der Reform des Ausbildungssystems abhängen. Von den Veränderungen der außenpolitischen Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse werden künftig besonders die Botschaften in den Mitgliedstaaten der EU betroffen sein, die mit Hilfe der technischen Vernetzung zunehmend als verlängerter Arm der Zentrale direkt Regierungszusammenarbeit aus den europäischen Hauptstädten leisten und damit eine engere Verzahnung von Innen- und Außenpolitik innerhalb der EU fördern können. Auch werden gemeinsame EU-Vertretungen gegenüber Drittländern Arbeitsbedingungen und Tätigkeitsfelder verändern. Das Ende des Ost-West-Konflikts hat die Bedrohungsszenarien verändert, mit denen sich die NATO-Staaten konfrontiert sehen. Gefürchtet werden nicht mehr vorrangig direkte militärische Angriffe, sondern Regionalkonflikte, die vor allem indirekte Auswirkungen auf das Bündnis haben können. Vor diesem Hintergrund hat die NATO in ihrem Strategischen Konzept vom November 199136 einen breit angelegten sicherheitspolitischen Ansatz formuliert, der zur Krisen- und Konfliktverhütung neben der kollektiven Verteidigung speziell auf Dialogpolitik und präventive Diplomatie setzt. Auch wenn der klassische Verteidigungsauftrag weiterhin als Hauptaufgabe der Streitkräfte herausgestellt wird, so ist es doch unübersehbar, daß die politischen Elemente der Sicherheit an Bedeutung gewonnen haben. Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik in Europa werden darüber hinaus nicht mehr allein von den NATO-Verteidigungsministern diskutiert, sondern sind Bestandteil langer Konferenzserien, die sich von EU-Außenministertagungen und 34 Vgl. Hartmann, a.a.O. (Anm. 30). Für eine ähnlich gelagerte Kritik des amerikanischen Auswärtigen Dienstes vgl. die Überlegungen des ehemaligen Berufsdiplomaten George F. Kennan, Diplomacy Without Diplomats?, in: Foreign Affairs, Nr. 5, 1997, S. 198-212. 35 Vgl. Klaus Kinkel, Diplomat - ein Beruf ohne Zukunft?, in: Die Welt, 12.11.1997. 36 Abgedruckt in: EA, 2/1992, S. D52-64.

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Ministerratstreffen der Westeuropäischen Union (WEU) über Treffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bis hin zu einer Vielzahl bilateraler Verpflichtungen erstrecken, die auf administrativer Ebene von AA und BMVg zu arbeitsintensiven bürokratischen Verflechtungen führen. Im Gegensatz zu eingespielten bilateralen Strukturen, wie dem deutsch-französischen Verteidigungsund Sicherheitsrat, müssen neue Institutionen ihre Rolle innerhalb der westlichen Staatengemeinschaft erst finden. Diesen Prozeß müssen die nationalen Bürokratien hauptsächlich in Form von aufwendiger Informationsaufarbeitung begleiten. Auch die Bundeswehr wird zunehmend in multinationale Verflechtungsprozesse eingebunden. Die neuen Aufgabenstellungen haben ihren Niederschlag im Weißbuch 1994 gefunden, in dem die zukünftigen Aufgaben von Friedensmissionen über Katastrophenhilfe bis hin zu regelmäßiger Ausbildungshilfe für die Armeen der neuen Demokratien beschrieben werden. 37 Zudem haben erhebliche Fortschritte in der Rüstungskontrolle zu umfangreichen Verträgen geführt, die eine neue Dimension militärischer Transparenz zur Folge haben. Die Verifikation dieser Abkommen leistet im Rahmen der präventiven Diplomatie einen Beitrag zu vertrauensbildenden Maßnahmen. Auf organisatorischer Ebene hat die Bundesregierung dieser Entwicklung mit der Einrichtung eines Zentrums für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr (ZVBw) im April 1991 Rechnung getragen. Durch die Entsendung von militärischem Personal für Beobachtermissionen der U N oder der OSZE teilt sich das ZVBw zudem Aufgaben der Präventivdiplomatie mit dem Auswärtigen Amt. Die neuen Dimensionen der Sicherheit und die damit unmittelbar verbundenen Aufgabenerweiterungen der Bundeswehr erhöhen nicht nur den Abstimmungsbedarf zwischen BMVg und anderen Ressorts, sondern konfrontieren das BMVg mit Problemen der organisatorischen Anpassung. Bedenklich erscheint, daß die Verlagerung von operativen Aufgaben auf nachgeordnete Dienststellen der Streitkräfte eher von den Sachzwängen der Sparpolitik bestimmt wird als von langfristig-konzeptionellen Überlegungen. Dem Konzept des BMVg folgend soll das Ministerium bis zum Jahr 2000 auf die Wahrnehmung ministerieller Kernaufgaben und Controllingfunktionen reduziert werden. Die Auslagerung von militärischen Bereichen soll zu einer Straffung der politischen Entscheidungsebene führen und den militärpolitischen Planungsstäben des Ministers mehr Gewicht verleihen. Grundsätzlich ist es zwar sinnvoll, die unübersichtliche Zuständigkeitsverteilung des größten Bundesressorts zu straffen, jedoch darf eine Trennung zwischen strategischer Planungsebene und dem operativen militärischen Bereich nicht zu einer Entfremdung der beiden Ebenen führen. Auch sollten Abstimmungsnotwendigkeiten nicht durch die hierarchische Struktur des BMVg in Verbindung mit Geheimhaltungspflichten behindert werden. Neben den Untersuchungen der Inspektoren des ZVBw verfügt das BMVg beispielsweise über vielfältige Kontakte zu den mittel- und osteuropäischen Staaten, die sich von der Ministerebene über die militärpolitische Stabsebene bis hin zu den Soldaten vor Ort

37 Vgl. BMVg, a.a.O. (Anm. 33), S. 88f.

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erstrecken. Das auf den unterschiedlichen Ebenen erworbene Wissen läßt sich nur durch effiziente Koordinierung zu einem Gesamtbild verbinden. Im Falle der Verifikationsaufgaben kann sich beispielsweise eine enge Zusammenarbeit zwischen den Inspektoren und den Militärattaches in den mittel- und osteuropäischen Staaten als sinnvoll erweisen. Da die Militârattachés direkt vom BMVg entsandt werden, auch an das BMVg direkt berichten und damit der militärpolitischen Berichterstattung im Außendienst gewissermaßen eine Sonderrolle zukommt, sollte es hier zu keinen unnötigen Reibungsverlusten kommen. Denn besonders in instabilen Regionen und in Staaten, in denen diplomatische Vertretungen neu eingerichtet worden sind, kann die militärpolitische Berichterstattung einen erheblichen Beitrag zur Beurteilung der sicherheitspolitischen Situation leisten. Sollen die Erkenntnisse der auf unterschiedlichen Ebenen tätigen Akteure voll genutzt werden, ist es zwingend erforderlich, den Informationsfluß effizient zu kanalisieren. Schließlich werden sich auch neue Anforderungen an das BMVg daraus ergeben, daß die zukünftige Sicherheitspolitik durch die wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungsprozesse grundsätzliche Veränderungen erfahren wird. Modernste Verteidigungstechnologien, beispielsweise im Bereich der Aufklärungs-, Kommunikations- und Sensortechnik, werden benötigt, um Konflikte frühzeitig zu erkennen und effektiv abwehren zu können. Eine präzise Einsatzführung der Bundeswehr wird gerade auf internationaler Ebene mehr denn je von einer adäquaten technologischen Ausrüstung abhängen. Für das BMVg wird sich hier die Notwendigkeit ergeben, verstärkt über den Technologiebedarf und die grundsätzlichen Erwartungshaltungen der Verteidigungspolitik an die Verteidigungsindustrie nachzudenken.

RESÜMEE

Grundsätzlich ist festzustellen, daß die Fragmentierungstendenzen in der Außenpolitik den Handlungsspielraum und die Einflußmöglichkeiten des Bundeskanzlers als wichtigstem außenpolitischen Akteur nicht eingeschränkt haben. Es ist sogar wahrscheinlich, daß der Kanzler gerade durch die zunehmenden Partikularinteressen der Ressorts seine Position als außenpolitische Integrationsfigur stärken kann. Die vage Formulierung der Richtlinienkompetenz ermöglicht es ihm dabei zu jedem Zeitpunkt, wichtige Themen zur Chefsache zu machen und schwerpunktmäßig im Kanzleramt zu bearbeiten. Dennoch darf man nicht übersehen, daß die zwingend notwendige Koordinierung von Einzelinteressen im außenpolitischen Entscheidungsprozeß zwar Machtausübung bedeutet, die eigene inhaltliche Positionsbestimmung jedoch auch in Abhängigkeit von ständig zunehmendem Spezialwissen steht. Das Kanzlerprinzip wird hierdurch in der Regierungspraxis vielfach zum Koordinierungsprinzip. Ein grundsätzliches Problem ergibt sich für den außen- und sicherheitspolitischen Willensbildungsprozeß aus der Tatsache, daß die klassischen Koordinierungsinstrumente innerhalb der Regierungszusammenarbeit entweder kaum genutzt werden (Kabinettsausschüsse) oder sich im wesentlichen auf Notarfunktionen von bereits

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im informellen Vorfeld getroffenen Entscheidungen beziehen (Gesamtkabinett). Der damit verbundene Mangel an Transparenz im Beziehungsgeflecht von koalitionspolitischer Konsensfindung, Ressortinitiativen und Richtlinienvorgaben des Kanzlers erschwert dem Betrachter ein Nachvollziehen von richtungsweisenden außenpolitischen Entscheidungen. Gefragt wäre hier eine größere Transparenz des Kabinettsprinzips z.B. in Form von öffentlichen Tagesordnungen und kurzen Ergebnisprotokollen. Grundsätzlich verantwortlich für die Außenpolitik ist und bleibt der Bundesaußenminister, dessen wichtigstes Instrument noch immer der Auswärtige Dienst ist. Im zunehmend komplexer werdenden Beziehungsgeflecht exekutiver Eigenverantwortungen hat sich das AA dabei generell zu einem Querschnittsressort entwickelt, das sich für die Koordinierung der gesamten Außenpolitik verantwortlich fühlt, die Federführung in Einzelfragen jedoch verstärkt auf andere Fachressorts übertragen muß. In diesem Sinne wird Außenpolitik vom AA eher »verwaltet« als gestaltet. Initiativwirkungen und Ausgestaltung hängen wesentlich von dem persönlichen Führungsstil des jeweiligen Ressortchefs, seiner politischen Erfahrung und natürlich einem tieferen Verständnis außenpolitischer Gesamtkontexte ab. Während sich der Außenminister Bedeutung und Gewicht im Kabinett erarbeiten muß, bekommt der Bundesminister der Verteidigung seine starke Stellung von der Verfassung gewissermaßen mitgeliefert. Gleichwohl stellen die vielfältigen neuen Dimensionen eines vormals fast rein militärpolitischen Sicherheitsbegriffs auch das BMVg vor die Frage, wie dieser Ausdifferenzierung bestmöglich begegnet werden kann. Das BMVg wird auf der politischen Planungsebene zunehmend in ressortübergreifenden Kategorien denken müssen. Allerdings unterscheidet die unmittelbare und ausschließliche Verantwortung für den gesamten militärpolitischen Bereich dieses Ressort in seinen Befugnissen deutlich von den anderen. Auch wenn transnationale Verflechtungs- und Spezialisierungsprozesse an Umfang und Bedeutung zunehmen und damit das Ineinandergreifen von Ressortverantwortungen fördern, werden die klassischen außenpolitischen Institutionen gerade im Zuge dieser Entwicklungen mehr als früher dafür verantwortlich sein, daß die deutsche Außenpolitik einheitlich und konstruktiv die internationalen Rahmenbedingungen mitgestaltet. Dabei wird es auf ein effizient koordiniertes Miteinander ankommen. Nicht Abgrenzung ist gefragt, sondern Zusammenarbeit auf der Grundlage möglichst transparenter Abstimmungs- und Entscheidungsmechanismen.

DIE »AUSSENPOLITIK« DER

FACHMINISTERIEN

Lisette Andreae und Karl Kaiser

Die Bundesrepublik Deutschland war eine global tätige Handelsmacht lange bevor sie 1990 als vereinigtes und von den früheren Souveränitätsbeschränkungen befreites Land zu einem Akteur mit zusätzlicher europäischer und überregionaler Verantwortung wurde. Aber nicht nur im wirtschaftlichen Bereich entwickelte sie außerhalb der mit den außenpolitischen Fragen befaßten klassischen Ressorts Bundeskanzleramt, Auswärtiges A m t ( A A ) und Bundesministerium der Verteidigung ( B M V g ) Außenbeziehungen. 1 Z u m Zeitpunkt der Vereinigung galt dies für das gesamte komplexe System der Bundesministerien. Jedes dieser Ministerien nimmt nach wie vor an den Außenbeziehungen der Bundesrepublik Deutschland teil. 2 Daß diese Rolle der Fachministerien sich derartig entfaltet hat, hängt mit der Entwicklung der internationalen Politik nach dem Kriege zusammen, in die sich die Wiederentstehung (West-)Deutschlands als eine der führenden Industriemächte einbettete und die die Entwicklung der Bundesrepublik zutiefst beeinflußte.

INSTITUTIONELLE FOLGEN ZUNEHMENDER VERFLECHTUNG Das Ende des Ost-West-Konflikts hat zentrale, schon seit längerem bestehende Entwicklungstendenzen der Weltpolitik bestärkt. Eine neue A r a des Globalismus hat begonnen. 3 Die Wissenschaft beobachtet schon seit mehreren Jahrzehnten unter den Konzepten der »Transnationalen Politik« und »Interdependenz« die den Charakter der klassischen zwischenstaatlichen Beziehungen verändernden Entwicklungen. 4

1 Zu den klassischen außenpolitischen Institutionen vgl. den Beitrag von Judith Siwert-Probst in diesem Band. 2 Hierbei handelt es sich um die Bundesministerien des Innern (BMI), der Justiz (BMJ), der Finanzen (BMF), für Wirtschaft (BMWi), Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BML), Arbeit und Sozialordnung (BMA), Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), Gesundheit (BMG), Verkehr (BMV), Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BMBau), Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie ( B M B F ) sowie für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Das frühere Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen ist mit der Vereinigung Deutschlands aufgelöst worden, das Bundesministerium für Post und Telekommunikation kürzlich ebenso. 3 Vgl. Karl Kaiser, Die neue Weltpolitik: Folgerungen für Deutschlands Rolle, in: ders./l lans-I'ctcr Schwarz (Hrsg.), Die neue Weltpolitik, Baden-Baden 1995, S. 497-511. 4 Vgl. Karl Kaiser, Transnationale Politik. Zu einer Theorie der multinationalen Politik, in: Ernst-Otto Czempiel, Die anachronistische Souveränität. Zum Verhältnis von Innen- und Außenpolitik (Politische Vierteljahresschrift (PVS), Sonderheft 1/1969), Köln/Opladen 1969, S. 80-109; Robert O. Keohane/Joseph S .Nye, Jr., Power and Interdependence. World Politics in Transition, Boston 1977. Für einen Uberblick vgl. Beate Kohler-Koch, »Interdependenz«, in: Volker Rittberger (Hrsg.), Theorien der Internationalen Beziehungen. Bestandsaufnahme und Forschungsperspektiven (PVS, Sonderheft 21/1990), Opladen 1990, S.110-129.

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Die neue Ara der Weltpolitik ist durch das dramatische Anwachsen transnationaler Beziehungen entstanden, indem gesellschaftliche Akteure direkt mit Partnern über die Grenzen hinweg in anderen Staaten in Kontakt treten. Hierzu haben tiefgreifende technologische Veränderungen und vor allem Kostensenkungen im Bereich von Kommunikation und Transport sowie nicht zuletzt der von Regierungen industrialisierter Demokratien betriebene Abbau von Grenzbarrieren wesentlich beigetragen. Die Folge ist ein noch nie dagewesenes Ausmaß an Transaktionen zwischen den Gesellschaften in Form von Handel, Direktinvestitionen, finanziellen Transfers, Bewegung von Personen, freiem Fluß von Ideen und Informationen. Ausschlaggebend ist hierbei eine gewisse Autonomie der Akteure, wie sie beispielsweise multinationale Firmen besitzen. Es entstehen komplexe Geflechte von Abhängigkeiten und Verwundbarkeiten. Die Rahmenbedingungen staatlichen Handelns ändern sich damit ebenfalls, denn Regierungen können diese Prozesse oft nur schwer beeinflussen und schon gar nicht beherrschen, zum Beispiel bei der Zinspolitik als Mittel der Konjunkturpolitik, die in hohem Maße vom internationalen Finanzgeschehen abhängig ist. Für ein Land wie Deutschland, dessen Ausfuhrquote rund ein Viertel seines Bruttosozialprodukts ausmacht, dessen Gesellschaft durch offene Grenzen von Entwicklungen in anderen Staaten in hohem Maße beeinflußt wird, hat dies tiefgreifende Konsequenzen. Zwar muß die Bundesrepublik ihre eigenen Interessen zur Grundlage ihres Handelns machen, jedoch ist sie gezwungen, auch die Interessen anderer Staaten, deren Wohlergehen in einer von Abhängigkeiten geprägten Welt für Deutschland von besonderer Bedeutung ist, in ihre eigenen Interessendefinitionen einzubeziehen. Diese Verflechtungszusammenhänge erzwingen gemeinschaftliches Handeln mit anderen Staaten in einem völlig neuen Umfang. Wie wirken sich die zunehmenden transnationalen Beziehungsgeflechte und die grenzüberschreitenden Herausforderungen auf das strukturelle Gefüge der deutschen Außenpolitik aus? Hierbei ist zu unterscheiden zwischen den Auswirkungen auf die Außenaktivitäten der Fachministerien einerseits und den Konsequenzen für die Durchsetzung einer konsistenten, den staatlichen Interessen dienenden Außenpolitik andererseits. Aufgrund des Anwachsens der transnationalen Beziehungen, der Bedeutung dieser Bereiche für Prosperität, Fortschritt und Sicherheit der deutschen Gesellschaft sowie der in diesen Bereichen zu beobachtenden Verwundbarkeiten ist jedes Fachministerium faktisch zum Außenministerium des von ihm verwalteten Sachbereichs geworden. Ein Ressort wie das BMI, das sich vom allgemeinen Verständnis her auf innere Probleme richtet, beschäftigt sich beispielsweise mit folgenden außenbezogenen Fragen: mit der Bekämpfung internationaler Kriminalität, mit Maßnahmen gegen illegale Migration, mit Kriegsflüchtlingen und Asylsuchenden, mit dem Grenzschutz. Die Fachministerien pflegen regelmäßige Kontakte mit den entsprechenden Bürokratien in anderen Staaten, eignen sich die notwendige Expertise bis hin zu Landes- und Sprachkenntnissen an, beschicken internationale Konferenzen, stimmen Gesetzentwürfe mit Partnerbürokratien ab und schaffen innerhalb der eigenen Verwaltung die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen. Bei genauerem Hinsehen stellt sich heraus, daß es praktisch kein Referat in den Fachministerien

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mehr gibt, das nicht direkt oder indirekt mit internationalen Problemen befaßt ist oder davon in der Arbeit berührt wird, seien diese auf die Europäische Union (EU) bezogen, bilateral oder multilateral. Angesichts dieser Lage ist eine wichtige begriffliche Unterscheidung zu beachten: »Außenbeziehungen« umfassen die Gesamtheit der Auslandsbeziehungen der Fachministerien, während »Außenpolitik« der Wahrnehmung der von den zuständigen Institutionen definierten gesamtstaatlichen Interessen dient. Die Außenbeziehungen können, müssen jedoch nicht Teil der Außenpolitik sein. Idealerweise sind sie es dann, wenn sie sich einbetten in die Interessen, die vom Kabinett, dem Bundeskanzler und von dem für die Ausführung verantwortlichen Auswärtigen Amt vorgegeben werden. Mit dem Anwachsen der nicht der Diplomatie zurechenbaren Bereiche und der Aktivität der damit befaßten Fachministerien reduziert sich naturgemäß der relative Anteil des AA am Verwaltungshandeln der Bundesregierung, das nach außen gerichtet ist. Damit steigt die Notwendigkeit der Koordinierung, denn die Ausdifferenzierung der Außenbeziehungen der bundesdeutschen Bürokratie zwingt die Bundesregierung, dieses Handeln den von der Politik formulierten und vom Parlament legitimierten Zielsetzungen unterzuordnen und daraus eine möglichst konsistente und den deutschen Interessen dienende Politik zu machen.5 Die dramatisch angewachsenen Außenaktivitäten der Fachministerien machen diese Koordinierung nötiger denn je. Zugleich kann das AA die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zum Ausland sowohl auf bilateraler als auch auf multilateraler Ebene aufgrund der wachsenden Komplexität der Sachbereiche nicht mehr allein bewältigen. Dies gilt sowohl für die Personalkapazität als auch für die Sachkompetenz. Im Auswärtigen Amt gilt das Generalistenprinzip, wonach ein Beamter in allen Sachbereichen ungeachtet seiner Vorbildung einsetzbar sein muß. Da aber auch im bilateralen und multilateralen Rahmen fachspezifische und komplexe Themen abgestimmt und verhandelt werden, ist einschlägiger Sachverstand aus den zuständigen Fachministerien unverzichtbar. Dies gilt insbesondere für die Politik im EU-Rahmen, wo die Vernetzung schon sehr weit fortgeschritten ist, so daß drei Ressorts bereits eigene Europaabteilungen eingerichtet haben 6 und mit den Ressorts anderer EU-Staaten eng zusammenarbeiten. Das AA verfügt zwar zur Wahrnehmung seiner Koordinierungsfunktion über entsprechend zuständige Arbeitseinheiten für alle Politikbereiche der Bundesregierung. Diese können jedoch aus Gründen unzureichender Kapazität und teilweise ungenügender Sachexpertise nur mit begrenzter Intensität für die Durchsetzung nationaler Prioritäten im außenpolitischen Geschehen sorgen. 5 Entsprechend heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf die kürzlich gestellte Große Anfrage der Opposition zur Reform des Auswärtigen Dienstes: »>Reine< Außenpolitik wird unter den Bedingungen der Globalisierung immer seltener - ebenso wie >reine< Innen- oder Ressortpolitik ... Dies bedingt eine enge gegenseitige Abstimmung zwischen Auswärtigem Dienst und den Innenressorts.« Deutscher Bundestag, Drucksache 13/10300 vom 1.4.1998, S.7. 6 Hierbei handelt es sich im BMWi u m die Abteilung E (Europapolitik), im BMF u m die Abteilung IX (Europäische und internationale Finanzbeziehungen) sowie im BMA um die Abteilung VII (Europäische und internationale Sozialpolitik). Im B M G gibt es eine Unterabteilung Ζ 2 (Angelegenheiten der EU, internationale Zusammenarbeit).

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Eine mit den Fachministerien abgestimmte außenpolitische Haltung ist für eine wirkungsvolle Durchsetzung nationaler Positionen im Außenverhältnis unerläßlich. U m z u gewährleisten, daß die von der Bundesregierung vorgegebenen und vom A u s wärtigen A m t umzusetzenden allgemeinen außenpolitischen Ziele und Leitlinien die deutsche Politik bestimmen, haben sich eine Reihe von Mechanismen herausgebildet.

AUSSENVERTRETUNG UNTER BEDINGUNGEN VON VERFLECHTUNG D a s Anwachsen der Außentätigkeiten der Fachministerien hat die prinzipielle Priorität des Auswärtigen Amtes bei der konkreten Ausgestaltung und U m s e t z u n g der außenpolitischen Vorgaben nicht geändert. E s bleibt verwaltungsmäßig für alle außenpolitischen Aktivitäten zuständig. D i e wichtigsten rechtlichen Grundlagen hierfür bilden das Grundgesetz, die Geschäftsordnung der Bundesregierung ( G O B R e g ) 7 und die G e m e i n s a m e Geschäftsordnung der Bundesministerien ( G G O ) 8 . N a c h § 11 (2) G O B R e g dürfen Verhandlungen mit dem Ausland oder im Ausland nur mit Zustimmung des A A , auf sein Verlangen auch nur unter seiner Mitwirkung geführt werden. F ü r die Besetzung der Delegationsleitung bei internationalen Verhandlungen gilt auch heute noch eine Verwaltungsordnung des Bundeskanzleramts aus dem Jahre 1953, die besagt, daß die Delegationsleitung ausschließlich beim Auswärtigen A m t liegt, selbst wenn das sachlich zuständige Fachministerium die Federführung hat. D a s A A übernimmt die Delegationsleitung vor allem immer in jenen Fällen, in denen die Verhandlungen von besonderer außenpolitischer Relevanz sind. E s kann natürlich freiwillig auf die Delegationsleitung verzichten und sie dem entsprechenden Fachministerium übertragen. Möglich ist auch, daß das Fachministerium und das A A die Delegationsleitung gleichberechtigt übernehmen. In der Praxis verhält es sich meist so, daß jenes Ministerium, das auf einer Konferenz oder Verhandlung ranghöher vertreten ist, die Delegationsleitung stellt. D e s weiteren ist in § 76 (1) G G O I festgeschrieben, daß die Obersten Bundesbehörden mit den Vertretungen fremder Mächte und zwischenstaatlichen Organisationen nur dann verkehren, wenn internationale oder zwischenstaatliche Abmachungen dies vorsehen oder die Bundesregierung dies ausdrücklich beschlossen hat. Vor der A u f nahme von Verhandlungen und der Teilnahme an Konferenzen über völkerrechtliche Vereinbarungen (Staatsverträge, Ubereinkommen, Regierungsabkommen, Ressortabk o m m e n , N o t e n - und Briefwechsel) mit auswärtigen Staaten und mit internationalen Organisationen muß das federführende Ministerium das Auswärtige A m t rechtzeitig unterrichten und seine Zustimmung einholen (§ 79 G G O II). Ein Fachministerium muß sich mit d e m Auswärtigen A m t im voraus abstimmen, wenn es öffentliche Erklärungen mit A u s l a n d s b e z u g abgeben möchte. 7 Abgedruckt in: BMI (Hrsg.), Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien. Allgemeiner Teil (GGO I). Besonderer Teil (GGO II). Geschäftsordnung der Bundesregierung (GOBReg), Loseblattsammlung, Stuttgart, Kapitel 4. 8 Abgedruckt in: ebd., Kapitel 1.1 (GGO I) und 2 (GGO II).

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Einen Sonderfall bildet die Vertretung der Bundesregierung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft/Europäischen Union. Aufgrund einer Vereinbarung aus dem Jahr 1958 zwischen den Ministern Ludwig Erhard und Heinrich von Brentano ist diese so geregelt worden, daß das AA im Allgemeinen Rat die Sprecherrolle ausübt, nicht jedoch in den Fachministerräten, während die vorbereitenden Koordinierungssitzungen unter dem Vorsitz des BMWi stattfinden. Die Fachministerien können sich durch die Entsendung eigenen Personals an die Botschaften und Vertretungen des Bundes bei internationalen Organisationen nicht nur Informationen für die eigene Tätigkeit verschaffen, sondern vermögen dadurch auch in begrenztem Umfang Einfluß auf die Tätigkeit der diplomatischen Vertretungen zu nehmen, entweder direkt mittels des Vertreters oder indirekt über die Koordinierung in Bonn durch Beeinflussung der Weisungen an die Botschaften. In der Vergangenheit haben die Fachministerien versucht, durch die Beantragung eigener Stellen beim B M F die Entsendung eigenen Personals auszubauen. Seinerzeit hatte sich das AA dagegen gewehrt, jedoch wurde zwischen den Fachministerien und dem Auswärtigen Amt Einvernehmen darüber erzielt, daß die Ressorts eigene Bedienstete an Vertretungen der Bundesregierung entsenden dürfen. An den Auslandsvertretungen der Bundesrepublik arbeiten heute zusätzlich zu den rund 950 Bediensteten des Auswärtigen Amtes auf der Ebene des höheren Dienstes etwa 250 Referenten aus anderen Ressorts, also rund ein Viertel.9 Zum Vergleich: In den diplomatischen Vertretungen der USA ist dieser Anteil sogar auf 63 Prozent gestiegen.10 Die Fachministerien haben für die Organisation ihrer Außenaktivitäten durchaus unterschiedliche strukturelle Lösungen gefunden. Da die Verflechtung innerhalb der Europäischen Union besonders intensiv ist, haben drei Ministerien wie schon erwähnt eigene Europaabteilungen gegründet. Andere haben darauf verzichtet und organisieren die Kontakte auf Unterabteilungs- oder Referatsebene. Einige Ministerien wie z.B. das B M U und das B M B F verfügen über eigene Unterabteilungen für internationale Zusammenarbeit, die neben den funktionalen Referaten und Abteilungen die internationale Tätigkeit koordinieren. Auf die hierbei entstandenen transnationalen Netzwerke und ihre Tätigkeit soll unten noch eingegangen werden. Für das Netzwerk der Kooperation besonders wichtig sind die zeitweise beurlaubten Mitarbeiter, die nach ihrer Rückkehr ins entsendende Ministerium naturgemäß nicht nur erweiterte Sachkenntnis, sondern die erforderlichen persönlichen und institutionellen Kontakte mitbringen, die für die weitere Arbeit wichtig sind. Darüber hinaus entsenden viele Ministerien auch Mitarbeiter in internationale Organisationen, insbesondere in die Organe der EU, die zwar damit zu internationalen Beamten werden, jedoch nach wie vor für die Ministerien als Kontakt- und Informationsquelle von Bedeutung bleiben. Mit dem Ende des Kalten Krieges ist die Außenpolitik von den darauf bezogenen ideologischen und machtpolitischen Prärogativen befreit worden. Auch die Bundesrepublik Deutschland braucht deshalb als Mitglied des westlichen Lagers nicht mehr 9 Vgl hierzu auch den Beitrag von Hans-Friedrich von Ploetz in diesem Band. 10 Vgl. Strobe Talbott, Globalization and Diplomacy: A Practitioner's Perspective, in: Foreign Nr. 108, Herbst 1997, S. 69-83, hier S. 78.

Policy,

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im gleichen Ausmaß wie in der Vergangenheit durch ihr außenpolitisches Verhalten andere Staaten zugunsten »des Westens« zu beeinflussen. Von der Last des Ost-WestKonflikts befreit können fachbezogene Außenbeziehungen wie beispielsweise die Entwicklungszusammenarbeit sachbezogener gestaltet werden, d.h. in dieser Hinsicht kann das Primat der Außenpolitik in den Hintergrund treten.

PRIMAT DER AUSSENPOLITIK GEGENÜBER DER FACHPOLITIK

Im Zuge der Globalisierung wird es immer schwieriger, die besondere Hervorhebung der Außenpolitik gegenüber fachspezifischem Regierungshandeln der einzelnen Ressorts mit Außenbezug zu rechtfertigen. Ist die »klassische« Außenpolitik nach wie vor so dominierend, daß auch heute noch vom »Primat der Außenpolitik« gesprochen werden kann? Je stärker die Fachressorts Außenbeziehungen selbst mitgestalten und damit außenpolitisch in Erscheinung treten, desto mehr scheint der exklusive Rang der klassischen Außenpolitik verringert zu werden. Trotz dieser Entwicklung haben alle Bundesregierungen der Nachkriegszeit am Primat der Außenpolitik festgehalten. Es gilt auch heute, wenn hierunter die Durchsetzung gesamtstaatlicher Interessen gegenüber davon eventuell abweichenden Partikularinteressen der Fachministerien in ihren Außenbeziehungen gemeint ist. Hierfür bleibt ungeachtet der übergeordneten Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers das Auswärtige Amt zuständig. Zu den außenpolitischen Zielen gehört als zentraler Bestandteil die Sicherstellung gut funktionierender diplomatischer Beziehungen zu jenen Staaten, die für Deutschland von besonderer sicherheitspolitischer und wirtschaftlicher Bedeutung sind. In der Sicherheitspolitik sind dies vor allem die Verbündeten im Nordatlantikpakt (NATO), seit dem Ende des Kalten Krieges aber auch immer stärker die Staaten in Mittel- und Osteuropa, im wirtschaftlichen Bereich insbesondere die westlichen Industriestaaten vor allem die Staaten der E U - , der asiatische Raum und einige (erdölexportierende) Staaten im Nahen Osten. Zur Grundausrichtung deutscher Außenpolitik zählt ferner die freiwillige Einbindung in multilaterale Organisationen, allen voran die E U und die N A T O . Mit dieser eindeutigen und bewußt verfolgten Abkehr von der Methode des Alleingangs, wie sie in der Vergangenheit von Deutschland praktiziert worden war, will die Bundesregierung sich auch heute als verläßlicher Partner gegenüber seinen Verbündeten beweisen. Die Verfolgung außenpolitischer Interessen unter Absprache mit anderen, gleichgesinnten Staaten entspringt auch der Überzeugung, daß vitale politische Interessen des Landes im Alleingang nicht durchzusetzen sind." Wie sich das Spannungsverhältnis zwischen dem Primat der Außenpolitik und den Außenbeziehungen der Fachressorts auswirkt, soll anhand einiger ausgewählter

11 Vgl. Karl Kaiser!Hanns W. Maull, Einleitung: Die Suche nach Kontinuität in einer Welt des Wandels, in: dies. (Hrsg.), Deutschlands neue Außenpolitik, Band 1: Grundlagen, 3. Auflage, München 1997, S. XV-XXV, hier S. XVIII.

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Beispiele aus der jüngsten Regierungspraxis veranschaulicht werden, die verschiedene Dimensionen dieses Konkurrenzverhältnisses deutlich werden lassen. Es überrascht nicht, daß das BMZ, dessen Betätigungsfeld ausschließlich im Ausland liegt, die meisten potentiellen Reibungspunkte mit dem Auswärtigen Amt aufweist. Während das BMZ die Gewährung von Entwicklungshilfe von der Erfüllung festgelegter Kriterien abhängig macht, 12 spielen für das AA übergeordnete politische Interessen und Verpflichtungen zusätzlich eine Rolle. So hatte die Bundesregierung beispielsweise nach dem Ende des zweiten Golfkriegs im Jahr 1991 den Beschluß gefaßt, allen durch den Krieg geschädigten Staaten zu helfen. Auch Syrien erhielt auf dieser Grundlage Unterstützung seitens der Bundesrepublik. Dies verstieß gegen die entwicklungspolitischen Vorgaben, denn Syrien beachtet weder die Menschenrechte noch marktwirtschaftliche Grundsätze und hat zudem erhebliche Schuldenrückstände. Schon früher hatte sich eine vergleichbare Situation im Hinblick auf Ägypten während der Jahre nach der Vereinbarung von Camp David von 1978 ergeben. Auch in diesem Fall wurde Entwicklungshilfe geleistet - damals als Antwort auf die Friedenspolitik Ägyptens gegenüber Israel obwohl Ägypten im Innern keine den westlichen Vorstellungen entsprechende Politik verfolgte. Hier setzte sich das AA mit seiner vom Primat der Außenpolitik geleiteten Politik gegenüber dem entwicklungspolitisch orientierten Handeln des BMZ durch. In manchen Fällen aber, in denen sich das Auswärtige Amt aus außenpolitischen Erwägungen gegen die Kürzung oder Aussetzung von Entwicklungshilfe ausspricht, kann das BMZ unter Verweis auf die Nichterfüllung der Kriterien die Oberhand gewinnen. Beispielsweise wurde die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit Indien seitens des BMZ wegen Uberrüstung und Nichteinhaltung marktwirtschaftlicher Grundsätze trotz Einspruchs des AA eingeschränkt. Der Konflikt löste sich schließlich, als Indien die Rüstung drosselte und Liberalisierungsmaßnahmen in der Wirtschaft einführte. Auch im Falle Pakistans äußerte das AA Bedenken hinsichtlich einer starken Konditionierung der Entwicklungshilfe, die das BMZ angesichts von Uberrüstung, schlechter wirtschaftlicher Performance, Uberbürokratisierung, Korruption und der Drogenproblematik für angebracht hielt. Da es sich in diesem Fall um die Gewährung von Entwicklungshilfe im multilateralen Rahmen durch die Weltbank handelte, stand neben der Verfolgung nationaler Interessen auch das politische Ansehen Deutschlands auf der internationalen Bühne auf dem Spiel, denn die großzügige Unterstützung eines Landes wie Pakistan ist dem Vorbildcharakter Deutschlands nicht unbedingt zuträglich, so daß das AA diesen Gesichtspunkt bei der Definition seiner Position berücksichtigen muß.

12 Die Bundesregierung hat Kriterien für den Einsatz von Instramenten und Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit festgelegt, die sowohl auf den Umfang als auch auf die Art der Zusammenarbeit Einfluß haben. Es handelt sich um »Beachtung der Menschenrechte, Beteiligung der Bevölkerung an politischen Entscheidungen, Rechtstaatlichkeit und Gewährleistung von Rechtssicherheiten, Einführung einer sozialen Marktwirtschaft sowie Entwicklungsorientierung staatlichen Handelns«. Vgl. BMZ (Hrsg.), Entwicklungspolitische Konzeption des BMZ (BMZ aktuell, Nr. 072), Bonn Oktober 1996, S. 8.

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Dennoch bleibt es auch nach dem Ende des Kalten Krieges prinzipiell beim Primat der Außenpolitik in Feldern, w o es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Fachministerien und Auswärtigem A m t kommen kann. Dies zeigte sich beispielsweise in aller Deutlichkeit bei der Auseinandersetzung zwischen dem BMZ und dem A A Ende 1996 über die Mitgliedschaft Deutschlands in der Organisation der Vereinten Nationen f ü r Industrielle Entwicklung ( U N I D O ) . Während der Bundesminister f ü r wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Carl-Dieter Spranger, den Austritt aus der U N I D O forderte, weil er diese Organisation f ü r ineffizient hielt und die für sie aufgewandten Mittel anderweitig verwenden wollte, wies Bundesaußenminister Klaus Kinkel dieses Vorhaben entschieden zurück, weil es dem seit Anfang der neunziger Jahre die deutsche Außenpolitik stark prägenden Bemühen der Bundesregierung u m einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ( U N ) zuwiderlief. 13 Durch den Wegfall der Beiträge des zweitstärksten Beitragszahlers in der U N I D O wären eine Reihe von Entwicklungsländern betroffen gewesen, von denen sich die Bundesrepublik bei einer Abstimmung in der UN-Generalversammlung ein zustimmendes Votum f ü r den deutschen Sitz erhofft. Erst nach einer Intervention des Auswärtigen Amtes, das aus verschiedenen Gründen den Verbleib Deutschlands in dieser Organisation wünschte, setzte sich das zuständige Ministerium gegen das Fachministerium durch. Das Primat der Außenpolitik schlägt sich auch in solchen Fällen nieder, in denen ein Ministerium ein Projekt verfolgt, das den Interessen eines engen Verbündeten Deutschlands zuwider läuft. Ein gutes Beispiel dafür liefert die Auseinandersetzung zwischen dem BMBF und dem A A über die Frage der Versorgung eines Forschungsreaktors in München-Garching mit hochangereichertem und daher theoretisch waffenfähigem Uran aus Rußland. Das AA, das aufgrund einer Vereinbarung zwischen Bundeskanzler Helmut Kohl und dem russischen Präsidenten Boris Jelzin die Federführung f ü r die Ausarbeitung eines entsprechenden deutsch-russischen Abkommens übernommen hatte, mußte naturgemäß den Protest aus den USA gegen den Betrieb des Reaktors mit hochangereichertem Material besonders ernstnehmen und bemühte sich infolgedessen darum, ein zustimmendes Votum Washingtons f ü r dieses Vorhaben zu erhalten. Dies gelang auch schließlich nach intensiven Verhandlungen. Eine wesentliche Rolle spielte das Primat der Außenpolitik bei der Neufassung des Ausländerrechts im Jahr 1991, als es um die Frage ging, welches Ministerium die Zuständigkeit f ü r die Regelung der Visaerteilung erhalten sollte. Sowohl das A A als auch das BMI beanspruchten diese Zuständigkeit. Der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher konnte sich in dieser Frage schließlich in einer großen Ministerrunde zugunsten des A A durchsetzen. Damit obliegt es nun dem Auswärtigen Amt, in Abstimmung mit den Ausländerbehörden über die Visaerteilung zu entscheiden. Die Politik des A A ist von der Grundphilosophie getragen, Begegnungen zwischen Menschen zu ermöglichen. Diesem außenpolitischen Primat

13 Vgl. Friederike Bauer, Kritik am Austritt aus der UNIDO, in: Frankfurter Allgemeine 28.11.1996.

Zeitung,

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steht ein restriktiver Ansatz des B M I gegenüber, bei dem Integrations-, Migrationsund Sicherheitsgesichtspunkte stärker im Vordergrund stehen. Da die Visaerteilung aber nicht im Zuständigkeitsbereich des BMI liegt, kann es seine Position nur im ständigen Dialog mit dem AA einbringen. Denn bei einer Zahl von einer Milliarde Grenzübertritten pro Jahr und einer Größenordnung von 700 000 bis 1 000 000 illegal in Deutschland lebenden Ausländern ist es verständlich, daß das Bundesinnenministerium, das für Migration und innere Sicherheit zuständig ist, bei der Entscheidung beteiligt sein möchte, wer nach Deutschland einreisen darf und wer nicht. Ein weiteres Beispiel für die Unterordnung der Fachpolitik - in diesem Fall der Finanzpolitik - unter das Primat der Außenpolitik ist die Handhabung der D D R Erblast »Transferrubelforderungen«. So hat das B M F aus außenpolitischen Gründen, um die Zustimmung der ehemaligen Ostblockstaaten zur Vereinigung Deutschlands zu stärken, die Begleichung ihrer Transferrubelforderungen gegenüber der D D R übernommen. Insgesamt gab es 15 solcher Fälle. Aus den gleichen Gründen wurden die gegenüber Rußland bestehenden Forderungen der D D R , die sich auf etwa zehn Milliarden US-Dollar beliefen, bis zum Jahr 2000 eingefroren. Auch auf der Ebene der Europäischen Union spielte bei den Verhandlungen zum Vertrag von Amsterdam das Primat der Außenpolitik eine durchaus spürbare Rolle, beispielsweise bei der Vergemeinschaftung der in die dritte Säule fallenden Themen Asylrecht, Einwanderung und Rechtsstellung von Flüchtlingen. Hier gab es innerhalb der Bundesregierung zwischen dem AA, das eine integrationsfreundliche Linie verfolgte, und dem BMI, das in verschiedenen Fragen eine Aufrechterhaltung nationaler Kontrolle und Zuständigkeit wünschte, durchaus substantielle Meinungsverschiedenheiten. Um deren Ausgleich bemühten sich zwar die beteiligten Ressorts im Vorfeld der Verhandlungen durch Abstimmung auf Abteilungsleiterebene und auf der Ebene der Europastaatssekretäre, jedoch kam das Endergebnis der Vergemeinschaftung der dritten Säule mit den verschiedenen Einzelregelungen der Position des Auswärtigen Amtes näher als der des Bundesinnenministeriums, wenngleich die maßgeblich von Deutschland durchgesetzte Einstimmigkeit für den Ubergang zur Mehrheitsentscheidung (nach fünf Jahren) der Position des B M I entsprach. Das Primat der Außenpolitik, nicht zuletzt auch die Verhandlungsführung durch den seitens des AA ernannten Staatsminister, hatten sich letztlich, wenn auch eingeschränkt, durchgesetzt.

FACHPOLITIKEN IM WIDERSTREIT

Schwierigkeiten treten nicht nur im Verhältnis zwischen dem Primat der Außenpolitik und den Fachpolitiken auf, sondern auch bei der Beurteilung der Frage, welche Fachpolitik im Einzelfall für das Gesamtinteresse der Bundesregierung schwerer wiegt. Dieses Konkurrenzproblem, das auf innenpolitischer Ebene hinreichend bekannt ist, spielt in dem Maße, wie die Fachministerien für die Außenpolitik in zunehmender Weise relevant werden, eine immer größere Rolle.

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Ein besonders häufiger Zielkonflikt ist zwischen BMWi und BMU zu beobachten. In der Klimapolitik beispielsweise setzt sich das BMU für eine möglichst niedrige Umweltbelastung durch C0 2 -Emissionen ein und fordert entsprechende, die Industrie belastende Auflagen. Das BMWi hingegen bemüht sich vor allem um die Vermeidung zusätzlicher Kosten, damit die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie gewährleistet und Deutschland als Standort für Industrie und neue Arbeitsplätze gesichert wird. Auch wenn trotz dieses Konflikts die deutsche Umweltpolitik das vom AA begrüßte, da dem außenpolitischen Ansehen förderliche Profil einer internationalen Vorreiterrolle behält, sind es die vom BMWi vorgetragenen und vom AA letztlich mitzuvertretenden ökonomischen Argumente gewesen, die wiederholt weitergehenden Vorstellungen des BMU einen Riegel vorschoben. Interessendivergenzen von außenpolitischer Tragweite ergeben sich auch aus den arbeitsmarktpolitischen Zielen des BMA und den Prioritäten des BMWi, das sich in besonderer Weise als Hüter des freien Wettbewerbs im europäischen Binnenmarkt versteht. Einen Streitpunkt bildete vor allem die Umsetzung der europäischen Entsenderichtlinie in deutsches Recht in Form des sogenannten Entsendegesetzes. Eine besondere Stellung unter den Fachministerien nimmt in allen Politikbereichen das Bundesministerium für Finanzen ein, da es für die Mittelzuweisung an die einzelnen Bundesbehörden verantwortlich ist. Indirekt kann es dadurch einen erheblichen Einfluß auf die Gewichtung der einzelnen Fachpolitiken ausüben. Das gilt natürlich auch für die Ausgaben der einzelnen Fachressorts für auslandsbezogene Aktivitäten. Davon besonders betroffen ist das BMZ, dessen Tätigkeitsfeld ausschließlich im Ausland liegt. Das BMF kann durch eine rigide Auslegung auf Einsparungen im Bereich der Entwicklungspolitik hinwirken. Einen ständigen Einfluß übt das BMF aufgrund seiner Finanzhoheit für die deutschen Beiträge im EU-Haushalt auf einige Bereiche der Europapolitik aus. Denn bei der Entscheidung über die Einrichtung neuer EU-Programme in den einzelnen Fachministerräten (z.B. Kultur, Forschung) kann das dort jeweils federführende Fachressort keine Zusage ohne die vorherige Rücksprache mit dem BMF treffen. Auch entstehen immer wieder Meinungsverschiedenheiten zwischen dem BMF und dem BMWi bezüglich der Handhabung der Hermesbürgschaften. Während das BMWi diese Bürgschaften vor allem als Instrument zur Förderung der deutschen Exportwirtschaft sieht, ist das BMF darauf bedacht, die Vergabe solcher Bürgschaften für den Export deutscher Güter restriktiv zu handhaben. Denn erfahrungsgemäß ist die Rückzahlung von Exportkrediten bei Staaten geringer Bonität nicht der Regelfall und geht damit im Endeffekt zu Lasten des Bundeshaushalts und des Steuerzahlers. Das BMF übt insofern erheblichen Einfluß auf die Außenwirtschaftspolitik des BMWi aus. Auch im Rahmen von Umschuldungsverhandlungen ist das BMF in seinem Bestreben, Schuldenrückstände anderer Staaten gegenüber der Bundesrepublik zu beseitigen, ständig bemüht, Einfluß auf die Politik einzelner Fachressorts zu nehmen. Hat das BMF beispielsweise nicht bediente Forderungen gegenüber einem Land, das zeitgleich mit dem BMZ zwecks Gewährung von Entwicklungshilfe in Verhandlungen steht, so

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versucht es, das B M Z zur Zurückhaltung bei der Vergabe von Entwicklungshilfe zu bewegen, bis die Schulden beglichen sind. Das B M Z hat in solchen Fällen besonders dann einen schweren Stand, wenn das B M F vom AA unterstützt wird. Durch seine Sonderstellung übt das B M F einen Einfluß aus, der sich unter Berufung auf Sparzwänge auch auf die Inhalte der Politik der einzelnen Ministerien ausdehnt, so auch in den Außenbeziehungen. Da dies für alle Ministerien zutrifft, ist dem B M F eine versteckte Richtlinienkompetenz zugewachsen, die sonst nur - wenn auch umfassender und vom Grundgesetz so gewollt - dem Bundeskanzler zusteht.

ABGRENZUNGSKONFLIKTE

Von den inhaltlichen Interessenkonflikten zu unterscheiden sind jene Konflikte, bei denen es schlicht um die Frage von Ressortkompetenzen und -Zuständigkeiten geht. Diese Abgrenzungskonflikte treten im täglichen Umgang der Ministerien miteinander weit häufiger auf als die letztlich gewichtigeren Meinungsunterschiede hinsichtlich der Zielbestimmung deutscher Außenpolitik. Zu Beginn jeder Legislaturperiode, wenn Kompetenzen neu abgesteckt und verteilt werden, kommt es regelmäßig zu solchen Auseinandersetzungen. Ein weiterer Anlaß für die Entstehung von Abgrenzungskonflikten ist das Auftreten eines neuen außenpolitischen Problems oder einer neuen außenpolitischen Situation, wie beispielsweise die Auflösung der Sowjetunion und die Gründung neuer Staaten. Daraus ergibt sich für die deutsche Außenpolitik die Möglichkeit und Notwendigkeit, die Beziehungen zu diesen Staaten der sich gewandelten Situation entsprechend neu zu gestalten. Zu den ehemaligen Ostblockstaaten sind inzwischen in vielfältiger Weise neue Beziehungen geknüpft worden. Alle Ministerien haben sich von Anfang an am Aufund Ausbau fachspezifischer Kontakte zu diesen Staaten beteiligt. Da es hier keine eindeutige Zuständigkeitsverteilung gegeben hat, ist es naturgemäß in einigen Fällen zu Überschneidungen und damit zu Abgrenzungskonflikten gekommen. Ein Beispiel dafür sind die vom BMI in einigen Staaten eingerichteten Ausbildungsprogramme, mit deren Hilfe Anreize zum Bleiben in diesen Staaten geschaffen werden und die gleichzeitig jene Menschen vor Ort unterstützen sollen, die sich zur Rückkehr entschieden haben. Da es sich um kleinere Entwicklungshilfeprojekte handelte, hat das B M I die Zuständigkeit nach einiger Zeit schließlich dem B M Z übergeben, das die Aktivitäten des B M I als einen Eingriff in seinen Kompetenzbereich gesehen hatte. Diese Projekte finden nun im Rahmen einer von der Bundesregierung verabschiedeten Flüchtlingskonzeption statt. 14 Zwischen BMWi und B M Z sind die Zuständigkeiten hinsichtlich der Unterstützung der ehemaligen Ostblockstaaten so gegeneinander abgegrenzt worden, daß das 14 Vgl. Der Bundesminister des Innern (Hrsg.), Flüchtlingskonzeption der Bundesrepublik Deutschland. Ansätze für eine ressortübergreifende Politik, Bonn, 25.9.1990.

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INSTITUTIONEN DER BUNDESREGIERUNG

BMZ für alle Länder zuständig ist, die in die Klasse der Entwicklungsländer eingestuft wurden,15 während das BMWi die Kompetenz für die wirtschaftlichen Beziehungen zu allen anderen erhielt. 16 Anlässe für Auseinandersetzungen über Zuständigkeitsfragen ergeben sich ferner gelegentlich im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Übernahme der Delegationsleitung auf internationalen Konferenzen. Dies kann vor allem dann zu Meinungsverschiedenheiten führen, wenn zwei Ressorts zusammen die Federführung in einem bestimmten Bereich innehaben, wie etwa B M U und AA für die Vorbereitung der UN-Sondergeneralversammlung »Fünf Jahre nach dem Umweltgipfel von Rio« im Juni 1997. Meist werden derartige Fragen jedoch auf einer relativ niedrigen Ebene zwischen den beteiligten Häusern gelöst.

KOORDINIERUNGSMECHANISMEN

Eine Abstimmung ist immer dann erforderlich, wenn es um die Verfolgung von politischen Zielen geht, an deren Durchsetzung mehrere Ressorts mit zum Teil divergierenden Interessen beteiligt sind. Die Abstimmungsmechanismen dienen dem Ziel, eine kohärente deutsche Position zu erarbeiten, die von der gesamten Regierung im Innen- und Außenverhältnis vertreten werden kann. Der größte Teil der Abstimmung zwischen einzelnen Fachressorts über Themen mit außenpolitischer Relevanz erfolgt im täglichen Verwaltungshandeln per Telefon oder je nach aktuellem Bedarf und sachspezifischer Betroffenheit durch ad hoc einberufene Ressortbesprechungen. Dabei können Interessenkonflikte, die aufgrund unterschiedlicher Positionen der Ressorts zu einzelnen Sachfragen in der aktuellen Tagespolitik entstehen, bis auf die Leitungsebene getragen werden, wenn auf Referatsleiter- oder Abteilungsleiterebene kein Konsens erzielt werden kann. In hochpolitischen Fällen wird der Konflikt direkt auf der Leitungsebene ausgetragen, d.h. in Gesprächen zwischen Staatssekretären und Ministern; im Extremfall wird auch der Bundeskanzler eingeschaltet. Unter Helmut Kohl, der das Austragen von Streitigkeiten im Kabinett nicht schätzt, finden solche Streitschlichtungsgespräche jedoch nicht oder nur sehr selten in den Kabinettsrunden statt, sondern in der Regel im Vorfeld der Kabinettssitzungen. Entscheidungen, die sich der Kanzler aufgrund ihrer politischen Wichtigkeit und Tragweite selbst vorbehält und zur Chefsache erklärt, sind den jeweiligen Fachministerien von vornherein entzogen und bieten daher keinen Raum zur Abstimmung. In Fällen, in denen ein Interessenkonflikt nicht sofort gelöst werden muß, behelfen sich die Ministerien gelegentlich mit einem vorläufigen Formelkompromiß, dem erst zu gegebener Zeit eine inhaltliche Einigung folgt.

15 Dazu zählen Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan, Kasachstan und Kirgisistan. Das B M Z ist außerdem zuständig für die Nichtentwicklungsländer Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Bundesrepublik Jugoslawien, Rumänien und Bulgarien. 16 Zu diesen sogenannten Transformationsländern zählen Rußland, Ukraine, Weißrußland, Lettland, Litauen, Estland, Polen, Ungarn, Tschechische Republik, Slowakei und Slowenien.

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Informelle Abspracheverfahren dominieren eindeutig die Koordinierung zwischen den Ressorts. Institutionalisierte Gremien mit festgelegter Tagungsfrequenz sind für die tägliche Arbeit zu unflexibel und schwerfällig. Probleme und Fragen des täglichen außenpolitischen Verwaltungshandelns - dazu zählen vor allem die Positionsbestimmungen der deutschen Politik in den EU-Verhandlungen - müssen sofort gelöst und beantwortet werden und können meist nicht bis zu einem festgelegten Sitzungstermin warten. Im Falle der oben erläuterten Frage der Visaerteilung beispielsweise verfügt das Auswärtige Amt zwar über die Federführung, doch das BMI ist beteiligt. In diesem Bereich ist eine Abstimmung immer dann nötig, wenn es um Entscheidungen von größerer politischer Tragweite geht, etwa bei Visaanträgen von Staatsangehörigen Libyens, Irans oder Syriens. Auch die vor einigen Jahren getroffene Entscheidung, Polen grundsätzlich von der Visumpflicht zu befreien, basierte auf einer gemeinsam erarbeiteten Position, bei der außenpolitische Überlegungen ausschlaggebend waren. Und auch die Saisonarbeiterregelung ist eine von BMI und B M A gemeinsam erarbeitete und vom AA mitgetragene politische Konzeption. Bei Fragen grundsätzlicher Art hingegen greifen einige Ressorts auf einen formalisierten und geregelten Abstimmungsmechanismus zurück. In der G G O sind Ad-hoc-Abstimmungsverfahren vorgesehen, doch sind sie nicht näher spezifiziert. In der Regierungspraxis haben sich als formalisierte Koordinierungsmechanismen die interministeriellen Ausschüsse - manchmal auch Arbeitskreis, Arbeitsgruppe, Kommission usw. genannt - herausgebildet, die der Konfliktlösung, dem Informationsund Erfahrungsaustausch, der Abstimmung künftigen Handelns, der Erarbeitung gemeinsamer Vorschläge und Strategien oder auch dem Krisenmanagement dienen können. 17 Interministerielle Ausschüsse gibt es auf der Ebene der Referenten, Abteilungsleiter und Staatssekretäre. Die Bezeichnung »Ausschuß« verwendet die G G O für die Koordinierungsgremien der Ressorts allerdings nicht; dort ist nur von Ressort-, Arbeits- und Dienstbesprechung die Rede. 18 Da einheitliche Errichtungskriterien für interministerielle Ausschüsse fehlen, läßt sich kein feststehendes Bild der bestehenden Ausschüsse zeichnen. Dies ist auch deshalb unmöglich, weil die interministeriellen Ausschüsse meist nicht auf Dauer angelegt sind, sondern lediglich zur Bewältigung eines ad hoc anstehenden Problems. Sie lösen sich daher nach Wegfall oder Lösung des Problems wieder auf. Als Beispiel wäre hier der Arbeitsstab Libanon zu nennen, der wegen der zweimaligen Geiselnahme von Deutschen im Libanon im Zeitraum 1987 bis 1992 mehr als sechzigmal tagte. 19 Ausschüsse werden durchweg zur Vorbereitung großer internationaler Konferenzen gebildet. Interministerielle Ausschüsse finden sich 17 Vgl. Manfred Lepper, Die Rolle und Effektivität der interministeriellen Ausschüsse für Koordination und Regierungspolitik. Länderbericht: Bundesrepublik Deutschland, in: Heinrich Siedentopf (Hrsg.), Regierungspolitik und Koordination, Berlin 1976, S. 433-449, hier S. 435. 18 Vgl. Harm Prior, Die Interministeriellen Ausschüsse der Bundesministerien. Eine Untersuchung zum Problem der Koordinierung heutiger Regierungsarbeit, Stuttgart 1968, S. 15. 19 Im Arbeitsstab Libanon waren das AA, das Bundeskanzleramt, das BMJ, das Bundeskriminalamt (BKA) und der Bundesnachrichtendienst (BND) vertreten. Er diente dem Meinungsausstausch, der Beschlußfassung und dem Erteilen von Empfehlungen.

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INSTITUTIONEN DER BUNDESREGIERUNG

besonders häufig im wirtschaftspolitischen und sicherheitspolitischen Bereich, so die Ausschüsse für Ausfuhrkontrolle, Ausfuhrgewährleistungen (Hermes), Außenwirtschaft sowie der Kapitalanlagegarantieausschuß. Lediglich die Kabinettsausschüsse unterliegen einem auf Dauer angelegten formalisierten Verfahren. Für die Koordinierung außenpolitischen Handelns ist vor allem der Bundessicherheitsrat (BSR) zu nennen, der allerdings im wesentlichen nur noch für die Genehmigung von Rüstungsexporten von Bedeutung ist. 20 Formal gibt es auch einen Kabinettsausschuß für die Europapolitik. Dieser hat in jüngster Zeit jedoch nicht getagt. 21 An seine Stelle ist der Staatssekretärausschuß für Europafragen als das höchste europapolitische Koordinierungsgremium der Bundesregierung getreten. Diesem am 6. Februar 1963 vom Kabinett eingesetzten Ausschuß gehörten als ursprüngliche Mitglieder die Staatssekretäre des AA, des BMWi, des BMF und des damaligen Bundesernährungsministeriums an. Erst später nahmen auch das Bundeskanzleramt, die Ständige Vertretung in Brüssel und die weiteren Ressorts, die mit europäischen Fragen befaßt sind, mehr oder weniger regelmäßig daran teil.22 Während der Vorsitz anfangs zwischen AA und BMWi wechselte, leitet seit 1972 der Staatsminister im Auswärtigen Amt den Ausschuß. Dafür stellt das BMWi das Sekretariat 23 und den stellvertretenden Vorsitzenden. Die Vorbereitungen dieser Ausschußsitzungen erfolgen auf der Arbeitsebene meist per Telefon. Auch die Runde der Parlamentarischen Staatssekretäre, die sich zwecks Vorbereitung der Kabinettsrunden regelmäßig treffen, sind in die Kategorie der interministeriellen Ausschüsse einzuordnen. 24 Auch den Beauftragten der Bundesregierung für bestimmte Sachgebiete obliegen koordinierende Funktionen. 25 Bei ihnen laufen Informationen aus dem In- und Ausland zusammen, sie sind Ansprechpartner für Dritte und dafür zuständig, die Regierung nach gründlicher Abwägung der unterschiedlichen Interessen und Positionen zu beraten.

20 Vgl. hierzu den Beitrag von Lothar Rubi in diesem Band. 21 Vgl. Jürgen Kühn, Die Koordinierung der deutschen Europapolitik (Zentrum für europäisches Wirtschaftsrecht, Vorträge und Berichte, Nr. 33), Bonn 1993, S. 7. 22 Vgl. ebd., S. 8. 23 Es ist im Referat EA 7 angesiedelt und trägt den Namen »Sekretariat Staatssekretärausschuß für Europafragen«. 24 Vgl. hierzu den Beitrag von Werner Hoyer in diesem Band. 25 Die Funktionen der Beauftragten für Sachgebiete mit außenpolitischem Bezug sind folgendermaßen verteilt: Beauftragter für Nachrichtendienste: Staatsminister im Bundeskanzleramt; Beauftragter der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle bei einem Botschafter im AA; Koordinator für die deutsch-amerikanische zwischengesellschaftliche, kultur- und informationspolitische Zusammenarbeit bei einem Koordinator im AA; Koordinator für die deutsch-französische Zusammenarbeit bei einem Koordinator im AA; Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen bei einem Sonderbeauftragtem im BMI; Beauftragter der Bundesregierung für Drogenfragen bei einem Parlamentarischen Staatssekretär im BMI; Beauftragter für Asylangelegenheiten bei einem Behördenleiter im BMI; Beauftragter für Menschenrechtsfragen bei einem Unterabteilungsleiter im BMJ; Beauftragter für die Beratung in Osteuropa bei einem Staatssekretär im BMWi; Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Ausländer im BMA; Koordinator für die deutsche Luft- und Raumfahrt bei einem Parlamentarischen Staatssekretär im BMU.

FACHMINISTERIEN

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TRANSNATIONALE N E T Z E

Wie in den vorhergehenden Abschnitten deutlich geworden ist, kann von einer zentral betriebenen Außenpolitik nicht mehr gesprochen werden, auch wenn das Auswärtige Amt für die Formulierung außenpolitischer Interessen und deren U m setzung nach wie vor zuständig ist. Die steigende transnationale Verflechtung in den unterschiedlichen Fachpolitikbereichen und die immer weiter fortschreitende Globalisierung der gesamten Politik wirken sich selbstverständlich auch auf die Entscheidungsmechanismen und -strukturen in den miteinander in Kontakt stehenden Staaten aus. Dieses Phänomen der multinationalen Verfilzung der Entscheidungsprozesse, bei denen sich internationale Interessenkoalitionen bilden, die die nationalen Grenzen überspringen, 26 ist vor allem in der Europapolitik bereits früh aufgetreten und daher nicht erst eine Entwicklung, die nach dem Ende des Ost-West-Konflikts eingesetzt hat. Diese multinationalen Entscheidungsstrukturen zeichnen sich dadurch aus, daß nicht mehr das A A als Vermittler und Regulator der Verbindungen bestimmter Ministerien mit der Außenwelt auftritt, sondern daß fast alle Fachministerien direkt mit den entsprechenden Ministerien in den anderen Staaten und mit der EU-Behörde sowie den beteiligten Interessengruppen kommunizieren und die betreffenden Beamten einen engen und häufigen Kontakt mit ihren Kollegen in den anderen Staaten pflegen. Vor dem Hintergrund des Schengener Abkommens ist sogar der Austausch von sogenannten Liaisonbeamten zwischen den Innenministerien Deutschlands, Frankreichs, der Niederlande und Belgiens vereinbart worden. Dadurch soll die Zusammenarbeit und Koordination im Bereich der Ausländerpolitik erleichtert werden. Die Fachministerien werden damit gleichsam zu Außenministerien ihres Zuständigkeitsbereichs. 27 In der Bundesrepublik entstehen, wie auch in anderen Staaten, immer wieder Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Prioritäten einzelner Fachpolitiken. Handelt es sich nun um ein Problem, an dessen Lösung mehrere Staaten beteiligt sind, so fällt das möglicherweise auftretende Konkurrenzverhältnis zwischen verschiedenen Fachpolitiken aufgrund der ressortspezifischen Interessenlage in den jeweiligen Staaten oft gleich oder ähnlich aus. In der Folge bilden sich transnationale Koalitionen unter Fachressorts mit ähnlichen Interessen, die dann innerhalb der eigenen Regierung gegen die konkurrierende Fachpolitik eingesetzt werden können. Beispielsweise gibt es oft eine stille Allianz der wirtschafts- und industriepolitischen Ressorts gegen die umweltpolitischen. Dabei entsteht im Rahmen der europäischen und weltweiten Kooperation auf allen Ebenen der Administration bis hinunter zur Arbeitsebene ein Netzwerk von Kontakten, Absprachen und fachlicher Solidarität, das völlig unabhängig von den traditionellen Kanälen des außenpolitischen und diplomatischen 26 Vgl. Karl Kaiser, Interdependenz und Autonomie: Die Bundesrepublik und Großbritannien in ihrer multinationalen Umwelt, in: dersJRoger Morgan (Hrsg.), Strukturwandlungen der Außenpolitik in Großbritannien und der Bundesrepublik, München/Wien 1970, S. 50-70; Kaiser, Transnationale Politik, a.a.O. (Anm. 4). 27 Vgl. Kaiser, Interdependenz und Autonomie, a.a.O. (Anm. 26).

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INSTITUTIONEN D E R BUNDESREGIERUNG

Verkehrs arbeitet. Die jeweiligen Counterparts in den Ministerien in Paris, Washington, Tokio usw. kennen sich aufgrund zahlreicher gemeinsamer Konferenzen und praktizierter Kooperation zumeist recht gut und telefonieren häufig miteinander. Dieses »networking« spielt nicht nur zur Abstimmung gemeinsamer Positionen bei multilateralen Fragestellungen eine große Rolle, sondern es dient auch als eine Art Frühwarnsystem zur Erkennung sich anbahnender Konflikte. 28 Die Gefahr solch fachorientierter Netzwerke liegt darin, daß damit transnational faktisch-politische Präjudizierungen von Sachpositionen vorgenommen werden, die nicht immer mit den von den nationalen Regierungen festgesetzten Prioritäten übereinstimmen müssen. Im Bereich der Umweltpolitik haben sich besonders gut funktionierende transnationale Netze etabliert. Das ist darauf zurückzuführen, daß der meist mit Kosten verbundene Schutz der Umwelt in wirtschaftlich schwierigen Zeiten und im Zuge weitreichender Sparmaßnahmen in der Regel in der Politikhierarchie relativ weit unten rangiert. So haben die Umweltminister im Vorfeld der Regierungskonferenzen zur Uberprüfung des Vertrags von Maastricht gemeinsam ein Argumentationsmuster entworfen, das sie gegenüber ihren eigenen nationalen Regierungen einsetzen konnten. Es wäre allerdings völlig verfehlt, in der transnationalen Kooperation zwischen den Fachressorts gleichsam konspirative Koalitionsbildungen gegen eigene nationale Prioritäten zu sehen. Die kooperative Verflechtung von Bürokratien ist der Normalfall bei der Umsetzung wichtiger Politiken geworden, sei es innerhalb der EU, auf bilateraler oder multilateraler Ebene. Die Bundesrepublik ist mit insgesamt acht Staaten 29 die Verpflichtung eingegangen, einmal im Jahr - mit Frankreich sogar zweimal - auf höchster Ebene eine intensive Regierungskonsultation durchzuführen, bei der je nach Thematik auch zahlreiche Fachminister teilnehmen, immer jedoch, neben dem Bundeskanzler, dem Außen- und dem Verteidigungsminister, der Finanzminister und der Wirtschaftsminister. Es versteht sich, daß derartige Treffen vorher durch Kontakte der beteiligten Ressorts vorbereitet werden. Am jährlichen Gipfel der Gruppe der sieben größten Industrienationen (G-7) nehmen immer Finanzund Wirtschaftsminister teil, oft auch andere Ressortminister. Im übrigen bildet der Weltwirtschaftsgipfel insofern einen Sonderfall, als die Vorbereitung mit den Administrationen der anderen Teilnehmer und zugleich die innenpolitische Koordinierung in den Händen des sogenannten Sherpa als persönlichem Beauftragten des jeweiligen Staats- oder Regierungschefs liegt. In Deutschland ist dies ein Staatssekretär des BMF, dessen zwei Stellvertreter jeweils vom Leiter der Wirtschaftsabteilung des AA und dem Leiter der Abteilung Außenwirtschaftspolitik und Entwicklungszusammenarbeit des BMWi gestellt werden. Am Treffen der Vertreter der drei Weltleitwährungen 28 Die transnationalen Gruppierungen finden als »epistemic communities« zunehmend das Interesse der Wissenschaft. Vgl. Peter M. Haas (Hrsg.), Knowledge, Power, and International Policy Coordination (zugleich International Organization, Nr. 1, Winter 1992), Cambridge, Mass. 1992. 29 Hierbei handelt es sich um die USA (nicht vertraglich festgeschrieben, doch in der Praxis fest etabliert), Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien, Japan (erstmals im Juni 1997), Polen (erstmals am 14.7.1997) und Rußland (erstmals in der ersten Jahreshälfte 1998).

FACHMINISTERIEN

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(»G-3«) nehmen die Finanzminister teil. Hinzu kommen die mannigfachen multilateralen Konferenzen, wie das Jahrestreffen der Weltbank, UN-Konferenzen oder -Sondergeneralversammlungen. Zahlreiche internationale Organisationen - etwa die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ( O E C D ) , die Welthandelsorganisation ( W T O ) und die Weltgesundheitsorganisation ( W H O ) - werden von Fachministerien betreut und entsprechend bei ihren jährlichen Treffen bzw. ihren Ausschußsitzungen von den Fachministerien beschickt. 30 Besonders intensiv ist die Beteiligung der Fachministerien an Außenaktivitäten innerhalb der E U , denn jedes Fachministerium vertritt die Bundesrepublik in den jeweiligen Räten, die häufig auf Ministerebene tagen, ganz zu schweigen von der Fülle von Ausschußsitzungen, die jeweils von den Fachministerien zu beschicken sind. 31 Während sich die wichtigen transnationalen Netze in der Vergangenheit auf die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Regierungsstellen verschiedener Staaten beschränkten, sind sie in den neunziger Jahren in einigen Fällen bewußt um nichtstaatliche Akteure aus Wissenschaft und Industrie erweitert worden. Beispiele hierfür liefern das B M U und das B M B F . So errichtete das B M U zusammen mit dem Ministry of the Environment Singapurs auf der Grundlage eines 1991 geschlossenen bilateralen Abkommens über Zusammenarbeit im Umweltschutz eine Deutsch-Singapurische Umwelttechnologie-Agentur. Ziel dieser Agentur ist es, den Transfer von Knowhow und Umwelttechnologie in die asiatisch-pazifische Region durch gemeinsam bei den Ministerien organisierte Fortbildungsveranstaltungen, Seminare, Workshops und Fachkonferenzen zu erleichtern und zu unterstützen. Ein weiteres Anliegen der Agentur ist es, mittels der Veranstaltungen Kontakte zwischen den Teilnehmern und deutschen Anbietern von Umwelttechnik herzustellen, in die auch Wirtschaftsverbände und Unternehmen einbezogen werden können. Ahnlich sind die Partnerschaftsprogramme des B M B F . Beteiligt sind ferner das AA, das BMWi und ggf. auch das BMZ. Folgende Kooperationsräte wurden bereits etabliert: der deutsch-japanische Kooperationsrat für Hochtechnologie und Umwelttechnik, das deutsch-chinesische Dialogforum für Hochtechnologie und die deutsch-indische Beratergruppe. Des weiteren existiert eine praktizierte Kooperation ohne formelle Kommission zwischen Indonesien und Deutschland. Diese Form des staatlich moderierten, bilateralen Dialogs hat bisher noch nicht zur Verwirklichung großer gemeinsamer Projekte geführt. Ihre Bedeutung liegt in erster Linie darin, einen regelmäßigen Austausch über bestehende Kooperationsformen zu organisieren und zukünftige Kooperationsprojekte anzuregen.

AUSSENBEZIEHUNGEN UND AUSSENPOLITIK

Die Außenbeziehungen der Fachministerien der Bundesrepublik sind dramatisch gewachsen, ohne daß ein Ende dieses Vorgangs in Sicht wäre. Dies entspricht den 30 Vgl. hierzu den Beitrag von Horst-Dieter Westerhoff in diesem Band. 31 Vgl. hierzu den Beitrag von Werner H oyer in diesem Band.

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gewandelten Staatsaufgaben, der Offenheit moderner, vom Außenhandel abhängiger Wirtschaftssysteme, der Interdependenz der sich globalisierenden Weltwirtschaft und letztlich auch der Durchsetzung deutscher Interessen. Damit wird die Ein- und Unterordnung dieser Beziehungen in eine den gesamtstaatlichen Interessen dienende Außenpolitik zu einem zwar teilweise, aber keineswegs umfassend gelösten Problem. Dies wird einmal mitverursacht durch die Praxis der Augenblicksentscheidungen von Koalitionsrunden, einsamen Entschlüssen des Bundeskanzlers, der Minister oder Ministerien, ohne daß vorher eine sorgfältige Prüfung unter Berücksichtigung der verschiedenen Ressortgesichtspunkte stattgefunden hat. Hierbei lassen sich manche Aktionen durch das innenpolitisch bedingte Motiv erklären, mit einer nach außen gehenden Initiative Profil zu gewinnen, ein Thema zu besetzen oder gar vollendete Tatsachen zu schaffen. Schon in der Vergangenheit sind derartige Handlungsweisen mit gesamtstaatlichen Kosten verbunden gewesen. Angesichts der nach der Vereinigung gewachsenen Verantwortung und ihres erheblich größeren Gewichts kann sich die Bundesrepublik dies unter den heutigen Umständen noch weniger leisten. Das Hauptproblem ist jedoch mit den Schwierigkeiten einer angemessenen Koordinierung zwischen Fachpolitiken verbunden, die den übergeordneten nationalen Interessen zu dienen hat. Dies erfordert einmal Ressourcen auf der Seite des hierfür zuständigen Auswärtigen Amtes, die unvollkommen sind. Gerade das AA läuft immer mehr Gefahr, in eine »Koordinierungsfalle« zu geraten. Der Minister, seine Vertreter und praktisch alle Fachleute müssen nicht nur eine ständig wachsende Zahl von biund multilateralen Konsultationsverpflichtungen mit unzähligen Gremiensitzungen und Reisen erfüllen, sondern parallel dazu müssen sie dafür sorgen, daß das komplexer und wichtiger werdende Netz der Außenbeziehungen der Fachministerien dem staatlichen Gesamtinteresse dient. Aber auch hier gilt, daß angesichts des gewachsenen Gewichts und der größeren Verantwortung die Bundesrepublik für eine fehlende Koordinierung einen hohen Preis zahlen kann. In den kommenden Jahren wird es deshalb nötig, die bestehenden Mechanismen wie BSR, Kabinett und Kabinettsausschüsse stärker als bisher zu nutzen, um dort die Ziele und Strategien zu erarbeiten, die es erlauben, Außenbeziehungen der Fachministerien zu einem Bestandteil der Außenpolitik zu machen.

DER BUNDESNACHRICHTENDIENST IN D E N ENTSCHEIDUNGSPROZESSEN DER AUSSENPOLITIK Hans-Georg Wieck Außenpolitischen Entscheidungen sollten fundierte und aktuelle Kenntnisse der Lage und der Entwicklung in jenen Bereichen zugrunde liegen, die für die Außenpolitik von besonderer Bedeutung sind. Der Bundesnachrichtendienst ( B N D ) trägt dazu mit operativ gewonnenen Informationen und einer integrierten, ressortübergreifenden Analyse bei, in die offen zugängliches, offizielles und geheim beschafftes Material einfließt. Der Wert seiner Arbeit ist, wenngleich diese öffentlich sehr viel häufiger kritisiert als gewürdigt wird, hoch zu veranschlagen. Gleichzeitig stehen die Bundesregierung und der ihr dienende B N D angesichts neuer sicherheitspolitischer Herausforderungen und des Ausbaus europäischer Integration und Kooperation vor vielfältigen Aufgaben, deren gemeinsame Bewältigung auch eine Adjustierung der institutionellen Verzahnung von Regierung und Dienst erforderlich machen dürfte.

GESETZLICHER AUFTRAG »Der Bundesnachrichtendienst sammelt zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, die erforderlichen Informationen und wertet sie aus.«

Mit diesen Worten umreißt das Gesetz über den Bundesnachrichtendienst vom 20. Dezember 1990 1 den Auftrag des deutschen Auslandsnachrichtendienstes. Bis dahin beruhte die Tätigkeit des B N D auf einem Kabinettsbeschluß vom 11. Juli 1955. 2 Damals hatte die Bundesregierung die 1947 von den USA eingerichtete »Organisation Gehlen« mit Wirkung vom 1. Januar 1956 in den Bundesnachrichtendienst umgewandelt und diesen dem Bundeskanzleramt (BK) »zugeordnet«. 3 Dienstsitz blieb Pullach bei München. Die Dienst- und Fachaufsicht wurde dem B K übertragen, dem der B N D mit Kabinettsbeschluß vom 2. Oktober 1963 auch »nachgeordnet« wurde. Das B K erarbeitete 1968 einen ersten Organisationserlaß. Die parlamentarische Kontrolle der Regierungsaktivitäten auf nachrichtendienstlichem Gebiet wurde zunächst von einem informellen Gremium der Vorsitzenden der Fraktionen im Deutschen Bundestag sowie von einem Vertrauensmännerausschuß des Haushaltsausschusses wahrgenommen. Auf eine gesetzliche Grundlage wurde sie mit dem Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit 1 Bundesgesetzblatt (BGBl) 1990, Teil I, S. 2979-2981, hier § 1 (2). 2 Vgl. Michael Brenner, Bundesnachrichtendienst im Rechtsstaat. Zwischen geheimdienstlicher Effizienz und rechtsstaatlicher Kontrolle, Baden-Baden 1990, S. 6. 3 Zur Vor- und Frühgeschichte des BND vgl. Mary Ellen Reese, General Reinhard Gehlen - The CIA-Connection, Fairfax, Va. 1990. Vgl. auch Reinhard Gehlen, Der Dienst. Erinnerungen 1942-1971, Mainz/Wiesbaden 1971.

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des Bundes vom 11. April 1978 in der Fassung vom 27. Mai 19924 gestellt. Die mit diesem Gesetz geschaffene Parlamentarische Kontrollkommission ist seither das wichtigste Gremium des Bundestages auf diesem Felde. Die derzeit neun Mitglieder der Kommission werden vom Parlament gewählt. Sie müssen die Geltung der Verschlußsachen-Verordnung der Bundesregierung für sich persönlich anerkennen. Mit dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vom 13. August 1968 in der Fassung vom 28. Oktober 19945 wurde auch der rechtliche Rahmen für die zulässige Einschränkung der diesbezüglichen Garantien nach Art. 10 des Grundgesetzes abgesteckt sowie ein parlamentarisches Ermächtigungs- und Kontrollgremium (G 10-Gremium) geschaffen. Die strategische Aufklärung mit technischen Erfassungsmitteln läßt heute unter bestimmten Voraussetzungen die Sammlung und Auswertung von mit technischen nachrichtendienstlichen Mitteln gewonnenen Informationen über bestimmte Aktivitäten von Bewohnern der Bundesrepublik Deutschland zu. Dies gilt etwa bei Verdacht auf terroristische Aktivitäten, illegalen Export von Waffen, unerlaubten Außenwirtschaftsverkehr mit Waren, Datenverarbeitungsprogrammen und Technologien sowie auf organisierte Kriminalität. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983 zum Volkszählungsgesetz 6 mußte die Bundesregierung eine Gesetzesinitiative ergreifen, um den Austausch von personenbezogenen Daten zwischen Behörden des Bundes, der Länder und Gemeinden auf eine rechtlich einwandfreie Grundlage zu stellen. Im Rahmen des am 20. Dezember 1990 verabschiedeten Datenschutzgesetzes 7 wurden gesetzliche Regelungen für den B N D und den Militärischen Abschirmdienst (MAD) geschaffen sowie die schon bestehende gesetzliche Regelung für das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) novelliert. Aufgrund des gesetzlich verankerten Auftrags können mit gewissen Auflagen in dem so bestimmten Rahmen personenbezogene Daten gesammelt werden. Lange Zeit war es unter Staatsrechtlern herrschende Lehre und in den Parteien die dominierende Meinung, daß es zumindest inopportun sei, in einem Gesetz anzuerkennen, daß eine Behörde der Bundesregierung mit nachrichtendienstlichen Mitteln, also auf geheimdienstlichem Wege, Informationen über das Ausland sammelt und auswertet. Seit einigen Jahren werden jedoch, gestützt auf internationale Abkommen, bei Verhandlungen über die Implementierung von Abrüstungs- und Rüstungskontrollvereinbarungen sowie sicherheits- und vertrauensbildende Maßnahmen auch solche Erkenntnisse zugelassen, die in nationaler Kompetenz, auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln, gesammelt wurden. Diese Entwicklung hat neben anderen Faktoren zu einem Meinungsumschwung in der Frage eines Organisationsgesetzes für den Bundesnachrichtendienst mit gesetzlicher und damit öffentlicher 4 BGBl 1978, Teil I, S. 453f.; 1992, Teil I, S. 997f. 5 BGBl 1968, Teil I, S. 949-952; 1978, Teil I, S. 1546f.; 1989, Teil I, S. 1049f.; 1992, Teil I, S. 997f.; 1994, Teil I, S. 3186-3198. 6 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, 65. Band, 1984, S. 1-71. 7 BGBl 1990, Teil I, S. 2954-2981.

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Beschreibung des nachrichtendienstlichen Auslandsauftrags dieser Oberbehörde des Bundes geführt. Gesetzliche Regelungen auf den Gebieten der Auslandsaufklärung sind folglich mit den Zielen der Außenpolitik nicht unvereinbar. Zur angemessenen Erfüllung der außen- und sicherheitspolitischen Aufgaben der Bundesregierung kann auf Informationen nicht verzichtet werden, die in der Regel nur auf nachrichtendienstlichem Wege gewonnen werden können. Das legitime Interesse des Parlaments an wirksamer Kontrolle der Regierung erstreckt sich selbstverständlich auch auf die geheimen Nachrichtendienste und die Beachtung der gesetzlichen Regelungen für Einschränkungen von Rechten und Schutzgarantien der Bürger. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen demokratisch verfaßten Staaten sind diesbezügliche Gesetze verabschiedet worden. 8

D E R BND IM INFORMATIONSSYSTEM DER BUNDESREGIERUNG

Auch in demokratisch verfaßten Staaten und offenen pluralistischen Gesellschaften mit einem nahezu unbegrenzten Informationsfluß haben Regierungen einen spezifischen Bedarf an Erkenntnissen über Entwicklungen in anderen Staaten, die in der Regel nur auf geheimdienstlichem Wege gewonnen werden können. Offen zugängliche und offizielle Informationen über sensitive internationale Entwicklungen oder Maßnahmen anderer Staaten - vor allem militärischer und sicherheitspolitischer Art, aber auch auf Gebieten der Technologie, für die international vereinbarte Restriktionen bestehen - sind nicht selten lückenhaft, unzuverlässig oder durch Regierungen, Einflußorganisationen, Firmen und Medien manipuliert. In der Zeit des Ost-West-Konflikts standen die umfassende Aufklärung von militärischen Potentialen, deren technische und operative Weiterentwicklung sowie die frühzeitige Erfassung der politischen Absichten des ideologischen und militärischen Gegners im Mittelpunkt aller Aufklärungsaktivitäten. Heute, in einer Zeit rapiden Wandels in vielen Regionen der Welt und in der unmittelbaren geographischen und politischen Nachbarschaft Deutschlands, ist das internationale Krisenmanagement zur Beilegung von potentiellen und aktuellen Konflikten in den Mittelpunkt der nationalen und internationalen Sicherheitspolitik getreten. Die deutsche Außenpolitik ist zwar primär auf Fortschritte in der europäischen Einigung, auf politische Stabilität in Ostmitteleuropa sowie im Raum der Russischen Föderation und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) und auf die Gestaltung eines leistungsfähigen transatlantischen Verhältnisses mit den USA gerichtet. Sie muß sich aber auch immer häufiger akuten internationalen Konflikten zuwenden und einen Beitrag zu multilateralen Maßnahmen des vorbeugenden, konfliktbegleitenden oder restabilisierenden Krisenmanagements leisten. Die Einschätzung der jeweiligen Lagen und der auf sie einwirkenden Kräfte ist schwierig und macht die fortlaufende Beschaffung verläßlicher Informationen aus den Entscheidungszentren der 8 Vgl. Hans-Georg Wieck, Demokratie und Geheimdienste, München 1995.

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Konfliktparteien erforderlich. Zudem werden grenzüberschreitende Gefährdungen der zivilen Gesellschaften westlicher Demokratien auch zunehmend durch internationale kriminelle und terroristische Organisationen verursacht, die zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele, mitunter auch im Auftrag anderer Staaten, gegen politische Gegner und Unbeteiligte Gewalt anwenden.9 Um zu wirksamen Gegenstrategien zu gelangen, müssen zuverlässige Informationen über politische Hintergründe und organisatorische Strukturen gewonnen werden. Die jeweils zuständigen Ressorts der Bundesregierung brauchen aber auf diesen Gebieten nicht nur zuverlässige Einzelinformationen. Sie benötigen auch eine qualifizierte Auswertung aller geheimdienstlich erfaßten Informationen und des offen oder offiziell zugänglichen Materials. Die Auswertung des Meldungsbildes, das sich aus geheim beschafften wie offenen und offiziellen Nachrichten zusammensetzt, muß von Spezialisten vorgenommen und von Generalisten in größere Zusammenhänge eingeordnet werden. Nach dem Idealdrehbuch von Informationsbedarf, Informationsbeschaffung und integrierter Auswertung sollte das Ergebnis dieses Prozesses in die Entscheidungsprozesse der Regierung einfließen und im Wege eines Dialogs zwischen Operateuren und Analytikern verwertet werden. Die Wirklichkeit bleibt von diesem Modellszenario meistens weit entfernt. Auch die politische Meinungsbildung in internationalen Gremien hängt in erheblichem Maße von den vorhandenen Informationen ab. Die Qualität des Lagebildes bestimmt die Einschätzung der politischen, finanziellen, militärischen und psychologischen, also auch innenpolitischen Risiken internationalen Handelns. Wer allerdings seine politischen Entscheidungen primär aufgrund außen- oder innenpolitischer Güterabwägungen und weitgehend unabhängig von der tatsächlichen Lage am jeweiligen Ort des internationalen Geschehens trifft - und damit unabhängig von den jeweils implizierten Risiken unterschiedlicher Handlungsstrategien - , kann auf ein konkretes und fortlaufend aktualisiertes Lagebild in den verschiedenen Gefahrenbereichen verzichten. Es drängt sich der Eindruck auf, daß beispielsweise das deutsche politische und militärische Engagement in der Somalia-Krise 1992/1993 primär eine Funktion im bilateralen deutsch-amerikanischen Verhältnis erfüllte, sich aber nicht aus einer eigenen, also unabhängigen und umfassenden Aufklärung sowie Einschätzung der Krise ergab.

AUFTRAGSGESTALTUNG

Die Bundesregierung legt die Gebiete fest, auf denen der Bundesnachrichtendienst Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewinnen und eine integrierte

9 Vgl. Hans-Georg Wieck, Transnationale Gefährdungen der internationalen Sicherheit, in: Karl Kaiser/Hanns W. Maull (Hrsg.), Deutschlands neue Außenpolitik, Band 2: Herausforderungen, München 1995, S. 225-237; Hans Neusei, Internationale Kriminalität, in: Karl Kaiser!Joachim Krause (Hrsg.), Deutschlands neue Außenpolitik, Band 3: Interessen und Strategien, München 1996, S. 259-266.

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Auswertung vornehmen soll, in welche die geheim beschafften Informationen zusammen mit den offen und offiziell verfügbaren Nachrichten einfließen. Der Chef des Bundeskanzleramts ist als Inhaber der Fach- und Dienstaufsicht über den B N D für die Festlegung des Aufklärungsauftrags verantwortlich. Unter seiner Federführung koordiniert das Kanzleramt die Aufklärungswünsche der interessierten Ressorts. Zu diesen gehören das Auswärtige Amt (AA) sowie die Bundesministerien des Innern (BMI), der Verteidigung (BMVg), für Wirtschaft (BMWi) und für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Die zwischen den Ressorts abgestimmte »Wunschliste« wird in lang-, mittel- und kurzfristige Anforderungsprofile gegliedert und als Aufklärungsauftrag an den B N D geleitet. Das Auftrags- und Interessenprofil der Bundesregierung wird in regelmäßigen Abständen überarbeitet. Es hat sich gegenüber der Zeit des Ost-West-Konflikts sehr stark verändert. In der Vergangenheit stand die Aufklärung des sowjetischen Militärpotentials - von der Ausrüstung bis zu den Dislozierungen, Aufmarschplänen und operativen Einsatzdoktrinen - , der Absichten der sowjetischen Regierung und der inneren Lage in den Ostblockstaaten sowie vor allem der Entwicklungen in der D D R im Vordergrund des Interesses. Heute handelt es sich darum, Verletzungen der international getroffenen Vereinbarungen über Abrüstung, Rüstungskontrolle und sicherheits- und vertrauensbildende Maßnahmen frühzeitig zu erkennen sowie möglichst detaillierte Erkenntnisse zur politischen, militärischen und sozialen Lage in internationalen Krisengebieten zu erhalten - vor allem zu solchen Krisen, an deren Bewältigung die Bundesregierung politisch, militärisch und wirtschaftlich beteiligt ist. Das Bundeskanzleramt prüft die Erfüllung des Auftrags in quantitativer Hinsicht und bewertet zusammen mit den beteiligten Ressorts die Qualität der BND-Berichterstattung. Der Bundesnachrichtendienst ist an der hier geschilderten Auftragssteuerung und Bewertung der Arbeitsergebnisse durch die Bundesregierung beteiligt. Ungeachtet aller entgegenstehenden Medienberichte oder öffentlichen Einlassungen von Politikern funktioniert der Dialog auf diesem Gebiet durchaus zufriedenstellend. Er findet vor allem auf der Arbeitsebene statt. Neben der formalisierten Auftragssteuerung gibt es auch immer wieder - vor allem ausgehend von der Leitungsebene der Ressorts aus gegebenem Anlaß Ad-hoc-Aufklärungsaufträge an den Bundesnachrichtendienst. Da mögen zum Beispiel Zeitungsberichte oder Mitteilungen aus Begegnungen mit ausländischen Gesprächspartnern vorliegen, zu denen eine qualifizierte Bewertung angefordert wird. Der B N D übermittelt auch aus eigener Initiative solche Bewertungen zu kontroversen Themen, die in den Medien behandelt oder in offiziellen Berichten angesprochen werden, z.B. zu illegalen, geheimen nuklearen Waffenprogrammen von Staaten, die zwar den Nichtverbreitungsvertrag ratifiziert haben, aber in dem Verdacht stehen, die international eingegangenen Verpflichtungen zu umgehen. Gelegenheit zum Dialog auf der politischen Ebene bietet die wöchentliche Lagebesprechung im Bundeskanzleramt unter der Leitung des Koordinators für die Nachrichtendienste, an denen auf der Ebene der Staatssekretäre alle interessierten Ressorts teilnehmen. Neben dem B N D tragen bei diesen Lagebesprechungen auch

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die Chefs des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des M A D vor. Da Fachleute nicht hinzugezogen werden, hält sich die Professionalität des Dialogs über Sachfragen in Grenzen. Es werden keine Ergebnisprotokolle erstellt.

AUFTRAGSERFÜLLUNG UND BESCHAFFUNGSLAGE »Der Bundesnachrichtendienst unterrichtet den Chef des Bundeskanzleramtes über seine Tätigkeit. Über die Erkenntnisse aus seiner Tätigkeit unterrichtet er darüber hinaus auch unmittelbar die Bundesminister im Rahmen ihrer Zuständigkeiten; hierbei ist auch die Übermittlung personenbezogener Daten zulässig.« 10

Mit dieser Regelung im BND-Gesetz ist ein lang andauernder Streit zwischen dem Kanzleramt und dem Bundesnachrichtendienst dahingehend geregelt worden, daß die Berichterstattung über die Aufklärungsergebnisse des B N D an die jeweils zuständigen Ressorts direkt erfolgt, und nicht über den Umweg des B K als Dienstund Fachaufsichtsbehörde. Schon der Organisationserlaß von 1968 hatte das Recht des BND-Präsidenten festgestellt, die Mitglieder der Bundesregierung unmittelbar über seine Erkenntnisse zu unterrichten. Dennoch hatte es auch später nicht an Versuchen des Kanzleramtes gefehlt, dieses Recht einzuschränken und für sich die Zuständigkeit für die Unterrichtung der Ressortchefs zu etablieren. Unter der Verantwortung des Präsidenten des B N D und in administrativer Kompetenz der Abteilung Auswertung wird die nachrichtendienstliche Beschaffung von Informationen durch die operativen Abteilungen auf jenen Gebieten in die Wege geleitet, für welche die Bundesregierung ein Aufklärungsinteresse primärer oder nachgeordneter Dringlichkeit in kurz-, mittel- oder langfristiger Perspektive definiert hat. Neben dem für die beschaffenden Abteilungen verbindlichen Katalog der Aufklärungsforderungen gibt es mit kurzfristigen, zeitlich begrenzten Einzelaufklärungsforderungen eine Steuerung der Beschaffung aus gegebenem Anlaß. Die Gewinnung von Informationen zu akuten Krisen hat Vorrang vor anderen Themen. Schließlich gibt es »ständige Aufklärungsforderungen«, die sich aus der politischen Gesamtlage ergeben. Die Abteilung Auswertung, heute gegliedert nach geographischen und funktionalen Gesichtspunkten, wertet die geheim beschafften Meldungen zusammen mit den offenen und offiziellen Informationen aus und übermittelt das Ergebnis an die anfordernde Stelle oder an einen größeren Verteiler innerhalb der Bundesregierung. Das Lagezentrum des B N D verfügt über die technischen Einrichtungen, um Berichte mit entsprechendem Karten- und Bildmaterial zu versehen und elektronisch nach Bonn zu senden. Die Leitung des Dienstes entscheidet, ob ein Bericht auch an Mitglieder der Bundesregierung direkt weitergegeben werden soll. Aus Gründen des Quellenschutzes wird für die Übermittlung von operativen Einzelmeldungen mit Bewertung an einen streng begrenzten Personenkreis innerhalb der Regierung ein besonderes Verfahren gewählt. 10 BND-Gesetz, a.a.O. (Anm. 1), § 12.

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Hauptabnehmer für die Berichterstattung des BND sind das AA (internationale Krisen; Rüstungskontrolle), das BMVg (militärische Aspekte internationaler Krisen; Rüstungskontrolle; militärische Technologien, Potentiale und Doktrinen), das BMWi (illegaler Technologietransfer) und das BMI (internationale organisierte Kriminalität, vor allem auf den Gebieten des Menschen-, Drogen- und Waffenhandels sowie der Geldwäsche; internationaler Terrorismus). Im AA soll eine Arbeitseinheit im Leitungsbereich gewährleisten, daß die Berichte und Meldungen des BND unverzüglich an die politisch und fachlich geeigneten Stellen gelangen. Im BMVg sind der Führungsstab der Streitkräfte und innerhalb der Bundeswehr das Amt für das Nachrichtenwesen direkte Empfänger der Berichterstattung, gegebenenfalls auch der MAD. Analog dazu sind im Geschäftsbereich des BMI das Bundesamt für Verfassungsschutz und die mit Fragen der inneren Sicherheit befaßten Abteilungen des Ministeriums Ansprechpartner des BND. Seit 1988 wertet eine unter dem Vorsitz des BMWi tätige interministerielle Arbeitsgruppe unter direkter Beteiligung der Nachrichtendienste Meldungen über illegalen Technologietransfer aus Deutschland aus. Anlaß für die Bildung dieser Arbeitsgruppe, die seither mit einigem Erfolg gearbeitet hat, war die illegale Ausfuhr von Blaupausen und Konstruktionsteilen durch ein angesehenes deutsches Unternehmen für eine Fabrik zur Herstellung chemischer Kampfstoffe in Libyen ein Jahr zuvor. Entgegen den abfälligen öffentlichen Äußerungen deutscher Politiker über den Wert der BND-Berichterstattung genießt diese in den Ressorts einen hohen Grad der Akzeptanz. Dies beruht auch auf der Dialogsituation, die auf den verschiedenen Stufen der Arbeitsebene bis zu den Abteilungsleitern gegeben ist. Die Bundesregierung scheut sich jedoch, in der Öffentlichkeit, im Parlament und in dessen Ausschüssen ihre außenpolitischen Einlassungen ausdrücklich auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse des BND abzustützen. Aus solchen Informationen ergab sich beispielsweise zwingend die mittlerweile gerichtlich bestätigte Verantwortung der libyschen Botschaft in Ost-Berlin für den Bombenanschlag auf die regelmäßig von amerikanischen Soldaten besuchte Diskothek »La Belle« im Westteil der Stadt Ende der achtziger Jahre. Auf dieser Informationsbasis führten die USA im Wege der Vergeltung einen Luftangriff auf Tripolis durch. Die Bundesregierung zögerte dagegen, den BND-Bericht zur Grundlage ihrer öffentlichen Äußerungen zu machen. Tatsächlich aber kann die Bedeutung der integrierten Auswertung nicht hoch genug eingeschätzt werden. Regierungen, und da bildet die Bundesregierung keine Ausnahme, besitzen aufgrund der Überlastung mit kurzfristig orientierten Aufgaben kaum die personellen und fachlichen Kapazitäten, um innerhalb der einzelnen Ressorts eine übergreifende, alle Informationsquellen auswertende, stets aktuell gehaltene »Lage« zu Schlüsselfragen der internationalen Politik und zu solchen Problemfeldern zu schreiben, die in kurzer Zeit Aktualität gewinnen könnten. Politikberatende, wissenschaftliche Institute können nur veröffentlichtes Material, in der Regel keine vertraulich eingestuften Regierungspapiere und schon gar nicht geheimdienstlich gewonnene Erkenntnisse auswerten. Und doch muß die Regierung ihre Entscheidungen auf ein fundiertes Wissen abstützen und darf sich nicht der Kritik aussetzen, eine in-

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ternationale Gefälligkeitspolitik ohne angemessene Berücksichtigung der tatsächlichen Lage zu betreiben. Die Gewinnung und der Aufbau von zuverlässigen und exklusiven Quellen in der Regierung eines anderen Staates oder in Schlüsselbereichen staatlich betriebener oder geförderter Technologien ist außerordentlich schwierig und gelingt nur selten. Früher stand dem das rigide Sicherheitssystem der sowjetisch kontrollierten Staaten entgegen, heute das Risiko der öffentlichen Kompromittierung durch Fehlverhalten des Dienstes, für den der Agent arbeitet. Andererseits ist die materielle Not an vielen Stellen der Welt groß und sind die zu erwartenden materiellen Vergünstigungen im doppelten Wortsinne - »bestechend«. Kurzum: Auch heute sind »echte Quellen« rar, aber es gibt sie, vor allem in Krisengebieten. Quellen innerhalb von Gruppen der organisierten Kriminalität und des Terrorismus sind außerordentlich gefährdet und daher meist nur für einen begrenzten Zeitraum einsetzbar. Immer wieder weichen Geheimdienste und Regierungen auf die Zuarbeit durch zwielichtige Personen aus, die sich ungefragt aufdrängen. Solche Personen sind kaum führbar und nutzen Aufträge offizieller Stellen oftmals für ihre eigenen operativen Ziele. Sie kompromittieren die Regierungen und die Dienste. Schon während des Ost-West-Konflikts hatte die technische, vor allem die Fernmeldeaufklärung immens an Bedeutung gewonnen. Unter bestimmten Voraussetzungen war die Entschlüsselung des nichtmilitärischen Fernmeldeverkehrs möglich. Sehr viel schwieriger gestaltete sich dies jedoch im militärischen Bereich. In der Kombination mit der Fernmeldeaufklärung gewinnt heute die satellitengestützte Bild- und Infrarotaufklärung an Bedeutung, die eine Früherkennung militärischer Bewegungen rund um die Uhr und unabhängig von Witterungseinflüssen möglich macht. Durch die Kombination von technischer Erfassung und menschlichen Quellen können im Wege der »Filigranarbeit« durch Fachleute Zugänge zu den Urhebern militanter, grenzüberschreitender Aktivitäten krimineller oder politisch-terroristischer Art geschaffen werden. Auf diese Weise hätten auch in der Vergangenheit deutsche Unternehmen erfolgreicher aufgespürt werden können, die den illegalen Export von Rüstungstechnologie betrieben. Fernmeldeaufklärung und Telefonüberwachung waren aber nur zur Aufklärung möglicher offensiver militärischer Absichten gegen die Bundesrepublik zulässig. Daher konnten auf diesem Wege keine Unterlagen über illegale Aktivitäten in Deutschland zur Ausfuhr genehmigungspflichtiger oder gar verbotener Güter gesammelt werden, es sei denn, sie wurden von befreundeten Diensten zur Verfügung gestellt. Die Chemiewaffenanlage in Rabta konnte durch Auswertung von Satellitenbildmaterial und durch Berichte aus Libyen aufgeklärt werden. Heute gibt die Rechtslage der Aufklärung auf diesen Gebieten zwar mehr Raum, doch werden illegale Exportaktivitäten auch häufiger als in der Vergangenheit verschlüsselt.

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INTERNATIONALE ZUSAMMENARBEIT

Eine nicht unerhebliche Steigerang der Aufklärungsleistung kann durch die Zusammenarbeit mit den Diensten befreundeter Staaten erreicht werden. Ausgewogenheit zwischen Leistung und Gegenleistung ist Voraussetzung für den Erfolg. Aus den unterschiedlichen regionalen, gelegentlich auch funktionalen Schwerpunkten kann für beide Seiten eine Optimierung der Berichterstattung erreicht werden. Operative Zusammenarbeit im Bereich menschlicher Quellen ist selten gelungen, wohl aber, und das insbesondere während des Ost-West-Konflikts, in den Bereichen der Fernmeldeaufklärung und in Grenzen bei der Satellitenaufklärung. Die Gemeinsamkeit der Interessen war die solide Grundlage solcher Kooperation. Heute könnte sie unter gewissen Voraussetzungen im europäischen Rahmen noch über das hinaus entwickelt werden, was bereits bilateral auf einigen Gebieten geschieht. Im rüstungstechnischen Bereich gibt es allerdings auf den Weltmärkten einen harten Konkurrenzkampf, und es fehlt nicht an zum Teil wohl berechtigten Klagen über Industrie- und Forschungsspionage zwischen befreundeten Staaten. Militärischen Stäben wie denen des Nordatlantikpaktes ( N A T O ) stehen nur begrenzt integrierte Aufklärungssysteme zur Verfügung, wie beispielsweise das unter dem Oberbefehlshaber Europa (SACEUR) betriebene luftgestützte Frühwarn- und Leitsystem AWACS, das Stäben und Regierungen Kenntnisse über Flugbewegungen in einem regional begrenzten Rahmen vermittelt. Ansonsten sind die integrierten Führungs- und Planungsstäbe auf die nachrichtendienstlich und mit taktischen militärischen Aufklärungsmitteln gewonnenen Beiträge der beteiligten Regierungen und Streitkräfte angewiesen sowie auf die taktische Aufklärung der den Stäben in Krisen und im Konfliktfall zugeordneten nationalen Verbände. Je mehr eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der Europäischen Union (EU) sowie die militärisch-operative Komponente der Westeuropäischen Union (WEU) an Bedeutung gewinnen, desto wichtiger wird es, die Informationsbasis den neuen Gegebenheiten und Erfordernissen multilateralen Handelns anzupassen. Hierbei müssen auch nachrichtendienstliche Erkenntnisse der EU-Mitgliedstaaten auf geeignete Weise genutzt werden. Im Zuge der diversen Maßnahmen zur Stärkung der operationeilen Fähigkeiten der WEU ist der militärischen Führungs- und Planungskomponente der Organisation ein Lagezentrum zugeordnet worden, das nationale nachrichtendienstlich gestützte Informationen in Bereichen potentieller WEU-Aktionen aufbereitet. Die europäischen Beiträge sind dabei allerdings im Vergleich zu jenen der USA nur von untergeordneter Bedeutung, so daß selbst bei WEU-geführten Operationen der amerikanische Beitrag zur Lagefeststellung dominierend ist. Insgesamt bleibt für die WEU - auch nach der Etablierung ihres Ausbildungs- und Auswertungszentrums für Satellitenbilddaten in Torrejón - der Rückgriff auf die Erkenntnisse von NATO-Einrichtungen (Lagezentrum, Führungsstäbe) auf absehbare Zeit unverzichtbar. Dies verlangt zum einen ein hohes Maß an politischer Koordination und konstruktiver Zusammenarbeit, ist

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zum anderen aber auch dem Aufbau konkurrierender Strukturen in NATO und WEU vorzuziehen. Die Bildung eines Europäischen Kriminalamtes zur Sammlung, Aufbereitung und Verteilung von Informationen und Daten über internationale organisierte Kriminalität befindet sich ungeachtet aller bisher erreichten Fortschritte noch in einem embryonalen Zustand. Die international operierenden kriminellen Organisationen profitieren auch weiterhin von den unterschiedlichen Rechtslagen in den EU-Mitgliedstaaten und von der fehlenden europäischen Operationsgrundlage für die Polizeien, auch wenn die gemeinsame Datenbasis des Europäischen Polizeiamtes (EUROPOL) einiges zur Besserung der Situation beitragen kann. Im nachrichtendienstlichen Kontext ist es demgegenüber nicht nur zwischen den Mitgliedstaaten der EU, sondern unter fast allen Staaten in Europa üblich, Erkenntnisse, die von Bedeutung für Partnerdienste sein können, unverzüglich weiterzugeben und einen regelmäßigen Gedankenaustausch über die Lage auf den Gebieten von gemeinsamem Interesse zu führen. Damit stehen jedem Dienst eine Vielzahl von Dialogpartnern und eine breite Palette von Informationen über die Operationsbasen und Arbeitsweisen terroristischer Vereinigungen zur Verfügung, die gerade auch in akuten Bedrohungssituationen von großer Bedeutung sind. Die vielfältige bilaterale Zusammenarbeit zwischen den Auslandsnachrichtendiensten der EU-Staaten trägt erheblich zur Meinungsbildung in den Hauptstädten bei. Auch eine exekutive Komponente der Europäischen Union auf dem Felde der Außen- und Sicherheitspolitik würde, wenn sie denn zustande kommen sollte, nationale Beiträge auf nachrichtendienstlichem und lagebeurteilendem Gebiet nutzen. Noch zweckmäßiger wäre es, auf dauerhafter, zumindest aber bei akuten Krisen auf Ad-hoc-Basis einen Ausschuß aller Mitgliedstaaten zur Hand zu haben, von dem die nationalen Beurteilungen und nachrichtendienstlichen Erkenntnisse in einen Lagebericht integriert werden. Angesichts der Natur nachrichtendienstlicher Arbeit fehl am Platze wäre dagegen ein »Europa-Auslandsnachrichtendienst«.

EXEKUTIVE A U F G A B E N DES BUNDESNACHRICHTENDIENSTES

In der Dienstanweisung des Bundeskanzleramtes von 1968 war die Möglichkeit eingeräumt worden, daß der Bundesnachrichtendienst exekutive Aufgaben der Bundesregierung auf besondere Anordnung hin durchführt. So ist der BND beispielsweise auf Veranlassung der Bundesregierung bei der militärischen Zusammenarbeit zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und den israelischen Streitkräften in den siebziger Jahren als Buchungsstelle für die finanzielle Abwicklung dieses Projekts tätig gewesen. Darüber wurde später in der Presse berichtet, und auch in Ausschüssen des Deutschen Bundestags wurde darüber gesprochen. Der Koordinator für die Geheimdienste betätigt sich seit einiger Zeit auf der internationalen Bühne, um in Krisensituationen Verständigungsmöglichkeiten zwischen Staaten oder zwischen Regierungen und Bürgerkriegsparteien auszuloten. Häufig geht

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es dabei auch um die Freilassung von Geiseln. Hierin muß man eine genuine Regierungstätigkeit sehen, die der Abstimmung innerhalb der Bundesregierung, also mit den zuständigen Ressorts, unterliegt. Es handelt sich nicht um eine Übertragung von exekutiven Aufgaben der Bundesregierung an den Bundesnachrichtendienst selbst. Der B N D kann jedoch solche Tätigkeiten wie auch andere politische Aktivitäten der Bundesregierung mit Erkenntnissen über die Lage unterstützen. Dies ist wiederum eine genuine Aufgabe des Auslandsnachrichtendienstes. Bei allen früheren Geiselnahmen beispielsweise hat es eine solche Berichterstattung aus gutem Grunde gegeben, denn bei den Beratungen der Regierung - etwa in einem Ad-hoc-Ausschuß unter Vorsitz des Chefs des Bundeskanzleramtes - über die zu treffenden Maßnahmen kommt der nachrichtendienstlichen Aufklärung der Lage vor Ort und bei den in der Region Einfluß ausübenden Regierungen und Geheimdiensten eine wichtige unterstützende Funktion zu. Dazu kann auch die Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten jener Länder beitragen, die sich in derselben Situation terroristischer Bedrohung befinden. Auslandsnachrichtendienste sollten sich allerdings nicht in exekutive Funktionen der Regierung hineindrängen lassen. Ihre Wirksamkeit wird beeinträchtigt, wenn ihr Ansehen durch Schlagzeilen über exekutive Fehlschläge beschädigt wird. Mit dem Ziel der Informationsgewinnung sollten alle möglichen Einrichtungen, auch terroristische Organisationen, penetriert werden. Aber es darf nicht Aufgabe des Aufklärungsdienstes sein, kriminelle internationale Vereinigungen mit exekutiven Mitteln selbst zu bekämpfen.

REFORMBEDARF

Wie die Auslandsnachrichtendienste anderer Staaten befindet sich auch der B N D seit einigen Jahren in einem Wandlungsprozeß. Für manchen Politiker hatte er nach dem Ende des Ost-West-Konflikts seine Existenzberechtigung schon verloren, da der Großteil seiner Aufträge auf die Erfassung des Bedrohungspotentials der Sowjetunion gerichtet war und die Entstehung eines vergleichbaren neuen »Gegners« sich nicht abzeichnete. Der Krieg auf dem Balkan, die internationale organisierte Kriminalität sowie der internationale Terrorismus und andere transnationale Gefährdungen unserer Sicherheit haben jedoch die Forderung nach Auflösung des Bundesnachrichtendienstes mittlerweile weitgehend verstummen lassen. Geblieben ist der Ruf nach Reform und nach Konzentration der beschränkten Mittel auf das Notwendige. Neue Anforderungsprofile der Bundesregierung sind an die Stelle des klassischen Auftrags getreten. Der organisatorische Umbau des B N D ist recht weit fortgeschritten, der personelle weniger, denn aus Spezialisten für die Sowjetunion und das sowjetische Blocksystem lassen sich nicht über Nacht Experten für die Krisengebiete in anderen Teilen der Welt machen - weder in der operativen Beschaffung noch in puncto Auswertung. Angesichts der Wichtigkeit aktueller Berichterstattung und kürzester Kommunikationswege stellt sich die Frage der örtlichen Zusammenführung des B N D mit

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der Bundesregierung in Berlin. In keinem anderen Staat der Welt sind Regierung und Auslandsnachrichtendienst so weit voneinander entfernt untergebracht, wie es in der Deutschland der Fall ist. Die Verlegung der Hauptstadt nach Berlin bietet eine einmalige Gelegenheit, diesen Fehler zu korrigieren. Schwere Vertrauenskrisen und lästige Reibereien in der Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung, vor allem dem Bundeskanzleramt, und dem B N D könnten so weitgehend vermieden werden. 11 Eine in mehrfacher Hinsicht sensible Einrichtung wie die eines Auslandsnachrichtendienstes bedarf der räumlichen Nähe zur Regierung, zum Auftraggeber und Abnehmer der Berichterstattung. Es sieht allerdings nicht danach aus, daß diese Forderung heute jenen gewichtigen Fürsprecher hat, den sie bräuchte, um mit dem bisherigen Trott zu brechen. Die politische Klasse in Deutschland hat noch nicht die erforderliche Unbefangenheit und Unvoreingenommenheit im Umgang mit dem Instrument B N D , das einen nützlichen, von keinem anderen zu erbringenden Dienst leisten kann und in Teilen auch leistet. Angesichts der zahllosen Krisen in der Zusammenarbeit zwischen Bundeskanzleramt und B N D stellt sich auch die Frage nach der Zweckmäßigkeit der jetzigen Zuordnung des Dienstes zum BK. Das Kanzleramt hat auf keinem der Sachgebiete, über die der Dienst berichtet, eine eigene Ressortzuständigkeit. Für die Festlegung der Richtlinien der Politik benötigt der Bundeskanzler nur in den seltensten Fällen nachrichtendienstlich gewonnene Erkenntnisse. Dies gegebenenfalls sicherzustellen ist allemal möglich, dazu bedarf es nicht der Dienst- und Fachaufsicht des Bundeskanzleramtes. Zu bedenken ist auch, daß diese Regelung zunächst in einer Zeit erfolgt war, in der sich das BMVg auf den Aufbau der Streitkräfte zu konzentrieren hatte, und daß sie später nicht zuletzt deshalb eine gewisse Plausibilität behielt, weil das Kanzleramt die Zuständigkeit für die Beziehungen mit der D D R innehatte. Heute sind die oben genannten Ressorts die wichtigsten Konsumenten des B N D Produkts. Warum also nicht eine Anbindung an das BMVg, einen der wichtigsten Abnehmer von BND-Meldungen, ergänzt um einen Ausschuß der Staatssekretäre aller interessierten Ressorts für die Steuerung des Auftragsprofils und für die Bewertung der Berichterstattung nach Substanz und Aktualität? Für eine solche Reorganisation spricht vieles. Diese Lösung liegt auch nahe, weil die deutsche Beteiligung am deutschfranzösischen Projekt gemeinsamer Aufklärungssatelliten wahrscheinlich über das BMVg realisiert werden wird. Eine Verzahnung der Aufgaben der Bundeswehr, des BMVg und des B N D in dieser Beziehung erscheint schon aus Kosten- und Effizienzgründen zwingend geboten. Die Qualität der institutionellen Verzahnung mit der Bundesregierung bestimmt auch den Wert des B N D als Dialog- und Kooperationspartner anderer Nachrichtendienste. Und von der Qualität und Intensität dieser internationalen Beziehungen hängt wiederum auch die Qualität der Berichterstattung an die Bundesregierung ab.

11 Gelegentlich wird auch auf eine persönliche Einfärbung dieser Konflikte hingewiesen, was allerdings größtenteils unzutreffend ist.

DER AUSWÄRTIGE DIENST VOR NEUEN

HERAUSFORDERUNGEN

Hans-Friedrich von Ploetz Der Wandel der internationalen Politik ist unübersehbar, nicht nur in den machtpolitischen Strukturen und Institutionen, sondern auch in den Themen, die die Tagesordnung beherrschen. Die klassischen Fragen sind zwar nicht von ihr verschwunden, aber immer stärker hat Außen- und Sicherheitspolitik mit Problemen zu tun, deren Lösung ein Zusammenwirken staatlicher und nichtstaatlicher Stellen und weit über den Nationalstaat hinausgreifende Ansätze erfordert. Regierungen und in ihnen die Außenministerien haben unverändert eine herausragende Stellung, Außenbeziehungen sind aber nicht mehr ihr Monopol. Internationale und nationale Strukturen ruhen heute auf weit mehr Schultern als noch vor 20 Jahren. Die neuen Akteure richten sich nicht unbedingt am Gemeinwohl aus und müssen sich die für die internationale Dimension ihrer Aufgabenfelder erforderliche Kompetenz oft erst erwerben. Die traditionellen Hauptakteure - die Auswärtigen Dienste - müssen sich auf neue Agenden, Strukturen und Methoden einstellen. Konzeptionelle und praktische Koordinierung, außenpolitische Beratung sowie - im Zuge der Globalisierung die weltweite Erbringung eines breiten Spektrums von Dienstleistungen haben an Bedeutung gewonnen.

STRUKTURWANDEL IN DER AUSSENPOLITIK Veränderungen der Rahmenbedingungen nationaler Außenpolitik lassen sich auf drei Ebenen beobachten: Erstens im internationalen Beziehungsgeflecht, zweitens bezüglich des Verhältnisses von Außen- und Innenpolitik und drittens im Hinblick auf die Kompetenzen außenpolitischer Akteure.

Wandel der internationalen Architektur: Vermehrung der Akteure und Themen Den Kern internationaler Beziehungen bildet nach wie vor die Aufgabe, den Frieden zu erhalten, also politische Instabilität und kriegerische Konflikte zu verhüten. Alle anderen Fragen lassen sich hier einordnen. Allerdings muß Sicherheit heute viel umfassender verstanden werden als noch im Kalten Krieg. 1 Spätestens seit dessen Ende ist der weite Sicherheitsbegriff, den die Bundesregierung schon frühzeitig ihrer Außenpolitik zugrunde legte, auch in der internationalen Praxis selbstverständlich geworden. Die Kontinuität des obersten Zieles »Sicherheit« wird begleitet von einem tiefgreifenden Wandel der Strukturen und Instrumente seiner Realisierung. Nukleare 1 Vgl. hierzu auch den Beitrag von Lothar Kühl in diesem Band.

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und Energiesicherheit, präventive Krisenbewältigung, nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum unter Nutzung neuer Technologien, Schutz der natürlichen Umwelt, Bekämpfung von internationalem Terrorismus und Verbrechen sowie illegaler Wanderungsbewegungen, Verhinderung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen: diese und viele andere Herausforderungen berühren direkt die nationale Sicherheit. Die klassischen Schutzinstrumente der Staaten, besonders die durch Grenzschutzund Streitkräfte gesicherte territoriale Integrität des Staatsgebietes, gewährleisten gegenüber den meisten aktuellen Risiken keine »schützende Außenhaut der Gesellschaft« mehr. Besonders deutlich wird dies an der Art und Weise, wie heute Innen- und Justizminister transnationale Antworten und Abwehrmittel weit vor den eigenen Grenzen suchen. Im Vertrag von Amsterdam 2 haben sie inzwischen sogar einer weitgehenden Vergemeinschaftung bestimmter Politiken zugestimmt, um den gemeinsamen Raum des Rechts und der Freiheit innerhalb der Europäischen Union (EU) besser zu schützen. Die Zahl der klassischen Akteure, der Nationalstaaten, hat in den letzten Jahren zwar weiter zugenommen. Da sich jedoch immer mehr Probleme der einzelstaatlichen Kontrolle entziehen, wird die klassische Diplomatie der Staaten durch neue grenzüberschreitende Strukturen immer stärker ergänzt, teils auch überlagert: -

Den Vereinten Nationen (UN) gehören heute 185 Staaten an. Durch den Zerfall der Sowjetunion und Jugoslawiens hat heute selbst die regionale Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) mit 54 Staaten mehr Mitglieder als die U N bei der Gründung.

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Seit dem Zweiten Weltkrieg sind über 300 inter- oder supranationale Organisationen zu unentbehrlichen Instrumenten der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit, aber auch des Interessenausgleichs und damit der internationalen Ordnung geworden.

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Die Zahl der als Akteure in den transnationalen Beziehungen auftretenden Nichtregierungs-Organisationen ( N G O s ) wird auf über 10 000 geschätzt. Für zahlreiche Fragen und Themen auswärtiger Beziehungen sind N G O s die Schnittstelle zwischen der Außenpolitik und den Bürgern: Sie tragen zur »Bürgernähe« der auswärtigen Beziehungen maßgeblich bei.

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Uber 40 000 private Unternehmen - ihr Umsatz übersteigt mitunter das Bruttosozialprodukt kleiner und mittlerer Staaten - werden zu immer gewichtigeren Akteuren auf dem internationalen Parkett. Rund ein Viertel des Welthandels geht allein auf ihren konzerninternen Handel zurück.

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Medien und moderne Informationstechnik sind wesentliche Katalysatoren der immer stärkeren internationalen Vernetzung. Sie erhöhen den Informationsstand der Öffentlichkeit enorm, steigern jedoch durch verkürzte oder dramatisierende Darstellungen die Ungeduld der Bürger und damit die Leistungserwartungen an die amtliche Außenpolitik gelegentlich ins Unrealistische.

2 In Auszügen abgedruckt in: Internationale Politik (IP), 11/1997, S. 99-127.

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AUSWÄRTIGER DIENST

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Regionale Kooperation hat nicht nur im Umfang zugenommen. Sie hat teilweise auch eine neue Qualität erreicht. So hat die Europäische Union weite Bereiche der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit vergemeinschaftet. Dies verändert die Verfassungswirklichkeit ihrer Mitgliedstaaten tiefgreifend, aber auch die Qualität ihrer Beziehungen zueinander. Wandel der nationalen Struktur: Internationalisiemng

der Innenpolitik

Die Summe der geschilderten Entwicklungen verändert nicht nur die internationalen Beziehungen, sondern verwischt auch die Trennlinie zwischen Innen- und Außenpolitik. Die deutschen auswärtigen Interessen werden heute inner- und außerhalb der Bundesregierung an vielen Stellen, aber keineswegs immer mit übereinstimmenden Zielsetzungen wahrgenommen: Sie spiegeln sich in der täglichen Arbeit von Bundesund Landesministerien, Kommunalbehörden, Parteien, Verbänden und Medien. In der Wirtschaft engagieren sich zunehmend auch mittlere und kleinere Unternehmen über die Grenzen Deutschlands hinaus. Die Öffentlichkeit und gesellschaftliche Organisationen tragen zu dieser Entwicklung intensiv bei. Die Verschränkung von Innen- und Außenpolitik findet Ausdruck in einem früher in dieser Form viel selteneren subjektiven Betroffenheitsgefühl in bezug auf Ereignisse in anderen Staaten und Regionen. Enormer Handlungsdruck auf die amtliche Politik des eigenen Landes und gesteigerte Legitimierungszwänge sind oft die Folge. Die Internationalisiemng der Innenpolitik kommt auch institutionell zum Ausdruck. Allein in der Bundesregierung sind außerhalb der klassischen Außenressorts 3 , also des Auswärtigen Amtes (AA) und des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg), derzeit rund 250 Referate oder vergleichbare Arbeitseinheiten mit außenund europapolitischen Fragen befaßt. Das A A seinerseits wird nach der für 1998 beschlossenen Strukturreform noch über 68 operative Arbeitseinheiten - klassische Länder- oder Sachreferate, zunehmend auch Ad-hoc-Arbeitsstäbe 4 - verfügen, um politisch wichtige Aufgaben ohne Änderung grundsätzlicher Zuständigkeiten zu erfassen. Der Auffächerung der Kompetenzen entspricht die Auffächerung der Ressourcen: Von 11,8 Milliarden D-Mark, die der Bund in seinem Haushalt 1996 für Auswärtige Angelegenheiten ansetzte, entfiel ein knappes Drittel auf das AA. Anders als in den Niederlanden 5 gibt es in Deutschland keine zentrale Steuerung des Mitteleinsatzes. Das überwiegend ressortgesteuerte Haushaltsverfahren erfüllt diese Funktion allenfalls indirekt. 3 Zu den klassischen Institutionen vgl. den Beitrag von Judith Siwert-Probst in diesem Band. 4 Beispiele aus jüngster Zeit sind die Arbeitsstäbe Bosnien, EU-Regierungskonferenz und EU-Osterweiterung. 5 Dort werden seit 1997 alle für die Außenpolitik wichtigen Ausgaben in einem sogenannten Einheitsbudget für die internationale Zusammenarbeit - Umfang 1,1 % des Bruttosozialprodukts - zusammengefaßt und gemäß den von der Regierung bestimmten politischen Prioritäten verwendet.

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INSTITUTIONEN DER BUNDESREGIERUNG

Für den Bereich der europäischen Integration hat der neue Art. 23 des Grundgesetzes (GG) erweiterte Mitwirkungsrechte der sechzehn deutschen Länder festgeschrieben. Alle Länder unterhalten in Brüssel Büros, in denen im Herbst 1997 insgesamt 141 Bedienstete tätig waren, davon 90 im höheren Dienst. Zum Vergleich: Die Ständige Vertretung des Bundes verfügte zum selben Zeitpunkt über 112 Mitarbeiter, davon 60 im höheren Dienst. 6 Erhöhte Nachfrage nach internationaler Kompetenz und

»Europafähigkeit«

Wenn vor diesem Hintergrund die Anforderungen an die außenpolitische Kompetenz der Verantwortlichen in allen europäischen Demokratien wachsen, so gilt dies in besonderem Maße für das vereinte Deutschland, das als »gestaltender Partner« 7 immer stärker gefordert wird. Die Verbreitung von außen- und sicherheitspolitischen Kenntnissen auch außerhalb der zuständigen Ressorts fördert vor allem die 1992 gegründete Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Ihre zahlreichen Fortbildungsmaßnahmen sind im Sinne des erweiterten Sicherheitsbegriffs ausgerichtet auf Dialog von gegenwärtigen und zukünftigen Führungskräften aus Politik, Regierung, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und anderen wichtigen gesellschaftlichen Institutionen sowie auf die Vermittlung eines umfassenden Verständnisses der sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Auf diese Weise sollen auch die Anstrengungen der Wirtschaft, sich auf den Weltmärkten gut zu plazieren, unterstützt und eingebettet werden in eine allgemeine Kultur internationaler Kompetenz. Internationale Kompetenz in diesem Sinne beschränkt sich nicht auf die Kenntnis von Sprachen und Grundgegebenheiten internationaler Strukturen. Sie reicht tiefer und verlangt ein ausgeprägtes Verständnis für die - naturgemäß langfristig angelegten - Interessen der Staaten, insbesondere des eigenen. Dabei sind ein angemessenes Geschichtsbewußtsein und Wissen über die Kräfte unerläßlich, die in dem immer komplexeren internationalen Umfeld wirken. Die Gründe, warum sich in Deutschland keine bruchlose Tradition internationaler Kompetenz herausbilden konnte, sind bekannt. Wenn aber viele neue Akteure deutscher Außenpolitik sich der internationalen Qualität ihrer Tätigkeit nicht immer bewußt sind oder ihr angesichts der fachspezifischen Natur ihrer jeweiligen Aufgaben nicht die gebührende Aufmerksamkeit schenken, kann dies schwerwiegende Nachteile für die Umsetzung deutscher Interessen haben. Die Bundesregierung hat stets großen Wert darauf gelegt, daß die professionelle Ausbildung ihrer Mitarbeiter mit der Aufgabenvermehrung im internationalen Bereich Schritt hält. Beim Auswärtigen Dienst, dessen Berufsbild sich durch internatio-

6 Zur Rolle der Bundesländer in der Europapolitik vgl. auch die Beiträge von Werner Hoyer und Michèle Knodt in diesem Band. 7 Wolfgang Schäuble, Die Bewährungsprobe der Normalität. Deutsche Außenpolitik nach dem Gezeitenwechsel von 1989/90, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2.7.1997.

AUSWÄRTIGER DIENST

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naie Kompetenz definiert, ist eine gezielte ressorteigene Ausbildung für den Nachwuchs seit langem selbstverständlich. Auch das BMVg geht sehr systematisch an diese Aufgabe heran. Bei anderen Bundesministerien gibt es dagegen keine vergleichbare ressortspezifische Ausbildung für die jeweiligen internationalen Tätigkeitsfelder. Unter den vielfältigen Neuansätzen sind die Anstrengungen der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (BAköV) hervorzuheben. Eine der fünf Lehrgruppen der BAköV widmet sich ausschließlich der praktischen Fortbildung im Rahmen der inter- und supranationalen Zusammenarbeit. Auch die Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer hat einen Arbeitsschwerpunkt »Europäische Integration«. Schließlich haben einige Länder eigene Fortbildungsmaßnahmen - nicht nur für ihre leitenden Beamten - eingerichtet. Der politischen Schwerpunktsetzung entsprechend ist »Europafähigkeit« eine für Deutschland besonders wichtige Ausprägung internationaler Kompetenz. Dabei geht es nicht allein um rechtliche und institutionelle Grundkenntnisse und die sprachlichen Grundlagen europäischer Kommunikationsfähigkeit. Wesentlich ist vor allem das handlungsorientierte, selbstverständliche Denken in Integrationskategorien. In zunehmendem Umfang machen Bundes- und inzwischen auch Landesministerien von dem Angebot Gebrauch, Mitarbeiter zu Fortbildungskursen des AA und der BAköV für Fragen der europäischen Integration zu entsenden. Noch früher - und damit nachhaltiger und kostengünstiger - im Bildungszyklus setzt die Einrichtung von verbesserten Studienangeboten an deutschen Hochschulen an. Gerade ihnen obliegt es, die Ausbildung von »europafähigem« akademischen Nachwuchs sicherzustellen. 8 Bisher mangelt es hier oft an den ausreichenden Qualifikationen. Deutsche Hochschulen achten - im Gegensatz zu angesehenen angelsächsischen Universitäten - vor allem zu wenig auf die für die Arbeit in den internationalen Beziehungen besonders wichtige hohe persönliche Umstellungs- und Lernfähigkeit ihrer Studenten.

VERÄNDERTE AUFGABEN DES AUSWÄRTIGEN DIENSTES

Der Auswärtige Dienst ist nach wie vor das zentrale Instrument der deutschen Außenpolitik. Der inhaltliche und strukturelle Wandel auswärtiger Beziehungen fordert aber ganz neue Anpassungsleistungen. Neue Aufgaben sind für den Auswärtigen Dienst generell beim Aufbau einer veränderten globalen und europäischen Ordnung entstanden. Die damit verbundenen konzeptionellen und politisch-operativen Anforderungen sind in den letzten Jahren augenfällig gewachsen. 8 Der in Zusammenarbeit zwischen Bundes-, Landes-, Hochschul- und Wirtschaftsvertretern entwickelte Modellversuch eines einjährigen »Aufbaustudiengangs Europawissenschaften« bietet hierfür ein Beispiel. Er ist vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft als Wettbewerb unter deutschen Universitäten ausgeschrieben worden und soll zum Wintersemester 1998/1999 umgesetzt werden. Vgl. Die Xeity 19.3.1998, S. 85.

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INSTITUTIONEN DER BUNDESREGIERUNG

Darüber hinaus stellt vor allem die Fortentwicklung der europäischen Integration eine Zäsur dar. Die gleichzeitige Vertiefung und Erweiterung der Europäischen Union und der parallele Ausbau ihrer Außenbeziehungen auf multi- und bilateraler Ebene haben tiefgreifende Auswirkungen: -

Die Aufgabenstellung der bilateralen Auslandsvertretungen in den E U - und den mittelosteuropäischen Staaten wandelt sich gründlich. Die fortschreitende Integration macht sie keineswegs überflüssig, aber setzt neue Arbeitsschwerpunkte: Die laufende Darstellung der deutschen Europapolitik in den Partnerländern mit den Mitteln öffentlicher Diplomatie ist eine unverzichtbare Ergänzung der Bemühungen, deutsche Positionen am Ratstisch in Brüssel mehrheitsfähig zu machen.

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Die seit dem Vertrag von Maastricht 9 institutionalisierte Gemeinsame Außenund Sicherheitspolitik bringt in die Arbeit des Auswärtigen Amtes eine qualitativ neue Abstimmungs- und Handlungsdimension ein. Nur mit der Bündelung ihrer nationalen Positionen zu einer gemeinsamen europäischen Haltung können die EU-Mitgliedstaaten auch außen- und sicherheitspolitisch jenes kollektive Gewicht realisieren, das die Europäische Union in Welthandelsfragen schon seit langem hat. Die im Vertrag von Amsterdam verabredete Schaffung einer Strategieplanungsund Frühwarneinheit soll die Effizienz der Entscheidungsfindung und Gemeinsamkeit des Handelns erheblich verbessern.

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Es gehört außerdem zu den besonders anspruchsvollen Aufgaben des Auswärtigen Dienstes, die innerstaatliche Koordinierung von deutschen Positionen etwa im Hinblick auf die Osterweiterung der E U zielgerichtet zu gestalten - und in der E U für diese Positionen wie für die Gesamtausrichtung der Politik ständig auf die notwendigen Mehrheiten hinzuarbeiten.

Uberhaupt ist Koordinierung infolge zunehmender Vernetzung der Themen bei gleichzeitiger Fragmentierung der Träger und Foren zu einem der Hauptarbeitsfelder des Auswärtigen Dienstes geworden. Bereichs- und ressortspezifische Ziele müssen unter Berücksichtigung der Gesamtinteressen des Staates - oder von Staatengruppen, etwa der E U - definiert und mit den passenden Instrumenten umgesetzt werden. Je komplexer die Fragen sind, um so wichtiger ist die Einordnung der Lösungsansätze in ein kohärentes Gesamtkonzept. Nur so sind die nationale und die mit ihr untrennbar verbundene europäische außenpolitische Identität wirksam zu wahren. Koordinationsbedarf besteht gerade für die immer deutlicher die internationalen Beziehungen prägenden globalen Herausforderungen. Sie liegen meist quer zu der traditionellen Zuständigkeitsaufteilung unter den Bundesressorts und verschränken eine Vielfalt von Themen und Interessen in einer Weise, der die herkömmlichen Organisationsstrukturen nicht mehr gerecht werden können. Die »großen Menschheitsfragen« wie Uberbevölkerung, Umwelt, Klima und Migration sowie die wichtigen Aktionsfelder Demokratisierung, Menschenrechte und »good governance« führen daher auch in den Auswärtigen Diensten zur Anpassung administrativer Strukturen. 9 Abgedruckt in: Europa-Archiv

(EA), 6/1992, S. D177-254 und 7/1992, S. D255-298.

AUSWÄRTIGER DIENST

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Ein weitgehend neues Feld, auf dem wirksame internationale Institutionen und Instrumente erst im Entstehen begriffen sind, ist das der sogenannten sekundären Bedrohung der nationalen und internationalen Sicherheit, z.B. durch internationalen Terrorismus und Drogenhandel, Flüchtlingsströme und eine früher in diesem Umfang unbekannte Asyl- und Einwanderungsproblematik. Die Tradition, innere Sicherheit vor allem mit nationalen Mitteln zu gewährleisten, ist im Bewußtsein der Bürger und in den Verfassungsordnungen tief verankert. Aber Grenzen trennen und schützen nicht mehr so wie früher - im positiven wie im negativen Sinn. Deshalb war es ein mutiger Vorstoß der Europäischen Union, im Vertrag von Amsterdam die Schutzfunktion ihrer Außengrenze nachhaltig zu verstärken. Infolge dieser Entwicklungen ergibt sich eine neuartige Zusammenarbeit zwischen dem Auswärtigen Dienst und dem Bundesministerium des Innern (BMI). Ein mittlerweile klassisches Feld multilateraler Problemlösung, auf dem das deutsche Engagement besonders herausragt, bildet der grenzübergreifende Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Dabei verschiebt sich der Lösungsrahmen folgerichtig immer mehr von regionalen zu globalen Ansätzen. Internationaler Umweltschutz wird durch seine Verknüpfung mit wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Aspekten, aber auch durch seine sicherheitspolitische Dimension 10 zu einem Querschnittsthema, das an die Koordinierungsfunktion des Auswärtigen Dienstes neue Ansprüche stellt, wenn auch die fachlichen Kompetenzen naturgemäß beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) verbleiben.11 Aufgrund ihrer geographischen Lage und Geschichte - einschließlich des Erbes der D D R - steht die Bundesrepublik bei der politischen und wirtschaftlichen Stabilisierung in Mittel-, Ost- und Südosteuropa, Rußland und den anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion in besonderem Maße in der Pflicht. Dem Auswärtigen Dienst sind in diesen Staaten auch bei der Außendarstellung Deutschlands als einer modernen Demokratie mit einer wettbewerbsfähigen, innovativen Wirtschaft und einem reichen Kulturleben umfangreiche zusätzliche Aufgaben zugewachsen. Hilfestellung bei der schwierigen Transformation von Staat und Wirtschaft erfordert »political engineering«, d.h. die politisch-diplomatische Begleitung des Engagements der deutschen Wirtschaft. Noch stärker ist der Beitrag des Auswärtigen Amtes beim Aufbau einer Zivilgesellschaft sowie im Bildungs- und Kulturbereich gefordert. Die Nachfrage übersteigt hier die Möglichkeiten um ein Vielfaches, obwohl die Mittel erhöht und durch Umschichtung verstärkt worden sind. Wirksame Außen- und Europapolitik erfordert auch die Vermittlung der sich wandelnden außenpolitischen Interessen Deutschlands nach innen. Allein der Dialog mit parlamentarischen Instanzen, mit den Medien, mit Nichtregierungs- und Kulturorganisationen sowie Wirtschaftsverbänden, also »die nimmermüde Anstrengung,

10 Diese zeigt sich beispielhaft an der Wasserproblematik im Nahen Osten. 11 Vgl. hierzu auch den Beitrag von Wolfgang Fischer und Petra Holtrup in diesem Band.

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INSTITUTIONEN DER BUNDESREGIERUNG

trotz der in der Demokratie üblichen Dominanz der Innenpolitik eine ständige Präsenz außenpolitischer Notwendigkeit im Bewußtsein der Staatsbürger herzustellen« 12 , kann den wünschenswerten breiten Grundkonsens sichern. Uber ihre politischen Aufgaben hinaus sind das AA und in noch stärkerem Maße die Auslandsvertretungen zu modernen Serviceunternehmen für den Bürger geworden. Für seine weltweiten Dienstleistungen stellt der Auswärtige Dienst inzwischen bereits mehr Mitarbeiter zur Verfügung als für die klassischen politischen Aufgaben. Die enorme Mobilität von Menschen - als Touristen, Unternehmer oder Zuwanderer - vermehrt die Nachfrage nach konsularischen und wirtschaftsfördernden Leistungen. 13 Desgleichen stützen sich die zahlreichen amtlichen und nichtamtlichen außenpolitischen Akteure in hohem Maße auf die Expertise und Infrastruktur deutscher Auslandsvertretungen. Als Reaktion auf die zunehmende Okonomisierung der internationalen Politik und den verschärften Wettbewerb haben die Wirtschaftsdienste der Auslandsvertretungen zusätzliche Aufgaben im Bereich der Außenwirtschaftsförderung übernommen. Sie sind konsequent ausgebaut worden und umfassen heute ein Drittel des diplomatischen Personals an deutschen Botschaften und Konsulaten. Es geht dabei längst nicht mehr nur um klassische Außenhandelsförderung, sondern auch um Werbung für den Standort Deutschland, sei es um ausländische Direktinvestitionen, sei es um Studenten und Wissenschaftler oder um Touristen, d.h. um Schaffung von Arbeitsplätzen im Inland. Die Rahmenbedingungen aber, unter denen der Auswärtige Dienst diese vielfältigen Aufgaben erfüllt, werden zunehmend schwieriger. Die Diskrepanz zwischen den Lebensbedingungen in Deutschland und an vielen Auslandsposten wächst. Belastungen durch Konflikte und Bürgerkriege, durch Terrorismus, Kriminalität und Umweltgefährdungen machen es immer schwerer, bestimmte Auslandsposten noch zu besetzen.

ANPASSUNG DES AUSWÄRTIGEN DIENSTES

Personal- und Ressourcenausstattung Der Auswärtige Dienst gliedert sich in das Auswärtige Amt und 228 Auslandsvertretungen 14 . Die Gesamtpersonalstärke weltweit beträgt etwa 11 500; davon gehören rund 8 700 Mitarbeiter zum Auswärtigen Dienst im engeren Sinn. Die übrigen sind vorübergehend aus anderen Ressorts und Organisationen entsandt oder örtliches Hilfs- und Sicherheitspersonal. 12 Vgl. Johannes Gross, Terra firma. Zur inneren Basis der äußeren Politik, in: Klaus Kinkel (Hrsg.), In der Verantwortung. Hans-Dietrich Genscher zum Siebzigsten, Berlin 1997, S. 751-759, hier S. 758. 13 Beispielsweise wurden im Jahr 1996 rund zwei Millionen Visaanträge bearbeitet. 14 Dabei handelt es sich um 149 Botschaften, 66 Konsulate und Generalkonsulate, 11 Ständige Vertretungen bei multilateralen Organisationen, eine Schutzmachtvertretung und ein Vertretungsbüro.

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Der Vergleich dieser Zahlen und der finanziellen Aufwendungen mit denen der USA, Frankreichs, Großbritanniens und Italiens zeigt, daß der deutsche Auswärtige Dienst personell und finanziell eher bescheiden ausgestattet ist (vgl. die Abbildungen am Ende des Textes). Bei den Personal- und Verwaltungsausgaben, den eigentlichen »Betriebskosten«, liegt die Ausstattung deutlich unter der der USA und Frankreichs. Setzt man die Ausgaben in Beziehung zur Bevölkerungszahl oder zum Exportvolumen, liegen die Kosten sogar erheblich unter denen der europäischen Partner. Die Zahl der von der Bundesrepublik Deutschland weltweit unterhaltenen Auslandsvertretungen liegt unter der Zahl der Vereinigten Staaten, Frankreichs und Italiens. Der Personalbestand des Auswärtigen Dienstes wird - wie der anderer Bundesressorts - seit einigen Jahren aus Haushaltsgründen verringert. 1998 entspricht er etwa dem Umfang vor der deutschen Vereinigung, obwohl die Bundesrepublik seit 1990 insgesamt 40 Missionen neu eröffnet hat und zusätzliche Aufgaben wahrzunehmen sind. Den auch hieraus entstehenden Zwang zum Uberdenken von Prioritäten und Strukturen empfindet der Auswärtige Dienst keineswegs nur als negativ. Zusammen mit dem bevorstehenden Umzug nach Berlin bildet er eine wichtige Chance für Reformen und Reorganisation. Dabei verfolgt das AA vor allem zwei Ziele: die Modernisierung der inhaltlichen, der Verwaltungs- und Managementkonzeption sowie eine noch stärkere Konzentration auf die politischen und dienstleistungsbezogenen Kernaufgaben. Derzeit wird auch mit Hilfe externer Beratung - schrittweise ein speziell für den Auswärtigen Dienst entwickeltes Controlling-Konzept eingeführt. Damit soll erstmals ein Bundesministerium bei gestärkter dezentraler Verantwortung auf Leistungs- und Kostenbasis arbeiten. Doch trotz aller Effizienzverbesserungen besteht kein Zweifel, daß sich die Schere zwischen zunehmenden Aufgaben des Auswärtigen Dienstes und immer knapperen personellen und finanziellen Ressourcen gefährlich geöffnet hat. Diese Entwicklung ist inzwischen an einem Punkt angelangt, wo weitere Personalkürzungen eine deutlich restriktivere Interpretation des gesetzlich festgelegten Auftrags 15 nach sich ziehen könnten, d.h. die Streichung von Leistungen oder tiefe Einschnitte in das Netz der Auslandsvertretungen. Staatliche Interessen und Leistungserwartungen der Bürger setzen dem Ausdünnen oder gar Schließen von Auslandsmissionen und Kulturinstituten jedoch Grenzen. Die Bundesrepublik kann und will auf ein weltumspannendes Netz von amtlichen Vertretungen nicht verzichten: »Wir können uns mit keinem auch noch so weitgesteckten Regionalismus begnügen. Auch der kleinste und entfernteste Markt ist unentbehrlicher Bestandteil unserer äußeren Wirtschaftspolitik...« 16 Diese Feststellung Ludwig Erhards aus dem Jahr 1953 gilt heute mehr denn je angesichts des weltweiten

15 Vgl. Gesetz über den Auswärtigen Dienst (GAD) vom 30.8.1990, abgedruckt in: Bundesgesetzblatt (BGBl) 1990, Teil I, S. 1842-1848, hier insbes. §§ 1 u. 3. 16 Ludwig Erhard, Vorwort, in: ders. (Hrsg.), Deutschlands Rückkehr zum Weltmarkt, Düsseldorf 1953, S. 5-10, hier S.9.

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Wettbewerbs um Arbeitsplätze und der Tatsache, daß der - in Deutschland besonders hohe - Außenanteil am Bruttosozialprodukt in fast allen Staaten wächst. 17

Auswahl, Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter Die Effizienz des Auswärtigen Dienstes hängt in erster Linie von der Qualität seiner Mitarbeiter ab. Die Bundesrepublik braucht dabei den Vergleich mit anderen Diensten nicht zu scheuen. Die Notwendigkeit sorgfältiger Auswahl des Personals sowie seiner speziellen Aus- und permanenten Fortbildung ist unumstritten. Selbst in Zeiten knapper Haushaltsmittel rüttelt niemand an der amtseigenen Ausbildungsstätte für den höheren, gehobenen und mittleren Dienst. Ihr Auftrag ist eng begrenzt auf die Qualifizierung für die Laufbahnen des Auswärtigen Dienstes und beansprucht nicht, die unvermeidliche Station auf dem Weg in herausgehobene Positionen bei der sonstigen Außenvertretung von Staat, Regierung oder Privatsektor zu sein. Die Bewerberzahlen belegen, daß der Zugang weiterhin begehrt ist. Allerdings wird der Wettbewerb um die Besten immer härter angesichts steigender Nachfrage und »Abwerbung« aus anderen Bereichen, die bessere materielle Perspektiven und einfachere Arbeits- und Lebensbedingungen bieten. Bei der Fortbildung hat in Fach- und Managementseminaren die Vorbereitung auf die Übernahme einer neuen Tätigkeit im In- und Ausland - das sogenannte »pre-post-training« - Priorität. Ein zweiter Schwerpunkt ist die Unterstützung der gegenwärtig ausgeübten Tätigkeit, das »training on the job«. Fortbildung wird aber auch eingesetzt, um die Motivation der Mitarbeiter zu steigern und die Weiterentwicklung der »Unternehmenskultur und -identität« des Auswärtigen Dienstes zu fördern. Besondere Aufmerksamkeit widmet das Auswärtige Amt seit einigen Jahren der systematischen Fortbildung von Führungskräften. Verbesserung der Führungs- und Teamfähigkeit der Mitarbeiter soll ihre soziale Kompetenz erhöhen. Führungsseminare beziehen stets auch die Leitungsebene des AA ein. Mangels ausreichender Personalreserve kann der Auswärtige Dienst von diesen kostengünstigen und effizienzsteigernden Instrumenten allerdings weniger Gebrauch machen, als geboten wäre.

Personalaustausch und Einbindung amtsfremden Sachverstands Das Auswärtige Amt ist bemüht, spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten auch durch Personal- und Beamtenaustausch nutzbar zu machen. Es fördert daher einerseits befristete Tätigkeiten von eigenen Mitarbeitern in deutschen Institutionen 18 z.B. in anderen Bundesministerien, im Bundestag oder in den Parteien - sowie in

17 Die Globalisierungsstudie der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) rechnet für das Jahr 2020 mit einer Durchschnittsquote von 50%. Vgl. OECD, Towards a New Global Age. Challenges and Opportunities, Paris 1997. 18 Anfang 1998 waren das allein im höheren Dienst 106 Mitarbeiter.

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inter- und supranationalen Organisationen, etwa in den Vereinten Nationen und ihren Sonderorganisationen, im Nordatlantikpakt (NATO) und in der Europäischen Kommission. In Bonn werden vor allem dem Bundestag bzw. den Fraktionen, dem Bundespräsidialamt und dem Bundeskanzleramt außenpolitische Experten zur Verfügung gestellt. Einem intensiveren Personalaustausch zwischen den Bundesministerien stehen das starke Ressortprinzip nach Art. 65 GG, das Festhalten an traditionellen Formen der Ressortabstimmung sowie das Fehlen eines ressortübergreifenden, homogenen Personalstamms entgegen.19 An den Auslandsvertretungen dagegen bringen nahezu 540 Fachreferenten und sonstige Mitarbeiter aller Laufbahnen aus anderen Ressorts und Organisationen - vor allem aus dem BMVg mit den traditionsreichen Militärattachestäben sowie aus den Bundesministerien für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), für Wirtschaft (BMWi) und für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BML) - ihre spezifischen Kenntnisse ein.20 Die Länder machen seit einigen Jahren von der Möglichkeit Gebrauch, Beamte vorübergehend in die Europaabteilung des AA zu entsenden.21 Uber den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) rekrutierte Manager aus der Wirtschaft verstärken seit vielen Jahren die Wirtschaftsabteilungen verschiedener Auslandsvertretungen, vorrangig in Ostasien. Und auch im Planungsstab des AA sind seit einigen Jahren Vertreter der Privatwirtschaft tätig.22 Mit mehreren Außenministerien anderer Länder tauscht das Auswärtige Amt regelmäßig Personal aus. So tun derzeit drei französische Kollegen im AA Dienst und im Gegenzug drei deutsche Diplomaten im Quai d'Orsay. Ein vergleichbarer Austausch findet regelmäßig mit Großbritannien, Italien, Kanada, den Niederlanden, Spanien und den USA statt.23 Zweimal jährlich bildet der Auswärtige Dienst in seiner Ausbildungsstätte in Berlin-Treptow in mehrmonatigen Kursen junge Diplomaten aus insgesamt 28 Staaten Mittel- und Osteuropas sowie Zentralasiens aus. Dabei lernen sie die Grundzüge der politischen und wirtschaftlichen Ordnung Deutschlands kennen, besuchen wichtige 19 Dessen Hervorbringung wird etwa in Frankreich durch die zentrale Institution der École nationale d'administration (ENA) gefördert. 20 Im einzelnen waren an den Auslandsvertretungen im höheren Dienst tätig (Stichtag 18.2.1997): 81 Militärattaches und 44 Beamte aus dem BMVg, 26 Angehörige des BMZ sowie jeweils 22 Angehörige des BMWi und BML, ferner aus den Bundesministerien für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) 15, der Finanzen (BMF) 10, für Arbeit und Sozialordnung (BMA) 9, Verkehr (BMV) 6, des Innern (BMI) 4, für Gesundheit (BMG) 3, Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BMBau) 1, Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) 1 sowie der Justiz (BMJ) 1. Hinzu kamen 9 Vertreter aus dem Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 5 aus der Bundesbaudirektion und 4 aus dem Bundeskriminalamt. Im Inland waren zum selben Zeitpunkt lediglich 4 Beamte aus dem BMVg sowie jeweils 1 Beamter aus dem BMJ und dem BMI im A A tätig. 21 Im Februar 1997 waren dies 4 Beamte. 22 Der BDI entsandte in den höheren Dienst der Auslandsvertretungen 4 Personen; 1 Industrievertreter war im Inland beschäftigt. Die Bundesbank stellte in den Auslandsvertretungen 12 Mitarbeiter, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) 9 von insgesamt 18 externen Sozialreferenten. 23 Neben den französischen Austauschbeamten arbeiten z.Zt. ein Brite, ein US-Amerikaner und ein Italiener im AA.

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INSTITUTIONEN DER BUNDESREGIERUNG

deutsche und europäische Institutionen und hospitieren im AA. Auf diese Weise werden den Teilnehmern bereits zu Beginn ihrer Laufbahn die praktischen Aspekte europäischer Integration und der deutsche Ansatz eines kooperativen, europäisch orientierten Interessenausgleichs anschaulich nahegebracht. Politikberatung:

Wissenschaft und

Außenpolitik

Außenpolitik und außenpolitische Forschung, Praxis und Theorie sind zwei Seiten einer Medaille. Auch wenn die Handlungslogik der Politik anderen Regeln folgt als die Erkenntnislogik der Wissenschaft, ist es unverzichtbar, beide Bereiche über vielfältige Kontakte und Netzwerke miteinander zu verbinden. Politikberatung 24 ist wissenschaftliche Informationsdienstleistung. Sie erfordert zwar einerseits eine gewisse wissenschaftliche Distanz, bedarf aber zu ihrer Wirksamkeit andererseits großer kommunikativer Nähe zur Politik. 25 Externe Politikberatung muß fundiert, aktuell, praxisnah und politisch durchsetzbar sein. Auf der Seite der »Abnehmer« steht allerdings - neben mangelnder Flexibilität der deutschen Strukturen - vor allem Zeitmangel einer adäquaten Aufnahme wissenschaftlicher Expertise entgegen. 26 Ein wichtiges Kriterium für das Funktionieren von Politikberatung ist die räumliche Nähe der Denkfabriken zu Politik und Ministerien. Daher werden die wichtigsten politikberatenden Forschungsinstitute im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik zukünftig in Berlin angesiedelt. Ausschöpfung der neuen Kommunikationsmittel:

Diplomatie im »Cyberspace«

Das Auswärtige Amt bedient sich der ganzen Palette moderner Kommunikationsinstrumente. Sachbedingt hat es als erstes Bonner Ministerium seine Zentrale vollständig vernetzt. Die Auslandsvertretungen sind Teil seines geschützten, satellitengestützten Kommunikationsnetzes. Neben Telefon und Fax löst vor allem der elektronische Datenaustausch die klassischen Ubermittlungswege Telex und Kurier ab. Für sein breites Dienstleistungsspektrum und die immer wichtiger werdende »public diplomacy« nutzt das AA auch das Internet. Das Angebot reicht dabei von aktuellen Länderinformationen und Reisehinweisen bis hin zu Presseerklärungen, Reden und anderen von der Öffentlichkeit und den Medien nachgefragten Dokumenten. Die Kommunikationstechnik verändert die traditionellen Arbeitsbedingungen und Strukturen des Auswärtigen Dienstes einschneidend. Dabei zeichnen sich vor allem folgende Tendenzen ab: 24 Vgl. hierzu auch den Beitrag von Manfred Mols in diesem Band. 25 Vgl. Josef Janning, Anforderungen an die Denkfabriken, in: IP, 9/1996, S. 65f. 26 Vgl. Berndt von Staden, Wissenschaftliche Politikberatung in der außenpolitischen Praxis, in: EA, 12/1986, S. 359-366; Albrecht Zunker, Wissenschaftliche Expertise und Politikberatung auf dem Gebiet der Internationalen Beziehungen, in: Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin (Hrsg.), Symposium Forschung und Lehre im Fach »Internationale Beziehungen« in Japan und Deutschland, 23.-24.9.1993 (Veröffentlichungen des JDZB, Reihe 1, Band 25), Berlin 1995, S. 123-131.

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Der elektronische Datenaustausch hat die Arbeitsabläufe in einem unvorstellbaren Maß beschleunigt. Sowohl die Auslandsvertretungen als auch die Zentrale werden durch das Kommunikationsnetz in einen immer einheitlicheren globalen Arbeitsrhythmus gezwungen. Die elektronisch bestens ausgerüsteten Medien tragen dazu wesentlich bei. Die Strukturen von Netzen und Hierarchien sind nicht deckungsgleich. Das geschützte E-mail-Netz des Auswärtigen Dienstes ermöglicht eine breite Streuung von Nachrichten an eine Vielzahl von Empfängern quer durch die Hierarchieebenen. Der damit bewirkte gleichzeitige und gleichmäßige Informationsstand aller Adressaten verbessert insbesondere die Reaktions- und Koordinierungsfähigkeit der Arbeitsebene. Allerdings kann der Auswärtige Dienst, der einer für parlamentarische Demokratien charakteristischen steten politischen und öffentlichen Kontrolle unterliegt, wegen der beim Bundesaußenminister angesiedelten politischen Verantwortung eine Entkopplung von Informations- und Hierarchiestrukturen nur begrenzt zulassen. Die enge elektronische Anbindung hebt die traditionelle Zweiteilung Zentrale/ Auslandsvertretung zunehmend auf. Ein Referatsleiter im AA erreicht einen Referenten an der Botschaft in Paris per Telefon, Fax oder E-mail nicht anders als seinen eigenen Mitarbeiter im Bonner Gebäude nebenan. Leitungsvorlagen zu bilateralen europäischen Themen werden daher mit den zuständigen Auslandsvertretungen bereits wie mit Einheiten der Zentrale abgestimmt. Moderne Kommunikationstechnik ist effizienter als die traditionellen Informationswege. Der aufwendige diplomatische Kurier wird durch den elektronischen Datenaustausch spürbar entlastet, wenngleich nicht völlig entbehrlich. Die zügige, weltweite Übermittlung von Dokumenten erspart Doppelarbeit, verringert den Papieraustausch und ermöglicht, Experten elektronisch ad hoc einzubeziehen. Zeit und Reisekosten ersparen auch Videokonferenzen, wie sie z.B. regelmäßig zwischen dem A A und der Ständigen Vertretung in Brüssel stattfinden. Der schnelle Aufbau einer »temporären Auslandsvertretung« in Krisen- und Katastrophenfällen ist mit Notebook und Satellitenkoffer bereits heute relativ einfach möglich. Das eigene Kommunikationsnetz erlaubt dem Auswärtigen Dienst die Nutzung seiner weltweit verteilten Kapazitäten dort, wo sie am schnellsten - auch unter Ausnutzung von Zeitdifferenzen - oder am kostengünstigsten erledigt werden können. Im Netz können zudem »virtuelle« Projektteams die im Auswärtigen Dienst rund um die Erde verteilte Expertise schnell und ohne Personalbewegung nach Bedarf vorübergehend zusammenziehen. Auch die regierungsinterne Zusammenarbeit wird - nicht zuletzt durch den Informationsverbund Bonn/Berlin - mit der ressortübergreifenden Nutzung neuer Kommunikationstechniken weiter beschleunigt werden. Externe Partner des Auswärtigen Dienstes, insbesondere die neuen Akteure aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, aber auch befreundete Regierungen, können nach Schaffung der entsprechenden Voraussetzungen in die neuen Kooperationsformen einbezogen werden. Das verbessert nicht nur die übergreifende Koordinierungsfunktion des

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INSTITUTIONEN DER BUNDESREGIERUNG

Auswärtigen Dienstes, sondern fördert auch die »Europafähigkeit« und die internationale Kompetenz der anderen Beteiligten. Auch eingefleischte Advokaten einer »Cyber-Diplomatie« erkennen allerdings die Grenzen der Virtualität. Bei weitem nicht alle Staaten sind so umfassend in weltumspannende Kommunikationsnetze eingebunden oder nutzen sie so selbstverständlich wie die modernen Industriestaaten. Vor allem aber bleibt die »Schnittstelle Mensch«, der traditionelle Ansatzpunkt guter Diplomatie, unentbehrlich. Die weltweite diplomatische Präsenz mit der Möglichkeit, vor Ort selbst unabhängig zu beobachten, persönlich geprägte, dauerhafte Kontakte zu knüpfen und einen an nationalen Interessen ausgerichteten Aktionsradius zu entfalten, wird die Bundesrepublik daher nicht aufgeben.

PERSPEKTIVEN

Die Herausforderungen für auswärtige Politik werden durch Globalisierung und wachsende internationale Verflechtung weiter zunehmen. Der Auswärtige Dienst kann sie nur meistern, wenn es auch in Zukunft gelingt, hochqualifizierten Nachwuchs zu rekrutieren, den sich wandelnden Anforderungen entsprechend auszubilden und durch geeignete Fortbildungsmaßnahmen die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Mitarbeiter auf Dauer zu erhalten. Es steht außer Zweifel, daß sich die Auswärtigen Dienste der Mitgliedstaaten der Europäischen Union weiter »europäisieren« werden. Die stärkere Zentralisierung der Analyse- und Entscheidungsprozesse muß begleitet sein von immer engerer Zusammenarbeit zwischen den Auslandsvertretungen der EU-Staaten. Mittlerweile wird - auch unter dem Druck der Finanzprobleme - die Bereitschaft zur Bildung gemeinsamer Auslandsvertretungen größer. Für die gemeinsame Nutzung der Infrastruktur gibt es bereits praktische Beispiele. So arbeiten in Almaty die französische, die britische und die deutsche Botschaft unter einem Dach. In Abuja, der neuen Hauptstadt Nigerias, wird eine gemeinsame Unterbringung der Missionen aller dort vertretenen EU-Partner angestrebt. Gute Außen- und Sicherheitspolitik ist für Deutschland eine Schicksalsfrage. Die Bundesrepublik kann sich nicht auf sich selbst oder auch nur auf Europa zurückziehen. »In einer kleiner werdenden Welt, in der Chancen und Risiken sich gleichermaßen globalisieren können, wird auch die Globalisierung der deutschen Außenpolitik unvermeidlich sein.« 27 Der Auswärtige Dienst steht an einer für deutsche Interessen entscheidenden Schnittstelle. Er bleibt auf Dauer die zentrale Institution der deutschen Außenpolitik. Seine Funktionsfähigkeit ist für die außen- und europapolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland unerläßlich. 27 Roman Herzog, Die Globalisierung der deutschen Außenpolitik ist unvermeidlich. Rede des Bundespräsidenten beim Festakt zum 40. Jahrestag der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik am 13.3.1995 in Bonn, abgedruckt in: Bulletin (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung), Nr. 20, 15.3.1995, S. 161-165, hier S. 162.

AUSWÄRTIGER

Abbildungen

1-4: Der Auswärtige

Dienst im

DIENST

73

internationalen Vergleich

Z a h l der A u s l a n d s v e r t r e t u n g e n 1996

Frankreich

Großbritannien

Deutschland

β Gesamt • Bilaterale Botschaften • Generalkonsulate/Konsulate • Multilaterale Missionen/Delegationen Β Sonstig*

P e r s o n a l s t ä r k e n d e r A u ß e n m i n i s t e r i e n 1996

40.000

Η Gesamtpersonalstärke Inland/Ausland 0 Zentrale • Auslandsvertretungen Β Ortskräfte • Angehörige anderer Ressorts }

74

INSTITUTIONEN DER BUNDESREGIERUNG

Personal- und Verwaltungsausgaben der Au Renministe rien 1996 (In Mio. DM)

11 1424

1447

Großbritannien

Deutschland

Verhältnis Personal- und Verwaltungsausgaben der Außenministerien zu nationalem Export 1995 (in Prozent)

Großbritannien

Deutschland

NATIONALE ENTSCHEIDUNGSSTRUKTUREN DEUTSCHER EUROPAPOLITIK Werner Hoyer Vierzig Jahre nach der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) gibt es heute in Deutschland kaum einen Bereich des gesellschaftlichen Lebens, der von der europäischen Integration unberührt geblieben ist. Deutsche Europapolitik ist zu einer umfassenden Aufgabe geworden, die die Berücksichtigung und Koordinierung der unterschiedlichen Interessen und innerstaatlichen Institutionen voraussetzt. Die Mechanismen und Strukturen, mit denen man es dabei sowohl horizontal auf der Ebene des Bundes und insbesondere der Bundesregierung als auch vertikal im vom Föderalismus geprägten Verhältnis zwischen Bund und Ländern zu tun hat, erscheinen oft komplex und teilweise nur historisch erklärbar. Mehr als in anderen Staaten sind die Entscheidungsabläufe dezentral organisiert. Dennoch wird das bestehende System von allen Beteiligten als praktikabel und interessengerecht angesehen. Die heutige Situation ist das Resultat eines langen, aber nicht abgeschlossenen Prozesses, in dessen Verlauf Europa und die europäische Integration ständig an Bedeutung gewonnen haben. Längerfristig wird man auch in Deutschland hinsichtlich der europapolitischen Organisationsstruktur flexibel auf weitere Integrationsschritte antworten müssen. Die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung, die Zusammenarbeit mit Bundestag und Bundesrat sowie mit den Bundesländern findet Tag für Tag auf unterschiedlichen Ebenen statt. Hierfür gibt es sowohl Regeln mit Verfassungsrang und einschlägige Gesetze als auch Vereinbarungen zwischen den einzelnen Organen. Die Notwendigkeit, unter hohem Zeitdruck zu Positionen und Ergebnissen zu kommen, fördert zudem die Herausbildung informeller Kontakte und Kooperationsformen. Das Ziel ist eine kohärente und aktive Europapolitik, die von der breiten Zustimmung der Verfassungsorgane getragen wird und eine sachgerechte und rechtzeitige Interessenvertretung in den Institutionen der Europäischen Union (EU) ermöglicht. Die Gestaltung der deutschen Europapolitik ist kein rein innerstaatlicher Vorgang. Es besteht eine enge Vernetzung zwischen den Entscheidungsträgern der EU-Mitgliedstaaten sowie zwischen diesen und den europäischen Akteuren. Nationale Positionen werden unter Berücksichtigung der Interessen der anderen Mitgliedstaaten und der möglichen Auswirkungen auf übergeordnete europapolitische Ziele definiert. Es handelt sich um einen vielschichtigen Prozeß, in dem alle Beteiligten ihre Kontakte zu den entsprechenden Institutionen in den Partnerstaaten und zu den europäischen Institutionen nutzen. Mit dem Inkrafttreten des Vertrags über die Europäische Union (EUV; Vertrag von Maastricht) 1 im Jahr 1993 kam es in Deutschland zu einer Reihe von Neuerungen im 1 Abgedruckt in: Europa-Archiv,

6/1992, S. D177-254 und 7/1992, S. D255-298.

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QUERSCHNITTSTHEMEN IM ENTSCHEIDUNGSPROZESS

europapolitischen Entscheidungsprozeß. Die dabei verabschiedeten Regelungen zur Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat und Ländern haben sich im großen und ganzen bewährt. Vor allem die Länder haben im Verlauf des Integrationsprozesses ihre Einflußnahme auf die Europapolitik deutlich ausgeweitet. Nach jeder Erweiterung und jeder sich daran anschließenden Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit haben sie einen Ausbau ihrer Beteiligung gefordert, selbst wenn ihre ureigenen Zuständigkeiten nicht berührt worden waren. Eine Fortsetzung dieser Entwicklung könnte zu einer Komplizierung der ohnehin schon aufwendigen Koordinierungsmechanismen der deutschen Europapolitik führen. Im Rahmen der Regierungskonferenz zur Uberprüfung des Vertrags von Maastricht waren die Länder von Anfang an beteiligt. In den Verhandlungen waren sie durch Bayern und Rheinland-Pfalz auf Minister- und Arbeitsebene vertreten. Mit der zunehmenden Verflechtung europäischer und nationaler Entscheidungsprozesse und weil es in Deutschland kaum noch Bereiche staatlichen Handelns gibt, die völlig ohne Europabezug sind, besteht die Notwendigkeit, in den Bundes- und Länderverwaltungen die »Europafähigkeit« zu verbessern. Aus- und Fortbildung, Einstellungsvoraussetzungen und Personalpolitik müssen noch stärker auf den europäischen Einigungsprozeß ausgerichtet werden. Die Europastaatssekretäre des Bundes haben hierzu im Januar 1996 und im April 1997 grundlegende Beschlüsse gefaßt,2 die auch von den Ländern unterstützt werden.

BUNDESREGIERUNG

Der Bundesregierung kommt in der deutschen Europapolitik die zentrale Rolle zu. Sie nimmt die Rechte und Pflichten wahr, die sich aus der Mitgliedschaft Deutschlands in der Europäischen Union ergeben. Fragen der europäischen Integration gehören unverändert zur Kompetenzmaterie der auswärtigen Gewalt und gehören zum Zuständigkeitsbereich der Exekutive, also der Bundesregierung. Diese arbeitet mit den gesetzgebenden Körperschaften und den Ländern eng zusammen. Grundsätzlich stellt sich die Frage, über welche Gestaltungsspielräume die Mitgliedstaaten der E U bei der Festlegung ihrer nationalen Politik noch verfügen. Hier muß differenziert werden. Es gibt Bereiche wie etwa den Außenhandel, den Wettbewerb oder die Landwirtschaft, in denen nur noch oder überwiegend ein gemeinschaftliches Handeln vorgesehen ist. Beschlüsse müssen gemeinsam gefaßt werden. Die Europäische Kommission kann für die Europäische Gemeinschaft (EG) auftreten und Durchführungsmaßnahmen beschließen. Hier sind in der Regel die nationalen Einwirkungsmöglichkeiten durch Mehrheitsentscheidungen auf europäischer Ebene begrenzt. Eine Bindung kann auch gegen den Willen eines Mitgliedstaates erfolgen. In anderen Politikbereichen, Bereichen gemeinsamen Interesses, verlangt die 2 Diese Dokumente sind nicht veröffentlicht worden.

EUROPAPOLITIK

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Union eine konkrete Zusammenarbeit und enge Abstimmung. Hierzu gehört etwa die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), die zwar intergouvernemental angelegt ist, aber von den Partnern Loyalität und Solidarität fordert. Auch dort, wo gemeinsames Vorgehen nicht möglich ist, sollen Handlungen unterbleiben, die den Interessen der Union zuwiderlaufen (Art. J . l EUV). Und schließlich soll auch in jenen anderen Bereichen, in denen die Mitgliedstaaten weiterhin allein entscheiden, auf die Interessen der Union Rücksicht genommen werden. Vor der Einrichtung des Auswärtigen Amtes (AA) lag die Koordinierung auf Regierungsebene zunächst beim Bundeskanzleramt, dessen Staatssekretär Walter Hallstein etwa an den Verhandlungen zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) teilnahm. Heute nimmt der Bundeskanzler zum einen als Mitglied des Europäischen Rates, zum anderen aufgrund seiner im Grundgesetz (GG) verankerten Richtlinienkompetenz (Art. 65) wesentlichen Einfluß auf die Europapolitik. Im Zusammenwirken mit den anderen Staats- und Regierungschefs, den Außenministern und dem Präsidenten der Europäischen Kommission gibt er für die Entwicklung der E U erforderliche Impulse und legt er die allgemeinen politischen Zielvorstellungen für diese Entwicklung fest (Art. D EUV). Auch außerhalb dieses Rahmens gibt der Bundeskanzler Anstöße zur Europapolitik. Beispiele hierfür waren die beiden gemeinsamen Schreiben des Bundeskanzlers Helmut Kohl und des französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac in den Jahren 1995 und 1996 3 , die sowohl allgemeine Erwartungen für die Regierungskonferenz als auch konkrete Forderungen, etwa zu den Bereichen Justiz und Inneres sowie zur GASP, enthielten. Und auch in den bilateralen Konsultationen des Kanzlers stehen europapolitische Fragen regelmäßig oben auf der Tagesordnung. Die konkrete Ausgestaltung der Europapolitik wird von den zuständigen Ressorts wahrgenommen, die sich untereinander abstimmen müssen.4 Um eine kohärente deutsche Europapolitik sicherzustellen, ist eine wirksame Gesamtkoordinierung erforderlich. Dabei nehmen das AA und das Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) hervorgehobene Rollen ein, da sie am intensivsten mit europäischen Aufgaben befaßt sind. Beide Ministerien hatten sich bereits im Jahre 1958 in einer von den Ministern Heinrich von Brentano und Ludwig Erhard unterzeichneten Vereinbarung5 über eine Funktionsteilung geeinigt, die auch heute noch grundsätzlich Gültigkeit hat. Danach werden die außenpolitischen Angelegenheiten im Ministerrat vom Auswärtigen Amt, die wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Fragen vom BMWi vertreten. Dies bedeutete in jenen Zeiten, in denen der wirtschaftliche Charakter der europäischen Integration im Vordergrund stand, daß das Wirtschaftsministerium die zentrale Koordinierungsrolle innehatte. Diese Gewichtung hat sich nicht zuletzt durch die Aufgabenerweiterung im Vertrag von Maastricht zugunsten des Auswärtigen Amts verschoben. Dabei ist das AA das einzige Bundesressort, das in allen drei Säulen 3 In Auszügen abgedruckt in: Internationale Politik (IP), 8/1996, S. 80f. und 3/1997, S. 82-87. 4 Vgl. hierzu auch die Beiträge von Lisette Andreae und Karl Kaiser sowie Judith Siwert-Probst Band. 5 Dieses Dokument ist nicht veröffentlicht worden.

in diesem

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des Vertrags über die Europäische Union substantielle Kompetenzen hat. Dies gilt für die außenpolitischen Aspekte der Zusammenarbeit im Rahmen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV), ist selbstverständlich bei der GASP und trifft auch auf zahlreiche Themen der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres zu. Mit Blick auf die neuen Aufgaben, die mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht auf die Europäische Union übertragen wurden, hat das Auswärtige Amt im Jahr 1993 eine Europa-Abteilung geschaffen. Auch das BMWi sowie das Bundesministerium der Justiz (BMJ) verfügen über eine eigene Europa-Abteilung. In weiteren Ressorts ist dieser Schritt in der Planung. Die Koordinierung der Europapolitik findet innerhalb der Bundesregierung auf den folgenden Ebenen statt: - Vor wichtigen europapolitischen Ereignissen und Entscheidungen wird die jeweilige Thematik zur ausführlichen Erörterung auf die Tagesordnung des Bundeskabinetts gesetzt. Dabei können in Anwesenheit des Bundeskanzlers und der jeweiligen Ressortchefs die Leitlinien für die deutsche Europapolitik festgelegt werden. Der formell noch bestehende Kabinettsausschuß für Europapolitik hat keine praktische Relevanz mehr. -

Im Staatssekretärausschuß für Europafragen werden zuvor auf der Arbeitsebene abgestimmte Beschlüsse zu europapolitischen Grundsatzfragen verabschiedet. Soweit eine Einigung vorher nicht erreicht werden konnte, wird eine Klärung auf dieser Ebene angestrebt. Beschlüsse von übergeordneter Bedeutung werden anschließend dem Kabinett zur Kenntnis gebracht. Ziel des Staatssekretärausschusses ist es also, zu einzelnen Punkten möglichst eine abschließende Einigung zu erzielen, ohne das Kabinett damit befassen zu müssen, dem die Erörterung von Fragen mit politischer Tragweite vorbehalten bleiben soll. An seinen Sitzungen nimmt auch der Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union teil. Den Vorsitz führt der für europapolitische Fragen zuständige Staatsminister im Auswärtigen Amt. Der stellvertretende Vorsitz und das Sekretariat liegen beim BMWi. Während der Regierungskonferenz wurde der Ausschuß regelmäßig über Verlauf und Stand der Beratungen unterrichtet. Dabei wurden teilweise auch strittige Fragen grundsätzlicher Natur erörtert und einer Lösung zugeführt. Mit der konkreten Vorbereitung der einzelnen Sitzungen der Regierungskonferenz war der Gesprächskreis der Beauftragten der europapolitischen Kernressorts befaßt, der aus den Staatssekretären des Auswärtigem Amtes, des BMWi, des BMJ, der Bundesministerien des Innern (BMI) und für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BML) sowie den Leitern der Auslandsund der Wirtschaftsabteilung des Bundeskanzleramts zusammengesetzt war. Den Vorsitz führte auch hier der Staatsminister im Auswärtigen Amt, der gleichzeitig Verhandlungsführer der Bundesregierung bei der Regierungskonferenz war.

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Auf Arbeitsebene sind in allen Ressorts Europabeauftragte - Referatsleiter oder Unterabteilungsleiter - ernannt worden. Sie kommen bei Bedarf zur Beratung wichtiger europapolitischer Fragen unter Vorsitz des Abteilungsleiters Europa im

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Bundeswirtschaftsministerium zusammen. Dies schließt Ad-hoc-Zusammentreffen für spezielle Fragen in kleinerem Kreis nicht aus. Die Europabeauftragten tragen unter anderem für die Vorbereitung der deutschen EU-Ratspräsidentschaft eine besondere Verantwortung. -

Zur Abstimmung der deutschen Positionen auf der Regierungskonferenz fanden

zudem Ressortbesprechungen unter Vorsitz des Leiters der Europa-Abteilung im Auswärtigen Amt statt. Die Vorabklärung gemeinsamer Positionen erfolgte zumeist schriftlich oder im Rahmen von kleineren Arbeitssitzungen. Auf allen Ebenen gibt es daneben ständig eine Vielzahl informeller Kontakte, in denen die formellen Gremien vorbereitet und Hindernisse für eine Beschlußfassung ausgeräumt werden. Die Vorbereitung der Sitzungen und Tagungen auf EU-Ebene erfolgt ebenfalls in enger Abstimmung der Ressorts: - Für den wöchentlich tagenden Ausschuß der Ständigen Vertreter (AStV) in Brüssel ergehen die Weisungen entsprechend der Arbeitsteilung entweder vom AA oder vom BMWi. Letzteres koordiniert auch jene Fragen, die die anderen Ressorts von Landwirtschaft über Finanzen bis zu Justiz und Inneres - betreffen, und es leitet die entsprechenden Koordinierungssitzungen. -

Die Fachministerräte werden vom jeweils zuständigen Ressort vorbereitet, das sich gegebenenfalls mit anderen Ressorts abstimmen muß. Was den Allgemeinen Rat betrifft, so hat hier das Auswärtige Amt die Sprecherrolle. Der Außenminister nimmt regelmäßig an den Tagungen teil und wird gegebenenfalls von dem für europapolitische Fragen zuständigen Staatsminister im Auswärtigen Amt vertreten. Die vorbereitende Koordinierungssitzung findet auf Einladung und unter Leitung des BMWi statt. Auch hier wird der Restbestand der Vereinbarung von 1958 zwischen den Ministern von Brentano und Erhard deutlich.

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Das Auswärtige Amt koordiniert die Treffen des Europäischen Rates.

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Die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) obliegt dem Bundeswirtschaftsministerium. Der Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union wird vom AA gestellt, sein Stellvertreter vom BMWi. Der Leiter ist in dieser Funktion Mitglied im AStV II, der sich mit Fragen des Allgemeinen Rats, des Wirtschafts- und Finanzrats, des Entwicklungshilfe-, des Innen- und Justizrats sowie des Haushaltsrats befaßt. Der AStV I, der aus den Stellvertretern besteht, ist für die übrigen Räte zuständig, insbesondere für Binnenmarkt, Verkehr, Umwelt und Teilaspekte der Landwirtschaft. Der Agrarrat wird allerdings in erster Linie vom Sonderausschuß für Landwirtschaft vorbereitet. In der Ständigen Vertretung arbeiten Angehörige aller einschlägigen Ressorts. Die Berichterstattung geht wie bei allen anderen Auslandsvertretungen zentral an das Auswärtige Amt und nachrichtlich an die betroffenen Fachministerien. Das AA hat an seinen Botschaften in den anderen EU-Mitgliedstaaten und seit kurzem auch an den Botschaften der Beitrittskandidaten aus Mittel- und Osteuropa und in Zypern die Funktion eines Europabeauftragten eingerichtet. Dieser ist für

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die Koordinierung der europapolitischen Kontakte mit dem Gastland zuständig und hierfür Ansprechpartner des Auswärtigen Amtes in Bonn. Der in der öffentlichen Diskussion gelegentlich vorgebrachte Vorschlag, die Europapolitik in einem eigenen Europaministerium zu konzentrieren, ist verfehlt. Zwar kann es bei der bestehenden Kompetenzdiffusion zwischen den Ressorts gelegentlich zu Reibungsverlusten kommen, doch die Schaffung eines europapolitischen Superministeriums würde keine Abhilfe bringen. Andere Ressorts würden wesentliche Kompetenzen verlieren, und das Gleichgewicht innerhalb der Regierung ginge verloren. Bisher hat die Bundesregierung in der Schaffung eines Europaministeriums deshalb mehr Nachteile als Nutzen gesehen. Sie setzt vielmehr darauf, die vorhandenen Strukturen anzupassen und weiter zu verbessern. Eine potentielle Alternative wäre die Schaffung eines reinen Koordinierungsinstruments ohne eigene Kompetenzen, doch ob auf diese Weise eine Verbesserung des Status quo erreichbar wäre, ist ebenfalls zu bezweifeln. Der gesamte Abstimmungsprozeß innerhalb der Bundesregierung wird von einer Vielzahl von Kontakten mit den anderen EU-Staaten und den europäischen Institutionen begleitet. Auf allen Ebenen - von der Arbeitsebene bis zum Bundeskanzler - finden umfassende Konsultationen statt. Deren Ergebnisse werden bei der eigenen Positionsbestimmung berücksichtigt und tragen oft dazu bei, aussichtslose oder isolierte Standpunkte frühzeitig zu vermeiden. Durch das Abrücken von der einstimmigen Beschlußfassung und durch den verstärkten Ubergang zu qualifizierten Mehrheitsentscheidungen in der E U nimmt die Bedeutung dieser Konsultationen weiter zu.

ZUSAMMENARBEIT ZWISCHEN BUNDESREGIERUNG UND GESETZGEBENDEN KÖRPERSCHAFTEN

Der Kompetenzzuwachs der Europäischen Union hat zu einer Reduzierung der innerstaatlichen Zuständigkeiten von Bundestag und Bundesrat geführt. Gleichwohl erfolgt im Staatenverbund der E U die demokratische Legitimation notwendigerweise durch die Rückkoppelung des Handelns europäischer Organe an die Parlamente der Mitgliedstaaten - so das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Urteil zum Vertrag von Maastricht vom 12. Oktober 1993 6 . Das Gericht sieht aber auch, daß demokratische Legitimation zunehmend durch das Europäische Parlament (EP) vermittelt wird. Andererseits werden Bestimmungen notwendig, damit die beschriebene Kompetenzverlagerung nicht zu einer Verschiebung der innerstaatlichen Gewichte zwischen Bund und Ländern führt. Diese Erwägungen liegen den Regelungen zugrunde, die die Beziehungen zwischen Bundesregierung einerseits, Bundestag und Bundesrat andererseits bestimmen. Hierbei handelt es sich um den geänderten Art. 23 G G , um die jeweils vom 6 Abgedruckt in: Entscheidungen

des Bundesverfassungsgerichts,

89. Band, 1993, S. 155-213.

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12. März 1993 datierenden Gesetze über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union 7 sowie über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union 8 und um die ergänzende Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Länder vom 29. Oktober 19939. Der Bundesrat forderte schon 1951 anläßlich des Gesetzgebungsverfahrens zur Montanunion eine gesetzliche Regelung zur Mitwirkung bei der Willensbildung. Im Ergebnis wurde ihm zunächst lediglich ein Unterrichtungs- und Anhörungsrecht eingeräumt. Im Ratifikationsgesetz zum EWG-Vertrag von 1957 wurde dann festgelegt, daß die Bundesregierung den Bundestag und den Bundesrat über die Entwicklungen laufend zu unterrichten habe, und zwar vor der Beschlußfassung, wenn durch den Ratsbeschluß eine innerdeutsche Gesetzgebung erforderlich würde. Diese Regelung wiederum wurde später insbesondere durch ein Länderbeteiligungsverfahren ergänzt, mit dem die Länder erstmals die Möglichkeit zur Entsendung von Vertretern in Verhandlungsdelegationen erhielten; das Verfahren wurde im Ratifizierungsgesetz für die Einheitliche Europäische Akte (EEA) auch gesetzlich festgeschrieben. Diese Entwicklung zeigt unter anderem, daß die Koordinierung zwischen Bund und Ländern um so formeller wurde, je stärker die Europäische Gemeinschaft in die Kompetenz der Länder eingriff. Die Länder haben stets die Gelegenheit des Ratifizierungsverfahrens ergriffen, um größere Mitsprache in der Europapolitik durchzusetzen. Der Vertrag von Maastricht bedeutete eine qualitativ neue Stufe der europäischen Integration, die auch zu einer Stärkung der demokratischen Legitimation deutscher Europapolitik führte. Bundestag und Bundesrat setzten sich im Rahmen des Ratifizierungsverfahrens für größere Mitwirkungsrechte ein. Das Ergebnis waren die oben genannten Gesetze. Gleichzeitig wurden die grundlegenden Bestimmungen mit Verfassungsrang (Art. 23 GG) ausgestattet. Bundestag

Die Bundesregierung ist verpflichtet, den Bundestag umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Innerhalb des Bundestages ist gemäß Art. 45 GG ein Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union (EU-Ausschuß) eingerichtet worden. Da der Ausschuß für die grundlegenden europapolitischen Entscheidungen des Bundestages zuständig ist, besteht ein besonders intensiver Kontakt zu den beiden federführenden Ressorts AA und BMWi. Die besondere Rolle des Ausschusses ergibt sich nicht nur aus seiner Erwähnung im Grundgesetz. Er hat auch das Recht, unter bestimmten Voraussetzungen in Vertretung des Plenums des Bundestages Stellung7 Abgedruckt in: Bundesgesetzblatt (BGBl) 1993, Teil I, S.311f. 8 Abgedruckt in: BGBl 1993, Teil I, S. 313-315. 9 Abgedruckt in: Bundesanzeiger, Nr. 226, 1993, S. 10425f.

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nahmen gegenüber der Bundesregierung abzugeben. Davon hat er erstmals im Mai 1996 Gebrauch gemacht. In der Praxis ergibt sich folgendes Bild: Die Bundesregierung stellt dem Bundestag die relevanten Dokumente - Vorschläge der Kommission, Entschließungen des Europäischen Parlaments, Ratsbeschlüsse - mit einer Darstellung der deutschen Position zur Verfügung. Mitunter erhält der EU-Ausschuß - etwa im Falle der Regierungskonferenz - auch die konkrete Berichterstattung über einzelne Sitzungen auf europäischer Ebene. Im Ausschuß werden diese Fragen durch die Vertreter der Bundesregierung erläutert. Der Ausschuß verabschiedet dann auf dieser Grundlage Stellungnahmen und leitet sie an die Bundesregierung weiter. Die Bundesregierung berücksichtigt diese Stellungnahmen bei ihren Verhandlungen gegenüber anderen Mitgliedstaaten und benutzt sie gegebenenfalls zur Stärkung ihrer Position. Im Rahmen der Regierungskonferenz war die Bundesregierung gehalten, grundsätzliche Stellungnahmen des Bundestages auch offensiv zu vertreten, wenn sie die Zustimmung des Parlaments im Ratifizierungsverfahren sicherstellen wollte. Nicht nur der EU-Ausschuß, sondern alle Ausschüsse des Bundestages können Mitglieder des Europäischen Parlaments sowie des Rates und der Kommission zu ihren Beratungen einladen, wenn es um die Behandlung von europapolitischen Fragen oder Vorhaben geht. Deutsche EP-Abgeordnete haben das Recht, an den Sitzungen des EU-Ausschusses teilzunehmen. Eine begrenzte Zahl vom Präsidenten des Bundestages benannter deutscher Abgeordneter des Europäischen Parlaments ist im EU-Ausschuß zudem mitwirkungsberechtigt; diese Mitglieder können die Beratung bestimmter Fragen anregen oder das Wort ergreifen, sie haben allerdings kein Stimmrecht. Die interparlamentarische Zusammenarbeit beschränkt sich jedoch nicht auf die Teilnahme der Mitglieder des Europäischen Parlaments an den Sitzungen der Bundestagsausschüsse. Zweimal jährlich tritt die Konferenz der Europa-Ausschüsse der nationalen Parlamente (COSAC) zusammen. Sie hat die Funktion eines Diskussionsund Informationsgremiums und beansprucht keine eigenständige Rolle im EU-Entscheidungsverfahren. Natürlich bestehen auch sonst enge Kontakte zwischen Abgeordneten des Bundestages und ihren Kollegen aus den entsprechenden Fraktionen des Europäischen Parlaments. Teilweise sind hier auf beiden Seiten Berichterstatter eingesetzt worden. Auf Einladung des Parlamentspräsidenten jenes Landes, das in der E U die Ratspräsidentschaft wahrnimmt, kommen auch die Präsidenten der nationalen Parlamente (in Deutschland: Bundestag und Bundesrat) in der Regel mindestens einmal pro Halbjahr mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments zusammen. Mit all diesen Formen der Zusammenarbeit mit dem EP kann der Bundestag seine Entscheidungen auf eine breite europäische Basis stellen. Die praktische Zusammenarbeit von Bundesregierung und Bundestag wird von beiden Seiten positiv gewürdigt. Sie trägt nicht nur zu verbesserter Transparenz und Bürgernähe bei. Konfrontationen werden im vorhinein vermieden. Das Verständnis für europapolitische Entscheidungsmechanismen wächst im Bundestag auf der Grundlage des weitgehenden Parteienkonsenses in der Europapolitik.

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Bundesrat Neben dem Bundestag wirken auch die Länder durch den Bundesrat in Angelegenheiten der Europäischen Union mit. In allen Länderregierungen gibt es einen für Europafragen zuständigen Minister. Auch der Bundesrat hat das Recht, von der Bundesregierung umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt unterrichtet zu werden. Die Beteiligung des Bundesrates an der Willensbildung des Bundes ist allerdings abgestuft. Sie richtet sich danach, inwieweit der Bundesrat an einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme mitzuwirken hätte und inwieweit die Länder innerstaatlich zuständig wären. Das Grundgesetz sieht in Art. 23 zwei Alternativen vor: Die Bundesregierung muß die Stellungnahme des Bundesrates »berücksichtigen«, soweit in einem Bereich ausschließlicher Zuständigkeit des Bundes Länderinteressen berührt sind sowie im Bereich der konkurrierenden und Rahmengesetzgebung des Bundes. Hier bezieht die Bundesregierung die Argumente des Bundesrates in ihre Erwägungen ein, ist aber nicht an sie gebunden. - Eine »maßgebliche Berücksichtigung« der Stellungnahme des Bundesrates ist vorgesehen, soweit bei Vorhaben im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungsverfahren betroffen sind. In diesen Fällen ist die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren. -

Falls die Auffassungen von Bundesregierung und Bundesrat nicht übereinstimmen, ist ein Einvernehmen im Wege erneuter Beratungen zwischen beiden Seiten anzustreben. Bleibt die Frage weiterhin strittig, kann der Bundesrat seine Auffassung durchsetzen, wenn er diese mit zwei Dritteln seiner Stimmen bestätigt. Der Frage, ob lediglich ein Fall der »einfachen«, oder aber der »maßgeblichen« Berücksichtigung vorliegt, kommt angesichts der unterschiedlichen prozeduralen Auswirkungen erhebliche Bedeutung zu. Ahnliches gilt für die Feststellung, ob die Voraussetzungen für die Übertragung der Verhandlungsführung gegeben sind. Ginge die Bundesregierung auf eine entsprechende Forderung der Länder nicht ein, blieben diesen als formale Wege nur der Verzicht oder die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts. Da beide Alternativen für die Länder aber gleichermaßen unbefriedigend wären, haben sich Bundesregierung und Länder auf praktische Schritte geeinigt, die einen echten Konflikt vermeiden sollen. Dazu gehört vor allem eine frühzeitige Unterrichtung über die beiderseitigen Auffassungen einschließlich ihrer Begründung. Letztlich soll durch Gespräche auf politischer Ebene eine Lösung gesucht werden. Die Beteiligung der Länder an europapolitischen Vorhaben kann in verschiedener Weise erfolgen: - Die Bundesregierung beteiligt die vom Bundesrat benannten Vertreter der Länder an ihren Beratungen zur Festlegung der Verhandlungsposition, soweit der Bundesrat an einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme mitzuwirken hätte oder die Länder innerstaatlich zuständig wären. - Unter der gleichen Voraussetzung und wenn wesentliche Interessen der Länder

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berührt sind, zieht die Bundesregierung Vertreter der Länder zu den Verhandlungen in den europäischen Beratungsgremien unterhalb der Ratsebene hinzu. Die Verhandlungsführung behält sie selbst, mit ihrer Zustimmung können aber Vertreter der Länder Erklärungen abgeben. Uber 300 solcher Gremien - vor allem Arbeitsgruppen des EU-Rates - gibt es, an denen Ländervertreter generell oder abhängig von der jeweiligen Tagesordnung teilnehmen können. - Die Verhandlungsführung soll immer dann von der Bundesregierung auf einen Vertreter der Länder übertragen werden, wenn es um Vorhaben geht, die im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betreffen. Dies ist regelmäßig in den Bereichen Kultur und Bildung der Fall. Die Verhandlungsführung erstreckt sich auch auf Ratstagungen. Gleichzeitig muß eine enge Abstimmung mit der Bundesregierung gewahrt bleiben. Das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union sieht vor, daß die Länder unmittelbar ständige Verbindungen zu Einrichtungen der E U unterhalten können, soweit dies der Erfüllung ihrer Aufgaben dient. Von dieser Möglichkeit haben alle Bundesländer Gebrauch gemacht und sogenannte Länderbüros in Brüssel eingerichtet. Stellung und Aufgaben der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union werden dadurch nicht beeinträchtigt. Die Länder nutzen ihre Büros, um bei den europäischen Institutionen auf ihre besonderen Anliegen hinzuweisen, aber auch um sich über aktuelle Entwicklungen unterrichten zu lassen. Unabhängig von den Länderbüros, wenn auch in engem Kontakt mit ihnen, arbeitet in Brüssel außerdem der Beobachter der Länder bei der Europäischen Union. Diese Einrichtung beruht auf einem Abkommen der Länder, das im Oktober 1996 erneuert wurde. 10 Eine entsprechende Vereinbarung mit dem Bund besteht nicht. Dieser hat in der Bund-Länder-Vereinbarung die Existenz des Länderbeobachters lediglich anerkannt. Die Aufgabe des Länderbeobachters besteht in erster Linie darin, dem Bundesrat im Rahmen der Wahrnehmung seiner Rechte und in Ergänzung zur Unterrichtung durch die Bundesregierung über die Tätigkeit der Brüsseler Gremien zu berichten. Eine unmittelbare Möglichkeit, die Interessen der Länder in den europäischen Entscheidungsprozeß einzubringen, besteht ferner über den Ausschuß der Regionen, der durch den Vertrag von Maastricht eingerichtet wurde. Dort ist jedes Bundesland mit mindestens einem Mitglied vertreten. Hinzu kommen auch Vertreter der Kommunen. Auch mit der im Vorfeld von Maastricht erhobenen Forderung, ein solches Regionalorgan auf EU-Ebene einzurichten, versuchten die Länder, ihre Beteiligungsmöglichkeiten angesichts verlorengegangener innerstaatlicher Mitwirkungsrechte zu stärken. Im Hinblick auf ihre Beteiligung an der Gestaltung der deutschen Europapolitik haben auch die Länder selbst verschiedene Gremien eingerichtet:

10 Abgedruckt in: Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen, Nr. 16, 1997, S. 282f.

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Dem Plenum des Bundesrates als Fachausschuß untergeordnet ist der Ausschuß für Fragen der Europäischen Union. Er befaßt sich - wie auch das Plenum vor allem mit Rechtsetzungsvorhaben und konkreten Initiativen der EU.

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Für Eilfälle hat der Bundesrat eine Europakammer gebildet, deren Beschlüsse als Beschlüsse des Plenums gelten. Darin entspricht sie dem Europa-Ausschuß des Bundestages. Bislang hat sie aber noch keine größere Relevanz erlangt. Die Europaminister-Konferenz der Länder dient insbesondere der Abstimmung der Haltung der Länder zu grundlegenden Themen der Europapolitik und zur Koordinierung von Länderinitiativen. Sie besteht parallel zum Plenum, etwa der Kultusminister-Konferenz vergleichbar. Während das Plenum allerdings mit Mehrheit beschließen kann, soll die Konferenz Entscheidungen einstimmig treffen. Hier wurde unter anderem die Position der Bundesländer zur Regierungskonferenz festgelegt.

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Die bundesstaatliche Ordnung Deutschlands wirkt sich auch bei der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht konkret aus. Soweit die Länder nach dem Grundgesetz für die innerstaatliche Umsetzung zuständig sind, sind sie dazu verpflichtet. Das Unterlassen der Umsetzung oder eine gemeinschaftswidrige Umsetzung würde daher eine mit dem Prinzip der Bundestreue unvereinbare mißbräuchliche Kompetenzwahrnehmung darstellen. Ein solcher Verstoß müßte im Bund-Länder-Streit vor dem Bundesverfassungsgericht geltend gemacht werden. Soweit es um die Mitwirkung an der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht geht, für das der Bund zuständig ist, ist der Bundesrat aufgrund des Prinzips der Verfassungsorgantreue verpflichtet, auf die Pflichten des Bundes Rücksicht zu nehmen. Der Bundesrat darf daher seine Zustimmung zu Rechtsverordnungen der Bundesregierung dann nicht verweigern, wenn die Bundesregierung andernfalls ihren durch Gemeinschaftsrecht begründeten Verpflichtungen nicht nachkommen könnte. Eine vor kurzem abgeschlossene Uberprüfung der Bund-Länder-Vereinbarung hat die Auffassung beider Seiten bestätigt, daß sich sowohl die Vereinbarung selbst als auch das Gesetz über die Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung und Bundesrat grundsätzlich bewährt haben. Auch wenn in einigen Detailpunkten noch offene Fragen festgestellt worden sind, hat man eine Änderung der Vereinbarung nicht für erforderlich gehalten. Einige ergänzungsbedürftige Fragen sind in Form eines Briefwechsels geregelt worden.

»EUROPAFÄHIGKEIT«

Die Einbindung in den europapolitischen Abstimmungsprozeß erfordert von allen Beteiligten einen hohen Standard der Kenntnisse von Inhalten und Abläufen. In der Verwaltung gibt es kaum noch einen Bereich, der ohne Europabezug ist. Aus diesem Grund hat das Auswärtige Amt die Initiative ergriffen und mit den anderen Ressorts einen Maßnahmenkatalog entwickelt, der die Qualifikation von deutschem Personal in EU-Angelegenheiten verbessern soll.

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Dieser Maßnahmenkatalog sieht u.a. vor: Erstellung eines speziellen Curriculums für ein einjähriges Postgraduierten-Studium an einzelnen Universitäten mit dem Ziel, eine Europa-Zusatzqualifikation zu schaffen, die den Bedürfnissen von Staat und Wirtschaft entspricht und beim Einstieg in den Beruf honoriert wird; Entwicklung eines Aufbaustudiengangs »Diplom-Europawirt« für den gehobenen Dienst an der Fachhochschule des Bundes sowie eine stärkere Nutzung der Europa-Fortbildungskurse an der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung;

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Fortsetzung der vom AA organisierten Europaseminare, die auch für die anderen Bundesressorts und für Ländervertreter zugänglich sind. Der Europateil der Attachéausbildung für den höheren Dienst wurde ebenfalls für andere Ressorts geöffnet; - Intensivierung des Personalaustauschs mit EU-Institutionen und anderen EU-Mitgliedstaaten. Hierzu wurde im AA eine Kontaktbörse zur schnellen Informationsweitergabe - auch an die Länder - eingerichtet. Die einschlägigen Entsenderichtlinien wurden neugefaßt. Das Auswärtige Amt ist im Begriff, grundsätzlich mit allen Außenministerien der EU-Mitgliedstaaten einen Beamtenaustausch vorzusehen und auch die Fachministerien beim Austausch mit deren Korrespondenzressorts zu unterstützen. - Weitere Maßnahmen betreffen die Anerkennung von an ausländischen Hochschulen erbrachten Studienleistungen beim Wechsel an deutsche Hochschulen, eine stärkere Verankerung von europarechtlichen und europapolitischen Themen in den Ausbildungs- und Prüfungsordnungen sowie eine bessere Nutzung der Ausbildungsmöglichkeiten bei EU-Institutionen im Rahmen der Rechtsreferendarausbildung. Das Ergebnis der Regierungskonferenz, das im Vertrag vom Amsterdam 11 seinen Niederschlag gefunden hat, wie auch die Erweiterung der Europäischen Union um neue Mitgliedstaaten innerhalb der nächsten Jahre werden die Anforderungen an die nationalen Entscheidungsstrukturen deutscher Europapolitik weiter erhöhen. Wie in der Vergangenheit sind diese Strukturen auch heute nicht in Zement gegossen. Sie müssen auch in der Zukunft neuen Gegebenheiten flexibel angepaßt werden.

11 In Auszügen abgedruckt in: IP, 11/1997, S. 99-127.

SICHERHEITSPOLITIK: N A T I O N A L E STRUKTUREN UND MULTILATERALE VERFLECHTUNG Lothar Rühl Sicherheit ist ein unvollkommener Zustand, der äußere und innere Aspekte umfaßt und deshalb eine klare Abgrenzung zwischen nationaler und internationaler Sicherheit nicht zuläßt. Neben der traditionellen, militärischen Bedrohung sind Agglomerate von neuen Sicherheitsproblemen entstanden, resultierend etwa aus Armutswanderung, Massenflucht aus Bürgerkriegsgebieten, internationaler Kriminalität und den grenzüberschreitenden Effekten von Umweltkatastrophen. Gleichzeitig haben sich neuartige institutionelle Konglomerate der Politikgestaltung herausgebildet: teils national, teils international, intergouvernemental oder »communautaire«, meist über die klassischen Abgrenzungen nationaler Kompetenzen, Souveränitäten, Verfassungen und Gesetze hinweg. Dieser Zustand entspricht dem wenig geordneten Ubergang vom Nationalstaat mit einem Kranz bilateraler Außenbeziehungen zu internationalen Organisationen, Staatenverbindungen und transnationalen Beziehungen unterschiedlicher Zielsetzung und Bedeutung. Damit wird die nationale Planungs- und Entscheidungskompetenz im Bereich der Sicherheitspolitik vielfach und unübersichtlich in zahlreichen Wechselwirkungen von innen nach außen und umgekehrt überlagert, durchdrungen, beeinflußt und umgangen. Wesentlich ist, daß die Einflüsse über so viele Kanäle und über alle alten Grenzen hinweg die nationalen Instanzen und Kompetenzen durch internationale Organisationen und multilaterale Konsultationen informell ineinanderfließen lassen, während àie formelle Neuordnung der Entscheidungsstrukturen im Bereich der Sicherheitspolitik nur partiell nachbauen kann.

NEUE SICHERHEITSRISIKEN Krisenreaktion ist nach Ende der Ost-West-Konfrontation ein Kernthema der Sicherheitspolitik. »Failed states«1 wie Afghanistan, Somalia oder Jugoslawien können internationale Krisen schaffen, auf die jede situationsgerechte Vorbereitung schwierig ist. Internationale Konflikte wie 1967 und 1973 im Nahen Osten oder 1990/1991 am Persischen Golf können den Zugang zu Ressourcen versperren und durch Energieverknappung und plötzliche Veränderung von Wettbewerbsbedingungen die wirtschaftliche Sicherheit von importabhängigen Staaten beeinträchtigen. Die Organisation der nationalen Sicherheit muß darum vor allem anpassungsfähig und reaktionsfähig in Krisen sein.

1 Vgl. Gerald B. HelmanlSteven 1992/1993, S. 3-20.

R. Ratner,

Saving Failed States, in: Foreign Policy, Nr. 89, Winter

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QUERSCHNITTSTHEMEN IM ENTSCHEIDUNGSPROZESS

Zunehmend wird aber auch die innere Stabilität von Staaten und Gesellschaften durch global und transnational wirkende Kräfte und Risikofaktoren gefährdet. Hierzu zählen insbesondere die verstärkte Armutswanderung und Flüchtlingsbewegungen, akute Umweltrisiken und die Ausbreitung von kriminellen Kartellen des Drogen- und Waffenhandels sowie des Terrorismus. 2 Die Privatisierung der modernen Gewaltmittel, die kriminelle Nutzung modernster Informations- und Kommunikationstechnik und die Proliferation totalitärer Geheimorganisationen mit legalen Fassaden haben längst Breschen in das staatliche Gewaltmonopol geschlagen und kaum durchdringbare internationale Verzweigungen etabliert. Zu berücksichtigen ist auch, daß Veränderungen in der Weltwirtschaft auf die Volkswirtschaften und die soziale Stabilität von Staaten durchschlagen. Diese und andere Faktoren verbinden sich zu ökonomisch-sozialen Sicherheitsrisiken mit unmittelbarer politischer Wirkung auf Staat und Gesellschaft und damit auf die innere Systemstabilität und die internationale Handlungsfähigkeit, ganz unabhängig von akuten Krisen. Die Globalisierung der Sicherheitsprobleme und der internationalen Beziehungen in Wirtschaft, Verkehr, technischer Kommunikation und Information mit den besonderen Sicherheitsbedürfnissen der technischen Verbindungen ersetzt oder verdrängt die alten Sicherheitsbedingungen nicht, die in Geographie, Geophysik und Demographie, damit in der geopolitisch-strategischen Struktur der Region liegen, sondern kompliziert sie durch Uberlagerung und Durchdringung. Die Frage, wie die Staaten auf dieses komplexe und dynamische Phänomen reagieren sollten, auf welcher Handlungsebene jeweils die optimale Erwiderung zu organisieren wäre, ist deshalb schwierig zu beantworten, weil jeder Staat auf der Suche nach der geeigneten Organisation der Sicherheit sowohl seinen multilateralen Bindungen und Verpflichtungen gerecht werden als auch seine spezifischen Merkmale und seine vitalen Interessen berücksichtigen muß. Technologisch-industrielle Kapazitäten für Rüstung und Verteidigung, strategische Aufklärung, Führung, Beweglichkeit und Mitwirkung an der internationalen Sicherheit sind nach Größenordnung und Qualität extrem ungleich. Und mehr noch als die militärischen sind die zivilen »Sicherheitskulturen« - etwa institutionelle Traditionen der nationalen Administrationen und die Rechtsnormen - schon in den einzelnen westlichen Demokratien sehr unterschiedlich ausgeprägt, um so unähnlicher denen etwa in Rußland oder in Asien.

2 Vgl. Steffen Angenendt, Migration: Herausforderung deutscher und europäischer Politik, in: Karl Kaiser!Hanns W. Maull (Hrsg.), Deutschlands neue Außenpolitik, Band 2: Herausforderungen, München 1995, S. 175-199; Hans Joachim Schellnhuber!Detlef F. Sprinz, Umweltkrisen und internationale Sicherheit, in: ebd., S. 239-260; Hans-Georg Wieck, Transnationale Gefährdungen der internationalen Sicherheit, in: ebd., S. 225-237; Hans Neusei, Internationale Kriminalität, in: Karl Äauer/Joachim Krause (Hrsg.), Deutschlands neue Außenpolitik, Band 3: Interessen und Strategien, München 1996, S. 259-266.

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FORMELLE KOMPETENZEN UND VERFAHREN

Nationale und internationale Sicherheit liegen im staatlichen Verantwortungsbereich primär bei der Exekutive, subsidiär auch bei der Legislative, jedenfalls auf der Ebene der Bundesgewalt. In der Regel übt die zentrale politische Gewalt der Regierungschef bzw. der Staatschef aus. In den meisten Staaten teilen sich die Minister des Auswärtigen und der Verteidigung die Zuständigkeit für die äußere Sicherheit, für die sie dem Staats- oder Regierungschef verantwortlich sind. Für die innere Sicherheit liegt die Verantwortung auf der Ministerebene gewöhnlich beim Innenminister mit dem Polizeiwesen und dem Zivilschutz oder beim Justizminister wie in den USA. In föderal verfaßten Staaten ist die vertikale Ordnung der Zuständigkeiten ein komplizierendes Moment, doch bestimmt die Verfassung die Hierarchie der gesamtstaatlichen Verantwortung für die innere oder öffentliche Sicherheit. Wenn es in Deutschland zu formellen (rechtsförmlichen), die Institutionen bindenden sicherheitspolitischen Entscheidungen kommt, so ergehen diese auf den Ebenen der Exekutive und der Legislative: - auf der exekutiven Ebene durch den Bundeskanzler mit Kabinett und Bundessicherheitsrat (BSR) sowie in der ministeriellen Ressortverantwortung mit den Obersten Bundesbehörden; - auf der legislativen Ebene durch Bundestag und Bundesrat. Exekutive Der Bundeskanzler hat als Inhaber der politischen Richtlinienkompetenz in der Bundesregierung und als Oberbefehlshaber der Streitkräfte im Verteidigungsfall eine ressortübergreifende Gesamtverantwortung für äußere Sicherheit und Landesverteidigung. Die Prärogative des Bundeskanzlers ist die der letzten politischen Entscheidung für die Bundesexekutive und der Koordinierung zwischen den Ressorts, für die er sich des Bundeskanzleramts und des per Gesetz als Organ der Bundesregierung geschaffenen Bundessicherheitsrates bedient. Diese formelle Kompetenzzuweisung bildet sich jedoch in der politischen Realität nicht uneingeschränkt aus. Inwieweit der Kanzler die Richtlinien der Politik tatsächlich bestimmt, wie wirksam er die Arbeit der Ressorts koordiniert und ob er gar in einer internationalen Krise zur Not allein entscheiden kann, hängt wesentlich von der jeweiligen politischen und auch personellen Konstellation in Regierung und Parlament ab.3 Die politische Verantwortung für die Konzeption, Koordinierung und zentrale Kontrolle der komplizierten äußeren Beziehungen der jungen Bundesrepublik lag eindeutig bei Bundeskanzler Konrad Adenauer, der zunächst in Personalunion auch 3 D a z.B. seit 1966 der stärkste oder der »kritische« Koalitionspartner der jeweiligen Kanzlerpartei den Außenminister stellt, hat dieser nicht nur in der Außenpolitik, sondern auch in der Sicherheitspolitik eine besondere Stellung.

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Q U E R S C H N I T T S T H E M E N IM E N T S C H E I D U N G S P R O Z E S S

als Außenminister fungierte.4 Unter den nachfolgenden Bundeskanzlern von Ludwig Erhard bis zu Helmut Kohl tarierten sich die Gewichte zwischen den Regierungschefs, den Bundesaußenministern und den Bundesministern der Verteidigung mit wechselnden politischen und personellen Konstellationen immer wieder neu aus.5 In den achtziger Jahren prägte dieses Triumvirat den sicherheitspolitischen Entscheidungsprozeß maßgeblich, flankiert vom Bundessicherheitsrat als exekutiver Kollegialinstanz. Seit dem Ende des Ost-West-Konflikts und der Vereinigung Deutschlands ist der außen-, sicherheits- und verteidigungspolitische Entscheidungsprozeß von einer zunehmenden Dominanz des Bundeskanzlers geprägt, die bisweilen präsidiale Züge annimmt, und das Bundeskanzleramt fungiert in diesen Fragen immer mehr als Schaltzentrale, allerdings ohne ausreichendes Personal und administrativen Unterbau.6 Gleichzeitig haben das Auswärtige Amt (AA) und das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) ihre Beziehungen neu geordnet und intensiviert. Unter der Leitung des Bundeskanzlers arbeitet der Bundessicherheitsrat als ein Kabinettsausschuß für alle Sicherheitsangelegenheiten, die ihm zugewiesen werden.7 Er beschließt für die Bundesregierung oder macht Vorschläge für das Kabinett. Nach dem Gesetz ist der BSR zuständig für die äußere Sicherheit mit der Verteidigung und für die innere Sicherheit auf Bundesebene. Diesen weiten Kompetenzbereich, der allerdings nicht im einzelnen ausgefüllt sein muß, spiegelt die Zusammensetzung des BSR wider. Ihm gehören an der Bundesaußenminister, die Bundesminister des Innern, der Justiz, der Finanzen, für Wirtschaft und der Verteidigung - letzterer ist zugleich der »geschäftsführende Minister« des BSR 8 - , sowie der Generalinspekteur der Bundeswehr als militärischer Berater. Die Nutzung des Bundessicherheitsrates hat - wie auch die Befassung des gesamten Bundeskabinetts mit Sicherheitsfragen - seit den sechziger Jahren erheblich variiert. Die Entscheidung über die Einberufung einer Sitzung des BSR und über deren Tagesordnung liegt letztlich beim Bundeskanzler. Einzelne Ressorts können eine Beratung beantragen, doch hängt die Erfolgsaussicht einer solchen Initiative vom Verhältnis des Antragstellers zum Bundeskanzler und von seiner Stellung im Kabinett und in der Regierungskoalition ab. Bei den im Bundessicherheitsrat erörterten Themen handelt es sich im Kern um die Genehmigung von Rüstungsexporten und internationaler Rüstungskooperation, für die 1982 die politischen Richtlinien neugefaßt wurden, sowie um politisch oder 4 Vgl. Arnulf Bañng, Außenpolitik in Adenauers Kanzlerdemokratie. Bonns Beitrag zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, München/Wien 1969. 5 Vgl. William E. Paterson, The Chancellor and Foreign Policy, in: Stephen Padgett (Hrsg.), Adenauer to Kohl. The Development of the German Chancellorship, London 1994, S. 127-156. 6 Zur außenpolitischen Rolle des Bundeskanzlers und des Kanzleramts vgl. auch den Beitrag von Judith Siwert-Probst in diesem Band. 7 Dem Bundeskanzleramt untersteht als nachgeordneter Bereich auch der Bundesnachrichtendienst ( B N D ) und damit ein eigenes zentrales Informationsorgan der Auslandsaufklärung. Dessen systematische Nutzung ist dem Kanzler zwar prinzipiell möglich, doch haben von dieser Option alle Kanzler nach Adenauer nur äußerst eingeschränkt Gebrauch gemacht. Vgl. zur Rolle des B N D in den Entscheidungsprozessen der Außenpolitik den Beitrag von Hans-Georg Wieck in diesem Band. 8 Der geschäftsführende Minister des BSR spielt jedoch keine selbständige politische Rolle.

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militärisch wichtige Bündnisangelegenheiten und internationale Sicherheitsfragen. Dabei standen zwischen 1968 und 1991 Entscheidungen über die deutschen Positionen zu Rüstungskontrolle und Abrüstung sowie über die Beschaffung bestimmter Großwaffensysteme im Mittelpunkt. Zwischen 1976 und 1986 war die Frage der Modernisierung der Kernwaffensysteme des Nordatlantikpaktes (NATO) in Europa und der sowjetischen nuklearen Mittelstreckenrüstung ein privilegiertes Thema für den BSR, der alle diesbezüglichen Regierungsbeschlüsse faßte. Mit der Ende der achtziger Jahre einsetzenden Veränderung der Sicherheitslage in Europa wurden die Beratungen des Bundessicherheitsrates dann sukzessive »entnuklearisiert«. Insgesamt hat der BSR jene Sonderstellung als kollektives Beschlußorgan, die er während des Ost-West-Konflikts in den Entscheidungsprozessen zu sicherheitspolitischen Kernfragen der Bundespolitik innehatte, mit dem ab 1989 einsetzenden Vorrang »politischer« Sicherheit eingebüßt und seither nicht wiedergewonnen. Hierfür ist jedoch nicht allein die Tatsache entscheidend, daß die Außenpolitik vor der klassischen Verteidigungspolitik in den Vordergrund getreten ist. Selbst sicherheitspolitische Entscheidungen und Maßnahmen mit einer militärischen Komponente - wie die deutsche Beteiligung an der internationalen Friedenssicherung (z.B. in Bosnien) und die Erweiterung der N A T O - werden seit 1995 eher im Zusammenwirken zwischen AA und BMVg unter Aufsicht und genereller Anleitung durch das Bundeskanzleramt getroffen als im Bundessicherheitsrat. Beide Ministerien haben in diesem Zusammenhang sowohl neue Verfahren der interministeriellen Abstimmung als auch neue interne Strukturen entwickelt. Das BMVg hat mit dem ministeriellen Krisenreaktionszentrum und Heeresführungskommando für die Leitung deutscher Auslandseinsätze außerhalb des NATO-Rahmens seine eigenen Krisenreaktions- und Lenkungsorgane aufgebaut. Dabei ist die Kardinalfrage, ob ein nationales Oberkommando entstehen soll, zunächst vom Minister negativ entschieden worden. Das Heeresführungskommando wird auch für Gesamtstreitkräfteaufgaben stellvertretend als Auftragnehmer tätig. Das Führungs- und Planungszentrum des Ministeriums nimmt den Spitzenplatz ein. Damit ist ein Zwischenstadium der Organisation im militärischen Bereich erreicht, ein sicherlich lange lebensfähiges politisches Provisorium. Legislative Gegenüber der vom Grundgesetz gewährten Prärogative der Bundesregierung im Bereich der internationalen Sicherheit hat die Legislative mit ihrer eigenen verfassungsrechtlichen Zuständigkeit für die Ratifizierung völkerrechtlicher Verträge und für die Bewilligung der Haushaltsmittel durch Gesetz in jedem Fall ein Mitspracherecht von politischem Gewicht. Zwar geht diese Mitwirkung nicht so weit wie die des amerikanischen Senats, doch auch in der Bundesrepublik gilt eine verfassungsrechtliche Doktrin von der Verantwortung für die Außen- und Sicherheitspolitik »zur gesamten Hand« zwischen Bundesregierung und Bundestag 9 . Das Bundesverfassungsge9 Zur Rolle des Bundestages in der Außenpolitik vgl. auch den Beitrag von Joachim Krause in diesem Band.

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rieht (BVerfG) hat diese Doktrin, die selbst den Bundesrat und damit die Gesamtheit der Bundesländer 10 unter bestimmten Voraussetzungen an der Gesetzgebung über die auswärtigen Beziehungen beteiligt, zuletzt in seinen Urteilen zum Vertrag von Maastricht vom 12. Oktober 1993 11 sowie über Einsätze der Bundeswehr außerhalb des Bündnisrahmens vom 12. Juli 1994 12 erneut verdeutlicht und verfestigt. Aus ihr ist abzuleiten, daß die Bundesregierung in der Regel auf das Parlament angewiesen ist, um militärisch handeln zu können. Diese innere Bindung berührt über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) die Weiterentwicklung der Europäischen Union (EU) und der politischen Integration durch »Vergemeinschaftung« nationaler Prärogativen und Kompetenzen, zumal in der Verbindung zum militärpolitischen Sicherheitspakt der Westeuropäischen Union (WEU). Wenn weiterer Souveränitätstransfer auf die E U etwa durch Umwandlung der intergouvernementalen Entscheidungskompetenz über bindende Mehrheitsvoten im Rat bis auf ein supranationales, »kommunitäres« Gremium der Europäischen Union erfolgen sollte, müßten Bundestag und Bundesrat an einer Verfassungsänderung beteiligt werden. Auch eine Einfügung der seit 1991 als Trägerin der »Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität« in der N A T O anerkannten W E U in die Europäische Union steht unter dem Parlamentsvorbehalt, wenn der Vertrag von Maastricht oder der WEU-Vertrag einer Änderung bedürfen. Ohnehin gilt dies für jede Erweiterung der Verträge einschließlich des Washingtoner Nordatlantikvertrags von 1949 durch Beitritt neuer Mitglieder (Ratifizierung der Beitritts-Protokolle). Eine formelle Kompetenz des Parlaments im Bereich der weiteren wie der engeren Sicherheit ist überdies dadurch gegeben, daß das Grundgesetz (GG) dem Bundestag die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder erlaubt und für dessen Beweiserhebung über einen Sachverhalt die Anwendung der Strafprozeßordnung ohne richterliche Nachprüfung vorschreibt (Art. 44 GG), zudem dem Verteidigungsausschuß die Rechte eines Untersuchungsausschusses gibt (Art. 45a, Abs. 2 GG). Von den formellen Kompetenzen des Parlaments zu trennen ist allerdings die sachliche Kompetenz seiner Mitglieder. Hier zeigen sich immer wieder gravierende Defizite, sei es in Fragen der inneren Sicherheit, bei der Terrorabwehr und bei der Bekämpfung organisierter Kriminalität oder auch bei der nuklearen Sicherheit. Die Arbeit der Ausschüsse des Bundestages, vor allem aber das Auftreten ihrer Mitglieder in der Öffentlichkeit, ist oftmals nicht weniger desorientierend als das Verhalten der kritisierten Behörden. Nur zu oft ist der Beitrag des Parlaments zur Krisenbewältigung ein unberechenbarer Risikofaktor, auch weil es von den Medien, von den Aktivisten in den politischen Parteien und von gesellschaftlichen Interessengruppen unter Druck gesetzt wird.

10 Zum auswärtigen Handeln der Bundesländer vgl. auch den Beitrag von Michèle Knodt in diesem Band. 11 Abgedruckt in: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, 89. Band, 1994, S. 155-213. 12 Abgedruckt in: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, 90. Band, 1994, S. 286-394.

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INFORMELLE VERFAHREN UND NEUE AKTEURE

Die Beschreibung der formellen Kompetenzen und Verfahren bleibt jedoch unzureichend, da immer mehr sicherheitspolitische Entscheidungen in informellen Gremien und unter Beteiligung neuer Akteure vorbereitet oder getroffen werden. Diese Tendenz der Loslösung der Entscheidungen von der höchsten Führungsebene und von den formellen Verfahren läßt sich auf mehreren Ebenen beobachten. Internationale Zusammenarbeit

nationaler

Verwaltungsapparate

Insbesondere im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik regiert die hohe Ministerialverwaltung auf indirekte und informelle Weise mit. 13 Bilaterale oder multilaterale Gruppen von »Vorentscheidungsträgern« und »Nachbereitern« - zu denen auch die sogenannten »Sherpas« der Weltwirtschaftsgipfel der Gruppe der sieben größten Industrienationen (G-7) zu rechnen sind - präjudizieren zwar im Prinzip keine Regierungsentscheidungen, doch sie bestimmen die möglichen Verständigungen zwischen ihren Regierungen im Rahmen ihrer politischen Instruktionen mit. Für deren Auslegung und Anwendung muß ihnen eine gewisse Marge gelassen werden, damit sie ihre Aufgabe erfüllen können. In dieser Hinsicht sind sie gewissermaßen die Nachfolger der Botschafter und Unterhändler der klassischen Diplomatie früherer Epochen. Ein wesentliches Element liegt dabei im Zwang, einmal erreichte Ubereinkünfte im Kern zu erhalten und in Abkommen umzusetzen. Dies führt zu einem Nehmen und Geben nicht nur unter den Delegierten, sondern auch zwischen ihnen und ihren Zentralen. Eine »nationale« Position ist somit oft bereits von Anbeginn in Wirklichkeit eine multilaterale Position in statu nascendi; oder, mit anderen Worten: »Nationale« Positionen sind durch internationale Abstimmungsprozesse oftmals in der Substanz schon vorgezeichnet wie die Struktur eines entstehenden Organismus. Die Reaktion der zentralen Regierungsapparate auf diese sich aus der Komplexität internationaler Verhandlungen im Beziehungsgeflecht multilateraler Abhängigkeiten und Partnerschaften ergebenden und in den Konsultationen entstehenden Vorentscheidungen im Sachstand ist die Entsendung von politischen Kommissaren aus den Ministerien oder dem Amt des Regierungschefs. Sie sollen das zentrale Kontrollinteresse der Regierung gegenüber den international ausgelagerten Teilen des Apparats vertreten und dafür sorgen, daß die Instruktionen, die sie übermitteln, auch möglichst so ausgeführt werden, wie man sich dies an der Spitze der Hierarchie auf der Regierungsebene vorstellt. Die »Politischen Direktoren« der Außenministerien sind seit den siebziger Jahren in Sachen Europapolitik, N A T O und bilateraler Konsultationen mit vielen Regierungen als die neuen »missi domini« ständig unterwegs. 13 Die Beispiele hierfür reichen von der »High Level Group« Hoher Beamter und Offiziere der am früheren nuklearen Modernisierungsprogramm beteiligten NATO-Partner, in der alle Entscheidungen zwischen den Regierungsapparaten der USA, Großbritanniens, der Bundesrepublik, Italiens und der Niederlande vorbereitet und zum Teil auch vorentschieden wurden, bis hin zu der aus der »Internationalen BosnienKontaktgruppe« hervorgegangenen »Dayton Group«, die die Balkanpolitik koordiniert.

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QUERSCHNITTSTHEMEN IM ENTSCHEIDUNGSPROZESS

Beamtete Staatssekretäre übernehmen immer öfter die Leitung von Delegationen zu Konferenzen und Konsultationen, für die sie die Instruktionen verfaßt oder gebilligt haben. Parlamentarische Staatsminister im Auswärtigen Amt vertreten ihren Minister in bestimmten Branchen der E U am Konferenztisch des Rates der Außenminister. Parlamentarische

Regierungsweise

Die Tendenz zur Loslösung der Entscheidungen auf höchster Führungsebene von den formell zuständigen Institutionen und den formellen Verfahren wird auch durch die Bonner Praxis der parlamentarischen Regierungsweise mit informellen politischen Entscheidungsgremien über die Abgrenzung zwischen Exekutive und Legislative hinweg gefördert. Partei- und Fraktionsführer der Regierungsparteien haben beratend und mitbestimmend an Sitzungen des Bundessicherheitsrates teilgenommen und die Regierungsbeschlüsse politisch vorentschieden, ohne dafür juristisch Verantwortung zu tragen, so etwa 1982 in der sozialliberalen Koalition vor der Verabschiedung der neugefaßten politischen Richtlinie für den Rüstungsexport. Auch über die Abschaffung der Pershing I-Waffensysteme im Jahr 1988, über die Vertagung der vorgesehenen Modernisierung der nuklearen Kurzstreckensysteme 1989 sowie seit 1994 über die Herabsetzung der Grundwehrdienstzeit und mehrmals über Kürzungen des Verteidigungshaushalts wurde zwischen den Koalitionsführern entschieden, bevor die Bundesregierung formelle Beschlüsse faßte. Diese informelle, von der sogenannten Koalitionsrunde 14 getragene Entscheidungsweise außerhalb der formellen Kompetenzen und institutionellen Grenzen der Verfassungsorgane hat Vor- und Nachteile. Für die sicherheitspolitischen Entscheidungen ist es im allgemeinen von Vorteil, wenn eine kleine Gruppe von Akteuren, die die Kontrolle über Regierung und Parlamentsmehrheit haben, sich ohne Hinzuziehung eines Apparates und eines weiteren Kreises von Beratern über das Wesentliche verständigt, ohne sich im Detail festzulegen. Kompromisse können leichter erreicht und gemeinsam vertreten werden. Gleichzeitig bleiben eine breitere Marge und mehr Zeit zur diskreten Korrektur von Entscheidungen, wenn diese von der realen Entwicklung überholt werden oder sich in multilateralen Verhandlungen nicht durchsetzen lassen. Kurzum: Eine flexible Anpassung an sich wandelnde Realitäten wird durch informelle Entscheidungsverfahren erleichtert. Ein weiterer Vorteil liegt in der in Bonn über lange Jahre erwiesenen Diskretion und damit in der Abschirmung gegen Vertrauensbruch und Geheimnisverrat in Ministerien und Parlamentsgremien. Auch wird auf diese Weise der Penetration von außen durch Spionage, die zumeist auf der unteren ministeriellen oder parlamentarischen Ebene der Sekretariate, technischen Dienste und der Aktenverwahrung ansetzt, eine Grenze gezogen.

14 Vgl. Waldemar Schreckenberger, Informelle Verfahren der Entscheidungsvorbereitung zwischen der Bundesregierung und den Mehrheitsfraktionen: Koalitionsgespräche und Koalitionsrunden, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, Nr. 3, 1994, S. 329-346.

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Andererseits tendiert diese informelle Entscheidungsweise auch zu Flüchtigkeit und Ungenauigkeiten bei der Vorbereitung und Ausführung von technisch oder operativ komplizierten Materien. Ein Beispiel pars pro toto bot das im Jahre 1991 während des Golfkriegs an Israel gerichtete Angebot des Bundesaußenministers Hans-Dietrich Genscher, amerikanische »Patriot«-Flugabwehrsysteme der Bundeswehr für die Raketenabwehr gegen den irakischen Beschuß Tel-Avivs, Haiffas und Jerusalems zu liefern. Der Minister wußte nicht mehr, daß ab 1985 auf sein Drängen hin »Patriot« nicht in der Doppelfähigkeit zur begrenzten Flugkörperabwehr und zur Flugzeugbekämpfung beschafft worden war, die »Patriot« der Bundeswehr folglich nicht in derselben Weise wie die von den USA an Israel gelieferte, technisch weiterentwickelte US-Version verwendet werden konnte. Auch über die Frage, ob im Sinne der vom Kabinett Helmut Schmidt 1982 beschlossenen Richtlinie für den Rüstungsexport gegenüber Saudi-Arabien verfahren, d.h. keine deutschen Waffen geliefert werden sollten, oder ob nur besonders zur Offensive geeignete Systeme wie der Jagdbomber »Tornado«, der Kampfpanzer »Leopard« und der Schützenpanzer »Marder« nicht exportiert werden sollten, herrschte in der Bundesregierung bis 1987 Unsicherheit, weil es im Bundessicherheitsrat im Jahr 1982 weder zu einer vertieften Beratung noch zu einer eindeutigen Beschlußlage gekommen war. Die politischen Hauptakteure hatten sich untereinander lediglich zweimal in verschiedenen Regierungskoalitionen informell verständigt und keine klaren Direktiven zu Protokoll gegeben, sondern nur die Übernahme der ersten Verständigung von einem Kabinett zum anderen festgehalten, ohne Detailfragen zu klären. Das gleiche galt auch für die Streitfrage, ob deutsche Truppen außerhalb der Landes- und Bündnisverteidigung eingesetzt werden dürften: Hier galt ab Oktober 1982 die Rechtsmeinung der seinerzeitigen Regierung, die jedoch keine rechtsförmliche Position dazu festgelegt hatte. Somit lag auch kein förmlicher Beschluß vor, der die früheren, zustimmenden Voten der Regierung von Bundeskanzler Ludwig Erhard von 1964 für ein deutsches Kontingent in einem militärischen NATO-Eingreifverband auf Zypern sowie des Kabinetts von Kurt-Georg Kiesinger vom Mai 1967 vor Beginn des Nahostkriegs - beschlossen im Umlaufverfahren zwischen den BSR-Ressorts - für eine Beteiligung deutscher Kriegsschiffe an einem multinationalen Flottenverband der N A T O gegen die angekündigte ägyptische Seeblockade Israels aufgehoben oder abgeändert hätte. Diese einstmalige verfassungsrechtliche Doktrin der Bundesregierung wurde auf informelle Weise unter der Ägide der sozialliberalen Koalition zwischen 1969 und 1982 in ihr Gegenteil verkehrt, ohne daß es darüber zu einem förmlichen Beschluß gekommen und eine klare Linie für die Politik in Krisen und Konflikten gezogen worden wäre. Die Kanzler Willy Brandt, Helmut Schmidt und Helmut Kohl machten in dieser Frage auch keinen Gebrauch von ihrer Richtlinienkompetenz. Seither regiert in Bonn die Koalitionsrunde in solchen auswärtigen Staatsangelegenheiten als der eigentliche »Nationale Sicherheitsrat«. Es besteht kein Zweifel, daß der Mangel an Klarheit auf einer Linie der Zurückhaltung, der bis 1994 nicht korrigiert wurde, sich zum Nachteil im Bündnis wie

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in der internationalen Sicherheitspolitik ausgewirkt hat: Hätte man sich 1990/1991 im Golfkrieg und ab 1992 von Anbeginn im bosnischen Krieg die Auslegung des Grundgesetzes von 1967, an der auch die SPD-Bundesminister Brandt und Gustav Heinemann federführend beteiligt waren, sowie die Rechtsmeinung des Bundeskanzlers Brandt in der regierungsamtlichen Beitrittserklärung zu den Vereinten Nationen zu eigen gemacht, wäre Deutschland sofort nach der Vereinigung international uneingeschränkt handlungsfähig gewesen. Auch diese Veränderung der nationalen Regierungspraxis entspricht somit der allgemeinen Tendenz zur Zurückdrängung der formellen administrativen Kompetenzen - übrigens auch der persönlichen Expertise erfahrener, sachlich arbeitender Berufsbeamter und Berufsoffiziere - aus dem inneren Kreis der Entscheidung der Regierungspolitik. Andererseits bemächtigt sich die Komplexität der Materie mit dem Zwang zu nationalen Antworten an internationale Instanzen und gegenüber anderen Staaten in Partnerschaft der nationalen Entscheidungsverfahren auf Regierungsebene. Die Experten kommen in der multilateralen Phalanx abgestimmter Konzepte und »contingency plans« mit neuer Stärke zurück. Nichtregierungs-Organisationen Eine Aufweichung formeller Zuständigkeiten und Verfahren erfolgt auch durch den zunehmenden Einfluß von Nichtregierungs-Organisationen ( N G O s ) auf die Sicherheitspolitik. Aktivitäten von N G O s können mit Hilfe der Medien die öffentliche Wahrnehmung nachhaltig beeinflussen, so daß deutsche Regierungspolitik immer öfter zwischen einer sicherheitspolitisch sachgerechten Problemlösung einerseits und einer von N G O s und Medien vermittelten Problemsicht der Öffentlichkeit andererseits operieren muß. Diese Konstellation ist mittlerweile typisch für die Problematik der Sicherheitspolitik im Bereich neuer Herausforderungen. N G O s haben etwa während des Golfkriegs 1990/1991 mit falschen Thesen und Daten zur angeblichen Umweltverseuchung am Persischen Golf, aber auch während der Somalia- und Bosnien-Missionen der Vereinten Nationen die Politik der Bundesregierung beeinträchtigt. Internationale humanitäre Organisationen sehen sich in der Erfüllung ihrer Aufgaben eher behindert als gefördert, wenn es zu parallelen militärischen Interventionen kommt, und sie versuchen, solche Interventionen durch die Mobilisierung der Öffentlichkeit auch dann noch zu verhindern, wenn sie selber nicht mehr handeln können, wie etwa in Somalia. Der Handlungsspielraum der Regierungen wird auf diese Weise eingeschränkt, die Legitimation eines militärischen Eingreifens erschwert. Ein anderes Beispiel f ü r den Versuch, mit Hilfe der Medien und der Öffentlichkeit von außen ohne politisches Mandat und vertragliches Recht auf Regierungen einzuwirken und diese zu einer bestimmten Haltung zu zwingen, war der Fall der von der Umweltorganisation Greenpeace verhinderten Versenkung der britischen Ölförderplattform »Brent Spar« im Nordatlantik. Der Nötigungscharakter dieser Kampagne gegenüber der britischen Regierung war ebenso offenkundig wie im Falle

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des Versuchs, französische Atomversuche in der Südsee zu vereiteln. In beiden Fällen ließen sich Regierungen von E U - und NATO-Staaten zu Protesten und selbst zu Sanktionsdrohungen gegenüber Großbritannien und Frankreich drängen, um der öffentlichen Meinung Satisfaktion zu geben. Auf diese Weise kam es zu Allianzen zwischen Regierungen und N G O s gegen andere Regierungen. Die medial gestützte politische Konkurrenz durch N G O s beeinträchtigt die Aktionsfähigkeit der Staaten und beeinflußt die Außen- und Sicherheitspolitik der Regierungen über die Innenpolitik und das internationale Bild, das von ihnen gezeichnet wird. Auch in diesen Vorgängen wird eine Tendenz zur Globalisierung deutlich: Transnationale Kräfte versuchen, die Ausübung nationaler Regierungskompetenzen zu verhindern. Selbst Bündnisse werden dadurch in ihrer Aktionsfähigkeit beeinträchtigt, wie der Fall »Landminen« (insbes. die geforderte Ausdehnung des Verbots auf Panzer-Abwehrminen) für Südkorea zeigt.

SCHWACHSTELLEN DES POLITISCHEN PROZESSES UND KORREKTURMÖGLICHKEITEN

Angesichts der geschilderten Charakteristika des heutigen sicherheitspolitischen Entscheidungsprozesses ist es notwendig, die wichtigsten Problembereiche zu identifizieren und über mögliche Korrekturen nachzudenken. In diesem Zusammenhang ist es lohnend, zunächst auf zwei sicherheitspolitisch relevante Ereignisse hinzuweisen, an denen sich einige Schwachstellen des politischen Prozesses exemplarisch verdeutlichen lassen. Schon 1986 legte die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl ungeordnete Kompetenzen in Bonn und mangelnde Reaktionsfähigkeit des damals noch für Strahlenschutz, Reaktorsicherheit und Umweltschutz zuständigen Bundesinnenministers bloß. Die Einrichtung eines Krisenstabs im Bundesministerium des Innern (BMI) erfolgte zu spät und als rein defensive bürokratische Reaktion. Die zentrale Koordinierung funktionierte in der akuten Krise ebensowenig wie die zentrale Information und Aufklärung der Öffentlichkeit. Wissenschaftlich-technische Expertise konnte nicht rechtzeitig eingesetzt werden, und die öffentliche Diskussion geriet außer Kontrolle. Die Bundesregierung war in den Tagen nach der Katastrophe in der fernen Sowjetunion nicht mehr Herr des Verfahrens. Die Bundesländer, allen voran die hessische Landesregierung, machten sich mit Risikobestimmungen und Datenerhebungen zur radioaktiven Strahlung politisch selbständig. Nachrichtendienstliche Erkenntnisse über mögliche Folgeunfälle in Tschernobyl waren erst mit Verzögerung über Washington verfügbar. Der Bonner Regierungsapparat versagte von der Spitze her mit dem Bundeskanzleramt und dem - nicht bemühten - Bundessicherheitsrat, der weder einen systematischen Informationsaustausch noch eine Koordination zwischen den Ressorts organisierte. Als einzige Konsequenz wurde schließlich ein neues Ressort, das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) mit einem neuen Minister ohne BSR-Sitz geschaffen. Die Herauslösung von Strahlenschutz und Reaktorsicherheit aus der Zuständigkeit des B M I hatte das paradoxe

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Resultat, daß dieser für die Bevölkerung kritische Gefahrenbereich seither nicht mehr in einem BSR-Ressort liegt. Wie bedeutsam er aber für die Sicherheitspolitik ist, wird seit dem Zerfall der Sowjetunion in allen Initiativen der Bundesregierung und ihrer Partner in der N A T O deutlich, die auf die internationale Gewährleistung der Sicherheit nukleartechnischer Anlagen und spaltbaren Materials auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR abzielen. Im Sommer 1994 kam es im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Versuch des Bundeskanzleramts, des Bundesnachrichtendienstes und der bayerischen Landesbehörden, mögliche Quellen des illegalen grenzüberschreitenden Transfers von spaltbarem Material im Osten Europas aufzudeckén, vor der Bundestagswahl zu einer öffentlichen Affäre, zur Einsetzung Parlamentarischer Untersuchungsausschüsse und zu einer diplomatischen Krise mit Rußland. Im Mittelpunkt stand wieder wie 1986 im Fall Tschernobyl - die schwer bestimmbare Gefahr einer eventuellen radioaktiven Verstrahlung, wobei die zumeist unsachlich geführte öffentliche Debatte über das »Restrisiko« beim Transport von Nuklearmaterial mit der Polemik gegen die Regierung und die zuständigen Behörden auch ein starkes, aber wenig sachkundiges parlamentarisches Echo hatte. Außenpolitik, Sicherheitsrisiken und Sicherheitsmaßnahmen zur Aufklärung und Kontrolle von Risikopotentialen der nuklearen Technik vermischten sich mit der Innenpolitik in der Vorwahlzeit und den parteipolitischen Interessen. Die Perzeption der realen Sicherheitslage im Nuklearbereich wurde dadurch deformiert, so wie dies im Umgang mit der zivilen Kernenergie in Deutschland ständig der Fall ist. Diese virulente Atomphobie beeinträchtigt nicht nur die nationale und europäische Energiepolitik und Kernforschung, sondern in diesem kritischen Bereich auch die Sicherheitspolitik im Innern und nach außen, insbesondere die Kooperation in der EU. Das polarisierende Uberzeugungsthema »Gefahr der Kernkraft« überstrahlt jede sachliche Diskussion in den Medien und zwischen den Parteien. Das Resultat ist die Dominanz der medialen Politik über die Realität. Sie beeinträchtigt die Fähigkeit der Bundesregierung zur rationalen und effektiven Behandlung der mit der Kernenergie verbundenen Chancen und Probleme, und sie behindert die Regierung z.B. auch in ihren internationalen Bemühungen um eine Umrüstung der in puncto Betriebssicherheit nach deutschen Standards zweifelhaften kerntechnischen Anlagen im Osten Europas. Die internationale Perzeption Deutschlands als eines in der Nuklearpolitik unberechenbaren Partners wurde durch die Debatte der Jahre 1994 bis 1996 über den angeblichen »Nuklearschmuggel« des B N D im Auftrag des Bundeskanzleramts verstärkt. Diese beiden Beispiele und die zuvor beschriebenen neuartigen Bedingungen der Organisation nationaler und internationaler Sicherheit verweisen sowohl auf Defizite des Entscheidungsprozesses als auch auf Ansatzpunkte für Reformen. Ein Grundproblem besteht darin, daß einige an Bedeutung zunehmende Sicherheitsrisiken bislang vernachlässigt werden und institutionell weder auf der nationalen noch auf der internationalen Ebene angemessen repräsentiert sind. So stellt sich beispielsweise die Frage, ob es nicht angebracht wäre, die heutige Relevanz neuer Sicherheitsdimensionen z.B. Umweltrisiken und Angriffe auf die Sicherheit der Dateninformation - auch in

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einer erweiterten ministeriellen Zusammensetzung des Bundessicherheitsrates abzubilden. Immerhin wurde ein Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik wie schon früher eines für Strahlenschutz geschaffen. Eine gemeinsame Organisation zur Abwehr diffuser Bedrohungen und latenter indirekter Gefährdungen besteht auch zwischen den europäischen Staaten oder innerhalb der atlantischen Allianz noch immer nicht. Staatsapparate und internationale Organisationen sind für die neuen Herausforderungen der kollektiven Sicherheit noch nicht gerüstet. Korrekturen sollten auch im Zentrum des sicherheitspolitischen Entscheidungsprozesses der Regierung vorgenommen werden. Dabei wäre vor allem an eine straffere, personell verstärkte, zentrale Organisation um das Kanzleramt zu denken, die die Schaffung eines Stabes für einen Planungs- und Lenkungsausschuß des Bundessicherheitsrates einschließen sollte. Auf diese Weise könnte die Bundesregierung zu einer zugleich stringenteren und flexibleren, weniger personenabhängigen und damit auch »unfallsichereren« Koordinierung der verschiedenen Ressorttätigkeiten im erweiterten Sicherheitsbereich finden. Eine planvollere, strategisch und konzeptionell angelegte Sicherheitspolitik inklusive der Finanzplanung für eine solide Ökonomie der Mittel würde dann möglich werden. Mit einem eigenen Apparat könnte der BSR wirklich als beratendes und entscheidendes Organ der Regierung für internationale Sicherheit im weiteren Sinne genutzt werden. Nur so ließe sich auch eine umfassend kompetente und flexible Krisenreaktionsfähigkeit herstellen. Die Vorbilder in London und Paris, die die Bildung eines ständigen Kabinettsausschusses auf Staatssekretärsebene mit den zuständigen Direktoren nahelegen, um ein jederzeit wirksames Organ zentraler Planung, Koordinierung und Kontrolle sowie ein Exekutivkomitee für Krisenaktion zu schaffen, sollten genutzt werden, wenn schon die Dimension des amerikanischen Nationalen Sicherheitsrates eine Analogie für praktische Schlußfolgerungen nicht zulassen sollte. Die Koordinierung von Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik sollte vom Kanzleramt ausgehen, zumal Sicherheit sich immer mehr zergliedert. Reformen sind auch notwendig, um das Parlament und die einzelnen Abgeordneten konstruktiver an den sicherheitspolitischen Entscheidungen mitwirken zu lassen. Hierzu bedürfen Fraktionen und Parlamentarier unter anderem einer qualifizierten Unterstützung durch unabhängige Experten. Auch müßten Abgeordnete, Ausschußvorsitzende und Berichterstatter etwa durch das Bundestagspräsidium wirksam daran gehindert werden können, sich zu verselbständigen und ihre eigene politische Agenda zu verfolgen. Hilfreich wäre schließlich auch die Herausbildung von konsensualen ethischen Verhaltensregeln für die Abgeordneten, womit sich zukünftige sicherheitspolitische Debatten vorrangig am Kriterium sachlicher Angemessenheit und weniger an parteipolitischen und ideologischen Positionen oder an persönlicher Profilierung Einzelner orientieren könnten. Mit der zunehmenden Eigendynamik einer durch diverse Interessengruppen beeinflußten Medienrealität gewinnt für die Sicherheitspolitik im weiteren Sinne die Informationspolitik der Regierung eine entscheidende Bedeutung. Für die öffentliche Vermittlung politischer Entscheidungen der Bundesregierung sollte das Presse- und Informationsamt (BPA) mit den Regierungssprechern eine neue Priorität haben.

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D i e Bundesregierung darf sich weder von Parlamentariern und Parteisprechern noch von gesellschaftlichen Interessengruppen zu voreiliger Stellungnahme verleiten lassen, zumal solche Versuche eher zur Desinformation als zur Aufklärung der Ö f fentlichkeit führen. Hiervor kann sich zwar keine Regierung vollkommen schützen, doch im deutschen Fall besteht immer wieder ein offizielles Erklärungsmanko. E s liegt deshalb im Regierungsinteresse wie im öffentlichen Interesse der Sicherheitspolitik, daß Kanzleramt und B P A ihre Informationspolitik und ihr Auftreten in den Medien deutlich verbessern, dazu den vorhandenen Informationsapparat besser, d.h. systematisch, umfassend, gründlich und mediengerecht in der Darstellung der Regierungspolitik nutzen. Hierfür sollten auch Regierungssprecher bestellt werden, die auf der Medienbühne ohne längere Vorbereitung bestehen können und die v o m Regierungschef oder dem Chef des Kanzleramts ausreichend früh und gut informiert werden. D a s B P A sollte entweder als Behörde gestärkt und effizient in diesem Sinne reorganisiert oder durch ein professionelles Medien- und Informationszentrum der Regierung ersetzt werden. Jedenfalls muß die Bundesregierung in der erweiterten Sicherheitspolitik ihre Sprache wiederfinden, u m ihre Sache und das nationale Interesse wirksam zu vertreten. Insgesamt aber erscheint eine durchgreifende Reorganisation des Regierungsapparates v o n der politischen Führungsspitze her im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik notwendig, u m die politisch-administrative Krisenreaktionsfähigkeit mit planvollem strategischen Handeln zu stärken. Eine vergrößerte Analysefähigkeit gehört dazu und mit dieser die Sicherheit der Informationstechnik und des Führungs-, Fernmelde- und Dateninformationswesens der Bundesregierung.

DIE GESTALTUNG D E R WIRTSCHAFTSPOLITIK BEI WACHSENDER INTERNATIONALER VERFLECHTUNG Horst-Dieter WesterhofF In den letzten zwei Jahrzehnten haben sich tiefgreifende Änderungen in den internationalen Beziehungen der Staaten ergeben. Der wirtschaftspolitische Aspekt stand dabei stets mit im Vordergrund.1 Deutschland ist in besonderem Maße in die sich ändernden internationalen Wirtschaftsbeziehungen eingebunden und damit von diesen Umbrüchen stark betroffen. 2 Eine funktionierende Zusammenarbeit zwischen den nationalen Institutionen sowie zwischen nationalen und internationalen Institutionen in Fragen der internationalen Wirtschaftspolitik ist wichtig, denn ohne sie kann eine noch so gute Konzeption nicht in die Tat umgesetzt werden. Funktionierende Institutionen sind der »Transmissionsriemen« für kohärente Konzepte und damit für die Gestaltung der Wirtschaftspolitik. Inwieweit auch die institutionellen Prozeduren der deutschen staatlichen wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger 3 unter den geänderten weltwirtschaftlichen Bedingungen funktionieren und wie sie sich auf die neue Situation eingestellt haben, ist Gegenstand dieses Beitrags.

NATIONALE GESTALTUNG AUSSENWIRTSCHAFTLICHER FRAGEN Prinzipien der

Entscheidungsfindung

Die Vorstellungen über die Arbeitsweise der Ministerien und deren Willensbildung im Vorfeld der Entscheidungen im Kabinett sind häufig wenig genau. Dies vermittelt den Eindruck, gestalterische Entscheidungen seien eher zufällig und erfolgten vorwiegend in Ad-hoc-Arbeitsgruppen und in informellen Kreisen. An der »Undurchsichtigkeit« dieser Arbeitsweise wird Kritik geübt. Diese Vorstellung ist falsch, denn es gibt ein bewährtes, flexibles und damit effektives Instrumentarium der politischen Willensbildung in den Ressorts, das unabhängig von sich ändernden politischen Schwerpunkten und Notwendigkeiten funktioniert.

' Die Ausführungen stellen die persönliche Meinung des Verfassers dar. 1 Vgl. Reinhard Rode, Weltwirtschaft im Umbruch, in: Karl Kaiser/Hanns W. Mault (Hrsg.), Deutschlands neue Außenpolitik, Band 2: Herausforderungen, München 1995, S. 23-41. 2 Vgl. Norbert Kloten, Die Bundesrepublik als Weltwirtschaftsmacht, in: Karl Kaiser/Hanns W. Manli (Hrsg.), Deutschlands neue Außenpolitik, Band 1: Grundlagen, 3. Auflage, München 1997, S. 63-80; Joachim Ragnitz, Deutschland und die Gestaltung der Weltwirtschaft, in: Karl Kaiser!Joachim Krause (Hrsg.), Deutschlands neue Außenpolitik, Band 3: Interessen und Strategien, München 1996, S. 63-76. 3 Die Gestaltung der Wirtschaftspolitik obliegt in einer Marktwirtschaft allerdings nicht allein staatlichen Entscheidungsträgern. Verbraucher, Unternehmen, Gewerkschaften, Verbände, Kammern usw. sind ebenfalls wirtschaftspolitische Akteure.

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QUERSCHNITTSTHEMEN IM ENTSCHEIDUNGSPROZESS

Eine Beschreibung der Zusammenarbeit der nationalen wirtschaftspolitischen Instanzen hat als Ausgangspunkt, daß die Wirtschaftspolitik gemäß Art. 74 Grundgesetz (GG) zur konkurrierenden Gesetzgebung gehört und der Bund seine Kompetenz hier weitgehend ausgeschöpft hat. Darüber hinaus hat der Bund gemäß Art. 73 G G die ausschließliche Gesetzgebung über die auswärtigen Angelegenheiten sowie über »die Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Auslande einschließlich des Zoll- und Grenzschutzes«. Die praktische Ausgestaltung der Abstimmungsprozeduren ergibt sich einerseits aus der Geschäftsordnung der Bundesregierung (GOBReg) und der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) 4 , andererseits aus in langjähriger Praxis entstandenen Regeln. Dabei dürfen diese in der Vergangenheit entwickelten Verfahren - also die Geschichte der Institutionen - in ihrer Bedeutung für die praktische Gestaltung von Politik nicht gering geschätzt werden. Denn durch die Handhabung und die Anpassung der vorgegebenen Regeln an die Praxis wird deren Effizienz aufrechterhalten. Das Instrument der Auseinandersetzung, der Diskussion, der Abstimmung, der Konsens- und Willensbildung innerhalb der Bundesregierung ist die Ressortabstimmung bzw. der Ressortkreis (§16 GOBReg). Konkret wird unter dem Ressortkreis die Zusammenkunft der Mitarbeiter der von einer Sachfrage betroffenen Ressorts der Bundesregierung verstanden, die unter der Leitung eines federführenden Ministeriums tagt. Ziel ist es, auf eine gemeinsame Auffassung über den Beratungsgegenstand innerhalb der Bundesregierung hinzuwirken. Von diesem Verfahren darf nur in dringenden Ausnahmefällen abgewichen werden. Idealtypisch durchläuft ein bestimmter Vorgang den Ressortkreis aufsteigend von einer hierarchischen Ebene zur nächsten in der Ministerialbürokratie - Referatsebene, Unterabteilung, Abteilung, Staatssekretärsebene. Dabei werden die strittigen Fragen auf jeder Ebene abgeschichtet, so daß für die höheren Ebenen zwar immer weniger Punkte zu klären, die verbleibenden Fragen aber schwieriger zu lösen sind. An der Spitze der Entscheidungspyramide steht die Sitzung aller Staatssekretäre der Bundesregierung unter Leitung des Chefs des Bundeskanzleramts, in der die einzelnen Projekte der Bundesregierung zusammenlaufen und in der die Sitzung des Kabinetts vorbereitet wird. Dem Kabinett vorzulegen sind zunächst alle Gesetzentwürfe - insbesondere auch die Umsetzung von europäischem Recht in deutsches Recht, und die Verabschiedung von internationalen Wirtschafts- und Finanzverträgen - , Verordnungsentwürfe, Stellungnahmen der Bundesressorts zu Vorlagen des Bundesrates, Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ministerien. In der Praxis werden aber auch die Beantwortung parlamentarischer Anfragen, Berichte, sofern sie von allgemeiner innen- oder außenpolitischer, wirtschaftlicher, sozialer, finanzieller oder kultureller Bedeutung

4 Abgedruckt in: Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien. Allgemeiner Teil ( G G O I). Besonderer Teil ( G G O II). Geschäftsordnung der Bundesregierung (GOBReg), Loseblattsammlung, Stuttgart.

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sind, vom Kabinett verabschiedet. Auch die Festlegung internationaler Verhandlungspositionen, die Erarbeitung bzw. Beurteilung von internationalen Vertragsentwürfen oder die Erarbeitung deutscher Positionen im Rahmen der Europäischen Union (EU) geschieht auf diese Weise. Dabei wird nicht jede Einzelfrage im Kabinett behandelt. Vielmehr hängt die Erörterung von der politischen Bedeutung der Frage ab. In die Ressortgespräche fließt zunächst die Sachkompetenz der Facheinheiten der beteiligten Ministerien ein. Diese liegt jeweils bei den federführenden Referaten. Sie sind damit die entscheidenden Arbeitseinheiten eines Ministeriums. Darüber hinaus werden hier auch die jeweiligen politischen Interessen der unterschiedlichen Ressorts artikuliert. Diese wiederum sind das Ergebnis eines Abstimmungsprozesses innerhalb der Ressorts. Folgerichtig sind die Sitzungsteilnehmer an die Weisungen ihrer jeweiligen Ressortleitung gebunden. Während auf den unteren Ebenen des Ressortkreises vor allem Abstimmungen in den Sachfragen vorgenommen werden, erfolgt auf der politischen Ebene (Abteilungsleiter und Staatssekretäre) vornehmlich ein Abgleichen politischer Fragen. Alle Entscheidungen im Ressortkreis stehen selbstverständlich unter dem Vorbehalt der Billigung durch den Minister. Für die Beratungen im Ressortkreis ist auch von Bedeutung, daß die von einem Gesetzentwurf betroffenen Fachkreise und Verbände unterrichtet werden können, sobald der Stand der Vorbereitungen es erlaubt (§24 G G O II). Damit soll diesen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Das bedeutet, daß schon bei der Formulierung der Vorlagen für das Kabinett wirtschaftliche Interessen betroffener Akteure gehört und berücksichtigt werden können. Ein besonderes Verfahren ist für den Fall vorgesehen, daß innerhalb des Ressortkreises über bestimmte Fragen keine Einigung erzielt wird. Danach darf der strittige Sachverhalt erst dann im Kabinett behandelt werden, wenn vorher ein klärendes Gespräch der betroffenen Minister untereinander bzw. wenn ein Ministergespräch unter Vorsitz des Bundeskanzlers stattgefunden hat (§17 GOBReg). Die Federführung und damit die Verantwortung eines Ressorts für einen Sachverhalt ergibt sich aus der Geschäftsverteilung der Bundesregierung, die in Grundzügen durch den Bundeskanzler festgelegt wird (§9 GOBReg). Da es keine detaillierte Zuständigkeitszuweisung gibt, kann es in Einzelfragen zu Auseinandersetzungen kommen. Unklarheiten können vornehmlich dann auftreten, wenn sich neue politische Arbeitsfelder auftun, die bisher nicht Gegenstand der politischen Bearbeitung waren. In Zweifels- oder Streitfällen entscheidet das Kabinett. Das federführende Ressort lädt zu den Sitzungen ein, leitet die Sitzungen, erstellt Tagesordnungen, Sitzungsprotokolle und die zu diskutierenden Papiere, empfängt mündliche und schriftliche Stellungnahmen der anderen beteiligten Ressorts, erstellt Synopsen usw. Es ist also der »Herr des Verfahrens«, womit ihm neben der Sachkompetenz ein weiteres Gewicht in der Ressortabstimmung zukommt. Die Federführung ist also mehr als nur eine Koordinierungs- oder Moderationsaufgabe. Für bestimmte, immer wiederkehrende Fragestellungen sind einige Ressortkreise fest etabliert: dazu gehören z.B. im Bereich der Außenwirtschaftspolitik die Sitzung der Staatssekretäre der Bundesregierung, die Sitzung der sogenannten Europastaats-

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Sekretäre, die Weisungssitzungen für den Ausschuß der Ständigen Vertreter bei der E U (AStV) sowie die Ressortbesprechungen zu den Exportkontrollen. In anderen Fällen werden Ressortkreise zur Abarbeitung von Einzelaufgaben gebildet, z.B. bei Gesetzgebungsvorhaben oder Richtlinienentwürfen - normalerweise nach Mitteilung an die Leitung des Bundeskanzleramts. 5 Ist also der Ressortkreis das vorbereitende Entscheidungsgremium der Bundesregierung im Vorfeld der Kabinettssitzung, so dienen alle anderen Ausschüsse, Arbeitskreise, Diskussionsrunden usw. der Informationsgewinnung, um sachgerechte Entscheidungen zu treffen, oder aber zur Entscheidung, einen Ressortkreis einzusetzen. Diesen - häufig auch informellen - Gremien kommt eine große Bedeutung zu, nicht nur weil sie viel Zeit in Anspruch nehmen, sondern auch weil in ihnen politische Vorgaben gemacht werden, die dann im Ressortkreis umgesetzt werden. Zu diesen Gremien gehören z.B. Koalitionsrunden, der Staatssekretärsausschuß für die Informationsgesellschaft, Wirtschaftskonferenzen des Bundeskanzlers mit den Sozialpartnern, Krisenstäbe sowie Treffen der Parlamentarischen Staatssekretäre beim Chef des Bundeskanzleramts. Dieses breitgefächerte Entscheidungsinstrumentarium der Ressortabstimmung wird auf alle politischen Fragen angewandt, wobei es für den wirtschaftspolitischen - und insbesondere für den außenwirtschaftlichen - Bereich eine Reihe von Besonderheiten gibt, die sich notwendigerweise in Gestaltung und Ablauf der Ressortabstimmung niederschlagen. Ressortabstimmung und internationale

Wirtschaftsbeziehungen

Eine erste Besonderheit ergibt sich daraus, daß das Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) nicht alleine die Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik bestimmt. Andere Ressorts setzen häufig entscheidende Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln, z.B. Sozial- und Umweltstandards, Belastungen durch Steuern und Abgaben, Bereitstellung von Infrastrukturleistungen. Im weiteren Sinne sind nahezu alle Bundesministerien mit wirtschaftspolitischen Fragen befaßt. Das BMWi, das Bundesministerium der Finanzen (BMF), das Auswärtige Amt (AA) und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sind jene Ministerien, die sich vornehmlich um außenwirtschaftliche, internationale und weltwirtschaftliche Belange kümmern. Aber auch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BML) spielt zumindest in der E U eine hervorgehobene Rolle. Alle anderen Ressorts haben häufig eine Abteilung

5 Dieses nach § 22 G G O II vorgesehene Verfahren hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Galt es früher als reines Informationsinstrument, so ist es heute zu einem Steuerungsinstrument geworden. Grund dafür ist die konsequente Blockadepolitik der parteipolitisch ausgerichteten Mehrheit im Bundesrat. Deshalb muß sich die Bundesregierung schon im Anfangsstadium eines Vorhabens Klarheit darüber verschaffen, wie die Chancen der Durchsetzung in allen Gesetzgebungskörperschaften sind. Aus dem gleichen Grund hat auch der Vermittlungsausschuß zwischen Bundesrat und Bundestag eine größere Bedeutung als früher.

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bzw. eine oder gar zwei Unterabteilungen, die sich europäischen bzw. internationalen Fachfragen widmen. Das führt dazu, daß wirtschaftspolitische Ressortbesprechungen häufig recht große Veranstaltungen sind. Die Deutsche Bundesbank als eine zentrale Institution der Gestaltung außenwirtschaftlicher Sachverhalte ist auf ihrem Zuständigkeitsgebiet in gleicher Weise international aktiv wie die Bundesregierung. Eine weitere Besonderheit ergibt sich daraus, daß einige Ressorts unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine Sonderrolle spielen. Beschließt etwa das Kabinett gegen oder ohne die Stimme des Bundesfinanzministers, so kann dieser gemäß § 2 6 GOBReg Widerspruch einlegen. Geschieht dies, so kann die Bundesregierung nicht in derselben, sondern erst in einer weiteren Sitzung darüber abstimmen. Die Maßnahme, welcher der Finanzminister widersprochen hat, muß unterbleiben, wenn nicht in der neuen Sitzung in Anwesenheit des Ministers die Mehrheit des Kabinetts die Maßnahme beschließt und der Bundeskanzler mit der Mehrheit stimmt. Aus dieser hervorgehobenen Rolle des Finanzministers im Kabinett folgt, daß das BMF »idealtypisch« an jeder Ressortbesprechung teilnimmt. 6 Eine besondere Stellung kommt auch dem AA zu. Die Geschäftsordnung der Bundesregierung sieht vor, daß alle Kontakte mit ausländischen Regierungen und ausländischen bzw. internationalen Institutionen und insbesondere internationale Verhandlungen nur mit Zustimmung des AA und ggf. mit seiner Mitwirkung geführt werden können (§11 GOBReg). 7 Da heute internationale Kontakte und Verhandlungen zu einem großen Teil wirtschaftlicher Natur sind, wird hierdurch eine starke Mitwirkung des AA in diesem Bereich ermöglicht. Insofern hat in den vergangenen zwanzig Jahren auch eine Akzentverschiebung in den Arbeitsschwerpunkten des Amtes gegenüber seinen klassischen Aufgaben, aber auch in seinem Selbstverständnis stattgefunden. 8 Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) gehört insofern zu den wirtschaftlich relevanten Ministerien, als es für einen großen Teil der wirtschaftlichen Rechtsetzung zuständig ist und eine eigene Abteilung für Handels- und Wirtschaftsrecht besitzt. Daraus folgt andererseits, daß im BMWi vergleichsweise wenig Gesetzgebungsarbeit geleistet wird. Ausnahmen sind z.B. die wichtigen Bereiche des Wettbewerbsrechts und des Außenwirtschaftsrechts. Im BMWi stehen mehr im Vordergrund die Maßnahmen zur Konjunktur-, Struktur- und Wachstumspolitik, die Erstellung gesamtwirtschaftlicher Analysen, aber auch die Kontrolle der Einhaltung von Vorschriften z.B. im Außenwirtschaftsbereich. Eine zentrale Rolle kommt dem BMWi zu bei der Beurteilung aller Maßnahmen der Bundesregierung in bezug auf deren Übereinstimmung mit ordnungspolitischen Grundsätzen.

6 Ein ähnliches Recht haben die Bundesminister der Justiz und des Innern, wenn sie gegen einen Gesetzoder Verordnungsentwurf wegen Unvereinbarkeit mit geltendem Recht Widerspruch erheben. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat schließlich ein vergleichbares Recht, wenn Belange der Gleichstellung der Frauen betroffen sind. 7 Dies begründet kein Recht für das AA, auch die Verhandlungsgegenstände und den Gang der Verhandlungen zu bestimmen. 8 Vgl. hierzu den Beitrag von Hans-Friedrich von Ploetz in diesem Band.

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Das Bundeskanzleramt spielt eine Sonderrolle, weil es wegen der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers ggf. politische Vorgaben in den Ressortgesprächen machen kann. In der Realität macht das Amt jedoch nur sparsam davon Gebrauch. Vielmehr wird es häufig als Schlichtungsstelle angerufen, wenn die Gespräche im Ressortkreis festgefahren scheinen. Allerdings hat sich in den letzten Jahren die Praxis herausgebildet, daß der Bundeskanzler kraft seiner Richtlinienkompetenz bestimmte Spezialbereiche in die Verantwortung des Kanzleramts holt. Dies sind Signale für eine besondere Schwerpunktsetzung seiner Politik. Verantwortlich zeichnet dann ein Staatsminister im Bundeskanzleramt. In der 12. Wahlperiode war dies die Verhandlungsführung zum Schengener Abkommen, in der 13. Wahlperiode das Thema Neue Informations- und Kommunikationsdienste. Eine Besonderheit bei konkreten internationalen Verhandlungen ergibt sich daraus, daß die Unterteilung des wirtschaftspolitischen Kernbereichs in zwei Ressorts BMWi und BMF - international nicht der Normalfall ist. In anderen Staaten ist die Kompetenz für wirtschafts-, finanz- und währungspolitische Fragen - mit Ausnahme der Haushaltszuständigkeit - häufig in einem Ressort zusammengefaßt. Dies hat zur Folge, daß BMWi und BMF international häufig als eine Einheit betrachtet werden müssen. Die beiden Minister fahren öfters gemeinsam zu internationalen Veranstaltungen und nehmen jeweils zu den sie betreffenden Tagesordnungspunkten an der Konferenz teil, während die internationalen Partner nur mit einem Minister auftreten. Dies erfordert in Deutschland eine besonders enge Koordinierung der beiden Ressorts. Gleiches gilt, wenn für BMWi und BMF gemeinsam betreffende Themen die Außenvertretung durch nur einen Minister wahrgenommen wird. Dieses Handicap hat aber andererseits den Vorteil, daß die beiden Minister wegen ihres jeweils kleineren Zuständigkeitsbereichs fachkompetenter sind als die meisten ihrer ausländischen Kollegen. Da die Außenwirtschaft zum alleinigen Kompetenzbereich des Bundes gehört, ist die Abstimmung mit den Bundesländern in diesem Bereich - im Gegensatz zu vielen anderen Politikbereichen - nicht sehr ausgeprägt. Die vorgesehene regelmäßige Unterrichtung der Ministerpräsidenten durch den Bundeskanzler über wichtige politische, wirtschaftliche, soziale und finanzielle Fragen (§31 GOBReg) hat nur selten außenwirtschaftliche Themen auf der Tagesordnung. Allerdings findet häufig eine ausführliche Unterrichtung über aktuelle europapolitische Fragen durch den Bundeskanzler statt. Darüber hinaus sind zwei weitere Aspekte im Bund-Länder-Verhältnis zu beachten. Zum einen verleiht Art. 23 GG den Ländern mittlerweile ein beachtliches Mitwirkungsrecht bei europapolitischen Fragen, sofern sie von einer Materie »maßgeblich betroffen« sind. 9 Bei wirtschaftspolitischen Fragen sind dies vor allem die europäische Regional- und Strukturpolitik. Zum anderen mußten auch die Länder im Zuge der europäischen Integration Kompetenzen an die EU abgeben. Als Ausgleich 9 Zur europapolitischen Mitwirkung der Länder einschließlich der relevanten Rechtsgrundlagen vgl. die Beiträge von Werner Hoyer und Michèle Knodt in diesem Band.

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versuchen sie, sich Kompetenzen vom Bund zu holen. Versuche dieser Art werden in fast allen Politikbereichen unternommen, auch in der Wirtschaftspolitik. So fahren z.B. Ministerpräsidenten ins Ausland, um dort Wirtschaftsgespräche für ihre Länder zu führen. Dies müßte in enger Abstimmung mit dem AA und dem BMWi erfolgen, was aber oft unterbleibt. Im Deutschen Bundestag schließlich ist in der laufenden Legislaturperiode der wachsenden Bedeutung außenwirtschaftspolitischer Probleme wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt worden mit der Einsetzung des den Wirtschaftsausschuß ergänzenden Unterausschusses für Außenwirtschafts- und Handelspolitik. Hierdurch wird auch die Abstimmung zwischen Bundesregierung und Bundestag in Fragen der Außenwirtschaftspolitik intensiver.10

G E S T A L T U N G DER E U - W I R T S C H A F T S P O L I T I K

Kompetenzzuweisung in der Europapolitik Brüssel hat sich zum wirtschaftspolitischen Entscheidungszentrum Europas entwickelt. Der ehemalige Präsident der Europäischen Kommission, Jacques Delors, kündigte in einer inzwischen berühmt gewordenen Rede vor dem Europäischen Parlament (EP) am 6. Juli 1988 an: »In zehn Jahren werden 80 Prozent der Wirtschaftsgesetzgebung, vielleicht auch der steuerlichen und sozialen, gemeinschaftlichen Ursprungs sein.«11 Wenn diese Prophezeiung auch bis heute nicht eingetreten ist, so ist nicht zu leugnen, daß die Tendenz der Aussage stimmt und wichtige wirtschaftspolitische Kompetenzen nach Europa übertragen worden sind. Für die E U gilt, daß europäische Wirtschaftspolitik aus nationaler Sicht als Außenwirtschaftspolitik aufgefaßt wird, daß aber andererseits durch sie Festlegungen für das nationale Wirtschaftsgeschehen getroffen werden. Insofern ist Europapolitik für die Mitgliedstaaten Innenpolitik. Darüber hinaus wird aus nationaler Sicht in der E U Wirtschaftspolitik mit Blick auf den Rest der Welt betrieben. Für die nationalen Festlegungen der deutschen Europapolitik 12 ist die Ressortabstimmung das wichtigste Instrument. Mitentscheidend für die politische Abstimmung im Ressortkreis ist die Festlegung der Federführung. Unklarheit besteht bis heute bei Beobachtern über die Rolle des BMWi und über dessen Verhältnis zum AA. Denn in vielen anderen EU-Mitgliedstaaten wird die Koordinierung der Europapolitik durch das Außenministerium oder durch ein eigenes Europaministerium wahrgenommen. Die Zuständigkeit des Bundeswirtschaftsministers für die Europapolitik geht auf einen Brief des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer an das BMWi vom 10 Zur europapolitischen Kompetenzverteilung zwischen Bundesregierung und Bundestag vgl. die Beiträge von Werner Hoyer und Joachim Krause in diesem Band. 11 Verhandlungen des Europäischen Parlaments, Nr. 2-367, Sitzungsberichte 4.-8.7.1988, S. 157. 12 Vgl. grundlegend Jürgen Kühn, Die Koordinierung der deutschen Europapolitik (Zentrum für europäisches Wirtschaftsrecht, Vorträge und Berichte, Nr. 33), Bonn 1993.

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27. Oktober 1957 sowie auf die Regierungserklärung des Kanzlers nach der gewonnenen Bundestagswahl im selben Jahr zurück. 13 Er übertrug dem BMWi die Aufgabe, die deutsche Wirtschaft entsprechend den Römischen Verträgen in die europäische Wirtschaft zu überführen. 14 Hieraus muß man schließen, daß das BMWi grundsätzlich für jene Europapolitik zuständig ist, die durch die bestehenden Verträge abgedeckt wird. Eine Änderung dieser Aufgabenverteilung durch den Bundeskanzler - möglich gemäß § 9 GOBReg - hat bis heute nicht stattgefunden. Die EU-Abteilung im BMWi versteht auch heute noch »die Eingliederung der deutschen Wirtschaft in die EG und die Koordinierung der deutschen Europapolitik« als ihre Hauptaufgaben. 15 Die häufig angeführte interministerielle Vereinbarung zwischen BMWi und AA vom 6. Juni 195816 brachte eine Konkretisierung der Aufgabenabgrenzung zwischen den beiden Ressorts. Darin wurde vereinbart, daß das AA »die Bundesregierung in den Fällen vertritt, in denen die Regierungen der Mitgliedstaaten nach dem EWGVertrag unmittelbar zuständig sind« und daß die »außenpolitischen Angelegenheiten im Ministerrat der E W G durch Herrn Minister von Brentano, alle wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Fragen durch Herrn Minister Erhard vertreten werden«. Vor dem Hintergrund des Organisationserlasses vom Oktober 1957 konnte das im Grundsatz nur heißen, daß das AA federführend ist für jenen Bereich der Europapolitik, der sich im Völkerrecht bewegt, insbesondere für Regierungskonferenzen, Vertragsverhandlungen, Erweiterungen und Assoziierungen. Demgegenüber ist das BMWi verantwortlich für alle Fragen, die sich aus den bestehenden Europaverträgen dem sogenannten acquis communautaire - ergeben. Gleichzeitig muß man aus dem Vorhergesagten folgern - da die Europapolitik sowohl aus den Verträgen wie aus intergouvernementalen Beziehungen besteht - , daß AA und BMWi eine gemeinsame Verantwortung für die europapolitische Gesamtkonzeption haben. Dies kommt auch in der institutionellen Verschränkung der beiden Ministerien in der Europapolitik zum Ausdruck. So stellt z.B. das AA den Vorsitz im Ausschuß der Europastaatssekretäre, der Stellvertreter kommt aus dem BMWi, das Sekretariat gehört zum BMWi. Der Ständige Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der E U kommt aus dem AA, sein Stellvertreter aus dem BMWi. Nach der Verabschiedung des Vertrags von Maastricht und der Einrichtung einer Europaabteilung im AA im Jahre 1993 gab es im Frühjahr 1994 eine Diskussion zwischen beiden Häusern, ob die seit fast 40 Jahren existierende Arbeitsteilung beibehalten oder neu konzipiert werden sollte. Die Einigung beider Minister ging dahin, es grundsätzlich bei der bestehenden Arbeitsteilung zu belassen. Das aus dem Zusammenwirken der beiden Ministerien resultierende Spannungsverhältnis ist von Beteiligten beider Seiten als politisch durchaus fruchtbar beschrieben 13 Zuvor lag die Koordinierung der Europapolitik beim Bundeskanzleramt. 14 Vgl. Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, 3. Sitzung, 29.10.1957, S. 19. Vgl. auch den diesbezüglichen Organisationserlaß, abgedruckt in: Bulletin (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung), N r . 203, 30.10.1957, S. 1864. 15 Für eine detaillierte Beschreibung der europapolitischen Aufgaben des Ministeriums vgl. Bundesministerium für Wirtschaft, Organisation, Aufgaben, Ziele, Bonn (o.J.), S. 21. 16 Dieses Dokument ist nicht veröffentlicht worden.

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worden. 17 Der ehemalige Ständige Vertreter der Bundesrepublik bei der E U hat das deutsche Modell als allen zentralistischen überlegen vorgezogen, weil es Kreativität, Eigeninitiative und die Freiheit zu strategischen und taktischen Bewegungen erlaube. 18 Das Zusammenwirken der beiden Ressorts im Vorfeld europäischer Verhandlungen führt normalerweise zu einem Interessenausgleich. Denn im Unterschied zu nationalen wirtschaftlichen Fragen, wo es häufig geradezu erwünscht ist, daß sich unterschiedliche Positionen öffentlich artikulieren, um dann einen möglichst breiten Konsens zu erhalten, erfordern internationale Verhandlungen, daß die Bundesrepublik durchgängig mit einer Stimme spricht. Unterschiedliche Positionen können dazu führen, daß die internationale Verhandlungsposition Deutschlands geschwächt wird. Dies hat Folgen für die Arbeitsintensität im Ressortkreis und führt zu einer sorgfältigen nationalen Vorbereitung europäischer Verhandlungen. Manchmal ergeben sich zwischen dem AA und anderen Ministerien sachliche Auseinandersetzungen, die auch in die Öffentlichkeit dringen. Während das AA als ein wichtiges Ziel seiner Arbeit die Durchsetzung deutscher Interessen bei einem gleichzeitigen diplomatischen Ausgleich mit den Vorstellungen anderer Mitgliedstaaten sieht, sind die primär wirtschaftlich orientierten Ressorts stärker an der Durchsetzung von Sachpositionen interessiert und daher konfliktbereiter. 19 Hieraus ergeben sich in Verhandlungen bei geschickter politischer Handhabung eine Reihe von deutschen Handlungsoptionen. Auch ist wiederholt vorgeschlagen worden, die Koordinierung der Europapolitik wieder in das Bundeskanzleramt zu verlagern. Zwar hat einer der Staatsminister vom Bundeskanzler die Europapolitik als einen Schwerpunkt seiner Arbeiten übertragen bekommen, eine umfassende politische Koordinierung der täglichen Sacharbeit findet dort jedoch nicht statt. Eine solche Verlagerung der Zuständigkeiten würde zusammen mit der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers zu einem »Uberministerium« führen und Verfassungsprobleme in bezug auf die eigenverantwortliche Gestaltung der Politik der Fachminister aufwerfen. Die konkrete Koordinierung

der EU-Wirtschaftspolitik

Von den drei zentralen Organen der Europäischen Union - EP, Kommission und Rat der E U - kommt den beiden letztgenannten die größte Bedeutung für die Gestaltung der deutschen Wirtschaftspolitik zu. Dabei ist die Kommission das Initiativund Verwaltungsorgan. 20 Das gesetzgeberische Organ der E U , in dem die nationalen 17 Vgl. Alfred Miiller-Armack, Auf dem Weg nach Europa. Erinnerungen und Ausblicke, Tübingen 1971, S. 69f.; Rolf Lahr, Zeuge von Fall und Aufstieg. Private Briefe 1934-1974, Hamburg 1981, S. 347. 18 Vgl. Jürgen Trumpf, Reflections from Three German Presidencies - High Marks for the German Coordination Model, Low Marks for the Presidency System, in: Wolfgang Wewe/i/Elfriede Regelsberger (Hrsg.), The Federal Republic of Germany and the European Community. The Presidency and Beyond, Bonn 1988, S. 266-275, hier S. 270f. 19 Vgl. hierzu den Beitrag von Lisette Andrene und Karl Kaiser in diesem Band. 20 Zur Funktionsweise der Gemeinschaftsorgane vgl. Deutsche Bundeshank, Europäische Organisationen im Bereich von Währung und Wirtschaft, Frankfurt a.M. 1997.

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Regierangen vertreten sind, ist der Rat. Dieser tritt jeweils zusammen in Form der Spezialräte, von denen es derzeit 21 gibt. Diejenigen, die wirtschaftspolitische Entscheidungen treffen, sind der Allgemeine Rat sowie die Räte für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN), Binnenmarkt, Außenwirtschaft, Industrie, Energie, Arbeit und Soziales, Verbraucher, Touristik, Fischerei, Landwirtschaft, Forschung, Umwelt, Verkehr, Telekommunikation, Entwicklung. Der Tagungsrhythmus ist recht unterschiedlich. Während z.B. der Allgemeine Rat, der E C O F I N - R a t und der Landwirtschaftsrat einen festen monatlichen Rhythmus haben, tagen andere nur einmal pro Halbjahr. Bei den Organen der Gemeinschaft ist eine Vielzahl - Schätzungen gehen weit auseinander und reichen bis mehr als 300 - von unterschiedlich zusammengesetzten Ausschüssen angesiedelt, die als Hilfsorgane der Koordinierung, der Beratung und der Unterstützung der EU-Verwaltung dienen. 21 Davon zu unterscheiden sind die noch sehr viel zahlreicheren Arbeitsgruppen, die sich notwendig gemäß der anfallenden Sacharbeit zusammenfinden, um z.B. eine Richtlinie vorzubereiten. In diesen Gremien wird die eigentliche europapolitische Sacharbeit geleistet. Von zentraler Bedeutung für die Europapolitik der Mitgliedstaaten ist der Ausschuß der Ständigen Vertreter. 22 In ihm werden wöchentlich die Ratssitzungen vorbereitet. Dabei gilt zunächst, daß grundsätzlich alle wirtschaftsrelevanten Räte durch den AStV vorbereitet werden. Deutsches Mitglied ist der Ständige Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der EU. Er kommt aus dem AA und wird auf gemeinsamen Vorschlag von AA und BMWi vom Kabinett bestellt. Sein Stellvertreter ist ein hoher Beamter des BMWi. Die Mitarbeiter der Ständigen Vertretung kommen aus den Ressorts. Die Deutsche Bundesbank ist ebenfalls durch einen Mitarbeiter vertreten. Allerdings läuft nicht die gesamte Wirtschaftspolitik über den AStV. Die Räte für Fischerei und Landwirtschaft werden in Brüssel vom Sonderausschuß Landwirtschaft vorbereitet, soweit sie sich mit der Agrarmarktordnung und der Agrarstrukturpolitik befassen, also mit jenen Bereichen der EU-Agrarpolitik, die vollständig vergemeinschaftet sind. Deutscher Vertreter in diesem Ausschuß ist ein Unterabteilungsleiter im BML, von wo aus auch die erforderlichen Weisungen ausgegeben werden, nachdem sie in einem Ressortkreis unter Beteiligung der Länder beraten worden sind. Die im Vertrag von Maastricht verankerte Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) gestaltet auch die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten auf wirtschafts- und währangspolitischem Gebiet neu. Zur Förderung der Koordination der Währungspolitik beobachtet ein Beratender Währungsausschuß die Währungsund Finanzlage der E U und ihrer Mitgliedstaaten sowie deren allgemeinen Zahlungsverkehr. Der Beratende Ausschuß besteht aus zwei Ebenen mit jeweils zwei Vertretern der Mitgliedstaaten und der EU-Kommission. Die nationalen Vertreter auf 21 Für eine detaillierte Darstellung der Ausschüsse vgl. Reimer von Borries (Hrsg.), Europa-Recht von A-Z: Europäischer Binnenmarkt, Europäische Gemeinschaft, Europäische Union, 2. Auflage, München 1993, S. 64-67. 22 Vgl. die umfassende Darstellung bei Michael Mentler, Der Ausschuß der Ständigen Vertreter bei den Europäischen Gemeinschaften, Baden-Baden 1996.

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jeder Ebene setzen sich aus einem Regierungsbeamten und einem von der Zentralbank benannten Experten zusammen. Sie werden für zwei Jahre ad personam bestellt, um ihre Unabhängigkeit zu stärken. Auf deutscher Seite liegt die Federführung beim Staatssekretär des BMF. Auf der Ebene der Stellvertreter liegt die Sprecherrolle beim BMWi. Der Ausschuß berichtet - von sich aus oder in einigen Fällen vertraglich zwingend vorgesehen - direkt ohne Einschaltung des AStV dem E C O F I N - R a t . Zentrale Aufgabe des Ausschusses ist die Erstellung eines Berichts über die Wirtschafts- und Finanzlage der Mitgliedstaaten, nicht die Vorbereitung des Rates. Diesem Ausschuß kommt wegen der wichtigen Rolle, die er bei der Vorbereitung der W W U spielt, ein erhebliches politisches Gewicht zu. Beobachter gehen davon aus, daß der AStV mit der Einrichtung dieses Ausschusses einen Teil seiner Kompetenzen verloren hat bzw. verlieren wird. 23 Mit dem Eintritt in die dritte Stufe der W W U soll dieser Ausschuß durch einen Wirtschafts- und Finanzausschuß ersetzt werden. Dieser wird mehr Kompetenzen haben als der Währungsausschuß. Es ist vorgesehen, daß ihm bis zu zwei Vertreter der Mitgliedstaaten, aber auch Vertreter der Europäischen Zentralbank angehören. 24 Die Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes setzt eine gleichgerichtete Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten voraus. Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) verpflichtet daher in Art. 103 die Mitgliedstaaten, ihre Wirtschaftspolitik als eine Angelegenheit von gemeinsamem Interesse zu behandeln und sie zu koordinieren. Die bereits bestehenden wirtschaftlichen Koordinierungsund Uberwachungsinstrumente sind durch den Vertrag von Maastricht auch für diesen Bereich erweitert und konkretisiert worden. Dies wurde nötig, weil die wirtschaftspolitische Zuständigkeit - anders als die Währungspolitik - auch in der dritten Stufe der W W U bei den Mitgliedstaaten verbleibt. Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik unterstützt Rat und Kommission insbesondere bei der Ausarbeitung der allgemeinen Leitlinien für die Wirtschaftspolitik sowie bei der Vorbereitung der Programme für die mittelfristige Wirtschaftspolitik. Gleichzeitig überprüft er die Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten. Dem Ausschuß gehören vier Vertreter der Kommission und vier Vertreter jedes Mitgliedstaates an. Der Vorsitzende wird auf zwei Jahre gewählt. Der Leiter der deutschen Vertreter ist ein Abteilungsleiter des BMWi. Zwei weitere wichtige und in der Öffentlichkeit beachtete Beratende Ausschüsse sind der Wirtschafts- und Sozialausschuß, der aus Vertretern der verschiedenen Gruppen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens besteht, und der Ausschuß der

23 Vgl. Gerhard Rambow, Entwicklungsperspektiven der Europäischen Union, in: Ole -Due/Marcus iKttíT/Jürgen Schwarze (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Everling, Band 2, Baden-Baden 1995, S. 1169-1186, hier S. 1181. 24 Der 1964 gegründete Ausschuß der Präsidenten der Zentralbanken der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) - der sogenannte Gouverneursausschuß - diente ebenfalls vornehmlich dem Informationsaustausch. Er wurde zu Beginn der zweiten Stufe der WWU durch das Europäische Währungsinstitut (EWI) abgelöst.

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Regionen. Er setzt sich zusammen aus Vertretern der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften und muß von Rat und Kommission zu Entscheidungen auf bestimmten Gebieten gehört werden. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind dies z.B. die Regionalpolitik und die Transeuropäischen Netze. Von Seiten der Bundesregierung findet gegenüber diesen beiden Ausschüssen eine Information über die Meinung der Bundesregierung zu anstehenden Sachfragen statt. Eine institutionalisierte Zusammenarbeit existiert nicht. Die Bundesregierung hat sich auf die dauerhafte Aufgabe der Europapolitik durch die Schaffung eines konsistenten Abstimmungssystems eingestellt. Die laufenden Verhandlungen und Erörterungen der Europäischen Gemeinschaft werden regelmäßig in Ressortbesprechungen behandelt. J e nach sachlicher Betroffenheit der Ressorts und Fragestellung gibt es große, aber auch kleinere Runden. Die Tagungen des Allgemeinen Rates, in dem in der Regel der Außenminister die Sprecherrolle hat, sowie des E C O F I N - R a t e s , an dem die Wirtschafts- und Finanzminister teilnehmen, werden in Ressortbesprechungen des B M W i vorbereitet und abgestimmt. Darüber hinaus bereitet jedes Fachressort die Ministerratstagungen seines Zuständigkeitsbereiches und auch die »informellen« Räte, die dem Meinungsaustausch dienen und für jeden Rat etwa alle halbe Jahre stattfinden, in eigenen Ressortbesprechungen vor. Dieser dezentrale Transport des politischen Willens der Bundesregierung nach Brüssel ist in den Detailfragen sehr effektiv. Er hat jedoch den Nachteil, daß die horizontale Abstimmung zwischen den Ministerien erschwert wird. Da in Brüssel aber häufig über Paketlösungen verhandelt wird, muß von deutscher Seite hier zusätzlich intern beraten werden. Zentrale Stelle der Meinungsbildung und Entscheidung ist der Ausschuß der Europastaatssekretäre. Dieses Gremium leistet die laufende politische Koordinierungsarbeit auf hoher Beamtenebene. Er beschäftigt sich sowohl mit den grundlegenden Fragen der europäischen Einigung als auch - in zunehmendem Maße - mit jeweils anstehenden Brüsseler Entscheidungen. Ziel der Arbeiten dieses Ausschusses ist es insbesondere, das Kabinett zu entlasten. Daher werden Sachverhalte, über die Einigung erzielt wurde, dem Kabinett nur noch zur Kenntnis gebracht. Der Tagungsrhythmus richtet sich stark nach der anfallenden Arbeit. Das derzeitige politische Hauptthema »Agenda 2000« erfordert ein Treffen alle zwei Wochen. Geleitet wird der Ausschuß vom Staatsminister im AA. Sein Stellvertreter ist der zuständige Staatssekretär im BMWi. Die Geschäftsführung liegt beim BMWi. Ist ein Beratungsgegenstand soweit gediehen, daß er im Rat behandelt werden kann, wird er im AStV vorbereitet. Das traditionelle Verfahren des Transports des politischen Willens der Bundesregierung nach Brüssel sieht vor, daß für alle Sitzungen des AStV turnusmäßig am Dienstag einer Woche sogenannte Weisungssitzungen abgehalten werden. Die Federführung dieser Sitzungen liegt grundsätzlich beim B M W i , bei speziellen Fragen heute aber auch beim AA. Mit »Sprechzetteln« und »Weisungen« werden die nationalen Vertreter in Brüssel auf die Sitzung des AStV vorbereitet. An diese Weisungen ist der Verhandlungsführer im AStV im Rahmen

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seiner Verpflichtung gebunden, einen für alle Beteiligten akzeptablen Kompromiß zu erreichen. Eine Sonderrolle spielt der Ausschuß der Europabeauftragten der Bundesministerien unter Vorsitz des Leiters der Europaabteilung des BMWi. Er kommt bei Bedarf zur Beratung wichtiger europapolitischer Fragen zusammen. Wichtigste Aufgabe dieses Ressortkreises ist die Abstimmung des Programms für die jeweilige deutsche Präsidentschaft auf Arbeitsebene. Die Rolle des Bundeskanzleramts 25 und des Bundeskanzlers ist traditionell besonders wichtig in der Europapolitik. Dies ergibt sich nicht allein aus der Richtlinienkompetenz des Kanzlers. Davon haben alle Kanzler und insbesondere der amtierende immer wieder Gebrauch gemacht. Sie ergibt sich auch aus der zentralen Rolle, die die europäische Politik und insbesondere die Wirtschaftspolitik für die Bundesrepublik spielt. Besonders gefordert ist das Bundeskanzleramt stets bei der Vorbereitung und Durchführung des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs. Zwar koordiniert das AA die Beiträge der Ressorts zu der jeweils von der Ratspräsidentschaft vorgegebenen Tagesordnung. Die konkrete Vorbereitung, die politische Akzentsetzung und die strategische Ausrichtung geschieht jedoch im Kanzleramt. Sofern notwendig, werden zusätzlich Ressortbesprechungen oder bilaterale Gespräche mit den Ressorts anberaumt. Darüber hinaus werden nicht nur offizielle Treffen auf höchster Ebene vorbereitet. Auch bilaterale Kurzbesuche ohne Protokoll, Briefe und Telefonate mit ausländischen Regierungschefs und mit Kommissionsmitgliedern gehören zum teilweise ressortabgestimmten - Repertoire des Bundeskanzlers in der Europapolitik.

GESTALTUNG DER INTERNATIONALEN WIRTSCHAFTSPOLITIK

Internationale

Handelspolitik

Die Internationalisierung der Wirtschaft hat zur Folge, daß mit der Liberalisierung des Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs die Unternehmen größere Wahlmöglichkeiten für ihren Standort bekommen. Nationale Regierungen treten in einen Wettbewerb um unternehmensattraktive Standorte. Gemessen an den Notwendigkeiten werden die Möglichkeiten nationalen politischen Handelns geringer. 26 Gleichzeitig muß versucht werden, die internationale Wirtschaftspolitik zu beeinflussen. Das bedeutet insbesondere, in den internationalen Institutionen mitzuarbeiten, die weltweit gültige Ordnungsstandards setzen.

25 Die Aufgabenverteilung zwischen der außenpolitischen Abteilung und den wirtschaftsorientierten Abteilungen des Kanzleramts folgt der Kompetenzaufteilung von BMWi und AA. 26 Solange die Wirtschaftspolitik vornehmlich national ausgerichtet bleibt, ist dieser Widerspruch nicht auflösbar. Mit der Übertragung nationaler Souveränitätsrechte auf die E U wird allerdings ein verbindlicher Rechtsrahmen geschaffen, der für ein bedeutendes Gebiet der Weltwirtschaft gilt. Insofern ist die europäische Integration eine angemessene Antwort auf die Globalisierung.

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Q U E R S C H N I T T S T H E M E N IM E N T S C H E I D U N G S P R O Z E S S

Im Zentrum der internationalen Wirtschaftsbeziehungen steht nach wie vor die Handelspolitik. Gemäß Art. 113 EGV ist sie eine gemeinschaftliche Politik. Die Gemeinschaft hat für diesen Bereich die ausschließliche Zuständigkeit. Für eine national verantwortete Außenwirtschaftspolitik bleibt dementsprechend wenig Raum. Die Führung der Außenhandelspolitik erfordert ständige Informationsverarbeitung und ständiges Agieren und Reagieren. Weil die Kommission und der Rat sich die Kompetenzen im Bereich des Außenhandels teilen, müssen sie kontinuierlich zusammenarbeiten. Das Instrument der Zusammenarbeit zwischen Kommission und Rat ist der Ausschuß für Handelspolitik. Er soll insbesondere die EU-Kommission bei den Verhandlungen unterstützen. Er besteht aus Vertretern der Mitgliedstaaten und spielt bei diesen Verhandlungen eine zentrale Rolle, denn durch ihn sind der Allgemeine Rat und mittelbar die Mitgliedstaaten an der Gestaltung der Außenhandelspolitik der E U beteiligt. In der Praxis führt die Kommission ihre Verhandlungen nicht nur nach Konsultationen, sondern u.U. in Anwesenheit von Mitgliedern des Ausschusses oder von Fachleuten. Der Ausschuß hat zwei Ebenen: einmal die der Generaldirektoren und zum anderen die Arbeitsebene. Deutscher Generaldirektor ist der Leiter der Außenhandelsabteilung des BMWi. Hinzu kommt eine größere Anzahl von Unterausschüssen. Der Ausschuß tagt wöchentlich. Bei der laufenden Arbeit des Ausschusses fallen ca. 800 Dokumente pro Jahr an, so daß eine Ressortvorbereitung im traditionellen Sinne nicht möglich ist. Hier wird eine schriftliche bzw. telefonische Abstimmung durchgeführt. Bei großen internationalen Verhandlungen, wie z.B. bei EU-Regierungskonferenzen oder Verhandlungen zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT), tagt der Ressortkreis zeitversetzt zu den Verhandlungen, so daß sich die deutsche Verhandlungsführung stets auf eine abgestimmte Position der Bundesregierung stützen kann. Grundsätzlich sind Ausfuhr und Einfuhr von Waren in die bzw. aus der Gemeinschaft frei. Jedoch hat die E U ein differenziertes Instrumentarium entwickelt, um gegebenenfalls Sanktionen als Druckmittel gegen Drittstaaten oder aber Schutzmaßnahmen für die eigene Wirtschaft einzusetzen. Gestaltungsmöglichkeiten sind der Bundesregierung im Bereich der Ausfuhrkontrollen verblieben, insbesondere beim illegalen Waffenhandel. Zwar wird seit Juli 1995 ein wesentlicher Teil der Exportkontrollen durch Europarecht geregelt, doch in deutscher Kompetenz verblieben sind wichtige Sonderbereiche wie Wissenstransfer, Export von Dienstleistungen, Transithandelsgeschäfte, Export von nicht gelisteten Gütern. Verblieben sind auch die nationalen Kontrollen. Hier sind in den letzten Jahren eine Reihe von administrativen Maßnahmen ergriffen worden, die den deutschen Außenhandel mitgestalten, u.a. eine Erweiterung des Zollkriminalamts, die Einschaltung des Bundesnachrichtendienstes (BND) 2 7 in die Bekämpfung der Außenwirtschaftskriminalität sowie die Einrichtung

27 Zum B N D vgl. den Beitrag von Hans-Georg Wieck in diesem Band.

WIRTSCHAFTSPOLITIK

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eines Ressortkreises aller beteiligten Bundesministerien und -behörden mit Überwachungsaufgaben. Ebenfalls in nationaler Kompetenz verblieben ist die Förderung des Außenhandels. Die Bundesregierung fördert hier u.a. auch finanziell Auslandshandelskammern und Messebeteiligungen. 28 Der Förderung des Außenhandels sollen auch die Anweisungen des AA an die deutschen Botschaften dienen, bei ihren Aktivitäten stärker auf deutsche Wirtschaftsinteressen zu achten. Dem gleichen Zweck dient die Bundesstelle für Außenhandelsinformation in Köln im Geschäftsbereich des BMWi, deren Finanzausstattung in der langfristigen Perspektive ausgebaut wurde. Seit Ende 1995 gibt es im BMWi einen Interministeriellen Ausschuß Außenwirtschaft als Instrument des Informations- und Meinungsaustausches sowie der Koordinierung. Er nimmt heute eine zentrale Rolle im Dialog zwischen Wirtschaft und Politik, aber auch in der Abstimmung innerhalb der Bundesregierung ein. Neben Vertretern der mit Außenwirtschaftsfragen befaßten Ressorts der Bundesregierung sind dort fast alle großen deutschen Wirtschaftsverbände und die Länder vertreten. 29 Davon zu unterscheiden ist der Außenwirtschaftsbeirat beim BMWi. An ihm sind Vertreter des Ministeriums und von Unternehmen beteiligt. Seine Aufgabe ist die Beratung des Ministeriums in Außenwirtschaftsfragen. Internationale

Stabilisierungspolitik

Im Hinblick auf die deutschen Beziehungen zu der sehr großen Anzahl internationaler Institutionen, die das Ziel haben, die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Staaten zu festigen und zu stabilisieren, 30 sind die Zuständigkeiten breit gestreut über die Ministerien BMWi, AA und BMZ. Die wichtigste internationale Organisation im Bereich der Währungspolitik ist der Internationale Währungsfonds (IWF), dessen Aufgabe es ist, die internationale währungspolitische Zusammenarbeit zu fördern, die Ausweitung des Welthandels zu erleichtern und geordnete Währungsbeziehungen zwischen den Mitgliedstaaten zu sichern.31 Deutschland ist im Gouverneursrat des IWF durch den Präsidenten der Bundesbank

28 Allerdings sollen aus Wettbewerbsgründen gemäß Art. 114 EGV die staatlichen Exportbeihilfen harmonisiert werden. 29 Ein Blick auf die Tagesordnung der 9. Sitzung des Ausschusses vom März 1998 zeigt, wie umfassend der Dialog angelegt ist: Zusammenarbeit der Trägerorganisationen bei Maßnahmen zur beruflichen Bildung im Ausland; Nutzung von »öffentlich-privaten Partnerschaften« in der Entwicklungszusammenarbeit; Beteiligung deutscher Unternehmen am Beschaffungswesen der Vereinten Nationen (UN); Vergabe von Projekten der Weltbank sowie anderer multilateraler Entwicklungsbanken; Auswirkungen der Asienkrise auf die deutsche Wirtschaft; Einsatz des Instrumentariums der Außenwirtschaftsförderung in den ostund südostasiatischen Ländern. Quelle: BMWi-Tagesnachrichten, 24.3.1998. 30 Zu Aufgaben und Funktionsweisen bedeutender internationaler Organisationen in der Wirtschaftspolitik vgl. Deutsche Bundesbank, Weltweite Organisationen und Gremien im Bereich von Währung und Wirtschaft, Frankfurt a.M. 1997. 31 Vgl. David D. Briscoli, The International Monetary Fund. Its Evolution, Organization, and Activities (IWF, Pamphlet Series, Nr. 37), 4. Auflage, Washington, DC 1984.

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QUERSCHNITTSTHEMEN IM ENTSCHEIDUNGSPROZESS

vertreten, der Bundesfinanzminister fungiert als Stellvertreter. 32 Der deutsche Exekutivdirektor beim IWF wird alternierend vom BMF und der Deutschen Bundesbank gestellt. Der deutsche Gouverneur der Weltbank - sie ist die Schwesterorganisation zum IWF und hat als Ziel die Vergabe von Finanzmitteln an Entwicklungsländer ist der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, sein Stellvertreter ist der Staatssekretär im BMF. Für die Unterorganisationen der Weltbankgruppe gibt es einen deutschen Exekutivdirektor, der aus dem BMZ kommt. Der Gouverneursrat des IWF tagt normalerweise einmal im Herbst eines Jahres, der Interimsausschuß, der sich mit der laufenden Überwachung des internationalen Währungssystems und seiner Anpassung an sich wandelnde Verhältnisse befaßt, zusätzlich ein zweites Mal im Frühjahr. Üblicherweise werden die Sitzungen der Institutionen aufeinander abgestimmt, so daß ein typisches IWF/Weltbanktreffen für die deutschen Teilnehmer (Bundesbankpräsident, Finanzminister) folgendermaßen abläuft: Treffen im Rahmen der Gruppe der sieben größten Industrienationen (G-7), dann Treffen der Zehner-Gruppe (G-10) - ein informeller Zusammenschluß von heute elf Industriestaaten innerhalb des IWF - , dann Interimsausschuß und/oder Entwicklungsausschuß der Weltbank, schließlich Gouverneurstreffen. Die Vorbereitung auf deutscher Seite geschieht durch eine schriftliche Ressortabstimmung unter Federführung des BMF. Daran beteiligen sich AA, BMWi, BMZ nach Vorarbeiten der Bundesbank bei Fragen der Währungspolitik. An den einmal jährlich stattfindenden Sitzungen des obersten Organs der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), dem Rat der Minister, nimmt im Normalfall der Bundeswirtschaftsminister teil. Unterhalb dieser Ebene tagt der Rat in der Regel zweimal im Monat auf der Ebene der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten. Der Exekutivausschuß bereitet die Sitzungen der Ständigen Vertreter vor. Er setzt sich aus den Stellvertretern der Leiter der OECD-Botschaften zusammen. Dieser Ausschuß umfaßt zehn Mitgliedstaaten, wobei Deutschland ständiges Mitglied ist. Der deutsche OECD-Botschafter wird vom AA gestellt, sein Stellvertreter kommt aus dem BMWi. Die notwendigen Ressortbesprechungen zur Vorbereitung der internationalen Sitzungen werden unter Federführung des BMWi abgehalten. In der Öffentlichkeit viel Beachtung finden die jährlichen Treffen der Staatsund Regierungschefs der G-7, die sogenannten Weltwirtschaftsgipfel. 33 Treffen dieser Art dienen einerseits der Abstimmung gemeinsam interessierender Fragen, bevor sie in formellen zwischenstaatlichen Gremien behandelt werden. Zum anderen dienen sie dazu, gemeinsam erarbeitete Problemlösungen anzubieten. Diese Kooperation im Rahmen der G-7 befaßt sich mit Wirtschafts- und Währungsentwicklungen der beteiligten Länder selbst, aber auch der Welt insgesamt. 32 Da die Kompetenz in der Währungspolitik nicht bei der Bundesbank, sondern bei der Bundesregierung liegt, könnte die Vermutung naheliegen, daß der Bundesfinanzminister der Gouverneur sei. Der Grund für die umgekehrte Lösung liegt darin, daß die von Deutschland in den Fonds eingebrachte Quote von der Bundesbank aus Währungsreserven bereitgestellt wird. 33 Mittlerweile ist Rußland als achter Staat in Teile dieses Treffens einbezogen.

WIRTSCHAFTSPOLITIK

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Einen anderen Teil der Zusammenarbeit der G-7 bilden die gemeinsamen Sitzungen der Finanzminister und Zentralbankpräsidenten. Diese Tagungen finden regelmäßig vor den Sitzungen des IWF-Interimsausschusses statt. Sie kommen aber auch üblicherweise im Frühjahr eines jeden Jahres zusammen. Außerdem treffen sich die Finanzminister allein jeweils am Rande der Weltwirtschaftsgipfel. Mittlerweile wird die Zusammenarbeit auf eine Vielzahl anderer Gebiete ausgeweitet. Dies beinhaltet die Gefahr des Ausuferns zu Mammutveranstaltungen. Daher werden die Treffen der Fachminister mehr und mehr auf konkrete Fragen hin außerhalb des eigentlichen Treffens der G-7 organisiert. Unterhalb der Ministerebene gibt es als ständiges Gremium die Gruppe der Stellvertreter, die auf Staatssekretärsebene tagt und bei der Behandlung von Währungsfragen auch Notenbankvertreter auf Direktoriumsebene einschließt. Der deutsche Stellvertreter ist der Staatssekretär im BMF und zugleich Beauftragter des Bundeskanzlers (»Sherpa«) bei der Vorbereitung der Weltwirtschaftsgipfel. Die Treffen der Stellvertreter beginnen zeitig vor dem nächsten Weltwirtschaftsgipfel mit steigender Frequenz. Kurz vor dem eigentlichen Gipfel gibt es monatliche Treffen. Die Vorbereitung dieser Sitzungen erfolgt in entsprechenden Ressortgesprächen unter der Leitung des Staatssekretärs im BMF. Bilaterale politische Wirtschafts- und Finanzbeziehungen unterhält Deutschland mit fast allen Staaten. Institutionalisiert sind vor allem jene mit Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien. Dabei stehen an erster Stelle die halbjährlichen Konsultationen mit Frankreich auf hoher politischer Ebene. Die Treffen beschränken sich nicht auf die Regierungschefs und den französischen Staatspräsidenten. Auch eine Vielzahl von Ministern berät in bilateralen Gesprächen Fachfragen. Den Abschluß bildet eine Plenarsitzung aller Beteiligten - eine gemeinsame »Kabinettssitzung« - , bei der meist weitere Arbeitsaufträge verteilt werden. Zur Vorbereitung eines solchen Treffens findet im Bundeskanzleramt eine Ressortbesprechung statt, in der gemäß der verabredeten Tagesordnung Arbeitsaufträge an die Ressorts verteilt werden. Die Koordination übernimmt dann das AA. Parallel dazu bereitet jeder Fachminister das Treffen mit seinem französischen Amtskollegen vor. Die Konsultationen setzen sich auf der Arbeitsebene fort.

WEITERENTWICKLUNG DER NATIONALEN GESTALTUNGSINSTRUMENTE

Die nationalen Gestaltungsmöglichkeiten in Fragen der Wirtschaftspolitik nehmen ab, einerseits als Folge der Globalisierung der Wirtschaft, andererseits durch Kompetenzübertrag auf die EU. Auf diese gewandelten Bedingungen müssen sich die nationalen staatlichen Entscheidungsträger einstellen - sowohl in ihrer wirtschaftspolitischen Konzeption als auch in der Arbeitsweise ihrer Institutionen. Mit dem Arbeitsinstrument der Ressortabstimmung verfügt die Bundesregierung über ein Mittel der Willens- und Entscheidungsfindung, das auf alle politischen Sachverhalte angewendet werden kann. Es ist äußerst flexibel. Beratungen können je

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QUERSCHNITTSTHEMEN IM ENTSCHEIDUNGSPROZESS

nach Bedarf auf unterschiedlichen Stufen angesetzt werden. Es muß nicht die gesamte Hierarchie der Ressorts automatisch durchschritten werden. Allerdings ergibt sich bei wachsender internationaler Wirtschaftsverflechtung ein Spannungsverhältnis zwischen wichtigen Prinzipien der Entscheidungsfindung. Einerseits funktioniert Koordinierung um so besser, je mehr alle Beteiligten Nutzen daraus ziehen, sei es durch Information, Einfluß oder Mitentscheidung. Das bedeutet, daß möglichst viele Betroffene in den Prozeß der Informationsgewinnung, der Diskussion und der Entscheidung europapolitischer und internationaler Wirtschaftsfragen eingebunden werden sollten. In diesem Sinne wirkt z.B. die hohe Zahl von Ressorts, die sich mit Wirtschaftsfragen befassen, integrierend. Und so ist auch der wichtige Ausschuß der Europastaatssekretäre ständig gewachsen. Ursprüngliche Mitglieder dieses Ausschusses waren die Staatssekretäre des AA, des BMWi, des B M F und des B M L . Später traten das Bundeskanzleramt und die Ständige Vertretung in Brüssel hinzu. Danach erweiterte sich dieser Kreis um Ressorts, die mit europäischen Fragen befaßt sind. Das Gremium umfaßte zwischenzeitlich fast alle Ressorts der Bundesregierung. Andererseits nimmt der Druck auf eine zügige Entscheidungsfindung ständig zu. Insbesondere EU-Vorhaben erzeugen einen hohen Zeit-, Beratungs- und Entscheidungsdruck, weil kurze Fristen gesetzt sind, die Verhandlungen intensiv geführt werden und die gesetzten Zeitrahmen meist voll ausgeschöpft werden. Erschwert wird die Entscheidungsfindung auch dadurch, daß die Größe internationaler Gremien zunimmt. Auf europäischer Ebene z.B. sind davon alle paritätisch von den Mitgliedstaaten besetzten Gremien betroffen, z.B. der Rat oder der AStV. Die vierte Erweiterung der E U hat diese Gremien an die Grenze der Leistungsfähigkeit gebracht. Deshalb war auch eines der angestrebten Ziele des Vertrags von Amsterdam, diesbezügliche Reformen durchzuführen. 34 Ein weiteres wichtiges Argument für eine Beschleunigung der nationalen politischen Abstimmungsprozesse ergibt sich aus der Macht des Faktischen. Bei internationalen Verhandlungen ist jener Staat im Vorteil, der bereits funktionierende Lösungen für ein Problem auf nationaler Ebene vorweisen kann bzw. über klare Zielvorgaben und praktikable Handlungsanweisungen verfügt. Das galt z.B. für Deutschland bei der Klimakonferenz in Berlin im Jahr 1995, wo man bereits auf ein verbindliches nationales C0 2 -Reduktionsziel verweisen konnte, es galt bei der UN-Sondergeneralversammlung 1997, als der Bundeskanzler eine international abgestimmte Initiative für den Schutz des Waldes vorstellen konnte, und es galt für das im Sommer 1997 in Kraft getretene Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz (IuKDG) 3 5 , das vor allem den freien Zugang zu den modernen Mediendiensten wie z.B. dem Internet garantiert. Es ist weltweit das erste seiner Art und wird bei internationalen Konferenzen als vorbildlich gelobt. 34 Dies ist jedoch bislang nur in Ansätzen gelungen. Ob die erweiterten Mitwirkungsrechte der Länder den Prinzipien der Effizienz und Flexibilität unter den gewandelten europäischen und weltweiten politischen Bedingungen entsprechen, sei dahingestellt. 35 Abgedruckt in: Bundesgesetzblatt (BGBl) 1997, Teil I, S. 1870-1880.

WIRTSCHAFTSPOLITIK

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Dem Prinzip der Integration steht demnach die Notwendigkeit gegenüber, möglichst schnell präzise Entscheidungen zu treffen. Neben diesem Prinzip der Effizienz wird gleichzeitig eine hohe Flexibilität gefordert, um auf schnell wechselnde Problemstellungen stets neuen Sachverstand aus den Ressorts zusammenzufügen. Dazu sind kleine Gremien notwendig. Nicht wenige Beobachter sind daher der Meinung, daß viele Ressortgespräche zu groß und zu zeitaufwendig angelegt sind. Auch läßt sich beobachten, daß deshalb ein verstärktes Ausweichen auf bilaterale und informelle Gespräche zur Vorausabstimmung stattfindet. Will man dem Dilemma von Integration einerseits und Effizienz bzw. Flexibilität andererseits entgehen, bietet sich zunächst eine Verkleinerung der Gremien an. Diesen Weg geht der Ausschuß der Europastaatssekretäre, denn seit Anfang 1998 wird der Versuch unternommen, den Kreis wieder auf die Kernressorts zu beschränken. Da dies automatisch zu einem Konflikt mit dem Ziel der Integration führen muß, sind auch andere Wege beschritten worden. Dazu bietet sich vor allem die Möglichkeit des Delegierens an. Dies sei an zwei Beispielen gezeigt: Nach der GOBReg ist für einen Sachverhalt allein ein Ressort federführend. In der Praxis können aber auch zwei Ressorts für ein und denselben Gegenstand die Federführung übertragen bekommen. Darüber hinaus gibt es heute Projekte, die so umfangreich sind, daß eine Teilung sinnvoll ist. Dabei sind dann für die Teile jeweils andere Ressorts zuständig. Als Beispiel kann hier die Ressortvorbereitung für die Verhandlungen zum Vertrag von Maastricht herangezogen werden. Zum einen wurden die Vorbereitungen für die Regierungskonferenz zur Politischen Union vom AA federführend betreut, während die Regierungskonferenz zur WWU vom BMF verantwortet wurde. Auch können Spezialbereiche ausgegliedert und in eigenen Ressortbesprechungen behandelt werden. Hier kann das IuKD-Gesetz als Beispiel genannt werden. Die Regelungen zum Datenschutz in diesem Gesetz wurden in einem besonderen Ressortkreis von den Spezialisten erarbeitet. Ein zweites Beispiel liefert die Entwicklung der sogenannten Kabinettausschüsse der Bundesregierung.36 Sie fassen keine Beschlüsse für die Bundesregierung, sondern führen meist zu dem kollegialen Einverständnis, daß der federführende Minister bezüglich des Beratungsgegenstandes in einem bestimmten Sinne handeln kann. Auf diese Weise soll die Arbeit des Kabinetts entlastet werden. Der Vorteil des Kabinettausschusses liegt darin, daß er mit einer gewissen bürokratischen Verfestigung eine höhere Verbindlichkeit besitzt. Darin liegt aber andererseits sein Nachteil. In einer Zeit, in der es darauf ankommt, möglichst schnell und flexibel zu reagieren, ist dieses Instrument wenig geeignet. So tritt der Kabinettsausschuß Europapolitik trotz der Bedeutung, die der Bundeskanzler diesem Thema beimißt, nicht zusammen. Statt dessen kommt dem Ausschuß der Europastaatssekretäre eine größere Bedeutung zu. Auch der Kabinettsausschuß für die neuen Bundesländer tagt nicht. Deren Probleme werden in den alle vier Wochen 36 Vgl. Volker Busse, Die Kabinettausschüsse der Bundesregierung, in: Deutsches Verwaltungsblatt, 1993, S. 413-417.

N r . 8,

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QUERSCHNITTSTHEMEN IM ENTSCHEIDUNGSPROZESS

tagenden Arbeitsbesprechungen des Chefs des Bundeskanzleramtes mit den Chefs der Staatskanzleien der neuen Länder und der Senatskanzlei Berlins behandelt. Diese Arbeitseinheit kann sehr viel reaktionsschneller arbeiten und damit den Bedürfnissen und Notwendigkeiten der neuen Länder eher Rechnung tragen. 37 Vor diesem Hintergrund haben derzeit nur zwei Kabinettsausschüsse eine praktische Bedeutung. Zum einen behandelt der Kabinettsausschuß für Wirtschaft, an dem neben den für wirtschaftliche Belange verantwortlichen Ministern auch der Präsident der Deutschen Bundesbank teilnimmt, in jedem Jahr den Jahreswirtschaftsbericht, bevor er eine Woche später im Kabinett verabschiedet wird. Zum anderen hat der Bundessicherheitsrat (BSR) 38 eine - auch außenwirtschaftliche - Bedeutung, weil bei ihm »politisch bedeutsame, oft geheimhaltungsbedürftige Aspekte aus Verteidigungsund Außenpolitik mit Gesichtspunkten des Wirtschafts- (insbesondere des Außenwirtschafts-) Rechts zusammengeführt sind und dabei finanzielle und rechtliche Belange intensiver Prüfung bedürfen« 39 . Für die Behandlung dieser Themen ist zum einen Vertraulichkeit nötig, zum anderen eine förmliche Verhandlungsführung.

37 Dieses Beispiel zeigt, daß nicht allein die Internationalisierung der Wirtschaft die politischen Entscheidungsstrukturen verändert hat. In gleichem Maße sind es die Notwendigkeiten, die aus der deutschen Vereinigung erwachsen, und die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat. 38 Zum BSR vgl. den Beitrag von Lothar Riihl in diesem Band. 39 Volker Busse, Bundeskanzleramt und Bundesregierung: Aufgaben, Organisation, Arbeitsweise, Heidelberg 1994, S. 89.

INSTITUTIONELLE STRUKTUREN UND ENTSCHEIDUNGSPROZESSE DER UMWELTAUSSENPOLITIK Wolfgang Fischer und Petra Holtrup Zu jenen externen Entwicklungen, die - weil sie Deutschlands Interessen und Ziele berühren - durch die Außenpolitik identifiziert und möglichst beeinflußt werden müssen, gehören in zunehmendem Maße auch Fragen des Umweltschutzes. Eine somit notwendig werdende Umweltaußenpolitik hat zwei Aufgaben zu lösen: Sie muß zum einen aktiv auf die Umweltpolitik anderer Staaten einwirken, um dort Umweltveränderungen mit grenzüberschreitenden Auswirkungen, die auch Deutschland tangieren, möglichst zu verhüten bzw. um andere Staaten zur kooperativen Lösung globaler Umweltprobleme anzuhalten (offensive Umweltaußenpolitik). Zum anderen muß sie von außen, d.h. von anderen Staaten oder internationalen Organisationen an Deutschland herangetragene Anforderungen in die eigene Politik integrieren oder abwehren (inverse Umweltaußenpolitik). Eine systematische Umweltaußenpolitik existiert in Deutschland bislang nur ansatzweise, sofern man hierunter ein integriertes Politikfeld versteht, in das die verschiedenen Akteure einbezogen und in welchem ihre Ziele und Interessen einer ausgefeilten Abstimmung unter ökologischen Vorgaben unterworfen sowie in den Kanon anderer außen- und sicherheitspolitischer Ziele eingebunden werden. 1 Zu oft werden immer noch Entscheidungen getroffen, ohne daß deren direkte, oft aber auch nur mittelbare internationale umweltpolitische Implikationen mitbedacht werden. Gleichzeitig ist jedoch auch eine verstärkte, wenngleich von wechselnden politisch-gesellschaftlichen Prioritätensetzungen geprägte Einflechtung umweltpolitischer Problem- und Aktionsfelder in außenpolitisch relevante Entscheidungsprozesse zu erkennen. Große internationale Konferenzen, etwa die der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung ( U N C E D ) , katapultieren die Umweltpolitik zeitweise medienwirksam an die Spitze der außenpolitischen Agenda, von der sie aber bald darauf wieder verschwindet, um in den alltäglichen Entscheidungsprozessen ihre bedrängten Positionen zu verteidigen. Unterhalb dieser Ebene »hoher« Politik gewinnt eine weniger spektakuläre, jedoch wichtige Umweltaußenpolitik an Konturen, die sowohl die Kärrnerarbeit für die internationalen Umweltregime leistet und Initiativen startet als auch darauf abzielt, durch bi- und multilaterale Aktivitäten andere Staaten von den Vorteilen einer vorsorgenden und querschnittsorientierten Umweltpolitik zu überzeugen. Dies sind Beiträge zu einer Politik, die ökologische Risiken zu antizipieren beginnt. Diese pragmatisch definierte deutsche Umweltaußenpolitik vollzieht sich auf drei Aktionsfeldern: auf dem der Europäischen Union (EU), in verschiedenen internationalen Organisationen und Foren - etwa in den Vereinten Nationen (UN), in der 1 Diese Einschätzung basiert auf einer Reihe von Interviews, die die Autoren mit Vertretern der Bundesregierung geführt haben, sowie auf der Auswertung der einschlägigen Literatur.

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QUERSCHNITTSTHEMEN IM ENTSCHEIDUNGSPROZESS

Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ( O E C D ) und in der Gruppe der sieben größten Industrienationen (G-7) - sowie im Rahmen bilateraler Beziehungen. Sie ist in mehrfacher Hinsicht eng verflochten mit der Umweltinnenpolitik: Deutschland ist Verursacher und Betroffener von Umweltveränderungen und bemüht sich gleichzeitig, als ein führender Exporteur von Umwelttechnik und Know-how Märkte zu erobern. Vor allem aber kann Umweltaußenpolitik nur dann glaubwürdig sein und zur Bewältigung internationaler Umweltprobleme beitragen, wenn sie von einem breiten gesellschaftlich-politischen Konsens getragen wird, langfristig angelegt und fest in eine erfolgreiche nationale Umweltpolitik integriert ist.2 Für die Gestaltung der deutschen Umweltaußenpolitik in den drei genannten Aktionsfeldern sind zwei Ebenen von zentraler Bedeutung, die im folgenden detaillierter betrachtet werden: die nationale Ebene und jene der Europäischen Union. Dabei ist die E U Aktionsfeld und Akteur zugleich, d.h. sie ist aus deutscher Sicht sowohl ein Handlungsfeld offensiver Umweltaußenpolitik als auch ein Akteur, dessen Gemeinschaftspolitiken im Sinne inverser Politik auf Deutschland wirken. 3 Da die Politikformulierung in einem immer komplexeren institutionellen Geflecht von Akteuren und Beziehungen erfolgt, z.B. ressortübergreifend organisiert und multilateral abgestimmt werden muß, 4 auch die Nachfrage nach wissenschaftlicher Expertise steigt, zugleich aber deren Ubersetzung in entscheidungsrelevantes Wissen schwieriger und strittiger wird,5 ist zu fragen, inwieweit die Institutionen und Entscheidungsprozesse der Umweltaußenpolitik den wachsenden Anforderungen gerecht werden und ob ungenügende Politikergebnisse eventuell auch auf institutionelle Unzulänglichkeiten zurückzuführen sind.

D I E NATIONALE E B E N E

An der Gestaltung der deutschen Umweltaußenpolitik sind zunächst auf der Regierungsebene diejenigen Akteure beteiligt, die die Umwelt- oder Außenpolitik generell beeinflussen und über Finanzmittel verfügen, die auf internationaler Ebene in umweltrelevante Projekte fließen (vgl. Abbildung 1). Dazu zählen vor allem der Bundeskanzler bzw. das Kanzleramt und die Bundesministerien für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), für wirtschaftliche Zusammen-

2 Vgl. OECD, Environmental Performance Reviews: Germany, Paris 1993; Udo E. Simonis (Hrsg.), Weltumweltpolitik: Grundriß und Bausteine eines neuen Politikfeldes, Berlin 1996. 3 Internationale Organisationen und Regime sind zwar ebenso Aktionsfelder und Produzenten inverser Politik. Aber ihre Handlungsmöglichkeiten werden im Kern von den politisch-administrativen Systemen der Staaten und (im Falle der EU-Staaten) u.U. auch mit Beteiligung der EU-Gremien festgelegt. Somit führt ihre Betrachtung auf die Ebene der deutschen Umweltaußenpolitik und die der EU zurück. 4 Vgl. Winfried Kösters, Umweltpolitik. Themen - Funktionen - Zuständigkeiten, München/Landsberg 1997, S. 130-148; Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Die institutionelle Dimension der Umweltpolitik. Baden-Baden 1996, S. 122-180. 5 Vgl. Sonja Boehmer-Chnstiansen, Global Climate Protection Policy; The Limits of Scientific Advice, in; Global Environmental Chance, Nr. 3, 1994, S. 185-200.

UMWELTAUSSENPOLITIK

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arbeit und Entwicklung (BMZ), für Wirtschaft (BMWi) sowie das Auswärtige Amt (AA). Andere Ministerien sind zeitweise bei spezifischen Problemen beteiligt, vor allem die Bundesministerien für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BML), für Verkehr (BMV), für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BMBau), für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) sowie das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg). Weitere wichtige Akteure sind der Deutsche Bundestag, der Bundesrat und die Länder. Gemäß Art. 73 des Grundgesetzes (GG) besitzt der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz in auswärtigen Angelegenheiten. Folglich kommt ihm auch in der Umweltaußenpolitik das zentrale Gewicht zu. Inwieweit der Bundeskanzler in diesem Politikfeld seine Richtlinienkompetenz (Art. 65 GG) nutzt, hängt von seinen Interessen und insbesondere dem Spielraum in der Regierungskoalition ab. Für eine effektive ressortübergreifende Politik kann er wichtige Impulse geben. So erklärte Bundeskanzler Helmut Kohl zu Beginn der Legislaturperiode im Jahre 1990 den Schutz des globalen Klimas und eine nachhaltige Wirtschafts- und Lebensweise zu vordringlichen Zielen für das 21. Jahrhundert, und sein auch auf internationaler Ebene offensives Eintreten für den Klimaschutz trug wesentlich zur verbreiteten Perzeption einer Vorreiter-Rolle Deutschlands in der Klimapolitik bei.6 Außerdem kann der Kanzler mit Hilfe freundschaftlicher Kontakte zu anderen Regierungschefs umweltpolitische Themen auf die Tagesordnung bringen.7 Freilich beschränken die wirtschaftlichen und sozialen Probleme, die sich in der Koalition widerspiegeln, den Gestaltungsraum des Kanzlers erheblich, weshalb der Festlegung der Inhalte und Richtungen von Umweltaußenpolitik in Koalitionsverhandlungen und -gesprächen eine große Bedeutung zukommt. Dem Kanzler steht mit dem Bundeskanzleramt ein eigener Apparat zur Seite, in dem das Referat Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit als sogenanntes Spiegelreferat8 für umweltpolitische Themen verantwortlich ist. Es nimmt in der Umweltaußenpolitik eine zentrale koordinierende Funktion wahr, indem es sich im Vorfeld von Entscheidungen ein Meinungsbild über die Positionen der Fachressorts verschafft und Differenzen ausräumt, bevor sie ins Kabinett getragen werden. Mit dieser Schlüsselstellung im Prozeß der umweltpolitischen Meinungsbildung des Kabinetts erfüllt es jene Funktion, die früher der Kabinettsausschuß für Umwelt-

6 Auf die Kluft zwischen Anspruch und Realität auch der deutschen Politik verweist Reinhard Loske, Klimapolitik. Im Spannungsfeld von Kurzzeitinteressen und Langzeiterfordernissen, Marburg 1996. 7 Der Kanzler agiert hier weitgehend eigenständig, kooperiert jedoch eng mit dem B M U . 8 Umweltpolitische Spiegelreferate sind Referate anderer Bundesministerien, deren Aufgabenstellung diejenige des B M U widerspiegelt. Einige Ministerien, etwa das B M W i , die mit zahlreichen umweltpolitischen Fragen konfrontiert werden, haben neben einem Generalspiegelreferat für Umwelt auch noch themenbezogene Spiegelreferate, etwa für Klimafragen, um im Ministerium alle darauf bezogenen Fragen zu koordinieren und zu bearbeiten. Das Spiegelreferat des Kanzleramtes nimmt eine Sonderstellung ein, da in ihm im Vorfeld von Kabinettsbeschlüssen die Informationen aus allen Ressorts zusammenlaufen.

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QUERSCHNITTSTHEMEN IM ENTSCHEIDUNGSPROZESS

Abbildung 1: Institutionelle

Zuständigkeiten

in der

Umweltaußenpolitik Kabinett, Kanzler

Ständige Runde der Europa-Staatssekretäre BMU

Abteilungsleiterausschuß für Umweltfragen BMZ AA

Abteilung G Gnindsäl7.1irhp und wirtschaftliche Fragen der UntweltpoKtik, internationale Zusammenarbeit

Abteilung 4 Wirtschaft

Unterabteilung G Π Internationalt' Zusammenarbeit ReferatGIIl e 8c e heuen, Umwelt & Entwicklung Referat G Π 2 Europäische Union, Europarat, ECE, OSZE, Bilaterale Zusammenarbeit mit EU-Mitgliedsstaaten Referat G II 3 Zusammenarbeit mit OECD-Staaten (außer EU),NATOComrmtteeoithe Challenges of Modem Society (CCMS)

Unterabteilung 41 Referat 415 Internationale Umweltpolitik; globale Umweltzusammenarbeit im Rahmen der UN; Klima-, Natur-& Artenschutz; regionale & bilaterale Zusammenarbeit. Umweltschutz abkommen; internationale Rohstoffpolitik

Referat 412 Umweltschutz; Ressourcenschutz, Waldwirtschaft, Comissbn on Sustainable Development Global Environment Facility (GEF)

ReferatC 114 Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern & UN-Einnchtungen Referat G II 5 Zusammenarbeit mit Staaten Mittel-und sowie den Staaten Referat WA 16* Wasserwirtschaftliche Ubereinkommen, Meeresumwehschutz 'Unterabteilung WA I (Wasserwirtschaft..) "Wichtige Zuständigkeiten sind auf Fachder Abteilung WA (Wasserwirtschaft-) ressorts verteilt Abt Ζ hat eine Koordinationsfunktion (Genaalspiegelreferat).

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UMWELTAUSSENPOLITIK

Kanzleramt Ressortbesprechung der Staatssekretäre (ad hoc)

Abteilung 3 Soziales, Umwek, Verkehr, Agtar, Forschung 1 Unterabteilung 3.21 Referat für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

BMWi**

Unterabt o lling Ζ C Wirtschaftliche Fragen d«s Umweltschutzes

BML

BMV

BMF*"·*

BMBF***

BMBau***

BMVg***/****

Abteitung6 Unterabteilung 62 Forst, Jagd,For* Forschungund schung, Entwicklung Entwicklung

Referat IX A 4 Unterabteilung IXA Internationale ^ Finanzbeziehungen L ¡ Finanz- und Hauszur EU und internat haltsfragen Organisationen

Abteilung IX Europäische und internationale Hnanzbeziehungen

Unterabteilung 41 Umwelt Geowissenschaften, Meeresforschung

Abteüung4 Energie und Umwelt



Abteilung Wehrverwaltung, Infrastruktur una Umweltschutz

»"Bezeichnungen der Referate z.T.gekürzt

Referat 622 Koordinanon der Umweltangelegenheiten des Agramereidhes

Unterabteilung A 1 Referat A 1 6 Umweltschutz im Verkehr

Abteilung A Verkehrsporaische GrundsatzabteQung

Abteilung Raumordnung

- *



Referat 421 Ökologie, Grundsatzfragen Umweltforschung Referat 422 Globaler Wandel, Koordi. Umwelt- & Energieforschung

Unterabteilung 0 Städtebau, Forschung Unterabteilung ΠΙ Raumordnung

Unterabteilung WVIV Umweltschutz in der Bundeswehr

RS m 3 Raumordnung Wirtschaft, Umwatpolitik, Abstimmung Referat WV I V I Zentrale Angelegenheiten des Umweltschutzes; Ansprechstelle national/in temati onal—

***Thematisierung von Umwelt und Sicherheit in den Führungsstäben (ihre Refrain ist geplant).

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fragen ausübte. Dieser hat, obwohl 1986 als permanenter Ausschuß eingerichtet, seit längerem nicht mehr getagt. Ein Grund dafür ist das Bemühen des Kanzlers, offene Konflikte im Kabinett zu vermeiden, die zu einer Belastung der Koalition führen könnten. Deshalb müssen Probleme vor Kabinettssitzungen geklärt werden. So wurde etwa vor der Klimakonferenz von Berlin 1996 angesichts eines Dissenses zwischen der Bundesumweltministerin und dem Wirtschaftsminister während einer Kabinettssitzung eine Abstimmung vertagt, um den beiden Ressortchefs Gelegenheit zu geben, die Streitpunkte in den vorgeschalteten interministeriellen Beratungsgremien auszuräumen. Ein Indiz für die Wirksamkeit dieses Verfahrens ist die Tatsache, daß offener Streit über die Umweltaußenpolitik im Kabinett bisher die Ausnahme geblieben ist. Zu den interministeriellen Beratungs- und Koordinierungsgremien zählen der Abteilungsleiterausschuß für Umweltfragen und die unregelmäßig stattfindenden Ressortbesprechungen der Staatssekretäre. Hinzu kommt für den Bereich der EUUmweltpolitik die Ständige Runde der Europa-Staatssekretäre, der ein Arbeitsgremium der mit EU-Fragen befaßten Referatsleiter vorgeschaltet ist. Das Kanzleramt hält überdies engen Kontakt zum Bundestag und insbesondere zum Bundesrat, um die Positionen der Länder, die für die Umsetzung umweltpolitischer Maßnahmen die hauptsächliche Verantwortung tragen, kennenzulernen und berücksichtigen zu können. Wegen seiner zentralen Stellung in den umweltpolitischen Entscheidungsprozessen versuchen vor allem solche gesellschaftlichen Akteure das Bundeskanzleramt als Anlaufstelle zu nutzen, die ihre Interessen nicht beim Umweltministerium aufgehoben sehen, z.B. Wirtschafts- und Landwirtschaftsverbände. Das BMU ist der Ansprechpartner für alle fachlichen und politischen Fragen des Umweltschutzes. Unterstützt wird es durch die Experten zweier nachgeordneter Behörden: des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) und des Umweltbundesamtes (UBA). Die Beamten des BMU sind an der Umweltaußenpolitik Deutschlands im Rahmen der Europäischen Union, in internationalen Organisationen und Verhandlungsforen sowie im Rahmen bilateraler Umweltabkommen 9 beteiligt. Für die Umweltaußenpolitik fachlich zuständig ist im B M U im wesentlichen die Abteilung G, die mit den anderen Abteilungen des Ministeriums auf der Grundlage der Geschäftsordnung zusammenarbeitet. In der Praxis der internen und interministeriellen Abstimmung dominieren anstelle des schwerfälligen, zeitaufwendigen formalen Dienstwegs informelle persönliche Kontakte zwischen den einzelnen Fachreferaten und ihren Mitarbeitern. Referate werden somit zur dominierenden Einheit, in der die technischen und politischen Fachfragen bearbeitet und danach in den politischen Entscheidungsprozeß weitergegeben werden. Häufig, insbesondere wenn Fachberatungen anstehen, formulieren und vertreten Referatsleiter des Umweltministeriums - in fachlicher Abstimmung 9 Hierbei handelt es sich bislang um 15 Ressort- und 12 Regierungsabkommen. Während ein Ressortabkommen die tägliche praktische Zusammenarbeit des B M U mit dem Umweltministerium des jeweiligen Partnerstaates regelt, bindet ein Regierungsabkommen alle Fachressorts in die Umweltschutzpolitik ein und wird damit dem Querschnittscharakter der Umweltpolitik eher gerecht.

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etwa mit Vertretern des Umweltbundesamtes - die deutsche Position bei internationalen Konferenzen. Bei wichtigen politischen Ereignissen sind die Umweltministerin, Staatssekretäre oder die Leiter der Abteilungen und Unterabteilungen zugegen. Formen der informellen Kooperation prägen auch die internationale Arbeitsebene. So geschieht es häufig, daß nationale Delegationsleiter untereinander direkt Kontakt aufnehmen und darauf verzichten, den formalen Weg über das Sekretariat eines Umweltabkommens, dessen Arbeitsgruppe oder die Außenministerien einzuschlagen. Man kennt sich seit langem persönlich durch regelmäßige Treffen und Konferenzen, weiß sich gegenseitig einzuschätzen und kann oft per Telefon schnelle und unbürokratische Lösungen herbeiführen. Diese zunehmende Entformalisierung politischer Abstimmungsprozesse und die Ausdifferenzierung von Organisationseinheiten und Zuständigkeiten sind Folgen der komplexer werdenden Anforderungen an die Umweltaußenpolitik. Bei wachsendem Kooperationsbedarf ist das klassische Delegationsprinzip häufig überfordert. Informelle persönliche Netzwerke arbeiten schneller und effektiver. Sie treten daher im politischen Tagesgeschäft in den Vordergrund. Inwieweit dabei Vertreter der nationalen Bürokratie in der Lage sind, informelle transgouvernementale Beziehungen zu nutzen, um eigene Interessen und Ziele bzw. die ihres Ressorts zu realisieren, wäre bestenfalls durch Fallstudien zu klären. Der Handlungsspielraum wird bei politisch weniger hochrangigen Themen oder bei Fragen der Implementierung sicherlich größer sein als bei zentralen Problemen, in deren Lösung die Abteilungsleiter-, Staatssekretärs- oder gar Ministerebene einbezogen werden muß. Die Befürchtung aber, das administrative Entscheidungssystem würde durch zunehmende Entformalisierung immer weniger kontrollierbar und aus dem Ruder nationaler demokratischer Kontrollmechanismen gleiten, übersieht, daß diese transgouvernementalen Netzwerke in ein System von inter- und innerministeriellen Kontrollmechanismen eingebunden bleiben und Handlungsspielräume durch die vorgegebenen politischen Leitlinien begrenzt sind. Durch die wachsenden Anforderungen, die eine dem Anspruch nach querschnittsorientierte Umweltaußenpolitik an die nationalen Entscheidungsstrukturen stellt, hat sich inzwischen eine Vielzahl formeller und informeller interministerieller Abstimmungsmechanismen herausgebildet. Sie arbeiten vor dem Hintergrund der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) 10 , die sehr allgemein die wechselseitige Konsultation regelt. So muß das BMU nach bestem Wissen und Gewissen andere Fachressorts in umweltpolitische Entscheidungen einbinden, wenn sie von diesen betroffen sein könnten. Dasselbe gilt umgekehrt für andere Ministerien, sobald sie umweltpolitische Fragen bearbeiten. Die interministerielle Abstimmung von Strategien, Gesetzesvorlagen und Verwaltungsvorschriften erfolgt auf Referatsebene, wo eine Vielzahl praktisch institutionalisierter thematischer Ausschüsse auf Unterabteilungsleiter- und Abteilungsleiterebene zur Verfügung steht, sowie auf

10 Abgedruckt in: Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien. Allgemeiner Teil (GGO I). Besonderer Teil (GGO II). Geschäftsordnung der Bundesregierung (GOBReg), Loseblattsammlung, Stuttgart.

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höherer politischer Ebene im Ständigen Abteilungsleiterausschuß für Umweltfragen, dem unter Vorsitz eines Staatssekretärs des BMU Abteilungsleiter aller relevanten Ministerien angehören. Gelegentlich werden Vertreter von Verbänden, Nichtregierungs-Organisationen ( N G O s ) sowie wissenschaftlicher Einrichtungen eingebunden, die auf Einladung eines oder mehrerer Ministerien als fachliche Gutachter angehört werden. Im Abstimmungs- und Entscheidungsprozeß der Umweltpolitik nehmen diese ständigen interministeriellen Arbeitsausschüsse eine sehr wichtige Stellung ein. Daneben gibt es eine große Zahl interministerieller Gremien, die nach Bedarf und auf Zeit eingerichtet werden. Sie dienen, vergleichbar den Enquetekommissionen des Bundestages, der fachlichen Diskussion und Sondierung von Positionen im Vorfeld politischer Entscheidungen. Deshalb ist die Beteiligung von N G O s , Verbänden und Wissenschaft hoch. Solche Einrichtungen sollen nicht zuletzt dokumentieren, daß sich die Politik drängender Umweltprobleme rasch annimmt. Für den umweltpolitischen Entscheidungsprozeß im engeren Sinne haben sie weniger Relevanz. Neben dem B M U sind das Auswärtige Amt, das BMZ, das B M L und das BMWi für die Umweltaußenpolitik von besonderer Bedeutung. Die Abstimmung mit dem B M U ist intensiv. Mitunter vertreten Beamte dieser Ministerien gemeinsam mit Vertretern des Umweltministeriums die Bundesregierung im Rahmen internationaler Konferenzen. Das BMZ erfährt insbesondere durch die Verknüpfung von Umwelt und Entwicklung eine wachsende Bedeutung in der Umweltaußenpolitik. Die Federführung für die Vorbereitung der ersten (Berlin 1996) und der zweiten Konferenz der Mitgliedstaaten der Klimarahmenkonvention (Kyoto 1997) lag daher gemeinsam beim BMZ und beim BMU, teilweise auch beim AA, soweit es um die Einordnung in die Grundlinien deutscher Außenpolitik ging. Darüber hinaus besitzt das BMZ durch die Finanzierung von Umweltschutzprojekten in Entwicklungsländern einen gewissen umweltpolitischen Handlungsspielraum, wobei sich allerdings immer wieder Konflikte mit dem B M U in bezug auf die Vergabekriterien entzünden. 11 Ahnliches gilt für das BMWi und seine Kompetenz in Welthandelsfragen sowie für das BML, das in eine Reihe internationaler Umweltschutzregime und -konferenzen, etwa zum Nordund Ostseeschutz, eingebunden ist, da die weltweite Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung zu wachsenden, auch grenzüberschreitenden Umweltbelastungen führt. In Zeiten leerer öffentlicher Kassen nimmt auch das Bundesministerium der Finanzen (BMF) verstärkt Einfluß auf die Umweltaußenpolitik, indem es durch seine Einspruchsmöglichkeiten bei der Finanzierung internationaler Umweltschutzmaßnahmen den außenpolitischen Handlungsspielraum eingrenzen kann. Das Auswärtige Amt hat dafür Sorge zu tragen, daß die deutschen Positionen im umweltpolitischen Verhandlungs- und Entscheidungsprozeß mit den aktuellen und langfristigen Zielen der deutschen Außenpolitik abgestimmt werden. Obgleich es im Hinblick auf fachliche Aspekte der Umweltaußenpolitik keine originäre Kompetenz 11 So können B M U und B M Z in den Empfängerländern z.B. unterschiedliche Kooperationspartner favorisieren, die ihrerseits unterschiedliche Interessen vertreten. Zielkonflikte zwischen Umweltschutzprojekten und Entwicklungsprojekten werden aber zunehmend thematisiert und bearbeitet. Jedoch ist das Spannungsverhältnis von Umwelt und Entwicklung weder konzeptionell noch praktisch aufgelöst.

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besitzt, ist das AA eine vielgenutzte Anlaufstelle für umweltpolitische Anfragen und Anforderungen, die von außen an Deutschland herangetragen werden und an andere Ministerien weitergeleitet werden müssen. Außerdem hilft das Auswärtige Amt aktiv bei der Beschaffung von Umweltinformationen aus anderen Ländern. Hier spielen die ca. 230 Auslandsvertretungen eine zentrale Rolle, deren wissenschaftliche Referenten vom AA besetzt werden, wobei aber auch auf Experten anderer Ministerien zurückgegriffen wird. Traditionell werden die Umweltthemen durch die Wissenschaftsreferenten bearbeitet, die größtenteils aus dem BMBF stammen. Zwar funktioniert das halbwegs zufriedenstellend, aber das Umweltministerium möchte erreichen, daß angesichts der wachsenden Bedeutung der Umweltaußenpolitik zumindest in den wichtigsten Auslandsvertretungen in Paris, London, Washington und Moskau ein Umweltreferent des BMU eingesetzt wird. Ansätze für eine eigenständige Umweltaußenpolitik des Auswärtigen Amtes existieren in Form der Bemühungen um eine Förderung der Exportchancen der deutschen Umweltschutzindustrie insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern. Dazu werden Arbeitskreise mit kompetenten und interessierten Vertretern aus Ministerien, Verbänden und der Wissenschaft eingerichtet. Die Gesamtsicht auf das ministerielle Institutionengeflecht zeigt, daß das BMU als jüngstes Ressort trotz seiner Fachkompetenz im Zusammenspiel und in Konkurrenz mit den verschiedenen anderen Ministerien in der Umweltaußenpolitik keine dominierende Position einzunehmen vermag. Um dies auszugleichen versucht es, die Einflußwege der inversen Umweltaußenpolitik zu beschreiten, indem es, zumeist auf der Grundlage persönlicher Beziehungen, im Vorfeld der innerstaatlichen Ressortabstimmungen informelle Absprachen und politische Koalitionen mit Umweltministerien anderer Staaten sucht. Auf diese Weise sollen umweltpolitische Themen von außen an die Bundesregierung herangetragen werden und somit - verkörpern sie doch die Position anderer Staaten - ein höheres Gewicht erlangen. Diese partielle Ablösung der Politikgestaltung von nationalen Entscheidungsprozessen, die Ansätze einer Internationalisierung nationaler Ressortinteressen beinhaltet, ist eine Taktik, der sich auch andere Ressorts zu bedienen versuchen. Daß ihnen das oft nicht so gut gelingt wie dem BMU, liegt auch in der Sache begründet: So scheitern beispielsweise transgouvernementale Abstimmungsversuche des BMWi eher, da sich jedes Wirtschaftsministerium als Förderer nationaler ökonomischer Interessen versteht, während sich viele Akteure im Umweltschutz einer globalen Bewegung zugehörig fühlen. Trotz solcher und anderer Tricks - man kann etwa andere Ressorts erst so spät konsultieren, daß ihnen nur wenig Zeit zur Einflußnahme bleibt - sind die inneradministrativen Entscheidungsprozesse in der Umweltaußenpolitik, gemessen an den auf den ersten Blick insbesondere zwischen BMU und BMWi zu vermutenden Differenzen, erstaunlich gut eingefahren und relativ reibungsarm. Ein Grund dafür liegt darin, daß die Ministerien im täglichen Umgang miteinander gelernt haben, ihre Spielräume und Grenzen im interministeriellen Wettbewerb einzuschätzen, und Versuche, die eigene Position deutlich auf Kosten anderer auszuweiten, leicht zu

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Konflikten eskalieren können, die - außer vielleicht im Wahlkampf - politisch eher unerwünscht sind. Obwohl der Bundestag internationale Verträge ratifizieren muß, ist sein Einfluß auf deren Erarbeitung bescheiden. Sein wichtigstes Gremium in Fragen der Umweltaußenpolitik ist der Umweltausschuß, dessen Mitglieder vor allem zum B M U intensive Kontakte suchen. Potentiell könnten vom Ausschuß Impulse für die Politik der Bundesregierung ausgehen. Da aber die unterschiedlichen Interessen der Fraktionen überwiegen, gilt der Umweltausschuß im Hinblick auf die Politikformulierung als schwaches Instrument. Die Oppositionsparteien versuchen mitunter, gemeinsam mit ihren europäischen Schwesterparteien - auch unter Einbeziehung der diesen angehörenden Umweltminister - im Rahmen der Europäischen Union Initiativen zu starten, die dann als inverse Umweltaußenpolitik auf die Bundesregierung einwirken sollen. Die Bundesländer sind vor allem aus zwei Gründen für die Umweltaußenpolitik relevant. Zum einen müssen sie im Bundesrat internationalen Verträgen und Vereinbarungen sowie den diese umsetzenden Gesetzesvorlagen zustimmen. Zum anderen besitzen die Länder auch selbst die Möglichkeit, umweltaußenpolitisch tätig zu werden, etwa indem sie versuchen, über Länderarbeitsgemeinschaften (LA) auf die Ausgestaltung internationaler Umweltregime Einfluß auszuüben. 12 Der Bund bemüht sich daher, die Abstimmung mit den Ländern frühzeitig zu gewährleisten und dort, wo die Ausführung vom Bund getroffener multilateraler Vereinbarungen den Ländern obliegen würde, bereits in den internationalen Verhandlungen auf deren politische Ziele und finanzielle Kapazitäten Rücksicht zu nehmen. An Sitzungen der Länderarbeitsgemeinschaften nehmen auch Vertreter des B M U und anderer Ressorts teil; zudem gibt es eine Vielzahl von Bund-Länder-Kommissionen und -Konferenzen. 13 Diese Kooperation ist jedoch aus Sicht der Länder nicht zufriedenstellend. So klagt etwa der Bundesrat, daß die Zusammenarbeit mit der Regierung insbesondere in europäischen Fragen zu schwerfällig sei; Gesetzesvorlagen würden zwar gerade noch fristgerecht in den Bundesrat eingereicht, doch die Zeit für eine umfassende Bearbeitung sei dann oft zu knapp. Die Länder sind daher bestrebt, in der Zukunft auf der europäischen Ebene mehr Einfluß direkt auszuüben, zumal eine immer größere Zahl von Deutschland betreffenden umweltpolitischen Entscheidungen dort getroffen wird.

D I E E B E N E DER EUROPÄISCHEN U N I O N

Seit die Europäische Gemeinschaft/ Europäische Union mit der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) und dem Vertrag von Maastricht eine stärkere umweltpolitische 12 Beispielsweise arbeitet die LA der Elbeanrainer in der Internationalen Kommission zum Schutz der Elbe und in dem Schutzregime zur Nordsee bzw. zum Nordostatlantik mit. 13 Vgl. Helmut Weidner, 25 Years of Modern Environmental Policy in Germany. Treading a Well-Wo rn Path to the Top of the International Field (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, FS II 95-301), Berlin 1995, S. 40-42.

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Kompetenz zugewiesen bekommen hat, die partiell auch eine gemeinsame europäische Umweltaußenpolitik beinhaltet, spielen die E U und ihre Institutionen, insbesondere der Rat und die Kommission, für Deutschland als Felder sowohl inverser als auch offensiver Politik eine immer wichtigere Rolle (vgl. Abbildung 2). 14 Die Kommission, Verkörperung das supranationalen Elements, verfügt über das alleinige Initiativrecht, um EU-weit geltende Regelungen einzuleiten und vorzulegen. Sie umfaßt 26 ministeriumsähnliche Generaldirektionen (DG), die durchaus unterschiedliche Ziele verfolgen und somit dem Querschnittscharakter effektiver Umweltpolitik nur ansatzweise Rechnung tragen. Die D G X I (Umwelt, nukleare Sicherheit und Zivilschutz) gliedert sich in fünf Direktionen sowie zwei kleinere Gruppen. Sie verfügt lediglich über 200 Beamte, die durch die Europäische Umweltagentur unterstützt werden. Trotz ihrer institutionellen Schwäche bemüht sie sich, auf Pläne anderer DGs Einfluß zu nehmen, wenn deren künftige Umsetzung unerwünschte Umweltauswirkungen befürchten läßt. Auch versucht sie, die Federführung bei der Vorbereitung von Kommissionsvorlagen zu erlangen, um inhaltliche Schwerpunkte setzen zu können. 15 Um die Kräfte zu bündeln, die strategische Orientierung der EU-Politik mit Blick auf internationale Umweltkonferenzen und -regime zu fördern, die D G X I zu stärken und potentielle Widerstände in den Staaten besser abschätzen zu können, wurde die Environmental Policy Review Group aus hohen Beamten der nationalen Umweltministerien und der D G X I eingerichtet. Nicht nur Deutschland und die anderen EU-Staaten versuchen, über ihre Ständigen Vertretungen, über die Ratsorganisation und im direkten Kontakt auf die Kommission einzuwirken. Auch eine Vielzahl von Vertretern gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Verbände ist bestrebt, deren Initiativmonopol für die Durchsetzung der eigenen Interessen zu nutzen. Ihr wichtigstes Einfallstor ist das Geflecht der ca. 1200 Ausschüsse und Beratungsgremien der Kommission, in denen bei der Ausarbeitung von Kommissionsvorlagen auf das fachliche Wissen der Spezialisten aus den verbandlichen Einflußnetzwerken zurückgegriffen wird. Es ist offen, ob sich mit dem seit 1994 arbeitenden Konsultativforum zur Beratung der Kommission, in dem wichtige gesellschaftliche Gruppen vertreten sind,16 eine bislang fehlende, vorwärtstreibende europäische Öffentlichkeit für Umweltschutz herausbilden kann. 17 Die Entscheidungsprozesse der Kommission werden nicht nur von den besonders 14 Die EU-Umweltpolitik ist von der konkurrierenden Gemeinschaftskompetenz gekennzeichnet: Mitgliedstaaten können nur insoweit tätig werden, wie die EU ihre Kompetenz nicht wahrnimmt. 15 Zudem legt die Zuordnung der Federführung zu einer DG zwar noch nicht definitiv fest, welcher Ministerrat über die Vorlage letztlich entscheiden wird, doch ist sie hierfür ein wichtiges Indiz. Federführung der DG XI kann somit mit einiger Wahrscheinlichkeit bedeuten, daß der Umweltministerrat letztendlich über die Vorlage entscheiden wird, und von diesem ist wiederum zu erwarten, daß er eher umweltpolitische Prioritäten setzen wird, als andere Ministerräte, etwa der für Außenwirtschaftsfragen zuständige Rat, dies tun würden. 16 Vgl. European Commission, DG XI (Directorate General for the Environment, Nuclear Safety and Civil Protection), Taking European Environment Policy into the 21st Century, Brüssel 1996, S. 13. 17 Vgl. R. Andreas Kraemer, Dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung. Das Fünfte Umweltaktionsprogramm der EG, in: Karin ÄoiÄ/Reinhard Sander (Hrsg.), Ökologische Reform in Europa. Globale Probleme und neue Kooperationen, Köln 1992, S. 102-113.

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asymmetrisch strukturierten Verbandsinteressen, sondern auch von den Regierungsund Verwaltungsapparaten der EU-Staaten durch ständige Kontakte stark beeinflußt. Der politisch gewichtige Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs, an dessen Sitzungen neuerdings die Kommissionsspitze teilnimmt, hat den Integrationsprozeß immer wieder themen- und prioritätensetzend vorangetrieben und Leitlinien auch für die Umweltpolitik formuliert. Seine Beschlüsse bleiben aber oft sehr allgemein und ohne konkrete Umsetzungsperspektive. Die schwierigen Aushandlungsprozesse obliegen dann den EU-Gremien. Der Ministerrat, das eigentliche Entscheidungsorgan der EU, verkörpert das intergouvernementale Element. Er bestimmt auch die Umweltpolitik der Europäischen Union auf internationaler Ebene. Der Rat ist im rechtlichen Sinne ein einheitliches Organ, operiert aber in Arbeitsteilung. Heute gibt es verschiedene entscheidungsbefugte Fachministerräte, darunter den viermal pro Jahr tagenden Rat der Umweltminister aller Mitgliedstaaten. Die deutsche Politik in der Europäischen Union, speziell im Rat, wird interministeriell auf hoher Ebene von den Europa-Staatssekretären abgestimmt. 18 Die Ratstagungen werden von einem der beiden Ausschüsse der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten bei der E U (AStV) vorbereitet. 19 Sie sind mit nationalen Beamten besetzt und arbeiten unter Ausschluß der Öffentlichkeit, verfügen jedoch über keine eigene Entscheidungskompetenz. Ihnen unterstehen ca. 100 Arbeitsausschüsse und -gruppen des Ministerrates, darunter die beratende Arbeitsgruppe Umwelt, die sich aus Vertretern der Kommission, der Staaten und der Regionen zusammensetzt. Im AStV werden Kommissionsvorschläge auf ihre Vereinbarkeit mit den Zielen der Staaten geprüft und tragfähige Konsense für Beschlußvorlagen an den Rat gesucht. Gelingt das, wird die Vorlage dort nur noch verabschiedet (sogenannte A-Punkte). Bleibt der Konsens aus, müssen strittige Vorlagen (B-Punkte) im Rat diskutiert bzw. im Rat der Umweltminister in der Regel durch qualifizierte Mehrheit entschieden werden. Mehrheitsbeschlüsse sind aber selten und werden nur dann getroffen, wenn Mitgliedstaaten unwillig oder unfähig zum Kompromiß sind. Der Ausschuß der Ständigen Vertreter ist das Querschnittsgremium der Europäischen Union. Hier laufen alle Informationen über umweltpolitisch relevante Entwicklungen und Aktivitäten aus den verschiedenen Räten zusammen. Zugleich ist er Schnittstelle zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten, deren Präferenzen und Spielräume seinen Mitgliedern sehr genau bekannt sind; nicht ohne Grund gelten diese als die bestinformierten Personen innerhalb des institutionellen Gefüges der EU. Uber den AStV versuchen die Regierungen aller Mitgliedstaaten, die Vorschläge der Kommission im Hinblick auf deren spätere Umsetzung so zu beeinflussen, daß die jeweiligen nationalen Rechts- und Verwaltungstraditionen möglichst weitgehend in 18 Vor der Festlegung der deutschen Position im Rat bringen Beauftragte des Bundesrates nochmals in den Weisungssitzungen mit Vertretern des Bundes die Länderposition zum Ausdruck. 19 Es gibt den für hochrangige politische Fragen zuständigen AStV (II), der mit den ständigen Botschaftern der Staaten bei der E U besetzt ist, sowie den Fach-AStV (I), in dem der stellvertretende Botschafter und Fachbeamte der Staaten vertreten sind.

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der EU-Gesetzgebung berücksichtigt werden. In der Folge werden EU-Regelungen oft komplex, undurchsichtig und überdimensioniert. Dem Anspruch nach vertritt die Europäische Union auf internationaler Ebene eine abgestimmte gemeinschaftliche Umweltaußenpolitik, die im Rahmen der Entscheidungsstrukturen des Rates festgelegt wird. In der Praxis treten jedoch immer wieder Fragen und Unklarheiten auf: In welchen Abkommen etwa wird die E U selbst - neben den Staaten - Mitglied? Wann spricht auf der internationalen Bühne die Kommission, wann die Ratspräsidentschaft für die Gemeinschaft - d.h. wann liegt die Kompetenz in einem Politikfeld (noch) bei den Staaten, wann bei der Europäischen Union? Die Kommission muß den Rat um ein inhaltliches bzw. formales Mandat ersuchen, über das dieser vor dem Hintergrund des EU-Rechtes entscheidet. Zwar verfügt die Gemeinschaft auf dem Gebiet der Umweltpolitik in jenem Umfang über die Außenkompetenz, in dem sie gemeinschaftsintern umweltpolitische Regelungen treffen kann. 20 Aber was diese »gemischte Zuständigkeit« konkret bedeutet, kann zwischen der Kommission, die in der europäischen Umweltpolitik immer stärker wird, und den Staaten (Ministerrat) strittig sein. Der Zeitaufwand für diese Abstimmung ist erheblich, denn die Positionen divergieren nicht nur zwischen Kommission und Rat, sondern in einigen Politikfeldern auch zwischen einzelnen Mitgliedstaaten. Aber auch bezüglich der Inhalte der EU-Politik, die im Sinne einer »gemeinschaftstreuen Politik« selbst dann zwischen den Staaten im Rat abgestimmt wird, wenn die Kompetenzen der Gemeinschaft gering und damit die Politik intergouvernemental bleibt, 21 gibt es erhebliche Divergenzen - etwa in der Klimapolitik. Folglich ist ein EU-Standpunkt nicht selten lediglich ein Formelkompromiß, der einer Klärung zwischen den Staaten noch harrt. Das Europäische Parlament (EP) ist zwar kein »Hort gemeinschaftlicher Umweltschützer«, da auch hier partikulare Interessen repräsentiert sind. Trotzdem gilt das EP - verglichen mit Kommission und Rat - als diejenige europäische Institution, die ihre begrenzten Möglichkeiten am engagiertesten für eine effektive Umweltpolitik zu nutzen versucht. 22 Zuständig für die Umweltpolitik ist im EP der Ausschuß für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherschutz. Parlament und Kommission tauschen sich in umweltpolitischen Fragen intensiv aus. Zum Rat und zum AStV bestehen dagegen weniger Kontakte. Die Einbindung der Abgeordneten in die jeweiligen nationalen politischen Systeme ist sehr eng, und auch deutsche Parlamentarier versuchen auf diesem Wege, die Position der Bundesregierung im Rat zu beeinflussen. Die förmliche Beteiligung des EP an den Entscheidungsprozessen der E U im engeren Bereich der Umweltpolitik wird nach Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam in

20 Vgl. Joachim Hemel, Die Umweltpolitik der Europäischen Union im Wandel, Sinzheim 1996. 21 In diesem Fall spielt der nationale Politikapparat der jeweiligen EU-Ratspräsidentschaft bei der Aushandlung bzw. Festlegung der Politik eine wichtige Rolle. 22 Vgl. Olaf Hillenbrand, Europa Öko-logisch? Wirkungs- und Störfaktoren der europäischen Umweltpolitik, Bonn 1994, S. 138f.

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der Regel nach dem Verfahren der Mitentscheidung erfolgen, das dem Parlament weitgehende Einflußmöglichkeiten gibt. 23 Die Relevanz des Wirtschafts- und Sozialausschusses für die Umweltpolitik ist marginal, die des neuen Ausschusses der Regionen mit seiner beratenden und vermittelnden Funktion noch schwer abzuschätzen. Gleiches gilt für die informellen Einwirkungsmöglichkeiten der Bundesländer durch ihre EU-Vertretungen, denen es immerhin gelungen ist, zumindest gegenüber der Kommission das Kontaktmonopol des Bundes aufzuweichen, 24 so daß sie früher über umweltpolitische Vorhaben informiert werden. Von einer »Nebenaußenpolitik« ist aber kaum etwas zu spüren. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird an umweltpolitischem Gewicht gewinnen, falls er künftig häufiger von der Kommission bei Vertragsverletzungsverfahren gegen Staaten angerufen wird. Faßt man den umweltpolitischen Entscheidungsprozeß der Europäischen Union zusammen, so zeigt sich erstens, daß die vielfältigen Einwirkungen der Mitgliedstaaten einen problematischen inhaltlichen und zeitlichen Blockadeeffekt auslösen können. Zweitens ist der Spielraum für Kommission und Parlament dann recht gering, wenn sich die Mitgliedstaaten einig sind. Besteht aber unter ihnen Dissens, und das ist in der Umweltpolitik angesichts divergierender Interessen aufgrund unterschiedlicher ökologischer Problemlagen und naturräumlicher Ausstattung häufig der Fall, dann können Kommission und Parlament sich gemeinsam gegen den zerstrittenen Rat durchsetzen. In solchen Fällen kann es der Kommission gelingen, durch geschicktes Taktieren einen allseits konsensfähigen Vorschlag zu präsentieren, der viele ihrer eigenen Vorstellungen enthält. Die diskreten Abstimmungsprozesse zwischen Kommission, Rat (bzw. AStV) und Parlament führen freilich zu einem Mangel an Transparenz in der gemeinschaftlichen Entscheidungsfindung. 25

REFORMBEDARF IN DER UMWELTAUSSENPOLITIK?

Die Anforderungen an die Formulierung der Umweltaußenpolitik sind zweifellos gewachsen. Der horizontale (interministerielle) und vertikale Abstimmungsbedarf (Bund, Länder, E U , gesellschaftliche Akteure) ist sehr hoch; die Beziehungen zwischen den Akteuren sind kompliziert und oft auch für Beteiligte undurchsichtig; die Informations- und Entscheidungsprozesse sind infolgedessen zeitaufwendig, mancherlei Blockaden ausgesetzt und oft nur schwer nachvollziehbar - auch weil sich vieles von Gewicht im Informellen abspielt. Sicherlich sind die Ergebnisse dieser Politik seit einiger Zeit eher bescheiden. Aber dies kann angesichts veränderter politisch-wirtschaftlicher Herausforderungen 23 Der Vertrag ist in Ausrügen abgedruckt in: Internationale Politik, 11/1997, S. 99-127. 24 Vgl. Detlef Fechtner, Die deutschen Länder in der Europäischen Union. Perspektiven im transatlantischen Vergleich, Frankfurt a.M. usw. 1996, S. 135. 25 Vgl. Astrid Epiney/Andreas Furrer, Umweltschutz nach Maastricht - Ein Europa der drei Geschwindigkeiten?, in: Europarecht, Nr. 4, 1992, S. 369-408.

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und Prioritäten kaum überraschen. Veränderungen der institutionellen Konfiguration allein dürften keine neuen politischen Impulse auslösen. D e n n innerhalb der Administration und bis hinein in die Beratungsgremien artikulieren sich oftmals divergierende Interessen und Ziele politischer und gesellschaftlicher Akteure, die sich durch keine institutionelle R e f o r m übergehen oder hinwegreformieren ließen. Heute rücken Umweltschutzziele und die mit ihnen verbundenen Interessen zweifellos stärker in den Hintergrund, doch dies ist nicht das Resultat einer abgefeimten Strategie, die sich institutionelle H e m m n i s s e und Tricks zu eigen macht, sondern Ausdruck von Willensbildungsprozessen, gesellschaftlich-politischen Interessen, Kräfteverteilungen und Prioritäten. E s wäre verfehlt zu glauben, daß dabei die Umweltinteressen immer besonders schlecht wegkämen. A u c h der Umweltschutz kann sich das institutionelle Dickicht zunutze machen, u m seine Ziele voranzubringen und das Vorwärtskommen anderer Akteure zu behindern. D a ß bei gleichbleibenden institutionellen Gegebenheiten die Politik unterschiedliche Wege einschlagen kann, zeigte sich A n f a n g der neunziger Jahre, als der Klimaschutz und die U N C E D - T h e m e n prioritäre, politisch hochrangige Themen waren. D e n n o c h müssen natürlich auch Institutionen immer wieder neuen Herausforderungen angepaßt und reformiert werden. D a s gilt für die Europäische Union, deren Umweltpolitik in erheblichem Maße undurchsichtig, bruchstückhaft und schwerfällig ist. U n d auch in Deutschland sind die Entscheidungsprozesse oft schwer durchschaubar und komplex, und es dauert nicht selten zu lange, bis wichtige Akteure - etwa die Länder - über anstehende Entscheidungen informiert werden, so daß ihnen nur wenig Zeit bleibt, ihre Interessen abzustimmen und einzubringen, gelegentlich mit der Folge von Blockaden bei der späteren U m s e t z u n g . D i e Vielzahl von Arbeitskreisen, A u s schüssen und anderen Gremien innerhalb der Administration sowie - in beratender und konsensbildender Funktion - zwischen ihr und den gesellschaftlichen Akteuren kann sachlich nützlich sein und das schon seit langem beklagte Demokratiedefizit in der modernen Außenpolitik im allgemeinen und in der Umweltaußenpolitik im besonderen reduzieren. Gleichzeitig ist sie jedoch auch ein S y m p t o m für die vielfältigen, aber bislang wenig geglückten Bemühungen, die Blockaden der Politik aufzuweichen. Ein grundsätzlicher institutioneller Reformbedarf ist gleichwohl nicht zu erkennen. Zwar könnte eine Einbeziehung des B M U in den Bundessicherheitsrat, Tribut an die sicherheitspolitischen Implikationen von Umweltveränderungen, ebenso sinnvoll sein wie die Entsendung von Umweltreferenten in die wichtigsten Auslandsvertretungen der Bundesrepublik, d o c h insgesamt betrachtet haben sich die Akteure der U m w e l t außenpolitik recht gut in den gegebenen Strukturen eingerichtet. M a n kennt sich, man k o m m t im täglichen Geschäft miteinander zurecht. U n d auch diejenigen, die sich »gute« alte Zeiten der Umweltaußenpolitik zurückwünschen, wissen, daß solche » R e f ö r m c h e n « kein Substitut für politische Prioritätensetzung und Entschlußkraft sein können - und diese Prioritäten weisen heute nicht in Richtung auf mehr U m weltschutz, sondern deuten eher auf einen hektischen Stillstand auch in der deutschen Umweltaußenpolitik hin.

DIE ROLLE DES BUNDESTAGES IN DER AUSSENPOLITIK Joachim Krause Dem traditionellen Verständnis zufolge gehört Außenpolitik primär zum Kompetenzbereich der Regierung. 1 Seit den siebziger Jahren ist jedoch immer deutlicher geworden, daß die Realität deutscher Außenpolitik mit diesem Konzept nicht mehr übereinstimmt. Diese Entwicklung läßt sich zum einen auf den Strukturwandel der Außenpolitik, zum anderen auf einen allgemeinen politischen - innenpolitischen wie internationalen - Wandel zurückführen. Der Strukturwandel der Außenpolitik beinhaltet die folgenden Elemente: (i) Außenpolitik ist umfangreicher geworden und umfaßt heute auch Materien, die früher rein innenpolitischer Natur waren, (ii) Damit einhergehend ist die Komplexität außenpolitischer Probleme gestiegen, (iii) Die Zahl der für Außenpolitik relevanten Akteure hat zugenommen, (iv) Außenpolitische Entscheidungen fallen immer weniger im rein nationalen Kontext. 2 Der allgemeine politische Wandel läßt sich beispielsweise (i) an der veränderten internationalen Rolle Deutschlands nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, (ii) an der verstärkten Multilateralisierung, insbesondere Europäisierung der deutschen Außenpolitik infolge des Vertrags von Maastricht und (iii) an Veränderungen der Bonner Regierungspraxis festmachen. Die außenpolitischen Aktivitäten des Bundestages haben kontinuierlich zugenommen. Das Parlament behandelt sowohl eine Vielzahl von Themen der Außen-, Europa-, Sicherheits-, Entwicklungs- und Außenhandelspolitik als auch immer mehr einstmals rein innenpolitische Fragen, die heute nur noch in ihren vielfältigen internationalen Bezügen angemessen zu erfassen sind. Die deutschen Abgeordneten sind zudem ausgesprochen reisefreudig. Viele sind außenpolitisch aktiv im Rahmen interparlamentarischer Versammlungen, in speziellen Parlamentariergruppen und als Experten, etwa für internationale Menschenrechtsfragen, Abrüstungs- oder Entwicklungspolitik. Der Bundestag hat auch eine Reihe von außenpolitischen Entschließungen verabschiedet, wobei mitunter Koalitionen jenseits der Fraktionsdisziplin entstanden sind. Die gesteigerten außenpolitischen Aktivitäten finden außerhalb des Parlaments allerdings ein geteiltes Echo. Während auf der einen Seite Vertreter der traditionellen

1 Vgl. Hans W. Baade, Das Verhältnis von Parlament und Regierung im Bereich der auswärtigen Gewalt der Bundesrepublik Deutschland. Studien über den Einfluß der auswärtigen Beziehungen auf die innerstaatliche Verfassungsentwicklung, Hamburg 1962. Für eine frühzeitige Kritik der traditionellen Position vgl. Werner Link, Die außenpolitische Rolle des Parlaments und das Konzept der kombinierten auswärtigen Gewalt, in: Probleme der Demokratie heute. Tagung der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft in Berlin, Herbst 1969 (Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft 2/1970), Opladen 1971, S. 359-387. 2 Vgl. Wolf-Dieter /uarZ/Joachim Krause, Außenpolitischer Strukturwandel und parlamentarischer Entscheidungsprozeß, in: Helga Haftendom et al. (Hrsg.), Verwaltete Außenpolitik. Sicherheits- und entspannungspolitische Entscheidungsprozesse in Bonn, Köln 1978, S. 55-82, hier S. 57; Helga Haftendom, Verflechtung und Interdependenz als Strukturbedingungen westdeutscher Außenpolitik, in: ebd., S. 15-38.

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POLITISCHES SYSTEM, GESELLSCHAFT UND AUSSENPOLITIK

Sichtweise argumentieren, daß sie - insbesondere bei populistisch instrumentalisierbaren Fragen - eher schaden, weil sie die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung beeinträchtigen, 3 sehen andere darin einen legitimen, aber unzureichenden Versuch, die parlamentarische Kontrolle in Bereichen zurückzugewinnen, die durch die zunehmende Internationalisierung politischer Materien der nationalen Entscheidungskompetenz entglitten sind. In der Tat sind mit dieser Thematik grundlegende Probleme verbunden. D a b e i geht es im wesentlichen u m die Frage, wie das Parlament seiner p o litischen Gesamtverantwortung im R a h m e n des parlamentarischen Regierungssystems in einer Zeit noch gerecht werden kann, in der der Unterschied zwischen Außen- und Innenpolitik verwischt und politische Entscheidungen immer öfter in formellen und informellen internationalen Handlungsbezügen fallen, vor allem im supranationalen System der Europäischen U n i o n ( E U ) .

D I E F U N K T I O N E N DES BUNDESTAGES IN DER AUSSENPOLITIK

D i e Funktionen des Bundestages im politischen System Deutschlands sind vielfältig. 4 E r trägt dem Wähler gegenüber die politische Gesamtverantwortung, w o m i t die Wahl und Unterstützung einer arbeitsfähigen Regierung sowie deren Kontrolle im Vordergrund stehen. Bei der Gewährleistung einer regierungsfähigen Mehrheit handelt es sich u m eine Kernfunktion des Parlaments und u m eine zentrale Voraussetzung für die außenpolitische Handlungsfähigkeit des Staates. Minderheitsregierungen sind in der internationalen Politik meist schwach. O b w o h l der Bundestag rechtlich gesehen dazu befähigt ist, übt er die Kontrollfunktion gegenüber der Regierung nicht als Gesamtorgan aus. Vielmehr besteht aufgrund der engen Verzahnung zwischen Regierung und Mehrheitsfraktionen ein unterschiedliches Interesse bei den Fraktionen. Während die Oppositionsfraktionen hauptsächlich daran interessiert sind, ausreichende Informationen über politische Sachverhalte zu erhalten, u m in der öffentlichen Auseinandersetzung mit der Regierung gleichziehen und somit die Chancen auf einen Regierungswechsel bei der nächsten Wahl verbessern zu können, besteht ein Kontrollinteresse der Mehrheitsfraktionen höchstens darin, die U m s e t z u n g des Regierungsprogramms oder einer Koalitionsvereinbarung durch die Regierung zu überwachen. Daneben gibt es auch »mitwirkende Kontrolle«, d.h. die Mitwirkung aller Fraktionen an Gesetzgebung und Politikentwicklung. Im Zentrum der Arbeit des Bundestages steht seine Debatten- und Offentlichkeitsfunktion. D a s Parlament sollte der zentrale O r t sein, an dem die wichtigen politischen Fragen offen diskutiert werden.

3 Vgl. hierzu den Beitrag von Lothar Rühl in diesem Band. 4 Vgl. Uwe Thaysen, Parlamentarisches Regierangssystem in der Bundesrepublik Deutschland. Daten, Fakten, Urteile im Grundriß, Opladen 1976; Klaus von Beyme, Das politische System der Bundesrepublik Deutschland, überarbeitete Neuauflage, München 1996, S. 248-264.

BUNDESTAG

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Aus der politischen Gesamtverantwortung des Bundestages folgt auch die Zuerkennung einer allgemeinen Entscheidungsfunktion. Seit Bestehen der Bundesrepublik hat es sich mehr und mehr eingebürgert, grundlegende politische Weichenstellungen auch dann, wenn sie nicht Gegenstand eines Gesetzgebungs- oder Ratifikationsverfahrens sind - nicht nur offen und kontrovers im Parlament zu debattieren, sondern dort auch sichtbar und verbindlich zu entscheiden. Dies gilt für innen- und außenpolitische Fragen gleichermaßen. In der Logik des herrschenden Verfassungsverständnisses, wonach Bundestagsmehrheit und Regierung zusammen die Verantwortung für die politischen Richtungsentscheidungen während einer Legislaturperiode tragen,5 ist es unerheblich, ob Entscheidungen formal vom Bundestag oder von der Regierung getroffen werden. Dieser Argumentation ist im Prinzip beizupflichten, nur darf dabei nicht der Aspekt der Akzeptanz vergessen werden, der bei kontroversen Themen besonders wichtig ist. Bei allen umstrittenen außenpolitischen Grundsatzfragen in der Geschichte der Bundesrepublik war es vorteilhaft, die Entscheidung nach erfolgter Debatte in einem sichtbaren Beschluß des Parlaments nach dem Mehrheitsprinzip zu treffen. Auf diese Weise konnte verhindert werden, daß die tiefen Gräben in der Bevölkerung und in der politischen Elite fortdauerten. Im Gegensatz etwa zum britischen Unterhaus ist der Deutsche Bundestag nicht nur ein Ort der Debatte, d.h. ein Redeparlament, sondern auch ein Arbeitsparlament. Der Bundestag entspricht zwar nicht dem klassischen Typus des Arbeitsparlaments das ist der amerikanische Kongreß - , doch hat er ein differenziertes System von Ausschüssen, Unterausschüssen und Fraktionsarbeitskreisen. Diese Gremien spielen in seiner Arbeit eine größere Rolle als im britischen, aber eine ungleich geringere als im amerikanischen System. Die damit verbundene Mitwirkung ist nicht nur bei der Gesetzgebung zu beobachten, sondern auch bei der Beschäftigung mit anderen Regierungsaufgaben. Dies findet seine Rechtfertigung darin, daß der Bundestag seiner Verantwortung nur dann gerecht werden kann, wenn die Abgeordneten aller Fraktionen die Möglichkeit haben, sich ausführlich mit den politischen Materien zu beschäftigen. Die Kehrseite ist allerdings die Gefahr der Verzettelung in Detailfragen mit geringer politischer Relevanz. Diese Mitwirkung bedeutet in der Regel nicht, daß der Bundestag die substantielle Gesetzgebungsarbeit im Sinne des Verfassens eines Gesetzentwurfs unter Einbeziehung interessierter Gruppen vornimmt. Diese Arbeit findet weitgehend innerhalb der Regierung statt. Während der Lesung von Gesetzentwürfen im Parlament kommt es meist nur zu kleineren materiellen Abänderungen - es sei denn, die Oppositionsparteien bilden die Mehrheit im Bundesrat und üben bei Zustimmungsgesetzen den entsprechenden Druck bereits im Bundestag aus. Ein beträchtlicher Teil der Gesetze -

5 Vgl. Ernst Friesenhahn, Parlament und Regierung im modernen Staat, in: Theo Stammen Strukturwandel der modernen Regierung, Darmstadt 1967, S. 109-185.

(Hrsg.),

140

P O L I T I S C H E S SYSTEM, G E S E L L S C H A F T U N D A U S S E N P O L I T I K

früher ca. 60 Prozent, heute deutlich weniger 6 - wird sogar im Konsens verabschiedet, wobei es sich meist um politisch unkontroverse Fragen handelt. Für die Außenpolitik ist überdies zu bedenken, daß es bei der Ratifizierung internationaler Verträge keine materiellen Anderungsmöglichkeiten gibt. Im Prozeß der Mitwirkung an gesetzgeberischer oder anderer Tätigkeit der Regierung erfüllt das Parlament durch die Anbindung der Abgeordneten an ihre Wahlkreise und durch andere Aktivitäten auch eine Vermittlungsfunktion zwischen dem Geschehen in der Hauptstadt und der Wählerschaft. Diese Vermittlung kann dazu beitragen, daß Aspekte und Informationen in den politischen Entscheidungsprozeß Eingang finden, die sonst vernachlässigt würden, und sie kann zu einer Erhöhung der demokratischen Akzeptanz führen.

D I E AUSSENPOLITISCHE PRAXIS DES BUNDESTAGES

Debatten Politische Debatten sind wichtig für eine funktionierende und lebendige Demokratie. Sie sind ein zentraler Teil jenes politischen Prozesses, in dessen Verlauf Grundsatzentscheidungen in der repräsentativen Demokratie gefällt werden. Idealerweise sollten dabei Konzeptionen und Alternativen zwischen Regierung und Opposition aufgezeigt und Rückkopplungen zwischen dem parlamentarischen Handeln und der öffentlichen Meinung hergestellt werden. Debatten finden zumeist statt in der Auseinandersetzung über Gesetzgebungsvorhaben bzw. Ratifizierungsverfahren, über die Haushaltsvorlage der Bundesregierung - in der Außenpolitik über den Haushalt des Bundeskanzleramts, des Auswärtigen Amtes (AA) oder des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) - , im Rahmen Aktueller Stunden sowie im Anschluß an die Beantwortung einer Großen Anfrage durch die Bundesregierung. Außenpolitische und internationale Themen machen einen beträchtlichen Anteil der Parlamentsdebatten aus.7 Neben sehr spezifischen Themen sind auch die großen Fragen und Weichenstellungen der Außenpolitik der Bundesrepublik intensiv 6 Der Anteil der im Konsens verabschiedeten Gesetze lag bis zur 9. Wahlperiode (1980-1983) zwischen 50 und 70 % , seit der 10. Wahlperiode (1983-1987) ist er auf weniger als 20 % abgesunken. Quellen: Peter Schindler, Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949 bis 1982, Bonn 1983; ders Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1980 bis 1987, Baden-Baden 1988; ders., Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1983-1991, Baden-Baden 1994. 7 In der 5. Wahlperiode (1965-1969) waren 8 der 17 Aktuellen Stunden außenpolitischen oder internationalen Themen gewidmet, in der 6. (1969-1972) waren dies 3 von 8, in der 7. (1972-1976) 16 von 20, in der 8. (1976-1980) 6 von 9, in der 9. (1980-1983) 5 von 12, in der 10. (1983-1987) 50 von 117, in der 11. (1987-1990) 52 von 126 und in der 12. Wahlperiode (1991-1994) 32 von 103. In der 13. Wahlperiode (1994-1998) lag dieser Anteil bis zum Sommer 1997 bei 22 von 71 Aktuellen Stunden. Ein vergleichbarer Trend läßt sich bei Großen Anfragen feststellen, die in der Regel den Zweck haben, die Regierung zur Offenlegung ihrer Politik oder von relevanten Informationen zu bewegen, die anschließend für eine politische Auseinandersetzung genutzt werden können. Hier liegt der Anteil außenpolitischer und internationaler Themen meist zwischen 30 und 40 % . Quelle: Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages.

BUNDESTAG

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diskutiert worden. Diese Debatten haben selten zur unmittelbaren Änderung der Regierungspolitik beigetragen, doch konnten sie einen Entscheidungsdruck herstellen, durch den Bundestags- oder Landtagswahlen gelegentlich auch zu Plebisziten über die Außenpolitik der Regierung wurden. 8 Der Stellenwert und die Qualität außenpolitischer Debatten haben sich jedoch erheblich gewandelt. Die beiden großen Parteien CDU und SPD mußten in den fünfziger und siebziger Jahren jeweils die Erfahrung machen, daß die grundsätzliche Infragestellung der Regierungspolitik problematisch war, weil die der Bonner Republik verbliebenen außenpolitischen Optionen tatsächlich gering waren und außenpolitische Opposition Gefahr lief, zu einer politischen Donquichotterie zu werden. Die SPD vollzog daher die Annäherung an die Westpolitik der unionsgeführten Bundesregierung, die Unionsparteien die Annäherung an die Ostpolitik der sozialliberalen Koalition, so daß ab Mitte der siebziger Jahre ein breiter außenpolitischer Konsens über Fragen der Europa-, Bündnis-, Sicherheits- und Ostpolitik bestand. Zwar verloren damit die außenpolitischen Debatten ihre Würze, andererseits erlebte die deutsche Außenpolitik in der Folge ein bis dahin nicht gekanntes Maß an internationaler Anerkennung und Durchsetzungsfähigkeit. Im Zusammenhang mit dem sogenannten Doppelbeschluß des Nordatlantikpaktes (NATO) brach mit dem Beginn der achtziger Jahre dieser Konsens in der Sicherheitspolitik wieder auf, als die SPD unter dem Druck der Friedensbewegung und von Teilen der öffentlichen Meinung einen dezidiert rüstungskritischen Kurs einschlug, der von den Grünen noch stärker akzentuiert wurde. Die Sozialdemokraten brachten sich damit 1982 nicht nur um die Regierungsmacht, sondern sie riefen bei anderen politischen Kräften im Bundestag das Trauma der Aufkündigung des außenpolitischen Konsenses und der damit verbundenen Schwächung der deutschen Außenpolitik hervor. In den neunziger Jahren waren die Konsequenzen dieser Entwicklung deutlich im Sinne eines Substanzverlusts der außenpolitischen Debatten zu spüren. Obwohl mit dem Ende des Ost-West-Konflikts und der deutschen Vereinigung eine grundlegende Veränderung des Umfelds der deutschen Außenpolitik einherging, nahm das Parlament seine Funktion als öffentlicher Ort der Beratung über diesen Wandel nur unzureichend wahr. Die wesentlichen konzeptionellen Entwicklungen und politischen Weichenstellungen erfolgten innerhalb der Bundesregierung sowie in der Auseinandersetzung mit den wichtigsten Verbündeten. Grundsatzentscheidungen über die deutsche Außenpolitik wurden auf Gipfelkonferenzen und Tagungen der Europäischen Union, der NATO, der Westeuropäischen Union (WEU) und der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) sowie im Deutsch-Französischen Sicherheitsrat getroffen und umgesetzt.

8 Dies war insbesondere bei der Bundestagswahl 1972 der Fall, w o es dezidiert um die Fortsetzung oder den Abbruch der Ostpolitik Willy Brandts ging. Vgl. Günther Schmid, Entscheidung in Bonn. Die Entstehung der O s t - und Deutschlandpolitik, 1969/1970, 2. Auflage, Köln 1980, S.328.

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POLITISCHES SYSTEM, GESELLSCHAFT U N D AUSSENPOLITIK

Zwar wurde im Bundestag nach 1990 auch über Außenpolitik debattiert, jedoch war auffallend, daß auf Seiten der Opposition - und teilweise auch in der FDP-Fraktion - vor allem die Verfassungsmäßigkeit und die Risiken militärischer Auslandseinsätze der Bundeswehr thematisiert wurden, während die Darlegung außenpolitischer Ziele und Strategien durch die Regierung überwiegend in einer inhaltsleeren Sprache gehalten war, die über substantielle Probleme hinwegging. Häufig wurde auch einer vertieften Erörterung durch den Hinweis aus dem Wege gegangen, daß bereits mit den Verbündeten getroffene Entscheidungen nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden könnten. Das Verständnis für diese Art der politischen Debattenführung war im In- und Ausland gering. Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Bundeswehr 9 ist der Debattenstil wieder sachlicher und substantieller geworden. Die alle Parteien - mit Ausnahme der PDS - übergreifenden Gemeinsamkeiten sind mittlerweile beachtlich und haben erheblich dazu beigetragen, daß die internationale Handlungsfähigkeit Deutschlands gestiegen ist. Wie stabil dieser Konsens ist, bleibt allerdings offen. Daneben haben die europapolitischen Debatten seit Maastricht deutlich an Qualität gewonnen. Allerdings fragen sich manche, ob es gelingen wird, die Debatte über die Einführung einer einheitlichen europäischen Währung von populistischen Verzerrungen freizuhalten. Außenpolitische

Grundsatzentscheidungen

Die Tendenz, wesentliche außenpolitische Weichenstellungen einem Votum des Bundestages zu unterwerfen, hat sich nach einer Phase der Irritation in den frühen neunziger Jahren wieder belebt. Die wesentlichen Stationen waren: -

Die Änderung von Art. 23 des Grundgesetzes (GG), derzufolge für »die Begründung der Europäischen Union sowie für Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen und vergleichbare Regelungen, durch die (das) Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden«, fortan eine Zweidrittelmehrheit des Bundestages erforderlich ist, bedeutet, daß für alle wesentlichen Schritte in Richtung auf die Schaffung einer Politischen Union in Zukunft ein die großen Parteien übergreifender Konsens gefunden werden muß. 10

-

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 12. Juli 1994 festgelegt, daß Beschlüsse der Bundesregierung über den Einsatz von Streitkräften im Ausland der Zustimmung durch den Deutschen Bundestag bedürfen.

9 Abgedruckt in: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, 90. Band, 1994, S. 286-394. 10 Diese Auslegung wurde bestätigt durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12.10.1993 zum Vertrag von Maastricht (abgedruckt in: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, 89. Band, 1994, S. 155-213). Vgl. ferner Wolfgang Fischer, Die Europäische Union im Grundgesetz: der neue Artikel 23, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen (ZParl), Nr. 1, 1993, S. 32-49.

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Das Parlament selbst hat sich per Entschließung vom 2. Dezember 199211 eine eigene Bewertung der Voraussetzungen für den Beitritt Deutschlands zur dritten Stufe der europäischen Währungsunion - einschließlich der Beurteilung der Eignung anderer Staaten - vorbehalten und die Bundesregierung darauf verpflichtet, keine Entscheidung im Rat der Europäischen Union in dieser Angelegenheit mitzutragen, ohne zuvor das Votum des Bundestages eingeholt zu haben. Der Bundesrat hat sich dem angeschlossen und sich seinerseits vorbehalten, über den Eintritt der dritten Stufe und den Beitritt Deutschlands zu befinden.12 Diese Beispiele machen deutlich, daß nicht so sehr der Strukturwandel der Außenpolitik, sondern die qualitativen Sprünge in der Europapolitik und in der Sicherheitspolitik Anlaß für diese Kompetenzerweiterungen waren. Sie reflektieren die Bemühungen des Parlaments, seine Gesamtverantwortung in sichtbarer Weise wahrzunehmen. Diese Entwicklung ist jedoch politisch und verfassungsrechtlich nicht unumstritten. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit bei Verträgen über die künftige politische Struktur der EU nachträglich mit der Notwendigkeit begründet, die demokratische Legitimation der sich entwickelnden Union und den Einfluß der Staatsvölker zu sichern; die Erhaltung der außenpolitischen Entscheidungsgewalt der Regierung und der sie tragenden Mehrheit wurde dem untergeordnet. Kritiker meinten dagegen, der politische Handlungsspielraum der Regierung in der Europapolitik werde durch ein zu eng verstandenes Konzept der demokratischen Legitimation geschmälert.13 Noch umstrittener ist der Vorbehalt des Bundestages bezüglich des Eintritts in die dritte Phase der Wirtschafts- und Währungsunion. Was die politischen Aspekte betrifft, so ist verschiedentlich argumentiert worden, daß damit eine unnötige Komplizierung des Prozesses der europäischen Integration verbunden sein könne, ja möglicherweise eine populistisch geführte öffentliche Debatte über die Aufgabe der D-Mark geradezu herausgefordert werde. Überdies blieb verfassungsrechtlich unklar, welche Bindungswirkung ein negatives Votum des Bundestages gehabt hätte. Immerhin hatten Bundestag und Bundesrat mit der Ratifikation des Vertrags von Maastricht auch das Entscheidungsverfahren und die Automatik des Eintretens der dritten Stufe ab 1. Januar 1999 akzeptiert. Dies konnte eigentlich nur bedeuten, daß Bundestag und Bundesrat bestenfalls ein Votum im Sinne einer Meinungsbildung -

11 Abgedruckt in: Deutscher Bundestag, Drucksache 12/3906 vom 2.12.1992. Vgl. auch die dazugehörige Parlamentsdebatte, abgedruckt in: Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 12/126 vom 2.12.1992, S. 10809-10909. 12 Vgl. Bundesrat, Drucksache 810/92 (Beschluß) vom 18.12.1992. 13 Vgl. Claus Dieter Classen, Maastricht und die Verfassung: kritische Bemerkungen zum neuen »EuropaArtikel« 23 G G , in: Zeitschrift für Rechtspolitik, N r . 2, 1993, S. 57-61; Christian Tomuschat, Die Europäische Union unter der Aufsicht des Bundesverfassungsgerichts, in: Europäische Grundrechte-Zeitschrift, N r . 20-21, 1993, S. 489-496.

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POLITISCHES SYSTEM, GESELLSCHAFT U N D AUSSENPOLITIK

hätten abgeben, nicht aber wirklich über den Beitritt Deutschlands - oder gar anderer Staaten - entscheiden können. 14 Angesichts des zustimmenden Beschlusses von Bundestag und Bundesrat im April 1998 sind diese Fragen weitgehend theoretischer Natur. Letztlich hatte die Angelegenheit auch sehr viel mit Psychologie und politischer Symbolik zu tun. Vor dem Hintergrund der durch tiefe Skepsis gekennzeichneten Diskussionen im Jahre 1992 15 dürfte die gemeinsame Entschließung im wesentlichen als ein deutliches Signal gegenüber der Wahlbevölkerung gemeint gewesen sein, daß man nicht bereit sei, die harte D-Mark einem möglicherweise faulen Kompromiß am europäischen Verhandlungstisch zu opfern. Bundestag und Bundesrat haben sich mit diesen Entschließungen jedenfalls eine nicht sehr präzis definierte Kontrollkompetenz zuerkannt, deren praktischer Wert offenbar begrenzt blieb. Der Bundestag als außenpolitisches

Arbeitsparlament

Die Arbeit des Bundestages in der Außenpolitik besteht keinesfalls nur aus leidenschaftlichen Debatten und großen Entscheidungen, sondern vor allem aus einer Vielzahl von arbeits- und zeitintensiven Tätigkeiten, die außerhalb des Parlaments nicht immer ausreichend wahrgenommen und gewürdigt werden. Anders als in der Innenpolitik geht es nicht so sehr um die Mitwirkung an Gesetzgebungsvorhaben, sondern um die Begleitung der Außenpolitik. Während der amerikanische Kongreß ein gewichtiger außenpolitischer Akteur ist, der in der Lage ist, die Administration zur Korrektur ihrer Außenpolitik zu bewegen, funktioniert der Deutsche Bundestag als Arbeitsparlament in der Außenpolitik völlig anders. Hier steht die nichtöffentliche Arbeit in den Ausschüssen und Arbeitskreisen im Vordergrund. Deren Ergebnisse sind für den Außenstehenden meist nicht sichtbar. Die Bedeutung des Bundestages als Arbeitsparlament nimmt zu. Zum einen gibt es eine starke Tendenz im Parlament, Außenpolitik parteipolitisch möglichst breit zu verankern. Wie oben bereits erwähnt, war und ist der außenpolitische Spielraum der Bundesrepublik nie besonders groß gewesen, und die Erfahrung hat bislang gezeigt, daß die Bundesregierung außenpolitisch um so handlungsfähiger ist, je breiter die Mehrheit im Parlament ist, auf die sich stützen kann. Zum anderen kann der Bundestag angesichts der Komplexität der Außenpolitik - wobei insbesondere die zunehmende Verschränkung europäischer und deutscher Politik zu einem Problem wird - seine Kontroll- und Mitwirkungsmöglichkeiten nur durch Spezialisierung und Arbeitsteilung nutzen.

14 Vgl. Katharina Gelinsky, Der Bundesrat hat schon 1992 entschieden, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.9.1997. Zur Gegenposition vgl. Burkhard Hirsch, Verschiebung nicht ausgeschlossen. Über den Zeitpunkt der Einführung des Euro müssen Bundesrat und Bundestag mitentscheiden, in: Die Zeit, 26.9.1997, S. 16. 15 Zur damaligen Diskussion vgl. Gabriele Brenke, Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland, in: Wolfgang Wagner et al. (Hrsg.), Die Internationale Politik 1991-1992 (Jahrbücher des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik), München 1994, S. 121-132, hier S. 123f.

BUNDESTAG

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Das Hauptinstrument zur Sicherung einer überparteilichen Außenpolitik ist der Auswärtige Ausschuß. Ihm gehören zumeist erfahrene Abgeordnete an, die sich primär als Gesprächspartner der Regierung in Fragen der Außenpolitik verstehen. Seine Sitzungen sind in der Regel nicht öffentlich, das Protokoll wird streng unter Verschluß gehalten, und nur die Ausschußmitglieder bzw. deren Stellvertreter dürfen an den Sitzungen teilnehmen. Der enge Dialog zwischen Regierung und Ausschuß hat sich besonders in Krisen und Umbruchzeiten bewährt. Anhörungen führt der Auswärtige Ausschuß nur selten durch. Themen der vergangenen Jahre waren Tibet, Chile, die kulturellen Beziehungen zu den USA, die Süderweiterung der EU und die Seerechtskonvention der Vereinten Nationen (UN). Um die Breite der außenpolitischen Themen angemessener reflektieren zu können, hat der Auswärtige Ausschuß vier Unterausschüsse gebildet: für Abrüstung und Rüstungskontrolle (gemeinsam mit dem Verteidigungsausschuß), für Auswärtige Kulturpolitik, für die Vereinten Nationen sowie für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Kontinuierlich zugenommen hat die Beschäftigung der Fachausschüsse mit Themen internationaler Relevanz. Dabei stehen Fragen mit europapolitischem Bezug deutlich im Mittelpunkt (vgl. Abbildung 1). Das System der Fachausschüsse orientiert sich im Prinzip an der Geschäftsverteilung der Ministerien; nur wenige Ausschüsse sind ressortübergreifend organisiert. Ihre Arbeitsweisen unterscheiden sich kaum voneinander. Die Themen werden den Ausschüssen meist vom Plenum überwiesen, sie können sich aber im Rahmen der Zuständigkeiten des jeweiligen Ministeriums auch aus eigenem Ermessen mit Sachthemen beschäftigen. Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union (EU-Ausschuß) und der Auswärtige Ausschuß genießen dabei weitgehende Freiheiten. Viele Ausschüsse halten Anhörungen mit Experten ab oder laden Politiker und Beamte ein, auch EU-Kommissare und hohe EU-Beamte. Die Ausschüsse werden - sofern sie nicht per Verfassung obligatorisch sind - bei Beginn jeder Legislaturperiode neu konstituiert. Von der Möglichkeit Unterausschüsse einzusetzen macht am ausgiebigsten der Auswärtige Ausschuß Gebrauch. Die Ausschüsse haben in der Regel ein kleines Sekretariat, welches die Arbeiten vorbereitet und organisiert. Die Ausschußarbeit wäre nicht möglich ohne die parallele Arbeit in den Fraktionen. Die großen Fraktionen (CDU/CSU und SPD) bilden Arbeitsgruppen, an denen die Mitglieder der jeweiligen Ausschüsse und ihre Stellvertreter teilnehmen. Die kleinen Fraktionen (Bündnis 90/Die Grünen und FDP) sowie die Gruppe der PDS im Bundestag haben Arbeitskreise (bei der PDS »Arbeitsbereiche«), in denen die Arbeit für mehrere Ausschüsse koordiniert wird. In den Arbeitsgruppen und Arbeitskreisen der Fraktionen spielen die Referenten eine wichtige Rolle. Sie sind meist Fachleute - oft aus den Ministerien für mehrere Jahre ausgeliehen - , sie unterstützen und organisieren die Arbeit der Abgeordneten in den Ausschüssen, und häufig personifizieren sie das institutionalisierte Wissen ihrer Fraktionen zu bestimmten Themen. 16 Ihre Zahl hat in den letzten 20 Jahren 16 Für eine nähere Beschreibung vgl. Karl!Krause,

a.a.O. (Anm. 2), S. 74f.

146 Abbildung

POLITISCHES SYSTEM, GESELLSCHAFT UND AUSSENPOLITIK 1: Außenpolitische

Themen der Bundestagsausschüsse, Dezember

INNENAUSSCHUSS

• Ratifikation des WEU-Geheimschutzabkommens AUSSCHUSS FÜR UMWELT, NATURSCHUTZ UND REAKTORSICHERHEIT

• Deutsch-tschechischer Vertrag über Zusammenarbeit im Gewässerschutz • Internationales Übereinkommen über die Biologische Vielfalt AUSSCHUSS FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN

• Welternährung (Expertenanhörung) • Käfighaltung von Hennen in Europa HAUSHALTSAUSSCHUSS

• Exportförderung für die deutsche Werftindustrie FINANZAUSSCHUSS

• Harmonisierung der Steuergesetzgebung in Europa AUSSCHUSS FÜR WIRTSCHAFT

• Internationales Rohstoffabkommen • Finanzielle Auswirkungen der EUErweiterung • Verlängerung des Montanunion-Vertrags • Vorlage der EU-Kommission über GasRichtlinie • Vorlage der EU-Kommission zum Umweltschutz • Illegale Öleinleitung in die Nordsee • Initiative für den Ostseeraum AUSSCHUSS FÜR FREMDENVERKEHR UND TOURISMUS

• Reisen in die Dritte Welt

1996

• EU-Aktionsplan zur Förderung des Tourismus AUSSCHUSS FÜR VERKEHR

• Vorlage der EU-Kommission über die Begrenzung verkehrsbedingter Luftverschmutzung • Luftverkehrsabkommen mit Rußland • Luftverkehrsabkommen mit Simbabwe • Luftverkehrsabkommen mit Namibia • Grenzbrücke nach Tschechien • Einrichtung einer EU-Dienststelle zum Thema »Auto von morgen" • Weißbuch der EU-Kommission über Regelungs- und Vollzugsdefizite im Verkehr AUSSCHUSS FÜR RAUMORDNUNG, BAUWESEN UND STÄDTEBAU

• Regionales Förderungsprogramm der EU AUSSCHUSS FÜR POST- UND TELEKOMMUNIKATION

• Telekom-Liberalisierung in Schweden (Informationsreise) • Remailing in Europa AUSSCHUSS FÜR FAMILIE, SENIOREN, FRAUEN UND JUGEND

• Ergebnisse der Weltfrauenkonferenz in Peking AUSSCHUSS FÜR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

• Mitgliedschaft Deutschlands in der Organisation der UN für Industrielle Entwicklung (UNIDO) SPORTAUSSCHUSS

• Paraolympische Spiele

Quelle: Woche im Bundestag, 11.12.1996, S. 9 und 19.12.1996, S. 8. deutlich zugenommen (vgl. Tabelle 1). Gleiches gilt für die Zahl der Mitarbeiter des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages. Zwar ist er bei weitem nicht so leistungsfähig wie der Congressional Research Service in Washington dem mehr als 4 500 Mitarbeiter angehören, darunter über 1 000 Wissenschaftler, während der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages etwas mehr als

147

BUNDESTAG

40 wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigt 17 - , doch ist er in der Lage, zu einem relativ breiten Spektrum von Themen Dokumentationen oder Sachdarstellungen zu liefern, die die Arbeit der Ausschüsse unterstützen. Tabelle 1: Anzahl der Mitarbeiter des Deutschen Bundestages Fraktionsmitarbeiter

Bundestag sverwaltung"

Abgeordnetenmitarbeiter"

1965 1970

115 226

844 1392

444

1975

256

1597

558

1980

393

1591

616

1985

508

1602

837

1990

616

2114

1308

1995

837

2234

1471

Quelle: Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages

Neben der regulären Ausschußarbeit haben die im Bundestag vertretenen Fraktionen die Möglichkeit, Enquetekommissionen einzuberufen, in denen Abgeordnete und Experten zusammenkommen. Zu außenpolitischen Themen wurden in jüngster Zeit jedoch keine solchen Kommissionen gebildet. Außerdem kann bereits von einem Viertel der Abgeordneten die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beschlossen werden. Auch der Verteidigungsausschuß selbst kann sich auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder als Untersuchungsausschuß konstituieren. Bei Beweiserhebungen in Untersuchungsausschüssen finden nach Art. 44 GG die Vorschriften der Strafprozeßordnung sinngemäß Anwendung. Untersuchungsausschüsse werden gern von den Oppositionsfraktionen gefordert und eingesetzt, die Beratungen und die Ergebnisse werden jedoch von den Regierungsfraktionen bestimmt. Der letzte außenpolitisch relevante Untersuchungsausschuß war der sogenannte Plutoniumausschuß, der von Mai 1995 bis Januar 1998 tagte und die Ereignisse im Zusammenhang mit der Beschlagnahme von 365 Gramm waffenfähigen Plutoniums auf dem Münchener Flughafen im August 1994 prüfen sollte. Die einem Arbeitsparlament zustehenden Möglichkeiten der Kontrolle der Regierungsarbeit werden unterschiedlich genutzt. Jede Fraktion versucht im Rahmen der Konkurrenzbeziehungen zwischen Regierung und Opposition, ihre eigenen politischen Ziele zu verfolgen. Während die Oppositionsfraktionen die Möglichkeiten

17 Zählt man die Mitarbeiter des Government Accounting Office, des Congressional Budget Office und des Senats und Repräsentantenhauses hinzu, ergibt sich eine Zahl von etwa 25 000 Mitarbeitern, denen rund 4 500 Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung, der Fraktionen und der Abgeordneten gegenüberstehen. 18 Diese Zahlen schließen den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages ein. 19 Hierbei handelt es sich um die persönlichen Mitarbeiter, die hauptsächlich in den Bonner Büros der Abgeordneten tätig sind.

148

POLITISCHES SYSTEM, GESELLSCHAFT U N D AUSSENPOLITIK

nutzen, um die kritische Auseinandersetzung mit der Politik der Bundesregierung zu führen, betreiben die Regierungsfraktionen eine im Hintergrund wirkende Richtungskontrolle der Regierungsarbeit, die primär auf Einhaltung der gemeinsamen politischen Ziele und Beibehaltung der Wahlchancen gerichtet ist. Nur selten - und insbesondere dann, wenn ein Konflikt zwischen den Regierungsfraktionen besteht strahlt diese Art der Kontrolle auch in die Öffentlichkeit aus. In der Außen- und Sicherheitspolitik hat die Kontrollfunktion der Regierungsfraktionen insofern einen besonderen Charakter, als seit Ende 1969 die F D P den Außenminister stellt. Immer wieder hat die größere Regierungsfraktion versucht, die Politik des vom kleineren Koalitionspartner geführten Auswärtigen Amtes zu kontrollieren, etwa durch die Entsendung eines Staatsministers in das AA. Zu Zeiten von Bundeskanzler Helmut Schmidt versuchte die SPD-Fraktion wiederholt, Einfluß auf die Abrüstungs- und Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung zu nehmen, die von zwei FDP-geführten Ministerien, dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium für Wirtschaft, verantwortet wurde. In der Spätphase der sozialliberalen Koalition nahmen solche Initiativen die Form einer offenen Obstruktion der Regierungspolitik an, insbesondere in der Frage der Umsetzung des NATO-Doppelbeschlusses. Während der Kanzlerschaft Helmut Kohls unternahm die Unionsfraktion Initiativen etwa zur Europapolitik. 20 Solche Vorstöße haben mitunter einen großen Einfluß auf den Fortgang der Politik, selbst dann, wenn sie nicht sofort in Regierungspolitik umgesetzt werden. Eine Besonderheit stellt die Europapolitik dar. Im Zuge der europäischen Integration werden Regelungsmaterien der nationalen Kompetenz entzogen und vergemeinschaftet. Damit nimmt die Bundesregierung als Mitglied des Rates der Europäischen Union legislative Funktionen wahr, die unmittelbare Wirkung für Bürger und Rechtssubjekte in der Bundesrepublik Deutschland haben. Lange Zeit wurde dieses Problem durch die Verankerung einer Informationspflicht der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag im Rahmen des Zustimmungsgesetzes zu den Römischen Verträgen geregelt.21 Diese Lösung war jedoch unzureichend, weil sie dem Bundestag die Möglichkeit der Mitbestimmung nahm und die Informationspflichten nicht klar genug definierte. 22 Mit der Einführung des neuen Art. 23 G G sowie mit zwei diesbezüglichen Ausführungsgesetzen 23 ist festgelegt worden, daß der Bundestag (ebenso wie der Bundesrat) ein Mitwirkungsrecht in Angelegenheiten der Europäischen 20 Das prominenteste Beispiel der letzten Jahre war das sogenannte »Kerneuropapapier« von Wolfgang Schäuble und Karl Lamers. Vgl. Überlegungen zur europäischen Politik. Positionspapier der CDU/CSUBundestagsfraktion vom 1.9.1994, abgedruckt in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 10, 1994, S. 1271-1280. 21 Vgl. Christoph Sasse, Regierungen, Parlamente, Ministerrat. Entscheidungsprozesse in der Europäischen Gemeinschaft, Bonn 1975, S. 80. 22 Vgl. Suzanne S. Schüttemeyer, Funktionsverluste des Bundestages durch die europäische Integration?, in: ZParl, Nr. 2, 1978, S. 261-278. 23 Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12.3.1993, abgedruckt in: Bundesgesetzblatt (BGBl) 1993, Teil I, S.311f.; Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12.3.1993, abgedruckt in: BGBl 1993, Teil I, S. 313-315. Vgl. auch Fischer, a.a.O (Anm. 10).

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Union hat, daß die Bundesregierung den Bundestag »frühzeitig und umfassend« über europäische Angelegenheiten unterrichten muß und daß die Bundesregierung verpflichtet ist, Stellungnahmen des Bundestages zu berücksichtigen. Zudem ist durch die Neufassung von Art. 45 G G der EU-Ausschuß etabliert worden. Er stellt insofern eine Besonderheit dar, als er die Möglichkeit hat, den gesamten Bereich der europapolitischen Aktivitäten zu behandeln, wohingegen die meisten anderen Ausschüsse an den Geschäftsbereich ihres jeweiligen Ministeriums gebunden sind. 24 Die Flut der Entwürfe zu EU-Verordnungen ist allerdings so groß, daß die Kapazitäten des Ausschusses damit überfordert sind. 25 Der EU-Ausschuß ist bestenfalls in der Lage, selektiv Themen herauszugreifen und zu beraten. Andere Ausschüsse können zumindest einen Teil der Last übernehmen. Es stellt sich allerdings grundsätzlich die Frage, ob nationale Parlamente hierfür tatsächlich die richtige Adresse sind, oder ob nicht ein weiterer Ausbau der Kontroll- und Mitspracherechte des Europäischen Parlaments ins Auge zu fassen ist. 26 Viel wichtiger dürfte sein, daß der EU-Ausschuß zum O r t des öffentlich geführten Diskurses über Ziele, Probleme und Perspektiven der Europapolitik geworden ist und gleichermaßen die Europapolitik der Bundesregierung wie die Politik der Kommission behandelt. In den vergangenen Jahren sind alle zentralen Themen mit Bezug auf Europa dort erörtert worden. Der Ausschuß hat damit auch die Rolle des Parlaments als O r t der Debatte und der Verständigung zwischen den Parteien über die Grundlagen der Europapolitik gefestigt. In diesem Zusammenhang relativiert sich auch der immer wieder kritisch kommentierte Unterschied zwischen den europapolitischen Kontrollrechten des Bundestages und jenen des Bundesrates. Die Mitwirkungsmöglichkeiten des Bundesrates sind deutlich stärker ausgeprägt. Dies hat in erster Linie mit den Besonderheiten des föderativen Aufbaus der Bundesrepublik und mit dem Verlauf der Reform von Art. 23 G G in den Jahren 1991/1992 zu tun. 27 Der Bundesrat hat sich für alle Phasen der Beratungen und Verhandlungen über Fragen, die entweder die Interessen

24 Vgl. Franz Λ/07/er/Martin Limpert, Informations- und Mitwirkungsrechte des Bundestags in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: ZParl, Nr. 1, 1993, S. 21-32, hier S. 31f. 25 Vgl. Sven Hohcheidt/Thomzs Schotten, Der Unionsausschuß des Deutschen Bundestages - Gestaltlingsprobleme, in: Integration, Nr. 4, 1994, S. 230-233. 26 Vgl. Europäische Kommission, Bericht zur Mitentscheidung des Europäischen Parlaments bei Rechtsakten der Europäischen Union (EU-Ratsdokument Nr. 9072/96), Brüssel 1996. Alternativ wird auch immer wieder vorgeschlagen, die Konferenz der Europa-Ausschüsse der nationalen Parlamente (COSAC) zu einem EU-Organ zu machen, welches eigene Kontrollaufgaben ausübt. Dieser Vorschlag wurde am 11.12.1996 vom EU-Ausschuß des Deutschen Bundestages beraten und abgelehnt. Vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 13/6891 vom 3.2.1997. Das Plenum des Bundestages hat sich diesem Votum im März 1997 angeschlossen. Vgl. Woche im Bundestag, 5.3.1997, S. 51. 27 Zu den damaligen Beratungen vgl. Das Bund-Länder-Verhältnis im europäischen Einigungsprozeß (Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Arbeitspapiere zur Internationalen Politik, Nr. 71), Bonn 1992. Die Reform war nach der deutschen Vereinigung initiiert worden, um den Ländern mehr Mitsprache in der sich entwickelnden Europäischen Union nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht zu geben. Bezeichnenderweise kam das Thema der Mitwirkung des Bundestages erst auf die Tagesordnung der Gemeinsamen Verfassungskommission, nachdem die entsprechenden Passagen zum Bundesrat bereits weitgehend beschlossen waren.

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der Länder berühren oder bei denen die Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder betroffen sind, weitgehende Informations- und Mitwirkungsrechte gesichert.28 Es wäre voreilig, diese Unterschiede bei den Mitwirkungsmöglichkeiten von Bundestag und Bundesrat als »Demokratiedefizit« oder als unausgewogen zu kritisieren. Immerhin dürfte auch weiterhin der Großteil der in Brüssel verhandelten Materien unter die ausschließliche Gesetzgebung des Bundes oder die konkurrierende Gesetzgebung fallen. Die Bereiche der ausschließlichen Gesetzgebung der Länder bleiben begrenzt. Zudem geht es hier nicht um die Wahrnehmung parlamentarischer Kontrollrechte in konkurrierender Weise: Bundestag und Bundesrat haben ihre Aufgaben und Befugnisse im Rahmen der durch das Grundgesetz vorgegebenen Logik - und diese schützt den Zuständigkeitsbereich der Länder und nutzt den Bundesrat, um deren Rechte zu wahren. Allerdings ist seit Mitte der siebziger Jahre infolge der extensiven Auslegung der Mitwirkungsrechte des Bundesrates durch das Bundesverfassungsgericht29 eine Lage entstanden, bei der der Bundesrat mehr und mehr Mitwirkungsrechte auch dort geltend macht, wo die Länder materiell gesehen keine Zuständigkeiten beanspruchen können, die Ausführung eines Bundesgesetzes jedoch die Länderverwaltungen bindet. Die Einbeziehung der Länderregierungen in die Europapolitik hat mittlerweile ein Ausmaß erreicht, welches den Primat der Regierung und der sie tragenden Mehrheit im Bundestag mehr und mehr überlagert und in manchen Fällen blockiert. Vermittlung Wie in der Innenpolitik nimmt das Parlament auch in der Außenpolitik eine Vermittlungsfunktion wahr, die die Artikulation unterschiedlicher politischer Positionen und eigene Initiativen einschließt. Beide Aspekte der Vermittlung werden in der Außenpolitik jedoch anders wahrgenommen als in der Innenpolitik. Während es in der Innenpolitik oftmals die Besonderheiten und Bedürfnisse des Wahlkreises sind, die einzelne Abgeordnete dazu veranlassen, bestimmte politische Forderungen aufzustellen oder Initiativen zu lancieren, sind wahlkreisspezifische Aspekte in der Außenpolitik weniger relevant. Wichtiger sind die individuellen Interessen des Abgeordneten und seine internationalen Kontakte. Viele Abgeordnete gehören interparlamentarischen Versammlungen, Nichtregierungs-Organisationen (NGOs), bilateralen Freundschaftsgesellschaften oder Parlamentariergruppen 30 an, fühlen sich übergeordneten Zielen - etwa dem Schutz der Menschenrechte oder der europäischen

28 Zu den europapolitischen Kompetenzen des Bundesrates nach Art. 23 G G vgl. auch die Beiträge von Werner Hoyer und Michèle Knodt in diesem Band. 29 Vgl. das sogenannte Bundesratsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 25.6.1974, abgedruckt in: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, 37. Band, 1975, S. 363-422. 30 Im 13. Deutschen Bundestag bestehen 31 bilateral und 14 multilateral ausgerichtete Parlamentariergruppen, deren Aufgabe es ist, den politischen Dialog mit den Staaten und Regionen zu pflegen und neue Aspekte in den politischen Prozeß einfließen zu lassen. Quelle: http://www.bundestag.de/europa/int_bezl.htm.

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Einigung - besonders verpflichtet und versuchen, diesen Gesichtspunkten in ihrer Arbeit Geltung zu verschaffen. Daraus resultiert eine Vielzahl von außenpolitischen Initiativen einzelner Parlamentarier oder Fraktionen, die zwar nicht immer erfolgreich sind, aber dennoch oft die öffentliche Wahrnehmung eines Themas beeinflussen. Die Betonung von Menschenrechtsaspekten gegenüber der eher der »Realpolitik« zuneigenden Bundesregierung - z.B. in den deutsch-chinesischen Beziehungen gehört hierzu. Gemessen an dem, was der amerikanische Kongreß in Ausübung seiner Initiativ- und Vermittlungsfunktion unternimmt, ist der Beitrag des Bundestages jedoch recht bescheiden. Auch ist seine Arbeit nicht vom Primat der Problemanalyse und Problemlösung gekennzeichnet, sondern von dem für ein parlamentarisches System konstitutiven Vorrang parteipolitischer Konkurrenz. 31 Gleichwohl kommt es auch im Bundestag zu fraktionenübergreifenden Initiativen. Dies gilt insbesondere für die Menschenrechtspolitik, für Konfliktprävention und Rüstungskontrolle. Auch im Hinblick auf die Beziehungen Deutschlands zu einzelnen Staaten - etwa zur Türkei und zum Iran - hat es immer wieder solche Bemühungen gegeben. In der Regel bleiben sie ohne allzu große Relevanz. Dort, wo sie die Arbeit der Regierung behindern bzw. eine abwägende Diplomatie erschweren, stellt sich die Frage, ob diese Aktivitäten wirklich einen positiven Beitrag zur deutschen Außenpolitik leisten.

RESÜMEE

Im Vergleich zum britischen Unterhaus und zum US-Kongreß ist der Deutsche Bundestag ein Parlament mit weniger klaren, gleichwohl sehr zahlreichen Aufgabenzuweisungen. Die Vielfalt von sich widersprechenden Zielen und Funktionen macht es schwierig, seine Rolle in der Außenpolitik präzise zu beschreiben und zu bewerten. Die Multifunktionalität birgt angesichts zahlreicher neuer Herausforderungen einerseits die Gefahr der Verzettelung, andererseits verleiht sie ihm aber auch mehr Flexibilität im Umgang mit einer zunehmend komplexeren internationalen Umwelt als anderen Parlamenten. Der Bundestag muß heute unter erschwerten Bedingungen auch in der Außenpolitik Alternativen sichtbar machen und die zentralen Richtungsentscheidungen offen und fair diskutieren und nach außen vermitteln. Hierbei hat er bislang eine gemischte Bilanz vorzuweisen: Er tut sich schwer mit solchen Debatten, weil sein Handlungsspielraum durch Vorfestlegungen im Rahmen multilateraler Kooperation 31 Dieser Unterschied läßt sich exemplarisch an dem Umgang mit dem Problem der Sicherung waffenfähiger Nuklearmaterialien in der ehemaligen Sowjetunion zeigen. Der US-Kongreß startete hierzu bereits im Herbst 1991 eine parteienübergreifende Initiative, die schließlich zur Bewilligung von mehreren Milliarden US-Dollar für Hilfsprogramme in den betroffenen Staaten führte. Beide Häuser des Kongresses bedienten sich dabei der Informationen, die sie aus mehreren Expertenanhörungen erhielten. Eine vergleichbare Initiative des Bundestages gab es nie, auch keine Anhörungen. Statt dessen beschäftigte sich der bereits oben erwähnte Plutonium-Untersuchungsausschuß zweieinhalb Jahre lang mit einer im Vergleich hierzu nachrangigen Frage.

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eingeschränkt und die Furcht vor populistischen Entgleisungen groß ist. Erst in den letzten beiden Jahren haben die außenpolitischen Debatten wieder an Substanz und Klarheit gewonnen. Eine verbesserte Qualität der Debatten allein löst allerdings nicht das Problem des aus der zunehmenden internationalen Verflechtung resultierenden Kompetenzverlusts nationaler Parlamente. Der Bundestag versucht, dieser Entwicklung dadurch entgegenzuwirken, daß er Entscheidungen über grundsätzliche Fragen der Außenund Europapolitik an sich zieht. Die damit verbundenen Implikationen sollten jedoch nicht überschätzt werden. Sofern es sich um Materien handelt, für deren Entscheidung einfache Mehrheiten ausreichen, ändert sich nichts an der politischen Verantwortlichkeit der Regierungsmehrheit. Anders ist es dort, wo qualifizierte Mehrheiten verlangt werden - etwa die Zweidrittelmehrheit für Änderungen der europäischen Strukturen oder wo der Bundesrat mit seinen anders gelagerten parteipolitischen Gewichtungen involviert ist. In diesen Fällen spielt der Bundestag eine wesentliche Rolle in der Bildung von breiten parteienübergreifenden Mehrheiten. Darüber hinaus kann das Parlament seiner politischen Gesamtverantwortung nur dann gerecht werden, wenn es der zunehmenden Komplexität mit einem Ausbau seiner Ressourcen begegnet. Dies ist zumindest ansatzweise in den vergangenen zwei Jahrzehnten gelungen, wenn auch der Vergleich mit dem amerikanischen System die bescheidenen deutschen Dimensionen sichtbar werden läßt. Daß der Bundestag in der Außenpolitik zukünftig ein größeres Gewicht gewinnt, ist zu bezweifeln, da in einem parlamentarischen Regierungssystem letztendlich der Vorrang parteipolitischer Konkurrenz entscheidend bleibt. Allerdings sollte gerade in der Außenpolitik das konkurrenzdemokratische Element nicht überbetont werden, da innenpolitische Konfrontationen und Blockaden den internationalen Einfluß schmälern können.

AUSWÄRTIGES HANDELN DER DEUTSCHEN LÄNDER Michèle Knodt Der Aufbau der Bundesrepublik Deutschland als Bundesstaat weist den Ländern Staatsqualität zu, die sie mit einer zwar im Ausmaß beschränkten, aber eigenen staatlichen Hoheitsmacht ausstattet, welche nicht vom Bund abgeleitet ist. Sie verleiht den Ländern Mindestkompetenzen, einen Kern an nicht entziehbaren Aufgaben sowie Verfassungs- und Finanzautonomie. Geregelt ist die Kompetenzverteilung zwischen Gesamtstaat und Gliedstaaten in Art. 30 des Grundgesetzes (GG). Danach ist die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben Sache der Länder, soweit das G G keine andere Regelung trifft oder zuläßt. Eine solche Sonderregelung trifft die Verfassung allerdings bei der Verteilung der Außenkompetenzen, die im allgemeinen unter dem Begriff der »auswärtigen Gewalt« zusammengefaßt werden. 1 Welche Rolle dabei den Ländern zukommt, ist umstritten. Nach der traditionellen Auffassung ist die Pflege der auswärtigen Beziehungen allein Sache des Bundes, der dadurch das politisch einheitliche Auftreten der Bundesrepublik nach außen gewährleistet. 2 In der politischen Praxis sind allerdings Entwicklungen zu beobachten, die an der Konstruktion eines als abgeschlossene Einheit handelnden Nationalstaates zweifeln lassen: Militärische, ökonomische und ökologische Interdependenzen und ein sich verstärkendes Netzwerk von Interaktionen unterschiedlicher Akteure kennzeichnen in zunehmendem Maße das internationale Umfeld für das Handeln der Staaten und unterlaufen das Monopol der Außenvertretung. Besonders deutlich wird dies in der europäischen Politik, in deren Rahmen die prinzipielle Frage nach der Zulässigkeit einer eigenen Außenpolitik der Länder unter dem Stichwort »Nebenaußenpolitik« auf die Tagesordnung gehoben worden ist. 3 Wie die Länder ihre externe Interessenrepräsentation ausgestalten und welche Konsequenzen sich aus den zunehmenden internationalen Aktivitäten der Länder für die Organisation des Außenpolitikprozesses ergeben, wird im folgenden sowohl in bezug auf die Europapolitik als auch im Hinblick auf andere Politikfelder analysiert.

1 Vgl. Siegfried Magiera, Außenkompetenz der deutschen Länder, in: Klaus Lüder (Hrsg.), Staat und Verwaltung. Fünfzig Jahre Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Berlin 1997, S. 97-115, hier S. 98f. 2 Vgl. Fritz Ossenbiihl, Landesbericht Bundesrepublik Deutschland, in: ders. (Hrsg.), Föderalismus und Regionalismus in Europa. Verfassungskongreß in Bonn vom 14. bis 16. September 1989, Baden-Baden 1990, S. 117-165, hier S. 145; Heinz Laufer, Das föderative System der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1992, S. 88. 3 Vgl. Klaus Otto Nass, »Nebenaußenpolitik« der Bundesländer, in: Europa-Archiv, 21/1986, S. 619-628.

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POLITISCHES SYSTEM, GESELLSCHAFT U N D AUSSENPOLITIK INTERPRETATIONEN DER ROLLE DER L Ä N D E R IN D E N AUSWÄRTIGEN B E Z I E H U N G E N

Im Mittelpunkt der rechtlichen Diskussion der außenpolitischen Aktivitäten der Länder steht die Interpretation von Art. 32 GG, demzufolge die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten Sache des Bundes ist. Die Länder sind nach Abs. 3 lediglich befugt, im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenzen mit Zustimmung der Bundesregierung mit auswärtigen Staaten Verträge abzuschließen. Durch die Zustimmungsnotwendigkeit soll die Einheitlichkeit der Außenpolitik gewährleistet werden. Der Bund ist beim Abschluß von Staatsverträgen, die ausschließlich Länderkompetenzen sowie wesentliche Interessen der Länder berühren (insbesondere in den Bereichen Kultur und Bildung), nach dem sogenannten Lindauer Abkommen von 19574 verpflichtet, vor Vertragsschluß das Einverständnis der Länder einzuholen. Die Teilhabe der Länder erfolgt zum einen im innerstaatlichen Zustimmungsverfahren zur Ratifikation und zum anderen über die Ständige Vertragskommission der Länder. Diese Routineverfahren vollziehen sich meist konfliktfrei und zur allgemeinen Zufriedenheit. 5 In der Bewertung der Implikationen von Art. 32 G G für die Auslandsaktivitäten der Länder gehen die Meinungen jedoch auseinander. In einer weiten Interpretation wird davon ausgegangen, daß sich die dort angelegte einheitliche Außenrepräsentation des Bundesstaates über den völkerrechtlichen Bereich hinaus auf jegliche außenpolitischen Belange erstreckt. Demnach wären die Länder von der Außenpolitik ausgeschlossen. 6 Die Länder sind nach dieser Auffassung in der internationalen Politik weitgehend von der Bundesregierung abhängig. Dem entgegen steht eine enge Interpretation von Art. 32, die dessen Bestimmungen auf die völkerrechtlichen Vertragsbeziehungen begrenzt und darüber hinausgehende Handlungen der Länder mit Außenbezug als legitim einstuft. 7 Diese Auffassung läßt sich auf zwei Argumente stützen: Zum einen bietet das Grundgesetz insbesondere seit seiner Änderung von 1992 verstärkte Ansatzpunkte für eine Beteiligung der Länder an auswärtigen Belangen. Zum anderen werden durch die Veränderungen der Staatlichkeit und die zunehmende Segmentation von Politikbereichen und involvierten Akteuren immer neue Möglichkeiten der externen Repräsentation von Länderinteressen geboten. Im auswärtigen Bereich manifestieren sich diese Veränderungen in einem gewandelten Verständnis des Gegenstandes »Außenpolitik«.

4 Abgedruckt in: Maunz-Dürig-Herzog-Scholz, Grundgesetz Kommentar, München, Art. 32, Rand-Nr. 45. 5 Trotz der umstrittenen Rechtsnatur des Verfahrens wurde eine Verfassungsänderung bisher nicht für notwendig gehalten. Es hat den Vorteil, daß die Bundesrepublik bei Verträgen stets völkerrechtlich abschlußfähig und innerstaatlich umsetzungsfähig ist. Vgl. Mugiera, a.a.O. (Anm. 1), S. 103; Nass, a.a.O. (Anm.3), S.624. 6 Vgl. Wilhelm Kewenig, Auswärtige Gewalt, in: Hans-Peter Schwarz (Hrsg.), Handbuch der deutschen Außenpolitik, 2. Auflage, München 1976, S. 37-43. 7 Vgl. Ulrich Fastenrath, Länderbüros in Brüssel. Zur Kompetenzverteilung für informales Handeln im auswärtigen Bereich, in: Die Öffentliche Verwaltung, Nr. 4, 1990, S. 125-136, hier S. 132f.

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Die traditionelle Auffassung sieht die auswärtigen Angelegenheiten als einen gesonderten politischen Sachbereich, der einem bestimmten Staatsorgan zugeschrieben werden kann. Sie gründet in einem klassischen Staatsverständnis, in dem Staatsfunktionen im Hinblick auf innere Rechtssicherung und äußeren Schutz dichotomisiert werden, und hat in der Politikwissenschaft im Modell der Billardkugeln ihren Ausdruck gefunden, welches Außenpolitik als Politik zwischen »Nationen« respektive zwischen den für sie handelnden Regierungen faßt. 8 Das allein Staaten als Akteure wahrnehmende Modell konzipiert diese als hermetisch abgeschlossene, gleichartige und identischen Gesetzmäßigkeiten unterworfene Handlungseinheiten. Diese Sichtweise wird dem Wandel der Staatlichkeit, der sich zur Zeit vollzieht, jedoch nicht mehr gerecht. In dessen Folge wird der Staat zum einen durch transund supranationale Regulierung »institutionell überwölbt« und zum anderen »gesellschaftlich unterlaufen und umgangen« 9 . Die dergestalt »perforierte nationalstaatliche Souveränität« 10 produziert ein Phänomen der »vielen Stimmen« 11 relativ autonomer Akteure in der Außenpolitik, verwischt die strikte Grenzziehung zwischen Innenund Außenpolitik und macht letztere durchlässig für gesellschaftliche Akteure. 12 In diesem Zusammenhang ist auch der Begriff der »Paradiplomatie« geprägt worden, der das internationale Handeln föderaler Einheiten bezeichnet. 13 Er steht nicht notwendigerweise für ein konfliktreiches Verhältnis zwischen zentralstaatlicher Außenpolitik und subnationalem internationalem Handeln. Letzteres kann vielmehr unterschiedliche Formen annehmen: (i) kooperatives Handeln, das durch den Zentralstaat koordiniert wird und subnationales autonomes Handeln kaum ermöglicht; (ii) kooperatives Handeln, das gemeinsame Entscheidungsprozesse der nationalen und subnationalen Ebene beinhaltet; (iii) paralleles Handeln, das sich in gegenseitiger Kenntnisnahme vollzieht und einen ergänzenden Charakter besitzt; und (iv) paralleles Handeln subnationaler Einheiten, das im Konflikt zur nationalstaatlichen Außenpolitik steht. 14 Die Politikgestaltung in der Bundesrepublik läßt sich nicht exklusiv einem dieser Idealtypen zuordnen. Vielmehr lassen sich zwischen den verschiedenen Politikfeldern und selbst innerhalb eines Politikfeldes im Zeitverlauf verschiedene Typen para-

8 Vgl. Arnold Wolfers, Discord and Collaboration. Essays on International Politics, Baltimore 1962, S. 19. 9 Michael Zum, Jenseits der Staatlichkeit: Uber die Folgen der ungleichzeitigen Denationalisierung, in: Leviathan, Nr. 4, 1992, S. 490-513, hier S.507. 10 Ivo D. Duchacek, Perforated Sovereignties: Towards a Typology of N e w Actors in International Relations, in: Hans J. Michelmann!Panayotis Soldatos (Hrsg.), Federalism and International Relations. The Role of Subnational Units, Oxford 1990, S. 1-33. 11 Panayotis Saldatoi, An Explanatory Framework for the Study of Federated States as Foreign-policy Actors, in: Michelmann/Soldatos, a.a.O. (Anm. 10), S. 34-53, hier S. 34. 12 Vgl. Ekkehart Krippendorff, Ist Außenpolitik Warenpolitik? Ein Beitrag zur Theorie und der Versuch, eine unhaltbare Unterscheidung aufzuheben, in: Politische Vierteljahresschrift (PVS), N r . 3, 1963, S. 243-266; Ernst-Otto Czempiel, Neue Kleider, aber kein Kaiser? Ein Diskussionsbeitrag zu den analytischen Problemen der Internationalen Politik, in: PVS, N r . 2, 1981, S. 127-143; ders., Vergesellschaftete Außenpolitik, in: Merkur, N r . 1, 1994, S. 1-14. 13 Vgl. Duchacek, a.a.O. (Anm. 10); Soldâtes, a.a.O. (Anm. 11); Brian Hocking, Bridging Boundaries: Creating Linkages. Non-Central Governments and Multilayered Policy Environments, in: WeltTrends, N r . 11, 1996, S. 36-51. 14 Vgl. Soldatos, a.a.O. (Anm. 11), S. 38.

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diplomatischen Handelns finden. Sie werden in den folgenden beiden Abschnitten anhand der externen Repräsentation der Länderinteressen in der Europäischen Union (EU) sowie im Hinblick auf andere Schwerpunktbereiche des auswärtigen Handelns der Länder aufgezeigt.

E X T E R N E REPRÄSENTATION DER LÄNDERINTERESSEN IN DER EUROPAPOLITIK

Durch die Dynamik der europäischen Integration der letzten Jahre ist die Handlungsfähigkeit der Länder einerseits durch europäische Eingriffe in deren Entscheidungsbereiche eingeschränkt, andererseits durch die zunehmende Anerkennung einer aktiven Rolle subnationaler Einheiten auf europäischer Ebene ausgeweitet worden. 15 Wie an keinem anderen Beispiel kann an dieser erweiterten auswärtigen Handlungsfähigkeit der Länder deutlich gemacht werden, durch welch unterschiedliche Kanäle die Länder ihre Belange extern zur Geltung bringen. Die Mitwirkung der Länder beruht traditionell auf zwei Prinzipien: zum einen auf dem Informationsprinzip, das die Bundesregierung verpflichtet, den Bundesrat über alle Vorhaben der Europäischen Gemeinschaft bzw. heute der Europäischen Union zu unterrichten, die für die Länder von Interesse sein könnten, zum anderen auf dem Prinzip der Mitwirkung der Länder durch den Bundesrat bei Übertragung von Hoheitsrechten von der Bundes- und Landesebene auf die europäische Ebene. 16 Die durch die Vertiefung der europäischen Integration nach Maastricht und durch die deutsche Vereinigung notwendig gewordene Grundgesetzänderung hat zum Teil bereits bestehende Mitwirkungsrechte der Länder verfassungsrechtlich abgesichert und ist in einigen Punkten erhebliche Schritte weitergegangen.17 Einzelheiten der Länderbeteiligung regeln Art. 23 Abs. 2-6, Art. 50 und Art. 24 Abs. 1 a G G sowie ein Ausführungsgesetz und zusätzlich eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern. 18 Der neue Art. 23 bindet die Übertragung von Hoheitsrechten von Bundes- und 15 Zur Rolle der Länder in der deutschen Europapolitik vgl. auch den Beitrag von Werner Hoyer in diesem Band. 16 Das Informationsprinzip wie auch ein beschränktes Beteiligungsverfahren haben bereits seit der Ratifikation der Römischen Verträge Tradition und wurden mit der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) von der Länderkoordination auf der »dritten Ebene« in den Fachministerkonferenzen auf den Bundesrat übertragen. Ein wirkliches Mitwirkungsrecht wurde jedoch erst mit der Ratifikation des Vertrags von Maastricht und mit der Grundgesetzänderung festgeschrieben. 17 Die Bestimmungen des neuen Art. 23 GG lösten heftige Kontroversen zwischen Bund und Ländern aus. Der Bund befürchtete, seine außenpolitischen Kompetenzen zu verlieren und den Bundesstaat der Gefahr eines Aufweichens zu einem ineffizienten, losen Staatenverein auszusetzen. Dagegen argumentierten die Länder mit der fortschreitenden Transformation der Europapolitik zu einer »europäischen Innenpolitik«, mit der direkten Berührung von Länderkompetenzen sowie mit einer größeren Sachkompetenz in den in ihre Zuständigkeit fallenden Bereichen. 18 Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12.3.1993, abgedruckt in: Bundesgesetzblatt (BGBl.) 1993, Teil I, S. 313-315; Vereinbarung vom 29.10.1993 zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Länder über die Zusammenarbeit in Angelegenheiten der Europäischen Union in Ausführung von § 9 des Gesetzes vom 12.3.1993 über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union, abgedruckt in:* Bundesanzeiger, Nr. 226, 1993, S. 10425f.

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Landesebene auf die Europäische Union an die Zustimmung des Bundesrates. Danach gilt nun folgendes: - In Angelegenheiten der EU wirken durch den Bundesrat die Länder mit (Art. 23 Abs. 2). - Wenn im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betroffen sind, ist die Auffassung des Bundesrates »maßgeblich zu berücksichtigen« (Letztentscheidungsrecht); in anderen Fällen »berücksichtigt« die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesrates (Art. 23 Abs. 5). - Ländervertreter können in europäischen Gremien - einschließlich des Ministerrates - die Verhandlungen führen, wenn es um ausschließliche Länderkompetenzen geht. Sie sind dann dem Bundesrat verantwortlich (Art. 23 Abs. 6). Vorrangiges Problem der Zusammenarbeit sind Auffassungsunterschiede zwischen Bund und Ländern in der Frage der Einordnung eines EU-Vorhabens unter die Voraussetzungen für die gesteigerten Mitwirkungsmöglichkeiten der Länder. Die Ubertragung der Verhandlungsfähigkeit auf der politischen Ebene hat verschiedentlich zu Auseinandersetzungen mit der Bundesregierung geführt. Insbesondere im Bildungsund Kulturbereich hat die nicht klare Soll-Vorschrift für Auslegungsschwierigkeiten gesorgt. So ist es in den Jahren 1993 bis 1995 bei zwölf angewandten Fällen von Art. 23 Abs. 6 GG zu drei Streitfällen gekommen, in denen sich der Bund deshalb hat durchsetzen können, weil die Länder nur mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts eine Klärung der Anwendung der Vorschrift hätten herbeiführen können, was allerdings nur eine theoretische Option darstellt, da einer solchen gerichtlichen Entscheidung die Sachentscheidung auf europäischer Ebene zeitlich zuvorkommt. 19 Die Neufassung der Art. 23 und 50 GG hat die Stellung des Bundesrates als zentrales Organ der Länderbeteiligung verfestigt und seiner die Länderexekutiven in europapolitischen Angelegenheiten repräsentierenden Funktion als Bundesorgan Verfassungsrang gegeben. Gegenüber dem alten Art. 24 Abs. 1 GG, der den Bund ermächtigte, durch einfaches Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen zu übertragen - auch Kompetenzen, die zum Hoheitsbereich der Länder gehören - , gesteht der ergänzte Abs. 1 a den Ländern das Recht der Übertragung von Hoheitsrechten auf grenznachbarschaftliche Einrichtungen in ihrem Zuständigkeitsbereich mit Zustimmung der Bundesregierung zu. Neben dieser kooperativen Form paradiplomatischen Handelns, die gemeinsame Entscheidungsprozesse der nationalen und subnationalen Ebene beinhaltet, führten vor allem Informationsdefizite in der Zeit vor Maastricht zur Herausbildung eines parallelen Handelns der Länder mit ergänzendem Charakter. Offizielle Dokumente 19 Mittlerweile haben sich Vertreter der Europaministerkonferenz und des Bundes darüber verständigt, daß ein kooperatives Verfahren in solchen Fällen Anwendung finden soll und verfassungsgerichtliche Streitigkeiten möglichst zu vermeiden sind. Uber die Ausgestaltung des Verfahrens wird z.Zt. noch verhandelt. Insgesamt wurde festgestellt, daß sich die Bund-Länder-Vereinbarung bewährt hat und insgesamt kein Anderungsbedarf besteht. Quelle: Uberprüfung der Bund-Länder-Vereinbarung über die Zusammenarbeit in Angelegenheiten der Europäischen Union. Unveröffentlichte Vorlage des Staatsministeriums Baden-Württemberg und des Ministeriums für Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Nordrhein-Westfalen für die Europaministerkonferenz am 27.2.1997.

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erreichten oft erst mit erheblicher Verzögerung die Länderministerien, denen in der Folge kaum Zeit zu einer fundierten Stellungnahme blieb. 20 Der wichtige Faktor des Zeit- und Informationsmanagements bei der Beteiligung der Länder an der Europapolitik veranlaßte die Länder, nach immer neuen Wegen des auswärtigen Handelns zu suchen und eigenständige Informationskanäle nach Brüssel aufzubauen. Die älteste Einrichtung ist der Länderbeobachter des Bundesrates, der seit 1958 prioritär über die abschließenden Entscheidungsprozesse des Rates sowie in abgeschwächter Form über die Beratungen der Kommission, vor allem über die erfahrbaren Hintergründe, berichtet. Der Länderbeobachter ist als gemeinsame Einrichtung aller Länder nur für die Informationsbeschaffung zuständig und ist Teil der deutschen Delegation. Eine weitere Form der Beteiligung ist die Entsendung von Ländervertretern in die deutsche Delegation zu den Verhandlungen in jenen Beratungsgremien des Rates und der Kommission, die von dem Bundesratsverfahren betroffen sind. Die vom Bundesrat bestimmten Ländervertreter sind in der Regel höhere Verwaltungsbeamte aus den jeweils zuständigen Ministerien, die über die nötige Sachkenntnis der zu verhandelnden Materie verfügen. Bei der Entsendung von Ländervertretern in die europäischen Gremien ist ein deutliches Ubergewicht der großen Landesverwaltungen von Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg festzustellen, das die festgelegten Ländergewichte im Bundesrat übersteigt.21 Wegen des Aufwands und der Kosten einer solchen Beteiligung können kleinere Landesadministrationen hierbei kaum mithalten. Komplementär zur Einbindung über den Bund haben sich die Länder seit Mitte der achtziger Jahre um einen direkten Kontakt zur Kommission bemüht, um den Informationsfluß von Brüssel in die Länder zu stärken und ein eigenständiges »Lobbying« in Brüssel zu etablieren. Die Infrastruktur dafür wurde durch die Eröffnung sogenannter Informations- bzw. Verbindungsbüros der Länder bei der Europäischen Gemeinschaft (EG) Mitte der achtziger Jahre geschaffen.22 Diese Büros sind im Zuge der Grundgesetzneufassung in ihrer Funktion als ständige Verbindungen der Länder zur E U legitimiert worden. Die Arbeit der Büros machte sehr schnell deutlich, daß die Beziehungen zu den Gemeinschaftsorganen eine große Zahl an persönlichen Kontaktkanälen erfordert. Da die Länder auf vielen Gebieten von Gemeinschaftspolitiken

20 Vgl. Erfahrungsbericht der Bevollmächtigten der Länder beim Bund über das Beteiligungsverfahren nach Art. 2 EEAG vom 16.5.1990, abgedruckt in: Joachim Bauer (Hrsg.), Europa der Regionen. Aktuelle Dokumente zur Rolle und Zukunft der deutschen Länder im europäischen Integrationsprozeß, Berlin 1991, S. 63-91. 21 Im Jahr 1996 waren rund 450 Ländervertreter (1995: ca. 400) im Rahmen von Ratstagungen, -gruppen und Ausschüssen, in Kommissionsgremien, Weisungs- und Vorbereitungssitzungen der Bundesregierung sowie in vorlagenbezogenen Gremien tätig. Seither ist diese Praxis aufgrund der zu großen Belastung deutlich reduziert worden. Quellen: Staatsministerium Baden-Württemberg, Baden-Württemberg in Europa. Bericht an den Landtag von Baden-Württemberg über die Europapolitik der Landesregierung im Jahre 1995, Stuttgart 1996; ferner mündliche Auskünfte aus der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen, dem Staatsministerium Baden-Württemberg und dem Bundesrat. 22 Vgl. Konrad Zumschlinge, Die Informationsbüros der Bundesländer in Brüssel. Zu den verschiedenen Informations- und Mitwirkungsmöglichkeiten der Bundesländer in Angelegenheiten der Europäischen Gemeinschaften, in: Die Verwaltung, Nr. 2, 1989, S. 217-236.

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tangiert sind, müssen Kontaktnetze in unterschiedlichen Sektoren etabliert werden. Die quantitative und qualitative Ausgestaltung der Kontakte hängt stark von den zur Verfügung stehenden administrativen Ressourcen der Länderbüros ab. Vor allem die größeren Länder verstärkten ihre Büros nach der Gründungsphase in personeller und finanzieller Hinsicht rasch.23 Durch den kontinuierlichen Ausbau paralleler paradiplomatischer Strategien sowie durch die Verstärkung der Länderbeteiligung ist die rechtzeitige Information mittlerweile kein zentrales Problem mehr.24 Die Hauptschwierigkeit stellt sich statt dessen nun bei der Bewältigung der Informationsflut. So hat etwa die Bundesregierung dem Bundesrat und den Ländern im Jahre 1995 ca. 7 000 EU-Dokumente übersandt. 139 davon wurden als Bundesratsdrucksachen umgedruckt und im Bundesrat beraten. Die EU-Dokumente werden zentral vom Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) an den Bundesrat weitergeleitet. Von dort aus nehmen sie den Weg über die jeweiligen Landesvertretungen in Bonn in die Länder; dies dauert meist nicht länger als vier Wochen. Um die neuen Anforderungen zu bewältigen, ist in den Länderverwaltungen das Personal aufgestockt und die technische Infrastruktur ausgebaut worden. 25 Mit dem im Vertrag von Maastricht etablierten Ausschuß der Regionen (AdR) haben die Länder ein weiteres Instrument zur eigenständigen Teilnahme an der Europapolitik erhalten.26 Die 222 Vertreter regionaler und lokaler Gebietskörperschaften im AdR erfüllen reine Beratungsfunktionen. Die Befugnisse des Ausschusses sind auf Rechte zur Anhörung und zur Abgabe von Stellungnahmen beschränkt und konzentrieren sich auf die Bereiche Bildung, Arbeit, Gesundheit, Kultur sowie wirtschaftliche und soziale Kohäsion. Die Bundesrepublik ist im AdR durch 22 Ländervertreter und 3 Vertreter von Gemeinden und Gemeindeverbänden repräsentiert, die von den Landesregierungen benannt werden. Die Nominierung von hohen politischen Repräsentanten für die Vertretung der Länder im Ausschuß unterstreicht die Bedeutung, die die Länder dem AdR beimessen. Parallel zu den institutionalisierten innerstaatlichen Beteiligungsmöglichkeiten der Länder über die Bundesebene und zu den informellen Bemühungen um direktes »Lobbying« auf der europäischen Ebene versuchen die Länder, ihre Position durch Koordination ihrer Interessen als »Politik der Dritten Ebene« zu stärken. Dies geschieht nicht nur durch die strategische Vernetzung der Informationsbüros, sondern 23 Kleinere Bundesländer wie das Saarland oder die Stadtstaaten, die ihre Brüsseler Büros nur mit geringen personellen und finanziellen Mitteln ausstatten können, waren und sind gezwungen, ihre Kontaktkanäle auf ausgewählte Problemfelder zu beschränken. 24 Eine Ausnahme bilden hierbei die Landtage. Obwohl mittlerweile in vielen Landesverfassungen Informationsrechte verankert worden sind, kommen die Länderparlamente kaum mit dem Tempo der europäischen Politikgestaltung und mit den unterschiedlichen Sitzungsrhythmen zurecht. Die Europapolitik der Länder ist eine Politik der Exekutive. 25 Wieder war es für die kleineren Länder im Vergleich schwerer, u.a. in jedem Ministerium ein Europareferat einzurichten, Personal in den Büros in Brüssel und Bonn aufzustocken und/oder ein eigenes Europaministerium einzurichten. Mittlerweile ist diese Aufbauphase zumindest zu einem Stillstand gekommen, wenn nicht gar ein rückläufiger Trend eingesetzt hat. 26 Vgl. Michèle Knodt, Ausschuß der Regionen, in: Beate Kohler-Koch/Wichard Woyke (Hrsg.), Lexikon der Politik, Band 5: Die Europäische Union, München 1996, S. 20-22.

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P O L I T I S C H E S SYSTEM, G E S E L L S C H A F T U N D A U S S E N P O L I T I K

Abbildung 1: Repräsentation der Länder in der europäischen Integration

[ Länderbeobachter

Deutsche Delegation, Bundes- u. Ländervertr

^

Informationsbeschaffung

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Bundesrat

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Bundesregierun EU-

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^AusschuB ausschüsse

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Landesregierung / Landcsverwaltung

Λ Landtag

"POLITIK DER „DRITTEN EBENE"

Landesregierung / Landesverwaltung (innerhalb D und europaweit)

informelle Beziehungen

J

|

Fachministerkonferenzen/ Europaministerkonferenz (grenzüberschreitende und interregionale Zusammenarbeit)

institutionalisierte Beziehungen

Politik der „Dritten Ebene" landcrabergreifendc Kooperation zum Abstimmen gemeinsamer Positionen bzw. arbeitsteiligem Vorgehen

Quelle: Michèle Knodt, Tiefenwirkung europäischer Politik. Eigensinn oder Anpassung regionalen Regierens?, Baden-Baden 1998, S. 56.

vor allem auch durch die im Oktober 1992 gegründete Ständige Konferenz der Europaminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (EMK). Bemerkenswert ist die horizontale Länderkoordination, da sie wie im Fall der Maastrichter Verhandlungen um eine interregionale Dimension erweitert wird. Die Länder hatten schnell erkannt, daß neben der nationalen Koordination eine verstärkte interregionale Zusammenarbeit notwendig sein würde, um ihre Forderungen nicht als allein deutsche Vorstellungen erscheinen zu lassen und somit deren Durchsetzung zu erleichtern. Sie haben daher parallel zu den innerstaatlichen Vorbereitungen auch das bereits

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vorhandene interregionale Netzwerk im Rahmen der Versammlung der Regionen Europas (VRE) und der Konferenz »Europa der Regionen« genutzt. Abbildung 1 faßt die vielfältigen Kanäle des auswärtigen Handelns der Länder in bezug auf die Europäische Union noch einmal schematisch zusammen.

PARALLELE PARADIPLOMATISCHE STRATEGIEN DER DEUTSCHEN LÄNDER

In der Darstellung des auswärtigen Handelns der Länder in der E U sollte deutlich geworden sein, daß die Länder ihre Interessen nach außen sowohl in einer kooperativen Form gemeinsam mit dem Bund in einer Art »doppelter Politikverflechtung« 27 repräsentieren als auch parallele paradiplomatische Strategien wie im Fall der Brüsseler Vertretungen anwenden. Wie der folgende Blick auf andere, nicht zur Europapolitik im engeren Sinne zählende Schwerpunktfelder jedoch zeigt, stellt die enge kooperative Politikgestaltung zwischen Bund und Ländern eher die Ausnahme, die parallel zur Bundesaußenpolitik ablaufende Paradiplomatie die Regel im auswärtigen Handeln der Länder dar. Hierbei können folgende Schwerpunktbereiche identifiziert werden: grenzüberschreitende und interregionale Zusammenarbeit, regionale Wirtschaftsförderung, Entwicklungspolitik, Kultur- und Bildungspolitik sowie Asyl- und Migrationspolitik. Grenzüberschreitende und interregionale Zusammenarbeit beruht auf der Einsicht in die Vorzüge dezentraler Steuerung sowie auf der Notwendigkeit grenzüberschreitender Problemlösungen und der Bündelung von Kräftefeldern zur Schaffung von Synergieeffekten. Staatsgrenzen übergreifende Kooperation kann etwa auf der Grundlage wirtschaftlich-struktureller Gemeinsamkeiten grenzüberschreitende Wirtschaftsräume und Arbeitsmärkte entstehen lassen und somit sozio-ökonomische Vorteile erzielen. Die Aktivitäten der zahlreichen grenzüberschreitenden Zusammenschlüsse 28 beziehen sich hauptsächlich auf jene Sachbereiche, die den Kompetenzen der Länder entsprechen, also auf Soziales, Bildung, Kultur, Wirtschaft und Umwelt. Seit der Grundgesetzänderung von 1992 haben die in grenzüberschreitender Zusammenarbeit tätigen Gebietskörperschaften gemäß Art. 24 Abs. 1 a G G die Möglichkeit, hoheitliche Befugnisse auf öffentlich-rechtliche grenznachbarschaftliche Gremien zu übertragen, was zuvor nur durch den Abschluß von Staatsverträgen zwischen den Zentralregierungen möglich war, die dann die Rechtsgrundlage für beratende

27 Rudolf Hrbek, Doppelte Politikverflechtung: Deutscher Föderalismus und Europäische Integration. Die deutschen Länder im EG-Entscheidungsprozeß, in: den./Uwe Thaysen (Hrsg.), Die deutschen Länder und die Europäischen Gemeinschaften. Referate und Diskussionsbeiträge eines Symposiums der Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen am 20./21.6.1986 in Stuttgart, Baden-Baden 1986, S. 17-36. 28 Vgl. Bernd Groß/Peter Schmitt-Egner, Europas kooperierende Regionen. Rahmenbedingungen und Praxis transnationaler Zusammenarbeit deutscher Grenzregionen in Europa, Baden-Baden 1994, S. 44f. u. 109-124.

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transnationale Gremien der Zusammenarbeit auf subnationaler Ebene ohne Entscheidungsbefugnis bildeten. Als Prototyp für diese neue Form der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit kann das sogenannte Karlsruher Ubereinkommen zwischen der Bundesrepublik, Frankreich, Luxemburg und der Schweiz über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften und örtlichen öffentlichen Stellen gelten.29 Mit ihm wurde ein Rahmen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit geschaffen, der Vereinbarungen nichtvölkervertraglichen Charakters sowie die Übertragung von Hoheitsrechten auf grenznachbarschaftliche Einrichtungen mit Zustimmung der Bundesregierung ermöglicht. Mitunter gehen in der interregionalen Zusammenarbeit ökonomische Interessen mit dem Ziel der besonderen Profilierung eines Landes einher. Ein stärkeres ökonomisches Gewicht, die damit verbundene zunehmende Finanzkraft sowie eine gestärkte regionale Identität können im innerstaatlichen und europäischen Wettbewerb vorteilhaft sein. So betonte der frühere Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, Lothar Späth, in den achtziger Jahren mit seiner Initiative zur Gründung der Arbeitsgemeinschaft »Vier Motoren für Europa« den »Musterlandcharakter« und die regionale Identität Baden-Württembergs als eines prosperierenden Wachstumsmotors für die Bundesrepublik und für Europa. Nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes ist die regionale Wirtschaftsförderung Aufgabe der Länder, an deren Erfüllung der Bund nur im Rahmen ausdrücklich verliehener Kompetenzen mitwirkt. Die regionale Wirtschaftsförderung hat traditionell eine stark außenpolitische Komponente. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts gab es wirtschaftliche Unterstützungsmaßnahmen wie Auslandsstipendien für heimische Handwerker, Exporthilfen sowie die Förderung der Beteiligung inländischer Firmen an Auslandsmessen bzw. der Organisation internationaler Messen im Inland. Heute werden diese Instrumente durch die Gewährung von Ausfallgarantien für Exportgeschäfte sowie durch die vorübergehende oder dauerhafte staatliche Präsenz der Länder in anderen Staaten ergänzt. Besonders deutlich wird die Vielfalt der heutigen außenwirtschaftspolitischen Aktivitäten am Beispiel der Gesellschaft für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit Baden-Württemberg (GWZ), einer vom Land Baden-Württemberg und dem Landesverband der Baden-Württembergischen Industrie getragenen Wirtschaftsfördergesellschaft. Ihre Aufgaben umfassen u.a. die Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen des Landes bei der Erschließung ausländischer Märkte, die Anwerbung ausländischer Investoren, Berufsbildungsprojekte und die externe Präsenz durch Auslandsvertretungen.30 Angesichts des verschärften Standortwettbewerbs der Länder untereinander sind solche, die

29 Abgedruckt in: Gesetzblatt für Baden-Württemberg, Nr. 6, 1996, S. 173-184. Im Hinblick auf den Abschluß und die Ratifikation des 1996 in Kraft getretenen Abkommens gab es Meinungsunterschiede zwischen Bund und Ländern. Aus Ländersicht hätte für das innerstaatliche Wirksamwerden ein Landesgesetz ausgereicht, der Bund leitete jedoch ein Ratifikationsverfahren auf Bundesebene ein. Die Länder stimmten dem schließlich zu. 30 Vgl. Ihr Partner für internationale Unternehmenszusammenarbeit (Broschüre der Gesellschaft für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit Baden-Württemberg), Stuttgart 1996.

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entsprechenden Förderpolitiken des Bundes und die direkten Aktivitäten der privaten Wirtschaft ergänzenden Maßnahmen von einiger Bedeutung. Die Entwicklungspolitik der Länder trägt starke Züge der kooperativen Paradiplomatie mit Bundeskoordination. Grundlage der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern sind hier die Beschlüsse der Ministerpräsidenten der Länder aus den Jahren 1962 und 1988. 31 Dort werden als Schwerpunkte der Mitarbeit der Länder die Förderung von Aus- und Fortbildung von Fachkräften vor Ort und in Deutschland, die personelle Hilfe, die Durchführung von Projekten in Entwicklungsländern und die entwicklungspolitische Informations- und Bildungsarbeit angeführt. Deutlich wird in den Beschlüssen der Ministerpräsidenten herausgestellt, daß die Durchführung von Entwicklungshilfemaßnahmen im Ausland zunächst Sache des Bundes ist, daß die Länderentwicklungshilfe nur einen ergänzenden Charakter - insbesondere im Bereich der Bildung - hat und daß sie in enger Abstimmung mit dem Bund durchgeführt wird. Insgesamt gaben die Länder für die öffentliche Entwicklungsarbeit 1996 rund 2,3 Milliarden D-Mark (1986: 94 Millionen D-Mark) aus. Hinzu kommen noch die Ausgaben für Studenten aus Entwicklungsländern von rund 4 Milliarden D-Mark. Die Bund-Länder-Ausschüsse für wirtschaftliche Zusammenarbeit und für Entwicklungszusammenarbeit koordinieren die Politik der Bundes- und Länderebene. Werden Länderprojekte über die Finanzierung sogenannter Nichtregierungs-Organisationen ( N G O s ) als Projektträger durchgeführt, bedarf es keinerlei staatlicher Absprachen. Treten die Länder selbst als Projektträger auf, werden förmliche Verträge durch die Bundesregierung für die Länder geschlossen. Im Rahmen dieses Procedere funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im allgemeinen reibungslos. 32 Gelegentlich erzeugt die parallele Paradiplomatie der Länder jedoch auch Konflikte mit dem Bund. Dies war etwa der Fall, als einzelne sozialdemokratisch regierte Länder - wie auch Kommunen - entgegen der seinerzeitigen entwicklungspolitischen Zurückhaltung der Bundesregierung Hilfsmaßnahmen für Nicaragua organisierten und finanzierten. Konfliktbehaftet ist das auswärtige Handeln der Länder vor allem dann, wenn sich parteipolitische Motive mit ihm verbinden. Gleiches gilt für die immer häufigeren Auslandsauftritte von Länderministerpräsidenten und -ministem, die mitunter eher Wahlkampfzwecken dienen als der Vertretung von Länderinteressen. Die Parteien haben somit auch über die Länderpolitik die Möglichkeit, sich außenpolitisch in Szene zu setzen - was für die Bonner Oppositionsparteien wichtiger und leichter zu bewerkstelligen sein dürfte als für die Regierungsparteien. 33 Jedoch ist die Reisediplomatie nicht immer derart politisiert. 31 Beschluß von 1962 abgedruckt in: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Journalisten-Handbuch Entwicklungspolitik 1988, Bonn 1988, S.53f.; Beschluß von 1988 abgedruckt in: BMZ, Journalisten-Handbuch Entwicklungspolitik 1995, Bonn 1995, S. 53. 32 Vgl. Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern. Bericht der Landesregierung über entwicklungspolitische Maßnahmen im Jahr 1995 (Broschüre des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg), Stuttgart 1996. 33 Vgl. Raimund Krämer, Im internationalen Netzwerk. Brandenburg und seine auswärtigen Beziehungen (Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung, Internationale Probleme und Perspektiven, Nr. 2), Potsdam 1995, S. 29. Zum Thema Parteien und Außenpolitik vgl. auch die beiden Beiträge von Sebastian Bartsch in diesem Band.

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Oftmals geht es primär um die Anbahnung und Aufrechterhaltung von Kontakten, deren praktische Ergebnisse unterhalb der Ebene rechtlicher Verbindlichkeit bleiben. So werden Länderminister bei ihren Reisen häufig von Wirtschaftsvertretern begleitet, um gemeinsam eine bessere wirtschaftliche Vernetzung zu etablieren. Eine besondere Rolle spielt die seit einigen Jahren in Kooperation mit dem Bund betriebene Zusammenarbeit der Länder mit den Reformstaaten Mittel- und Osteuropas, wo im Rahmen partnerschaftlicher Beziehungen zahlreiche Projekte - in Ergänzung zu Hilfsmaßnahmen der Europäischen Union und des Bundes - verwirklicht werden. Der Großteil der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik wird in einem kooperativen Modus zwischen Bund und Ländern vollzogen. Während der Bund hier meist die Initiative ergreift, wird der mehrjährige Rahmen der auswärtigen Kulturarbeit über das Lindauer Abkommen durch Bund und Länder gemeinsam festgelegt. Die Implementation liegt hauptsächlich bei den Ländern. Schwerpunkte sind das Management der Deutschen Schulen im Ausland, die Vermittlung von Auftritten deutscher Künstler, die Ausbildung ausländischer Studenten vor allem aus Entwicklungsländern und die Unterstützung von Institutionen wie den Goethe-Instituten oder dem Deutschen Akademischen Austauschdienst ( D A A D ) . Ein anderes Beispiel für die Bund-Länder-Kooperation im Kulturbereich stellt das Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart dar. Hier stellte das Land zusammen mit der Stadt Stuttgart einen organisatorischen Rahmen sowie finanzielle Mittel für die Umsetzung von Initiativen der auswärtigen Kulturpolitik des Bundes zur Verfügung. Vor allem im Bildungsbereich gibt es aber ebenso Initiativen der Länder, die nicht in Abstimmung mit dem Bund durchgeführt werden. Diese sind meist eng mit dem Bereich der interregionalen und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit oder der regionalen Wirtschaftspolitik verknüpft. Im Bereich der Migrations- und Flüchtlingspolitik sind die Länder für den Vollzug der Aufnahme der Flüchtlinge und Asylbewerber zuständig. Das Anerkennungsverfahren wird zentral vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge durchgeführt. Zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Ländern ist es vor allem in bezug auf die Rückführung von Flüchtlingen gekommen, die als Polizeiangelegenheit in die Zuständigkeit der Länder fällt. Uber die Zumutbarkeit einer Rückführung entscheiden im konkreten Fall die Länder. Oft entscheiden die Länderinnenminister nach einer Beurteilung der Lage vor Ort. Im jüngsten Streit um die Rückführung bosnischer Flüchtlinge haben sich Ad-hoc-Koalitionen gebildet, und zwar jener Länder einerseits, die eher für eine rigidere Abschiebepraxis eintreten, und solcher Länder andererseits, die eine »weichere« Lösung favorisieren. Der Zusammenschluß der Länder geschieht dabei parteienübergreifend, und die Konfliktlinien sind bestimmt durch die von Land zu Land unterschiedliche Belastung durch die Aufnahme von Flüchtlingen. Aber auch die Haltung des Bundes ist gespalten: So sah einerseits Bundesaußenminister Klaus Kinkel durch die Abschiebepraxis des bayerischen Innenministers Günther Beckstein im April 1997 das Ansehen beschädigt, das sich Deutschland in der Welt durch die Aufnahme von bosnischen Kriegsflüchtlingen erworben habe, während andererseits Bundesinnenminister Manfred Kanther sich für

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eine härtere Gangart in der Abschiebepraxis einsetzte und die zögerlichen Länder kritisierte.34

FAZIT

Der steigende Handlungsdruck durch Globalisierung und fortschreitende europäische Integration auf der einen sowie durch die »Transformation des Regierens« im Sinne von Veränderungen der gesellschaftskonstitutiven Funktionen der Staatlichkeit, einer Abkehr von hierarchischen Steuerungsmechanismen hin zu multiplen Formen des Aushandelns politischer Problemlösungen sowie einer Aufwertung der regionalen Ebene im europäischen Mehrebenensystem - auf der anderen Seite hat zu Segmentationsphänomenen im Bereich der Außenpolitik geführt, die subnationale Einheiten wie die deutschen Länder immer stärker an den auswärtigen Beziehungen des Staates teilnehmen lassen. Obgleich die Länder keine neuen Akteure auf der außenpolitischen Bühne sind, hat sich ihre Rolle in zweierlei Hinsicht entscheidend gewandelt. Zum einen hat eine quantitative Veränderung stattgefunden, da sowohl der Umfang der betroffenen Politikbereiche als auch die Dichte der Interaktionen der involvierten Akteure zugenommen hat. Zum anderen ist ein Wandel in qualitativer Hinsicht feststellbar, der dadurch gekennzeichnet ist, daß die Länder ihr auswärtiges Handeln nicht allein auf die Möglichkeiten des kooperativen Föderalismus beschränken, sondern verstärkt ihre eigenen externen Repräsentations- und Kontaktkanäle aufgebaut haben, deren Ausgestaltung von Politikfeld zu Politikfeld variiert. Neben der gemeinsamen, kooperativen Form der Paradiplomatie wenden die Länder auch parallele paradiplomatische Strategien an. Letztere können ergänzend und in einigen Fällen durchaus auch im Konflikt zur Außenpolitik des Bundes angelegt sein. Zwei unterschiedliche Konfliktbereiche lassen sich ausmachen: Zum einen entstehen Probleme aus der parallelen Paradiplomatie außerhalb der europäischen Integration, wenn parteipolitische Konfliktlinien in außenpolitisches Handeln verlängert werden. Zum anderen sind immer wieder grundsätzliche Differenzen zwischen Bund und Ländern über den Charakter des auswärtigen Handelns zu beobachten, bei denen die berechtigten Interessen beider Seiten besonders in Zeiten der Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen - vor allem an Fortschritte im europäischen Integrationsprozeß - aufeinandertreffen. Der Bund fürchtet um sein Außenvertretungsmonopol, eine fortlaufende Einschränkung seiner Handlungsmöglichkeiten und eine Transformation des deutschen Föderalismus hin zu einem stärker konföderativen System. Die Länder hingegen versuchen, weil ihre politischen Gestaltungsmöglichkeiten immer stärker von externen Entwicklungen tangiert werden, ihre Handlungsfähigkeit zur Abwehr negativer Einflüsse zu verbessern und verweisen dabei vor allem im europapolitischen Kontext auf ihre originäre Zuständigkeit in einzelnen Politikfeldern und auf ihre große Sachkompetenz. Die Balance zwischen diesen beiden Interessenlagen ist 34 Für wertvolle Hinweise zur Flüchtlingspolitik danke ich Steffen

Angenendt.

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schwer zu finden. In der tagtäglichen Praxis verlaufen die Prozesse der Information, Koordination und Zusammenarbeit jedoch meist weniger schwierig, als die politische und wissenschaftliche Diskussion vielleicht vermuten läßt. Insgesamt ist die Wirkung des außenpolitischen Handelns der Länder ambivalent. Die Länder begrüßen selbstverständlich jede Verbesserung ihrer Handlungsfähigkeit. Doch auch von einem gesamtstaatlichen Standpunkt aus müssen die zunehmenden auswärtigen Aktivitäten der Länder nicht nur negativ als Einmischung in Bundesangelegenheiten bewertet werden. In vielen Fällen können sie die Bundespolitik sinnvoll ergänzen. So kann es Landesministern und Ministerpräsidenten etwa leichterfallen, bilaterale Beziehungen neu zu knüpfen, die von Bundesseite für eine Zeitlang ausgesetzt oder noch gar nicht aufgenommen worden sind. Auch eine sinnvolle Arbeitsteilung wie bei den Bildungsmaßnahmen im Rahmen der Entwicklungspolitik kann als positiver Aspekt angesehen werden. Und schließlich kann eine frühzeitige institutionelle Einbindung der Länder, die viele multilaterale Vereinbarungen implementieren müssen, mitunter sogar strategische Vorteile für die Position Deutschlands in internationalen Verhandlungen bieten, etwa wenn der Hinweis auf - tatsächlich oder vorgeblich - voraussehbare Schwierigkeiten bei der innerstaatlichen Umsetzung multilateraler Vereinbarungen dazu benutzt werden kann, die deutsche Verhandlungsposition zu untermauern. 35 Die Länder haben durch die Schaffung multipler Wege der externen Interessenrepräsentation eine größere Handlungsfähigkeit erhalten. Gleichzeitig nimmt hierdurch der Wettbewerb der Länder untereinander zu. Die Chancen einer erfolgreichen externen Repräsentation sind unterschiedlich verteilt: Vor allem die mit administrativen und finanziellen Ressourcen schwach ausgestatteten und die neuen Bundesländer sind strukturell im Nachteil. Neueste Untersuchungen haben gezeigt, daß neben den fehlenden administrativen Ressourcen auch eine schlechte innerregionale Vernetzung und unzureichende Fähigkeiten zur strategischen Interaktion der relevanten Akteure innerhalb eines Bundeslandes für eine defizitäre externe Handlungsfähigkeit verantwortlich gemacht werden können. 36 Diese strukturelle Benachteiligung scheint auf Dauer angelegt zu sein und entwickelt den deutschen Föderalismus in die Richtung eines Konkurrenzföderalismus. Für die wissenschaftliche Analyse der Außenpolitik bedeutet das Aufweichen des außenpolitischen Alleinvertretungsanspruchs der zentralstaatlichen Ebene, daß sie sich über die Interpretation des verfassungsrechtlichen Rahmens hinaus auch zunehmend mit den multiplen informellen und formellen Möglichkeiten des außenpolitischen Handelns der subnationalen Einheiten beschäftigen muß, will sie die auswärtigen Beziehungen nicht eindimensional erfassen.

35 Vgl. Robert D . Putnam, Diplomacy and Domestic Politics: The Logic of Two-Level Games, in: International Organization, N r . 3, 1988, S. 427-460. Für diesen Hinweis danke ich Sebastian Bartsch. 36 Vgl. Beate Kohler-Koch, Leitbilder und Realität der Europäisierung der Regionen, in: dies, et al., Interaktive Politik in Europa: Regionen im Netzwerk der Integration, Opladen 1998, S. 231-253; Michèle Knodt, Tiefenwirkung europäischer Politik. Eigensinn oder Anpassung regionalen Regierens?, Baden-Baden 1998.

AUSSENPOLITISCHER EINFLUSS UND AUSSENBEZIEHUNGEN DER PARTEIEN Sebastian Bartsch* Mit der Frage nach der Bedeutung der politischen Parteien für Außenpolitik und Außenbeziehungen 1 Deutschlands öffnet sich ein komplexes und bislang unzureichend erforschtes Feld. Daß die Parteien politische Programme formulieren, das zu wählende politische Personal bereitstellen und auch die Regierungsposten personell bestücken, ist in der parlamentarischen Demokratie unbestrittene Realität. Inwieweit sie jedoch auch die Inhalte der Politik und das Regierungshandeln beeinflussen oder gar bestimmen, ist eine Frage, die sich weniger leicht beantworten läßt, als es zunächst den Anschein haben mag. 2 Die Analyse des Konnexes zwischen Parteien und Außenpolitik ist aus mehreren Gründen schwierig. Erstens sind die Parteien zum einen als Vereinigungen dem sozio-kulturellen System der Gesellschaft zugehörig, deren Interessen sie politisch artikulieren und in das politische System transportieren sollen, zum anderen übernehmen ihre Mandatsträger im Staat politische Verantwortung. Dieses doppelte Funktionsprofil eröffnet den Parteien mehrere Handlungsebenen für die Einflußnahme auf Politik (auch auf Außenpolitik). Beginnend mit der gesellschaftlichen Ebene reichen sie über die für die Vermittlung zwischen der politischen Willensartikulation der Bürger und dem Staats- und Regierungshandeln zentrale Institution des Parlaments und über das Regierungshandeln selbst, hinter dem auch - wenn auch nicht exakt meßbar - Parteipolitik und Parteiprogrammatik stehen, bis hin zu den transnationalen Außenbeziehungen, die die Parteien in zunehmendem Umfang selbst unterhalten und durch die sie - unabhängig von ihrer nationalen Regierungs- oder Oppositionsrolle - zu internationalen Akteuren werden. Zu beachten ist zweitens, daß die politischen Prozesse auf den verschiedenen Handlungsebenen seit einiger Zeit einem beschleunigten Wandel unterliegen. Diese Entwicklung schließt eine Erosion der gesellschaftlichen Verankerung der Parteien und einen Rückgang der Steuerungs- und Kontrollkapazität nationaler politischer Institutionen im Angesicht zunehmend interdependenter und multilateralisierter, europäisierter und globalisierter politischer und ökonomischer Prozesse ein. Die

* Der Autor dankt den Mitarbeitern der Parteien und Fraktionen, die ihm als Gesprächspartner zur Verfügung standen: Johann Adolf Cohausz, Hans-Joachim Falenski, Jutta Frasch, Andrea Gysi, V L R I Dr. Hans-Dieter Heumann, Dr. Michael Hofmann, Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, Christoph Liedtke, V L R Wolfram Maas, Dieter A. Schmidt, Dr. Frithjof Schmidt, Achim Schmillen und Jürgen Schnappertz. Wertvolle Anregungen zur Überarbeitung eines ersten Textentwurfs gaben Prof. Dr. Wolf-Dieter Eberwein, Dr. Gunther Hellmann und Beatrix Schmelzte. 1 Zur begrifflichen Unterscheidung vgl. die Einleitung von Wolf-Dieter Eberwein und Karl Kaiser in diesem Band. 2 Vgl. Manfred G. Schmidt, Parteien und Staatstätigkeit, in: Oscar W. Gabriel/Oskar Niedermayer/Ktchard Stöss (Hrsg.), Parteiendemokratie in Deutschland, Opladen 1997, S. 537-558.

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Internationalisierung vormals vorrangig innenpolitischer Sachbereiche verändert und verbreitert zudem den Bedeutungsgehalt von »Außenpolitik«. Drittens variieren die Einflußmöglichkeiten auf den verschiedenen Handlungsebenen von Partei zu Partei erheblich, wobei es einen entscheidenden Unterschied macht, ob eine Partei dem Regierungs- oder dem Oppositionslager angehört. Und selbst innerhalb dieser beiden Lager gibt es große Unterschiede zwischen den Handlungsmöglichkeiten der einzelnen Parteien. Daraus folgt, daß eine realitätsgerechte Analyse der Bedeutung der Parteien im Außenpolitikprozeß (i) nicht auf deren direkte Einflußmöglichkeiten auf die Regierung verengt werden darf, sondern die Vielfalt der Handlungsebenen in Augenschein nehmen muß, (ii) die die Parteien tangierende Veränderungsdynamik der politischen Prozeßabläufe zu berücksichtigen und (iii) die für die einzelnen Parteien unterschiedliche Bedeutung der einzelnen Handlungsebenen zu erfassen hat.

AUSSENPOLITISCHE O R G A N I S A T I O N S - U N D K O M M U N I K A T I O N S S T R U K T U R E N

Die außenpolitischen Strukturen der einzelnen Parteien 3 unterscheiden sich - mit Ausnahme der Beziehungen zur Exekutive, die naturgemäß auf seiten der Regierungsparteien sehr viel enger sind als bei den Oppositionsparteien - in formaler Hinsicht nur wenig. Hierzu zählen vor allem die Bundestagsfraktionen, die Führungsgremien der Parteien - insbesondere die Parteivorstände als unverzichtbare Koordinationsstellen 4 - und die außenpolitischen bzw. internationalen Abteilungen in den Parteizentralen, zudem die deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments (EP) 5 sowie im unmittelbaren Umfeld der Parteien die politischen Stiftungen6. Bei den Regierungsparteien spielen zusätzlich einzelne Kabinettsmitglieder - auch Staatssekretäre bzw. Staatsminister - eine zentrale Rolle. Die verschiedenen Handlungsebenen und ihre Hauptakteure sind eng miteinander vernetzt. Informelle Kontakte zwischen den Schlüsselakteuren sowie auf Referentenebene spielen eine weitaus größere Rolle als formalisierte Beziehungen. Intensität und Häufigkeit der Kommunikation sind im institutionellen Dreieck zwischen Regierung, Fraktionen und Parteiführungen am stärksten ausgeprägt und nehmen außerhalb dieses Zirkels ab. Eine formalisierte Koordinierung von politischen Leitlinien und Programmentwicklung - nicht jedoch der operativen Tagespolitik - findet in einem

3 Die vorliegende Analyse bezieht sich auf die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien: CDU, CSU, FDP, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS. 4 Vgl. Dietrich Herzog, Die Führungsgremien der Parteien: Funktionswandel und Strukturentwicklungen, in: Gabriel/Niedermayer/Stöss, a.a.O. (Anm. 2), S. 301-322. 5 Zu den Kommunikationsstrukturen zwischen Fraktionen und Mitgliedern des EP und nationalen Parteien vgl. Sabine Steppat, The Federal Republic of Germany, in: Roger M organ/Clare Tame (Hrsg.), Parliaments and Parties. The European Parliament in the Political Life of Europe, London 1996, S. 85-122. 6 Vgl. hierzu auch den Beitrag von Sebastian Bartsch in diesem Band.

PARTEIEN

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Gremium statt, das bei C D U , CSU und FDP unter dem Namen »Bundesfachausschuß« bzw. »Fachausschuß« und bei Bündnis 90/Die Grünen als »Bundesarbeitsgemeinschaft« firmiert.7 Kontakte vor allem informeller Art gibt es auch über die Parteigrenzen hinweg, zum Beispiel zwischen den Fraktionen bzw. ihren Mitgliedern und Referenten sowie zwischen den politischen Stiftungen. Die Dichte dieser parteiübergreifenden Kommunikation verringert sich allerdings zum Rand des politischen Spektrums deutlich, namentlich zur PDS. Die außenpolitischen EntscheidungsZentren variieren von Partei zu Partei. Bei den Regierungsparteien konzentriert sich die Entscheidungskompetenz zweifellos beim Bundeskanzler und beim Außenminister, bei den anderen Parteien ist die Kräfteverteilung situationsabhängig zwischen Parteiführung und Bundestagsfraktion, mit einem meist deutlichen Ubergewicht der parlamentarischen Ebene, die aus der dortigen alltäglichen Befassung mit Fragen der Außenpolitik resultiert.8

D I E BEDEUTUNG DER PARTEIEN FÜR DIE GESELLSCHAFTLICHE VERANKERUNG DER AUSSENPOLITIK

Parteien haben in der Demokratie die zentrale Funktion, den Raum zwischen der Gesellschaft und den staatlichen Instanzen zu strukturieren und zwischen beiden Ebenen zu vermitteln. Artikulation und Kommunikation von politischen Inhalten, Bereitstellung direkter und indirekter Partizipationsmöglichkeiten, Integration und programmatische Bündelung gesellschaftlicher Interessen sowie Wahlen, Repräsentation und Umsetzung von Interessen und Programmen durch Mandats- und Funktionsträger in Parlament und Regierung sind die Kernelemente dieses Prozesses. Dabei ist zu beachten, daß Parteien sowohl als Formen öffentlicher oder nichtgouvernementaler Partizipation als auch als Kanäle angesehen werden können, durch die andere nichtgouvernementale Individuen oder Gruppen versuchen, auf die Politik Einfluß zu nehmen9 - eine Unterscheidung, auf die zurückzukommen sein wird. Die hier interessierende Frage lautet: Was leisten die Parteien für die gesellschaftliche Verankerung der deutschen Außenpolitik? Kommunikation: Wenngleich heute kaum noch vorstellbar ist, in welchem Maße die Parteien die politische Kommunikation und damit das »Agenda-Setting« nicht

7 Diese Gremien tagen in der Regel zwei- bis viermal pro Jahr. Ihnen gehören die Mitglieder der außenpolitisch relevanten Ausschüsse des Bundestages, Vertreter der Landesverbände, Mitglieder des EP und auch externe Berater an. Ähnliche Foren - sogenannte Schwerpunktkommissionen für Außenund Sicherheitspolitik (mittlerweile nach Abschluß der Arbeiten eingestellt) und für Europapolitik - hat die SPD zur Vorbereitung eines künftigen Wahl- und Regieningsprogramms eingerichtet. Weniger eng in die Parteistrukturen eingebunden sind die Arbeits- und Interessengemeinschaften in und bei der PDS. 8 Noch stärker aufgefächert sind die Gewichte bei der CSU zwischen Bundesministern, Parteiführung, CSU-Landesgruppe im Bundestag und Bayerischer Staatsregierung, 9 Vgl. Bernard C. Cohen, Democracies and Foreign Policy. Public Participation in the United States and the Netherlands, Madison 1995, S. 71.

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zuletzt durch ihre eigenen und ihnen nahestehende Presseorgane sowie durch die öffentlich-rechtlichen Medien einst beherrscht haben, stellen sie in der öffentlichen Meinungsbildung auch weiterhin wichtige Orientierungspunkte bereit. Im Vergleich zum öffentlichen Diskurs zu innenpolitischen Fragen, in dem sich eine große Zahl unterschiedlicher Akteure und Interessengruppen Gehör verschafft, wird die öffentliche Debatte zur Außenpolitik sehr viel stärker durch Verlautbarungen aus den Parteien und durch Äußerungen führender Politiker in Reden, Interviews, Leitartikeln und bei vielen anderen Gelegenheiten geprägt. 10 Ein beträchtlicher Teil dessen, was zu außenpolitischen Fragen über die Medien in die Gesellschaft kommuniziert wird, ist somit parteipolitisch vermittelt. Insofern verwundert auch die Feststellung kaum, daß sich die außenpolitische Meinungsbildung großer Teile der politisch interessierten Bevölkerung an den Positionen der jeweils präferierten Partei ausrichtet 11 - woran auch sonst, mag man sich fragen, wenn man sich eine öffentliche Diskussion ohne die meist parteilich zurechenbaren Politikeräußerungen und ohne Parteienstreit vorstellt. Partizipation: Die direkteste Form der Wahrnehmung des partizipatorischen Angebots der Parteien besteht in der Parteimitgliedschaft. Die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien haben derzeit etwa 1,8 Millionen Mitglieder. Dies ist im internationalen Vergleich ein durchschnittlicher Wert, doch tendenziell nimmt die Mitgliederzahl ab, und dieser Trend dürfte sich schon allein aufgrund der zunehmenden Uberalterung der Mitgliederschaft nahezu aller Parteien längerfristig fortsetzen. Wichtiger ist jedoch die Frage nach den effektiven Mitwirkungsmöglichkeiten. Dazu ist festzustellen, daß gegenüber der Basisebene der Parteien die Autonomie parteilicher Führungsgremien, der Parlamentseliten und der Funktionsträger in den Regierungen eher zu- als abnimmt, wozu deren relativ große personelle und finanzielle Ressourcen sowie der Zugang zu den in der Mediendemokratie immer wichtigeren Massenmedien beitragen, die sich in ihrer Berichterstattung auf eben jene Führungsebenen konzentrieren. U m diesen Entwicklungen gegenzusteuern, haben in allen Parteien Diskussionen über Organisationsreformen eingesetzt, deren Folgen jedoch bislang begrenzt geblieben sind. 12 Die Entwicklungsrichtung scheint somit auf eine abnehmende Verknüpfungsdichte zwischen den Parteiebenen hinzuweisen. 13 In außergewöhnlichen Konstellationen kann allerdings die untere Funktionärsebene über den Bewegungsspielraum der Partei und selbst der Regierung mitentscheiden, so wie dies im Falle der Blockade der »Bundeswehr out of area«-Thematik auf Seiten der SPD bis 1994 der Fall war. 14

10 Vgl. Hans D. Treviranus, Außenpolitik im demokratischen Rechtsstaat, Tübingen 1966, S. 97f. Dieser Befund dürfte trotz veränderter Formen politischer Kommunikation und Partizipation auch heute noch im Kern zutreffen. 11 Vgl. hierzu auch den Beitrag von Christian Holst in diesem Band. 12 Vgl. Ingrid Reichart-Dreyer, Parteireform, in: Gabriel/Niedermayer/Stöss, a.a.O. (Anm. 2), S. 338-355. 13 Vgl. Peter Mair, Party Organizations: From Civil Society to the State, in: Richard S. Äaiz/Peter M air (Hrsg.), H o w Parties Organize. Change and Adaptation in Party Organizations in Western Democracies, London 1994, S. 1-22. 14 Dies war allerdings auch nur möglich, weil die Regierungsparteien ihrerseits durch ihre Uneinigkeit diese Politikblockade mitherbeiführten.

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Zu unterscheiden von der auf außenpolitische Fragen gerichteten Mitwirkung über den Weg der parteilichen Willensbildung sind die internationalen Aktivitäten kommunaler Initiativen und Partnerschaften. Solche Projekte gibt es in großer Zahl, doch ist deren parteipolitischer Charakter meist gering ausgeprägt. Eine Koordinierung durch die Parteizentralen findet nicht statt, meist existiert dort nicht einmal ein umfassender Uberblick über diese Formen des Basisengagements. Die Zunahme der Möglichkeiten politischen Engagements außerhalb der Parteien hat überdies vor dem Feld der Außenpolitik nicht haltgemacht. Die massivste Artikulation außenpolitischen Engagements der westdeutschen Öffentlichkeit der letzten Jahrzehnte - die Bewegung gegen die Stationierung US-amerikanischer atomarer Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik - vollzog sich großenteils außerhalb der etablierten Parteien. 15 Und viele derer, die sich heute in internationalen Fragen engagieren wollen, fühlen sich von umweit- und menschenrechtspolitischen Nichtregierungs-Organisationen ( N G O s ) mit flexiblen Organisationsformen und spektakulärer Medienpräsenz stärker angezogen als von den Parteien. Programmentwicklung und Wahlen: Abgesehen vom Angebot der Mitwirkung in den Parteien manifestiert sich die direkteste Verbindung zwischen Gesellschaft und Parteien im Wahlakt. Aussagen in den Wahlprogrammen der Parteien finden in Deutschland wie auch in anderen westlichen Demokratien öfter ihren Niederschlag in den Prioritäten der Regierungspolitik der Wahlsieger, als dies gemeinhin vermutet wird. 16 Ergo sind Programme keine bedeutungslosen Rituale, sondern bieten den Wählern relativ klare Orientierungen. Doch weil Außenpolitik sowohl für die deutschen Eliten als auch für die Bevölkerung nicht an der Spitze der Hierarchie vordringlicher Themen steht, spielen die außenpolitischen Positionen der Parteien für die Wahlentscheidung der allermeisten Bürger auch keine nennenswerte Rolle, wenngleich die programmatischen Angebote unterhalb eines relativ breiten Grundkonsenses durchaus Positionsalternativen bereithalten. 17 Repräsentation: Begrenzt - und im Abnehmen begriffen - ist schließlich auch die Fähigkeit der Parteien, den politischen Willen der Bürger zu repräsentieren. In diesem Zusammenhang sei hier nur auf den vielerorts analysierten Rückgang der Bindungskraft des Parteiensystems, der Integrations- und Mobilisierungsfähigkeit der Volksparteien sowie des Vertrauens der Bürger in die Problemlösungskompetenz der Parteien, kurz: auf die Erosion der gesellschaftlichen Bindung der Parteien verwiesen, die seit den achtziger Jahren zu beobachten ist. 18 15 Vgl. Rüdiger Schmitt, Organizational Interlocks between New Social Movements and Traditional Elites: the Case of the West German Peace Movement, in: European Journal of Political Research, Nr. 5, 1989, S.583-598. 16 Vgl. Hans-Dieter Klingemann/BSchzrd I. Hofferbertilzn Budge, Parties, Policies, and Democracy, Boulder 1994. 17 Vgl. Günther Nonnenmacher, Wo der außenpolitische Konsens bröckelt, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 5.12.1996. 18 Aus der Fülle der Literatur sei hier lediglich verwiesen auf Günter Rieger, »Parteienverdrossenheit« und »Parteienkritik« in der Bundesrepublik Deutschland, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, Nr. 3, 1994, S. 459-471 sowie Jürgen W. Falter/Huns Rattinger, Die deutschen Parteien im Urteil der öffentlichen Meinung 1977-1994, in: Gahriel/Niedermayer/Stöss, a.a.O. (Anm.2), S. 495-513.

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Insgesamt dürfte somit die Bedeutung der Parteien für die gesellschaftliche Verankerung der Außenpolitik eher gering sein - wenn man die Parteien als direkte Einflußkanäle für nichtgouvernementale Individuen oder Gruppen versteht. Dies liegt allerdings nicht allein, wohl nicht einmal in erster Linie an den Parteien selbst. Die internationale Verflechtung impliziert zunehmend multinationale Politik- und Entscheidungsmuster, die die Substanz der Außenpolitik wie auch die Transaktionswege auffächern. Dabei wird zum einen immer unklarer, wo demokratische Mitbestimmung mit Aussicht auf Erfolg ansetzen kann. Zum anderen dürfte auch die Tatsache, daß für die Bürger das außenpolitische und internationale Entscheidungsmilieu sehr viel weniger transparent, die Entscheidungsfolgen weniger absehbar und weniger direkt erfahrbar sind als in der Innenpolitik, ein wichtiger Grund dafür sein, daß das Partizipationsbedürfnis der Gesellschaft in diesem Politikfeld bislang geringer ausgeprägt ist als in anderen Sachbereichen. Dies dürfte sich allerdings dann ändern, wenn die fortschreitende Internationalisierung der Innenpolitik stärker als bisher ins Bewußtsein der Bevölkerung rückt. Von sehr viel größerer Bedeutung sind die Parteien dagegen als Formen öffentlicher oder nichtgouvernementaler Partizipation. Keine anderen gesellschaftlichen Organisationen sind vergleichbar am Staats- und Regierungshandeln beteiligt. Zudem sind die Parteien selber durch die intensiven Außenbeziehungen, die sie großenteils im Zusammenwirken mit den politischen Stiftungen weltweit unterhalten, gesellschaftliche Akteure der Außenpolitik und insofern - ohne gute Interessenaggregatoren in einem direkten Sinne zu sein - wichtige Institutionen einer sehr vermittelten öffentlichen Partizipation in der deutschen Außenpolitik. Ungeachtet aller Krisensymptome der Parteiendemokratie sind auch heute keine anderen Institutionen erkennbar, die die Parteien in dieser Rolle überflügeln.

A U S S E N P O L I T I K IM P A R T E I E N P A R L A M E N T

Die Erosion der gesellschaftlichen Verankerung der Parteien zieht die Rolle des Parlaments im politischen Prozeß insofern in Mitleidenschaft, als es immer weniger dem Idealtyp des interessenvermittelnden Bindeglieds zwischen der politischen Willensartikulation der Bürger und dem Staats- und Regierungshandeln entspricht. 19 Gleichwohl bleibt es ein zentraler Ort für den Einfluß der Parteien, auch weil deren parlamentarische Vormachtstellung durch die offenkundigen Risse im gesellschaftlichen Fundament bislang nicht angetastet wird. Eine größere, vor allem für die Oppositionsparteien spürbare Gefahr droht durch Funktionsverluste des Parlaments im Hinblick auf wirksame Politikgestaltung infolge zunehmender Kompetenztransfers

19 Vgl. Suranne S. Schüttemeyer, Parlamentarische Interessenvermittlung: Lücken in der Repräsentation und Veränderungen im Verfassungskonsens?, in: Ralf KleinfeldfWoiigzng Luthardt (Hrsg.), Westliche Demokratien und Interessenvermittlung. Zur aktuellen Entwicklung nationaler Parteien- und Verbändesysteme, Marburg 1993, S. 47-58.

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auf die internationale, insbesondere europäische Ebene und infolge von Veränderungen der nationalen Regierungspraxis. 20 Für die parlamentarische Mitgestaltung der Außenpolitik 21 stehen den Parteien formelle und informelle Kommunikations- und Einflußkanäle zur Verfügung. Der gebräuchlichste formelle, wenngleich unspektakuläre Weg führt über den Auswärtigen Ausschuß und andere Ausschüsse, die in der außenpolitischen Meinungsbildung des Parlaments eine zentrale Rolle spielen. Der Außenminister pflegt engen Kontakt zu den Ausschüssen und nutzt sie zur Vermittlung der Regierungspolitik, wird dort aber auch mit Stimmungs- und Meinungstendenzen der Parlamentarier konfrontiert, die ihm wichtige Aufschlüsse für seine Politik geben können. Ein weiteres formelles Instrument der Einflußnahme sind die parlamentarischen Anfragen und Anträge. Eine Änderung der Regierungspolitik können sie jedoch nur in besonderen politischen Konstellationen bewirken. Derartige Einflußchancen eröffnen sich dem Parlament dann, wenn es (i) der Regierungspolitik mit einer parteiübergreifenden Mehrheit entgegentritt, 22 (ii) in offenen Entscheidungssituationen, die vor allem dann gegeben sind, wenn in der Regierung über außenpolitisch relevante Fragen Uneinigkeit besteht, 23 oder (iii) wenn es gelingt, außenpolitische Themen und Praktiken publik zu machen, die in der breiten Öffentlichkeit auf Skepsis oder Ablehnung stoßen. Diese allgemeine Beschreibung parlamentarischer Mitwirkungsmöglichkeiten in der Außenpolitik ist zunächst im Prinzip für alle Parteien gültig. Gleichwohl gilt es zwischen den einzelnen Fraktionen zu differenzieren, wenn es um die konkrete außenpolitische Mitgestaltung geht. Während die Fraktionen der Opposition bei den formellen, in eine Abstimmung mündenden Verfahren einer zumindest partiellen Unterstützung aus den Reihen der Regierungsfraktionen bedürfen, um für ihre Positionen eine parlamentarische Mehrheit zu erlangen, sind umgekehrt die Regierungsfraktionen auf die Unterstützung der Opposition im Prinzip nicht angewiesen. 20 Vgl. Svein S. Andersen/Tom Bums, The European Union and the Erosion of Parliamentary Democracy: A Study of Post-parliamentary Governance, in: Svein S. Andersen/Kjell A. Eliassen (Hrsg.), The European Union: How Democratic Is It?, London 1996, S. 227-251; Philip Norton (Hrsg.), National Parliaments and the European Union, London 1996; Deutsche Vereinigung für Parlamentsfragen, Protokoll der Vortragsveranstaltung zum Thema »Das Parlament im politischen Prozeß«, Bonn, 12.3.1997. 21 Vgl. hierzu auch den Beitrag von Joachim Krause in diesem Band. 22 Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Absage einer vom Auswärtigen Amt organisierten IslamKonferenz und die damit verbundene Ausladung des iranischen Außenministers Ali Akbar Velayati im November 1995, die beinahe zum Rücktritt von Bundesaußenminister Klaus Kinkel geführt hätte Der Minister hatte trotz weltweiter Empörung über den iranischen Präsidenten Hashemi Rafsandschani, der die Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin am 4.11.1995 als »Strafe Gottes« begrüßt hatte, zunächst an der Einladung Velayatis festgehalten. Er gab letztlich einer Aufforderung des Bundestages zur Ausladung des iranischen Außenministers nach, nachdem ein diesbezüglicher Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen eine Mehrheit - darunter die Zustimmung von 50 Abgeordneten der Koalitionsfraktionen - gefunden hatte. Vgl. Karl Feldmeyer, Außenminister Kinkel weist Rücktrittsforderungen von sich, in: FAZ, 13.11.1995. 23 Vgl. Heike Beyer, Chancen und Rahmenbedingungen für ein eigenständiges außenpolitisches Handeln von Regierungsfraktionen. Dargestellt am Beispiel der CDU/CSU-Bundestagsfraktion während der Regierungszeit von Bundeskanzler Helmut Kohl (Magisterarbeit, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg), 1997, S. 89.

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Mehr noch: Regierung und Koalitionsfraktionen stehen in ständigem Kontakt und bilden ein Interaktions- und Einflußsystem, dem die Oppositionsfraktionen nichts annähernd Gleichwertiges entgegenzusetzen haben. Die Schlüsselakteure der Regierungsfraktionen haben einen privilegierten Zugang zu ihren Ministern, zum Bundeskanzler sowie zum Regierungsapparat, während Kontakte zwischen der Regierung und Oppositionspolitikern sehr viel selektiver stattfinden. Die außenpolitische Mitwirkung der Parlamentsmehrheit erfolgt sehr viel häufiger zur Legitimierung der Regierungspolitik als in initiativer oder modifizierender Form. Dennoch sollten die Einflußmöglichkeiten der Koalitionsfraktionen nicht unterschätzt werden. Die Regierung braucht deren Unterstützung in wichtigen Fragen, um alternative Politikentwürfe aus den Reihen der Opposition abwehren zu können. Dieser Konsenszwang eröffnet den Koalitionsfraktionen Einflußchancen, was zwar nicht bedeutet, daß sie jederzeit in einer Meinungsverschiedenheit mit der Regierung obsiegen könnten, doch immerhin ist die Einflußrichtung zwischen Regierung und Regierungsfraktionen auch keine Einbahnstraße, auf der die Regierung ihre parlamentarische Basis beliebig instrumentalisieren könnte. Daß Regierung und Koalitionsfraktionen ein dichtes Interaktions- und Einflußsystem bilden, impliziert für die Einflußstrategien letzterer eine überragende Bedeutung informeller Kontakte mit der Regierung - und untereinander - und eine im Vergleich zu den Handlungsmöglichkeiten der Opposition deutlich reduzierte Abhängigkeit von den formellen parlamentarischen Verfahren. Die Führungspersönlichkeiten der Regierungsfraktionen nehmen an den sogenannten Koalitionsrunden teil, die insbesondere während der Kanzlerschaft Helmut Kohls zu einem zentralen Instrument der Regierungspolitik geworden sind.24 Umgekehrt gehören außen-, sicherheits- und europapolitische Schlüsselakteure der Regierung gleichzeitig dem Bundestag und den Koalitionsfraktionen an. Diese wechselseitige Vernetzung auf der politischen Spitzenebene wird ergänzt durch eine ebenso enge Kommunikation auf der Ebene der Referenten. Für den außenstehenden Beobachter sind folglich Ursprung und Genese von außenpolitischen Entscheidungen im Kräftefeld zwischen Regierung und Regierungsfraktionen - und damit ein wichtiger Teil des Parteieneinflusses auf die Außenpolitik kaum präzise nachvollziehbar. Spektakuläre, öffentliche Meinungsverschiedenheiten sind selten, kritische Einlassungen, Diskussions- und Strategiepapiere der Regierungsfraktionen zur Außenpolitik werden sporadisch lanciert.25

24 Vgl. hierzu auch den Beitrag von Judith Siwert-Probst in diesem Band. 25 Das prominenteste Beispiel eines solchen Vorstoßes aus den letzten Jahren ist das sogenannte KerneuropaPapier der CDU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Schäuble und Karl Lamers (abgedruckt in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 10,1994, S. 1271-1280), dessen Lancierung ein hohes Maß an taktischem Geschick offenbarte. Nicht zuletzt aufgrund seiner Ambivalenz zwischen Regierungsnähe und Fraktionsunabhängigkeit fand es erhebliche Resonanz im In- und Ausland und erlaubte es indirekt der Bundesregierung eine Sondierung des innenpolitischen und internationalen Terrains der Europapolitik durch einen »Versuchsballon« der Fraktion. Vgl. Claus Gennrich, »Der Kanzler ist für das Europa-Papier nicht verantwortlich«, in: FAZ, 7.9.1994.

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Im Vergleich zu den Regierungsfraktionen sind die Einflußmöglichkeiten der Oppositionsfraktionen im Parlament sehr viel bescheidener. Außerhalb des dichten Kommunikations- und Einflußnetzwerks stehend, das zwischen der Regierung und den Regierungsfraktionen existiert, sind die Oppositionsfraktionen sehr viel stärker auf die formellen Einflußkanäle des Parlaments verwiesen26 - also auf Ausschußarbeit und Anträge - sowie auf außerparlamentarisches, gesellschaftliches Engagement, das mitunter von den Oppositionsfraktionen zur Stärkung ihrer Positionen im Parlament aufgegriffen werden kann.27 Doch auch für die Oppositionsfraktionen gilt, daß unterhalb dieser allgemeinen Beschreibung des parlamentarischen Handlungskontextes zwischen den einzelnen Fraktionen differenziert werden muß, wenn es um die konkreten Einflußmöglichkeiten geht. Als größte Oppositionsfraktion und als Regierungspartei in derzeit 13 von 16 Bundesländern verfügt die SPD über andere und größere Handlungsoptionen als Bündnis 90/Die Grünen und die PDS. Direkte Kontakte zwischen dem Bundeskanzler und dem Oppositionsführer finden gelegentlich statt, und insbesondere vor wichtigen außenpolitischen Entscheidungen wird meist ein Einvernehmen mit der SPD gesucht, wobei häufig auch informelle Gremien mit Vertretern aller Fraktionen gebildet werden. In einzelnen Fällen fragt die Regierung auch besondere Expertise oder Kontakte der Oppositionsparteien nach, so im Falle der SPD im Zusammenhang mit dem Prager Tauziehen um die deutsch-tschechische Aussöhnungserklärung oder im Falle der Bündnisgrünen im Hinblick auf die Tibet-Frage. Die PDS, die in zentralen Fragen der deutschen Außenpolitik Fundamentalopposition betreibt, bleibt aus solchen Formen der Kooperation ausgeschlossen.28 Wenngleich also die außenpolitischen Mitwirkungsmöglichkeiten via Bundestag für die einzelnen Parteien in unterschiedlichem Maße begrenzt sind, ist das Parlament durchaus noch ein wichtiger Ankerplatz für Parteieneinfluß auf die Außenpolitik. Ein interessantes Indiz hierfür sei nachgereicht. In Phasen, in denen das Parlament mit strittigen Fragen insbesondere einiger bilateraler Beziehungen Deutschlands (z.B. zu China oder zum Iran) befaßt ist, gehen ausländische Botschafter - insbesondere die der betroffenen Staaten - im Bundestag ein und aus, um sich über den Stand der Diskussionen zu informieren, vor allem aber, um bei den Abgeordneten für die

26 Hierin dürfte ein wesentlicher Grund dafür liegen, daß die aus der Multilateralisierung immer weiterer Bereiche der Politik und durch Veränderungen in der Regierungspraxis resultierende Erosion parlamentarischen Einflusses in den Oppositionsfraktionen stärker registriert und deutlicher kritisiert wird als in den Regierungsfraktionen, die aufgrund ihrer engen Vernetzung mit der Regierung weniger auf die formellen Einflußkanäle des Parlaments angewiesen sind. Diese Einschätzung geht auf Hintergrundgespräche zurück, die der Autor mit Mitarbeitern der Bundestagsfraktionen geführt hat. 27 Insbesondere bei Bündnis 90/Die Grünen hat diese gesellschaftliche Einflußebene traditionell eine große Bedeutung, wenngleich die Partei mittlerweile auch verstärkt bestrebt ist, ihre außenpolitischen Positionen stärker realpolitisch auf die Handlungsimperative der Staatenwelt auszurichten. 28 Für sie als postkommunistische Regionalpartei sind Fragen der Außenpolitik von nachrangigem Interesse. Allerdings ist die programmatische Orientierung in wichtigen außenpolitischen Fragen für die Identität der Partei und für die Übereinstimmung zwischen der Partei und ihren Mitgliedern und Anhängern nicht unbedeutend.

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Politik ihres Landes zu werben. Dies wäre vermutlich nicht so, wäre das Parlament eine außenpolitische Quantité négligeable.

REGIERUNGSPOLITIK, KOALITIONSPOLITIK UND PARTEIPOLITIK

Ein nicht unwesentlicher Teil des Einflusses der Parteien - genauer: der Regierungsparteien - auf die Politik kommt dadurch zum Tragen, daß der Bundeskanzler und die Bundesminister gleichzeitig auch »Partei« sind. Von seltenen Ausnahmen abgesehen haben Regierungsmitglieder in der Bundesrepublik einen parteipolitischen Karrierehintergrund und langjährige Erfahrung durch führende Funktionen und Mandate auf Bundes- oder Länderebene angesammelt. Häufig gehören die Parteivorsitzenden der Regierung an. Andere Bundesminister bekleiden Amter in den Führungsgremien ihrer Parteien. Die Kabinettsmitglieder können folglich als »party representatives of sorts in the government« 29 angesehen werden, in deren Verhalten und Entscheidungen selbstverständlich parteipolitische Motivationen und Erwartungen der Partei einfließen. Dennoch darf man sich das Verhältnis zwischen Regierung und Parteien nicht so simpel vorstellen, als sei schon allein aufgrund der in den politischen Entscheidungsträgern abgebildeten Verflechtung Regierungspolitik pure Parteipolitik. Regierungspolitik erschöpft sich nicht in der Vollstreckung von Parteiprogrammen und Parteitagsbeschlüssen, da praktisch das gesamte Regierungshandeln dem Einfluß einer großen Zahl von nationalen und internationalen Akteuren sowie einer Vielzahl von teils international, teils innenpolitisch bedingten Entscheidungsrestriktionen unterliegt. Inwieweit Regierungspolitik Parteipolitik ist, variiert zunächst von einem Politikfeld zum anderen und hängt sodann von der Machtverteilung im Parlament, in der Öffentlichkeit und unter den Interessenverbänden, vom Grad außenpolitischer und -wirtschaftlicher Abhängigkeit, von der Rückwirkung, die von multilateralen Politikmustern ausgeht, sowie von der institutionellen Ausgestaltung des politischen Systems ab. 30 In der Bundesrepublik ist der Zusammenhang zwischen Regierungspolitik und Parteipolitik demzufolge eher schwach ausgeprägt. Der Grad internationaler Verflechtung ist außerordentlich hoch, der Föderalismus begrenzt die politische Entscheidungs- und Gestaltungsmacht der Exekutive auf Bundesebene zusätzlich, die Opposition regiert vermittelt über die Länderebene mit, insbesondere dann, wenn sie die Mehrheit im Bundesrat stellt. Politik- und Positionsunterschiede zwischen den Parteien prägen sich unter diesen Bedingungen eher schwach aus und werden im Zusammenspiel zwischen Regierung und Opposition justiert. Große Teile der Politik - und insbesondere die Außenpolitik - werden auf diese Weise auf einem Kurs der Kontinuität gehalten.

29 Cohen, a.a.O. (Anm. 9), S. 84. 30 Vgl. Schmidt, a.a.O. (Anm. 2), S. 549-558.

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Die Regierungsparteien sind somit von einem Einflußmonopol auf die Regierung weit entfernt, wie auch der parteipolitische Hintergrund der Regierung und ihren Mitgliedern nur als eine, wenn auch ausgesprochen wichtige Orientierungsmarke unter anderen dienen kann. Das wechselseitige Einflußverhältnis zwischen Regierungsmitgliedern und ihren Parteien ist dementsprechend komplex.31 Der Bundeskanzler beispielsweise kann einerseits insbesondere in der Personalunion als Parteivorsitzender wichtige organisatorische Ressourcen der Partei gezielt nutzen. Er nimmt Einfluß auf die Programmentwicklung und auf die Besetzung der Führungspositionen in Partei und Fraktion und kann damit politisches Wohlverhalten belohnen. In der Außenpolitik ist der Kanzler bzw. das Kanzleramt zudem die wichtigste Bastion der Partei gegen das Auswärtige Amt, sofern es von einem Koalitionspartner geführt wird. Die außenpolitische und internationale Statur des Kanzlers kann die Partei bei der Werbung um Wählerstimmen in die Waagschale werfen.32 Andererseits hat bisher noch jeder Amtsinhaber die Erfahrung machen müssen, daß seine politische Gestaltungsmacht in starkem Maße abhängt vom Verhältnis zu seiner Partei, d.h. von seiner Fähigkeit, die Partei zu dominieren oder sich zumindest ein ausreichendes Maß an Handlungsfreiheit zu bewahren.33 Ahnliches gilt für die Minister, die zwar nicht zuletzt durch das im Grundgesetz verankerte Ressortprinzip einen beträchtlichen Handlungs- und Verantwortungsspielraum besitzen, sich aber längerfristige Differenzen mit ihren Parteien kaum leisten können. Sie werden praktisch von ihrer Parteiführung ausgewählt und abberufen, und ihr politisches Gewicht - und das ihrer Ministerien - innerhalb des Kabinetts hängt auch von dem Rückhalt ab, den sie in ihren Parteien haben. Zu berücksichtigen ist ferner, daß die auf ein eher allgemeines Niveau aggregierte Programmatik einer Partei, die vor allem der innerparteilichen Integration dient, für die Ausrichtung der alltäglichen operativen Arbeit der Regierung nur wenig hergibt. Regierungshandeln kann also auch aus diesem Grunde - abgesehen etwa vom Zeitdruck, unter dem viele Entscheidungen herbeigeführt werden müssen, und von der notwendigen Berücksichtigung der Interessen und Positionen anderer Staaten in verflochtenen multilateralen Entscheidungsprozessen - kaum systematisch an die offiziellen Parteipositionen gekoppelt werden.34 31 Vgl. Jean Blondel, Governments and Supporting Parties: Definition and Classifications (European University Institute Working Paper SPS Nr. 91/12), Florenz 1991; ders., A Model for the Analysis of Government-Party Relationships (Nr. 91/13), Florenz 1991; ders., The Political Factors Accounting for the Relationship Between Governments and the Parties Which Support Them (Nr. 91/14), Florenz 1991. Noch viel komplexer stellt sich das Verhältnis zwischen Parteipolitik und Regieren im politischen System der Europäischen Union dar. Vgl. Simon //ix/Christopher Lord, Political Parties in the European Union, London 1997, S. 1-7. 32 Zum außenpolitischen Gewicht deutscher Bundeskanzler vgl. William E. Paterson, The Chancellor and Foreign Policy, in: Stephen Padgett (Hrsg.), Adenauer to Kohl. The Development of the German Chancellorship, London 1994, S. 127-156. 33 Vgl. Stephen Padgett, The Chancellor and His Party, in: ders., a.a.O. (Anm.32), S. 44-77. 34 Die Parteien lancieren allerdings insbesondere mit Blick auf anstehende Wahlen mitunter auch Themen und Positionen, die ihre Funktionsträger in der Regierung nicht unbedingt teilen, aber dennoch nicht gänzlich ignorieren können. Gelegentlich können die Parteien auf diese Weise mit programmatischer Arbeit die politische Agenda mitbestimmen.

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Schließlich ist zu beachten, daß mit der kurzen Ausnahme der Jahre 1957 bis 1961 alle bisherigen Bundesregierungen Koalitionsregierungen waren und daß Regierungspolitik in Koalitionen umfangreiche Aushandlungsprozesse erforderlich macht, in denen viele Parteipositionen bis zum Erreichen eines Koalitionskompromisses abgeschliffen werden. Seit 1966 fällt die Besetzung des Auswärtigen Amtes - und damit ein beträchtlicher Teil der Verantwortung für die Außenpolitik der Bundesrepublik - dem jeweils kleineren Koalitionspartner zu, seit 1969 ununterbrochen der FDP. Dies reduziert die Einflußmöglichkeiten der großen Regierungspartei und des Bundeskanzlers, die in einer Ein-Parteien-Regierung zweifellos größer wären. Der Kanzler muß beim Versuch der Umsetzung parteipolitischer Ziele in Regierungshandeln stets auch das Ziel des Fortbestands und des möglichst reibungslosen Funktionierens der Koalition im Auge behalten. Er wird hierdurch wesentlich stärker in eine Moderatorenrolle als in die Funktion eines Vollstreckers von Parteiprogrammen und -beschliissen gedrängt. Die Palette der realistischen Politikoptionen, die die große Regierungspartei mit Aussicht auf Erfolg - d.h. auf Umsetzung durch die Regierung - vorbringen kann, lichtet sich dementsprechend. Dem kleineren Koalitionspartner wächst dagegen ein - verglichen mit seiner Wähler- und Abgeordnetenbasis - überproportionaler Einfluß auf die Regierungspolitik zu, der in der Außenpolitik besonders groß ausfällt. 35 N u n ist es jedoch nicht so, daß alle Entscheidungen zwischen den Koalitionspartnern heiß umstritten wären. Schon die Verabredung einer Koalition ist ein Hinweis darauf, daß die Schnittmenge gemeinsamer Positionen und Ziele groß genug ist, um mit Aussicht auf Erfolg regieren zu können. Dennoch ist eine interessante Frage, welche Partei sich in jenen nicht alltäglichen Fällen durchsetzt, in denen die Partner unterschiedliche außenpolitische Positionen haben. In der Vergangenheit ist es dem kleineren Koalitionspartner mehr als einmal gelungen, seine außen- und sicherheitspolitischen Ziele gegen gewichtigen Widerstand aus der großen Regierungspartei durchzusetzen. Dafür, daß sich in einem Fall die große Regierungspartei obsiegt, in einem anderen der kleine Koalitionspartner, sind eine Reihe von situationsspezifischen Faktoren entscheidend. Dabei handelt es sich insbesondere um den Grad der Geschlossenheit der Parteien in der umstrittenen Frage und um die Fähigkeit und Bereitschaft des Juniorpartners in der Koalition, eine Entscheidung in seinem Sinne durch Verknüpfungen mit anderen Sachfragen, die einen Interessenausgleich erlauben, oder gar durch Androhung eines Bruches des Regierungsbündnisses herbeizuführen. Auch die öffentliche Meinung kann eine Einflußressource sein; eine alleinentscheidende Rolle spielt sie jedoch nicht. 36 Eine Sonderrolle spielt die CSU, der sich - in Bonn in die Fraktionsgemeinschaft mit der C D U und in die Regierungskoalition eingebunden sowie gegenüber dem 35 Dieser Befund ist durch empirische Untersuchungen solide abgesichert. Vgl. Richard I. Hofferbert/ÜansDieter Klingemann, The Policy Impact of Party Programmes and Government Declarations in the Federal Republic of Germany, in: European Journal of Political Research, Nr. 3, 1990, S. 277-304. 36 Vgl. Juliet Kaarbo, Power and Influence in Foreign Policy Decision Making: The Role of Junior Coalition Partners in German and Israeli Foreign Policy, in: International Studies Quarterly, Nr. 4, 1996, S. 501-530. D o r t und bei Beyer, a.a.O. (Anm. 23) finden sich auch Fallstudien zu wichtigen außenund sicherheitspolitischen Koalitionskonflikten der jüngeren Vergangenheit.

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Kanzler und dem liberalen Koalitionspartner in der Außenpolitik auf schwierigem Terrain - als alleiniger Regierungspartei des Freistaates Bayern auf der Ebene der Bundesrats- und auch der »Länderaußenpolitik« zusätzliche Einflußmöglichkeiten und Anreize zur Korrektur der Bonner Politik eröffnen. Dabei können mitunter zentrale außenpolitische Themen nicht nur mit dem Ziel der Verteidigung spezifisch bayerischer Landesinteressen besetzt, sondern auch für die Machterhaltungsstrategie der Partei in Bayern und für koalitions- und unionspolitische Winkelzüge instrumentalisiert werden. Ein solches Vorgehen gehört seit der Ära Franz-Josef Strauß' zum strategischen Einmaleins der Partei. Wenngleich dieser schwierige Spagat zwischen bundes- und landespolitischer Rolle nicht zum ständigen Grundmuster der Führung der politischen Alltagsgeschäfte in Bonn und München taugt, so läßt er sich doch in bestimmten Konstellationen immer wieder neu vollführen, wie zuletzt beim Streit um die deutsch-tschechische Aussöhnungserklärung sowie insbesondere bei der Debatte um die Einhaltung der Stabilitätskriterien zur Einführung der gemeinsamen europäischen Währung. Dieses Beispiel unterstreicht überdies, daß auch die Länderebene für einen gewissen außenpolitischen Einfluß der Parteien offen ist. Dies gilt insbesondere für die Europapolitik, die im Anschluß an den Vertrag von Maastricht institutionelle Neuerungen zur Gewährleistung von Länderkompetenzen in der europäischen Integration erfahren hat, aber auch für die immer ausgedehntere Reisediplomatie von Ministerpräsidenten und Landesministern.37 Gleichzeitig ist jedoch festzustellen, daß in der »Länderaußenpolitik« die Vertretung von Landes- oder gemeinsamen Länderinteressen deutlich im Vordergrund steht, »Länderaußenpolitik« mithin eher quer zu den bundespolitischen Trennlinien zwischen Regierung und Opposition angesiedelt ist. Insbesondere für die in der Außenpolitik informationspolitisch benachteiligte große Oppositionspartei im Bund können jedoch die Ländervertretungen in Brüssel und die internationalen Kontakte ihrer Landespolitiker nützliche Kommunikationskanäle und Einflußpfade bereitstellen.

TRANSNATIONALE

PARTEIENKOOPERATION

Mit der immer dichteren internationalen Interdependenz ökonomischer, politischer und sozialer Prozesse und der damit einhergehenden Erosion der Steuerungs- und Gestaltungskompetenz nationaler Entscheidungszentren haben die Parteien allen Grund, ihre Handlungsmöglichkeiten durch transnationale Aktivitäten zu ergänzen, um »die Komplexität der internationalen Beziehungen, in welche die nationalen Politiken in den Staaten immer mehr verwoben sind, sich selbst zugänglich und bearbeitbar zu

37 Vgl. hierzu auch den Beitrag von Michèle Knodt in diesem Band. Vgl. ferner die konträren Sichten auf die Rolle der Länder in der Europapolitik von Elmar Brök, Die Länder schaden deutschen Interessen, in: FAZ, 22.8.1996 und Michael Stabenow, Erfolgreiche Horchposten. Die Rolle der deutschen Bundesländer in der Europapolitik, in: FAZ, 18.7.1997.

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machen« 3 8 . Die Außenbeziehungen der Parteien haben seit Mitte der siebziger Jahre eine entsprechende Intensivierung erfahren. Die global ausgerichteten Internationalen der verschiedenen Parteifamilien 39 erfüllen in der internationalen Politik mehrere Funktionen. 4 0 Als gegenüber nationalen Regierungen und internationalen Organisationen autonome internationale Akteure definieren sie ihre eigenen politischen Standorte mit dem Anspruch universeller Gültigkeit und entwickeln sie politische Alternativen und Positionen zu diversen Politikfeldern. Sie organisieren einen Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen Parteien und Politikern - und damit einen transnationalen Ideologie-, Wissensund Strategietransfer - sowie konkrete Hilfsmaßnahmen für Parteiorganisationen, etwa in Wahlkämpfen. Des weiteren treten die Internationalen als Vermittler in internationalen Konflikten auf. Zudem erfüllen sie eine wichtige internationale Sozialisationsfunktion für die Führungskräfte der Parteien. Die deutschen Parteien spielen in den Internationalen eine wichtige Rolle. 41 Ausschlaggebend hierfür ist unter anderem ihre von der engen Zusammenarbeit mit den politischen Stiftungen vielfältig profitierende internationale Vernetzung, die an Intensität und Breite weltweit beispiellos sein dürfte. 42 Von besonderer politischer Bedeutung ist die Kooperation zwischen Parteien der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), die eine einzigartige Dichte erreicht hat. Die Bemühungen um eine institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen sich ideologisch-programmatisch nahestehenden nationalen Parteien reichen bis in die Nachkriegsjahre zurück. Infolge der Einführung direkter Wahlen zum E P im Jahre 1979 und des weiter fortschreitenden europäischen Integrationsprozesses wurden die anfangs lockeren transnationalen Organisationsstrukturen schrittweise verstärkt und damit systematisch an den Systemrahmen der Europäischen Union angepaßt. 38 Ernst Kuper, Transnationale Parteienbünde zwischen Partei- und Weltpolitik, Frankfurt a.M. 1995, S. 25. 39 Hierbei handelt es sich im Kern um die Sozialistische Internationale (SI), die Christlich-Demokratische Internationale (CDI) und die Liberale Internationale (LI). Auch die Grünen Parteien verstärken ihre transnationalen Strukturen, eine Grüne Internationale existiert jedoch nicht. 40 Vgl. Reinhold Roth, Politische Parteien und internationale Politik, in: Andreas Boeckh (Hrsg.), Lexikon der Politik, Band 6: Internationale Beziehungen, München 1994, S. 412-415, hier S. 415. 41 Dies galt für die SPD in besonderem Maße, als Willy Brandt die SI führte. Vgl. Michael Hofmann, Von der Avantgarde zur Nachhut? Die Sozialistische Internationale läuft der Globalisierung hinterher, in: Neue Gesellschaft, Nr. 1, 1998, S. 111-114. Zu Funktionen und aktuellen Aufgaben der SI vgl. Pierre Mauroy, Voyage au cœur de l'Internationale socialiste (Notes de la Fondation Jean-Jaurès, Nr. 2), Paris 1996. 42 Etliche andere Staaten haben das Modell der Einbeziehung parteinaher politischer Stiftungen in die Außenbeziehungen mittlerweile adaptiert. Ein Vergleich der vor allem aus staatlichen Mitteln gebildeten Finanzvolumen der Stiftungen läßt allerdings eindeutige Rückschlüsse auf die sehr unterschiedlichen internationalen Handlungsmöglichkeiten von deutschen Stiftungen und ihnen nahestehenden Parteien einerseits und ihren Counterparts in anderen Staaten andererseits zu. Nach Angaben der Fondation Jean-Jaurès (FJJ) hatten beispielsweise die verschiedenen sozialdemokratischen politischen Stiftungen in Europa Mitte der neunziger Jahre die folgenden Jahresgesamtbudgets: in Frankreich (FJJ) 5 Mio. FF, in den Niederlanden (Alfred Mozer Stichting) 10 Mio. FF, in Spanien (Fundación Pablo Iglesias) 20 Mio. FF, in Osterreich (Dr.-Karl-Renner-Institut) 25 Mio. FF, in Schweden (Olof-Palme-Akademie) 60 Mio. FF; im Vergleich dazu in Deutschland (Friedrich-Ebert-Stiftung) 800 Mio. FF. Vgl. FJJ, Un objectif, la démocratie, Paris 1996. In vergleichbarer Weise dürften die Gewichte bei konservativen bzw. christdemokratischen Stiftungen verteilt sein.

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Heute existieren als - dem Anspruch und der Wirkungsweise nach - transnationale europäische Parteien die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE), die Europäische Volkspartei (EVP) 43 und die Europäische Liberale, Demokratische und Reformpartei (ELDR). 44 Andere politische Kräfte - etwa die Europäische Föderation Grüner Parteien (EFGP) 45 und das Forum der Neuen Europäischen Linken (NELF) - haben sich bislang weniger eng grenzüberschreitend verbunden. Die Verzahnung mit den Institutionen der EU erfolgt über die Einbeziehung der Mitglieder des EP und der Europäischen Kommission in Gremien und informelle Kommunikationsnetze der Parteienzusammenschlüsse. 46 Die Kooperation in den europäischen Parteienzusammenschlüssen wird ergänzt durch eine Reihe von teilweise institutionalisierten bilateralen Beziehungen zwischen einzelnen Parteien. Das zunehmende Gewicht dieser transnationalen Parteienkooperation im europäischen Rahmen ist sowohl unter normativ-demokratietheoretischen Gesichtspunkten als auch politisch-operativ von Bedeutung. Je weitreichender und von den nationalen Entscheidungsebenen autonomer die politische Gestaltungskompetenz der Gemeinschafts- und Unionsorgane wird, desto größer wird der Bedarf an ergänzender Legitimation und Kontrolle des europäisierten Politikprozesses durch europäische politische Parteien. In dieser Perspektive ist eine verstärkte Europäisierung der Parteien ein wichtiger Beitrag zum Abbau des der EU häufig attestierten Demokratiedefizits und eine wichtige Ergänzung des europäischen politischen Willensbildungsprozesses, der durch nationale Parteien nicht mehr hinreichend abgedeckt werden kann. Gleichzeitig hat im Zusammenhang mit den Regierungskonferenzen zur Ausarbeitung - und später zur Revision - des Vertrags von Maastricht die operative Bedeutung der Parteienzusammenschlüsse deutlich zugenommen. Insbesondere die Konferenzen der Parteiführer und Regierungschefs werden zunehmend zur Erarbeitung gemeinsamer Positionen genutzt, die dann in die Regierungsverhandlungen eingebracht werden. Dabei werden auch vermehrt Anzeichen für eine Europäisierung nationaler »cleavages« erkennbar: die grenzüberschreitend ideologisch organisierte Konfliktstruktur überlagert immer häufiger die vormals vorherrschende Orientierung an nationalen Interessen. 47 Ein 43 Vgl. Thomas Jansen, Die Entstehung einer Europäischen Partei. Vorgeschichte, Gründung und Entwicklung der EVP, Bonn 1996. 44 Für eine regelmäßige Bestandsaufnahme zur Entwicklung der europäischen Parteienzusammenschlüsse vgl. die diesbezüglichen Beiträge in den Jahrbüchern der Europäischen Integration, zuletzt Thomas Jansen, Die europäischen Parteien, in: Werner Weidenfeld/Wolfgang Wessels (Hrsg.), Jahrbuch der Europäischen Integration 1996/97, Bonn 1997, S. 267-272. Aktuelle Informationen der Parteien sind verfügbar im Internet unter http://europarl.eu.int. 45 Vgl. Thomas Dietz, Die grenzüberschreitende Interaktion grüner Parteien in Europa, Opladen 1997. 46 Vgl. Hix/Lord, a.a.O. (Anm.31), S. 54-71 u. 178-197. 4 7 Vgl. Simon Hix, The Emerging EC Party System? The European Party Federations in the Intergovernmental Conferences, in: Politics, Nr. 2, 1993, S. 38-46; ders., Parties at the European Level and the Legitimacy of EU Socio-Economic Policy, in: Journal of Common Market Studies, Nr. 4, 1995, S.527-553; Hix/Lord, a.a.O. (Anm.31), S. 183-195. Eine Umsetzung der europäischen Währungsunion ohne wirksame europäische beschäftigungs- und sozialpolitische Antworten auf Massenarbeitslosigkeit und den Abbau sozialstaatlicher Schutzmaßnahmen dürfte das politische Links-Rechts-Schema auf europäischer Ebene weiter revitalisieren, nachdem die Europapolitik lange Zeit quer zu den traditionellen Links-Rechts-Trennungslinien verlief. Vgl. La social-démocratie dans l'Union européenne. Débat entre

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ähnlicher Prozeß läßt sich im EP mit der Ausweitung des Mitentscheidungsverfahrens beobachten: nicht nur der Einfluß des Parlaments als korporativer Akteur nimmt zu, sondern auch die Einflußmöglichkeiten und die Kohäsion einzelner Fraktionen. 48 Aufgrund ihrer traditionell positiven Grundhaltung zur europäischen Integration sowie des beträchtlichen politischen Gewichts der Bundesrepublik spielten und spielen C D U , CSU, SPD und F D P eine zentrale Rolle in ihren jeweiligen Parteienzusammenschlüssen.49 Deren operative Bedeutung hat für die deutschen Parteien deutlich zugenommen. Die Funktionen dieser grenzüberschreitenden Kooperation variieren von Partei zu Partei. Während für die Regierungsparteien hierdurch ein wichtiger ergänzender organisatorischer Rahmen zur informellen Abstimmung europäischer Politik besteht, 50 eröffnet sich den Oppositionsparteien die Möglichkeit, Handlungsrestriktionen, die sich aus der Oppositionsrolle auf nationaler Ebene ergeben, durch die europäische Hintertür partiell zu kompensieren. Dies gilt insbesondere für die Mitwirkung der SPD in der Sozialdemokratischen Partei Europas. 51 Da derzeit in nicht weniger als 12 von 15 Mitgliedstaaten der E U Sozialisten und Sozialdemokraten Regierungsverantwortung tragen, darunter in den Kernstaaten Frankreich und Großbritannien, repräsentiert die SPE einen erheblichen Teil nationaler Europapolitiken. Der regelmäßige transnationale Austausch mit den regierenden europäischen Partnerparteien, der nicht nur auf der Ebene der Regierungschefs und Parteivorsitzenden institutionalisiert ist, sondern auch auf etlichen Sachgebieten unter Fachministern und Fachpolitikern, beeinflußt die europapolitische Meinungsbildung der SPD und erleichtert der Partei im Zuge eines Lernprozesses die Orientierung am Mainstream europapolitischen Denkens. Auch erwachsen aus dieser Kooperation mitunter Einflußmöglichkeiten auf den europapolitischen Entscheidungsprozeß. Anliegen und Positionen, deren Durchsetzung auf der nationalen Ebene aus der Opposition heraus nicht möglich ist, können so günstigenfalls auf europäischer Ebene geltend gemacht werden.52 Gleichwohl sind die europäischen Parteien von jener gewichtigen Position im europäischen politischen Willensbildungsprozeß noch weit entfernt, die ihnen der

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Alain Bergounioux et Marc Lazar (Notes de la Fondation Jean-Jaurès, Nr. 6), Paris 1997; Hix/Lord, a.a.O. (Anm. 31), S. 194f.; Philipp Genschel, Markt und Staat in Europa, in: Politische Vierteljahresschrift, Nr. 1, 1998, S. 55-79. Vgl. John Peterson, States, Societies and the European Union, in: West European Politics., Nr. 4, 1997, S. 1-23. Dies gilt auch für die FDP mit ihrer langjährigen Mitverantwortung für die deutsche Europapolitik ohne größere Einschränkungen, auch wenn sie im EP derzeit nicht vertreten ist. Die Bündnisgrünen haben als eine der ältesten und erfolgreichsten ökologischen Parteien einiges Gewicht in der EFGP. Die PDS kann über das N E L F jene europäische Präsenz etablieren, die ihr nach den Wahlen von 1994 im EP versagt geblieben ist. Insbesondere Helmut Kohl - unterstützt durch das beim Parteivorsitzenden angesiedelte Büro für Auswärtige Beziehungen der C D U - engagiert sich auf dieser Ebene sehr stark. Derzeit stellt die SPD mit Rudolf Scharping den SPE-Vorsitzenden und besetzt damit das strategisch wichtigste Amt dieser europäischen Partei. Auch für Bündnis 90/Die Grünen hat die operative europapolitische Bedeutung der Parteienkooperation zugenommen, nachdem mittlerweile in drei EU-Staaten grüne Parteien Regierungsverantwortung tragen.

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Vertrag von Maastricht (Art. 138 a E G V ) zugeschrieben hat. 53 Im Tagesgeschäft der europäischen Integration ist ihre Bedeutung bislang unterentwickelt geblieben, die effektive Verzahnung mit den Fraktionen des EP erweist sich oft als schwierig, 54 die Formulierung von gemeinsamen Positionen und Politiken wird behindert durch mitunter große inhaltliche Heterogenität unter den Mitgliedsparteien, und für eine wirksame gesellschaftliche Interessen- und Politikvermittlung fehlt es an ausreichender Kommunikation zwischen transnationaler und nationaler Ebene sowie an einer für Parteimitglieder und Bürger sichtbaren Präsenz der europäischen Parteienzusammenschlüsse als eigenständigen europapolitischen Akteuren. So bleibt die europäische Parteienkooperation bislang ein Elitenphänomen. Selbst bei den auf nationaler Ebene meist als »second order national elections« fehlkonzipierten und mißverstandenen Wahlen zum EP bleiben die europäischen Parteienzusammenschlüsse im Schatten der nationalen Parteien. 55 Ein Ende der Tendenz zu verstärkter Kooperation der Parteien auf europäischer Ebene ist dennoch nicht abzusehen. Sie wird weiter vorangetrieben durch Ausweitungen von Gemeinschaftspolitik sowie durch das Fortschreiten der Internationalisierung im ökonomischen Bereich, dem sich die Parteien ihrerseits grenzüberschreitend entgegenstellen, um weitere Einflußverluste zu verhindern und verlorene Einflußpositionen zurückzugewinnen.

SCHLUSSFOLGERUNGEN UND AUSBLICK

Bei allen Unterschieden zwischen den einzelnen Parteien und Handlungsebenen, die eine klare Antwort auf die Frage nach dem Ausmaß parteilicher Gestaltungsmacht in der Außenpolitik erschweren, bleibt festzuhalten, daß der parteipolitische Einfluß begrenzt ist und nicht überschätzt werden sollte. Die gesellschaftliche Bindung der Parteien erodiert, ihr traditioneller, nationalstaatlicher Handlungsrahmen büßt fortwährend Entscheidungskompetenzen ein, ohne daß dies durch verstärkte transnationale Kooperation vollständig aufgewogen werden kann. Für die Rekrutierung und Sozialisierung des politischen Personals sowie für die Regierungsbildung sind die Parteien nach wie vor konkurrenzlos, doch erwächst hieraus keine bruchlose Umsetzung von Parteiprogrammatik in Regierungspolitik. Dies mag manchen Kritiker einer angeblichen Parteienallmacht beruhigen. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß der politische Willensbildungsprozeß durch die Erosion der gesellschaftlichen Verankerung der Parteien und durch die fortwährende,

53 Zur folgenden Kritik vgl. Oskar Niedermayer, Parteien auf der europäischen Ebene, in: Gabriel/Niedermayer/Stöss, a.a.O. (Anm. 2), S. 443-458, hier S. 450-458. 54 Dies gilt übrigens auch für die Kommunikation zwischen den Abgeordneten und Fraktionen des EP, ihren nationalen Parteien und den Mitgliedern der nationalen Parlamente. Vgl. Steppat, a.a.O. (Anm. 5); Philip Norton, Conclusion: Addressing the Democratic Deficit, in: ders., a.a.O. (Anm. 20), S. 177-193. 55 Vgl. Julie Smith, How European are European Elections?, in: John Gaffney, Political Parties and the European Union, London/New York 1996, S. 275-290.

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gleichzeitige Abwanderung politischer Entscheidungskompetenzen von der für die Parteien zentralen nationalen Ebene auf supranationale, internationale, halb- und außerstaatliche Entscheidungsgremien in eine gefährliche Schieflage gerät. Denn eine Alternative zu den Parteien als zwischen gesellschaftlichen Interessen, staatlichem Handeln und staatspolitischen Notwendigkeiten vermittelnden, demokratische Legitimität herstellenden und - im Vergleich zu den verschiedensten organisierten Sonderinteressen - stärker auf das Gemeinwohl bedachten Institutionen ist nicht in Sicht. 56 Vor diesem Hintergrund sollten die Parteien neben den hier nicht zu erörternden Reformen der inneren Organisation verstärkt versuchen, Mitglieder, Funktions- und Mandatsträger an die Internationalisierung vormals nationaler Politikprozesse heranzuführen. Hierfür bietet sich als Schnittstelle im politischen Willensbildungsprozeß insbesondere die Ebene des Parlaments an. Bislang ist das Interesse der Abgeordneten an internationalen und außenpolitischen Fragen eher gering. Sachkompetenz ist auf kleine Gruppen beschränkt. Auf die Fachressorts bezogene Parlamentsarbeit wird noch weitgehend unter dem Fachgesichtspunkt gesehen, kaum in den jeweiligen internationalen Bezügen. Hier spiegelt sich auch die Ressorteinteilung auf Bundesebene wider, die eben auch manche Ressortblindheit zur Folge hat. 57 Die Kenntnisse der Abgeordneten über die internationale Verflechtung und über die aus der Globalisierung resultierenden Folgen für den Politikprozeß sollten dementsprechend verbessert werden. Dies kann nur teilweise über den langwierigen, gezielten »Aufbau« außenpolitischer Experten geschehen, den insbesondere der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Karl Lamers, in seiner Fraktion in den vergangenen Jahren initiiert hat. Wichtig wären auch Maßnahmen, die das ganze Parlament betreffen, etwa eine verstärkte Einrichtung bilateraler Ausschüsse mit den Parlamenten der Partnerstaaten in der E U . 5 8 Weitere Ansatzpunkte liegen auf der Handlungsebene der transnationalen Parteienkooperation. Zwar dürfte ihr schrittweiser Ausbau bei zunehmender Ausweitung von europäischer Gemeinschafts- bzw. Unionspolitik zum Selbstläufer werden, doch wird es zunehmend wichtig sein, die europäische Zusammenarbeit der Parteieliten durch entsprechende Aktivitäten der regionalen und kommunalen Parteigliederungen zu ergänzen.

56 Vgl. Richard Stöss, Parteienstaat oder Parteiendemokratie?, in: Gabriel/Niedermayer/Stöss, a.a.O. (Anm. 2), S. 13-36, hier S. 32-35. 57 Vgl. hierzu den Beitrag von Lisette Andreae und Karl Kaiser in diesem Band. 58 Die Vereinbarung einer solchen Kooperation mit der französischen Nationalversammlung ist 1997 am mangelnden politischen Willen auf deutscher Seite gescheitert. Vgl. Claus Gennrich, Verstimmung zwischen Bonn und Paris, in: FAZ, 18.3.1997.

POLITISCHE STIFTUNGEN: GRENZGÄNGER ZWISCHEN GESELLSCHAFTS- UND STAATENWELT Sebastian Bartsch* Unter den an den Außenbeziehungen Deutschlands beteiligten Institutionen befindet sich mit den politischen Stiftungen 1 eine einzigartige, bisweilen schillernde institutionelle Kreation. Sie weisen einerseits Merkmale international tätiger Nichtregierungs-Organisationen ( N G O s ) auf, sind aber andererseits fast vollständig von staatlichen Zuwendungen abhängig und in ihrer internationalen Arbeit einer - wenn auch moderaten - ministeriellen Kontrolle unterworfen. Hieraus jedoch zu schließen, sie seien reine Hilfstruppen der offiziellen Außenpolitik, ist falsch, schon weil es die enge Verbindung mit konkurrierenden Parteien außer acht läßt. Dies wiederum bedeutet aber ebensowenig, daß die Stiftungen parteipolitisch beliebig einsetzbare Instrumente wären. Gerade durch diese Ambivalenz leisten die Stiftungen als Grenzgänger zwischen Gesellschafts- und Staatenwelt einen wichtigen Beitrag zur Pluralisierung deutscher Außenpolitik. Mit ihrem internationalen Engagement, das auf der politischen Weltkarte nur wenige weiße Flecken läßt, erweitern sie die Präsenz und das Politikangebot Deutschlands im Ausland und tragen sie zur Ausprägung eines spezifischen außenpolitischen Profils der Bundesrepublik bei, das von traditioneller Machtpolitik und »Machtvergessenheit« gleichermaßen weit entfernt ist.

D I E STIFTUNGEN IM AUSSENPOLITISCHEN INSTITUTIONENGEFÜGE

Die vielfältigen internationalen Handlungsmöglichkeiten der Stiftungen resultieren in entscheidender Weise aus ihrer mehrfachen Verankerung im nationalen politischen

* Der Autor danke den Mitarbeitern der Stiftungen und Ministerien, die ihm als Gesprächspartner zur Verfügung standen: Günter Chodzinski, Dr. Günther Esters, Dr. Rainer Gepperth, Burkhard Haneke, MinR Rudolf Huber, Dr. Ernst Kerbusch, Dr. Reinhard Meier-Walser, V L R Hermann Sausen, Dieter A. Schmidt, Reimund Sollfrank, Josef Thesing, Almut Thébaud und Dr. Peter Traub. Wertvolle Anregungen zur Überarbeitung eines ersten Textentwurfs gaben neben den Herausgebern dieses Bandes Dr. Gunther Hellmann und Christian Westhoff. 1 Dies ist die übliche Bezeichnung für die fünf parteinahen, d.h. den im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien - C D U , SPD, F D P , C S U und Bündnis 90/Die Grünen - nahestehenden Stiftungen. Im einzelnen handelt es sich um die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNSt), die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) und die »neue« Heinrich-BöllStiftung (HBS), die 1997 nach einer Reform der »grün-nahen« Stiftungsstruktur an die Stelle der drei Einzelstiftungen Buntstift, Frauen-Anstiftung und »alte« Heinrich-Böll-Stiftung sowie des diesen vormals übergeordneten Stiftungsverbandes Regenbogen getreten ist. Nicht erfolgreich war bisher der Versuch der PDS, unter anderem durch eine Klage Vor dem Bundesverfassungsgericht eine rechtliche und finanzielle Gleichbehandlung des ihr nahestehenden »Verein Gesellschaftsanalyse und Politische Bildung e.V.« zu erreichen.

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Institutionengeflecht, aus der gleichzeitigen, jeweils unterschiedlich ausgeprägten Verknüpfung mit den Parteien, mit dem Parlament, mit einzelnen Ministerien sowie dies gilt zumindest für die Stiftung der jeweiligen großen Regierungspartei - mit dem Bundeskanzler. Hieraus ergeben sich auf der einen Seite unterschiedliche, bisweilen auch spannungsreiche Erwartungen an die Stiftungen, aber andererseits auch eine vergleichsweise große Zahl von Akteuren, die von der internationalen Arbeit der Stiftungen profitieren und ein dementsprechend großes Interesse an deren Fortführung haben. Die Verbindung mit den Parteien wird zunächst auf der personellen Ebene sichtbar: In der Regel steht nicht nur ein prominenter Vertreter der jeweiligen Partei als Vorsitzender des Vorstands an der Spitze der Stiftung, auch die Vorstände insgesamt sind sehr stark durch hochrangige Partei-, Bundes- und Landespolitiker geprägt. Umgekehrt gehören auch Stiftungsvertreter den außenpolitisch relevanten Fachgremien der Parteien an. Die Parteinähe äußert sich zudem in der programmatischen und weltanschaulichen Ausrichtung der Stiftungsarbeit, in ihren inhaltlichen Schwerpunkten sowie in der Wahl internationaler Kooperationspartner. Während ihrer langjährigen Präsenz im Ausland hat jede Stiftung ein engmaschiges Netzwerk von Kontakten geknüpft, das sie ihrer Partei für deren internationale Beziehungen zur Verfügung stellt, sei es zur Vorbereitung und Durchführung von Auslandsreisen von Funktionären und Mandatsträgern oder im Vor- und Umfeld der transnationalen Parteienkooperation. Die Stiftungen verfolgen ihre internationalen Aufgaben somit durchaus auch - nicht jedoch in erster Linie - im Interesse ihrer Parteien. Vielmehr variiert bei allen Stiftungen das Ausmaß der Ubereinstimmung mit der Partei erheblich, in Abhängigkeit von veränderbaren Kontexten wie etwa personellen Konstellationen und den bundespolitischen Rollen der Parteien. Die Beziehungen der Stiftungen zum Deutschen Bundestag sind zum einen dadurch geprägt, daß das Parlament im Rahmen der jährlichen Haushaltsberatungen über die Budgets der Stiftungen entscheidet.2 Zum anderen nehmen Stiftungsvertreter als Experten häufig an Themensitzungen und Anhörungen der Ausschüsse teil. Auch sind die Stiftungen an der Vorbereitung und Durchführung von Auslandsreisen der Ausschüsse und der Parlamentariergruppen meistens beteiligt. Die für die Auslandsarbeit der Stiftungen zentralen Regierungsinstitutionen sind das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und das Auswärtige Amt (AA). Das BMZ finanziert den Großteil des internationalen Stiftungsengagements, und zwar Projekte der gesellschaftspolitischen Bildung und der Sozialstrukturförderung in Entwicklungsländern sowie gesellschaftspolitische Maßnahmen in den Ländern Mittelost- und Südosteuropas und in den Nachfolgestaaten

2 Das bedeutet letztlich, daß die im Bundestag vertretenen Parteien über die Finanzausstattung der mit ihnen eng verbundenen Stiftungen entscheiden. Durch diese in der Vergangenheit mitunter als »Selbstbedienung« kritisierte Praxis werden die Stiftungen im Vergleich zu anderen nichtstaatlichen politischen Akteuren zweifellos privilegiert. Mittlerweile kann allerdings selbst die schützende Hand der Parteien die Stiftungsbudgets angesichts leerer Staatskassen nicht mehr vor finanziellen Kürzungen bewahren.

POLITISCHE STIFTUNGEN

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der ehemaligen Sowjetunion. Die Kontakte zwischen den Stiftungen und dem Ministerium sind dementsprechend eng, teils informell, teils institutionalisiert. Sie betreffen die Mittelverteilung und die Projektschwerpunkte im Rahmen der vorläufigen Ansätze für die stiftungsrelevanten Haushaltstitel, die das B M Z dem Bundesministerium der Finanzen ( B M F ) im Zuge der jährlichen Haushaltsberatungen meldet, die Besprechung der Projektanträge der Stiftungen, die vom B M Z unter entwicklungspolitischen Gesichtspunkten geprüft werden, begleitende und Ex-post-Evaluierungen von Stiftungsprojekten und die Erörterung konkreter Entwicklungen in einzelnen Ländern und Regionen sowie konzeptioneller Fragen der Entwicklungspolitik. Wenngleich die finanziellen Zuwendungen des Auswärtigen Amtes für die internationale Arbeit der Stiftungen bei weitem nicht an jene des B M Z heranreichen, 3 sind die Beziehungen zwischen den Stiftungen und dem Auswärtigen Amt nicht weniger intensiv. Dies liegt zum einen daran, daß das A A nicht nur über jene Projektanträge der Stiftungen abschließend entscheidet, die in seinen eigenen F ö r derungsbereich fallen, sondern auch über sämtliche BMZ-finanzierten Stiftungsprojekte. 4 Zum anderen haben die Auslandsmitarbeiter der Stiftungen in der alltäglichen Arbeit naturgemäß engere Kontakte zur deutschen Botschaft vor O r t als zum B M Z in der weit entfernten Bundeshauptstadt. Abgesehen von den Beziehungen zwischen Stiftungsvertretern und Botschaften, die regelmäßige Gesprächsrunden in den Auslandsvertretungen der Bundesrepublik einschließen, ähneln die Kontakte der Stiftungen zum A A in Form und Inhalt sehr stark jenen zum B M Z . Der Meinungsund Informationsaustausch schließt die Ad-hoc-Beteiligung von Stiftungsvertretern an Ressortgesprächen im Auswärtigen Amt ein. Zumindest für die der jeweiligen großen Regierungspartei nahestehende Stiftung gehört auch das Bundeskanzleramt zu den wichtigen Umfeldinstitutionen. Bislang hat jeder Bundeskanzler für seine außenpolitischen Ambitionen auch die seiner Partei nahestehende Stiftung als Informationsquelle und Kontaktbörse genutzt. 5

U M F A N G UND INHALT DES INTERNATIONALEN ENGAGEMENTS

Während internationale Ziele bei der Gründung der ersten Stiftungen Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre noch keine nennenswerte Rolle gespielt hatten, ist die Auslandsarbeit heute ein zentraler Bestandteil der Stiftungstätigkeit, dessen 3 Die Zuwendungen des AA machen etwa ein Zehntel des für die internationale Arbeit bestimmten Jahresbudgets der Stiftungen aus. Nachdem der Spitzenwert von über 48 Mio. DM im Jahr 1992 erreicht worden war, werden dies 1998 voraussichtlich nur noch knapp 40 Mio. DM sein - Tendenz weiter fallend. In sehr geringem Umfang fördert auch die Europäische Kommission einzelne Stiftungsprojekte. 4 Das BMZ leitet die Projektanträge der Stiftungen nach positiver Bewertung an das AA weiter, das unter Einschaltung der deutschen Botschaft im entsprechenden Land eine Prüfung unter außenpolitischen Gesichtspunkten vornimmt. Einwände werden allerdings selten geltend gemacht. Sie können sich, wie im Fall Tibets, auf völkerrechtliche Bedenken sowie auf Zweifel gegenüber der gewählten Partnerorganisation oder der inhaltlichen Ausrichtung eines geplanten Projekts beziehen. 5 Mit Helmut Kohl gehört erstmalig ein amtierender Bundeskanzler dem Vorstand einer politischen Stiftung an.

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POLITISCHES SYSTEM, G E S E L L S C H A F T U N D AUSSENPOLITIK

Ausgabenvolumen deutlich über dem der Inlandsarbeit liegt: Von den insgesamt über 600 Millionen D-Mark, die die Stiftungen im Jahr 1997 aus den Haushaltstiteln verschiedener Bundesministerien erhalten haben, 6 ist mehr als die Hälfte allein in die entwicklungspolitische Arbeit geflossen. Deren finanzielle Förderung durch das BMZ begann 1962 mit dem äußerst bescheidenen Betrag von 130 000 D-Mark. Sie wurde anschließend von Jahr zu Jahr erhöht und erreichte einen vorläufigen Höhepunkt im Jahr 1992 mit 360 Millionen D-Mark. 1998 werden den politischen Stiftungen voraussichtlich noch rund 346 Millionen D-Mark aus dem Budget des B M Z zur Verfügung gestellt. Insgesamt haben sie aus dem Haushalt dieses Ministeriums seit den sechziger Jahren etwa 6 Milliarden D-Mark erhalten.7 Nach den positiven Erfahrungen in der Entwicklungszusammenarbeit begann 1978 auch das Auswärtige Amt, die Auslandsarbeit der Stiftungen zu fördern, und zwar gesellschaftspolitische Aktivitäten in Westeuropa und Nordamerika sowie Stipendienprogramme für Ausländer. Mittlerweile finanziert das AA auch Maßnahmen in anderen Regionen, und zwar Projekte der Demokratisierungshilfe sowie eine Vielzahl von Aktivitäten in Mittel- und Osteuropa und in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion. Die politischen Stiftungen sind somit heute nahezu weltweit mit Projekten, eigenen Mitarbeitern und Büros präsent. Die wenigen verbleibenden weißen Flecken auf der Weltkarte bilden neben etlichen Klein- und Zwergstaaten vor allem solche Länder, in denen totalitäre Regime (z.B. Irak, Iran, Libyen) oder kriegerische Auseinandersetzungen und der Zerfall staatlicher Autorität (z.B. Afghanistan, Burundi, Liberia, Ruanda, Somalia) ein Engagement entweder nicht zulassen oder wenig erfolgversprechend erscheinen lassen. Eine explizite regionale Arbeitsteilung besteht zwischen den Stiftungen nicht; in vielen Ländern sind mehrere parallel aktiv. Gleichwohl hat jede Stiftung eigene Schwerpunkte und Prioritäten entwickelt, die vor dem Hintergrund regionaler und globaler politischer Veränderungen immer wieder der Uberprüfung und Anpassung bedürfen. Demokratieförderung

in Afrika, Asien und

Lateinamerika

Das entwicklungspolitische Engagement der Stiftungen ist - im Unterschied zum stärker technisch ausgerichteten Ansatz, den andere Trägerorganisationen repräsentieren - im Kern auf die Beeinflussung und Veränderung der gesellschaftlichen und politischen Sphäre der Zielländer gerichtet. Dieser Strategie liegt eine spezifische Sicht

6 Diese Bundeszuwendungen bilden den Löwenanteil der Einnahmen der Stiftungen. Andere Einnahmen v.a. Zuwendungen der Länder und der Europäischen Union, Spenden und Teilnehmergebühren - machen insgesamt selten deutlich mehr als ein Zehntel des Jahresbudgets aus. Vgl. hierzu die Jahresberichte der Stiftungen. 7 Die finanziellen Zuwendungen an die Stiftungen erfolgen nach einem Verteilungsschlüssel, der sich an der mittelfristigen Stärke der ihnen nahestehenden Parteien im Bundestag orientiert. Er sieht ab 1998 wie folgt aus: FES und KAS je 32,5 % , F N S t und HSS je 12,5 % , H B S 10 % .

POLITISCHE STIFTUNGEN

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der Ursachen von Unterentwicklung sowie der Voraussetzungen für deren Überwindung zugrunde. Sie mißt der Organisation von Gesellschaft und politischem System entscheidende Bedeutung für die Entwicklungschancen bei. Gleichzeitig wird auch ein Kausalzusammenhang zwischen demokratischer innerstaatlicher Organisation und kooperativem internationalen Verhalten betont, die Stiftungsarbeit mithin in eine sicherheits- und friedenspolitische Perspektive gerückt. Die in den letzten Jahren in diesem Zusammenhang am häufigsten zu vernehmenden Vokabeln lauten »Demokratieförderung« und »Demokratisierungshilfe«. 8 Etwas neutraler wird in einem der raren Fachaufsätze zur Auslandsarbeit der Stiftungen von »foreign political aid« gesprochen. 9 Diese besondere Form der Entwicklungshilfe ist darauf gerichtet, den politischen Prozeß in anderen Ländern mit dem Ziel der Überwindung von autoritären Herrschaftsstrukturen und des Aufbaus und der Stabilisierung pluraler Demokratien direkt und indirekt zu beeinflussen - ein Anspruch, der in den politisch und wirtschaftlich höchst unterschiedlich entwickelten Weltregionen natürlich in länder- und regionalspezifische Konzepte und Projekte übersetzt werden muß. Die internationalen Aktivitäten der Stiftungen sind - dieser Zielbeschreibung entsprechend - ausgesprochen vielfältig. Gleichzeitig sind die Unterschiede zwischen den Projekten der einzelnen Stiftungen eher gering; sie betreffen vor allem die Auswahl von Partnerorganisationen, bei der ideelle und programmatische Affinität eine wichtige Rolle spielt, sowie einige stiftungsspezifische Schwerpunktsetzungen. 10 Alle Stiftungen unterstützen politische, soziale und wirtschaftliche Institutionen, Organisationen und Projekte, die eine Stärkung des demokratischen und zivilgesellschaftlichen Prozesses und somit einen positiven Einfluß auf die politischen und sozialen Rahmenbedingungen der Entwicklung eines Landes versprechen. Dies können befreundete Parteien und Organisationen sein, Gewerkschaften, Genossenschaften und Unternehmerverbände, Umweltorganisationen, Vereinigungen von Frauen und anderer benachteiligter sozialer Gruppen sowie weitere strategisch bedeutsame Instanzen in Gesellschaft und Politik wie etwa Medien, lokale und zentralstaatliche Verwaltungen sowie Gerichte. Die Stiftungen finanzieren und organisieren Maßnahmen der politischen Erwachsenenbildung, Management- und Verwaltungsschulung, Konferenzen, Seminare, Workshops und Projekte zur Förderung von Menschenrechten und Rechtstaatlichkeit, Projekte zur beruflichen Bildung und zum Aufbau freier 8 Vgl. Stefan Mair, Internationale Demokratisierungshilfe. Erfahrungen und Aufgaben (Stiftung Wissenschaft und Politik, SWP-AP 3020), Ebenhausen 1997. Vgl. ferner die Beiträge zum Themenschwerpunkt »Demokratisierungshilfe der politischen Stiftungen«, in: Entwicklung+Zusammenarbeit (E+ZJ, Nr. 4, 1993, S. 92-101. 9 Vgl. Michael Pinto-Duschinsky, Foreign Political Aid: the German Political Foundations and Their US Counterparts, in: International Affairs, Nr. 1, 1991, S. 33-63. 10 So hat die HSS Schwerpunkte in den Bereichen Berufsbildung, Management-Schulung und Verwaltung ausgeprägt, während die FNSt schwerpunktmäßig Projekte zur direkten und indirekten Förderung von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit fördert. Einen anderen Ansatz verfolgt die HBS mit der Ausrichtung ihrer Projekte auf gesellschaftspolitische Basisgruppen. Umfangreiche internationale Gewerkschaftsförderung betreibt hingegen vor allem die FES in Abstimmung mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).

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Medien- und Informationssysteme sowie wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Forschungseinrichtungen und deren Veranstaltungen und Publikationen. Sie fördern ferner ausländische Stipendiaten und organisieren Besuchs- und Informationsreisen für ausländische Delegationen nach Deutschland. Die an Bedeutung und Umfang zunehmende Politik- und Rechtsberatung der Stiftungen erreicht mitunter - abhängig von den sehr unterschiedlichen Konstellationen in den einzelnen Ländern - die Spitzenebene der politischen Systeme, d.h. Regierungen und Staatspräsidenten, aber auch Parteien und andere politische Gruppen und Plattformen sowie Parlamente und ihre Ausschüsse. 11 Ein großer Teil dieser Aktivitäten zielt darauf ab, gegenwärtige oder zukünftige politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Eliten, denen eine besonders wichtige Rolle bei der Etablierung demokratischer und marktwirtschaftlicher Strukturen zukommt, zu fördern und in einen stetigen Kontakt zu deutschen Institutionen zu bringen. Demgegenüber spielen die direkte Unterstützung unterprivilegierter sozialer Gruppen und die unmittelbare Armutsbekämpfung eine nachgeordnete, wenngleich nicht unbedeutende Rolle. Transatlantische und europäische

Elitenvernetzung

Das Engagement der Stiftungen in den westlichen Industriestaaten zielt im Unterschied zur entwicklungspolitischen Arbeit selbstredend nicht auf die Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in den Zielländern, sondern primär auf die Fundierung und Festigung der auswärtigen, bilateralen, insbesondere der transatlantischen und europäischen Beziehungen der Bundesrepublik durch die Organisation eines intensiven, ständigen Dialogs zwischen den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Eliten. Partner und Zielgruppen sind hierbei vor allem führende Repräsentanten der politischen Parteien und deren Organisationen, Regierungsvertreter und Parlamentarier, Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Gesellschaft sowie Nachwuchspolitiker und Journalisten, die im Rahmen von Besuchsprogrammen, Konferenzen, Gesprächsrunden und Vortragsveranstaltungen zusammengeführt werden. 12 Alle Stiftungen mit Ausnahme der HBS, die demnächst nachziehen wird, sind mit eigenen Büros und Auslandsmitarbeitern in Brüssel und Washington präsent, KAS und FES zusätzlich auch in den Hauptstädten der wichtigsten Partnerländer der

11 Als bislang systematischste und informativste Darstellung aus dem Kreis der Stiftungen vgl. KAS, Für Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit. Die internationale Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin 1996. Ähnliche Publikationen zur Auslandsarbeit haben, mit Ausnahme der HSS, auch die anderen Stiftungen vorgelegt. Für eine sehr ausführliche Auffächerung der Stiftungsaktivitäten am Beispiel Lateinamerikas vgl. Christoph Wagner, Die offiziöse Außen- und Entwicklungspolitik der deutschen politischen Stiftungen in Lateinamerika, in: Manfred Λίο/í/Christoph Wagner (Hrsg.), Deutschland Lateinamerika. Geschichte, Gegenwart und Perspektiven, Frankfurt a.M. 1994, S. 167-228. 12 Vgl. KAS, Die Aktivitäten der Konrad-Adenauer-Stiftung in Europa, Nordamerika und Japan, Sankt Augustin 1997.

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Bundesrepublik im Rahmen der Europäischen Union (EU), d.h. in Paris, London, Rom und Madrid. Förderung von Demokratie und, Marktwirtschaft in den Staaten Mittel-, Ost- und Südosteuropas Während der Zugang in die UdSSR und ihren unmittelbaren Einflußbereich früher praktisch verschlossen war, sind die Staaten Mittel- und Osteuropas und die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion in den letzten Jahren zu einer neuen Schwerpunktregion der internationalen Arbeit der Stiftungen geworden. Mittlerweile gibt es praktisch keine Staaten mehr, in denen die Stiftungen nicht mit Auslandsbüros und Projekten vertreten sind.13 In ihrer Zielsetzung, dem politischen und wirtschaftlichen Transformationsprozeß zum Erfolg zu verhelfen, ähneln die Aufgaben der Stiftungen in Mittel-, Ostund Südosteuropa durchaus jenen, denen sie sich in der südlichen Hemisphäre gegenübersehen. Auch hier versuchen die Stiftungen vor allem jene Organisationen und Instanzen zu unterstützen und zu stärken, denen eine Schlüsselfunktion im Transformationsprozeß zuzurechnen ist: demokratische Regierungen, Parteien und Parlamente, Verwaltungen und Justiz, Gewerkschaften, Verbände und gesellschaftliche Organisationen, unabhängige Medien und wissenschaftliche Forschungs- und Beratungseinrichtungen sowie Träger der politischen Bildungsarbeit. Dies beinhaltet Beratung und Unterstützung etwa bei der Neuordnung und Stabilisierung von Parteiensystemen, beim Aufbau von Verfassungsgerichten und anderen Kernelementen eines unabhängigen Rechtswesens, bei der Konzipierung wirtschaftspolitischer Reformen, bei der Organisation von Verwaltungsstrukturen und kommunaler Demokratie oder etwa bei der Integration der Streitkräfte in den demokratischen Staat. Je nach Aufgabe und Handlungsmöglichkeiten vor Ort kann dies durch Konferenzen und Publikationen, Seminar- und Schulungsprogramme, durch die Organisation von Besuchs- und Informationsreisen nach Deutschland, durch die Entsendung von deutschen Experten, vor allem aber auch durch direkten Zugang zu Akteuren und Entscheidungsträgern auf der Spitzenebene der politischen Systeme geschehen. Gleichzeitig ist insbesondere gegenüber jenen Ländern, die in Zukunft der E U und dem Nordatlantikpakt (NATO) angehören werden, sowie gegenüber Rußland jenes Bestreben erkennbar, das die Arbeit der Stiftungen im transatlantischen und (west)europäischen Kontext leitet: die bilateralen Beziehungen der Bundesrepublik durch die Organisation eines intensiven Dialogs zwischen den Eliten zu festigen.

13 Vgl. Swetlana W. Pogorelskaja, Die politischen Stiftungen in der deutschen Außenpolitik. Überlegungen am Beispiel der Tätigkeit der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Hanns-Seidel-Stiftung in der Gemeinschaft der Unabhängigen Staaten und in den baltischen Staaten, Bonn 1997.

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P O L I T I S C H E S SYSTEM, G E S E L L S C H A F T U N D A U S S E N P O L I T I K AUSSENPOLITISCHE RELEVANZ

Die Außenbeziehungen Deutschlands werden von einer großen Zahl von Akteuren und Institutionen mit vielfältigen Zielen und Handlungsmöglichkeiten getragen. Unter diesen nimmt die Regierung zwar eine zentrale Stellung ein, doch ist sie weder in der Lage noch willens, alle anderen Elemente des komplexen Akteursnetzes auf die Rolle bloßer Instrumente der offiziellen Außenpolitik und Diplomatie zu reduzieren. Dies gilt auch für das Verhältnis von »Regierungsaußenpolitik« und »Stiftungsaußenpolitik«: ihre vielgestaltige Verankerung im politischen Institutionengeflecht der Bundesrepublik verleiht den Stiftungen als internationalen Akteuren ein facettenreiches Profil, das für die offizielle Außenpolitik von erheblichem Wert ist, obwohl es sich auf diese Funktionsbeschreibung nicht reduzieren läßt - sei es weil die Stiftungen aufgrund ihrer Parteinähe zumindest indirekt auch als Repräsentanten von »Parteiaußenpolitik« zu begreifen sind, sei es weil sie durchaus ihre eigenen Agenden verfolgen. Die Stiftungen leisten durch ihr internationales Engagement einen wichtigen Beitrag zur Pluralisierung deutscher Außenpolitik. Sie erweitern - deren gesellschaftliche Fundierung, - das Spektrum der außenpolitisch relevanten Akteure, -

die Informationsbasis und das Kommunikationsnetz der offiziellen Außenpolitik, die Präsenz, das Politikangebot und das Profil Deutschlands im Ausland die Vermittlung von Werten, Ideen und Ordnungsvorstellungen und summa summarum: die Einflußwege und -möglichkeiten deutscher Außenpolitik. In ihren unterschiedlichen Programmen und Werteverständnissen repräsentieren

die Stiftungen ein breites Spektrum gesellschaftlicher Interessen, aus dem lediglich die linken und rechten Ränder des politischen Koordinatensystems der Bundesrepublik ausgeklammert bleiben. 14 Folglich lassen sich kaum relevante gesellschaftliche Gruppen und politische Positionen identifizieren, die nicht durch die Stiftungen international vertreten sind, wenngleich natürlich die Verbindung zwischen gesellschaftlichen Interessen, Parteien und parteinahen Stiftungen nur als äußerst vermittelt zu verstehen ist. Das Spektrum der außenpolitisch relevanten Akteure mit spezifischen Interessen, Profilen und Instrumentarien erweitern die Stiftungen nicht nur durch ihre eigene Tätigkeit, sondern auch dadurch, daß sie die internationalen Handlungsmöglichkeiten der ihnen nahestehenden Parteien erheblich verbessern. Ohne die Ressourcen, die organisatorische Stärke und die Einflußnetzwerke der Stiftungen wären die deutschen Parteien weit weniger in der Lage, auf der internationalen Bühne und in der expandierenden transnationalen Parteienkooperation eine wichtige Rolle zu spielen. 14 Insofern spiegelt z.B. auch die schrittweise erfolgte Gleichbehandlung der »grün-nahen« mit den etablierten Stiftungen seit Ende der achtziger Jahre die Anerkennung neu entstandener, legitimer gesellschaftlicher Interessen, die dann letztlich auch in den internationalen Projekten der grün-nahen Stiftungen - ausgerichtet auf gesellschaftspolitische Basisgruppen, Frauen- und UmWeltorganisationen etc. - ihren spezifischen Ausdruck finden.

POLITISCHE S T I F T U N G E N

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Insbesondere den Oppositionsparteien eröffnen sich damit erweiterte Möglichkeiten der Teilhabe an den Außenbeziehungen Deutschlands. Von großer Bedeutung ist des weiteren, daß die Stiftungen im Ausland Handlungsmöglichkeiten haben, die der offiziellen Diplomatie nicht ohne weiteres zur Verfügung stehen. Die zentrale Intention der Stiftungen, die gesellschaftliche und politische Sphäre in den Zielländern zu beeinflussen und zu verändern, kann die regierungsoffizielle Außenpolitik aufgrund einer auch durch fundamentale völkerrechtliche Normen gebotenen Zurückhaltung kaum in vergleichbar direkter Weise verfolgen. Die Stiftungen haben diesbezüglich nicht nur weniger Rücksichten zu nehmen, sie profitieren auch in entscheidender Weise von ihrer ambivalenten Stellung im politischen Institutionengeflecht der Bundesrepublik. Ausländischen Betrachtern können sie je nach deren Blickwinkel und Interessenlage als regierungsnah oder regierungsfern genug - oder als parteinah oder parteifern genug - erscheinen, um als Partner gesucht und geschätzt zu werden. Hier erweist sich der große Wert des Grenzgängertums der Stiftungen zwischen Staatenwelt und Gesellschaftswelt 15 : sie sind nicht nur im politischen Kontext der Bundesrepublik in beiden Welten gleichermaßen beheimatet, sie bewegen sich auch im Ausland geschickt auf beiden Terrains. Ihre vielfältigen internationalen Kontakte und ihre Kenntnisse der innenpolitischen Situationen in anderen Staaten stellen sie auch den Botschaften, dem Auswärtigen Amt, dem BMZ und dem Kanzleramt in Berichten, in formellen und informellen Gesprächen zur Verfügung. Sie ergänzen und erweitern somit unmittelbar die Informations- und Kommunikationsbasis der staatlichen außenpolitischen Akteure. Gelegentlich versucht eine Stiftung, schwer belastete bilaterale Beziehungen der Bundesrepublik wieder in Gang zu bringen. Dies geschieht etwa durch Besuchsreisen von Stiftungsmitarbeitern mit dem Ziel, in informellen Gesprächen mit politischen Spitzenvertretern des betreffenden Landes neue Möglichkeiten der Kooperation zu sondieren. Eine Präsenz in dem betreffenden Land durch Projekte und Mitarbeiter setzen solche Unternehmungen, die in Absprache mit der Bundesregierung stattfinden, nicht voraus. Auch verbreitern und stärken die Stiftungen die ideellen und personellen Fundamente vieler bilateraler Beziehungen der Bundesrepublik dadurch, daß sie wesentlich zu einem kontinuierlichen Dialog der Eliten beitragen. Auf diese Weise schaffen sie ein für die deutsche Außenpolitik ausgesprochen wertvolles Vernetzungsmilieu, das bei Mitgliedern gegenwärtiger und potentieller politischer Führungseliten anderer Staaten mitunter eine spezifische Loyalität gegenüber der Bundesrepublik entstehen läßt. Auch kann sich so der offiziellen deutschen Außenpolitik insbesondere nach Regimeoder Regierungswechseln ein erleichterter Zugang zu den personell veränderten politischen Entscheidungsebenen anderer Staaten eröffnen. Unter anderem hierfür

15 Diese Unterscheidung geht zurück auf Ernst-Otto Czempiel, Weltpolitik im Umbruch. Das internationale System nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, 2. Auflage, München 1993. Vgl. auch ders., Vergesellschaftete Außenpolitik, in: Merkur, Nr. 1, 1994, S. 1-14.

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POLITISCHES SYSTEM, GESELLSCHAFT UND AUSSENPOLITIK

ist die parallele Tätigkeit weltanschaulich unterschiedlich orientierter Stiftungen essentiell, da erst sie den engen Kontakt zu ebenso unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Kräften ermöglicht. Durch ihr meist langfristig angelegtes Engagement, das sich weitgehend frei von kurzfristigem Erfolgsdruck vollzieht, können die Stiftungen eine Kontinuität deutscher Präsenz und deutschen Einflusses auch in jenen Staaten und Regionen sichern helfen, denen von der offiziellen Außenpolitik weniger Interesse entgegengebracht wird. Einen unmittelbaren Beitrag zur Außenpolitik leisten die Stiftungen dann, wenn es ihnen gelingt, auf zentrale politische Weichenstellungen in anderen Staaten maßgeblich Einfluß zu nehmen. Politikgestaltung dieser Qualität macht zwar mit Sicherheit nicht das Gros der Stiftungsarbeit im Ausland aus, weshalb es auch verfehlt wäre, hinter allen möglichen wichtigen Entwicklungen und Veränderungen in anderen Staaten eine geheimdienstähnliche »invisible hand* der politischen Stiftungen zu vermuten. Zudem muß berücksichtigt werden, daß die Stiftungen im Ausland immer innerhalb eines komplexen Gefüges von innerstaatlichen und externen Akteuren und Handlungen agieren, weshalb ihr konkreter Beitrag zu einzelnen Entwicklungen und Entscheidungen nicht exakt gemessen und gewichtet werden kann. Gleichwohl gibt es gesicherte Erkenntnisse über eine entscheidende Mitwirkung aller oder auch einzelner Stiftungen an politischen Weichenstellungen in anderen Staaten: sei es die Einflußnahme auf den politischen Wandel in Portugal und Spanien Mitte der siebziger Jahre durch die weitreichende und letztlich entscheidende Unterstützung demokratischer Parteien16 eine Tatsache, die wesentlich zum internationalen Renommee der Stiftungen beigetragen hat17 - , der bedeutsame, langfristige und in der Vorbereitung des Referendums von 1988 kulminierende Beitrag der Stiftungen zur Stärkung der demokratischen Opposition in Chile während der Diktatur Augusto Pinochets18 oder auch der noch in Zeiten des Apartheidregimes einsetzende, letztlich beträchtliche Einfluß insbesondere der FES und der KAS auf gesellschaftspolitische Entwicklungen und auf den politischen Wandel in Südafrika.19 Vielerorts, etwa in Zentralamerika, haben die Stiftungen - meist gemeinsam, in untereinander abgestimmtem Vorgehen - wichtige Beiträge zum Konfliktabbau und zur Friedenskonsolidierung geleistet.20 Und auch dort, wo es den Stiftungen etwa gelingt, die zersplitterten Kräfte demokratischer 16 Vgl. Geoffrey Pridham, The Politics of the European Community, Transnational Networks and Democratic Transition in Southern Europe, in: ders. (Hrsg.), Encouraging Democracy: The International Context of Regime Transition in Southern Europe, Leicester/London 1991, S. 212-245, hier S. 241; Walter C. Opello, Jr., Portugal: A Case Study of International Determinants of Regime Transition, in: ebd., S. 84-102, hier S. 86 u. 89. 17 Vgl. Cord Meyer, Facing Reality. From World Federalism to the CIA, New York 1980, S. 107f.; Thomas Carotbers, In the Name of Democracy. U.S. Policy Toward Latin America in the Reagan Years, Berkeley, Cal. 1991, S. 202. 18 Vgl. BMZ, Evaluierung der Aktivitäten der politischen Stiftungen in Chile, Bonn, Oktober 1995. 19 Vgl. BMZ, Hauptbericht zur Evaluierung der Aktivitäten der politischen Stiftungen in der Republik Südafrika, Bonn, September 1995. 20 Vgl. Günther Maihold, Friedensprozeß, Demokratisierung und Wirtschaftsreform: Beiträge der Projektarbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung in Zentralamerika, in: Andreas Brockmann/Martin Dabrowski/Ricardo Lagos Andino (Hrsg.), Mittelamerika und Deutschland. Das Potential einer guten Partnerschaft, Frankfurt a.M. 1996, S. 180-189.

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Parteien zusammenzuführen oder durch Beratung auf der politischen Spitzenebene auf die Gestaltung von politischen Institutionen (z.B. Parlamentsreformen) und Rechtssystemen (z.B. Verfassungs- oder Wahlrechtsreformen) Einfluß zu nehmen, leisten sie einen sehr direkten Beitrag zur Verwirklichung außenpolitischer Ziele der Bundesrepublik. Die Stiftungen beeinflussen des weiteren in positiver Weise die Wahrnehmung und das Ansehen Deutschlands im Ausland. Dies geschieht auf vielfältige Art: etwa durch die Vermittlung von Wertvorstellungen und Ideen, von politischen und wirtschaftlichen, konzeptionellen und institutionellen Lösungen, die sich in der Bundesrepublik bewährt haben; 21 oder dadurch, daß sie eine ergänzende oder gar alternative Politik dort repräsentieren, wo sie - im Unterschied zur Bundesregierung, die z.B. auf mögliche Belastungen offizieller Beziehungen und auf Außenwirtschaftsinteressen Rücksicht zu nehmen hat - oppositionelle demokratische Kräfte in Politik und Gesellschaft unterstützen. Vor allem aber tragen die Stiftungen zur Ausprägung eines spezifischen außenpolitischen Profils der Bundesrepublik und zu dessen Wahrnehmung im Ausland bei, das von traditioneller Machtpolitik und internationaler Abstinenz gleichermaßen weit entfernt ist. All dies leisten die Stiftungen nicht im direkten Auftrag der Bundesregierung oder des Auswärtigen Amtes. »Stiftungsaußenpolitik« verhält sich über weite Strecken komplementär zur »Regierungsaußenpolitik«. Dies schließt jedoch, mitunter auch zum Leidwesen des Auswärtigen Amtes, Versuche nicht aus, die offizielle Außenpolitik auch einmal zu korrigieren oder zu konterkarieren - etwa dort, wo letztere mit den EU-Partnern auf gemeinsame, von einer Stiftung nicht geteilte Positionen festgelegt ist. Meinungsverschiedenheiten und Spannungen können auch dort entstehen, wo Stiftungen im Ausland auf Partnerorganisationen setzen bzw. - mangels Alternativen - setzen müssen - , die in puncto Demokratieverständnis nicht über alle Zweifel erhaben sind. 22 Und schließlich - um einen weiteren Reibungspunkt zu benennen - reagieren offizielle diplomatische Repräsentanten der Bundesrepublik im Ausland auch einmal verstimmt, wenn sie feststellen müssen, daß der Leiter des Auslandsbüros einer Stiftung über die besseren Kontakte vor Ort und über umfangreichere Informationen verfügt. Dennoch sind ernsthafte Konflikte so selten,

21 Hierbei handelt es sich etwa um das deutsche »duale« Modell der Berufsbildung, um den Föderalismus, um die Institution des Bundesverfassungsgerichts oder um die Integration der Streitkräfte in den demokratischen Staat. 22 Ein Paradebeispiel sowohl für die mitunter gegebene Anfechtbarkeit als auch für die nachträgliche Bestätigung der politischen Nützlichkeit einer spezifischen Stiftungsstrategie ist die langjährige Zusammenarbeit der FES mit dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC) und der KAS mit der Inkatha Freiheitspartei: »Während die FES im Hinblick auf die Kooperation mit dem ANC bis Mitte der 80er Jahre sowohl beim ANC selbst wie teilweise auch beim BMZ auf beträchtliches Mißtrauen stieß, erwies sich diese bis dahin mühsame und schwierige Zusammenarbeit als Grundstein für eine spätestens seit 1990 äußerst wichtige und von allen Seiten als positiv angesehene Arbeit. Die KAS-Unterstützung für Inkatha/IFP durchlief ebenfalls sehr unterschiedliche Phasen der Einschätzung, von Unterstützung für eine glaubwürdige innere Opposition über ernste Zweifel an deren Kompromißfähigkeit bis zur Wertschätzung der besänftigenden Einflußnahme auf einen schwierigen und teilweise unberechenbaren Partner.« BMZ, Evaluierung Südafrika, a.a.O. (Anm. 19), S. 6f.

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POLITISCHES SYSTEM, GESELLSCHAFT U N D AUSSENPOLITIK

daß sie die allgemeine Wertschätzung des Beitrags der Stiftungen zur deutschen Außenpolitik nicht trüben. Die politischen Stiftungen und das außenpolitische Selbst- und Machtverständnis

der

Bundesrepublik

Daß die Vielzahl der - von der Bundesregierung finanzierten und genehmigten internationalen Stiftungsprojekte sich faktisch zu einem bedeutsamen, wenn auch wenig sichtbaren und kaum schlagzeilenträchtigen Element deutscher Einflußpolitik summiert, will nicht so recht zu der populären Auffassung passen, Deutschland und die Deutschen seien »machtvergessen« oder hätten gar »Angst vor der Macht«. 23 Die Integration der Stiftungen mit ihren spezifischen Handlungsmöglichkeiten in das außenpolitische Institutionengefüge bezeugt vielmehr nachdrücklich internationalen und außenpolitischen Gestaltungswillen und legt den Eindruck nahe, daß die Notwendigkeit von Macht und Machtpolitik nicht der Vergessenheit anheimgefallen ist, sondern vor dem Hintergrund historischer Erfahrungen, veränderter politischer Ziele und internationaler Rahmenbedingungen einen Substanzwandel erfahren hat - einen Wandel, den nicht in den Blick bekommt, wer sich auf ein traditionelles Machtverständnis stützt, das primär auf militärische und ökonomische Stärke, auf die Größe des Territoriums und der Bevölkerung sowie auf sogenannte geopolitische Faktoren rekurriert. Wenn man sich vor Augen führt, daß die Bundesrepublik spätestens seit dem vielgerühmten Beitrag der Stiftungen zur demokratischen Transformation in Spanien und Portugal Mitte der siebziger Jahre in einigen ihrer westlichen Partnerländer um die Möglichkeiten der »Stiftungsaußenpolitik« beneidet worden ist, 24 dann drängt sich der Eindruck auf, daß in der Bundesrepublik zu einem sehr frühen Zeitpunkt ein Institutionentyp entstanden ist, dessen Handlungsmöglichkeiten wahrhaft nicht

23 Vgl. Hans-Peter Schwarz, Die gezähmten Deutschen. Von der Machtbesessenheit zur Machtvergessenheit, Düsseldorf 1985; Gregor Schöllgen, Angst vor der Macht. Die Deutschen und ihre Außenpolitik, Berlin 1993. Eliten und Bevölkerung, so heißt es dort, neigten zur Unterschätzung der Bedeutung von Macht in den internationalen Beziehungen und seien unwillig, Außenpolitik als Machtpolitik zu verstehen und zu praktizieren. Dies sei eine zwar verständliche, aber dennoch letztlich falsche und irrationale Gegenreaktion auf frühere, katastrophal gescheiterte deutsche Großmachtambitionen, die zu einem Mangel an außenpolitischem Gestaltungswillen führe. 24 In etlichen Staaten sind mittlerweile - mitunter mit tatkräftiger Unterstützung der deutschen Stiftungen ähnliche Einrichtungen gegründet worden: in den USA der National Endowment for Democracy; in Großbritannien die überparteiliche Westminster Foundation for Democracy; in Frankreich die dem Parti Socialiste (PS) nahestehende Fondation Jean-Jaurès sowie die dem bürgerlichen Spektrum zugehörige Fondation Robert-Schuman; in Spanien die Fundación Pablo Iglesias, ein früheres Förderungsprojekt der FES, die Fundación Humanismo y Democracia als Partnerorganisation der KAS, sowie die dem spanischen Partido Popular (PP) nahestehende Fundación Cánovas del Castillo, an deren Aufbau die HSS mitgewirkt hat; in Osterreich das sozialdemokratische Dr.-Karl-Renner-Institut; in den Niederlanden die Alfred Mozer Stichting u.a.m. In puncto Größe und Finanzvolumen reichen alle diese Organisationen jedoch bei weitem nicht an die deutschen Stiftungen heran. Zwischen den Stiftungen gleicher politischer Couleur gibt es eine punktuelle Projektkooperation und Ansätze einer institutionalisierten Zusammenarbeit, in der die deutschen Stiftungen aufgrund ihres Erfahrungsvorsprungs und ihrer organisatorischen Stärke eine wichtige Rolle spielen.

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allen, aber doch einigen außenpolitischen Anforderungen in einer interdependenten Welt sehr viel besser gerecht werden als die traditionellen Machtinsignien. 25

PERSPEKTIVEN

Angesichts der nicht geringen Bedeutung der politischen Stiftungen im Gesamtkontext der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik sollte man meinen, daß ihr Platz im außenpolitischen Organisationsnetz und die Fortführung ihrer internationalen Arbeit gesichert seien. Und in der Tat: dramatische Veränderungen scheinen nicht bevorzustehen. Überdies sind sowohl auf Seiten der Stiftungen wie auch in den zuständigen Ministerien Anpassungen an neue Gegebenheiten im Gange. Hierzu gehören etwa die kürzlich erfolgte Reform der Förderrichtlinien des B M Z für Stiftungsprojekte, durch die die Flexibilität der Stiftungen erhöht worden ist, Überlegungen aus dem Kreis der Stiftungen, die darauf abzielen, die Politikberatung im Ausland zu kommerzialisieren, oder auch der erwähnte Auf- und Ausbau der Zusammenarbeit der Stiftungen mit verwandten Organisationen im Ausland. Gleichwohl gilt es auch auf Entwicklungen hinzuweisen, deren mögliche Konsequenzen rechtzeitig erkannt werden müssen, wenn der Beitrag der Stiftungen zur deutschen Außenpolitik nicht eines Tages infolge einer schleichenden Erosion seiner Grundlagen zur Disposition stehen soll. Wie viele andere Institutionen sehen sich die Stiftungen derzeit einer Reduzierung staatlicher Zuwendungen gegenüber. Dies gibt hier und da Anlaß zur kreativen Suche nach neuen Lösungen und zur Überprüfung und Einstellung verzichtbarer Aktivitäten, bringt jedoch in Kombination mit Inflation, steigenden Personalkosten und regionalen Einbrüchen der operativen Mittel durch einen steigenden Kurs des US-Dollar auch erhaltenswerte Projekte in Gefahr. Es muß beunruhigen, wenn wie geschehen - die Zahl der ausländischen Stipendiaten, die im Rahmen von Stiftungsprogrammen nach Deutschland kommen, signifikant zurückgeht oder wenn die Zahl der Auslandsmitarbeiter einer Stiftung binnen sechs Jahren um fast 50 Prozent reduziert wird. 26 Die politischen Entscheidungsträger müssen sich klar darüber sein,

25 In der Politikwissenschaft ist in diesem Zusammenhang der Begriff der »soft power« geprägt worden. Er beschreibt an Bedeutung zunehmende, nicht-materielle Quellen der Macht- und Einflußausübung, die mit kultureller Ausstrahlung, mit der Attraktivität von Ideen, Ordnungsvorstellungen und politischen Konzepten sowie mit der auch organisatorisch-institutionellen und diskursiven Fähigkeit verbunden sind, die Définition der politischen Agenden, die Präferenzen und Prioritäten anderer internationaler Akteure in Richtung auf die eigenen Ziele und Positionen zu lenken. Vgl. Joseph S. Nye, Jr., Soft Power, in: Foreign Policy, Nr. 80, Herbst 1990, S. 153-171. Auch im Kontext des Zivilmacht-Konzepts ist die »Stiftungsaußenpolitik« empirisch anschlußfähig, bislang jedoch nicht berücksichtigt worden. Vgl. Hanns W. Maull, Germany and Japan: The New Civilian Powers, in: Foreign Affairs, Nr. 5, 1990, S. 91-106; ¿m./Knut Kirste, Zivilmacht und Rollentheorie, in: Zeitschrift für Internationale Beziehungen, Nr. 2, 1996, S. 283-312. 26 Diese Entwicklung betrifft bislang FNSt und HSS als kleinere Stiftungen mangels finanzieller Masse und aufgrund der zusätzlichen Belastung durch den allmählichen finanziellen Aufwuchs der HBS in viel stärkerem Maße als KAS und FES.

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daß es in der Finanzausstattung eine kritische Grenze gibt, unterhalb derer der außenpolitische Beitrag der Stiftungen Schaden nimmt. Dies gilt etwa dann, wenn langjährig aufgebaute Kontakte und gewachsene Vertrauensbeziehungen in einzelnen Staaten nach einem Stiftungsrückzug nicht mehr aufrechterhalten werden können. Eine Einflußerosion anderer Art könnte daraus resultieren, daß sich seit einigen Jahren in jenen Feldern, die bisher zum Kernbereich der internationalen Arbeit der Stiftungen gehörten, vermehrt auch andere staatlich finanzierte Institutionen engagieren. Zu diesen zählt vor allem die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), die - auch auf ausdrücklichen Wunsch der Parlamentsmehrheit - vermehrt in den Bereich der Demokratieförderung ausgreift.27 Umgekehrt dürften auch die Stiftungen in ihrer entwicklungspolitischen Arbeit mit manchen Projekten Aufgaben übernommen haben, für die sie gegenüber anderen Trägerorganisationen keinen entscheidenden Kompetenzvorteil reklamieren können. Konkurrenz mag mitunter das Geschäft beleben, doch muß auf der politischen Entscheidungsebene - auch im BMZ - und in den betroffenen Organisationen, was die Stiftungen einschließt, das Bewußtsein für organisationsspezifische Rollenvorteile wachgehalten bzw. geschärft werden. Abstimmungsprobleme zwischen den einzelnen Stiftungen, zwischen den zuständigen Ministerien und zwischen Stiftungen, anderen Trägerorganisationen und Ministerien mit der Folge ineffektiver und Ressourcen vergeudender Parallelaktivitäten müssen durch eine Verbesserung und Intensivierung der Kommunikation überwunden werden. Eine weitere mögliche Gefahr hat damit zu tun, daß die Hauptverantwortlichen für die internationale Arbeit der Stiftungen dieses Geschäft bereits seit vielen Jahren, teilweise seit Jahrzehnten betreiben. Diese bemerkenswerte Kontinuität hat dazu geführt, daß sich unter den Stiftungen ein System mindestens impliziter Normen herausgebildet hat, die die internationale Arbeit jeder einzelnen Stiftung und ihr Zusammenwirken, insbesondere auch ihren Umgang mit politisch delikaten Missionen leiten. Hieran knüpft sich die Frage, inwieweit dieses gemeinsame Verständnis einen zukünftigen Generationswechsel überdauern wird. Längerfristig könnte ein Einflußverlust den Stiftungen schließlich auch drohen, weil die Bundesrepublik Gefahr läuft, den Modellcharakter für bestimmte politische, wirtschaftliche und soziale Lösungen einzubüßen, den die Stiftungen im Ausland bislang erfolgreich vermittelt haben. Ein anhaltender Reformstau in zentralen Fragen der Gestaltung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft würde zwangsläufig das Ansehen Deutschlands in der Welt und auch das »standing« der Stiftungen beeinträchtigen, die nicht auf unbegrenzte Dauer von einer erfolgreichen Vergangenheit zehren können.

27 Vgl. Wolfgang Heinz, Positive Maßnahmen zur Förderung von Demokratie und Menschenrechten als Aufgabe der Entwicklungszusammenarbeit (Deutsches Institut für Entwicklungspolitik, Berichte und Gutachten, Nr. 4/1994) Berlin 1994, S. 29-36; Mair, a.a.O. (Anm. 8), S. 65-68.

GESELLSCHAFTLICHE MITTLERORGANISATIONEN Karl Kaiser und Markus Mildenberger Gesellschaftliche Mittlerorganisationen sind Institutionen der zwischen Gesellschaften angewachsenen transnationalen Beziehungen sowie der Demokratisierung der Außenpolitik: einerseits als deren Produkt, andererseits als Kräfte, die diese Prozesse weiter vorwärts treiben. Diese Organisationen entstehen innerhalb der Gesellschaft, um für die Vertiefung der Beziehungen mit einem anderen Land zu arbeiten: durch Aktivitäten in der Gesellschaft, Veranstaltungen, Veröffentlichungen, Einwirkung auf relevante Eliten oder durch Kontakte mit ähnlichen Organisationen, Eliten und Gruppen im Partnerland.

MOTIVE, AUFGABEN UND REGIONALE SCHWERPUNKTE

Bei der Bildung der in Deutschland tätigen Mittlerorganisationen hat mindestens eines der folgenden Merkmale für die Beziehungen mit den jeweiligen Ländern eine entscheidende Rolle gespielt: - die besondere Bedeutung der bilateralen Beziehungen für die demokratische Entwicklung der neuentstandenen Bundesrepublik und ihre außenpolitische Orientierung; - die Belastung des bilateralen Verhältnisses auf der gesellschaftlichen und politischen Ebene durch historische Hypotheken, deren Bewältigung sich die Mittlerorganisation zum Ziel gesetzt hat; - die Bedeutung des Partnerlandes für die Bundesrepublik aufgrund seines gegenwärtigen oder zukünftigen wirtschaftlichen oder politischen Potentials. Mittlerorganisationen können dabei Aufgaben übernehmen, die der Staat aus Gründen institutioneller Selbstbeschränkung oder aus innen- bzw. außenpolitischen Rücksichten nicht übernehmen kann. Gelegentlich können hierbei die außenpolitischen Zielsetzungen der Mittlerorganisation in einem Spannungsverhältnis zu denen des Staates stehen. Andererseits können sie aber auch von staatlichen Institutionen finanziell gefördert werden und ihre Aktivitäten im Einklang mit der offiziellen Außenpolitik betreiben. Die Tätigkeit von Mittlerorganisationen kann deshalb den außenpolitischen Handlungsspielraum des Staates erweitern.1 Die geographisch-regionale Schwerpunktsetzung außenpolitischer Aktivität von Mittlerorganisationen in der Bundesrepublik reflektiert diese Kriterien. Ein besonders

I Vgl. Markus Heintzen, Private Außenpolitik. Eine Typologie der grenzüberschreitenden Aktivitäten gesellschaftlicher Kräfte und ihres Verhältnisses zur staatlichen Außenpolitik, Baden-Baden 1989, S. 15-22; Erhard Forndrart, Gesellschaft und internationale Politik. Zum Verhältnis von Innen- und Außenpolitik, in: Hartmut Elsenhans et aL (Hrsg.), Frankreich - Europa - Weltpolitik. Festschrift für Gilbert Ziebura, Opladen 1989, S. 161-173, hier S. 162f.

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dichtes Netz von Organisationen zusammen mit den politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kontakten bildete sich im Verhältnis zu Frankreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten heraus. Obwohl nach Ende des Zweiten Weltkriegs der Aspekt der Aussöhnung mit den ehemaligen Kriegsgegnern zunächst im Vordergrund stand, ließ die Zugehörigkeit zur militärischen, ökonomischen und sozialen Interessengemeinschaft des Westens bald zusätzliche Motivationen wirksam werden. Die Vertiefung der bilateralen Beziehungen diente der Festigung des demokratischmarktwirtschaftlichen Systems der neuentstandenen Bundesrepublik und ihrer nach Westen ausgerichteten Außenpolitik. Die Aktivitäten der jeweiligen Mittlerorganisationen dienten und dienen nach wie vor der gesellschaftlichen Unterfütterung dieser Beziehungen. Sie genießen deshalb das Wohlwollen der maßgeblichen politischen und wirtschaftlichen Eliten. Eine große Aktivität entfalteten Mittlerorganisationen in bezug auf die Beziehungen mit jenen Ländern und Nationen, die unter der nationalsozialistischen Politik in besonderer Weise gelitten hatten. Hier ist zunächst Israel zu nennen. Obwohl sich inzwischen ein enges und partnerschaftliches Verhältnis entwickelt hat, hat der Aspekt der Versöhnungsarbeit nicht an Bedeutung verloren. Das zweite Beispiel ist Polen, mit dem eine auf Aussöhnung und Verständigung gerichtete Tätigkeit von Mittlerorganisationen durch die durch die Ideologisierung der Grenze an Oder und Neiße von polnischer Seite und deren Nichtanerkennung von deutscher Seite jahrzehntelang erschwert wurde. Andererseits zeigte sich gerade hier, daß die Tätigkeit nichtstaatlicher Vereinigungen, die nicht immer auf die Unterstützung durch die offizielle Außenpolitik rechnen können, dieser oftmals voraus sein kann. Das Verhältnis mit der Tschechoslowakei nahm einen anderen Verlauf. Eine Verständigungspolitik setzte hier erst verspätet ein. Die Verengung auf die Frage der Vertreibung der Sudetendeutschen auf deutscher Seite und die dogmatisch-starre Haltung der kommunistischen Führung auf der anderen Seite bewirkten, daß es zu einer ehrlichen Aufarbeitung der gemeinsamen Beziehungen nur verzögert und weitgehend ohne den für eine Aussöhnung notwendigen gesellschaftlichen Unterbau kam. Von zunehmender Bedeutung sind gesellschaftliche Mittlerorganisationen im Verhältnis zu Ländern und Regionen mit einem großen wirtschaftlichen und politischen Potential. Dabei handelt es sich sowohl um Länder, die - wie Rußland in der gesellschaftlichen und offiziellen Wahrnehmung sehr präsent sind, als auch um solche, denen die deutsche Außenpolitik und die Öffentlichkeit eine weniger intensive Aufmerksamkeit widmet. Insbesondere im Fall von Entwicklungsländern spielen die Mittlerorganisationen eine wichtige Rolle. Sie füllen die Lücke, die durch ein zurückgegangenes deutsches Interesse an der Nord-Süd-Problematik zugunsten einer Integrationspolitik gegenüber Osteuropa entstanden ist. Organisationen wie z.B. die Deutsch-Indische Gesellschaft, das Deutsch-Pakistanische Forum oder die Deutsch-Arabische Gesellschaft erfüllen damit die wichtige Aufgabe, diese Länder stärker ins öffentliche Bewußtsein zu rücken.

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Frankreich Der rasche Wandel der Ausgangsbedingungen bilateraler Beziehungen von Fragen der Aussöhnung zu Fragen, die sich aus der Interessengemeinschaft von Partnern ergeben, wird besonders deutlich in den deutsch-französischen Beziehungen. Mit dem Wechsel des Paradigmas von der »Erbfeindschaft« zu dem des partnerschaftlichen »Motors der europäischen Einigung« änderte sich auch die Rolle der Mittlerorganisationen. Nach Ansicht von Alfred Grosser gab es schon seit der Klärung der Saarfrage durch den Luxemburger Vertrag von 1956 keine direkten deutsch-französischen Probleme mehr.2 Folgerichtig definierte er die Aufgaben der Mittlerorganisationen breiter: - Die Mittlerorganisationen sollten ihre Arbeit über die Eliten hinaus in breitere Bevölkerungsschichten tragen. - Der Kulturbegriff sollte um gegenwartsbezogene politische, wirtschaftliche und soziale Fragestellungen erweitert werden. - An die Stelle von beschönigender Kulturpropaganda sollte unverfälschte Information treten, die eine objektive Meinungsbildung über das Partnerland erlaubt. Heute wird die Arbeit der deutsch-französischen Mittlerorganisationen diesen schon in den siebziger Jahren formulierten Maßstäben und Anforderungen weitgehend gerecht. Dies wird besonders deutlich, wenn man diese mit den vielfach noch mit der Bewältigung der Vergangenheit befaßten Organisationen zwischen Deutschland und seinen ostmitteleuropäischen Nachbarn vergleicht. Die gesellschaftlichen Vereinigungen handelten nicht nur im Einklang mit der Staatsräson Frankreichs und der Bundesrepublik, sondern konnten auch auf das Interesse und die Unterstützung zweier vergleichbar entwickelter Gesellschaften bauen. Damit schwand die Notwendigkeit einer zentralen Mittlerorganisation zur Verbesserung der zwischenstaatlichen Beziehungen. Besonders deutlich wurde dies an den Deutsch-Französischen Konferenzen. In unregelmäßigen Abständen und mit zeitweise mehrjährigen Unterbrechungen berieten sie zwischen 1955 und 1990 bilaterale und europäische Fragen.3 Zuletzt wurden die Konferenzen organisiert vom Centre d'Information et de Recherche sur l'Allemagne Contemporaine (CIRAC), dem Institut Français des Relations Internationales (IFRI), dem Deutsch-Französischen Institut (DFI) und dem Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), welches von Anfang an zu den Mitorganisatoren gehörte. Auch nach der Einstellung der Konferenzen gibt es im breitgefächerten Netz deutsch-französischer Kooperationen eine Vielfalt von Aktivitäten, die ähnliche Ziele verfolgen.

2 Vgl. Astrid Köstinger, Das Deutsch-Französische Institut in Ludwigsburg. Zur Geschichte, Struktur und Funktion einer Mittlerorganisation (Diplomarbeit, Gesamthochschule Kassel), 1991, S. 3-5. 3 Für einen Uberblick über Geschichte, Themen und Veranstalter vgl. Deutschland und Frankreich im neuen Europa. Referate, Berichte, Dokumente. XIV. Deutsch-Französische Konferenz, Berlin, 28.-30.5.1990 (Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Arbeitspapiere zur Internationalen Politik, N r . 59), Bonn 1991, S. 181-198.

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Unter den in Deutschland angesiedelten Institutionen spielt das DFI in Ludwigsburg eine wichtige Rolle. Bereits 1948, unter anderem von Theodor Heuss, Carlo Schmid und Fritz Schenk in Baden-Württemberg gegründet, verstand es sich als »unabhängiges Forum für den Dialog mit Frankreich auf allen Gebieten des intellektuellen und öffentlichen Lebens« 4 . Finanziert wird es im wesentlichen aus öffentlichen Mitteln des Auswärtigen Amtes (AA), des Landes Baden-Württemberg und der Stadt Ludwigsburg. Im Unterschied zu anderen wissenschaftlichen Institutionen, in denen die Frankreichforschung nur einen Teilbereich darstellt, befassen sich im DFI, unter Leitung von Direktor Prof. Dr. Robert Picht, alle fünf wissenschaftlichen Mitarbeiter ausschließlich mit der »sozialwissenschaftlichen Erforschung politischer, ökonomischer und sozialer Strukturen und Entwicklungen in Frankreich« 5 . Gegenstand der Analyse ist die Bedeutung international relevanter Fragestellungen für die Entwicklung Frankreichs und die deutsch-französischen Beziehungen sowie deren Rezeption durch die politischen und gesellschaftlichen Eliten. Einen wichtigen Schwerpunkt bildet dabei die Europapolitik Frankreichs und Deutschlands. Das DFI wendet sich in seiner Arbeit vor allem an die Wissenschaft, an relevante Multiplikatoren und Führungskräfte in Deutschland und Frankreich. Diesem Ziel dienen Seminare, Konferenzen, die jährliche Zusammenkunft der deutschen Frankreichforscher sowie die Veröffentlichung »Aktuelle Frankreichanalysen«. Stärker policy-orientiert ist die auf Frankreich bezogene Arbeit der D G A P und ihrer 1983 mit Hilfe der Robert Bosch Stiftung gegründeten und später vom AA finanzierten Arbeitsstelle Frankreich/Deutsch-Französische Beziehungen. Neben regelmäßigen Publikationen zu deutsch-französischen und Frankreich-bezogenen Themen unterhält die D G A P unter der Leitung von Prof. Dr. Karl Kaiser einen Gesprächskreis Frankreich/Deutsch-Französische Beziehungen, in dem sich Experten aus Parlament, Administration, Wissenschaft, Wirtschaft und Publizistik regelmäßig treffen, um in vertraulichem Rahmen aktuelle und längerfristige Fragen der deutsch-französischen Beziehungen zu erörtern. Diese Diskussionen stellen nicht nur eine indirekte Form der Politikberatung dar, sondern sollen allen Beteiligten - unter denen sich auch einige Franzosen befinden - Anregungen für ihre Arbeit geben. Die Mittlerorganisationen auf deutsch-französischem Gebiet sind deshalb nicht nur vielfältig, sondern auch arbeitsteilig strukturiert. Zudem hat sich im deutschfranzösischen Verhältnis wie mit keinem anderen Land ein außerordentlich dichtes Netz öffentlich unterstützter bilateraler Organisationen entwickelt, insbesondere das Deutsch-Französische Jugendwerk und eine große Zahl von Städtepartnerschaften, die vielfältige zwischengesellschaftliche Kontakte pflegen und anregen.

4 Zitiert nach: Internet, http://www.dfi.de/ursprung.htm. Zu den Hintergründen der Entstehung des DFI vgl. Köstinger, a.a.O. (Anm.2), S. 15f. 5 DFI, Tätigkeitsbericht 1996, Ludwigsburg 1997, S. 6.

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Großbritannien Einen völlig anderen Charakter hat die zentrale Mittlerorganisation in den deutschbritischen Beziehungen. Die Deutsch-Englische Gesellschaft (DEG), deren Vorstand seit 1998 von Dr. Hermann Freiherr von Richthofen geleitet wird, entstand am 18. März 1949 - also vor Gründung der Bundesrepublik - mit dem Ziel, »die Beziehungen zu Großbritannien in allen Fragen des öffentlichen und kulturellen Lebens zu vertiefen und jeden diesem Zweck dienenden Austausch zu fördern« 6 . Während das Deutsch-Französische Institut seinen Sitz seinerzeit bewußt außerhalb der französischen Besatzungszone wählte, »stieß (die D E G ) bei den britischen Besatzungsbehörden ... nicht nur auf Wohlwollen, sondern sie erhielt auch deren verständnisvolle Unterstützung« 7 . Die Gründung der D E G durch eine kleine Gruppe anglophiler Privatleute, die nach dem Krieg persönliche Kontakte zu den britischen Besatzungsbehörden gewonnen hatten, war in erster Linie durch den Gedanken der Versöhnung und des Anknüpfens an demokratische Traditionen motiviert. Im Unterschied zu den 18 Arbeitskreisen und Landesgruppen der D E G in allen Teilen Deutschlands spielten jedoch in den seit 1950 stattfindenden Deutsch-Englischen Gesprächen, wegen ihres vorwiegenden Tagungsortes auch Königswinter-Konferenzen genannt, weder die Aufarbeitung der Vergangenheit noch kulturelle Aspekte der deutsch-britischen Beziehungen jemals eine wirkliche Rolle. Die weltpolitische Lage, die aus dem Verhältnis zwischen Siegern und Besiegten schon nach wenigen Jahren eines von Partnern machte, bewirkte, daß die Konferenzen - und damit das Kernstück der D E G - spätestens seit 1952, als unter dem Thema »Großbritannien und der Kontinent« die Perspektiven der westeuropäischen Integration diskutiert wurden, einen eindeutig politischen Charakter annahmen, den sie in der Folgezeit auch nicht mehr ablegen sollten.8 Der Ansatz der D E G , primär die politischen, wirtschaftlichen, publizistischen und wissenschaftlichen Eliten beider Länder anzusprechen, prägte den Charakter der Gesellschaft selbst. »Die D E G wurde dadurch im Verlaufe ihres Bestehens relativ schnell zu einem Teil jener Führungsschichten, die ihr als Ansprechpartner dienten. Die Heranziehung neuer Mitglieder und Tagungsteilnehmer änderte an dieser Grundstruktur wenig, zumal sie in der Regel auf die Empfehlung langjähriger Mitglieder zurückging.«9 Nach ähnlichem Muster erfolgt auch die Auswahl der Teilnehmer der Königswinter-Konferenzen. Trotz einer bewußt gepflegten Fluktuation bleibt die Kontinuität im Charakter der Beratungen gewahrt. Hierfür sorgt ein vorbereitender Lenkungsausschuß, dessen Mitglieder die Konferenzen bestens kennen und sich durch herausragendes persönliches Interesse oder Einfluß auszeichnen. 6 Satzung der Deutsch-Englischen Gesellschaft e.V., § 1. 7 Ralph Uhlig, Die Deutsch-Englische Gesellschaft, 1949-1983. Der Beitrag ihrer »Königswinter-Konferenzen« zur britisch-deutschen Verständigung, Göttingen 1986, S. 7. 8 Vgl. ders., Königswinter - Symbol deutsch-britischer Verständigung nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Hartmut Boockmann/Kurt Jürgensen/Gerhard Stoltenberg (Hrsg.), Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Karl Dietrich Erdmann, Neumünster 1980, S. 491-529, hier S.493. 9 Uhlig, Die Deutsch-Englische Gesellschaft, a.a.O. (Anm. 7), S. 159.

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Die Königswinter-Konferenzen, die in Qualität und Ansehen ihresgleichen suchen - oft nachgeahmt, jedoch nie erreicht - , konnten von Anfang an auf die ideelle und materielle Unterstützung durch die Politik beider Staaten bauen. Dabei erfüllt die Konferenz die Funktion, die Eliten beider Seiten zusammenzubringen, damit sie in geschlossenem Kreis politische Schritte vorüberlegen können, die in dieser Form auf der offiziellen Ebene noch nicht diskutiert werden. Die Konferenz soll den beteiligten Parlamentariern, Regierungsvertretern und Multiplikatoren als Stimmungsbarometer dienen. Wegen der raschen Verbesserung des deutsch-britischen Verhältnisses wurden schon frühzeitig internationale Fragen, vor allem im Zusammenhang der europäischen Integration und des Ost-West-Gegensatzes zum Thema gemacht. Die öffentliche Meinung soll über die Einbeziehung meinungsbildender Persönlichkeiten beeinflußt werden. Die Einflußnahme erfolgt also nur indirekt und ist folglich schwer meßbar, wenngleich über die Konferenzen, deren Plenarsitzungen presse-öffentlich stattfinden, immer ausführlich in Zeitungen berichtet wird. Die Königswinter-Konferenz wirkt zwischen beiden Ländern »elitebildend und elitestabilisierend« 10 . Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit bilaterale Beziehungen angesichts der wachsenden Bedeutung multilateraler und globaler Zusammenhänge - vor allem nach 1989 - ihr altes Gesicht behalten und damit Institutionen wie die Königswinter-Konferenz, die D E G sowie auch andere bilaterale Mittlerorganisationen nicht einem verstärkten Legitimierungsdruck ausgesetzt werden. Infolge der Vereinigung Deutschlands und unterschiedlicher Konzepte für die Zukunft der Europäischen Union (EU) hat es Schwierigkeiten in den deutschbritischen Beziehungen gegeben. Britische Befürchtungen über die erstarkte Macht Deutschlands in Europa wurden von der Königswinter-Konferenz aufgenommen. Ebenso wie andere vergleichbare Mittlerorganisationen bringt die Konzeption einer Gesprächsrunde von Eliten das Problem mit sich, daß diese in der Regel nicht die Bedenkenträger in den Beziehungen repräsentieren. Eine Integration von Kritikern in die Beratungen ist unter diesen Bedingungen nicht einfach. Zeitweilige Eintrübungen des deutsch-britischen Verhältnisses infolge antideutscher Töne in der Berichterstattung britischer Massenblätter im sogenannten »Fußballkrieg« oder als Folge der BSE-Krise können zwar ein Thema für eine gesellschaftlich verankerte D E G sein, 11 die Königswinter-Konferenzen erörtern jedoch vornehmlich strategisch relevante Probleme. Vereinigte Staaten von Amerika In den deutsch-amerikanischen Beziehungen spielt eine Mittlerorganisation eine besondere Rolle, die unter vielen Gesichtspunkten der Deutsch-Englischen Gesellschaft ähnelt. Unter vergleichbaren Vorzeichen entstand im Jahre 1952 als privater Verein die Atlantik-Brücke (damals noch Transatlantik-Brücke). Ihre Gründer, eine 10 Ebd., S. 160. 11 Vgl. DEG, Tätigkeitsbericht 1996, Bonn 1997, S.4.

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kleine G r u p p e von Hamburger Geschäftsleuten und Journalisten, wollten damit zur Aussöhnung mit den Vereinigten Staaten und zur Einbindung der jungen Bundesrepublik in die Kultur- und Wertegemeinschaft der westlichen Welt beitragen. Einer der wichtigsten Gründer war Eric Warburg, der als jüdischer Bankier in die USA emigrieren mußte und nach seiner Rückkehr den Aufbau transatlantischer Bindungen maßgeblich betrieb und förderte. Damit deckte sich die selbstgesetzte Aufgabe der Atlantik-Brücke von Beginn an mit dem Interesse der wirtschaftlichen und politischen Eliten beider Länder, die außenpolitische Westintegration der Bundesrepublik und ihre gesellschaftliche Umgestaltung nach westlichem Muster voranzutreiben. Ebenso wie im Kreise der Königswinter-Konferenz bildete sich infolge der Kongruenz offizieller und privater Interessen ein Kreis, der derzeit unter dem Vorsitz von Dr. h.c. Walther Leisler Kiep rund 300 Mitglieder zählt - in erster Linie Bankiers, Industrielle, Politiker, Medienvertreter, Wissenschaftler, Diplomaten und Rechtsanwälte. Die Atlantik-Brücke ist »eine Art Elitetruppe im deutsch-amerikanischen Verhältnis« 12 , die neue Mitglieder nur durch Einladung aufnimmt. Finanziert wird ihre Arbeit durch Beiträge ihrer Mitglieder, Spenden von Sponsoren und projektgebundene Förderung durch Stiftungen. Die engen Verbindungen der Atlantik-Brücke mit den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Eliten Deutschlands und der USA begründen die hohe Bedeutung der Mittlerorganisation als N e t z w e r k persönlicher Kontakte, die in Phasen der Verstimmung in den bilateralen Beziehungen zur Vorabklärung und Bereinigung dienen können. D e n Anspruch, gesellschaftliche Breitenwirkung zu erzielen, stellt die Atlantik-Brücke nicht. N u r zweimal in ihrer Geschichte hat sie sich in direkten Aktionen an die Öffentlichkeit gewandt: 1982 beim Besuch des US-Präsidenten Ronald Reagan in Bonn und Berlin, als sie mit einer Anzeigenkampagne zur »Freundschaft mit dem amerikanischen Volk« antiamerikanischen Stimmungen entgegenzutreten versuchte, und 1991 mit einem »Aufruf zur Solidarität« f ü r die am Golf kämpfenden Alliierten u n d ihre hinterbliebenen Familien, als die in Deutschland laufenden Protestaktionen im Ausland und speziell in den USA den Eindruck erweckten, daß das Land nicht mehr an der Seite der USA und ihrer Alliierten stehen würde. Kernstück der Aktivitäten sind die seit 1959 alle zwei Jahre stattfindenden DeutschAmerikanischen Gespräche, die in Zusammenarbeit mit dem American Council on Germany circa 120 hochrangige Teilnehmer zu Diskussionen über aktuelle politische Fragen zusammenführen. Ein weiterer Schwerpunkt sind die seit 1973 jährlich abwechselnd in Deutschland und in den USA stattfindenden Young-Leaders-Konferenzen, zu denen 50 junge Führungskräfte aus Politik, Wirtschaft, Medien und Wissenschaft z u m Gedankenaustausch geladen werden. Das dritte Standbein der Atlantik-Brücke ist der Jugendaustausch, der »der schleichenden Entfremdung zwischen Deutschland und den USA« 1 3 aufgrund des verminderten militärischen und kulturpolitischen Engagements der USA in Europa entgegenwirken soll. Im Rahmen

12 Friedbert Pflüger, Atlantische Elite wirbt für Verständigung, in: Rheinischer Merkur, 29.5.1992. 13 Atlantik-Brücke e.V., Jahresbericht. Juni 1996-Juni 1997, Bonn 1997, S.9.

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der 1989 gegründeten Youth for Understanding-Stiftung wurden bisher über 1 000 Schüler aus den neuen Bundesländern für einen längeren Aufenthalt in die USA vermittelt. Der weltpolitische Wandel nach 1989 läßt das Wirken einer privaten Mittlerorganisation in den deutsch-amerikanischen Beziehungen noch notwendiger erscheinen. Die Aufgabe des vereinten Deutschland, eine verantwortungsvollere Rolle in der europäischen Integration und im globalen Kontext zu spielen, sowie die Bedeutung der USA als wirtschaftliche Kraft und verbliebene Supermacht stellen das deutsch/europäisch-amerikanische Verhältnis vor neue Herausforderungen einer zu redefinierenden Partnerschaft. Den Dialog der verantwortlichen Eliten beider Länder zu organisieren, liegt vor diesem Hintergrund im kardinalen Interesse beider Länder. Etwas andere Ziele verfolgt die Deutsch-Amerikanische Vereinigung SteubenSchurz in Düsseldorf. Der 1955 von amerikanischen Wirtschaftsvertretern und der Verwaltung im Rhein-Ruhr-Gebiet gegründeten Vereinigung gehören ca. 550 Mitglieder an, vorwiegend aus Nordrhein-Westfalen. Die Vereinigung erhebt nicht den Anspruch, auf die politischen Beziehungen zwischen den USA und Deutschland Einfluß nehmen zu wollen. Vielmehr steht die »Pflege und Vertiefung der menschlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschen und Angehörigen der Vereinigten Staaten von Amerika« 14 im Mittelpunkt. Dem dient ein durch Beiträge und Spenden finanzierter deutsch-amerikanischer Schüler- und Studentenaustausch als Haupttätigkeitsfeld der Vereinigung. Im übrigen sind die USA das Land, mit dem der intensivste Austausch von Schülern, Studenten, Wissenschaftlern, Journalisten, potentiellen Führungskräften etc. durch deutsche Organisationen betrieben wird. Israel Neben der Westintegration war das Verhältnis zu Israel wegen der historischmoralischen Schuld Deutschlands von allerhöchster Priorität. Die Beziehungen auf der politischen Ebene waren in den fünfziger und frühen sechziger Jahren eher gespannt. Erst die Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Jahre 1965 bot die Gelegenheit, schon im Folgejahr die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) zu gründen. Ziel war es, eine Organisation zu schaffen, die innerhalb und außerhalb der Bundesrepublik für das Recht auf einen lebensfähigen Staat eintreten sollte. Die Initiative zur Gründung der D I G ging von wichtigen Persönlichkeiten der Politik aus. Die Besetzung des Kuratoriums, dem u.a. Altbundeskanzler Konrad Adenauer, der seinerzeitige Bundestagspräsident Dr. Eugen Gerstenmaier und sein Stellvertreter Carlo Schmid angehörten, wies auf die hohe Bedeutung hin, die der DIG von Seiten der Politik beigemessen wurde. Es war das Ziel der Gesellschaft und der 1971

14 Deutsch-Amerikanische Vereinigung Steuben-Schurz e.V., Geschichte, Ziele und Tätigkeit der DeutschAmerikanischen Vereinigung Steuben-Schurz e.V., Düsseldorf (o.J.).

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als Partnerorganisation gegründeten Israelisch-Deutschen Gesellschaft (IDG), »die politisch verantwortlichen Kräfte beider Länder für ein Engagement zu gewinnen« 15 . Obwohl zunächst als zentrale Organisation ins Leben gerufen, hat sich inzwischen ein breiter Unterbau mit derzeit 49 regionalen Arbeitsgemeinschaften und ungefähr 5 000 Mitgliedern gebildet. Die D I G ist eine unabhängige Institution, die außer projektgebundenen Zuschüssen keine staatlichen Mittel erhält. Im wesentlichen finanziert sie sich durch Mitgliedsbeiträge, von denen ein Büro in Bonn unterhalten wird. Im Unterschied zu vergleichbaren Mittlerorganisationen in anderen bilateralen Beziehungen hat die ursprüngliche Gründungsmotivation der Versöhnung zwischen Deutschen und Juden nicht an Bedeutung verloren. Die D I G bemüht sich mit ihrer Arbeit, »den Prozeß des Verzeihens auf jüdischer Seite zu beschleunigen und der nichtjüdischen Bevölkerung in Deutschland die Verantwortung klarzumachen, in der sie sich nach den Verbrechen der Hitler-Herrschaft befindet« 16 . Gleichzeitig steht jedoch ihre Tätigkeit im unmittelbaren Zusammenhang mit aktuellen politischen Entwicklungen und ist entsprechenden Wandlungen unterworfen. Auf die politische Radikalisierung in der Bundesrepublik der späten sechziger Jahre, die zu einem Erstarken der rechtsextremen N P D einerseits und zu einem linken Antizionismus andererseits führte, reagierte die D I G mit verstärkter politischer Öffentlichkeitsarbeit zugunsten Israels. Einige Schwierigkeiten bereitet es heute der D I G , weiterhin für die Unterstützung Israels zu werben, derweil sich das Bild des Landes in Verbindung mit seiner Rolle in militärischen Konflikten und im Nahost-Friedensprozeß verschlechtert. Uber informelle Kontakte kann die D I G einen nur schwer meßbaren Einfluß auf die Außenpolitik Deutschlands gegenüber Israel nehmen. Dem dient die Einbeziehung wichtiger politischer Persönlichkeiten im Präsidentenamt (bis 1994 Hans Koschnick, danach Manfred Lahnstein) und im Geschäftsführenden Präsidium. Die Beteiligung der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe - mit 132 Mitgliedern die zweitstärkste Freundesgruppe im Bundestag - an den seit 1978 von D I G und I D G organisierten bilateralen Konferenzen ermöglicht die informelle Erörterung von Problemen in den deutsch-israelischen Beziehungen. 17 Das Jahr des Umbruchs 1989 und die Vereinigung Deutschlands stellten die Arbeit der D I G vor neue Herausforderungen. Es gelang ihr, ihre Arbeit auf die neuen Bundesländer auszudehnen, wo sie das Vakuum füllen konnte, das die D D R aufgrund ihrer anti-israelischen Politik hiñterlassen hatte. Trotz der auch in der deutschen Öffentlichkeit umstrittenen Politik der Regierung Benjamin Netanjahus bleibt von Seiten der Politik das Interesse an der Arbeit der D I G unverändert groß. Enge politische Beziehungen zu Israel gehören weiterhin zur Staatsräson Deutschlands und dienen insbesondere dazu, Ängsten Israels vor 15 Hildegard Radhauer, Ein sicherer Frieden für Israel und seine Nachbarn, in: DIGmagazin. Zeitschrift der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Nr. 2, Juni 1996, S. 3-6, hier S. 3. 16 Deutsch-Israelische Gesellschaft - Arbeitsgemeinschaft Berlin, Aufgabenbeschreibung, Berlin o.J. 17 Vgl. Johannes Gerster, 25 Jahre Deutsch-Israelische Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag, in: DIGmagazin. Zeitschrift der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Nr. 2, Juni 1996, S. 12.

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dem vereinten Deutschland vorzubeugen. Allerdings sieht sich die DIG vor die Aufgabe gestellt, verstärkt gegenwarts- und zukunftsbezogene Themen aufzugreifen, die sich aus dem veränderten Charakter Deutschlands nach der Vereinigung und der Weltpolitik nach dem Ende des Ost-West-Konflikts ergeben. Von israelischer Seite häufig geäußerte Besorgnisse wegen rechts extremer Tendenzen oder Fragen nach einem eventuell veränderten Selbstverständnis der künftig von Berlin aus regierten Republik finden in der Tätigkeit der DIG ihren Niederschlag. Arabische

Staaten

Für die Nahostpolitik Deutschlands ebenfalls von Bedeutung, aber unter völlig anderen Voraussetzungen gegründet, ist die Deutsch-Arabische Gesellschaft (DAG) mit Sitz in Bonn. Deren Ziel ist es, die »Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Arabern auf politischer, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und kultureller Ebene«18 zu fördern. Der 1966 an einem Tiefpunkt der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den arabischen Staaten gegründeten Organisation - heute unter Jürgen W. Möllemann als Präsident und einem hochrangig besetzen Beirat unter Vorsitz von Hans-Jürgen Wischnewski - gehören neben Repräsentanten aus Wirtschaft, Politik und Publizistik sämtliche in Bonn akkreditierten Botschafter arabischer Staaten an. Diese sind automatisch Mitglieder der Gesellschaft, somit nicht unbedingt immer mit den Zielen der DAG im Einklang. Eine staatliche Förderung erhält die Gesellschaft nicht. Die DAG sieht eine Aufgabe in der Pflege der Wirtschaftsbeziehungen. Zu diesem Zweck organisiert sie unter anderem Delegationen von Wirtschaftsvertretern, die vor Ort mit hohen wirtschaftlichen und politischen Stellen in Kontakt gebracht werden. Hauptanliegen der DAG ist jedoch die Pflege der außenpolitischen Beziehungen. Die zentrale Frage ist dabei die aktive Unterstützung des arabisch-israelischen Friedensprozesses und die Verbesserung der deutsch-palästinensischen Beziehungen. Dem dezidierten Eintreten für »die Errichtung eines souveränen palästinensischen Staates«19 steht eine - aus Sicht der DAG - teilweise widersprüchliche Nahostpolitik der Bundesrepublik gegenüber, die aus Rücksichtnahme auf die Interessen des amerikanischen Verbündeten keine eigene Linie finden kann.20 Scharfe Kritik äußert die DAG an der Haltung der Regierung Netanjahu.21 Obwohl sie sich als politische Lobby versteht, die anders als die Deutsch-Israelische Gesellschaft keine Verständigungsarbeit an der Basis leistet, sind ihre direkten Einflußmöglichkeiten begrenzt und finden in erster Linie auf dem Wege persönlicher

18 Deutsch-Arabische Gesellschaft, Ziele und Aufgaben, Bonn o.J. 19 Deutsch-Arabische Gesellschaft (Hrsg.), Festschrift zum 30-jährigen Bestehen der Deutsch-Arabischen Gesellschaft, 1966-1996, Frankfurt a.M. 1996, S. 13. 20 Vgl. Arnold Hottinger, Deutsche Außenpolitik im Nahen Osten - keine optimalen Voraussetzungen, in: Deutsch-Arabische Gesellschaft, Festschrift, a.a.O. (Anm. 19), S. 39-41. 21 Vgl. die Rede des Präsidenten der DAG und der Arabisch-Deutschen Vereinigung für Handel und Industrie, Bundesminister a.D. Jürgen W. Möllemann, MdB, zur Begrüßung des jemenitischen Staatspräsidenten am 9.9.1997, dokumentiert von der DAG.

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Kontakte statt. Ursache ist vor allem das nach 1989 eher rückläufige Interesse der deutschen Außenpolitik an den politischen und ökonomischen Belangen der arabischen Staatenwelt, die im Unterschied zur französischen oder britischen Politik der Integration Osteuropas vor der Nord-Süd-Politik Priorität einräumt. Polen Mit dem Anstieg des Interesses an den Beziehungen zu den Staaten Mittelostund Osteuropas sind auch die Aktivitäten der Mittlerorganisationen im Verhältnis zu Polen gewachsen. Es gibt inzwischen eine Vielzahl von Organisationen auf der gesellschaftlichen (z.B. Deutsch-Polnische Gesellschaften), wirtschaftlichen (z.B. Deutsch-Polnische Wirtschaftsförderungsgesellschaft) und kulturellen Ebene (z.B. Deutsches Polen-Institut). Als Mittlerorganisation auf der politischen Ebene fungiert seit 1977 das Deutsch-Polnische Forum. Im Unterschied zu den meisten anderen Mittlerorganisationen geht seine Gründung nicht auf eine private Initiative, sondern auf eine Regierungsvereinbarung zurück, die vorsah, »ein Forum für regelmäßige Treffen von Politikern, Wirtschaftlern, Wissenschaftlern und Publizisten beider Länder zu schaffen, um im beiderseitigen Interesse liegende Fragen gemeinsam zu diskutieren sowie Anregungen für den Ausbau der Beziehungen zu geben« 22 . Dabei sollte das Forum vor allem Fragen erörtern, deren Diskussion auf der offiziellen Ebene schwierig oder nicht möglich war. Es ging darum, die durch den Warschauer Vertrag von 1970 eingeleitete Normalisierung der Beziehungen zu vertiefen und auf eine breitere Grundlage zu stellen. Organisatorisch lehnt sich das Forum an das Vorbild der deutsch-britischen Königswinter-Konferenzen an. Da es sich nicht um eine Regierungskonferenz, sondern um ein Gremium handeln sollte, in dem Führungskräfte die Gelegenheit zum möglichst offenen Dialog haben, wurde mit der Organisation die DGAP in Kooperation mit dem Warschauer Institut für Internationale Beziehungen (bzw. seit 1995 mit dem Westinstitut Posen) betraut. Die Direktoren beider Institute wurden die Kovorsitzenden des Forums. Obwohl die Teilnehmer (zumindest der deutschen Seite) keine Anweisungen ihrer Regierungen zu befolgen hatten, setzte doch die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Systemen und Machtblöcken der Offenheit der Diskussion Grenzen. Die innenpolitischen Entwicklungen in Polen, vor allem die Verhängung des Kriegsrechts im Dezember 1981, erschwerten den Dialog in hohen Maße. Dennoch gelang es trotz des schwierigen Erbes der Vergangenheit, ein Ausmaß an Offenheit und Ernsthaftigkeit des Dialogs zu erreichen, wie es mit keinem anderen kommunistischen Land möglich war. Von Beginn an diskutierte das Forum nicht nur Fragen des bilateralen Verhältnisses, sondern stellte diese immer auch in den europäischen bzw. internationalen Kontext. 22 Gemeinsame deutsch-polnische Erklärung vom 11.6.1976 anläßlich des Besuches des Ersten Sekretärs des Zentralkomitees der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei, Edward Gierek, in der Bundesrepublik Deutschland, abgedruckt in: Europa-Archiv (EA), 15/1976, S.D385-388, hier S.DD388.

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Es dominierten dabei wirtschaftliche und politische Fragen sowie Probleme des Ost-West-Konflikts. Letztere traten nach dem demokratischen Wandel in Polen in den Hintergrund. Statt dessen erörterte das Forum nun zunehmend Gemeinsamkeiten in der Außenpolitik beider Länder. Das bisher letzte Forum, das im April 1997 in Bonn stattfand, stand deswegen ganz im Zeichen der deutschen Unterstützung für den Beitritt Polens zum Nordatlantikpakt (NATO) und zur EU. Im Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom Juni 1991 wurde die Aufgabe des Forums, in bilateraler Zusammenarbeit »Konzeptionen für die Weiterentwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen zu entwerfen und entsprechende Initiativen zu ergreifen« 23 , festgeschrieben und damit das offizielle Interesse an dieser Institution noch einmal bestätigt. Gleichzeitig jedoch hinterläßt der Abgang der ehemaligen Verfechter von Versöhnung und Verständigung ein Vakuum an bilateraler Kompetenz. Heute bemüht sich das Forum um ein verändertes Selbstverständnis, das der neuen partnerschaftlichen Zusammenarbeit Rechnung trägt. Die Vielzahl bereits bestehender gesellschaftlicher Vereinigungen im deutschpolnischen Bereich erhielt durch die verbesserten Kooperationsmöglichkeiten nach der Wende zusätzlichen Auftrieb. Mit dem Ziel, diese Aktivitäten zu einer »starken gesellschaftlichen Lobby für die Kooperation beider Länder« 24 zusammenzufassen, wurde 1996 die Deutsch-Polnische Gesellschaft - Bundesverband e.V. gegründet. Vorsitzender ist der Bundestagsabgeordnete Markus Meckel. Diese Organisation vertritt die Interessen von mehr als 40 regionalen DeutschPolnischen Gesellschaften mit inzwischen rund 3 000 Mitgliedern und sieht ihre Aufgabe darin, das Interesse an Polen über die engagierten Mitglieder in den örtlichen Gesellschaften hinaus auf wirtschaftliche, wissenschaftliche, kulturelle und politische Kreise auszudehnen. 25 Diese Verbindung stellt ein hochrangig besetztes Kuratorium unter dem Vorsitz von Bundestagspräsidentin Rita Siissmuth her. Zu den Arbeitsfeldern des Bundesverbandes gehört unter anderem die Herausgabe des Magazins DIALOG, die Organisation von Veranstaltungen zu gesellschaftspolitischen Themen sowie von jährlich stattfindenden deutsch-polnischen Kongressen, die jedoch im Unterschied zum Deutsch-Polnischen Forum eher den Charakter eines »Jahrmarktes der Begegnungen« haben sollen. Rußland Die herausragende gesellschaftliche Mittlerorganisation in den Beziehungen Deutschlands zu Rußland ist das Deutsch-Russische Forum. In privater Initiative im Jahre 1993 angestoßen, ging es zurück auf die erste bilaterale Mittlerorganisation zur 23 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom 17.6.1991, abgedruckt in: EA, 13/1991, S. D315-325, hier S. D323. 24 Deutsch-Polnische Gesellschaft Bundesverband e.V., (Broschüre), Berlin o.J. 25 Vgl. »Wir wollen alle Aktivitäten bündeln« (Interview mit Markus Meckel), in: DIALOG, N r . 2, Oktober 1996, S. 41-44.

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Förderung der deutsch-sowjetischen Beziehungen, das Deutsch-Sowjetische Forum.26 Diese von der DGAP in Zusammenarbeit mit dem Institut für Europa der Akademie der Wissenschaften der UdSSR und auf Anregung der Außenminister Hans-Dietrich Genscher und Eduard Schewardnadse erstmalig 1989 abgehaltene Konferenz tagte jedoch nur zweimal. Schon auf dem zweiten Forum 1991 in Moskau gelang es nicht mehr, Vertreter der nichtrussischen Republiken der zerfallenden Sowjetunion zu beteiligen. Nachdem sich das Auswärtige Amt wegen der veränderten politischen Konstellation aus der Förderung des Deutsch-Sowjetischen Forums zurückzogen hatte, gründeten interessierte Persönlichkeiten das Deutsch-Russische Forum. Dank der großen Bedeutung, die den deutsch-russischen Beziehungen in der deutschen Öffentlichkeit beigemessen wird, konnte sich das Forum sehr schnell etablieren und seine Aktivitäten ausweiten. Vorsitzender wurde der frühere Staatssekretär und Botschafter in Moskau, Dr. Andreas Meyer-Landrut. Ausschließlich aus privaten Mitteln finanziert, hat es etwa 170 Mitglieder aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Publizistik.27 Die starke Präsenz von Wirtschaftsvertretern soll eine größtmögliche Unabhängigkeit von der Politik gewährleisten. Das Forum versteht sich nicht als Institution der Politikberatung. Vielmehr soll der Dialog gefördert werden, möglichst mit allen politischen Kräften. Zwar profitiert das Forum von der Unterstützung durch die Politik, z.B. durch die Teilnahme hochrangiger Politiker an Veranstaltungen. Adressaten sind jedoch vor allem Wirtschaftskreise, denen über das rein Wirtschaftliche hinaus ein differenziertes Rußlandbild vermittelt werden soll. In besonderem Maße ist das Forum bemüht, in Rußland nicht mit einer politischen Option identifiziert zu werden. Die Zusammenarbeit wird deshalb pluralistisch mit verschiedenen Partnern organisiert, z.B. mit dem Russischen Föderationsrat, Vereinen, Stiftungen und Instituten. Arbeitsschwerpunkte sind der kulturelle Bereich, die Förderung des Städtepartnergedankens, die Vergabe von Stipendien und die Organisation von Young-Leader- und Journalistenseminaren. Mit Unterstützung der Körber-Stiftung und der Robert Bosch Stiftung wurde ein Informationszentrum für Städtepartnerschaften gegründet. Der Einfluß auf die Politik ist indirekt. Obwohl es keine organisatorische Verbindung gibt, handelt das Forum in vieler Hinsicht im Interesse und mit Unterstützung durch die Politik. Dazu gehört in erster Linie die Förderung von Städtepartnerschaften, die mit bisher nur rund 70 Kooperationen in Deutschland immer noch auf Vorbehalte stoßen. Ein zweiter Bereich sind Einladungen russischer Politiker, die die Bundesregierung aus diplomatischen Gründen nicht aussprechen könnte. Der inoffizielle Status des Forums erlaubt es, Personen einzuladen, für die es in den offiziellen deutschen Strukturen kein direktes Gegenüber gibt, die aber dennoch für die bilateralen Beziehungen von Bedeutung sein können. 26 Vgl. Vereinbarung über die Einrichtung eines Deutsch-Sowjetischen Gesprächsforums vom 8.7.1988, abgedruckt in: Wege zu einem künftigen Europa. Referate, Berichte, Dokumente. I. Gesprächsforum Bundesrepublik Deutschland - UdSSR, Bonn, 5.-7.3.1989 (Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Arbeitspapiere zur Internationalen Politik, Nr. 56), Bonn 1989, S. 157. 27 Vgl. Deutsch-Russisches Forum e.V., Jahresbericht für 1996/97, Bonn 1997.

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Afrika und Asien Ungleich weniger in der Öffentlichkeit beachtet werden Mittlerorganisationen mit Bezug auf Schwellen- und Entwicklungsländer. Deren öffentliche Wirksamkeit steht oft in einem großen Mißverhältnis zur Bedeutung, die den Beziehungen mit diesen Ländern eigentlich beigemessen werden sollte. Die zumeist ehrenamtliche Arbeit stützt sich nicht auf ein festverankertes Bewußtsein gemeinsamer Interessen, sondern ist oftmals noch an Leitgedanken wie Solidarität ausgerichtet. Im Vordergrund steht nicht die politische Lobbyarbeit, sondern - wie z.B. im Fall der Deutsch-Afrikanischen Gesellschaft - die »Förderung der internationalen Gesinnung, Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und Völkerverständigung und der Entwicklungshilfe«28. Die 1990 von Deutschen und Afrikanern gegründete Gesellschaft mit Sitz in Berlin und Basisgruppen in Leipzig und Johannesburg vertritt die Interessen von in Deutschland lebenden Bürgern afrikanischer Staaten, beteiligt sich an Entwicklungsprojekten und ist bestrebt, das Interesse für Geschichte, Politik, Kulturen und Sprachen Afrikas zu wecken. Mit ihren insgesamt nur rund 90 Mitgliedern, zu großen Teilen Studenten, leistet die Deutsch-Afrikanische Gesellschaft in erster Linie projektbezogene Basisarbeit. Einen unmittelbaren Einfluß auf die Politik übt sie nicht aus. Einen anderen Anspruch und Charakter hat die 1953 aus verschiedenen Vorläuferorganisationen hervorgegangene Deutsch-Indische Gesellschaft mit Sitz in Stuttgart. Mit ihren 28 Zweiggesellschaften und über 3 000 Mitgliedern gehört die Gesellschaft, unter dem Vorsitz von Botschafter a.D. Dr. Hans-Georg Wieck, zu den größeren Mittlerorganisationen. Von Anfang an war sie mit den politischen und wirtschaftlichen Eliten verbunden. Den Vorsitz hatten oft Politiker aus Baden-Württemberg inne. Dem Ziel der Verbesserung der menschlich-persönlichen Beziehungen zwischen Indien und Deutschland diente zunächst ein Beirat, dessen Tätigkeitsbereich inzwischen ausgedehnt wurde auf die »Kontaktpflege und Darstellung der Gesellschaft gegenüber Wirtschaft, Politik, Kultur und Medien«29. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit ist die Förderung von Selbsthilfeorganisationen mit dem Ziel der Verbesserung der medizinischen Versorgung, des Ausbildungsniveaus oder der dörflichen Infrastruktur. Die Verbindung zur Wirtschaft wurde durch die Einrichtung eines Wirtschaftsbeirates gewährleistet - ein Gremium, welches im Laufe der Zeit durch den Wirtschaftsausschuß Indien ersetzt wurde, dem die Gesellschaft zwar noch angehört, dessen Geschäftsführung jedoch in der Verantwortlichkeit des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) liegt.30 Im Unterschied dazu stehen bei der zentralen Mittlerorganisation mit dem anderen Land des Subkontinents, dem Deutsch-Pakistanischen Forum, die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen im Vordergrund. Im Gegensatz zur mitgliederstarken Deutsch-Indischen Gesellschaft zählt das Forum mit Sitz in Bonn unter dem Vorsitz 28 Zitiert nach Internet, http:/home.t.online.de/home/dafrigleipzig/hpdaf.htm. 29 Deutsch-Indische Gesellschaft e.V., Ziele und Aufgaben, Stuttgart 1995. 30 Vgl. Lothar Günther, 40 Jahre Deutsch-Indische Gesellschaft e.V. Ein Rückblick, in: Deutsch-Indische Gesellschaft e. V. (Hrsg.), 40 Jahre Deutsch-Indische Gesellschaft e.V., Stuttgart 1993, S. 8-22, hier S. 14-16.

MITTLERORGANISATIONEN

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des Bundestagsabgeordneten Dr. Christian Ruck nur ungefähr 300 Mitglieder, bei denen es sich vor allem um deutsche und pakistanische Unternehmer, Wissenschaftler und Diplomaten handelt. Neben der wirtschaftlichen Tätigkeit, die unter anderem zur Initiierung einer Deutsch-Pakistanischen Industrie- und Handelskammer führte, erfüllt das Forum kulturelle Aufgaben. Uber seine Mitglieder ist es bestrebt, beratenden Einfluß auf die Außenpolitik beider Länder auszuüben. Dabei spielen sicherheitspolitische Aspekte in der Region eine besondere Rolle. Die Nähe zu Eliten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ist noch ausgeprägter beim Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin (JDZB), das 1985 aufgrund eines Regierungsabkommens als gemeinnützige Stiftung zur Förderung und Vertiefung des wissenschaftlichen und kulturellen Austausches zwischen Japan und Europa gegründet wurde. Die Gremien und die Mitglieder des Freudeskreises, der die Projekte finanziell unterstützt und als »Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft« 31 dienen soll, bieten einen Querschnitt durch die Eliten beider Länder. Das von Botschafter a.D. Keizou Kimura als Präsident und Dr. Thilo Graf Brockdorff als Generalsekretär geleitete J D Z B sollte dem Mangel entgegenwirken, daß »innerhalb der Triade Nordamerika-Japan-Europa ... die transatlantischen und die transpazifischen Beziehungen wesentlich intensiver (waren) als die europäisch-japanischen«32. Manche Projekte gehen direkt auf Regierungsinitiativen zurück, z.B. der Deutsch-Japanische Kooperationsrat für Hochtechnologie und Umwelttechnik oder das 1993 geschaffene DeutschJapanische Dialogforum, welches organisatorisch auf der deutschen Seite vom JDZB, auf der japanischen vom Japan Center for International Exchange (JCIE) getragen wird. An den alternierend in Japan und Deutschland stattfindenden Beratungen nehmen hochrangige Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Medien und Verwaltung teil. Seine außenpolitische Relevanz gewinnt das J D Z B vor allem durch seinen Auftrag als beratendes Gremium für die Regierungschefs beider Staaten.

GESELLSCHAFTLICHE AUSSENPOLITIK

Neben der Bundesrepublik verfügen unter den westlichen Demokratien lediglich die USA über Mittlerorganisationen von vergleichbarer Vielfalt und Wirksamkeit. Dort erklären sie sich aus der Einwanderungsgeschichte Amerikas und ihren politischen Folgen, denn praktisch alle Gruppen haben sich nach ethnischen, religiösen oder kulturellen Gesichtspunkten Organisationen zur Pflege der Beziehungen mit den jeweiligen Herkunftsländern geschaffen. Einige von ihnen, wie beispielsweise die jüdischen Organisationen, verfügen über großen politischen Einfluß.

31 Thilo Graf Brockdorff, Das Japanisch-Deutsche Zentrum Berlin, 1985-1995, in: Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin (Hrsg.), Zehn Jahre Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin, Berlin 1995, S. 7-14, hier S. 11. 32 Ebd., S.8.

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POLITISCHES SYSTEM, GESELLSCHAFT UND AUSSENPOLITIK

Die Zahl der in Deutschland tätigen Mittlerorganisationen geht über die hier dargestellten Vereinigungen weit hinaus, da es zusätzlich viele kleinere Organisationen gibt, die sich der Pflege der Beziehungen mit weiteren Ländern widmen. Die eingangs erläuterten Motive für die Gründung der Mittlerorganisationen erklärt auch ihre Vielfalt und Wirksamkeit. Eine Bilanz der Mittlerorganisationen in der Nachkriegszeit zeigt jedoch, daß über die ursprünglichen Motivationen hinaus diese Vereinigungen mehrere Funktionen ausüben, die ihnen einen festen Platz im transnationalen Geflecht der Außenbeziehungen der Bundesrepublik geben: 1. Mittlerorganisationen bilden ein Kooperationsnetz zwischen Eliten, über das Informationen und Meinungen ausgetauscht oder persönliche Kontakte geknüpft werden, die für die Tätigkeit von Firmen, Medien, Interessenvertretern, Nichtregierungs-Organisationen ( N G O s ) oder politischen Parteien nützlich sind. Sie bilden wichtige Bestandteile ihrer grenzüberschreitenden transnationalen Aktivitäten. 2. Mittlerorganisationen bilden ein Frühwarnsystem. Dank der Vielfalt der direkten Kontakte, der Relevanz der Eliten sowie der im Laufe der Jahre gewachsenen Offenheit und des Vertrauens in der Kommunikation werden über diese Organisationen wichtige Informationen und Erkenntnisse über relevante neue Entwicklungen, Herausforderungen und gegebenenfalls über Gefahren für die gemeinsamen Ziele in die politischen Prozesse der beteiligten Länder vermittelt. Diese Erkenntnisse werden durch Rückkoppelung über die öffentliche Meinung oder über die Teilnahme von Abgeordneten oder hohen Beamten in den politischen Prozeß eingespeist. 3. Mittlerorganisationen dienen mittlerweile der gesellschaftlichen Unterfütterung außenpolitischer Prioritäten. Die durch diese Organisationen eingerichteten transnationalen Koalitionen verbinden Personengruppen mit ähnlichen Zielsetzungen, die sie gemeinsam in ihren Gesellschaften durchzusetzen versuchen. So haben sich etwa die Teilnehmer an den Königswinter-Konferenzen darum bemüht, angesichts der germanophoben Exzesse der britischen Regenbogenpresse oder der Oszillationen der britischen öffentlichen Meinung zur europäischen Einigung einen stetigen Kurs der Kooperation zwischen beiden Ländern und des Fortgangs der europäischen Integration zu unterstützen. Im deutsch-amerikanischen Verhältnis sind es die in den Mittlerorganisationen tätigen Persönlichkeiten gewesen, die unabhängig von den Wandlungen der Politik die Priorität der Partnerschaft zwischen beiden Ländern gefördert haben. Im Falle der Beziehungen zu Israel haben Mittlerorganisationen dazu beigetragen, neben der Verständigungs- und Versöhnungsarbeit ein Netz »normaler« Elitenbeziehungen aufzubauen, das der Unterfütterung der wachsenden Intensität der Beziehungen auf allen Gebieten diente, die heute Deutschland zu einem der wichtigsten Handelspartner Israels gemacht haben. Mittlerorganisationen üben heutzutage nicht nur Einfluß auf die eigene, demokratisch zustande kommende Politik aus, sondern verstetigen diese Politik durch transnationale Kooperation. Durchweg reflektieren sie hierbei in ihren Zielsetzungen einen parteiübergreifenden Konsens. Dadurch ist es Regierungen möglich geworden, wesentliche Elemente ihrer Politik gegenüber wichtigen Partnerländern in der eigenen Gesellschaft wie in der des Partnerlandes transnational abzustützen.

MASSENMEDIEN, Ö F F E N T L I C H E M E I N U N G U N D AUSSENPOLITIK Frank Brettschneider* Die Analyse des Dreiecksverhältnisses zwischen außenpolitischem Handeln, Massenmedien und öffentlicher Meinung wirft zahlreiche Fragen auf. N a c h einigen grundsätzlichen Überlegungen werden im folgenden drei davon untersucht: - Welche Aspekte des Weltgeschehens gelangen in die Massenmedien? - Wie wirkt sich die Medienberichterstattung auf die öffentliche Meinung aus? - Welcher Zusammenhang besteht zwischen öffentlicher Meinung und außenpolitischem Handeln? Aufgrund des äußerst dürftigen deutschen Forschungsstandes wird dabei primär auf Befunde aus den USA zurückgegriffen. Diese lassen sich nach bisherigen Erkenntnissen im großen und ganzen auf deutsche Verhältnisse übertragen.

MEDIENWANDEL UND DEMOKRATISCHE AUSSENPOLITIK »The mass public ... is generally uninformed about national security policy issues. It responds to those issues with moods. It looks at headlines in the press, or listens to news over the radio for cues for mood responses in public discussion of foreign policy... The reaction has no depth and no structure... Often public opinion is apathetic when it should be concerned, and panicky when it should be calm.«1 In dieses Bild fügten sich Befunde einer klassischen Responsivitätsstudie aus den frühen sechziger Jahren, wonach die Ubereinstimmung zwischen den Bevölkerungspräferenzen und dem Handeln der Mitglieder des amerikanischen Repräsentantenhauses in keinem Politikfeld geringer war als bei außenpolitischen Fragen. Abgeordnete folgten überwiegend der Regierung. 2 Man sah Außenpolitik als Zuständigkeitsbereich der Exekutive an, in dem das Parlament nicht viel und die öffentliche Meinung überhaupt keine Bedeutung habe. »Kabinettspolitik« und »Geheimdiplomatie« waren die Schlüsselbegriffe dieses die öffentliche Meinung scheuenden Politikverständnisses. 3 Inzwischen hat sich die Beschaffenheit der öffentlichen Meinung zu außenpolitischen Fragen geändert: Sie ist im Durchschnitt zwar nach wie vor uninformierter als in Fragen der Innenpolitik, aber sie ist strukturiert, d.h. außenpolitische Einstellungen

* Ich danke Angelika Vetter, Oscar W. Gabriel, den Herausgebern dieses Bandes sowie Sebastian Bartsch für Anregungen und Kritik. 1 Gabriel A. Almond, Public Opinion and National Security Policy, in: Public Opinion Quarterly, N r . 2, Sommer 1956, S. 371-378, hier S. 376. 2 Warren E. Miller/Donald E. Stokes, Constituency Influence in Congress, in: American Political Science Review, N r . 1, 1963, S. 45-56. 3 Vgl. Hans Rattinger/Joichim Behnke/Christian Holst, Außenpolitik und öffentliche Meinung in der Bundesrepublik. Ein Datenhandbuch zu Umfragen seit 1954, Frankfurt a.M. 1995, S. 10.

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P O L I T I S C H E S SYSTEM, G E S E L L S C H A F T U N D AUSSENPOLITIK

sind systematisch miteinander verknüpft. Schwankungen, die nicht stärker ausfallen als in anderen Politikfeldern, sind zudem nicht willkürlich, sondern lassen sich auf weltpolitische Ereignisse und Informationen darüber zurückführen. 4 Gründe für diesen Wandel sind die Bildungsexpansion, das infolgedessen gewachsene politische Interesse sowie Veränderungen im Mediensystem, vor allem die Verbreitung des Fernsehens seit den sechziger Jahren. Gewandelt haben sich auch die Ansichten darüber, welcher Einfluß der öffentlichen Meinung bei außenpolitischen Entscheidungen zukommen soll. In demokratischen Gesellschaften wird von den Regierenden erwartet, daß sie die Einstellungen der Regierten berücksichtigen und daß sich die Regierungshandlungen im Einklang mit den Bevölkerungspräferenzen befinden. Die Außenpolitik war von diesem Demokratieverständnis lange Zeit ausgenommen. Inzwischen gilt die öffentliche Meinung jedoch als einer von mehreren legitimen innenpolitischen Einflußfaktoren auf Außenpolitik. Damit gewinnt die Frage an Bedeutung, inwiefern sich das außenpolitische Handeln im Einklang mit der öffentlichen Meinung befindet. Kongruenz zwischen öffentlicher Meinung und politischem Handeln gilt unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten als legitimationsfördernd, Inkongruenz als legitimationshemmend. Bei der Herstellung solcher Kongruenz kommt den Massenmedien eine wichtige Funktion als Bindeglied zwischen Wählern und Gewählten zu. Politische Entscheidungsträger entnehmen den Medien Informationen über das Weltgeschehen sowie über Einstellungen der Bevölkerung. Gleichzeitig verbreiten Regierungen über die Medien ihre außenpolitischen Positionen. Sie setzen dafür unter anderem Public Relations-Methoden ein,5 deren Adressaten die eigene Bevölkerung, aber auch Entscheidungsträger und Bevölkerungen anderer Staaten sind. Vor Ausbruch des Golf-Krieges 1991 verwendeten beispielsweise sowohl Saddam Hussein als auch das amerikanische State Department den global agierenden Nachrichtensender Cable News Network ( C N N ) als diplomatischen Kanal, um dem jeweiligen Gegner Signale über eigene Handlungsabsichten zukommen zu lassen.6 So wurde die »Geheimdiplomatie« abge-

4 Vgl. Benjamin I. Page/Robert Y. Shapiro, The Rational Public. Fifty Years of Trends in Americans' Policy Preferences, Chicago/London 1992; Ole R. Holsti, Public Opinion and Foreign Policy: Challenges to the Almond-Lippmann Consensus, in: International Studies Quarterly, Nr. 4, 1992, S. 439-466. Auf die wichtige Unterscheidung zwischen der »general public« und der »attentive public« wird im vorliegenden Beitrag aus Platzgründen ebensowenig eingegangen wie auf das Problem der »non-attitudes«, also der »Nichteinstellungen« zu außenpolitischen Themen. 5 Vgl. Jarol B. Manheim/Robert B. Albritton, Changing National Images: International Public Relations and Media Agenda Setting, in: American Political Science Review, N r . 3, 1984, S. 641-657; Michael Kunczik, Die manipulierte Meinung. Nationale Image-Politik und internationale Public Relations, Köln/Wien 1990; Gerd Pflaumer, »POA« - mehr als bunte Amtsblätter. Zum Kommunikationskonzept Ausland des Bundespresseamtes, in: Public Relations Forum für Wissenschaft und Praxis, N r . 3, 1996, S. 13f. Zu den Funktionen der Massenmedien für außenpolitische Entscheidungsträger vgl. Gerhard W. Wittkämper (Hrsg.), Medienwirkungen in der internationalen Politik, 2 Bände, Münster 1986. 6 Vgl. W. Lance Bennett, The Media and the Foreign Policy Process, in: David A. Deese (Hrsg.), The New Politics of American Foreign Policy, N e w York 1994, S. 168-188, hier S. 168.

MASSENMEDIEN UND ÖFFENTLICHE MEINUNG

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löst von der »public diplomacy« 7 oder »media diplomacy« 8 . Der frühere Generalsekretär der Vereinten Nationen (UN) Butros Butros Ghali bezeichnete C N N gar als 16. Mitglied im UN-Sicherheitsrat. 9 Auch die Großkonferenzen zu globalen Themen wie Umwelt oder Frauengleichberechtigung dienen nicht ausschließlich dem Ziel der Problemlösung, sondern tragen in beachtlichem Umfang den Anforderungen der »media diplomacy« Rechnung. Und nur durch eine gewachsene Bedeutung der öffentlichen Meinung ist zu verstehen, warum Nichtregierungs-Organisationen ( N G O s ) wie Greenpeace oder Amnesty International erfolgreich sein können, obwohl sie nicht über die bislang in der internationalen Politik als notwendig erachteten wirtschaftlichen oder militärischen Machtressourcen, sondern vor allem über Medienpräsenz verfügen. 10

MEDIENINHALTE UND IHR ZUSTANDEKOMMEN

In einer pluralistischen Demokratie wird von den Medien erwartet, daß sie objektiv berichten, daß die Berichterstattung nicht einzelne Gruppen bevorzugt und daß unterschiedliche Standpunkte dargestellt werden. Inwiefern erfüllt die von den Medien getroffene Auswahl im Bereich der Auslandsberichterstattung diese normativen Erwartungen? Uber welchen Realitätsausschnitt wird berichtet, über welchen nicht? Aus der Vielzahl internationaler Ereignisse können die Massenmedien nur einen sehr kleinen Teil aufnehmen. Die zentrale Stellung im Auswahlprozeß nehmen Nachrichtenagenturen sowie Redaktionen von Zeitungen und Hörfunk- bzw. Fernsehsendern ein. Die Agenturen sind für die internationale Berichterstattung von besonderer Bedeutung, weil lediglich überregionalen Tageszeitungen sowie öffentlich-rechtlichen Hörfunk- und Fernsehanstalten ein umfangreiches Netz von eigenen Auslandskorrespondenten zur Verfügung steht. Regionale Zeitungen sowie kommerzielle Hörfunkund Fernsehanbieter sind dagegen fast ausschließlich auf Agenturmaterial angewiesen. Zu den deutschsprachigen Agenturen gehören die 1949 gegründete Deutsche Presse· Agentur (dpa), der Allgemeine Deutsche Nachrichtendienst (ddpADN), Associated Press (AP), Reuters und Agence France-Press (AFP). Seit Ende der achtziger Jahre fungiert auch C N N als Quasi-Nachrichtenagentur. Die dpa unterhielt 1991 in 87 Staaten Auslandsbüros bzw. Mitarbeiter. 11 Die Korrespondenten schicken ihre Berichte an das Landesbüro, wo ausgewählt, überarbeitet 7 Vgl. Robert S. Fortner, Public Diplomacy and International Politics. The Symbolic Constructs of Summits and International Radio News, Westport, Conn./London 1994. 8 Vgl. Yoel Cohen, Media Diplomacy. The Foreign Office in the Mass Communication Age, London 1986; Philip Seib, Headline Diplomacy. How News Coverage Affects Foreign Policy, Westport, Conn./London 1997. 9 Vgl. Thomas Schuler, Die Politik der Medienmoguln. Uber Ted Turner, Rupert Murdoch und andere, in: Internationale Politik (IP), 11/1996, S. 34-38. 10 Vgl. Jürgen Wilke, Internationalisierung der Massenmedien. Auswirkungen auf die internationale Politik, in: IP, 11/1996, S. 3-10, hier S. 9. 11 Vgl. Hansjoachim Höhne, Meinungsfreiheit durch viele Quellen. Nachrichtenagenturen in Deutschland, in: Publizistik, Nr. 1, 1992, S. 50-63, hier S. 52.

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P O L I T I S C H E S SYSTEM, G E S E L L S C H A F T U N D A U S S E N P O L I T I K

und das Ergebnis an die Zentralredaktion weitergeleitet wird. Dort wird erneut selektiert, und nur ein relativ kleiner Anteil der einlaufenden Meldungen wird an die Kunden weitergegeben, die dann ihrerseits entscheiden, welche Meldung publiziert wird. Bei diesen Selektionsprozessen bleiben politische Nachrichten etwa aus Afrika und Lateinamerika weitgehend auf der Strecke. Gut die Hälfte der von dpa weitergeleiteten Meldungen stammen aus Deutschland. Auf Westeuropa entfallen 19 Prozent, auf Osteuropa 12 Prozent der politischen Meldungen, auf den Nahen Osten 4 Prozent, auf Asien und die USA jeweils 6 Prozent. Journalisten wählen auch die Akteure aus, über die berichtet werden soll. Hier dominiert nach wie vor die Exekutive. 12 Diese Auswahl spiegelt sich in der Auslandsberichterstattung der Massenmedien wider, die sich bei den regionalen Tageszeitungen auf etwa ein Drittel der gesamten politischen Berichterstattung beläuft, in der überregionalen Qualitätspresse gut 50 Prozent beträgt und in den Nachrichtensendungen der öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Fernsehanbieter etwas unter 50 Prozent liegt.13 Die Anteile der Auslandsberichterstattung an der gesamten politischen Information sind bei öffentlich-rechtlichen und bei kommerziellen Fernsehanbietern etwa gleich groß, jedoch unterscheidet sich der Umfang der politischen Berichterstattung gravierend: Während bei A R D und Z D F der Anteil am Gesamtprogramm zwischen 15 und 20 Prozent liegt, hat sich der entsprechende Anteil bei RTL und SAT.l im Zeitraum 1986 bis 1993 von 10 auf 5 Prozent halbiert.14 Uber internationale Ereignisse berichten die öffentlich-rechtlichen Sender ausführlicher und differenzierter. Die Struktur der Auslandsberichterstattung bestätigt die Ergebnisse aus der internationalen Nachrichtenwertforschung. Demnach haben Ereignisse dann einen hohen Nachrichtenwert, wenn auf sie viele »Nachrichtenfaktoren« zutreffen. Dazu zählen in der internationalen Berichterstattung vor allem der Bezug auf wirtschaftlich oder militärisch bedeutende Nationen, Personifizierung (hauptsächlich unter Bezug auf politische Eliten) und Negativismus (Konflikt oder Schaden).15 Ein Ereignis hat also dann große Publikationschancen, wenn an ihm führende Nationen oder hohe politische Repräsentanten beteiligt sind. Uber Ereignisse aus weniger bedeutenden Staaten wird vor allem dann berichtet, wenn Natur- oder Hungerkatastrophen, Bürgerkriege oder Staatsstreiche zu vermelden sind. In der Auslandsberichterstattung 12 Vgl. Jürgen Wi/fce/Bernhard Rosenberger, Die Nachrichten-Macher. Eine Untersuchung zu Strukturen und Arbeitsweisen von Nachrichtenagenturen am Beispiel von AP und dpa, Köln/Weimar/Wien 1991, S. 185. 13 Vgl. Höhne, a.a.O. (Anm. 11), S. 59f.; Barbara Pfetsch, Politische Folgen der Dualisierung des Rundfunksystems in der Bundesrepublik Deutschland. Konzepte und Analysen zum Fernsehangebot und zum Publikumsverhalten, Baden-Baden 1991, S. 108. 14 Vgl. Frank Brettschneider, Massenmedien und politische Kommunikation, in: Oscar W. G//Everhard Holtmann (Hrsg.), Handbuch Politisches System der Bundesrepublik Deutschland, München/Wien 1997, S. 557-595, hier S. 573. 15 Vgl. Winfried Schulz, Nachrichtengeographie. Untersuchungen über die Struktur der internationalen Berichterstattung, in: Manfred Riihl/Heinz-Werner Stuiber (Hrsg.), Kommunikationspolitik in Forschung und Anwendung. Festschrift für Franz Ronneberger, Düsseldorf 1983, S. 281-291; Joachim Friedrich Staab, Nachrichtenwert-Theorie. Formale Struktur und empirischer Gehalt, Freiburg/München 1990.

MASSENMEDIEN UND ÖFFENTLICHE MEINUNG

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des Fernsehens, die aufgrund des Medienformats noch größeren Selektionszwängen unterliegt als die Presseberichterstattung, treten diese Nachrichtenfaktoren stärker zutage und werden um weitere ergänzt - beispielsweise um die visuelle Darstellbarkeit eines Ereignisses. Neben Nachrichtenfaktoren und organisatorischen Zwängen bestimmen auch die politischen Einstellungen der Journalisten die Nachrichtenauswahl. Ein beträchtlicher Anteil der Journalisten wählt bei strittigen Themen diejenigen Aspekte aus und spielt sie hoch, die den eigenen Standpunkt stützen. 16 Indem sich auf diese Art Einstellungen der Journalisten nicht nur dort widerspiegeln, wo sie hingehören - nämlich im Kommentar - , sondern auch im Nachrichtenteil, werden Journalisten zu politischen Akteuren.

MEDIENBERICHTERSTATTUNG UND ÖFFENTLICHE MEINUNG

Massenmedien spielen bei der öffentlichen Meinungsbildung eine zentrale Rolle. Dies gilt in besonderem Maße für Fragen der internationalen Beziehungen, weil diese der direkten Beobachtung durch die Bevölkerung noch stärker entzogen sind als das Geschehen im Inland. Die große Mehrheit der Bevölkerung bezieht ihre Informationen über das internationale Geschehen aus den Nachrichtensendungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. 1 7 Die Auslandsberichterstattung der Regionalpresse wird von der Hälfte der Zeitungsleser fast täglich verfolgt - überdurchschnittlich stark von Männern, Personen höheren Bildungsgrades sowie der mittleren Altersgruppe. 18 Das größte Interesse an internationaler Berichterstattung haben die Leser der überregionalen Qualitätspresse. Die von der Berichterstattung erzeugte »Medienrealität« spiegelt sich auf vielfältige Weise in der öffentlichen Meinung wider. Zunächst beeinflußt die Themenauswahl der Massenmedien die Bedeutung, die der Außen- im Verhältnis zur Innenpolitik beigemessen wird. Darüber hinaus legt die Rangordnung von Themen innerhalb der Berichterstattung fest, welche außenpolitischen Probleme von der Bevölkerung als wichtig angesehen werden, und welche nicht. Den beeindruckendsten Nachweis dieser »agenda-setting«-Funktion erbrachten US-Wissenschaftler in folgendem Experiment: Sie bildeten eine Versuchs- und eine Kontrollgruppe, die sich hinsichtlich ihrer sozialen und politischen Zusammensetzung 16 Vgl. Hans Mathias Kepplinger et al., Instrumentelle Aktualisierung. Grundlagen einer Theorie publizistischer Konflikte, in: Max ifoem/Keith Webb (Hrsg.), Theory and Practice in Foreign Policy Making. National Perspectives on Academics and Professionals in International Relations, London/New York 1994, S. 34-50; Winand Gellner, Ideenagenturen für Politik und Öffentlichkeit. Think Tanks in den U S A und in Deutschland, Opladen 1995; James G. McGann, The Competition for Dollars, Scholars and Influence in the Public Policy Research Industry, Lanham 1995; Wolfgang H. Reinicke, Lotsendienste für die Politik. Think Tanks amerikanische Erfahrungen und Perspektiven für Deutschland, Gütersloh 1996. 4 Vgl. Klaus von Beyme, Politische Kybernetik? Politik und wissenschaftliche Information der Politiker in modernen Industriegesellschaften, in: Journal für Sozialforschung, Nr. 1, 1984, S. 3-16, hier S. 8. Unter anderen haben Ebenvein/Hörsch, a.a.O. (Anm. 3) diesen Funktionskatalog aufgegriffen; Gellner, a.a.O. (Anm. 3) arbeitet mit vier Funktionen: Informations- und Ideengewinnung (Produktion), Informationsund Ideenverbreitung (Diffusion), Allokations- und Netzwerkfunktion (Networking) sowie Elitentransfer bzw. -rekrutierung (Transformation).

POLITIKBERATUNG

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Umfang wahrgenommen werden. 5 Auch die Vermittlungsfunktion ist schwächer ausgeprägt als etwa in den USA oder einigen Staaten Lateinamerikas und Südostasiens. Der Hinweis auf bestimmte Leistungsmöglichkeiten deutet Kompetenzvorteile international ausgerichteter Wissenschaftler an, über die Vertreter der politischen Praxis schon deshalb seltener verfügen, weil die Tagesroutine der Politik und Administration wenig Zeit für distanzierte Reflexion bietet. Impulse von Persönlichkeiten, die sich professionell mit längerfristigen internationalen Trends, dem Aufkommen neuer Belastungen oder auch konfliktmindernden Instrumentarien befassen, finden gerade angesichts der Zeitnot und der u.a. damit verbundenen Vorbereitungsdefizite im Akteursbereich ihren Markt. Auch Außenpolitik ist oft genug re-aktives Eingehen auf als kritisch perzipierte Situationen. Eine problemorientierte Politikberatung kann im positiven Fall auf langfristige strukturelle Entwicklungen im internationalen System einschließlich ihrer personalen Konstellationen aufmerksam machen. Wenn in solchen Zusammenhängen immer wieder auf die Bedeutung von Praxisnähe in der Politikberatung hingewiesen wird, dann soll das Spannungsfeld, innerhalb dessen sie sich bewegt, nicht unterschlagen werden: Praxis und Aktualität bedeuten nur zum Teil ein Eingehen auf unmittelbar akute Problemlagen. Der andere Teil ist Vorausschau auf langfristige Konstellationen, für die Handlungsbedarf erkannt wird. Voraussetzung für jede Art von Beratung ist eine gründliche Kenntnis der internationalen Welt einschließlich der maßgeblichen Akteure aus eigener Vertrautheit mit ihnen. Reine »Buchwissenschaftler·« sind selten gefragt.6 Wo zu sehr auf die Eule der Minerva oder auf akademische Unabhängigkeit gesetzt wird, bleiben Kontakt, Dialog, auch Reibung mit der praktischen Politik bloße Postulate. Auch Sprache kann einkapselnd wirken. Je munterer besonders jüngere Forscher auf den Ebenen des modischen sozialwissenschaftlichen Jargons bleiben, desto schneller wird man ihre Eingaben als »akademisch«, abstrakt und für die Politik irrelevant abtun. In der Tat ist dies ein in Bonn immer wieder zu hörender Hinweis auf die Grenzen wissenschaftlicher Politikberatung, der sich nicht nur gegen die Universitäten richtet. Gebildeter Common sense ist die zentrale Vermittlungskategorie, nicht theoretische Sublimierung. Eine grundsätzliche Schwierigkeit der Politikberatung in Deutschland besteht darin, daß die Mehrzahl der in Frage kommenden Adressaten in der Administration arbeitet oder ihr entstammt, weshalb ihnen schon von ihrer üblichen Vorbildung her das Denken in akteursbesetzten Großkonstellationen oder in Kategorien historisch-kultureller oder gar geostrategischer Alternativen nicht unmittelbar geläufig ist. 7

5 Vgl. Eberwein/Hörsch, a.a.O. (Anm. 3). Basis für die Herausstellung der Sensibilisierungsfunktion waren Gespräche des Autors in Bonn, Washington, Brüssel, in lateinamerikanischen und südostasiatischen Hauptstädten sowie in Canberra. 6 Vgl. H.C.F. Mansilla, Die Trugbilder der Entwicklung in der Dritten Welt. Elemente einer kritischen Theorie der Modernisierung, Paderborn 1986. 7 Dies steht im Gegensatz etwa zu den USA oder Großbritannien.

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Hinzu kommen zwei weitere Grandschwierigkeiten von Politikberatung im außenpolitischen Feld: Sie bewegt sich zum einen auf argumentativen Niveaus größerer Unsicherheiten, weil sie oft genug unter Bedingungen unvollständiger Informationen arbeiten muß. Und sie hat zum anderen von sich aus auf den aktuellen Informationsbedarf der jeweiligen Adressaten und Auftraggeber in der politischen Praxis zu achten. Anders gewandt: Politikberatung und -evaluierung entfalten sich nur bedingt in einem vorhandenen Markt. Sie müssen sich immer wieder selbst durch Angebote im richtigen Moment diesen Markt schaffen. Bei der Wahrnehmung der Sensibilisierungsfunktion kommt es in erster Linie darauf an, intelligent und nachvollziehbar Problempunkte, aber auch wissenschaftlich erhärtete Erfahrungen an die an politischen Entscheidungs- und Planungsprozessen Beteiligten so heranzutragen, daß praktische Impulse entstehen können. Die sehr wichtige Sensibilisierungsfunktion ist in diesem Sinne die operative Ubersetzung der Problemfeststellungs- und Frühwarnfunktion. Bei der doppelten Schlichtungsfunktion, die im Beratungsalltag darauf hinausläuft, Zeitvorteile oder, etwa im Streit um Positionen, Argumente für die jeweils auftraggebende Seite aufzubauen, ist vor der Gefahr von Gefälligkeitsvorlagen zu warnen. Dies gilt ebenso für Legitimationssicherung durch Beratung. Einmal getroffene Entscheidungen und angelaufene Maßnahmen in Frage zu stellen und gleichsam gegen den Stachel zu locken, gilt als unerwünschte Störung oder als vertane Zeit. 8 Die Vermittlungsfunktion zwischen Politik und Öffentlichkeit ist in demokratisch verfaßten Gesellschaften gleichfalls von besonderer Bedeutung. Sie geht über die Legitimationsbeschaffung für bereits getroffene Entscheidungen insofern hinaus, als sie, ähnlich wie die Medien, Interessen, Ziel- und gegebenenfalls Korrekturvorstellungen nach beiden Seiten herstellt und damit einen wesentlichen Beitrag zu dem leisten kann, was die Politikwissenschaftler heute als Responsivität bezeichnen, d.h. die Fähigkeit des Eingehens politischer Systeme auf öffentlich diskutierte Politikvorstellungen und -optionen. Außenpolitik neigt stärker zur Abschottung als viele andere Politikbereiche. Das mag im einzelnen sachlich begründbar sein. Historisch wirken Reminiszenzen einer obrigkeitsstaatlichen Kabinetts- und Geheimdiplomatie nach, die sich hier besonders lange gehalten haben. 9 Eine sprachlose Wissenschaft kann jedoch politisch-administrativen Entscheidungen Vorschub leisten, deren mangelnde Umsetzbarkeit wegen ihrer politischen Wirklichkeitsferne vorprogrammiert ist oder die schlicht nicht in das komplexe und häufig delikate Gleichgewicht internationaler Interessenprofile passen. In diesem Sinne bleibt außenpolitische Beratung ein Stück Warnung vor konkreten Fehlentscheidungen.

8 Vgl. Klaus-Peter Klaiber, Politikberatung auf dem Prüfstand. Zielvorgabe: Aktualität, Praxisnähe und Durchsetzbarkeit, in: IP, 9/1996, S. 63f. 9 Vgl. Manfred Mols, La estructura de la politica exterior de la República Federal de Alemania, in: Manfred Wilhelmy von Wolff (Hrsg.), La formación de la política exterior. Los países desarrollados y América Latina, Buenos Aires 1987, S. 83-107.

POLITIKBERATUNG

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STRUKTUREN

Grundsätzlich sollte man zwischen zwei Formen der Beratung unterscheiden. Direkte Beratung kommt zustande, wenn Stellungnahmen auf Anforderung aus der Administration oder dem Parlament vorgelegt werden. Die indirekte Beratung geht von Institutionen und/oder Personen aus, die durch Organisation von Sachgesprächen, oft unter Bedingungen der Vertraulichkeit, und durch Vorträge oder Positionspapiere politisch relevante Themen einschließlich erwägenswerter Handlungsoptionen zur Diskussion stellen. Unter das Rubrum der indirekten Beratung fällt auch die Arbeit von Studien- und Projektgruppen, an denen oft auch leitende Beamte oder Parlamentarier teilnehmen, umgekehrt die Partizipation von Wissenschaftlern an vertraulichen Diskussionen der Ressorts sowie bilateral geführte Gespräche. Und selbstverständlich können zur indirekten Beratung Beiträge in policy-orientierten Zeitschriften (Europa-Archiv, Internationale Politik, Außenpolitik u.a.), generell Schriften aus den politikberatenden Institutionen sowie im Einzelfall gut eingesetzte Veröffentlichungen in der Tages- und Wochenpresse gehören. Die institutionelle Seite der wissenschaftlichen Beratung läßt sich verhältnismäßig eindeutig schildern. Wirklich ins Gewicht fallen die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Bonn (demnächst in Berlin) und die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Ebenhausen (ebenfalls demnächst Berlin). Mit deutlichem Abstand folgen das Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien (BlOst) in Köln, das in die SWP integriert werden wird, ferner das Osteuropa- und das Südost-Institut in München, die Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) in Frankfurt a.M., auf dem Gebiet der Europaforschung das Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) in München, für einzelne überseeische Themen die Hamburger Uberseeinstitute, je nach politischer Großkonjunktur die Forschungs- und Beratungsstellen der politischen Stiftungen, gelegentlich Spezialinstitute wie z.B. das Institut für Europäische Politik (IEP) in Bonn und schließlich auch einzelne Wissenschaftler aus dem Universitätsbereich. Bisher hatte die DGAP einen prinzipiellen Rollenvorteil, weil sie in unmittelbarer Nachbarschaft zum Zentrum des politischen Geschehens arbeitet, durch gezielte Arbeitsgruppen auch Mitglieder der Administration und des Deutschen Bundestages einbezieht und weil sie durch die Besuche höchstrangiger ausländischer Gäste ein in der Bonner auswärtigen Politik nicht mehr wegzudenkendes Gesprächsforum geworden ist, wie es in dieser Form nur noch gelegentlich über die politischen Stiftungen zustande kommt. Der DGAP kommt der permanente unmittelbare Kontakt zu den außenpolitisch relevanten Bundesministerien ebenso zugute wie ein sehr dichtes Kooperationsverhältnis zum Bundestag. Es dürfte keine größere politikberatende Institution in Deutschland geben, deren Führungsgruppe besser darüber informiert ist, was gerade anliegt und welche Form des Angebots im jeweiligen Moment gefordert ist. Die SWP hatte es hier schon aus Gründen ihrer größeren räumlichen Distanz und wegen der formellen Zuordnung zum Bundeskanzleramt schwerer. Der geplante Umzug nach Berlin dürfte in dieser Hinsicht Veränderungen bewirken. In vielen Fällen

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hat die SWP in der Vergangenheit Hervorragendes geleistet, z.B. im herkömmlichen Sicherheitsbereich. Uber Veranstaltungen in Ebenhausen, z.B. Review-Konferenzen zum Nordatlantikpakt (NATO), und nicht zuletzt über eine Vielzahl beachteter Positionspapiere zu verschiedensten Aspekten des internationalen Spektrums ist sie eine verläßliche, nicht ausschließlich dem Tagesgeschäft der Politikberatung verpflichtete Institution geworden, die schon wegen ihrer »kritischen Masse« an qualifizierteren Wissenschaftlern über eine für die Außenpolitik unverzichtbare Frühwarnkapazität verfügt. Die SWP pflegte des weiteren einen gezielten Personalaustausch mit dem Planungsstab des Auswärtigen Amtes (AA), der 1997 aus Mangel an Personalmitteln eingestellt werden mußte. Sofern allerdings unter ihren Mitarbeitern eine bewußte Distanzierung zum politischen Entscheidungsalltag befürwortet wird, läuft man Gefahr, sich selbst ins Abseits zu stellen. »Denkfabriken in Deutschland« - so ein in der Politikberatung erfahrener Wissenschaftler - »haben die Tendenz, sich als »Universitäten ohne Studenten< zu verstehen, und übernehmen damit den Hang der Politikwissenschaft zu Praxisferne und zu sprachlicher Abschottung.« Er fährt fort: »Statt dessen sollte ihre Arbeit strikt anwendungs- und ergebnisorientiert angelegt sein. Politikberatung erfordert wissenschaftliche Distanz, aber kommunikative Nähe zur Politik.« 10 Dies ist deshalb zu radikal und im übrigen etwas praxisfern gedacht, weil effektive Politikberatung immer auch von ihrem »Standing« in der Wissenschaft lebt. Die Aussage berührt aber gleichwohl einen wunden Punkt: Institute der Politikberatung erliegen gelegentlich der Versuchung, Grundlagenreflexionen ähnlich wie Universitäten anzustellen. Deren nachahmenswerte Tugenden sind analytischer und politisch-kritischer Abstand zum Tagesgeschäft, verbunden mit dem Nachweis historischer Tiefendimensionen zum Verständnis von Gegenwart und zukünftigen Gestaltungspotentialen und dem Aufzeigen der Multiplizität begleitender Faktoren. O f t genug ist aber der Preis für solche Tugenden die Distanz des Elfenbeinturms. Das schließt nicht aus, daß einige Professoren, sofern sie nicht ohnehin den oben genannten größeren Beratungsinstitutionen angehören (wie Karl Kaiser oder Werner Weidenfeld), also etwa Hans-Peter Schwarz, zeitweilig Karl-Dietrich Bracher, Klaus Hildebrand und früher Wolf gang Hirsch-Weber, einzelne Juristen, insbesondere Völkerrechtler, in der praktischen Politikberatung einen erkennbaren Part innehatten oder noch haben. Die meisten Spezialisten für internationale Beziehungen jedoch haben weder die von Tag zu Tag sich neu aufbauenden außenpolitischen Situations-, geschweige denn die Personenkenntnisse, die erforderlich sind, um als Politikberater einen eigenen Marktwert aufbauen zu können. Das gilt mutatis mutandis auch für aus der Sicht des Bundeskanzleramts, des AA oder der außenpolitischen Arbeitsgruppen der Bundestagsfraktionen randständige Politikbereiche wie etwa die Entwicklungspolitik. Vier Dinge sind in bezug auf die Universitäten nachzutragen: Erstens müssen Politikberater, um Einfluß zu zeitigen, über nahezu unbegrenzte Zeitbudgets verfügen, d.h. jederzeit abrufbar sein und/oder hic et nunc benötigte Angebote machen können, 10 Josef Janning, Anforderungen an die Denkfabriken, in: IP, 9/1996, S. 65f., hier S. 65.

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was eine eingehende Kenntnis des tatsächlichen Beratungsbedarfs voraussetzt. Die zeitlichen und thematischen Prioritäten von Universitäten liegen naturgemäß anderswo. Zweitens verfügen Universitätsinstitute in so gut wie keinem Fall über Mittel, um kontinuierlich eigene politikberatende Aktivitäten und Gespräche zu initiieren. Drittens ist die in Deutschland übliche Form der Drittmittelbeschaffung viel zu schwerfällig, um eine kurzfristige, flexible und projektbezogene Beratung zu ermöglichen. Soweit erkennbar, sind auch das Bundeskanzleramt, das AA oder andere Ministerien von ihrem Haushalts- und Rechnungsgebaren nicht auf eine unkomplizierte, über Auftragsgutachten hinausgehende Finanzierung akademischer Politikberatung eingestellt.11 Man setzt, wie übrigens auch in den Fachausschüssen der politischen Parteien und zumindest partiell bei den Beratungsgesprächen der politischen Stiftungen, auf Leistungserbringung durch Staatsloyalität. Viertens: Die akademische Welt, von der hier die Rede ist, läuft in der Politikberatung oft über Schienen parteipolitischer Verbindungen. Wo diese im Sinne der Ermöglichung von Politikberatung funktionieren, ist die Bestätigung einmal eingeschlagener Richtungen eindeutig gefragter als der Mut, gegen den Strom zu schwimmen. Damit werden Chancen verspielt, innovative Positionen aufzubauen.

AKTIVITÄTEN

Es gibt drei zentrale Adressatengruppen: (i) einzelne Spitzenpolitiker wie den Bundeskanzler, den Bundespräsidenten oder den Fraktionsvorsitzenden der Mehrheitsfraktion im Bundestag, (ii) die außenpolitisch arbeitende Bürokratie und (iii) Parlamentarier. Bundeskanzler und Bundespräsident pflegen teils offene, teils vertrauliche Beratungsgespräche. Von Willy Brandt ist bekannt, daß er das beratende Gespräch suchte und auch keine Scheu vor der Lektüre anspruchsvoller Literatur kannte. Auch Helmut Schmidt ließ sich anläßlich wichtiger strategischer Entscheidungen und Reden gern im kleinen Kreis beraten. Helmut Kohl bevorzugt als Beratungsumgebung eine »politische Familie«, d.h. ein »kleines Ensemble von Ratgebern und Zuarbeitern, ausgesucht nach den Prinzipien: >Loyalität, Solidarität und Vertrauenswürdigkeit««12. Der amtierende Bundeskanzler ist offen für ausgewählte ausländische Besucher und ihre Weltsicht. Informationen aber, die keinen unmittelbaren, der Tagespolitik oder der Planung des Kanzlers einfügbaren Verwertungszusammenhang zeigen, kommen nicht an und sind nicht gefragt. Bei wenigen anderen Spitzenpolitikern ist der auf Personenkenntnisse ausgerichtete Beratungsbedarf so groß wie bei Helmut Kohl und seiner unmittelbaren Umgebung. Der amtierende Bundespräsident Roman Herzog pflegt bewußt einen Beratungsdiskurs in deutschland-, europa- und asienpolitischen 11 Zu den begrenzten finanziellen Möglichkeiten im auswärtigen Beratungsprozeß vgl. die sich auf das Haushaltsjahr 1992 beziehenden Angaben in Axel Murswieck, Wissenschaftliche Beratung im Regierungsprozeß, in: ders., a.a.O. (Anm. 1), S. 103-119, hier S. 110. 12 Karl-Rudolf Körte, Deutschlandpolitik in Helmut Kohls Kanzlerschaft. Regierungsstil und Entscheidungen 1982-1989, Stuttgart 1998, S.25.

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Fragen. Ähnlich hatte sich Richard von Weizsäcker verhalten. Gespräche prägen auch das Beratungsprofil im AA. Zu strategisch wichtigen Fragen finden gelegentlich Runden unter dem Vorsitz des Ministers statt, zu denen Wissenschaftler eingeladen werden. Das war bei Hans-Dietrich Genscher der Fall und wird auch von Klaus Kinkel fortgeführt. Damit ist schon angedeutet, daß grundsätzliche Positionspapiere nicht im Vordergrund der Beratungsaktivitäten stehen. Sie werden nur gelegentlich angefragt. Wenn Papiere gelesen werden sollen, müssen sie extrem kurz und absolut allgemeinverständlich gehalten sein. Und im Regelfall ist ihr offizieller und erst recht ihr faktischer Abnehmer nicht mehr der Spitzenpolitiker, sondern der koordinierende und aufarbeitende Beamte auf den Ebenen von Referenten und Abteilungsleitern. Dies schließt mehrschichtige, im Disput und Dialog geführte und zeitlich aufwendige Beratungs- oder Positionsgespräche in größeren Gruppen ein. Dazu gehören z.B. der alte Ost-West-Arbeitskreis des AA oder der ebenfalls dort angesiedelte Nord-Süd-Arbeitskreis. Das AA, besonders der Planungsstab, veranstaltet auch Wissenschaftler einschließende Expertenkolloquien. Das aktuelle Positionspapier der Bundesregierung zur Lateinamerika-Politik 13 oder die frühere deutsche Position im Friedensprozeß in Zentralamerika, die sich offen gegen die völlig anderen Präferenzen der US-Administration unter dem damaligen Präsidenten Ronald Reagan richtete, waren zu einem erheblichen Teil Ergebnisse von sorgfältig geplanten Konferenzen mit Experten im AA, in der auf die Artikulation der pluralen Vorstellungen aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft Wert gelegt wurde. Auf Fundamenten wissenschaftlicher Beratung beruht auch das beachtenswerte Asien-Konzept der Bundesregierung 14 , das bekanntlich in weiten Passagen von der Europäischen Union (EU) übernommen wurde. Diese Beobachtungen treffen im großen und ganzen auch auf die Beratungsbedürfnisse der Bundestagsabgeordneten zu. Parlamentarier nehmen an Studiengruppen, Projekten und Symposien der großen politikberatenden Institutionen teil. Hier findet ein - manchmal sehr intensiver - Gedankenaustausch mit partizipierenden Wissenschaftlern statt. Auch Hearings mit Wissenschaftlern in Parlamentsausschüssen und auf Fraktionsebene sind keine Seltenheit. Ebenso gibt es aus dem Parlament direkte Anfragen an die politikberatenden Institutionen, und Abgeordnete gehören zum Verteilerkreis der dort erarbeiteten Positionspapiere. Zu erwähnen sind auch die Aktivitäten der auf internationale Fragen ausgerichteten Bundesfachausschüsse der politischen Parteien sowie die politischen Stiftungen. 15 13 Vgl. Auswärtiges Amt/Bundesministerium für Wirtschaft/Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Hrsg.), Lateinamerika-Konzept der Bundesregierung. Materialienband, Bonn 1995. 14 Asien-Konzept der Bundesregierung, veröffentlicht am 20.10.1993, abgedruckt in: Europa-Archiv, 6/1994, S. D l 87-200. 15 Zu den Stiftungen in diesem Kontext vgl. Christoph Wagner, Die offiziöse Außen- und Entwicklungspolitik der deutschen politischen Stiftungen in Lateinamerika, in: Manfred Mols/Christoph Wagner (Hrsg.), Deutschland - Lateinamerika. Geschichte, Gegenwart und Perspektiven, Frankfurt a.M. 1994, S. 167-228. Zur Rolle der politischen Stiftungen in der Außenpolitik vgl. auch den Beitrag von Sebastian Bartsch in diesem Band.

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Bundesfachausschüsse können sehr offene Dialogforen für außenpolitische, außenwirtschaftspolitische, sicherheits- und entwicklungspolitische Fragen sein. In ihnen raufen sich Parlamentarier, Wissenschaftler, leitende Beamte und sonstige Funktionsträger und Fachleute aus den jeweiligen Politikfeldern oft buchstäblich zusammen und arbeiten dabei auf Verständigungsniveaus hin, die nach vielen Seiten politikbeeinflussend ausstrahlen können. Die Nähe zur praktischen Politik bzw. zur politischen Administration und zum Bundestag sowie auch zum Europäischen Parlament (EP) ist gesichert durch die Art der Ausschußbesetzungen. Dies alles gilt einigermaßen analog für die politikberatende Arbeit der politischen Stiftungen. Sie ist unterschiedlicher Qualität und Intensität und bleibt Konjunkturen unterworfen, die mit den politischen Sensibilitäten und Prioritäten ihrer Chefs zusammenhängen. In bestimmten Fragen reicht der Einfluß bis nach Brüssel (zur N A T O , zur EU-Kommission und zum EP), interessanterweise auch in die Staatskanzleien deutscher Bundesländer, die ja - von Ausnahmen wie Berlin oder Hamburg abgesehen - keine eigenen, außenpolitisch ins Gewicht fallenden Beratungsgremien unterhalten. Nicht übersehen werden sollten die konkreten Einwirkungsmöglichkeiten der Auslandsbüros bzw. der Auslandsmitarbeiter der politischen Stiftungen. Deren Stärke beruht primär auf einer besonders guten Personenkenntnis und Personenvermittlung »vor Ort«. Das Beratungspotential der Stiftungen verstärkt sich gelegentlich dann, wenn sie gezielt mit deutschen Wissenschaftlern zusammenarbeiten.

E I N F L U S S IM E N T S C H E I D U N G S P R O Z E S S

Die Notwendigkeit wissenschaftlicher Beratung wird weder im AA noch im Bundeskanzleramt noch in anderen Ministerien bestritten. Stärker als früher greift man in Einzelfragen auf ehemalige Diplomaten zurück. Im Rahmen des personell Möglichen beachtet man auch Ergebnisse internationaler Politikberatung, z.B. der amerikanischen R A N D Corporation. Eine Systematik ist dabei nicht erkennbar. Politikberatung kann dazu beitragen, den Prozeß der Abwägung politischer Alternativen zu versachlichen, indem die Kenntnisse konkreter Phänomene und oft auch der nationalen und internationalen Durchsetzbarkeit außenpolitischer Entscheidungen verbessert werden. Dabei bestehen zwischen Beratungsinstanzen und Adressaten Querverbindungen, die institutionell, öfter und wesentlicher noch interpersonell, abgesichert sind. Eine weitere Absicherung bilden international ausgerichtete Beratungsnetzwerke in Form von grenzüberschreitenden »Cliquen«, wie sie aus der soziologischen Netzwerkanalyse bekannt sind. Im Rahmen solcher »epistemic communities« 16 konnten, auf der Basis einer ähnlichen Professionalisierung und eines vergleichbaren Wertehintergrunds, wichtige Fragen wie die europäische Integration, nukleare Nichtverbreitung oder internationale Umweltpolitik thematisiert werden. 16 Vgl. Peter M. Haas (Hrsg.), Knowledge, Power, and International Policy Coordination (International Organization, Sonderheft), Cambridge, Mass. 1992.

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Regelmäßige Arbeitskontakte mit einflußreichen Politikberatungsinstitutionen wie der Brookings Institution in Washington, dem Institut Français des Relations Internationales (IFRI) in Paris, dem Royal Institute of International Affairs (Chatham House) in London oder dem Europa-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau gehören zum Alltag dieser Vernetzungen. Eine Vielzahl von Konferenzen und gemeinsamen Publikationen sind die Früchte dieser Zusammenarbeit. Die Arbeit über europäische Fragen konnte u.a. wegen der Mitgliedschaft der großen deutschen Beratungsinstitute in der European Strategy Group (ESG), einem Zusammenschluß von europäischen Forschungsinstituten und Fachleuten aus den Bereichen Außen- und Sicherheitspolitik, gut gedeihen. Auf zahlreichen Gebieten sind substantielle Einflüsse aus dem Bereich wissenschaftlicher Politikberatung nachweisbar, etwa in der deutschen Europapolitik, in Reformfragen der N A T O , in der von Deutschland wesentlich mitgetragenen internationalen Umweltpolitik 17 sowie in der Sozial- und der Menschenrechtspolitik. Dennoch gibt es auf der Landkarte effektiver Beratung auch weiße Flecken. In der absolut zentralen Frage der deutschen Vereinigung hat sich weder die prognostische noch die politikleitende Funktion der Wissenschaft als besonders ergiebig erwiesen. 18 Ein anderes Beispiel bietet der Aufstieg Ost- und vor allem Südostasiens, den man emphatischer ins politische Bewußtsein gerückt hat als die sich schon vor der manifesten Krise des Jahres 1997 abzeichnenden latenten Defizite. Die positive lateinamerikanische Wende seit der zweiten Hälfte der achtziger Jahre wurde dagegen erst reichlich verspätet zur Kenntnis genommen. Im übrigen taucht hinsichtlich einer effektiven Frühwarnfunktion von Wissenschaft immer das Problem auf, inwieweit die Politik entsprechende Signale zur Kenntnis nimmt und operativ aufarbeitet. Grundsätzlich ist es nahezu gleichgültig, in welchen Formen sich Politikberatung abspielt. Die Intensität der Beratung ist wichtiger als die Form und ihr (zeitlicher) Gesamtaufwand. 19 Der Stellenwert von Politikberatung im auswärtigen Entscheidungsprozeß steht und fällt mit personellen und situationsabhängigen Konstellationen. Dies besagt zugleich, daß es heute einen akuten Beratungs- oder Gesprächsbedarf gibt, der schon morgen Schnee von gestern sein kann. Der deutlichste Beratungsbedarf besteht immer wieder in bezug auf neue internationale Partner, besonders, wenn Persönlichkeiten in politische Amter kommen, die man vorher kaum oder gar nicht kannte. 20 In solchen 17 Vgl. den richtungsweisenden Beitrag von Dieter Oberndorfer, Schutz der tropischen Regenwälder durch Entschuldung (Perspektiven und Orientierungen, Schriftenreihe des Bundeskanzleramtes, Band 5), München 1989. 18 Vgl. Helmut Kohl, Ich wollte Deutschlands Einheit, Berlin 1996. 19 Ein Beispiel erfolgreicher Politikberatung war das Briefing, das 1976 der damalige Vertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Venezuela, Klaus Lindenberg, Willy Brandt auf dem Flug von New York nach Caracas angedeihen ließ. Der deutsche Politiker erschien auf der seinerzeit berühmt gewordenen CaracasKonferenz der Sozialistischen Internationale wohlinformiert, was einer Art Initialzündung für Brandts prominente Stellung in der Dritten Welt gleichkam. 20 Das war im deutsch-amerikanischen Verhältnis z.B. der Fall im Wechsel von George Bush zu Bill Clinton. Es war damals weniger wichtig zu wissen, was Clinton in seinem Wahlkampf gesagt hatte, als wer er war.

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Fällen bemühen sich nicht nur nachgeordnete Referenten um Informationen, sondern die Spitzenpolitiker selbst. Eine in Richtung Politikberatung gehende Ausbildung gibt es weder an den Universitäten noch in der wissenschaftlichen Vorbereitung des deutschen diplomatischen Nachwuchses. Wie relativ bescheiden der Stellenwert außenpolitischer Beratung insgesamt bleibt, zeigt sich auch an den der D G A P und der SWP zur Verfügung stehenden personellen und finanziellen Ressourcen. Die D G A P beschäftigt derzeit knapp 20 hauptamtliche Wissenschaftler, von denen gut die Hälfte in der Politikberatung tätig ist. Ihr Gesamtetat beträgt ca. 5 Millionen D-Mark; er setzt sich aus Mitgliedsbeiträgen, Publikationseinnahmen, Bundesmitteln und Spenden zusammen. Bei der SWP sind ungefähr 40 Wissenschaftler beschäftigt. 21 Das Haushaltsvolumen umfaßt ca. 15 Millionen D-Mark. Selbst wenn man die personellen Ressourcen anderer Institute sowie Gastwissenschaftler und externe Mitarbeiter einbezieht, stehen für die wissenschaftliche Politikberatung nicht mehr als maximal rund 180 bis 200 Personen zur Verfügung. Der Kern dürfte bei deutlich unter 100 Wissenschaftlern liegen. Reicht das aus, um eine qualifizierte und flächendeckende, d.h. alle wichtigen Themengebiete, Regionen und Staaten umfassende Politikbegleitung ins 21. Jahrhundert zu ermöglichen? Ein Staat, der auf Technik und Technikfolgen, Wirtschaftsund Sozialberatung fixiert ist und zugleich immer weniger auf globale Engagements verzichten kann, darf nicht die beratende Vorbereitung auf seine Außenpolitik als Cura posterior erscheinen lassen. Unsinnigerweise fangen jetzt auch noch die Rechnungsprüfer an, darüber zu befinden, was für vitale Beratungs- und Vorbereitungsfragen dieses Staates relevant ist, und was nicht. Es ist von großer Wichtigkeit, daß Politiker und Beamte aus der Administration sowie umgekehrt die in der Politikberatung arbeitenden Wissenschaftler zu einem veränderten Rollenverständnis in der Kooperation finden.22 Eine Schwierigkeit wird freilich auch dann das Dilemma zwischen Einfluß und Unabhängigkeit bleiben. 23 »Wissenschaftliche Politikberatung ist ein Prozeß, der nur funktioniert, wenn die Politik auch merkt, wie sehr es in ihrem Interesse ist, beraten zu werden« 24 ; und der des weiteren auch dann wesentlich besser als jetzt funktionieren würde, wenn in Deutschland eine professionelle Rotation zwischen Wissenschaft und Politik selbstverständlich würde, 25 für die eine Öffnung 21 1997 waren dies 37 Wissenschaftler »im Kern«, 38 Experten mit Werkverträgen, 19 Gastwissenschaftler, 5 Stipendiaten, 2 abgeordnete Beamte und 4 Berater. 22 Vgl. Frank R. Pfetsch, Erkenntnis und Politik. Philosophische Dimensionen des Politischen, Darmstadt 1995, S. 130f.; Albrecht Zunker, Selbstverständnis und Wirksamkeit externer Politikberatung, in: Murswieck, a.a.O. (Anm. 1), S. 193-205. 23 Vgl. William Wallace, Between Two Worlds. Think-tanks and Foreign Policy, in: Christopher //¿///Pamela Beshoff (Hrsg.), Two Worlds of International Relations. Academics, Practitioners, and the Trade in Ideas, L o n d o n / N e w York 1994, S. 139-163. 24 Richard von Weizsäcker, Stiftung Wissenschaft und Politik: Eine Entwicklungsaufgabe?, in: Albrecht Zunker (Hrsg.), Weltordnung oder Chaos? Beiträge zur internationalen Politik. Festschrift zum 75. Geburtstag von Professor Dr. Klaus Ritter, Baden-Baden 1993, S. 13-17, hier S. 14. 25 Vgl. Roman Herzog, Überlegungen zum Verhältnis von Wissenschaft und Politik, in: Bulletin (Presseund Informationsamt der Bundesregierung), N r . 27, 3.4.1996, S. 269f.

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des öffentlichen Dienstrechtes mit dem Abbau des Quasi-Juristenmonopols nötig wäre. A n eines sollte abschließend erinnert werden: In Deutschland besteht ein arges Mißverhältnis zwischen der Förderung von Natur-, Technik- und Wirtschaftswissenschaften, die über eigene und große anwendungsorientierte Organisationen verfügen, darunter die Max-Planck-Gesellschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Helmholtz-Gesellschaft sowie die drei großen und einige mittlere Wirtschaftsinstitute in Kiel, Hamburg, Berlin, München, Essen und Halle. Dem steht für eine praktische politikbezogene Forschung quantitativ nichts Gleichwertiges gegenüber. A n einigen Stellen wird inzwischen über die Gründung einer »Max-Weber-Gesellschaft« nachgedacht, die einen eigenen Dachverband für politikberatende Aktivitäten abgeben könnte. Möglicherweise wäre das ein Schritt in die richtige Richtung. Der andere müßte darin bestehen - ähnlich wie dies für die universitäre Spitzenforschung in den U S A gilt - , Wege der besseren Integration von solchen Universitätsprofessoren und -mitarbeitern in die außenpolitische Politikberatung zu finden, die auf Grund ihres persönlichen Interesses und ob ihrer Kenntnis internationaler Situationen dafür in Frage kommen. Hier besteht ein noch längst nicht ausgelotetes Potential, für das aber auch - etwa über die anvisierte »Max-Weber-Stiftung« - adäquate Finanzierungsmöglichkeiten erschlossen werden müßten. Dieses Plädoyer für eine Ausweitung von Beratungsstrukturen und -möglichkeiten hat allerdings nicht die US-amerikanische Beratungswelt als Paradigma vor Augen. Ein »oversupply« mit ca. 1 200 »think tanks« 2 6 kann wegen offenkundiger wechselseitiger Lähmungen durch Uberinformation und Uberinterpretation keine Lösung sein; die in Großbritannien anzutreffende »airy-fairy« Bewertung akademischer Analysen 2 7 allerdings auch nicht.

26 Vgl. Wallace, a.a.O. (Anm.23), S. 151f. 27 Ebd., S. 148.

DIE PREKÄRE MACHT: DEUTSCHLAND A N DER SCHWELLE ZUM 21. JAHRHUNDERT Gunther Hellmann* Macht ist wieder zu einer zentralen Kategorie des Diskurses über die Außenpolitik Deutschlands geworden. Es geht um die Macht Deutschland und um Deutschlands Macht. Die Bedeutungen, die dabei dem Machtbegriff unterlegt werden, sind allerdings genauso facettenreich wie die Fragen, die in diesem Zusammenhang gestellt werden, und die Kontexte, in denen er verwendet (oder auch nicht verwendet) wird. Die Kategorie der Macht findet zum einen verstärkt Eingang in Komposita, die die veränderte außenpolitische Rolle Deutschlands auf einen einzigen Begriff bringen sollen: Deutschland als »Weltmacht wider Willen«, als »Zentralmacht Europas« bzw. als »europäische Führungsmacht«, als in ihrem Rang gefährdete »Weltwirtschaftsmacht«, als dauerhaft geläuterte »Zivilmacht« oder als wieder auferstehende »Militärmacht«.1 Des weiteren taucht der Machtbegriff immer dann als Bezugspunkt auf, wenn es darum geht, eine spezifisch bundesrepublikanische Art von »Verantwortungspolitik« abzugrenzen von der »Machtpolitik« prä-bundesrepublikanischer Zeiten, aber auch von der heute noch beobachteten »Machtpolitik« anderer großer Staaten.2 Die Fragen, die sich in all diesen Kontexten aufzudrängen scheinen, zielen häufig darauf, Macht in bestimmten Größenordnungen zu diskutieren: gefragt wird, wie groß die Macht des vereinten Deutschland sei, und (häufiger), ob Deutschlands Macht in der Folge der Umbrüche in Europa und der deutschen Vereinigung gestiegen oder gleich geblieben sei. (Die Tatsache, daß kaum jemand fragt, ob sich Deutschlands Macht verringert habe, deutet bereits an, zu welcher Antwort die Mehrheit im In- und Ausland tendiert.3) * Für konstruktive Kritik und hilfreiche Anregungen danke ich den Herausgebern und Sebastian Bartsch sowie Thomas Banchoff, Helga Haftendorn, William Paterson, Ingo Peters, Christian Tuschhoff, Christoph Weller, Klaus Dieter Wolf und Reinhard Wolf. 1 Vgl. Christian Hacke, Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Weltmacht wider Willen?, Frankfurt a.M./Berlin 1997; Hans-Peter Schwarz, Die Zentralmacht Europas. Deutschlands Rückkehr auf die Weltbühne, Berlin 1994; William Wallace, Deutschland als europäische Führungsmacht, in: Internationale Politik (IP), 5/1995, S. 23-28; Norbert Kloten, Die Bundesrepublik als Weltwirtschaftsmacht, in: Karl Kaiserl Hanns W. Manli (Hrsg.), Deutschlands neue Außenpolitik, Band 1: Grundlagen, 2. Auflage, München 1997, S. 63-80; Hanns W. Manli, Zivilmacht Bundesrepublik Deutschland: Vierzehn Thesen für eine neue deutsche Außenpolitik, in: Europa-Archiv (EA), 10/1992, S. 269-278; Reinhard Mutz, Militärmacht Deutschland? Die Bundeswehr auf der Suche nach ihrer Zukunft, in: dersJFriedhelm Solms/Gen Krell (Hrsg.), Friedensgutachten 1994, Münster 1994, S. 213-228. 2 Vgl. etwa Hans-Dietrich Genscher, Erinnerungen, Berlin 1995, S. 1016 sowie kritisch Michael Kreile, Verantwortung und Interesse in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), N r . Β 5/96, 26.1.1996, S. 3-11. 3 Die Einschätzung, daß sich Deutschlands relative Machtposition leicht verbessert hat, wird gestützt durch einen geringen Anstieg des deutschen Anteils an materiellen Machtressourcen wie Bruttosozialprodukt, Exportstärke, Währungsreserven, Militärausgaben und Truppenstärke innerhalb einer Staatengruppe, der vor allem die großen Mächte zugerechnet werden. Vgl. Rainer BaumannfVo\ker i?iíí¿erger/Wolfgang Wagner, Macht und Machtpolitik: Neorealistische Außenpolitiktheorie und Prognosen für die deutsche Außenpolitik nach der Vereinigung (Tübinger Arbeitspapiere zur internationalen Politik und Friedensforschung, N r . 30), Tübingen 1998, S. 30-33 u. 40-50.

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SCHLUSSBETRACHTUNG

Diese Fragen stehen nicht im Zentrum dieses Beitrags. Damit soll nicht gesagt sein, daß sie unbedeutend sind. Das Gegenteil ist der Fall, denn die - vor allem außerhalb Deutschlands - weitverbreitete Auffassung, daß die neue Bundesrepublik in der Folge der europäischen Umbrüche 1989/1990 spürbar mächtiger geworden sei,4 ist politisch durchaus folgenreich. Sinnvoller als ein weiterer Beitrag zu einer in hohem Maße auf individuelle Präferenzen rekurrierenden und häufig auch polemische Reaktionen provozierenden Frage erscheint es daher, Deutschlands Macht aus einem anderen Blickwinkel zu thematisieren - der Frage, wie sich Deutschlands Macht an der Schwelle zum 21. Jahrhundert beschreiben läßt.5 Zu beachten ist dabei, daß dies nur eine Momentaufnahme sein kann. Auch wenn sich die Gegenstände, auf die sich eine Machtanalyse wie diese bezieht, nicht in dem Sinne täglich verändern, daß diese Veränderungen beobachtbar und beschreibbar sind, so unterliegt Macht doch einem stetigen Wandel. In diesem Sinne sind die hier vertretenen Geltungsansprüche zeitlich begrenzt.

ZENTRALE BEGRIFFE

»Macht« wird hier als die Fähigkeit eines Akteurs definiert, in Auseinandersetzung mit anderen bestimmte Ziele zu erreichen. Damit sind im wesentlichen drei Dimensionen angesprochen. In einem sehr grundsätzlichen Sinne verweist diese Definition erstens auf einen Akteur, der durch sein Handeln einen erwünschten Zustand zu erhalten oder herbeizuführen sucht. Dieses Handeln vollzieht sich zweitens innerhalb von sozialen Beziehungen mit anderen Akteuren, die ihrerseits Ziele verfolgen, die mit diesen Zielen übereinstimmen oder konkurrieren können. Die Verwirklichung dieser Ziele ist drittens von gewissen Ressourcen oder Fertigkeiten abhängig.6 Zweierlei ist für dieses Verständnis von Macht von zentraler Bedeutung. Zum einen erwachsen die Ziele, die ein Akteur verfolgt, aus konkreten sozialen Situationen, die insofern problematisch sind, als sie für unbefriedigend erachtet werden. Zum anderen läßt sich der Prozeß der Problemdefinition und der Zielbestimmung nicht loslösen

4 Vgl. hierzu die verschiedenen Beiträge zum Schwerpunktthema »Großmacht Deutschland? Außenansichten«, in: IP, 2/1997. 5 Angesichts des begrenzten Raumes wird es dabei nicht möglich sein, detailliert auf unterschiedliche Beschreibungen deutscher Macht einzugehen. Die vorliegende Analyse stützt sich im wesentlichen auf neuere außenpolitische Stellungnahmen der Bundesregierung, der Regierungs- und Oppositionsparteien sowie - für die breitere öffentliche Diskussion - auf Beiträge außenpolitischer Experten. Ausführliche Belege hierzu finden sich bei Gunther Hellmann, Jenseits von »Normalisierung« und »Militarisierung«: Zur Standortdebatte über die neue deutsche Außenpolitik, in: APuZ, Nr. Β 1-2/97, 3.1.1997, S. 24-33 sowie in ders., Goodbye Bismarck? The Foreign Policy of Contemporary Germany, in: Mershon International Studies Review, Nr. 1, April 1996, S. 1-39. 6 Neuere, für den Bereich der internationalen Beziehungen relevante Diskussionen des Machtbegriffs einschließlich weiterer Verweise finden sich bei David A. Baldwin, Paradoxes of Power, New York 1989; Joseph S .Nye, Jr., Bound to Lead. The Changing Nature of American Power, New York 1990; William C. Wohlforth, The Elusive Balance. Power and Perceptions during the Cold War, Ithaca, N.Y. 1994.

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von den Ressourcen, über die ein Akteur verfügt. Beide bedingen einander wechselseitig. Akteure formulieren Ziele in einem stetigen Rückkopplungsprozeß mit wahrgenommenen Problemen, mit den Problembeschreibungen und Zielen anderer Akteure und unter Berücksichtigung verfügbarer Ressourcen. Die Ressourcenausstattung ist dabei genausowenig konstant wie die Problemwahrnehmungen und Zieldefinitionen. Jede Beschreibung »deutscher Macht« muß daher die reziproke Beziehung zwischen Problemdefinitionen, Zielbestimmung und Ressourcenverfügbarkeit im Auge behalten. Die sich aus deutschen Blickwinkeln ergebenden herausragenden Problemstellungen (oder »Herausforderungen«) und die entsprechenden Ziele (oder »Interessen«) sind bereits in den ersten drei Bänden dieser Buchreihe ausführlich diskutiert worden, 7 unterschiedlichste Facetten der Ressourcenausstattung stehen im Mittelpunkt dieses Bandes. Die nachfolgenden Ausführungen sind vor diesem Hintergrund vor allem als der Versuch zu verstehen, diese Ergebnisse systematisch unter dem Blickwinkel einer Analyse deutscher Macht zusammenzutragen. Dabei sollen jeweils in einem ersten Schritt deutsche Problembeschreibungen und Ziele mit den Problembeschreibungen und Zielen anderer gewichtiger Akteure daraufhin miteinander verglichen werden, inwiefern sich hier Ubereinstimmungen bzw. Diskrepanzen ergeben. In einem zweiten Schritt soll jeweils gefragt werden, über welche Ressourcen Deutschland verfügt, um die jeweiligen Ziele zu erreichen. Die Zusammenhänge, die damit hergestellt werden, sind deshalb bedeutsam, weil nur so eine angemessene Bestimmung deutscher Macht - also der deutschen Fähigkeit, Ziele zu verwirklichen - vorgenommen werden kann.8 Eine abschließende Vorbemerkung zum Akteurskonzept. Wenn hier von »Deutschlands« Fähigkeit die Rede ist, bestimmte Ziele zu verwirklichen, dann soll damit weder suggeriert werden, daß die gesellschaftlichen außenpolitischen Interessen einheitlich sind, noch soll geleugnet werden, daß neben jenen Bundesorganen, denen laut Art. 32 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die »Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten« obliegt, eine Vielzahl von Individuen und gesellschaftlichen Gruppen außenpolitisch agiert.9 Das Kürzel »Deutschland« steht hier - aus Platzgründen stark vereinfachend für eine Bündelung von gesellschaftlichen Akteuren und Interessen, die, je nach Problemstellung, ganz unterschiedlich ausfallen kann. Daß angesichts der verfassungsrechtlichen Aufteilung der Kompetenzen und der Konzentration außenpolitischer Expertise innerhalb der Exekutive die jeweilige Bundesregierung in prominenter Weise in das Kürzel »Deutschland« einfließt, dürfte wenig überraschend erscheinen.10 Es 7 Vgl. Kaiser! Maull, a.a.O. (Anm. 1); Karl Kaiser/Hanns W. Mnull (Hrsg.), Deutschlands neue Außenpolitik, Band 2: Herausforderungen, München 1995; Karl ^ « e r / J o a c h i m Krause (Hrsg.), Deutschlands neue Außenpolitik, Band 3: Interessen und Strategien, München 1996. 8 Wenn sich beispielsweise die Problembeschreibungen und Ziele Deutschlands stark von denen anderer gewichtiger Akteure unterscheiden würden, wäre - ceteris paribus - davon auszugehen, daß erheblich mehr Ressourcen aufzuwenden sind, u m deutsche Ziele zu erreichen, als wenn eine große Ubereinstimmung vorhanden ist. 9 Vgl. hierzu die Beiträge von Sebastian Bartsch, Karl Kaiser und Markus Mildenberger, Christian Holst, Frank Brettschneider sowie Jürgen Hartmann in diesem Band. 10 Vgl. hierzu die Beiträge von Judith Siwert-Probst, Lisette Andreae und Karl Kaiser, Hans-Friedrich von Ploetz, Joachim Krause sowie Michèle Knodt in diesem Band.

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wäre allerdings verfehlt, »deutsche« Interessen auf das zu reduzieren, was die jeweilige Bundesregierung will, denn deren Handeln muß immer vor dem Hintergrund gesamtgesellschaftlicher Legitimierung und innerstaatlicher Ressourcenausstattung gesehen werden. Im folgenden sollen beispielhaft einige jener außenpolitischen Probleme erörtert werden, die entweder - aus einem speziell deutschen Blickwinkel - besonders herausragend oder - aus einer globalen Perspektive - besonders typisch erscheinen. Dadurch sollte es am ehesten möglich sein, die unterschiedlichsten Probleme, mit denen sich ein Staat wie Deutschland am Ende des 20. Jahrhunderts konfrontiert sieht, in den Blick zu bekommen. Betrachtet man den innergesellschaftlichen und den internationalen Diskurs über die herausragenden außenpolitischen bzw. internationalen Herausforderungen, erscheinen die folgenden zwei Bereiche am ehesten geeignet, einen Uberblick über Deutschlands Macht zu bekommen: (a) deutsche Politik gegenüber Ost- und Westeuropa sowie (b) Gestaltungsmöglichkeiten deutscher Außenpolitik im Blick auf einige der großen globalen Herausforderungen der Gegenwart.

STABILISIERUNG DES REGIONALEN UMFELDS

Innerhalb des innergesellschaftlichen Diskurses besteht ein sehr weitgehender Konsens, daß die Stabilisierung des unmittelbaren regionalen Umfelds die zentrale Herausforderung deutscher Außenpolitik darstellt.11 Die östlichen Nachbarstaaten erscheinen dabei insofern als neues Handlungsfeld, als hier sowohl neue Gestaltungschancen als auch Handlungsdruck gesehen wird. Konsens besteht auch dahingehend, daß diese Chancen nur im Kontext und mit Hilfe der bestehenden, weitgehend »westlichen« Institutionen verwirklicht werden können. Da diese Institutionen aber unter anderen historischen Bedingungen entstanden und gewachsen sind, erscheine» grundlegende Anpassungen erforderlich, um ihre Leistungsfähigkeit sicherzustellen, wenn sie neue Mitglieder verkraften sollen. Die Stabilisierung des östlichen Umfelds bedingt insofern institutionelle Reformen im Westen.

11 Vgl. Michael Stürmer, Deutsche Interessen, in: Kaiser/Manli, a.a.O. (Anm. 1), S. 39-61, hier S. 44f.; HansPeter Schwarz, Das deutsche Dilemma, in: ebd., S. 81-97, hier S. 94-97; Helga Haftendom, Gulliver in der Mitte Europas. Internationale Verflechtung und nationale Handlungsmöglichkeiten, in: ebd., S. 129-152, hier S. 140-143; Roland Freudenstein, Die neuen Demokratien in Ostmitteleuropa und die Europäische Union, in: Kaiserl Maul!, a.a.O. (Anm. 7), S. 103-119, hier S. 117-119; Alexander Rahr, Rußland in Europa, in: ebd., S. 121-136, hier S. 135f.; Steffen Angenendt, Migration: Herausforderung deutscher und europäischer Politik, in: ebd., S. 175-199, hier S. 180-186; Hans-Georg Wieck, Transnationale Gefährdungen der internationalen Sicherheit, in: ebd., S. 225-237, hier S. 233-235; Josef Janning, Deutschland und die Europäische Union: Integration und Erweiterung, in: Kaiserl Krause, a.a.O. (Anm. 7), S. 31-54, hier S. 34-37; Heinrich Vogel, Osteuropa - Ein Schwerpunkt deutscher Außenpolitik, in: ebd., S. 169-174; Hans Neusei, Internationale Kriminalität, in: ebd., S. 259-266, hier S. 265f.

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Einbindung der östlichen Nachbarn und Anbindung

Rußlands

Die in den nächsten Monaten und Jahren anstehenden Erweiterungen von Nordatlantikpakt ( N A T O ) und Europäischer Union (EU) bei gleichzeitiger Anbindung Rußlands an westliche Institutionen im Rahmen des NATO-Rußland-Rates und des Partnerschaftsabkommens mit der E U stellt für die Bundesregierung und angesichts des breiten innergesellschaftlichen Konsenses hinsichtlich dieser Politik für Deutschland insgesamt einen beträchtlichen Erfolg dar, entspricht dieses Ergebnis doch weitestgehend deutschen Zielen, wie sie in den Jahren nach der Vereinigung formuliert wurden. Die zentrale Herausforderung bestand dabei aus deutscher Sicht darin, daß ein instabiles, weil freischwebendes »Zwischeneuropa« an der östlichen Grenze Deutschlands verhindert und zugleich Ausgrenzungsängsten Rußlands begegnet und westliche Befürchtungen zerstreut werden mußten, daß Deutschland eine Vormachtstellung in Mitteleuropa anstreben und auf Kosten anderer ausnutzen würde. Daß dies weitestgehend gelang, hing vor allem damit zusammen, daß sich die Problembeschreibungen und Zielsetzungen der Deutschen und anderer wichtiger Akteure im Laufe der letzten Jahre zunehmend annäherten. Die Bundesregierung verstand es dabei, immaterielle und materielle Machtressourcen so einzusetzen, daß anfängliche Vorbehalte oder gar Widerstände gegenüber deutschen Präferenzen mit der Zeit entweder aufgegeben oder doch zumindest abgemildert wurden. Drei immaterielle Machtressourcen waren dabei von besonderer Bedeutung. Die wahrscheinlich wichtigste immaterielle Ressource, die Deutschland im Prozeß der NATO-Erweiterung zur Uberwindung russischer Widerstände einsetzen konnte, war das Vertrauenskapital, das die deutsche Außenpolitik in den vergangenen drei Jahrzehnten bei den verschiedenen Moskauer Führungen angesammelt hatte. Deutschland gilt nach wie vor - und trotz der Tatsache, daß es als Vorreiter der unerwünschten Erweiterung der N A T O angesehen wird - als verläßlicher Partner, ja sogar als »Anwalt russischer Interessen« gegenüber anderen westlichen Staaten bzw. in westlichen Institutionen. 12 Daß dieses Vertrauenskapital bislang auch ohne Vertrauensverluste bei Deutschlands westlichen Partnern gewahrt oder sogar vermehrt werden konnte, ist eine der herausragenden Leistungen deutscher Außenpolitik seit der Vereinigung. Eine zweite immaterielle Machtressource, die für die deutsche Außenpolitik in diesem Zusammenhang von unschätzbarem Wert war, liegt in ihrem instinktiven Multilateralismus, 13 der bei aller pragmatischer Ausrichtung nach den größeren

12 Vgl. Andrei Zagorski, Rußlands Erwartungen an Deutschland, in: APuZ, Nr. Β 1-2/97, 3.1.1997, S. 46-53, hier S. 51f. Als »natürlicher Anwalt« ihrer Interessen wird Deutschland auch von zahlreichen mittelosteuropäischen Staaten reklamiert. Vgl. Krzysztof Skubiszewski, Deutschland: Anwalt Mitteleuropas. Eine polnische Sicht der deutschen Europa-Politik, in: IP, 2/1997, S. 29-33. 13 Zur übereinstimmenden Einschätzung der Bedeutung des Multilateralismus als einer wesentlichen Grundlinie bisheriger deutscher Außenpolitik vgl. Werner Link, Die außenpolitische Staatsraison der Bundesrepublik Deutschland, in: Manfred Funke et al. (Hrsg.), Demokratie und Diktatur. Geist und Gestalt politischer Herrschaft in Deutschland und Europa, Bonn 1987, S. 400-416; Klaus Dieter Wolf, Das

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SCHLUSSBETRACHTUNG

M a c h t z e n t r e n a u c h die I n t e r e s s e n d e r k l e i n e r e n S t a a t e n i m A u g e b e h ä l t . 1 4 D i e alte b u n d e s r e p u b l i k a n i s c h e P r a x i s , bei k o n k r e t e n p o l i t i s c h e n I n i t i a t i v e n z u e r s t w i c h t i g e P a r t n e r z u sondieren statt solche Initiativen m i t B l i c k auf internationalen Prestigegew i n n o h n e v o r h e r i g e K o n s u l t a t i o n z u l a n c i e r e n , stellt d a b e i n i c h t n u r eine w i c h t i g e vertrauensbildende M a ß n a h m e dar, sondern schafft a u c h Handlungsspielräume, Rückzugsmöglichkeiten

o h n e G e s i c h t s v e r l u s t o f f e n lassen. I m

Falle der

die

NATO-

O s t e r w e i t e r u n g ist z w a r d e r B u n d e s v e r t e i d i g u n g s m i n i s t e r als e r s t e r m i t k o n k r e t e n F o r d e r u n g e n a n die Ö f f e n t l i c h k e i t g e t r e t e n , die n a c h f o l g e n d e n V e r h a n d l u n g e n i n n e r halb der N A T O

w a r e n allerdings d u r c h e n g s t e A b s t i m m u n g z w i s c h e n B o n n

und

W a s h i n g t o n g e k e n n z e i c h n e t , w o b e i d i e B u n d e s r e g i e r u n g n a c h a u ß e n hin z u m e i s t d e r U S - A d m i n i s t r a t i o n die I n i t i a t i v e ü b e r l i e ß . 1 5 D r i t t e n s s c h l i e ß l i c h ist die B e d e u t u n g d e r i n n e r g e s e l l s c h a f t l i c h e n A b s i c h e r u n g d e u t s c h e r O s t p o l i t i k als M a c h t r e s s o u r c e n i c h t z u u n t e r s c h ä t z e n . Z w a r sind i n n e r h a l b d e r a u ß e n p o l i t i s c h e n E l i t e v o r allem i m H i n b l i c k a u f die E r w e i t e r u n g d e r N A T O g e w i s s e Differenzen nicht zu übersehen,16 aber im Vergleich etwa zu den innenpolitischen A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n u m die W i e d e r b e w a f f n u n g in d e n f ü n f z i g e r J a h r e n o d e r u m die O s t p o l i t i k A n f a n g d e r s i e b z i g e r J a h r e ü b e r w i e g t d o c h ein b e t r ä c h t l i c h e r K o n s e n s ü b e r das Z i e l - die E i n b i n d u n g u n s e r e r N a c h b a r n und

die A n b i n d u n g

Rußlands.17

H i n z u k o m m t , d a ß in d e r b r e i t e n Ö f f e n t l i c h k e i t z u d i e s e n F r a g e n k e i n e d e z i d i e r t e n

14

15

16

17

neue Deutschland - eine »Weltmacht«?, in: Leviathan, Nr. 2,1991, S. 247-260, hier S. 250-253; Hans-Peter Schwarz, Wandel und Kontinuität der deutschen Außenpolitik, in: Auswärtiges Amt (Hrsg.), 125 Jahre Auswärtiges Amt. Festschrift, Bonn 1995, S. 17-32, hier S. 21-24. Zur grundlegenden Diskussion dieser und ähnlicher immaterieller Machtressourcen vgl. auch die Diskussion über »soft power« bei Nye, a.a.O. (Anm.6), S. 188-201. Das erste Dreier-Gipfeltreffen zwischen Boris Jelzin, Jacques Chirac und Helmut Kohl im März 1998 in Moskau stellt vor diesem Hintergrund ein Novum dar, das nicht nur in Washington, sondern auch bei den kleineren europäischen Staaten recht zurückhaltend aufgenommen wurde. Vgl. Christiane Hoffmann, Das Treffen im ehemaligen Erholungsheim des sowjetischen Ministerrats umweht ein Hauch des Gestrigen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 27.3.1998. Vgl. Volker Rühe, Shaping Euro-Atlantic Policies: A Grand Strategy for a New Era, in: Survival, Nr. 2, Sommer 1993, S. 129-137, hier S. 135. Zu den Bonner und Washingtoner Entscheidungsprozessen vgl. Stephen F. Szaho, Ein Projekt »Made in Germany«. Was Rühes strategischer Logik entsprang, hat die Unterstützung der Regierung Clinton gefunden, in: FAZ, 24.7.1997; Reinhard Wolf, The Doubtful Mover: Germany and N A T O Expansion, in: David Haglund (Hrsg), Will NATO Go East? The Debate Over Enlarging the Atlantic Alliance, Kingston 1996, S. 197-224; Karl-Heinz Kamp/Peter Weilemann, Germany and the Enlargement of NATO (Center for Strategic and International Studies, CSIS Occasional Papers in European Studies), Washington, DC, September 1997; James N. Goldgeier, NATO Expansion: The Anatomy of a Decision, in: The Washington Quarterly, Nr. 1, Winter 1998, S. 85-102. Vgl. Hellmann, Goodbye Bismarck, a.a.O. (Anm. 5), S. 5-25 sowie zur besonderen Situation von Bündnis 90/Die Grünen Eckart Lohse, Die Grünen nun auch über Ost-Erweiterung der Nato zerstritten, in: FAZ, 25.3.1998. Vgl. die Bundestagsdebatte im Rahmen der Ratifizierung der NATO-Erweiterung, abgedruckt in: Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 13/224 vom 26.3.1998, sowie den diesbezüglichen Bericht von Karl Feldmeyer, Große Mehrheit im Bundestag für die Ost-Erweiterung der Nato, in: FAZ, 27.3.1998. Die Unterscheidung zwischen »Einbindung« (im Sinne voller Integration in westliche Institutionen) und »Anbindung« (im Sinne enger Kooperation mit westlichen Institutionen, allerdings ohne die Rechte, die mit einer Mitgliedschaft einhergehen) geht auf ein internes Strategiepapier des Planungsstabes im Auswärtigen Amt zurück. Vgl. Claus Gennrich, Von Moskau soll es abhängen, ob und inwieweit es sich selbst isoliert, in: FAZ, 8.4.1994.

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Präferenzen bestehen, sondern eher eine diffuse Grundstimmung vorherrscht, die der generellen Linie der Parteien folgt.18 So wichtig diese drei immateriellen Machtressourcen auch sein mögen, so nachdenklich stimmt die Tatsache, daß sie ausgesprochen zerbrechlich sind. Der gesellschaftliche Grundkonsens ist nicht zuletzt deshalb gegeben, weil es angesichts einer insgesamt sehr günstigen Entwicklung im östlichen Umfeld derzeit kaum Anlaß für die öffentliche Thematisierung heikler (wenn auch hypothetischer) Entscheidungen gibt. Ob er Bestand hätte, wenn es zu krisenhaften Zuspitzungen in Osteuropa käme oder gar die Frage aufgeworfen würde, ob deutsche Soldaten einem bedrohten neuen NATO-Verbündeten im Osten tatsächlich beistehen sollten, läßt sich aufgrund der Erfahrungen mit solchen Problemen in der Vergangenheit (Stichwort Golfkrieg) und aufgrund von Umfragedaten zumindest bezweifeln.19 Auch das außenpolitische Vertrauenskapital kann schnell verfallen. Wenige Ungeschicklichkeiten können genügen, es dahinschwinden zu lassen, zumal die Hypotheken der deutschen Geschichte keinesfalls abgetragen sind. Über die Reizworte »Sonderweg«, »Großmachtstreben« oder das vermeintlich »Typische« an »den Deutschen«20 geben sie nach wie vor maßgebliche Referenzpunkte ab für die Beurteilung deutscher Außenpolitik - und damit auch für die Empfänglichkeit anderer Staaten gegenüber deutschen Zielsetzungen. Vor diesem Hintergrund ist auch die bloße Möglichkeit, daß Deutschland seine westlichen Bindungen lockern und (wieder) verstärkt eigene Wege gehen könnte, als eine Machtressource zu werten.21 Nach allen Erfahrungen ist allerdings davon auszugehen, daß sie in dem Maße sehr schnell ihren Wert verlieren und geradezu zu einer neuen Hypothek werden würde, wie aus einer bloßen Möglichkeit eine neue Realität erwüchse. Insofern trifft es sicherlich zu, daß die außenpolitische Reputation Deutschlands, die sich wesentlich speist aus der gegenwärtigen Wahrnehmung des 18 Vgl. hierzu auch den Beitrag von Christian Holst in diesem Band. 19 Im Jahr 1995 sprachen sich in einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach 33 % der befragten Deutschen in Ost und West grundsätzlich für die Aufnahme Polens, Ungarns oder der Tschechischen Republik in die N A T O aus (25 % waren dagegen, 42 % waren unentschieden). Diese Unterstützung kehrte sich allerdings in ihr Gegenteil, als ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, daß damit für die Deutschen die Pflicht einherginge, diese Staaten im Ernstfall zu verteidigen. Unter dieser Bedingung waren nur noch 27 % für eine Ν ATO-Erweiterung, während sich 41 % dagegen aussprachen und 32 % sich unentschieden erklärten. Vgl. Renate Köcher, Unerwartete Wende, in: FAZ, 14.6.1995. 20 Vgl. Dominic Lawson, Saying the Unsayable about the Germans (Interview mit Nicholas Ridley), in: The Spectator, 14.7.1990, S. 8-10; »Wer sind die Deutschen?« (Protokoll eines Treffens zwischen der britischen Premierministerin Margaret Thatcher sowie den Deutschland-Experten Hugh Trevor Roper, Norman Stone, Timothy Garton Ash, Gordon Craig und Fritz Stern am 24.3.1990), in: Der Spiegel, Nr. 29, 1990, S. 109-112. Eine weniger pointierte, aber mit zahlreichen besorgten Stimmen über die deutschen Ambitionen in ihrem osteuropäischen »Hinterhof« aufwartende Analyse einer vermeintlichen »dramatischen Neubewertung der deutschen strategischen Interessen« liefert William Drozdiak, Eastern Europe Holds New Allure for Germany, in: Washington Post, 21.7.1997. 21 Vgl. hierzu das sogenannte »Kerneuropa-Papier« der CDU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Schäuble und Karl Lamers, das zurecht als ausgesprochen integrationsfreundlich interpretiert wurde, in dem sich aber auch - gleichsam als indirekte Drohung - gewisse Formulierungen finden, die für den Fall mit unilateralem deutschen Vorgehen drohen, daß es nicht zur weiteren Vertiefung der europäischen Integration kommen sollte: Überlegungen zur europäischen Politik. Positionspapier der CDU/CSUBundestagsfraktion vom 1.9.1994, abgedruckt in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 10, 1994, S. 1271-1280.

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verläßlichen, weiterhin auf Multilateralismus setzenden Partners, noch dadurch an Gewicht als Machtressource gewinnt, daß sie in besonders scharfem Kontrast steht zu jenen historischen Erfahrungen mit deutscher Außenpolitik vor 1945, die den meisten Partnern immer noch als Hintergrundfolie ihrer Einschätzung Deutschlands dienen. 22 In den bisherigen Ausführungen wurde hervorgehoben, in welch hohem Maße der Erfolg oder Mißerfolg deutscher Bemühungen, das regionale Umfeld in Osteuropa zu stabilisieren, von immateriellen Faktoren abhängt. Vertrauen kann jedoch durch Worte allein nicht geschaffen werden, und auch der multilaterale Instinkt eröffnet für sich genommen - wie ein kurzer Blick auf den luxemburgischen Nachbarn zeigt - noch keine Einflußmöglichkeiten. Immaterielle Machtressourcen müssen materiell untermauert werden. Auch in dieser Hinsicht kann deutsche Außenpolitik derzeit ein beträchtliches Gewicht in die Schale werfen, um auf die Politik sowohl seiner östlichen Nachbarn als auch seiner westlichen Partner Einfluß zu nehmen. Zum einen läßt sich beispielsweise von russischer Seite aus dem auch nach den Mittelkürzungen der letzten Jahre nicht unbeträchtlichen, aber rein konventionellen militärischen Potential Deutschlands selbst dann nur schwerlich eine Quelle der Bedrohung konstruieren, wenn man den Deutschen die übelsten Motive unterstellen würde. Dagegen spricht nicht nur, daß einer militärischen Aggression Deutschlands beträchtliche verfassungsrechtliche und innenpolitische Hindernisse entgegenstünden, sondern auch die Tatsache, daß die deutschen Streitkräfte nach wie vor zu jenen gehören, die am stärksten in die wechselseitigen Kontrollmechanismen der N A T O eingebunden sind. Insofern ist eine der potentiell wichtigsten materiellen Quellen zwischenstaatlichen Mißtrauens als Machtressource im Verhältnis zu den Nachbarn Deutschlands weitgehend bedeutungslos geworden, während sie als durchaus vertrauenschaffende und einflußvergrößernde Ressource innerhalb der N A T O - wie beispielsweise die Teilnahme der Bundeswehr an der multinationalen Friedenssicherung auf dem Balkan zeigt - deutlich an Bedeutung gewonnen hat. Zum anderen läßt sich aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen, daß sich das ökonomische Engagement Deutschlands in Osteuropa eher positiv als negativ ausgewirkt hat. In Ost und West geäußerte Befürchtungen, die Deutschen könnten ihre unangefochtene Spitzenposition als Geldgeber, Handelspartner und Investor in Osteuropa in eine ökonomische Hegemonie ummünzen, lassen sich weder mit Zahlen noch mit Verweisen auf bestimmte Verhaltensweisen der Deutschen erhärten. 23 Trotzdem ist nicht zu bestreiten, daß dieses ökonomische Potential eine wichtige Machtressource für Deutschland darstellt. Zwar läßt es sich kaum zur Verwirklichung spezifischer Ziele instrumentalisieren, seine Bedeutung als wichtiges Rahmendatum für den Prozeß der

22 Vgl. hierzu etwa Jane Perlez, Blunt Reason for Enlarging NATO: Curbs on Germany, in: New York Times, 7.12.1997. Zur Bedeutung der Reputation eines Staates als Machtressource vgl. auch Klaus Knorr, National Power in an Economically Interdependent World, in: Kjell Goldmann/Gunnar Sjöstedt (Hrsg.), Power, Capabilities, Interdependence. Problems in the Study of International Influence, London/Beverly Hills 1979, S. 167-191, hier S. 168. Diesen Hinweis verdanke ich Sebastian Bartsch. 23 Vgl. Vogel, a.a.O. (Anm. 14), S. 172f.

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Formulierung einer gegenüber Deutschland grundsätzlich offenen und kooperationsbereiten Außenpolitik ist allerdings genausowenig zu verkennen. Bei allen Asymmetrien, die sich aufgrund einer bloßen Analyse ökonomischer Daten ergeben, sollte trotzdem nicht übersehen werden, daß insbesondere ökonomische Abhängigkeiten immer wechselseitig sind und sich insofern allen Beteiligten Einflußmöglichkeiten eröffnen - und sei es auch nur in der Form von Verweigerungs- oder Chaosmacht. Alles in allem hält Deutschland sicherlich einen Schlüssel zur Stabilisierung Osteuropas in der Hand. Dabei gereicht es ihm zum Vorteil, daß die eigene Problemwahrnehmung nicht nur in den wesentlichen Punkten von den meisten östlichen und westlichen Partnern geteilt wird, sondern bereits genauso wie die angebotenen Problemlösungen gemeinsam mit ihnen entwickelt wurden. Ein Kennzeichen der Art und Weise, wie das Problem drohender Instabilität definiert und mögliche Lösungen der Stabilisierung durch Einbindung und Anbindung diskutiert werden, ist darüber hinaus, daß selbst ein vergleichsweise mächtiger Staat auf eigene Faust nichts erreichen kann. Trotz der Tatsache, daß Deutschland - zumindest in den Augen der anderen aufgrund seiner geographischen Lage, seines ökonomischen Potentials, seiner Rolle als »Mitführungsmacht« 24 in EU und NATO und nicht zuletzt aufgrund seiner höchst ambivalenten jüngeren Geschichte stärker als je zuvor in den letzten 50 Jahren auf die Entwicklungen in Osteuropa Einfluß nehmen kann, bleibt auch ein solcher Schlüsselstaat wesentlich auf multilaterale Koordinierung angewiesen.

Die Reform »westlicher«

Institutionen

Die Stabilisierung des östlichen Umfelds bedingt Veränderungen in westlichen Institutionen. In der weitgehend konsensualen Problemwahrnehmung deutscher Außenpolitiker müssen vor allem die beiden westlichen Kerninstitutionen EU und NATO reformiert werden, damit sie einerseits ohne Effizienz- und Effektivitätsverluste neue Mitglieder aufnehmen können und andererseits für jene Staaten, die nicht aufgenommen werden, dennoch als stabilisierende Elemente einer gesamteuropäischen Friedens- und Sicherheitsordnung erscheinen. Letzteres beinhaltet daher auch gewisse Innovationen in jenen Politikbereichen, in denen entweder bereits seit längerem Institutionen bestehen, die über die Mitgliedschaften von EU und NATO hinausreichen - etwa die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und die Gruppe der sieben größten Industrienationen (G-7) - , oder aber institutionelle Mechanismen vorhanden sind, die bereits im Vorgriff auf die Erweiterungen von EU und NATO geschaffen wurden - z.B. Assoziations- und Partnerschaftsabkommen der EU, Nordatlantischer Kooperationsrat (NACC) und NATO-Partnerschaft für den Frieden. Wie die institutionelle Effektivität und Effizienz der EU unter den veränderten Bedingungen sichergestellt werden kann, ist sowohl innenpolitisch als auch im Verhältnis zu den westlichen Partnern stärker umstritten als die Frage, wie das osteuropäische 24

Haftendom, a.a.O.

(Anm. 11), S. 150.

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SCHLUSSBETRACHTUNG

Umfeld zu stabilisieren sei. Vor allem im Hinblick auf die zukünftige Gestaltung des EU-Integrationsprojekts werden immer häufiger Fragen aufgeworfen, die deutlich stärkere gesellschaftliche Reaktionen hervorrufen: zum einen weil sich zahlreiche gesellschaftliche Gruppen viel unmittelbarer in ihren Interessen tangiert sehen, als dies etwa bei der Frage der NATO-Osterweiterung der Fall ist; zum anderen weil der Bund durch ein schwer überschaubares Netz von teils verfassungsrechtlich verbrieften, teils gewohnheitsrechtlich erworbenen Mitspracherechten mittlerweile in seiner zentralen Gestaltungskompetenz wesentlich eingeschränkt ist.25 Strittig ist bei alledem weniger, daß die deutsche EU-Mitgliedschaft nach wie vor »eine gute Sache« ist, die beträchtlichen Nutzen abwirft, oder daß Deutschland an seiner grundsätzlichen Bereitschaft zur Übertragung nationalstaatlicher Kompetenzen auf die EU-Ebene festhalten soll.26 Kontrovers wird vielmehr über die Frage diskutiert, welche materiellen und immateriellen Zugeständnisse Deutschland machen soll, um Projekte wie die Währungsunion oder die Osterweiterung der E U zu verwirklichen. Bedenkt man des weiteren, daß nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern auch zwischen den Deutschen und anderen gewichtigen EU-Mitgliedern zum Teil sehr grundsätzliche, aus unterschiedlichen Selbstverständnissen herrührende Interessendivergenzen bestehen, wird deutlich, um wieviel schwieriger es ist, in diesem Umfeld »deutsche« Macht zu beschreiben. Wenn man trotz der genannten innergesellschaftlichen Debatten aus Gründen der Vereinfachung einmal unterstellt, daß sich im Blick auf die wichtigsten Reformvorhaben bestimmte Mehrheitspositionen identifizieren lassen, so wären hier aus deutscher Sicht vor allem drei zu nennen: die Durchsetzung einer robusten Wirtschafts- und Währungsunion; die Osterweiterung der E U sowie - im Vorgriff darauf - die Reform der Agrar- und Strukturpolitik und der Finanzverfassung. 27 Bei all diesen Vorhaben formuliert die gegenwärtige Bundesregierung - mit weitgehender, wenn auch nicht vollständiger Unterstützung der größten Oppositionspartei - Grundsatzpositionen, die sich von anderen EU-Mitgliedern zum Teil deutlich unterscheiden. Für jedes ihrer

25 Vgl. hierzu die Beiträge von Lisette Andreae und Karl Kaiser, Werner Hoyer, Michèle Knodt sowie Jürgen Hartmann in diesem Band; ferner Simon Sx/mer/Charlie Jeffrey/William E. Paterson, Germany's European Diplomacy: Shaping the Regional Milieu (Centrum für angewandte Politikforschung, unveröffentlichtes Manuskript), München, Dezember 1996. 26 Diese seit Jahren durch »Eurobarometer« und andere Umfragen ermittelten Einstellungsmuster der breiten Öffentlichkeit sind insgesamt relativ stabil. Vgl. Hans Rattinger, Einstellungen zur europäischen Integration in der Bundesrepublik: Ein Kausalmodell, in: Zeitschrift für Internationale Beziehungen (ZIB), N r . 1, 1996, S. 45-78. In einer neueren Umfrage unter 475 hochrangigen deutschen Entscheidungsträgern findet sich ein noch deutlicheres Bild der Unterstützung. Jeweils 98 % der Befragten hielten die deutsche EU-Mitgliedschaft für eine »gute Sache«. Im internationalen Vergleich belegten damit die deutschen Entscheidungsträger den Spitzenplatz. Vgl. Eurobarometer. Top Decision Makers Survey, Summary Report, September 1996, S. 4f. 27 Zum Spektrum unterschiedlicher Ansichten vgl. neben fanning, a.a.O. (Anm. 11), S. 45-53 vor allem die Beiträge in Karl Kaiser/Hanns W Maull (Hrsg.), Die Zukunft der europäischen Integration: Folgerungen für die deutsche Politik (Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Arbeitspapiere zur Internationalen Politik, N r . 78), Bonn 1993; ferner Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Perspektiven t ü r Europa. Materialien zur Integrationsdebatte (lang Sc schlüssig 13/31), Bonn, Februar 1997.

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Reformanliegen finden die Deutschen Koalitionspartner. Die Tatsache, daß sich in der Problemwahrnehmung und Zielbestimmung eines jeden EU-Partners häufig divergierende Integrationsleitbilder, machtpolitische Kalküle und Besitzstandswahrungsinteressen vermengen, führt allerdings auch dazu, daß die deutsche Europapolitik mit ihren - im Vergleich zur NATO-Osterweiterung - viel klarer formulierten Präferenzen insgesamt auf deutlich stärkere und zudem stark divergierende Widerstände stößt und darüber hinaus bei der Mobilisierung von Unterstützung aufgrund innenpolitischer Zwänge und knapper Ressourcen weit weniger als früher auf finanzielle Kompensationen zurückgreifen kann, um solche Widerstände zu überwinden. Im Vergleich zwischen NATO-Osterweiterung und EU-Reform ergibt sich insofern ein scheinbar paradoxes Ergebnis: Gerade dort, wo den Deutschen von außen häufig eine Quasihegemonialposition zugeschrieben wird, erscheint ihre Macht in dem Maße stärker eingeschränkt, wie sie in einem schwer überschaubaren Geflecht divergierender Interessen und Koalitionsmöglichkeiten an einem ambitionierten Gestaltungswillen festhalten, dabei aber immer weniger jene Anreize bereitzustellen vermögen, die es in früheren Zeiten ermöglichten, widerstrebende Partner für die eigenen Projekte zu gewinnen. 28 Zwar vermag auch hier das Damoklesschwert einer drohender Renationalisierung die Bereitschaft einiger EU-Partner zu fördern, deutschen Vorstellungen entgegenzukommen, aber da dieses Risiko aufgrund der anhaltenden Integrationsbereitschaft der Deutschen derzeit (noch) begrenzt zu sein scheint und der potentielle materielle Schaden, den die Deutschen sich damit selbst zufügen würden, erheblich wäre, sind auch die Wirkungen dieser Machtressource begrenzt. Hinzu kommt, daß keineswegs sicher wäre, ob diese Ressource aktiv zur Durchsetzung deutscher Ziele genutzt werden könnte, da sich die Drohung, »allein und in der traditionellen Weise« 29 vorzugehen, durchaus auch kontraproduktiv auswirken kann. Vor diesem Hintergrund erscheint, alles in allem, eine der wichtigsten deutschen Machtressourcen nach wie vor darin zu bestehen, mit Gleichgesinnten Koalitionen zu schmieden und Widerstrebenden im Rahmen von »Gesamtpaketen« Angebote zu machen, die sie nicht ausschlagen können. Da innenpolitisch die Bereitstellung finanzieller Anreize selbst für Euroenthusiasten immer mehr an den parteiübergreifenden Appellen zur Reduzierung der deutschen »Nettozahlerrolle« scheitern, werden dabei allerdings entweder stärkere Abstriche an den eigenen Zielvorstellungen unvermeidlich sein oder aber mit größerer Härte spezifisch deutsche Ziele anzustreben sein. Für beides gibt es seit der Beendigung der Regierungskonferenz

28 Zu dem aus deutscher Sicht wahrscheinlich schwierigsten und kostspieligsten Projekt der EUOsterweiterung vgl. die Beiträge in Werner Weidenfeld (Hrsg.), Europa öffnen. Anforderungen an die Erweiterung, Gütersloh 1997; ferner Klaus-Dieter Frankenberger, Ein Sprung in eiskaltes Wasser. Die EU-Erweiterung ist die größte Herausforderung seit den fünfziger Jahren, in: FAZ, 27.11.1997; Gerhard Konow, Die Ost-Erweiterung - nichts als Wunschdenken?, in: Frankfurter Rundschau, 12.3.1997. 29 Überlegungen zur europäischen Politik, a.a.O. (Anm. 21), S. 1273.

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im Sommer 1997 vermehrte Anzeichen. 30 O b eine »entschiedenere« Durchsetzung deutscher Interessen, wie sie neuerdings selbst innerhalb der Regierungskoalition gefordert wird, 31 tatsächlich auch den gewünschten Erfolg zeitigen würde, läßt sich nicht zuletzt aufgrund der Entscheidungsmechanismen innerhalb der E U bezweifeln. Im übrigen zeigen zahlreiche Beispiele aus der jüngsten Zeit, daß auf Seiten der EU-Partner Deutschlands selbst bei vergleichsweise geringfügigen Streitfragen sehr schnell die alten Feindbilder des Pickelhauben-Deutschen ausgegraben werden. 32 Reputationsverluste könnten in diesem Sinne sehr schnell schwerer wiegen als mögliche materielle Erfolge. Im Vergleich zu den unterschiedlichen Reformvorhaben der E U nimmt sich die interne Reform der N A T O aus deutscher Sicht trotz fortbestehender Differenzen innerhalb der Allianz nicht nur deshalb vergleichsweise unspektakulär aus, weil sich die außenpolitischen Entscheidungsträger hier weniger exponiert haben. Wichtiger ist, daß innerhalb der Allianz ein größeres Maß an Ubereinstimmung über die grundlegenden Ziele besteht, als dies innerhalb der EU der Fall ist. Daß die europäische Komponente innerhalb der Allianz gestärkt und die Kommandostrukturen weiter »verschlankt« werden sollen, ist zwar im Detail - insbesondere zwischen den USA und Frankreich - weiterhin strittig, wird aber grundsätzlich genausowenig in Zweifel gezogen wie die Tatsache, daß im Zuge dieser Reformen auch die Fähigkeit des Bündnisses erhöht werden muß, den entscheidenden Handlungsrahmen für friedensbewahrende und friedensschaffende Operationen abzugeben, an denen auch Nichtmitglieder teilnehmen können. 33 Da diese Zielsetzungen auch innenpolitisch weitgehend unstrittig sind bzw. sich gesellschaftliche Widerstände, sofern vorhanden, nur schwer mobilisieren lassen und sich - nicht zuletzt aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - auch ein größerer gesellschaftlicher Konsens über 30 Vgl. die unterschiedlichen Kalkulationen bei Matthias Kruse, Die Netto-Beitragsdiskussion in der EU. Zahlen und Hintergründe (Konrad-Adenauer-Stiftung, Arbeitspapier), Sankt Augustin, Dezember 1997 sowie Peter Hort, Waigel besteht auf Entlastung für Deutschland, in: FAZ, 14.10.1997. Vgl. ferner die Aussage von Staatssekretär Hans-Friedrich von Ploetz, daß die deutsche Europa-Politik notwendigerweise »britischer« werde, in: Peter Hort, Die deutsche Europapolitik wird »britischer«. Bonn stellt das Integrationsmodell in Frage und orientiert sich mehr an Kosten und Nutzen, in: FAZ, 30.10.1997. 31 Vgl. Karl Feldmeyer, In der Koalition Streit über die Europa-Politik, in: FAZ, 1.4.1998. Diese Forderung deckt sich durchaus mit Einstellungen in der deutschen Bevölkerung. In einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach vom Spätsommer 1997 meinten 40 % der Befragten, daß es eines der wichtigsten Ziele deutscher Außenpolitik sei, »vor allem unsere eigenen deutschen Interessen durch(zu)setzen«, während nur 27 % der Auffassung zustimmten, daß wir »unsere wirtschaftliche und politische Stärke nicht zu sehr betonen, sondern uns stärker in ein gemeinsames Europa einfügen« sollten. Vgl. Renate Köcher, In der Provinz. Das Interesse der Bevölkerung an der Außenpolitik geht rasch zurück, in: FAZ, 10.9.1997. 32 Vgl. - u m nur wenige Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit zu nennen - Heinz-Joachim Fischer, Das »Teufelsfüßchen« am Werk. Feindseliges zwischen Italien und Deutschland, in: FAZ, 13.1.1998; Tobias Piller, Kohl glättet in Rom die antideutschen Wogen, in: FAZ, 22.1.1998; Ernst Levy, »Deutschland ist kriegssüchtig«. Umfrage bei holländischen Schülern, in: FAZ, 28.11.1997; Jürg Altwegg, Alte Klischees, neues Ressentiment, in: FAZ, 25.11.1997; Dirk Schümer, Bitterer Dornröschenkuß. Dänische Ängste vor dem großen Nachbarn im Süden, in: FAZ, 1.12.1997; ders., Römpömpöm genügt nicht. Europa ist Deutschland: Deshalb liebt Dänemark seine Grenze, in: FAZ, 19.9.1997. 33 Vgl. Joachim Krause, Kooperative Sicherheitspolitik: Strategische Ziele und Interessen, in: Kaiser/Krause, a.a.O. (Anm. 7), S. 77-96.

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die Voraussetzungen f ü r Einsätze der Bundeswehr herausgebildet hat, kann sich die Bundesregierung in diesen Fragen stärker als in der Vergangenheit als gleichberechtigtes Mitglied engagieren. 3 4 Ahnlich wie bei der Osterweiterung der N A T O gereicht es ihr hier z u m Vorteil, daß sie einerseits trotz beträchtlicher Einsparungen im Verteidigungshaushalt aufgrund der verfügbaren materiellen Ressourcen zu den wichtigsten Mitgliedern gerechnet wird 3 5 und andererseits Ziele verfolgt, die entweder einen bereits bestehenden Konsens in der Allianz abbilden oder aber in der Lage sind, Kompromißpositionen zu markieren, u m Konflikte zwischen anderen großen Mitgliedern zu überbrücken.

GLOBALE HERAUSFORDERUNGEN

Im Vergleich zur Analyse deutscher Macht hinsichtlich der Stabilisierung des regionalen U m f e l d s stellt sich eine machtpolitische Analyse der »globalen Herausforderungen« deshalb einfacher dar, weil die Probleme schwieriger sind und daher gleichsam qua definitionem - eine von nationalen Wahrnehmungsmustern

losge-

löste Problematisierung erzwingen. D i e lange Liste dieser Herausforderungen, die von Globalisierung und Fragmentierung 3 6 über U m w e l t 3 7 und Entwicklung 3 8 sowie Migration 3 9 und Proliferation 4 0 bis hin zu international organisierter Kriminalität 34 Allerdings sind der deutschen Öffentlichkeit bislang echte Bewährungsproben im Zusammenhang mit Bundeswehreinsätzen - etwa in der Form der Verwicklung deutscher Soldaten in Kampfhandlungen erspart geblieben. Ob der innenpolitische Konsens auch dann tragen würde, bleibt abzuwarten. Sicher scheint in jedem Fall, daß die politischen Kosten beträchtlich wären, wenn die Bundesrepublik sich in kritischen Situationen multilateralen Operationen der Verbündeten verweigern würde. Vgl. Winrich Kühne, Multinationale Friedensmissionen und nationale Interessen, in: Kaiser!Krause, a.a.O. (Anm. 7), S. 15-28. 35 Neben der geostrategischen Lage sind dafür insbesondere die absoluten Zahlen des deutschen Beitrags zur N A T O (Verteidigungsbudget, Stärke der Streitkräfte, Beiträge zur integrierten Verteidigung, Beteiligung an NATO-Operationen etc.) maßgebend. Interessanterweise hat sich allerdings trotz - oder gerade wegen - der Vereinigung der Anteil Deutschlands an den Gesamtverteidigungsausgaben aller NATO-Staaten (gemessen in konstanten Preisen und Wechselkursen von 1990) in den letzten Jahren stetig verringert. Betrug er noch 1985 bezogen auf die gesamte N A T O 13,3 % (bzw. 35,9 % bezogen auf alle europäischen Mitglieder der NATO), so stieg dieser Anteil bis 1990 zwar geringfügig auf 13,6 % (bzw. 36,7 %) an, verringerte sich allerdings bis 1995 auf 12,3 % (bzw. 31,8 %). Vgl. Verteidigungsausgaben der NATO-Länder 1975-1995, in: NATO-Brief.\ Nr. 1, 1996, S.31-33. 36 Vgl. Hanns W. Manli, Internationale Politik zwischen Integration und Zerfall, in: Kaiser!Manli, a.a.O. (Anm. 7), S. 1-22. 37 Vgl. Hans Joachim SchellnhuberfDeüei F. Sprinz, Umweltkrisen und internationale Sicherheit, in: Kaiser! Maull, a.a.O. (Anm. 7), S. 239-260; Eberhard Feess!Ulrich Steger, Umweltpolitik als außenpolitische und globale Gestaltungsaufgabe, in: Kaiser!Krause, a.a.O. (Anm. 7), S. 241-248. 38 Vgl. Gabriele Brenke, Entwicklung und Unterentwicklung. Trends und Herausforderungen, in: Kaiser!Maull, a.a.O. (Anm. 7), S. 43-59; Uwe Holtz, Entwicklungspolitik - Deutsche Interessen und Strategien, in: Kaiser!Krause, a.a.O. (Anm. 7), S. 221-230. 39 Vgl. Angenendt, a.a.O. (Anm. 11); ders., Nationale Interessen und außenpolitische Strategien in der deutschen Migrationspolitik, in: Kaiser!Krause, a.a.O. (Anm. 7), S. 231-240. 40 Vgl. Harald Müller, Rüstungs- und Zerstörungspotentiale als Herausforderung der internationalen Politik, in: Kaiser!Maull, a.a.O. (Anm. 7), S. 201-223; Erwin Höckel, Die Nichtverbreitungspolitik im außenpolitischen Interessengefüge des vereinten Deutschland, in: Kaiser/Krause, a.a.O. (Anm. 7), S. 249-258.

278

SCHLUSSBETRACHTUNG

und Terrorismus 41 reicht, weist dabei - weitgehend unabhängig davon, in welchen Kategorien sie im einzelnen beschrieben werden - einige grundlegende Gemeinsamkeiten auf: zum einen daß selbst die mächtigsten Staaten nicht in der Lage sind, sie auf eigene Faust zu bewältigen; zum anderen daß sie ganz allgemein weit über den Horizont staatlicher Lösungskompetenz hinausreichen, weil gesellschaftliche - häufig auch transnational organisierte - Akteure eine noch stärkere Rolle spielen, als dies etwa schon bei der europäischen Integration der Fall ist. Dies ist bereits in jenem Bereich deutlich sichtbar, in dem staatliche Akteure noch am ehesten argumentieren können, durch zwischenstaatliche Koordinierung in begrenztem Rahmen Problemlösungen bereitzustellen. In den großen internationalen Institutionen, die sich mit Handels-, Währungs- und Entwicklungsfragen befassen also in der Welthandelsorganisation ( W T O ) , im Internationalen Währungsfonds (IWF), in der Weltbank und in der G - 7 - , sind vor allem die großen Wirtschaftsmächte weiterhin darum bemüht, durch die selektive Koordinierung ihrer Politiken Einfluß auf die Weltwirtschaft zu nehmen. Immer fraglicher wird allerdings, inwieweit diese Abstimmungsprozesse der Eigendynamik globaler Märkte gegensteuern können. Selbst im Konzert mit anderen großen Staaten vermag auch eine »Weltwirtschaftsmacht« wie die Bundesrepublik hier immer weniger auszurichten. 42 Innerhalb eines solchen Rahmens immer stärker eingeschränkter Einflußmöglichkeiten spielt Deutschland allerdings nach wie vor neben den U S A und Japan eine bestimmende Rolle: als führende Welthandelsnation mit einer der stärksten Währungen der Welt, 43 als mit Abstand größter »Nettozahler« innerhalb der E U , 4 4 als einer der größten Beitragszahler im Rahmen der Vereinten Nationen ( U N ) 4 5 und ihrer Schwesterorganisationen Weltbank und I W F , als einer der wichtigsten Geldgeber in der bi41 Vgl. Wieck, a.a.O. (Anm. 11); Neusei, a.a.O. (Anm. 11). 42 Dies zeigt sich unter anderem auch darin, daß sich die zunehmend wichtiger werdende Unternehmenspolitik großer Konzerne immer weniger im nationalen Rahmen abspielt und insofern auch nationaler Einflußnahme entzieht. Vgl. hierzu den Beitrag von Jürgen Hartmann in diesem Band sowie Wolfgang H. Reinicke, The Inadequacy of the Nation-State in Managing Current Global Problems, in: ders. et al., Europe, North America, South America: The Nation-State and International Relations After the Cold War. Papers from the 1996 Atlantic Conference, Chicago 1997, S.8-55, hier S. 12-17. 43 Vgl. die handels- und währungspolitischen Indizes bei Kloten, a.a.O. (Anm. 1), S. 63-72; Reinhard Rode, Weltwirtschaft im Umbruch, in: Kaiser/Maull, a.a.O. (Anm. 7), S. 23-41, hier S. 24-32; Joachim Ragnitz, Deutschland und die Gestaltung der Weltwirtschaft, in: Kaiser/Krause, a.a.O. (Anm. 7), S. 63-76, hier S.64f. 44 Vgl. die in Anm. 30 angeführte Literatur sowie Janning, a.a.O. (Anm. 11), S. 47. 45 Vgl. Christian Tomuschat, Deutschland und die Vereinten Nationen, in: Kaiser/Krause, a.a.O. (Anm. 7), S. 97-106, hier S. 106. Nicht zuletzt aus der Tatsache, daß Deutschland als drittgrößter Beitragszahler einen größeren Beitrag leistet als vier der ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, hat das vereinte Deutschland den Ansprach auf einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat abgeleitet. Nach dem neuen Beitragsschlüssel für das Jahr 1998 entfällt auf Deutschland ein prozentualer Beitrag von 9,630 %, der deutlich höher liegt als die addierten Beiträge der ständigen Mitglieder Großbritannien (5,076 %), Rußland (2,873 % ) und China (0,901 %). Vgl. Beitragsschlüssel für den Haushalt der Vereinten Nationen 1998 bis 2000, in: Vereinte Nationen, Nr. 1, 1998, S. 21-24. Neben der japanischen Bewerbung erscheint die deutsche insofern auch am unstrittigsten. Vgl. jedoch Michael J. Inacker, Italiens verdeckte Eifersucht. Blockade gegen den deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat, in: IP, 2/1997, S. 59f. Zur Diskussion des Für und Wider einer ständigen Mitgliedschaft Deutschlands im UN-Sicherheitsrat vgl. Wolfgang Wagner, Der ständige Sitz im Sicherheitsrat. Wer braucht wen: Die Deutschen diesen Sitz? Der Sicherheitsrat die Deutschen?, in: EA, 19/1993, S. 533-540; Karl Kaiser, Die ständige Mitgliedschaft im Sicherheitsrat.

SCHLUSSBETRACHTUNG

279

und multilateralen Entwicklungszusammenarbeit 46 und bei den Transferleistungen für Osteuropa 47 , der unter anderem auch einen sehr hohen Anteil von Flüchtlingen aufnimmt. 48 All dies trägt sicherlich dazu bei, daß Deutschland seit der Vereinigung von außen als »mächtiger« wahrgenommen und nicht zuletzt deshalb auch von unterschiedlichsten Staaten als »Anwalt« reklamiert wird. Nicht selten wird es dabei allerdings in seinen Möglichkeiten überschätzt, weil unter anderem übersehen wird, daß deutsches Handeln in vielen Bereichen in zunehmendem Maße über die E U vermittelt ist und insofern beispielsweise von einer »nationalen« Außenwirtschafts-, Währungs- oder Entwicklungspolitik - und enstprechenden »nationalen« Gestaltungsmöglichkeiten - immer weniger die Rede sein kann. 49 Dies muß allerdings nicht bedeuten, daß deutsche Einflußmöglichkeiten dadurch geschmälert werden. Vielmehr sehen zahlreiche Befürworter einer Vertiefung der europäischen Integration gerade darin die Möglichkeit, die Gestaltungschancen deutscher Politik unter den Bedingungen der Globalisierung zu erhöhen. Damit nimmt allerdings auch die Selbstverpflichtung zu, innerhalb der E U tragfähige Kompromisse zu schließen und möglicherweise Abstriche an den eigenen Zielen hinzunehmen. Entscheidend bleibt in all jenen Fragen, die auf internationaler Ebene nur durch institutionalisierte Kooperationsformen zu regeln sind, daß Staaten bzw. ihre Repräsentanten in der Lage sind, konsens- oder mehrheitsfähige Problemlösungen zu entwickeln. Die Repräsentanten Deutschlands, die über Jahrzehnte hinweg teils aus Not, teils aufgrund freier Wahl in vielfältigen multilateralen und supranationalen Kontexten sozialisiert wurden, sind dafür sicherlich nicht schlechter gerüstet als die Mehrheit ihrer Verhandlungspartner aus anderen Staaten. Die für eine angemessene Problembearbeitung insgesamt zwar unzureichende, deshalb aber nicht weniger notwendige multilaterale Abstimmung gilt um so mehr

46

47

48

49

Ein berechtigtes Ziel der neuen deutschen Außenpolitik, in: ebd., S. 541-552; Volker Rittberger/Martin Magier, Reform des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und ständige Mitgliedschaft Deutschlands, in: Die Reform des UN-Sicherheitsrates - Ein ständiger Sitz für Deutschland? (Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen, Blaue Reihe, Nr. 70), Bonn 1997, S. 18-40. Vgl. Haitz, a.a.O. (Anm. 38), S. 223-225; ders., Bilanz der Entwicklungspolitik - Erfolge und Fehlschläge, in: Karl Äauer/Hans-Peter Schwarz (Hrsg.), Die neue Weltpolitik, Baden-Baden 1995, S. 403-417, hier S. 406-410. Holtz verweist zurecht auf den kontinuierlichen Rückgang der deutschen Nettoleistungen in der Entwicklungszusammenarbeit. Dieser Trend wurde allerdings nach Berechnungen der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Jahr 1996 gestoppt. Unter den großen Mitgliedstaaten der O E C D rangiert die staatliche Entwicklungshilfe Deutschlands in absoluten Zahlen mit 7,5 Mrd. US$ (oder 13,6% aller OECD-Staaten) nur hinter Japan und den USA und vor den ehemaligen Kolonialmächten Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien. Vgl. hierzu OECD, Official Development Assistance Flows in 1996, Internet, http://www.oecd.org/dac/xls/news0697.xls. Vgl. Freudenstein, a.a.O. (Anm. 11), S. 107-110, Vogel, a.a.O. (Anm. 11), S. 172f.; Jörg M. Winterberg, Westliche Unterstützung der Transformationsprozesse in Osteuropa (Konrad-Adenauer-Stiftung, Interne Studien und Berichte, Nr. 92), Sankt Augustin 1994, S. 11-15 u. 29-37. Vgl. Angenendt, Migration, a.a.O. (Anm. 11), S. 175f. u. 181-187; ders. Nationale Interessen, a.a.O. (Anm. 39); ferner zu den neuesten Zahlen: Millions want to come, in: The Economist, 4.4.1998, S. 29f. Nach diesen Berechnungen des Europarates und der O E C D hatte Deutschland in den Jahren 1992 bis 1995 trotz eines spürbaren Rückgangs Zuwanderungsraten, die teilweise sogar über jenen der USA und um ein Vielfaches über Vergleichszahlen der europäischen Nachbarn lagen. Vgl. hierzu auch den Beitrag von Horst-Dieter Westerhoff in diesem Band.

280

SCHLUSSBETRACHTUNG

für jene globalen Probleme, die sich gerade dadurch definieren, daß sie staatlichen Zugriffen entzogen werden sollen, bzw. bei denen es bestimmte Akteure bewußt darauf anlegen, staatliche Strukturen zu unterminieren. Flüchtlingen und Finanzmaklern kann trotz ihrer gemeinsamen Aversionen gegenüber staatlicher »Einmischung« immer noch ein gewisses Restinteresse an staatlicher oder zwischenstaatlicher Regulierung nicht abgesprochen werden. Dies gilt für international agierende Waffenschieber, Rauschgifthändler oder Terroristen weit weniger, da sie sich wesentlich dadurch definieren, an staatlichen oder auch zwischenstaatlichen Regeln vorbêi zu agieren. Insofern ist es auch wenig überraschend, daß hier - von einzelnen Staaten abgesehen, deren politische Eliten meinen, ideell oder materiell von solchen Aktivitäten zu profitieren - ein beträchtlicher zwischenstaatlicher Konsens besteht, der weit weniger als etwa in Weltwirtschaftsfragen auf bestimmte Gruppen von Staaten begrenzt ist. Differenzen ergeben sich daher auch weniger im Hinblick auf eine gemeinsame Problembeschreibung oder Zielformulierung als dahingehend, mit welchen Mitteln solcher Probleme am ehesten zu begegnen sei.50 Wie bereits angedeutet liegt es in der Natur dieser globalen Herausforderungen, daß einzelne Staaten für sich allein wenig ausrichten können. Durch innenpolitische Maßnahmen können sie bestenfalls versuchen, den Schaden für das eigene Land zu minimieren. An den Ursachen der jeweiligen Probleme ändert dies allerdings nichts. Auch nur annähernd wirksame Gegenmaßnahmen setzen internationale Koordination voraus, wobei diese Gegenmaßnahmen um so effektiver sind, je geschlossener die Staatengemeinschaft auftritt bzw. je eher sichergestellt ist, daß sich diejenigen Staaten beteiligen, die potentiellen Regelverletzern in glaubwürdiger Weise schmerzhafte Sanktionen androhen könnten. Aufgrund seiner ökonomischen Stärke ist Deutschland sicherlich zu dieser Kategorie von Staaten zu rechnen. Des weiteren dürfte auch hier der instinktive Multilateralismus alles in allem von Vorteil sein, zumal ein auf Ausgleich bedachtes Vorgehen oftmals schon allein deshalb erfolgreicher ist als der Versuch, die eigene Maximalposition durchzusetzen, weil die Empfindlichkeiten anderer Staaten in Rechnung gestellt werden. Ein wesentlicher Beitrag deutscher Außenpolitik könnte angesichts dessen gerade darin bestehen, möglichst viele Staaten in die Verflechtungssysteme der westlichen Welt und damit auch in die Praxis multilateraler Koordination zu »sozialisieren«. 51

50 Der seit mehreren Jahren andauernde Konflikt zwischen den USA und Deutschland über den Umgang mit Iran ist nur ein Beispiel dafür. 51 Vgl. Karl Kaiser, Die neue Weltpolitik: Folgerungen für Deutschlands Rolle, in: Kaiserl Schwarz, a.a.O. (Anm. 46), S. 497-511, hier S. 504-506; ferner Frank Schimmelfennig, Internationale Sozialisation neuer Staaten, in: ZIB, N r . 2, 1994, S. 335-355.

SCHLUSSBETRACHTUNG

281

D I E ZUKUNFT DER DEUTSCHEN AUSSENPOLITIK: VIER SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EIN RATSCHLAG BISMARCKS

1.

Wenn man sich abschließend doch noch auf die heikle Frage einließe, wie

groß »Deutschlands Macht« sei, ließe sich zusammenfassend vielleicht sagen, daß sie unter den gegebenen Umständen beträchtlich ist. Zu diesen »gegebenen Umständen« ist zum einen zu rechnen, daß die Gestaltungsmöglichkeiten deutscher Außenpolitik primär aufgrund der Veränderungen im internationalen Umfeld zugenommen haben, auch wenn sie immer stärker durch die Europäische Union vermittelt sind. Einige jener Restriktionen, die diese Gestaltungsmöglichkeiten in der Vergangenheit eingeschränkt hatten (z.B. die deutsche Teilung und die Vier-Mächte-Rechte), sind weggefallen, andere (z.B. die Verfügung über Massenvernichtungswaffen durch andere Staaten) stellen derzeit keine unmittelbare Bedrohung dar, obgleich sie mittelfristig, wie die jüngsten Entwicklungen in Indien und Pakistan zeigen, erhebliche Risiken bergen. Zum anderen gehört zu den »gegebenen Umständen«, daß sich der Gestaltungswille deutscher Außenpolitik nicht wesentlich von demjenigen seiner Nachbarn und wichtigen Partner unterscheidet und außerdem innenpolitisch wenig strittig ist. Diese beiden letzten Punkte können noch zugespitzt werden. 2.

Wenn es stimmt, daß es derzeit - vielleicht mit gewissen Abstrichen im Hin-

blick auf die zukünftige Entwicklung der Europäischen Union - kaum einen Bereich gibt, in dem sich deutsche Problemdefinitionen signifikant von den Problemdefinitionen wichtiger Partnerstaaten unterscheiden, und darüber hinaus im innergesellschaftlichen Diskurs über deutsche Außenpolitik nirgends argumentiert wird, daß es konkrete außenpolitische Probleme gebe, die unilaterales Vorgehen als ratsam oder gar als aussichtsreich erscheinen lassen, dann erweist sich multilaterale Abstimmung nicht nur weiterhin als unumgängliche Erfolgsbedingung deutscher Außenpolitik, sondern auch als aussichtsreichstes Erfolgsversprechen: sie ist und bleibt zur Verwirklichung deutscher Ziele nötig und möglich. 3.

Daß sich derzeit - alles in allem - ein beträchtlicher innergesellschaftlicher

Konsens konstatieren läßt, ist zu einem wesentlichen Teil der Tatsache geschuldet, daß es zum einen nur wenige internationale Probleme gibt, die innenpolitisches Aufsehen erregen, und zum anderen die inneren Probleme herausfordernder denn je erscheinen. Die spät einsetzende öffentliche Debatte über die Umsetzung der Wirtschafts- und Währungsunion sollte allerdings zu denken geben. Einige der wichtigsten außenpolitischen Entscheidungen der letzten Jahre sind ohne gründliche öffentliche Debatte getroffen worden. Dieser Vorwurf zielt allerdings nicht nur - und aufgrund der Rollenverteilung noch nicht einmal in erster Linie - auf diejenigen, die - wie die Bundesregierung - diese Entscheidungen getroffen haben, sondern vor allem auf jene, die - wie die Medien, die außenpolitischen Ideenagenturen und die Wissenschaft - diese Entscheidungen nicht zu einem öffentlichen Thema gemacht haben. 52 Das

52 Vgl. hierzu auch die Einleitung von Wolf-Dieter Eberwein Manfred Mols in diesem Band.

und Karl Kaiser sowie den Beitrag von

282

SCHLUSSBETRACHTUNG

kann sich - muß sich aber nicht - zu einem späteren Zeitpunkt rächen. Wie dem auch sei, es ist nicht zu sehen, daß deutsche Außenpolitik Schaden nähme, wenn sie innenpolitisch stärker zu einem Thema gemacht werden würde, denn eine frühzeitig initiierte und bewußt breit angelegte Debatte könnte wesentlich zur Abfederung möglicher negativer Langzeitfolgen beitragen. 4. Materielle und immaterielle Machtressourcen stehen in einem engen Beziehungsverhältnis, weisen aber deutliche Unterschiede auf. Viele Machtanalysen neigen dazu, die ersten überzubewerten und den Zusammenhang mit immateriellen Machtressourcen zu vernachlässigen. Gerade im Falle Deutschlands gilt aber, daß sich beides nicht trennen läßt. O b das ökonomische oder politische Gewicht Deutschlands die Verwirklichung deutscher Ziele - direkt oder indirekt - befördert, hängt nicht zuletzt davon ab, welche Motive den Deutschen unterstellt werden. Das in den letzten vierzig Jahren angesammelte außenpolitische Vertrauenskapital und der instinktive Multilateralismus deutscher Diplomatie sind unschätzbare - und häufig unterschätzte - immaterielle Machtressourcen. Im Vergleich zu den leichter meßbaren und sich auch nur langsam verändernden materiellen Machtressourcen sind sie aber auch viel diffuser und prekärer - und dies nicht nur weil sie schneller verfallen können, sondern auch deshalb, weil sie nicht losgelöst von den nachwirkenden Hypotheken prä-bundesrepublikanischer Machtpolitik betrachtet werden können. Insofern hat der Rat, den Otto von Bismarck seinen Nachfolgern vor genau 100 Jahren gegeben hat, nichts von seiner Aktualität verloren: »Mein ideales Ziel, nachdem wir unsre Einheit innerhalb der erreichbaren Grenzen zustande gebracht hatten, ist es stets gewesen, das Vertrauen nicht nur der mindermächtigen europäischen Staaten, sondern auch der großen Mächte zu erwerben, daß die deutsche Politik, nachdem sie die injuria temporum, die Zersplitterung der Nation, gutgemacht hat, friedliebend und gerecht sein will. U m dieses Vertrauen zu erzeugen, ist vor allen Dingen Ehrlichkeit, Offenheit und Versöhnlichkeit im Falle von Reibungen oder von untoward events nötig. Ich habe dieses Rezept nicht ohne Widerstreben meiner persönlichen Empfindungen befolgt ... und vermute, daß die Gelegenheiten, zur Anschauung zu bringen, daß wir befriedigt und friedliebend sind, auch in Z u k u n f t nicht ausbleiben werden.« 5 3

53 Otto von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. Vollständige Ausgabe der Bände 1 und 2 (von 1898) und 3 (von 1919), Stuttgart/Berlin 1929, S.544.

PERSONENREGISTER

Adenauer, Konrad 224

14, 89 f., 107, 206,

Bahr, Egon 16 Beckstein, Günther 164 Bismarck, Otto Fürst von 282 Bracher, Karl-Dietrich 258 Brandt, Willy 14, 16, 95 f., 141, 180, 259, 262 Brentano, Heinrich von 14, 33, 77, 79, 108 Brockdorff, Thilo Graf 213 Bush, George 262 Butros Ghali, Butros 217 Chirac, Jacques 77, 269 Clinton, William J. 262 Delors, Jacques

107

Erhard, Ludwig 95, 108

33, 67, 77, 79, 90,

Genscher, Hans-Dietrich 36, 95, 211,260 Gerstenmaier, Eugen 206 Grosser, Alfred 201 Hallstein, Walter 77 Heinemann, Gustav 96 Herzog, Roman 259 Heuss, Theodor 202 Hildebrand, Klaus 258 Hirsch-Weber, Wolfgang Hussein, Saddam 216 Jelzin, Boris

258

36, 269

Kaiser, Karl 202, 258 Kanther, Manfred 164 Kiesinger, Kurt-Georg 95 Kimura, Keizou 213 Kinkel, Klaus 36, 164, 173, 260 Kohl, Helmut 14-16, 18, 36, 40, 77, 90, 95, 123, 148, 174, 182, 187, 259, 269

Koschnick, Hans

207

Lahnstein, Manfred 207 Lamers, Karl 148, 174, 184, 271 Leisler Kiep, Walther 205 Lindenberg, Klaus 262 Meckel, Markus 210 Merkle, Hans L. X X Meyer-Landrut, Andreas 211 Möllemann, Jürgen W. 208 Netanjahu, Benjamin

207 f.

Picht, Robert 202 Pinochet, Augusto 194 Ploetz, Hans-Friedrich von

276

Rabin, Yitzhak 173 Rafsandschani, Hashemi 173 Reagan, Ronald 205, 234, 260 Richthofen, Hermann Freiherr von 203 Ruck, Christian 213 Schäuble, Wolfgang 148, 174, 271 Scharping, Rudolf 182 Schenk, Fritz 202 Schewardnadse, Eduard 211 Schmid, Carlo 202, 206 Schmidt, Helmut 14, 16, 95, 148, 259 Schwarz, Hans-Peter 258 Späth, Lothar 162 Spranger, Carl-Dieter 36 Strauß, Franz-Josef 179 Süssmuth, Rita 210 Teltschik, Horst

17

Velayati, Ali Akbar

173

Warburg, Eric 205 Weidenfeld, Werner 258 Weizsäcker, Richard von 260 Wieck, Hans-Georg 212 Wischnewski, Hans-Jürgen 208

SACHREGISTER *

A U S S E N P O L I T I K (allg.) Bedeutungswandel 2, 59, 63, 137, 143, 154, 165, 168 Demokratie u. 4, 8f., 64, 136, 172, 199, 216, 221, 225, 239 Diplomatie 9, 25, 31, 34, 43f., 60, 64f., 70, 72, 93, 151, 155-157, 159, 161, 163, 165,192f., 195, 211,215-217,251f., 256, 282 Innenpolitik u. 8, 10, 59, 61, 66, 97, 137f., 168, 172, 216 Macht/Machtressourcen 3, 8f., 196f., 217, 265-282 Transnationale Beziehungen 3, 8, 30, 43f., 60, 87, 180, 199, 214, 278

Bundesländer 24, 69, 107 Bundesministerien, andere 7, 19, 21, 2326, 31-37, 39-43, 46, 65, 68f., 90f., 107109, 113, 128, 187 Bundesnachrichtendienst 51, 53 Bundessicherheitsrat 19 Bundestag 22, 65, 68f„ 81, 173 EU-Institutionen 22, 33, 69, 79, 104, 110 Medien 25, 65 Mittlerorganisationen 202, 211 N G O s 65 Parteien 68f., 169, 178 Politikberatung 258-261 Politische Stiftungen 186-188, 193, 195 Verbände 65, 69, 129, 260

AUSWÄRTIGES AMT

ORGANISATION

BETEILIGUNG AN

Abteilungen 22f., 44, 69, 78f., 108, 124 Auslandsvertretungen 17, 20, 22-25, 27, 33,42, 64,66f., 69-73, 79, 93, 115f., 129, 136, 187, 193, 195 • Ständige Vertretung bei der E U 18, 42, 62, 71, 78f., 84, 108-110, 118, 132, 160, 241 Haushalt 61, 67f., 140 Kommunikation 70-72 Minister 15, 18-21, 23, 25, 28, 44, 46, 71, 79, 89f„ 108, 148, 169, 173, 260 Organisationsreform 22, 31, 61, 67 Personal 31, 33, 66-68, 72f. • Aus- und Fortbildung 7, 10, 25, 62f., 68, 72, 85f., 263 • Personal- u. Verwaltungsausgaben 67, 73f. • Personalaustausch 66, 68f., 86 Planungsstab 69, 258, 260, 270 Referate 22, 61, 71, 124 Staatsminister 18, 37, 42, 78f., 94, 112, 148

Außenpolitik 2f., 9, 13, 18, 20-22, 24-26, 28f., 31 f., 34, 36, 41-46, 61, 65, 67, 93, 117, 164, 177 • Ausländerpolitik 24, 36f., 41 • Entwicklungspolitik 35f., 39 • Europapolitik 18, 22f., 33, 37, 42, 64, 69, 77-81, 85, 93f., 104, 107-110, 112, 118f., 241 • Internationale Konferenzen u. Organisationen 32, 40, 44, 68f., 115f., 128 • Sicherheitspolitik 19, 23, 25f., 42, 53, 90f., 148 • Umweltpolitik 38, 40, 65, 123f., 127129 • Wirtschaftspolitik 22-24, 44, 65f., 104f., 115f., 129

BEZIEHUNGEN

ZU

Bundeskanzler 18, 21, 177 Bundeskanzleramt 16f., 19, 21, 25, 69, 91, 177

* Da dieses Register dem Inhalt des Buches gemäß vor allem die Verknüpfungen (i) zwischen Institutionen und (ii) zwischen Politikfeldern und Institutionen identifizieren soll, werden hier ausschließlich Politikfelder und Institutionen als Haupteinträge angeführt, ergänzt um die zusätzlichen Haupteinträge »Koordinierung« und »Deutschland«, wo Verfahren und Gremien der Politikabstimmung bzw. Spezialaspekte deutscher Politik - insbes. Außenpolitik - ausgewiesen werden.

286 BUNDESBANK 117, 120

SACHREGISTER

69, 105, 11 Of, 115-

BUNDESKANZLER Richtlinienkompetenz 13-15, 17, 21-23, 27f, 34, 39, 58, 77, 89, 95,106, 109, 113, 123, 241 BETEILIGUNG AN Außenpolitik 2, 10, 13-18, 21, 27, 31, 34, 44, 46, 77, 80, 89f, 113, 123, 177-179, 187 • Europapolitik 14,18, 22, 77f., 80, 106, 113, 119 • Sicherheitspolitik 19, 24, 89f. • Umweltpolitik 122-124 • Wirtschaftspolitik 44, 104, 117 BEZIEHUNGEN ZU Bundesländer 106 Bundesministerien 15f, 18, 21, 23, 40, 90, 123, 177 Bundesnachrichtendienst 90 Bundessicherheitsrat 19, 90 Bundestag 174, 177 EU-Institutionen 77, 113 Mittlerorganisationen 213 Parteien 14, 16, 169, 174-179, 187 Politikberatung 259 Politische Stiftungen 186f. BUNDESKANZLERAMT BETEILIGUNG AN Außenpolitik 9, 13f., 16f., 21, 27, 29, 41, 99, 117, 177 • Entwicklungspolitik 16 • Europapolitik 18, 22f„ 42, 77f, 108f, 113, 118 • Sicherheitspolitik 16, 19, 25, 89-91, 97-100 • Umweltpolitik 122f„ 125 • Wirtschaftspolitik 23, 106 BEZIEHUNGEN ZU Bundesländer 120 Bundesministerien 16-19, 21, 25, 69, 91, 104, 177 Bundesnachrichtendienst 42,47, 51 f., 56, 58 Bundesrat 126 Bundessicherheitsrat 16, 99 Bundestag 126 Medien 100 Politikberatung 257-259, 261 Politische Stiftungen 187, 193

Verbände 126 ORGANISATION Abteilungen 16f, 19, 78, 113, 125 Kanzleramtschef 23, 51, 57, 100, 102, 104, 120 Koordinator für die Geheimdienste 42, 51, 56 Personal 16f, 90 Referate 16, 23, 123, 125 Staatsminister 18, 42, 106, 109 BUNDESLÄNDER BETEILIGUNG AN Außenpolitik 9, 11, 61, 69, 92, 153-166, 179 • Ausländerpolitik 24, 161, 164 • Bildungspolitik 84, 154, 157, 161, 163f. • Entwicklungspolitik 161, 163, 166 • Europapolitik lOf, 62, 75f, 81, 83-85, 92, 106, 110, 118, 131, 133, 135, 149f, 153, 156-161, 165, 179, 244, 246 • Internationale Konferenzen u. Organisationen 76, 81, 84, 157f. • Kulturpolitik 84, 154, 157, 161, 164 • Regionale Zusammenarbeit 160-162, 164, 166 • Sicherheitspolitik 97f. • Umweltpolitik 123, 130, 135f, 161 • Wirtschaftspolitik 106f, 115, 123, 161-164 BEZIEHUNGEN ZU Bund/Bundesregierung 6, 48, 75f, 80f, 83-85, 92, 106f, 110, 130, 135, 153f., 156f, 159-165, 179 Bundeskanzler 106 Bundeskanzleramt 120 Bundesministerien 24, 69, 107, 115, 130 EU-Institutionen 84, 131, 135, 157-160 Politische Stiftungen 188, 261 ORGANISATION —> Bundesrat Länderarbeitsgemeinschaften 130 Länderbüros in Brüssel 62, 84, 135, 158161, 179 Landesregierungen 131, 159, 169 Landesvertretungen beim Bund 19, 159 Landtage 131, 159f. Ministerpräsidenten 107, 163, 166, 179 Minister 24, 83, 85,157,159f, 163f., 166, 179

287

SACHREGISTER

Personal • Aus- und Fortbildung 63, 76, 86 Ständige Vertragskommission der Länder 154 BUNDESMINISTERIEN BMA,... BETEILIGUNG AN Außenpolitik 2-4, 6, 9f„ 17, 20f., 23, 27, 29-46, 61, 69, 117 • Europapolitik 18, 21 f., 31, 33, 42f., 45, 61, 78f., 104f., 110, 112f., 118, 131, 240, 242 • Internationale Konferenzen u. Organisationen 21, 30, 32f., 40, 44f., 94, 128 • Sicherheitspolitik 3, 23, 89, 93, 95 • Umweltpolitik 123, 127 • Wirtschaftspolitik 23, 44f., 101, 103105, 109, 114f., 117f. BEZIEHUNGEN ZU Auswärtiges Amt 31-33, 36, 43 • Auslandsvertretungen 21, 33, 69, 78f., 110

Bundeskanzler 15, 23, 40 Bundeskanzleramt 16-18, 104 Bundesländer 130 Bundesnachrichtendienst 52 Bundesrat 102 Bundessicherheitsrat 90 Bundestag 145, 174, 184 EU-Institutionen 33, 79, 112 Parteien 148, 176f. Politikberatung 257, 259, 261, 263 Politische Stiftungen 185 Verbände 23, 103 ORGANISATION Abteilungen 31, 33, 37, 40f„ 102f„ 105, 127 Gemeinsame Geschäftsordnung 21, 32, 41, 102-104, 127 —» Koordinierung Minister 14, 19, 40, 45f„ 103, 117, 127, 174, 176f. Personal 17, 33, 67 • Aus- und Fortbildung 10, 62f„ 76, 86 • Personalaustausch 68f. Referate 30f„ 33, 40, 102f., 123, 126f. Staatssekretäre 18, 37, 40f., 51, 102f., 127, 168 BMA 29, 31, 38, 41f., 69 BMBau 29, 69, 123, 125

BMBF 23, 29, 33, 36, 45, 69, 123, 125, 129 BMF 33 BETEILIGUNG AN Außenpolitik 29, 37-39, 44, 69 • Entwicklungspolitik 38f., 187 • Europapolitik 38, 42, 79, l l l f . , 118f. • Internationale Konferenzen u. Organisationen 44f., 106, 116f. • Sicherheitspolitik 90 • Umweltpolitik 125, 128 • Wirtschaftspolitik 23, 38, 44f., 104106, 111, 116f. BEZIEHUNGEN ZU Bundesministerien, andere 38f., 69, 106, 187 EU-Institutionen l l l f . Politische Stiftungen 187 ORGANISATION Abteilungen 31, 125 Bundesinstitutionen • Zollkriminalamt 114 Minister 44f., 90, 105f., 112, 116f. Referate 125 Staatssekretär 111, 116 • »Sherpa« 44,93,117 BMFSFJ 29, 105 BMG

29,31,69

BMI BETEILIGUNG AN Außenpolitik 21, 29f., 69 • Ausländerpolitik 24, 36f., 41, 164 • Entwicklungspolitik 39 • Europapolitik 37, 43, 78f. • Sicherheitspolitik 36, 42, 53, 60, 90, 97 BEZIEHUNGEN ZU Bundesministerien, andere 24, 36f., 39, 41, 65, 69 Bundesnachrichtendienst 51, 53 ORGANISATION Bundesinstitutionen • Bundesakademie für öffentliche Verwaltung 63, 86 • Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge 164 • Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik 99 • Bundesamt für Verfassungsschutz 48, 52f.

288

SACHREGISTER

• Bundeskriminalamt 41, 69 • Fachhochschule des Bundes 86 Minister 90, 105 Personal • Personalaustausch 43 Staatssekretär 42, 78 BMJ 21, 29, 41 f., 69, 78f., 90, 105 BML 29, 69, 78f., 104,110,118,123,125, 128, 248 BMU BETEILIGUNG AN Außenpolitik 29, 69, 136 • Europapolitik 132 • Internationale Konferenzen u. Organisationen 126-128, 132 • Sicherheitspolitik 136 • Umweltpolitik 38, 40, 45, 65, 122124, 126-129 BEZIEHUNGEN ZU Bundeskanzler 123 Bundesländer 130 Bundesministerien, andere 24, 38,40, 69, 126-129 Bundessicherheitsrat 97, 136 Bundestag 130 EU-Institutionen 132 Unternehmen 45 Verbände 45, 126 ORGANISATION Abteilungen 33, 124, 126f. Bundesinstitutionen • Bundesamt für Naturschutz 126 • Bundesamt für Strahlenschutz 99 • Umweltbundesamt 126f. Minister 126f. Referate 33, 124, 126 Staatssekretär 42, 127f. BMV 29, 69, 123, 125 BMVg 228,233 BETEILIGUNG AN Außenpolitik 9, 13, 18, 24-26, 29, 61, 69, 270 • Sicherheitspolitik 7, 19, 23-28, 44, 53, 56, 90f. • Umweltpolitik 123, 125 BEZIEHUNGEN ZU Bundeskanzleramt 16f., 19, 25, 91 Bundesministerien, andere 19, 23-26, 69, 90f. Minister 44, 90, 106-108, 112, 116f., 126

Bundesnachrichtendienst 51, 53, 56, 58 Bundessicherheitsrat 19 ORGANISATION Abteilungen 125 Bundesinstitutionen • Bundesakademie für Sicherheitspolitik 62

• Militärischer Abschirmdienst 48, 52f. • Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr 26 Bundeswehr XX, 16, 23f., 26f., 53, 58, 89f., 92, 95, 141f., 170, 195, 223f., 228, 232, 237f„ 249, 272f„ 277 • Führungsstab der Streitkräfte 53 • Generalinspekteur 90 • Heeresführungskommando 91 Militârattachés 27, 69 Minister 19, 24, 26, 28, 44, 90f., 270 Organisationsreform 26 Personal • Aus- und Fortbildung 63 Referate 125 BMWi BETEILIGUNG AN Außenpolitik 29, 69 • Europapolitik 22f., 33, 38, 42, 77-79, 81, 107-114, 118, 159, 241 • Internationale Konferenzen u. Organisationen 44, 106, 115f., 128 • Sicherheitspolitik 90, 148 • Umweltpolitik 38, 123, 125f„ 128f. • Wirtschaftspolitik 23, 38, 40, 44f„ 53, 104-106, 111, 114-116, 128f., 148 BEZIEHUNGEN ZU Bundesländer 107, 115 Bundesministerien, andere 24, 38-40, 69, 106-109, 113, 126, 128f. Bundesnachrichtendienst 51, 53 Bundesrat 159 Bundestag 22, 81 EU-Institutionen 79, 110-112, 114 Unternehmen 115 Verbände 23, 115 ORGANISATION Abteilungen 31, 44, 78, 108, 113f., 125 Bundesinstitutionen • Bundesstelle für Außenhandelsinformation 24, 115

SACHREGISTER

Referate 42, 123, 125 Staatssekretär 42, 78, 112

BMZ BETEILIGUNG AN Außenpolitik 29, 35f. • Entwicklungspolitik 35f., 38-40, 45, 128, 186-188 • Internationale Konferenzen u. Organisationen 115f., 128 • Umweltpolitik 122-124, 128 • Wirtschaftspolitik 23, 104, 115f. BEZIEHUNGEN ZU Bundesministerien, andere 7, 35f., 38-40, 69, 128, 187 Bundesnachrichtendienst 51 Politische Stiftungen 186-188, 193, 195, 197f. ORGANISATION Abteilungen 124 Minister 116 Referate 124

BUNDESNACHRICHTENDIENST BETEILIGUNG AN Außenpolitik 9f., 41, 47-58 • Europapolitik 47, 56 • Sicherheitspolitik 90, 98,114 BEZIEHUNGEN ZU Bundeskanzler 90 Bundeskanzleramt 42,47, 51 f., 56,58, 90 Bundesministerien 51-53, 56, 58 Bundesregierung 47, 50-53, 56-58 Bundestag 47-49, 56 ORGANISATION Organisationsreform 57f.

BUNDESRAT 120, 139, 176 BETEILIGUNG AN Außenpolitik 92, 179 • Europapolitik 80f., 83-85, 92, 130, 133, 143f„ 148-150, 152, 156-160 • Interparlamentarische Zusammenarbeit 82 • Sicherheitspolitik 89,91 • Umweltpolitik 123, 130 BEZIEHUNGEN ZU Bundeskanzleramt 126 Bundesministerien 102, 159 Bundesregierung 75f., 80f., 83-85, 92, 102, 130, 133, 156f., 159f. Bundestag 104 ORGANISATION

Ausschüsse 85, 160 —> Bundesländer Europakammer 85, 160 Länderbeobachter bei der EU 160

289

84, 158,

BUNDESREGIERUNG Außenpolitik 2-6, 9, 13, 17f., 31f., 3437, 61, 122f„ 138, 141f„ 144, 154, 162, 165f., 173f„ 192f„ 195, 221f., 266-270, 281 • Ausländerpolitik 39 • Entwicklungspolitik 35 • Europapolitik 11, 33, 37, 42, 47, 7586, 103, 112, 118, 130, 135, 143, 148-150, 156-158, 160f„ 174, 244, 274, 276 • Menschenrechtspolitik 151 • Sicherheitspolitik 51, 59, 89-100, 142, 148, 174, 277 • Umweltpolitik 122f, 129f, 135 • Wirtschaftspolitik 23, 103-105, 107, 114, 116, 148 BEZIEHUNGEN ZU Bundesländer 6, 48, 75f., 80f., 83-85, 92, 106f., 110, 130, 135, 153f., 156f., 159165, 179 Bundesnachrichtendienst 47, 50-53, 5658 Bundesrat 75f., 80f., 83-85, 92, 102, 130, 133, 156f., 159f. Bundestag 49, 75f., 80-82, 91f., 100, 102f., 107, 130, 138-145, 147-149, 151, 160, 168, 172-177 EU-Institutionen 112, 135 Medien 99f., 216 Mittlerorganisationen 202,204,209,211, 214 N G O s 251 Öffentliche Meinung 221f., 250 Parteien 19, 100, 130, 167-178, 183, 261 Politikberatung 254, 259, 263 Politische Stiftungen 193, 195f. Verbände 242,246 ORGANISATION —» Bundeskanzler, Bundesministerien Geschäftsordnung 13, 17, 21, 32, 102f., 105f„ 108, 119, 127 Koalition 14, 19f., 28, 46, 89f., 94f., 104, 123, 126, 138, 174, 178f. —> Koordinierung Personal • Aus- und Fortbildung 62

290

SACHREGISTER

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 69, 99f. Regierungsbeauftragte 24, 42 Regierungssprecher 99f.

BUNDESSICHERHEITSRAT 46 BETEILIGUNG AN Außenpolitik • Sicherheitspolitik 97f., 120 • Wirtschaftspolitik

BEZIEHUNGEN

19, 42, 89-91, 95,

ZU

42, 95, 120

Bundeskanzler 19, 90 Bundeskanzleramt 16, 99 Bundesministerien 19, 90, 97, 136 Bundestag 94 Parteien 94

ORGANISATION

Organisationsreform

BUNDESTAG BETEILIGUNG

19, 99

AN

Außenpolitik 9, 11, 13, 31, 71, 137-152, 169, 172-176, 184, 221-223 • Entwicklungspolitik 137, 198 • Europapolitik 10f., 22, 80-82, 85, 92, 131, 137, 142-145, 148-152, 160, 174, 183f. • Interparlamentarische Zusammenarbeit 82, 137, 150, 184 • Menschenrechtspolitik 137, 145, 150f. • Sicherheitspolitik 89, 91f„ 94, 98-100, 137, 142, 145, 148, 151, 174 • Umweltpolitik 123, 130 • Wirtschaftspolitik 23, 107, 137

BEZIEHUNGEN ZU

Bundeskanzler 174, 177 Bundeskanzleramt 126 Bundesministerien 22, 65, 68f., 81, 130, 145, 173f., 184 Bundesnachrichtendienst 47-49, 56 Bundesrat 104 Bundesregierung 49, 75f., 80-82, 91f., 100, 102f„ 107, 130, 138-145, 147-149, 151, 160, 168, 172-177 Bundessicherheitsrat 94 EU-Institutionen 82, 145, 149, 183 Medien 92 Mittlerorganisationen 202, 204, 207, 214 N G O s 150,251 Öffentlichkeit 138, 140, 143, 148f„ 151, 221-224

Parteien 1 3 9 , 1 4 4 , 1 6 7 - 1 7 0 , 1 7 2 - 1 7 5 , 1 8 4 , 261 Politikberatung 257f., 259f. Politische Stiftungen 185f., 188

ORGANISATION

Aktuelle Stunden 140 Anfragen/Anträge 31, 1 0 2 , 1 4 0 , 1 7 3 , 1 7 5 Anhörungen 145, 186, 260 Auslandsreisen 137, 186 Ausschüsse 47, 81f., 85, 92, 99, 107, 130, 139, 144-147, 149, 169, 173, 175, 184, 186, 260 Debatten 15, 99, 1 3 8 - 1 4 2 , 1 4 4 , 1 4 9 , 151f. Entschließungen 137 Fraktionen 19, 31, 69, 94, 99, 130, 137139, 144f„ 147f., 151, 167-170, 172-175, 177, 184, 258, 260f. Organisationsreform 99 Parlamentariergruppen 137, 150, 186, 207 Referenten 145f., 168f., 174 Untersuchungsausschüsse 92, 98, 147, 151 Wissenschaftlicher Dienst 146f.

POLITISCHE

FRAGEN

Funktionsverlust

152, 172, 175

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT 48, 80, 83, 85, 91f., 142f„ 150, 157, 185, 276

DEUTSCHLAND AUSSENPOLITIK

Afrika 188, 212f. Asien 34, 69, 115, 188, 212f„ 260, 262 Auslandsaufklärung 47-58, 90 Auswärtige Kulturpolitik 65, 67, 145, 164 DDR-Außenpolitik 37, 65, 207 Demokratieförderung 11, 64, 188-191, 194f., 198 Entwicklungspolitik 11, 16, 34-36, 3840, 115, 128, 137, 161, 163, 166, 186190, 198, 200, 212, 228, 258, 261, 278f. —» Europapolitik Gesellschaft u. 4 - 6 , 9, 61f., 71, 169-172, 192, 199-214, 267, 274, 276f„ 281 Golfkrieg 35, 95f., 205, 271 Humanitäre Hilfe 145 Innenpolitik u. 5f., 25, 46, 61, 66, 98, 122, 138, 150, 152, 170, 172, 228, 252, 272-277, 281

SACHREGISTER

Interessen XIX, If., 4, 14, 30f„ 34f„ 37, 42f., 46, 61f., 64f., 67, 72, 75-77, 83f., 109,121, 192, 206, 235, 237, 267f., 275f. Kommunale Außenpolitik 163, 171 Lateinamerika 188, 260, 262 • Zentralamerika 194,260 Legitimation/Legitimität 61, 81, 96, 223, 238, 251 f., 254, 256, 268 Macht/Machtressourcen 3, 5, 9, 185, 195-197, 204, 265-282 Menschenrechte 21, 35, 42, 64, 137, 145, 150f., 171, 189, 239, 250f., 262 Mittel- und Osteuropa 26f., 34, 37, 39, 42, 49, 65, 69, 79, 164, 186, 188, 191, 200f„ 209, 237, 268-274, 279 Multilateralismus 34, 137, 269, 272, 280, 282 Naher Osten 34,206-209 —> Öffentliche Meinung Öffentlichkeit u. 5, 60f., 70, 92, 96, 170173, 200, 207, 211, 215-238, 254, 256, 270f., 277, 281 Ostpolitik 14, 16, 141, 270 —> Politikberatung Reputation 195, 271f., 276 —» Sicherheitspolitik Südosteuropa 23f., 61, 65, 91, 93, 96, 186, 191, 272 —» Umweltpolitik Westintegration 14, 141, 205f., 223, 235, 271 Wirtschaftspolitik BETEILIGUNG AN Bosnien-Kontaktgruppe 93 EU —» Europapolitik GATT 114 G - 7 44, 116, 122, 273 G-10 116 IWF 115f., 278 KSZE 141,232 N A T O 19, 34, 69, 91, 93, 95, 98, 141, 148, 171, 228f„ 232f., 237f., 272f. • Osterweiterung 91, 210, 269-271, 273-275, 277 • Strukturreform 262, 273, 276 • Verteidigungsausgaben 277 O E C D 45, 116, 122 OSZE 26,273 U N 21, 26, 40,45, 69, 96,118,121,145f., 237f. • Beschaffungswesen 115 • Finanzbeitrag 36,278 • Sicherheitsrat 36,278

291

• U N I D O 36, 146 • W H O 45 Weltbank 45, 116, 278 WEU 92, 141, 146 WTO 45 BEZIEHUNGEN ZU Chile 145, 194, 251 China (VR) 21, 45, 151, 175 • Tibet 145, 175, 187 Frankreich 26, 42-44, 58, 69, 77, 117, 141, 162, 184, 190, 200-202, 269 Großbritannien 44, 69, 117, 190, 200, 203f., 214, 250 Indien 35,45, 200, 212 Iran 41, 151, 173, 175, 188, 280 Israel 56, 95, 200, 206-208, 214 Italien 44, 69, 117, 190 Japan 44f., 213 Libyen 41, 53f„ 188 Nachfolgestaaten der Sowjetunion 40, 49, 65, 186, 188, 191 Pakistan 35, 200, 212f. Polen 40f., 44, 200, 209f., 237, 271 Portugal 194, 196 Rußland 36f., 40,44, 49,65, 98,146,191, 200, 210f., 269f., 272 Spanien 44, 69, 117, 190, 194, 196 Südafrika 194f. Tschechische Republik 40,146, 175,179, 237, 251, 271 Türkei 151,251 Ungarn 40,237,271 USA 14, 36, 42, 44, 49f., 69, 145, 188, 190,200, 204-206,208,214,229f., 234f., 237f., 260, 262, 269f., 280 INNENPOLITIK Bevölkerungsfragen • • • •

Ausländer 36f., 41-43 Aussiedler 42 Asylbewerber 30, 37, 42, 65, 161, 164 Flüchtlinge 24, 30, 37, 39, 65, 164, 279f. • Migration 2, 30, 37, 60, 64-66, 87f., 161, 164, 277 Föderalismus 75, 149, 165f., 176, 195 Grundgesetz 13f., 17-19, 24, 32, 48, 62, 69, 77, 80f., 83, 91f„ 96, 102, 106, 123, 142, 147-150, 153f., 156-158, 161f., 177, 267 Vereinigung XIX, 1, 5, 14-17, 20, 29, 37, 46, 67, 90, 96, 120, 141, 149, 156, 204, 206-208, 227, 230, 262, 265, 269, 279

292

SACHREGISTER

EINSTELLUNGEN —> Öffentliche Meinung

EUROPAPOLITIK AKTEURE/ STRUKTUREN

Bundeskanzler 14, 18, 22, 77f., 80, 106, 113, 119 Bundeskanzleramt 18, 22f., 42, 77f„ 106, 108f., 113, 118 Bundesländer 10f., 62, 75f., 81, 83-85, 92, 106, 110, 118, 131, 133, 135, 149f., 153, 156-161, 165, 179, 244, 246 Bundesministerien 6, 18, 21f., 30f., 33, 38,41-45, 61, 78f„ 104f., 110,112f., 118, 131, 240, 242 • Auswärtiges Amt 18, 21-23, 25, 33, 37, 42, 64, 69, 77-81, 85, 93f., 107110, 112, 118f., 241 • B M F 31, 38, 42, 79, l l l f . , 118f. • B M I 37, 43, 78f. • B M U 126, 133 • BMWi 22f„ 31, 33, 38, 42, 77-79, 81, 107-114, 118, 159, 241 Bundesnachrichtendienst 47, 56 Bundesrat 80f., 83-85, 92, 130, 133, 143f„ 148-150, 152, 156-160 Bundesregierung 11, 33, 37, 42, 47, 7586, 102-104, 112, 118, 130, 133, 135, 143, 148-150, 156-161, 174, 195, 244, 274, 276 Bundestag 10f., 22, 80-82, 85, 92, 131, 137f., 141-145, 148-152, 160, 174, 184 Bundesverfassungsgericht 80, 83, 85, 91f., 143, 157 —> EU-Institutionen Mittlerorganisationen 202, 204, 214 Öffentlichkeit 5, 223, 229-232, 235-238, 274, 276 Parteien 82, 130f., 142, 148f., 152, 174, 179-183, 252, 271, 274 Politikberatung 262 Politische Stiftungen 195 Unternehmen 239-247, 252 Verbände 10, 12, 131-133, 239-248, 252

POLITISCHE

FRAGEN

Entwicklungspolitik 279 Finanzbeitrag 38, 275, 278 GASP 22, 64, 77f., 92, 237 Justiz u. Inneres 37, 77f. Menschenrechtspolitik 21 Osterweiterung 22, 61, 64,146, 210,237, 269, 273f.

Reformen 112,273-275 Schengener Abkommen 22, 106 Umweltpolitik 121f., 130-135 Vertiefung 22, 64, 231, 237, 271, 279 Wirtschaftspolitik 103f, 106f, 112f, 230, 238, 240f., 274, 279 • Wirtschafts- und Währungsunion 5, 119, 142f., 179, 230-232, 274, 281

EUROPÄISCHE KOMMISSION BETEILIGUNG AN Agrarpolitik 248 Umweltpolitik 132-135, 146 Wirtschaftspolitik 76, 109-111, 114,146, 241-245, 247, 252

BEZIEHUNGEN

ZU

Ausschuß der Regionen 112, 131 Bundesländer 135, 158, 160 Europäische Parteien 181 Europäischer Gerichtshof 135 Europäischer Rat 131, 133 Europäisches Parlament 131,134f., 239f., 242 Nationale Parlamente 82, 145, 149 Nationale Regierungen 22, 69, 77, 113, 132f., 135, 240 Politische Stiftungen 187 Rat der E U 114, 131, 133-135, 239f. Unternehmen 240, 242-245, 252 Verbände 131-133, 242-245, 247 Wirtschafts- und Sozialausschuß 131

ORGANISATION Ausschüsse llOf., 114, 132 Generaldirektionen 131f., 241-245 Kommissare 241 f., 244f.

EUROPÄISCHE UNION / EUROPÄISCHE GEMEINSCHAFT AUSSENPOLITIK Asien 260 Auslandsaufklärung 56 Außenvertretung 25 E P Z 21 GASP 22, 55, 64, 77f., 92, 237 Mittel- und Osteuropa 22, 64, 86, 146, 164, 191, 210, 229, 237, 269, 273f.

BEZIEHUNGEN China 21 Rußland 269 W E U 92

ZU

293

SACHREGISTER

ORGANISATION Amsterdamer Vertrag 37, 60, 64f., 86, 118, 134, 240 • Regierungskonferenz 44, 61, 76-79, 82, 85f„ 181, 275f. AStV 79, 104, 110-112, 118, 131, 133135, 241, 248 Ausschüsse 110, 132 • Ausschuß der Regionen 84, l l l f . , 131, 135, 159f. • Ausschuß für Handelspolitik 114 • Ausschuß für Wirtschaftspolitik 111 • Beratender Währungsausschuß 11 Of. • Wirtschafts- und Finanzausschuß 111 • Wirtschafts-und Sozialausschuß 111, 131, 135 C O S A C 82, 149 E G K S 77, 81 E W G 75, 81, 111 Einheitliche Europäische Akte 81, 130, 156 —» Europäische Kommission Europäische Zentralbank 1 1 1 , 2 3 1 Europäischer Gerichtshof 79, 131, 135, 240 Europäischer Rat der Staats- und Regierungschefs 77, 79, 113, 131, 133, 239 —> Europäisches Parlament Europäisches Währungsinstitut 111 Europol 56 Maastrichter Vertrag 22, 64, 75, 77f., 80f., 84, 92, 108, llOf., 119, 130, 137, 142f., 149, 156f., 159f., 179, 181, 183, 230 Parteien 11, 180-183 —» Rat der E U (Ministerrat) Römische Verträge 78, 81, 108, 148, 156 Schengener Abkommen 22, 43, 106

POLITISCHE

FRAGEN

Demokratiedefizit 181, 231 Finanzverfassung 38, 274f., 278 Justiz und Inneres 37, 60, 65, 77f. Legitimation/Legitimität 80f., 143, 181, 242, 252 Osterweiterung 22, 61, 64, 86, 146, 191, 210,. 229, 237, 269, 273f. Politische Union 1 1 9 , 1 4 2 Strukturreform 118, 238, 273, 275f. Umweltpolitik 44, 121f., 126, 130-136 Vertiefung 22, 64, 229, 237, 271, 279

WIRTSCHAFT Agrarpolitik

239-249,252

76, 79, 110, 248f., 274

Außenwirtschaftspolitik 64, 76, 107 Beschäftigungs- u. Sozialpolitik 1 8 1 , 2 4 7 Binnenmarkt 22, 38, llOf., 239f., 242, 245, 248f., 252 Exportkontrolle 114 Handelspolitik 64, 76, 113-115, 240f. Industriepolitik 241 Regionalpolitik 106, 112 Strukturpolitik 106, 274 Währungspolitik 11 Of. Wettbewerbspolitik 76, 241 Wirtschafts- und Währungsunion 5, 110f., 119,142f., 1 7 9 , 1 8 1 , 2 3 0 - 2 3 2 , 2 7 4 , 281

EUROPÄISCHES PARLAMENT 80, 107, 149, 180, 182

BETEILIGUNG

AN

Interparlamentarische Zusammenarbeit 82 Umweltpolitik 134f. Wirtschaftspolitik 109

BEZIEHUNGEN ZU

Ausschuß der Regionen Bundesländer 160

131

Europäische Kommission 131, 134f., 239f., 242 Europäische Parteien 181, 183 Nationale Parlamente 82, 183 Nationale Parteien 168f., 183, 261 Politische Stiftungen 261 Rat der E U 131, 134f., 239, 242 Unternehmen 242 Verbände 1 3 1 , 2 4 2 Wirtschafts- und Sozialausschuß 131

KOORDINIERUNG AKTEURE/ STRUKTUREN Abteilungsleiterausschuß für Umweltfragen 124, 126, 128 Ausschuß der Europabeauftragten der Bundesministerien 78, 113 Bund-Länder-Ausschüsse 163 Bundeskabinett 2 , 1 7 - 2 0 , 23f., 28, 31, 40, 42, 46, 78, 89f., 95, 101-105, 110, 112, 119f„ 123f., 126, 177 Bundeskanzler 15, 18, 27, 40, 89 Bundeskanzleramt 16-19, 51, 77, 89, 99, 106, 108f„ 123 Bundesministerien • A A 19, 21-24, 28, 31, 46, 59, 64f„ 71, 77-80, 107f., 113, 117, 241 • B M F 44, 106 • B M V g 219

294

SACHREGISTER

• BMWi 22f., 33, 77, 79, 106-108, 241 Europaministerkonferenz der Länder 85, 160 Federführung 18, 21-23, 28, 32, 102f., 107, 112, 116, 119, 128 Informelle Verfahren 15, 19f., 25, 28, 41, 75, 79, 87, 93-97, 101, 104, 119, 126f., 129, 135, 138, 159, 166, 168f., 173-175, 18lf., 187, 193, 207 Interministerielle Ausschüsse 19, 23, 41f„ 53, 115 Kabinettsausschüsse 18, 27, 42, 46, 78, 90, 119f., 123, 126 • —» Bundessicherheitsrat Koalitionsrunde 19f., 46, 94f., 104, 174 Ministergespräche 18, 40, 103 Organisationsprinzipien • Kabinettsprinzip 13f., 16, 28 • Kanzlerprinzip 13f., 1 6 , 2 7 • —> Bundeskanzler: Richtlinienkompetenz • Ressortprinzip 13f., 16f., 69, 177 Parteien 168f., 171, 182 Regierungsbeauftragte 42 Ressortabstimmung 40, 79, 102-107 Ressortbesprechung der Staatssekretäre 18, 40f., 102f., 125f. Runde der Parlamentarischen Staatssekretäre 42, 104 Staatssekretärausschuß für Europafragen 18, 37, 42, 76, 78, 103f., 108, 112, 118f., 124, 126, 133 Weisungen 33, 103, 112, 133, 158

POLITISCHE FRAGEN

Ausländerpolitik 24, 41, 43 Außenpolitik 3, 6, 16f„ 21, 27f„ 31, 33, 40-42, 46, 59, 64, 71f., 89, 117, 168f., 171, 173-175, 193, 207, 273 Entwicklungspolitik 163, 187, 198 Europapolitik 18, 22, 33, 37, 41f., 64, 75-86, 103f., 107-113, 118f„ 124, 126, 133, 138, 156, 159f., 166, 181f„ 241, 248 Regierungspolitik, allgem. 15f., 19f., 27, 102-104 Sicherheitspolitik

100

16, 19, 27, 42, 51, 87-

Umweltpolitik 65, 121-136 Wirtschaftspolitik 23, 42, 44, 101-120, 278 • Außenwirtschaftsförderung 23, 115

MEDIEN 49, 51, 252 CNN

216f.

Hörfunk und Fernsehen 216-221, 226 Internet 70 Nachrichtenagenturen 217f., 226 Presse 2 1 7 - 2 1 9 , 2 5 4 , 2 5 7

BETEILIGUNG AN

Außenpolitik 9, 12, 60-62, 65, 70f., 92, 97, 215-226, 256, 281 • Sicherheitspolitik 92, 96f., 99, 220

BEZIEHUNGEN ZU

Bundeskanzleramt 100 Bundesministerien 25, 65 Bundesregierung 99f., 216 Bundestag 92 Mittlerorganisationen 202f., 205, 208f., 211-214 N G O s 250f. Öffentliche Meinung 12, 60, 96, 98, 215226 Parteien 170

MITTLERORGANISATIONEN BETEILIGUNG AN Außenpolitik 9, 12, 199-214 • Entwicklungspolitik 212 • Politikberatung 202 • Sicherheitspolitik 213

BEZIEHUNGEN ZU

Bundeskanzler 213 Bundesministerien 202, 211 Bundesregierung 202, 204, 209, 2 1 1 , 2 1 4 Bundestag 202, 204, 207, 214 Medien 202f., 205, 208f., 211-214 N G O s 214 Öffentlichkeit Parteien 214

204f., 207, 21 lf., 214

Unternehmen

202f., 205, 208f., 211-214

ORGANISATION Finanzierung

199, 202,205-208,211, 213

NGOs 8, 185 —» Mittlerorganisationen, Politische Stiftungen, Verbände

BETEILIGUNG AN

Außenpolitik 4, 60, 217, 239, 250 • Entwicklungspolitik 163 • Menschenrechtspolitik 171 • Sicherheitspolitik 96f. • Umweltpolitik 128, 171, 250f.

BEZIEHUNGEN ZU

Bundesministerien 65, 128 Bundesregierung 251 Bundestag 150, 251 Medien 250f.

SACHREGISTER

Mittlerorganisationen 214 ÖFFENTLICHE MEINUNG

BETEILIGUNG AN Außenpolitik 9, 12, 170, 215-238 Innenpolitik u. 215, 221-223

BEZIEHUNGEN ZU Bundesregierung 22lf., 250 Bundestag 140, 221-224 Medien 12, 60, 96, 98, 215-226 Mittlerorganisationen 204, 210 Parteien 170, 178, 229 Politikberatung 254, 256

Politikberatung 259-261 Politische Stiftungen 168, 172, 185f., 188, 192f. Verbände 131,242

ORGANISATION

POLITIKBERATUNG

Deutsch-amerikanische Beziehungen 229, 234f., 238 Europäische Integration 5, 223,229-232, 235-238, 274, 276 Innen- und Wirtschaftspolitik 228 Sicherheitspolitik 96-98, 141, 220-224, 227-229, 232-238, 270f. Umweltpolitik 250f.

BETEILIGUNG AN

PARTEIEN

BETEILIGUNG AN

Außenpolitik 2, 9,11,14, 61, 89, 98,142, 144, 163, 165, 167-184, 186, 192, 223, 229, 252, 261, 266 • Entwicklungspolitik 261 • Europapolitik 82, 130f., 142, 148f., 152, 168f., 174, 179-183, 252, 261, 271, 274 • Sicherheitspolitik 89,92, 96,99f„ 141, 148, 171, 178, 223, 229, 261 • Transnationale Parteienkooperation 11, 130f., 167, 179-184, 186, 192 • Umweltpolitik 130 • Wirtschaftspolitik 261

BEZIEHUNGEN ZU

Bundeskanzler 14, 16, 169, 174-179, 187 Bundesministerien 68f., 148, 169, 176178 Bundesregierung 19, 100, 130, 167-178, 183, 261 Bundesrat 139, 179 Bundessicherheitsrat 94 EU-Institutionen 168f., 181, 183, 261 Gesellschaft 167, 169-172, 175, 183f. Medien 170 Mittlerorganisationen 214 Öffentlichkeit 141, 170, 178, 271

180,

Bundesfachausschüsse 169, 259-261 Bundestagsfraktionen 19, 31, 69, 94, 99, 130, 137-139, 144f., 147f., 151, 167-170, 172-175, 177, 184, 258, 260f. Mitgliederschaft 170, 183f. Programme 14, 167, 171, 177f„ 183 Reformen 170, 184

POLITISCHE FRAGEN

ORGANISIERTE INTERESSEN —» NGOs, Unternehmen, Verbände

295

Außenpolitik 9, 12, 53, 59, 70, 169, 202, 211, 213, 225, 253-264, 281

BEZIEHUNGEN ZU

Bundeskanzleramt 257-259, 261 Bundesministerien 257-261, 263 Bundespräsident 259 Bundesregierung 254, 259, 263 Bundestag 257f., 259f. Meinungsforschung 225 Öffentlichkeit 254,256 Parteien 259-261

ORGANISATION

Finanzierung 253, 258f., 263f. POLITISCHE STIFTUNGEN

BETEILIGUNG AN

Außenpolitik llf., 169, 180, 185-198 • Entwicklungspolitik 11, 186-190, 198 • Politikberatung 257, 259-262 • Sicherheitspolitik 189

BEZIEHUNGEN ZU

Bundeskanzler 186f. Bundeskanzleramt 187, 193 Bundesländer 188, 261 Bundesministerien 185-188, 193, 195, 197f. Bundesregierung 193, 195f. Bundestag 185f., 188 DGB 189 EU-Institutionen 187, 261 Parteien 168, 172, 180, 185f., 188, 192f.

ORGANISATION

Auslandsbüros 188, 190f., 195, 261 Haushalt 180, 186-188, 197 Personal 186-188, 190, 193, 197 RAT DER EUROPÄISCHEN UNION (MINISTERRAT) 92, 148

296

SACHREGISTER

BETEILIGUNG AN

Agrarpolitik 110,248 Umweltpolitik 132-135 Wirtschaftspolitik 109-112, 114, 132, 241

BEZIEHUNGEN ZU

Ausschuß der Regionen 112, 131 Bundesländer 157f., 166 Bundesministerien 33, 77, 79, 112 Europäische Kommission 114,131, 133135, 239f. Europäisches Parlament 131, 134f., 239, 242 Nationale Parlamente 82, 143 Verbände 131 Wirtschafts- und Sozialausschuß 131

ORGANISATION

Allgemeiner Rat 33, 79, 110, 112, 114 Arbeitsgruppen 84, 133 AStV 79, 104, 110-112, 118, 131, 133135, 241, 248 Ausschüsse 111, 114 Fachministerräte 33, 38, 45, 79, 110-112, 132f., 248 Rat der Außenminister 94 Ratspräsidentschaft 79, 82, 113, 134 Sonderausschuß für Landwirtschaft 79, 110, 248 SICHERHEITSPOLITIK

AKTEURE/ STRUKTUREN 11

Bundesakademie für Sicherheitspolitik 62 Bundeskanzler 19, 24, 89f. Bundeskanzleramt 16, 19, 25, 89-91, 97100 Bundesländer 97f. Bundesministerien 3, 23, 89, 93, 95 • Auswärtiges Amt 19, 23, 25f., 42, 53, 90f., 148 • BMF 90 • BMI 36, 42, 53, 60, 90, 97 • BMU 136 • BMVg 16, 19, 23-28, 53, 90f. • BMWi 90, 148 Bundesnachrichtendienst 47-58, 90, 98, 114 Bundesrat 89, 91 Bundesregierung 27f., 51, 59, 89-100, 142, 148, 174, 277 Bundessicherheitsrat 16, 19, 42, 89-91, 95, 97-99, 120

Bundestag 89, 91f., 94, 98-100, 137, 142, 145, 148, 151, 174 Bundesverfassungsgericht 48, 91f., 142, 276 Bundeswehr XX, 16, 23f., 26f., 53, 58, 89f., 92, 95, 141 f., 170, 195, 223f., 228, 232, 237f., 249, 272f., 277 EU 22, 25, 55f., 60, 64f., 77f., 92, 94, 98, 237 Interministerielle Ausschüsse 41 f. KSZE 141,232 Medien 92, 96f., 99, 220 Mittlerorganisationen 213 NATO 19, 25, 34, 55f., 69, 91-95, 98f., 141, 148, 171, 191, 210, 220, 224, 228f., 232f„ 237, 262, 269-277 NGOs 96f. Öffentlichkeit 5, 96f., 141,220-224, 227229, 232-238, 270f. OSZE 26, 60, 273 Parteien 89, 92, 99f., 141, 148, 171, 178, 229, 261 Politische Stiftungen 189 UN 26,237 Unternehmen 239, 249f., 252 Verbände 252 WEU 26, 55f., 92, 141, 146

POLITISCHE FRAGEN

Abrüstung und Rüstungskontrolle 25f., 42,48, 51, 53, 91, 94, 137,145, 148, 151, 228, 232, 249, 261 Bundeswehr • Einsätze außerhalb der NATO-Verteidigung 23f., 26, 50, 9lf., 95f., 141f., 170, 224, 237f., 272, 277 • NATO-Integration 232, 272, 277 • Umfang 228,265,272,277 Dimensionen von Sicherheit 2f., 8, 28, 37, 59f., 65, 87-90, 92, 98-100, 121, 132, 136, 147, 151 • Bedeutungswandel 2f., 7, 11, 19, 25f„ 28, 59, 62, 65, 87, 98, 143 Friedenswahrung 23, 26, 91, 96, 170, 237f., 276 Grenzschutz 30, 102 Humanitäre Hilfe 96, 145 Konfliktprävention u. Krisenreaktion 24f., 49, 53, 60, 87, 91f., 99, 151, 237 Kriege und Konflikte 35, 50, 57, 59, 66, 87, 91, 95f., 180,188,205,216,218, 224, 234

SACHREGISTER • Ost-West-Konflikt/Kalter Krieg XIX, 1,14f., 23,25,29,33f., 36,43,49,51, 54f., 57, 59, 87, 90f., 137, 141, 204, 208, 210, 227, 229, 232, 235, 238f. Kriminalität 2, 30, 35, 42, 48, 50, 53f., 56f., 60, 65f., 87f., 92, 277, 280 Rüstung 35, 53f., 97, 232 • Nukleare Waffen 9, 51, 59f., 91, 94, 171, 232 • Proliferation von Massenvernichtungswaffen 60,277 • Rüstungsexport 48, 53f., 90, 94f., 148, 249, 251 • Rüstungspolitik 55, 58, 90f., 232,239, 249f. Spionage 55, 94 Terrorismus 48, 50, 53f., 56f., 60, 65f., 88, 92, 278, 280 Verteidigungshaushalt 94, 249, 265, 277 Vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen 26, 48, 51 UMWELTPOLITIK AKTEURE/ STRUKTUREN 11 Bilaterale Abkommen 126 Bundeskanzler 122-124 Bundeskanzleramt 122f., 125 Bundesländer 123, 130, 135f., 161 Bundesministerien 123, 125, 127, 129 • Auswärtiges Amt 38, 40, 64f., 123f., 127-129 • BMF 125, 128 • BMU 38, 40, 45, 65,122-124, 126-129 • BMVg 123, 125 • BMWi 38, 123, 125f., 128f. • BMZ 122-124, 128 Bundesrat 123, 130 Bundesregierung 122f., 129f., 135 Bundestag 123, 130, 146 EU 121f„ 126, 130-136, 146 Internationale Regime 121f., 128, 130, 132 N G O s 128, 171, 250f. Öffentlichkeit 250f. Parteien 130 Transnationale Netzwerke 44, 261 U N 40, 118, 121, 136 Verbände 126, 128, 132, 239, 250f. POLITISCHE FRAGEN Entwicklung 65, 128 Klimaschutz 2, 5, 38, 64, 118, 123, 126, 134, 136 Sicherheit 8, 65, 87, 96, 136

297

UNTERNEHMEN 30,278 —» Verbände BETEILIGUNG AN Außenpolitik 4, 239, 245, 250, 252 • Europapolitik 239-247,252 • Illegaler Export 53f. • Sicherheitspolitik 239, 249f., 252 • Wirtschaftspolitik 60f., 101, 113, 115, 239-247, 249, 252 BEZIEHUNGEN ZU Bundesländer 162 Bundesministerien 45, 66, 115, 240f. Bundesregierung 242-245 EU-Institutionen 240, 242-245, 252 Gewerkschaften 243 Mittlerorganisationen 202f., 205, 208f., 211-214 Parteien 242 VERBÄNDE —» Unternehmen BETEILIGUNG AN Außenpolitik 2, 12, 61, 69, 239, 245, 250-252 • Europapolitik 10, 12, 131, 239-248, 252 • Menschenrechtspolitik 239, 250f. • Sicherheitspolitik 252 • Umweltpolitik 126, 128f, 132, 239, 250f. • Wirtschaftspolitik 23, 45, 101, 115, 212, 239-248, 252 BEZIEHUNGEN ZU Bundeskanzleramt 126 Bundesministerien 23, 45, 65, 69, 103, 115, 126, 128f., 240f., 260 Bundesregierung 242, 246 EU-Institutionen 131-133, 240, 242-247 Parteien 131, 242 Politische Stiftungen 189 WIRTSCHAFTSPOLITIK AKTEURE/ STRUKTUREN 11 Bundeskanzler 44, 104, 117 Bundeskanzleramt 23, 106 Bundesländer 106f., 115, 123, 161f., 164 Bundesministerien 23, 38, 44f., 101,103105, 109, 114f., 117f., 248 • Auswärtiges Amt 22-24, 44, 65f., 104f, 115f., 129 • BMF 23, 38, 44f„ 104-106, 111, 116f. • BMWi 23, 38, 40, 44, 53, 104-106, 111, 114-116, 128, 148

298

SACHREGISTER

• BMZ 23, 104, 115f. Bundesregierung 17, 23, 103-105, 107, 114, 116, 148 Bundessicherheitsrat 42, 95, 120 Bundestag 23, 107, 137 EU 5, 64, 76, 79, 107-114, 117, 119, 132, 142f., 179, 181, 230-232, 239-249, 252, 274, 281 G-3 44f. G-7 44, 93, 116f., 122, 273, 278 G-10 116 GATT 114,248 Interministerielle Ausschüsse 23, 41f., 115 IWF 115-117,278 Kabinettsausschüsse 18 O E C D 45, 68, 116, 122, 279 Parteien 261 Unternehmen 45, 101,115,239-247,249, 252 Verbände 23, 45, 101, 115, 239-248, 252 Weltbank 35, 45, 115f., 278 WTO 5 , 4 5 , 2 4 0 , 2 7 8

POLITISCHE FRAGEN Agrarpolitik 76, 79,100, 239f., 248f., 274 Außenwirtschaftspolitik 14, 23, 38, 42, 44f., 48, 67, 101-120, 132,137, 195,261, 278f. • Außenwirtschaftsförderung 23f., 38, 62, 66, 115, 146, 162f. Export 30, 38, 45, 48, 54, 90, 94f., 114f., 122, 129, 146, 148, 162, 241, 247-249, 252, 265 • Exportkontrolle 42,53,104,114 Finanzpolitik 30, 37f., 79, 102, 106, llOf., 117 Handel/ Handelspolitik 5, 29f., 46, 60, 64, 76, 105, 107, 113-115, 128, 137, 214, 240, 242, 246, 248, 251, 272, 278 Regionale Wirtschaftsförderung 161-164 Währung/ Währungspolitik 5, 44, 106, llOf., 115-117, 119, 142-144, 179, 181, 230-232, 265, 274, 278f., 281 Weltwirtschaft 44, 46, 88, 93, 101, 104, 106, 113, 116f., 243, 265, 278, 280

DIE AUTOREN

Andreae, Lisette, M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Politische Wissenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn. Bartsch, Dr. Sebastian, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungsinstituts der DGAP, Berlin. Brettschneider, Dr. Frank, wissenschaftlicher Assistent am Institut für Politikwissenschaft der Universität Stuttgart. Eberwein, Prof. Dr. Wolf-Dieter, Leiter des Arbeitsgebietes Internationale Politik am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB); api. Professor am Institut für Politikwissenschaft der Universität Leipzig. Fischer, Wolfgang, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungszentrums Jülich, Programmgruppe Technologiefolgenforschung (TFF). Hartmann, Prof. Dr. Jürgen, Professor für Politikwissenschaft an der Universität der Bundeswehr, Hamburg. Hellmann, Dr. Gunther, wissenschaftlicher Assistent und Chaire Jean Monnet am Institut für Politikwissenschaft der Technischen Universität Darmstadt. Holtrup, Petra, M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Politische Wissenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn; zuvor wissenschaftliche Mitarbeiterin des Forschungszentrums Jülich, Programmgruppe Technologiefolgenforschung (TFF). Holst, Dr. Christian, Studienleiter für Politik- und Sozialforschung, INRA GmbH für Markt- und Meinungsforschung, Mölln. Hoyer, Dr. Werner, Mitglied des Deutschen Bundestages, Staatsminister im Auswärtigen Amt. Kaiser, Prof. Dr. Dr. h.c. Karl, Otto-Wolff-Direktor des Forschungsinstituts der DGAP; Professor für Politische Wissenschaft an der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität, Bonn.

300

AUTOREN

Knodt, Dr. Michèle, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Mannheimer Zentrums für Europäische Sozialforschung (MZES) und des Lehrstuhls für Politische Wissenschaft II der Universität Mannheim. Krause, Dr. habil. Joachim, stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts der DGAP; Privatdozent am Seminar für Politische Wissenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn. Mildenberger, Markus, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungsinstituts der DGAP, Berlin. Mols, Prof. Dr. Manfred, Professor für Politikwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz. Ploetz, Dr. Hans-Friedrich von, Staatssekretär im Auswärtigen Amt. Riihl, Prof. Dr. Lothar, Staatssekretär a.D.; api. Professor für Internationale Beziehungen am Forschungsinstitut für Politische Wissenschaft und europäische Fragen der Universität zu Köln. Siwert-Probst, Judith, Μ.Α., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Politische Wissenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn. Westerhoff, Dr. Horst-Dieter, Gruppenleiter im Bundeskanzleramt. Wieck, Dr. Hans-Georg, Präsident des Bundesnachrichtendienstes 1985-1990; Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Moskau 1977-1980, bei der N A T O 1980-1985 und in Neu-Delhi 1990-1993.