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German Pages 348 [352] Year 1968
DEUTSCHE VERSGESCHICHTE
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GRUNDRISS DER
GERMANISCHEN PHILOLOGIE UNTER MITWIRKUNG
ZAHLREICHER FACHGELEHRTER
BEGRÜNDET
VON
HERMANN PAUL
WEIL. ORD. PROFESSOR DER DEUTSCHEN PHILOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN
8/2
BERLIN-
WALTER DE GRUYTER& CO. VORM. G . J . G Ö S C H E N ' S C H E V E R L A G S H A N D L U N G — J. G U T T E N T A G . V E R L A G S B U C H H A N D L U N G — G E O R G REIMER - K A R L J. T R Ü B N E R — V E I T & C O M P .
1956
DEUTSCHE VERSGESCHICHTE MIT EINSCHLUSS DES ALTENGLISCHEN UND ALTNORDISCHEN STABREIMVERSES DARGESTELLT VON
ANDREAS HEUSLER
Z W E I T E R BAND TEIL III: DER ALTDEUTSCHE VERS
ZWEITE, U N V E R Ä N D E R T E
AUFLAGE
BERLIN
W A L T E R DE G R U Y T E R & C O . VORM. G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLA GS HANDLUNG — J. GUTTENTAG. VERLAGSBUCHHANDLUNG — GEORG REIMER — KARL J. TRÜBNER — VEIT & COMP. 1956
Archiv-Nr. 43 05 56
Printed in Germany
Alle Rechte des Nachdrucks, der photomechanisdien 'Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen, audi auszugsweise, vorbehalten. Druck: Thormann & Goetsch, Berlin-Neukölln
DEM
ANDENKE N
GUSTAV R O E T H E S *
INHALT.
VII
INHALT DES ZWEITEN BANDES. Teil III. Der a l t d e u t s c h e Vers. Seite
22. Abschnitt: Überblick über den altdeutschen Zeitraum. Übergangsformen vom Stabreimvers zum Reimvers (§ 429-438) . 23. „ Der Reim (§ 439-466) 24. „ Der Bau des althochdeutschen Reimverses: Das lateinische Vorbild und die Nachahmung (§467-474) 25. ,, Der Bau des althochdeutschen Reimverses: Gruppenbau; Versrahmen und Versfüllung (§ 475-496) 26. „ Der Bau des althochdeutschen Reimverses: An-und Abvers; Sprachbehandlung; ältere und jüngere Versfüllung (§ 497-507) 27. „ Der Bau des althochdeutschen Reimverses: seine Stellung zum altgermanischen Rhythmus (§ 508-519) 28. „ Der Bau der frühmittelhochdeutschen Reimpaare (§ 520-552) 29. „ Der Bau der ritterlichen Reimpaare: Füllung der Versglieder (§ 553-594) / • • • • . • ' • 30. „ Der Bau der ritterlichen Reimpaare: Gruppenbildung; Sprachbehandlung; versgeschichtliche Stellung (§ 595-627) 31. „ Der Bau der sanglichen Verse: Wort und Weise; der Aufund Abvers (§628-671) 32. „ Der Bau der sanglichen Verse: Innendehnung; daktylische Maße (§672-714) 33. „ Strophenbau: Allgemeines (§715-723) 34. „ Strophenbau: Töne aus gepaarten Viertaktern (§724-747) 35. „ Strophenbau: Viertaktertöne mit unpaarigen Gliedern (§748-768) 36. „ Strophenbau: Töne mit nichtviertaktigen Gliedern (§ 769-806) 37. „ Strophenbau: Reimstellung; Dreiteiligkeit; Formspiele. Der Leich (§ 807-840)
I 8 31 38
55 63 74 99 135 163 203 242 250 273 290 317
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TEIL III:
Der altdeutsche Vers. 22. Abschnitt: Überblick über den altdeutschen Zeitraum. Übergangsformen vom Stabreimvers zum Reimvers. 429. Der zweite, altdeutsche Zeitraum umfaßt die reimenden Dichtwerke der Karlingischen Zeit, dann die mehr zusammenhängende und bald in breiterem Flusse verlaufende Versliteratur von 1070 bis zum Ende der einheitlichen ritterlichen Kunst und Schriftsprache nach 1300. Es sind mit wenig Ausnahmen hochdeutsche Verse, da auch die niederdeutschen Dichter des 12. 13. Jahrh. selten ihre heimische Mundart gebrauchten. Die Grenze nach unten ist unfest. Um so schärfer hebt sich der Reimvers nach rückwärts, von seinem stabenden Vorgänger ab. Es sind zwei metrische Stile, keineswegs bloß in der Reimart verschieden. Und der neue Stil ist nicht allmählich, schrittweise aus dem altgermanischen erwachsen, so wenig als der kirchliche Steinbau seit 800 aus dem altgermanischen Holzbau. Man hat die heimischen, weltlichen Formen verdrängt durch Nachbildung der lateinischen, und zwar nicht der alten, klassischen, die man seit Karl dem Großen wieder kannte und pflegte, sondern der spätantiken: einer schlichtem, leichtern Form, wie sie im Kirchengesang erscholl. Zum erstenmal eiferte der deutsche Vers fremdländischem Muster nach. Der Zweck des althochdeutschen Schriftwesens : die kirchliche Volkserziehung, bekundet sich auch in seinem Verse. Die deutsche Dichtung schloß sich den Formen an, die so weit reichten als die Kirche; sie trat aus der germanischen Familie in die römisch-christliche über, sie wurde katholisch. Die hochdeutsch sprechenden Stämme haben zuerst unter den Germanen diesen Schritt getan: um 850. Damals dichteten die Engländer noch im heimischen Stabreimvers, und darin waren ihnen um 830 die sächsischen Bibeldichter gefolgt. Was die norrönen Skalden seit eben jener Zeit von der kirchlichen Form aufnahmen, wurde doch eigenartiger umgeschmelzt; Bragis Hofton klang weniger nach dem Kloster als Otfrids Reimpaare! H e u s l e r , Deutsche Versgeschichte II.
I
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STELLUNG OTFRIDS.
Nicht nur früher, auch viel schneller hat sich bei den Hochdeutschen der Umschwung vollzogen. In England kommt der Reimvers, nach schwachen Anfängen im 10. Jahrh., erst tief in der normannischen Zeit zu Kräften, und neben ihm behauptet der Stabreim — in den alten und in neuen Metren — seine Gattungen und seine Landschaften bis ins 16. Jahrh. Wie sich der Ubergang bei Sachsen und Friesen, dann in den nordischen Stammlanden gestaltete, bleibt uns dunkel. Island hat seine alten Formen überhaupt nie ganz verabschiedet und hat auch dem Reimvers der Ballade, da wo er sich wirklich einbürgerte, in den Rimur, den Stabreim auferlegt. 430. Nach unsern ahd. Resten möchte man glauben, innerhalb weniger Jahrzehnte habe man den Stilwandel durchgeführt. In den 860 er Jahren steht der große reimende Erstling da, Otfrids Evangelienbuch. Weder Reimgedichte vor ihm, noch Stabreimgedichte nach ihm sind mit Sicherheit zu erweisen. Am ehesten dürfte das kurze reimende Petruslied Otfrid vorausliegen. Stabreimende geistliche Dichtung reicht bis an Otfrid heran: daraus entlehnt er ein paar Verse, z. T. zerpflückt, so daß die Stabbindungen nicht mehr da sind (alle im ersten Buch: 5, 3. 5. 6b; 18, 9 = Muspilli 14; vielleicht 2, 5; 4, 7): Otfrids eigene Form steht von Anfang an entschlossen diesseits der Grenzscheide. Doch ist sie nicht von Anfang an fertig, sie entwickelt sich im Verlauf der frühen Abschnitte: in eine gefestigte Überlieferung des Reimverses ist Otfrid augenscheinlich nicht eingetreten. Wieviel ihm vorgearbeitet war, bleibt fraglich. Seine lateinische Vorrede sagt nicht, daß er zu der verunglimpften Laiendichtung in formalen Gegensatz trete, ebensowenig, daß er ihre Form übernehme. Auch die beiden Hauptfragen bleiben ohne Antwort: ob neben dem Clericus auch schon der Mimus mit dem landessprachlichen Reimvers anfing; wann und in welchen Stufen die stabreimende Skopdichtung, vorab das Heldenlied, zur reimenden Spielmannsdichtung überging. Hat der Skop bis zu seinem Ende den alten, der deutsche Spielmann seit seinen Anfängen den neuen Vers gepflegt ? Als alleinigen Ausgangspunkt der ahd. Reimkunst können wir Otfrid nicht ansprechen. 431. W a r Otfrid der Anfang, so gab es genug Kanäle von seinem mönchischen Buche in die weiteren, zuletzt auch weltlichen Kreise. Nicht jeder, der in den nächsten Jahrzehnten deutsch reimte, mußte den 'Liber evangeliorum theotisce conscriptus' in Händen gehabt oder auch nur daraus lesen gehört
ENDE
DES
STABREIMS.
ZWEITE FREMDE W E L L E .
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haben; auch durch sprachliche Anklänge an Otfrid muß sich ein Nachfolger seines Reimverses nicht ausweisen. Wie lange es brauchte, bis der Stabreimvers in den verschiedenen Gegenden und Gattungen erlosch, steht dahin. Aus dem Muspilli (§ 435) folgern wir nicht mehr, als daß dieser bayrische Prediger wenig sattelfest war in einer Kunstform, die er seinem Kreise doch noch angemessen fand. Hätte sie damals in den letzten Zügen gelegen, warum wählte er nicht den Reimvers ? Oder soll die heimische Form in seiner Landschaft verdorrt sein, eh man von der Nachfolgerin wußte ? Für das deutsche Waltherlied, das den Stoff zu Eckeharts Waltharius hergab, darf man wohl den jüngern, spielmännischen S t i l erschließen1); damit wahrscheinlich auch den jüngern Vers: um 930 bestand am Oberrhein reimende Heldendichtung. Dem Sachsen Widukind, 30 Jahre später, wird der Iringstoff wohl noch aus einem stabenden Liede zugekommen sein. Einen zeitlichen Anhalt gibt noch Notker Labeo um das Jahr 1000: die volksmäßigen Reime bei ihm stehn wohl im jüngern Lager (§ 438), ohne doch, wie Notkers eigene Verse, kurzweg zu Otfrid zu halten (§ 506. 524). - 1 ) Neckel, GRMon. 1 9 2 1 , 277 f f . ; auch Singer, Dichterschule von St. Gallen (1922) 76, ist für ein Reimgedicht. Zu den Fragen dieses Abschnittes vgl. außer den Literaturgeschichten: Ker, The dark ages (1904) 242; Plenio, Beitr. 42, 430; Kluge, Deutsche Sprachgeschichte (1920) 247f.; Frankel, ZsAlt. 58, 4 1 H . ; Jellinek, Festgabe für Zwierzina 1924, 3 f f . ; Naumann, DVjschr. 2, 781 ff. (1924); Schirokauer, ebd. 4, 74ff.
432. Mag es nun vor, neben und nach Otfrid selbständige Versuche im deutschen Reim gegeben haben: jedenfalls bilden die kleineren Reste des 9. 10. Jahrh. mit den 7400 Langzeilen Otfrids eine engere, leidlich einheitliche Gruppe. Gegen 1070 setzt, nach längerer Unterbrechung, der Buchvers der Geistlichen neu ein. Der ist von den ahd. Formen verschieden genug, daß man fragen konnte, ob er überhaupt den uns bekannten Reimvers der Karlingischen Zeit fortsetze. Von da ab ist sicher kein Riß mehr erfolgt. Die Wandelungen, die im Laufe des 12. Jahrh. zu dem gepflegten Kunstverse der Ritterdichtung führen, geschehen stufenweise vor unsern Augen. Aufs neue wirken lateinische Formen ein; zu denen des Hymnus kommen die der Goliardenlyrik. Noch folgenreicher wird der Einfluß der nord- und südfranzösischen Verskunst: fühlbar seit dem letzten Viertel des Jahrhunderts. Nicht nur die Strophenfülle der sangbaren Lyrik entspringt diesen Anregungen: auch der innere Bau des gesprochenen wie des gesungenen Verses bewegt sich nach der romanischen Art hinüber in dem Grade, daß 1*
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WELTLICHE DICHTUNG.
TEXTVERDERBNIS.
der rhythmische Stil der mhd. Hoch- und Nachblüte mehr welsch als germanisch heißen kann. 433. Dreihundert Jahre lang kennen wir den deutschen Reimvers fast nur aus geistlicher Dichtung. Auch als, seit 1150, weltliche Werke daneben treten, entsteht kein Gegensatz, keine Zweiteilung in kirchlichen und profanen Kunstbrauch. Der Spielmann und dann der Ritter, der Bürger lernten vom Geistlichen und umgekehrt. Dem welsch bedingten Formideal huldigen sie alle von Veldeke bis Konrad von Würzburg. In diese im Strophenbau so mannigfache, im rhythmischen Stil so einheitlich glatte Hof- und Buchkunst ragt der Versbau der Schriftlosen — der deutsche Volksvers, den es auch damals gegeben hat — höchstens mittelbar herein. In der großen Lücke vor 1050 war das Versemachen nicht versiegt. Sehen wir von der anspruchslosen Kleinkunst ab: die damals noch unbuchlichen Spielleute dichteten ihre Lieder; das lehren Zeugnisse und vor allem die Tatsache, daß im Heldenlied die Stoffüberlieferung unzerrissen blieb. Man muß die Möglichkeit in Rechnung stellen, daß dieser weltliche, mündliche Reimvers von dem stabreimenden Vorgänger mehr übernommen hatte als Otfrid und seine Gruppe: er konnte un-Otfridische Züge abgeben an die neue Buchdichtung der Pfaffen seit 1050 und später an die Dichtung der Ritter. In der Zeit der sächsischen Kaiser, wo nur der Kirchenmann schreiben konnte und nur Latein schrieb, dürfen wir am allerwenigsten das Bewahrte dem einst Vorhandenen gleichsetzen. 434. Weil im altdeutschen Zeitraum Buchdichtung überwiegt oder dann Kunstlyrik, die bald aufs Pergament kam, spielt das Zersingen nicht die Rolle wie beim weltlichen Stabreimvers (§ 109). Von den Formen der Dichter trennen uns viel öfter die Schreibereingriffe. Wieviel man ihnen aufbürden soll, und wieweit sie holpriger oder ebener gemacht, die 'Rege? gestört oder gestärkt haben: diese Fragen halten seit Lachmann die Herausgeber mittelhochdeutscher Texte in Atem; dem Versbetrachter erschweren sie empfindlich die genauere Beschreibung der ritterlichen Reimpaare. Dankbar begrüßen wir es, daß am Anfang unsrer Strecke ein Werk von authentischer Überlieferung steht: Otfrids Evangelienbuch ist in der Wiener Handschrift vom Urheber selbst durchgangen. Da gibt es kein Wegbessern. Da auch der Versbau in diesem Denkmal so eindeutig ist, wie in keinem stabreimenden und in sehr wenig endreimenden Werken des Mittelalters, beginnt die Geschichte des deutschen Reimverses auf festem Boden — abgesehen von der Entstehungs-
ÜBERGANGSFORMEN: MUSPILLI.
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frage! Auf diese Frage muß es so viele Antworten geben als Deutungen des altgermanischen Rhythmus. Auch in die folgenden Jahrhunderte wirft dieser Meinungsstreit seine Wellen. Die Mittelpunktsfrage aber: Svie hab ich zu lesen?' weckt nur an wenig Stellen so unversöhnliche Gegensätze wie beim Stabreimvers. Denn der deutsche Reimvers steht seit seinen Anfängen dem heutigen Formgefühl näher. Nur trägt die bekannte Uneinigkeit über das Wesen des Verses, über das Ziel der Versbetrachtung Zwiespalt auch in das rein beschreibende Erfassen der altdeutschen Formen. 435. Trotz der verhältnismäßig scharfen Scheide zwischen stab- und endreimender Dichtung fehlt es nicht ganz an Stücken, die in dem einen oder andern Sinne Übergangsformen heißen können. So das umfängliche M u s p i l l i (101 Langzeilen mit Ausscheidung von Z. 18. 48. 97. 99a in Braunes Text). Ohne die Fragen nach der Mehrheit von Urhebern, ihrer Zeit und ihrem Verhalten zu Otfrid aufzunehmen, begnügen wir uns festzustellen: Reimverse ohne (gewollten) Stabreim sind Z. 61. 62 und doch wohl 78. 79. Da sie die Bewegung / N ' v haben (Akzentform 1. 3), sticht ihr Grundmaß von der Umgebung nicht ab, um so mehr ihre jambische Glätte. Endreim neben Stabreim mag beabsichtigt sein in 28. 37. 87. Verstöße gegen den Stabreim in sonst formgerechtem Verse bringen die Zeilen 3. 13. 15. 22. 37. 49. 53. 57. 58. 59. 74a. 90: 12 Fälle. Stabform x a in stumpfem Anvers (§ 268): 4. 32. 71. 76. Unterepische Füllung: 23a. 32a; 20b. 91b. Auch der Reimvers 79b ist überleicht. Typus a. 2S. 2s: 92a; a. 2S. i s : 1 1 a (§232). (77a lesen wir: denne v^rit ¿r ze deru mähalsteti, vgl. § 269.) 83 Anverse, 82 Abverse, das sind 81 % der Masse, dürfen als Stabreimverse nach der epischen Regel gelten. Nur daß sich die Halbzeilen kaum mehr nach dem Gewicht abstufen; insbesondre K ii) würde die große Zahl der a. g | ' • k im Abvers (25 Fälle) dem Heliand oder gar dem Beowulf widerstreben (§ 252. 260). Daß die zwanzig längsten, 5—7silbigen Auftakte zur Hälfte dem Anvers gehören, hängt mit dem vorwiegenden Zeilenstil zusammen (§ 366, vgl. 344). Nach dem Reimvers hinüber geebnet ist der rhythmische Gang kaum. Die 'neutralen' Kurzverse, die mit gleichem Zeitfall auch bei Otfrid stehn könnten, betragen 46%; die mit dem Wahrzeichen des alten Stils, Überlänge im Innentakt, 17%. Diese
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ÜBERGANGSFORMEN:
ZAUBERSEGEN.
Zahlen liegen nicht so sehr weit ab von denen des Hild.: 40% und 20%. So ist das Muspilli als ganzes kein Mittelglied zwischen altem und neuem Verse. Eine beträchtliche Bruchzahl seiner Zeilen, und zwar über das ganze Gedicht hin, fällt aus der ältern Form: die Hauptmenge fließt aus dem Gefühl für agerm. Rhythmus. 436. Eigentliche Zwischenformen finden wir in deutschen Zaubersegen. Die haben die doppelte Neuerung, die im Reimschmuck und die im Rhythmus, nicht immer zusammen vollzogen; es kreuzte sich auf die eine oder andere Art. Vertreten sind 5 Übergangsstufen: 1. das alte Maß ohne Stabreim, 2. das alte Maß mit Endreim, 3. das neue Maß ohne Reimschmuck, 4. das neue Maß nur mit Stabreim, 5. das neue Maß mit (lückenhaftem) Stab- und Endreim. Diese Arten können sich mischen. Das Zersingen als Ursache der Buntheit erkennt man im Hundesegen (§437). Bei allen Germanen gab die höhere Dichtung mit dem Stabreim das alte Metrum auf; denn dieses b r a u c h t e den Stabreim (§114, 7). Die Kleinkunst zeigt Ausnahmen: die zwei Langtakte stablos; sieh § 117. Vorgermanischer Rest, wie im Wurmsegen, ist dies im ersten, christlichen Wiener Segen nicht 1 ). Er beginnt mit 3 Kurzversen 'neutralen' Zeitfalls, Otfridversen ohne Reim; dann bricht unverkennbar, ausdrucksvoll die germanische Linie durch. Zu ändern braucht man nicht. Man lese: Visc flöt äftar themo wätare, verbrüstun sina vetherün; thö gihölida ina use drühtin. The s&vö drühtin, thie thena visc gihöldä, thie gihöle that hers theru spüri^-helti. Mit Endreim verbindet den alten, markigen Rhythmus der erste Trierer Segen (Braune 166): Crist wärth giwünd ^ : thö warth he höl gi 5k gisünd ^ ; that blüod ^ forstüond ^ : s6 duo thü, blüod x\ . Zusammengesetzter ist der 'Straßburger Blutsegen1 (Steinmeyer 375). Z. 1 und 2 sind glatt Otfridisch, mit fraglichem Endund Stabreim. Die monopodische Bewegung läuft wohl fort in dem Unpaarigen, der die Erzählung endet; aber sein Ausgang ist un - Otfridisch, stumpf: tö verstönt taz plüot Die drei Wunschverse schlagen den agerm. Rhythmus an mit einer höchst wirkungsvollen Mindestform S. s (§ 221); Stabreim haben sie nur durch Wortwiederholung: verstände tiz plüot! stänt /\, plüot! /s stant, plüot, fastö!
ÜBERGANGSFORMEN : Z A U B E R S E G EN.
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Auch das Stück vom Tumbo hat nur solche Wiederholungsstäbe, dazu in Z. i und 3 Endreim; die Bewegung ist die des jüngern Maßes, doch vorwiegend dipodisch und in Z. 2 mit stumpfen Versen: tümb hiez ter berch /\, tümb hiez taz kint ^ . Im ganzen die fünfte der erwähnten Stufen. Mit unrichtiger Verstrennung MSD. IV 4. Braune 165 druckt das ganze, Steinmeyer 372 die Wunschformel als Prosa.
437. Ausgeprägt monopodischen Gang mit freien Stäben und ohne Endreim (Stufe 4) zeigt die Hausbesegnung (MSD. 2, 305; Steinmeyer 389): wöla, wiht, taz tu weist, täz tu wiht h6izist, täz tu newdist noch nechänst ch^den chnöspinci. Mit lückenhaftem Stab- und Endreim erscheint das jüngere Maß im 1. Merseburger Spruch: seine erste, auch die vierte Zeile kämen in den Langtakten weniger gut heraus 1 ). Wir lesen so: iiris säzun idisl, säzun hera düoder: süma häpt höptidun, süma höri l^zidun, süma clöbödün ümbi cüniowidi. insprinc haptbändun, invär vigändün! (Der 3. Abvers vielleicht stumpf: ümbi cüniowidi 2a und b vielleicht mit Schluß £ X vgl. § 494.) Nahezu durchgehenden Endreim samt Stäben hat der Weingartner Reisesegen, MSD. 1, 18, dessen fünf ohrenfällige, glattfließende Langzeilen Steinmeyer 398 für 'rhythmische Prosa' erklären konnte 2 ). Z. 1 und 2 in deutlich monopodischem Fall: Ich dir näch sihe /\, ich dir näch sende 11 mit minen fünf fingirin fünvi undi fünfzic engili. Z. 3-5 führen zwar den Schritt / v / ^ durch, aber mit der ebenen Füllung des jüngern Maßes. Beachte den stumpfen Vers i a . Endreim fehlt nur in Z. 1. Alle fünf Zeilen haben Stäbe, 1 und 5 sogar gekreuzte (§ 132), aber nicht nach den alten Stellungsregeln. Die bunteste Mischung unter diesen Sprüchen zeigt der Wiener Hundesegen, den wir mit MSD. 1, 16 gegen Braune 85, Steinmeyer 394 für Verse halten. Der kirchliche Rahmen steht im jüngern Lager: z . T . reimende Otfridverse: dö was säncte Marti || Christas hirti; de früma mir sa hiuto allä 11 hera heim gasüntä (vgl. Beitr. 42, 118); z. T. reimlose Verse, viermal mit stumpfem Schluß: Christ wärt gabören ^ 11 er wölf öde diob . Das Mittelstück 4-10 enthält vier stabende Unpaarige und eine Langzeile, die mit arwarten für za scedin werdan formgerecht würde, dazu zwei formsprengende Einschiebsel, 6 und 10. In dem überlieferten Zusammenhang sprach man diese stabenden Verse wohl im jüngern Rhythmus: der gawerdo walten; däz in wölf noh
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FORTWIRKEN DES
STABREIMS.
wulpä . . . Nach ihrer ursprünglichen Bestimmung werden es richtige Vertreter des agerm. Maßes gewesen sein, auch wieder Unpaarige und Langzeilen durcheinander. Saran, DVersl. 235. An Mischung 3- und 2hebiger Verse glaubt Lindquist, Galdrar I4ff. Es trifft nicht zu, daß der epische Teil Stabe, der magische reime (ZsAlt. 58, 61). ' ) In der Hauptsache richtig rhythmisiert Moser, Gesch. d. d. Musik I, 51. — Ganz aus dem alten Stile heraus ist der Lorscher Bienensegen (Braune 85); sieh Unwerth, Beitr. 42, n j i .
438. Eine letzte Übergangsform wären Stücke, die das jüngere Metrum samt dem Reim durchführen, aber da und dort einen beabsichtigten, nicht zufälligen Stabreim einstreuen. Man darf hierherrechnen die zwei Versgruppen aus Notkers Rhetorik (MSD. 1, 56; Braune 153). Die Langzeilen 2, 5 und 7 haben Stäbe, die ihre Silbenreihe wirklich beherrschen und die Hälften verknüpfen nach den Ansprüchen der alten Kunst. Dipodische Messung mit Überlänge würde einige Verse sicherlich heben: i a söse snel snellemo; 4a sin bald ellin; 7 unde zene sine || zwelif-elnige; aber ein zwingender Grund dazu besteht nicht; es kann auch die flachere K u r v e Otfrids gemeint sein. Bei Otfrid und allen anderen Reimdichtern, ahd. wie mhd. Zeit, erkennen wir kein Fortwirken des germ. Stabbrauches. Ihre gleichen Anlaute ruhen guten teils auf Formeln, die in der Prosa weiterlebten; fast durchweg liegen sie innerhalb ¿ines Kurzverses. Eine Häufung wie II 7, 27b thia früma uns füntan fllu främ zeugt g e g e n altgermanisches Reimstabgefühl. Langzeilen, durch formgerechten Stabreim verknüpft, sind schon bei Otfrid so selten, daß er dieses weltliche Kunstmittel eher gemieden als gesucht hat 1 ). Fragwürdig ist die Annahme, in mangelhaften Endreimen wie muases: marines habe man den gleichen Anlaut als Nachhilfe empfunden 2 ). Der Bruch mit dem Stabreim war in Deutschland viel schärfer als in England. *) So Unwerth-Siebs, DLit. 171. 189. Gewollten Stabreim bei Otfrid, noch mehr im Georg, nimmt Boer an: Verslagen en Mededeelingen 1918, 223ff.; Nachwirkung in mhd. Zeit: Lindemann, Über die Allit. . . im Volks- und Spielmannsepos 1914; im König Rother: de Vries, Rother (1922) X L I I I f . 2 ) Wolff, ZsAlt. 60, 276ff.; in der Wiener Genesis: Vogt, Beitr. 2, 249t.
23. Abschnitt: Der Reim. 439. Aus heimischer Wurzel kann man den deutschen Endreim nicht herleiten, so wenig als den der anderen Germanen. Entschiedene Ansätze zu Reimbindung der Zeilenhälften bot die Stabreimdichtung nicht; wir wiesen bei den Skalden darauf hin (§ 399). Fälle wie Hild. 56 man: giwinnän; 58 ärgöstö: -liutö würden zwar althochdeutschen Reimgedichten genügen,
HERKUNFT DES REIMS.
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aber im stabenden Lager hat man sie, bei ihrer Seltenheit und weil das Ohr keinen Reimschluß erwartete, schwerlich herausgehört. B i n n e n r e i m war etwas häufiger; ihn kennen auch Zwillingsformeln : ahd. enteo ni wenteo; ae. ne londes ne strondes; awnord. sggn eöa f>Qgn; aschwed. ren ok sten = hd. rein und stein. Aber auch diese bilden, neben den stabreimenden, eine viel dünnere und sichtlich jüngere Schicht mit nur vereinzelten gemeingermanischen Belegen; und vom Binnenreim aus wäre man nicht so leicht zur reimenden Verknüpfung der Kurzverse gelangt, auch blieben die häufigen Halbreime und Endsilbenreime von da aus unerklärt. Beim deutschen Endreim kommen, anders als beim skaldischen, die zwei entscheidenden Gründe hinzu: Der Reim verdrängt und ersetzt den Stabreim als Bindemittel der Verse; und m i t dem Reime kommt das neue, kenntlich verschiedene Versmaß. Beide Neuerungen führt die höhere Poesie mit einem Rucke durch. Mischformen zeigt nur die Kleindichtung (§ 436). 440. Der europäische Endreim ist ein Geschenk der Kirche. Darin behält Uhland Recht gegen Rask und die Brüder Grimm. Seit dem 5. Jahrh. kennt die römisch-kirchliche Dichtung planmäßigen Reim. Seine Heimstätte wurde eine Dichtart, die eben damals aufkam. Neben den Versen alten Stiles, den messenden, baute man lateinische Verse neuer Art. Die nahmen auf die Silbendauer keine Rücksicht, und Hiatus störte sie nicht (erás absqué originé); vom Silben t o n verlangten sie höchstens im Versschluß Zusammenfall mit der Hebung, auch dies keineswegs folgerecht (die 'unreinen Schlüsse'): in páterná clarítaté; ergó erít diés illé. Es war jener nichtmessende, bedingt wägende Versbau, der uns in § 95. 102 begegnete; die Grundlage für den Vers der romanischen Sprachen. Man nennt ihn oft den silbenzählenden, denn gewöhnlich hatten Vers und Versglied starre Füllung (vgl. § 473). Doch pendelt es nicht selten z. B. zwischen 7 und 9 Silben; auch nicht-messende Hexameter mit grundsätzlich freier Summe gab es seit dem 7. Jahrh. Wer also den Namen 'silbenzählend' gebraucht = 'weder messend noch wägend5, der hat hier das schöne Oxymoron: 'silbenzählende Verse mit freier Silbenzahl1! — Die große Menge aber dieser Dichtung bestand aus J a m b e n oder Trochäen. Diese zwei Namen gebrauchen wir weiterhin in dem herkömmlichen, übertragenen Sinne, wie er uns vom neudeutschen Verse her gewohnt ist. Schaden stiften sie unmöglich, sobald wir uns über die Währung der Münze einigen. Ü b e r die Z e i t w e r t e sagen sie n i c h t a u s : sie lassen offen, ob der Taktrhythmus
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CARMINA
RHYTHMICA.
I ~>< XI oder I J_X I oder I 'X I war (vgl. § 478): eben in dieser unvorgreiflichen Allgemeinheit liegt der Nutzen, ja die Unentbehrlichkeit der Namen. Sie bezeichnen einfach Verse mit zweisilbigen Innentakten: (_) 1 _ L _ . . . . , also 'alternierende* oder Aufund Ab-Verse; 'jambisch', wo sie mit einsilbigem Auftakt, 'trochäisch', wo sie auftaktlos beginnen. Zwischen diesen beiden Messungen kann man beim mlat. Verse in Verlegenheit kommen, da wo sich auch die Kadenz das Wägen spart; wie bei Alcuin PLat. 4, 904: Bonus factor bona valde || condidit cuncta celeriter; Quae singula sunt nam bona, 11 simul omnia satis bona. Es war eine nach Rhythmus wie Sprachbehandlung tiefstehende, plebejisch ehrgeizlose Form. Um ihre Dauer und ihre starke Wirkung zu verstehn, bedenke man: die Texte waren in der Regel nur das Fadennetz zu der Stickerei der Musiktöne. Und 'die Musik unterliegt nicht den Regeln des Donat', der Grammatik; will sagen: sie m u ß die Silben weder messen noch wägen. Mit den Namen 'carmina metrica' und 'carmina rhythmica' unterschied man die klassische und die neuere Versart. Noch heute spricht die Forschung von 'rhythmischem Bau, rhythmischen Versen und Dichtern' in diesem bestimmten Sinne; also wohl zu scheiden von der gewohnten Bedeutung des Wortes! Da man die neuere Art Verse so oft mit Reim verband, konnte man bei 'carmen rhythmicum' an den Reimschmuck denken, und rhythmus, ritmus wurde ein Wort für das gereimte Gedicht, den Reimvers. Davon stammt das franz. rime. Dieses drang im 12. Jahrh. ins Deutsche: rim, nhd. reim bezeichnet bis nach 1600 den gereimten Vers, auch die Versgruppe, Spruch, Liedchen, wie noch heute in überkommenen Prägungen: Kehrreim, Leber-, Kinderreim, 'ein lustiger Reim'. Erst Opitz gebraucht mit neuerlichem Anschluß an frz. rime das Wort im Sinne von 'homoeoteleuton'. Sieh Braune, Reim und Vers 1916. 441. Der Nachahmer überholte sein Vorbild. In den lat. Ritmi ist der Reim ein halbes Jahrtausend und länger 'nicht regelmäßig und meistens unbedeutend'; erst im 11. Jahrh. führen sie den Reim völlig durch 1 ). Die deutschen Reimer tun das von Anfang an. Sie mochten das Gefühl haben, irgendein Reimband tue den Versen not, wenn nicht mehr der Stabreim, dann der Endreim. Das halbe Dutzend reimloser Zeilen in Otfrids erstem Buche (§ 453). reimlosen Stücke unter den Zaubersegen und das gelegentliche Versagen des Reimklangs in rohen Versen vor 1100 (§ 456) schränken den Satz wenig ein, daß in Deutschland der
S T E L L U N G DES
REIMS.
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Endreim so unentbehrlich war wie einst der Stabreim. Bis übers Mittelalter hinaus war Versemachen Reimen 2 ). Reimlose Glieder gab es nur an gewiesener Stelle im Gruppenbau (die 'Waisen'), — auch in Herzählversen wie dem Traugemundslied (MSD. i , 192), zu vergleichen mit den reimlosen 'Zählgeschichten' der neueren Spinnstuben (Bücher, Arbeit und Rhythmus 4 86ff.). Anders als in England, wo, von der fortlebenden Stabkunst abgesehen, planloser Reimmangel bis ins 13. Jahrh. vorkommt, auch ein umfängliches, metrisch strenges Denkmal, das Ormulum (um 1200), auf Reimschmuck ganz verzichten konnte. W . Meyer, Ges. A b h . 2, 124; Gött. Gel. Nachr. 1908, 43. 80; ib. 1913, 173. D a s Stück ' H i m m e l und Hölle' beurteilen wir mit N a u m a n n , Notkers Boethius 92. 2)
442. Jede Reimart, Stab- wie Silbenreim, ist zunächst einmal ein wohlgefälliges L a u t s p i e l . Da beim Silbenreim zumeist der wiederkehrende Vokal, in ältester Zeit so oft nur ein sprachlich schwacher, ins Ohr fällt, ist die Wirkung sanfter und mehr gesanglich gegenüber dem rednerischen Nachdruck des Stabreims. Zum Stabreim taugten nur hebungsfähige Silben und auch unter ihnen nur die stärkeren (§ 122. 137): beim Silbenreim wirken a l l e Silben bis zur schwächsten mit. Das zweite, wichtigere: daß der Zierat die rhythmische Kette gliedern hilft, trifft auf den Endreim so gut als auf den Stabreim zu, nur in ganz ungleicher Weise. Der Endreim gliedert, indem er Schlüsse, metrische G r e n z e n , fürs Ohr auszeichnet (§52). Der Stabreim hatte G i p f e l erhöht und damit den vershaften Bau mehr von innen bestimmt. Der Stabreim, richtig gewürdigt, ist mit seinem Verse mehr verwachsen als der Endreim. Dagegen reicht die Fähigkeit, Gruppen zu bilden, beim Endreim viel weiter. Verschränken und Häufen — über die niederste Periode hinaus (§ 132) — hat man beim Stabreim niemals versucht. Gesonderte Silbenreimklänge scheint das Gedächtnis leichter auch in Verflechtungen zu beherrschen. Der R e i m s t e l l u n g e n gibt es daher viele. Ihre Betrachtung fällt in das Kapitel vom Gruppenbau. Eine neue Reimstellung bedeutete eine neue Strophe. Der Strophenreichtum der Ritterzeit hatte die entwickelte Reimkunst zur Bedingung. Aber 300 Jahre lang machte man von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch: man begnügte sich mit der schlichtesten Reimstellung, dem Paarreim: a a b b . . . . , mochten nun die reimenden Glieder Kurzverse sein, wie in der erhaltenen Dichtung, oder Doppelverse, Langzeilen, wie in verlorener Spielmannspoesie (§731). Nur gelegentlich setzen Reimpaarwerke schon der frühmhd. Zeit einen Dreireim a a a ein (§527). Planmäßig schritt erst
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HAUFENREIM.
SCHALLFORM DES REIMS.
die ritterliche Lyrik, nach 1150, über den Paarreim hinaus (§ 810). Da meldet sich der zweite fremde Einfluß: der neugewonnene Reichtum der lateinischen, dann auch der welschen Reimstellungen strömt ein: zuerst die gekreuzte Stellung ab ab . . . , dann die umschließende a b b a, der Schweifreim aab ccb; weiter die Formen mit drei und mehr Gleichklängen usw. Fern blieb man dem welschen Haufenreim, den tirades (laisses) monorimes': ganze Versreihen wechselnder Länge auf éinen Ausklang gebunden. Diese ungewohnte Form ersetzten im Alexander und im Roland die deutschen Bearbeiter (um 1130) durch den gewohnten Paarreim. Später, da Endsilben als Träger des Reimes nicht mehr genügten, hätte der Haufenreim germanischen Sprachen Mühe gemacht (§ 461). Aber schon in der Lateindichtung fand der Tiradenreim, 'die älteste Form des lat. Reimes', bei Deutschen nicht die Pflege wie bei Spaniern, Iren und Franzosen1). Noch weniger konnte man in deutscher Sprache daran denken, die Einreimigkeit ganzer Gedichte nachzuahmen, wie sie zumal in Spanien, aber auch in Frankreich, selbst in ungleichversigen Strophen, vorkam2). Den Grundsatz, in den Strophen éines Liedes nicht bloß die Reimfolge, auch die Reimklänge zu wiederholen, überließ man im ganzen den Romanen (§ 827. 829). x ) W. Meyer, Ges. Abh. 2, 1 2 3 ! Vgl. Polheim, Die lateinische Reimprosa (1925) I X ; Wallner, Beitr. 43, I95ff.; Plenio, ib. 39, 3 i 3 f f . Den Namen Tirade vermiede man besser, wo kunstreicher Gruppenbau längere Strecken von vorbestimmter Verszahl einreimig bildet (wie die Leiche Gutenburgs, Frauenlobs); das ist Reihenreim, verschieden vom Haufenreim. a ) Stengel, Gröbers Grundriß II 1, 77.
443. Die S c h a l l f o r m des Reims macht in Deutschland eine starke Entwicklung durch: vergleichbar mit den englischen Zuständen, verschieden von den skaldischen, wo der Endreim seit dem ersten Schritte vollreif ist (§ 396). Der altdeutsche Reim von etwa 1180 an stimmt zu dem, was wir heute 'reinen Reim' nennen. Daneben erscheint der Reim ahd. und frühmhd. Stufe frei und unvollkommen. Aber mit der Wendung 'der Reim ist reiner geworden, den Halbreim hat der Vollreim verdrängt1 träfe man nur die eine Seite und noch nicht einmal die wichtigere. Auch der Vollreim steht anfangs unter anderen Forderungen. Der r h y t h m i s c h e Anspruch an den Reim hat sich erhöht. So kurz wie Egils Runhending (§ 397!) läßt sich Otfrids Reim nicht beschreiben — nur die Stellung ist noch einfacher als dort. Der Buntheit der Schallform kommen wir bei mit Hilfe dieser Unterscheidungen.
SEINE LAUTLICHE UND SPRACHRHYTHMISCHE BESCHAFFENHEIT.
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444. Erstens die l a u t l i c h e Beschaffenheit. Silbenreim und Stabreim sind Gegensätze: beide zwar vereinigen für gewöhnlich Gleichheit mit Ungleichheit; aber das Gleiche geht beim Stabreim dem Selbstlauter voran (§ 119), beim Silbenreim ist gleich der Selbstlauter: vokalischer Halbreim, oder was ihm folgt: konsonantischer Halbreim, oder beides: Vollreim. Für Selbst- wie Mitlauter gibt es Grade der Ungleichheit: l a u t ä h n l i c h e Klänge haben wir in den Paaren got:nöt; sär : hiar; läzan : niazan; scowon : bluomon; — biginnan : bringan; folget : wollet; baldo : selbo; morgan : irsterban. Die Ungleichheit neben der Gleichheit fehlt, wo dem Selbstlauter gleiche oder keine Mitlauter vorangehn: giang : zigiang; eigi : eigi. Dies heißt rührender Reim. Es gibt auch rührenden Halbreim: minan : mldan; wirdi : wurdi (wie nhd. erde : ehrte; lügen : liegen). Hier ist die Ungleichheit zwar vorhanden, aber da wo sie das Ohr nicht sucht! 445. Zweitens die s p r a c h r h y t h m i s c h e Beschaffenheit. Die reimtragenden Silben können sein: 1 maht : naht; 1 heilant :fiant; ^ wlbon :magadon; hugita :zelita; L^L wuntar : suntar; worahtun : forahtun. Erst n a c h Otfrid die Gruppen: ¿^L sagen : dagen; lougino : tougino; eriste : heriste. Noch später die , 'ix, sieh §464. Der sprachrhythmische Hauptunterschied ist der von Stammsilbenreim und Endsilbenreim. Der erste ruht auf einer Wurzelsilbe mit oder ohne Endsilbe(n): maht : naht; wuntar : suntar; zelita : welita. Der zweite ruht nur auf Endungssilben: lindo: selbo; afaron : redinon; wlbon: magadon; hugita : zelita. Stammund Endsilben können untereinander reimen: sun : liazün; thaz: mänagäz. Sprachlich starke A b l e i t u n g s s i l b e n reimen selten untereinander, viel öfter auf Wurzelsilben: heilant: fiant; bouhnenti: sprechenti;—hant: fiant; ediling : thing; wahsenti: henti; stilnissi: giwissi; drinkanne : manne. 446. Drittens die v e r s r h y t h m i s c h e Beschaffenheit. Otfrid und seine Gruppe kennen, wie wir vorweg nehmen (s. § 492), die drei Kadenzen: einsilbig voll (iv), zweisilbig klingend (2k), dreisilbig klingend (3k). Dem entsprechen aber nicht 3, sondern 8 rhythmische Reimformen: 6 einhebige, 2 zweihebige. Dort ruht der Reimklang nur auf der letzten, hier auf den beiden letzten Hebungssilben. Der Ausgang i v reimt einhebig. Die Schlüsse 2k und 3k reimen ein- oder zweihebig; wenn das erste, können sie untereinander und mit i v reimen.
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S E I N E VERSRHYTHMISCHE
BESCHAFFENHEIT.
Die acht Arten sind diese : Einhebige Reime: 1. i v : i v maht : naht 2. i v : 2k sun : liazùn 3. i v : 3k thaz : managàz 4. 2k : 3 k wibòn : màgadòn 5. 2k : 2k lindo : sélbò 6. 3k : 3 k àfaròn : rédinòn Zweihebige Reime: 7. 2k : 2 k wiintàr : suntàr 8. 3k : 3 k zélità : wélità. Die Paare 1 und 5-8 kann man rhythmisch eben nennen: den Reim tragen gleichwertige Kadenzen. Stärkestufen gibt es auch da noch: thing : édilìng unter 1 (§ 493, 2) ; héntì: héffèntì unter 7. Die Paare 2-4 sind rhythmisch uneben. Die Schlußsilben selbst haben doch unter 4 gleichen Stärkegrad. Bei Otfrid verhalten sich die ebenen zu den unebenen ungefähr wie 9 : 1 . Stammsilbenreim liegt vor in 8 und mit einigen Ausnahmen in 1 und. 7; Endsilbenreim in 4-6; Mischung in 2 und 3. Da Versschlüsse a u f S e n k u n g (2silbig voll, 2silbig stumpf) noch mangeln, gibt es bei Otfrid keinen Gleichklang bloß in Senkungssilben (nase: muge §458). Den ahd. Reim trägt mindestens éine gehobene Silbe. 447. Unsre Beispiele für die acht Arten boten Vollreim. Ziehn wir die mancherlei H a l b r e i m e heran (§444), so zeigt sich vor allem ein breites Übergangsgebiet zwischen 5 und 7, zwischen 6 und 8: Reime 2k : 2k wie: érdù : zéllù; wàrù : zàlù; lantè : hàltè; tharbèn : irbàrmèn; — z i a r ò : thionò; liubì : gilóubì; wisèn : firliasèn; — m a n n è : kindè; aitò : wórtò; dà ti : n i ti; snèllo : fóllò; hartò : wórtò. Reime 3k : 3k wie: rédinòn : ébonòn; himilè : widirè; ménigì : ingéginì; hàbètì : sàgétì; — z é l i t ì n : wóroltìn; hólotì : gilàdótì; bérahtà : wórahtà. Solche klingenden Halbreime kommen an Zahl den Vollreimen unter 7 mindestens gleich; denen unter 8 tun sie es weit zuvor. Lassen wir sie alle als zweihebig gelten, dann hat Otfrid zu gut zwei Dritteln zweihebigen Reim, und die Summe der beidseitigen Stammsilbenreime mag sich auf etwa 88% belaufen. Aber der Übergang ist, wie man sieht, fließend. Den einhebigen 5 und 6 stehn besonders nahe die zahlreichen, wo der Gleichklang beginnt mit dem Konsonanten vor dem letzten Hebungs-
ARTEN DES HALBREIMS.
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vokal: ältö : wörtö usw., zölitin : wöroltln usw. Sollen wir die buchen als rührende einhebige Vollreime (-to : -to; -tin : -tin) oder als zweihebige Halbreime? Für die Dichter gab es diese Unterscheidung nicht; man beachte nur, daß rührender Reim außerhalb dieser großen Gruppe, zumal in 1, spärlicher begegnet, jedenfalls nicht gesucht wird (W.Grimm, Kl. Sehr. 4, 159 ff.; Wesle, Frühmhd. Reimstudien 53). Die entschieden einhebigen Arten 5 und 6 treten weit zurück. Von den 139 Fällen unter 5 haben beinah drei Viertel lautähnliche Konsonanten vor dem letzten Vokal, und von der Minderheit, Fällen wie höher : liuber; gimeinit : houbit, stehn die meisten in Buch I. Entsprechendes gilt von Gruppe 6. Wir dürfen schließen: Klingende Paare strebte Otfrid nicht rein einhebig, nicht erst vom letzten Sonanten ab zu reimen 1 ). Nachgewiesen von L. Wolff, ZsAlt. 60, 273 f f . ; dazu Wesle, Frühmhd. Reimstudien 6 l f . 98f. Statistische Angaben zu Otfrids Reim ferner bei Vos, Studies in honour of Gildersleeve (1902) 435 f f . ; Holzwarth, Zu Otfrids Reim 1909 (die sorgfältige Gruppierung wird leider gr. T. entwertet durch das Vermengen voller und klingender Schlüsse; sieh Wolff 1. c. 265ff.).
448. Aber auch Halbreim d e r U l t i m a begegnet in der Mehrzahl der 8 Gruppen: 1. kraft : maht; riat : bliant; druag : muat; not : widorört; ¿dilinc : Lüdowic. 2. fram : wirdän; werd : alles (IV 35, 15); wäkär : hiar; 3. thiu : gärawü; 5. irfüllet : singent; 7. rächä : lächän; gängön : wängün; •—grüazet : stiezent; Swartdn : sintün. Es sind zusammen 306 Fälle ( = 4%). Nur 35 davon weichen im V o k a l ab 1 ); ein äußerster Fall ist firdänen : ginädön I 7, 28 (Fränkel, ZsAlt. 58, 55): sonst sind die Vokale lautähnlich (§ 444). Auch bei den Konsonanten fehlt Bindung von Sonoren mit harten Lauten, und Ausweichungen wie in quad : -sprah; wizzod : drof sind vereinzelt (zusammen 8 Fälle). Etwas öfter werden Nasale, 1 und r vermengt (häufig nur m : n), nt oder ht gleich t gesetzt, z gleich s (thaz : was ist ein Lieblingsreim). Vgl. Wesle, a. a. O. 36?. Man hat diese 306 Fälle als 'ungenaue Reime1 abgesondert: 'genau' im Sinne Otfrids wäre eben Gleichklang mindestens vom letzten Vokale ab, also Vollreim mindestens der Ultima, wie in den Beispielen § 446. Allein, die 4 % 'Ungenauen' nehmen im Laufe des Werkes nicht ab (Holzwarth 14): als anstößig hat Otfrid die halbreimende Ultima nicht empfunden.
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D A S LATEINISCHE VORBILD.
l ) Nicht mitgerechnet die vielen Reime der Endungen -an, -ar, -e, -er, -es, -i, -in, -o, -ot auf langvokalische Wurzeln (gän, wâr, se, lés usw.); sieh Zwierzina, ZsAlt. 44, 13; E.Schröder, Gött. Gel. Nachr. 1918, 42if.
449. Wie reimte d a s l a t e i n i s c h e V o r b i l d ? Der Reimbrauch der Karlingerzeit ist sehr frei und kunstlos. Abgesehen von dem Ausbleiben des Reimes (§ 441), kann der Gleichklang beliebig über eine, zwei oder drei Schlußsilben gehn, kann Vollreim oder Halbreim sein ; auch die Ultima kann sich mit Halbreim begnügen. Die Grenze nach dem reimlosen Vers ist unfest. Im einzelnen liegt es verschieden je nach dem Zeitfall der Kadenz, also nach dem Versmaß. Der jambische Achtsilbler, das rhythmische Hauptvorbild der deutschen Verse, hat den starren Schluß ; mithin das nächste Gegenstück zu dreisilbig klingend : mânagàz. Seine Reimarten sind folgende. Die Beispiele aus dem großen Reimgedichte des Hrabanus Maurus, des Lehrers Otfrids, 'De fide catholica' PLat. 2, i 9 7 f f . a) Halbreim nur in Ultima: sobolèm : discriminé; furibundùs : ädversarios. Vgl. die deutschen Fälle in § 448 (am ähnlichsten édilinc : Ludowïc). b) Vollreim erst vom letzten Vokale an : feminam : copulam ; gloria : saecula. Vgl. § 446 Art 6: âfarôn : rédinôn. c) Der Konsonant vor dem letzten Vokal reimt mit: pietas : boni tas; siderum : baratrum; confractae sunt : liberati sunt. Vgl. § 447: zélitin : wöroltin. d) Die letzte Senkungssilbe reimt mit: latior : purior; vexerat : servaverat ; expulsus est : liberatus est. Nur mit dem Vokale : callidus : doloribus ; crimina:remedia; tribulos:carduos. Vgl. §447: hölöti : giladöti. Reime wie gibilîdôi : girédmôi (II 3, 57) sind ahd. noch vereinzelt; frühmhd. : menege : farewe; widere : ubele; im NibL. Hagen g : menege. e) Konsonantischer Halbreim von der drittletzten Silbe an: citius : satius; flumina : crimina; auxerat : detraxerat. Vgl. § 447 : bérahtà : wôrahtà. f) Vokalischer Halbreim von dçj: drittletzten Silbe an: imâginèm : venerâbilèm; folio : domino; mandere : tradere; agmina : salvamina. Vgl. § 447 : himilè : widirè ; hâbêtl : sâgêtl. g) Vollreim von der drittletzten Silbe an : timueràt : corrùeràt ; dementia : potentia ; rectissimum : mitissimum. Vgl. § 446 Art 8 : zélità : wélità. Auf diese letzte, klangvollste Art entfallen von den 300 Verspaaren Hrabans nur 14, auf die erste, mangelhafteste nur drei (reimlos sind zweie), c ist seltener als das deutsche Gegenstück; die große Menge gehört unter b, d, e, f.
DAS
LATEINISCHE
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VORBILD.
450. Zwar kehren diese Spielarten bei Otfrid ziemlich vollständig wieder, aber genauer entsprechen nur seine 3 k-Schlüsse, und die mögen ein Zwölftel der Masse ausmachen ! Die so viel häufigeren i v - und 2 k-Schlüsse kann man nur aus Abstand mit den Reimen des jambischen Achtsilblers vergleichen. Der einhebige Stammsilbenreim (iv), maht : naht, hatte in den lat. Ritmi insgesamt kein Vorbild: Schlüsse wie rex : lex; fons :mons; sit : fit baut der Ritmus nicht. Wohl aber gab es lat. Vorgänger der 2k-Reime (Art 5 und 7 in §446): unter den jambischen Sieben-, den trochäischen Sechssilblern1) : audite, ómnes géntès; miserére sèrvi. Derartige Reimverse stehn freilich bei den Poetae Latini Merwingischer und Karlingischer Zeit spärlich: in den vier Bänden sechs bis sieben Nummern, fast lauter kurze, anspruchslose Dinger; die nachmals so geschätzte Vagantenzeile: . . . in tabérna morì: . . . ori (§ 743) kennt man noch nicht. Man darf zweifeln, ob unsern deutschen Reimern solche Muster im Ohre lagen. Aus dem etwas längern Gedichte PLatin. 4, 501-3 'Audite, omnes gentes' (vgl. W. Meyer, Gött. Gel. Nachr. 1915, 262) führen wir diese Reimarten auf, die man ohne Erläuterung den 2k-Reimen Otfrids in § 446—48 zur Seite stellen kann: acétùm : misérùnt ; latrones : salvatore; latus : salvator ; unctus : cunctos ; Pilatus : excusatum ; vinctùm : féstùm; predixit : surrexit; immolandum : tundendum; accepit : redemit; fudit : abluìt; flebat : dicebat; mercator : falsator. Diese zweihebigen Vollreime machen 35% (bei Otfrid 30%). W . M e y e r , Ges. A b h . 1, 218. 2 2 2 f . A u f d e n R e i m der ( m e s s e n d e n ) l e o n i n i s c h e n H e x a m e t e r k a n n der a h d . 2 k - R e i m n i c h t z u r ü c k g e h n . D e n n in d e r Z e i t v o r O t f r i d u n d n o c h v i e l s p ä t e r w a r der leoninische R e i m v o r w i e g e n d einsilbig ( m a n sehe n o c h b e i R u o d l i e b l ) : o m n i a qui Condens r e n o v a t p e r e u n t i a Clemens; u n d a u c h der z w e i s i l b i g e : a d te clämantés lacrimis et v o c e p r e c ò n i « w a r r h y t h m i s c h a l l z u u n g l e i c h einem deutschen wuntàr: suntàr.
451. Danach können wir d a s N e u e am ahd. Reime dahin bestimmen. Der schlechthin einhebige Reim ruht nicht bloß auf sprachlich schwachen Endsilben und Enklitika (wie lat. sunt, est), sondern oft, bei Otfrid überwiegend, auf sprachlich gewichtigen Wurzelsilben. Damit k a n n der einhebige Reim eine Haupthebung, einen der Gipfel des Verses, tragen; I 27, 61: er dóufit thìh, so thù iz ni weist, thùruh then héilègan géist. Weniger besagt, daß die Schlüsse i v , 2k und 3k untereinander reimen können: die rhythmisch unebenen Paare (§446 Art 2-4). H e u s l e r , Deutsche Versgeschichte II.
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EIGENART DES AHD. REIMS.
Da bei den deutschen Dichtern Stammsilbenreim und zweihebiger Reim so stark überwiegen und reimlose Verse kaum vorkommen, klingt der Endreim aus deutschen Zeilen, ungleich voller, beherrschender heraus als aus den durchschnittlichen Ritmi jener Zeit. Als fremdartiges Kunstmittel, hat man gesagt, als pergamentene Kunst verrate sich der ahd. Reim darin, daß er tonarme Endsilben so wichtig nehme. Dem Reime der romanischen Volkssprachen gegenüber kann man das ein Mißverhältnis nennen, verlangte doch der welsche Reim von jeher Anklang sprachlich betonter Silben (die sich ja dort in weitem Umfang mit den Endungssilben decken). Der lateinische Reim dagegen, der Anreger des deutschen, zieht schwache Endungssilben noch ausgiebiger heran; im Munde der Mönche war die Endung von vinctum und domino wohl gleich tonarm wie die von wïsun und oboro. Wir brauchen nicht anzunehmen, daß diese Endsilben mit einhebigem Reim, gesungen oder gesprochen, einen Iktus von zerrbildhafter Wucht erhielten. 452. Den Gegensatz zum heutigen deutschen Reim verfehlt man mit der Aussage : dem ahd. Reime kommt es nur auf Gleichklang der letzten Silbe an ('er ist eigentlich nur stumpf , wie dies manche ausdrücken). Dagegen zeugen laut die 30% Vollreime wie wûntàr : suntàr, und in gelegentlichen Paaren wie râchà : lâchàn, gângèn : wângùn klingt ja die v o r l e t z t e Silbe g e n a u e r an als die letzte ! (wie in lateinischem castitatem : peccato ; eum : reos). Auch die Fassung: man begnügte sich grundsätzlich mit Halbreim, ginge an dem Eigentümlichsten vorüber. Halbreimen wie: wolles alles : mannes stellen Goethe, Schiller, Heine gleichwertiges, wenn auch nicht gleiches, gegenüber. Das Eigentümlichste, das Altmodische am deutschen Reim der ersten drei Jahrhunderte fassen wir mit der Formel: allés: , t h Î n g è s les Das ist sprachrhythmisch ausgedrückt: eine schwache Endsilbe genügt für den Reimklang; und: Endsilbe kann reimen auf Stammsilbe, der Stärkeabstand hindert dies nicht. Versrhythmisch ausgedrückt: klingender Schluß darf einhebig reimen; und: er darf auf vollen Schluß reimen. In diesem Doppelgrundsatz liegt, daß man von der rhythmischen Schärfe des Reims weniger verlangt, daher auch von seiner rhythmischen Ebenheit (vgl. §443. 460).
O T F R I D S FORTSCHRITT IM R E I M E N .
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Bei Otfrid selbst freilich ist dieser altmodische Zug beschränkter als bei den Nachfolgern bis ins 12. Jahrh. herab; sieh §447. 454 i- 457f453. Im Reimgebrauch erkennt man eine E n t w i c k l u n g Otfrids. Da eine für uns brauchbare Gesamtstatistik fehlt, begnügen wir uns mit zwei Proben vom Ende und vom Anfang der Linie. Wir ordnen in die Fächer von § 446 ein: einerseits die drei s p ä ten Stücke Lud., Sal., 1 1 ('Cur scriptor . .'), zusammen 270 Langzeilen; anderseits eine gleichlange Strecke aus den Anf ä n g e n des Werkes, Buch I, 3-7; 10,1-16. Zu den Fächern 7 und 8 mit Halbreim rechnen wir alles, was schon vor dem letzten Vokal Gleichklang hat (sieh § 447); der Begriff des zweihebigen Reims ist demnach so weit als möglich gefaßt. Einhebige Reime: 270 frühe, 270 späte Langzeilen 1. i v : i v 22 49 mit Halbreim 8 4 2. i v : 2 k 12 8 3. i v : 3 k 2 1 4. 2 k : 3 k 0 38 5. 2 k : 2k 0 37 mit Halbreim in Ultima 1 0 1 6. 3 k : 3 k 5 Summe der einhebigen 121 Zweihebige Reime: 7. 2k : 2k mit Halbreim 8. 3 k : 3 k mit Halbreim Summe der zweihebigen
43 S51)
0 14 142
98 85 3 17 203
^ Davon zwei mit halbreimender Ultima: 6 , 9 wirdìg : druhtìnè; 7 , 2 8 firdanen : ginadon (§ 448).
In die linke Kolumne kommen noch 7 reimlose Verse: 3, 37; 4. 9- 49; 5. 3; 7- 9- J9- 27454. Die Unterschiede liegen zumeist in 1, 4, 5 und 7. Sie lassen sich so umschreiben: Bloßer Endsilbenreim in beiden Gliedern (4-6) ist anfangs beliebt (30%), am Ende fast ausgestorben (1 Fall). D a h e r die Abnahme der einhebigen Reime von 1 2 1 zu 67; denn die einhebigen Starktonreime (1) haben sich mehr als verdoppelt. Beides zusammen bewirkt die Zunahme des (ungemischten) Stammsilbenreims (unter 1, 7, 8) von 168 zu 260 ( = 96%). Rhythmisch 2*
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D I E KLEINEREN AHD. REIMWERKE.
unebene Paare (2-4) sind von 52 auf 9 zurückgegangen. Die zweihebigen 2k-Reime ( 7 ) — v o n Anfang zu Ende die weitaus stärkste Gruppe — neigen in den späten Stücken viel mehr zu Vollreim; die klangvolle Bindung wüntär : süntär ist von 16% zu 36% angewachsen. Wogegen die 3k-Reime wenig zu zweihebigem Vollreim vordringen (8). Erinnern wir uns an die Angaben in §447f., so können wir sagen: was Otfrid bei wachsender Übung als mangelhafte Reimkunst hinter sich ließ, ist nicht Halbreim des letzten, auch nicht des vorletzten Taktes, vielmehr 1. reimlose Verse, 2. einhebiger Reim klingender Schlüsse, 3. unebene Bindung. In unserm späten Stücke ist der erste dieser Mängel verschwunden, die beiden anderen noch mit 10 Fällen vertreten, = 3,7%. Otfrid ist im Begriff, aus dem hinauszuwachsen, was wir das Altmodische an seinem Reimen nannten (§ 452). Halbreime dagegen hat noch dieses späte Stück nicht weniger als 110 (8 einhebige); = 40%. In dem frühen Stück waren es 104 (5 einhebige). 'Reine Reime' nach dem Anspruch von 1200 und von heute (unter 1, 7 und 8) betragen am Anfang 24%, am Ende 56%Aus dem Gesagten sieht man, daß ein kleines Korn Wahrheit stak in der Behauptung: Otfrid erstrebe anfangs nur einsilbigen, aber reinen Reim, dann gewöhne er sich an den mehrsilbigen und zugleich an die Assonanz (Saran, DVersl. 249). Ein gutes Beispiel für gehäufte altertümliche Züge im Reimgebrauch ist der Engelgruß I 5,15 ff. (u. §503). Das Unentwickelte an Buch I (Kap. 2-7) zeigen auch die falschen Sprachformen, die den Reim erkaufen (Kögel, Lit. 2, 23f.). 455. Von den kleineren ahd. Reimwerken steht das kurze Petruslied mindestens auf Otfrids letzter Stufe: ¿in 3k : i v gin^riän : man; sonst nur Stammsilbenreim, zu vier Fünfteln Vollreim. Dagegen die fünf Stücke von 26 bis 59 Langzeilen bezeugen keineswegs Fortschritte der Reimkunst in den Jahren nach Otfrid (Siemers, Beitr. 39, 109). Sie erscheinen kunstlos durch die große Bruchzahl: 1. von Ultima-Halbreimen: Georg 7%, Samar. 10%, Ludw. 30%, Heinr.35%, Psalm 40%. Bei Otfrid 4 % (§448). Das Ludw. bringt es in seinen 19 einhebigen Stammsilbenreimen (iv : iv) nur 7mal zu Vollreim! (Vgl. das Verhältnis bei Otfrid § 453 Art 1.) 2. von rhythmisch unebenen Reimen: Ludw. 15%, Samar. 22^ %, Psalm 23! %, Georg 30%, Heinr. 54%. Bei Otfrid etwa 10% (§ 446).
D E R FRÜHMHD.
REIM.
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Auch 3. beidseitiger Endsilbenreim (Art 4-6) übertrifft in Samar. (13%), Georg (24%), Heinr. (30%) bei weitem den Otfridschen Durchschnitt, während Ludw. und Psalm mit 5% wenigstens der Enthaltsamkeit des späten Otfrid (§ 453) noch fernbleiben. Im ganzen hat das Reimen dieser fünf Denkmäler etwas Rückläufiges. Es nimmt nicht die von Otfrid errungenen Ansprüche auf: es hält zu dem läßlicheren Brauche der frühen Teile des Krist. 456. Verstärkt gilt dies von der gegen 1100 wieder auftauchenden Dichtung. Diese bringt neue Kadenzen und damit rhythmisch neue Reimarten hinzu. Zu den drei alten Schlüssen i v , 2 k, 3 k kommen die zweisilbig vollen (§ 543): der vierte Takt enthält ('männlich') und Z^. ('weiblich'). Meist sind es Stammsilbenreime; zum Unterschied von den althochdeutschen (§ 446) sind sie zugleich zweisilbig und einhebig; voll- oder halbreimend: besniten : vermiten; zugel : ubel; leben : haben; denchen : irtrenchen; vergäbe : phläge; vergezzest : gesitzest. Die stumpfen Schlüsse, / a und (§536). unterscheiden sich als Reime nicht von den ein- und zweisilbig vollen. Die dreisilbig klingenden Schlüsse mit Z^^k (§542) stellen sich zu den schon früher bekannten mit Lautlich wie rhythmisch ist dieser jüngere Reimbrauch viel freier als der des 9. 10. Jahrh. Man darf ihn entartet nennen, wenn er geschichtlich zusammenhängt mit der uns bekannten ahd. Technik. Möglich ist aber, daß seine kunstlosere Art anknüpft an die uns verlorene weltliche Spielmannsdichtung des 11. Jahrh. (vgl. § 524). Das umfänglichste Frühwerk ist eingehend untersucht von Dollmayr, Die Sprache der Wiener Genesis 1903. Ältere Schriften in PGrundr. m . Dazu: Leitzmann, Beitr. 42, 2 3 f f . (Reinhart); de Vries, Rother X L V I I f f . ; E . Schröder, GGNachr. 1926, 27ff., vor allem das eindringende Buch von Wesle, Frühmhd. Reimstudien 1925. E s lag noch nicht vor dem Reimabschnitt in H. de Boors Frühmhd. Studien 1 3 ff. (1926).
457. Halbreimende Ultima, in allen Kadenzformen (§448), ist ungleich häufiger als bei Otfrid, im Georg und der Samariterin. Lautähnliche Vokale verlangt man nicht mehr: get : rot; bin : sun; friunt : lant. Mit- und Selbstlauter können abweichen: wort : tröst; sint : win; -am : än; frost : suht; stuont : giench. Unter 'Halbreim' sinkt es hinab in tach : got; chom : stein; Jösfcph : geböt.
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D E R FRÜHMHD.
REIM.
Barer Endsilbenreim ist an der Tagesordnung: stigen : scönen; engel : allen; städale : übere; und an die Lautähnlichkeit der vorangehenden Konsonanten stellt man geringere Ansprüche: mannen : riten; libe : geslähte. In Menge treffen wir die rhythmisch unebenen Paare; auch diese oft mit Ultima-Halbreim: sun : hören; sämen : getan; dln : miden; gezäm : nämetön; jär : härewer (herber); —jägides : wihest; chünde : vrumedest; ätem : näteren; hülde : scüldigen; sünderen : unter. Aus den ahd. Vollreimen wie man: werdan; sun : wärün. hatten sich in der lebenden Aussprache des II. Jahrh. Halbreime ergeben: man : werden; sun : wären. Nach diesen Mustern paarte man nun auch werden mit sun oder sin, wären mit man oder sin (Wesle 50 ff. 100). Die Vokalschwächung zusammen mit dem Nachwirken älterer Verse führte zu freierem Reimgebrauch. In manchen der genannten Paare fällt am meisten ins Ohr der Anklang zwischen letzter und vorletzter, zwischen letzter und drittletzter, zwischen vorletzter und drittletzter Silbe. So auch bei vollreimender Ultima: näteren : verräten; scolten : volgeten, und gar in Fällen wie: siten : wlt; nehainer : teil (auch in etlichen der folgenden Paare mit : und : 1). Das sind neue Gattungen rhythmisch unebener Reime. Bei Otfrid gilt das vereinzelte derart (I 7, 9. 19) als reimlos. Zugenommen haben die ebenen Paare, die den Gleichklang nur oder zumeist in der v o r l e t z t e n Silbe tragen (§452): paradlsus :gewlset; beidiu :irsceinte; wären : genädig; fuoget : genuoge (Wesle 54 ff.). 458. Am schwächsten ist der Gleichklang in manchen der zweisilbig vollen (und zweisilbig stumpfen) Schlüsse. In Paaren wie: nase : muge; sune : ime; chonen : heben; vermanent : betent trägt den Reim nur noch eine sprachlich schwache Endsilbe, die z u g l e i c h S e n k u n g s s i l b e i s t : was in ahd. Zeit der Versrhythmus ausschloß (§446 Ende). Dazu aber kommen die unebenen Bindungen von mit (ein- und zweihebigem) und mit von -l^. mit 1\ rihtet : pfliget; fragen : sage; varen : bringen; chiesen : gehörsamen ; — besniten : lebeten; gotes : vörderest; lichnämen : martiren; lüssäm : namen; wil : himel; getan : haben; tuon : chomen; — mer : vater; lobent : intstent. Auch die Paarung von einhebigem mit L gehört hierher. Der auffallende Reim der WGen.: fuor : bruoder hat alle dreimal (48, 24; 52, 22; 70, 26) das bruoder als 2v, nicht als k Schluß, somit einhebig. Das macht die Bindung der letzten mit der vorletzten Silbe begreiflicher.
D I E HÖFISCHE REIMKUNST.
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Die Artbestimmung des 'Silbenreims' muß man, um so beschaffene Anklänge unterzubringen, sehr weit fassen! Vieles von diesen Spielarten hält sich bis gegen 1150 oder noch länger, bis zum Siege des 'reinen Reims'. Den freiesten Reimstand in der ganzen deutschen Versgeschichte zeigt die Wiener Genesis, um 1070. Grundsätzlich verzichtet sie auf den Reim wohl nirgends, aber aus Unkunst geht es da und dort bis zum Erlöschen des hörbaren Gleichklangs. Ob dieses Gedicht 'einen tiefsten Punkt in der Entwicklung darstellt oder schon einen ersten Schritt auf wieder ansteigender Bahn' (Wesle 101): um dies zu entscheiden, müßten wir von den Vorgängern, auch den weltlichen, etwas wissen. 459. Stark hundert Jahre nach diesem Tiefstand, um 1180-90, ist der 'reine Reim' erstiegen, der die Ritterdichtung kennzeichnet und bis ans Ende des altdeutschen Zeitraums dauert. Den Anstieg spürt man schon seit 1100; später wird er so rasch, daß der Grad der Reimgenauigkeit Handhaben für das Datieren gibt (vgl. Wesle 21). Wie der Versbau, veraltete der Reimbrauch von einem Geschlecht zum nächsten; Bearbeiter hatten neben dem Stil und dem Zeitfall den Reim zu glätten. Aus geistlicher Dichtung zählen der Pilatus, die Sequenz von Muri, das Himilriche, 1180er Jahre, zu den frühesten genau reimenden Werken. Von den höfischen Dichtern ist es Heinrich von Veldeke (Eneit, beendet vor 1190), der 'vor unsern Augen die Reste der alten Technik abstreift' 1 ), während diese Reste dem andern Begründer der welsch gerichteten Lyrik, Friedrich von Hausen (f 1190), noch auffällig anhaften. Wieder konnte die l a t e i n i s c h e Dichtung Vorbild sein. Sie drang seit 1100 zu strengerem Reime vor: zweisilbig nicht nur bei Schluß: colles : molles; beatus : privatus, sondern auch bei Schluß: animum : optimum; saeculis : discipulis; volitant : incitant; obduxerat :infecerat. Diese Reimart fand Nachfolge im 'reichen Reim' der Franzosen: venir : tenir; corant : plorant, nicht in der deutschen Dichtung. Auch zur drittletzten Silbe kann der lat. Gleichklang zurückgreifen (vgl. § 449): segete : vegete; mit Halbreim: curiae : pecuniae. Einsilbige Reime sind gelegentliches Formspiel: dos : flos; nix : vix: pix (z. B. Carm. Bur. 123f. 182; s. ZsPhil. 39, 373). Seit 1130 kannte und übertrug man f r a n z ö s i s c h e Dichtwerke. Die welschen höfischen Reimpaare dringen seit etwa 1160 auf Vollreim (Chrestiens Erec) 2 ); sie sind den deutschen um 20-30 Jahre voraus. Die provenzalische Kunstlyrik steht von Anfang an auf dieser Stufe. Der romanische Halbreim war von jeher
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LAUTFORM UND RHYTHMUS DES
REIMS.
nur vokalisch, d. h. ließ nur ungleiche Mitlauter zu: colps : tort; altre : place. Paare wie lat. rexit : dixit; ahd. harto : worto hätten nicht als Reime gegolten. *) Schneider, D L i t . 1 , 4 5 4 ; gleiches gölte von Rugge: Erich Schmidt, Reinmar von Hagenau 23. Vgl. van D a m , Zur Vorgeschichte des höfischen Epos I i 8 f f . 2 ) Stengel, Gröbers Grundriß I I 1 , 6 1 f.; W . F ö r s t e r , Roman. Bibliothek 21, 2 I 3 * f .
460. Beim Genauerwerden des deutschen Reimes sind die zwei Dinge zu scheiden : Erstens der Anspruch der L a u t f o r m . Die Selbst- und Mitlauter, die den Anklang tragen, sollen g l e i c h sein. Die Halbreime (not : got; arme : varwe; leben : oben) weichen dem Vollreim (not: bot; arme: warme; leben : geben). Der Halbreim, auch der vokalische, h ä l t s i c h nicht als gewollte Kunstform, wie besonders in der spanischen Dichtung, auch im Binnenreim der Skalden (§402). Halbreim wird zu 'unreinem' Reim. Dabei gibt es S t u f e n der Reinheit; Lautähnlichkeit spielt eine Rolle bei Vokalen und Konsonanten (§ 465f.). Zweitens der Anspruch des R h y t h m u s . Die reim tragenden Silben sollen sprachlich schallkräftig sein, Stammsilben oder starktonige Suffixsilben; der Endsilbenreim genügt nicht mehr. Der Reim wird hier nicht reiner, sondern schärfer, voller. Auch soll nicht mehr die letzte auf die vorletzte Silbe usw. reimen (§ 457Î-). die letzte soll nicht überschießen (sunderen : unter). Damit ist gegeben: es verschwinden all die rhythmisch unebenen Reime, i v : k; 2k : 3k; 2v : i v ; 2v : k usw. Der Reim wird rhythmisch eben. Jede Kadenzart reimt nur auf ihresgleichen. (Eine Einschränkung dieser Sätze, die Bindung von ein- mit zweihebigem sieh §591. 588 1 ; 662.) So bleiben von den 8 ahd. Arten, § 446, nur drei: 1, 7 und 8. Dazu die erst später eingeführten (§456): •¿^ : , einhebiges und zweihebiges : ; ferner die seltenen Arten von § 464: zweihebiges : und dreihebiges Nehmen wir das ahd. Beispiel von § 452 ! Gemäß der ersten Forderung darf der Dichter den Versschluß allés nicht mehr auf mâimès oder wollès reimen. Gemäß der zweiten Forderung hat er nicht mehr die Wahl, allés auf vâllès zu reimen oder aber auf dingès oder wes. Zweihebige Reimung des klingenden Ausgangs ist kein Luxus mehr, sondern Notwendigkeit (Paul, PGrdr. 111). 461. Beide Forderungen zusammen führen dahin, daß der deutsche Reim seit 1180 unter die Artbestimmung fällt, die auch für den welschen gilt : von reimenden Versschlüssen verlangt man Gleichlaut der sprachlich betonten Vokale und
ANSPRÜCHE DES NEUEREN REIMES.
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d e s s e n , w a s i h n e n f o l g t . Auf den deutschen Reim der ersten drei Jahrhunderte traf dies noch nicht zu. Mit der Durchführung der beiden Forderungen verschwindet die breite Übergangsstrecke zwischen reimenden und nicht reimenden Silben, damit zwischen einhebigem und zweihebigem Reime (vgl. §447). Es grenzt sich nun eindeutig ab, welche Silben und Laute am Gleichklang mitwirken. Mehrdeutig, uferlos wird es nur dann, wenn man die rein überschüssigen, nie erforderten Berührungen v o r dem letzten abweichenden Laute als besondere Reimarten bucht 1 ). Die beiden Forderungen haben zur Folge: der einzelne Reimklang verfügt nun über viel weniger Vokabeln. Die aufeinander reimenden Wurzelsilben machen ja keine langen Reihen aus wie die Endsilben, es ist schon viel, wenn sie die Zehnzahl erreichen; und die konsonantisch anlautenden Suffixe, wie -heit, -keit, -schuft, -tuom, -sam, -nisse, gewähren, unter sich gebunden, doch bloß rührenden Reim. Ein Gegengewicht bildet das Zusammenfallen mancher einst ungleicher Endsilben: ahd. lebên, lebëmës, geban, rebün, reböno reimen in der jüngern Lautform alle als -eben. Im ganzen aber bedeutet die strengere Reimkunst seit 1180 eine empfindliche Einschränkung der Reimmöglichkeiten. Der Dichter muß, damals wie heute, seine Reime suchen. Daher die 'Flickreime 1 , woran freilich schon Otfrid, trotz seiner lockreren Regel, schwer leidet. Daher bei so manchen Dichtern eintönige Armut der Reimwörter, und auch bei den besten fühlt man den 'herkömmlichen Reimschatz': lant : hant; sach : sprach; wïp : lïp; muot : guot; ëre : mère usw. 2 ). Eine Gegenbewegung liegt darin, daß sprachgewandte Dichter, Gotfrid und seine Nachfolger, den Reim gern auf Formwörter legen3) : ir : mir ; sich : ich ; er : her ; in : hin (im Tristan ein Lieblingsreim). Mannigfacher werden die Reimklänge dadurch nicht, aber gedämpfter, weniger aufdringlich. Die Nötigung zum Stammsilbenreim bedingte also noch nicht, daß der Gleichklang sinnschwere Satzgipfel unterstrich. Dem deutschen Dichter ist der reine Reim weit mehr Fessel als dem welschen, dessen Sprache die Menge der starktonigen Endungssilben als Reimträger hergibt (frz. -er, -ir, -on, -ette, -age, -ure usf.). Der Endreim war sozusagen vorbestimmt für die romanischen Tochtersprachen und ihre Versmaße; d a erst wurde er zum leichten Spiel — so leicht, daß die französische Dichtung dem wieder entgegenwirkt und den 'reichen Reim' sucht oder gradezu fordert 4 ): troub 1er : conso 1er; pitié : moi Hé; nicht troubler : laisser; pitié : allié. In der lateinischen Mutterdichtung fand sich der Reim noch beengter, denn da überwog der R e i m -
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D I E ENDUNGSVOKALE.
Schluß in der Sprache aber der W o r t s c h l u ß 1 - (-are, -ire, -onem, -ati usw.). Daher die späte Entwicklung des lat. Vollreims und die eigentümliche Regelung seiner Zweisilbigkeit (§ 459). x ) Vieles von den 'Doppelreimen und 'erweiterten Reimen , die W. Grimm, Kl. Sehr. 4, 201 ff., in buntem Wechsel aufreiht; z . B . unverstorben: unverdorben; und wol gehëret: und wol gelëret; lagere stuont: jägere tuont. Vgl. Paul, PGrdr. 110; Roethe, R. v. Zweier I27f.; Kauffmann, DMetr. 8 S. 66f. 2 ) Kettner, Die Österreich. Nibelungendichtung 266; Ranke, Sprache und Stil im Wälschen Gast 8. 3 ); Zwierzina, ZsAlt. 44, 34ff.; 45, 258f. 390f. Dazu Kraus, Metr. Unters. 178 1 ; Schirokauer, Beitr. 47, 71®; Stammler, DVjschr. 2, 760. 4 ) Tobler, Vom französischen Versbau® I34ff.
462. Da in der lat. Dichtung Reime wie ânimùm : ôptimùm auch nach 1150 vollwertig bleiben, und da den Welschen zwar nicht die Schwachton-, aber die Endungssilbe für den Reim genügte, kann die Verbannung von spiletè : lôbetè; allés : dingès nicht gut jenen fremden Mustern entsprungen sein. Ein oder d e r Hauptanstoß lag in der heimischen Sprachentwicklung: in der Schwächung und damit Entfärbung der vollen Endungsvokale. Solche tonschwachen, farblosen a reichten, auch in Hebung, nicht aus als alleinige Reimvokale ; die Starktonsilbe davor mußte mit. Es war ein Zugeständnis an die natürliche, prosaische Aussprache. Nur hinkte die metrische Wirkung der sprachlichen Ursache um etwa drei Geschlechter nach: die Entfärbung der Endsilbenvokale ist schon zur Zeit der Wiener Genesis, 1070, weit gediehen — Reime wie nämen : fuoren; keiser : er; zwelfe : zesamene; kunige : pilede stehen noch in allen größeren Gedichten vor 1170 1 ). Im Arnsteiner Marienlob um 1150 betragen sie noch 20%. Die weltliche Lyrik stellt éinen Fall in dem volksmäßigen Vierzeiler (§726): swaz hie gät ûmbè, || daz sint alles mégedè (zu der vierten Art in § 446). Wie schon bei Otfrid (§447) gibt man gern den Schlußsilben gleichen (oder ähnlichen) Konsonantanlaut: beslôzzèn : hérzèn; milte : bette; turne : inne; worhten : habeten; bilede : tuginde. Unberechtigt wäre die Annahme: man sprach seit 1170 den klingenden Ausgang nicht mehr zweihebig, d a r u m mußte die starke Silbe mitreimen (§ 588). Auch bei Fortdauer der klingenden Messung, nâmèn, konnte man, wie in der Volksdichtung von heute, das farblose -a- als zu wenig für den Gleichklang empfinden. Fr. Vogt, Festgabe für R. Hildebrand 152; Wesle, a. a. O. 57ff.; de Boor, a. a. 0 . 66; a u c h in Hartmanns 'Vom glouven, vgl. F. von der Leyen, Germ. Abh. 14, 7.
463. Soweit aber Bildungssilben n i c h t entfärbt wurden, behielten sie auch nach 1180 die alte Reimfähigkeit 1 ):
UNGESCHWÄCHTE ENDSILBEN.
R E I M DER S U F F I X E .
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armüete : güete; äbunden : ervunden (Kudr.376); suochunde: stunde (Klage 2253); vianden : anden; viant : Hildebrant; wigant : lant; wunt : äbunt (Biterolf 3609. 9241); mänöt : not, tot; gewarnöt : tot, ermorderöt : töt, vorderöst : tröst (diese drei im NibL.; die Fälle auf -6t noch viel später); minnist : list (Bit. 8453); driu : vieriu; iu : zwelviu (Bit. 73). Die nach 1180 vereinzelten: miniu : diniu u. ä. ziehen trotz dem vollen Vokal der letzten Silbe die vorletzte zum Reime bei, wie auch Morungens krön ist : schönist : lönist (MF. 133, 29). Auf weinende reimt Hartmann noch einmal, Erec 1459, eilende (§ 581): die Mittelsilbe klang ihm also noch mit nicht mit -3-. Im 13. Jahrh. kann einem lachende, einem fifingesten nur noch der Reim wachende, ringesten u. ä. antworten, nicht mehr ruofende, süezesten u. dgl. Jene Fälle wie wunt : äbünt, driu : vieriu ragen zwar als lautliches Altertum ins 13. Jahrh. herein, durchbrechen aber nicht das Verbot des Schwachsilbenreims und der unebenen Paarung i v : k. Denn die Tonstärke dieser vollvokalischen Endsilben ergab doch wohl vollen Versschluß: die genannten Reime sind 1 v : iv und stellen sich neben breit : snelheit u. Gen. (s. u.). l ) Lachmann, K l . Sehr. 168*), Zu den Nib. 2091, 3 ; vgl. Briefwechsel der Brüder Grimm mit Lachmann 9; W. Grimm, K l . Sehr. 4, 54H.; Bartsch, Unters, über das NibL. 9 f.
464. Auch unebene Paare mit (§458), z. B. die in der Kaiserchronik vor 1150 noch ziemlich beliebten wal : erslagen; gewon : komen; tugent : -numft, wären 30 Jahre später nicht mehr buchfähig. Die zweite Forderung von § 460, die rhythmische, beherrscht den Zeitraum seit Veldeke so gut wie unbeschränkt. Spätere Jahrhunderte, noch das 19., erleben gleichsam Rückfälle, d. h. muten gelegentlich dem Endsilben-« Reimkraft zu: herr : sterblicher; redlichen : ldidenden (Vogt, a. a. 0 . 162 ff.). Mit der rhythmischen Ebenheit der Reimpaare verträgt sich, daß ihre Wurzelsilben auf allen Stufen des Satztons liegen, auch daß Wurzelsilbe m i t S u f f i x reimt. Starktoniges Suffix, 1 und L^L, genügt in altdeutscher Zeit dem Reime in weiterm Umfang als heute; wobei mitspricht, daß der vorangehende Takt einsilbig sein konnte. Der seltenere Fall ist wie schon im 9. Jahrh. (§445), daß Suffix auf Suffix reimt: arbeit : rtcheit; gotheit : menscheit; mäcschaft : sippehaft; künegln : vogelin; küneginne : meisterinne; beswaernisse : übelnisse. Gewohnterweise reimt Suffix auf Wurzel:
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R E I M DER SUFFIXE.
breit : snelheit; Kerlinc : dinc; kraft : herschaft; ruom : richtuom; gelich : manllch; sinne : fürstinne; junge : samnunge; maere : fischsere; rlche : heinliche. Daneben treten tief zurück die Reime, welche Wurzel samt Suffix heranziehen: a) klärheit : wärheit; berhaft : werhaft; herlich : erlich; wunderlich : sunderlich; kindelin : gesindelin; heiligen : m&ligen; b) giltaferfe : sch&tsere; wunderliche : sünderliche: rhythmische Reimarten ohne Raum in unsern bisherigen Fächern. Unter a) sind es zweihebige Reime, aber mit voller, nicht klingender Kadenz, d. h. die Schlußhebung auf sprachlich starktoniger Silbe. Unter b) sind es Reime, die über d r e i Hebungen strecken, der Ausgang klingend. Man kann die Gleichung aufstellen: die Reimarten a) klärheit : wärheit ) verhalten igötheit : mdnscheit b) gölt&re : schdltäre J sich zu (mser^ : fischsere wie die Reimarten
D. h. links greift jeweils der Reimklang um einen Takt tiefer in den Vers zurück. Ausnahme blieb dies noch, wo ohne das Zurückgreifen schon Reim auf sprachlichen Starktönen da war (wie rechts oben). Die Paare klärheit : wärheit; g£ltsere : schiltsere wirkten als reiche oder erweiterte Bindungen, ähnlich den schon bei Otfrid auftauchenden wie: firkös mih : firlös sih I 25, 19. Scheiden aber kann man sie immer noch von den gelegentlichen Formspielen, wo der sich genügende, durch den ungleichen Anlaut klar begrenzte Reim einem überschüssigen Gleichklang nachfolgt: zouberasre : zoubermsere; hovemsere : hovebsere u. dgl.; sieh § 461 1 ). 465. Auch der ersten Forderung von § 460, der der L a u t f o r m , nähert man sich stufenweise, und auch nach 1190 bleibt die lautliche 'Reinheit' des Reims eine mehr bedingte Größe. Die einfache Zählung nach den Fächern: 'konsonantischer Halbreim, vokalischer Halbreim' genügt nicht, um die Kunststufe des einzelnen Denkmals zu würdigen. Wie man die Grade der Lautähnlichkeit wertete, das dürfen wir nicht aus heutiger Gewöhnung beurteilen; Wesle hat gezeigt, wie mancherlei da mitspielte. Beispielsweise kann -am : -an oder -an : -an noch beliebt sein, -am : -an 'noch ganz leidlich', aber -an : -anc oder -at : -ät verpönt (a. a. 0. 3ff.).
ARTEN DES HALBREIMS.
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Halbreim hält sich zäher im z w e i h e b i g e n als im einhebigen Reime; was schon auf Otfrid zutraf (§454). Es kann Halbreim sein im letzten oder im vorletzten Takte oder in beiden: wlle : ilent; keiser : weisen; darben : armen; grinen : vermiden; Hägene : gädeme; — worte : harte; Hagene : degene; seilen : leide; liebe : smielen; wunder : chinde. Der ältere Spervogel hat auf 30 zweihebige Vollreime 13 Halbreime, auf 38 einhebige Vollreime nur 5 Halbreime. Des Kürnbergers einhebige Gleichklänge sind 15 mal Voll-, 9 mal Halbreim; seine zweihebigen sind alle 6mal Halbreim (darunter bette : wecken; hemede : edele). In den beiden schlichten Reimpaarliedchen MF. 37, 4 und 37, 18 zeigen vokalischen Halbreim alle acht zweihebigen Schlüsse sowie zwei der einhebigen; daneben steht zweimal -an : -an und ein Vollreim bist : ist. K o n s o n a n t i s c h e n Halbreim haben die hier genannten Stücke nur einmal: waldes : goldes (MF. 30,27; die -an : -än_ Paare zählen wir hier und weiterhin als Vollreim). Es g i b t Denkmäler, deren Halbreime öfter im Selbst- als im Mitlauter abweichen (Wesle 101). Im allgemeinen aber gilt, schon für die älteren Jahrzehnte: die Mitlauter nehmen sich mehr Freiheit — stimmend zu der neueren Volksdichtung, auch der nordischen Folkevise, abweichend von dem Hang unsrer Klassiker. Schon die niedere Reimkunst der Wiener Genesis erlaubt manche Schlüsse auf die Farbe der Vokale, so der e-laute (Dollmayr 1. c. 47. iooff.). In der 70 Jahre jüngern Kaiserchronik treten in ein- wie zweihebigen Halbreimen die konsonantischen weit zurück; auf eine Strecke von 300 Reimpaaren (V. 2323ff.) kommen 145 Vollreime, 128 Reime mit konsonantischen Ausweichungen, 14 mit vokalischen, 13 mit beiderlei. Die 45 Halbreime Friedrichs von Hausen binden sämtlich gleichen Vokal. Dazu halte man noch, daß eine n i e d e r d e u t s c h e Dichtung von 1216, Eberhards Reimchronik, in den konsonantischen Bindungen altertümlich frei, in den vokalischen Von bemerkenswerter Reinheit' ist (L. Wolff, Nd. Jahrbuch 1924, 42t.). Unter den konsonantischen Halbreimen halten sich vhm. lange die zweihebigen mit Doppelkonsonanz nach dem Starkton: lüfte : kr^fte; hdnde : sunde; (s. o.) waldes : göldes. 'So gut wie ganz freigegeben' waren allerdings die Konsonanten nie. Namentlich gegen Bindung von weichen mit harten Mitlautern war man von jeher empfindlich, mehr als manche Dichter um 1800; 'genäden : bäten ist immer schlechter als genäde : töde oder rate : nöte' (Wesle 102). Vollends bei Sonorkonsonanten: Paare wie nam : gap; gebar : sprach meidet sogar
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LAUTLICHE FREIHEITEN.
WOLFRAM.
HELDENEPEN.
die WGen. (Wesle 22ff.). Wogegen man die Unterschiede der Artikulationsform und -stelle leichter nahm: lac : sprach; huop : truoc; böt : zöch; starc : warf; selbe : gelde; wunder : kumber. Dergleichen noch bei dem Lyriker Hausen in Menge. Das Paar wip : zlt hat Scherer einen der letzten ungenauen Reime des Minnesangs genannt. Es ließe sich wohl hören, daß den Anstoß zur Reinheit gaben die Langzeilenreime und die verschränkten Reimstellungen: da fiel Halbreim schwerer ins Ohr (Kluge, DSprachgesch. 288). Nur sind unsre frühsten Langzeilenreime, die des Kürnbergers, noch recht ungenau, und Veldeke reimt in seinen Kurzen Reimpaaren nicht freier als in seinen Strophen. Doch wäre ein so loser Reimbrauch wie etwa der des Rother allerdings ungeeignet, die kunstreichen Verschränkungen der reifen Lyrik zur Geltung zu bringen (Wackernagel, Afranz. Lieder 216). 466. Reimfreiheiten, die noch auf dem Hochstand mehr als vereinzelt begegnen, liegen zumeist in der Dauer der Vokale: -an : -an ist der Hauptfall, demnächst -ar : -är, -aht : -äht; er : er. Verbreitet ist auch i : ie und u : uo in bestimmter Nachbarschaft. Von konsonantischen Ungleichheiten ist die häufigste -n : -m (sun : frum; man : zam). Für diese Dinge ist die M u n d a r t der Verfasser zu befragen. In den Reimen spiegeln sich die feineren Uneinheitlichkeiten der mhd. Gemeinsprache: die der Lautform, der Beugungen, des Wortschatzes; auch verneinend, indem gewisse Paare bei gewissen Dichtern ausbleiben: ein beit : treit ist dem einen, ein vie : lie (vienc, liez) dem andern, ein wän : sän (sä) einem dritten mundartfremd. Doch kreuzen sich auch landschaftlicher Sprachr gebrauch und fremdes Vorbild ('literarische Reime'). Am sichersten erkennt man die Mundart aus lautlichen Feinheiten, namentlich der Behandlung der e, e, ä, e, ae. Die Reimkunst des 18. 19. Jahrh., ungezügelter und vermischter, wie sie ist, erlaubt nicht annähernd so genaue sprachliche Schlüsse. Unter den großen Namen fällt Wolfram auf durch etwa 20 vokalische Halbreime (auf beinah 20.000 Reimpaare!); davon die Hälfte mit Paarung ungleicher Verschlußlaute 1 ): swiger : nider; gepflegen : gegeben; ougen : rouben; selbe :velde; krump: junc. Reime, die bei den meisten höfischen Dichtern unerhört wären! Die einhebigen Schlüsse sind unter diesen 20 Freiheiten ebenso stark vertreten wie die zweihebigen (vgl. §465). Solche Reime mußten altvaterisch anmuten: ein Geschlecht früher bestanden sie noch zu Recht, — oder unzünftig: die buchlose Kleinkunst machte ja diesen Reimschliff nicht mit. Daß die spielmännischen Heldenepen roher reimten als die Ritter-
D E R NEUE
RHYTHMUS.
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romane, trifft im großen nicht zu, auf die Nibelungen schon gar nicht 2 ). Die hervorstechende Freiheit des NL, die 36 unreinen Hagene-Reime, geben ein klares Beispiel von bewußtem Altertümeln: diese Reime hat die ältere Nibelungenot teils hergegeben, teils angeregt. Sie entsprechen der Zeit vor 11703). Es sind 3k-Halbreime (sieh §465): als barer Endsilbenreim, einhebig, ist auch der freieste Fall, Hagene : menege, nicht zu erachten (gleichartige in § 449 unter d, vgl. § 736. 737). Aus dem NL geht dieser archaische Zierat in die Klage und noch den Biterolf über 4 ). x ) Martin, Ausg. 2, L X X X I . 2 ) Zwierzina, ZsAIt. 44, 90. 8 ) Bartsch, Unters, über das N L 4 . *) W . G r i m m , K l . Sehr. 4, 2 2 9 ; DHeldenbuch 1 , X .
Schriften über den mhd. Reim bei Kauffmann, DMetrik 6 5 ; dazu: Bernt, Hnr. von Freiberg 1 5 3 ff.; Wegner, Reimwörterbuch zur Weltchronik Rudolfs von E m s 1 9 1 4 ; E . Schröder, Reimstudien, Gött. Gel. Nachr. 1 9 1 8 , 3 7 8 f f . 4 0 7 f f . , (Wildon und Lichtenstein) ib. 1 9 2 3 , 3 8 f f . ; Schirokauer, Beitr. 47, i f f . ; E m m a Bürck, Münchener Texte, Ergänzungsreihe I I (Iwein); Säule, ib. I I I (NibL.); Thalmann, ib. I V (Wolfram). F ü r die verschiedenen Arten des r ü h r e n d e n R e i m s , zu denen sich die Dichter unsres Zeitraums ungleich stellen, verweisen wir auf W . Grimm, K l . Sehr. 4, I 2 5 f f . 3 2 6 ; Zwierzina, ZsAIt. 44, gßff. 45, 2 8 6 f f . ; Paul, PGrdr. H 2 f . ; Ranke, Sprache und Stil im Wälschen Gast 7 8 f f . , besonders aber Kraus, ZsAIt. 56, i f f .
24. Abschnitt: Der Bau des althochdeutschen Reimverses: Das lateinische Vorbild und die Nachahmung. 467. Mit dem Reime kam ein neuer R h y t h m u s . Auch der nach lateinischem Vorbild. War der deutsche Reim eine freie Nachahmung des lateinischen, eine Anpassung an den heimischen Sprachstoff (§451), so kann man den neuen V e r s geradezu eine Abfindung nennen, eine Vermittlung zwischen dem lateinischen und dem altgermanischen. Der Begründer des deutschen Reimverses, war es nun Otfrid oder ein andrer, muß Stabreimverse gekannt haben, und ihr Formgefühl sprach mit bei der Nachbildung der lateinischen Muster. In diesen allgemeinen Sätzen stimmen die meisten heute zusammen. W a s aus dem agerm., w a s aus dem lat. Lager stamme, ist eine schwierigere Frage. Nicht nur weil der agerm. Rhythmus umstritten ist: auch um das lat. Vorbild steht es nicht so einfach; mit dem Namen 'Dimeter jambicus' ist es nicht getan. Gewiß aber war kirchlicher G e s a n g der Anreger. So wie zwei Jahrhunderte früher die Iren durch 'das beständige Anhören der lat. Kirchenhymnen' zu ihrem neuen Versstile kamen (Kuno Meyer, Berl. Abh. 1913 Nr. 6 S. 6). Man bemerke, es war n i c h t der liturgische, der Messegesang. Der war, wie noch heute, ein Rezitativ ohne Takt-, Vers- und Strophenmessung: der Gre-
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DER GESUNGENE HYMNUS.
gorianische Choral. Mit dem traten die Landessprachen nicht in Wettbewerb — aus kanonischen wie metrischen Gründen. Was man in Lingua vulgaris nachbilden durfte und konnte, war der Hymnus, der metrisch-strophische Chor- und Einzelgesang, den außerhalb der Liturgie Kloster- und Weltgeistliche pflegten. Melodierhythmen lagen den deutschen Nachahmern im Ohre : solche suchten sie, ob singend oder sprechend, nachzubilden; nicht Silbenketten mit ihren prosodischen Eigenschaften. Darum gilt es gleich, ob diese Melodierhythmen — z. B. der des ambrosianischen Viertakters — in messenden Versen, als 'carmen metricum', erklangen oder in nicht messenden, bedingt wägenden, als 'carmen rhythmicum' (§440). Der messende, 'metrische' Hymnus des Venantius Fortunatas : Vexilla régis pródeúnt, fulgét crucís mystériúm, quo cárne cárnis cónditór suspénsus ést patíbulo, und der 'rhythmische1 Hymnus des Hrabanus Maurus (PLat. 2, 248): Venít deús, factús homo: exúltet ómnis nátió; caelúm dedít sidús novúm: appáret áuctor ómniúm konnten für den Hörer das gleiche rhythmische Erlebnis bedeuten, und nur darauf kam es für ihn an; die Grundsätze der Sprachbehandlung, der 'Silbenmessung oder -wägung', wollte er ja nicht vom Lateiner erlernen ! Auch ob der Endreim mehr oder weniger durchgeführt war oder fehlte, machte für die rhythmische Anregung keinen Unterschied. 468. Für Gesang bestimmt waren von den bewahrten ahd. Stücken das Petruslied (die Handschrift hat Neumen, Notenzeichen), vermutlich auch das Ludwigslied, vielleicht der Georg. Wechselnde Gruppenlänge vertrug sich mit Gesang (§477). Bei den übrigen Gedichten ist die Vortragsart unsichrer. Die Hauptmasse des Otfridschen Inhaltes widerstrebt ja Liedweisen, und die paar Neumen über einer Strophe (Erdmann S. XLVI) besagen wenig; wohl aber sehen die drei Hauptfälle von Kehrstrophen, in II 1, V 1, V 23, danach aus, als sollte hier der Zuhörerkreis des vorlesenden Mönches im Chore singend einfallen. Die Verslehre kann sich bei der Feststellung beruhigen: einen Gegensatz sanglich-unsangbar zeigt das ahd. Reimpaar nicht; nach Gruppenbau und Taktfüllung ließe alles Gesang zu (vgl. § 38). Wollte man die paar einsamen Fälle sprachwidriger Vokaldehnung (§ 483) zu der Frage aufrufen, so sprächen sie mehr für als gegen Gesang : Gesang trägt leichter über die prosodische Freiheit hinweg (§ 67). Vgl. Saran, DVersl. 245f.; Schneider, DLit.89.
OTFRIDS
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IKTENZEICHEN.
469. Im Versbau noch mehr als im Reime gehn Otfrid und die kleineren ahd. Denkmäler eng zusammen. Vieles davon, bei weitem nicht alles, kehrt im Verse um I I O O wieder. Man darf aus Otfrid mit einigen Vorbehalten die Urstufe des deutschen Reimverses ablesen. E i n e E i g e n h e i t Otfrids sind die I k t e n z e i c h e n , die A k z e n t s t r i c h e , die in der großen Mehrzahl der Verse über einem oder mehreren H e b u n g s v o k a l e n stehn. Man h a t über diese Striche v i e l geschrieben, ohne sich über ihren Sinn zu einigen. W i r müssen gleich hier d a z u S t e l l u n g nehmen, denn das folgende h ä n g t d a v o n ab, w i e w e i t uns diese Zeichen für den R h y t h m u s der Verse m a ß geben. Z u ausholender B e g r ü n d u n g ist kein R a u m . D i e Striche meinen N a c h d r u c k , nicht S t i m m h ö h e . Sie wollen d e m Vorleser erleichtern, die H e b u n g e n z u erfassen, und z w a r eine A u s w a h l der vier H e b u n g e n , die s t ä r k e r e n ; in der Mehrheit der Verse zwei oder eine. Diesen allgemeinsten G r u n d s a t z aber kreuzen andere, mehr äußerliche R ü c k s i c h t e n : V o n zwei b e n a c h b a r t e n Gipfeln b e k o m m t nur ¿iner den S t r i c h ; die zwei m i t t leren V e r s t a k t e sollen nicht beide ohne Strich bleiben. D e s h a l b und weil der P l a n so wenig folgerecht d u r c h g e f ü h r t ist (zwischen den H a u p t h a n d s c h r i f t e n V u n d P A b w e i c h u n g e n die Menge), g e h t es nicht an, das S t ä r k e v e r h ä l t n i s der Hebungen c i n f a c h v o n den Strichen abzulesen. I V 1 6 , 4 a festes hüges follon ist kein 1 . 2 . 3 . 4 , gehört nicht in £ine K l a s s e m i t ib. 4 1 b sie sär b i s k r ä n k o l o t u n . D e r 1. V e r s t a k t wie der 3. tragen einen H a u p t i k t u s , es ist 1 , 2 . 3 . 4. A b e r dies k o n n t e der gewöhnliche A k z e n t b r a u c h nicht ausd r ü c k e n : entweder den 1. und 3. I k t u s oder a b e r den 2. m u ß t e er Übergehn. In unserm Falle siegte das erste V e r f a h r e n , das zweite z. B . in I 10, 18 alle dagafristi. Oder I I I 22, 13 oba krist si n a m o t h i n ist ein klares, ausgesprochenes 1. 2 . 3 . 4 ; aber V g i b t den Strich nur d e m na-, P d e m krist u n d d e m t h l n l U n d so in tausend Fällen. D e r liebevollen S t a t i s t i k der Otfridschen F ü l l u n g s t y p e n bei W i l m a n n s (§ 483) schadet die Ü b e r s c h ä t z u n g dieser Lesehilfen. N i c h t als ob sie uns nichts lehrten 1 Sie ermöglichten die b e d e u t s a m e Folgerung, d a ß Otfrids S p r a c h e noch z u m a g e r m . S a t z t o n h ä l t ( 1 1 . A b s c h n i t t ) . I n n i c h t wenigen Versen fällen sie die E n t s c h e i d u n g zwischen gehoben u n d g e s e n k t : I V 12, 25 t h ä z quisdu, q u ä d er sar, n i c h t : t h ä z qulsdu . .; 4, 3 3 b s o b r a c h er sär lo thie ¿st), n i c h t : so b r a c h 6r . . . usf. In derartigen V e r s e n entzweien sich freilich die beiden Hss. auffallend o f t ; w o sie einig gehn, sind uns die Iktenzeichen verbindlich. In d e m e r w ä h n t e n H a u p t p u n k t e a b e r — S t ä r k e verhältnis der H e b u n g e n — stellen wir uns über sie, d. h. wir ergänzen und berichtigen ihre graphisch bedingte A u s s a g e n a c h dem, w a s sie selbst, im g a n z e n ü b e r b l i c k t , uns lehren. In keinem einzigen Verse d ü r f e n wir aus den Strichen allein auf U n t e r o r d n u n g einer sprachlich stärkeren Iktussilbe schließen (§ 499). Die A k u t e , die uns im folgenden die H a u p t h e b u n g e n bezeichnen, fallen also n u r b e d i n g t m i t den hsl. Strichen z u s a m m e n ; u n d der G r a v i s , das Zeichen der s c h w ä c h e r n H e b u n g , k a n n a u c h für einen hsl. Strich stehn, z. B . in I V 4, 49 mit theru s i l b u n w l h l : V P t h i r u selbun. Die Messung und E i n t e i l u n g der Otfridverse m u ß ruhen auf d e m ahd. W o r t - und S a t z t o n : den bringen die Iktenzeichen z w a r o f t , aber lange nicht immer z u m A u s d r u c k — und können uns d a r u m nicht oberste Instanz seinl E i n unglücklicher G e d a n k e w a r es, diese Lesehilfe in Z u s a m m e n h a n g z u bringen mit dem Stabreimvers. Otfrid k o n n t e seine Striche genau so setzen, wenn es nie einen germ. S t a b r e i m v e r s gegeben h ä t t e . V e r k e h r t w a r a u c h die A n n a h m e , in diesen Strichen spreche sich e i n ' G e s e t z der H a u p t h e b u n g e n ' aus, das späterer D i c h t u n g a b h a n d e n k a m ( V i l m a r - G r e i n § 18. 52). Stärkere und s c h w ä chere H e b u n g e n h a t die deutsche D i c h t u n g niemals zu unterscheiden verlernt. H e u s l e r , Deutsche Versgeschichte II.
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VERHÄLTNIS
ZUM LATEINISCHEN
VORBILD.
470. Beginnen wir damit, Otfrids Versbau summarisch zu beschreiben und ihn dann am lateinischen Verse zu messen. Darauf soll die Beschreibung mehr ins einzelne gehn, endlich der Unterschied vom altgermanischen Verse zur Sprache kommen. Der auf Reim endende Vers, der Kurzvers, ist ein Viertakter; vier Kurztakte mit monopodischer Iktenverteilung. Zwei Kurzverse verbindet der Endreim zu einem Reimpaar oder einer Langzeile. Zwei solche Doppelverse bilden die Gruppe höchster Ordnung, die Strophe: aa, bb. Die Silbensumme des Verses ist beweglich; untere Grenze vier Silben, eine für jede Hebung: I 5, 50 füazfällönti; obere Grenze wohl zehn Silben: II2,11 ni was 6r thaz lioht, ih sägen thir ¿in. Freie Füllung hat der Auftakt: 0 bis 4 Silben; desgleichen die Innentakte: je 1 bis 4 Silben. Gebundene Füllung hat der vierte, der Schlußtakt: stets ¿ine (gehobene) Silbe. Je nachdem diese Schlußhebung auf sprachlich starke oder schwache Silbe trifft, haben wir einsilbig volle oder klingende Kadenz. Die zweite Hauptart ist je nach der Füllung des vorletzten Taktes zweisilbig klingend oder dreisilbig klingend. Einsilbig voll: alten liuten giböt; Zweisilbig klingend: ödo werk güatü; Dreisilbig klingend: fon wörolti zi wöroltl. 471. Von den vielgebrauchten lateinischen Formen, die als Muster in Betracht kommen, steht zweifellos die ambrosianische Zeile und Strophe am nächsten. Zwei Beispiele, ein 'metrisches* und ein 'rhythmisches', gaben wir in § 467. Da haben wir, wie bei Otfrid, Viertakter, zu zwei (reimenden) Paaren gruppiert; da haben wir den unveränderlich einsilbigen Schlußtakt. D i e s e r kenntliche Zug aber kehrt in zwei weiteren beliebten Formen wieder: im trochäischen Tetrameter, 15 Silben aufw_: r£spic£ de cäelo, d6us, r6spic£ propiciüs; und im jambischen Senar, 12 Silben auf amicus spönsii, magno gäudens gäudiö. Mitwirken konnten also diese Formen, um den deutschen Reimern den stets einsilbigen Schlußtakt einzuhämmern. Einen sehr ohrenfälligen Unterschied aber hatten wir schon zur Würdigung des Reimes heranzuziehen (§450!): diese gehobene Ultima kann im deutschen Verse Stammsilbe und damit eine Haupthebung sein. Darum unterscheidet sich ein deutsches: ni lützet färan iu thaz müat erheblich von einem lateinischen: exültet ömnis natiö, obschon beide die 8 Silben gleichmäßig auf die Versgegenden verteilen.
D I E DEUTSCHE
FÜLLUNGSFREIHEIT.
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Ferner weicht die zweisilbig klingende Kadenz: guatù sehr kenntlich von den genannten Mustern ab. Wir sahen, daß lateinische Reimschlüsse dieser Art in anderen, selteneren Maßen vorkamen: audite, ómnes géntès; miserére sèrvi (§ 450, vgl. 473). Dieser 2 k-Schluß war schon in der altheimischen Dichtung der häufigste von allen (§346). Den deutschen Reimdichtern konnte er sich triebhaft einstellen, auch wenn ihnen nur jene üblicheren Ritmi mit Kadenz gegenwärtig waren. Die W e i s e erschwerte es nicht, ein guatù auf die Töne von ómniùm zu singen ; das hören wir am neuern Volkslied. Der zweisilbig klingende Ausgang guatù gilt uns als Beitrag der germanischen Versgewöhnung. Dagegen der erstgenannte Schluß: sprachlicher Hauptton im letzten guten Taktteil: . . . thaz müat, dies f e h l t e dem agerm. Vers mit seiner Iktenfolge / v . Hier kann man nur sagen, daß der deutsche S p r a c h s t o f f es nahe legte, ja unvermeidlich machte, den Schluß der Ritmi a u c h mit volltoniger Endhebung nachzubilden. Die Melodie stellte auch dem nichts in den Weg. Dazu nehme man, daß man später in mhd. Sprachform die lat. Schlüsse nàtió, dominum nachbildete mit männes hànt, sìnen sin, nicht mit kunegè, lébendèz oder séligèr; also mit vollem, nicht dreisilbig klingendem Ausgang (z. B. § 743). 472. Nun das Versinnere. Hier zeigt sich der große Gegensatz. Die ambrosiani sehe Zeile wie die übrigen lateinischen Lieblingsformen haben feste Silbensumme und verteilen sie gleichmäßig, alternierend über den Vers, sei es nun messend oder wägend oder keins von beidem (§ 440) : lauter zweisilbige Innentakte ; der Auftakt gebunden, 0- oder 1 silbig je nach der trochäischen oder jambischen Versart. Demgegenüber die Füllungsfreiheit des deutschen Verses in den weiten Grenzen von § 470. Wie erklärt sich dieser Gegensatz? Am nächsten liegt die Antwort: in dieser Füllungsfreiheit haben wir wieder heimischen, deutschen Einschlag. Nach altgermanischem Grundsatz haben a l l e Versgegenden freie, wechselnde, nicht vorbestimmte Füllung. Der ahd. Reimvers hat der éinen Gegend die Freiheit entzogen : der Schlußtakt ist stets einsilbig; weder mehrsilbig noch pausiert. Beim Nachformen der hymnischen Melodierhythmen empfand man den Versschluß als die besonders zu schonende Größe, die 'empfindliche Stelle'. Für Innentakte und Auftakt dagegen überließ man sich mehr dem ererbten Formgefühl und trug damit zugleich dem Bedürfnis der eigenen Sprache Rechnung. 3*
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D I E DEUTSCHE FÜLLUNGSFREIHEIT.
Man hat es treffend eine Germanisierung des lateinischen Zeitfalls genannt. Wir erleben den Vorgang noch heute. So mancher hat auf seiner Schulbank gelernt, ein 'Vers' sei eine regelmäßige Abwechslung langer und kurzer Silben (§ 13): das romanische Rezept; und dann, wenn es in ihm selbst dichtet, kommen keine Jamben und Trochäen heraus, sondern Knittelverse, schlechte oder gute. Das ist immer wieder die 'Germanisierung' des römisch-welschen Versstiles, wie sie zum erstenmal in Otfrids Tagen geschah. 473. Aber man hat auch anders erklärt. Es gibt, und schon vor Otfrid, lateinische Ritmi mit unfester Silbensumme und Taktfüllung. Wegfallen für uns die 'rhythmischen' Hexameter. Nach denen hat sich der Vater des deutschen Reimverses nicht gerichtet! Wenig bedeuten uns die Auf- und Ab-Verse, die gelegentlich die herrschende Summe um eine, selten zwei Silben überschreiten; was sich erklären mag als Nachbildung der messenden Zeilen mit ihren zu verschluckenden, scheinbaren Plussilben: manävit ünda et sänguini. Es gibt auch Ritmi mit weiter gehender Freiheit. Für uns am bemerkenswertesten die Viertakter, die sich zwischen 6 und 10 Silben bewegen: Auftakt 0, 1, 2 Silben; Innentakt 2 und 3 Silben; der vorletzte Takt oft einsilbig, also — i n freiem Wechsel mit dem vertrauten Schluß—die zweisilbig klingende Kadenz: ¿xeänt peccätä; örnat virginis t&nplum; sacrificiis vispertinls; — s i peccävi grävitör; qui m£ exsp^ctas per timporä; kalümnia super kaltimniä. Dies steht ja nun Otfrid merklich näher! Nur daß Otfrid ein paar Schritte weiter geht: der Auftakt gelegentlich mehr als zweisilbig, und vor allem die vielen einsilbigen Takte im Versinnern, damit das Sinken der Summe bis zu 4: füazfällöntl. Dieser füllungsfreie lateinische Viertakter wäre nach Wilhelm Meyer Vor 700 nördlich der Alpen geschaffen worden'1). Wir glauben, daß auch er seine höchst unromanische Füllungsfreiheit dem deutschen, altgermanischen Versgefühl verdankt2). Diese Zeilen zeigen in lateinischer Sprache das, was später Otfrid in deutscher zeigt: die 'Germanisierung' des römischen Auf- und AbStiles. Aber wie dem sei, es ist nicht glaubhaft, daß diese recht spärlichen und an Ansehen, an Bedeutung für den Klerikergesang unerheblichen Wagnisse den deutschen Reimern erst den Weg gezeigt hätten, wie man hymnenähnliche Verse in der Landes-
FÜLLUNGSFKEIE
LATEINISCHE
VERSE.
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spräche bauen könne. Dem oder den Begründern des deutschen Reim verses haben die allbekannten und -verbreiteten, die amtlich geheiligten Hymnenmaße im Ohre geklungen. Und so bleibt es bei der altern Erklärung: mit seiner freien Füllung widersetzt sich der deutsche Reimvers aus germanischem Formgefühl dem romanischen Jambenschritt. x ) Gött. Gel. Nachr. 1913, 172. Als Vertreter, die möglicherweise vor Otfrid fallen, nennt er P L a t . 2, 426 I I I und I V ; 4, 484ff. (das Hauptstück 1).637. 639. 640. Die angeblichen 'rhythmischen Adonier' der Provenzalin D h u o d a (ib. 4, 705 ff.) l ä ß t m a n billig aus dem Spiele. 2 ) So hatte es auch W . Meyer anfangs gefaßt ( G G N a c h r . 1908, 45 ff.) ; er sprach daher von 'altdeutscher R h y t h m i k in lateinischen Versen . Die älteren Belege dieses Versbaues, nach Meyer seit ca. 700, brauchten daran nicht zu beirren; denn diese ad. R h y t h m i k ' lebte nicht erst seit Otfrid, sondern schon im Stabreimvers. A b e r Meyer entwarf dann 1913 eine ganz andre Genese des füllungsfreien Viertakters (1. c. 168ff.); danach hätte dieser als nächste Vorstufe einen n o c h freieren lat. Vers, einen nur wortzählenden; für germ. Einwirkung bliebe kein Raum. Zustimmten Strecker, P L a t . 4, 637; Unwerth, Beitr. 42, 1 1 3 ; Atkins, German versification 83; Singer, GRMon. 1925, 257; Schirokauer, D V j s c h r . 4, 87. A b e r dieser'natürliche Gang der Entwicklung' hat allzu wenig Fühlung mit Gehörwerten; den R h y t h m u s , die sinnliche Zeitgliederung, ersetzt er durch gedankliche Berechnungen.
Auf ganz anderm Wege haben Unwerth und Siebs, D L i t . 191 ff., Otfrids freie Taktfüllung zu erklären versucht. Nicht Melodierhythmen hätten die deutschen Reimdichter erfüllt: sie hätten sich die Hymnenverse halb und halb nach der Prosabetonung vorgesprochen und sich so, mit einigem Umweg, die bunte Füllung und insbesondere die 2 k - K a d e n z errechnet. Der deutsche Versbau die Frucht eines Mißverständnisses. Denn als: câelum dédit sidus n o v ü m ; hoc ômnis errôrum chôrùs; régem triumphântem séquèns, so wollten ja ambrosianische Zeilen niemals, von Hraban so wenig als von Ambrosius, rhythmisiert werden. Der Grundsatz, so weit immer möglich mit dem lat. Muster auszukommen (1. c. 190), wohl auch der Glaube, klingende Schlüsse seien der germ. Überlieferung fremd gewesen (0. § 193), haben hier zu einem überkünstlichen, gedankenblaß-gehörfremden Entwürfe geführt. Eine treffende Bemerkung bei Schneider, D L i t . 478. Die ältere Auffassung hat wohl zuerst W . Wackernagel klar ausgesprochen ( D L i t . i 2 , 75; A f r z . Lieder und Leiche 1846, 213); dann Rieger, Germ. 9, 300 (1864). Die Frage nach der klingenden Kadenz und anderen Einzelheiten haben diese Forscher noch nicht gestellt. D a sie den agerm. Vers für unmetrisch hielten (§ 164), konnten sie A r t und U m f a n g des germ. Einschlags nicht schärfer fassen. So spricht denn auch Rieger v o m 'Genius der (deutschen) Sprache' — anstatt v o m Stil deutscher R h y t h m e n . Das Verhältnis des deutschen Reimverses zum lat. Ritmus wurde schon vor 1913 verdunkelt durch die bekannte wunderliche Lehre, die W. Meyer bis zu Ende verfocht (sieh GGNachr. 1915, 263f.; Plenio, N J a h r b . 1917, 273): als hätten die bedingt wägenden, 'silbenzählenden' Maße keinen alternierenden Zeitfall und keine feste Taktsumme. D e m haben viele, kurz und schlagend Saran, widersprochen ( R h y t h m u s des französischen Verses, 1904, 225t.); nur den Begriff der 'schwebenden Betonung' hielte man von dieser Sangespoesie besser fern. Gegen Meyers Lesung und Artbestimmung der 'rhythmischen' Verse wandte sich eingehender W. Brandes, Rhein. Museum 64, 87 ff. (1909). Aber auch Beck in seinen Melodien der Troubadours (1908), 104. 143 u. ö., hat der Lehre Meyers, ohne ihn zu nennen, den Boden abgegraben.
3«
D A S MUSTER UND DIE
NACHBILDUNG.
474. Fassen wir die Stellung des ahd. Reimverses zu den lat. Hymnenformen dahin zusammen. E n t l e h n t hat der Deutsche: 1. die ambrosianische Strophe aus zweimal zwei Vierhebern; 2. das Grundmaß des Kurzverses: vier Kurztakte; 3. die stete Füllung des Schlußtaktes mit einer Silbe. Hätte Otfrid lauter Zeilen gebaut wie I 1, 111: gidän ist es nu r6dinä, thaz sie sint güate thöganä, d a n n hätte er eine treue Nachahmung seines lat. Hauptmusters erzielt. Und Verse wie Sal. 31: öbanä fon himile s6nt iu 10 zi gämane entsprächen denkbar genau den Schlußteilen des trochäischen Tetrameters, des jambischen Senars (§471): rispice propiciüs; magno gaudens gäudiö. Aber solche silbenzählenden Auf und Ab-Verse, solche jambischen Achtsilbler und trochäischen Siebensilbler, sind bei Otfrid Gelegenheitsformen. Grundmaß und Füllungsregel läßt solche Formen zu, verlangt sie aber nicht. Den rhythmischen Eindruck bestimmt die Menge der andersartigen Füllungstypen. Der Deutsche e n t f e r n t sich von den Hauptarten des Hymnus: 1. in der freien Silbensumme, 2. in der freien Füllung von Auftakt und Innentakten, 3. in den Kadenzformen einsilbig voll mit Haupthebung und zweisilbig klingend. Diese drei Dinge leiten wir aus dem germanischen Versgefühl und Sprachstoff. Damit haben wir die 'Abfindung' zwischen Heimisch und Fremd, den Beitrag der zwei Lager (§ 467), genauer bestimmt. 25. Abschnitt: Der Bau des althochdeutschen Reimverses: Gruppenbau; Versrahmen und Versfüllung. 475. Das in § 470 Umrissene haben wir nun näher auszuführen. Der G r u p p e n b a u . Die zwei aufeinander reimenden Kurzverse füllen in Otfrids Handschriften eine Linie. Man spricht daher hier, wie beim Stabreimvers, von Langzeilen. Aber die beiden Glieder, An- und Abvers, sind weit weniger gesondert als dort (§497). Der Endreim selbst wirkt nicht auf Gegensatz, wie der Stabreim § 342, vielmehr auf Gleichheit wenigstens in den Kadenzen, obwohl ja noch die rhythmisch unebenen Paare bestehn (§446). Keinem
DAS REIMPAAR.
DIE
STROPHE.
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einzigen ahd. Kurzverse hörte man an, ob er an erster oder zweiter Stelle stehn soll; gleichlautende Silbenreihen bilden hier den An-, dort den Abvers (Erdmann LXVI). Also die 'Langzeile' ist eine V e r d o p p e l u n g des Kurzverses, zusammengehalten durch den Endreim, meist auch durch den Satzbau, denn Otfrid schreibt mit wenig Ausnahmen (z. B. II 13, 11; Hartm. 1 5 9 . 1 6 1 ) strengen Zeilenstil ( § 3 3 7 ) , noch mehr die kürzeren Denkmäler (de Boor, Sievers-Festschrift 1925, 482ff.). Der Name Reimpaare, genauer Kurze Reimpaare, ist schon für die ahd. Dichtung berechtigt. Schief ist der Ausdruck 'gereimte Langzeilen'; dann müßte der eine Doppelvers auf den andern reimen (wie in § 599. 7 2 g f f . ) . Das Zusammenwerfen dieser echt e n Langzeilen mit den Kurzen Reimpaaren ist der Darstellung des mhd. Strophenbaus bei Vilmar-Grein-Kauffmann zum Verhängnis geworden. 476. Auch die Strophe aus zwei Reimpaaren grenzen die Handschriften ab. Sprachmetrisch ist diese Strophe eine schlichte Verdoppelung des Reimpaars ohne rhythmische Sonderung der Hälften. Die stärkeren Sinneseinschnitte liegen gewöhnlich, nicht immer, nach der geraden Langzeile, also am Strophenschluß. Die sprachliche Periode k a n n über die Strophe weggreifen (Erdmann 329), aber selbst in einem weitgehenden Falle, V 2 5 , 2 3 - 3 4 , ist e s kein scharfer Strophensprung. Hörbarer konnte sich die zweizeilige Strophe in gesungenen Stücken abgrenzen, sofern die Weise nicht aus gleichen Hälften bestand. Diese Strophe aus zweimal zwei Viertaktern ist die ambrosianische: der jambische Achtsilbler erscheint seit Ambrosius (t 397) — schon v o r dem Aufkommen des Reimes und des 'rhythmischen' Versbaues — am öftesten in dieser Gruppierung. Der deutsche Dichter hatte für die Strophe die selben Vorbilder wie für den Einzelvers. Die Stabreimdichtung kannte Zweizeiler nur als Gelegenheitsgruppen, selten einmal über eine kurze Strecke durchgeführt (§353. vg1- 35«)• 477. In den kleineren Denkmälern: Ludw., Samar., Psalm, auch Georg, stehn neben den Zweizeilern Dreizeiler in beliebigem Wechsel; im Heinr. sind es Vierzeiler neben Dreizeilern. Also freie Gruppenbildung oder, wo die eine (zweizeilige) Größe vorherrscht, freistrophischer Bau (§ 39). Der lat. Hymnendichtung ist dies unbekannt. Zur Erklärung genügt, daß die heimische Gewöhnung der fremden Gleichstrophigkeit entgegenwirkt. Die Stabreimdichtung, auch die weltlich-westgermanische, kannte freie Gruppenbildung, wenn schon bunter gemischt: Zwei- bis Sechszeiler durcheinander (§ 353. 367). Eine Abfindung zwischen
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TAKTGESCHLECHT.
dieser Freiheit und der lateinischen Strenge ist der Zustand im Ludw. und Genossen. Den Namen 'Leich' verdienen diese Stücke nicht: sie waren, sofern gesungen, sicherlich nicht durchkomponiert (§ 37. 830). Bei einzeiliger Weise wiederholte man nach Bedarf die ganze melodische Folge, bei zweizeiliger die eine Hälfte. Textwiederholung, wie in dem Beispiel § 39, brauchte es nicht. Eine reichere und festere Strophe: fünf Reimpaare auf fortlaufende Melodie, besaß das deutsche Galluslied um 880; sieh §507. Durch ihren (frei)ströphischen Bau unterscheidet sich die ahd. Reimdichtung insgesamt von der späteren, frühmittelhochdeutschen. Sie steht hierin wie in der Taktfüllung dem Ebenmaß, der Sanglichkeit näher. Aber weil diese Strophen metrisch nur aus wiederholten Reimpaaren bestanden, ohne Abstufung der Glieder und ohne Auszeichnung des Schlusses, war es nachmals kein großer Schritt zu der fortlaufenden Reimpaarkette. 478. T a k t g e s c h l e c h t . Der Kurzvers besteht aus vier Kurztakten. Auf deren Taktgeschlecht kann man nur schließen; auch die Neumen zum Petruslied entscheiden darüber nicht. Ob der kirchliche Gesang vor dem 12. Jahrh. noch in geradteiligem oder schon in dreiteiligem Takte ging, ist umstritten 1 ). Uns genüge die Feststellung, daß sprachgemäße Rhythmisierung der altdeutschen Reimzeilen entschieden auf geradteiligen, auf Z w e i v i e r t e l s t a k t drängt. Takte mit dem Inhalt 1 , L Z ^ Taktarten, z. B. II 15, 7 a ; IV 29, 31:
a
fügen sich in b e i d e
sie gerötun al bi manne ( giscafföta sia, soso iz zam J ^ X
11 x l ^ x x l
1!.
\kxx\-L
Aber die massenhaften Takte mit dem Inhalt kommen nur bei geradteiliger Messung zu ihrem sprachlichen Rechte; II 12, 23: queman avur widorort i I ^ X I X I ^ X I b e i d e Silben des Taktes, die starktonige Kürze und die schwachtonige Anceps, erhalten ¿ine Mora. Dreiteiliger Takt würde entweder der starktonigen Kürze eine sprachwidrige Dehnung aufnötigen (§74): queman i X I oder die schwachtonige Anceps unverhältnismäßig längen: queman I X I.
ABSTUFUNG
DER IKTEN.
4i
Aber a u c h bei dem häufigsten Taktinhalt, : unser, darf man die geradteilige Formung, I X X I, als die prosanähere bezeichnen (§ 78) : II 4, 67 Krist, ther druhtxn unser ist wird durch die Messung i l ^ x l ^ x l ^ x l A . schlichter, natürlicher stilisiert als durch die Messung ì I X I X I X I oder gar
i
Wir nehmen also Zweiviertelstakt an, und der Kurzvers erhält dieses Grundmaß: Die geläufigen Namen 'jambisch' bzw. 'trochäisch1 (§ 440) wären mithin, genau genommen, zu ersetzen durch die Bezeichnung 'spondeisch1 : 1 1 = 1 1 : 1 1 . ' ) Möller, AhdAllit. 159; Fleischer, R L e x . 2, 202; Riemann, Handbuch der Musikgeschichte I 2, 13ff. Vgl. u. §635.
479. A b s t u f u n g der I k t e n . Die 4 Hebungen des Kurzverses fallen bald auf sprachlich stärkere, bald auf schwächere Silben. Dies gibt ihnen ungleichen Nachdruck; die sprachliche Füllung bringt Mannigfaltigkeit in den Rahmen f f t ' . Aus Otfrids Iktenzeichen darf man folgern, daß der Vortrag abstufte, wenn sie auch kein genaues Bild der Stärkeverhältnisse geben (§469). Der Nachdrucksgrade sind viele. Steht doch jedem Iktus eine Stammsilbe von wechselndem Satzton zu Gebote, dem zweiten bis vierten Iktus außerdem eine schwache Endsilbe: II 16, 5 sàligè thie miltè; Lu. 49 in thèmo muatè then häz. Wir begnügen uns, z w e i G r a d e zu unterscheiden: Haupt- und Nebenhebung, ' und v . In sehr vielen Versen kann man schwanken, welcher Grad einer gehobenen Silbe gebühre. J e d e r der 4 guten Taktteile kann Haupthebung werden, hat Anwartschaft auf vollen Nachdruck. Die möglichen Lagerungen werden ziemlich vollständig vertreten sein. (Die unbezeichneten Beispiele sind aus I I 8.) Form
1. 1. 1. 2.
1. 1. 2. 2.
3 2 3 4
in sàligèru ziti theiz wàzzar lótàraz wàs thaz wàrun séhs kruagì bì then frónìsgan win
1. 3. 2. 2. 3. 3.
4 4 3 4 4 4
thiu hfun wàrun fìlu fró sìd er hèra in wórolt quam ther friunta fréwit gérnò then güaton win ùnz in nü then hion fìlu hébig thing Sai. 30a thèmo zi Rómu drühtin gràp
42
ABSTUFUNG DER IKTEN.
4 vollwichtige Hebungen, Form i . 2. 3. 4, darf man erkennen z. B. in I 22, 61 b so selben götes süne zäm; vgl. noch I i , 48 b ; 20, 34a; II 14, 72a; 22, 24a; III 4, 19a. Von eingipfligen Versen sind häufig: Form 2 slh zi wäsgänne 3 thaz iru thiu sin güatl. Vereinzelt kann man Form 4 ansetzen: II 4, 16 a thö ni wärd imö ther sand. Form 1 ist kaum aufzutreiben. 480. Die Beispiele veranschaulichen den Zustand, den wir in § 49 an neudeutschen Viertaktern kennen lernten. Wir nennen diese Verteilung der Haupt- und Nebenhebungen monopodisch', worunter wir also n i c h t verstehn, daß man 4 Ikten von gleichförmiger Stärke gesprochen, die sprachlichen Nachdrucksstufen ausgewischt habe! 1 ) Nach der Häufigkeit stellen sich die mannigfachen Formen sehr ungleich, im ahd. wie im mhd. und nhd. Viertakter. Bei Otfrid begegnen die 4 ersten Formen auf Schritt und Tritt, die weiteren minder häufig. Am beliebtesten ist, damals wie heute, Form 1. 3; sie macht bei Otfrid mehr als die Hälfte aller Verse aus. Diese Lieblingsform: in säligeru zitl ist also dipodisch; aber auf die Versart im ganzen trifft nur der Name monopodisch zu. Auch die Zweigipfligkeit, mag sie gleich überwiegen, darf man nicht verallgemeinern: damit zwingt man die ein-, dreiund viergipflige Minderheit unter ein sprachwidriges Rezept 2 ). Tatsächlich gibt es nirgends in deutscher Versgeschichte Metra mit der Vorschrift: die Hebungen sind zur Hälfte stärker, zur Hälfte schwächer, — w o nicht zugleich dipodisches Grundmaß da ist. Auch die lateinischen Vorbilder waren nach ihrer sprachlichen Zusammensetzung weder dipodisch noch sonstwie zweigipflig. Der Name 'jambischer Dirneter* darf nicht täuschen; die Beispiele in § 467 zeigen dies klar genug. Aber auch der Stabreimvers kann hier aus dem Spiel bleiben. Das Vorwiegen zweigipfliger Verse bei Otfrid und allen Späteren erklärt sich, ohne daß Gewöhnung an den agerm. Zeitfall nachwirkte. D e s s e n Zweigipfligkeit war doch für das Ohr eine grundverschiedene Größe! Der Zustand im Reimvers, im älteren und neueren, erklärt sich aus dem deutschen Sprachstoff: der legte es nahe, den Rahmen XI)>< bzw. Ik ; also ohne Dehnung der Wurzelsilbe; vgl. § 210 und 602. 484. Einsilbiger Takt, sagten wir, verlangt auch etwas von der sprachlichen S t ä r k e der Silbe. Die Masse der klingenden Schlüsse enthält viele einsilbige dritte Takte ohne das Gewicht einer Haupthebung : II 23, 24 mit séren managfàltèn; III 1, 3 fon thèmo wuntarlìchè; I 22, 21 untar gatilìngòn; III 10, 13 thaz füar si rédinòntì; usw. Im übrigen aber zieht es den einsilbigen Innentakt zum Hauptiktus; das meint: der vollwichtigen Silbe gönnt man leichter die Dauer eines Taktes als der mäßig starken. Dehnung und Verstärkung sind zwar in germanischer Sprache nicht verwachsen: kann man doch die kurze Stammsilbe beliebig verstärken, nicht aber dehnen! Beide jedoch dienen der Emphase (vgl. §79). So liebt Akzentform 1. 3 einsilbigen Takt an erster Stelle: wislìchen wórtòn; réhtèra rédinà. Form 2. 3 liebt ihn an zweiter Stelle: in thiz länt bréità; wio èr in ér sàgetà. Desgleichen Form 2. 4: bì then franisgan win. Usf. Vgl. die Beispiele in §479 und Wilmanns S. 16. 24. 30. 40. Aber erst Dichter nach 1200 erheben es zum Grundsatz, daß sich einsilbiger Takt durch seine Wucht ausweise (§ 575). Otfrid kennt noch n e b e n h e b i g e Silben von zwei Morae; immer abgesehen vom 2k-Schluß! Man unterscheide hier wohl: a) R ü c k g e n e i g t e S t a r k t o n s i l b e : I 19, 2 was thionostmàn guatèr; IV 33, 17 drühtin min, drühtin min; II 4, 7 thaz èr ther duriwàrt wàs; — I 4, 6 iogiwàr slnàz; 32 altdùam swàràz ; V 14, 26, so ist giwónahèit sin; IV 18, 23 thaz sélba wértisàl thàr. b) R ü c k g e n e i g t e S c h w a c h t o n s i l b e : I 2, 3 fingàr thinàn; 5, 7 zi édilès fróuwùn; II 4, 61 er spunotà, SÒS9 er was; I 2, 2 thiu arma muatèr min; II 7, 36 ioh bìstu ouh dtìbùnkind; 8, 27 thàr stùantun wazàrfaz; Sai. 17b ih drühtin férgòn scäl; IV 35, 1 thò quàm ein édilès man. c) V o r g e n e i g t e S c h w a c h t o n s i l b e d i c h t v o r dem K o l o n g i p f e l : I 2, 5 sì ltìtèntàz; 5, 66 st wort sinàz; 47 ist sédal sinàz; 62 nìst quéna bérentì. vom Kolongipfel: d) V o r g e n e i g t e Silbe getrennt I 4, 5 wàrùn siu béthìu; 5, 70 si quàd, si wÉrì sin thiu; 9, 21 in thfnèmo kunnè; 17, 58 mit sinèru fértì; 10, 4 ther unsìh irlóstà. 485. Diese 4 Arten sind verschieden zu werten. Unter d ist der Satzrhythmus matt zerdehnt; Hilfsverba und Fürwörter
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SCHWACHE
EINSILBIGE
TAKTE.
haben überreichlich Raum bekommen. Ob dies bei Otfrid zu den Flauheiten der frühen Teile gehört, ist nicht untersucht. Aber noch bei den Größen um 1200 fehlt es daran nicht (§ 574). Den Gruppen a-c ist gemeinsam: sie stellen eine schwächere H e b u n g s s i l b e dicht v o r eine stärkere. Die Fälle unter b stehn am öftesten in Buch 1: 20- von den 33, die Wilmanns S. 1 0 1 f. sammelt. Zweie bietet das Ludw.: 8a brüoder sinemö (§ 483); 20 a was erbölgän krist. Verbreiteter sind die a-Fälle (Hügel 36f.). Zweie gleich in der Eingangszeile des Augsburger Gebets (Braune, Lesebuch 1 5 1 ) , wo Vers 3 a und 4 a an der Schwäche d kranken: thäz uns thio kötinun; thinero mildö. öfter kann man zweifeln, ob die taktfüllende Silbe nicht Kolongipfel ist; z. B. Ludw. 3 0 a quädhun al: frö min; 3 1 a thanne sprah lüto. Man hat diese Belastung rückgeneigter Silben als Verstoß gegen die natürliche Betonung getadelt (PGrundr. 59f.). Nun waren ja die Fälle mit Akzentform 1. 3 (fingar thinän; zi ediles fröuwün) im agerm. Vers gang und gäbe; nur eine altertümliche Stilisierung, keine Verdrehung des Sprachfalles kann man in ihnen finden (§72). Aber auch wo sie den d r i t t e n Takt füllt, muß man die rückgeneigte Silbe keineswegs zur Haupthebung emporschrauben. Verse wie I 4, 66 nu wird thu stummfer sär, 5, 1 3 so man zi fröuwün scäl; Ludw. 20 was erbölgän krist formen den Satzrhythmus ausdrucksvoll. Man spreche sie nur richtig: die dritte Hebungssilbe schwach und ohne übertreibende Dehnung: die Kolongrenze erlaubt, den Takt mit einer kurzen Pause aufzufüllen: müater min I JL I /\ I -L. Hier ist der einsilbige Takt keine 'beschwerte Hebung'! (§ 5751)- Weil die Silbe rückgeneigt ist, eine Atemgruppe beendet, mißt man sie nur an dem vorangehenden, nicht dem folgenden Gipfel. Jedenfalls stehn die Fälle unter c auf einem andern Blatte. Nur hier erkennen wir wirklich Sprachwidriges an. Diese Beschwerung und Streckung der einen v o r g e n e i g t e n Silbe verzerrt die sprachliche Kurve (§ 72). Der Stabreimvers meidet dies folgerecht. Auch aus Otfrid wissen wir nur die erwähnten 4 Fälle zu nennen, alle in anerkannt altertümlichen Kapiteln1). P r ä f i x überlastung, wie man sie dem agerm. Verse zumuten wollte: gedön wölde; geba infähän (§159, 2), wäre auch bei dem Anfänger Otfrid unerhört. Fern bleiben die zahlreichen Verse wie: I 7, 2 3 thri mänödo t h ä r ; 4, 4 6 selb druhtine; 9, 29 sär sprechanter; 2 3 , 20 und 2 7 , 1 4 sus thesen worton. Hier kann die erste Silbe recht wohl Kolongipfel sein; der Akzentstrich nur auf der zweiten widerspricht dem nicht (§ 469).
Z W E I - UND DREISILBIGER
INNENTAKT.
47
Auch das min in I 22, 46 mïn sun guater, II 13, 23 min brediga thiu nist, 8, 13 ih scal thir sagen, min kind, das Her- in I 2 1 , 1 thö erstarp ther kuning Hêrôd können mehr Gewicht haben als eine vorgeneigte Silbe. Und dgl. mehr. (Man sehe die vielen emphatischen thén, thés, thiu, thla usw. bei Hügel iof.)
Außerhalb Otfrids finden wir Fall c in Samar. 3 b èin quéna sârio; 15b mér thàn Jâcôb; Georg 25b èin gôukelàrl; 30a (u. ö.) die héidènen man (wogegen 14a dhâr swullen . . .); Psalm 11 a wie michiliu ist (15b, 35b mit emphatischem dïn); wohl auch bei Notker: sin bald éllln (vgl. §438). Besonders störend fällt der Kehrvers des Georg ins Ohr; soll er sich durch stumpfen Schluß abheben ? : die héidènen man /\ ; besser klänge pausierte Eingangshebung: y\ die héidènen mân || kescânte Görio dràte frâm. ' ) Vgl. die Lesarten zu II 21, 11 b (das thär von Pist metrisch nötig); IV 21, 7b (das von V nachgetragene thu ist metrisch nötig). Die lange Liste bei Hügel, Otfrids Versbetonung 38, und bei Wilmanns S. 49 ff. folgt blindlings den Akuten und wirft die paar vorgeneigten Hebungen zusammen mit entschiedenen Kolongipfeln.
486. Völlig sprachgemäß hat also die ahd. Reimdichtung den einsilbigen Takt nicht durchgeführt; in Silbendauer und -stärke machte sie einige, wenn auch spärliche Zugeständnisse. Der zweisilbige Innentakt war damals wie heute der prosodisch anspruchsloseste (§94). Er verlangt nur 2 Silben, deren erste sich sprachlich überordnen kann : ob sie sprachlich lang oder kurz sind, macht für den Rhythmus, soviel wir erkennen, keinen Unterschied. Taktpaare wie: | fora-|sagon |, | horngi-|bruader|, |lüte-|ren gi-|, | wiht es | ni fir-1 ergeben die nämlichen Zeitwerte: 11 111 1 | ; vgl. § 75 D. In allen 3 Innentakten sind ein und ein (oder als gleichwertig zugelassen; daß sprachlich lange Hebungssilbe in der Mehrheit ist, liegt am deutschen Silbenbestande. Zweisilbiger Innentakt entspricht den lateinischen Mustern und ist denn auch in den deutschen Reimgedichten der häufigste von allen. 487. Im dreisilbigen Takte macht sich wieder die sprachliche Silbendauer geltend. Sie bedingt zweierlei Takttypen. Gemäß § 75B ergeben die Silben |legita|, | forahti |, | faramês |, |-gèro gi-|, |deta thaz|, | kuning thih-1 die Figur 1 vS1 w X I ; die Silben [ swâremo |, | frâgêta |, | ïlemës | und wohl auch | fuarun thiu |, | niuwaz thaz |, | quâmïst thu | ergeben die Figur D.h.: ist die Hebungssilbe sprachlich kurz, so besetzt sie nur eine halbe Mora, das erste Viertel spaltet sich. Ist die Hebungssilbe sprachlich lang, so erhält sie die ganze erste Mora, und die zweite spaltet sich. Die sprachliche Länge bzw. Schwere der 2 Senkungssilben macht für den Zeitfall nichts aus.
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D R E I - UND VIERSILBIGER
INNENTAKT.
Diese sprachlich bedingte Zweiheit v^/^/X und X w w schreiben wir schon dem altgermanischen Versbau zu (§ 209). Nach den von uns gemiedenen Ausdrücken ist es im ersten Falle 'Auflösung der Hebung' oder 'Verschleifung auf der Hebung'; im zweiten Falle 'Auflösung der Senkung1 oder 'Verschleifung auf der Senkung'. Unverfängliche Namen, solange man sie rein beschreibend gebrauchte, gleich 'Spaltung der Mora'! Das mißliche ist aber, daß man eine prosodische Forderung hineinlegt: es müssen zwei leichte Silben sein, wie in | swär-emö |, sonst erkennt man keine verschleifte oder aufgelöste Senkung an. Und die Takte wie | frä-geta |, [ quä-mist thu |? Nun, für die brauchte man keinen Namen, denn man leugnete ihre physikalische Möglichkeit (§ 490. 557). Davon abgesehen, schließen die Namen Verschleifung und Auflösung entstehungsgeschichtliche und phonetische Ansichten ein, die wir ablehnen (§209. 489. 563). Der Eindeutigkeit des rhythmischen Vorstellungsbildes dient es, wenn wir die Namen entlassen. 488. V i e r s i l b i g e Füllung kennt im allgemeinen nur der Anfangstakt. Eine Ausnahme wohl IV 7, 21a ni swörget föra themo liute. Die 4 Silben dürften, unabhängig von ihrer sprachlichen Dauer, den Rhythmus ergeben: in | managemo |, | fora theru | ebenso wie in | wuntoröta |, | nuzzun thera | oder | ebonöt thin | . Unsicher ist, ob Otfrid vereinzelt bis zu fünfsilbigem Eingangstakt steigt, also mit Sechzehntelbildung. Man sehe III 24, 3a quam menigi thero Judeönö t x und 15, 48b bi förahtun thero Judeönö, verglichen mit V 11, i b bi förahtun thero Jüdönö (III 23, 27 b wisömös thero Jüdönö) und anderseits V 6, 30 a thaz h£rza Judeönö. 489. Wir können die Taktinhalte nach Zahl und Länge der Silben so ordnen (einheitliche Wörter als Beispiele); die Formel links gibt die sprachliche, die rechts die versrhythmische Beschaffenheit : 1. I man I
1
\j_ I
2. I filu I
I & XI
3. Iguatel
! >< XI
4. I zelita I
Iv^/wXl
5. I jungoron I 6 I managemo I
Iv^/wwvjI
7. I wuntoröta I l ^ i i a
t ^ w u w l
AUFLÖSUNG U N D
VERSCHLEIFUNG.
49
Forscher, die mit dem 'Gesetz der Auflösung' arbeiten, sagen n u n : 1 könne durch -¿^ vertreten sein. Unter diese zwei letzten Zeichen schreiben sie manchmal einen Bindebogen, worunter man sich entweder vorstellen kann, die zwei Silben verschmölzen zu einer, oder beide zusammen dauerten so lange wie L . Zwischen grammatischer und versrhythmischer Größe pflegt man nicht zu scheiden. Voraussetzung dieser 'Auflösungs'-Lehre ist, daß man Taktform 2 auf i beziehe, 4 auf 3, 6 auf 5: d a n n findet man alle dreimal L durch ¿ ^ 'vertreten'. Mit gleicher Willkür könnte man 2 auf 3, 4 auf 5, 6 auf 7 beziehen; dann 'verträte' •¿^ ein Das erste Vorgehn hat zu dem wunderlichen Satze verführt: der altdeutsche (oder altgermanische) Vers lege die Hebung n u r a u f s p r a c h l i c h e L ä n g e n . In filu, z61ita, mänagemo liegt sie zwar offenkundig auf Kürzen: aber da rechnete man eben •¿^ in eins und fand darin die Vertreterin einer Länge! Dies war auf dem Papiere möglich, weil germ. Starktonkürzen nie in pausa stehen; weil ihnen immer eine rückgeneigte Silbe dicht folgt: + Ü fi-lu (§73). Wie hätte es da ein germ. Vers anfangen sollen, die Hebung auf eine Kürze ohne Anhang zu legen ? Ginge man den zweiten Weg und stellte filu neben güate, z ä i t a neben jüngoron, mänagemo neben wüntorota, dann entrönne man jenem Trugbilde, und es ergäbe sich der richtige Satz: die Hebung kann in zwei- und mehrsilbigem Takte so gut auf Kürze wie auf Länge ruhen. In solchen Dingen ist das gesunde Verfahren: schlicht beschreiben und nach lebenden Gegenstücken den Zeitfall erlauschen; mehr beiordnen als unterordnen! Entstehungsgeschichtliche Beziehungen verspare man auf andern Zusammenhang. 490. Fraglich bleibt die Z a h l der drei- und viersilbigen Takte bei Otfrid. In welchem Umfang wollte er schwache Selbstlauter in Fuge verschluckt wissen (Elision, Synalöphe) ? Diese Nachhilfe zur Erleichterung der Takte lag ihm am Herzen: er setzt Tilgungspunkte in Menge und verbreitet sich über die Sache in der Zuschrift an den Erzbischof. Mag er dabei das gesprochene Deutsch antikisch verkünstelt haben 1 ): immer müßte man s e i n e n Vers nach seinen, des Dichters, Absichten lesen. Folgende Sätze lassen sich verantworten: Spaltung in Achtel ist bei Otfrid überhaupt n i c h t s e h r häufig; seltener als z. B. im Hildebrandslied, gar nicht zu vergleichen mit dem Heliand oder wieder mit frühmhd. Werken. Auch in dieser Hinsicht wäre Otfrid leicht singbar. Ferner: das erste Achtel ist ö f t e r eine sprachliche Kürze als eine Länge: öfter ein | swäremo | als ein | frägeta | , öfter ein H e u s l e r , Deutsche Versgeschichte I I .
4
50
V E R T E I L U N G DER
TAKTSCHWERE.
| managemo | als ein | wuntoröta | . Vgl. § 75 C. Doch bleibt eine Reihe von Versen, die das Viertel mit 2 Silben füllen bei sprachlicher Länge oder Schwere der ersten Silbe. Das geht wider Lachmanns Gesetz von der sogen, einsilbigen Senkung. 'Verschleifbar' wären nach diesem Gesetz zwar | förahti | , | swarémo | und | managémo | , nicht aber | frägeta | und | wuntoröta | (Zum Iwein 651). Otfrid kommt diesem 'Gesetz' leidlich nahe; erreichen tut und will er es nicht, und die Versgeschichte verkennt ihr Amt, wenn sie dem Dichter oder dem Gesetz mit gewaltsamen Lesungen unter die Arme greift 2 ). Sieh Kappe, ZsPhil. 41, Kauffmann, DMetr. §49ff. und die zu §431 genannten Schriften von Baesecke und Jellinek. 2 ) Sogar Wihnanns S. 63 erklärt: 'keinem kann es einfallen, überall durch Apokope oder Synkope einsilbige Senkungen [im Sinne Lachmanns] zu erzwingen. Dabei will er z. B. thö gab er imo antwurti gelesen wissen als: thö gàb ermàntwùrti.
491. 'Überladen' dürfen wir die mehr als zweisilbigen Takte nicht nennen; sie muten doch dem Sprecher noch keine Mühsal zu! Man könnte den Namen 'schwere Taktfüllung' in dem bestimmteren Sinne verwenden: da wo die sprachlich lange Silbe auf ein Achtel eingeschränkt ist. Schwere Takte, so verstanden, gebraucht Otfrid, wie gesagt, maßvoll. Auch d a r i n ist seine Füllung undicht, daß er Gehaltwurzeln selten in Senkung bringt, sogar im zweisilbigen Takte. Takte wie |lantliut|, |unkund|, | thriu deil | sind spärlich (Wilmanns S. 117), auch solche mit vb. fin.: | krist nam |. Takte wie |duriwart| oder gar wie |missidät|, |abgoton|, |gommannes|, | edilthegan |, | nötgistallo | gibt es kaum. (I 14, 12a thaz si ünreini thèra gibürti? Wilmanns S. 96 u.) Stabreimende Schwellverse und Reimverse um 1100 erlauben sich darin mehr; sieh § 245 und 532. Die kleineren ahd. Denkmäler bleiben an Zahl der dreisilbigen Takte hinter Otfrid zurück (Ludw. hat nur. 4), ausgenommen Samar., Georg und Heinr., die erste auffallenderweise nur mit I w X I -Takten (10 Fälle). Viersilbiger Takt begegnet Psalm 7 a und (ohne Elision) Heinr. 16b her léida ina in thaz gódes hös. 491 a. Ganz im großen betrachtet, nehmen die Taktinhalte ab vom Anfang zum Schluß des Verses. 4 Silben erlaubt sich nur der erste Takt; 3 sind im ersten häufiger als im zweiten, am seltensten im dritten. Die Empfindlichkeit hierin geht ziemlich weit; z. B. II 12, 85b will nicht gelesen sein als: in then gótes éinogon sün, sondern als: in then gótes éinògon sün. Umgekehrt ist einsilbig am seltensten der erste, dann der zweite, dann der dritte Takt; der Schlußtakt ist es stets. Wörter des Baues mit der Messung I ! I ^ : libhàftàz füllen Takt 2-4, nicht Takt 1-3: II 1, 43 joh fìlu libhàftàz, nicht
A R T E N DES VERSSCHLUSSES.
5i
*libhäftäz giböt. (Selten: ümmähtlge man III 14, 68 u. ä. Vgl. § 582.) 'Gemessen und feierlich klang der Vers aus*. Sieh Wilmanns, passim, bes. S. 65f. Die Neigung des Verses zum Schlankerwerden, zur Gestalt hat zwar tausend Ausnahmen, klingt aber hörbarer heraus als im agerm. Stile, wo ganz gewöhnlich ein schwerer Schlußtakt einem leichten Anfangstakt die Wage hält: | sünu 11 fätarüngo, und wo keine Stumpfung das Versende auszuzeichnen braucht (vgl. § 5i- 195)Dies führt uns zur Füllung der letzten Versgegend, zur K a denz. 492. Auf die Kadenzen des Reimverses passen die uns vom Stabreimvers geläufigen Unterscheidungen und Namen. Das ungleiche Grundmaß: einst zwei Langtakte, jetzt vier Kurztakte, hindert nicht. Wir halten uns an die einfache Artbestimmung von § 190; angewandt auf den monopodischen Viertakter, lautet sie so: Die vierte Hebung ruht auf sprachlich starker Silbe: voller Schluß; sie ruht auf sprachlich schwacher Silbe: klingender Schluß; sie fällt in Pause: stumpfer Schluß. Beim Reime, § 446ff., und bei der Vergleichung mit den lateinischen Mustern, §471 ff., lernten wir schon die Tatsachen kennen: 1. Dem ahd. Reimvers f e h l t die dritte Hauptart, die stumpfe Kadenz; er muß die letzte Hebung sprachlich ausprägen. 2. Der ahd. Reimvers gibt dem letzten Takte stets ¿ine Silbe; die zweisilbig vollen Schlüsse, die wir im frühmhd. Verse wieder auftauchen sahen (§ 456), meidet er. Diese beiden Verzichte entspringen dem Vorbild der lateinischen -Schlüsse im jambischen Vierheber und in anderen Lieblingsmaßen (§ 471). Es bleiben für den deutschen Reimvers des 9. und 10. Jahrh. die drei Kadenzformen, die wir uns noch einmal an Beispielen vorführen: Einsilbig voll: slnen jüngöron zw6in. Zweisilbig klingend: s£ltsäni rächä. Dreisilbig klingend: thär füarun man manage. Diese drei Schlüsse paart man nicht nur je mit sich, sondern auch i v mit 2k: sun : liazün; i v mit 3k: thaz : mänagäz; 2k mit 3k: wibön : magadön: die rhythmisch unebenen Paare §446. 493. Hierzu ist einiges einschränkende und erläuternde zu merken. 4*
52
ZWEISILBIG VOLLER
SCHLUSS.
1. S t u m p f e Schlüsse, mit oder ohne Endreim, trafen wir in den kunstlosen Übergangsformen § 436 f., z. T. freilich in dem altern, dipodischen Zeitfall. An diese gelegentlichen Vorkommnisse werden wir uns beim frühmhd. Versbau erinnern (§536). Bei Otfrid könnte man éinen Vers, I I I i g , 4 a theist sär filu redi (-i aus -u V, redu P), als zweisilbig stumpf ansprechen. Die Messung zweisilbig voll, also zu unten 3, ginge schlechter, am wenigsten die Dehnung ré-dì. Abhülfe die Form rédiì, dreisilbig klingend. 2. Die 'sprachlich starke' Ultima, die den e i n s i l b i g v o l l e n Schluß bewirkt, hat wechselndes Gewicht: sie kann Stammsilbe sein mit Haupthebung oder Nebenhebung; sie kann Ableitungssilbe sein, dann immer mit Nebenhebung: V 6, 53 ther àfter Pétrùse giang: I I I 4, 32 mit thèmo bètte thäna gìang; I 15, 9 thö quàm ther säligo man: II 11, 25 alle thèse kóufmàn; II 21, 21 gót irkénnìt in iu; II 19, 23 giwisso thàz ni hiluh thìh; II 14, 86 flta in thia bürg in; III 3, 12 thia unsèra dumphèit. Die Grenze gegen die 'sprachlich schwache* Ultima, die den k l i n g e n d e n Ausgang bedingt, kann man so ziehen: Silben, die auf mhd. Stufe den vollen Vokal bewahren, zählen als sprachlich stark; also die Suffixe von editing, druhtln, heilant, heriscaf u. a. Doch ist die Grenze, zumal im Blick auf die mhd. Schlüsse von §463, unfest. Für unsre Dichter, welche Stamm-, Suffix- und Endungssilben ungehemmt aufeinander reimten (§ 445), kam keine scharfe Scheidung in Frage von sprachlich starker und schwacher Ultima, von vollem und klingendem Schluß. 3. Vereinzelte z w e i s i l b i g v o l l e Schlüsse tauchen auch in den ahd. Reimgedichten auf 1 ). Da hat sich zur Ausnahme das Gefühl für eine geläufige heimische Form gegen die lateinische Einsilbigkeit geregt. Es sind lauter Fälle mit sprachlich kurzer Pänultima (wie in Hild. 5 b gürtun sìh irò s w é r t à n a ; Hei. 301a bliöi gibódskèpi), aber immer mit gewichtiger Schlußhebung. Bei Otfrid sind es 6 Verse, die Hälfte in den bekannten frühen Teilen: 1 3 , 37a iro dägo wàrd giwägo (: wizàgòn, so nach § 483); 4, 9a unbèra wàs thiu quéna (: zéizèrò, ebenso); 5, 3a thò quam boto fona góte ( : himilè) ; II 9, 31 a drühtin kós imo èinan wini (:ménigì). Diese vier stechen auch durch rhythmisch außergewöhnliche Reime ab 2 ); Gegenstücke erst frühmhd. (§458). Die zwei letzten Fälle dagegen bilden zusammen ebenen Halbreim; II 12, 31 : nist, thèr in himilrìchi quéme,
ther géist joh wäzar nàn nirbére.
Gleiches gilt von den übrigen 2v-Schlüssen in ahd. Reimdichtung,
D I E L H ^ -SCHLÜSSE.
53
nämlich Samar. 25 wéiz ih, dàz du wâr ségist, || dàz du cômmèn ne hébist; Psalm 34 so fliugih zeénti iènes mères: || ih wéiz, daz dù mih dàr irférist. Wilmanns S. 30. 146; Fr. Vogt, Festgabe für Hildebrand 151; Wolff, ZsAlt. 60, 266f. a ) Vogt 1. c. weist auf den B i n n e n r e i m der drei ersten Verse. Sollten sie bei Otfrid Lehngut sein ?
494. 4. Endlich die k l i n g e n d e n Schlüsse. Die Zweiheit râchà (2 k) —mânagè (3 k) lernten wir genau so im agerm. Verse kennen; für ihre sprach- und versrhythmische Beurteilung gilt das in § 193 Gesagte. Im allgemeinen hat dreisilbig klingender Schluß X im frühen Reim- wie im Stabreimverse den sprachlichen Bau mit k u r z e r Starktonsilbe. Dreisilbig klingende Schlüsse mit l a n g e r Starktonsilbe, I^L^L, begegneten uns besonders bei den Sachsen, auch im Hildebr. : spâhirun; brünnöno; zwischen den Messungen )>< X und J_ K X war schwer zu entscheiden (§ 197. 256. 269). Für den ahd. Reimvers mit seinem einsilbigen Schlußtakt kommt nur die erste dieser Messungen in Betracht. .Bei Otfrid ist diese L^l^l Kadenz mit nur s e c h s Versen vertreten (Wilmanns § 83) ; davon 4 in Buch I, doch nicht in den Anfängerteilen : I 1, 9b thaz thèn thio büah nirsmâhëtin ( : gisâgëtin) ; II 14, 57 a unsere âltfôrdorôn (:bérgôn); I 1, 75 zirréttinnè (:rédiè); 20, 23 scrîbârà ( : livolà) ; 12, 31 wächoröt ( : thiot) ; IV 22, 24 purpurin (:in). Aus den kleineren Gedichten rechnen wir her: Ludw. 8 sinemô ( : wünniöno) ; Notk. snéllemô (: ândèrmô, s. § 483) ; Heinr. 17 genâthenô ( : âmbô) ; Samar. 3 Samâriô : sâriô; Psalm 27 löuginö : töugino. Nur die beiden letzten Fälle paaren zwei derartige Kadenzen. Augenscheinlich eine mißliebige Form, obwohl sie dem v e r s rhythmischen Anspruch, dem Schlüsse & X genügt. Sie muß auf s p r a c h rhythmische Bedenken gestoßen sein. Wörter des Baues 1 ^ (weinöta, zellenne ; sälida, sïnemo) hatten im S a t z i n n e r n je nach dem Zusammenhang die Betonung -Z!_ oder oder L . Dies spiegelt sich in Messungen wie: V 7, 6 si stüant thoh, weinöta thàr; IV 26, 7 sie wéinôtùn thö ltitô; III 24, 8 wéinôta iogilichô; I 3. 33 ouh sâlida sùachè; Lu. 5 joh sâlidà giméini; IV 35, 44 jôh ouh sâlida ùbar âl. Im S a t z s c h l u ß dagegen, in pausa, war die sprachliche Betonung 1 1 _ : weinötun, sâlida. Dem entspräche die Messung
54
ZAHLENVERHÄLTNIS DER
SCHLÜSSE.
I J - 1 & X ; aber diesen zweisilbigen Schlußtakt verbot die bekannte Hauptregel (§471. 492). Das fremde Versmaß übt seinen Zwang. Es gab zwei Auswege. Erstens streckte man diese Wörter über drei Schlußtakte aus. Bei sprachlich schwerer Mittelsilbe schien dies unverfänglich und ist denn auch das stehende Verfahren: I 26, 3 then brünnen réinòtà; II 14, 10 theist däges héizèstà; I I I 10, 5 sì quam rùafèntì; — Samar. 10 mit thèmo do kósòtìs ; Georg 4 daz thing was màrìstà, || góte liebòstà; Ludw. 12 thiot Vràncònò II manön sundiònò; Notk. : pegàgenet andèrmò; zwélifélnìgè. Aber auch bei sprachlich leichter Mittelsilbe hat sich wenigstens Otfrid 21 mal diesen Ausweg erlaubt (§483): I 7, 24 mit ällen sàlìdòn. Verletzte dies die sprachliche Dauer, so tastete die zweite Behandlungsart die sprachliche Stärke an. Das prosaische I n tonate man als X X ^ : -smähetin ; -fórdoròn. Dies hat Otfrid, wie wir sahen, nur 6mal; es galt ihm danach wohl als das größere Übel. Seine Nachfolger wählten anders. Aber wirklich in Brauch kam diese dreisilbig klingende Kadenz mit sprachlicher Starktonlänge erst in mhd. Zeit (§ 542). 495. Über das Z a h l e n v e r h ä l t n i s der Kadenzformen fehlt es an brauchbaren Sammlungen. Nach Stichproben aus Otfrid herrschen überall vor die Paare aus zwei klingenden Versen (2k und 3k nicht gesondert); sie bewegen sich zwischen 65 und 90%. Am seltensten sind überall die 'unebenen' Paare aus einem klingenden und einem vollen Verse; sie halten sich zwischen + 3 und 11%. In der Mitte liegen die beidseitig vollen Paare; sie bringen es, nach den Proben, in Buch I I I und IV weit höher als in I, II und V: dort zwischen und 28%, hier zwischen 13 und 16%. Das dürfte zur Entstehungsfolge stimmen, und der in mhd. Zeit zu beobachtende Satz: J e jünger, je mehr volle Schlüsse (§ 594)» gölte schon innerhalb des Otfridschen Werkes. Freilich mit Einschränkung, denn das späte Kapitel I 1 sinkt auf 7 % volle Verse ! Die Summe der klingenden Einzelverse beträgt nach den Proben aus Otfrid 77%, die der vollen 23%. Daneben erscheinen Georg, Ludw. und Samar, modern : ihre klingenden Verse liegen zwischen 64 und 58%. Vollends der Psalm steht mit 44% k : 56% v auf einer Sprosse, die man im allgemeinen um 1150 ersteigt.
VIELGESTALTIGKEIT .
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496. Otfrids Vers verteilt freie Silbensumme wechselnd über Auftakt und Innentakte, während der Schlußtakt starr einsilbig ist. Damit gehört dieser Vers zu der 2. Gruppe in § 53. Es kreuzten sich in ihm der agerm. Versstil und das Auf und A b des lat. Hymnus: jener gab a l l e n Versgegenden die Füllung frei (Gruppe 1), der Hymnus wiederholt von Vers zu Vers ¿inen Füllungstyp (Gruppe 5). Unser ältester Reimvers besitzt eine ansehnliche Menge Füllungstypen (§ 516). Eng begrenzt ist seine Vielgestaltigkeit im Sinne von § 84: Zeilen, die man auf mehr als ¿ine Art lesen kann, ohne das Metrum zu verfehlen. Die Iktenzeichen geben da Winke; wir denken an die Fälle, wo die Handschriften über gehoben und gesenkt uneins sind (§469). Es handelt sich um wenigsagende Verschiebungen zwischen Nachbarsilben; etwa II 3, 67a thes ginäda uns scirmen oder: thes ginäda tins scirmen (uns hat in D Akut). O h n e Leitung durch die Striche kann man z. B. schwanken zwischen: in finsteremo iz sctnit und: in finsteremo iz scinlt (II 1, 47). Weiter auseinander liegende Möglichkeiten hat man nur in Zeilen umstritten, die irgendwie vom Gewohnten abgehn, und kühneres Umkneten, wie in den neudeutschen Beispielen § 84. 85, kommt wohl nirgends in Betracht. Schnitte an bestimmter Versstelle befiehlt oder verbietet der ad. Viertakter nicht, noch weniger als der lateinische (W. Brandes, Rhein. Mus. 64, 59ff.). Es gilt da das in § 50 Gesagte. Die E i n t e i l u n g der Füllungstypen kann sich auf diese Züge gründen: 1. Stärkeverhältnis der vier Hebungen; also die Akzentformen, die wir uns in §479 vorführten; 2. Art der Kadenz (§492); 3. Silbenzahl der Innentakte, namentlich Lage der einsilbigen Takte; 4. Bildung des Auftaktes. Welche dieser Merkmale man überordnen, welche ausschalten will, hängt von dem jeweiligen Ziele der Gruppierung ab.
26. Abschnitt: Oer Bau des althochdeutschen Reimverses: An- und Abvers; Sprachbehandlung; ältere und jüngere Versfüllung. 497. An- und Abvers sind, wie wir sahen, nicht planvoll gesondert (§ 475). Gradmäßige Unterschiede der Füllung aber gibt es. Das Buch von Wilmanns beobachtet hierzu allerlei; viel ist abzuziehen, sobald man die Nachdrucksformen nicht kurzweg von den Iktenzeichen abliest und damit rechnet, daß es graphische Gewohnheit war, den Abvers sparsamer zu stricheln. Bemerken läßt sich die Neigung, dem Anvers s c h w e r e r e Füllungen zu überlassen. Die Zeile kann sich in ihrer zweiten Hälfte verjüngen: also eine Erscheinung, die in den rhythmisch gesonderten Langzeilen so oft begegnet, auch den stabreimenden
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SONDERUNG DER HALBZEILEN.
PROSODISCHE
FREIHEITEN.
nicht fremd ist (§ 343. 346). Nur daß die Abstufung in der K a d e n z beim Reimpaare gegebenerweise wegfällt. Der gradmäßige Schwereunterschied besteht in folgendem: 1. Verse mit mehr als zwei Vollikten, also die Akzentformen 1. 2. 3, 1. 2. 4 usf. (§ 479), neigen wohl zur ersten Stelle. Verse dagegen mit ¿inem Gipfel (nicht ¿inem Akut!), Form 2 und 3, scheinen nicht etwa die zweite Stelle vorzuziehen. 2. Vier- und dreisilbige Innentakte sind im Abvers spärlicher als im Anvers. 3. Einsilbige Innentakte und im besondern die Ausgänge J_ stehn dichter im Abvers (Wilmanns § 23. 26. 29). Von der Neigung der Stabreimkunst, die (längeren) A u f t a k t e dem Abvers zu geben (§ 344), wirkt wenig nach. Der strenge Zeilenstil unsrer Reimgedichte bringt die meisten Satzeingänge in den Anvers; aber dies nötigt noch nicht zu Auftakten. Vgl. I V 4 , i f f wölt er thö biginnän | | . . . , || thäz er thäz biwürbl ||. . .¡| thäz was finf dägon £r . . . Otfrid scheint die Halbzeilen ziemlich gleichmäßig mit Auftakt zu bedenken. In der frühen Strecke, die wir § 453 heraushoben, ist das Verhältnis 149 : 1 5 6 ; in dem späten Kapitel I 1 95 : 94; in den Widmungen an König und Bischof aber 71 : 107. Etwas stärker überwiegt der Abvers in Samar. und besonders Heinr. (Unwerth, Beitr. 42, 116), während das Ludw. wieder gleich verteilt. Zum Galluslied s. § 507. 498. Gegen S i l b e n s t ä r k e und S i l b e n d a u e r verstößt der ahd. Vers selten. Wir erinnern an die besprochenen Fälle : Erstens schwächliche einsilbige T a k t e ; wahrhaft sprachwidrig doch nur die Takte mit vorgeneigter Silbe (§484!). Zweitens Dehnung leichter Bildungssilbe über den vorletzten Verstakt; wohl nur bei Otfrid, 21 Fälle: In mir ärmerü (§483). Drittens die Versschlüsse Z^^. als }< X ^ gemessen: -smähetln. Ein Dutzend Fälle, die Hälfte bei Otfrid (§ 494). Aber das sind schon der Zahl nach harmlose Dinge. Dehnung kurzer Starktonsilbe (§ 74) verschuldet der ahd. Vers nicht. Auch von Beugung der Starktöne (§70) darf man ihn freisprechen. Nur bedingt gehört hierher der Fall, daß ein Redeteil der stärkern Klasse (§ 138), mithin ein Kolongipfel, in e i n s i l b i g e n A u f t a k t tritt: II 1, 36 got d^taz thüruh inan äl; Ha. 165 krist halte Härtmüatän und fünf weitere Verse mit got und krist. Ferner I 5, 18 fol blstu götes ¿nstl; I I I 17, 45 ein äfter änderemo giang; — II 13, 11 steit, löset stnes wörtes, wo von zwei gleichlaufenden V e r b a das erste um die Hebung kommt.
BEHANDLUNG DES
SPRACHTONS.
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Solche Auftaktbildung ist dem agerm. Verse zwar noch fremd (§ 71. 213), im Reimverse aber empfinden wir sie als unverfänglich, weil man die Auftaktsilbe nach Bedarf verstärken kann, ohne den Versschritt zu lähmen, auch ohne 'schwebend' zu betonen. Bei Otfrid hören wir also die Anfänge dieser Erscheinung. (II 15, 18 lies: liob höreron min&; IV 235, 1 lies: bäldlicho, sö jmo zäm. Die Eingänge mit un 1, III 17, 68b, IV 29, 21b, vielleicht prosagemäß.) 499. Ziemlich zahlreich sind Verse wie: II 14, 50 gab antwurti gimüatl; IV 29,36 thaz s&tsäna giwätl; II 7, 3 joh wisdüames irfültä; III 26, 6 främmörtes thia götes dät. Wilmanns S. 118; viele mit -lieh-. Die hier bezeichnete Messung angenommen, sind es sprachreine und kräftig geformte Verse; ihre dreisilbigen Takte bleiben in den Otfridischen Grenzen (§ 487) Doch mag sich der Vortrag im Zusammenhang mehr alternierender Zeilen für die Messung entschieden haben: äntwurtl gi-; s^ltsänä gi-; wisduames ir-; främmörtes thia . . Dann haben wir hier den Fall, der in mhd. und nhd. Zeit dem Auf- und Abvers so viel zu schaffen machte: der Nebenton der -Gruppen gebeugt unter den folgenden Schwachton (§ 580) Man möchte wissen, wie sich Otfrid selbst dazu stellte. All das Genannte träte weit zurück hinter der Menge der Wortund Satzton-Beugungen, die man einzig aus Otfrids I k t e n zeichen gefolgert und auf höchst künstlichem Wege zu erklären versucht hat 1 ). Der Sprachbehandlung des Dichters hat man da aus seinen Lesehilfen einen Strick gedreht; bei all den anderen Texten, die auf solche Hilfen verzichten, denkt kein Mensch an so nachteilige Feststellungen. Wir bestreiten das Recht, aus den Akuten diese gewichtigen Schlüsse zu ziehen (§ 469). Wir finden keine Beugung des Worttons in V 8, 36 themo wizodsp&itäre; 11, 35 thie drtitm6nnlsgön; 15,50 füazfällöntl usw. usw.; keine Beugung des Satztons in I 12, 1 hirta haltend; I I 14, 23 thia götes gift irknätis; 16, 11 thie thürst joh hüngar thült6nt usw. usw., obwohl in all diesen Fällen, einer äußerlichen Regelung zufolge, der Strich auf dem ersten Volliktus ausblieb. Ziehen wir die Summe, so können wir den ahd. Reimdichtern eine schonende Sprachbehandlung zuerkennen. Es war für die Sprache ein Glück, daß man den Abstand vom lateinischen Zeitfall wahrte und sich kein unabänderliches Auf und Ab in den Kopf setzte. Wieweit diese Mönche ihre Sprache lebendig und ausdrucksstark gemodelt haben, ist eine andre Frage. Die greift übers Prosodische hinaus; wir nehmen sie bei der Vergleichung mit
dem Stabreimverse auf (§517).
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A B N A H M E DER EINSILBIGEN
TAKTE.
J ) Wilmanns §32ff. 72; Sievers, Beitr. 13, 148.162; Paul, PGrdr. 54. 60: man habe dem Versschema zuliebe' den natürlichen Ton systematisch vernachlässigt', habe 'den alten Typus D ' dem dipodischen Prinzipe tonwidrig angepaßt, u. ä. m. Aber auch den Schluß, die Betonung fuazfallönti usw. habe der P r o s a des 9. Jahrh. angehört (Axel Kock, Hammerich, Frings, AnzAlt. 44, 16), rechtfertigt eine umfassende und kritische Würdigung der Striche nicht. — Nach Boer würde der Georg, der Akzentform 1. 3 zuliebe, sprachlichen Hauptton beugen unter folgende Nebenton-, auch vorangehende Schwachtonsübe: góte llebóstà; die hèidinen màn: 1. c. (o. § 438 1 ) 205 ff.
500. Wie die Reimkunst (§453f.), so zeigt der rhythmische Bau des Evangelienbuches eine F o r t b e w e g u n g vom Frühern zum Spätem. Sie äußert sich in diesen Punkten: 1. Die prosodischen und die versrhythmischen Unregelmäßigkeiten: §483. 484f. 494; 493, 3, verschwinden oder treten zurück. 2. Auftakt wird häufiger, und man gibt ihm öfter mehr als éine Silbe: §482. 3. Volle Kadenz nimmt zu auf Kosten der klingenden: §495. 4. Rhythmisch unebene Kadenzpaare nehmen ab : § 453. 5. Einsilbige Innentakte nehmen ab. Die Mindestfüllung des Kurzverses, 4 Silben, erscheint nur in Buch I: § 481. 6. Takte von mehr als 2 Silben nehmen zu (Wilmanns S. 129). Diese letzte Neigung wirkt dem jambischen Gange entgegen, während Punkt 2 und namentlich 5, bedingt auch 3 und 4, auf das jambische Ziel hinsteuern. Doch fällt die niemals beträchtliche Zahl der mehr als zweisilbigen Takte (s. u.) wenig ins Gewicht. 501. Für die Schallwirkung des Verses hat das fünfte, die Abnahme der einsilbigen Innentakte, am meisten zu bedeuten. Folgende Zahlen mögen zeigen, in welchen Grenzen der Hergang verläuft. Zugrunde liegen die je 540 Kurzverse aus dem Anfang und dem Ende des Werkes, die uns in § 453 den Reimfortschritt belegten; also einerseits die altertümlichen I 3-7; 10, 1-16, anderseits die vhm. glatten Lud., Sai. und I 1. 540 frühe,
Kurzvörse mit drei einsilbigen Innentakten 20 mit zweien 190 mit einem 247 mit keinem 83 2k-Schlüsse Typus / N ^ chùanhèitì; lób sùngì 126 Takte von mehr als 2 Silben ca. 20
540 späte Kurzverse
0 62 356 122 26
PROBEN DES
ZEITFALLS.
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502. Also die kennzeichnende Schleppe von drei einsilbigen Takten: thio iro chüanheiti, eine sehr ohrenfällige Abweichung von den lat. Mustern, ist auf beinah ein Fünftel herabgegangen. Verse mit höchstens ¿inem einsilbigen Innentakt sind von 330 = 6 1 % gestiegen auf 478 = 88,5%. Dabei bedenke man, daß dieser eine einsilbige Takt überwiegend die Pänultima der 2k-Schlüsse ist: die massenhaften Verse und Zeilen des Baues: sie machönt iz so rehtaz joh so filu slehtaz haben mithin alternierenden Schritt bis zur Kadenz; sie stimmen genau zu lat. Versen wie: benignus fäutor mihi; qui cum dignitäte (§450). Rechnen wir einmal diese Verse mit zu der alternierenden Gruppe, gleichviel ob Auftakt steht oder fehlt (sofern er nur nicht mehrsilbig ist), dann zeigen die zwei herausgehobenen Strecken des Evangelienbuchs diese Zunahme des gleichmäßigen Auf- und Ab-Schrittes: von den frühen 540 Versen haben 257 = 47,5% diese Beschaffenheit, von den späten aber 385 = 71%. Die letzte Summe wird etwas gedrückt durch die Zunahme der mehrsilbigen Auftakte und Senkungen. Man bemerke wohl, lange nicht alle diese 47 bzw. 7 1 % sind silbenzählende Jamben oder Trochäen! 503. Je zwei Proben sollen uns den frühen und den späten Zeitfall Otfrids vergegenwärtigen. Neben die vorletzte mit ihrem durchgehenden 2 k-Schluß stellt die letzte das überwiegende i v . I 4, 5 wärun siu bethju
.
gote filu drüdiu
\JL.\kx\JL\k*\\*x\kx\l\k
joh iogiwar sinaz
gibot fullentaz,
wizzod sinan
io wirkendan II X l ^ l ^ l * joh reht minnönti äna meindäti.
x\-L\.L\±.\k*
II
unbera was thiu quena l ^ l ^ x l k x l ^ x
I 5, 15 Heil, magad zieri,
kindo zeizero;
II ¿ x l - ^ l A J *
so wärun se unzan elti x l k x I k x l j U *
I - i I I I
thaz IIb leitendi
: X l JL thiarna so scöni, II _ / _ l * x l J L l * , J
6o
PROBEN DES ZEITFALLS.
allero wibo gote zeizösto! U l f c x U I * / . II * x l _ L l ni brutti thih muates farawa ni wenti;
noh thines anluzzes,
fol bistu gotes ensti!
forosagon sungun fon thir säligun, l * x l * x U I * , v II wärun se allo worolti zi thir zeigönti. I*xl*'xl*xl* : x\-L\-L\±.\k I i» 33 wanana sculun Frankon
einon thaz biwankon,
ni sie in frenkisgon biginnen, nist si sö gisungan, si habet thoh thia Iii thu zi nöte,
sie gotes lob singen ?
mit regulu bithwungan: rihti
in scöneru slihti.
theiz scöno thoh gilüte
joh gotes wizod thanne thaz tharana singe,
tharana scöno helle,
iz scöno man ginenne,
in themo firstantnisse wir gihaltan sin giwisse. X l ^ w X l ^ l ^ l ^ C : u w l ^ x l h l JLl^C III 16, 61 riaf er thö ubarlüt, thär iz hörta ther liut; l*xl.iJ*xl.z.ll*xm*xl* quad, inan irknätin untar in, joh wizut wola, wanana ih bin, xl^wxl^xlfcxlfc: xl*xl^xlv£/^xl>$/J wizit thaz ouh filu fram, ist wärhaft, ther mih santa,
theih fon mir selbemo ni quam; ni wizut sin giwanta:
OTFRIDS FRÜHERE UND SPÄTERE
ART.
61
ni weiz ih inan thes thiu min, want ih oüh fon imo bin, i l ^ x l ^ x l ^ x l k joh er mih santa hera ziu;
ir ni giloubet thoh bi thiu.
x l ^ x l ^ x l ^ x l ^ x l k x l ^ x l k x l ^ 504. Man hört den Abstand zwischen dem letzten und dem vorangehenden Paare. Anfangs streckt Otfrid kleine Silbenmassen über die vier Takte aus. Daher die vielen einsilbigen Takte, auch solche mit wenig sprachlichem Gewicht. Die Verse geraten ihm mager; der metrische Rahmen, den er gewählt hat, würde auf reichere Füllung drängen. Dem Dichter ist die gleitende Bewegung seines hymnischen Vorbildes noch nicht ins Blut übergegangen. Nur eine Minderzahl dieser frühen Verse tut der Sprache Zwang an; aber ungelenk, eckig oder schleppend wirken sie im ganzen. Auch gemessen am agerm. Zeitfall. Von diesen silbenarmen Gruppen, die Otfrid als Viertakter verwendet, ergäben manche einen guten Zweitakter alten Stils; meist freilich mit rhythmischer Umgießung: göte /s z&zösto; joh r£ht /\ /\ minnönti; noh thlnes änllüzzes (vgl. § 514). Nachwirkt das heimische Formgefühl auch hierin — wie in den mehrsilbigen Auftakten und Senkungen, in der unjambischen Füllung überhaupt (§472. 474). Nur schließe man nicht, Otfrid habe anfangs noch geschwankt über das zu wählende Grundmaß; oder gar, er habe die frühen Teile nach dem alten Metrum gedichtet und sie später nach dem neuen gesprochen, sie der Melodie der Jamben untergelegt. Dafür war der Gegensatz der beiden Formen zu tief; auch der beiden Vortragsweisen. Schon die frühesten Kapitel erstreben die Form des kirchlichen Hymnus. Aber dem Dichter kommen noch Silbenreihen in die Feder, deren Volumen besser zum Zwei- als zum Viertakter stimmte. 505. Otfrids spätere Art, seine Verse zu füllen, rückt näher an das Auf und Ab des lat. Versstiles. Freilich nicht in allem; zeigen doch die mehrsilbigen Auftakte, die drei- und viersilbigen Innentakte eine leichte Zunahme. Schon dies macht zweifeln, ob sich Otfrid die möglichst genaue Nachahmung der silbenzählenden Muster als Ziel steckte. Sonst hätte er wohl auch das freie Nebeneinander der J_ k - und der )< X >< -Schlüsse beschränkt, die immer noch zahlreichen einsilbigen Innentakte herabgesetzt und die so unlateinischen J_ > X | ging es abwärts. Gotfrid konnte sie noch dreimal in ¿inem Verse setzen: 4427 und mügen vil ubele sämet gewesen x l ^ w x l ^ w x l v i / w x l ^ w
ZWEISILBIGER I N N E N T A K T .
H E B U N G AUF SCHWACHEM -E-.
III
Bei Konrad sind sie gegen Ende so spärlich geworden, daß der neue Herausgeber im Schwanritter 708 liest: daz müeze got von himel sin ( . . . geclaget) für . . . göte von himele . . . 3 ). Der dreisilbige T a k t ist beim Abschluß dieser Entwicklung a m Aussterben. ' ) E. Schröder, GGNachr. 1920, 287. 2 ) E. Schröder, AnzAlt. 25, 366f., GGNachr. 1912, 37; Gereke, Beitr. 38, 510. s ) E. Schröder, Kleinere Dichtungen K . s v. W . 2, 2i, vgl. AnzAlt. 44, 129 1 . Zum Schrätel und zur Rittertreue Kraus, ZsAlt. 48, 101. 103.
567. Zur Füllung des z w e i s i l b i g e n Innentaktes merke man folgendes. Die Hebung kann nach wie vor sprachliche Länge oder Kürze sein. Die Abneigung mancher Lyriker gegen die Taktfüllung | geben | £ ^ (§ 635) teilt der Sprechvers wohl nirgends. Nur spielt das Tongewicht mit: gehaltarmes tete, habe, mite, ime reicht seltener für den T a k t aus (ZsAlt. 51, 322 ff.). Darin aber gehn die Reimpaare mit dem Minnesang zusammen (§ 637): Im Versinnern ist die Messung mäneger, tügende : ¿ y ^ als Träger zweier Hebungen, unbeliebt; wenig häufiger ist die Messung minneten, dieneste, also J. I=Ü=; mit Hebung auf 1. und 3. Silbe 1 ). Wolfram ist darin besonders folgerecht; Wortformen wie maneger geben seinem Versinnem den einhebigen R h y t h m u s | \L> X |, Wortformen wie minneten geben einhebiges | X w | oder zweihebiges 1 I ^ X , nicht I X I Die Hebung auf schwachem -e- bestreiten in der Hauptsache die Fälle: 16ide; leidesten (minneten) Fälle, die der strengen L y r i k wiederum abgehn, weil sie den einsilbigen Innentakt meidet. Den Reimpaaren ist gehobenes -a- in dieser Verwendung ganz geläufig bis gegen die Mitte des 13. Jahrh. Man nehme diese Versfolge aus Gotfrids Tristan 1 1 5 4 9 : d£r gie wilent dar in und tröste die kunigtn, dä si weinende säz. Bei Rudolf von E m s sind diese Hebungs-3 zurückgegangen. Doch reichen sie noch in Konrads Jugenddichtung herein 2 ); seinen spätesten Werken ist gehobenes Endungs-a fremd geworden. Desgleichen dem jüngern Titurel (nach 1270). Der noch spätere Heinrich von Freiberg aber hat es noch in Menge; vollends bei Ulrich von Eschenbach wimmeln die: nihtes vergäzzer; mit tüoch£n von gölde; d£r deh&ner genas; het ze wünsche gewörht; släfende vünden. A l l dies betrifft die Innentakte, nicht die Kadenz (§ 587f.). Fr. Vogt, Festgabe für R. Hildebrand 157 ff. Vgl. zu Gotfrid: Kraus, ZsAlt. 51, 3o6ff., 3i3ff. (57mal mit zwei Hebungen), zu A. v. Halber-
112
SENKUNG DES ZWEISILBIGEN
TAKTES.
Stadt: Ludwig 10; zur Kudrun: E. Schröder, GGNachr. 1920, 303; zum GutenGerhard: Bormann 1. c. 11. 16. 2 ) Haupt zum Engelhart 3174; E. Schröder, K l . Dichtungen Konrads 1, 69. 71 zu WLohn 274, HvKempten 426. Im Herzmsere 541 und noch im Engelhart 806 ein zesâmenè.
568. Auch die Senkung des zweisilbigen Taktes hat sehr verschiedene Grade des Nachdrucks. Zweisilbige Komposita: koufman, goltvar, lantgräve (vor Vokal), Wolfhart, mißt man lieber mit 2 Ikten, solange der einsilbige Innentakt noch in Kraft ist. Wogegen Ableitungen wie botschaft, wärheit, rïchtuom, wïplïch im Versinnern schon früher mit éinem Takt vorlieb nehmen, außer wo sie besondern Nachdruck haben. Einsilbiges Vollverbum kommt auch dann oft in Senkung, wenn die vorangehende (und folgende) Silbe ungefähr gleichen Satzton hat : hie huop sich diu brütlouft sà ; dàr kërt èr durch sïn gemâch; dö warf si vor zörne hin; dès lobt dich der éngel sânc; dèr giht mir der wârhèit; dö stuont üf und sprach süs. Eine Neuerung ist das nicht; die Stabreimdichtung in ihren xa-Versen modelt die flachen Eingänge ebenso (§270). Nur wird es nun häufiger, weil man das Auf und Ab ungern unterbricht durch anspruchsvolle Längen ohne viel Sinnesgehalt: hie hüop sich . . . ; der giht mir . . . . Es handelt sich um die Frage, welche Forderung man an den einsilbigen Innentakt stellt; vgl. die Beispiele aus dem NL in § 574. Als tonbeugend sind die Takte wie [gel, brün,|röt, griien | ùnde blâ in § 604t. noch zu besprechen. E i n s i l b i g e r Innentakt. 569. Neben der schweren Füllung hatte man die leichte zu bekämpfen. Auch in dieser Hinsicht steht der schier jambische Konrad weit ab von den Zuständen in der Wiener Genesis und im Roland! (§ 534f.) Aber der Bruch mit der alten Weise war hierin weniger handgreiflich; der Vers der ersten ritterlichen Meister, Veldeke und noch Hartmann, ist nach unten viel weitherziger als nach oben! Veldeke befremdet durch seine vielen magern Verse. Desgleichen der Erec. Nur an seiner schlechten Überlieferung kanns nicht liegen1): dem Schwaben muß diese Überschlankheit der Eneit Eindruck gemacht haben; er hat sie noch im Iwein nicht hinter sich2). Wolfram wie Gotfrid haben diesen Ephebenzustand überwunden ; ihr Vers hat eine ganz andre Fülle und Spannung als der des Iwein.
SCHWACHE EINSILBIGE
TAKTE.
113
W o r i n b e s t e h t diese Magerkeit? Nach der geltenden Lehre einfach darin, daß so vielen einsilbigen Takten eine sprachlich schwache Silbe genügt. Von der Eneit sagt Behaghel, Ausg. C X V I f.: 'Tiefton ist fähig, Hebung und Senkung zu tragen . . . Einsilbige Wörter sind allgemein hebungsfähig vor Hochton, mag ihr logischer Ton auch noch so gering sein . . . Diese Hebungsfähigkeit logisch ganz unbetonter Silben gibt der Veldekeschen Metrik ein eigentümliches Gepräge . . .'
Wir beschränken uns auf Beispiele aus dem E r e c in Haupts Text. Die Frage nach textkritischer Nachhilfe müssen wir ruhen lassen. 463 der alte süs sprach; 1162 der kiineginne künt; 3296 vön sorgen geschäch; 4061 mit zornigen siten; 1380 süs häte diu mägt; 4357 sfr wsfere iu ze gäch; 710 sö liezet ir enzit; 3920 sö kümet ir hör; 956 durch göt, erbarme dich; 2017 was zöbel vil güot; 3107 nu holz nü h&de; 1172 ez ist benämen der man; 343 züo ir väter er sprach; 1480 ünde riten vön dän; 3015 an ir arme läc; 2695 öuch mit stnem sp£r; 2161 d£r was dä zehänt; 4695 däz ich früm bin; 4465 däz er in teben lie; 1722 als män in vor säch; 3566 ünde nemet die wäl || ünder der rosse zäl. Die meisten dieser Fälle zeigen Überlastung der vorgeneigten Silbe (der letzten vor dem Kolongipfel): ein Sprachverstoß, dem agerm. Verse vollkommen fremd, im ahd. Reimverse durch vielleicht ein Dutzend Belege vertreten, die wenigsten so hart wie die hier im Erec (§ 485); auch den frühmhd. Vers durften wir von der Menge dieser Härten entlasten (§535 ff.). In der letzten Gruppe finden wir als Füllung des Eingangstaktes eine Formwortsilbe, die besser mit der Hebungsmora vorlieb nähme (an ir 1 ; däz er L \ ünder 1 ; öuch mit 1 ) : Dinge, die nicht in jedem Zusammenhang sprachfeindlich sind (vgl. Heliand 1606 an them höhön u. ähnl. in § 234. 270); in diesem höfischen Plaudertone aber blasen sie den Satzrhythmus wunderlich auf. Andere Messungen konnte man für solche Zeilen kaum erwägen, da man von jedem Verse vier gesprochene Hebungen verlangte. ') Zwierzina, ZsAlt. 45, 317 ff. 376.
2)
Roediger, Arch. f. n. Spr. 88, 84.
570. Gehn wir auch hier wieder von der geschichtlichen Vorstufe aus, so müssen wir weitere Möglichkeiten in Rechnung stellen. Das frühmhd. Reimpaar kannte Viertakter mit nur drei, auch mit nur zwei gesprochenen Hebungen; d. h. es kannte stumpf H e u s l e r , Deutsche Versgeschichte II.
8
II4
PAUSIERTE E N D - UND
INNENHEBUNG.
schließende Verse und Verse mit Innenpause oder Überlänge: §5360. Die Frage, in welchem Umfang diese Formen nachwirken, besteht für jeden, der nicht auf den Glaubenssatz Säerhebig stumpf und dreihebig klingend' eingeschworen ist. Eine Antwort wäre auf Grund der vorhandenen Ausgaben schwer zu geben. Wir bescheiden uns bei dem Hinweis: daß einige tausend Verse bei großen und kleinen Dichtern, am meisten bei Veldeke und Hartmann, aufhören, die deutsche Sprache zu mißhandeln, wenn man ihnen jenes Nachwirken zugesteht. Die vorhin gebrachten Verse werden sprachrichtig in der hier bezeichneten Messung: Erstens pausierte Endhebung, also stumpfer Schluß: 463 der alte süs sprach /\ ; 1162 der kuneginne kiint ; 3296 von sórgèn geschäch /\ ; 4061 mit zornigen siten ; 1380 sus hàtè diu mägt /s oder : süs hàte diu mägt /s ; 4357 sò waere iu ze gäch s\ oder: so wäere iu ze gäch ^ ; 710 so liezet ir enzit /\ ; 3920 so kümet ir hér ; 3015 àn ir ärme làc ^ ; 2695 òuch mit sìnem spér ; 2161 dér was dà zehänt ^ ; 4695 dàz ich früm bin /s ; 4465 daz èr in lében lìe •n ; 1722 als màn in vór sàch /\ ; 3567 under der rósse zàl . Gute Beispiele für die W a h l 'Sprachbeugung oder stumpfe Messung' in Strickers Karl, s. Bartsch L X I X . L X X I I I . L X X V . F ü r stumpfe Verse in mhd. Reimpaaren erklärten sich Seemüller, Seifried Helbling X X X I X ; Baesecke, Wiener Oswald X L I V , ZsAlt. 62, 254. 2 5 8 ; Pfannmüller, Beitr. 40, 3 7 5 ; Ludwig a. a. 0 . 3 1 . Als möglich erwähnten sie auch Zwierzina, ZsAlt. 45, 3 8 1 ; Busse, Ulrich von Türheim 83, und für Eike von Repgow Roethe, Sachsenspiegel 1 3 .
571. Zweitens pausierte Innenhebung, die zweite oder die dritte: Erec 956 durch gót erbarme dich; 3107 nu hólz ^ nu héidè; 2017 was zóbel vii güot ^ ; Iwein 5895 ir pfért gewinnèn ; 7182 ir lében ^ was niht verlän. Hierher die A-Lesarten von NL 326, 2 ir ^ gelichè, 379, 2 von städe er schiebèn (vgl. Braunefestschrift 1920, 72). Erec 1172 ez ist benàmen /\ der m a n ; 343 zùo ir väter ^ er sprach; 1480 ùnde riten ^ von dän; 3566 ùnde német ^ die wàl; Greg. 3048 sìnes gebétes er phläc; aHeinr. 40 A ouch wàs sin tügent ^ vii bréit, B sin tügent die wàs vii bréit; Iw. 4851 àn der bète genant || und èr bì ime gemänt; 6841 alle lédec durch mich; 7416 sö mùoz ich aber bestän. Wir trafen diesen ausdrucksvollen Rhythmus in dem ältern Zeitraum (§ 541). Diese Innenpausen helfen auch Versen, denen man als einzige Rettung die nhd. Wurzellänge zuerkannte (PGrdr. 70; Kraus, Metr. Unt. 156; Ludwig, 1. c. 9. 15):
STÄRKEGRAD EINSILBIGER
TAKTE.
"5
Georg 4306 ein n^bel viel Üf sie sä; A. v. Halb. Frgm. B, 239 mit fr£de ^ stünt sin lant; Prol. 53 gehören von Hälberstät; Greg. 882 sö sl der stäte ^ gewan; aHnr. 342 diu güote mäget in liez; A. v. Halb. A 23 dö der sw^her ^ vernäm; Prol. 78 von göt dem väter /\ gesänt; Georg 6067 und ümb der jüden /s gesigen. Man spreche sich noch Erec 2591 vor: unde mit siegen zerbrach. Nach der herrschenden Lehre gibt es ¿ine mögliche Messung: ünde mit siegen zerbrach (nach Lachmann: ünde m i t . . .). Das ist ein trauriges Zerrbild der Satzkurve: die drei ersten, vorgeneigten Glieder sinnlos überlastet, die vier weiteren, mit den zwei Nachdrucksgipfeln, zeitkarg zusammengestopft. Dem ersten dieser Mängel hülfe ab die Messung mit stumpfem Schluß: ünde mit siegen zerbrach B e i d e n Mängeln hilft ab die Messung mit Innenpause: ünde mit siegen /\ zerbrach. H i e r hören wir &^ 1 -L fühlend stilisiert. den Prosafall: Saran, Beitr. 24, 4 1 , will Iwein 208 stinke, s w ä der ist mit Pause nach einhebigem stinke lesen. Uns schiene hier der Zeitfall j / | X ^ | X X näher zu liegen; also ohne Hebungspause, aber mit Endungssilbe als Füllung des Taktes, was Hartmann i. allg. nicht mehr verwendet (§ 577). Stumpfe Messung: X X | X X I J— I wäre unleugbar ausdrucksärmer.
572. Schwächliche einsilbige Takte pflegt man da zu verzeichnen, wo das Tongewicht dem der folgenden Hebungssilbe nachsteht. Danach ist ein Vers wie Greg. 3729 untadelhaft: daz ünkrüt 1 ünd den mist. Denn -krüt ist nicht schwächer als und, sofern man sie überhaupt aneinander mäße. In der Formung: daz ünkrüt ünde den mist käme der Satzfall schlechter weg! (In Prosa etwa : > , eine bayrische Dichtung von 378 Zeilen 1 ); nach 1180, schon mit reinem Reim: danach ist zu bemessen, wie weit man in schwerer und leichter Taktfüllung gehn darf. Den Gedanken, wir hätten hier einen ersten Versuch in deutschen Hexametern vor uns2), konnte die Anfangszeile in der Tat nahe legen; bei der zweiten würde es schon hapern: Michil bis du', herro got 1 , unde lobellh harte; michil ist din chraft' üf dere himilisken warte.
Die vielen Auftakte im weitern und andre Umstände nehmen uns den Glauben, hier habe einer klassische Sechsfüßler auch nur versucht (vgl. den entsprechenden Einfall zu den stabenden Schwellversen § 240). Es war vielmehr die unklassische, hochmittelalterliche V a g a n t e n z e i l e , die dem Bayer vorschwebte: mdum est propösitüm || in tabörna möri (§743). Daher nimmt er den achttaktigen Rahmen und den überwiegend klingenden Schluß; für die Minderzahl der stumpfen Zeilen, mit pausierter achter Hebung, braucht es wohl kein eigenes lat. Vorbild. Aber freilich, den Rhythmus der Vagantenzeile verläßt er in einem sehr wesentlichen Punkte, und eben dies gibt seinem Werk die Ausnahmestellung3): er baut A c h t t a k t e r aus einem S t ü c k . Nicht selten zwar bringt er einen Kolonschluß nach einsilbigem viertem Takte, und dann kann er das Vorbild mehr oder weniger genau treffen. So gleich in der Anfangszeile oder in:
140
DAS
HIMILRICHE.
87 innerhklbe habent sl 1 sicherheite groze; 41 meres öder minneres 1 si näh dinem willen.
Noch deutlicher wird die innere Schwelle, wenn der Anvers, g e g e n das Vorbild, zweisilbig klingend, ein paarmal wohl auch stumpf, endet: 226 die üns bl dinen gnaden 1 sint griht ze alleme guote; 107 da zuo ne gebristet 1 glases nöh saphirls; 76 da Ist der bizzlste 1 , der suoziste wäz 142 also des viures glanst /\ dürh daz wazzer liuhte; 341 so wir Iht getüon
wider dinen hrilden;
mit Mittelreim: 17 sint ¿lliu dinch bewaret
sint gliche gescharet
A.
öfter aber strömt es über die Mitte weg, und wir hören keine Langzeile aus An- und Abvers. Da wir manche Zeilen (a) so lesen müssen, werden wir auch in anderen (b) von gewaltsamem Herstellen der Innengrenze absehen: a) 207 122 215 372 109
vone guotes willen, rihtere w6rche, visiere anedsbhten; diche vön den alten buohmeistern vöre gesungen; noh weiche entwichent dere weltlichen ISidwente; waz die donerbliche, wäz dei brinnenten lieht bediuten; in dere witen umbeverte des hohstüoles.
b) 355 unde bietent slh dir diemüoticllche ze fuozen; 161 305 181 7
wazzer ünde fiur sint schinich än dem rigenbögen ünde gib mir, d&z ih äne dem junglsten merde; daz wir zem junglsten urteile hiben sorgen; dinere eren, dines wistüomes Ist nicht zale A
a;
(damit vergleiche man Kauffmanns Messung, die die Innenschwelle erzwingt: dinere eren,
dines wistüomes Ist niht zale).
Deutsche Achttakter aus ¿inem Stück kennen wir sonst aus dem Minnesang, zuerst bei dem Bayer Albrecht von Johansdorf (§ 795)- Nach Zeit und Heimat ginge es an, daß sie unsern Geistlichen anregten, die Vagantenzeile ohne Innengrenze nachzuformen. Bei dem selbständigen Versuche liefen ihm auch Verse m i t der Grenze unter, gewohnte zweiteilige Langzeilen. Da und dort wird seine Taktfüllung holprig; die drei Zeilen 125. 179. 314 haben übermagern Inhalt. Aber aus unsren Proben hört man, welch feierlich tiefatmige Verse dem Dichter gelangen. Die einsilbigen Takte heben sich oft ausnehmend wirksam von den zweisilbigen ab, wie in Z. 215. 372. 181. 7 und in der besonders wohlgeratenen Zeile 355, die nach den 'gemischten Daktylen' der Lyrik klingt (z. B. §702). Nur verallgemeinere man nicht diesen
WOLFRAMS
TITUREL.
141
dipodischen Gang ; die Gipfel mit Doppelmora stehn oft im geraden Iktus-—darin ungleich den Titurelversen (folg. §). Es lebt viel kerndeutsches Gefühl in den Rhythmen des Himilriche. Schade, daß die unduldsamen Kurzen Reimpaare den vielversprechenden Ansatz darniederhielten! Hg. von Leitzmann, Kleinere geistliche Gedichte des 12. J a h r h . 20. Die Verszählung nach Hävemeier, D a z himilriche 1891. 2 ) W a c k e r n a g e l , D L i t . 1, 349; H. Fischer, Über die Entstehung des N L . (1914) 28. 3 ) D i e s übersahen Fr. Vogt, P G r u n d r . 2 2, 273, und Hertel (0. § 522*) 7 3 f f . Die drei v o n Hertel herangezogenen Gegenstücke sind ordentliche Langzeilen mit Versgrenze, sogar Reim im 4. T a k t e . A u c h die lyrischen A c h t t a k t e r , die wir § 657-59 besprechen, sind anders geartet, nicht minder die des F r a u n Ehren-Tons § 779. — Andre Auffassungen v o m Himilriche bei Vilmar-Grein § 5 3 ; Hävemeier a . a . O . ; K a u f f m a n n , DMetr. S. 6 1 ; Sievers, Metr. Studien 4, 182.
600. Wirklich verwandt mit dem Verse des Himilriche ist nur W o l f r a m s T i t u r e l . Also eine strophische, doch unsangliche Dichtung. Da finden wir das Entscheidende wieder: ein fest bleibender Taktrahmen füllt sich bald als einheitlicher Vers, bald als zweiteilige Langzeile. Darin steckt der Schlüssel zur Titurelform, so wenig jede Textstelle damit bereinigt ist. Der Taktrahmen ist: erst ein 8k, dann zwei 10k; zwischen diesen steht ein 6k gewöhnlichen Baues (§ 789). Unsre Drucke täuschen Schnitte vor, die keine Schnitte sind; bei Schriftbildern wie: 63,1 swer so minne h a t , daz sin 52,4 ich sagete iu von ir kintlï24,1 Sigüne wart daz kint ge-
minne ist gevsere; cher minne vil Wunders, wan daz ez sich nant in der toufe [lenget;
hat man ein falsches oder gar kein rhythmisches Erlebnis. Das Spatium trennt hier Silben, die auch rhythmisch eng zusammenstehn. Genau wie im Himilriche haben die (8- und iohebigen) Zeilen dreierlei Füllung: 1. ohne Innengrenze im vierten Takt; Verse aus éinem Stück; 2. mit einem Schnitt, der einen Anversschluß, k oder v, bezeichnen könnte, aber auch im einheitlichen Verse möglich ist; 3. mit einem Schnitt, der eindeutig Anversschluß ist, k oder v : einsilbiger vierter Takt. Beispiele zu 1: 5, i ich weiz w61, swen wipiichez lachen enphséhèt; 100, 1 ouch wis gemânt, waz mérs ùnd der lande ich durchstrichen; 103, 78, 113, m ,
2 4 4 4
w ä wart ie bóumes stâm àn den éstèn so lóbelìche e r z w i g è t ; des wart sït P â r z i f a l àn Sigunèn zer Hndèn wol innèn; und ich diu réhten mœre al dîner sórge mit der warhèit bevindè; nu wâhset in mine swsere eîn niuwer dórn, sìt ich kiuse sus àn dir pinè (oder: dórn, sït ich an dir sus kiuse p i n è ) ; 100, 4 des sòl ich àlles wider dich geniezèn: l ä dine hélfe schóuwèn; 55, 4 dés jàch im vil der tfuschen diet, als jàhen óuch die werden héidèn.
142
WOLFRAMS
TITUREL.
Zu 2: 101, I du maht mich wöl enstricken 1 von slozlichen banden; 18, 1 sin wip in ze rihter zit 1 gewirte eines kindes; 65, 96, 32, 35,
2 4 2 2
minne k&n den alten', den jungen so schüzlichen spannen; und h£t dich än ir kfndes s t ä t a l s llep du lr noch bist ünd ie wsfere; er kos si für des m£ien bllc 1 , swer si sach bi den t6unizzen bluomen; swa man bi ir jungen zit 1 der fröuwen 16p sprach, so [ne] erhal nlht so helles.
Zu 3: 11, 1 dise ride horten ritter ünde fröuwen; 112, 1 an lande ünde an Hüten sprich wäz dir wirre; 73, 1 diz wäs der änevänc ir gesilleschifte; 22, 4 er begunde sich des swirtes, helmes ünde schiltes verzihen; 108, 4 e diu si trost enphienc; diu müose frouden sich anen; 16, 4 ünde ouch durch der wibe Ion gizimleret giin der tjoste riten.
Zu 3 treten auch Fälle mit stumpfem Anvers (ähnlich wie im Himilriche); doch wohl nur in der 8taktigen ersten Zeile: 24, 1 Sigune wärt daz kfnt /s 44, 1 al des grales diet 60, 1 swa genade w6nt /\,
genant In der toufe; däz sint die erw&ten; da sol män si suochen.
Man hört das sprachgemäß Ausdrucksvolle und zugleich Abwechslungsreiche dieser Rhythmen. Nach unsrer Messung treten schwere Takte in den Langzeilen ebenso zurück wie in dem Sechstakter (dessen Betonung eindeutig ist), m e h r als in Wolframs Reimpaaren, und die unwahrscheinlichen zweisilbigen Auftakte der Abverse verschwinden. Am eigenartigsten klingt Nr. 1, die Zeilen aus ¿inem Stück. Mitunter ist eine ganze Strophe so gebaut: 57
der süeze Schiön&tulander genante, als sin gesillekeit in sorgen manecvält in küme gemante, do sprach er: Sigune h&feriche, nu hilf mir, werdiu maget, uz den sorgen: so tüostu helfecliche.
Solche Strecken erinnern besonders an das Himilriche. Ein Unterschied ist der: Wolfram dichtet zwar nicht als 'strenger Dipodiker', aber — wie unsre Striche andeuten — das v o r w i e g e n d e ' W N gibt das Gepräge; im besondern darin, daß Doppelmora kaum je in gerader Hebung steht 1 ). Das widerkehrende I k X I stellt die Strophen zu den 'gemischten Daktylen' der Lyrik, wenn wir diese im Takt messen (§ 695ff.). Deren Zeitfall muß Wolfram angeregt haben. Daher die vielen einsilbigen Takte und das andre, was von des Dichters epischem Brauche abweicht. Darauf ruht das Getragene oder Sanftfließende dieser Verse. Die freie Behandlung der Innengrenze aber war aus den Daktylenliedern und überhaupt der Lyrik nicht zu lernen 2 ).
DEHNUNG
VON
STARKTONKÜRZEN.
143
Eine eigentümliche Verschmelzung germanischen und romanischen Stiles (Pohnert 66. 79) bedeutet der Titurelvers insofern, als er von der Silbenzählung noch weiter abliegt als seine lyrischen Anreger, die gemischten Daktylen. Dies hat Pohnert gut beobachtet: Prager Deutsche Studien 12, 65f. Seine Messungen 23ff. waren ein großer Fortschritt; hätte er gleich noch mit den trügerischen Innengrenzen gebrochen! (91 ff.) A u c h an der eingehenden Behandlung bei Atkins, German versification I38ff., vermißt man das erlösende Wort. a ) Der Begriff 'sprechmetrische Behandlung einer musikmetrischen Strophenform' (Plenio, Beitr. 41, 58') trifft die Sache nicht. Denn 1. hat die Titurelstrophe nicht vorher im Gesänge gelebt, 2. hat der ad. Sprechvers keinen Hang, die Viertaktergrenze aufzulösen. Wie eine sangliche Form in 'sprechmetrischer Behandlung' aussieht, zeigen die Heldenepen, und die wahren bei allem Bogenstil die Anversgrenzen durchaus.
Sprachbehandlung. 601. Fragen wir, wieweit die höfischen Reimpaare den prosodischen Ansprüchen der deutschen Silben nachkommen. Es zeigt sich hier deutlicher als in anderen Zeiträumen, daß die Silben d a u e r dem germanischen Dichter weniger zu schaffen macht als die Silbenstärke (§82. 93). Dehnung einer Starktonkürze zur Doppelmora, der Verstoß von §74: risen genöz; schaden gewän; himel d e m . . . ; kämer beschöut usf.: solche Fälle hat man zwar aus dem ganzen Zeitraum, von Hartmann bis Heinrich von Freiberg, beigebracht, freilich überall nur in recht vereinsamten Belegen 1 ). Nun ist aber zu fragen: erstens, ob nicht stumpfe Versmessung oder Innenpause diese scheinbaren Dehnungen beseitigen; sieh die Beispiele in §571; zweitens, ob nicht die M u n d a r t des Dichters diese Silbenlängung schon vollzogen hatte (risen > risen; himel > himmel usw.), so daß die Messung J_ X nicht der Sprache, nur dem dichterischen Herkommen zuwiderliefe. Im allgemeinen hält jedenfalls der mhd. Sprechvers die alte Zweiteilung der Starktonsilben (§73) fest; obwohl in großen Teilen des Sprachgebietes gewiß schon das 13. Jahrh. die neudeutsche Dehnung brachte. Veldeke, dessen limburgische Mundart schon genömen, erweren sprach, gewährt diesen Formen in der Eneit noch wenig Einfluß, etwas mehr im Servatius (vgl- § 655)2). Vilmar-Grein § 6 7 ; Paul, PGrdr. 6gf.; Kraus, Metr. Unters. 156, Der hl. Georg L X I ; Bernt, H. v. Freiberg I2g(.; E. Schröder, G G N a c h r . 1919, 49. a ) Kraus, Präger Deutsche Studien 8, 211 ff. Vgl. Wilmanns, Beiträge zur Gesch. der ält. d. Lit. 4, I04f. 125 1 ; Michels, Mhd. Elementarbuch § 73t.
: 602. Für sich stehn die dreisilbigen Wörter des Baues kuninge; gotinne; manunge; spehaere; auch bitende; sibenden.
144
Die S i l b e n g r u p p e ^ 1 ^ .
Mit denen wurde der Stabreimvers, wie wir in § 2iof. sahen, sprachgemäß fertig: neben den Messungen k X ^ und X stand ihm die ausdrucksstarke Modelung "k. X zu Gebote. Ob man diese Form dem Reimverse noch zutrauen darf, entscheiden wir nicht. Schon Otfrids manunga, -u ließ mehr als eine Deutung zu (§ 483). Undenkbar wird man diese Messung nicht nennen: A. v. Halb. B 248 zu deme kuninge gienc
x I ^c x I >< xJJ: x IJ-
Parz. 748, 17 min gotinne Jünö X I £ x j k X I J . I A. Unwahrscheinlicher klänge mit seinem Dreiviertelswert Iw. 4862: diu tiure manunge = X I *k X I X I ^ Dem Bedürfnis der Mittelsilbe nach Hebung machte vielleicht schon der frühmhd. Vers das naheliegende Zugeständnis, daß er die Starktonkürze über einen Takt streckte: WGen. 62, 39b si wären sp^häre; Hochzeit 247 mit stner manunge; Ava 280, 15 wir hören alle stünde ] | vermäinskmünge. So dann auch in den vorigen Zeilen: kuninge, gotinne: I 1 >< X (X): der hantvesten (§ 580); Parz. 34, 14 si näm urlöup, dö glenc si däne (wenn nicht mit 2silbigem Auftakt); Konr. Troj. 3179 daz sin armüot ist worden cränc. 4. Rückgeneigter Schwachton ordnet sich vorangehendem H e u s l e r , Deutsche Veisgeschichte II.
10
146
ARTEN
DER
TONBEUGUNG.
Nebenton über; wird zu X X ^ : marcgravèn; àntwurtè. Sieh §580. 5. Vorgeneigter Schwachton ordnet sich seinem Kolongipfel über: — 1 wird zu X X . (Z. T. schon unter Nr. 3 vertreten.) U. v. Licht., Frauendienst 228, 27 daz mich noch dàz bat niemen säch. Zweimal nebeneinander : ib. 527, 1 und wie der und der wärt erslägen; Prosafall: w w X - X ) > ( x l ) < x l — . Das Zusammendrängen der 2 Gipfel in die zweite Vershälfte täte freilich diesem formelhaften Paare weniger wohl. Obschon man hier den glatten Rhythmus hätte, scheinen die Herausgeber, mit ihrem unde, eine dritte Art zu wählen : x l ) < x l v ^ w x l > < ( x l - i . : der Gipfel muot in Senkung; eine der beliebten Gewichtsvertauschungen, wie wir sie in § 604 Nr. 6 kennenlernten. Die stabende Formel muot ùnde mäht ist als gehörhafte Größe verflüchtigt. Das Satzprofil nicht so wohl geebnet als versteckt, vertauscht. l ) E. Schröder, Kl. Dichtungen K. v. W., zum Herzmaere 462, zum HvKempten 4, zum Schwanritter 611; AnzAlt. 44, 127f. 2 ) Schwanritter 319. 1333; vgl. E. Schröder, GGNachr. 1912, 42.
610. An den meisten der Beispiele, die wir seit § 603 brachten, wird man leicht bemerken, daß nicht nur der Ton im Spiele ist. Befolgt man unser altes Rezept und spricht sich die Zeilen als belebte Prosa vor, dann hört man: das Verbiegen der Stärkekurve tastet auch die ¿«¿Verhältnisse der Silben an. Zugleich mit dem Wägen leidet das Messen. Wir sahen schon, daß diese beiden Größen im germ. Verse nicht völlig zu trennen sind (§72 u. ö.). Sobald sich die Dichter ein gewisses Mittelmaß der Füllung als Ziel steckten, gerieten sie so oft vor das Entweder-Oder: einen leichtern, einen schwerern Takt einmal durchschlüpfen zu lassen — oder den Sprachrhythmus selbstherrlicher zu behandeln. Der ritterliche Versbau, auch der unsangliche, ist ein immer widerkehrendes Paktieren zwischen der mittleren Taktfüllung und den Rechten der Sprache. Wie sich Verfasser und Vortragende in jedem einzelnen Falle entschieden : das geht über unser Wissen ; der starre Konrad von Würzburg läßt da weniger Zweifel als die älteren, beweglicheren Verse. Die Lehre Lachmanns wollte ja von diesem Entweder-Oder nichts wissen. 'Zu l e i c h t e Taktfüllung J , diesen Begriff kannte sie überhaupt nicht; wo aber s c h w e r e Senkung ins Spiel kam, da
152
W I R K U N G DER WELSCHEN
PROSODIE.
sollte sich das 'Gesetz', das versrhythmische, allen andern Rücksichten bedingungslos überordnen. Für die Dichter gab es doch wohl die Frage (§ 556): wo Sprachton und leichte Senkung im Streite standen, welches der zwei war da die stärkere Macht? (Eine kurze treffende Bemerkung darüber bei Scherer, Kl. Sehr. 1, 105 unten.) 611. Hinter dem Streben nach Glätte stand das welsche Vorbild, und so hängt auch die Entnervung des deutschen Satztons mit der fremdländischen Mode zusammen. Hätte der prosodische Grundsatz der Welschen u n m i t t e l b a r eingewirkt ? Nach diesem 'bedingt wägenden' Grundsatz (§ 102) verlangt das Versinnere keine sprachlich stärkern Silben für die Hebungen. So gut wie der Vers Yvain 463: que tot ne tüst cov6rt d'oisiäus sind die Verse 464 und 485: s'an estoit Ii arbres plus biäus; n'au mönter demore ne fis. Es ist nicht glaublich, daß sich unsre Reimpaardichter diese Sprachbehandlung zum Muster nahmen; daß sie sich deshalb ein herzögen und hdrzogen erlaubten, weil sie sich sagten, der Franzose verfahre ja ebenso. So klar waren sie sich über den fremden Versbau schwerlich. Auch hätte dieser Anschluß an das welsche Nichtwägen viel stärkere Wirkungen zeitigen müssen; einige Minnesinger geben davon einen Begriff (§ 641). Die Reimpaare bleiben schließlich doch, im großen genommen, beim germanischen Wägen, und selbst ein Konradscher Vers wie: Arnöldes sün, Walth&r genant (Parton. 19596) vertauscht nur Stark- und Nebenton. 612. Aber in anderer Hinsicht kam man doch den Stärkeverhältnissen des französischen Verses nahe. Dieser Vers stuft die Silbenwucht mäßig ab; die Hebungen ragen nicht allzu hoch über die Senkungen hinaus. Das liegt an der Betonungsart der französischen Sprache (§ 63. 102) und an dem Nichtwägen im Versinnern, wobei auch schwache Silben beliebig die Ikten tragen. Auf germanischer Seite war Sprache wie Prosodie anders beschaffen; darum hatte der Vers lebhafte Stärkekontraste. Hierin aber gab es Grade. Der Reimvers hat von Anfang an seine Gipfel sanfter gewölbt als der Stabreimvers (§376. 516f.). Das Reimpaar der Ritter, dürfen wir annehmen, tat darin weitere Schritte: einmal weil es die Takte gleichmäßiger füllt, die zeitlichen Höcker rundet; sodann weil es öfter die schwächere Silbe in Hebung, die stärkere in Senkung tut.
E B N U N G DER
STÄRKEKURVE.
153
Verse wie : daz ist an mir schin worden hie ; ez währe kint, magt òde man (§ 603 f.) konnte man kaum mit der Iktenwucht sprechen, die sich wie von selber einstellt in Versen mit zackigem Zeitfall und ungekränktem Satzton — man vergleiche wieder die der Litanei in § 551. Zu diesen metrischen Bedingungen kommt — als die tragende Ursache — die seelische Haltung der ritterlichen Reimpaare : sie lieben das Gedämpfte; sie wollen nicht pathetisch unterstreichen (§620). So bewirkten innere und äußere Kräfte das 'gleichmäßig getragene' Hersagen, das die Stärkekurve ebnet, die Abstände zwischen Senkung, Neben- und Haupthebung kleiner nimmt und damit die Beugungen des Prosatons erträglicher macht. Darin lag Annäherung an die Schallform des französischen Verses. Sie erklärt sich ohne die Voraussetzung, man habe den Vortrag französischer Ritter im Ohre gehabt. Die Meisten bei uns zu Lande waren ja auf das welsche buoch angewiesen, Wolfram und Konrad mußten sichs sogar übersetzen lassen. Eine gewisse Entdeutschung ist es ohne Frage. Unsre Reimpaare welschein nicht bloß in ihrer zunehmenden Neigung zum Auf und Ab, sondern ebenso fühlbar darin, daß sie dem Eigengewicht der Silbe weniger nachfragen. Aber sie tun es ja auch sonst ! 613. Hier ließe sich der Ausdruck 'schwebende Betonung' verantworten. Ihre genauere Beschaffenheit kennen wir nicht (vgl. § 58) ; wir bezweifeln, daß sie den Dichtenden oder Vortragenden ein planmäßiges, lehrbares Mittel war gegen bestimmte Versschäden, und hüten uns wohl, feine Regeln dafür aufzustellen. Bedenken wir immer, daß es sich bei alledem um Gradunterschiede handelt! Vor und nach Veldeke werden die poetische Gattung, die Landschaft samt persönlichen Besonderheiten die Vortragsart bestimmt haben. Soweit würden wir nicht gehn, dem höfischen Reimpaar, selbst in seiner glattesten Gestalt, gleiche Stärke der Hebungen zuzuschreiben und damit 'monopodischen' Gang in einem neuen Sinne: nicht bloß jeder Iktus fähig, zum Vollgipfel geprägt zu werden (§ 49. 479), sondern alle Ikten in der tatsächlichen Schallform ebenbürtig; der Unterschied von Haupt- und Nebenhebung aufgehoben ; 'gleichschwebender Rhythmus' (vgl. Saran, DVersl. 258. 263 Nr. 8; 277). Unbeschadet der höfischen Dämpfung dürfen wir in dem Verse Barlaam 1,26 ze himel und uf der érde hie Akzentform 1. 3 ansetzen, in dem Verse 5, 14 ze tröste uns sundsbrèn Akzentform 1. 2, in dem Verse 2, 7 der mégede schépfer ùnd ir kint Akzentform 1. 2. 4 usw. usw., nach, denselben Gesichtspunkten wie bei Otfrid §479.
154
DAS
VON K O N R A D ERREICHTE
ZIEL.
Der deutsche Viertakter ist von Otfrid bis heute ein monopodischer Vers, der jede erdenkliche Gruppierung stärkerer und schwächerer Hebungen zuläßt. Davon macht er auch in der Ritterzeit keine Ausnahme.
614. Wir sahen, wie die um 1170 anhebende Glättung die einzelnen Versglieder ergriff und in den meisten Punkten bei Konrad von Würzburg, seit 1270, ein vorläufiges Ziel erreichte. Machen wir uns klar, wo wir bei diesem Ziele stehn! Der spätere Konrad hat den mehrsilbigen Auftakt verbannt; der ein- und der dreisilbige Innentakt ist bei ihm zur Seltenheit geworden. Die vorherrschende Bewegung seines Verses ist das gleichmäßige Auf und Ab, und zwar mit entschiedener Vorliebe für steigenden Eingang: die auftaktigen Verse überwiegen die auftaktlosen ums Vielfache. Dies bedeutet eine Annäherung an den Jambus und damit an feste Silbensumme: acht Silben auf den Viertakter. Eine neunte enthält: daz er Silbe stellt sich da ein, wo der Schlußtakt nach siner ttigent siten. Diese zweisilbige, männlich volle Kadenz ist der einsilbig vollen noch gleichwertig. Soweit stimmt es zum französischen Vorbild. Auch dieses war ein jambischer Vierheber mit ein- oder zweisilbigem Schlußtakt, also 8 oder 9 Silben. (Daß man den 2 silbigen, weiblichen Schluß der Franzosen nicht, wie in der Lyrik, mit A^L nachbildete, sahen wir in § 590.) Der welschen Form war also Konrad sehr nahe gekommen. Dabei denken wir nur an den versmäßigen Rhythmus, nicht an die grundsätzlich abweichende Sprachbehandlung (§611). 615. Von dem französischen 8/gsilbler t r e n n t e n doch noch die zwei Punkte — wenn wir hier absehen von den bei Konrad selten gewordenen ein- und dreisilbigen Takten: 1. Die doch immer noch bestehende Freiheit, den Vers mit Hebung, auf t a k t l o s , zu beginnen; 2. Das freie Auftreten des k l i n g e n d e n Schlusses neben dem männlich vollen. Womit gegeben ist, daß der deutsche Vers auf 7 und 6 Silben herabgehn kann: mit ¿llentrichen händen; siner Mlfe g&rte. Der zweite dieser Punkte hat mehr zu sagen. Die klingenden Schlüsse—in ihrer vorherrschenden Gestalt, zweisilbig klingend:
SEIN A B S T A N D VON
OPITZ.
155
händen — bilden einen ohrenfälligen Gegensatz zur französischen Reimpaarform (§ 594). In diesen zwei Dingen hat Konrad an der deutschen Überlieferung festgehalten. Ein Rest der altdeutschen Füllungsfreiheit. Seiner Formgewandtheit war es ein leichtes gewesen, auch diesen Rest noch abzustreifen: der Minnesang beweist, daß man schon viel früher die starre Füllung der Romanen nachzubilden vermochte. Die Sprechdichtung hat bewußt, auch in ihrem glattesten Vertreter, auf völlige Nachahmung verzichtet und sich jene deutschen Freiheiten gewahrt. Wir erinnern uns, daß schon Otfrid zu dem Glauben berechtigte, er habe seinem lateinischen Dimeter n i c h t so w e i t nachgeeifert, als es in seinen bescheideneren Kräften stand (§505). 616. Stellen wir Konrads Kurzvers unserm Jambus, dem viertaktigen, entgegen.
neudeutschen
Das Trennende können wir nach dem Gesagten so bezeichnen: Bei Konrad gehn diese 6 Füllungstypen als gleichwertige Spielarten einer Versart durcheinander: 1. daz er nach siner tügent siten : Neunsilbler 2. darnach stach er einen äbe : Achtsilbler 3. mit riehen gäben er beriet : „ „ 4. mänic keiserlich gezelt : Siebensilbler 5. mit ellentrichen händen : 6. siner helfe gerte : Sechssilbler. Für die Buchdichtung Opitzischer Richtung wären dies sechs Versarten. Sie könnten zwar in einem Gedichte zusammentreten, aber nur in strophischen Bauten, jede der sechs an vorbestimmter Stelle. Nr. 1, 3 und 5 wären Jamben, Nr. 2, 4 und 6 wären Trochäen. Nach der Kadenz würden 1 und 2, 3 und 4, 5 und 6 je eine Art bilden: die griechelnde Verslehre spräche da von «hyperkatalektisch, akatalektisch, katalektisch\ So war das altdeutsche Reimpaar auch nach all der Vereinfachung, die es durchgemacht hatte, noch kein Silbenzähler; es besaß noch ein Teil un-Opitzischer Auswahl: sein Rezept umschloß noch eine Mehrheit von Füllungstypen, woraus spätere Übung gegensätzliche Arten machte. Dabei haben wir, wie gesagt, nur Auftakt und Schluß in Rechnung gezogen: die Reste von ein- und dreisilbigen Innentakten würden sich ja unsren jambisch-trochäischen Fächern vollends entziehen. 617. Man kennt das alte, heute etwas angejahrte Schlagwort: 'Der altdeutsche Vers zählt nur die Hebungen, der neudeutsche
156 'ZÄHLT NUR D. HEBUNGEN'.
VERSGESCHICHTL. RÜCKBLICK.
(d. h. der Opitzische) zählt beides, Hebungen und Senkungen, also die Silben insgesamt'. Die Formel hat etwas von naiver, amusischer Roheit: als bestände das Geschäft des Rhythmenschaffers im Zählen, womöglich im Abzählen an den Fingern. Und wenn er nur die Hebungen zählt, dann ist es mindere Kunst, als wenn er alles zählt — trotz Urvater Homer, der unleugbar nur die Hebungen 'gezählt' hat! Fassen wir das tatsächliche daran in die Worte: die Taktzahl ist fest, Taktfüllung und Silbensumme frei, dann klingt es schon gesitteter. Dieser Grundsatz ist, wie wir wissen, der germanische (§53 Nr. 1). Der andere: Taktzahl u n d Silbensumme fest, die Taktfüllung starr und gleichförmig, ist der romanische und Opitzische (§ 53 Nr. 5). Wir haben also festzustellen, daß auch der glatte Sprechvers Konrads noch zum germanischen Grundsatz hält. Die seinem Auftakt und seinem Ausgang verbliebene Freiheit bewirkt, daß er noch nicht die Silben zählt. Aber n a h e ist er diesem Ziele und damit dem romanischen Grundsatz gekommen. 618. Blicken wir von ihm z u r ü c k auf die durchwanderte Strecke deutscher Versgeschichte! Der s t a b r e i m e n d e Vers stellte den germanischen Grundsatz am reinsten dar. Seine Kontraste vom Sechzehntel bis zur Überlänge, seine ein- bis zehnsilbigen Langtakte, seine Auftaktriesen: das ist der Gegenpol zu starrer Füllung und Silbenzählung. Der älteste deutsche R e i m v e r s hat eine erste Ebnung vollzogen. Er baut nur noch mit den drei Zeitwerten •—, X und w (§ 516). Der zweisilbige Kurztakt, die 'gleichmäßige Abwechslung leichter und schwerer Silben': das hört man schon auf viele Strecken als vorwaltende Bewegung heraus. Der Führer zu diesem Umschwung war der lateinische Kirchenvers. Dann folgt eine Gegenbewegung. Der Reimvers um 1100 zieht seiner Füllung wieder weitere Grenzen. Er wird unjambischer, deutscher. Er steht zwischen der altgermanischen und der Otfridischen Art. Gegen diesen Wildling erhebt sich erneuter Widerspruch im Reimpaar der R i t t e r . Die höfische Glättung, von Veldeke zu Konrad, führt weit über Otfrids Stufe hinaus. Jetzt treten auch die Zeitwerte und w zurück, also der mehrsilbige Auftakt, der ein- und der dreisilbige Innentakt. Es bleibt, von der klingenden Kadenz J_ ^ abgesehen, der eine zeitliche Baustein, die Mora X : dynamisch sanft abgestuft zu Paaren, XX, zweisilbigen Takten;
AUSDRUCKSVOLLE
UND AUSGLEICHENDE
SPRACHMODELUNG.
157
das Auf und A b mit gedämpfter Abhebung von Haupt- und Nebenikten. Zu dieser zweiten Glättung hat der weltliche Vers der Franzosen geholfen. Der hatte gleichen Zeitfall wie Otfrids lateinisches Vorbild; er war auch ein vierhebiger Jambus. Ihm kam die Nachbildung des 13. Jahrh. viel näher als die des neunten. Aber diese Annäherung geschah schrittweise, ohne schroffen, einmaligen Bruch mit dem heimischen Erbe. Den Begründer des deutschen Reimverses hatte das fremde Muster ganz anders aus dem angestammten Gleise geworfen; er wechselte ja auch das Grundmaß und vertauschte den Stabreim mit dem Endreim. Das war ein Bruch. Ähnliches hat sich im ganzen deutschen Mittelalter nicht wiederholt. Die zweite Glättung, die der Ritterzeit, führte in einigem z u r ü c k zu den Formen Otfrids. Die hundert Jahre 1070 bis 1170 bilden einen Zwischenraum; ihr Vers hat Züge, die sich nach rück- wie vorwärts abheben: die buntere Füllung im allgemeinen, und im besondern die Innenpausen, die stumpfe und die weiblich volle Kadenz. Aber jenes scheinbare Zurücklenken erklärt sich genügend aus den innern und äußern Bedingungen des 12. 13. Jahrh., es nötigt nicht zu der Annahme, eine uns verlorene Dichtung habe den gebundeneren Versbau der karlingischen Geistlichen bis zur Stauferzeit fortgesetzt. 619. Ergänzen wir dies nach Seiten der S p r a c h s t i l i s i e r u n g . Die erste, altgermanische Stufe und in bescheidenerem Maße die zwischeninne, die frühmittelhochdeutsche, hatten zum Ziel das Steigern des Satzfalles. Das Glätten um 900 und das Glätten um 1200 bedeutete beidemal ein Ebnen der Prosarhythmen. Statt der sprechenden Vielfältigkeit will man harmonische Vereinfachung. Ähnliche Rhythmenfiguren sollen wiederkehren; sie legen sich wie ein Schleier über die sprachliche Kurve. Manche frühmhd. Versstrecke könnte man übertragen aus dem ausdrucksvollen ältern Stil in den ausgleichenden jüngern. Z B. die drei Zeilen der 'Erinnerung' in §55i: nu ginc dar, wip wolgetan . . . wie sin antlütze si gevar . . . wie sin här si geslihtet: die konnte der ältere Stil so modeln:
w w l x l ^ x l
-L
I*
1 5 8 AUSDRUCKSVOLLE UND AUSGLEICHENDE
SPRACHMODELUNG.
Einem Gotfridschüler läge diese Formung: I k X I & X I tf X I k • • • X I fc X I
X I fc X I £ • • •
xl^xl^xl
JL \k
Von kenntlichen Satzumrissen kann zuletzt, bei Konrad, keine Rede mehr sein. Aber so weit drang fast nur er; was man um 1200 noch an Füllungstypen besaß, kam der Otfridischen Zahl mindestens gleich und diente wirksamer dem sprachlichen Ausdruck. Grundverkehrt aber oder zum wenigsten irreführend sind Schlagworte wie: der höfische Vers folge deklamatorischen, der vorhöfische nur rhythmischen Neigungen. Das eben angeführte Beispiel lehrt das Gegenteil. Unter 'deklamatorisch' kann man, in unserm Zusammenhang, nur verstehn das nachdrückliche Modeln des Prosafalles. Dies eignet aber, unleugbar, dem ältern Verse in höherm Grade als dem ritterlichen. 'Rhythmisch 1 , in Gegensatz zum Deklamatorischen gestellt (ein unguter Wortgebrauch), kann nur meinen die Versbewegung, die sich unabhängig vom natürlichen Sprachfalle durchsetzt. Solche ausgleichende Versbewegung hat in der ritterlichen Kunst v i e l m e h r zu sagen als in der frühern. Die beiden Stile lassen sich, wie wirs eben taten, als der ausgleichende und der ausdrucksvolle unterscheiden. Man vergesse nie, es sind Gradunterschiede! Auch das frühmhd. Reimpaar hat oft genug dem baren Gebote des Versrahmens gehorcht und ist dem Wunschbild der ausdrucksvollen Steigerung nicht immer gleich nahe gekommen! 620. Neben dem etwas stockigen Singsang der ahd. Zeit und dem entfesselten Sprechvortrag des Roland und Rother (§ 550) vertritt das ritterliche Reimpaar eine neue, dritte Weise, die der höfischen Unterhaltung, einen stilisierten Plauderton, der sich nicht in die Brust wirft, nicht schreit. Dieser Vortrag begünstigte die Satztonebnung und verleidete den feineren Meistern mehr und mehr die eifrigen,*Ausdrucksrhythmen: die gedrängten und später die einsilbigen (beschwerten) Takte. Wir wogen ab, wie hier welscher Einfluß unmittelbar und auf Umwegen wirkte; wie seelische, sprachliche, vershafte Antriebe einander förderten (§6x1 f.). Sanglich wird man die Menge unsrer Reimpaare nicht nennen — trotz ihrer Glätte; schon ihr Bogenstil steht dem entgegen. Sie verzichten ja auch auf Wettstreit mit dem innern Versbau der Lyrik (§555. 615). Ein Hinstreben zur P r o s a kann man dieser Dichtung wohl in Wortschatz und -Stellung nachsagen, nicht im Metrischen.
KÜNSTLERISCHE
WERTUNG.
159
Das Auf und Ab bedeutete doch eine engere Stilisierung der Prosalinien; und dann die zunehmenden Freiheiten gegenüber dem prosaischen Tone! 621. Nach all dem Gesagten versteht man, daß die k ü n s t l e r i s c h e W e r t u n g dieser Verse sehr ungleich ausfallen konnte Der Gegenstand hat wirklich zwei und noch mehr Seiten! Wir entscheiden nicht, wer recht und wer unrecht hat: wir versuchen nur, was bei der Einschätzung mitspricht, sachlich zu bestimmen. Zunächst wird man sagen dürfen: das kurze Reimpaar, so wie es der Ritterroman handhabt, ist eine kleine Form, äußerlich und innerlich. Am Grundmaß liegt das noch nicht: die Viertakter des Arnsteiner Marienlobs und der Litanei in § 551 haben ihre Größe; aber die dürfen so viel mehr Sprachmasse aufnehmen: das macht sie gewichtiger und kontrastreicher; und sie dürfen den Satzfall so viel hemmungsloser heraustreiben. Bei den Füllungsschranken der Ritter wirkt der Einzelvers klein; der Reim schneidet in kurzen Abständen in die rhythmische Kette ein, namentlich bei klingendem Schlüsse (§ 594): da droht der Eindruck des Spielerischen, des Leierhaften. Diese Versart, die sich auf Veldeke beruft, hat keinen tiefen Atem. In ihr können sich gesellschaftliche Tugenden ausleben; die angestrebte mäze. Die Beiworte fein, zierlich und sogar niedlich drängen sich auf. Leidenschaftlichen Inhalten verschloß sie sich nicht durchaus; man nehme den Tristan; aber zu gehörhaftem Ausdruck bringt sie die Leidenschaft nicht: Form und Inhalt fallen da auseinander. Die Dichter der ältern und der jüngern Nibelungenot wußten, warum sie für ihren großen Gegenstand die Langzeile wählten; ihre heroischen Strecken könnte man sich nicht umdenken in das metrum pusillum der höfischen Reimpaare (vgl. §732). 622. Ebenbürtig der bekannten R e i m strenge ist die Sorgfalt im Rhythmischen. Es ist eine kunsthafte Versübung: viel wählerischer, empfindlicher, durchdachter gegenüber den Füllungsmöglichkeiten als alle früheren Reimer. Auch wo diese Höfischen den Sprachton kränken, tun sie's wohl selten aus Stumpfheit oder Leichtsinn: sie tun es, weil ihnen gewisse versrhythmische Ziele wichtiger sind. Es erinnert an das Verhalten unsrer Odendichter strenger Observanz. Konrad von Würzburg hat sich allmählich, wie Platen, folgerecht vorgezeichnet, wo er m i t und wo er g e g e n die Prosa gehn soll. Es ist, ohne Lob noch Tadel, eine gesittete, erzogene Kunst. Nachdem der ganze bisherige Reimvers ungepflegter, formschwächer gewesen war als der Vers im Hildebrandslied oder im
i6o
VELDEKES
'RICHTIGE VERSE'.
Heliand, erscheint jetzt ein Handwerk, an Formhaltigkeit dem epischen Stabreimvers wohl an die Seite zu setzen. Nur geht der Formwille in zu ungleicher Richtung, als daß man genauer abschätzen könnte. 623. War diese Verfeinerung ein Glück für den Vers ? Die Zunft selbst bejahte dies, und Gegenstimmen werden nicht laut. Der wiederholte Preis Veldekes nimmt bei Rudolf von Ems, einem Enkelschüler, die bestimmtere Wendung, daß Veldeke als erster 'richtige Verse' gemacht habe (in Rudolfs Alexander Buch II, MS. 4, 866): Von Veldich der wise man, der rehter rime alrerste began . . . Dies erinnert daran, wie man später Sebastian Brant und Opitz als Neuerer pries: dem deutschen Verse gab man gern dann gute Noten, wenn er recht ausländerte. Über Veldekes Versrichtigkeit denken wir ja heute etwas anders (§569). Daß die höfische Verfeinerung ihre Nachteile haben konnte gegenüber der frühmhd. 'Kraft' und 'Markigkeit', geben auch solche zu, die nicht, wie Goedeke, in dem Eneit-Übersetzer den Verderber der deutschen Poesie und, wie Richard Benz, in den Reimpaaren des ritterlichen Jahrhunderts eine Ungeheuerlichkeit sehen1). Fr. Vogt, Mhd. Lit. 3 106; Schneider, DLit. 250; Benz, Die deutschen Volksbücher 9 f. (1913).
624. Worauf es ankommt, sind die zwei Punkte, der vers- und der sprachrhythmische. D a z u bekennen sich heute wenig deutsche Metriker mehr: daß starre Füllung an und für sich wertvoller sei als freie, der romanische Grundsatz wertvoller als der germanische — a u c h in germanischem Sprachstoffe! Wenige werden Konrads Vers über den der drei Klassiker stellen und wünschen, er hätte noch die letzten Schritte zu Opitz hin getan. Die Bewunderer des höfischen Reimpaars halten sich mehr an die Stufe, auf welcher Gotfrid steht. Daran loben s i e — n i c h t das Gleichmaß, sondern den Reichtum, die Ausdrucksfähigkeit, die wirksamen Freiheiten des Hersagers1). Mit Recht; denn als Maßstab legen sie unsern Jambus an. Stellt man sich auf die andre Seite, zu Heinrich von Melk und seinen Zeitgenossen, dann dreht sich die Sache um: Reichtum, Ausdrucksfähigkeit, wirksame Freiheiten, das ist bei den Rittern zurückgegangen. Sie haben es so gewollt. Engere Auswahl aus der naturhaften Formfülle, dies z e i c h n e t den neuhöfischen Stil. Also vom frühmhd. Blickpunkt aus hätte man zu sagen:
V E R S - U N D SPRACHRHYTHMISCHE
SEITE.
I6I
daß sich die Ritter gar geschickt einzurichten wußten mit den Resten des einstigen Reichtums. In der Tat, die Verbindung einer mäßigen Freiheit mit viel Kunstregel: dies ist es, was man mit Grund als die Tugend des Gotfridischen Verses preisen kann. In keinem andern Zeitraum hat sich diese Verbindung bei uns so eingestellt. Kraus, Metr. Unters. 160. 2 1 0 u. ö.; Roethe, Wege der deutschen Philologie (1923) 10.
625. Dann die sprachrhythmische Seite. Wie hoch man diesen Vers einschätzt, wird davon abhängen: welchen Wert man legt auf gesunde Herausmodelung des Sprachtons. L e i d e t man unter dem Tonbeugen, überhaupt dem Verwischen des Satzfalles ? Oder empfindet man diese Dinge als gleichgültig — oder gar als Reiz ? Dieses zarte Verschleiern von Stark und Schwach, auch von Lang und Kurz; dieses 'Schweben' über zwei und mehr Silben . . . Die Freude am Welscheln! Gotfrid h a t t e sie sicherlich. Man muß sich als Versgeschichtier hineinfühlen kennen, so gut als in irgendwelche Liebhabereien der Kunst und der Mode. Es gibt nicht nur das feste, großschrittige Auftreten: es gibt auch das zierliche Trippeln, den Eiertanz. Daran erinnern diese Verse manchmal. Ihre 'zahllosen Feinheiten* bestehn zum Teil darin, wie der Sprachrhythmus nachgibt und sich in das Model einstreichen läßt, so daß es keine Wülste setzt. Auch hier wollen wir nicht über den Geschmack richten. Wir sagen nur: die 'natürliche Deklamation1 dieser Verskünstler sollten die nicht so laut preisen, die den natürlichen Silbenfall ohne Zaudern drangeben, wo eine schwerere Senkung in Hörweite kommt. Unabhängig von aller Wertschätzung besteht die Tatsache: das Neue am höfischen Reimpaar war eine Entdeutschung des Versstiles. Denn das Deutsche in Sachen des Versbaues ist erstlich die zackige Linie, also die stark wechselnde Füllung des metrischen Rahmens, das Bauen mit sehr ungleichen Zeitwerten; zweitens, dadurch bedingt: Steigern des Prosafalles, nicht Ebnen oder Verbiegen. Beidem hat die bewußte Glättung, die von Veldeke auf Konrad geht, entgegen gewirkt. Wir wiederholen nicht, wie bei diesem zusammengesetzten Hergang der französische Vers mitwirkte. Sähen wir von dieser Triebkraft ab; nähmen wir die deutsche Dichtung rein beschreibend: a u c h d a n n zeigte sie uns erneute Angleichung an den romanischen Versstil — wie einst unter Otfrid, nur jetzt viel entschlossener und formbewußter. H e u s l c r , Dcutsclie Versgeschichte I I .
IÓ2
DIE
ENTDEUTSCHUNG.
626. Gegen den Ausdruck Entdeutschung könnte man einwenden : jener 'deutsche* Versgrundsatz sei vielmehr der (alt-) germanische; gegen den habe der Reimvers von Anfang an gestritten, und das Mittelding zwischen Germanisch und Welsch, das im ritterlichen Kunstverse erscheine, darin spreche sich eben das deutsche Formgefühl aus, eine kennzeichnende Weiterbildung und Sonderart des germanischen. Dagegen wäre zu sagen: daß doch bis an die Schwelle der Ritterkunst jener andre Formwille, mag man ihn germanisch oder deutsch nennen, kräftig zum Ausdruck kommt; daß ihn gewiß auch im 13. Jahrh. das unbuchliche Versemachen festhielt, und daß er später, bis auf den heutigen Tag, immer wieder einmal hervorgebrochen ist. Aus der Kunst Gotfrids oder gar Konrads dürften wir nicht ablesen, was deutscher Rhythmenstil im betonten Sinne heißen soll. Die 'rehten rime', die der von Veldeke lehrte, waren welscher, als was im Formgefühl der Deutschen bestehn blieb. 627. Gäbe man sich einmal dem Gedanken und Wunsche hin, wie es hätte kommen können mit der Verskunst der altdeutschen Blütezeit: dann möchte man sich wohl ausmalen, die dichtenden Ritter hätten ihr Feingefühl weniger ans Ausgleichen gesetzt, sie hätten eine mittlere Stufe der Glättung, einen gebändigten Reichtum festgehalten. Die Menge der Füllungsformen erschiene, als berechtigte Ausdrucksmittel, auf Gedanken und Stimmung abgetönt. Sprechende Versrhythmen wie jenes Hartmannische lánc, schárpf, gróz, bréit wären in Ehren geblieben, desgleichen an ihrem Orte die gedrungenen Takte, die langen Auftakte, denen so viel zeichenhafte Gebärde innewohnt. Kurz, die ganze unjambische Formenfülle, die keinen Kampf mit dem Prosafall führt, weil sie sich dem deutschen Sprachstoffe anlegt wie ein wohliges Kleid, nicht wie ein Plattenpanzer . . . Warum konnte der Vers des Tristan nicht werden wie der in Künstlers Erdewallen — ? Die Frage ist müßig, ob es so gekommen wäre, wenn diese ganze Gesittung, auf allen Gebieten, weniger im welschen Kielwasser geschwommen hätte. Dies hätte gewiß nicht im Bereich deutschen Formensinns gelegen: die mannigfachen Füllungstypen, wie sie das Geschlecht vor Veldeke noch besaß, auszubilden zu klar gesonderten Versarte«; zu einer Mehrheit von Metra, worin leichte und schwere Takte ihre gewiesene, gegensätzliche Verwendung erhielten. Also eine Abspaltung von Arten, nicht gleich, aber vergleichbar mit dem, was altnordische Skalden aus dem germanischen
EINHEIT VON DICHTUNG UND TONSATZ.
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Stabreim/erse machten; auch sie angeregt durch fester kristallisierte Formen des römischen Kirchengesangs. Wilmanns in seinen Beiträgen zur Geschichte der älteren deutschen Literatur 3, 142 hat den Gedanken gestreift und mit Recht gesagt: eine solche Auswahl und Festlegung der Rhythmenfiguren hätte ein formfroheres Volk vorausgesetzt. Aber bedenken wir doch: von den gesprochenen Reimpaaren, die ein bequemes Gewand der breiten Erzählung und Lehre sein sollten, wäre billigerweise diese Formensonderung nicht zu erwarten. Die s a n g l i c h e Kunst der Deutschen aber, die hat in einem Teile ihres Gebietes, in den planvoll gemischten Daktylen, eine wahrhaft formfrohe Gestaltung des innern Versbaues erlebt.
31. Abschnitt: Der Bau der sanglichen Verse: Wort und Weise. Der Auf und Ab-Vers. 628. Seit der Mitte des 12. Jahrh. läuft neben den gesprochenen Reimpaaren eine gesungene Dichtung in deutscher Sprache: die Lyrik im weitern Sinne, bestehend aus Lied, Spruch und Leich; zum Teil geistlichen, zum weit größern Teile weltlichen Inhalts: die vorherrschende Gruppe der Minnesang. Seit dem Ende des 13. Jahrh. geht es ohne scharfe Grenze über in den Meistersang des nächsten, frühneudeutschen Zeitraums. Diese altdeutsche Lyrik ist viel formhaltiger als die Sprechdichtung, und die fremden Einflüsse, lateinische und welsche, zeigt sie viel greifbarer. Dies rückt sie weiter ab von den heimischen Überlieferungen vorritterlicher Zeit. Lied, Spruch und Leich waren für Gesang bestimmt. Die Dichtung entstand als Musiktext: wort und wise (dön, gedaene) hatten in der Regel denselben Urheber; der Dichter war zugleich Tonsetzer und Sänger seiner Gedichte. T e x t und Melodie standen in dem Bündnis, das unsrer neueren Kunstlyrik fremd geworden ist (§28f.): Widerstreit zwischen dem gesprochenen und dem gesungenen Zeitfall, dem des Dichters und des Vertoners, gab es nicht. Das sangbare Stück lebte von Anfang an als gesungen. Wohl hat es sich auch als Lesetext verbreitet: unsre kleinen und großen Handschriften entbehren ja meist die Noten. D a begnügte man sich eben mit dem Schatten — dem Inhalt — des Kunstwerks. Ein Ablesen von Wort und Weise wird der Lichtensteiner meinen, wenn er von seiner Schöpfung sagt: der leich vil guot ze singen was: manc schceniu vrouwe in gerne las (Frauendienst 426, 4). D a z u kam es schwerlich, daß geübte Deklamation den Gesang ersetzte. Wollen wir die Form des Minne11*
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CHORALE N O T E N .
RHYTHMISCHE
ZWEIFEL.
sangs würdigen, so müssen wir immer die Sangesweise dazu denken. 629. B e i dieser Sachlage hätten wir den R h y t h m u s aus der Melodie abzulesen (§28). Leider sind wir nicht so gut gestellt! Nicht nur daß Melodien aus der Blütezeit spärlich sind; erst die große Jenaer Handschrift u m 1330 bringt reichliche Weisen z u späterer, vorwiegend lehrhafter L y r i k . W a s die metrische Deutung hindert, ist die A r t , wie die Weisen geschrieben sind. E s ist die c Quadratnotenschrift', allgemeiner: die 'Chorälen' Noten. Die weichen in Deutschland erst nach 1400 den 'mensuralen'. Jene älteren bezeichnen nur die Höhe, nicht die Dauer der Töne. F ü r den R h y t h m u s aber k a m es auf die Dauer, die Zeitwerte a n ! W o h l beleuchten jene zeitlosen Zeichen den Strophenbau, sofern sie planvolle Wiederkehr gleicher Tonstufen, Höhenfolgen bieten. A b e r den Zeitfall verraten sie nicht. W i e ungleich man altprovenzalische Notentexte rhythmisch ausdeuten konnte, zeigen die Proben bei Lommatzsch, Provenzalisches Liederbuch (1917) 417 ffW i r müssen den Zeitfall a u s d e m D i c h t e r w o r t erschließen. D a s wäre aussichtslos, wenn er so frei zu seinem T e x t e stände wie in unsern Arien oder vielen unsrer Kunstlieder. Nun ist aber das Verhältnis m e h r m i t unsern Kirchenchorälen zu vergleichen. B e i denen kann m a n ja, ganz i m großen genommen, den metrischmusikalischen Zeitfall aus dem T e x t e ablesen. A u c h der Minnesang kennt enge Beziehungen zwischen wort und wise; die Musik ist, rhythmisch betrachtet, das Spiegelbild des Textes — seine 'Dienerin' würden wir sie nicht nennen, eher seinen Zwilling. So l ä ß t schon die Folge der betonten und unbetonten, der langen und kurzen Silben viel Schlüsse zu. Dennoch bleiben mehr Zweifel, als uns lieb ist! Sie fangen beim Taktgeschlecht an (§ 635). A u c h auf Hebung und Senkung erstrecken sie sich nicht so selten. Noch mehr plagt uns die Unsicherheit, w o wir dem Versschluß eine Pause, eine Fermate, wo wir dem Versinnern eine Dehnung geben sollen. Daran hängt die Zeitmessung, der U m r i ß dieser Strophen! Denn reicher als die R h y t h m e n unsrer Kirchenlieder waren diese alten schon; es gab m e h r , was in das Auf-ab-auf nicht einzufangen ist. Wobei wir n i c h t an die bedingte Silbenzählung und die gelegentlichen Unebenheiten des Taktinhalts (§ 634) denken! Vgl. § 714. Soviel gilt uns als sicher: diese Lied- und Spruchweisen, einstimmig, ohne akkordische Grundlage, glichen hierin zwar der Gregorianischen Kirchenliturgie; r h y t h m i s c h aber waren sie etwas anderes als dieser 'cantus planus': kein taktfreies Rezitativ, sondern metrisch-liedhaft gegliedert, so daß die Frage auch nach
ZEITSTUFEN
DER
LYRIK.
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dem Taktgeschlecht zu stellen ist. Für gleichstrophige Texte von überwiegend starrer Silbenzahl wäre dies nicht anders zu erwarten; auch haben die Reigenlieder grundsätzlich gleichen Bau wie die nur gesungenen1). Wie streng der Sänger den Takt hielt, kann der metrischen Betrachtung gleich sein; denn mit diesem Unfeststellbaren hängen die gelegentlichen Freiheiten der Taktfüllung nicht zusammen. Unterschiede im kleinen wie im großen, in Taktfüllung wie Gruppenbau, bestehn zwischen den drei Hauptarten: Lied, Spruch und Leich. Der Leich hebt sich von den beiden anderen eindeutig ab; zwischen Lied und Spruch können wir eine feste Grenze nicht ziehen. *) Wie a l l e s , so wird auch der T a k t der Minnelieder zur Abwechslung mal wieder bezweifelt. Den gedankenblassen Syllogismen v o n Jammers, Zs. f. Musikwiss. 7, 265ff., gewinnt man schwer ein rhythmisches Erlebnis ab. Die Hauptquellenwerke führen wir mit den Abkürzungen an: M F = Des Minnesangs Frühling (hg. von Lachmann und Haupt), neu bearbeitet von Fr. Vogt 4 1923; MS = Minnesinger hg. von F. H. von der Hagen 1838; H e i d L = Die große Heidelberger Liederhandschrift hg. von Pfaff 1909; J e n L = Die Jenaer Liederhandschrift hg. von Holz, Saran und Bernoulli 1901; D L = Deutsche Liederdichter des 12.-14. Jahrh. hg. von Bartsch, 7. Aufl. von Golther 1914; SchwM = Die Schweizer Minnesänger hg. von Bartsch 1886; CBur. = Carmina Burana hg. von Schmeller (2. Aufl. 1883). Ein Stern vor Dichternamen oder Zahl bezeichnet ein unechtes oder angezweifeltes Lied.
630. Zeitlich ergeben sich für die lyrische Verskunst folgende Stufen. Auf der Frühstufe stehn etliche Namenlose MF I und S. 259; die Strophen des Kürnbergers und des ältern Spervogel, MF. II und VI S. 22-29; einiges unter Dietmar von Eists Namen MF. VII. Benachbart der Frühstufe ist das übrige unter Nr. I-VIII. Von der entwickelten Lyrik unterscheiden sich diese Gebilde fünffach: durch den freiem Reim; durch die freiere Taktfüllung; durch den Bestand an Versarten; durch den Gruppenbau (mit Einschluß der Reimstellungen); durch die vorherrschende Einstrophigkeit des Liedes (Spruches). Von diesen Seiten her gewinnt man Anhalte für die Datierung. Das meiste dieser Gruppe gehört dem baiwarischen Südost. Süd- oder nordfranzösischen Formeinfluß gibt die eigentliche Frühstufe noch nicht zu erkennen. Wohl aber ist mit dem Vorbilde der lateinischen Lyrik zu rechnen: der geistlichen und der weltlichen (Vaganten-, Goliardenlieder). Diese lateinische, zwischenvölkische Sangeskunst hatte schon v o r der deutschsprachlichen, seit etwa 1100, einen beträchtlichen Formenreichtum ausgebildet. Dann folgt eine Gruppe von Lyrikern zumeist aus dem Westen, tätig etwa 1170-90. Die schließen sich verhältnismäßig eng an
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ZEITSTUFEN
DER
LYRIK.
an die Formkunst der provenzalischen Troubadours, der französischen Trouvères: in Zeilenarten und Gruppenbau (Reimstellung), bedingt auch im innern Versbau, obwohl der Taktfüllung noch einiges von der altern Stufe anhaftet, wie auch der Halbreim noch nachwirkt. Hauptvertreter die Franken Heinrich von Veldeke, Friedrich von Hausen, der Alemanne Rudolf von Fenis. Man spricht von einer "welschen Schule'; wobei man an keinen schulmäßigen Zusammenhang im deutschen Lager, kein einheitliches Schulhaupt denken darf. Veldeke, in Gotfrids Tristan auch als Lyriker gepriesen (4726 wie wol sanc er von minnen!), hatte doch auf diesem Felde nicht die vorbildliche Wirkung wie auf die Reimpaare des Romans (§ 554. 623) : er steht an Einfluß zurück hinter Hausen; an diesen schließt eine Gruppe mittelrheinischer Sänger an. Im Donauland sehn wir an Johansdorf und Rute den Bruch mit der Heimatskunst. Den Zenith der fremdländischen Formgebung bezeichnet der Thüringer Heinrich von Morungen. Wenn seine Glut diese Formen einschmelzt, daß wir sie wie eigenes erleben -—: Tatsache ist doch, daß kaum der zwölfte seiner Töne halbwegs volkshaft zu nennen wäre. Bei seinem Altersgenossen, dem nach Österreich übergesiedelten Elsässer Reinmar ('dem alten'), lenkt es um. Sein Formenschatz hängt mit dem welscheren der Rheinländer nur lose zusammen; an eine mehr heimische Kunst, Fortbildung der baiwarischen Frühstufe, mag er angeknüpft haben. Die Lautreinheit des Reimes ist bei ihm und den folgenden durchgedrungen: in der Taktfüllung wahrt sich Reinmar noch Freiheiten. Dies gilt auch von seinem Schüler und Mitbewerber Walther von der Vogelweide (dichtete bis 1230). Sein Formenreichtum umspannt Heimisches und Fremdes, Schlichtes und Kunstvolles — und hat doch vieles ausgeschieden, wie jene gemischt daktylischen Töne, mit denen Morungen bezaubert. Die schweren, breit ausladenden Spruchformen ziehen bei Walther ein. Die nach-Walthersche Lyrik bringt den Daktylus selten mehr zu Ehren ; außerdem kennzeichnet sie die Neigung zu sehr kurzen und sehr langen Reimzeilen und damit eine Vermannigfachung der Strophenbauten bis zum Form- und Reimüberladenen. Aber eingängige, volksmäßigere Töne gehn daneben her; der alte Viertakter erklingt wieder häufiger als bei den Meistern um 1200. Kopie welscher Gesätze begegnet seit Morungen nicht mehr. Hauptvertreter: Neidhart, Wintersteten, Neifen, Lichtenstein, Konrad von Würzburg. Burdach, Reinmar und Walther 35ff.; Plenio, Beitr. 42, 280; 43, 97ff.; Kraus, Die Lieder Reimars des alten 2, 57f., H. v. Morungen (1925) 112; Brinkmann, Entstehungsgeschichte des Minnesangs (1926), bes. 131 ff. Höher hatten
A B S T A N D DER LYRISCHEN VON DER EPISCHEN F Ü L L U N G .
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Veldekes Bedeutung angeschlagen W. Wackernagel, Afrz. Lieder 2ooff., und namentlich Bartsch, Germ. 2, 269, D L X X X V I I I .
631. In diesem und dem nächsten Abschnitt beschäftigt uns der 'innere Versbau' der Lyrik: die Grundsätze der Taktfüllung nebst der Sprachbehandlung. An die Frage der Taktzahl müssen wir dabei schon rühren, auch an einiges vom Gruppenbau; im ganzen bleibt dies den Abschnitten 33—37 aufgehoben. Die ad. Lyrik kennt gegensätzliche Arten der Taktfüllung: lauter einsilbige Innentakte; lauter dreisilbige; dreisilbige in geregeltem Wechsel mit zwei- und viersilbigen. All das ist den gesprochenen Reimpaaren fremd. Die kennen nur ¿ine Füllungsart, die in Abschnitt 29 betrachtete. Wir sahen, diese Füllung ist mannigfach genug: von Vers zu Vers, auch nach den Zeiten und den Dichtern. Aber dieses bunte Vielerlei besteht aus Augenblicks- oder Gelegenheitsformen; es ist Ausdruck einer Art: der füllungsfreien Art, die von einer gewissen Zeit an hinstrebt nach dem glatten Auf und Ab und bei einigen Dichtern diesem Ziele nahe kommt. Diese selbe Art beherrscht auch die Hauptmasse der Lyrik. Nur mit dem Unterschiede, daß die Freiheit schon auf der Frühstufe beschränkter ist, und daß man zu dem Ziele, dem glatten Auf und Ab, der Silbenzählung, viel früher und viel entschiedener vordringt. Im Blick auf dieses Ziel kann man diesen Versbau den alternierenden, den Auf und Ab-Vers, nennen. Ihn haben wir zuerst zu betrachten. 632. Schon der Vers des Kürnbergers ist gezähmter als der der Kaiserchronik oder der Litanei. Das erklärt sich auch ohne erneute Einwirkung der Lateiner: aus den Bedürfnissen des Gesanges. Immerhin kennt diese Frühlyrik die Füllungsfreiheit in allen drei Versgegenden: freien Auftakt, wechselnde Innentakte, wechselnden Schluß. Epische und lyrische Regel unterscheiden sich erst gradmäßig; die lyrische Versfüllung hat sich noch nicht als Sonderart abgespalten. Im Wegbessern dieser altertümlichen Züge ist man mit der Zeit zurückhaltender geworden, aber noch nicht genug1). Man bedenke, daß unsren Abschreibern aus Hadlaubs Tagen der g l a t t e Vers der gewohnte war; ihnen hätt es näher gelegen, die altvaterischen Höcker abzuhobeln als sie zu vermehren (s. § 20. 168). Die überlieferten Freiheiten, auch in der Kadenz, sind das, was die Versgeschichte jener Frühstufe zutrauen kann2). Dann aber wuchs der lyrische Vers schnell in die silbenzählende Glätte hinein. Schon vor 1200 hat er den epischen Brauch so
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A B S T A N D DER LYRISCHEN VON DER EPISCHEN
FÜLLUNG.
weit überholt, daß bei Veldeke und bei Hartmann der Abstand groß ist zwischen Reimpaar und Liedzeile. Der sangliche Vers hält da also nicht das geschichtlich ältere fest: seine Glätte ist das nachweisbar jüngere (§ 29). In den Jahrzehnten von Hartmann bis Konrad von Würzburg wird dieser Abstand wieder kleiner. Denn die Lyrik kann über die Glätte von 1200 wenig mehr hinaus — die Sprechdichtung macht noch die uns bekannten Fortschritte. Liest man Konrads Viertakterstrophen, z. B. Nr. 3 (E. Schröder, Kl. Dichtungen 3, 19), so ist das rhythmische Erlebnis recht ähnlich wie bei seinem Schwanritter, von den fehlenden Auftakten und weiblich vollen Schlüssen abgesehen. x ) Sieh in Vogts Bearbeitung von MF unter anderm die 5. Kürnbergerstrophe, deren 2. Hälfte umgedeutet wird in alternierende Verse viel moderneren Maßes: des gehazze got den dinen lip usw. Sie füllt zwar das Kürnbergermaß sehr ausdrucksvoll, aber mit Freiheiten, die in einem zu engen Fachwerk keinen Raum finden. 2 ) Plenio, Beitr. 42, 447 2 , preist die Überlieferung Kürnbergs und Spervogels. Man lese Sarans Wort nach über ungeschichtliche und papierene Textbehandlung, DVersl. 278 f.
633. Also die Lyrik hat in drei, vier Jahrzehnten eine Stufe erstiegen, die das epische Reimpaar noch 100 Jahre später nicht erlangt hat. Diese rasche Entwicklung bedeutet Annahme des romanischen Rhythmenstils; das welsche Vorbild steht dahinter. Wenn das Vorbild hier so viel durchgreifender wirkte als im Reimpaar, kann das nur an den Melodien liegen. Deutsche hörten und lernten welsche Weisen. Und die Weise erzog zur Auf und Ab-Füllung. Dazu gezwungen hätte freilich nur ein Tonsatz mit starrer Notenzahl, eine Note auf jede Silbe ('syllabisch1). Und von der Art war diese Musik nicht; sie liebte Melismen (Ligaturen, Koloraturen), d. h. mehrere Töne auf eine Silbe. Da hätten Takte und Auftakte von schwankender Silbenzahl den Tonsetzer nicht angefochten, so wenig als im heutigen Volksliede: eine kügel kam geflögen singt sich ohne weiteres auf die selbe Melodie wie: ich hätt einen kameräden. Nötig war also, daß man die welschen Weisen mit und an silbenzählenden Texten kennen lernte. Die silbenzählende Glätte war auch aus lateinischen Liedern zu lernen. Bemerkenswert ist aber, daß nicht wenige derselben, so in den CBur., unfeste Silbensumme zeigen. Man hat da auf deutsche Verfasser geschlossen; die folgten ihrem angestammten Versgefühl auch in der fremden Sprache; 'altdeutsche Rhythmik in lateinischen Versen1 gibt es im 11.-13. Jahrh. wie einst im 8. und 9. (§473). Sieh W.Meyer, Ges. Abh. 1, 25off., GGNachr. 1908, 72f.; Lundius, ZsPhil. 39, 46off.
A R T DER DEUTSCHEN
SILBENZÄHLUNG.
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634. Silbenzählung im strengen Sinne, wie bei den Romanen, wurde es bei den deutschen Lyrikern allerdings nicht, oder doch erst spät, z. B. bei Konrad von Würzburg. Bis dahin duldete man die dreisilbigen Innentakte I v i / w X I; auch l ^ w w l mit leichten Senkungssilben (§ 638). Vollends die zweisilbigen Schlüsse mit •¿•a gelten in unserm ganzen Zeitraum, wenn auch nicht bei allen Dichtern, gleichwertig den einsilbigen auf L (§ 650) ; wogegen Spaltung der Auftaktmora früher veraltet. Es kann also ein Dreizehnsilbler : *wider édel gestéine der kiinec enbréhe den jambischen Achtsilbler ablösen u. dgl. m. Es ist ein bedingtes, der germ. Lautform Rechnung tragendes Silbenzählen, wie wir es ähnlich bei den nordischen Skalden trafen (§ 393). Davon abgesehen, erscheinen g e l e g e n t l i c h e Ausnahmen von der alternierenden Glätte noch in der Zeit der vollentwickelten Kunst: hier einmal ein Durchbrechen der Auftaktregel; da einmal ein einsilbiger, ein schwererer Innentakt. Die Sprüche erlauben sich etwas mehr als die Lieder und Leiche; ihr Sangesvortrag mag anders gewesen sein; hängt es damit zusammen, daß sie romanischem Strophenbau ferner stehn? Wieweit man nun diese Seltenheiten, auch im Liede, als Schreiberverderbnis nehmen oder dem Dichter zutrauen soll, das will von Fall zu Fall erwogen sein, und oft wird das Urteil abhängen vom Gefühl, sagen wir von der künstlerischen Weltanschauung des Kritikers: ist auch dem formstrengen Künstler seine Formregel nichts Unbedingtes? Man steht da vor ähnlichen Skrupeln wie beim Sprechvers (§ 556f.); doch geht die Unsicherheit weniger weit, weil der Gesangsvers die so viel strengere, eindeutigere Form hat. W o die Frage lautet : Sprachbeugung oder ungewöhnliche Taktfüllung? wird im Gesangsvers die Antwort e h e r für das erste, zuungunsten des Sprachfalles, ausschlagen. Doch bleiben auch hier Zweifel, schon innerhalb des alternierenden Verses. Ein Herausgeber muß sich, soweit es das Schriftbild angeht, entscheiden: der Versgeschichte wird die Feststellung genügen, daß die 'Ausnahmen', die hier in Frage kommen, nicht kurzweg Fehler sein müssen, weder des Schreibers noch des Dichters; daß es Überlebsei sein können, ein Nachwirken der freiem Übung, die auf der Frühstufe in K r a f t stand. Hat diese freiere Übung angedauert in der Unterschicht, bei den unhöfischen Spielleuten und bei den Liebhabern? Dafür spricht, daß das nachmalige Volkslied an die Füllungsgrundsätze der Kürnbergerzeit erinnert. Die Stücke volkstümlichen Klanges bei Neifen um 1250 (Haupt S. 44L) sind doch immer
TAKTGESCHLECHT.
Kunstdichtung, sogar das Büttnerlied mit seinen Dreireimen, und aus Neidharts formgerechten Liedern werden wir nicht schließen, daß sich die Bauern ihre Reigentexte in höfischer Glätte dichteten! Dem spielmännischen Heldenlied zur Zeit des Nibelungen-, des Walther- und des Kudrunepos darf man einen altertümlich unebenen Taktbau zuschreiben. Aber seit die Fahrenden zu ihrem alten Vorrat den Minnesang in Pflege nahmen, mochte dessen Versglätte auf die außerhöfischen Gattungen abfärben. Vgl. zu dieser Frage: W . Wackernagel, Afrz. Lieder 234!.; Schneider, Ehrismann-Festschrift 1925, H 4 f .
Das Taktgeschlecht. 635. Nehmen wir das Einzelne genauer vor! Manches deckt sich mit den Hergängen beim Sprechvers; da können wir uns kürzer fassen. Zuerst ein Wort über das T a k t g e s c h l e c h t . Beim Reimpaar entschieden wir uns für geradteiligen Takt, f t a k t I X |, § 478. Die Gründe, die der ahd. Vers bot, gelten ebenso für die mhd. Sprachform. Die Lyrik weicht in ¿inem ab, und eben dies könnte auf dreiteiligen Takt führen. Innentakte mit der Füllung : | loben | sind, wie Wilmanns gezeigt hat, bei vielen Lyrikern, darunter 'die namhaftesten Künstler der Blütezeit5, unbeliebt1). Dies begriffe man, wenn der 2 silbige Takttyp die Form I XI hatte: für die Doppelmora reichte sprachliche Kürze nicht aus. Wogegen im Vers Schluß die Rhythmisierung | X (/\) zu Gebote stände: § 653. Allein, die Silbengruppen - ¿ ¡ ¿ 1 ^ ) : . sumertac, schadehaft; sumerwunne, küniginne geben in zweihebiger Messung jenen selben Dichtern keinen Anstoß. Da darf also ein den Takt füllen2). Der Schluß auf den Takttypus [ X | wird dadurch fragwürdig. Auch für die geradteilige Messung IX X | konnte man ein lobe, site, sehe als zu mager empfinden — nämlich im Gesang; dem Sprechvers widerstrebte solche Füllung nicht. Nach dem Tempo des Sängers mochten diese Starktonkürzen geeigneter scheinen, ein bloßes Achtel zu füllen; also im Versinnern lobe ge-1 XI (§638), am Versende lobe (§653). *) Wilmanns, Btr. zur Gesch. d. ä. d. Litt. 4, 105ff.
636.
Neben der Taktart
iJJl.
2)
Ib. i 2 3 f f .
dem 'ersten Modus', weist J.-B. Beck den Liedern Süd- und Nordfrankreichs den 'zweiten
TAKTGESCHLECHT.
171
Modus' zu: ebenfalls Tripeltakt, aber mit der Zeitgliederung I J o I; die Senkungssilbe mit doppeltem Zeitwert der Hebungssilbe1). Es ist uns nicht glaubhaft, daß dieser Zeitfall in d e u t s c h e r Dichtung galt. Besteht doch hier die Großzahl der Takte aus Gruppen wie | alle |wörtge-|, | treit mir|, |w!p so |: die kämen in jener 1 : 2-Modelung wunderlich verzerrt heraus. Die Minderzahl, Gruppen wie |wärt ie|, |wie höh |ir lop |, mit vollerer Senkungssilbe, kommt dagegen nicht auf. An Taktwechsel innerhalb der Strophe, des Verses wird man nicht denken. Soll man eine Taktart für die ganze Masse der Auf und AbVerse wählen, dann wird doch die geradteilige dem sprachlichen Stoffe am besten gerecht. Ging sie der welschen Lyrik ab, dann konnten sie die deutschen Nachahmer, ohne im übrigen die fremde Weise zu stören, den beiden dreiteiligen Modi unterschieben. Für geradteilige Taktmessung des deutschen Minnesangs haben sich seit Riemann die Literarhistoriker wohl einhellig entschieden2); bei den Musikforschern besteht noch keine Einigkeit3). Wir legen im folgenden den | takt zugrunde. Die Frage, ob sich diese Kurztakte zu L a n g t a k t e n von vier und sechs Vierteln, Dipodien und Trifodien, gruppieren, drängt sich bei metrischem Lesen unsrer Gedichte oft genug auf; zumeist allerdings bei den gemischt 'daktylischen' Arten, die wir erst im folgenden Abschnitte vornehmen. Man sehe unsre Rhythmenbilder in § 656. 659. 667. 671. 674f. 701. 703-134). Weiteres Achten auf die akzentbedingte Linienführung wird diesen Dingen noch höhere Bedeutung sichern. l ) Beck, Die Melodien der Troubadours (1908) 97. 1 2 1 ff. u. ö., RiemannFestschrift 1909. Zustimmt Gennrich, Zs. für franz. Sprache und Lit. 46, 205 ff. (1920). Den 3. Modus der Welschen, für die dreisilbigen Takte, s. u. § 6 8 1 . 2 ) Saran, J e n L 2, 1 2 1 f., DVersl. 2 7 1 ff. (vgl. 3 4 3 ) ; Plenio, Beitr. 42, 4 4 9 1 ; Hase, Der Minneleich Meister Alexanders ( 1 9 2 1 ) 7 5 f f . 8 ) Für zweiteiligen Takt: E . Bernoulli, J e n L 2, i f f . ; R . Wustmann, Walther v. d. Vog. 22 f. u. ö.; Moser, Gesch. d. d. Musik 3 I, 197. 200ff.; Koßmann, Die siebenzeilige Strophe 19. Für dreiteiligen: Rietsch, Denkmäler der Tonkunst in Österreich 4 1 , 9 2 f . ; Zs. für Musikwissenschaft 6, 3 ff. (denkbar, daß dörperlich volkstümliche und wieder schwere, feierliche Weisen zweizeitig); Fr. Ludwig, AnzAlt. 4 1 , 192. Gennrich setzt 5 Stücke aus M F im 1. Modus, Waithers Kreuzlied im 2 . : Zs. f. Musikwiss. 7, 78ff. (1924). Geutebrück, Archiv für Musikwissenschaft 7, 367 (1925), glaubt, die deutschen Minnesänger hätten zwar den 2. welschen Modus, | J«_J |, herübergenommen, aber 'sehr zum Schaden ihrer Kunst', denn er bewirke eine 'häßliche, undeutsche Aussprache'. Auch Max Schneider redet von der Deutschfeindlichkeit dieser Taktart: Zschr. der Internationalen Musikgesellschaft 14, 329. 4 ) Saran hat diese Frage gestreift z. B. bei Alexanders Kindheitslied ( J e n L 2, 143), Plenio bei Waither 39, 1 1 (Beitr. 43, 76). Rietsch,
172
MESSUNG VON J Ü Ü .
DREISILBIGE
TAKTE.
ZsMus. 6, 8, erklärt, dipodische Lesung sei 'nur bei tanzmäßigem oder mindestens volkstümlichem Gesang einwandfrei zu gebrauchen . Zur Vergleichung s. Mosers Umschriften, Gesch. d. d. Musik 3 i , 200ff., und seine Gliederung von Kirchenliedern: Der evangelische Choral als rhythmisches Gebilde 1921.
F ü l l u n g der I n n e n t a k t e . S p r a c h b e h a n d l u n g . 637. Von den drei Versgegenden stellen wir die Innentakte voran. Die eine Erscheinung kam soeben zur Sprache (§ 635) : der sparsame Gebrauch der Taktfüllung -¿a |lóbe|. Während diese Schranke dem Sprechvers fehlt, teilen beide Lager die Abneigung gegen zweihebiges und Z ^ ^ : kunegès; wachendè (§567). An Fällen der ersten Art bringt Wilmanns, Btr. 4, 133ff., aus 29 Dichtern nur a c h t gültige bei (die reimlosen Versschlüsse abgerechnet). Auch die tonbeugenden juncherrèn; àmeizèn sind selten. Seit man den einsilbigen Takt meidet (§ 639), entspringen also gehobene -3- im Versinnern fast nur noch aus den Tonverdrehungen wie merkét, wachénde. Hartmann hat in seinen 516 Zeilen k e i n e Innenhebung auf -3-: der Gegensatz zwischen Epik und Lyrik tritt hier scharf hervor. Unsre Proben sanglicher Zeilen werden nur den Gravis \ unterscheiden; im übrigen setzen sprachliche Stärkestufe der Kurztakte hat für zu bedeuten. Die Ausnahmen werden sich von sonders den planvollen Dipodien.
noch die Ikten wir gleichmäßig den gesungenen selbst erklären;
auf -3- durch den A k u t : die Vers weniger sie gelten be-
638. Im übrigen handelt es sich um Verdrängung der schweren und der einsilbigen Takte : das was wir beim höfischen Reimpaar als durchgehende Bewegung von 1180 bis 1300 kennen lernten. Die lyrische Frühstufe zeichnet sich mehr durch einsilbige als durch vielsilbige Takte aus. An der obern Grenze liegt der Eingangstakt von MF 8, 13: jö enwäs ich niht ein éber wfldè; eine deutliche Ausdrucksgebärde (vgl. § 562). Dreisilbige Takte mit schweren Senkungsachteln sind häufig: MF 9, 30 min rós, min isengewànt ; 10, 8 wiez ùnder uns zwéin ist getän; 8, 22 als der róse an dem dorne tüot (wenn nicht voll, § 649) ; 8, 7 er müoz mir diu länt rtìmèn (hier werden wir den Satzton noch nicht opfern müssen); 37, 10 du erkiusest dir in dem wàldè; 23 min trtìt, du sólt dih gelóubèn; 3, 6 du müost och immer darinne sin; 4, 10 vii ménegen kindeschen man (nicht voll, s. § 783) und weitere derart. Das ist sehr zahm neben dem, was sich der Sprechvers vor 1180 erlaubte! Unerklärt ist die von Wilmanns beobachtete Tatsache, daß Spervogel, Kürnberg und Rietenburg so gut wie kein I ^ w X I
EINSILBIGER
INNENTAKT.
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kennen (a. a. O. i2of.); desgleichen fünf der Namenlosen in MF I. Sollte dies der altern Spielmannsübung oder gar der Kleinlyrik des Volkes entsprechen? Die Erscheinung deckt sich nur zum Teil mit dem Meiden der ¿ ^ -Schlüsse (§ 655). Später, bis über die Hochblüte hinaus, wird der Takttyp I X I häufig; z. B. bei Walther 18, 29 auf 12 Zeilen 8mal, dreie davon in éinem Sechstakter: wiez ime der smit sö ébene habe gemâchèt. Hartmann ist hierin ausnahmsweis spröde; nach der Schreibung von MF hat er knapp 30 Fälle (der kurze Walther' 214, 34 hebt sich durch 6 Fälle ab). Auch die | X w w | , die von Lachmann ererlaubten wie die verbotenen, scheut er mehr als Walther. Wie viel man d i e s e m davon zutrauen soll, ist strittig; sieh Paul, Beitr. 8, 191 ff., und Wilmanns-Michels 1, 341; 2, 46f. Noch der Spruchdichter Reinmar spaltet oft sowohl die Hebung wie die Senkung (Roethe 379f.). Wenn einige ihm gleichaltrige und jüngere Sänger die Füllung | ^ ^ | verpönen und zugleich die Kadenz umgehn, kündet sich wohl schon die neudeutsche Silbendehnung an (§ 655). Im großen betrachtet, hat der mehr als zweisilbige Takt für die Lyrik seit Veldeke nicht allzuviel zu bedeuten. Beim Singen trat er wohl noch weniger hervor. Die 5 Pseudo-Waltherschen Gesätze im 'Fürstenspiegelton, W a . 36, 11 (Wilmanns-Michels 2, 169; Paul 5 170), stechen heraus durch die Menge dreisilbiger T a k t e ; doch keine schwereren als | sinne mit | ère daz also die A r t von § 565 A n f a n g ; diese ein gutes Dutzendmal. In dieser Beschränkung muß Plan liegen, und man darf nicht durch unerhörtes Kürzen, sinn, er, sünd u. dgl., die Allerweltsglätte herstellen.
639. Das Gegenteil, der e i n s i l b i g e Takt, ist bei den vorwelschen Sängern besonders beliebt : MF 30, 27 wurzè des wâldès 11 und érzè des goldès | ] und élliu âpgrundè; 30,6 körn säte ein bûmàn, || dö enwölde ez niht üf gàn, II ime erzôrnète dâz; 29, 27 swel man ein guot wtp hât || unde zéiner ândèren gât, || dér bezéichènt daz swin. Das sechszeilige Liebesliedchen 3, 1 hat in 5 Versen einsilbigen Innentakt : . . . dû bist beslozzèn 11 in minèm hérzèn . . . Diese Füllung des zweiten Taktes mit éiner Endsilbe auch beim Kürnberger: 10, x der tûnkèl stérnè, || der birgèt sich. Überlänge oder pausierte Innenhebung, wie in den Reimpaaren §538 Nr. 3; 571, haben wir in dem einen, sprechenden Verse 8, 13 dés gehâzzè. In dieser l e i c h t e n Füllung geht die Lyrik vor 1170 noch ziemlich zusammen mit dem Sprechvers der Zeit. Dann aber tritt
174
VERSCHLEIERUNG DES
SATZTONS.
die Wendung ein, schärfer als bei den schweren Takten und beim Auftakt: die Dichter der 'welschen Schule5 verbannen den einsilbigen Innentakt; bei Hausen ¿in fraglicher Fall: 48, 28 daz ich enweiz, wä'ich si (vgl. Vogt zur Stelle und Lehfeld, Beitr. 2, 377). Gegen diese undeutsche Strenge gibt es einen leichten Rückschlag. Zwar nicht bei Hartmann, aber bei Reinmar und Walther. Bei Reinmar dürfen wir einsilbige Takte im Dienste des Nachdrucks lesen, ^beschwerte Hebungen' im wahren Sinne (§ 575): 151, 7 6w£, waz süochent die; 166, 32 mir enkünde ez nieman gesägen; auch vor gehobenem -a-: 152, 17 daz ich deheinen gewalt; 159, 22 so wil iedöch daz h6rze niend^r wan dar; 189, 8 daz ich rüomde mich also . . . (nicht: rüomde mich also). Vgl. Vogt, MF 411; Kraus nimmt da z. T. Lücke an. Über die Zahl der Fälle bei Walther streitet man; manche wollen nur den Sprüchen und dem Tagelied (88, 9) einsilbige Takte zugestehn1). Vereinzelt gibt es noch die Art mit folgendem Endungs-e: 11, 15 mit flüoche volmdzzen. Neifens: dem wirte sin väz 45, 4, wie die übrigen vier einsilbigen Takte im Büttnerliede, sind gewollter Volkston. Sonst erlauben sich die Späteren wohl nur noch die andern in §579 unterschiedenen Arten; namentlich f) häntvöl; g) höchverte; siindäere; seltener e) wip, vröuwe . . .; c) wip ünde män2). Sprüche gehn hierin wieder etwas weiter als Lieder und Leiche. Aber von den sanglichen Strophen insgesamt darf man sagen, daß die frühe Zurückdrängung des einsilbigen Innentaktes einen der merklichsten Unterschiede vom epischen Verse macht, ein besonders deutliches Zugeständnis an den fremden Rhythmenstil. Nur in der klingenden Kadenz,. . . gtiote, blieb die Doppelmora dem Liede jederzeit erhalten. Bei alledem denken wir nur an die einsilbigen Innentakte, die als Gelegenheitsform, als Rest der vormaligen Freiheit, auftauchen. Etwas anderes sind die gewollten, berechneten Innentakte mit ¿iner Silbe. Darüber in Abschnitt 32. l) Wilmanns-Michels, Walther 1, 340; 547 Note 110; 549 Note 143; Plenio, Beitr. 4 1 , 9 1 ; 43,69 ff. Weiter zieht die Grenze Paul, Beitr. 8, 197, 2 ) Die vgl. Braune, Beitr. 40, 216 (zu Nr. 57). Fälle bei R. v. Zweter: Roethe 378.
640. Wie der zweisilbige Innentakt dem natürlichen Sprachfall zusetzte, haben wir beim unsangbaren Verse verfolgt (§ 602 ff.). Für den sanglichen Auf und Ab-Vers gilt gleiches; nur mit Gradunterschieden. Wo man durchgreifender ebnete, beugte man leichter die sprachlichen Stärke- und Dauerverhältnisse. Im Epos zu Walthers Zeit dürften wir noch lesen: v^lt, walt, löup,
MASS DER TONBEUGUNG.
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rör und gras; im sanglichen Spruche wird schon: velt, walt, löup, rör ünde gras gemeint sein! Die Satzprofile wollen durch das (X) X X X X . • • höchstens noch durchschimmern; das gehört zu dieser romanischen Rhythmenart. . . . diu lant wil ich brennen gär; ez ist nu täc: naht was ez dö; ir sin, ir muot, ir gedenken.. .: derlei nimmt man ruhig in Kauf. Bezeichnend ist, daß man so oft eine längere Zeile jambisch lesen kann, bis man gegen Ende merkt, sie ist trochäisch gemeint, und umgekehrt: MF 139, 13 wan bitte ich in des, daz er mich hinne löse; 68, 6 waer ich unfrö dar nach, als ez mir stät. Wir müssen im höfischen Minnesang die Ansprüche an klaren Satzrhythmus ein für allemal herunterstimmen. Die Arten der Tonbeugung § 603 ff. kehren in der Lyrik wider. Ihr kann man auch die härteren Arten 8-10 mit mehr Wahrscheinlichkeit zutrauen — noch nicht auf der Frühstufe, aber seit der Jambengang frohlockt. Nicht nur weil der Gesangsvortrag mehr in Kauf nimmt, sondern im Blick erstens auf die Auftaktsregelung. Denn diese: valken gevidere...; rehtes gelöuben; wazz^r, viur, lüft. . .; maere du bringest; weinendiu ö u g e n . . . : diese Dinge stehn weit überwiegend im Verseingang; liest man da sprachgemäß, so ist die Folge nicht bloß ein schwerer Eingangstakt: valken gevidere; wäzzer, viur, lüft, sondern ein Bruch der Auftaktsregel, die für die Mehrzahl der Lyrikerverse gilt (§ 643). Dieser Grund für die tonbeugende Behandlung fiel beim Sprechverse fort. Zweitens mag einsilbigen I n n e n t a k t bei Dichtern, die ihn sonst meiden, auch ein härteres Nichtwägen umgangen haben. So bei Veldeke 66, 16 diu minne betwanc Sälomöne . . . dir ie getruoc küneges kröne (für: |-twänc|, |-trüoc|). 641. Hat ein Teil der Lyriker gradezu die welsche Sprachbehandlung nachgeahmt? jenes 'bedingte Wägen', das die Silbenstärke im Versinnern grundsätzlich freigibt ? Man würde dies am ersten von der welschen Gruppe erwarten. Veldeke scheint in der Tat eine Reihe der harten Tonbeugungen zu fordern (s. o. und Beitr. 2, 421); noch mehr Gutenburg, dieser aber nur in daktylischen Versen (§ 691). Rudolf von Fenis, auf den man sich berufen hat, ist in seinen zwei alternierenden Tönen, MF 81, 30; 84, 10, so sprachrein als der Durchschnitt (vgl. § 6gof.). Über den Durchschnitt hinaus geht das Tonbeugen bei Burkhart von Hohenfels1) und dann um 1300 herum beim Meißner, bei Herman Damen und Wizlav. Da häufen sich Fälle wie: Hohenfels (HeidL 372ff.): 25, 1 mich wundert, ob si mich m≠ 46, 3 ¿in altiu riet üns mit witze; 55, 2 der däz künde bediuten; 9, 3 minen gedanken den vrien;
176
BINDUNG
DES
AUFTAKTES.
Meißner (JenL 2, 53ff.): 1, 8 durch din ougen, || der ist gote so msere; 15, 3 e däz gotes sun mansche würde; H.Damen (ib. 2, 71 ff.): züo siner barmünge rät. Wizlav (ib. 2, 42ff.): däz du den guoten niht irrest; 13, 4 vor dlner minne, diz mäch ich swdren. Diese Späteren hatten schwerlich die Prosodie der Welschen im Sinne. Ihre Freiheiten s t e i g e r n einfach das, was sie bei den Meistern angebahnt fanden. Darin liegt der Übergang zu der nicht wägenden Sprachbehandlung des Meistersangs. So leiten wir die Tonbeugung der Lyrik — Veldeke vielleicht ausgenommen —, wie die des Sprechverses (§ 611), nur mittelbar vom welschen Vorbild her: sofern dieses Vorbild zum Auf und Ab erzog; und das starre Auf und Ab lud zum Verbiegen des deutschen Sprachfalles ein. x ) Sydow, B. v. Hohenfels 4 5 f f . , zieht den härteren Tonbeugen freie T a k t füllung vor: mich wundert, ob si mich meine; ¿in altiu riet uns mit witze usf. Das scheitert schon an der Überlastung vorgeneigter Silben. Vgl. im übrigen Saran, J e n L 2, 1 4 3 ; P. Kaufmann, Kritische Studien zu H. Sachs ( 1 9 1 5 ) 65.
B i l d u n g des A u f t a k t e s . Die F u g u n g . 642. Auftakt und Kadenz haben dies gemein, daß ihre Regelung Versarten sondert und damit dem Strophenbau gegensätzliche Glieder verschafft. Der A u f t a k t der Frühstufe war frei nach Silbenzahl wie nach Stehn oder Fehlen. Von der gleichzeitigen Epik wich nur ab, daß es kaum über 2 Silben hinausging; mit dreisilbigem Auftakt lesen wir MF 39, 27 du ritest hinnen und läst mich einen. Fälle von Zweisilbigkeit sammelt MF S. 412. Sie ist noch beim altern Reinmar verhältnismäßig bräuchlich; Kraus erkennt auf 35 Lieder 23 Fälle an (2, 48®). Auch Walther erlaubt sie sich, und zwar nicht nur die mit -¿^ {weder), sondern auch solche wie kunnet; sö'n ge-, besonders in Sprüchen (Paul, Beitr. 8, 198 ff.; WilmannsMichels 1, 341). Reichlich so schwere hat noch Reinmar .von Zweter (Roethe 379). Im 13. Jahrh. ist also, was die Auftaktlänge betrifft, kein tiefer Unterschied zwischen sangbarer und unsangbarer Dichtung. Zum Sondern von Versarten hat man die Ein- und Zweisilbigkeit nie benutzt. 643. Wichtiger war, daß man Stehn und Fehlen des Auftaktes regelte. Die welsche Strenge hat auf die Gruppe Veldeke-Hausen noch nicht so stark gewirkt, wie man wohl erwarten würde; gegen einsilbigen Innentakt waren sie schon empfindlicher als gegen freien Auftakt. Bei Veldeke spürt man das Fremde namentlich an dem
BINDUNG
DES
AUFTAKTES.
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Überwiegen der auftaktlosen Zeilen. Rudolf von Fenis führt in dem einen seiner alternierenden Töne, MF 81, 30, den A u f t a k t durch. Johansdorf 86, 1 kontrastiert schon wirkungsvoll die auftaktigen Stollen mit dem auftaktfreien Abgesang — bis die letzte Strophe den Unterschied vergißt. Bei Reinmar haben 16 von 35 Tönen die strenge Regelung; die mit dem freiem Brauche gehn zeitlich neben jenen her (nach Kraus, Die Lieder Reimars 2,48). Hartmanns Lyrik entwickelt sich zur Strenge, und zwar zum durchgeführten A u f t a k t (Saran, DVersl. 277). Auch Heinrich von Rugge drängt in den alternierenden Strophen die auftaktlosen Verse stark zurück. Bei Hildbolt von Schwangau noch ein Beispiel ganz freien Wechsels (DL 20, 97). Unter Waithers L i e d e r n sind es nur frühe, die sich der alten Freiheit ausgiebiger bedienen. Bei den späteren streitet man wieder, wieweit das vereinzelte Ausweichen den Schreibern zur Last falle, wieweit es Sorglosigkeit oder aber Berechnung des Meisters sei. Den S p r ü c h e n auch der spätem Jahre muß man mehr Freiheiten zuerkennen (Wilmanns-Michels 1, 342 f. 550 ff.; Roethe, ZsAlt. 57, 130Ü., vgl. Pauls Waltherausgabe 5 S. 99). Auch in der Folgezeit hält sich der Spruch näher zu dem deutschen Brauche, im Auftakt wie in andern Füllungsfragen (§ Ö38f. 642).
Die Mehrheit der Lieder aber befolgt im 13. Jahrh. den gebundenen, geregelten Auftakt. Wir erinnern uns, die höfische Sprechdichtung hat dies nicht erstrebt; trotz der zunehmenden Neigung zum auftaktigen Verse bekennt sie sich noch bei Konrad von Würzburg zu freiem Wechsel der zweierlei Verseingänge (§559- 6i5f.). Ein früher Vorläufer der ritterlichen Liedstrenge wäre das ahd. Galluslied, w e n n man seine Auftaktbindung nach dem spätem lateinischen Texte bemessen dürfte (§ 507). 644. Es gibt scheinbare Ausnahmen von der Auftaktregelung: überschüssiger Auftakt verschwindet, wenn man an das vorangehende Glied anfugt und nötigenfalls elidiert (Bartsch, Germ. 12, i 4 6 f f . ) .
Beispiele: Wolfram Nr. 7 Z. 1: si beide lüste, : däz er ktiste gegen: daz güote wip : ir vriundes lfp
: si genüoc : vast ümbevienc.
Neidhart 8, 12, vgl. mit D L 25, 83: 8, 25 mit den kinden züo der linden gegen: 8, 17 tif dem rise in mänger wise vil kleiner nöt, • ist iu . . 9, 2 ir slt töt Heusler, Deutsche Versgeschichte II. 12
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B I N D U N G DES
AUFTAKTES.
SchwM 382f.: gegen:
uf ¿sten gesten : sich niht mö daz mir von dir : so töugenlich.
Die Fälle haben zugleich scheinbaren Kadenzentausch, s. § 656. 663. Das Zeichen • setzen wir im folgenden hinter reimende Schlüsse im Innern einer Druckzeile.
644a. Gebundenheit des Auftaktes bedeutet, daß er an vorbestimmter Stelle eintritt und ausbleibt; mit andern Worten, daß zwei sonst metrisch gleiche Verse zweierlei Arten darstellen, je nachdem sie mit Senkung oder Hebung beginnen. Der Auftakt gehört nun zu den art bilden den Eigenschaften des Verses. So war es in den Metra mit starrer Füllung jederzeit. Also auch in den romanischen Versen. Bestimmt man die romanischen (alternierenden) Versarten nach ihrer Silbenzahl, diese bis zur Schlußhebung gerechnet, so bedeuten die Arten mit gerader Zahl, die Vier-, Sechs-, Acht-, Zehnsilbler, auftaktige Verse: ^ l - A ( - l - A - l ) , die Arten mit ungerader Zahl, die Fünf-, Sieben-, Neunsilbler, auftaktlose Verse: l - l - l ( - l - l ) . Uns ist dieser romanische Grundsatz seit Martin Opitz ganz geläufig, wenn wir schon nicht nach Silben zählen, sondern nach Silbenpaaren oder Hebungen. Ein großer Teil unsrer Verskunst behandelt den auftaktigen und den auftaktlosen Vers als gegensätzliche Arten: den Jambus und den Trochäus. Wir fühlen uns also leicht in die mhd. Auftaktbindung ein. Nur hat der alte Strophenbau die Zweiheit jambisch und trochäisch — man mag ruhig diese Namen gebrauchen — mannigfacher ausgenützt. Denn der S i n n dieser planmäßigen Zweiteilung lag für die ad. Dichter im Strophenbau. Darum haben sie beim unstrophischen Reimpaar auf diese welsche Sonderung verzichtet. Der S t r o p h e hat die Auftaktbindung die Zahl der Bausteine verdoppelt: ein voller Viertakter ohne Auftakt, ein, /\ 4v>: dä wir schapel brächen t , und einer mit Auftakt, ein ^ v ' : ich säz üf 6ime gruenen 16: die empfand man nun als zwei Versarten; und nur dadurch wurde die feinere Nachbildung und Überbietung der welschen Strophen möglich. Es versteht sich, daß die Musik dieses Empfinden stützte; aber nur die zum silbenzählenden Verse erdachte Musik: andere Sangstile, das wissen wir aus unserm Volkslied, tragen im Gegenteil über den Unterschied von jambisch und trochäisch hinweg. Die gegensätzliche Verwendung der auftaktigen und auf taktlosen Glieder ist, wie gesagt, mannigfach. Es gibt Töne, die nur ¿ine der Arten wählen: rein jambische, rein trochäische Formen.
AUFTAKT
KONTRASTIERT
STROPHENGLIEDER.
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Es gibt Töne, die die beiden Arten in planvollem Wechsel bringen. Darin entfaltet der Minnesang viel mehr Kunst als unser neuzeitlicher Gruppenbau. Es ist dann also die Strophensteile, die über Eintreten oder Fehlen des Auftaktes entscheidet (§ 46). Einige Beispiele dafür. 645. A. Der Kehrvers, als einziger auftaktloser, hebt sich von der übrigen Strophe ab: Hohenburg D L 19, 25; Wintersteten D L 38, 136. Der Schlußvers, als einziger auftaktiger, hebt sich ab: Wolfram 7, 1 1 ; Walther 42, 15. Die zwei letzten Verse des Abgesangs sind jambisch nach neun trochäischen Gliedern: Neifen 28, 18. B. Auf- und Abgesang heben sich ab. Der Aufgesang besteht aus vier auftaktlosen Versen, der Abgesang setzt mit vier auftaktigen ein: Schwangau D L 20, 51 (u. §651); etwas anders bei Frauenberg D L 23, 1. Nach den vier schweren Sechstaktern mit A u f t a k t kommt der Abgesang mit sieben leichtschreitenden trochäischen Viertaktern: Walther 47, 36. Auf die vier jambischen Aufgesangsverse folgen zwei trochäische des Abgesangs, dann wieder sechs Jamben: Walther 44, 11 (Z. 9 auch in I mit Auftakt). C. Fehlender Auftakt unterscheidet den Schlußvers der (5 zeiligen) Stollen: Walther 101, 23 ('Rügeton'). Auftakt zeichnet den Beginn einer Periode aus: Die beiden Stollen setzen jambisch ein, die übrigen 10 Verse sind trochäisch : Morungen 123, 10. Außer den Stolleneingängen ist noch die Schlußzeile auftaktig: Lichtenstein S. 512. D. Das Gegenteil: ein Periodeneingang hebt sich durch fehlenden A u f t a k t ab: Nur der Abgesang beginnt trochäisch: Hartmann 217, 14; Wolfram 5, 16; Waither 75, 25 (76, 19 nach A). Die beiden Abgesangsperioden: Reinmar 165, 10; Singenberg D L 30, 31. Die drei Anverse der Strophe sind trochäisch, die drei Abverse jambisch: Walther 49, 25; 72, 31. Nur die Stollenabverse sind jambisch: Morungen 127, 34; Walther 73, 23. Außer ihnen noch die Schlußzeile des Abgesangs: Walther 41, 13. Auftakt haben die Schlußverse der dreigliedrigen Stollen und vier von den fünf Abgesangsversen: Walther 45, 37; 46, 32. Auftaktig sind die Abverse der beiden klingenden Zeilenpaare in dem neungliedrigen Tone Walthers 94, 11. 646. Am meisten Vertreter hat wohl die Gruppe D. zeichnet 'Eingangspause 1 ( = fehlender Auftakt) die 12*
Da beSpitze
i8o
GEFUGT
UND
UNGEFUGT.
von Abschnitten, den An versbeginn : zum Abvers schlägt Auftakt die Brücke. Also die Periode nach außen abgegrenzt, im Innern zusammengehalten. Bei diesem alternierenden Zeitfall wirkt eine Auftaktsilbe als Band, als Überleitung; das Gegenteil trafen wir bei den Zeilensprüngen des Stabreimverses § 344. Daran grenzt die weitere Erscheinung: Stehn und Fehlen des Auftaktes hat Beziehung z u m v o r a n g e h e n d e n V e r s s c h l u s s e . Diese Beziehung ist von dreifacher Art 1 ) : 1. Hat der vorangehende Schlußtakt den Inhalt 1 oder das meint volle oder klingende Kadenz, und folgt Auftakt, dann geht das Stark-Schwach des Versinnern über die Versgrenze hin: Die Versgrenze bildet, nach den meßbaren rhythmischen Werten, keine Kluft; 'fortlaufender Rhythmus'. «) MF 137, 10: fröuwe, wilt du mich genérn, || sö sich mich éin vil lutzel ân I* : XI ß) 51» 33 ich dénke ünder wilèn, 11 ob ich ir näher wérè :
X l
Gleiches gilt, wo der vorangehende Vers mit L^l, weiblich voll, endet und k e i n Auftakt anschließt: r) 144.24: si kan dürch diu hérzen bréchen || sâm diu sünne dür daz glas l*X : *Xl Man spricht in diesen Fällen von 'Synaphie' und 'synaphisch'8). (auva'^Tj zu auvanxetv 'zusammenfügen, anknüpfen'.) Als deutsche Ausdrücke bieten sich Fugung, fugen, gefugt. Ungefugt sind die zwei weiteren Arten: 2. Folgt auf vollen oder klingenden Schluß k e i n Auftakt, dann tritt die Versgrenze hervor in einer Senkungspause, einem pausierten Viertel: < X )•< X besonders weit zurück : soll dies noch daktylisch heißen — oder alternierend mit eingestreuten einsilbigen Takten? Die 'Ditrochäen' ihrerseits haben so oft das Gewicht X X X X , daß man die Abbildung in zweimorigen Kurztakten vorziehen möchte. Wir wählen, wie schon in § 659. 667. 671, die vermittelnde Bezeichnung I X X X X I ; dann können wir bei den bisher gebrauchten Taktzahlen bleiben. Der Ton verwendet die drei besprochenen Maße : den Dreiheber in den 4 Zeilen des Aufgesangs sowie im Abvers der Schlußzeile ; •den vierhebigen Hauptvers in Z. 5 und 6; den Zweiheber als Anvers der Schlußzeile. Wir glauben, daß die 4 Strophen in éinem Tone gehn sollen. Der zwiefache Kadenzentausch ist Art der Frühstufe §649 ( : Z . 1 3 in II stumpf, sonst klingend; Z. 5-7 in I. II s, in III. IV k; auch Z. 7a schließt wechselnd). 15*
228
DIE DAKTYLEN
KAISER
HEINRICHS.
Die Beurteilung wird erschwert durch die Schreiber •— nicht so sehr durch gewohnte oberflächliche Unsauberkeiten; wir können viel näher bei dem doppelt Überlieferten bleiben als MF und bewillkommnen dies als Stütze unsrer Messung. Aber mehrmals ist der Dreiheber ersetzt durch den Vierheber (12; II 1 . 4 ; IV 3. 4), der Vierheber durch den Dreiheber (I5, vielleicht 6; III 6; IV 5). Von diesen 8-9 Versen wären dreie zur Not auf das erwartete Maß zu singen : I 2 die ich vermiden niht wil noch enmâc , ähnlich II 1 und IV 3 ; aber hier, wie in II 4 und IV 4, drängt es offenbar auf die v i e r Langtakte, denn ein:sö jst mir âl mïn gewâlt und mm richtuom dä hm ^ : des ich mich âne si niht vermézzèn enmâc wäre ja ein greulich sangwidriges Gehüpfe! Der diesen Zeilen den vorliegenden Wortlaut gab, m e i n t e die wohlbekannte Form: Langzeilentyp 2 in § 698). Wir sehen darin Umdichtung, und sie zurückzudichten, bliebe für die Vershistorie ertraglos. Die Heilung von III 6 in MF ist Notbehelf. Ein großer Teil der Verse aber hat so durchsichtigen Zeitfall und zugleich so sieghaft überzeugenden Einklang von innrer und äußrer Form, daß er uns den Weg weisen kann. So gleich die Eingangszeile, die allein schon genügt, das Rhythmenbild MF 322 zu widerlegen. Keine andre Messung ist möglich als : ich grüeze mit gesange die süezen Dazu stimmt genau IV 1 er sündet sich, swer des niht geloubet. Drei leichte Füllungsspielarten : III 3 béidè in herze und ôuch in sinnè; II 3 und swénne ich geschéidè von dân ; reines Auf und A b I 3 und III 1. Zeile 2/4 hat Doppelmora überhaupt nur in dem ausdrucksvollen I 4 âch léides, dés ist mânic tâc /s. Das viergipflige 5/6 liegt besonders tastbar vor in III 5 und IV 6: waz gît mir darumbei diu liebe ze löne X I
-L *
X I
-L *
'X I^ * X I
-L *
dä töhte ich ze vröuden 1 weder wiben noch manne
xl^-kxl^x'^xlx
x\j.k
aber auch in II (in MF verdorben) : wan sénden kumber, den zelle ich mir danne ze habe; süs kan ich an vröiden stïgen üf und ouch abe: Die erste dieser 4 Zeilen rein daktylisch, die 3 weiteren nächstverwandt dem Langzeilentyp 8 in § 698.
229
UNSTARRE MISCHUNG DER T A K T E .
Die Schlußzeile 7, zwei- -j- dreihebig, scheint in allen 4 Strophen unversehrt dazuliegen. Die rhythmische Spur weist uns hier der so sprechende, einprägsame Umriß in I : ez si wlp oder man 1, der habe si gegrüezet von mir Danach lesen wir auch in III und IV den Anvers stumpf> obgleich voll einiges für sich hätte : é ich mich ir verzigei, ich verzige mich e der kröne (é
und waer min bester tröst 1
m ì c h ?
)
beidiu ze ähte und ze banne
Wogegen II ohne Pause, mit Fugung, über die Innengrenze weggeht: und bringe den wehsei 1, als ich waene, durch ir liebe ze grabe *) Anschließend an den stumpfen Ausgang des vorangehenden Verses.
Einen Halt haben wir daran, daß der Dichter bei aller Füllungsbuntheit streng verzichtet auf Spaltung der Mora, auf 2 Doppelmorae nacheinander, wohl auch auf mehrsilbigen Auftakt. Eine rhythmische Ausdeutung dieses 'Prüfsteines jeder Daktylentheorie' muß auf jeden Fall s i n g b a r sein (Saran, Beitr. 23, 84. 92f.). Unser Versuch kommt dem nach. Einräumen mußten wir, daß ein Drittel der Zeilen — nicht 'verderbt', aber in die Nachbarsform umgedichtet ist. Trägt man dem Rechnung, so sind diese kaiserlichen Strophen nicht mehr 'reichlich holprig' (Schneider, DLit. 393). Sie gewinnen da und dort eine hinreißende Linie; sie gehören zu den starken Erlebnissen deutscher Versgeschichte. 702. Vielleicht eine Nachbildung von Heinrichs Tone ist der Siebenzeiler des Hildbolt von Schwangau MS 1, 283 Nr. 14. Wir fassen Z. 2, 4 und 7 als Verse von vier Langtakten wie Z. 5 und 6 bei Heinrich (anders Wilmanns 4, 56). Sie mögen uns das freie Eintreten des einsilbigen Kurztaktes veranschaulichen. Da auch die Silbensumme zwischen 11 und 13 wechselt, hat man keinen Grund, gegen den Sprachton möglichst starre Füllung zu erstreben. I 2 sit ich ir niht enbieten 1 sol min sèndez klagen ; II 7 swenne min stsete und ir ère 1 ùnd ir schoénè zergät ^ ; III 4 da vón wàere ich iemèri rieh ünde höchgemüot ; I 7 swigèt der munti, so wil ichz in dem herzen tragen -a III 2 ein hàlbèz wort dühte mich 1 von ir sueze unt güot ; I 4 wan ich ir minen kümberi niht mac sélbè gesàgen .
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GEREGELTE MISCHUNG.
Von den Langzeilentypen in § 698 finden wir hier der Reihe nach Nr. 1, 2, 3, 8 und dann noch zwei dort nicht vertretene: | 3 I 4 I 3 11 | 4 | 4 | 3 die uns eben bei K. Heinrich begegneten. Solche gemischt daktylischen Verse wahren sich ein Maß von Füllungsfreiheit, das der Auf und Ab-Lyrik derselben Zeit nicht mehr ansteht. In mehreren dieser Beispiele kann man die Silben auch anders verteilen; man möchte glauben, daß sie sogar für Dichter und Sänger vielgestaltig waren: die Einheit der Melodie würde dadurch nicht bedroht. Wir haben hier den \ -Takt vorausgesetzt und wollen dies der Einfachheit halber auch im folgenden tun. Aber der schwere | -Takt dürfte daneben zu erwägen sein, ausgenommen die Töne mit (einzelnen oder überwiegenden) Auf- und Ab-Zeilen (§ 682). Veldekes munterm Aprilliedchen steht Tripeltakt besser. 703. Veldeke 62, 25 'In dem aberillen* bringt nach glatt daktylischen Zeilen den Schluß (anscheinend) ^ 6 k , was sich so 'fünfTrochäen' nennt. Als dreiDipodien: i X X ^ X I ) ii • Ówè sóld ich ir vil Heben1, ir vil guoten hochgemuoten' âlsô nahen sin Hält man aber die 12 Zeilen zusammen, so wird keine einheitliche Zerlegung möglich. Man beachte, daß es ein Tanzlied ist. Urtümliche Formen sind diese Acht- bis Zwölftakter gewiß nicht, sondern sehr abgeleitete! Aber das sind die Gedichte, worin sie vorkommen, auch sonst. Man berufe sich da nicht auf 'Urphänomene* vedischer oder altgermanischer Zeit! Naturgegebenheiten, etwa die Atemdauer, stehn solchen Versen nicht entgegen. 774. Weniger einfach liegt es bei den z w e i h e b i g e n Zeilen. (Einhebige, Germ. 2, 270, rechnen wir ohne weiteres als stumpfe Zweitakter.) Folgendes ist da zu unterscheiden. 1. Zwei benachbarte Zweiheber darf man zusammenfassen zum Viertakter; Reim des ersten ergibt dann In- oder Mittelreim. K. Konrad HeidL 3: sol ich nu klagen die héidè . . . ich miioz verzagen vor léidè . . . Ohne Fugung: Gutenburg 71, 17: si sòl ez lân ûnderstân. Nur bleibt damit die Frage unbeantwortet, ob wir hier Viertakter oder Zweitakter buchen sollen ! Von der Entstehungsfrage zu schweigen: zerfiel der Viertakter durch innern Reim in Zweitakter? oder verband sich ein Paar Zweitakter zum Viertakter? Die Gehörfrage jedoch bleibt unabhängig von diesen Fragen der Benennung und des Ursprungs. 2. Der einzelstehende Zweiheber kann durch Eingangspause oder Zerdehnung zum Viertakter werden. Beispiele besprachen
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ZWEITAKTER.
wir in §669. 671. 673ff. 7 i i f . Diese Aufrundung zum Viertakter hat, wie wir glauben, in sehr weitem Umfange statt. Wo sie nötig werde, kann man noch nicht sachlich bestimmen (§ 674). Aus dem scheinbaren Zweiheber wird ein Drei takter durch die Messung (X) "k X IJL ^ , s. § 656. 713. 805. 775. 3. Oft aber ist das zweihebige Glied ein unverkennbarer Zweitakter, mag es auch, gefugt oder ungefugt, reimlos oder gereimt, an einen benachbarten Viertakter anschließen. Neidhart 29, 27: nu ist vil gar zergangen der winder kalt, mit löube wöl beväng£n der grüene wält; wünneclich, in suezer stimme löbelich . . . Vgl. die Fälle § 803. Zerdehnung des Zweihebers ist hier unwahrscheinlich. Die Ausgaben pflegen, wenn auch nicht folgerecht, mit dem Reimschluß die Zeile zu brechen. Aber das Schriftbild ist Nebensache; es kommt an auf die Gehörfrage: ob das zweitaktige Glied neben dem viertaktigen deutlich ins Ohr fällt. In unserm Beispiel tut es das offenbar. Wir haben hier keine Sechstakter. Ob man den Stollen * Reinmars 176, 5: aller s i l d e ein sselic wip, tuo mir so, daz min h£rze hohe ste
als /v 4V | 2v || /s 4V gliedert oder als /\ 4V || 2v | /\ 4V, macht für den Zeitfall nichts aus. Ob man bei Reinmar 179, 3 mit Bartsch trenne (Germ. 12, 135): nü verbieten also dar und hueten, daz si sich erwüeten oder mit Kraus (2, 46): nü verbieten also dar und hueten, daz si sich erwueten, ändert nichts an dem uns faßbaren Rhythmus. Möglich ist immer, daß die Melodie nach oder vor dem Zweitakter stärker einschnitt. Entsprechendes gilt für Glieder anderer Taktzahl. Mag man Z. 4/5 bei Lichtenstein S. 4 1 1 : daz ich v6n ir schulden muoz 1 immer mere klagen als eine oder zwei Zeilen abbilden (G. Müller, ZsAlt. 60, 39): es kann beidemal kein andrer Rhythmus sein als:
k
k
k
k
k
k
I X I X I X I II X I X I W ^ I^ : eine Langzeile A 4 v , x ] A 4 . s, die sich durch die ungefugte Innengrenze deutlich abhebt von den vorangehenden 8 s.
776. Offen bleiben von Fall zu Fall die in § 664-668 erörterten Fragen: wo modeln wir eine sprachlich dreihebige Reihe als Vier-
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UNGERADE TAKTZAHL.
takter (4s oder 4k), wo als Dreitakter (3 oder ßwv) ? Wo eine fünfhebige als Sechstakter (6 s oder 6 k), wo als Fünftakter (5 V oder 5 w v ) ? Und weiter: wo dehnen wir ein anscheinendes 4WV zum klingenden Fünftakter oder zum überstumpfen Sechstakter ? (und entsprechend beim 2 w v und 6wv). Diese schwierigen Fragen gelten, wohlgemerkt, nicht dem bloßen Schriftbild: es handelt sich da um die tatsächliche Rhythmisierung der Schlüsse, um die Gehörform der Verse. V e r s e v o n u n g e r a d e r T a k t z a h l — nicht nur Hebungszahl! — erkennen wir an. Mindestens Drei- und Fünftakter. Vgl. die Beispiele § 647. 650. 665. 667. 744 Ende ; 746 Ende und das in § 36 und 294. 407 (zu skaldischen Dreitaktern) Bemerkte. Ungeradtaktige Verse findet in der welschen Lyrik Beck (Melodien der Troubadours 171 ff.). Für die deutsche hat sie Plenio gegen Saran verfochten (Beitr. 41, 49ff.; 42, 443ff. 476; 43, 56ff.). Wir gehn weniger weit in ihrer Ansetzung und teilen nicht die Abneigung gegen stumpfe (auch klingende) Schlüsse, den Hang zu gefugtem Übergang. Z. B. verstehen wir Wa. 64, 31 'Owe hovelichez singen nicht als 8 Fünftakter, sondern als vier /s4wv, drei ein /\4v. Wa. 50, 19 'Bin ich dir unmaere" lesen wir den Abgesang nicht als 3 | 3 | 5 | 5 (Beitr. 43, 59), sondern als 4 | 4 | 4 | 6. *Wolframs Nr. 8 'Guot wip, ich bite dich minne' besteht uns aus lauter Vier- und Zweitaktern gegen Beitr. 41, 98. Morungens Tagelied wird, so scheint uns, erschlagen, denkt man es als Reihe von Dreitaktern ohne Luftloch (Beitr. 43, 67); gleiches gilt für das Walthersche 88, 9.
Um S i e b e n t a k t e r wird man nicht überall herumkommen. Bei Reinmars Stollen 189, 5: sprach ich nu, daz mir wol gelungen wsere, só verlür ich beide sprechen unde singen zeugt für Plenios Messung A 5 w v | ^ 7 k (Beitr. 43, 91) der dipodische Schritt. Und der befürwortet auch in der Abgesangsspitze das 5 v | /s 7s (gegen Plenios und Krausens 6s | 6v): dàz wil ich den hóchgemùoten làn: dèn da wól geschìht, die némen sich des àn . 777. Einen Damm finden die Zweifel darin, daß schon die niederste, zweiversige Gruppe geradtaktig ist. Als 'Gesetz' möchten wir das nicht aufstellen. Wir nennen gleich zwei Fälle, wo wir Ausnahmen zu bemerken glauben : den Stollen des Kilchbergers D L 85, 33 denken wir uns als 3 ] 4 -(- 5 : Jhei winter, din gewält : tùot uns àber hìure léit dù verdérbest ùns der blüomen schìn. Dazu der gemischt daktylische Eingang Neidharts § 698 Ende ; nach Kurztakten berechnet, ein 3 | 4 | 5 | 4 ( = 1 6 Takte).
UNGERADE
TAKTZAHL
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Aber zu herrschen scheint uns die Neigung, daß immer schon die zweite Versgrenze nach einer geraden Taktsumme eintrete. Bei Walther 56, 14 sind die Stollen: ir sult sprechen willekomen: der iu maere bringet, daz bin ich als 4V | 6s oder möglicherweise als 5s | 5V zu formen, nicht als 4V | 5V oder 5s | 6s. Die Abgesangsspitze: ich wil aber miete: wirt min Ion iht guot ist entweder 4k | 4s oder 3WV | 3V, nicht 4k | 3V ( = yv) oder 3 w v | 4s ( = 7s). In Rugges Abgesangsspitze 102, 1: wir toben umbe guot; nu länt mich tüsent lande hän: e ich si danne wisse, so müest ich si län kann man wohl V. 1 als Dreitakter an 2 anfügen: dann bilden sie zusammen ein 8 s mit Hebungspause nach hän. Nicht aber werden wir dieses Doppelglied als S i e b e n takter anschließen an V. 3. Der Ton Kristans von Hamle HeidL 206 bringt dreimal nach gepaartem 4k den Rhythmus: von manger varwe rieh ist diu heide wunneklich. Das sieht aus nach 4 s : 4 v (vgl. § 745). Dann wäre es der seltene Fall, eine Strophe aus lauter 2 X 4taktigen Reimpaaren (§ 728). Aber das unebene Paar s : v klänge verdächtig, und auch die Stärkelinie spricht dafür, daß hei- in ungerader Hebung stehe, also der Anvers ein Dreitakter sei. Dann muß aber der Abvers nicht 4V, sondern 5 s sein, so daß die geradtaktige Gruppe 8 s entsteht: Ebenso bei * Neidhart MS 3, 240b. Mehrere Fälle ähnlicher Art vereinigt die Schlußgruppe des Botenlauben sehen Leiches MS i , 31: Dar nach ich ie mer ringe unt zallen ziten strebe; üf daz höh gedinge ich vil dicke schöne lebe, daz mir an dir gelinge und enpfähen müeze süezer minne wie suoze ich danne singe und erklinge; [gebe: swenne ich vrceliche ob allen vröiden swebe! Die folgende Modelung dürfte das zu verlangende Ebenmaß herstellen (am Schluß des zweiten bis vierten Anverses kann man auch elidieren, so daß -ing- zweimorig wird):
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V E R S , V E R S T E I L UND
x l ^ x ^ x l - i . * :
X
XI^X^XI^X : XI^X^XI ¿ x t x
PERIODE.
I t x t x l t x
^
¿X\-Lk I^X/N^I
Man umginge drei- und fünftaktige Verse, wenn man als Einheit die sechsbis zehntaktige P e r i o d e nähme. Das ungeradtaktige Glied wäre dann nur T e i l eines Verses. Aber diese Benennung wäre nicht zu billigen. Wir rechnen im folgenden als ' Sechstakter, Acht-, Zehn-, Zwölftakter' nur die geschlossenen, durch keine feste Innengrenze zerteilten Verse von sechs, acht usw. Takten. D a k t y l i s c h e Lieder kennen die Periode von 2 + 3 Takten; sieh den Ton Lichtensteins § 686 Ende und den Strophenschluß K . Heinrichs § 701. Bei Annahme des zweihebigen Langtaktes (§ 681) sind dies Perioden vom Ausmaß von z e h n Kurztakten.
778. Wiederholen wir: auf dem Spiele steht nicht so sehr, wo wir im Druck die Zeile brechen; ob wir einen Reim als End- oder Innenreim bezeichnen; ob wir eine Zeile als 2 Zweitakter oder einen Viertakter, als 3V | 3V oder 6v buchen. Die Frage ist, wo das Ohr eine Versgrenze vernimmt. Elision über ein Reimwort hinaus zeugt gegen Versgrenze; desgleichen die scheinbaren Wechsel in Kadenz und Auftakt, die sich aufheben, sobald wir die beiden Glieder zu ¿inem fugen (§ 644. 656). Aber diese und die anderen von Bartsch verfolgten Merkmale (Germ. 12, i29ff.) lassen die Tatsache bestehn, daß in ungezählten Fällen der Vers nicht sicher abzugrenzen ist gegen die Periode und gegen den Versteil (§ 36). Denn eindeutige Wahrzeichen des Versschlusses sind weder Reim noch metrische Pause noch Satzeinschnitt. Genau unterscheiden aber muß man, ob diese ganze Unsicherheit nur das Schriftbild und die Benennung treffe oder den tatsächlichen Zeitfall des Textes. 779. Schwierigkeit eigner Art macht die Taktzahl in zwei Spruchtönen R e i n m a r s v o n Z w e t e r (sieh Roethe i25ff. ßögff.). Reinmars Hauptform, der Fraun Ehren-Ton, hat als 2. und 3. Stollenglied Zeilen, die sich zunächst darstellen als Achttakter, dort stumpf, hier voll, mit unstäten, frei wechselnden Kolongrenzen. Also keine zweiteiligen Langzeilen, sondern Achttakter aus ¿inem Stück; eine uns wohlbekannte Erscheinung (§ 771). Das Erklärungsbedürftige liegt darin, daß V. 2 oft, V. 3 etwa die halben Male den 3. Takt mit einer überschüssigen Senkungssilbe beschwert: a) V. 2
49, 5 wil sl sich vrlunde | vinden, so | mac sich vriunt wol mlnne schämen ; 50,5 da kan ich nflit ge-1 denken, daz | silber, g61t unt idel gestiin
ZWETERS FRAUN EHREN-TON. V. 3
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17, 6 so mlnneclícher | órden w a r t | nie v o n múoter libe m e r geschriben; 84, 3 u n t swér in schcénem | libe gröz 1 v á l s c h u n t úngevúoge v e r bärgen h a t .
b) V . 3 103, 6 diu
Sálomonis | wísheit, swie | g á n z diu Wíére, ein w í p v e r schriet si d ó c h ; 60, 6 unréht muotwílle | l a t sich m i t [ wórten nóch m i t wérken níeman zámen.
Die weit überwiegenden a-Fälle legen die Langzeilenmessung 4 k | A 4 v bzw. 4 1 c | a 6 s nahe; damit schwänden die schweren Taktinhalte: wil sí sich vríunde víndém, so mác . . .; so minneclícher órdén 1 wart nie . . . Unter b) entständen Langzeilen mit v o l l e m Anvers, aber stets nur : wíshéit', swie ganz. . .; lát sich 1 mit wórten . . .: zu dieser Art Kadenzentausch fanden wir in § 659 keine Gegenstücke. Allein, dieser Zerlegung in die zweigliedrige Langzeile widersetzt sich eine Menge Verse aufs bestimmteste, und es geht nicht an, die Einheit des Ehrentons preiszugeben, indem man entsprechende Glieder bald als geschlossenes 8 s und 8v, bald als geteiltes 8v und 10s formt, also die Hebungs-, ja die Taktzahl steigert! — Jene überzählige Senkungssilbe im 3. Takte erinnert ja an die weibliche Zäsur mit folgender Senkung im romanischen Zwölfsilbler (Voretzsch, Afrz. Lit. 3 29). Aber damit ist weder der Zeitfall noch die Herkunft dieser Reinmarschen Verse erklärt. Die Meistersinger regeln diese beiden Strophenglieder als zweiversige Langzeilen der beschriebenen Art (die zweite mit Inreim), sieh Bartsch, Kolmarer Hs. 159. 499ff. Aber das ist Neuerung und berechtigt nicht, die Verse Reinmars mit Innengrenze zu drucken; s. DL S. 220. (Schief sind die Bemerkungen SchwM CCV über die Gleichheit der Zweterschen Stollen mit den Rinkenbergschen.) Reinmars Minnenton (oder ' N e u e r E h r e n t o n Beitr. 48, 126) stellt v o r ähnliche F r a g e n . V o n den Gegenstücken bei R o e t h e I 2 5 f . k o m m t in B e t r a c h t der T o n des Meißners M S 3, 86, J e n L 2, 53. W a l t h e r s Elegie entfällt nach § 739, und * N e i d h a r t M S 3, 240b h a t klare Langzeilen 4 k ( v ) | 4 v (§ 659); mehrdeutig ist D i e t m a r der Setzer M S 2, 174. ( B e i B o t e n l a u b e n H e i d L 45, 3 lesen wir Z. 1 - 4 und 7 als 4 k . x | (A) 4 v , nicht als geschlossene 8 s mit z. T . überladenem 3. T a k t e . ) Grundsätzlich anders liegt der F a l l beim Himilrtche und bei W o l f r a m s Titurel (§ 5 9 9 f . ) : da bleibt die T a k t s u m m e u n e r s c h ü t t e r t ; die Zeilen m i t Anversgrenze geben nur dem betr. Innentakte dünneren Inhalt.
Wir können nun das geschichtliche Auftreten der nicht-viertaktigen Verse ins Auge fassen. 780. S e c h s t a k t e r erscheinen zuerst beim altern Spervogel und beim Regensburger. Auch der Namenlose MF 4, 1 ist im
300
VERBREITUNG
DES
SECHSTAKTERS.
Bau vorwelsch. Die Sequenz von Muri (MSD i, 116, Waag 178) schließt sich zeitlich an. Der Sechstakter bildet dann einen Baustein dreier Heldenbuchtöne. Auch dem Volkslied ist er nicht ganz fremd, teils mit gewohnter Füllung, teils durch Zerdehnung vierhebiger Silbenreihen: der gützgauch auf dem zäune saß •s (Pohl, Strophenbau 17 f. 42). Nächst dem Viertakter hat in deutscher Strophendichtung der Sechstakter am meisten heimischen Hall. Zu den welschen Neuerungen gehört er nicht. Dazu stimmt, daß ihn auch die nordische Ballade kennt (öftest k, seltener s, v und wv); doch nur im Kehrreim. Dem ad. Heldenliede trauen wir dies nicht zu (§ 733); ob die vorritterliche K l e i n l y r i k Sechstakter als Kehrverse kannte ? — Als Quelle der Versart würde man die l a t . Lyrik vermuten; aber alternierende Zeilen von 9-11 Silben ohne feste Innengrenze, also geschlossene Sechstakter, sind im mlat. Strophenbau noch des zweiten Zeitraums (seit 1100) überaus selten (W. Meyer, Ges. Abh. 1, 284. 323). Allerdings begegnen sie mehrmals, einzeln, als gesteigerter Strophenschluß (Lundius, ZsPhil. 39, 455-460): die gleiche Verwendung wie in den schlichteren deutschen Fällen. Denkbar, daß man lat. zweigliedrige Zeilen im Deutschen ohne die Innengrenze nachbildete. Unsre überlieferten Sechstakter sind 'aus einem Stück' und verraten nichts darüber, ob der Sechstakter, als Platonische Idee genommen, aus 4 + 2 oder 2 + 4 oder 3 + 3 entstanden sei. Ein Fall wie CBur. p. 212 (o. § 663): ohrenfällige Gliederung erst in 3 | 3, gleich darauf in 4 | 2, sagt über das Woher und Wie nichts aus. Die Sechstakter der Leseepen (ausgenommen Lohengrin § 797) und der ältesten Lyriker enden nur klingend. Demnächst verbreitet ist der stumpfe Vers. Der weiblich volle tritt zurück. 781. Seit den Lyrikern der welschen Richtung schwoll die Zahl der Sechstakter gewaltig an. Man übernahm nun den romanischen 'Dekasyllabus', den jambischen Zehnsilbler: eine bei Süd- und Nordgalliern angesehene Form; ihre lyrische Rolle hat man allerdings überschätzt, solange man sie zusammenwarf mit dem daktylischen und andren Zehnsilblern (§ 680). Der jambische Zehnsilbler (bei weiblichem Schluß Elfsilbler) ergab deutsche (A)6S und (A)6k; so in dem entlehnten Tone Hausens 45, 37 (§803). Nach dem Gesagten war dies kein in Deutschland 'ganz vorgangsloses Maß' (Wackernagel, Afrz. Lieder 214), freilich auch kein altheimisches. Die romanische Zäsur nach der 4. Silbe hat man nur ausnahmsweise nachgeahmt (Bartsch, Germ. 2, 278).
T Ö N E MIT EINEM
SECHSTAKTER.
301
Dem welschen Neunsilbler entsprechen die planvoll auftaktlosen 6 s und 6k; dem welschen Elfsilbler die auftaktlosen 6v und 6wv. Dagegen kann der welsche Zwölfsilbler, der jambische Alexandriner, keine deutschen A 6v und A 6wv angeregt haben, denn der Alexandriner ist eine 8 taktige Langzeile (§ 730). Das Sammelbecken der mhd. Sechstakter vereinigt also Versarten vorritterlicher und welscher Herkunft. Nach ihrer Verwendung im Gesätze kann man die beiden oft sicher unterscheiden. Die Gruppen niederer Ordnung, die wir beim Viertakter begrenzten, insbesondre die Langzeilentypen von §732. 743ff-, kehren hier wider, sei es daß sich der Sechstakter mit seinesgleichen paare oder zu dem kürzern Gliede als An- oder Abvers hinzutrete. Die Verbindung 4 | 6 scheint viel häufiger als 6 | 4 (Plenio, Beitr. 43, 94); während wir bei den Langzeilen 4 | 4 die s i n k e n d e Linie vorherrschen sahen (§731. 742ff.). 782. Am altertümlichsten und deutschesten klingen Viertaktertöne mit einem Sechstakter an l e t z t e r oder v o r l e t z t e r S t e l l e . Also einer der Bauten von Abschn. 34f., nur der Schluß gesteigert durch den längern Vers (vgl. §735). Wir nennen einige Vertreter. A. Eine Reihe von L a n g z e i l e n , die letzte mit dem Sechstakter. Die Strophe des Kudrunepos: k . x | s . a:|| k .x | k .b k.x|6k .b Str. 917 alle die ir mage heten da verlän die gäben dar ir stiure, wip ünde man/s, durch willen der sele, der lichnam sl begrüoben; Sit wärt ez ilsö riche, däz dar dienten wöl driu hundert huoben.
Der 'Aufgesang' ist gleich dem der Nibelungenstrophe (§737), der 'Abgesang' unterscheidet sich durch die klingenden Abverse und die sechshebige Coda. Die drei letzten Glieder decken sich nahezu mit dem Abgesang des ältern Spervogel (§ 785), auch mit dem Strophenschluß Reinmars 151, 1 (k | v | 6k). Man beachte die ungesonderte 3. Langzeile (§ 746). Sechs klingenden Schlüssen stehn zwei stumpfe entgegen: das gibt dem Bau etwas weiches, auf die Länge beinah verschwommenes. Doch tauschen die Anverse noch ziemlich oft mit v (§ 737). Anversreim ist viel häufiger als im NL. Epischen Liedern kann man diese Überbietung der Nibelungenform nicht zuschreiben1). Hätte sie schon einem Hildeepos vor
302
T Ö N E MIT EINEM
SECHSTAKTER.
1200 angehört2), dann müßte die ältere Not Vorbild gewesen sein. Gegen die näherliegende Annahme, daß unser Kudrundichter um 1240 die Form erfand, spricht nur, daß schon Wolframs Titurelstrophe, vor 1220, das Kudrunmaß zu steigern scheint (§ 789). Mit den rund 100 Nibelungenstrophen der Kudrun fällt der Dichter in die Form seines Stilvorbilds, des NL. Die 6s und die zahlreicheren 5 k Schlußverse bezeugen schwerlich auf frischer Tat den Übergang von der Nibelungen- zur Kudrunform; sie werden leider nur Verderbnis der Ambraser Handschrift sein 3 ). Scherer, DStud. 5. Vgl. Pohl, Strophenbau 112. 2 ) Schneider, ZsAlt. 58, 128. 8 ) E . Schröder, Gött. Gel. Nachr. 1920, 287; vgl. Boer, ZsPhil. 40, 343. Keine Verwandten der Kudrunstrophe finden wir bei Niunzen MS 2, 336 II und bei *Neidhart MS 3, 229b (Germ. 2, 263).
783. Eng zusammen gehören der Achtzeiler des Burggrafen von Regensburg 16, 15 und die Walther-Hildegund-Strophe. Den ersten lesen wir mit 4V, nicht 6s Strophenschluß: ez enwirt niem£r gesünt; des mäc sich min h£rze wöl entsinn: die Stärkelinie des Kürnbergers § 672. Dann ist es zweimal der KürnbergerAbgesang, nur mit 6 k für 4 k an vorletzter Stelle. Ein unstolliger Ton. Das Waltherepos bildet auch den 2. Abvers stumpf, geht also n u r in dem ötaktigen Gliede von der Nibelungenstrophe ab. Dieses Vorbild wollte fraglos auch der Waltherdichter abwandeln, und dafür fand er also ein Muster im Minnesang. Den gleichversigen Umriß v . a | v . b : || v . c | v . d : ||, § 742, befolgt mit /\ 6s an vorletzter Stelle Singenberg SchwM 2, 15. An diese Achtzeiler schließt noch der imbenannte Zwölfzeiler 4, 1 'Diu linde ist an dem ende': darin dem Regensburger nächst verwandt, daß der Abgesang des Kürnbergers wiederkehrt (gegen MF). Der Sechstakter aber steht am Schluß und endet stumpf. Also zweimal k | s; k | v, dann k | s; k | 6s. Die volle Vagantenstrophe (§743) beschließt mit einem 6 k der Schenk von Limburg HeidL 244, 15. 784. B. Neben Langzeilen hat der Ton, wie in § 747, (Kurze) R e i m p a a r e , und ein Glied der letzten ist der Sechstakter. Dieser bildet also mit einem Viertakter ein ungleich gewogenes Reimpaar. Ein unstolliger Sechszeiler ist die Rabenschlachtsirophe: k (v) . a | s . b k (v) . a | v . b k . c : 6k . c Str. 153 dö daz her stärke ällez was ber£it /\ in hiunischer marke, als man mir vür wär hät gesöit, dö müost man jämer schöuwen, dö säch man weinen mänege werde fröuw&i.
TÖNE MIT EINEM SECHSTAKTER.
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Zum Kadenzentausch der Anverse sieh § 649. Die zwei Langzeilen sind gleich dem Abgesang der Nibelungenstrophe mit Kreuzreim; das Reimpaar ist im Zeitfall gleich der 4. Kudrunzeile, in Reim und Zeitfall gleich den zwei letzten Kudrunabversen. Als Kreuzung dieser zwei berühmten Epenmaße darf man die Rabenschlachtstrophe nehmen. Mag sie über Heinrich den Vogler, um 1280, hinaufgehn: dem Dietrichepos um 1160 trauen wir sie nicht zu, auch nicht in der Gestalt ohne Kreuzreim (Schneider, ZsAlt. 58, 116). Die zwiefache Steigerung, erst in dem 4V, dann in dem 6 k, wirkt launenhafter als vorhin bei dem Namenlosen, und für das unebene Paar 4k : 6k kennen wir Belege erst seit Reinmar. Beides meidet das lyrische Gegenstück beim Tugendhaften Schreiber (§787). Gleichen Grundriß mit anderen Kadenzen (wv 1I v:l| v | \ "wv:6wv/ haben die trochäischen Sechszeiler Lichtensteins S. 515 = 580 und 533; ein weiterer, S. 524, ist bis auf den 8 s Strophenschluß noch näher verwandt; vgl. § 796. Zwei Langzeilenpaare schickt Walther 53, 25 dem Reimpaar 4:6 voran; die Schlüsse sind 4mal v | v , dann s:6v (hierfür schwerlich 3V:7s). Das Reimpaar zu Ende verdoppeln die Achtzeiler Rugges 107, 27 und Veldekes 66, 24: das schließende Paar beidemal v . d: 6s . d. Bei Singenberg SchwM 2, 27 und Klingen ib. 11, 6 ist es v . d: 6v . d. 785. C. Töne mit schließender D r e i v e r s g r u p p e , wie in § 751 ff.; der letzte oder vorletzte Vers ist der Sechstakter. Der Spruchton des ältern Spervogel 25, 13 hat den Grundriß: v (k) . a : v (k) . a b: b k.c|v.x|6k.c Zum Kadenzentausch der Stollen s. § 649. Von den rein viertaktigen Siebenzeilern steht am nächsten die Tirolstrophe § 751 2b; dem Abgesang gibt sie die umgekehrte Kadenzenfolge v | k | v. Die Ähnlichkeit mit dem Schluß der Kudrunstrophe bemerkten wir § 782. Statt der Kurzen Reimpaare hat der Aufgesang ein Langzeilenpaar in den Siebenzeilern Veldekes 64, 34; 65, 21; * Reinmars 198, 28; Waithers 110, 27 (die Messung mehrdeutig). V e l d e k e s unstolliger Einstropher 64, 17 h a t wohl die Gliederung: L z . | Terzine | L z . | R p . v . b : 6 s . b. Rein v i e r t a k t i g e V e r w a n d t e in § 759. 760. T ö n e m i t Sechsversgruppe (§ 762) als A u f g e s a n g und einem Sechstakter als Strophenschluß s i n d : die Neunzeiler W a i t h e r 57, 23; W . v . Breisach M S 2, 142; Obernburg ib. 2, 225 I I ; T o g g e n b u r g SchwM. 6, 6; — die Zehnzeiler Hohenfels H e i d L 386. 387; Neifen 12, 3 3 ; J . v . W a r t e SchwM. 22, 3; — der Vierzehnzeiler W a l t h e r 16, 36, ' Z w e i t e r P h i l i p p s t o n .
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T Ö N E MIT EINEM
SECHSTAKTER.
786. Der einzelne Sechstakter steht an d r i t t - oder v i e r t l e t z t e r Stelle. Der Siebenzeiler Steinmars SchwM 19, 5 gibt dem bekannten Bau von § 754 die Abgesangsspitze A6S. Der Achtzeiler Horheims 115, 3 wäre die bräuchlichste Art der Töne § 747, reimte auf das v . c (Z. 5) ein 4V statt des 6s. Den Neunzeiler K. Heinrichs 4, 17 l Wol hoeher danne riche' fassen wir als: k . a | s . b:j| k .c | s .d 6k. c k . x | s . d (mit Zerdehnung § 711) Also wieder eine Steigerung der Kürenberges wise, nächstverwandt mit Heinrichs Tone 4, 35 (§ 756). Zu dem vollen Bestände des Vorbildes tritt diesmal ein Sechstakter zwischen 3. und 4. Langzeile, rhythmisch unpaarig, aber angereimt an den nächst vorangehenden Anvers. Da der Aufgesang Kreuzreim hat, bleibt, wie in 4, 35, nur ¿ines der 9 Glieder Waise. Den Strophenschluß zeichnet hier nicht v o l l e Bildung aus, sondern umgekehrt l e i c h t e mit Zerdehnung. Str. 1: wol hoeher dänne riche bin ich alle die zlt sö so guetlichä diu güote bi mir lft si hät mich mit ir tügende gemächet leides vrf ich köm ir nie sö v6rre slt ir jügende, ir enwcere min st&tez herzä ie nähe bi Neunzeiler mit Langzeilenpaar | Reimpaar 4 : 6 | Terzine c x c (oder d x d) sind: Dietmar 37, 30; Reinmar 152, 25 bzw. Walther 71, 19; Reinmar 153, 5: hier vielleicht das mittlere Reimpaar 6 überstumpf: 6 k (kaum 5 k : 7 überstumpf). Elfzeiler mit Schweifreimgruppe | 6s | 4 Viertakter: Wintersteten HeidL 283. Verwandt ist Hadlaub SchwM. 27, 8.
787. Fremdartiger wirken die Töne mit z w e i u n d m e h r Sechstaktern. Sie erscheinen zuerst bei dem jüngern Spervogel und Dietmar von Eist. Aus der mannigfachen Gruppierung z w e i e r Sechstakter heben wir folgendes heraus. Zwei gleiche Sechstakter als Reimpaar schließen eine Strophe. Vorangeht ein doppeltes Reimpaar bzw. ein Langzeilenpaar: Veldeke 67, 3; Tugendh. Schreiber HeidL 991, 39, hier mit dem Grundriß: k . a | s . b :|| 6k . c : 6k . c, also nächstverwandt der Rabenschlachtstrophe §784. Das Paar 6 s : 6 s folgt auf zwei Lzn + Rp. bei Dietmar 32, 13. Abgesang 4WV. c : 6 w v . c : 6 w v . c bei Singenberg SchwM 2, 13; unebenes 6s . c : 6v . c bei. Lichtenstein S. 584.
T Ö N E MIT MEHREREN SECHSTAKTERN.
305
Den Abgesang e r ö f f n e t das Paar 6v : MF 214, 34 (Hartmann oder Walther) = ^Walther 120, 16; das Paar 6k: Teschler SchwM 8, 13; Steinmar ib. 19, 13; die Verbindung 6 k | 6 s : Hadlaub ib. 27, 9. 21. Im A u f g e s a n g kann das Sechstakterpaar nur bei unstolligem Bau stehn. So im Spruchton des jüngern Spervogel MF 20, 1: 6v . a : 6 v . a v .b : v .b v . x | k . c :|| (Vagantenpaar § 743) Ersetzt man die 6v durch 4 k, so hat man den zweiten Spruchton des altem Spervogel 30, 34 (§747). Getrennt stehn die 2 Sechstakter (nur die Fälle aus MF und Walther): Im Abgesang bei Dietmar 36, 34; *Reinmar 201, 12; Hartmann 217, 14 (Z. 5 als /\6s, gereimt auf 4V, befremdet; ist es A 4 v ? ) ; Wa. 18, 1 (Abart des 'Zweiten Philippstones'); 54, 37; 62, 6; 66, 21; 96, 29; 120, 25. Im Aufgesang: als Stollenabvers bei Dietmar 34, 19; Morungen 125, 19; 130, 31; Wa. 43, 9; 121, 33; — als Stollenspitze bei Veldeke 67, 33; Wa. 73, 23; 100, 3. (Im Stolleninnern : Wintersteten HeidL 296.)
788. Ist der Bau dreiteilig, so entfallen drei Sechstakter meist auf Stollen und Abgesang. Am liebsten als Stollenabvers und Strophenschluß. So bei Walther: in dem schlichten Sechszeiler 91, 17 'Junger man, wis hohes muotes' (bis auf Z. 6 = Lichtenstein S. 555; ähnlich auch S. 563. 571); in den (z. T. mehrdeutigen) Achtzeilern 40, 19; 85, 34; 50, 19 (zum Abgesang s. §776); 56, 14 cIr sult sprechen willekomen' (3. Sechstakter an vorletzter Stelle). Ferner bei Morungen 142, 19. 26; Reinmar 172, 23; 177, 10 ( = Wa. 91, 17); *I92, 25; Hartmann 216, 1; Neifen 35, 17; 36, 4; Werbenwag HeidL 834; Hnr. v. Meißen ib. 20, 9; Rubin ib. 595; Singenberg SchwM 2, 28; Toggenburg ib. 6, 1; Klingen ib. 11, 2 ~ 3 ; 5; Frauenberg ib. 13, 5; Hadlaub ib. 27, 35; bei drei- und vierzeiligem Stollen: Teschler ib. 8, 7. 9; Landegg ib. 21, 4. Seltener als Stollen- und Abgesangsspitze: *Reinmar 184, 31; Walther 41, 13; 115, 6; Hadlaub SchwM 27, 17. Andere Stellungen: Rugge 101, 7; Morungen 129, 5; *Reinmar 169, 9; Walther 115, 30; 95, 17; Lichtenstein S. 576. Die 3 Sechstakter fallen zusammenhängend dem Abgesang zu: Walther 64, 31 'Owe hovelichez singen' (vgl. § 776) ; Teufen SchwM 3, 4. 789. Nicht-dreiteilig ist die Titurelstrophe : k .a | k .b k .a | 6k .b 6k. c k .x | 6k . c H e u s l e r , Deutsche Versgeschichte II.
20
3O6
TÖNE MIT MEHREBEN
SECHSTAKTERN.
So erscheint sie im Jüngern Titurel, um 1270, hier mit seltenem v für k in den drei Anversen; im 14. Jahrh. in Hadamar von Labers 'Jagd', aber auch in zwei sanglichen Liedern (SchwM 31, 1 und 2); sieh noch MS 3, 432ff.; PGrundr. II 1, 288L 309; Wackernell, Hugo von Montfort CCXLVIIIff. Die Vorstufe des Tones in Wolframs Titurelbruchstücken unterscheiden nicht nur die reimlosen zwei ersten Anverse: mehr noch die eigenartig freie Füllung, die aus den drei Langzeilen geschlossene Achtbzw. Zehntakter machen kann, s. § 600. Der Ton ist nächstverwandt der Kudrunstrophe (§ 782): sein erstes Langzeilenpaar deckt sich mit ihrem 'Abgesang 5 , seine Schlußperiode mit ihrer vierten Langzeile. Die Steigerung liegt in dem dreimaligen Vorkommen des Sechstakters; der zweite, unpaarige wirkt wie eine Aufnahme, ein Echo des ersten. Der siebenversige Grundriß stellt sich zu den schlichteren Viertakterbauten in §754: zwei Langzeilen, dann eine in sich reimende Terzine b x b. Das besondre Abzeichen unsres Tones ist die durchgeführte klingende Kadenz: auch dies eine Steigerung der Kudrunform ins weich Gerundete. Von volksmäßigem Gepräge kann man bei dieser Schöpfung Wolframs nicht reden; die echt deutsche Langzeilenstrophe hat über den Kürnberger und die Kudrunform auf der vierten Stufe nachgerade recht kostbare Züge angenommen. 790. Nennen wir von unstolligen Tönen mit drei Sechstaktern noch ein paar rhythmisch mehrdeutige! Den Siebenzeiler Walthers 116, 33 'Bi den liuten nieman hat' verstehn wir als: v . a | v . b; v. a | 6s . b; 6s . c : 6v . c | v . b. Den beliebten Siebenzeilertyp von § 753-755 (und zwar mit angereimtem Terzinenschluß, wie z. B. *Reinmar 193, 22) setzt Walther hier ins Künstliche um, indem er drei Sechstakter einführt, das eine 6s (Z. 4) auf zwei 4V reimt, das andre 6s auf 6v: eine Häufung unebener Reime. Als 5s wird man die 4V nicht deuten. Bei Walthers Achtzeiler 78, 24 'Der anegenge nie gewan' ('Bogenerton') fordert der Reim doch wohl diese Gliederung (gegen Wilmanns-Michels 2, 293): v . a : v . a; 6k . b : 6k . b | 6s . c; w v . d : w v . d | v . c. Also 1 Rp. -f- 2 Terzinen, die in Reim und Kadenzenfall dem Schweifreimrezept § 761 entsprechen, aber nicht kongruent sind. Die schlichteren, rein viertaktigen Verwandten in § 764, 2. Möglich ist wieder, Z. 6-8 als 5k : 5k | 4V zu lesen. Seine viertaktigen Gegenstücke findet in § 764, 1 der achtzeilige Einstropher Veldekes 67, 25. Auf zwei einreimige Terzinen folgt die angereimte Langzeile a | b. Fraglich ist nur, wie man die Kadenzen werten soll. Sind Z. 1-3 6s, die folgenden
T Ö N E MIT MEHREREN
SECHSTAKTERN.
307
Verse 4WV und 4V? Lauter Fünf takter können wir nicht annehmen, wenn wir dem Grundsatz von § 777 folgen: alle Gruppen haben gerade Taktzahl. Möglich wäre aber : 5 v : 5 v : 6 s ; 5 k : 5 k : 6k (niene); 5s ] 5k. 791. Aus der Menge der Töne mit v i e r u n d m e h r Sechstaktern heben wir folgendes heraus. Mit der Kudrunstrophe vergleichbar ist Rugge 110, 26: dreimal 4V | 6k, der Schluß gesteigert zu 4V | 6 w v (oder 8 überstumpf?). Ähnlich, mit reicherem Schlüsse, Rugge 106, 24. Rein s e c h s t a k t i g e S t o l l e n mit V i e r t a k t e r a b g e s a n g : Johansdorf 86, 1, ein Achtzeiler von dem schlichten Grundriß der Langzeilenstrophen § 742 u. ö.; den Gegensatz der Hälften verstärkt der Auftaktgebrauch (§ 643). Verwandt Otto von Brandenburg HeidL 17, 6. Mit dem Grundplan des Siebenzeilers a b :|| c x c (§ 753): Walther 99, 6; Wildonie HeidL 655, 1. (Auch bei andrer Lagerung der Sechstakter ist diese Hauptart der Terzinentöne beliebt: Joh. 91, 22; Reinmar 170, 36; 173, 6; 174, 2; *I95, 3; Walther 69, 1; 70, 1; 102, 29; 109, 1; 112, 3; 114, 23; 117, 8.) Zu den Neunzeilern von § 756 gehört Walther 58, 21 (Stollen wohl 6 v | 6 überstumpf; dann 6 v | 4k nach §671); zu denen von § 758: Walther 63, 32; 70, 22 ( ? ) ; zu denen von § 760: Reinmar 159, 1 = Walther 111, 23. Die Form aus v i e r Terzinen, § 766, mit 6k als Gruppenschluß bei Walther 11, 6. Selten finden wir die Stollen nur aus Vier-, den Abgesang nur aus Sechstaktern: Walther 65, 13; Lichtenstein S. 584; Joh. v. Brabant HeidL 24, 7 ; Rubin ib. 590. 598; Steinmar SchwM 19, 11. Bisweilen hält sich ein Viertakter (im Abgesang) gegen lauter Sechstakter: Morungen 131, 25; Reinmar 175, 1; *I82, 14; Walther 63, 8 = 112, 17; Lichtenstein S. 416; Hohenburg HeidL 55, 1; Hnr. v. Meißen ib. 19, 1; Rubin ib. 588, 16; Hadlaub SchwM 27, 7; Rost zu Samen ib 32, 5. 792. Reihen sechstaktiger Verse führen nie zurück auf den vorritterlichen Sechstakter, den des Spervogel, der Folkevise und der Heldenbücher: sie gehören immer in das zweite, welsche Lager (§ 7 8of.). Die besonders kenntlichen Töne aus l a u t e r S e c h s t a k t e r n setzen bei Hausen und Fenis ein, und wir finden darunter gleich zwei der unmittelbaren Kopien welscher Formen (§ 719): Hausens Achtzeiler 47, 9 und Fenis' Siebenzeiler 81, 30. Als dritter kommt dazu Morungens Achtzeiler 145, 1. Beide Typen finden Nachfolge. Den achtzeiligen hat man mit Stanze und Siziliane verglichen; den siebenzeiligen kann man ein halbes Sonett nennen: 1 Stollen + halber Abgesang des Sonettes. 20*
308
T Ö N E MIT LAUTER
Achtzeiler.
SECHSTAKTERN.
Der Hausensche hat den Bau: 6k . a | 6s . b:|| 6s.b|6k.a 6k . a | 6 s . b
min hirze und min lip, diu wöllent scheiden, diu mit ein ander wären nu manige zit der lip wil görne vehten an die heiden: so hät iedöch daz herze erw61t ein wip vor dl der wdrlt: daz miiet mich ferner sft ^ daz si ein ander niht völgent beide, mir häbent diu öugen vil getän ze leide, got ¿ine mueze scheiden nöch den strtt ^ . Der übliche Langzeilenaufgesang (§ 742); im Abgesang die halb umgedrehte Kadenzenfolge und — gegen das Vorbild — umschließender Reim (§768): dies also ausgeführt in dem Baustoff klingender und stumpfer Sechstakter; sie sind fast alle auftaktig, den frz. Zehnsilblern entsprechend. Mit teilweise andren Verstypen: Morungen 136, 1: Z. 5 ist A 6v; 145, 1: die vier b-Verse sind 6v, alle acht trochäisch gegen das prov. Vorbild (MF 405). *Reinmar 194, 18: Z. 5 und 8 sind AÖk, die übrigen A6S; der Abgesang hat neue Reimklänge: c d d c. Rudolf der Schreiber HeidL 1186 reimt den Abgesang an die Stollen an: 6k . c : 6k . c; 6k . a 16v . b. Sieh noch den Teschler SchwM 8, 1 und Hadlaub ib. 27, 34. *Reinmars Achtzeiler 180, 28, unstollig, hat wohl trotz der Reimfolge a b a a b b c c die Gliederung 6 v 1 6 k ; 6 v : 6 s | 6 k ; 6 k j 6s : 6s. Das gehört in die Nähe von § 764, 2 und führt über zum folgenden. 793. S i e b e n z e i l e r .
Fenis 81, 30 (jambisch): 6k.a|6s.b:|| 6s . b | 6k . a | 6 s . b
ist das Sechstaktergegenstück zu Steinmar § 754, nur mit der welschen Zwieklängigkeit im Reim (§ 812); genau stimmt die Reimfolge in Neifens trochäischen Viertakterliedchen § 755 Ende. (Gleichen Grundriß hat Fenis' Daktylenton 83, 11.) Diese Form wiederholen Bligger 118, 19 und Rute 116, 1. In den Kadenzen und in der Reimfolge der Terzine weichen ab Morungen 126, 8; Walther 13, 5; Lichtenstein S. 518; Oughein HeidL 849; 0. v. Brandenburg ib. 18, 9 (DL 80, 1). N e u n z e i l e r : drei Terzinen, also das Gegenstück zu §765 3a mit 6 k und 6s: Neifen 14, 8; außerdem mit A 6 v : Hadlaub SchwM 27, 28.
H E R K U N F T DES
ACHTTAKTERS.
309
Zehnzeil or: Schweifreimstollen k k s, Abgesang k k k s (vgl. §764 i b ) : Jacob von Warte SchwM 22, 5. Verwandt Hadlaub ib. 27, 27. 794. Hervorzuheben sind die gleichversigen Töne: die von den 8 möglichen Typen des Sechstakters ¿inen durchführen. In MF sind es nur zwei Fälle: der Siebenzeiler Morungens 137, 27 'Ob ich dir vor allen wiben guotes gan\ Reimfolge wie vorhin bei Fenis, besteht aus lauter ^ 6v, also 'trochäischen Elfsilblern'. Der Neunzeiler Hartmanns 205, 1 'Sit ich den sumer truoc riuwe unde klagen, Reimfolge a b:|| b c c | cc (die Terzinenart von § 758), besteht aus lauter A 6s, 'jambischen Fünfhebern'. Walther kennt dies nicht. Spätere Belege sind: Lauter /\ 6s bei Lichtenstein S. 536, Sechszeiler ab:|| c c ; Günther von dem Vorste HeidL 1015, 8, Siebenzeiler a b :|| c x c (I 6 tilge vil gar). Lauter A 6V, nur mit Auftakt in Z. 7 und ein paarmal ohne Regel, beim Teschler SchwM 8, 5. Mit 14 Zeilen A 6v (mit Binnenreimen) beginnt der Leich des Talers ib. 4, 1 (§ 840). Wir erinnern uns, von den Viertaktern baut gleichversige Töne fast nur der eine Typ (A) 4V (§ 724); diese allerdings in ungleich größerer Menge. 795. Sangliche A c h t t a k t e r aus einem Stück fehlen nicht bloß der Frühstufe, sondern auch der welschen Gruppe, dem ganzen MF bis und mit Nr. X V I : ausgenommen J o h a n s d o r f ! Fünf seiner 12 Töne bringen diese Verse (§772), z. T. gehäuft und in recht uneinfachen Verbänden. Dietmars 7-8hebige Zeilen erlauben noch die freiere Halbierung § 657. Auch in Hausens Tone 54, 1 gliedert sich Z. 5 in gefugtes 4 v ] A 4 S : dann entsteht ein Zehnzeiler aus Langzeilenpaar und 2 Terzinen, der Grundriß von § 764 2 b, während der einsame Achttakter als Abgesangsspitze erst späte Gegenstücke fände (§797). Die Leiche Gutenburgs und Rugges (MF 69, 1 ; 96, 1) spalten ihre langen Zeilen durch Binnenreime; bei dem aus Muri ist fraglich, wo man in Waise + Reimvers zerlegen soll. Zu den frühesten Achttaktern gehören die unsanglichen des Himilriche (§ 599).
Die Lyriker seit Morungen kennen den Achttakter wohl alle. Mit dem Sechstakter nimmt er es freilich nicht auf. Aus der lat. oder welschen Dichtung kann der deutsche Achttakter nicht gut stammen: die Franzosen gehn im allgem. nicht über 12 silbige, also 6taktige Verse hinaus, und die Lateiner gehn nicht einmal so weit (§ 780). Von einer 'alten epischen Form' der Deutschen (Germ. 2, 281) konnte man zwar nur reden, wenn die bekannte Achttakterlangzeile, die zweiversige, vorschwebte (§ 731)- Aber denkbar war es, daß man diesen wirklich volks-
3io
TÖNE
MIT EINEM
ACHTTAKTER.
mäßigen Doppelvers weiterbildete zum sprachlich geschlossenen Achttakter. Die Grenze fließt oft genug (§ 797. 800); die heikle Frage nach dem Grade der Geschlossenheit (§771 f.) können wir nicht an jede der folgenden Formen richten. Oder gewann man den Achttakter aus dem d a k t y l i s c h e n H a u p t v e r s e , dem Vierheber: dadurch daß man diesen Rahmen alternierend füllte ? Man vergegenwärtige sich die Rhythmen §698f., selbstverständlich mit |-Takt. Doch neigt Johansdorfs einziger Daktylenton, 87, 5, wenig zu viersilbigen Takten. 796. Die S t e l l u n g der Achttakter im Tone ist ähnlich mannigfach wie die der Sechstakter. Es kehren da wieder die uns bekannten Gruppen erster Ordnung, die beim Viertakter besprochenen Baurisse. Zahlenmäßig tritt, mehr als beim Sechstakter (§782ff.), der Typus hervor, der einen Achttakter, und zwar als Strophenschluß, verwendet. Die unter Reinmars Namen gehenden Lieder haben nicht weniger als 10 Fälle. Am öftesten ist es ( A ) 8 S ; seltener ( A ) 8 V ; noch seltener (A)8k: z. B. Reinmar 189, 5; Walther 118, 24; Tannhäuser Nr. 11; W. v. Metze HeidL 577, 3, oder hier 8 w v ? D i e s e Kadenz hat noch *Reinmar 195, 37, gereimt auf 4 w v ; aber im Strophenschluß ist es doch eher ein überstumpfer Zehntakter. Die übrigen Strophenglieder sind zuweilen lauter Viertakter: Reinmar 201, 33; W a l t h e r 49, 25; Botenlauben H e i d L 54, 22; Rubin ib. 588, 18; bzw. die gefugte Langzeile 3 w v | 5 s : *Reinmar 202, 25; Lichtenstein S. 524. Viel öfter Vier- und Sechstakter gemischt; zuerst bei Johansdorf 93, 12. Nicht selten a u c h lauter Sechstakter, wie bei Reinmar 190, 2; 196, 35; Hartmann 212, 13; Botenlauben HeidL 46, 8; 53, 17.
Auffallend beliebt sind S e c h s z e i l e r : als Stollen die a | b, als Abgesang das Reimpaar c : 8c (oder angereimt b : 8b); Z. 1-5 von wechselnder Taktzahl und Kadenz. Ein Grundriß, der in schlichter Viertakterausführung viel spärlicher vorkommt (§ 747, z. B. Wolfram Nr. 3); ein Gegenstück mit Sechstakterschluß ist die Rabenschlachtstrophe (§784). Sofern man aber die 8c-Coda noch als 4X | 4c empfand, wäre es wieder der 7 z e i l i g e Bekannte a b :|| c x c! Hierher schon Johansdorf 93, 12; 8 Fälle bei Reinmar; bei Walther 49, 25; 72, 31; 113, 31 ( = * Reinmar 182, 34); 118, 24. An dem Neifen 31, 27 bemerke man den eigentümlich steigenden Strophenschluß A 6s | A 6 v : A 8v. Doch a u c h mit Achttakter als siebentem Gliede hat jene Lieblingsform ihre Vertreter: Reinmar 197, 15; Botenlauben HeidL 46, 8; 53, 17; Singenberg SchwM 2, 11; J . v . W a r t e ib. 22, 4.
T Ö N E MIT EINEM ACHTTAKTER.
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Der Z e h n z e i l e r : Sechsversgruppe + 2 Reimpaare oder Langzeilen (§764 ib), erscheint bei Johansdorf 94, 15; W. v. Metze HeidL 577, 3; Landegg SchwM. 21, 6; J. v. Warte ib. 22, 2. 6.
797. Für Töne mit einem Achttakter im I n n e r n des Abgesangs hat wieder Reinmar Vorliebe: 165, xo; 166, 16; 167, 31; *I8I, 13; 163, 23 (? s. § 773). Je ein Fall bei Morungen (136, 25) und Walther (119, 17). Eine Form mit geschlossenem A8k als Abgesangsspitze ist Konrads Nr. 18. Verwandt ist der Schwarze Ton des Wartburgkrieges Teil II (nach 1260) und des Lohengrin (nach 1280); doch hat das 8 k in beiden Gedichten wohl zu neun Zehnteln die sprachliche Innengrenze: 4V | A 4 k er jach: swer mit mir köufen wüi, hie'st veil ein vr&ndez künder; die Vagantenzeile (§743). Faßt man es so, dann ist der Grundriß elf zeilig: Schweifreim | Langzeile | halber Schweifreim. Das tritt zu den Elfzeilern unter § 765 3 b, der des Leiningen hat genau gleiche Kadenzen- und Reimfolge, nur steigert es der Schwarze Ton mit seinen Sechstaktern: 4v . a : 6v . a | 6k . b 4V.c:6v.c|6k . b 4v.x|4k .d 4V.e:6v.e|6k .d Faßte man die Langzeile x | d als einen Vers (8 k), dann hätte man den Ton, wie den Konradschen, unterzubringen bei den Zehnzeilern §764 i b (gleiche Reimfolge bei Landegg Nr. 5): der Abgesang eine Vierversgruppe mit umschließendem Reime. Jedenfalls wiederholen die 3 letzten Verse genau den Stollen (§ 823). Verwandt ist Hadlaub o. § 786 Ende. 798. Mehrere Achttakter im Tone wagt gleich schon Johansdorf. Zweie bilden den Abgesang in 89, 9; diesen Sechszeiler (4k . a | 6v . b:||/s 8s . c : 8s . c) bringt auch Morungen 143, 4, nur mit 4V als Stollenanvers und mit Auftakten im Abgesang. Je ein ^ 8 s beginnt die Stollen in 91, 36. Zu fünfen steigt er in 90, 32 (Auftakt unfest): 8s . a ] 8s . b :|| 8k . c | 6v . x | 4k . c: wieder der Siebenzeiler aus § 754, von 28 Takten auf 50 ausgeweitet ! Hier hielt sich noch ein Viertakter. Töne nur aus Sechs- und Achttaktern scheint W a l t her eingeführt zu haben: Achtzeilig ist der 'Engelbrechtston' 10, 1 = 84, 14; wir gliedern die nicht-stollige Strophe mit Wilmanns-Michels 2, 310 in 2 einreimige Terzinen mit Langzeile dazwischen; was sich an die Formen in § 764 anreiht. Dies steigert Walther zum zehnzeiligen 'König Friedrichs
3I2
TÖNE MIT MEHREREN ACHTTAKTERN.
Ton* 26, 3: statt der mittlem Langzeile eine Vierversgruppe mit umschließendem Reime: 6 w v . a : 6 w v . a : 8k . a 6 w v . b | 8s . c: 6v . c | 8k . b 6v.d : 6v.d : 8s.d Die erste und dritte Periode sind zu ungleich, als daß man von 'umgeordneten Stollen* sprechen dürfte! (§826). 799. Aber auch dreiteiligen Tönen gibt Walther Stollen mit Achttaktern (gegen Wilmanns i, 345) : 38, 10, ein richtiger 'Schweifreim + Vierversgruppe, gemäß §764 i b . Die zwei nah verwandten Zehnzeiler *36, 11; 37, 24: die Stollen sind zwei Reimpaare aus 6:8; der Abgesang nimmt dies verjüngt auf: 6:6 und schließt daran eine eigentümlich abgedachte einreimige Terzine (8s : 6v : 6s), um in einem schweren Achttakter auszuklagen. Der 'Unmutston' 31, 13 holt das erste Reimpaar aus *36, 11, das zweite aus 37, 24 und bricht damit die Gleichheit der Stollen : ich hän gemérket vón der Séme unz an die Müore, vón dem Pfäde unz an die Traben erkénne ich al ir ftìorè: diu méiste ménege enrüochet, wies erwirbet güot. sol ichz alsó gewinnen, só ganc släfen, hovescher müot /s ! güot was ie genséme, iedóch sö gie diu ère vor dem güote: nü ist daz güot sö hérè, daz éz gewältecliche vór ir züo den fróuwen gät /\, mit den fursten züo den kunegen àn ir rät. so wé dir, güot, wie rcémesch riche stät ^ ! du enbist niht güot : du häbst dich an die schände ein téil ze sérè. Stollig ist wieder 37, 34, genau = *36, 11, nur mit Verdoppelung jener abgedachten Terzine; also 13zeilig. Die merkwürdige Form ließe sich mit §751 2b vergleichen: drei Reimpaare + Terzine, wie Wa. 94, 11; dazu jedoch der Schlußvers, der auf das dritte Reimpaar reimt. Der Unterschied im Versmaterial: dort die schlanken, selbstverständlichen Viertakter, hier die schwertretenden Sechs- und Achttaktergruppen, hebt freilich jede SchallVerwandtschaft auf! 800. Solch gehäufte Achttakter kommen zwar auch in Liedern vor; so bei Neifen 39, 35, öfter bei Neidhart: heben wir heraus den rein achttaktigen Sechszeiler 65, 37. Im ganzen aber kennzeichnen sie die S p r ü c h e und tragen zu deren unwelscher Haltung bei. Als gleichversigen Ton darf man betrachten Tannhäuser Nr. 12: lauter (A) 8 k, denn von den 48 Zeilen widerstehn immerhin 7 der Halbierung 4 V 1 4 k (Vagantenzeile). Dagegen hat Nr. 14, mit zweierlei Achttaktertypen, schon die freiere Halbier-
T Ö N E MIT ZEHN- UND ZWÖLFTAKTERN.
313
barkeit (§ 659), und Nr. 13 läßt gar die gefugte Innenschwelle z. T. reimen: Beispiele für den Übergang von 4 | 4 zu 8 (oder umgekehrt). 801. Wo zuerst Verse von über a c h t T a k t e n auftreten (§ 773)> ist schwer zu sagen. Vielleicht sind unter den anscheinenden 8wv überstumpfe Zehntakter; an solche dachten wir schon bei Reinmar § 773 und 796. Zweifellose Zehntakter mit den Schlüssen s, k oder v gehn dem ganzen MF und Walther ab. Sie müssen nach dem in § 795 Gesagten eine späte heimische Bildung sein; entstanden wohl aus 4 | 6 oder 6 | 4 durch Verwischen der Innengrenze. Noch seltener sind Zwölftakter; die Kadenz wohl nie schwerer als s, also 11 Hebungen. Zu den Beispielen in § 773 nennen wir noch Rubin HeidL 584: ein unteilbares 10s als Strophenschluß. Die weiteren Belege bei Bartsch, Germ. 2, 281 f., sind klar teilbare Langzeilen: die 4 k | 6k in Kudrun und Titurel; *Neidhart MS 3, 224b; Rumeland J e n L 2, 36. Der Zehnzeiler des Meißners J e n L 1, 162; 2, 64 ' K u n d ich nu underscheiden wol' bildet seine Zwölfheber meist sogar als ungefugte A4V . x | / \ 8 k . a . E r hat den Grundriß: Schweifreim + 2 Reimpaare, aber statt der 40 Takte von § 764 i b sind es hier 1041
802. Volkstümliche Versarten stellten die Reimschlüsse höchstens um acht Kurztakte auseinander, wie in den Langzeilen 4X | 4a. Die Zehn- und Zwölftakter, auch die mit Innengrenze, nehmen die Abstände noch größer. Der Reim als belebendes und gliederndes Klangspiel tritt hier zurück; daß das 'Wesen des Reimes' zerstört oder mißverstanden sei, wollen wir nicht behaupten. Auch rhythmisch entfernen sich diese langen fortlaufenden Ketten weit vom Sanglichen und Tanzhaften (vgl. das neudeutsche Beispiel § 36). Einmal wagt Lichtenstein in einer tanzwtse zwölftaktigen Stolleneingang (§ 773). Ein äußerster Fall, wie einen Ton aus lauter Acht- und Zehntaktern noch lyrischer Fahrwind schwellen kann, ist Neifens meisterliche Nr. 7 (11, 6). Man halte sich an Zeilen, die keine Pause im 4. Takte vortäuschen; z.B.: sueziu minne, maht du h^rzeliep an mir erzeigen ? nu waz tr£it dich für, ob Ich nach der vil hirzelieben lieben stirbe ?
Das strömende Ab und Auf, das trochäische, bestimmt die Gehörwirkung solcher Zeilen und trennt sie von Wolframs einheitlichen Acht- und Zehntaktern im Titurel mit ihren schweren Doppelmorae (§ 600). Man könnte kaum entscheiden, welche der beiden Arten vom Prosafall weiter abliege. 803. Das Gegenteil sind die kurzen Verse, vom halben Umfang des alten Viertakters: die Zweitakter. Sie bringen echt lyrischen Klang und federnden Tanzschritt herein.
3i4
Herkunft des Zweitakters.
Von der Schwierigkeit, sie auszusondern, sprachen wir § 774 f. Doch können wir sie den vorwelschen Sängern MF I-VIII aberkennen. Denn die zweihebigen Glieder Dietmars (Ton 1 und 12) und K. Heinrichs (Ton 2) fassen wir als zerdehnte Viertakter (§ 675. 711); der Fall 4, 16 ist schon nach der Reimstellung jung. Seit Hausen fehlen sie den wenigsten Lyrikern. Die welsche Gruppe bringt sie freilich außerhalb der beiden Leiche nur ganz vereinzelt. Danach würde man den Zweitakter erst zur welschen Einfuhr rechnen, und die lat. Lyrik mit ihren vielen hätte nicht oder erst später eingewirkt. Anderseits gehören Zweitakter auch zum Formbesitz der nordischen Ballade: als Kehrvers sehr beliebt, zumal in der Binnenkehre; außerdem die eine der drei Strophenformen (neben dem Kurzen Reimpaar und dem Langzeilenpaar): 4x|2a:||. Als Stollen hören wir diese Gruppe in den CBur. p. 178: Ver redit optatumi cum gaudio; flore decoratum 1 purpureo, und in dem deutschen Gegenstück: springe wir den r6igen nu, fröuwe min! froun uns g^gen den m&gen; uns kümet sin schin (gleich Neidhart 29, 27 o. § 775). Die gleiche Form erscheint auch in dem isländischen Danz von 1221: Löptr er 1 ¿yiümi, bitr lünda b6in . . . (§ 732). Dies spricht doch dafür, daß deutsche Zweitakter zuerst in der Kleinlyrik, etwa als Kehrverse, erklangen. Auch das nachmalige Volkslied pflegt sie vorzugsweise im Kehrreim (Pohl, Strophenbau 41, vgl. 17f.). So mögen die Minnesinger ihre Zweitakter auch der heimischen Kunst nachgebildet haben. Ein klarer Fall von welscher Anleihe ist Hausens Ton 45, 37 mit den Reimpaaren A 6s . b : A 2v . b und A 2 v . d: A 4V . d, wie in dem Muster des-Folquet (MF 332f.). Der gleichfalls entlehnte Ton * Reinmars 183, 33 mißt seinen Schlußvers wohl eher viertaktig (§671)804. Nur mit Viertaktern verbinden sich Zweitakter seltener zum Tone: MF 4, 13; 148, 1 ; 207, 1 1 ; Wolfram Nr. 4. öfter enthält der Bau zugleich längere Glieder. Die auftaktigen X I k und X I X )< schließen gern an auftaktige Verse, besonders A 4 V; die viel häufigeren auftaktlosen X X X haben gern ein /\ 4V oder A 4 w v vor oder nach sich, die X X X X ein /\ 4wv: Hartmann 209, 25 dem kriuze zimt wol reiner müot und kiusche site; Anon. 4, 15 däz der sümer kömen söl; seht, wie wöl : däz vil menegen herzen tüot;
ZEITFALL DES ZWEITAKTERS.
315
Adelnburg 148, 5 dâz si wélle nien verdriezen miner nöt; Wintersteten HeidL 318 soi ich ferner frö beliben âne swœre. In der Dichtung bis Walther wählen die Zweitakter gewöhnlich den Abgesang. Den Strophenschluß bildet der einzelne Zweitakter selten (anders als die Sechs- und Achttakter § 782. 796) ; die scheinbaren Fälle dürften oft zerdehnte Viertakter sein : *Reinmar 183, 33 (s.o.); Morungens Tagelied; Neidhart 13, 8; .\lexander HeidL 1381; doch wohl n i c h t z. B. Weißensee ib. 754. 10: ich fröre, ich lâche, ich singé, doch wil ein wip : mfnen lfp twingè. Nur der Aufgesang enthält Zweitakter bei Hartmann 209, 25; Rubin HeidL 596, 56. 805. Seit Neidhart spielen die Zweitakter eine größere Rolle. Sie können zum Hauptbestand der Töne werden. Lichtenstein, Konrad von Würzburg, der Schenk von Landegg, Hadlaub und namentlich Wintersteten zeichnen sich darin aus. Der R e i m erlangt in diesen Ketten eine früher unbekannte Bedeutung für die Schallform. Rhythmisch schließen sich ja diese Zweitakter zu den bekannten Vier- und Sechstakterbauten zusammen. So erkennen wir die Sechsversgruppe a b a | cdc (§763), durch innere Reime belebt, in dem Aufgesang Winterstetens HeidL 314: wér gesâch den winter ie älsö längen : unzergangen ? âl mîn blângen : nié vervie ; den hat sümer sigehâft uberwünden : , an den stünden, ér hat fünden : sine krâft. Da werden immer noch zweitaktige Teilglieder hörbar. Etwas anderes ist, daß so oft die scheinbaren Zweitakter auf andre Zeitverhältnisse drängen, auf ein- und dreihebige Messung (von der Zerdehnung zum überstumpfen Viertakter abgesehen). Z. B. lesen wir den Kehrreim Winterstetens 286, 36 nicht als fünf Zweitakter, sondern so: swem ich singe : , swiez erklinge, swaz ich sage : , doch trage : ich klage I ^ X I
>< X
I X X
I X X I
316
GLIEDER MIT UNGERADER TAKTZAHL.
Den Kehrreim 315,140 bildet die Terzine /s 4V | ^ 4 w v | /\4s: hundert : wandert : , wä si si; in dem müote : ist mir diu güote stseteclfchen bf Die Stollen Walthers von Breisach Nr. 3 und 4 (Pfaff, Minnesang im Lande Baden 22f.) ordnen die Reimglieder ^ _ ^ _ und in ein A 4 s : A 3 v | A 5 k : von göt ein mägt erkörn rose äne dorn : gebörn : , der himel ünd der ¿rden fröuwe. Dreitaktig werden z. B. die strophenschließenden _ v^ _ ^ und _ ^ _ bei Werbenwag Nr. 4 (ib. 70): jS suln wir den liuten vroide mächen, gär verswächen : argen häz Tripodisch wie in § 713 gehn z. B. die Töne Weißensees HeidL 755, 16 und 756, 19; hier die Abgesänge: trüt liebe reine : , ich wünsch iemer dln, trüt ich dich meine : , trüt gar alleine des herzen min.
kX I* x^xlJ.k[ X
X
1
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kel unde hende : wizer danne ein sne, liep trüt an ende : , wes tuost du mir we. X -k X I -k X
1
X
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J.
806. Dies hat uns zu den Versen von u n g e r a d e r T a k t z a h l geführt. Was wir früher zu diesem schwierigen Kapitel sagten (§ 664ff. 77Öf.), wiederholen wir nicht. Anlaß, solche Verse anzusetzen, hat man erst seit den Lyrikern der welschen Richtung; denn bei Rietenburg 19, 7 fassen wir die dreihebigen Zeilen als 4s. Die Drei- und Fünftakter bei Hausen und den Späteren waren für deutsches Versgefühl etwas Neues; sie müssen auf welschen oder lateinischen Vorbildern ruhen. Wieweit man jambische Sechssilbler als A 3V oder als A 4s, trochäische Neunsilbler als ^ 5 v oder ^ 6s, trochäische Achtsilbler als •s 4 w v oder ^ 5k deuten soll usw.: diese Fragen müßten erst auf lateinischer und romanischer Seite einigermaßen geklärt sein, eh man der Abhängigkeit nachgehn könnte. Daß es nicht so einfach liegt, sieht man schon aus Beck, Melodien der Troubadours 169 ff.
Vielheit der Bausteine.
317
Die häufigste Verbindung dürfte 3 | 5 sein : Gefugt bei Johansdorf 93, 12, die Stollen A 3 w v | ^ 5 v : ich vânt si âne hüote : , die vil minneclichen, éine stân ; Walther 50, 19; bei Rugge 102,1, Abgesangsspitze A 3V | A 5s: vil géme wœre ichs fri : : mirn wart diu séle nóch der lip /s ; bei Walther 111,12, Stolleneingang 3V (zerdehnt) | A 5k: sélpvàr ein wip : , an vérnîz rót, ganzlicher stœtè. Ungefugt bei Reinmar 186, 19, Stollenausgang a 3V | 5k: der ist nu mère an mir : , danne ez gót verhéngen soldé; bei Landegg SchwM 21, 13 sechsmal in Auf- und Abgesang ^ 3V | ^5k(s): mich muoz wunder hân : , wiez sich stélle bi dem Rinè ümb den Bódemsé i , ób der sumer sich dà zér . Weitere Beispiele in § 742. 745. Seltener ist die umgekehrte Folge 5 I 3 ; z . B . bei Reinmar 190, 27 als Strophenschluß ungefugtes ^ 5 v I 3v: jâ erkénnest du vil wól, daz diri nieman hólder ist. Die Verbindung 3 | 7 vermuten wir bei Walther 74, 20 (§ 709) : nemt, fróuwe, disen kränz • : âlsô sprach ich zéiner wól getanen maget
Fälle von 5 w v I 7k, 5 v I /\ 7s bot Reinmar 189, 5 (§ 77^)Die Verbindung 5 | 5 liegt besonders d a nahe, wo anscheinendes 4 w v vor auftaktigem Viertakter steht, auch d a , wo 4WV und 6s zu wechseln scheinen; Beispiele in § 665. 744 Ende. Hausen 50, 19 C lch lobe got der sîner güete* stellt vielleicht einen gleichversigen Ton mit ungeradtaktigen Gliedern (lauter M 5k). Die Verbindung 3 | 3 dürfte außerhalb der Tripodien § 713 spärlich vorkommen. Stellt ein zweiversiger Stollen vor die Wahl 3 I 3 oder 4 s | 4 s (§ 746), so entscheiden wir uns für das zweite : mit 3 | 3 würden wir unter das Mindestmaß der Stollen hinabgehn (§723). 37. Abschnitt: Strophenbau: Reimstellung; Dreiteiligkeit; Formspiele. Der Leich. 807. Schauen wir zurück! Aus der vorritterlichen Zeit geerbt hatte der deutsche Strophenbau nur éinen Vers, den alten Viertakter; der war, gemäß der freiem Füllung, noch wenig gesondert nach Kadenzen und Auftakt. Schon die ritterliche Frühstufe zeigt als Zuwachs den Sechstakter. Dann mit der welschen Richtung erscheinen zwei- und achttaktige, drei- und fünftaktige Glieder; zugleich führt die strengere (silbenzählende) Füllung zum
318
Rhythmus und Reim.
genaueren Sondern der jambischen und trochäischen Eingänge, der Schlüsse s, k, v, w v : so daß nun jeder nach der Taktzahl bestimmte Vers achterlei Strophenglieder hergibt. Nach Walther kommen noch Zehn- und Zwölftakter herzu. Die daktylischen Verse, seit Hausen und Veldeke, stellen sich, der Langtakt als zwei Takte gemessen, zu den Vier-, Sechs- und Achttaktern. So sind schon die Bausteine der Strophen höchst mannigfach geworden. Der formgewandte Lichtensteiner verwendet zu sangund tanzbaren Tönen Verse von zwei bis zu zwölf Kurztakten. Von seinen 57 Liedern halten sich 36 an das Mittelmaß von 3-6 Takten; 10 schreiten nach unten, 11 nach oben drüber hinaus, keines nach beiden Seiten. 808. Es bestimmt wesentlich die Art einer Strophenform, einmal ob sie (vorwiegend) lange oder kurze Verse wählt: im ersten Falle wirkt sie mehr ruhig betrachtend, sachlich, lehrhaft; im zweiten mehr bewegt, lebhaft, klangspielend, musikalisch. Die S p r ü c h e neigen zu der ersten Art. Zweitens ist von Gewicht, ob der Ton annähernd gleich lange Glieder hat oder die Spannweite groß nimmt. Außer den Dichtern der Frühstufe halten zu dem ersten Verfahren noch Hausen und Veldeke, Fenis, Rugge und Horheim. Aber schon ihre bayrischen Folger Johansdorf und Rute verbinden sehr ungleich lange Zeilen; ebenso Morungen. Die Leiche sind darin den Liedern voraus. Walther kann sich im Liede zwischen Zwei- und Sechstaktern bewegen, auch zwischen Vier- und Achttaktern (49, 25; 72, 31), Drei- und Siebentaktern (74, 20, s. § 806), kaum zwischen Zwei- und Achttaktern (zu 13, 33 s. § 771 Ende). Im S p r u c h e spannt er von vier zu acht Takten, meist aber nur von vier zu sechs oder von sechs zu acht. 809. Diese vielfältigen Bausteine ergreift der Reim und ordnet sie zu den stets neuen Gefügen. Rhythmisch ungleiche Verse kann der Reim schon in volksläufigen Formen paaren: im Abgesang der Kürenbergsweise 4s:4V; beim ältern Spervogel, in der Kudrun- und Rabenschlachtstrophe 4k:6k. Die künstlichere Übung geht, wie die Romanen, darin weiter. Johansdorf verteilt in dem Abgesang 87, 29 drei Reimklänge auf je zwei ungleiche Glieder: 6 v . e : 4 v . e ; 6 s . f | 4 k . g : 6 k . g | 6 v . f . Der Achtzeiler Hawarts HeidL 1012 hat 6 Verstypen und 4 Reimklänge, diese nie gleichgewogen: a8s . a |
6 s . b : /\ 4 v . b j A 6 s . a j a 8 s . c : A4V.C;
Zur Bindung von k mit wv sieh § 662 f.
,^4v.d: zs 6v . d
D I E VIER ÄLTEREN
REIMFORMEN.
319
Nimmt man dazu die Beispiele in § 767, 2, so sieht man: den Rhythmus der Strophenglieder bringt die Reimstellung nur sehr bedingt zum Ausdruck. Das Spiel mit inneren Reimen kann gradezu entgegenwirken dem rhythmischen, gruppenbildenden Amte des Reims; wie bei Hadlaub SchwM 27, 52, 25 : ez wart nie : süezer angesiht noch liebers niht : dan schceniu wip: mans llp : wirt des gewar, der gar : von herzen ahtet und trahtet : vollecllch . . . Die schlichten Reimformen, die man einst am Viertakter geübt hatte, kann man später in kunstreicherem Versstoffe verwirklichen. Hausen baut den Ton 45, 37 in reinen Reimpaaren a a bb . . ee, aber mit Versen von 2 bis 6 Takten. Ein weitgehender Fall ist der 16 zeilige 'Thüringer Herren-Ton' des Wartburgkrieges: den bloßen Kreuzreim ab ab prägt er in dieser bunten Kette aus: 4 v . a | 8 s . b; 6 s . a | 4s . b — c | —d; —c | — d 8 s . e | 8 s . f ; 4V . e | 8 s . f 6 s . g | 2 v . h; 2 v . g [ 6 s . h Auch hier ist von den acht Reimzweiheiten nur eine, f:f, rhythmisch gleichgewogen. 810. An den vorwelschen Lyrikern MF I-VIII, zusammen 41 Tönen, ist das Anwachsen der Reimstellungen gut zu beobachten. Der einfachste Zustand ist: auf ¿inen Reimklang kommen z w e i R e i m e ; Reimzweiheit. Nur zwei Töne der genannten Dichter überschreiten dies. Innerhalb dieser Schranke zeigen sie v i e r R e i m s t e l l u n g e n . Nur die erste stammt aus altheimischer Überlieferung; 2-4 haben fremde Muster. (Die mannigfachen Reimformen der Goliarden sieh bei Lundius, ZsPhil. 39, 376!) In das deutsche Volkslied sind alle 4 Stellungen übergegangen, die dritte doch nur spärlich (Pohl, Strophenbau 209.) 1. Der Paarreim aa b b . . (wozu auch x a x a ) . Er herrscht allein bei fünf Namenlosen, bei Kürenberg, Meinloh, Regensburg und den beiden Spervögeln; in acht von Dietmars 15 Tönen. 2. Der Kreuzreim (auch überschlagender Reim genannt): ab ab. Von seinem Auftauchen sprachen wir § 737. 3. Der umschließende Reim ab ba. Nur beim Anon. 4, 13 und bei K.Heinrich 4, 35 (§756). Später nach französischem Vorgang sehr beliebt (§ 768).
320
IHRE
STEIGERUNG.
4. Der Schweifreim aab, ccb. Nur bei Dietmar 40, 19 (§ 765). Über Herkunft und Verbreitung s. § 761 ff. Der Reimgebrauch zieht die kenntlichste Schranke zwischen diesen mehr deutschen Sängern, a u c h noch Rietenburg, Dietmar, K. Heinrich, und der mit Hausen einsetzenden Gruppe. Die frühe Stufe kennzeichnet auch noch der hohe Bruchteil der Waisen. In Tönen des Kürnbergers und des Regensburgers, Meinlohs und Dietmars steht Verszahl zu Reimzahl im Verhältnis 7:4 bis 9:4; was später nur noch in Sprüchen erhört wäre. Die beiden Ausnahmen von der Reimzweiheit sind: K . Heinrichs Dreireim c c c im Abgesang des daktylischen Tones 5, 16 (§ 7 0 1 ) ; die Reimstellung Rietenburgs 1 8 , 2 5 a b a b | b a a c c c : ein richtiger Sprung aus dem Brauch von M F I - V I I I hinaus (§ 764).
811. Gesteigert wurde dieser einfache Reimbestand in drei Richtungen. Einmal nahmen die Waisen ab. Die Trobadors mieden sie überhaupt, und so zählt denn die welsche Gruppe MF IX-XVII zusammen n u r zehn Töne mit je 6iner, einen Ton (Hausen 42, 1) mit zwei Waisen. Veldeke und Fenis reimen j e d e n Vers. Zweitens kamen neue Reimfolgen ohne Häufung: a b b c c a ; a b c , a b c ; a b c d (e ..); sieh §767, 2. Ein äußerstes Wagnis bei Herman Damen JenL 2, 82: die Reihe geht bis j, zehn Reimschlüsse erleben erst nach zehn Versen ihr Gespiel; was vom Reimgedächtnis der Hörer großes voraussetzt oder rein papieren ist. (Dazu kehrt die Reihe im Abgesang ein zweitesmal wieder!) Schon die Meister gingen in diesen Künsten weiter als die Romanen: bei Walther 101, 23 eine fünfgliedrige Reihe (vgl. Bartsch, Germ. 2, 288). Das dritte, wichtigere war die Häufung der Reime eines Klanges. Dabei konnten die Gruppen von § 810 bestehn bleiben: die Reimund Langzeilenpaare, die Drei- und Sechsversgruppen; nur daß eben der Reimklang über die Zweiheit, über die erste Periode weggriff. Statt des a a b b . . e i n a a a a . . (Beispiele §728); das a b a b wiederholte sich; statt des a b b a ein a b b b b a; statt des a a b, c c b ein a a b, a a b oder auch a a a, b b b; a a a, a a a. Dieser Reihenreim war schon in der lat. Lyrik weitgetrieben. Es gab Töne auf einen Reimklang; dies ahmen Walther und andere nach (§ 767, 1; dazu Wa. 39, 1; *Veldeke MF 346f.; Schwangau HeidL 535, 45; vgl. Lichtenstein S. 394). 812. Folgenreicher war, daß der ältere Troubadourbrauch: zwei R e i m k l ä n g e auf die S t r o p h e — b e i mehr als vier Reimen — Minnesinger welscher Richtung gewann. Am meisten Veldeke: 18 Töne von 31. Weniger Hausen (6Töne von 17) und Fenis (2 Töne von 8). Auch Schwangau (6 Töne) und Morungen
REIMZWEIHEIT UND ZWIEKLÄNGIGKEIT.
321
(12) lieben diese Zwieklängigkeit. Noch Walther von Klingen hat sie in der Hälfte seiner 8 Töne. Mit ihr ist gegeben die strenge Art Durchreimung durch Stollen und Abgesang (§ 817). Zu der alten treuherzigen Reimzweiheit (§ 810) steht die Zwieklängigkeit in Gegensatz: sie bedeutet Häufung der Reime ¿ines Klanges; z. B. enthält Morungen 141, 37 einen vier- und einen sechsfachen Reim. Der Reimzweiheit huldigt Hausen nur in 12 %, Veldeke in 20 %, Morungen in 36 % ihrer Töne. Hierin bezeichnet Reinmar die Umkehr zum Einfacheren. Seither ist Reimzweiheit wieder das gewohnte; dreifachen Reim pflegt der Ton nicht mehr als einmal zu bringen, bei stolligem Bau im Abgesang, gern als Strophenschluß. Zu der Reimarmut der Frühstufe kehrt man nicht zurück: die Waisen nehmen zwar wieder zu, aber nicht entfernt im vorwelschen Maße; den meisten Dichtern bleibt der 'innere Reim', womit Veldeke und Hausen angefangen hatten (Erich Schmidt, Reinmar von Hagenau 21 ff.); die Schranke der Reimzweiheit muß er nicht durchbrechen. Waither hat nur noch ¿inen zwieklängigen Ton: 118, 24 'Ich bin nu sö rehte fr6\ 813. Geben wir für die 61 Nummern unter Reinmars Namen ein paar Zahlen! Zwei Waisen stehn in 4 Tönen, eine in 21. 44 Töne haben doppelt so viel Reime als Reimklänge, folgen also der altheimischen Reimzweiheit; das sind 72%. Davon hat ¿in Ton 4Reime (*I82, 14, zwei Reimpaare); 2omal sind es 6, I4mal 8, 5mal 10, einmal 12 Reime (^198, 4), 3mal 16 Reime (156, 10; 160, 6; 187, 31). 17 Töne überschreiten die Reimzweiheit; sie liegen zwischen 7 und 13 Reimen. 11 davon haben einen zusammenhängenden Dreireim als Strophenschluß. Auch in 179, 3 gehören die drei gleichen Reime dem Abgesang; in *I93, 32 und *I95, 3 verteilen sie sich auf Stollen und Abgesang. Je ¿in Ton hat: zwei dreifache Reime (*i8o, 28, unstollig, s. § 792); einen vierfachen über Stollen und Abgesang (154, 32); zwei dreifache und einen vierfachen (*i9i, 7: a b a b ; a b c c c b ) . Also nur zweimal bringen es diese 61 Lieder bis zu vierfachem Reime. Künstliche Reimform nach romanischer Art kann man nur in den drei letzten Tönen finden. Ganz fehlt der Grundsatz der Zwieklängigkeit (der Ton von 2 Reimpaaren ist keine Ausnahme!). 814. Stellt man daneben den 100 Jahre jüngern Schenken von Landegg, so sieht man sich noch weiter von der Reimvielheit abgerückt. Nur noch drei von 22 Tönen haben je einen DreiH e u s l e r , Deutsche Versgeschichte II.
21
322
D I E DREITEILIGKEIT: IHR ALTER.
reim (im Abgesang). Also die Reimzweiheit herrscht in 86%. Zwieklängigkeit ist unbekannt wie bei Reinmar. Eine einzelne Waise aber erlaubt sich nur noch ¿in Ton (Nr. 7). Die durchschnittliche Reimzahl der Töne steht hoch über Reinmar: nur einmal fällt es auf 6 Reime, sonst bewegt es sich zwischen 10 und 16. Bei dem zeitlich in der Mitte liegenden Gotfrid von Neifen sieht es freilich anders aus! Dieser Formkünstler diene uns als Beispiel des gesteigerten Reimbrauches. Vier Töne von 49 enthalten ¿ine Waise. In fünf Tönen tritt wieder die Zwieklängigkeit hervor: 36, 4; 42, 21 ( = 46, 3); 44, 20; 45, 8 und *52, 25: in diesen drei letzten volkshaften Formen doch nicht nach welscher Art. Mehr besagt, daß die Reimzweiheit auf 3 5 % gesunken ist; 32 Töne überschreiten sie. Bis zu dreifachem Reim gehn 21 Töne, davon je einer dreimal (39, 35) und viermal (48, 19). Bis zu vierfachem gehn 7 Töne, einer (38, 26) zweimal. Es bleiben drei kunstreichste Formen: 34, 26: sechsmal a + Korn; 17, 27: aaaab; ccccb; dddddeed; 24, 35: ababaac:|| d e d e d e d d e . In den beiden letzten verhält sich Reimzahl zu Klangzahl wie 18 : 5 und 23 : 5! Endlich noch der Ton, der außerhalb der Gattungen steht: der Siebenzeiler 11, 6, dessen Reime a-g ihre Gespielen erst in der zweitnächsten Strophe finden (§829).
815. Unser Weg führt uns zur Dreiteiligkeit des Tones zurück. Die Umrisse von § 722 f. haben wir auszufüllen, nachdem inzwischen oft ein Blick auf diese Gliederung gefallen ist. Den Streit, ob der dreiteilige, stollige B a u schon in deutschem Herkommen wurzelte, könnten nur die Melodien schlichten. Schon die Tanzstrophe vom Jahr 1021 (§ 749) vertrüge dreiteilige Weise: Langzeile = Langzeile «\s Kehrvers. Desgleichen das Melker Marienlied von 1140 (§ 749. 751, 1): Reimpaar = Reimpaar M Reimpaar -F- Kehrvers. Auch ein Gesätze von drei Kurzen Reimpaaren, wie in § 726, hat den 'neutralen' B a u : die Musik konnte es stollig geben. Ebenso die Formen von zwei und drei gleichen Langzeilenpaaren MF 14, 14; 33, 15; 35, 16. Eindeutig dreiteilig sind nach dem Metrum, daher wohl auch nach der Weise (§ 723) d r e i ß i g Töne in MF I-VIII. Ihnen stehn nur sechs metrisch unstollige entgegen: 3, 7; 16, 15; 20, 1 ; 37, 4. 18; 39, 18. Unter den dreiteiligen sind die beiden Formen des Kürnbergers und die beiden des ältern Spervogel. Also auf der Frühstufe der ritterlichen Lyrik und der Spruchdichtung h e r r s c h t d i e D r e i t e i l i g k e i t s c h o n v o r .
I H R E VERBREITUNG.
D I E DURCHREIMUNG.
323
Daß sie später auch dem Volksliede geläufig ist (Pohl, Strophenbau 35f.), kann Erbschaft des Kunstgesangs sein und fordert keine deutschen Wurzeln vor 1150. Im mlat. Strophenbau fangen die Belege schon früher an, werden aber nicht annähernd so häufig (Lundius, ZsPhil. 39, 385 ff.; zu viele zählt Brinkmann, Gesch. der lat. Liebesdichtung 99). Die Dinge liegen ähnlich wie beim Sechstakter §780: nur das vorwelsche Aufkommen und die verhältnismäßige Volksüblichkeit steht fest. Fremdware so wie die Daktylen, die drei- und fünftaktigen Verse ist die Dreiteiligkeit nicht. 816. Sie galt auch in Frankreich nicht allgemein, im Süden weniger als im Norden. So ist sie auch bei den drei Patronen der welschen Richtung nicht völlig durchgedrungen: Veldeke hat 8, Hausen und Fenis je 2 Ausnahmen. Rugge dagegen, Horheim und Johansdorf bauen nur dreiteilig — auch Morungen, wenn man die Eingangskehre des Tagelieds abzieht und die Anfangszeilen von 136, 25, wohl 3 j 5 (§Ö7ia), als genügend für einen Stollen nimmt. Unter Reinmars Namen stehn zwei unstollige Töne: *i8o, 28; *I82, 14; bei Hartmann ¿iner: 216, 29. Bei Walther zählt Wilmanns 1, 347 zehn Spruch-, fünf Liedtöne ohne die Dreiteiligkeit: ein recht ähnlicher Bruchteil wie schon auf der Frühstufe! Auch später stellen die S p r ü c h e mehr Ausnahmen. Vor allem stechen Neidharts Sommerlieder heraus: noch nicht ein Viertel ist dreiteilig. Beides erklärt man aus Einfluß volkshafterer Übung. Aber die Pastourellennachahmer Steinmar und Hadlaub bringen nur noch je ¿inen unstolligen Ton 1 ). Hierbei haben wir die Spielarten § 826 nicht als dreiteilig gerechnet. Zuweilen bringt erst die Schlußkehre den dritten, abweichenden Teil herzu; vielleicht der letzte Ursprung der Einrichtung (Gröber in seinem Grundr. II 1, 667i.). So bei Neifen 45, 21; 49, 14; 52, 49; Stretlingen SchwM 9, 2. Weitere A n g a b e n bei G. Müller, ZsAlt. 60, 41 ff.
817. Stollen und Abgesang verhalten sich zueinander höchst ungleich. Zunächst im Gebrauch der R e i m e . Eine der greifbarsten Neuerungen nach romanischem Vorbilde war die Durchreimung von Auf- und Abgesang: 1. in der strengen Art, daß der Abgesang a l l e Reimklänge der Stollen aufnimmt und keine neuen hinzubringt. Die bei den Welschen vorherrschende Weise. Der Hauptfall ist die Zwieklängigkeit, die wir in § 812 besprachen. D r e i gleiche Reim21*
324
DIE
DURCHREIMUNG.
klänge in Auf- und Abgesang zeigt Rugge 110, 26; Teschler SchwM 8, 3; vier: Schwangau HeidL 532, 33. Ebenfalls welschen Geschmack haben die zwei weiteren Arten: 2. Der Abgesang wiederholt nur einen Teil der Stollenreimklänge ohne Zuwachs. So Hausen 51, 33; Morungen 143, 4, Walther 118, 24. 3. Er wiederholt alle Stollenreime und bringt neue Klänge, meist ¿inen. Bei Hausen und Veldeke beliebt; auch Rugge 106, 24; Bligger 118, 1; Schwangau HeidL 528. Ein Fall bei Reinmar: *igi;
Viel verbreiteter, auch bei Sängern ohne welsche Beziehungen, ist die: 4. Art: der Abgesang wiederholt einen Teil der Stollenreimklänge, meist ¿inen, und bringt dazu neue Klänge, oft mehrere (Beispiele bei Bartsch, Germ. 2, 296). Die 5. Art ist die eigentlich heimische: Stollen und Abgesang haben getrennte Reimklänge; keine Reimbindung oder Anreimung zwischen den beiden Teilen. Diese Art herrscht allein bei den Dichtern MF I-VIII bis auf jenes Wagnis des Rietenburgers 18, 25 (§ 810); sie ist wieder seit Reinmar das vorwaltende. Doch begegnet sie auch in der welschen Gruppe und in so fremden Tönen wie Hausen 43, 28; Fenis 83, 25; Rugge 108, 22. 818. Bunter sind die rhythmischen Beziehungen zwischen Stollen und Abgesang. Selten ist der Abgesang kürzer als der einzelne Stollen. Wir finden die Taktzahlen 10:12 bei Wolfram Nr. 6, Walther 63, 8 = 112,17; 8:10 bei Neidhart 11, 8; Lichtenstein S.406. 428; 10:14 bei Veldeke 67,33; 12:18 bei *Neidhart LI 1; Winli SchwM 15, 7; — 12:15 daktylische Langtakte bei Fenis 83, 25; 8:12 bei Morungen 122, 1. Das Verhältnis 8 : 16 scheint zu bestehen, wo zwei gleichen Langzeilenpaaren (32 Takten) ein Kurzes Reimpaar (8 Takte) folgt, wie beim Läenzer HeidL 391. Aber da wird das zweite Langzeilenpaar dem Abgesang zufallen. Schon der Reim entscheidet für die Teilung 2 | 3 in den Tönen aus 5 gleichen Langzeilen bei Botenlauben HeidL 48, 15, Wintersteten ib. 295.
öfter hat der Abgesang gleiche Taktzahl wie der einzelne Stollen. Hierher die Töne aus drei gleichen Teilen; nach § 723 kann ihnen die Weise die 'Dreiteiligkeit' im technischen Sinne verleihen. Meinloh 14, 14; Kristan von Hamle HeidL 206, 12; Eßlingen ib. 965; Tannhäuser Nr. 11; Alexander JenL 1, 41 Nr. 1; Taler SchwM 4, 2; Honberg ib. 26, 2. — Vgl. die weitern Töne aus drei Terzinen § 765 3a; die mit Langzeilenpaar + Reim-
UMFANG VON STOLLEN UND ABGESANG.
325
paar: Lichtenstein S. 429 (Viertakter); S. 536 (Sechstakter); S. 555. 563 (4 I 6); S. 576 (6 | 4 und 4 | 6). 819. Gewöhnlich aber ist der Abgesang länger als der Stollen. Eines der häufigsten Verhältnisse ist 3 : 2 ; z. B. 12:8 Takte. Der Abgesang kann dem ganzen Aufgesang an Taktzahl gleichkommen. Hierher die Töne aus metrisch gleichen Hälften; Töne, die erst die Musik dreiteilig macht (§ 723). Die Hälften können sich aber auch durch Reimstellung oder Rhythmus abheben, so daß schon im Texte das A = B e\» C vorliegt. Aus MF I-VIII fallen hierher die fünf Töne: 2. Kürenbergsweise; 18, 1. 17; 30, 34; 39- 30. Endlich, ein gar nicht seltener Fall, kann der Abgesang die Taktzahl des ganzen Aufgesangs übertreffen. Oft spielt da eine Neigung zu mittlerer Gesamtlänge: zu kürzestem, viergliedrigem Aufgesang tritt leichter ein gleich langer oder längerer Abgesang. Bei Morungen z. B. geben die acht Töne mit sechs und achtversigem Aufgesang dem Abgesang nur drei bis fünf Glieder (Kraus, Zu den Liedern Ms. 56). Sieh wieder die Angaben bei G. Müller, ZsAlt. 60, 36. 41 ff. 820. Dem Abgesang kommt also größere Spannweite zu. Aber auch mehr innere Mannigfaltigkeit: im Versstoffe wie in der Gliederimg durch Reim und Rhythmus. Auch bei den Romanen haben die Stollen leicht faßliche Regelmäßigkeit, Gebundenheit; auf den Abgesang wirft sich die Erfindungslust (Gröber in seinem Grundr. II 1, 668). Bei uns wie in Frankreich wiederholen die Aufgesänge endlos den einfachen Grundriß a b:|| (oder auch x a:||); viel seltener a : a | b:b. In zweiter Linie kommen die 6versigen, aus zwei Terzinen bestehenden Aufgesänge (s. die Viertakterfälle § 764 bis 766). Formen mit acht und mehr Gliedern sind mehr vereinzelt und oft schon in der Reimstellung ausgeprägt kunsthaft. Zwei schlichte Langzeilenpaare (xa:||xb:||) kennt die Frühstufe (MF 4, 1; 11, 1; 14, 14; 15, 1): wo später solche Eingänge (mit Kreuzreim) begegnen, wird das 2. Paar meist schon den Abgesang eröffnen; so Walther 53, 25; 92, 9. Bei Wintersteten HeidL 300, 86 denkt man an 3wv | 3V :|| als Stollen. Ein Aufgesang aus 2 X 3 Kurzen Reimpaaren bei Reinmar 156, 10. Bei W a l t her zählen wir: 68 Töne mit 2 versigem Stollen; davon nur 4 mit Reim a a : 36, 11; 37, 24. 34; 75, 25 (hier einklängig); alle übrigen mit ab:||. Dreiversigen Stollen haben 18 Töne; davon 7 mit Reim a a b , c c b : 11, 6; 18, 29; 20, 16; 38, 10; 82, 11; 104, 23; 105, 13; die übrigen mit a b c :||: 16, 36; 39, 11; 45, 37; 46, 32; 47, 16 (Inreime); 57, 23; 71, 35; 93, 19; 96, 29; 97, 34; i n , 12. Vier Verse hat der Stollen in 5 Tönen:
326
BAU
VON
STOLLEN
UND A B G E S A N G .
Reim a b c d :|| 103, 13; 107, 17; a a b c:|| 122, 24; a a b c , d d b c I 04, 33; a a a b, c c c b 76, 22. Zu fünf Stollenversen steigt nur 101, 23: Reim a b c d e :||, Rhythmus wohl A 4V | A 4V | A 6s | A3WV |
5S
(§647).
Am öftesten wiederholt der Gegenstollen a l l e R e i m k l ä n g e des Stollens; demnächst nur den l e t z t e n Reimklang. Am seltensten bringt er lauter neue Klänge: dies bei Walther nur in den drei erstgenannten Tönen; MF stellt 10 Fälle, davon 7 mit einfachem Paarreim a a | b b : 4 , 1 ; 1 1 , 1 . 1 4 , 1 4 . 1 5 , 1 ; 1 8 , 1 7 ; 2 5 , 1 3 . 30, 34; dazu a a b b c c | d d e e f f bei Reinmar 156, 10; a b a b | c d c d bei Johansdorf 87, 29 und Hartmann 209, 25. 821. Walthers A b g e s ä n g e gehn mindestens ein dutzendmal über 5 Verse hinaus. Viermal sind es 8 Verse: 92, 9 und 103, 13 mit 32 Takten; 44, 11 mit 36 Takten; 47, 16 mit 42 Takten. Neun Verse: 47, 36 mit 38 Takten. Auf 12 Verse (dreimal a a a b § 767, 1) bringt es 76, 22: 48 Takte. Daß der Abgesang Verse von unter und über vier Takten reichlicher benützt, zeigte uns Abschnitt 36. Auch den Waisen ist er noch in der entwickelten Lyrik zugänglicher. Zu den R e i m stellungen des Aufgesangs bringt er namentlich die umschließende, a b b a, hinzu (§ 768). In zwei gleiche Teile kann der Abgesang zerfallen, nicht nur da wo er dem Aufgesang gleich ist (§ 819). Die Töne Walthers 11, 6; 18, 1. 29; 103, 13 wandeln die Stollen im Abgesang ab, und bei Hartmann 207, 11 besteht keine Verwandtschaft. Bei solchen halbierten, stollig aussehenden Abgesängen konnte die W e i s e die Hälften unterscheiden, so daß der Gesamtton nicht aus 1 = 2| 3 = 4 bestand. So zeigen es Gervelins Nr. 15, Wizlavs Nr. 41 und 44 in der JenL 2, 22. 51 f. Auch dreiteilig im Sinne des A = B e\s C kann der Abgesang sein, also dem Formgedanken des ganzen Tones folgen; gleichsam ein ascensus tripertitum. Den dritten Teil liefert der Kehrreim bei Wintersteten HeidL 297. 298, 81; 300, 86. Bei Rubin ib. 585 folgt einem der bekannten a b c :|| -Aufgesänge der dreiteilige Abgesang: 6k . d | 4V . e :|| 4 w v . d | 4V . e. Einen siebenversigen Abgesang kontrastiert mit den Stollen Walther von Metze HeidL 581: 4v.a|6k.b:|| fast gleich dem Gesamtton Morungens 144, 17 s. §754.
Dreiteilige Abgesänge von acht Gliedern haben Brennenberg HeidL 630, 11 und Rinkenberg SchwM 29. Der letzte ahmt sogar darin den Gesamtbau nach, daß die Schlußgruppe nach einem
WIEDERHOLUNG VON STOLLENGLIEDERN.
Zwischenspiel (Kurzem Reimpaar f: f) die gruppe wiederholt: die 'da capo-Form' A b g e s a n g s . Der Grundriß ist: Aufgesang 4V . a: 6v. a | 4V . x — c: — c| Abgesang 4V . d | 6k . e:|| 4v . f: 4V . f | 4V . x
327
vorangehende Zwillings(s. u.) i n n e r h a l b des | 6k . b — | 6k . e.
822. Abgesang und Stollen bauen selten mit lauter ungleichen Steinen. So bei Veldeke 58, 1 1 : im Aufgesang nur ) 4 w v , im Abgesang nur die schlanken (A) 4s und (A) 4k. Mehrmals hat Johansdorf einen ohrenfälligen Gegensatz: 86, 1; 91, 36; 93, 12. Sieh die Fälle mit Sechstakter- gegen Viertakterreihen in § 791. Am andern Ende stehn die Töne, deren Abgesang metrisch g l e i c h ist dem Stollen oder dem Stollenpaar. Auch manche weiteren Formen verzichten auf neue Bauglieder im absteigenden Teile. Die Menge der Töne liegt zwischeninne. Der Brauch der F r ü h s t u f e war der: Im ganzen dienen die Verstypen — die ja noch nicht so mannigfach sind — gleichmäßig beiden Teilen. Man konnte unterscheiden: Aufgesang Langzeilen, Abgesang Kurze Reimpaare o. ä. (§747). Vor allem liebte der Abgesang irgendeine steigernde Zugabe (§ 735): das Mehr eines Unpaarigen, einen Sechstakter für den Viertakter, einen vollen Vers für den stumpfen, oder auch einen Vers mit Zerdehnung (MF 32, 1; 4, 17). Diese abstechenden Glieder stehn meist an letzter oder vorletzter Stelle; das Strophenende soll N e u e s bringen. Höchstens von MF 6, 5 und 16, 1 kann man sagen, daß die Coda nach einer Unterbrechung das Motiv des Stollens wieder anschlägt. Eben dies wird später herrschender Brauch. 823. Ausnahme ist es, daß der Abgesang den Stollen zu A n f a n g wiederholt: sogar mit gleichen Reimklängen bei Veldeke 61, 9 und noch ohrenfälliger bei Rugge 106, 24, Morungen 134, 14. Dann bietet die Strophe metrisch (nicht melodisch!) das Bild a = a | = a . b. Gewöhnlich geschieht das Gegenteil: der Abgesang beginnt mit einem 'Zusatz', und dann kehrt der Stollen wieder als Strophenschluß. Also das Bild a = a ] x . a. Dieses x, der Zusatz, kann auch wieder dem Stollen entnommen sein: dessen Abvers, ein- oder mehrmals gesetzt; oder sein Anvers — oder mehrere Stollenverse. Die verschiedenen Arten sieh bei Bartsch, Germ.. 2, 291 ff.
328
DER
'DRITTE
STOLLEN*.
Der vielleicht älteste Fall ist Veldeke 61, 18 *D6 man der rehten minne phlac' ( = Johansdorf 92, 14). Es ist der in § 755 vorgeführte Ton; aber auch viele andre Spielarten des beliebten Siebenzeilers § 753ff. folgen dem Grundsatz: die Schlußterzine wiederholt erst den Stollenanvers oder (häufiger) -abvers, dann den ganzen Stollen: aß aß jffa/9'
Rhythmus, nicht
den Reim kommt es hier und im folgenden an.) Hierher noch Veldeke 61, 33. Als Gegensatz nehme man 60, 29, wo nach Wiederholung des Stollenabverses 2mal der A n v e r s kommt, also | ß a a . Im allgemeinen hat Veldeke die unverkennbare Neigung, den Ton a n d e r s zu enden als den Stollen. Die ersten Belege in sechstaktigen oder daktylischen Siebenzeilern gibt Fenis 81, 30; 83, 11. Mit einem Zweitakter nach der Terzinenspitze: Adelnburg 148, 1. Gutenburgs daktylischer Neunzeiler 77, 36 wiederholt den Stollen nach dreimaligem Stollenabvers; also Abgesang ßßßaß. Bei Hausen treffen wir noch keine Spuren dieses Grundsatzes. Er taucht schüchtern auf in den genannten sieben Tönen der welschen Gruppe: erstarkt ist er bei Morungen (11 Fälle, darunter 'Sach ieman die frouwen'), und von ihm aus mag er seine nachmalige Gunst gewonnen haben. Ein 'Gesetz 1 wurde er nicht, auch nicht bei den Meistersängern: zu binden pflegen sich die nur an die Wiederkehr des letzten Stollenverses im Strophenschluß. 824. Gemäß diesem Grundsatz steht also der Stollen d r e i m a l in einem Tone: gepaart bildet er den Aufgesang, nach einem Zwischenspiel endet er den Ton. Man hat es die 'Technik des dritten Stollens' genannt. Sie zieht der Beweglichkeit des Abgesanges (§ 820) eine entschiedene Schranke. Wieder müssen wir uns die M e l o d i e dazu denken. Nachdem sie zu Beginn des Abgesangs neue Tonfolgen gebracht hat, lenkt sie in die Weise der Stollen zurück. Das JenL gibt viele Beispiele. Es ist ein Grundriß, der in der spätem Gesangs- und Spielmusik, bis heute, in Ehren steht. Der gewohnte erste Sonatensatz wiederholt Teil I : das entspricht dem Stollenpaar; Teil II beginnt mit einer 'Durchführung 1 oder 'freien Phantasie* und greift dann wieder Teil I auf: das entspricht unserm x . a. Diese 'da capo-Form' ist eine andre Art der Dreiteiligkeit: a : x : a. Sie geht wöhl zusammen mit der ersten, bekannten Art: A
=
Stollen
B Stollen
a
W
C Abgesang
x
a
UNGLEICHE STOLLEN.
329
E . Bernoulli, J e n L 2, 1 9 4 ; Roethe, Prager Deutsche Studien 8, 5 1 2 ; G . MülJer, DVjschr. 1, 9 3 f f . ; Abert, Grundzüge der Deutschkunde 1, 1 7 1 .
825. Besonders deutlich hebt sich der 'dritte Stollen* schon textlich hervor, wo er auch die Reimklänge der beiden ersten erneuert. Als Probe geben wir eine große, 13 zeilige Strophe des Teschlers (SchwM 8, 8). Ihr Versstoff sind die vier Typen /\ 6 k, A 6v, A 6v, A 8s. Der Aufgesang hat die freiere Schweifreimform (§761 ff.); der Abgesang bringt als Zwischenspiel oder Zusatz ein Langzeilenpaar A8S|A6V:||, dann die Terzine des Stollens mit gleichen Reimklängen, auch wieder V. 1 und 2 als auftaktlos abgehoben. Der Abgesang in sich ist dreiteilig nach § 821, und wenigstens den Abvers seiner Teilstollen (A 6V) wiederholt er am Schlüsse. Also Z. 1-3 = 4-6 = 11-13; Z. 7. 8 = 9.10; Z. 8 / 1 0 = i3Fróuwe minne, näch der grózen swcérè miner séneden ie getràgenen àrebéit, 3 der ich niuliche vü unsanfte entladen bin, dém gelich als ich niht miìede wérè, häst du àber ài ze balde üf mich geléit, 6 des sich erkümet min lip, min hérze und ài min sin. Ich méine eins réinen, suezen wibes niuwen minneläst òwé, war ümbe häst du, liebe, däz getän? 9 ich bin doch, dém noch sénder swière sélten ie gebräst /\ : du sòl test mich billiche ein téil gerüowen län. din last ist mir körne tràgebaèrè 12 vón der é getragenen bürde unsénftekéit : diu hät mir ltp und ài den müot vii näch dä hin. 826. Gegen die Gleichheit der Stollen scheint eine kleine Zahl von Tönen zu verstoßen. Nur fragt sich, ob man da von freierer, abgewandelter Dreiteiligkeit reden oder diese Formen zu den unstolligen schlagen soll. Die Melodie hätte dabei mitzusprechen. Am wenigsten tastet es die Stollenregel an, wenn nur die Reimfolge verschoben ist. Die Deutschen fanden auch dies bei den Welschen, zumal den Provenzalen, vor, ahmten es aber spärlich nach. Die eine Art: a b b a im Aufgesang (§768) erscheint bereits bei Veldeke 66, 1; Fenis 80, 1; 84, 10; Schwangau HeidL 531, 22. Dann bei Walther 44, 35; 66, 21 (s. u.); Obernburg HeidL 1121. (Das Sonett, wohlgemerkt, hat a b b a innerhalb des einzelnen Stollens.) Demnächst gibt es Reimverdrehung in Terzinenpaaren (§ 763) : a a b | b b a bei Schwangau HeidL 528; Winli SchwM 15, 2 (§ 662) ; a b a I b a b bei Rubin HeidL 586; a a a | b b a bei Wachsmut HeidL 615; a b c | c b a bei Neifen 42, 35; * Neidhart MS 3, 187B; a b c | b a c bei Wernher HeidL 1128, 12.
330
ZAHL
DER
STROPHEN.
Endlich vier- und fünfreimige Gruppen: a b c d | d c . b a bei Neifen 32, 14; a b c d e | a e d c b bei Pfeffel SchwM 5; a b c d x [ d c b a x MS 3, 468n. Eine Reimfreiheit andrer Art zeigt Neifen 16, 9: den rhythmisch regelrechten Stollen antworten Reime erst im Abgesang. Zu vergleichen mit der Erscheinung in § 829. Für r h y t h m i s c h e Störung der Stollengleichheit nennt Bartsch, Germ. 2, 288, Fälle, die nach andrer Deutung verlangen. Zu Walther 116, 33 vgl. Wilmanns-Michels 2, 392. Es bleiben ein paar Töne, denen man l Umordnung der S t o l len* zuerkannt hat: zwei gleiche Gruppen stehn nach der ungleichen ('Abgesang vor dem Aufgesang') oder zu beiden Seiten derselben oder in ihrer Mitte. Wofern die Musik diese Teile auf die bekannte Art kennzeichnete, wäre es gleichwohl eine innerlich andre Dreiteiligkeit als die gewohnte. Man bemerke doch, daß auch echte K e h r r e i m e — die sich dem Abgesang vergleichen — als Spitze, als Achse und als Rahmen der Strophe dienen können. V o n den Fällen bei Plenio, Beitr. 41, 107; 42, 459; Arch. f. n. Spr. 136, 2 1 , kämen a m ersten in Frage *Walther X V I I 1 : A 4 w v . a : 6 k . a ; / \ 4 v . b | v . a | v . b : v . b | v . a; 6 (y) v . d : v . c | 6 (e) A 6s . c : || ; W a . 66, 21: v . d : v . e ; v . f | v . g : v . g | v . f . Schwerlich gehören her W a . 26, 3 (§ 798); 84, 14; W o l f r a m Nr. 4 ; Neifen 16, 9 (s. o.). L a t . Fälle aus den CBur. vermutet Brinkmann, L a t . Liebesdichtung 101.
827. Zur Dreiteiligkeit gehört schließlich noch dies: sie kann sich, wieder nach welschem Vorgang, auf die S t r o p h e n z a h l des Liedes erstrecken. Das mehrstrophige Lied zieht drei, fünf, auch sieben Gesätze vor; bei den Meistersingern überwiegen die 'gedritten und gefünften Bare'. Eine Dreiteiligkeit des Gedichtes bedeutet dies, sofern das Verhältnis 1 : 1 : 1 oder 2:2:1 oder 2:2:3 besteht. Doch blieb ja die Strophenmelodie eine, stellte also kein A = B sns C her! Diese hörbare Dreiteilung bewirkte in manchen französischen Liedern der Reim, indem z. B. Strophe 1/2, 3/4, 5 je ihre Reimklänge für sich hatten — unbeschadet der Gleichstrophigkeit. Diese Reimhäufung wurde in deutscher Sprache nicht Brauch. Ein einzelnes Wagnis dahinüber ist Lichtensteins Fünfstropher S. 443: Str. 1 und 3 sind einklängig (7 mal -än bzw. -agen); den 7 Reimen von 2, a-g, antworten die von 4; die Schlußstrophe nimmt nach einklängigem Aufgesang (-ät) die drei Abgesangsklänge von 2 und 4 auf: also vergleichbar dem Zurücklenken des Abgesangs zum Stollen (schluß) § 823. Wackernagel, A f r z . Lieder 174; Gröber, Grdr. II 1, 668; Saran, Beitr. 23, 6, J e n L 2, 148; Wilmanns-Michels, Walther 1, 349. — E t w a s andres ist gedankliche Dreiteilung eines Liedes: Brecht, ZsAlt. 49, 42ff.
GELEIT.
KÖRNER.
33i
828. Lied und Spruch sind einstrophig oder gleichstrophig. Gleichstrophigkeit erfordert Übereinstimmung im rhythmischen Gerüst und in der Reimfolge, nicht in den Reimklängen. An die Übereinstimmung im rhythmischen Gerüst stellte man noch kleinere Ansprüche, solange man den Auftakt und bedingt die Kadenz frei gab (§ 643. 650). Die Freiheit im Auftakt wirkt sehr lange nach; von Kadenzentausch ist schon seit Hausen und Veldeke wenig mehr übrig (§656ff.): solche Reste mußten bei späteren Dichtern, wie Neifen, Tannhäuser, Rinkenberg, wohl als Bruch der Gleichstrophigkeit wirken; vielleicht als Zugeständnis an den volksmäßigen Gruppenbau. Vereinzelt kommt die Erscheinung auch in frz. Lyrik vor 1 ). Viel merkbarer überschritten die Gleichstrophigkeit die Provenzalen (weniger die Nordfranzosen) mit ihrer tornada ('Rückkehr' ; afrz. envoi); wofür Diez und Wackernagel 'Geleit' sagten 2 ): Am Ende des Gedichtes wiederholt man den Abgesang, ein oder zweimal, auch nur einen Schlußteil desselben, mit gleichen Reimklängen; zuweilen mit gleichen Reimwörtern, auch sonstiger Wortwiederholung. In Deutschland blieb es bei einzelnen Versuchen. A m nächsten steht der welschen Art Walther 73, 23: zweimalige Aufnahme des ganzen Abgesangs (zusammen 24 Takte) mit Wortwiederholung. Sechs Lieder Lichtensteins beschränken sich auf kürzere Anhängsel (2-12 Takte), und zwar viermal mit neuem Reimklang: S. 414. 428. 447. 518; ohne solchen S. 431. 456. Für sich steht Morungens Zweistropher 137, 10, indem die 2. Strophe den Abgesang c b c ersetzt durch c c c d d d (lauter 4V)3) J ) Tobler, Vom frz. Versbau 15f. 2 ) Stengel, Gröbers Grdr. II 1, 83; Wackernagel, Afrz. Lieder 223f. 247. 3 ) K r a u s , Zu den Liedern M.s 37; Singer, Beitr. 44, 444-
829. Dies hat über die Strophe als oberste Formeinheit (§ 37) hinausgeführt. Es ist der R e i m , der in kunsthafter Lyrik auf die eine oder andre Art die in sich ruhende Geschlossenheit der Strophe aufheben kann. Die Trobadors hatten es aufgebracht, gleiche Reimklänge an den entsprechenden Stellen mehrerer oder aller Strophen zu wiederholen; coblas unissonans 'gleichrangige Gesätze* ('einklängig' wäre etwa andres). Die Nordfranzosen ahmten es maßvoll nach. Der deutsche Sprachstoff ließ diese Künste so wenig aufkommen wie den Haufenreim (§442). Nur diese beschränkte Art von Durchreimung des Gedichtes lernte man den Welschen ab: die rims estramps (bei Dante chiavi), die Körner, wie man sie
332
STROPHENBINDUNG.
DER
LEICH.
nach den Meistersingern nennt 1 ): Ein Vers erscheint innerhalb seiner Strophe als Waise, reimt aber auf das entsprechende Glied der übrigen Strophen. Auch auf zwei Reimklänge können die Körner eines Liedes entfallen (Neifen 34, 26). Den ersten Beleg gibt Veldeke 59, 22. Auffällt, daß er in der welschen Gruppe allein steht. Einsame Kunststücke — im Geschmack des Provenzalen Arnaut Daniel — sind die Lieder, die jeden Strophenvers als Korn behandeln, d. h. ihm erst in einer spätem Strophe den Gefährten geben: Neifen 11, 6; z. T. Lichtenstein S. 443 (§ 827). An der äußersten Grenze des Metrischen liegt die Erscheinung: daß Klänge oder Wörter gelegentlich, ungeregelt wiederkehren in einer Nachbarstrophe, selbst in einem zweiten Liede, sei es an entsprechender Stelle, sei es sonstwo, end- oder inreimend. Wieweit diese Strophenbindung oder Liedbindung durch Gelegenheitsreim als bewußte Kunst oder als Armut und Zufall gelten soll, die Frage hat vor allen Kraus zur Debatte gestellt (Die Lieder Reimars d. a. 1-3 passim)2). ' ) Stengel, Gröbers Grundr. II i, 83; PGrdr. 1 1 7 ; J e n L 2, 148. Zu Arnaut Daniel s. Diez, Leben und Werke der Troubadours 286. *) Dazu Fr. Vogt, ZsAlt. 58, 205; G. Müller, ib. 60, 33ff.; Kofimann (§753) 1 3 ; Schneider, Beitr. 47, 256f.; Brinkmann, Lat. Liebesdichtung 96f.
830. Deutlich trennt sich von Lied und Spruch die dritte Art der altdeutschen Lyrik: der Leich. Dieser Name, technisch gebraucht, begegnet zuerst zu dem Leiche Rugges MF 96, 1, dann noch ein halb Dutzendmal. Den Gedichten, die wir heute so nennen, ist gemeinsam dieses Merkmal : Sie bestehn nicht aus gleichen Strophen, sondern aus wechselnden Gruppen, und diese Gruppen sind selten dreiteilig, stollig, sehr oft zweiteilig, halbiert. Syntaktischer Sprung über das Gruppenende ist nicht so spärlich wie der Strophensprung (§ 720). Die zwei Leichmelodien der JenL (2, I4ff. 71 ff.) bestätigen die Erwartung, daß mit dem metrischen Wechsel der Gruppen der musikalische zusammenging. Der Leich ist kein Strophenlied, sondern eine durchkomponierte Arie (§ 37). Dabei liebt er doch die berechnete Wiederkehr mancher Gruppen, so daß seine Glieder in weitem Umfang als vorbestimmt erscheinen, nicht als Einfälle des Augenblicks wie in unsren Freien Rhythmen. Die Mehrzahl der Leiche ist nicht kunstärmer, sondern formschwerer als das Lied, wie sie es auch im Umfang weit übertreffen. Prunkstücke der ad. Lyrik hat man die Leiche genannt.
D E R LEICH.
DIE
SEQUENZ.
333
Nach dem Inhalt unterscheidet man Minneleich, geistlichen Leich, Tanzleich. Die beiden ersten tauchen ziemlich gleichzeitig auf, der Minneleich alsbald mit einem der stattlichsten und formreichsten Stücke, dem Leiche Gutenburgs 69, 1: 343 Zeilen (389 Reimglieder); — der fromme Leich in Rugges Kreuzzugsmahnung nach des Rotbarts Tode (1190) und in dem anspruchsloseren Ausläufer der Mariensequenzen, dem von Muri (MSD. 1, 160; Waag 178). Tanzleiche erscheinen seit etwa 1230 mit Lichtenstein und Wintersteten. Von Morungen, Reinmar, Hartmann, Neidhart kennen wir keine Leiche; Walther hat sich einen dogmatisch schulhaften abgequält. Denkwürdig verschmelzen sich Minne- und Kirchenieich in dem üppigsten Schoß der Gattung, Frauenlobs Marienleiche (518 Zeilen). An Verszahl gehn Nachahmer noch drüber (Meisterlieder der Kolmarer Hs. Nr. 6). Um die Mitte des 14. Jahrh. erlischt der deutsche Leich. Den lyrischen Daktylus, seinen Altersgenossen (§ 679), hat er überdauert. Die beiden Fremdlinge konnten sich in deutscher Sprache nicht fest einbürgern. Warnen muß man vor dem Trugbild der E t y m o l o g i e . Die Zugehörigkeit des Namens leich zu der Sippe von got. laikan 'hüpfen erlaubt k e i n e Schlüsse: weder auf agerm. Wurzel der Gattung noch auf Zusammenhang mit Tanz. Denn über den a h d . Sinn von leich: 'Tonstück, Melodie' dürfen wir nicht zurück. (Dieser allgemeine, unliterarische Sinn lebt mhd. nach, z. B. NibL 2002, 1; 2007, 3 von den Weisen der Fiedel, wie 2004, 2 die dcene.) Von einer Zeit ab hat man dieses Wort für Melodie unterscheidend angewandt auf die lat. Sequenzen; ob dieser technisch verengte Sinn schon vorliegt in Notkers 'daz zesingenne getän ist also lied unde leicha', stehe dahin (Steller, Beitr. 45, 309). Von der Sequenz ging dann der Name leich auf die deutschen Nachahmungen über. Noch zu viel folgerte Paul, PGrdr. 132, wenn er meinte, das ahd. leich bezeuge eine Art (deutscher) Gedichte irgendwie verwandt mit der Sequenz.
831. Vorfahr des Leiches ist die lateinische Sequenz. Eine besondre Gattung des Kirchengesangs; eine Schöpfung des 9. Jahrhunderts. Zugrunde lagen Melodien, die vorlängst aus dem ost- in das weströmische Ritual herübergekommen waren. Sie enthielten lange Tonfolgen, 'Melismen, Vokalisen', auf einzelne Textsilben, namentlich auf die des AUeluia, das man zum Schluß des Graduale sang; es konnten z. B. 70 Töne auf das -a fallen. Das Neue war nun, daß man, um diese wortlosen 'longissimae melodiae' besser zu behalten, lateinische Texte darauf verfaßte, so zwar daß auf jeden Ton ¿ine Silbe kam; 'syllabische Musiktexte\ Den Anfang damit machte Frankreich. Angeregt durch ein welsches Messebuch, dichtete Notker Balbulus in St. Gallen seit etwa 860solche Texte; man nannte sie, wie schon früher die wortlosen Tonfolgen, 'sequentiae'. Notker hat dann auch Melodien
334
DIE
SEQUENZ.
ähnlicher Art, mit zugehörigen Texten, neu geschaffen. Von St. Gallen aus gewannen diese Gesänge weite Verbreitung. Schon in der Ottonenzeit dichteten lateingelehrte Fahrende weltliche, z. T. schwankhafte Stücke in Sequenzenform: die modi der Cambridger Handschrift, 'Schneekind', 'Lantfrid und Cobbo' u. aa. (MSD. i , 40ff.). Den R h y t h m u s übernahmen die Sequenzen von den genannten Tonfolgen. E s waren taktfreie, unmetrische Rezitative; die Sprachbehandlung war wägend, d. h. der dynamischen Linie der Töne schmiegte sich der natürliche Satzrhythmus des Lateins an: Grates nunc ömnes reddämus dömino deo, | qui sua nativitäte nos liberävit de diabölica potestate. | Verse im gewohnten Sinne waren diese 'Prosen 1 (wie sie auch hießen) ebenso wenig als der Gregorianische Choral. Daher gab es auch keine eigentlichen Strophen; wohl aber berechnete G r u p p e n , die sich nach Tonfolge wie Silbenzahl und Akzentlage entsprachen. Bei Notker herrschte der Grundriß: ( m ) a a b b . , . . (ß). D. h. zwischen einem (entbehrlichen) Eingangs- und Schlußsatze stand eine Folge von paarigen Gliedern ('versiculi'); mit andern Worten: die ungleichen Gruppen des Hauptteils bestanden je aus gleichen Hälften. Dies ist die 'niedere Responsion'. Auch schon im 9. Jahrh. erscheint in Sequenzen des Klosters St. Amand die 'höhere Responsion': eine ganze Folge von ungleichen (paarigen) Gruppen kehrte rhythmisch und melodisch wieder; der 'doppelte Curaus' (Winterfeld). Außer Eingangs- und Schlußsatz konnte ein Mittelsatz dazu treten; Grundriß (0) a a b b . . . . (y) a a b b . . . . (ß). Auch die a, ß, y konnte man aus gleichen Hälften aufbauen. Später vermehrten sich die Baurisse. Den Grundsatz der Paarigkeit, der Verdoppelung im kleinen wie im großen, erklärt man aus dem Wechselvortrag durch zwei Chöre. 832. Rhythmisch war die Sequenz das Undeutscheste, Fremdländischste, was sich erdenken läßt: ein silbenzählendes Rezitativ ohne versmäßige Steigerung des Satzfalles, mit wechselnden, aber genau abgezirkelten Gruppen. Den schönen Ausdruck von der 'eignen tönenden Germanenkultur' (Moser) hätte man h i e r sparen dürfen! Seit dem 11. Jahrh. nahm die Sequenz metrischen, vershaften Zeitfall an, auch mehr oder minder reichen Reimschmuck. Eine bedeutsame Annäherung der einstigen 'Prosen' an den Hymnus. Damit wurde die Sprachbehandlung die allgemein versübliche.
SEQUENZ,
DESCORT,
LEICH.
335
d. h. bedingt wägend (§ 440. 467): nil tecüm est illaudäbil6, 11 tu quippö germ^n probäbilö. Von der alten, nicht liedhaften Eigenart blieb bewahrt der Wechsel ungleicher Gruppen. Erst in dieser Gestalt fand die lat. Sequenz Nachfolge in provenzalischer und in deutscher Sprache. Wie die provenzalischen Descorts, sind die deutschen Leiche keine Rezitative, sondern Verse: ihr innerer Bau folgt den bekannten Füllungsregeln des Liedverses. Zumeist sind es die Kurztakte mit Auf und Abfüllung; selten streut man 'daktylische' Zeilen ein (§ 679). V o r dem Auftreten deutscher Leiche ist metrische Einwirkung der Sequenz auf deutschsprachige Verskunst nicht zu erkennen (§ 522. 527)Im 12. 13. Jahrh. stand neben der geistlichen Sequenz die weltliche der Vaganten, darunter auch Liebesdichtung; z. B. in CBur. p. 59. 121. 134. 153. 2x7 nr. 154. Obwohl provenzalische Descorts vor 1200 spärlich auftauchen, ist ihr Einfluß, neben dem lateinischen, kaum zu entbehren, denn ein Teil von ihnen stimmt im Aufbau (niedere -f- höhere Responsion) näher zu etlichen deutschen Leichen (Gutenburg, Lichtenstein, Hadlaub III); vgl. Gottschalk, Der deutsche Minneleich 29ff. Die Annahme, der deutsche Leich habe eine weitere Wurzel: in volkstümlichen Tanzformen, ermangelt noch der Begründung. Ohne die Zaißaw-Etymologie (§ 830) wäre man kaum darauf verfallen. In ihrem Baue sondern sich die deutschen Tanzleiche von den übrigen nicht ab. Zu den bei K a u f f m a n n , DMetrik § 60 und 119, genannten Schriften k o m m t : Ehrismann, ZsPhil. 36, 405f.; Lundius, ib. 39, 3 7 3 f f . ; Dreves, Ein Jahrhundert lateinischer Hymnendichtung S. I X ; Plenio, Beitr. 39, 29off.; Lisbeth Jörß, Das Arnsteiner Mariengebet 1920; Steller, Beitr. 45, 307ff.; Hase, Der Minneleich Meister Alexanders 1921; P. Wagner bei Singer, Die Dichterschule von St. Gallen I 5 f f . ; G. Müller, D V j s c h r . 1, 102; R . Ficker ib. 3, 507; Moser, Gesch. d. d. Musik 3 1, i o o f f . ; Abert, Grundzüge der Deutschkunde 1, 167; MüllerB l a t t a u , Germanische Wiedererstehung 457.
833. Der Bauplan der deutschen Leiche ist sehr mannigfaltig. Allen gemein ist eigentlich nur das verneinende Wahrzeichen: die Ungleichstrophigkeit. Der 'Grundsatz der Paarigkeit', allgemeiner der Gruppenwiederkehr, tritt auf verschiedenste Art hervor. Ordnen wir d a n a c h drei Dutzend Leiche; die Unterschiede der Versarten und Gruppenarten stellen wir zurück. Wir fragen, auf wie viele rhythmische Typen die Gruppen des Gedichtes entfallen, ob diese Typen zweiteilig sind, und in welcher Art sie sich wiederholen. Die Gruppen kann man verschieden begrenzen; soweit als tunlich folgen wir den Ausgaben. Das Verhältnis der Gruppenzahl zur Typenzahl ergibt gleichsam den Index des Leiches. Je höher der Index, um so spärlicher
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GUTENBURG, RUGGE,
WALTHER.
die einmaligen, um so zahlreicher die wiederholten Typen, um so näher kommt es dem gleichstrophigen Liede. Unsre Anordnung ist nicht als ein Nach- und Auseinander zu verstehn. Auch zeitliches Vorrücken ergäbe kein Bild der Entwicklung. Der Leich ist eben nicht geworden und gewachsen innerhalb der deutschen Vertreter (§ 721). Die Leiche des einzelnen Dichters können auf verschiedene Arten entfallen; weit auseinander liegende Formen sind es bei Gliers (§ 836 und 840). 834. Gutenburgs Leich, MF 69, 1, besteht aus 12 großen Gruppen. Zweiteilig sind nur 2. 3. 6. 7 . 9 . 11. 12. Gruppe 1-5 kehren wieder in 7-11, alle mit gleichen Teilgliedern, aber alle nach der Z a h l der Glieder abgewandelt. Dazwischen steht die einmalige Gruppe 6, am Schluß die einmalige Gruppe 12. Also dieser Grundriß: 1. Hauptteil Gruppe 1-5 Z. 1-168
Mittelsatz Gruppe 6 Z. 169-188
2. Hauptteil Gruppe 7 - 1 1 = i a - 5 a Z. 189-327
Schlußsatz Gruppe 12 Z. 328-343
Der 'doppelte Cursus* ist also f r e i befolgt. Die 12 Gruppen bilden 12 verschiedene Typen; niederster Index, vollkommene Ungleichstrophigkeit. Rugge MF 96, 1: es sind 15 (kürzere) Gruppen; wir rechnen X b und X ° der Ausgabe als ¿ine. Sie entfallen auf 12 Typen in dieser Folge: 1. 2. 3. 4. 5-~6 | 7. 7. 8. | 9. xo. 11 | 7. 12. 12. Typus 12 weicht von 8 nur in ¿iner Kadenz ab, so daß der Schluß 7. 12. 12 (Z. 99-120) freie Wiederholung ist des Mittelstückes 7. 7. 8 (Z. 61-80). Die einmaligen Gruppen 1-6 und 9-11 bilden hier also Eingangs- und Mittelsatz. Die höhere Responsion füllt wenig Raum. Die niedere beherrscht alle Typen mit Ausnahme von 9 und 10. Walther 3, 1; sieh die Gliederung bei Wilmanns-Michels 2, 56ff. Der Leich ist, wie gewisse Sequenzen schon des 9. Jahrh. (§831), fünfteilig: er hat Eingangs-, Mittel- und Schlußsatz mit einmaligen Typen, dazu die zwei sich antwortenden Hauptteile Z. 13-74 ~ 103-158. Genau entsprechen sich diese in zwei Gruppen (3 und 7), die übrigen 6 weichen ab, z. T. nur in der Z a h l der Teilglieder ( 2 : 1 3 ; 4 : 1 4 ; 5: 15), z. T. aber in den V e r s a r t e n : hierin ist die höhere Responsion noch freier als bei Gutenburg. Auch die niedere besteht nur in 9 von den 19 Typen. Also im ganzen betrachtet, eine reiche, aber ungebundene Anlage 1 ). Der Index ist 2 1 : 1 9 . Die Typenfolge ist diese: 1 | 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9 110. 11. 1 2 . 1 1 3 . 3 . 1 4 . 1 5 . 16. 7 . 1 7 . 1 8 | 19. Von der Notwendigkeit, die Walthersche Freiheit in Lichtensteinsche Strenge umzudichten, hat Steller a. a. O. nicht überzeugt.
LICHTENSTEIN;
KONRAD
V. W . ;
ALEXANDER
U. A A .
337
835. Lichtensteins Leich S. 422 ist vierteilig wie die zwei erstgenannten, aber ohne Mittelsatz. Zwischen einem Eingang von nur 32 Takten und einem Schlußsatz von 92 Takten stehn die beiden Hauptstücke aus je 6 Gruppen mit völlig genauer Entsprechung; das Hauptbeispiel von strengem 'doppeltem Cursus\ Auch die Zweiteiligkeit im kleinen fehlt nur in Typus 4, sowie in den Rahmensätzen. Planvoll ist auch der Schlußsatz gebaut, indem er Teilglieder der Wiederholungsgruppen erneuert. Rechnet man den Schlußsatz als ¿ine Gruppe, so ist der Index 14:7. Der Grundriß ist: 1 | 2. 3. 4. 5. 6. 5 | 2. 3. 4. 5. 6. 5 | 7 Am nächsten kommt dieser Anlage Otto zem Turne I. SchwM 18, 1: 1 I 2. 2 | 3. 4. 5 | 3. 4. 5 | 3. 4 | 6. 7 13 Gruppen auf 7 Typen; viere von diesen sind zweiteilig. Die Fortführung des verdoppelten 3. 4. 5 in dem 3. 4 ist ein Anlauf zu dreifachem Cursus, wie ihn die lat. Vagantensequenz zeigt CBur. p. 217 nr. 154 (1. 2. 3 | 1. 2. 3 | 1. 2. 3). Ecksätze um einen Wiederholungskern hat ferner Alexander D L 71, i, die Gruppenteilung an zwei Stellen zu berichtigen nach JenL 2, I4ff. Es sind 22 Gruppen auf 18 Typen: die Wiederholung beschränkt sich auf die vier Gruppen 10-13 = 14-17- Die vorangehenden Z. 1-66, die schließenden Z. 103-144, zusammen drei Viertel des ganzen, bestehn aus einmaligen Typen (auch die zwei Schweifreimgruppen Z. 29-40 unterscheidet die Weise). Nur 2 Typen, 3 und 10, sind nicht zweiteilig. 836. Auch der 1. Leich Konrads von Würzburg umrahmt mit zwei Ecksätzen aus einmaligen Gruppen einen Mittelteil aus Wiederholungsgruppen. Aber von doppeltem Cursus kann hier nicht mehr die Rede sein: die Typen wiederholen sich p a a r w e i s e , nicht als ganze Folgen (a b c . . : a b c . .). Außerdem greift der Mittelteil 2 Typen des Eingangssatzes auf (2 und 6). Die niedere Responsion führt Konrad durch. Wir rechnen Z. 209-220 als ¿ine zweiteilige Gruppe, dagegen die langen Gruppen 133-156 und 157-176 als je zwei, ebenfalls zweiteilige; dann erhalten wir diesen Bauplan von leidlich klarer Symmetrie : 1. 2. 3. 4. 5. 6 | 2. 2. 7. 7 1 8. 2. 6 1 9. 9. 10. 10 | 11. 12. 13.14. 15. 16 Tannhäusers Leich Nr. 6 legt zwischen einen 9 versigen Eingang und einen 14 versigen Schluß 32 Vagantenpaare (§ 743) in geschlossener Folge. Das ist ein Grenzfall nach dem gleichstrophigen Liede hin. Der Index ist 37:4. Zum Unterschied von den fünf letzten Leichen bringt der Zwetersche die einmaligen Typen, 20 an der Zahl, als MittelH e u s l e r , Deutsche Versgeschichte II.
22
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Z W E T E R , D A M E N , B O T E N L A U B E N , T A N N H Ä U S E R U. AA.
und Hauptstück; die Ecksätze übernehmen das Wiederholen, indem sie dort sechs-, hier viermal den gleichversigen (4 V) Fünfzeiler a b a b b (§ 752) hinstellen. Auch der bunte Wechsel der Typen (Index 32:22) bildet einen Gegensatz zu Tannhäuser Nr. 6. Die spärliche Zweiteiligkeit (9 Typen) und der Mangel jeder höhern Symmetrie stellen Reinmars Leich zu den zwanglosesten. Noch mehr Typenwechsel haben der Leich des Herman Damen JenL 2, 71 ff. (Index 34:26) und der erste des von Gliers SchwM 20, 1 (Index 1 6 : 1 3 ) ; beide ohne abgehobene Ecksätze. Die Melodie Damens schränkt das Wiederholen auf die Anfangshälfte ein (Gruppe 1-19); Neigung dazu wird uns weiterhin begegnen. Allein steht der andre Leich darin, daß umgekehrt erst der Schlußteil, von Z. 81 an, mit dem Wiederholen beginnt. 837. Merkmal der folgenden Leiche ist, daß sie wiederkehrende Gruppen über den ganzen Verlauf ausstreuen. Das bisherige Gegenspiel der wiederholungsfreien Sätze fehlt. Das Durcheinander kann ohne erkennbaren Plan sein. So bei Heinrich von Sax SchwM 14, 1 : 27 Gruppen; 16 Typen, davon 14 zweiteilig; sieben kehren 1-3mal wieder, nie paarweise. Das letzte Auftreten von Typus 2 (an 9. Stelle), die Rückkehr von Typus 1 (an 19. Stelle) soll vielleicht in Drittel gliedern. Nächstverwandt ist Tannhäuser Nr. 3. Index 25:18. Nur 7 zweiteilige Typen, öfter als 3mal steht keine Form; paarige Aufnahme nur einmal. Bei ähnlich lockerm Bau kennen paarige und vierfache Aufreihung Wintersteten Nr. 2 (MS 1, 135) und Botenlauben (ib. 29). Index dort 40:20, hier 38:20. Der erste beginnt mit viermaligem 1, der zweite bringt seinen achten Typus 9mal. Bei beiden hält sich die Dichtigkeit des Wiederholens bis gegen Ende. Zweiteilig ist bei beiden nur die Hälfte der Typen. Botenlauben hat eine ungewöhnlich stark abgehobene Schlußgruppe (§777). Tannhäuser Nr. 4 unterscheidet sich darin, daß der letzte Vierteil die Typen 12-18 fast ohne Wiederholung aufreiht. Reicher an Wiederkehr ist Tannhäuser Nr. 1 (Index 3 8 : 1 3 ; nur ¿in Typus nicht zweiteilig). Gruppen ohne ihresgleichen neben sich sind hier in der Minderheit. Die erste Hälfte ist bei weitem wiederholungsreicher: 1. 1. 1. 1. 1. 2. 2. 2. 1. 1 | 3. 3. 4. 3. 3. 3. 3. 3. 4 Des Tannhäusers 2. Leich mit dem Index 27:3 geht wieder an die Grenze der leichhaften Gruppen Vielheit. Der Unterschied von Nr. 6 (§ 836) ist der, daß kein Typus auf so lange Strecken durchgeht: die beiden Hauptformen v . a | v . b:|| und w v . a | v . b : | | lösen sich unsymmetrisch ab.
ROTENBURG,
WINTERSTETEN.
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838. Manche dieser Leiche ohne doppelten Cursus erlangen irgendeine Symmetrie andrer Art. Nehmen wir bei Konrad Nr. 2 Z. 39-54 und 55-66 als je zwei Gruppen, dann verteilen sich ig Glieder auf 7 Typen in dieser Folge: 1. 2 1 1. 1. 3. 1. 1. 1 2. 2 | 4 | 1. 5. 6 1 7. 1. 5 1 6. 5. 1 Es fragt sich, wie weit die Musik diese Gleichgewichte hörbar machte. Mit der Zweiteiligkeit der Gruppen nimmt es Konrad streng wie in Nr. 1 (§ 836). Auch Rudolf von Rotenburg Nr. 3 (MS 1, 78) hat mehr planvolle Ordnung als die in § 837: 1. 1. 1. 1. 2. 3-3-3 1 2. 4. 2. 4. 2. 5 | 5. 5. 2 1 6. 2. 6 1 2. 7. 8. Man bemerke, wie hier Typus 2 siebenmal, einzeln, an ungerader Stelle steht. Paare treten hier noch mehr zurück als eben bei Konrad; das besagt um so mehr, als von den 8 Typen nur 3 zweiteilig sind. Unverkennbar wird die Dreiteilung in Rotenburgs Zwillingen Nr. 1 ( = Nr. 6) und 2. Nr. 1 hat diesen Grundriß: 1. 1. 1. 2. 3. 3. 3. 2 | 4. 4. 4. 4. 4 | 5- 6. 6. \ 2. 7. 4. 4. 8. 9 Mit dieser Häufung des 4. Typus muß es eine besondre Bewandtnis haben. Sie kehrt wieder in Rotenburgs großer Nr. 5: 1. x. 2. 2. 3. 3-4-5 1 4- 4- 4- 4- 4- 4- 4- I 5- 5- 6. 4. 7. 7. 7 . . . . (Index 57:18); und zwar hat Typus 4 hier ganz andern Rhythmus, den des Vagantenpaars (§743). Damit muß wieder der 5. Leich des Tannhäusers zusammenhängen; hier ist Typus 4 das Vagantenpaar, erweitert zu v | k :|| k (§ 752), und die Reihe sieht so aus: 1 . 1 . 1 . 1 . 2 . 2 . 1 . 1 . i . 2 . 3 | 4 . 4 . 4 . 4 . 4 - 4 - 4 | 5- 5- 6 . 7 - 4 - 4 i 8- 9 - 1 0 . 1 1 . 1 2 . 1 3 . 1 4 (mit dem wiederholungsfreien Schlußsatze, s. o., was Rotenburg nicht kennt). 839. Andremale geht die ordnende Neigung auf p a a r w e i s e s Wiederholen; in den bisherigen Grundrissen trat dies noch wenig hervor. Wintersteten Nr. 4, MS 1, 142 (Index 49:26), hat iömal zwei gleiche Typen beisammen; Nr. 3 (Index 51:15) 20mal. Wo die Typen in sich zweiteilig sind, ist dann die 'niedere Responsion' doppelt vorhanden. Rotenburg Nr. 4 hat diese Reihenfolge: 1. 1. 2. 2. 3-3-3 1 4- 5- 6. 6. 7. 7. 8: wohl beabsichtigte Zweiteilung des ganzen, wenn auch nicht als doppelter Cursus. 22*
340
FRAUENLOB; MURI; TALER, HADLAUB,
GLIERS.
Nächst verwandt ist die Gruppenfolge bei Niuniu MS 2, 171, nur statt des schließenden 8 ein 8.8 + zweiversige Coda; aber die Paare 1.1, 2. 2 und 8. 8 je durch den Schlußreim zur zweiteiligen Einheit gebunden. Weiter geht die Paarigkeit bei Wintersteten Nr. 1: 1. 1. 2. 2. 3. 3. 4. 4 | 2. 3. 5 1 2. 2. 3. 3 1 4 1 2. 2. 2. 3 1 2. 3; also mit dem hohen Index 22:5. Alle Typen zweiteilig. In seinen kürzeren Leichen 6 und 7, zu 14 und 6 Gliedern, hat Wintersteten die Ordnung a a b b . . . . ganz durchgeführt. Da erschöpft sich die Gliederung in der niedern Responsion, ohne wiederholungsfreie Eck- und Mittelsätze. Diese Form wird gegen 1300 die übliche; sie herrscht bei Frauenlob und den Späteren (Bartsch, Kolmarer Hs. 169). Frauenlobs Marienieich ist eine Folge von 20 Gruppen, jede zweimal gesetzt; also von 20 umfänglichen, streng zwiehälftigen Strophenmaßen. Schon der Marienieich von Muri (§ 830) vertritt diese Anlage — jedoch mit einem (dreiversigen) Eingangs-, einem (zwölfversigen) Schlußsatze: gemäß der alten Notkerschen Form (§831). Der Grundriß ist: i | 2 . 2. 3.3. 4.4. 5.5. '6. 6 | 7. 8. 840. Schließlich der Grundsatz, jede zweite Gruppe gleich zu bilden und auf diese Art das Dichtwerk zur Einheit zu heften. Wir finden diese Form bei oberen Alemannen. Der Taler, SchwM 4, nähert sich ihr erst mit der Reihe: 1. 2. 3. 2. 4. 5, wobei die Typen an ungerader Stelle hauptsächlich in der Zahl der 6v-Reimpaare abweichen. A u c h in ungeraden Gruppen wiederholt Hadlaub; zweiter Leich SchwM 27, 53: 1. 2. 3. 2. 4. 2 | 1. 2.1. 2 und mit besonders hohem Index (12:3) im ersten Leiche: 1. 1. 1. 1 | 2.1. 3 . 1 | 3. 1. 3. 1: wieder eine Annäherung an das gleichstrophige Lied, zugleich in der Schlußhälfte ein schlichter 'cursus triplex' (§ 835). Klarer führen den genannten Formgedanken durch die beiden metrisch übereinstimmenden Leiche des Gliers SchwM 20, 2 und 3: 1. 2 1 3. 2 1 4. 2 1 5. 2 1 6. 2. Zweiteilig ist hier nur der Wiederholungstypus 2. Auch die wechselnden Typen bauen grT. mit gleichen Steinen: das lange
G l i e r s , Hadlaub.
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Gedicht enthält neben sechs /\ 6s (in Typus 3) lediglich 165 A 4V, ist also nahezu gleichversig (§ 720); über die beiden schlichtesten Reimformen a a b b und a b a b geht nur Typus 5 mit drei a a a hinaus. Wir stehn da noch einmal an der Grenze der leichmäßigen Buntheit, doch in anderm Sinne als vorhin bei Hadlaub oder gar beim Tannhäuser Nr. 6 und 2 (§ 836f.). Nähme man mit Bartsch die zwei übereinstimmenden Leiche als ¿inen, von 342 Zeilen, dann hätten wir hier beim Glierser eine Form, die ohne Rest in gleiche Hälften zerfiele. Dazu wüßten wir in deutscher Leichdichtung nur ¿in Gegenstück in so viel bescheidneren Maßen. Es ist der dritte Leich Hadlaubs, SchwM 27, 54. Der ordnet seine 68 Zeilen so: 1. 2. 3. 2 | 1. 2. 3. 2. Mit der Gleichheit aller geraden Glieder verbindet sich hier Gleichheit der Hälften; dazu sind alle drei Typen zweiteilig. Doppelter Cursus — ohne umrahmende Zugabe, wie sie Lichtenstein hatte (§ 835) — überwölbt zwei Entsprechungen niederer Ordnung. Da die drei Typen auch in ihren Bausteinen die Eintönigkeit des Gliersers meiden und viel Künste des innern Reims spielen lassen, hat die Gattung des Leiches hier wohl ihre formschwerste Frucht getrieben.
Zum GrundriB der germanischen Philologie gehören noch folgende Bände: 1. Geschichte der gotischen Sprache. Von Max H. Jellinek. IX, 209 Seiten. 1926, z. Z. vergriffen. 2. Urgermanisch. Vorgeschichte der altgermanischen Dialekte. Von Friedrich Kluge. 3., verbesserte und vermehrte Auflage. XI, 289 Seiten. 1913. z. Z. vergriffen. 3. Geschichte der deutschen Sprache. Von Otto Behaghel. 5., verbesserte und stark erweiterte Auflage. XXIX, 588 Seiten mit 1 Karte. 1928. z. Z. vergriffen. 4. Geschichte der nordischen Sprachen, besonders in altnordischer Zeit. Von Adolf Noreen. 3., vollständig umgearbeitete Auflage. VII, 239 Seiten. 1913. DM 6,75. 5. Grundriß des germanischen Rechts. Von Karl von Amira. 3., verbesserte und erweiterte Auflage. XII, 302 Seiten. 1913. z. Z. vergriffen. 6. Geschichte der englischen Sprache. Historische Syntax. Von Eugen Einenkel. 3., verbesserte und erweiterte Auflage. XVIII, 222 Seiten. 1916. DM8,10. 7. Geschichte der mittelniederdeutschen Literatur. Von Hermann Jellinghaus. 3., verbesserte Auflage. VIII, SO Seiten. 1925. DM 6,75. 8. Deutsche Versgeschichte mit Einschluß des altenglischen und altnordischen Stabreimverses. Von Andreas Heusler. 2. Auflage. 1. Bd. Teil 1 und 2: Einführendes. Grundbegriffe der Verslehre. Der altgermanische Vers. III, 314 Seiten. 1956. DM 30,—. 3. Bd. Teil 4 und 5: Der frühneudeutsche Vers. Der neudeutsche Vers. V, 427 Seiten. 1956. Etwa DM 30,—. 9. Die Germanen. Eine Einführung in die Geschichte ihrer Sprache und Kultur. Von Torsten E. Karsten. X, 241 Seiten. 1928. z. Z. vergriffen. 10. Germanische Heldensage. Von Hermann Schneider. 1. Bd.: Einleitung. Ursprung und Wesen der Heldensage. 1. Buch: Deutsche Heldensage. X, 442 Seiten. 1928. z. Z. vergriffen. 2. Bd., 1. Abt., 2. Buch: Nordgermanische Heldensage. VII, 327 Seiten. 1933. DM 13,50. 2. Bd., 2. Abt., 3. Buch: Englische Heldensage. Festländische Heldensage in nordgermanischer und englischer Überlieferung. Verlorene Heldensage. VIII, 181 Seiten. 1934. DM 9,75.
Zum Grundriß der germanischen Philologie gehören noch folgende Bände: 11. Romania Germanica. Sprach- und Siedlungsgeschichte der Germanen auf dem Boden des alten Römerreichs. Von Ernst Gamillscheg. 1. Bd.: Zu den ältesten Berührungen zwischen Römern und Germanen. Die Franken. Die Westgoten. XVII, 434 Seiten mit 12 Karten. 1934. DM 16,50. 2. Bd.: Die Ostgoten. Die Langobarden. Die altgermanischen Bestandteile des Ostromanischen. Altgermanisches im Alpenromanischen. XIV, 329 Seiten mit 8 Karten. 1935. DM 18,—. 3. Bd.: Die Burgunder. Schlußwort. XII, 252 Seiten mit 3 Karten. 1936. DM 18,—. 12. Alt germanische Religionsgeschichte. Von Jan de Vries. 1. Bd.: Einleitung. Vorgeschichtliche Perioden. Religiöse Grundlagen des Lebens. Seelen- und Geisterglaube. Macht und Kraft. Das Heilige und die Kultformen. 2., völlig neubearbeitete Auflage. XLIX, 505 Seiten mit 13 Textabbildungen und 11 Tafeln. 1956. Ganzleinen DM 44,—. 2. Bd.: In Vorbereitung. 13. Geschichte der deutschen Poetik. Von Bruno Markwardt. 1. Bd.: Barock und Frühaufklärung. XII, 457 Seiten. 1937. DM 21,—. 2. Bd.: Aufklärung, Rokoko, Sturm und Drang. VIII, 692 Seiten. 1956. Ganzleinen DM 54,—. 3. Bd.: In Vorbereitung. 14. Geschichte der deutschen Elegie. Von Friedrich Beissner. XIII, 246 Seiten. 1941. DM 15,75. 15. Altnordische Literaturgeschichte. Von Jan de Vries. I. Frühhistorische Literaturformen. Die heidnische Periode. Die Zeit der Bekehrung bis zum Jahre 1100. 275 Seiten. 1941. DM 15,75. 16. Altgermanische Literaturgeschichte. Von Jan de Vries. II. Übergang und Vorbereitung (1100—1150). Aufstieg und Wiederbelebung (1150—1200). Die Zeit der Vollendung (1200 bis 1250). Der Verfall der alten Kunstformen (1250—1300). Das Spätmittelalter. 532 Seiten. 1942. DM 30,—. 17. Deutsche Wortgeschichte. 2. Auflage. 2 Bände. Herausgegeben von Friedrich Maurer und Fritz Stroh. 1956. In Vorbereitung. 18. Die deutschen Personennamen. Von Adolf Bach. XXI, 630 Seiten mit 3 Kartenskizzen. 1943. DM 27,—.
Die deutsche Literatur des Nittelalters (Verfasserlexikon) Begründet von Wolfgang Stammler — herausgegeben von Karl Langosdi. Quart. 5 Bände. Ganzleinen. Band I: A—Fueterer. XIII Seiten, 788 Spalten. 1933. DM 40,50 Band II: Der von Gabelstein — Kyeser, Konrad. IV Seiten, 1006 Spalten. 1936. DM 50,25 Band III: Laber—Rynstetten. 525 Spalten. 1943. DM 57,75 Band IV: Saarburg—Zwinger. 1117 Spalten. 1953. DM 76,— Band V: Nachträge mit Schlußwort und Mitarbeiterverzeichnis. 115 Spalten. 1955. DM95,— Ein 1931 begonnenes Werk hat nunmehr seinen Abschluß gefunden, das lexikalisch alle Dichter und Autoren sowie Anonyma der deutschen Literatur des Mittelalters umfaßt.
Trfibners Deutsches WSrterbucfa Begründet von Alfred GStze. In Zusammenarbeit mit Eduard BrodfQhrer und Alfred Schinner herausgegeben von Walther Mitzka. 8 Bände. Quart. Band I: A—B. Band II: C—F. Band III: G—H. Band IV: J—N. Band V: O—R. Band VI: S. Band VII: T—V. Band VIII: W—Z.
XI, 482 Seiten. Nachdruck 1954. VII, 493 Seiten. Nachdruck 1954. IX, 510 Seiten. Nachdruck 1954. 829 Seiten. Nachdruck 1954. 503 Seiten. 1954. 695 Seiten. 1955. 774 Seiten. 1956. Erscheint in Lieferungen.
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Handbuch der germanischen Philologie Von Friedrich Stroh. Lexikon-Oktav. Mit 82 Abbildungen im Text und auf Tafeln. XX, 820 Seiten. 1952. Ganzleinen DM 32,—
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