Deutsche Geschichte von der Reformation bis zur Gegenwart. Band 2 Deutsche Geschichte von 1713 bis 1806: Von der Schaffung des europäischen Gleichgewichts bis zu Napoleons Herrschaft [Reprint 2019 ed.] 9783110843484, 9783110060669


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Inhalt
1. Das 18. Jahrhundert als Einheit
2. Das Europäische Gleichgewicht 1714—1740
3. Preußen unter Friedrich Wilhelm I
4. Österreich unter Karl VI
5. Ergebnisse im Jahre 1740
6. Die Anfänge Friedrichs des Großen
7. Die österreichische Erbfolgefrage
8. Kriege um Schlesien und die österreichische Erbfolge 1740—1748
9. Der Siebenjährige Krieg
10. Der Staat Friedrichs des Großen
11. Der Staat Maria Theresias
12. Österreich und Preußen 1763—1793; die (erste) Teilung Polens
13. Österreich unter Joseph II
14. Preußen unter Friedrich Wilhelm II
15. Deutschland im 18. Jahrhundert
16. Das Zeitalter der Aufklärung
17. Deutschland und die Französische Revolution bis zum Kriegsausbruch
18. Der Krieg 1792—1794 und die (zweite) Teilung Polens
19. Vom Frieden zu Basel bis zum Frieden von Campo Formio Die (dritte) Teilung Polens
20. Vom Rastatter Kongreß bis zum Frieden von Luneville
21. Der Reichsdeputationshauptschluß und die Säkularisation
22. Vom Wiederausbruch des Krieges bis zum Ende des Reiches und Zusammenbruch Preußens
23. Deutschlands Wirtschaft im 18. Jahrhundert
Literaturverzeichnis
Namen- und Sachverzeichnis
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Geisteswissenschaften
Naturwissenschaften
SAMMLUNG GÖSCHEN /BANDNUMMERNFOLGE
AUTORENREGISTER
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Deutsche Geschichte von der Reformation bis zur Gegenwart. Band 2 Deutsche Geschichte von 1713 bis 1806: Von der Schaffung des europäischen Gleichgewichts bis zu Napoleons Herrschaft [Reprint 2019 ed.]
 9783110843484, 9783110060669

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SAMMLUNG

GÖSCHEN

DEUTSCHE

BAND

39

GESCHICHTE

VON 1 7 1 3 BIS 1 8 0 6 VON DER

SCHAFFUNG

GLEICHGEWICHTS

DES

EUROPÄISCHEN

BIS ZU

NAPOLEONS

HERRSCHAFT von

WILHELM

TREUE

P r o f e s s o r D r . phil., G ö t t i n g e n / H a n n o v e r

WALTER DE GRUYTER & CO. vormals G. J . G ö s c h e n ' s c h e V e r l a g s h a n d l u n g • J . G u t t e n t a g , V e r l a g s b u c h h a n d l u n g • Georg R e i m e r • K a r l J . T r ü b n e r • Veit & C o m p .

BERLIN

19 5 7

Alle Rechte, einschließlich d e r Rechte d e r H e r s t e l l u n g v o n P h o t o k o p i e n Mikrofilmen, von der Verlagshandlung vorbehalten

© C o p y r i g h t 1957 by W a l t e r de G r u y t e r 8c C o . Berlin W 35, G e n t h i n e r S t r a ß e 13

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S a l a d r u c k , Berlin N 65

P r i n t e d in G e r m a n y

und

Inhalt Seite

1. Das 18. J a h r h u n d e r t als Einheit

5

2. Das Europäische Gleichgewicht 1714—1740

8

3. Preußen unter Friedrich Wilhelm 1

13

4. Österreich unter Karl V I

19

5. Ergebnisse im J a h r e 1740

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6. Die A n f ä n g e Friedrichs des Großen

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7. Die österreichische Erbfolgefrage

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8. Kriege um Schlesien und die österreichische Erbfolge 1740—1748

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9. D e r Siebenjährige Krieg

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10. D e r Staat Friedrichs des Großen

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11. Der Staat Maria Theresias

60

12. Österreich u n d Preußen 1763—1793; die (erste) T e i l u n g Polens

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13. Österreich unter Joseph II

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14. Preußen unter Friedrich Wilhelm II

82

15. Deutschland im 18. J a h r h u n d e r t

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16. Das Zeitalter der A u f k l ä r u n g

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17. Deutschland und die Französische Revolution bis zum Kriegsausbruch 105 18. Der Krieg 1792—1794 und die (zweite) Teilung Polens 113 19. Vom Frieden zu Basel bis zum Frieden von Campo Formio. Die (dritte) Teilung Polens 121 20. Vom Rastatter Kongreß bis zum Frieden von Luneville 131 21. Der Reichsdeputationshauptschluß u n d die Säkularisation 137 22. V o m Wiederausbruch des Krieges bis zum Ende des Reiches und Zusammenbruch Preußens 144 23. Deutschlands Wirtschaft im 18. J a h r h u n d e r t

. . . .

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24. Literaturverzeichnis

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25. N a m e n - u n d Sachverzeichnis

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Die Reihe „Deutsche Geschichte von der Reformation bis zur Gegenwart" umfaßt folgende Bände: Bandi:

1519—1648 (Slg. Gö. Band 1105)

Bandii:

1648—1713 (Slg. Gö. Band 35)

Band III: 1713—1806 (Slg. Gö. Band. 39) Band I V : 1807—1871 (Slg. Gö. Band 893) Band V :

1871 bis zur Gegenwart (Slg. Gö. Band 894)

5 1. Das 18. Jahrhundert als Einheit Die Epocheneinteilung gehört in der Geschichtswissenschaft zu den schwierigsten und umstrittensten Problemen. Die Fülle und starke Verschiedenartigkeit der Gesichtspunkte hat selbstverständlich zur Folge, daß der einzelne Forscher die geschichtliche Zeit sich selbst und seinem Leser oder H ö r e r anders aufteilt als andere Betrachter unter anderen Aspekten. Der Wirtschaftshistoriker ordnet nach anderen Schwerpunkten und Einschnitten als derjenige, der die politische Geschichte darzustellen unternimmt, und nach wieder anderen der Kunsthistoriker, der Religionshistoriker usw. Infolgedessen ist das „18. Jahrhundert" des Historikers auch nicht identisch mit dem Kalenderjahrhundert. Aber der Zeitraum von 1713 oder 1721 bis 1804 oder 1806 u m f a ß t doch nahezu ein geschlossenes Jahrhundert, dem man „seinen eigenen Stil, seine charakteristischen Lebensformen" (Wagner) zugeschrieben hat. U n d weiterhin ist dieser Zeitraum in drei fast gleich große Unterabschnitte aufgeteilt worden, die — wenigstens bei der Betrachtung der europäischen Geschichte — eine gewisse allgemeine Bedeutung haben. Die großen Friedensschlüsse von 1713 und 1721 schufen nach dem wirrenreichen 17. Jahrhundert des 30jährigen Krieges und Ludwigs X I V . , nach den Auseinandersetzungen um Konfessionen und spanisches Erbe ein neues europäisches Staatensystem. Sie leiteten eine Zeit des Friedens ein, die — mit geringen Unterbrechungen — bis zum Jahre 1740 dauerte, so daß dem Historiker der Zeitraum nach 1725 als ungewöhnlich ruhig und friedlich erscheint. Das war die Zeit, in der England nach der E r k ä m p f u n g der politischen Vormachtstellung in den letztvergangenen Jahrzehnten nun als „Ursprungsland" der Aufklärung und der neuen Naturwissenschaft in Europa auch geistig die Führung übernahm. Diesem Abschnitt folgten in dem Vierteljahrhundert von 1740—1763 die wichtigen Entscheidungen, die Großbritanniens Expansion von Europa aus nach West und Ost, seinen Aufstieg zur land- und seebeherrschenden Weltmacht be-

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Das 18. Jahrhundert als Einheit

siegelten, u n d die zugleich auf dem europäischen K o n t i n e n t das friedrizianische Preußen als G r o ß m a c h t hervortreten u n d sich festigen sahen. Mit dem Aufstieg dieser beiden Mächte w a r notwendig das politische Zurücksinken F r a n k reichs verbunden — nur das im engeren Sinne der Macht politische Zurückbleiben. D e n n die politischen Ideen u n d die Auseinandersetzungen um sie w a r e n gleichzeitig in keinem anderen L a n d e so l e b h a f t wie gerade in Frankreich, das allen machtpolitischen Ereignissen u n d Entscheidungen z u m T r o t z seine kulturelle Vorherrschaft unangetastet und unbestritten behauptete. Die wenigen J a h r e zwischen dem österreichischen Erbfolgekrieg u n d dem 7jährigen W e l t oder Doppelkrieg in E u r o p a u n d in Übersee (1748—1756) sind als echte Friedenszeit bei den entscheidenden europäischen Mächten k a u m w a h r g e n o m m e n w o r d e n . W i e im 17. J a h r h u n d e r t die Auseinandersetzung u m das spanische Erbe lange Zeit als notwendige Gewißheit bevorstand und vorauszusehen w a r , so waren es im 18. J a h r h u n d e r t nicht weniger die K ä m p f e zwischen Frankreich u n d G r o ß b r i t a n nien und zwischen P r e u ß e n u n d Österreich, die von v o r n herein beide nicht so getrennt gehalten werden k o n n t e n wie der Nordische u n d der Spanische Erbfolgekrieg. Das letzte V i e r t e l j a h r h u n d e r t vor der Französischen Revolution h a t man als eine „Spätzeit" bezeichnet. Es w a r zugleich erfüllt v o m aufgeklärten Absolutismus bei den Fürsten u n d von der Auseinandersetzung um neue Staats- und Gesellschaftsideen bei den Völkern, von R e f o r m v e r l a n g e n u n d -bestrebungen einerseits u n d dem u n a u f h a l t s a m e n V e r f a l l altüberkommener politischer und gesellschaftlicher Daseinsf o r m e n andererseits, von der physiokratischen Betonung der agrarischen T r a d i t i o n in der Wirtschaft u n d zugleich von der Industriellen Revolution, deren Wahrzeichen die Maschine, in erster Linie die D a m p f m a s c h i n e bildete, von der U m f o r m u n g des europäischen Staatensystems durch das immer größere Gewicht Preußens u n d R u ß l a n d s und zugleich von seiner Erweiterung z u m Weltstaatensystem, in dem die U S A als wider ihren Willen revolutionär vollzogene Staatengründung im Bereich des Abendlandes ein politisch

Das 18. Jahrhundert als Einheit

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wie geistig außerordentlich bedeutsames Element bildeten. Die Bedeutung Asiens f ü r Europa blieb wie im 17. Jahrhundert mehr wirtschaftlicher und kultureller als im engeren Sinne politischer N a t u r , wenngleich die Kolonial- und Stützpunktbildungen insbesondere Englands und Frankreichs z. B. in Indien auch wieder Rückwirkungen auf machtpolitische Gewichtsverteilungen in Europa und N o r d a m e rika ausübten. Den Zeitgenossen weit klarer und eindrucksvoller waren Entstehen, Ausbruch, Verlauf und Auswirkungen der großen Französischen Revolution: die literarische Kritik am Absolutismus ging zum politisch militanten Angriff über und damit zur Revolution, die nicht weniger bedeutungsvoll werden sollte als die Auseinandersetzung um den Glauben und die konfessionelle Aufspaltung im 16. Jahrhundert und die kommunistische Revolution in Rußland seit 1917. Aber trotz dieser Differenzierungen und Auffächerungen bildete das 18. Jahrhundert insofern eine Einheit, als sich in diesem Zeitraum die Trennung vom Mittelalter endgültig vollzog. Das geschah in zwiefacher Weise: einmal durch die volle Ausbildung und Festigung der Staatsindividuen, die keinerlei aus früheren Zeiten überkommene Gemeinschaft mehr anerkannten, und zum anderen durch die Ausbildung und Formung einer wesentlich vom Verstand her bestimmten Kultur, die gerade keine nationalen, volksoder stammesmäßigen Abgrenzungen gelten lassen, sondern — mindestens die abendländische — Menschheit schlechthin umfassen wollte. Auch insofern bildete sie etwas Neues, als sie eine übernationale Kultur der Individuen sein wollte und sich an deren Bereitschaft zur und deren Bedürfnis nach Kritik an überkommenen K r ä f t e n und Werten, Regeln und Gesetzen wandte. Autoritätsfeindlich und skeptisch von Grund aus, bildete diese H a l t u n g die Grundlage f ü r die Entwicklung von Naturwissenschaft und Technik sowie der Landwirtschaftlichen und Industriellen Revolution. Hier lagen die Ansatzpunkte f ü r politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungen im 19. Jahrhundert.

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Das Europäische Gleichgewicht 1714—1740

2. Das Europäische Gleichgewicht 1714—1740 Die Friedensschlüsse von 1713/14 hatten als letztes Ziel über die Regelung der spanischen Frage hinaus die dauerh a f t e Verhinderung einer französischen Hegemonie und die Herstellung eines machtpolitischen Gleichgewichts auf dem europäischen Kontinent angestrebt. Die Idee des europäischen Gleichgewichts „ist ein bezeichnender Ausdruck des Geistes der Zeit, des Rationalismus, der da glaubte, die K r ä f t e künstlich berechnen, das Wachstum beschneiden zu können; zugleich aber auch Ausdruck der Ermüdung, die sich nicht mehr die K r a f t zutraute, den Gegner zu überwältigen, sondern sich mit ihm abfindet und nur durch mechanische Verteilung der Gewichte seine Gefährlichkeit einzuschränken v e r s u c h t . . . Das neue Zeitalter freilich, das nun heraufkam, wollte es nicht wahrhaben, daß die in U t recht geschaffene Gestaltung Europas lediglich ein aus der Erschöpfung geborener Notbehelf war. Es versuchte, aus der N o t eine Tugend zu machen, es wollte in dem Gleichgewichte die Grundlage einer neuen besseren Welt erblicken, in der Friede und Eintracht, vernünftige Überlegung des Nützlichen herrschen und der Krieg verbannt sein sollte" (Härtung). Diese Auffassungübersah, daß die Friedensschlüsse und ihre Zielsetzungen nicht mit einem „moralischen Fortschritt in der Politik der Staaten" verbunden waren, der einzelne Staat vielmehr eher begehrlicher, die Diplomatie nur kunstvoller und intrigenreicher wurde. Friedenszeit und Gleichgewicht nach 1714 beruhten also nicht auf einer besseren politischen Moral, sondern auf der Ermüdung nach langer Kriegszeit und auf der Lähmung der französischen Politik durch den T o d Ludwigs X I V . Bündnisse, Verträge, Kongresse und Konferenzen bildeten nur ein Aushilfsmittel, nicht grundsätzlich neue politische Lebensformen bei der Regelung der vielen, insbesondere der Erbfolge-Auseinandersetzungen, die auch nach dem Spanischen Erbfolgekrieg in erheblicher Zahl nötig wurden — zunächst in Parma und Piacenza bereits unter Einbeziehung der großen Mächte, danach und weit bedeutungsvoller in Österreich. U m die österreichische

Das Europäische Gleichgewicht 1714—1740

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Erbfolgefrage gruppierten sich — vor dem Hintergrund des eben kunstvoll errichteten europäischen Gleichgewichtes — sofort erneut die seit langer Zeit bestehenden Gegensätze und Spannungen unter den europäischen Mächten. Uber zahlreiche, meist wenig dauerhafte Vereinbarungen kam es u. a. 1725 selbst zwischen Karl VI. und Philipp V. zu einer Eheverabredung f ü r deren Söhne und Töchter, die sich mehr gegen das politische und wirtschaftliche Übergewicht Englands richtete und eine Einschränkung des französischen Machtbereiches zum Ziel hatte, als in bezug auf den formal zentralen Gegenstand der Vereinbarung ehrlich gemeint war. Das Hauptergebnis war denn auch ein ebenso unnatürliches und daher kurzlebiges Gegenbündnis zwischen England, Frankreich und Preußen, so daß das „Gleichgewicht" wiederhergestellt schien. Weit tiefer reichten der spanisch-österreichische Gegensatz und die Rivalität zwischen Preußen einerseits und Hannover-England andererseits, die durch den persönlichen Gegensatz Friedrich Wilhelms I. zu Georg I I . noch akzentuiert wurden. So kam denn schon nach wenigen Jahren eine ganz andere, den alten Entwicklungen entsprechende Situation zustande: im Jahre 1729 standen Spanien, Frankreich und England, wenig später auch die Vereinigten Niederlande gemeinsam gegen Karl VI., der um seine ihm im Vertrag von 1725 zugesicherten Handelsvorteile gebracht sowie am Machtzuwachs in Italien gehindert werden sollte. Auf Karls Seite fanden sich nur Preußen und Rußland, zwei Mächte, deren Gewicht bei Auseinandersetzungen in Italien und den Niederlanden nicht sehr fühlbar werden konnte. Die aus diesen Gegensätzen hervorwachsende schwere Krisis griff u. a. durch die Intrigen um den preußischen Hof wohl tief in das Schicksal des preußischen Kronprinzen und seiner Schwester Wilhelmine ein, hatte aber keine bedeutenden internationalen Folgen, sondern endete im Wiener Vertrag von 1731. Für Karl VI. stand im Mittelpunkt aller Überlegungen und Pläne die Anerkennung der von ihm geschaffenen Thronfolgeordnung, der sogenannten Pragmatischen Sanktion, der zuliebe er sowohl auf die Ostindische Handels-

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Das Europäische Gleichgewicht 1 7 1 4 — 1 7 4 0

kompanie wie auch auf die Ehe seiner Erbtochter mit einem bourbonischen Prinzen verzichtete. Als Gegengabe empfing er die Anerkennung der Pragmatischen Sanktion durch England und die Niederlande — nicht dagegen durch Frankreich, wo Fleury sich diesen Schritt für die Zukunft vorbehielt. Damit war die alte Mächteverteilung wiederhergestellt, die sich in den Zeiten Ludwigs XIV. herausgebildet hatte: den Seemächten und dem Kaiser mit dem Reich standen Frankreich und das ihm durch den bourbonischen Familientraktat verbundene Spanien gegenüber. Bei so labilem Gleichgewicht mußten auch an sich zweitrangige Fragen erhebliche Bedeutung erhalten. Unter ihnen stand im Vordergrund die Polnische Thronfolge. Augusts des Starken lebhafte Bemühungen, die polnische Krone gegen Gebietsabtretungen an die Nachbarstaaten Polens für seinen Sohn Friedrich August — der 1712 ebenfalls zum Katholizismus übergetreten war und 1719 die älteste Tochter Kaiser Josephs I., die Rivalin von Karls VI. Erbtochter Maria Theresia, geheiratet hatte — zu sichern, stieß natürlich auf Karls entschiedenen Widerstand. Karl war allerdings auch mit allen Mitteln bestrebt, Stanislaus Leszczynski an der Thronbesteigung zu hindern, da dieser als Schwiegervater Ludwigs XV. mit Frankreich im Bunde war; er versuchte vielmehr im Einverständnis mit Preußen und Rußland einen portugiesischen Infanten auf den polnischen Thron zu lanzieren, war aber mit diesen Bemühungen noch nicht zu einem Abschluß gelangt, als August der Starke am 1. 2. 1733 starb und sein Sohn Friedrich August III. durch die Anerkennung der Pragmatischen Sanktion Österreichs und durch den Verzicht auf Kurland Rußlands Unterstützung erkaufte. Dennoch waren die Franzosen — der polnische Adel war nur an der Verhinderung stabiler Verhältnisse interessiert — zunächst schneller: in Warschau wurde Stanislaus Leszczynski, Karls XII. alter Thronprätendent gegen das sächsische Haus, zum König gewählt. Als jedoch die Russen gegen diese Wahl mit militärischen Aktionen vorgingen, wurde in einem neuen Wahlgang end-

Das Europäische Gleichgewicht 1714—1740

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gültig der Sachse gewählt, w o r a u f nun wieder Frankreich, in Italien von Spanien u n d Sardinien unterstützt, militärisch gegen Österreich vorging, das von England im Stich gelassen, von der Reichsarmee nur unbedeutend u n t e r s t ü t z t w u r d e u n d eine f ü h l b a r e H i l f e Preußens nicht durch die A n e r k e n n u n g Friedrich Wilhelms I. als selbständigen Souverän e r k a u f e n wollte. I m Gegenteil: je mehr Friedrich Wilhelm I., der z u m vollen Einsatz seiner Macht gegen Frankreich bereit w a r , seine Selbständigkeit hervorhob, desto gefährlicher erschien dem Kaiser die aufstrebende preußische Macht, desto entschlossener begnügte er sich mit den 10 000 M a n n , die K u r b r a n d e n b u r g als Reichsstand z u r V e r f ü g u n g stellen mußte, u n d verzichtete auf die 50 000 M a n n erstklassiger T r u p p e n , die P r e u ß e n hätte ins Feld schicken können. Infolgedessen besetzten die Franzosen 1733 L o t h ringen, überquerten ungehindert bei Kehl den Rhein u n d belagerten 1734 Philippsburg, ohne d a ß die schlecht ausgebildeten u n d v o m greisen, schlachtenmüden u n d vor entscheidenden H a n d l u n g e n zögernden Prinzen Eugen (er starb 1736) schlecht geführten T r u p p e n Österreichs und des Reiches energisch W i d e r s t a n d leisteten. A u d i die russische, von den Bayern beim Durchmarsch behinderte Armee — die ersten russischen T r u p p e n in Westdeutschland — k o n n t e am Ausgang der K ä m p f e nichts ändern. N u r der U m s t a n d , d a ß auch die Franzosen nicht mehr ihren alten militärischen Elan zeigten, verhinderte, d a ß sie nach der Einnahme von Philippsburg a m 18. 7. 1734 tief ins Reich vorstießen. Sie blieben vielmehr auch im J a h r e 1735 am Rhein stehen u n d vereinigten sich nicht mit den Bayern. Auf dem italienischen Kriegsschauplatz dagegen erlitten die Österreicher beim Versuch, den zersplitterten Besitz ohne f r e m d e H i l f e zu verteidigen, eine eindeutige N i e d e r l a g e : sie verloren die L o m bardei, N e a p e l u n d Sizilien u n d w u r d e n z u m Präliminarfrieden gezwungen, der a m 3.10. 1735 in Wien abgeschlossen w u r d e ; erst drei J a h r e später folgte ein endgültiger V e r trag. Das Ergebnis dieses umständlichen, kleinlichen K r i e ges, nach Rankes W o r t „ein großes Ereignis ohne große T a t e n " , w a r : Friedrich August von Sachsen w u r d e auch

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Das Europäische Gleichgewicht 1714—1740

von Frankreich als König von Polen anerkannt; Stanislaus erhielt f ü r seinen Thronverzicht das Herzogtum Lothringen, das allerdings nach seinem Tode als Erbe seiner Tochter an Frankreich fallen sollte. Frankreich hatte also durch die Schließung der letzten Lücke in seiner Ostgrenze Richelieus alte Absicht ausgeführt. Franz Stephan, Herzog von Lothringen, der Maria Theresia heiraten sollte und auf diese Art ein besonders gefährlicher Gegner Frankreichs hätte werden können, wurde ausgeschaltet, indem man ihn auf das Großherzogtum Toscana abschob, wo freilich erst die Medici — 1738 — aussterben und die Farnese sowie als deren Erben die spanischen Bourbonen als Erbberechtigte anderweitig abgefunden werden mußten, bevor er als Herrscher einziehen konnte. Auch die anderen italienischen Gebiete wurden Handels- und Ausgleichsobjekte: Neapel und Sizilien erhielten die spanischen Bourbonen, die d a f ü r auf Parma und Piacenza zu Österreichs Gunsten verzichteten. Österreich wiederum trat einen kleinen Gebietsfetzen an Savoyen-Sardinien ab — wie es überhaupt im wesentlichen die territorialen Kosten des Krieges tragen mußte, zugleich allerdings auch dabei eine strategisch vorteilhafte Abrundung seines italienischen Besitzes erreichte. U n d endlich erkannte Frankreich Österreichs Pragmatische Sanktion an — ein bedeutendes Ergebnis, wenn es behauptet werden konnte. Bedeutungsvoller als der Friede zu Wien war „der Eindruck von Müdigkeit und Abstieg der habsburgischen Monarchie geworden, den alle diese Ereignisse hinterließen" (Lorenz) — auch Karls VI. letzter Türkenkrieg 1737/39, der f ü r Österreich im Frieden von Belgrad mit Territorialund Prestigeverlusten endete. „Die H o f f n u n g auf eine innere Erhebung der Kaisermacht und des Reiches — von 1683 an durch ans Wunderbare grenzende äußere Erfolge genährt und dann in einigen Punkten auch f ü r die inneren Verhältnisse kräftig in Angriff genommen — sank dahin zugleich mit der Geisteshaltung des Barocks" (Lorenz). Immer deutlicher trat die Spannung zwischen Österreich und Preußen als entscheidendes Element in Mitteleuropa in den Vordergrund.

P r e u ß e n u n t e r Friedrich W i l h e l m I.

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3. Preußen unter Friedrich Wilhelm I. „Die Biographie Friedrich W i l h e l m s I. hat nicht die großen militärischen oder diplomatischen Siege aufzuweisen . . .; seine Größe besteht darin, daß er eine Gründergestalt von der stärksten Breiten- und N a c h w i r k u n g gewesen ist, daß er allein unter allen deutschen politischen Gestalten des 18. u. 19. J a h r hunderts traditions- und typenbildend geworden ist, daß seine Leistung nicht nur in das W e r k Friedrichs des Großen und Bismarcks eingegangen ist und es getragen hat, sondern auch deren Zusammenbrüche von 1806 und 1918 überdauerte und in unseren T a g e n als ein unvergängliches Ferment des Deutschen w e i t e r w i r k t : es ist das, was die W e l t in Liebe oder H a ß als ,Preußentum' bezeichnet. Die Biographie Friedrich Wilhelms I. schreiben, heißt nicht nur das Leben eines einzelnen großen Mannes schildern, sondern ein Stück Biographie des deutschen Volkes schreiben, den Ursprüngen seiner gefürchteten und bewunderten Schlagkraft, Organisation, Ordnung, Disziplin und Methodik, kurz, seiner preußischen Erziehung nachgehen. In dem großen und reichen J a h r h u n d e r t der langsamen Wiedererhebung der deutschen Nation von 1648 bis 1740, das im Nordosten und im Südosten Hohenzollern und Habsburger — die einen mehr nach innen und intensiv, die andern mit lockerem Gefüge und weit ausgreifend — neue A n f ä n g e gründen sah, hat doch nur Friedrich W i l h e l m I. in Deutschland eine neue politische Rasse, eine neue Führungsschicht geschaffen, die im weiteren Verlauf des Jahrhunderts alle Begabungen a n z o g : auch aus diesem Grunde mußte Preußen einst die Führung in Deutschland übernehmen und ihm sein Stahlgerüst geben" (Hinrichs). In Preußen bestieg am 25. 2. 1713 Friedrich W i l h e l m I. den Thron, der sich im folgenden J a h r e mit R u ß l a n d verständigte, was ihm Pommern bis zur Peene einbrachte. Ein J a h r später erklärte er K a r l X I I . von Schweden, bald gefolgt von H a n n o v e r , den K r i e g ; beide Staaten gemeinsam eroberten Rügen und Stralsund, vermochten aber nicht, ihre Einigkeit in der Zielsetzung des Krieges zu behaupten. Preußen blieb mit dem Zaren im Bunde; Hannover-Eng-

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Preußen unter Friedrich Wilhelm I.

land und Sachsen fürchteten die Ausdehnung der russischen Macht über Norddeutschland. Doch räumte der Zar im Sommer 1717 Mecklenburg. Preußen wurde durch ein englisch-sächsisch-österreichisches Bündnis von 1719 in Schach gehalten, so daß Friedrich Wilhelm I. sich zögernd und unter Vermeidung eines offenen Bruches mit dem Zaren dem hannoversch-schwedischen Frieden von Stockholm (1719) im Jahre 1720 anschloß, wofür er nun endgültig Vorpommern bis zur Peene und damit die Odermündung erhielt. Die Russen führten ihren Krieg weiter und zwangen Schweden 1721 zum Frieden von Nystadt: „Es war das Ende der nordischen Großmachtstellung Schwedens, das am Südrand der Ostsee nur noch Vorposten in dem westlichen Teil Vorpommerns mit Stralsund und Greifswald und in Wismar behauptete, und der Beginn einer russischen Bedrohung Mitteleuropas" (Braubach). So bedeutete das Ende des Nordischen Krieges eine außenpolitische Stärkung für Brandenburg-Preußen, das gleichzeitig durch die innenpolitischen Reformen seines Königs zur stärksten Macht in Deutschland erhoben wurde und die Möglichkeit zum Aufstieg in die Gruppe europäischer Großmächte erhielt. Friedrich Wilhelms Streben, das ihn zum „größten inneren König Preußens" (Hintze) machte, war ausschließlich auf die Machtstärkung seines Staates gerichtet. Während des spanischen Erbfolgekrieges hatte er als Kronprinz beobachtet, daß Preußens Position nur durch ein starkes stehendes Heer durchgesetzt und behauptet werden konnte. Die Erhaltung eines solchen Machtinstruments aber hatte gesunde Staatsfinanzen zur Voraussetzung. Das wiederum bedeutete, wie Friedrich Wilhelm klar erkannte, daß der Staat zentral zusammengefaßt, die Verwaltung energisch gerafft, der Absolutismus unter stärkerer Verlagerung vom gutsherrlich-protestantischen Patriarchalismus zur Regierungsweise des Staatsoberhauptes einer Großmacht fortgeführt und intensiviert werden mußte. Aus diesem Fundament staatlichen Denkens und starker religiöser Bindung sowie lebhaftestem Verantwortungsgefühl gegenüber Gott wuchsen die Reformen hervor, die Friedrich Wilhelm

Preußen unter Friedrich Wilhelm I.

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mit äußerster Energie u n d nicht selten mit der Schroffheit, Unberechenbarkeit u n d zu J ä h z o r n u n d M i ß t r a u e n neigenden Reizbarkeit eines am R a n d e des N o r m a l e n lebenden Genies durchführte. „Das V o r b i l d Peters des G r o ß e n ist diesem preußischen König nicht f r e m d gewesen — nur eben d a ß er auf protestantische Sittenstrenge und Religiosität noch besonderen W e r t legte" (Schnabel). Er, der bald nur noch an H e e r u n d Administration interessiert w a r und seit 1725 ständig die U n i f o r m trug, löste u. a. durch das neue Rangreglement die luxuriöse H o f h a l t u n g seines Vaters auf u n d f ü h r t e f ü r sich selbst wie f ü r den Staat eine Geiz u n d Kärglichkeit erreichende Einfachheit ein, die gegenüber dem Luxus in Frankreich u n d an anderen europäischen H ö f e n zunächst vielfach bespöttelt wurde. Zu seinen ersten Regierungshandlungen gehörte das Hausgesetz vom 13.8.1713, das den Staat und die D o m ä n e n — die G a r a n t e n der w i r t schaftlichen U n a b h ä n g i g k e i t des Souveräns — f ü r unteilbar u n d unveräußerlich erklärte. Friedrich Wilhelms Regierung f a n d „aus dem K a b i n e t t " statt; er selbst entschied u n d kontrollierte als absoluter Herrscher, schloß das Generalfinanzdirektorium u n d das Generalkriegskommissariat durch die Instruktion v o m 22. 12. 1722 (dem J a h r e seines Politischen Testamentes) z u m General-Ober-Finanz-Kriegs- u n d D o m ä n e n - D i r e k t o r i u m (Generaldirektorium) — mit Kriegsund D o m ä n e n k a m m e r n in den Provinzen, L a n d - u n d Steuerräten in den Kreisen u n d Städten — als der großen zentralen Finanz- u n d Wirtschaftsbehörde zusammen, beschränkte den alten Geheimen R a t auf Kultus u n d Justiz und schuf ein Kabinettsministerium genanntes D e p a r t e m e n t f ü r die auswärtigen Angelegenheiten. Die innere O r g a n i sation des Generaldirektoriums — jeder der vier Minister eines Provinzialdepartements ü b e r n a h m zugleich einige A n gelegenheiten f ü r den G e s a m t u m f a n g des Staates — zeigt deutlich, wie die S t a a t s v e r w a l t u n g sich unter Friedrich W i l helm auf dem Wege vom T e r r i t o r i a l - u n d P r o v i n z i a l p r i n z i p z u m Zentralismus b e f a n d , ebenso wie der König modernisierend auch die V e r w a n d l u n g alter Adelsdienste in Geldzahlungen vorgenommen, die Besteuerung auch des

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Preußen u n t e r Friedrich Wilhelm I.

Adels gegen dessen heftigen Widerstand eingeleitet, die Lokalverwaltung unter stärkere staatliche Aufsicht genommen und mit allen Mitteln seiner Souveränität wie einen „Rocher de bronze" stabiliert hat. Doch hörte einstweilen noch der preußische Staat auf dem Lande beim Landrat auf (Preuß), der zugleich königlicher Beamter und adeliger Interessenvertreter des Adels war. Das alles hatte eine straffere Hinordnung der Wirtschaft auf den Staat, eine sehr enge merkantilistische Wirtschaftsordnung und -führung mit dem Ziel und dem Ergebnis der erheblichen Steigerung des finanziellen Ertrages zur Folge. In Preußen diente der Merkantilismus noch mehr als in F r a n k reich der militärischen Machtentfaltung. Aber nicht allein durch stärksten Steuerdruck wollte Friedrich Wilhelm seinZiel erreichen, sondern auch durch Erschließung der natürlichen Hilfsquellen des Landes. U n d da Preußen, wie die anderen mittel- und osteuropäischen Staaten gegenüber Westeuropa an Geldkapital arm war, versuchte der König, auch das Arbeitskapital der Bevölkerung — „Menschen achte vor den größten Reichtum" — zu steigern, indem er planmäßig die Einwanderung förderte, die von der Pest fast entvölkerten Gebiete im Osten der Monarchie neu besiedelte (Rétablissement) und insbesondere Gewerbetreibende heranzog, um neben der Landwirtschaft als der Grundlage der preußischen Wirtschaft immer mehr Handwerksbetriebe und M a n u f a k turen errichten, die Einfuhr lebensnotwendiger Güter reduzieren und mit H i l f e von Schutzzöllen verhindern oder selbst zum Export übergehen zu können. Je stärker das Heer wuchs — von etwa 38 000 auf 76 000 Mann bei 2,5 Millionen Einwohnern —, um so deutlicher traten auch in der Volkswirtschaft, z. B. durch Uniformtuchherstellung, die rüstungswirtschaftlichen Gesichtspunkte und Elemente in Erscheinung. „Während er beim Militärischen im Kleinen, im Drill steckenbleibt, besitzt er auf finanziellem Gebiet zugleich die Fähigkeit, das Ganze zu übersehen und zu beherrschen. So ist er der Schöpfer der preußischen Finanzverwaltung geworden" (Härtung), die erst von der natio-

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nalsozialistischen Mißwirtschaft vernichtet w o r d e n ist. P a rallel z u m H e e r mit seiner einzigartigen V e r b i n d u n g v o n O f f i z i e r k o r p s u n d in seinen politischen Rechten sehr beschnittenem A d e l b z w . S o l d a t e n - u n d B a u e r n t u m entwickelte sich in der S t a a t s v e r w a l t u n g ein nicht weniger gen a u diszipliniertes, allein dem K ö n i g verantwortliches u n d ergebenes, fleißiges, fiskalisch-sparsames, aber vielfach auch geistig enges und gelegentlich die A u t o r i t ä t des S t a a t e s mißbrauchendes Beamtentum. D i e beiden, später v o m V o l k s m u n d als Kantonsreglement bezeichneten, Z i r k u l a r o r d e r s v o m 10. 5. u n d 15. 9. 1733 brachten z w a r noch nicht die allgemeine Wehrpflicht, d a aus wirtschaftlich-finanziellen Überlegungen B ü r g e r u n d Arbeiter v o n der Dienstpflicht befreit w u r d e n — sie w a r e n P r o d u z e n t e n u n d erarbeiteten die A k z i s e , die wichtigste Steuereinnahme des S t a a t e s also — , z w a n g e n aber doch durch Aushebung in B e z i r k e n ( K a n t o n e n ) eine immer größere Z a h l v o n B a u e r n u n d H a n d w e r k e r n ins H e e r , d a s nur zu einem Drittel aus A u s l ä n d e r n bestand, zogen sie d a m i t in eine engere V e r b i n d u n g z u m S t a a t u n d entwickelten in weiteren Kreisen des V o l k e s eine gewisse, s t a r k durch die Persönlichkeit des K ö n i g s bestimmte Staatsgesinnung. D i e U n i f o r m des S o l d a t e n erinnerte den Bürger in K ö n i g s b e r g wie den in Wesel d a r a n , d a ß beide dem gleichen S t a a t s wesen angehörten u n d demselben K ö n i g Untertan w a r e n . D i e strenge Disziplin g a b dem H e e r eine f ü r die d a m a l i g e Zeit ungewöhnlich große S c h l a g k r a f t , schloß allerdings auch — der A u f f a s s u n g u n d K a m p f e s w e i s e der Zeit entsprechend — selbständige Entschlüsse im allgemeinen aus. D e n im A u s l a n d e bekanntesten T e i l des preußischen H e e r e s bildete das P o t s d a m e r R e g i m e n t der „ L a n g e n K e r l s " , eine Elite- u n d P a r a d e t r u p p e , die der K ö n i g unter bedeutenden K o s t e n a u f b a u t e und erhielt. Friedrich Wilhelm selbst hat seine H e e r e s s c h ö p f u n g nicht im K r i e g e erprobt; erst im Feuer und unter den V e r l u s t e n der Schlesischen K r i e g e h a t das O f f i z i e r k o r p s sich sein eigentliches S t a n d e s b e w u ß t s e i n geschaffen. T r e u e , Deutsche Geschichte

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„ W e n n es richtig ist, d a ß unter seiner schweren H a n d der A b s o l u t i s m u s in Preußen besonders harte u n d scharfe Züge a n n a h m , d a ß v o n ihm, dem , R o i - S e r g e a n t ' , der das H e e r z u m M i t t e l p u n k t des S t a a t e s machte u n d in ihm, unterstützt v o n seinem F r e u n d e L e o p o l d v o n A n h a l t - D e s s a u , den K a s e r n e n h o f d r i l l z u r G e l t u n g brachte, die preußische A r t eines ,Militarismus' ihren A u s g a n g n a h m , so k a n n doch andererseits nicht bestritten w e r d e n , d a ß er den S t a a t auf den Prinzipien der Einfachheit, S a u b e r k e i t , bis z u einem gewissen G r a d e auch des sozialen Ausgleichs zwischen den Bevölkerungsschichten a u f g e b a u t hat. D a b e i sind freilich Wissenschaften u n d K ü n s t e , z u denen er trotz F r e u d e an der Musik u n d eigener Malerei kein inneres V e r h ä l t n i s hatte, z u k u r z g e k o m m e n " (Braubach). In der Außenpolitik hat Friedrich W i l h e l m I. nach der E r w e r b u n g v o n V o r p o m m e r n a m A n f a n g seiner R e g i e r u n g — infolge des völligen Zusammenbruchs der schwedischen Großmacht — keine E r f o l g e erzielt. Unsicher zwischen den Großmächten, nicht bereit, sein v o n ihm selbst geschaffenes kostspieliges Instrument des H e e r e s g e f a h r v o l l einzusetzen, hielt er sich in überraschend s t a r k e m T r a d i t i o n a l i s m u s u n d M a n g e l an außenpolitischer Initiative im allgemeinen auf der Seite des K a i s e r s und e m p f a n d heftige persönliche A b neigung gegen die E n g l ä n d e r u n d H a n n o v e r a n e r . D a u e r n d spielte er, nach den W o r t e n seines eigenen Politischen T e s t a mentes, in der Außenpolitik „nur die R o l l e eines H e r z o g s v o n G o t h a " u n d hat selbst d a r u n t e r schwer gelitten. „ A b e r er besaß nicht die Fähigkeit, seiner P o l i t i k eine feste Richtung z u geben. D a ß der Fehler an ihm l a g , hat er selbst a n e r k a n n t " ( H ä r t u n g ) . Gegen E n d e seines Lebens nannte er in dieser Hinsicht seinen S o h n denjenigen, „ d e r mich rächen w i r d " . Als er starb, w a r Preußen unter den e u r o p ä ischen Mächten an E i n w o h n e r z a h l die z w ö l f t e , an S o l d a t e n z a h l die vierte, der militärischen Q u a l i t ä t nach jedoch die erste Militärmacht E u r o p a s , die freilich auch jährlich v o n den 7 Millionen T a l e r n G e s a m t e i n n a h m e n 5 Millionen auf das Heer verwandte.

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Österreich unter Karl VI.

4. Österreich unter Karl VI. Für Österreichs Entwicklung vor dem Beginn der Auseinandersetzung mit Preußen hatte in erster Linie der Ausgang des Türkenkrieges von 1683 bis 1699 entscheidende Bedeutung. Er schuf die territoriale Ausbreitung nach Osten und die Sicherheit des Landes gegenüber dem Islam; er isolierte auch die Ungarn so sehr, daß ihre Erhebung — ohne Unterstützung der Türken — zum Mißerfolg verurteilt sein mußte, wenngleich die Magyaren auch fortan ein unsicheres und bedrohliches Element im Staate blieben. Als Österreich im Jahre 1714 zu dieser Expansion nach Osten auch noch im Süden und im Norden Teile der spanischen Erbschaft hinzugewann, ergab sich daraus eine weitere Bereicherung — jedoch nicht eine Stärkung. Denn gewiß waren die italienischen Gebiete finanzstark und die Niederlande wirtschaftlich sehr aktiv; beide Territorien stellten jedoch sehr exponierte, leicht angreifbare und in der T a t auch von Rivalen längst angestrebte Außenposten dar, die ebenso Verwicklungen heraufbeschwören, wie Gewinn tragen mochten. Zunächst aber erhoben sich die Türken noch einmal, die den in härtester Form merkantilistische Ausbeutungspolitik treibenden Venezianern das 1699 an diese verlorene Morea wieder entreißen wollten. Der leicht errungene türkische Sieg hob in Konstantinopel die Stimmung für die Ausdehnung dieses Teilunternehmens zur Wendung auch gegen Österreich. Prinz Eugen hielt unter diesen Umständen den Angriff für die beste Verteidigung und veranlaßte Kaiser Karl zum Kriegsbeginn. Durch den Erfolg von Peterwardein (5. 8. 1716) warf Prinz Eugen die Türken aus den letzten von ihnen bisher besetzten ungarischen Gebieten. Im Jahre darauf schlug er sie am 16. 8. 1717 bei Belgrad in seinem bedeutungsvollsten Siege so schwer, daß sie zu Verhandlungen bereit waren, die wieder ein Jahr später am 21. 7. 1718 zum Frieden von Passarowitz führten. Er bestätigte Österreich im Besitz des Banats von Temesvar, Belgrads mit einem Teil von Serbien und der Walachei bis zur Aluta; außerdem mußten sich die Türken zu einem für 2*

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Österreich unter Karl VI.

Österreich sehr günstigen Handelsvertrag bereitfinden. Die Venezianer schnitten wesentlich schlechter ab: sie büßten Morea und Kreta ein und konnten nur ihre dalmatinischen Stellungen behaupten. Noch einmal hatte Österreich damit im Osten seinen Besitz ausgedehnt; es rundete ihn strategisch ab, sicherte ihn und gab dem östlichen Kern der Hausmacht stärkeres politisches Gewicht als je zuvor. Nicht unbedingt auch in den Augen Karls VI., der — aus Spanien kommend und an spanischen Beratern festhaltend —• bei der universalen Auffassung des Habsburgerreiches blieb. „Die Dynastie, nicht das Land, war für ihn die Grundlage des Staates" (Härtung). Gerade diese dynastische Grundlage geriet jetzt jedoch in Gefahr, da auch die österreichische Linie des Hauses Habsburg — wie seit der Mitte des 17. Jahrhunderts erwartet — im Begriff war auszusterben. Zwar waren Leopold I. zwei Söhne geboren worden, und die Ungarn hatten 1687 das Erbrecht der männlichen Habsburger anerkannt, wodurch für alle Teile des Reiches das Wahlrecht beseitigt war. Anschließend hatte Leopold gegen Ende seines Lebens 1703 die Regierung im Pactum mutuae successionis die Erbfolge in dem Sinne geregelt, daß die männlichen Erben unbedingt den Vorrang haben sollten. Falls jedoch die männliche Linie aussterben sollte, so waren Josephs I. weibliche Nachkommen vor denen des jüngeren Bruders zur Nachfolge berechtigt. Inzwischen war Joseph I. ohne männliche Erben, aber unter Hinterlassung von zwei Töchtern gestorben. Karls VI. Ehe mit Elisabeth Christine von Braunschweig blieb lange Zeit kinderlos; doch konnte er — 1685 geboren, beim Regierungsantritt 26jährig — noch auf Nachkommenschaft hoffen. Würde ihm noch ein Sohn geboren, so war dessen Nachfolge durch das Pactum von 1703 eindeutig gesichert. Überlebten ihn jedoch wie seinen älteren Bruder Joseph I. nur Töchter, so konnten nach dem Pactum die Nachkommen Josephs I. vor jenen den Vorrang beanspruchen. Um dieser Möglichkeit zuvorzukommen und zugleich um die Einheit des Hausbesitzes gegenüber der ungarischen Neigung für das Wiederaufleben des Wahlrechts

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nach dem Aussterben des Mannesstammes zu sichern, änderte K a r l V I . im J a h r e 1713 das Pactum durch eine zunächst geheimgehaltene Anordnung dahin ab, daß zwar die männliche Erbfolge unverändert blieb, beim Fehlen männlicher Erben aber seine eigenen Töchter vor denen Josephs I. zur Erbfolge berufen seien und die Unteilbarkeit des Hausbesitzes erhalten bleiben sollte. Diese Anordnung erhielt gesteigerte Bedeutung, als Karls 1716 geborener Sohn Leopold nach wenigen Monaten starb und in den J a h r e 1717 und 1718 zwei weitere Töchter — Maria Theresia und Maria Anna — geboren wurden. Unter solchen Umständen schien es notwendig, die künftige Vollziehung der P a k t veränderung von 1713 dadurch zu sichern, daß man alle Kronländer auf sie verpflichtete. So wurde 1720 die V e r fügung von 1713 als Sanctio Pragmatica, als Lex perpetuo valitura erneuert und dann den einzelnen Ländern zur Anerkennung vorgelegt. Sie wurde bis 1723 von allen E r b ländern teils aus alter Verbundenheit zur Dynastie, teils unter dem Gesichtspunkt gemeinsamer Abwehr türkischer Angriffe als verbindlich anerkannt — auch von Ungarn, das sich auf diese Art „indivisibiliter ac inseparabiliter" der habsburgischen Monarchie einfügte. Karls V I . außenpolitische Bemühungen um die Anerkennung der Pragmatischen Sanktion sind im zweiten K a pitel erwähnt worden. Dieses Unternehmen war so schwierig, kompliziert und zeitraubend, daß darüber die innere Kräftigung und Konzentration der Monarchie versäumt, mindestens vernachlässigt wurde. Allein den Wirtschaftsfragen widmete man unter dem Gesichtspunkt der Einnahmesteigerung in Verbindung mit der territorialen Expansion nach Osten erhöhte Aufmerksamkeit: von den Freihäfen Fiume und Triest aus wurde in hef tigern Wettbewerb mit dem verärgerten Venedig der Levantehandel gefördert, nach dem Frieden von Passarowitz in Wien eine Orientalische H a n delskompanie gegründet, die, nach dem Vorbild der englischen und niederländischen Indienkompanien errichtet, wie diese große Handelsgewinne einbringen sollte, aber sowohl um ein Jahrhundert zu spät ins Leben trat als auch

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aus einem Mittelmeerwinkel heraus mit einem rein binnenwirtschaftlich verwalteten Kontinentalstaat als H i n t e r g r u n d gegenüber der englischen, französischen und niederländischen K o n k u r r e n z im östlichen Mittelmeer nicht recht a u f blühen konnte, obgleich Österreich mit dem Besitz von Sizilien zeitweise politische Vormacht im Mittelmeer w u r d e . Ähnlich stand es um den zweiten Außenposten: die österreichischen Niederlande. Geographisch erheblich günstiger gelegen als die A d r i a h ä f e n , w a r er doch einmal von der Staatszentrale u n d v o n den wichtigsten Staatsinteressen allzu weit entfernt, als d a ß er d a u e r n d bedeutendes Gewicht besitzen konnte; u n d z u m anderen w i r k t e sich hier noch mehr als in der Levante die dicht benachbarte politischwirtschaftliche K o n k u r r e n z k r a f t Großbritanniens und der N i e d e r l a n d e aus, die allen Bemühungen Karls V I . z u m T r o t z Ostendes Überseehandel — seine Schiffe d u r f t e n auf Eugens Veranlassung unter der kaiserlichen Flagge segeln — so wenig anwachsen ließen wie einige J a h r z e h n t e z u v o r die großartig gedachten Ansätze des K u r f ü r s t e n Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Je erfreulicher die Handelsergebnisse der Ostender K o m p a n i e w u r d e n , um so unerquicklicher e n t w i k kelten sich die politischen Verhältnisse in diesem R a u m , die schließlich wesentlich zu den Spannungen der J a h r e 1725 bis 1727 beitrugen und deren Beseitigung gemeinsam mit der Anerkennung der Pragmatischen Sanktion endlich mit der Auflösung der K o m p a n i e e r k a u f t werden m u ß t e : das große, aber nicht sehr finanzstarke Österreich w a r von W i e n her nach seiner ganzen geistigen und territorialen S t r u k t u r noch weniger eine See- u n d Überseemacht als das kleine B r a n d e n burg. Nicht geringen Anteil an den Ursachen f ü r diesen Mißerfolg hatte freilich der U m s t a n d , d a ß die f ü r den M e r kantilismus anderer Staaten typische K o n z e n t r a t i o n der Staatsverwaltung in Österreich nicht recht zustande k a m , vielmehr die territoriale Engherzigkeit der einzelnen L a n desbehörden ein sehr schädliches Gegeneinander der einzelnen L ä n d e r in der Monarchie gestattete. U n d endlich schloß der stark konfessionelle C h a r a k t e r des Staates diejenigen Wirtschaftsanregungen von vornherein aus, die

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andere deutsche Staaten durch die Einwanderung von H u genotten und anderen Glaubensflüchtlingen empfingen. So gelangte der österreichische Staat in jener Zeit bei obendrein bedeutenden Kriegskosten niemals aus den Finanzschwierigkeiten heraus. Anleihen waren bei dem geringen Vertrauen der Kapitalisten zur österreichischen Finanzpolitik schwer unterzubringen, ein ausgeglichener Staatshaushalt kam nicht zustande, vielmehr drohte verschiedentlich der Staatsbankerott, den man nicht durch grundsätzliche Reformen, sondern durch die Augenblickshilfe neuer Anleihen abwehrte. Unter solchen Umständen war an eine angemessene Versorgung des Heeres nicht zu denken. Wie in Preußen bildeten Finanzen und Heer eine feste Einheit. Dort ermöglichten steigende Einnahmen die Vergrößerung und Verbesserung der militärischen Machtmittel, hier gefährdete ständiger Mangel selbst die Erhaltung des Überkommenen. Der polnische Thronfolgekrieg zeigte deutlich die Folgen dieses Umstandes, und der nächste Türkenkrieg bewies dann, daß nicht allein durch Prinz Eugens T o d die Führung einen unersetzlichen Verlust erlitten hatte, sondern d a ß auch Ausrüstung und Reserven zurückgegangen waren, während die T ü r k e n seit Passarowitz entschieden militärische Fortschritte erzielt hatten. Unter dem Eindruck einiger Niederlagen einerseits und der wachsenden Finanzschwäche andererseits geriet die politische Leitung in Wien, der obendrein preußische H i l f e versagt wurde, da der König die bittere Enttäuschung in der bergischen Angelegenheit nicht verwinden konnte, in eine Panikstimmung. Sie führte zum Abschluß des f ü r Österreich ungünstigen Friedens von Belgrad am 18.9.1739: Österreich verzichtete ohne wirkliche N o t auf die Walachei und Serbien mitsamt dem von den T ü r k e n nicht eroberten Belgrad; es zog sich damit — endgültig — aus dem Balkan zurück, verzichtete auf die Befreiung der Südslawen und überhaupt auf die Führerrolle in Südosteuropa, während f ü r den griechischkatholischen Bereich erstmals R u ß l a n d als die der Türkei überlegene Macht in Erscheinung trat. Österreich bewahrte nur Ungarn, über das sich bereits der erste Strom der

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„schwäbischen" Kolonisten ergossen hatte — ähnlich den „sächsischen" im Mittelalter. Ein J a h r später starb Karl V I . am 20. 10. 1740, fünf Monate nach Friedrich Wilhelm I. von Preußen. Sie überließen ihren Kindern, den Erben ihrer Überlieferung und ihres Hauses, den Gestaltern einer neuen Zeit „Deutschland als Feld einer ganz Europa aufwühlenden Gegnerschaft". 5. Ergebnisse im Jahre 1740 Blickt man unmittelbar vor dem Übergang dieser Gegnerschaft in den akuten politisch-militärischen Konflikt noch einmal zurück auf das eben vergangene Jahrhundert, so kann man feststellen, daß der 30jährige Krieg vergessen war. Nicht daß alle seine Schäden und Verluste ausgeglichen und überwunden gewesen wären: es gab noch genug Ruinen aus jener Zeit! Aber die Einfälle der Franzosen, die Wegnahme Straßburgs, die Zerstörung Heidelbergs, die Belagerung Wiens, der spanische und der polnische Erbfolgekrieg, kleine und große Intrigen, wirtschaftspolitische Entwürfe, Ansätze und Enttäuschungen •— all das hatte sich vor jenen großen Krieg geschoben. Neue Generationen waren herangewachsen, denen der Große K u r f ü r s t und der edle Ritter Prinz Eugen, denen Ludwig X I V . und seine Generale vertrauter waren als selbst Gustav Adolf, Wallenstein und Tilly. Ein neues Zeitalter hatte nach dem Ende des 30jährigen Krieges begonnen und nun, wie sich bald herausstellen sollte, bereits wieder sein Ende erreicht. Sowohl Karl VI. wie Friedrich Wilhelm I. waren, das sollte sich bald erweisen, Wegbereiter, nach deren T o d wieder ein neuer Zeitabschnitt in der deutschen Geschichte begann. U n d Friedrich der Große sowohl wie Maria Theresia schufen f ü r Deutschland ein neues Zeitalter, das ganz und gar von ihnen bestimmt wurde — nicht allein durch die militärische Auseinandersetzung, die sich über mehr als zwei Jahrzehnte hinzog und eine Spannung hinterließ, welche sich bis auf den heutigen T a g bemerkbar macht, sondern auch in der Weltanschauung, in der Lebens- und Staatsanschauung, im Verhältnis zu Gott und den Menschen, im Bereich von Kunst und Wissenschaft.

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Zwei Leistungen hat man als "Wahrzeichen des eben auslaufenden Jahrhunderts genannt: die Residenzen und die Armee. Wien, Dresden, Berlin, München und selbst H a n n o v e r und Kassel haben nach dem Großen Kriege des 17. Jahrhunderts eine ganz andere, „modernere" Entwicklung durchgemacht als alle anderen Städte: Nürnberg, Köln, Bremen, F r a n k f u r t und H a m b u r g eingeschlossen. Sie sind zu Machtzentren, zu Mittelpunkten politisch-militärischer Aktivität und fürstlicher Barockrepräsentation herangewachsen, in denen und um die herum neue, größere und schönere Schlösser entstanden als je zuvor: Potsdam und Charlottenburg, Favoriten und Schönbrunn, Nymphenburg und Schleißheim, Herrenhausen, Wilhelmshöhe, Ludwigsburg und manche andere. Als die Franzosen aus dem Oberrheingebiet wieder vertrieben waren, rief die fürstliche Baulust auch dort Residenzen ins Leben: Bruchsal anstelle von Speyer, Rastatt f ü r Baden-Baden, Mannheim f ü r die Heidelberger Pfalz und Karlsruhe f ü r Baden-Durlach. Daneben und davor trat das Würzburg der Schönborns, dahinter schufen die grundbesitzenden Orden ihre „Klosterschlösser": Göttweig, Melk und St. Florian im Bereich der Donau, Ebrach in Franken, Weingarten in Württemberg, Grüssau in Schlesien. U n d gleichzeitig begannen die mittelalterlichen Befestigungsanlagen der Städte sehr viel komplizierteren modernen zu weichen: den Bastionen, Contrescarpen, Courtinen, Glacis usw., die schon mit ihren Namen bezeugen, daß die jüngere Kriegs-, die Festungsbau- und die Belagerungskunst stärkste Anregungen aus Frankreich — und dahinter aus Italien — erhalten hatte, woher denn auch der moderne Ingenieuroffizier und Festungsbaumeister kam. Je stärker aber die Garnisonen und Kasernen in die Städte hineingezogen wurden, um so mehr verzichtete man auf deren festungsmäßigen Ausbau: einmal wuchsen die Städte nicht selten so schnell, daß Hugenotten- und andere Vorund Neustädte sich vor die Befestigungen legten und deren militärischen Wert erheblich herabsetzten; zum anderen bildeten Errichtung und Erhaltung dieser Rundumbefestigungen eine erhebliche finanzielle Belastung, die man gern ver-

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mied. Daher erhielt z. B. Wien nach 1683 vor den Stadtbasteien ein weites Gebiet zur Entfaltung der Vorstädte mit ihren prächtigen Adelspalästen und in Zeiten kriegerischer Bedrohung nur mehr eine schnell aufgeworfene feldmäßige Befestigung, den sogenannten Linienwall. Das andere Wahrzeichen der Zeit war das stehende Heer, die moderne Armee als dauernde Grundlage des Staates, seiner Sicherheit und Existenz wie seiner Expansionskraft und Möglichkeit, sich an der deutschen Territorial- oder an der europäischen Großmachtspolitik beteiligen zu können. Ein so wichtiges Instrument mußte — auch nach den Erfahrungen im 30jährigen Kriege — dem Staate gehören und durfte nicht einer nun ungenügenden Mischung von Soldaten- und Unternehmertum der Obersten und Generale überlassen bleiben. Das Heer trug Uniformen und sollte uniform werden — Gleichschritt, Exerzierreglement und Drill wurden zu Symbolen d a f ü r ; es erhielt sein eigenes Standes-und Berufsethos, seinen speziellen Ehrenkodex und seine besondere Gerichtsbarkeit, was alles diese Wehrmacht aus dem bürgerlichen Leben heraushob und bei Fürsten nach der Art Friedrich Wilhelms I., der bald nur noch die Uniform trug, eine einzigartige, das Leben des Einzelnen wie der Gemeinschaft zutiefst bestimmende Verbindung zwischen Staatsoberhaupt und Armee schuf. Die kaiserliche, die bayerische, die sächsische Armee — sie befanden sich alle auf dem gleichen Wege der soldatischen Perfektionierung, wie die Auffassung des 18. Jahrhunderts von Politik und Krieg sie brauchte. Aber sie wurden durch Geldmangel, schöngeistige oder andere Interessen des Fürsten zumeist an der Erreichung dieses Zieles gehindert. N u r eine, die preußische Armee, erreichte das gesteckte Ziel: viel kritisiert, viel bewundert und gefürchtet wie ihr Oberbefehlshaber selbst. Hier auch wurde aus den logischen Zusammenhängen heraus am nüchternsten, phantasielosesten und zugleich mit großem Erfolg die enge Verbindung von Staat, Merkantilwirtschaft und Heer ausgebildet, die Bedeutung des Geldes — und das hieß in Preußen: des heimischen Gewerbefleißes, nicht des überseeischen Kolonial- und internationalen H a n -

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delsgewinnes — f ü r die militärische S t ä r k e e r k a n n t . S t a n desinteressen des Adels m u ß t e n solchen U n t e r n e h m u n g e n so sehr weichen w i e T e r r i t o r i a l - u n d P r o v i n z i a l i n t e r e s s e n . D e r Absolutismus w a r Z e n t r a l i s m u s m i t all seinen F o l g e n der Z u s a m m e n f a s s u n g u n d F ö r d e r u n g a l l e r b r a u c h b a r e n u n d der U n t e r d r ü c k u n g aller entgegenstehenden K r ä f t e ; er w a r Fiskalismus äußerster S p a r s a m k e i t bis zum G e i z u n d gab dem S t a a t nach dem Ü b e r m a ß u n d der fürstlichen V e r s c h w e n d u n g des B a r o c k über aller inneren D y n a m i k ein ärmliches, karges Aussehen, das sich beim preußischen K ö n i g noch an der F a m i l i e n t a f e l b e m e r k b a r machte. I n s g e s a m t w a r die Konsolidation der Staaten in den l e t z t v e r g a n g e n e n h u n d e r t J a h r e n entschieden fortgeschritten. M i t dem P r i n z i p der U n t e i l b a r k e i t des L ä n d e r b e s i t z e s , das nun praktisch ü b e r a l l a n e r k a n n t w a r , h a t t e sich das S t a a t s denken über den fürstlichen P a t r i a r c h a l i s m u s e r h o b e n , w a r die Staatskasse v o n der Schatulle g e t r e n n t w o r d e n , h a t t e n die Politischen T e s t a m e n t e der F ü r s t e n sich entschieden a b g e w e n d e t v o n F o r m u n d I n h a l t eines P r i v a t t e s t a m e n t e s . K a r l s V I . unermüdliches S t r e b e n , eine neue V e r s e l b s t ä n d i gung einzelner E r b l ä n d e r zu v e r h i n d e r n , gehören m i t z u r P o l i t i k der P r a g m a t i s c h e n S a n k t i o n v o n 1 7 1 3 . U n d der K a i s e r lieh zugleich ähnlichen Bestrebungen a n d e r e r d e u t scher F ü r s t e n h ä u s e r seine A u t o r i t ä t : den erfolgreichen V e r h a n d l u n g e n des W e i f e n E r n s t August z. B . , der aus den beiden lüneburgischen H e r z o g t ü m e r n u n d L a u e n b u r g das neue K u r h a n n o v e r schuf, sowie den M a ß n a h m e n des späteren ersten P r e u ß e n k ö n i g s z u r R e t t u n g der S t a a t s e i n h e i t , die durch die testamentarischen B e s t i m m u n g e n des G r o ß e n K u r f ü r s t e n zugunsten der K i n d e r aus z w e i t e r E h e g e f ä h r det w a r . D a s Bauerntum lebte noch g a n z in den Z u s t ä n d e n , die nach 1 5 2 5 e n t s t a n d e n und besonders im O s t e n bereits v o r 1 6 1 8 , überall a b e r w ä h r e n d des K r i e g e s im g a n z e n u n günstiger g e w o r d e n w a r e n . D i e U n f r e i h e i t des B a u e r n w a r der Preis, den der S t a a t dem landsässigen A d e l f ü r dessen E i n o r d n u n g u n d U n t e r w e r f u n g z a h l e n l i e ß : i n s o f e r n ist die K o n s o l i d i e r u n g u n d Z e n t r a l i s i e r u n g des S t a a t e s , ist»die

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politische wie die wirtschaftliche und militärische Durchführung des Absolutismus im weitesten U m f a n g e vom Bauern mit der Institutionalisierung und Verschärfung seiner Unfreiheit erworben worden — um so mehr, als im strengen Merkantilismus ein starker landwirtschafts- und damit bauernfeindlicher Zug enthalten w a r . Das schloß nicht aus, daß auf den Kammergütern und Domänen fast gleichzeitig erste Ansätze einer Bauernschutzgesetzgebung entwickelt wurden, da die immer größer werdenden Heere nach Möglichkeit aus dem eigenen Bauerntum rekrutiert werden sollten, dieses aber obendrein besonders in dem östlichen geldarmen Staate auch produktions- und steuermäßig einen sehr großen Teil der militärstaatlichen Existenz zu tragen hatte. Insofern übte das moderne Heer — so bedrückend und hart es häufig erscheinen mochte — auch eine wichtige soziale Ausgleichsfunktion aus. Gleichwohl w u r d e auch dem geduldigen Bauern das Leben in der H e i m a t gelegentlich so schwer, daß er es nicht mehr ertragen konnte oder wollte: seit dem A n f a n g des 18. Jahrhunderts nahm die bäuerliche A u s w a n d e r u n g erheblich zu. W a r e n aus der P f a l z bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts viele tausend Menschen vor dem Kriege nach N o r d a m e r i k a geflüchtet, so bezeugten die 1722 einsetzenden großen „Schwabenzüge" aus den weltlichen und geistlichen Klein- und Kleinststaaten der alemannischen, main- und rheinfränkischen Gebiete und Lothringens nach dem Südosten diese aus der V e r z w e i f l u n g und äußersten Not stammende A u f g a b e der H e i m a t und Bereitschaft, in dem fremden und noch immer gefährdeten U n g a r n bei rechtlich weit besserer Stellung von neuem a n z u f a n g e n . Groß w a r e n auch die Verluste, die mehrfach, freilich in verschiedenen Gebieten, die Pest verursachte: 1665—-1670 zunächst am Nieder-, dann auch am Oberrhein, 1678—1681 in Österreich, besonders in W i e n , 1681 in Schlesien und Sachsen, 1709 von Polen kommend in Danzig und Ostpreußen und 1713 noch einmal von der M o l d a u - W a l a c h e i einströmend in W i e n und von dort übertragen bis Regensbutg, so daß der Reichstag nach Augsburg flüchtete. N a t ü r -

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liehe Bevölkerungsvermehrung und planmäßiges Rétablissement haben zwar diese Verluste meist schnell wieder ersetzt, doch aber nicht verhindern können, daß die Bevölkerungszunahme östlich des Rheins hinter der Westeuropas erheblich zurückblieb. Das Bürgertum hat in der Zeit fürstlich gesteuerter Merkantilwirtschaft keine großen Expansions- und Aufstiegsmöglichkeiten gehabt. Der Staat bestimmte Produktion, Konsumtion und Handel, er zog f ü r Neuerungen zumeist lieber Ausländer heran, als daß er eigenen Landeskindern eine Chance bot; er schuf durch die Ansiedlung von Glaubensflüchtlingen gerade im H a n d w e r k erhebliche, lange Zeit anhaltende Spannungen, die noch durch die U m f o r mung der Zünfte in staatlich gelenkte Institutionen verstärkt wurden. Auf der anderen Seite stand freilich eine gegenüber englischen und niederländischen Verhältnissen stark bremsende Genügsamkeit und Unbeweglichkeit des deutschen Bürgertums, das, zunächst vom Staat reglementiert, nun diesem auch Initiative und Risiko vollkommen überließ. Unter solchen Umständen stieg die Gruppe der zumeist jüdischen H o f f a k t o r e n zu immer größerer Bedeutung auf — nicht allein in der Wirtschaft, sondern zuweilen auch in der Innen- und Außenpolitik. Diese H o f juden bildeten zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert gewissermaßen den Ersatz f ü r das kapitalistisch-unternehmerische Bürgertum, dessen Entfaltung die absolutistische Regierungsform nicht gestattete, während die alles in allem kleine Gruppe der H o f f a k t o r e n im Staatsapparat f ü r Friedens- und Kriegszeiten feste Funktionen erhielt und zugleich in ihrer prinzipiellen Rechtlosigkeit dem Fürsten ein sehr bequemes Werkzeug war, dessen gelegentliche, meist mit der Streichung fürstlicher Schulden verbundene Aufgabe und Opferung obendrein noch die Zustimmung des Volkes f a n d . Im ganzen hatte insbesondere das Vierteljahrhundert seit den großen Friedensschlüssen von 1713 eine Zeit der inneren Konsolidation, Stärkung und Beruhigung gebildet. Allerdings hatte sich gerade auch in dieser Zeit der österreichischpreußische Gegensatz immer deutlicher entwickelt, und es

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Die Anfänge Friedrichs des Großen

w a r zu befürchten, d a ß ein preußischer König, der außenpolitisch weniger genügsam u n d ängstlich w a r als Friedrich Wilhelm I., sich nicht mehr auf die gewohnte Weise fügen u n d einordnen w ü r d e . Angesichts der Thronwechsel in Österreich und Preußen, der Pragmatischen Sanktion einerseits u n d der Demütigungen andererseits, die P r e u ß e n in den letzten J a h r e n hatte hinnehmen müssen, k o n n t e die Z u k u n f t nur eher gefahrvoll als friedlich erscheinen. Es lag in der N a t u r der Menschen, d a ß sie bei solchen Verhältnissen von dem jungen preußischen König schneller kriegerische Entschlüsse befürchteten als von einer jungen Fürstin, die m a n sich k a u m mit erhobenem Schwert vorstellen konnte. D a m i t aber w a r bereits ein bedeutungsvolles P r ä j u d i z geschaffen. 6. Die Anfänge Friedrichs des Großen A m 2 4 . 1 . 1 7 1 2 geboren, w a r Friedrich an dem bürgerlich bescheidenen H o f Friedrich Wilhelms I. herangewachsen, ohne d a ß er den v o m V a t e r vorgezogenen Linien gefolgt u n d ein Vertrauensverhältnis zwischen V a t e r u n d Sohn entstanden war. Friedrichs H a u p t n e i g u n g e n galten der Musik u n d der Literatur, f ü r die beide der V a t e r , der letzte preußische Herrscher des patriarchalisch-landesfürstlichen T y p s ganz unreflektierter lutherischer Gläubigkeit u n d Berufsauffassung, kein Empfinden besaß. Dieser w a r ganz und gar Soldat u n d V e r w a l t u n g s m a n n , was wiederum den Sohn nicht anzog. Als V a t e r f r ü h gealtert, vergaß Friedrich Wilhelm, d a ß er selbst seine Jugend im Protest gegen Vater u n d M u t t e r verbracht hatte, u n d brachte kein V e r ständnis f ü r eine ähnliche, generationsbedingte Einstellung seines Sohnes a u f , sondern f o r d e r t e von diesem Gehorsam, U n t e r o r d n u n g , militärische Disziplin, w o er selbst Einsicht hätte zeigen müssen. Er neigte zur Ü b e r b e t o n u n g der jugendlichen Schwächen Friedrichs, der wenig Ernst, Ausdauer, Sparsamkeit u n d gründliches Interesse f ü r die Einf ü h r u n g in seine späteren Pflichten bewies, u n d versuchte, mit der ihm eigenen düsteren Anlage zu G e w a l t und B r u t a lität den W i d e r s t a n d zu brechen u n d den C h a r a k t e r zu

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formen. So unpädagogisch diese Einstellung war, so patriarchalisch und offiziersmäßig richtig war sie doch nach der Auffassung der Zeit. Andererseits spricht es f ü r die Stärke von Friedrichs Persönlichkeit, daß er — als einer von wenigen — sich durch die nicht selten furchterregende Persönlichkeit des Vaters nicht einschüchtern ließ, sondern herausgefordert fühlte. Doch handelte es sich nicht allein um die Tragik menschlicher Konflikte zwischen Vater und Sohn. Auch hier spielte die Politik eine erhebliche Rolle. Von England her bemühte man sich 1728—1730 um eine Doppelheirat — Kronprinz Friedrich sollte eine Tochter des englischen Königs, seine Schwester Wilhelmine den Prince of Wales heiraten —, um so Preußen eng an England zu binden. Die preußische Königin Sophie Dorothea förderte ehrgeizig und politisch anspruchslos diese Bestrebungen, und Friedrich erblickte in ihrer Verwirklichung nicht weniger kurzsichtig zunächst einmal die Befreiung von dem unerträglich werdenden väterlichen Druck, da er nach seiner Vermählung nach H a n n o v e r übersiedeln sollte. Die Taktlosigkeit und herausfordernde Offenheit, mit der der englische Gesandte H o t h a m diese Frage als Teil eines großen politischen Planes behandelte — er forderte u. a. die Entlassung des preußischen, f ü r Österreich eintretenden und von dort bestochenen Ministers von Grumbkow, — empörte Friedrich Wilhelm, der schließlich seit dem Sommer 1730 entschlossen war, die britischen Pläne zu Fall zu bringen. Das trieb wiederum den Kronprinzen, der seine H o f f nungen zerschlagen sah, zur Entwicklung gewaltsamer Befreiungspläne, die er im August 1730 während einer Reise mit dem Vater durch Süddeutschland zu verwirklichen unternahm. Sein Fluchtversuch wurde vom Begleitoffizier entdeckt, vom Vater zwar ohne Verständnis f ü r die Entstehung der Situation, aber, wie die Akten zeigen, sachlich richtig als Komplott und militärische Desertion aufgefaßt, bezeichnet und geahndet: die beiden mitschuldigen Freunde Friedrichs, von Keith — er befand sich in Holland — und von Katte, wurden zum Tode verurteilt. Das f ü r Friedrich

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Die A n f ä n g e Friedrichs des G r o ß e n

vom König bestellte Kriegsgericht verweigerte mutig und entschieden ein Urteil über den Sohn des Königs, wie auch der Kronprinz selbst gewandt die A n t w o r t auf die Frage nach seiner Würdigkeit, den T h r o n zu besteigen, dem Vater zuschob, so daß diesem also der Spruch über seinen Sohn unter Berücksichtigung des preußischen und des persönlichen Prestiges in Europa aufgezwungen wurde. Ob der König im ersten Zorn daran gedacht hat, den eigenen Sohn zur schwersten Strafe zu verurteilen oder ihn mindestens zu enterben, ist nicht festzustellen. Bei nüchterner, durch die der Dynastie und dem Staate gegenüber loyale H a l t u n g des Gerichts geförderter Überlegung verlangte er Unterwerfung des Sohnes in der Form der inneren Anerkennung des väterlichen Werkes und deutliche Zeichen der Bereitschaft, als Nachfolger dereinst Friedrich Wilhelms Politik fortzusetzen. Friedrich selbst wurden das Geschehen um den Fluchtversuch, die gegen den Spruch des Kriegsgerichts vom König befohlene Hinrichtung Kattes und die Gefährdung der eigenen Person Anstoß zur Selbstbesinnung. Sie endete in der Abgeschlossenheit Küstrins — erleichtert durch die Trennung von der übermächtigen, polternden und bedrückenden Persönlichkeit des Vaters sowie andererseits durch die menschlich verständnisbereite, vorsichtige und taktvolle Lenkung des Kammerdirektors Hille — in einer großen Wendung zum Verständnis f ü r den Vater u n d f ü r die vor ihm selbst liegende fürstliche, staatsmännisch-militärische Aufgabe unter den besonderen preußischen Verhältnissen, ohne daß freilich bei Friedrich K r ä f t e des Gemüts freigelegt wurden, die nur in geringstem Umfange vorhanden waren. „So nimmt Friedrich in dieser zweiten Erziehungszeit das spezifisch Preußische des Staates, wie es der Vater geprägt hatte, in sich auf und sichert ihm damit Bestand über das Leben Friedrich Wilhelms I. hinaus" (Härtung). Das bedeutete nicht, daß Friedrich fortan so wurde, wie sein Vater war. Er hat vielmehr seine Abneigung gegen jede Form des väterlichen Tabakkollegiums und der darin zum Ausdruck kommenden Fürsten- und Lebensauffassung

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behalten, hat neben dem immer stärkeren Pflichtbewußtsein, neben der Kunst des Staatsmannes und Feldherrn in Krieg und Frieden stets seine, nach dem Urteil des Vaters „effeminierte", von der Mutter her eingeborene Liebe zu Kunst und Wissenschaft behauptet — auch schon zu Lebzeiten seines Vaters in Küstrin und in den glücklichsten Jahren seines Lebens in Rheinsberg unter Anleitung Voltaires. Er ist dadurch ganz in die Bahnen französischen Denkens und französischer Philosophie — aber nie der französischen Politik — geraten, hat von dort her seine eigenen Aufgaben durchdacht und seine Handlungen beurteilt, den starken Rationalismus seiner Auffassung ausgebildet, im Antimacchiavel 1739/40 — in Anlehnung an Fénélons „Telemach", wo er die erste Formulierung vom Fürsten als Diener seines Staates fand — seine Auffassung von den Aufgaben des Fürsten entwickelt und in den „Considérations sur l'état présent du corps politique de l'Europe" 1739 für sich selbst eine Denkschrift über die Entwicklung und den Stand der Politik in Europa geschaffen, in der er durch Fleury Ludwig X I V . und die Fortsetzung von dessen Politik angriff. Die 1733 geschlossene Ehe mit der von ihm nie geliebten Prinzessin Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern ist kinderlos geblieben und hat weder auf Friedrichs Leben noch auf seine Politik Einfluß ausgeübt. Wie Friedrich Wilhelm I. bei der Thronbesteigung den Luxus der väterlichen Hofhaltung kassiert hatte, so begann 1740 auch Friedrich II. mit zeitgemäßen Reformen und der Beseitigung offenbaren Unrechts; die Hofnarrenbesoldung im Etat der Akademie wurde gestrichen, Christian Wolf zurückberufen und die religiöse Toleranz proklamiert. Aber anders als 1713 wurde mit solchen Maßnahmen nicht ein Bruch mit der Gesamtpolitik der jüngsten Vergangenheit verbunden, diese vielmehr vollauf anerkannt und als Grundlage für die Zukunft bezeichnet, wie denn auch die alten Ratgeber im Amte blieben und die von Friedrich Wilhelm I. betriebene Heeresvermehrung fortgesetzt wurde. Freilich: in der Außenpolitik setzte alsbald eine unabhängige Aktivität ein, die es seit dem Tode des Großen T r e u e . Deutsche Gesdiichte

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Die österreichische Erbfolgefrage

Kurfürsten nicht mehr gegeben hatte und die keinen Zweifel darüber aufkommen ließ, daß der junge preußische König ein für das europäische Gleichgewicht unbequemer Neuerer sein und sich nicht an Traditionen halten würde, die für die Großmächte befriedigend sein mochten, aber nicht mehr der Stärke Preußens entsprachen. 7. Die österreichische Erbfolgefrage Den vergleichsweise ruhigen Jahrzehnten zwischen 1714 und 1740 folgte ein kriegerisches Zeitalter von rund einem Vierteljahrhundert, in dem obendrein die militärischen Auseinandersetzungen im allgemeinen nicht auf kleine Räume und zwei kämpfende Gegner beschränkt werden konnten, sondern mehr und mehr Staaten ergriffen, bis sie schließlich im siebenjährigen Kampf zum Weltkrieg anwuchsen, der von Indien bis nach Nordamerika, vom Pazifik zu den Grenzbefestigungen zwischen Kolonisten und Indianern reichte, der diesmal auch Rußland in sich hineinzog und eine Neugestaltung der Staatenordnung in Europa und in den kolonialen Gebieten jenseits der Meere zur Folge hatte — nicht anders als die Kämpfe, die mit den Friedensschlüssen von 1648 und 1713 beendet worden waren. Den Anstoß dazu gab die Frage der österreichischen Erbfolge, die sich im Herbst 1740 mit dem T o d e Karls V I . stellte. Zwar gab es die im Lande und von den meisten Staaten anerkannte Pragmatische Sanktion. Aber als diese nun wirklich in K r a f t treten sollte, erinnerte man sich doch, daß die Töchter Josephs I. aus dem älteren Pactum mutuae successionis entscheidende Vorteile hätten ziehen können, die ihnen durch die Pragmatische Sanktion genommen worden waren. Ausdrücklich war dort bestimmt worden, daß Josephs Töchter beim Aussterben des Mannesstammes denen Karls V I . gegenüber den Vorrang haben sollten. Und der Umstand, daß Karl V I . seinen beiden Nichten bei ihrer Vermählung darüber hinaus noch einmal einen Erbverzicht abgefordert hatte, bewies — wenn man wollte — , daß sie eben doch eigentlich einen Erbanspruch hatten und nun auf jeden Fall erst einmal geltend machen konnten.

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Josephs ältere Tochter Maria Josepha, die mit August III. von Sachsen-Polen verheiratet war, hielt sich zunächst zurück: August hatte zur Erlangung der polnischen Krone seinerzeit ausdrücklich und öffentlich die Pragmatische Sanktion anerkannt. Aber Kurfürst Karl Albrecht von Bayern, der mit Josephs zweiten Tochter Maria Amalie verheiratet war, erhob um so energischer Anspruch auf die vermeintlichen Rechte seiner Ehefrau. Er hatte einmal die Pragmatische Sanktion nicht anerkannt und stellte seine Forderungen außerdem für seine eigene Person, da er von der Erzherzogin Anna, einer Tochter Ferdinands I., abstammte. Das war zwar schon lange her, und Anna hatte bei ihrer Vermählung mit Albrecht V. von Bayern 1546 für sich selbst und ihre Nachkommen auf jeden Erbanspruch verzichten müssen; aber nach Auffassung der Bayern lebte dem Testament Ferdinands I. entsprechend ihr Anspruch wieder auf, sobald Ferdinands männliche Leibeserben ausgestorben waren. Es kam hinzu, daß Karl Albrecht der nächste Anwärter auf die Kaiserkrone war, denn Maria Theresias Gemahl, Großherzog Franz Stephan von Toscana, war nicht allein wenig beliebt, sondern besaß außerdem nicht einmal ein Reichsfürstentum als Grundlage für seine Bewerbung. Schnell stellte sich heraus, daß die bayrische Interpretation des Testamentes Ferdinands I. falsch war, indem einfach von ehelichen Leibeserben die Rede war — zu denen auch Maria Theresia zählte — und nicht nur von den männlichen Erben. Obendrein verzichtete Maria Theresia natürlich nicht auf ihre Ansprüche; und die bayrischen Forderungen ohne Bundesgenossen durchzusetzen, war bei dem schlechten Zustand der Finanzen und des Heeres unmöglich, ganz abgesehen davon, daß K a r l Albrecht auch der Ehrgeiz für ein solches Unternehmen fehlte. Zwar besaß er in Frankreich den alten natürlichen Bundesgenossen gegen Österreich, aber der alt gewordene Kardinal Fleury neigte um so mehr zur Erhaltung des Friedens, als Frankreich sich nach den Lösungen in Spanien und Lothringen durch Österreich nicht mehr bedroht fühlen konnte, zumal auch das 3*

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Reich nicht auf Österreichs Seite treten würde. Fleury f a n d , es sei wichtiger, Frankreichs Finanzen zu schonen, der Wirtschaft die nötige Ruhe zu erhalten, das europäische Gleichgewicht zu behüten und auf diese Art auch jederzeit den Rücken frei zu haben für die immer lebhafter werdende wirtschaftliche und koloniale Rivalität Frankreichs und Englands. Schon seit langer Zeit führten England und Spanien in Amerika einen verdeckten Handelskrieg, der im Jahre 1739 zum offenen K a m p f geführt hatte. Es war zu befürchten, daß die Verwandtschaft der Dynastien auch die französischen Bourbonen in diesen ganz unübersichtlichen Krieg hineinzog. Im übrigen aber galt f ü r England das gleiche: es war an einem K a m p f um die Pragmatische Sanktion so wenig interessiert wie Frankreich. U n d der behutsamen Haltung Fleurys entsprach die eher ängstliche Einstellung Walpoles, der anders als Wilhelm III. und Marlborough großen Entscheidungen nach Möglichkeit auswich. Bayern konnte und Frankreich und England wollten also nicht die Pragmatische Sanktion zum Anlaß f ü r eine europäische Machtprobe werden lassen. Wohl aber war Friedrich II. von Preußen entschlossen, die Erbfolge Maria Theresias anzufechten — Friedrich II., nicht Preußen, wie Härtung unter Hinweis auf die „Bedeutung des persönlichen Moments in der Geschichte" hervorgehoben hat: „ W ä r e Friedrich Wilhelm I. noch am Leben gewesen, so hätte der preußische Staat gewiß nicht die Initiative zur Anfechtung der Erbfolge Maria Theresias ergriffen." 8. Kriege um Schlesien und die österreichische Erbfolge 1740—1748 Der preußische Staat war — nach Friedrich des Großen Wort in der „Histoire de mon temps" — ein Zwitter zwischen Kurfürstentum und Königreich gewesen. Unmittelbar nach der Thronbesteigung zeigte Friedrich, daß er ein König war und seine Rechte, wenn notwendig, auch mit militärischer Macht durchsetzen würde: auf diese Weise nahm er seinen Anspruch auch auf Herstal, ein Stück der oranischen Erbschaft, gegenüber dem Bischof von Lüttich ernst

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— nicht um H e r s t a l zu besitzen, sondern um zu zeigen, d a ß man ihm nicht ungestraft seine Rechte vorenthalten konnte. Sobald er diese durchgesetzt, hatte, trat er sie in richtiger Erkenntnis des Wertes u n d der strategisch u n günstigen Lage des T e r r i t o r i u m s gegen 2 0 0 0 0 0 T a l e r a n Lüttich ab. An dem T a g e des Vertragsabschlusses über H e r s t a l starb K a r l V I . Friedrich hat, seinem Schreiben vom 26. 10. 1740 zufolge, die Bedeutung dieses Ereignisses sofort in ihrer ganzen T r a g w e i t e begriffen u n d alsbald den Entschluß gefaßt, die Gunst der Lage auszunutzen und einen Teil Schlesiens zu besetzen. Er behauptete, dabei keinen V e r t r a g s bruch zu begehen, da er nicht an die Pragmatische Sanktion gebunden sei. Friedrich "Wilhelm I. hatte diese z w a r a n e r k a n n t , doch w a r andererseits sein eigenes Erbrecht auf Berg nicht berücksichtigt u n d erfüllt w o r d e n . Die H o h e n z o l l e r n beanspruchten in Schlesien erstens das H e r z o g t u m J ä g e r n d o r f , das F e r d i n a n d II. im 30jährigen Kriege eingezogen hatte, als Markgraf J o h a n n Georg, der die Partei des W i n t e r königs ergriff, geächtet w o r d e n w a r . Zweitens f o r d e r t e n die H o h e n z o l l e r n die Gebiete von Liegniz, Brieg u n d W o h lau, mit dessen H e r z o g h a u s K u r f ü r s t Joachim I I . einen E r b v e r b r ü d e r u n g s v e r t r a g abgeschlossen hatte. F e r d i n a n d I. h a t t e als Oberlehnsherr den V e r t r a g kassiert; die H o h e n zollern bestritten ihm das Recht zu so einseitigem V o r gehen. Als 1675 der E r b f a l l eintrat, w a r der G r o ß e K u r f ü r s t durch die Kriegslage am Durchsetzen seiner Ansprüche verhindert, 1686 verzichtete er sogar auf seine Ansprüche in u n v o r t e i l h a f t e m Tausch gegen Schwiebus. Ein Geheimvertrag mit dem damaligen K u r p r i n z e n , dem späteren K u r f ü r s t e n Friedrich I I I . , brachte jedoch auch Schwiebus wieder an Schlesien zurück; Friedrich f a n d d a f ü r keinen W i d e r stand in Österreich gegen seine Selbsterhöhung zum K ö n i g , erhielt also ein beträchtliches Ä q u i v a l e n t f ü r die A b t r e t u n g des Gebietes. Die späteren H o h e n z o l l e r n dagegen beh a u p t e t e n die Version, sie seien v o m Kaiser u m das schlesische Erbe betrogen w o r d e n : Friedrich II. selbst hatte dieses Empfinden. Wichtiger w a r freilich, d a ß er die G u n s t des

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Augenblicks f ü r die Durchsetzung von möglicherweise sogar etwas zweifelhaften Ansprüchen erkannte und wahrnehmen wollte — auch um seinen N a m e n mit einem Schlage berühmt zu machen. Er beabsichtigte also nicht, Maria Theresias Erbrecht überhaupt anzufechten, sondern forderte nur f ü r sich selbst einen Vorteil, nämlich Schlesien. Erhielt er es, so war er bereit, Maria Theresias deutsche Besitzungen zu verteidigen — ein Angebot, das angesichts der bayerischen wie der spanischen Ansprüche auf Teile der Monarchie sowie der Möglichkeit neuer französischer Angriffe um so schwerer wog, als Maria Theresia wissen mußte, daß im Falle der Ablehnung zu jenen Gefahren eine weitere von Preußen her hinzutreten würde. Doch erkannte Friedrich auch sehr wohl, daß Maria Theresia als Erbin einer Großmacht nicht einfach Teile ihres Besitzes hergeben konnte, sobald diese von ihr gefordert wurden. Daher rückte er gleichzeitig mit der Erhebung seines Anspruches nach Schlesien ein. Wie Caesar mit dem Überschreiten des Rubicon den Bürgerkrieg entfesselt hatte, der die Römische Republik vernichtete, so begann Friedrich den Kampf zwischen Preußen und Österreich, in dem schließlich — von Friedrich nicht beabsichtigt — das alte Reich zugrunde ging. Fünf Jahre jünger als Friedrich, war Maria Theresia bei Friedrichs Einfall nach Schlesien ihren eigenen späteren Worten zufolge „ohne Geld, ohne Kredit, ohne Armee, ohne eigene Erfahrung und Wissenschaft, endlich auch ohne allen Rat, weil jeder Minister vorerst zu erspähen sich bemühte, wohin die Sache sich wenden würde". Der seit 1736 mit ihr verheiratete Franz von Lothringen-Toscana war politisch bedeutungslos und bereit, einen Teil Schlesiens abzutreten. Im Vertrauen auf Gott entschloß Maria Theresia sich jedoch in starkem Gefühl f ü r W ü r d e und Pflicht gegen den R a t der Minister, „das gesamte ihr zugefallene Erbe zu verteidigen — ein großer moralischer, ein staatlich richtiger und notwendiger Entschluß. Mit der Energie und der Fähigkeit, die sie in der über sie und Österreich hereinbrechenden N o t bewies, hat diese Frau ihr Bild der deut-

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sehen und europäischen Geschichte kaum weniger stark eingeprägt als der Mann, dem sie das ihr in den ersten Stunden angetane Unrecht niemals vergaß" (Braubach). Beide waren die bedeutendsten Repräsentanten der deutschen Politik im 18. Jahrhundert und haben einander vier Jahrzehnte hindurch feindlich gegenübergestanden — zwei nach Anlage und Entwicklung ganz verschiedene Charaktere: die Kaiserin, Herrscherin, Mutter hat mehr Mitempfinden, menschliche Zustimmung, Anhänglichkeit und Liebe erweckt als der König, dieser mehr Bewunderung für seine Energie, seinen Verstand, sein Feldherrentum, seine Selbstaufopferung hervorgerufen als die Habsburgerin. Die Frau hatte das warme Gemüt, das dem König ganz fehlte, dieser das Genie. Sie kam als glückliche Landes- und Familienmutter mit der unreflektierten Sicherheit ihres katholischen Glaubens noch ganz aus der patriarchalischen Zeit, die sie zum letztenmal in aller Vollkommenheit verkörperte; der Hohenzoller trug nichts von diesem Erbe in sich, sondern lebte in der Philosophie, Welt- und Lebensauffassung der Aufklärung, in der Hingabe an eine religiös wenig fundierte Staatsräson, was nicht ausschloß, daß auch er in seiner Monarchie — in den Grenzen des Machtstaatgedankens — auf das Wohl der Bevölkerung bedacht war. Nur kurze Zeit neigte Frankreich 1740 zur Unterstützung der bayerischen Ansprüche, erwogen England, Holland und Rußland eine Koalition mit Österreich gegen Preußen. Die Eroberung von Glogau am 8. und 9. 3. durch den jungen Dessauer und Feldmarschall Schwerins Sieg bei Mollwitz (10. 4. 1741) brachten die Wendung: England befürwortete in Wien einen Ausgleich mit Preußen. Mit den Franzosen schloß Friedrich am 5. 6. 1741 einen Vertrag auf 15 Jahre: er versprach seine Kurstimme für den Wittelsbacher, verzichtete auf seine Ansprüche in Jülich-Berg und erhielt dafür den Besitz von Niederschlesien mit Breslau zugesichert. Frankreich und Bayern gingen ein enges Bündnis ein, Frankreich sagte Preußen zu, in Schweden für die preußischen Interessen einzutreten und bei einem russischen Angriff auf preußisches Gebiet eine schwedische Diversion zu ver-

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anlassen. Auch die spanischen Bourbonen schlössen sich im Vertrag zu Nymphenburg am 28. 5. 1741 dem Bündnis an. Als die Bayern am 31. 7. 1741 Passau überrumpelten und die Franzosen den Rhein überschritten, dehnte sich der Kampf um Schlesien zu einem europäischen Krieg um die österreichische Erbfolge aus. Maria Theresias Lage schien verzweifelt, die Kaiserwürde f ü r Franz unerreichbar, da auch Köln, Sachsen und selbst Georg II. von England Bayerns Ansprüche unterstützten. Maria Theresias persönlicher Charme bewirkte in Verbindung mit dem Nachgeben gegenüber ständischen Forderungen — z.B. des Indigenats,der Steuerfreiheit des Adels, der Unabhängigkeit der ungarischen Verwaltung — auf dem Reichstag zu Preßburg die Zusage von Unterstützung durch die Ungarn, die „vitam et sanguinem" versprachen, 30 000 Mann Infanterie stellten, die in Bayern einrückten, München nahmen u n d Maria Theresias Macht dort wiederherstellten. Sie erlangte in dem Geheimabkommen von Klein-Schnellendorf am 9. 10. 1741 gegen die Überlassung der Festung Neiße an Friedrich und die Zusicherung der Abtretung Niederschlesiens im künftigen Frieden einen Waffenstillstand und damit die Möglichkeit, sich energischer den anderen Gegnern zuzuwenden. Gleichwohl eroberten die Bayern und Franzosen mit sächsischer Truppenhilfe am 25. 11. 1741 Prag. Sofort nahm auch Friedrich wieder den Kampf auf. Karl Albrecht von Bayern, nun auch König von Böhmen, wurde am 24. 1. 1742 in F r a n k f u r t zum Kaiser gewählt und am 12. 2. — dem T a g vor Maria Theresias Einzug in München — von seinem kölnischen Bruder als K a r l V I I . gekrönt. Er war der erste nicht-habsburgische Kaiser seit 300 Jahren. Doch ist sein ganz von der gegenwärtigen politischen Situation abhängiges Kaisertum unbedeutend geblieben, zumal die Aufgaben auch über Bayerns Möglichkeiten hinausgingen und die Verbindung des Kaisertums mit Frankreich eine erhebliche politisch-moralische Belastung bildete, da es „bei aller Trostlosigkeit der Reichsgeschichte, bei aller Ohnmacht des Reiches" doch ein deutsches Nationalgefühl gab (Härtung), das sich bereits in

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der Zeit Ludwigs X I V . gelegentlich gezeigt hatte und nun Karl gerade in Süddeutschland besonders energisch ablehnte. Inzwischen fielen Maria Theresias Truppen unter Khevenhüller um die Jahreswende nach Bayern ein, gerieten die Franzosen dort in Schwierigkeiten, blieb ein preußisch-sächsischer Vorstoß nach Mähren durch Verpflegungsschwierigkeiten infolge zu weiter Entfernung von den Magazinen stecken. Friedrich, ständig in Unruhe über die Absichten der Franzosen, strebte eine Verständigung mit Maria Theresia an, fand dabei englische Unterstützung und veranlaßte die zunächst ablehnende Gegnerin durch den Sieg bei Chotusitz und Czaslau am 17. 5. 1742 zur Friedensbereitschaft. Dem unter englischer Vermittlung geschlossenen Breslauer Präliminarfrieden vom 11.6. folgte am 28. 7. 1742 der Berliner Definitivfrieden: Preußen, dessen Ziele weit über das Abkommen von Klein-Schnellendorf hinaus erreicht waren, ließ zum zweitenmal seine Bundesgenossen im Stich, gab den Krieg ohne wirklich entscheidenden Sieg auf und erhielt Schlesien mit der Grafschaft Glatz, jedoch ohne Teschen, Troppau und Jägerndorf. Maria Theresia wandte sich mit um so größeren Erfolgshoffnungen ihren anderen Gegnern zu, als inzwischen auch mit Sachsen ein — status quo Friede zustande gekommen war und der König von Sardinien sich gegen Spanier und Franzosen gewandt hatte. Böhmen wurde zurückerobert, in Bayern die Lage wesentlich verbessert. Die „Pragmatische Armee", bestehend aus Holländern, Engländern, Österreichern und deutschen Söldnern, marschierte von den Niederlanden aus rheinaufwärts und warf unter Georg II. von England am 27. 6. 1743 bei Dettingen die Franzosen zurück. Österreichisch-französische Geheimverhandlungen scheiterten, und Karl V I I . gab das Bündnis mit Frankreich nicht auf. Aber in Worms wurde am 13. 9. 1743 ein englisch-österreichisch-sädisisch-sardinisches Bündnis abgeschlossen, das den österreichisch-preußischen Frieden ignorierte, von England jedoch mehr gegen Frankreich und Spanien als gegen Preußen gerichtet war, außerdem allerdings Maria Theresia die Behauptung ihres Erbes

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und die Eroberung Bayerns ermöglichen sollte, nachdem sie schon vorher die Kaiserwahl wegen der suspendierten böhmischen Kurstimme und anderer Unregelmäßigkeiten angefochten hatte. Angesichts dieser Möglichkeit der Machtstärkung Österreichs und des Übergehens der Kaiserkrone auf Maria Theresia griff Friedrich, der inzwischen sein Heer vermehrt und verbessert hatte, erneut in die Kämpfe ein, nachdem er vergeblich versucht hatte, Karls V I I . Ansehen, Territorialbesitz und kaiserliche Truppenmacht zu steigern. Dem Bündnis von Worms und einem österreichisch-sächsischen Bündnis stellte er die Frankfurter Union mit Karl V I I . , Hessen und der Pfalz zur Verteidigung des Kaisers entgegen, erreichte in mühevollen Verhandlungen, daß Ludwig X V . Österreich und England den Krieg erklärte und am 5. 6. 1744 mit ihm eine Offensivallianz abschloß, also das Bündnis von 1741 erneuerte, und marschierte — immer die Möglichkeit eines plötzlichen österreichisch-französischen Sonderfriedens befürchtend, andererseits in der Hoffnung auf Schwedens und Rußlands Neutralität — Mitte August 1744 nach Böhmen ein, als die Österreicher über den Rhein ins Elsaß eingefallen waren. Das war der Anfang des Zweiten Schlesischen Krieges. Daß er damit n i c h t die Rückgewinnung des Elsaß und Lothringens für Österreich und somit für Deutschland verhindert hat, steht heute außer Frage; Maria Theresia war an diesen Gebieten nicht ernstlich interessiert. Sofort mußte Maria Theresia Politik und Krieg um- und auf die Rückeroberung Schlesiens einstellen, also den elsässischen Feldzug abbrechen, die Truppen nach Osten zurückziehen, den Franzosen Freiburg, den kaiserlichen Truppen wieder Bayern überlassen und sich, gemeinsam mit sächsischen Truppen, in Böhmen Friedrich zuwenden. Der von Friedrich gesuchten Schlachtentscheidung wich sie aus, während die preußischen Truppen unter schweren Ausfällen durch Desertion und durch Mangel an vielen Gütern litten. Rußland zeigte Bereitschaft, der Warschauer Quadrupelallianz vom 8. 1. 1745 zwischen Österreich, Sachsen, Eng-

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land u n d den Niederlanden beizutreten. I n München starb ü b e r r a s c h e n d a m 20. des gleichen M o n a t s K a i s e r K a r l V I I . ; sein S o h n M a x J o s e p h g a b im Fiißener Frieden a m 2 2 . 4 . 1 7 4 5 alle A n s p r ü c h e auf Österreich u n d die K a i s e r k r o n e preis u n d e r h i e l t sein bayerisches S t a m m l a n d z u r ü c k . Z w a r schlug d e r f r a n z ö s i s c h e M a r s c h a l l M o r i t z v o n Sachsen a m 1 1 . 5 . die P r a g m a t i s c h e A r m e e bei F o n t c n a y ; a b e r nach d e m Scheitern seiner Reichspolitik sah F r i e d r i c h sich v o n d e m V e r l u s t Schlesiens u n d d e r G e f ä h r d u n g P r e u ß e n s b e d r o h t . A u s dieser ü b e r a u s schwierigen L a g e b e f r e i t e i h n sein g l ä n z e n d e r Sieg m i t d e r in i h r e r K a m p f k r a f t w i e d e r h e r g e s t e l l t e n A r m e e bei Hohenfriedberg a m 4. 6. 1745 ü b e r die u n t e r K a r l v o n L o t h r i n g e n , d e m S t a t t h a l t e r der N i e d e r l a n d e , aus B ö h m e n h e r a n z i e h e n d e n österreichisch-sächsischen T r u p p e n . Auf dieser G r u n d l a g e sicherte i h m E n g l a n d in d e r Konvention von Hannover a m 26. 8. 1745 die W i e d e r h e r stellung des B r e s l a u - B e r l i n e r F r i e d e n s z u . D o c h b e s a ß M a r i a T h e r e s i a , d e r e n G e m a h l F r a n z in F r a n k f u r t a m 1 3 . 9 . v o n einer K u r f ü r s t e n m a j o r i t ä t z u m K a i s e r g e w ä h l t w o r d e n w a r , t r o t z eines n e u e n p r e u ß i s c h e n Sieges bei Soor a m 30. 9. 1745 die H o f f n u n g auf v o l l e n E r f o l g , d a sie Sachsens H i l f e g e w o n n e n h a t t e u n d m i t R u ß l a n d s E i n t r e t e n in den K r i e g u n d F r a n k r e i c h s R ü c k z u g d a r a u s rechnete. Ü b e r Sachsen w o l l t e sie in die M a r k B r a n d e n b u r g v o r d r i n g e n , als u m g e k e h r t F r i e d r i c h seine T r u p p e n v o n z w e i Seiten h e r nach Sachsen e i n f a l l e n ließ u n d d e r alte L e o p o l d v o n D e s s a u a m 15. 12. 1745 bei Kesselsdorf in d e r u n m i t t e l b a r e n N ä h e v o n D r e s d e n die sächsische H a u p t m a c h t entscheidend schlug u n d d a m i t die G e f a h r eines sächsischen S o n d e r f r i e d e n s beschwor. Diese V e r s c h l e c h t e r u n g d e r A u s sichten v e r a n l a ß t e d e n G e s a n d t e n der K a i s e r i n G r a f H a r rach, in D r e s d e n nicht eine V e r s t ä n d i g u n g m i t F r a n k r e i c h z u r F o r t f ü h r u n g des Krieges, s o n d e r n z u r B e e n d i g u n g desselben eine solche m i t F r i e d r i c h z u suchen. A u f d e r G r u n d lage d e r K o n v e n t i o n v o n H a n n o v e r bestätigte der Friede von Dresden a m 25. 12. 1745 F r i e d r i c h , in B e r l i n v o n seinen U n t e r t a n e n als „ d e r G r o ß e " e m p f a n g e n , der F r a n z I . als K a i s e r a n e r k a n n t e , im Besitz v o n Schlesien u n d O s t f r i e s l a n d .

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Maria Theresia und Franz hatten sich im Reich behauptet, dagegen zweimal auf Schlesien und schließlich auch auf Bayern verzichtet. Preußens Aufstieg zur Großmacht war vollzogen und anerkannt, der Dualismus in Deutschland fortan eine politische Grundtatsache. Das Verhältnis zur Reichsidee, das Friedrich Wilhelm I. noch gehabt hatte, fehlte Friedrich ganz und gar. Doch erkannte er nicht, daß seine Auseinandersetzung mit Maria Theresia die Umwandlung und letztlich die Auflösung des Reiches zur Folge haben mußte. Da Sachsen und Hannover auf der einen, Hessen-Kassel und die Pfalz auf der anderen Seite in den Vertrag einbezogen wurden, herrschte in Deutschland Friede. In Flandern und Italien dagegen wurde der Krieg fortgesetzt — allerdings mehr in der Form politischer als militärischer Aktionen. Das Reich zur Wendung gegen Frankreich zu bewegen, gelang Franz I. infolge Friedrichs Gegenmaßnahmen so wenig wie eine zuverlässige Aussöhnung mit Frankreich; und das von Maria Theresia am 2. 6. 1746 abgeschlossene, als Rückendeckung wichtige Bündnis mit Rußland brachte nicht die angestrebte Isolierung Preußens. Als Frankreich und England sich sogar' einigten, bedeutete der Aachener Friedenskongreß 1748 für Maria Theresia und ihren Vertreter Kaunitz eine herbe Enttäuschung: Österreich mußte am 18. 10. 1748 dem Aachener Frieden beitreten, der zwar den Erbfolge-Krieg zu Maria Theresias Gunsten beendete, aber auch den Übergang von Schlesien und Glatz an Preußen, den von Parma, Piacenza und Guastalla an den spanischen Infanten Philipp und den lombardischer Gebiete bis zum Tessin an Sardinien fixierte, während Frankreich alle Eroberungen in den österreichischen Niederlanden zurückgab, auf die Befestigung Dünkirchens verzichtete und die Stuarts endgültig fallen ließ. Wenn Maria Theresia die Schuld an ihren Verlusten mehr dem englischen Bundesgenossen als dem französischen Gegner zumaß, so war das richtig: für Englands Existenz war die große überseeisch-koloniale Auseinandersetzung mit Frankreich bedeutungsvoller als die Erhaltung des österreichischen Erbes in seiner vollen Geschlossenheit und in

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diesem Sinne ein Waffenstillstand mit Frankreich wichtiger als die Fortführung eines f ü r England unwesentlich gewordenen Krieges auf dem Kontinent. 9. Der Siebenjährige Krieg Nach Voltaires Urteil hat Europa keine schöneren Zeiten gesehen als die Jahre nach dem Aachener Frieden, da der H a n d e l von Petersburg bis Cadiz blühte, die schönen Künste überall geachtet wurden und alle Völker so miteinander verkehrten, daß Europa einer glücklich wiedervereinten Familie glich. Friedrich hatte weniger idyllische Gesichtspunkte und nutzte die Jahre zum Ausbau der Staatsverwaltung, zur Entwicklung der neuen Provinzen Schlesien und Ostfriesland, zu Auffüllung des Staatsschatzes, Hebung der wirtschaftlichen und rüstungsmäßigen Leistungsfähigkeit des Landes und vor allem zur Stärkung und Reform des Heeres auf Grund der Kriegserfahrungen, insbesondere zur Verbesserung der Offiziersausbildung — wie auf der anderen Seite Maria Theresia durch General Daun und in der neu errichteten Militärakademie in Wiener Neustadt das gleiche betreiben ließ: beide Staatsoberhäupter trauten dem Frieden nicht und waren nicht fest entschlossen, ihn zu erhalten. Friedrichs Gedanken jener Zeit über den wirklichen und den wünschenswerten Stand Preußens fanden ihren Niederschlag im Politischen Testament von 1752: er hielt die Erweiterung durch Sachsen sowie Polnisch-Preußen und Schwedisch-Pommern fü.r wünschenswert, doch betrieb er zunächst die Intregation und Sicherung des Gewonnenen und glaubte, weitere Expansionen würden A u f gaben seines Nachfolgers sein. Anders die Gegnerin, die den Verlust Schlesiens nicht als endgültig hinnehmen, die Rückeroberung des Verlorenen und die Ausschaltung der preußischen Rivalität aber nur unter gänzlich veränderten politischen Verhältnissen in Europa betreiben wollte. Ihr Ziel war und blieb also die Isolierung Friedrichs durch die Erhaltung des Einvernehmens mit der von Friedrich verspotteten und verletzten Zarin Elisabeth und vor allem durch eine habsburgisch-bourbonische Generalversöhnung,

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die 1750 v o n K a u n i t z in P a r i s versucht, v o n L u d w i g X V . aber um so selbstverständlicher abgelehnt w u r d e , als g e r a d e d a m a l s Frankreich mit Preußen gemeinsam das V o r d r i n g e n R u ß l a n d s nach Schweden hintertrieb. E i n J a h r später f ö r derte L u d w i g die pfälzisch-preußische O p p o s i t i o n , als M a r i a T h e r e s i a mit hannoverscher H i l f e versuchte, ihren ältesten Sohn, E r z h e r z o g J o s e p h , z u m römischen K ö n i g wählen zu lassen. K a u n i t z kehrte enttäuscht nach W i e n zurück u n d ü b e r n a h m 1753 die L e i t u n g der Außenpolitik mit dem festen Entschluß, eine neue, günstigere Gelegenheit herbeizuführen, um Preußen „ ü b e r den H a u f e n " z u w e r f e n . Doch k a m der A n s t o ß z u m neuen K r i e g v o n außen, aus den englisch-französischen G e g e n s ä t z e n in Übersee, insbesondere in N o r d a m e r i k a , die seit 1754 immer heftiger w u r d e n u n d auf die M u t t e r l ä n d e r in E u r o p a zurückwirkten. E n g l a n d glaubte sich bei einem k ü n f t i g e n K r i e g e in H a n nover und durch eine I n v a s i o n der Insel bedroht u n d regte an, d a ß Österreich die N i e d e r l a n d e verteidigte, w ä h r e n d es selbst die F r e u n d s c h a f t , mindestens die w o h l w o l l e n d e N e u t r a l i t ä t Sachsen-Polens, R u ß l a n d s u n d Preußens herb e i f ü h r e n w o l l t e . D a s hätte eine f ü r Österreich unerwünschte V e r k e h r u n g der Fronten bedeutet. Infolgedessen schlug K a u n i t z durch die P o m p a d o u r noch einmal dem jetzt ernstlich bedrohten L u d w i g X V . eine V e r s t ä n d i g u n g v o r u n d erklärte Österreichs Bereitschaft, einen T e i l der N i e d e r l a n d e L u d w i g s Schwiegersohn, P h i l i p p v o n P a r m a , z u überlassen. W i e d e r k a m er jedoch nicht z u m Ziel. Inzwischen hatte Friedrich I I . Frankreich die Besetzung H a n n o v e r s nahegelegt, weil er selbst nicht in den englischfranzösischen K o n f l i k t hineingezogen w e r d e n w o l l t e ; hätte er selbst H a n n o v e r erobert, so w ä r e n ihm gewiß Österreich u n d R u ß l a n d in den Rücken g e f a l l e n . A l s d a g e g e n R u ß l a n d im Begriff w a r , mit E n g l a n d einen S u b s i d i e n v e r t r a g abzuschließen, zeigte Friedrich Interesse f ü r britische V o r schläge z u r Sicherung des europäischen Friedens, die Österreichs Isolierung zu ermöglichen schienen, u n d schloß a m 1 6 . 1 . 1 7 5 6 die Westminster-Konvention mit E n g l a n d — w o m a n dabei auch die Rückendeckung f ü r die E m p i r e - B i l d u n g

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bedachte — zur gemeinsamen Abwehr von Angriffen jeder fremden Macht in Deutschland. Sofort wandte Ludwig X V . sich, durch diesen Vertragsbruch verletzt, von Friedrich ab und schloß mit Österreich am 1. 5. 1756 in Versailles ein Neutralitätsund Verteidigungsbündnis. Das war der Wechsel der Allianzen, der die Grundlage zum großen Kriege bildete — um so mehr, als der österreichische Einfluß in Petersburg stärker war als der englische und die Zarin Elisabeth bereit war, mit Maria Theresia gemeinsame Sache zu machen und mit Frankreich und Polen sofort Preußen zu vernichten. Doch ließ Maria Theresia die Zarin am 22. 5. 1756 wissen, daß der Rüstungsstand Österreichs ihr den Angriff erst 1757 erlaube. Und ehe noch Kaunitz die Zusicherung französischer Hilfe bei einem Angriffskrieg gegen die Abtretung der gesamten österreichischen Niederlande im Falle der Rückgewinnung Schlesiens eingehandelt hatte, eröffnete Friedrich überraschend den Krieg, als er erkennen mußte, daß die Konvention mit England den Kampf nicht zu bannen vermochte, Rußland rüstete und Österreich offensichtlich für 1757 einen Angriff plante. Am 29. 8. 1756 fielen seine Truppen zu einem begrenzten Unternehmen nach Sachsen ein, um dessen Beteiligung am Kriege gegen ihn von vornherein auszuschalten. „Besser praevenire als praeveniri" war hier wie überhaupt seine Auffassung: er wollte die im Entstehen begriffene Koalition gegen ihn noch vor ihrem wirklichen Abschluß vernichten, d. h. mit dem von ihm zwar begonnenen, im übrigen aber unvermeidlichen Krieg Schlesien und seine Großmachtstellung verteidigen und behaupten. Er griff nicht aus neuen Eroberungsabsichten heraus an. Eine abschreckende Wirkung hatte Friedrichs verhältnismäßig geringer Erfolg nicht; vielmehr erreichte er mit seinem Angriff nur den schnellen Abschluß des „renversement des alliances": Frankreich versprach gegen den Anspruch auf die Niederlande im zweiten Versailler Vertag vom 1. 5. 1757, dem Jahrestag des ersten Vertrages, 105 000 Mann und Geld für die Kontingente Bayerns und Württembergs; über Österreichs Vermittlung kam es zur

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Verständigung Frankreichs mit R u ß l a n d , das Subsidien u n d K u r l a n d erhalten sollte, wodurch auch Schweden z u m Eintritt in Bündnis und Krieg gezwungen w u r d e . Gemeinsam erreichten Österreichs u n d Frankreichs Politik im Reich, d a ß die M a j o r i t ä t der Reichsstände 1757 ReichsbewafFnung und Exekution gegen P r e u ß e n beschloß. Z w a r verhinderte das C o r p u s Evangelicorum eine Achterklärung gegen Friedrich, doch schlössen protestantische Stände wie W ü r t t e m berg u n d Mecklenburg-Schwerin ebenso wie Bayern, K ö l n u n d die P f a l z Militär- u n d Subsidienverträge mit den großen Gegnern Preußens ab. Auf preußischer Seite standen außer E n g l a n d u n d H a n n o v e r nur Hessen-Kassel, Braunschweig und G o t h a — Bundesgenossen, die v o n England her, vor Pitts Erscheinen, weit weniger großzügig gefördert w u r d e n als die Frankreichs. Als P i t t Premierminister wurde, k o n n t e d a n n schnell ein zumeist aus deutschen K o n tingenten bestehendes H e e r zur A b w e h r französischer V o r stöße über den Rhein gebildet werden. Der mit Friedrichs Einmarsch nach Sachsen begonnene Krieg in Deutschland bildete nur einen Teil des Weltkrieges, an dem außer D ä n e m a r k , H o l l a n d , den südeuropäischen Staaten u n d der T ü r k e i alle Mächte beteiligt waren. Den K ä m p f e n in Deutschland k a m bei dieser weltweiten Auseinandersetzung freilich insofern eine zentrale Bedeutung zu, als durch Friedrichs Erfolge den E n g l ä n d e r n die Eroberung K a n a d a s u n d die Festigung ihrer Weltmachtstellung wesentlich erleichtert w u r d e . Zugleich w u r d e die preußische Großmacht, personifiziert u n d glorifiziert in Friedrich dem Großen, in E u r o p a zu einem immer wichtigeren Faktor. Die ersten drei J a h r e f ü h r t e Friedrich manchen N i e d e r lagen z u m T r o t z einen Angriffskrieg. D e r Einschließung der Sachsen bei Pirna u n d der A b w e h r eines österreichischen Entsatzheeres bei Lobositz am 1. 10. 1756 folgten Sachsens K a p i t u l a t i o n , die Ü b e r w i n t e r u n g des preußischen Heeres im eroberten Gebiet und der konzentrische Einmarsch nach Böhmen, w ä h r e n d der Versuch, die sächsischen T r u p p e n dem preußischen H e e r einzugliedern, mißlang.

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Das Jahr 1757 brachte unter schwersten, nie wieder ausgeglichenen Opfern an Offizieren — z. B. Schwerin — und Mannschaften am 6. 5. den Sieg, aber nicht die erhoffte Vernichtung des österreichischen Heeres vor Prag sowie die Friedrichs Feldherrnruhm schmälernde, die Existenz des Staates bedrohende und des Königs Rationalismus erschütternde Niederlage durch ein österreichisches Entsatzheer bei Kolin am 17. 6.: Böhmen mußte aufgegeben werden, Prinz August "Wilhelm gab ungeschickt dem Gegner den Weg nach Schlesien frei; im Westen siegten die Franzosen am 26. 7. bei Hastenbeck und zwangen den Herzog von Cumberland am 8. 9. in der Konvention von Kloster Zeven zur Auflösung seiner Armee; in Thüringen vereinigte sich eine zweite französische Armee mit der Reichsarmee. Friedrich wandte sich gegen diese Bedrohungen und konnte daher nicht am 7. 9. die Schlappe von Moys bei Görlitz, den Verlust der Lausitz und Niederschlesiens, den Einfall österreichischer Truppen nach Berlin, das Vordringen der Russen über den Sieg bei Groß-Jägerndorf (30. 8.) nach Ostpreußen — das nun für die Dauer des Krieges verloren blieb —, der Schweden nach Pommern und in die Uckermark verhindern. Erst als er 40 000 Mann der Franzosen und der Reichsarmee am 5. 11. im wesentlichen mit Seydlitz' Reitern bei Roßbach schlug und damit seine Popularität in Deutschland wiederherstellte und steigerte, war die Gefahr im Westen gebannt, zumal Pitt die Konvention von Zeven verwarf und die Armee in Nordwestdeutschland verstärkte und Ferdinand von Braunschweig unterstellte. Im Ergebnis von Roßbach wurzelte Goethes „fritzische" Gesinnung. Inzwischen waren in Friedrichs Abwesenheit Schweidnitz und Breslau (24. 11.) verloren gegangen. Friedrich faßte bei Parchwitz die Reste seiner Truppen zusammen, setzte den Offizieren den Ernst der Lage auseinander, begeisterte sie erneut für Preußens Sache, erfocht am 5. 12. bei Leuthen, westlich Breslau, unter Anwendung der Schiefen Schlachtordnung einen glänzenden Sieg über die zahlenmäßig weit überlegenen Österreicher und gewann damit Schlesien zurück. Nun durchlebte Maria Treue,

D e u t s c h e Geschichte

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Theresia eine persönliche Krisis, die mit der Friedrichs nach Kolin verglichen werden kann. Doch war der siegreiche Abschluß des Krieges damit nicht gesichert, Österreich wie Frankreich vielmehr Friedrichs Hoffnung zum Trotz zum Aushalten entschlossen. Im Jahre 1758 erreichte Friedrichs Offensive — von englischen Subsidien ermöglicht — nur Olmütz, von wo der Rückzug in die Ausgangsstellungen nötig wurde. Zwar schlug Ferdinand von Braunschweig am 23. 6. die Franzosen bei Krefeld, band Prinz Heinrich von Preußen die Reichsarmee geschickt in Sachsen, doch marschierten im Osten die Russen trotz der von Seydlitz herbeigeführten Niederlage bei Zorndorf am 25. 8. auf Küstrin, drang Daun nach Sachsen ein, wo er in der Nacht vom 13'. zum 14. 10. das nicht genügend bewachte preußische Lager bei Hochkirch in der Nähe von Bautzen überfiel und den König in schwere Bedrängnis brachte. Am Tage darauf starb Wilhelmine vonBayreuth, Friedrichs letzte Vertraute nach dem Tode der Mutter im Jahre 1757. Durch ebenso geschickte wie kühne Märsche veranlaßte er die Österreicher dann zur Räumung schlesischer und sächsischer Gebiete; im Norden gaben die Schweden die Mark, die Russen Hinterpommern auf, im Westen konnte Hannover gegenüber den Franzosen behauptet werden. Doch waren die Verluste an so vielen Fronten zu groß, als daß Friedrich die offensive Kriegführung fortsetzen konnte. „Er mußte vielmehr von nun an die Feinde durch taktische Erfolge in strategischer Defensive zu ermatten und damit zu einem erträglichen Frieden zu stimmen suchen" (Braubach). Das Jahr 1759 brachte ihm weiter schwere Rückschläge: bei Kunersdorf durch Russen und Österreicher unter Saltykow und Laudon am 12. 8. eine Niederlage, die ihn Preußens Ende befürchten ließ. Als die Gegner den Sieg nicht ausnutzten, raffte er sich auf, eilte gegen das von der Reichsarmee besetzte Dresden, mußte aber General Fincks Kapitulation bei Maxen am 21. 1. und die Überwinterung der Österreicher in Sachsen hinnehmen. Im Westen siegte Ferdinand von Braunschweig am 1. 8. bei Minden und eroberte

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Münster. Gleichwohl sah Friedrich angesichts der ungünstigen Kräfteverteilung so pessimistisch in die Z u k u n f t , d a ß er — vergeblich — gemeinsam mit England über H o l l a n d die E r ö f f n u n g von Friedensverhandlungen vorschlug und die T ü r k e n in den Krieg hineinzuziehen suchte. Inzwischen beschlossen Kaiserin u n d Zarin den energischsten Angriff, w ä h r e n d Frankreich nach den schweren Verlusten in N o r d amerika — 1758/59 Quebec — u n d Indien und weil es einen vollen Erfolg Österreichs nicht wünschte, allmählich Friedensbereitschaft zeigte. I m J a h r e 1760 fielen die Österreicher nach Niederschlesien ein, eroberten Glatz, w u r d e n aber am 15. 8. von Friedrich bei Liegnitz geschlagen, der sich nun mit seinem Bruder in Schlesien vereinigen konnte. Die Russen zogen sich, bedrängt, wieder über die O d e r zurück, doch m u ß t e Friedrich bald darauf eiligst aus Schlesien z u m Entsatz Berlins gegenüber Österreichern u n d Russen herbeieilen. Am 3. 11. 1760 erfocht er dann besonders mit Zietens H u s a r e n den berühmten blutigsten Sieg des ganzen Krieges bei Torgau, der einen um so günstigeren Jahresabschluß brachte, als in Paris u n d W i e n die Kriegslust immer mehr nachließ. Allerdings kühlten sich andererseits auch seit Georgs I I I . T h r o n besteigung am 25. 10. 1760 Englands Beziehungen zu Friedrich ab. Allgemein rechnete man f ü r das J a h r 1761 mit Preußens endgültiger Niederlage durch Erschöpfung. Aber auch die gegnerische Seite w a r in diesem J a h r e nicht mehr zu großen U n t e r n e h m u n g e n in der Lage. Friedrich beobachtete v o m festen Lager in Bunzelwitz (20. 8.—30. 9.) aus den A b z u g der Russen; im Westen w u r d e n französische A n g r i f f e bei Vellinghausen in Westfalen abgewehrt. Aber im H e r b s t eroberten die Österreicher sich in Schweidnitz, die Russen in Kolberg W i n t e r q u a r t i e r e auf preußischem Boden; in England w u r d e P i t t nach dem Thronwechsel von 1760 im O k t o b e r 1761 gestürzt. D o r t bahnte sich unter seinem Nachfolger, dem Staatssekretär Bute, der den Subsidienvertrag mit Friedrich über den 12. 12. 1761 hinaus nicht verlängerte, ein Ausgleich mit den Gegnern an. England 4"

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schied Ende 1761 praktisch aus dem Kriege aus. Friedrich stand allein. Da ereignete sich das „Mirakel des Hauses Brandenburg" : am 5. 1. 1762 starb Zarin Elisabeth. Ihr Nachfolger Peter I I I . bewunderte und verehrte Friedrich seit langem schwärmerisch, schloß nun am 5. 5. mit ihm Frieden unter Verzicht auf Gewinn und am 19. 6., zugunsten seines Stammlandes Holstein-Gottorp, selbst ein Bündnis mit Preußen — „ein toller, für den dynastischen Charakter all dieser Kriege bezeichnender Wechsel!" (Schnabel). Darauf beeilte Schweden sich gleichfalls, einen status quoFrieden abzuschließen. Der nun eintretende Zerfall des Bündnisses mit England gefährdete Friedrich unter diesen Umständen nicht mehr ernstlich. Aber kaum war der König mit der Unterstützung durch russische Truppen zur Vertreibung Dauns aus Schlesien aufgebrochen, als Peter ermordet wurde und an seine Stelle die einst von Friedrich selbst nach Rußland empfohlene Zarin Katharina (aus Anhalt-Zerbst) trat, die das Bündnis mit Preußen sofort löste, am Friedensschluß jedoch festhielt. Immerhin hatte Friedrich noch mit russischer Hilfe am 21. 7. die österreichischen Stellungen bei Burkersdorf stürmen können. Daun zog nach Böhmen ab, Schweidnitz wurde zurückerobert, Prinz Heinrich siegte am 29. 10. bei Freiberg über kaiserliche und Reichstruppen: das alles zeigte Preußens Gegnern, daß ein voller Sieg nicht mehr zu erkämpfen war. In Regensburg wurde die Neutralität des Reiches beschlossen. Und nachdem Friedrich die Vermittlung Frankreichs und Englands, die beide am 3. 11. 1762 den Vorfrieden von Fontainebleau und am 10. 2. 1763 den endgültigen Frieden zu Paris zur Beendigung des Kolonialkrieges geschlossen hatten, sowie die Rußlands abgelehnt hatte, vermittelte nun Sachsen den Frieden, der am 15. 2. 1763, also 5 Tage nach dem Pariser Frieden, im Schloß Hubertusburg bei Leipzig unterzeichnet wurde. Der territoriale Besitzstand blieb unverändert, Friedrich sicherte seine Stimme Erzherzog Joseph bei der Königswahl zu — ein Akt der Höflichkeit mehr, als ein wirklicher Gewinn

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f ü r Österreich. „ D i e F o r t d a u e r des habsburgischen K a i s e r tums w a r d a m i t gesichert, aber es w a r nur noch eine F o r m " (Rössler). „ D e r Siebenjährige K r i e g h a t E n g l a n d in K a n a d a und Indien große V o r t e i l e gebracht, er h a t weiter die K r a f t u n d Bedeutung des politisch u n d militärisch b e d e u t s a m hervorgetretenen R u ß l a n d s enthüllt, u n d er h a t endlich die durch die beiden ersten Schlesischen K r i e g e in Deutschl a n d geschaffenen K r ä f t e v e r h ä l t n i s s e bestätigt. D a s letzte aber bedeutete einen T r i u m p h f ü r Friedrich, der auf G r u n d seiner T a t e n u n d seines schließlich v o n E r f o l g gekrönten Durchhaltens in einem furchtbaren R i n g e n eine erhebliche Steigerung des Ansehens seines S t a a t e s u n d seiner P e r s o n buchen k o n n t e " (Braubach). V o r allem aber g a b es in Deutschland und M i t t e l e u r o p a k ü n f t i g nicht eine Z e n t r a l macht, sondern zwei einander feindlich gesonnene deutsche Großmächte. D a s mußte den Einfluß des A u s l a n d e s auf Deutschland steigern und die Schwäche Deutschlands v o l l enden. D e r U n t e r g a n g des alten Reiches w a r nur noch eine F r a g e der Zeit. Österreich w u r d e durch den V e r l u s t Schlesiens weiter denn je nach Osten u n d Südosten, sein Deutschtum in eine äußerst schwierige L a g e g e d r ä n g t und geschwächt, das sächsische K u l t u r w e r k in Polen durch Sachsens E n t m a c h t u n g z u m Erliegen gebracht. U n d dennoch g a l t v o n nun an die B e w u n d e r u n g der Menschen Friedrich, dieser G e s t a l t , die in ihrer Zeit einzig w a r . „ N i c h t eigentlich preußisch, wir w a r e n fritzisch gesinnt, denn w a s ging uns Preußen a n ? " , so h a t G o e t h e v o n seinem großen K n a b e n erlebnis erzählt. „ U n d wenn derselbe G o e t h e rühmt, d a ß erst der erste u n d eigentliche Lebensgehalt in die deutsche Poesie durch Friedrich den G r o ß e n u n d die T a t e n des Siebenjährigen K r i e g e s g e k o m m e n sei, so w a r es wieder der v e r g o l d e n d e G l a n z siegreichen W a g e n s , der N a m e u n d G e s t a l t des großen K ö n i g s z u m r u h m v o l l e n Preise e m p o r trug, die jugendlich schimmernde Poesie der Schlachten u n d K ä m p f e , in denen er selber in Wirklichkeit ein m ü d e r u n d alter M a n n g e w o r d e n " (Schnabel).

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Der Staat Friedrichs des Großen 10. Der Staat Friedrichs des Großen

„Wenn . . . die Politisierung Deutschlands von den moralischen Ideen der Aufklärung aus . . . schließlich verhältnismäßig schnell erfolgt ist, so hat daran einen bedeutenden Anteil das Auftreten Friedrichs des Großen. M i t ihm gewann Deutschland, was ihm lange Zeit gefehlt hat, eine politische Persönlichkeit, die Freund und Feind zwang, sich mit ihr zu beschäftigen. Es ist gewiß eine der merkwürdigsten Tatsachen unserer Geschichte, daß ein H e r r scher, der bei allen seinen politischen Handlungen lediglich das Ziel der Vergrößerung und Erhaltung seines Staates hat, mit einmal der Mittelpunkt des patriotischen Interesses in Deutschland w i r d " (Joachimsen). Friedrichs Bemühungen, in dem Friedensjahrzehnt zwischen 1746 und 1756 den Staat zu kräftigen, hatten in erster Linie militärische Ursachen: er rechnete mit der "Wiederaufnahme der kriegerischen Auseinandersetzungen. Für diese wollte er gerüstet sein. In der Verwaltung konnte er wenig über die Leistungen seines Vaters hinausgehen, diese vielmehr nur modernisieren. Regierung aus dem Kabinett und militärähnliche Führung und Organisation der Bürokratie charakterisierten den preußischen Staat auch unter Friedrich I I . Friedrich Wilhelms I. im Generaldirektorium deutlich zum Ausdruck kommende Konzentrationsbestrebungen, die sich immer energischer über den Provinzpartikularismus erhoben hatten, wurden fortgesetzt: die 1740 errichtete Abteilung für H a n d e l und Gewerbe galt für die ganze Monarchie; sie sollte die wirtschaftliche Tätigkeit des Bürgertums, das „Peru Preußens", heben; die 1746 geschaffene Heeresverwaltung mußte selbstverständlich über alle inneren Grenzen hinweg Geltung haben. N u r Schlesien erhielt als neue Erwerbung einen eigenen Verwaltungsapparat, der die Provinz sowohl wirtschaftlich erschließen, wie zur finanziellen Stärkung des Staates heranziehen und endlich Schlesien in die Monarchie integrieren sollte. In dem am 7. 6. 1744 an Preußen gefallenen Ostfriesland, das nicht das Interesse

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ganz Europas auf sich zog und auch wirtschaftlich weit weniger bedeutend war, ging der König sehr viel energischer vor und brach den ständischen Widerstand. Friedrich befand sich also zwar auf dem Wege zum einheitlichen Verwaltungszentralismus, doch erreichte er ihn nicht. Die Größe seiner Persönlichkeit und die Stärke seiner Arbeitsk r a f t verdeckten die Tatsache, daß er aus mehreren sehr verschiedenen Gründen auf halbem Wege stehenblieb. Der Versuch, über die in Emden gegründete Asiatische Handelskompanie Zugang zum Welthandel zu gewinnen — eine verspätete, mit halbem Herzen und ohne großen Geldaufwand begonnene Wiederaufnahme von Ansätzen im 17. Jahrhundert —, mußte aus den gleichen Ursachen und an den gleichen Widerständen scheitern wie Österreichs entsprechende Versuche von Ostende und Triest aus. Beide Staaten wurden zutiefst von kontinentalen Problemen und Zielen beherrscht und geleitet und wandten ihre Energie den dabei sich ergebenden Spannungen so ausschließlich zu, daß für See- und Weltwirtschaftspolitik, die den Einbruch in die Räume der westeuropäischen Groß- und Seemächte mit sich gebracht hätte, weder Menschen noch Mittel übrig blieben. Daher war denn auch Friedrichs Merkantilismus ganz mitteleuropäisch und kontinental orientiert, von dem Streben nach Bevölkerungsvermehrung, von Innerer Kolonisation, „Peuplierung" weiter Ödlandgebiete (Oder-, Warthebruch), als dem kontinentalen Gegenstück zur überseeischen Kolonisation anderer Mächte, von Manufakturen und Straßen- und Kanalbauten zur Erleichterung und Stärkung des inneren Verkehrs bestimmt. Die daraus erwachsende Belebung der Wirtschaft kam weniger dieser selbst und den in ihr Tätigen zugute als dem Staate, der auf diese Weise mehr Soldaten erhielt und halten konnte, wie denn auch die — zur Vermeidung der Schwächung des Offiziere stellenden Adels sehr vorsichtig betriebene — Bauernschutzpolitik in erster Linie auf militärischen Überlegungen beruhte: die besten Soldaten stammten aus dem einheimischen Bauerntum.

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I n Religionsfrugen zeigte er eine stark von Interesselosigkeit gefärbte T o l e r a n z , sofern nicht wie in Schlesien politische Fragen auf dem Spiel standen. D e r Siebenjährige Krieg unterbrach nicht allein alle diese Arbeiten, sondern vernichtete auch viel und führte über schwerste blutige und materielle Verluste dazu, daß nach dem Abschluß des Friedens zu Hubertusburg beim „Rétablissement" ganz andere Aufgaben im Vordergrund stehen mußten als vor dem Kriegsausbruch. Das Münzwesen war während des Krieges von Friedrich teils aus N o t , teils zur Schädigung seiner Gegner vollkommen heruntergewirtschaftet worden und mußte nun unter bedeutenden Kosten reformiert werden, wenn Preußen wieder internationale Wirtschaftsbeziehungen herstellen und auch wirtschaftlich als Großmacht anerkannt werden wollte. Diese Maßnahmen, die jede Steuersenkung für die ärmeren Schichten ausschlössen, wurden erschwert und behindert durch die seit 1763 ganz Nordeuropa beherrschende W i r t schaftskrise in Verbindung mit den üblichen, bei jeder Überführung der Kriegs- in die Friedenswirtschaft auftretenden inneren Krisenerscheinungen. Die von den preußischen Königen seit Jahrzehnten an staatlich gelenkte, befohlene und verantwortete Wirtschaft gewöhnten preußischen „Unternehmer" waren den bei diesem Rétablissement auftretenden Anforderungen, der Notwendigkeit freier, verantwortungsvoller Entscheidung nicht gewachsen und enttäuschten den König zumeist. Infolgedessen zog er nun mit Vorliebe Ausländer, insbesondere Franzosen, für die „Regie" der indirekten Steuern, heran, die jedoch ihrem R u f als fortschrittliche Wirtschaftskenner zumeist nicht entsprachen, unter der einheimischen Bevölkerung viel V e r ärgerung und Widerstand verursachten und der gegen Friedrichs erstarrende, jede Modernisierung und Lockerung verweigernde Selbstregierung gerichteten Opposition manches Material lieferten. Die rechtlichen Verhältnisse besserten sich auch in dieser Zeit; Preußen war entschieden auf dem Wege zum Rechtsstaat, ohne daß freilich für Friedrichs Untertanen w i r k -

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liehe Rechtssicherheit erreicht wurde: der König griff gelegentlich noch immer in Zivilprozesse ein. Die schon unter Friedrich "Wilhelm I. begonnene Justizreform wurde von Cocceji fortgeführt. D e r Großkanzler Carmer schuf mit H i l f e von Suarez eine neue Prozeßordnung und begann die Kodifikation eines einheitlichen Rechtes, die, eine fridericianische Schöpfung, 1791 abgeschlossen und — wichtigste Grundlage geordneter Rechtsverhältnisse — als Allgemeines Preußisches Landrecht 1794 verkündet werden konnte; es blieb bis 1900 in K r a f t . Zwar hielt diese Rechtsordnung noch ganz an der ständischen Gliederung der Gesellschaft, also an der Bevorzugung des Adels, fest; doch wurde nun eindeutig der Staat dem Fürsten übergeordnet, dem Staat und dem Monarchen eine Grenze gezogen und der juristische Beamte gegen staatliche Willkür gesichert. „Ähnlich wie die französische Magistratur dem französischen Absolutismus Schranken zu setzen sich bemühte, formulierte Suarez als Aufgabe des hohen Richtertums, in einem Staat ohne festgelegte Verfassung diese gleichsam zu ersetzen. H i e r klingt der Verfassungsgedanke an, dessen Verwirklichung einen wesentlichen Inhalt der Geschichte des 19. Jahrhunderts ausmachen sollte" ( H ä r tung). Allerdings bedeutete diese Unterordnung des Monarchen unter den Staat und das Recht keine Schwächung der absoluten Gewalt der Krone. Erst im Alter begann Friedrich, sich für Fragen der Volkserziehung und -bildung zu interessieren. Die A n sätze zu einer Volksschulreform scheiterten daran, daß der Monarch weder die Mittel für eine ausreichende Lehrerbildung zur Verfügung stellte, noch den Lehrberuf durch angemessene Besoldung und soziales Prestige verlockend erscheinen ließ. Die Berliner Akademie blieb unter Friedrichs Leitung trotz gelegentlicher Schwankungen ganz dem französischen Geiste ergeben. Das Bürgertum der Aufklärung,. das besonders in Berlin unter Beamten, Literaten usw. heranwuchs, stand z. T . in der Opposition zum Staate und wurde vom König weder in seinen Grundanliegen erkannt noch systematisch gefördert. Als Friedrich starb, war

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diese im Zeitalter des Absolutismus, auch in Friedrichs Jahrzehnten eines aufgeklärten Despotismus an Befehl und Gehorsam, mindestens an widerspruchsloses Hinnehmen gewohnte Schicht noch nicht stark genug, um in einem an sich nicht morschen und von den Interessentengruppen des Adels und des Offizierkorps mit Entschiedenheit gestützten Staatswesen die Führung zu ergreifen oder auch nur Reformen von Bedeutung zu erzwingen. Zweifellos haben die mit der Staatsschöpfung der USA verbundenen Diskussionen, politischen Auseinandersetzungen und militärischen K ä m p f e auch in Preußen die Beschäftigung mit der Politik in weiten Kreisen angeregt. Aber andererseits ließen die auf den Umsturz hinsteuernden Ereignisse in Frankreich selbst radikale Gegner des preußischen Staatswesens bedenklich werden. Ja, der Umstand, daß Friedrich — unabhängig von Ludwig X I V . , der das W o r t "L'état c'est moi" nicht gesprochen, wohl aber auf dem Totenbett gesagt hatte: "Je m'envais, mais l'état demeurera toujours" — „den Gedanken des Staates f ü r sich gefunden und mit ihm zugleich dem höheren Beamtentum Preußens eine feste N o r m f ü r seine Arbeit gegeben" hatte, ermöglichte es geradezu, daß nach 1786 die absolutistische Regierungsweise noch mehr als 6 Jahrzehnte fortgesetzt werden konnte ( H ä r tung). Eine der bedeutendsten Anwendungen dieser Pflichtund Verantwortungsauffassung lag in der „Sparsamkeit" Friedrichs, die letztlich mehr als nur Bildung des Staatsschatzes f ü r Kriege bezweckte, nämlich Kontinuität der Sicherheit des preußischen Staates. Im übrigen verkannten auch die Zeitgenossen nicht, daß der König bei allem zwar Gott, aber nur diesem allein sich verantwortlich fühlenden Absolutismus sich nicht mehr einfach als Eigentümer, sondern als Beauftragter, als „erster Diener des Staates" empfand, der ehrlich die Interessen der Gesamtheit zu berücksichtigen bestrebt war — freilich naturgemäß so, wie er selbst sie verstand. Wenngleich der Bau des absoluten Staates im Jahre 1740 beim Regierungswechsel vollendet gewesen war, bedeutete Friedrichs Regierung doch eine besondere Stufe der Staats-

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bildung f ü r Preußen. H ä r t u n g hat in seiner „Deutschen Verfassungsgeschichte" die begriffliche Unterscheidung des grundsätzlichen Absolutismus Friedrich Wilhelms I. vom a u f g e k l ä r t e n Friedrichs des G r o ß e n durchgeführt. „Der G r o ß e K u r f ü r s t " , heißt es da in klassischer Formulierung, „war von der altterritorialen Auffassung des dualistischen Staates ausgegangen u n d hatte an ihr festgehalten, wenn auch die Erbansprüche seines Hauses u n d die N o t w e n d i g keit, sie mit W a f f e n g e w a l t durchzusetzen u n d zu b e h a u p ten, ihn in seiner Regierungspraxis darüber h i n a u s f ü h r t e n . Friedrich Wilhelm I. hatte den Dualismus ü b e r w u n d e n durch den Begriff der Souveränität, in der er nicht bloß die Unabhängigkeit nach außen, sondern auch eine unumschränkte G e w a l t im I n n e r n sah. Aber er f a ß t e sie rein persönlich u n d dynastisch a u f ; sein politisches T e s t a m e n t kennt keinen Staat, sondern nur den König, die Krone, und das D o m ä n e n e d i k t v o m 13. 8. 1713 bedeutet nicht einen Bruch mit der patrimonialen Staatsauffassung, sondern eher das , N o n plus ultra von patrimonialer Auffassung des Herrschaftsrechtes', indem es obrigkeitlich-staatliche und privatrechtliche Bestandteile ohne Unterscheidung zu einem Familienfideikommis des Hauses H o h e n z o l l e r n zusammenfaßte. Erst Friedrich der G r o ß e h a t den Staat mit vollem Bewußtsein über die Dynastie gestellt. Das ist in doppelter Hinsicht etwas Neues. Erst durch diesen Staatsbegriff verliert Preußen den C h a r a k t e r einer willkürlichen, bloß durch dynastische Beziehungen zusammengehaltenen V e r b i n d u n g von selbständigen Territorien, wird zu einer lebendigen Einheit zusammengeschweißt. Das gilt f ü r die auswärtige Politik, die jetzt allein durch die Bedürfnisse des Staates, nicht mehr durch die Ansprüche der Dynastie bestimmt wird, das gilt auch f ü r die innere Politik. Gewiß bleiben hier Reste der alten föderativen Staatsverfassung noch über Friedrich den Großen hinaus erhalten . . ., aber m a n darf diese Reste nicht überschätzen. D a s stärkere, das v o r w ä r t s d r ä n g e n d e Element ist doch die Einheit gewesen; u n d diese hat nicht mehr ausschließlich im König, im H e e r und Beamtentum gelebt, sondern ist z u m a l durch die Siege

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Friedrichs des Großen und durch die gemeinsame N o t des Siebenjährigen Krieges auch dem Volke bewußt geworden . . . Mit vollem Recht d u r f t e schon Friedrich der Große von einer preußischen N a t i o n sprechen . . . Zweitens begründet dieser Staatsbegriff Friedrichs eine neue Auffassung des Verhältnisses zwischen dem König und seinen Untertanen. Der König ist nicht ihr Eigentümer, sondern der erste Diener des Staates, er hat die Pflicht, das ihm anvertraute Amt zum Besten der Gesamtheit zu verwalten. Das ist freilich in der Hauptsache nur eine neue Formulierung der schon vom älteren deutschen Territorialfürstentum theoretisch vertretenen und meist auch lebendig empfundenen Verantwortlichkeit des Fürsten gegenüber Gott und gibt den Untertanen keine größere Sicherheit . . . U n d doch f ü h r t dieser neue, rein weltlich begründete Begriff des Fürstenamtes auf allen Gebieten über die bisherige Politik hinaus . . . Diese neue Staatsauffassung, auf deren Zusammenhang mit der geistigen Bewegung der Zeit, mit der Staatslehre der Aufklärung hier wenigstens hingewiesen sei, wurde nun nicht allein von Friedrich dem Großen vertreten, sondern f a n d in steigendem Maße Eingang beim hohen Beamtentum des preußischen Staates . . . Endlich wird auch das Beamtentum der Willkür des Herrschers entzogen und allein dem Staate unterstellt; nur durch Mehrheitsbeschluß des Staatsrates, der Gesamtheit der Minister, sollte in Z u k u n f t die Absetzung eines Beamten verfügt werden können: aus den königlichen Beamten, die vom König jederzeit entlassen werden konnten, sind damit Diener des Staates geworden." 11. Der Staat Maria Theresias Maria Theresias Obrist Hofmeister klagte nicht lange nach der Beendigung des Erbfolgekrieges darüber, daß sie die „gänzliche Verkehr- oder Umgießung einer durch viele Saecula und von Anbeginn des durchlauchtigsten Erzhauses üblich gewesenen Regierungsform" durchführe: es begann die Verwandlung des vielfach in alten ständischen Formen

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steckenden Österreich in einen modernen absolutistischen Staat. Und zwar stand dabei nicht der französische, sondern der eben siegreich gewesene preußische Absolutismus Pate. Jetzt erinnerte man sich auch der Bücher und Lehren der drei bedeutenden Kameralisten, die im 17. Jahrhundert für und in Österreich geschrieben und gewirkt hatten, und versuchte nun, einzelne ihrer Anregungen aufzugreifen. Doch ging es zunächst weniger darum, den extremen Absolutismus im österreichischen Staat zu etablieren, als, ähnlich wie in Preußen, um die militärische Reform und wirtschaftliche Stärkung des Staates, nachdem Maria Theresia unmittelbar nach ihrer Thronbesteigung einen Krieg auf Leben und Tod hatte führen müssen und bei dessen Beendigung sich entschlossen gezeigt hatte, sein Ergebnis nicht für alle Zeiten hinzunehmen, sondern kriegerisch zu revidieren. So rüstete also die Habsburgerin unter dem zwingenden Gebot der Machtpolitik für die angriffsweise Rückgewinnung des Verlorenen wie Preußen für die Verteidigung des Eroberten — im Kern war das Ziel beider Fürsten das gleiche: ein starker Staat für einen neuen Krieg. Und diese Auffassung bildete den Ausgangspunkt für eine ausgedehnte Reformtätigkeit. Maria Theresia glaubte, wenigstens so stark dastehen zu müssen, daß sie aus eigenen Mitteln ein gutes Heer von 100 000 Mann unterhalten konnte. Was sie zur Erreichung dieses Zieles tat, geschah unter aufmerksamer Beachtung der Maßnahmen ihres preußischen Rivalen. So lehnte sich z. B. die 1770 eingeführte Konskriptionsordnung insofern an das preußische „Kantonsystem" an, als auch in Österreich die Wehrpflicht in erster Linie den Bauern und den einfachen Handwerker betraf und die Industriearbeiter und die Gebildeten verschonte. Auch suchte Maria Theresia — nicht zuletzt durch die Stiftung des Theresienordens im Jahre 1757 —, das Ehrgefühl in ihrem Offizierkorps auf preußische Höhe zu bringen. „Mit Recht hat sie in rückblickenden Denkschriften aus den 50er Jahren, die man als ihr politisches Testament bezeichnen kann, dem Mann, dessen Ratschlägen sie dabei folgte, dem Grafen Haug-

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witz, hohes Lob erteilt; er besaß in der Tat die bei der Stärke des ständisch-aristokratischen Widerstands nötige Energie, Just um durchbrechen zu können'" (Braubach). Dabei blieben allerdings die Außenbezirke des Staates: Ungarn (zum Lohn für seine Haltung im Jahre 1741), die Niederlande mit ihren Standesprivilegien und die italienischen Besitzungen aus praktischen Gründen außer Betracht. So wurde seit 1746 die Reform von Verfassung und Verwaltung von unten nach oben durchgeführt. Durch den Verzicht der Stände auf ihre politisch-finanziellen Rechte, durch die Einrichtung von staatlich bürokratischen Kreisämtern unter Deputationen zur Betonung der landesherrlichen Rechte gegenüber den patrimonialen Traditionen, seit 1749 durch Repräsentationen und Kammern in den Ländern, und durch die gleichfalls 1749 vollzogene Übertragung der Verwaltungsrechte der alten Hofkanzleien auf ein Directorium in publicis et cameralibus (ab 1761 Vereinigte österreichisch-böhmische Hofkänzlei) wurden die böhmisch-österreichischen Erblande in einen zentralistisch geleiteten Staat verwandelt. Den ständischen Organen wurde allein noch die von der Verwaltung abgetrennte Justiz überlassen, für die man jedoch auch in Wien einen obersten Gerichtshof einrichtete, so daß selbst hier die zentralistische Tendenz deutlich in Erscheinung trat. 1753 wurde ein besonderes Commerzdirektorium errichtet, und im gleichen Jahre übernahm Kaunitz die Führung der Außenpolitik, wobei als dritte oberste Behörde für die Angelegenheiten des Erzhauses und für die gesamte auswärtige Politik die Haus-, Hof- und Staatskanzlei geschaffen wurde, so daß Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Rechtswesen nun wenigstens grundsätzlich in voneinander getrennten, von Wien aus straff geleiteten, Maria Theresia unmittelbar unterstehenden „Hofstellen" betrieben werden konnten. Für ihre Koordinierung wurde 1760 ein besonderer, vorwiegend mit bürgerlichen Beamten besetzter, beratender Staatsrat zwischen Kaiserin und Hofstellen geschaffen. Freilich war z. B. das Directorium von Anfang an dadurch überlastet, daß ihm die gesamte Heeresversor-

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gung unterstellt wurde — ein bedeutungsvoller Unterschied gegenüber Preußen, wo alles, was rriit, dem Heer zu tun hatte, einen geschlossenen Befehls- und Verwaltungsbereich bildete. Es kam hinzu, daß gerade Haugwitz zwar ein guter Organisator, aber ein weniger guter Administrator war. U n d weiter zeigte sich, daß in den großen Erblanden der Zentralismus doch nicht so vollkommen auszuführen und durchzuhalten war wie in der weit geschlosseneren preußischen Monarchie. Solche Schwächen führten in der Belastung des Siebenjährigen Krieges eine Verwaltungskrisis herbei; doch hielt M a r i a Theresia gleichwohl grundsätzlich auch danach an dem von ihr geschaffenen System fest. Mit diesen Neuerungen wurde die Peraequation und die Rectification verbunden — eine bedeutungsvolle Reform des Grundsteuerwesens, indem nun Adel und Geistlichkeit zur Besteuerung herangezogen wurden, ein Fortschritt z . B . gegenüber der Steuerfreiheit des preußischen Adels, der Maria Theresia zur Stärkung der Staatsfinanzen nötig erschien — wie sie auch bestrebt war, den wirtschaftlich nur schwach genutzten Besitz der T o t e n H a n d einzuschränken. D a ß im Rahmen dieses Systems Handel und Gewerbe gefördert wurden und belebt werden sollten, ist selbstverständlich. Hier, in diesen Neuerungen, liegen denn auch die ersten Ansätze des sogenannten Josephinismus. Sie waren in der Zeit der Kaiserin weniger auffällig und erregten weniger Widerstand, einmal, weil es sich eben um Anfänge handelte, deren volle Auswirkungen und Folgen man noch nicht zu übersehen vermochte, zum anderen, weil dahinter die alles in allem mütterlichkonservative Persönlichkeit Maria Theresias stand, von der niemand radikale, die Tradition in ihren positiven Bereichen gefährdende Maßnahmen befürchtete. Freilich war auch Maria Theresia nicht gewillt, ihre Rechte von der Kirche einschränken oder sich allzusehr von den R a t schlägen kirchlicher Würdenträger beeinflussen zu lassen. Sie verteidigte gewandt und energisch den Lebensraum des Staates gegenüber der Kirche und schränkte z. B . aus staats-

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finanziellen Überlegungen die stark angewachsene Zahl der Feiertage und Wallfahrten 1753 und 1771 erheblich ein. Mehr Erfolg als Friedrich, aber auch eine geschicktere H a n d hatte sie bei der Förderung des höheren Unterrichtswesens, wobei sie sich von ihrem hochgebildeten, menschlich außerordentlich anziehenden, ärztlich freilich weniger glücklichen Leibarzt Gerhard van Swieten beraten ließ: er veranlaßte die Ausschaltung der Jesuiten durch die Verstaatlichung der Universität Wien, die Berufung von N a t u r rechtlern und Aufklärern auf deren Lehrstühle und damit und von dort aus eine längst nötig gewordene Modernisierung des Erziehungswesens. Er hatte die Aufsicht über alle Universitäten, alle theologischen und philosophischen Fakultäten und die mehr als 200 Gymnasien. Mehr als in anderen Bereichen war Maria Theresia in dem der Wissenschaften von Ratgebern abhängig und glücklich, in ihrem Leibarzt einen selbstlosen und kompetenten, dem Geist ergebenen M a n n zu finden, während sie selbst auf die Berücksichtigung des Nützlichen, Praktischen und Gewinnbringenden achtete. Über die Frage der religiösen Toleranz geriet die Kaiserin 1777 mit ihrem Sohn in einen heftigen Konflikt, indem sie ganz aus ihrem festen, von keiner modischen Philosophie berührten katholischen Glauben von der Toleranz die Untergrabung von Glauben und Moral befürchtete, während Joseph auch gegenüber Abtrünningen religiöse Duldsamkeit empfahl. Ihre unbeugsam streng katholische Auffassung hinderte Maria Theresia nicht, ebenso energisch die von ihr als dem Staat zustehend anerkannten Rechte der Kirche gegenüber zu behaupten. So stellte sie, die erklärte: „Das Schulwesen ist und bleibt allezeit ein Politicum", das Volksschulwesen auf eine staatliche Grundlage, ließ 1770 in Wien die erste N o r m a l - und Hauptschule f ü r Städte eröffnen, 1774 eine von dem schlesischen Abt Felbiger, der mit Friedrichs II. Zustimmung zu diesem Zweck nach Wien übergesiedelt war, entworfene Schulordnung einführen, vielerorts auf dem Lande Trivialschulen errichten, nach der vom Papst Clemens X I V . 1773 verfügten

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Aufhebung des Jesuitenordens die Gymnasien unter Beschränkung des geistlichen Einflusses reformieren, unter Beachtung von Entwicklungen in den italienischen und niederländischen Provinzen die Entwicklung zum Staatskirchentum bestärken und damit die päpstlichen Einflüsse einschränken, den Klerus mit der Aufhebung der Steuerfreiheit von der Gewährung von Staatsunterstützungen abhängig machen usw. In diesem Zusammenhang sprachen die Zeitgenossen von der „deutschen R e f o r m a t i o n " am Ende des 18. Jahrhunderts. W e n n Maria Theresia „die deutsche Sprache zur Kulturträgerin im deutsch-slawischen Mischraum machte, so hütete sie sich doch, die fremden Muttersprachen in Justiz, Schule, Verwaltung auszumerzen. Noch unter ihrer Herrschaft konnte die Renaissance des Tschechentums und des Südslawentums ihren Anfang nehmen" (Wagner). Während Joseph, der sich über geschichtlich Gewachsenes radikal hinwegsetzen wollte, unter dem Einfluß von Sonnenfels die Abschaffung der Folter erreichte, war Maria Theresia mit der eigentlichen Rechtsreform weniger glücklich als Friedrich der Große. Deutlich fehlten ihr Männer vom Schlage der Cocceji, Carmer und Suarez, so daß eine Kodifikation des Rechts im Entwurf steckenblieb und das Strafgesetzbuch der Nemesis Theresiana 1768 eine sehr uneinheitliche Mischung von fortschrittlichen und rückständigen Bestimmungen bildete. W i e in Preußen, so bedeutete auch in Österreich der Siebenjährige Krieg einen tiefen Einschnitt, der alles, was nicht zum Kriege, zum K a m p f um Schlesien, schließlich zur Behauptung des Staates gehörte, völlig in den Hintergrund treten ließ. Nun zeigte sich auch, daß Friedrich der Große, im Anschluß an die Entwicklung des preußischen Absolutismus unter seinem Vater, ohne lauten Widerspruch der Stände eine Machtfülle hatte konzentrieren können, zu deren Schaffung Maria Theresia in Österreich bei ganz anderen Traditionen und einem weit komplizierteren Staatswesen nicht imstande war. Auch sie zielte mit ihren Maßnahmen auf die Stärkung des Absolutismus und auf Treue.

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seine Erhaltung nach ihrem Tode hin. Aber während Friedrich wirklich allein regierte und Ratschläge und Anregungen anderer in seiner Machtfülle fast achtlos überging, lebte Maria Theresia in ständigen Auseinandersetzungen mit ihrem reformistischen Sohn Joseph und mußte auch auf die lockere Struktur des Staates mehr Rücksicht nehmen als Friedrich jemals in Preußen. Immerhin gelang es ihr allein mit H i l f e des von ihr zäh verteidigten Zentralismus, nach dem Kriege den drohenden Staatsbankrott zu vermeiden und ein Jahrzehnt nach der Beendigung des Krieges das Gleichgewicht im Haushalt herzustellen — ein auch politisch-militärisch großer Erfolg. Im Sinne des Merkantilismus gelangte sie insofern über Preußen hinaus, als sie gleichzeitig alle deutsch-slawischen Landesteile mit Ausnahme von Tirol zu einem Zollgebiet vereinigte. Das Schutzzollsystem nach außen paßte sie lockernd dem Bedürfnis des Staates an, förderte durch Straßenbau die Kommunikationsmöglichkeiten und den Handelsaustausch im Innern des Landes, und wie Friedrich der Große die Innere Kolonisation als eine andere, dem finanzärmeren Teil Europas angemessene Form der Reichtumsbildung durch Peuplierung betrachtete, so veranlaßte sie die „Schwabenzüge" nach. Südungarn, Siebenbürgen und dem Banat. Auch ging sie, wie überhaupt gegenüber den privilegierten Klassen, so insbesondere auf dem Wege der Bauernbefreiung weiter als Friedrich der Große, indem sie von Urbarialkommissionen zunächst 1765 in Ungarn, dann 1769 in Schlesien, 1771 in Böhmen und Steiermark, 1772 in Krain, 1775 in Mähren die bäuerlichen Pflichten aufzeichnen und anschließend Robotpatente mit der Festsetzung von Höchstleistungen formulieren ließ; auf den Domänen wurden Frondienste abgelöst. Im Jahre 1775 erließ die Regierung eine allgemeine Fronordnung. Maria Theresia selbst ging bei diesen bauernfreundlichen M a ß nahmen vor allem von christlich-humanitären Überlegungen aus, ihr Hauptberater Amtsrat Blanc vom Naturrecht. Doch hoffte die Kaiserin ebenso, durch solche Maßnahmen die landwirtschaftlichen Betriebe zu fördern.

Österreich u. Preußen 1763-1793; die (erste) Teilung Polens 67 N i e m a n d h a t M a r i a Theresias G r ö ß e u n d Bedeutung uneingeschränkter u n d zugleich mit mehr Urteilsvermögen a n e r k a n n t als Friedrich der Große. Dynastisches E m p f i n den u n d fester katholischer Kirchenglaube bildeten neben starker Begabung f ü r das Regieren, großer Zähigkeit, unbeirrbarer Anhänglichkeit an das Rechte und G u t e die W u r z e l n ihrer Regierungsweise. Ihre absolutistische Staatsauffassung entsprach weithin der ihres großen Gegners, wie sie sich auch als Dienerin des ihr übergeordneten Staates e m p f a n d . „Ein Unterschied freilich t r e n n t die Staatsauffassung M a r i a Theresias von der Friedrichs des Großen. W ä h r e n d dieser sie philosophisch begründet, ist f ü r M a r i a Theresia die Pflicht des Herrschers eine religiöse. Sie repräsentiert eine ältere Stufe der Staatsbildung, läßt sich in dieser Beziehung eher mit Friedrich W i l h e l m I. vergleichen" ( H ä r t u n g ) . Je mehr der preußisch-österreichische Gegensatz der Geschichte angehörte, um so stärker ist in der Geschichtschreibung beider Staaten der historische R a n g von Kaiserin u n d König nicht gegeneinander abgewogen, sondern miteinander betrachtet u n d als die bedeutendste Erscheinung in der Fürsten- u n d Staatengeschichte der J a h r zehnte beurteilt w o r d e n , die zwischen Ludwigs X I V . T o d u n d N a p o l e o n s W i r k e n lagen. 12. Österreich und Preußen 1763—1793; die (erste) Teilung Polens Maria Theresia w a r z w a r nach dem Frieden von H u b e r tusburg, der gemeinsam mit dem von Paris eine lange Friedensperiode einleitete, entschlossen, sich nicht in die französische Politik hineinziehen zu lassen, und auch in Frankreich bestand keine große Neigung f ü r den alten Bundesgenossen. Aber das Bündnis w u r d e aufrecht erhalten, M a r i a Theresias jüngste Tochter Marie Antoinette heiratete den D a u p h i n , den späteren Ludwig X V I . , wodurch Friedrich dem Großen die Möglichkeit genommen w u r d e , in Frankreich Ersatz f ü r den ehemaligen Verbündeten u n d Subsidienzahler England zu finden u n d da5:

6 8 Österreich u.Preußen 1 7 6 3 - 1 7 9 3 ; die (erste) Teilung Polens

mit die dringend nötige Rückendeckung zu erlangen gegen einen durchaus möglichen zweiten Versuch der Kaiserin, Schlesien zurückzuerobern und Preußen doch noch vernichtend zu schlagen. Überhaupt verloren die Großmächte im Westen an Bedeutung für Mitteleuropa: beide waren, die eine zur Erhaltung des Bestehenden, die andere zu dessen Zerschlagung in Nordamerika so stark gebunden, daß sie für mittel- und osteuropäische Probleme einstweilen keine Kräfte abzuzweigen vermochten, während andererseits Rußland sich unter Elisabeth, Peter I I I . und Katharina I I . zusehends als eine Großmacht erwiesen hatte, die für die deutsche Frage entscheidende Bedeutung erlangen konnte. W a r also in West- und Mitteleuropa ein neues Gleichgewicht der Mächte erreicht worden, so fehlte dieses im Osten durchaus, wo Polen und die Türkei, zwei absinkende Mächte, die Begehrlichkeit ihrer Nachbarn herausforderten. Nach dem Politischen Testament von 1752, das durch die Ereignisse zum Teil überholt war, hat Friedrich der Große 1768 ein zweites formuliert. Darin beklagte er, daß der Gegensatz von Preußen und Österreich es verhindere, gemeinsam Rußland entgegenzutreten, dem man in der Folge nur mit Mühe werde Schranken setzen können. Unter diesen Umständen lag es für ihn nahe, angesichts der Konstellation in Europa trotz seiner grundsätzlichen Auffassung von der Gefährlichkeit Rußlands einen Zusammenschluß mit dieser gleichfalls jungen Großmacht anzustreben. Und da die Zarin den durch Augusts I I I . (5. 10. 1763) und seines Sohnes, des Kurfürsten Friedrich Christians von Sachsen, T o d frei gewordenen Thron Polens, der nach Maria Theresias und Ludwigs X V . Wunsch wieder mit einem Sachsen besetzt werden sollte, ihrem Protege, dem 32jährigen, politisch unfähigen Stanislaus Poniatowski zukommen lassen wollte, wozu sie Friedrichs Hilfe brauchte, kam leicht das preußisch-russische Verteidigungsbündnis vom 11. 4. 1764 zustande, das sich in der T a t bewährte und zu Poniatowskis Wahl am 7. 9. 1764 führte. Aber der polnische König enttäuschte seine Gönnerin und ver-

Österreich u. Preußen 1763-1793; die (erste) Teilung Polens 69 suchte, ihr durch Verfassungsreform und Anlehnung an Österreich jeden Einfluß zu nehmen. Das führte wiederum zur Moskauer Geheimkonvention vom 4. 5. 1767, in der bereits von territorialem Gewinn die Rede war. I m Herbst 1768 kam es wirklich zum Krieg. Zwar zog Österreich sich von Polen zurück, was Poniatowski vorübergehend zum Nachgeben bewog. Aber die Konfoederation der Katholiken Polens zu Bar wandte sich dann doch, freilich ohne Erfolg, gegen die einrückenden russischen Truppen, und im Oktober 1768 erklärte die Türkei Rußland den Krieg. Von allen Seiten umwarb man nun Friedrich den Großen und sein Heer. Doch stand der Preußenkönig zu seinem Bündnis mit Rußland, obgleich er diesem Subsidien für den Krieg gegen die Türkei zahlen mußte. Seine Begegnung in Neiße am 25. 8. 1769 mit dem 28jährigen Joseph, der 1764 römischer König, nach dem Tode seines Vaters F r a n z i , am 18. 8. 1765 Kaiser und zugleich Mitregent in Österreich geworden war, sollte nur Katharina Wert und Bedeutung Preußens vor Augen führen. In der T a t kam es daraufhin am 23. 10. 1769 zur Erneuerung des preußisch-russischen Bündnisses für zehn Jahre und der russischen Garantie für den Erwerb von Ansbach-Bayreuth durch Friedrich beim Aussterben der dort regierenden Hohenzollern. Erst als die russischen Erfolge gegenüber den Türken so groß wurden, daß Katharina Moldau und Walachei forderte und damit einen allgemeinen europäischen Krieg zu entfesseln drohte, wandte Friedrich sich ernstlich Joseph II. zu, traf sich ein zweites Mal mit ihm und Kaunitz in Mährisch-Neustadt vom 3. bis 7 . 9 . 1 7 7 0 und vereinigte sich insgeheim mit dem Kaiser zur Herbeiführung des Friedens. Prinz Heinrich bemühte sich im Sommer 1771 in Petersburg um die Beendigung des Krieges und erreichte nach anfänglichen Schwierigkeiten endlich einen Ausgleich, dessen Last Polen tragen mußte. Der Gedanke einer Teilung Polens war seit dem 17. Jahrhundert verschiedentlich erwogen worden, so daß es also nicht mehr eines besonderen Urhebers für einen solchen Teilungsplan bedurfte. Allerdings hatte Preußen das größere

70 Österreich u. Preußen 1763-1793; die (erste) Teilung Polens Interesse daran. N a c h d e m Österreich bereits die nach U n g a r n hineinreichende Zips und einige angrenzende polnische Gebiete besetzt hatte, beschlossen nun K a t h a r i n a , die auch nach neuerem russischen Urteil zunächst ganz Polen behalten u n d nur so auf die D o n a u f ü r s t e n t ü m e r verzichten wollte, jetzt aber auf G r u n d der österreichischen A n n e k t i o n e n ihre A u f f a s s u n g änderte, u n d P r i n z Heinrich auf eine erstmals schon 1768 vorsichtig gemachte Anregung Friedrichs des Großen hin ein ähnliches, aber größer angelegtes Vorgehen auch von R u ß l a n d s u n d Preußens Seite aus. W i e n erhob z w a r zunächst Einspruch, u n d R u ß l a n d wollte Preußens G e w i n n anfangs auf das E r m l a n d beschränken. Die F o r t dauer der russisch-österreichischen S p a n n u n g f ü h r t e jedoch dazu, d a ß beide Seiten Friedrich dem G r o ß e n Zugeständnisse machten. I m Petersburger Vertrag v o m 17. 2. 1772 zwischen R u ß l a n d u n d P r e u ß e n w u r d e noch die Möglichkeit eines gemeinsamen Krieges gegen ö s t e r t e i c h erwogen. M a r i a Theresia sträubte sich auch weiterhin gegen die „Verletzung v o n allem, was bisher heilig u n d gerecht w a r " ; aber Joseph setzte auch ihr gegenüber Polens (erste) Teilung — eine ungenaue Bezeichnung, d a Polen nicht aufgeteilt w u r d e — durch, die zwischen den drei Mächten am 5. 8. 1772 beschlossen wurde. Polen verlor mit fast 4000 Q u a d r a t m e i l e n u n d 5 Millionen Menschen etwa ein Drittel seines Bestandes. Österreich erhielt Galizien u n d Lodomerien (1600 Q u a d r a t m e i l e n u n d 2,6 Millionen Einwohner), R u ß l a n d n a h m sich 1750 Q u a d r a t m e i l e n mit 1,8 Millionen E i n w o h n e r n östlich von D ü n a u n d D n j e p r , wogegen Preußens Gewinn mit W e s t p r e u ß e n u n d dem E r m l a n d , ohne D a n z i g und T h o r n , der Fläche u n d Einw o h n e r z a h l nach (600 Q u a d r a t m e i l e n , 600 000 E i n w o h n e r ) verhältnismäßig gering, an Bedeutung f ü r P r e u ß e n freilich erheblich w a r , da die Lücke zwischen O s t p r e u ß e n u n d P o m mern geschlossen wurde. J e t z t änderte Friedrich II. seinen Titel „König i n P r e u ß e n " in „König v o n P r e u ß e n " . An dieser starken Verkleinerung des polnischen Staates von außen her w a r nächst der Begehrlichkeit der drei Mächte weniger der so schwierigen Verhältnissen gegenüber hilf-

Österreich u. Preußen 1763-1793 ; die (erste) Teilung Polens 71 lose Stanislaus Poniatowski schuld als vielmehr der polnische Staat als solcher. Dieser w a r bereits so morsch, die Uneinigkeit der Parteien im I n n e r n so groß geworden, d a ß auch eine stärkere Persönlichkeit Polen gegenüber dem Z u packen der drei Großmächte k a u m hätte behaupten k ö n n e n . Das aufgeklärte Frankreich, g e f ü h r t von Voltaire, u n d England begrüßten „die Vertreibung polnischer Barbarei durch den Geist deutscher aufgeklärter V e r w a l t u n g u n d ihre Sauberkeit, O r d n u n g und soziale Gerechtigkeit" (Rössler). Friedrich selbst h a t die neue E r w e r b u n g ein Stück Anarchie genannt und mit K a n a d a , die Bevölkerung mit den Irokesen verglichen. Das Kolonisationswerk in Westpreußen w u r d e dann „ein Seitenstück zu dem Rétablissement Ostpreußens unter Friedrich Wilhelm I." ( H i n t z e ) ; die Bevölkerung erlebte in der preußischen Monarchie entschieden bessere Zeiten als in der polnischen, was freilich das Problem der Berechtigung zur O k k u p a t i o n nicht berührte. „Die heutige Welt ist in der Verurteilung der T e i lung so gut wie e i n h e l l i g . . . Gewiß fehlt es auch im 18. J a h r h u n d e r t nicht ganz an Kritik der Teilung. Aber diese geht nicht etwa von dem Unrecht aus, das der polnischen N a t i o n angetan w o r d e n s e i . . . D e r S t a n d p u n k t der K r i t i k ist vielmehr der des europäischen Gleichgewichts, das durch das einseitige Vorgehen der Teilungsmächte als gestört u n d bedroht betrachtet w i r d " ( H ä r t u n g 1937). D e r T ü r k e n k r i e g f a n d erst zwei J a h r e später am 21. 7. 1774 im Frieden von Kätschük-Kainardschi sein E n d e ; Österreich e r w a r b dabei die Bukowina. Im J a h r e 1777 w u r d e das preußisch-russische Bündnis zum zweiten Male verlängert, das Friedrich dem G r o ß e n die G e w ä h r seiner Machtsellung in Mitteleuropa gab. Inzwischen hatte Joseph II., der auf die österreichische Innenpolitik noch keinen Einfluß ausüben konnte u n d in der Außenpolitik ständig durch seine M u t t e r gebremst wurde, gezeigt, d a ß er als allein verantwortlicher Kaiser eine aktivere Politik f ü h r e n w ü r d e als Maria Theresia seit 1763. Sein Versuch, die alten kaiserlichen Rechte im Reich wiederherzustellen und die Reichsgerichte wieder a u f -

7 2 ö s t e r r e i c h u . Preußen 1 7 6 3 - 1 7 9 3 ; die (erste) Teilung Polens

leben zu lassen, scheiterte freilich am Widerstand der meisten Reichstände. Aber Joseph ließ sich durch solchen Mißerfolg nicht beirren, zog sich vielmehr nur auf die engeren österreichischen Interessen zurück und wandte sich damit gegen Preußen. Ihn verlangte nach einer Machtprobe mit Friedrich dem Großen, nach einer Revision des Friedens von 1763, und er fand mit diesem Wunsch bei Kaunitz Verständnis. Zunächst wollte Joseph Bayern erwerben, um so Österreichs Vormachtstellung in Mitteleuropa herzustellen. Damit mußte er automatisch Preußen herausfordern. Es traf sich für Josephs Pläne günstig, daß mit Kurfürst Maximilian Joseph am 30. 12. 1777 die wilhelminische Linie der Wittelsbacher im Mannesstamm ausstarb. Joseph erhob sofort — recht anfechtbare — Erbansprüche, setzte sich mit dem eigentlichen Erben, Karl Theodor von der Pfalz, in Verbindung und bewog diesen, der keine legitimen Nachkommen hatte und nicht nach Bayern übersiedeln mochte, zur Verzichtleistung im Wiener Vertrag vom 3. 1. 1778. Als aber österreichische Truppen in Bayern einrückten, erhob sich dort und bei Friedrich dem Großen alsbald heftigster Protest. Friedrich und Herzog Karl Theodor von Pfalz-Zweibrücken, Karl Theodors Erbe, protestierten beim Reichstag; Friedrich erschien als Beschützer der Reichsfürsten gegenüber Josephs Expansionsgelüsten. Der junge sächsische Kurfürst Friedrich August schloß mit ihm zwecks Durchsetzung der Ansprüche seiner bayerischen Mutter auf die Allodialhinterlassenschaft Max Josephs Bündnis und Militärkonvention ab. Bei den Verhandlungen zwischen Preußen und Österreich war Friedrich der Große bestrebt, „ein für allemal den österreichischen Ehrgeiz zu ducken, damit ihre Autorität im Reiche nicht despotisch wird". Zwar kam der angestrebte Dreibund mit Frankreich und Rußland nicht zustande; aber Friedrich lehnte dennoch österreichische Verständigungsvorschläge ab, stellte seinerseits Forderungen, die nicht erfüllt wurden und ließ daraufhin am 5. 7. 1778 seine Truppen nach Böhmen einmarschieren.

Österreich u . P r e u ß e n 1 7 6 3 - 1 7 9 3 ; die (erste) T e i l u n g Polens 7 3

In diesem Bayerischen Erbfolgekrieg gab es keine militärischen Entscheidungen. Beide Gegner fügten sich Katharinas Politik, die höchst geschickt Österreich bedrohte und Friedrich das Ausbleiben russischer Hilfe befürchten ließ. Unter russisch-französischer Vermittlung kam es am 13. 5. 1779 zum Teschener Frieden; Friedrichs Ansprüche auf Ansbach-Bayreuth wurden anerkannt; Bayern wurde durch Preußen gerettet und brauchte nur das Innviertel an Österreich abzutreten, Sachsen erhielt eine finanzielle Abfindung. Durch diesen Frieden hatten die vermittelnden Mächte ihr Ansehen in Europa gesteigert, Friedrich hatte einen moralischen Erfolg errungen und Joseph eine Schlappe erlitten. „Der Friede von Teschen bestätigte das System des Gleichgewichts, das Friedrich der Große im Reich aufgerichtet hatte" (Just). Als im nächsten Jahre Maria Theresia am 29. 11. 1780 starb, war Joseph mehr denn je entschlossen, Preußen zu besiegen. Die Situation war nicht ungünstig. Das Kurfürstentum Köln und das Fürstbistum Münster waren im August durch den Koadjutor Max Franz, Maria Theresias jüngsten Sohn, unter habsburgischen Einfluß geraten. Sekundogenituren in Toskana und Modena, Eheverbindungen mit den Bourbonen in Madrid, Neapel und Parma, vor allem aber mit Frankreich, wo 1774 Ludwig X V I . und Marie Antoinette den Thron bestiegen hatten, boten einen aussichtsreichen Hintergrund für Josephs Pläne, wenngleich er auf französische Hilfe nicht sehr stark hoffen durfte. Frankreich war, wie sich in der Frage der österreichischen Niederlande 1782/83 zeigte, entschlossen, Österreich nicht mächtiger werden zu lassen, während es selbst durch die sehr hohen Kosten des Krieges in Nordamerika in immer größere Finanzschwierigkeiten geriet und damit in seiner Außenpolitik ernstlich behindert wurde. Aber Joseph hoffte nicht allein auf Frankreichs Zustimmung für seinen Plan, Bayern und Salzburg gegen die österreichischen Niederlande, einen militärisch kaum haltbaren und wirtschaftlich immer weniger bedeutenden Außenposten, einzutauschen. Er verstand es auch, Rußland

74 Österreich u.Preußen 1763-1793; die (erste) Teilung Polens von Preußens Seite abzuziehen, indem er bei einer Begegnung in Mohilew 1780 der Zarin Katharina versicherte, daß er gegen die Eroberung Konstantinopels keine Einwände erheben werde. Friedrich versuchte, die so sich anbahnende russisch-österreichische Verständigung aufzuhalten, wozu er seinen Thronfolger Friedrich Wilhelm nach Petersburg schickte und 1781 der von Rußland geschaffenen, gegen England gerichteten Seeneutralität der nordischen Mächte beitrat; er konnte aber die Fixierung der Abrede zwischen Kaiser und Zarin durch einen Briefwechsel nicht mehr verhindern. Die Folge war der unter österreichischer Vermittlung geschlossene russisch-türkische Vertrag von Ajnalj Kawak am 8. 1. 1784, in dem Rußland die Krim erhielt und die Verbindung der beiden Kaiserhöfe sowie die Isolierung Preußens offenbar wurde. Doch Joseph gelangte nicht zu einem vollen Erfolg. Nicht allein Friedrich der Große, sondern auch andere weltliche und geistliche deutsche Reichsfürsten verfolgten aufmerksam Josephs Tauschpläne, seine Bemühungen, außer Köln und Münster noch weitere Reichsstifte seinem Hause zu gewinnen, und andere Eingriffe im Sinne verstärkter habsburgischer Hauspolitik in die altgewohnte lockere Ordnung des Reiches. Und obendrein versagte Frankreich wieder einmal im entscheidenden Augenblick seine Hilfe. Joseph mußte sein Vorhaben aufgeben, zumal inzwischen auch unter preußischer Führung ein deutscher Fürstenbund zustande gekommen war, der schon 1782 von einigen kleineren Reichsständen angeregt, 1783 energischer betrieben und dessen Bildung seit 1784 nun von Preußen her entschieden gefördert worden war, da er Josephs Plänen zuwiderlaufen mußte. Am 23. 7. 1785 wurde der Dreikurfürstenbund zwischen Preußen, Hannover und Sachsen geschlossen zur Aufrechterhaltung des status quo im Reich; ihm traten Zweibrücken, Hessen-Kassel, Braunschweig, Gotha, Weimar, Anhalt, Baden, Ansbach, Mecklenburg, Osnabrück und insbesondere der Kurfürst-Erzbischof von Mainz und Reichserzkanzler, Friedrich Karl von Erthal bei. Gegen

Österreich u.Preußen 1763-1793; die (erste) Teilung Polens 75 einen so umfangreichen und entschlossenen Fürstenbund, eine interkonfessionelle Union deutscher Fürsten ohne Anlehnung an eine fremde Macht, freilich auch ohne bemerkenswerten echten Reichspatriotismus und ohne das Ziel einer Reichsreform, vielmehr mit dem der Erhaltung der alten Reichsverfassung, konnte Joseph seine „agressive Reichspolitik" nicht fortsetzen. Fortan vermochte die O p p o sition gegen Kaiser und Reich auf eigenen Füßen zu stehen und brauchte sich nicht mehr, wie der Rheinbund Ludwigs X I V . , an eine fremde Macht anzulehnen; „die Selbstauflösung des Reiches hatte also weitere Fortschritte gemacht" (Schnabel). Erneut war Joseph Friedrichs des Großen geschickter Politik unterlegen, die, wie Karl August von Sachsen-Weimar 1784 an Goethe schrieb, „unsere Länder und unsere Person vor dem Joch Josephs II. sichern" sollte. „Friedrich hat in diesem letzten großen Werk seiner Außenpolitik gewiß nicht den A u f t a k t zu einer entschlossenen deutschen Aktion Preußens gesehen, sondern eben nur einen, wenn auch fragwürdigen Ersatz f ü r ein europäisches Bündnis zur Sicherung seiner Macht; dabei mußte der Bund aber das moralische Ansehen Preußens in Deutschland erhöhen" (Braubach). Allerdings ist er über eine ephemere Existenz nicht hinausgelangt. „Reale Wirkungen f ü r die Lösung der deutschen Frage hat er kaum gehabt. Er bedeutet nicht eine Epoche, sondern nur eine Episode in der Deutschen Geschichte" (Hintze). Im Jahre darauf starb Friedrich der Große, „der alte Fritz", wie er nun schon seit langer Zeit vom Volke in einer einmaligen Mischung von Bewunderung, Mitleid, respektvoller Scheu und auch Abneigung gegen das Übermenschliche in ihm genannt wurde. Das Urteil über ihn ist bis auf den heutigen T a g in Deutschland und im Auslande schwankend geblieben und hat in den letzten 40 Jahren durch das Ende der Hohenzollernmonarchie nach dem ersten Weltkrieg, das Wiederaufleben der Diskussion um Klein- und Großdeutschland, durch den nationalsozialistischen Mißbrauch sowie den umerzieherischen Bildersturz

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z w a r mehrfach heftige Schwankungen erfahren, doch aber auch durch manche behutsame Neuformulierungen w e r t volle Vertiefungen erhalten. 13. Österreich unter Joseph II. Als M a r i a Theresia 1780 starb, w a r ihr ältester Sohn, Mitregent und nun Nachfolger Joseph II., fast 40 J a h r e alt. Jetzt erhielt er die Möglichkeit, seine Reformvorstellungen, die ganz der A u f k l ä r u n g angehörten, zu verwirklichen. Diese T ä t i g k e i t hat ihm einerseits den Ruhm des „gekrönten Menschenfreundes", andererseits die K r i t i k derer eingetragen, die in ihm einen rationalistischen D o k t r i n ä r und verständnislosen Gegner von T r a d i t i o n und Gefühl sahen. Nicht zu bestreiten sind der Ernst seiner Bestrebungen, sein ungewöhnlicher Fleiß und die Tatsache, daß er V o l k und Staat eine Fülle von Anregungen gegeben hat. Andererseits ist er bei seinem Bemühen um Ü b e r w i n d u n g und Beseitigung des Mittelalters vielfach übereilt und ohne Rücksicht auf historische "Werte und berechtigte Empfindungen Andersdenkender vorgegangen. Seine Überzeugung, das Leben ganz nach V e r n u n f t und Nutzen vom Staate her lenken zu können und zu sollen, hat zu manchen Fehlgriffen geführt. In gewisser Weise setzte er als Herrscher des a u f g e k l ä r t e n Absolutismus und mit seiner Auffassung von der Funktion des Fürsten friederizianische Anschauungen fort. M i t dem Ziel der Stärkung Österreichs w a r er ein energischer Zentralist, der den ständischen Einfluß und die städtische Selbstverwaltung eingeschränkt, die Regierungsbezirke neu eingeteilt, die V e r w a l t u n g neu geordnet, Bürokratie und Polizei vergrößert und mit bedeutenden Rechten ausgestattet, die Justiz zentralisiert, 1786 den ersten Teil des Allgemeinen Gesetzbuches und 1788 in der Josephina ein Strafrecht veröffentlicht hat, das erheblich milder w a r als die Nemesis Theresiana. Äußerste Sparsamkeit sollte zur finanziellen Gesundung und Stärkung des Staates führen. Nach der Herstellung eines Katasters w u r d e 1789 auf Grund fiskalischer und naiurrechtlicher Überlegungen die Vereinheitlichung der Grundsteuer und ihre gleichmäßige

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Verteilung auf Adel, Geistlichkeit und Bauernschaft verkündet; doch kam es nicht zur Durchführung der angekündigten Maßnahmen. Das Merkantilsystem wurde ungleichmäßig und widerspruchsvoll im Sinne der Physiokraten gelockert. Freihäfen an der Adria, eine Ostindische Kompanie, Handelsverträge mit Rußland, der Türkei und den USA sollten den Außenhandel fördern; doch entsprachen die österreichische Wirtschaft und die Gewöhnung an binnenstaatliche Selbstgenügsamkeit nicht so hochgesteckten Zielen, so daß viele Absichten unausgeführt und die meisten Hoffnungen unerfüllt blieben. Josephs bedeutendste Maßnahme bestand gemäß der physiokratischen Auffassung, daß der Bauernstand der edelste aller Stände sei, in der Durchführung der von seiner Mutter bereits eingeleiteten Bauernbefreiung. In den Jahren 1781/82 wurde die Leibeigenschaft in den österreichischböhmischen Landen aufgehoben, „wie solches das Recht der N a t u r und die gemeinschaftliche W o h l f a h r t fordern", die Bauern zu erblichen Pächtern des von ihnen bebauten Landes gemacht, die Umwandlung der Robotdienste und Naturalabgaben in Geldleistungen ermöglicht, den Bauern vom Staate her H i l f e und Schutz gegen die Grundherren gewährt — Fortschritte, die noch aus Maria Theresias Geist stammten und in Preußen, nur zum Teil, erst nach 1806 möglich wurden. Auf der gleichen, stark physiokratisch bestimmten Linie bewegten sich Josephs Bemühungen um die Hebung des landwirtschaftlichen Betriebs und Ertrages und die Fortsetzung der Inneren Kolonisation im Südosten. In die gleiche Richtung wiesen die Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit, die Hebung der Landeskultur und Gewerbe, die Auflockerung der Zünfte. Ganz besonders stark interessiert und tätig war der Kaiser auf dem Gebiet von Kultur und Volkspädagogik. Er schuf moderne Waisen- und Irrenhäuser, ließ K r a n k e n häuser errichten, die siebenjährige Schulpflicht einführen, den Lehrerstand fördern und überhaupt mit dem Blick auf das praktisch Verwertbare, den Nutzen manchen pädagogischen Zopf beseitigen. Zu diesen Ansätzen gehörte auch

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die Gründung des Burgtheaters im J a h r e 1 7 7 6 als N a t i o naltheater im Sinne der „Nationalschaubühne", deren B e griff Joseph Sonnenfels entwickelte — „für die W i e n e r Gottsched und Lessing in einer P e r s o n " (Schnabel). Dagegen führten Rationalismus und enges Staatsdenken im Zuge der Verstaatlichung von Gymnasien und Universitäten vielfach zu deren allzu nüchterner und enger Einbeziehung in die Heranbildung von Staatsdienern und Lenkung auf die kurzfristigen Ziele von V e r w a l t u n g und Wirtschaft. An die Stelle der geistlichen t r a t die staatliche Zensur, die in erster Linie den Anhängern des Josephinismus zugute k a m und wohl neue, aber nicht weniger engherzige M a ß s t ä b e anlegte und die für die geistige V e r t i e f u n g der Literatur nötige Großzügigkeit auch f o r t a n vermissen ließ. A u f klärung und Staatsräson lagen hier wie an manchen Stellen miteinander in Widerstreit; gewöhnlich siegte die F o r derung des Staates, wenngleich die M a ß n a h m e n ein m o dernes G e w a n d erhielten. D a s am 20. 10. 1 7 8 1 v e r ö f f e n t lichte Aufsehen erregende Toleranzedikt verkündete z w a r die Glaubensfreiheit, doch w a r die P r a x i s sehr viel unbedeutender und behauptete mit Nachdruck den V o r r a n g der katholischen Konfession im Interesse der Geschlossenheit des Staates. D e r gleiche Gesichtspunkt der U n a b hängigkeit und Macht des Staates galt allerdings auch für die Abwehr jedes päpstlichen Einflusses: die Veröffentlichung päpstlicher Bullen und Breven wurde staatlicher Erlaubnis unterworfen, die hohe Geistlichkeit stark an den Staat herangezogen, der V e r k e h r der O r d e n mit ihren auswärtigen Oberen unterbunden, das Klosterleben der B e schaulichkeit und Askese für unnütz und G o t t nicht gefällig erklärt. V e r m ö g e n und Verkaufserträge der aufgelösten Klöster wurden zur Schaffung eines Religionsfonds verwendet, der zur Erziehung einer besser gebildeten, aber auch stärker dem S t a a t verpflichteten und enger an ihn gebundenen Geistlichkeit in Generalseminaren geschaffen worden w a r , wie denn auch Prozessionen und W a l l f a h r t e n untersagt, P r u n k bei Begräbnissen, Ausschmückungen und Zeremonien reduziert wurden — offiziell, weil die G e -

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bräuche der Vernunft widersprachen und die wirkliche Andacht beeinträchtigten, in Wirklichkeit, um die Macht des Staates zu betonen. Ein Versuch Papst Pius' V I . , durch einen Besuch in Wien 1782 diese Politik aufzuhalten, scheiterte an Josephs Widerstand. Kaunitz behandelte den Papst in Wien nur als gleichgestellten Fürsten und erreichte, daß Joseph nicht allein keine Zugeständnisse machte, sondern nach der Abreise des Papstes das gesamte geistliche Vermögen der Staatsaufsicht unterwarf. Erst das Konkordat von 1784 brachte einen K o m p r o m i ß , die Errichtung der Nuntiatur in München 1785 zugleich eine Stärkung der Papststellung gegenüber Joseph und eine solche der Kirche in Bayern, die den Erzbischöfen von Salzburg und Mainz entzogen wurde. Die ganze Politik, die in ihrer Gesamtheit als Josephinismus bezeichnet wurde, hatte „manche Wurzeln und Ziele gemeinsam" mit der im katholischen Deutschland sich ausbreitenden Bewegung des Febronianismus. Dieser war aus dem 1763 unter dem Pseudonym Justinus Febronius veröffentlichten W e r k „de statu ecclesiae de legitima potestate Romani pontificis über singularis, ad reuniendos dissitentes in religione christianos compositus" hervorgewachsen. Verfasser war der dem Gedankenkreis des Gallikanismus nahestehende Trierer Weihbischof Hontheim. E r forderte eine sehr starke Beschränkung der Befugnisse des Papstes und die Wiedervereinigung der christlichen Bekenntnisse. Die stärkste Wirkung übte das Buch durch das Wiederaufgreifen mittelalterlicher Konziliarideen, die den Absolutismus der Kirche abwehren sollten, und durch den V o r schlag engster Zusammenarbeit der Bischöfe mit der weltlichen staatlich-territorialen Obrigkeit. Zwar widerrief Hontheim im J a h r e 1776, doch hatte sich damals bereits eine Bewegung formiert, die geführt wurde von den rheinischen Kurfürst-Erzbischöfen — der Protestantismus beteiligte sich nur literarisch an der Auseinandersetzung — , sich zu heftigen Konflikten zwischen den deutschen E r z bischöfen von T r i e r , Köln, Mainz und Salzburg sowie dem Papst auswuchs und zur Ankündigung des Verbots

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der Jurisdiktion der Nuntien durch Joseph II. und am 12. 10. 1786 zur Emser Punktation, dem Programm einer großangelegten kirchenpolitischen Reform führte. Es ergab sich jedoch bald, daß die reformfreudige hohe Geistlich' keit nur eine geringe Gefolgschaft bei den Suffraganbischöfen f a n d und daß auch die weltlichen Fürsten keinen Anlaß sahen, eine Bewegung zu fördern, die z w a r zunächst gegen die Autorität des Papstes gerichtet war, endlich aber auch gegen ihre eigenen landesherrlichen Ansprüche auftreten mußte. Das traf in letzter Hinsicht selbst auf Joseph II. zu, der die Bildung eines gegen Rom gerichteten Nationalkonzils ablehnte. Schließlich wurden die Reformisten untereinander uneinig, so daß dieser „letzte Versuch einer Erneuerung der Reichskirche" (Braubach) zusammenbrach. Gleichzeitig geriet auch der Josephinismus in eine schwere Krisis, indem sich mehr und mehr die K r ä f t e der Tradition in Politik und Kirche mit den Vertretern der ständischen Selbstverwaltung, der Landesfreiheiten und anderer historischer Überlieferungen verbanden und gegen „despotische Beglückung und zentralistische O r d n u n g " erhoben. Ungarn, dessen Stephanskrone Joseph als Museumsstück nach Wien entführte, dessen Macht er aber gleichzeitig unabsichtlich durch die Vereinigung mit Siebenbürgen stärkte, lehnte die Einordnung in einen vom Kaiser geplanten Einheitsstaat ab. In den Niederlanden kam es aus dem gleichen Grunde 1787 zum Aufstand und zur Revolution, als man merkte, daß Joseph das Land zum internationalen Tauschobjekt erniedrigen, schließlich den österreichischen Zentralismus auch dort einführen und 1789, zwei Wochen vor dem Bastillesturm, die ständischen Freiheitsbriefe, die „Joyeuse entrée" mit dem Rechte des Widerstandes gegen ungerechte Fürsten, kassieren wollte, während gleichzeitig die außenpolitische Lage sich zusehends verschlechterte. Solchem Widerstand gegenüber sah der schnell gealterte Kaiser sich Anfang 1790 auf dem Sterbebett gezwungen, einen Teil seiner Maßnahmen zu widerrufen. Er hatte glück-

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los von oben verordnete große Reformen betrieben, während sich gleichzeitig ein ganz neuer, ihm unbegreiflicher bürgerlicher Freiheitsbegriff von unten erhob. Doch hat das Reformwesen Josephs II. — eines persönlich anspruchslosen, außerordentlich arbeitsamen, idealistischen, aber auch hochmütigen und herzenskalten Fürsten, dessen Persönlichkeit naturgemäß bis heute umstritten, von Liberalen gepriesen, von kirchlicher Seite heftig kritisiert worden ist — als Gesamtbewegung über Beamtentum und Geistlichkeit bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus anregende W i r kungen ausgeübt. D a ß der Josephinismus zu Lebzeiten des Kaisers keinen vollen Erfolg erzielte, lag an der Übereile, mit der die Reformen durchgeführt werden sollten, an ihrem der Theorie weit mehr als dem tatsächlichen Verhältnis entsprechenden Schematismus, schließlich an dem Wunsch, alle Neuerungen gleichzeitig zu verwirklichen, so daß sich auch alle Gegner zusammenschließen konnten, deren vereinzelten Widerstand der Staat leicht hätte nacheinander besänftigen oder brechen können. Josephs Außenpolitik, insbesondere der Türkenkrieg von 1788—1791, nahm einen unglücklichen Verlauf. Freilich hat sein Weg in den Südosten, wie der seiner Vorgänger, über ihn selbst hinaus fortgewirkt. Wenn aber behauptet worden ist, er habe ihn nur betreten, weil Preußen den Weg ins alte Reich, also nach Westen, versperrt hatte, wenn es in der großdeutschen, österreichisch gefärbten Geschichtsschreibung heißt: „der deutsche Dualismus vereitelte Österreichs Raumerweiterung auf dem deutschen und dem orientalischen Feld" (Srbik), so stellt das eine allzu starke Vereinfachung der Zusammenhänge dar. Weder hätte, wie die Geschichte bereits gezeigt hatte, Frankreich Österreichs Ausdehnung ins Reich, noch Rußland seine Expansion auf Kosten der Türken ohne Widerspruch hingenommen. Friedrichs des Großen Preußen spielte in diesem Zusammenhang nur eine zusätzliche, allerdings eine sehr wichtige Rolle. Joseph hat Höheres angestrebt als Friedrich der Große, dagegen als weniger bedeutender Staatsmann, der die Treue,

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Preußen unter Friedrich Wilhelm II.

K r ä f t e u n d T e n d e n z e n seines Volkes nicht genau k a n n t e (ihrer jedoch bedurfte), insgesamt nicht so viel erreicht u n d einen schwächeren, in sich auch nicht so geschlossenen Staat hinterlassen, ja, die G r u n d l a g e n seines eigenen T h r o nes geschwächt. E r hat „das historisch gewordene Österreich mit dem staatlichen Rationalismus westlicher mechanischer P r ä g u n g von oben u m z u f o r m e n gesucht, den a u f geklärten Absolutismus zur despotischen Spitze getrieben, den Zentralismus übersteigert und auch der geistigen u n d künstlerischen K u l t u r in seinem Staatsfanatismus keinen Eigenwert zugebilligt" (Srbik). 14. Preußen unter Friedrich Wilhelm II. W ä h r e n d Joseph II. seinen R e f o r m e i f e r zu v e r w i r k lichen suchte, regierte in P r e u ß e n Friedrich Wilhelm II., der 1744 geborene Sohn von Friedrichs 1758 gestorbenem Bruder August Wilhelm, bei seiner Thronbesteigung von den U n t e r t a n e n f r o h begrüßt. Er w a r ein Fürst, dessen nicht sehr bedeutende Gaben den Vergleich mit seinem großen Vorgänger und mit dem willenskräftigen Joseph II. sehr zu seinen Ungunsten ausfallen ließen. Im Bereich der Moral lebten in ihm oberflächliche Vorstellungen von den Verhältnissen am französischen H o f auf, ohne d a ß er als Staatsmann einen R a n g einnahm, der persönliche Schwächen übersehen ließ. Uber religiöse Schwärmereien erhielten unfähige Freunde Einfluß auf die Politik: der sächsische Offizier Bischoffwerder, nach der T h r o n besteigung entscheidend im Bereich von auswärtiger Politik und Militär, f ü h r t e ihn den aufklärungsfeindlichen Rosenkreuzern zu, w o er W ö l l n e r t r a f , dem schnell die Innenpolitik zufiel. Z w a r t r a t am 1 . 6 . 1794 das Allgemeine Landrecht in K r a f t , doch erhielt es nicht die von C a r m e r gewünschte E r h ö h u n g zu einer A r t Verfassungsu r k u n d e , die auch den König gebunden hätte. Die politische Leitung w u r d e nach Friedrichs mit manchen Schwächen u n d Unzulänglichkeiten verbundener, aber präziser und geschwinder persönlicher Regierung durch kollegialische Beratung unscharf u n d schwerfällig, die Wirtschaftspolitik

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unsyestematischen u n d unüberlegten R e f o r m e n u n t e r worfen, die zu Preissteigerung und H u n g e r s n o t f ü h r t e n und 1789 z. T . zurückgenommen werden mußten. Auch die Behandlung von Industrie, Bergbau und H a n d e l verlor die Geradlinigkeit friderizianischer Führung. U n d w e n n Friedrich Wilhelm II. sich mit Nachdruck von der Vorliebe seines Onkels f ü r das Französische der deutschen Literatur z u w a n d t e , in der Akademie der Wissenschaften Vorträge in deutscher Sprache halten ließ, das deutsche Bürgertum in die Akademie der bildenden Künste hineinzog und den klassischen Stil in Berlin förderte, so f a n d das z w a r den Beifall der so zu Ansehen u n d Einfluß gelangenden Schicht, die von Friedrich Wilhelm I. und Friedrich I I . reglementiert u n d nicht sehr hoch geachtet worden w a r ; doch konnte es nicht darüber hinwegtäuschen, d a ß Preußens politischer Rang, seine internationale Stellung, schnell an Bedeutung und Einfluß verlor. Die aufklärungsfeindliche Religionspolitik, das Vorgehen der Zensur gegen religiöse Oppositionsliteratur, die 1791 getroffenen M a ß n a h m e n zur H e r a n b i l d u n g gefügiger Lehrer und Pastoren stießen auf den W i d e r s t a n d eben des rationalistisch, fortschrittlichen Bürgertums, das in anderen Bereichen u n t e r s t ü t z t w u r d e und in der Uneinheitlichkeit der Innenpolitik seine Chance z u m W i d e r s t a n d um so deutlicher erkannte, je weiter die Revolution in Frankreich fortschritt, durch deren Maßlosigkeit freilich auch abgestoßen wurde. H a t t e man nach der Unbequemlichkeit u n d Last der Persönlichkeit Friedrichs des Großen den T h r o n f o l g e r zunächst begrüßt, so verlor dieser b a l d V e r t r a u e n und Zustimmung des Volkes, das in den turbulenten Zeiten der Revolution nun doch lieber einen entschlossenen und von E u r o p a respektierten Fürsten a n der Spitze des Staates gesehen hätte. Hertzberg, einem alten Mitarbeiter Friedrichs des G r o ß e n , fehlte nicht das Selbstvertrauen, wohl aber die Selbständigkeit des bedeutenden Staatsmannes. Er brachte allerdings über die erfolgreiche U n t e r s t ü t z u n g des mit einer Schwester Friedrich Wilhelms II. vermählten Erbstatthalters 6*

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Wilhelms V. gegen die republikanischen Patrioten 1788 einen preußisch-niederländisch-englischen Dreibund zusammen, doch fehlte ihm der rechte Blick f ü r die politischen Ziele anderer Staaten, deren Bereitschaft, preußische Interessen zu vertreten, er entschieden überschätzte. Infolgedessen kam in der Orientkrisis der Erwerb von Danzig und T h o r n als Ausgleich f ü r den Anfall der D o n a u fürstentümer an Österreich nicht zustande. W ä h r e n d Joseph II. 1788 Rußland im Kriege gegen die Türkei unterstützte, freilich weder das Vorrücken der Türken verhindern, noch den Angriff Schwedens auf Rußland vorhersehen konnte, mißlang Hertzberg sowohl der Versuch einer Sonderverständigung ohne Rücksicht auf das Bündnis mit den Seemächten wie auch der Versuch eines ultimativen Drucks auf Österreich und Rußland mit dem Ziel des Gewinns von Danzig und Thorn. Durch diesen Fehlschlag verlor er seinen Einfluß auf Friedrich Wilhelm II., der 1790 Bündnisse mit der Türkei und Polen schloß, gemeinsam mit England den Schweden diplomatische Entlastung gebracht hatte und nun Österreich angreifen wollte. Zwar hatte der alte Laudon am 8.10.1789 Belgrad erobert; aber die innere Schwächung Österreichs durch den Josephinismus war größer als dieser bedeutende militärisch-außenpolitische Erfolg: die Ungarn behinderten Josephs Kriegführung und begannen mit Preußen zu konspirieren; in die gleiche Zeit fiel der Aufstand in den österreichischen Niederlanden, der die Österreicher vorübergehend aus dem Lande drängte; und die Seemächte und Preußen verbanden sich am 9. 1. 1790 zur wohlwollenden H a l t u n g gegenüber dieser Separationsbewegung, die eine Armee der f ü r Österreich eintretenden Reichskreise zu schlagen vermochte. Europäische Krise, Reichskrise und innerösterreichische Krise vereinigten sich also zu einer schweren Aufgabe f ü r Leopold II., den Bruder und Nachfolger Josephs II., der mit großem Geschick, geduldig und gewandt vom Reformwerk aufgab, was nicht zu behaupten war, den Widerstand der Stände, insbesondere der Ungarn, durch Konzessionen an ihr Verlangen nach Selbstregierung und -ver-

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waltung besänftigte und vor allem die Verständigung mit Preußen anstrebte. Das wurde durch die Unklarheit der Ziele in Preußen, die Uneinigkeit der Tripelallianz und dadurch erleichtert, daß die Französische Revolution mehr und mehr das Interesse aller Mächte auf sich zog, die aufmerksam die Wirkungen dieses Ereignisses auf die U m welt, z. B. auf Belgien, verfolgten. Schließlich kam es unter Friedrich Wilhelms Leitung am 27. 7. 1790 im schlesischen Reichenbach nach einmonatigen Verhandlungen zu einem Vertrag, in dem Österreich sich Preußens Forderungen fügte und auf jeden Erwerb türkischen Gebietes verzichtete, während Preußen der Rückkehr der Niederlande zu Österreich zustimmte. Mit Gewalt rückten österreichische T r u p p e n ein und besetzten am 2. 12. 1790 Brüssel. Das und die Kaiserkrönung am 30. 11. 1790 stärkte Leopold II. so sehr, daß er nun an die Einengung des preußischen Einflusses in Deutschland gehen konnte und den längst kaum noch existierenden Fürstenbund endgültig zur Auflösung brachte. Aus den Kämpfen im N o r d e n und Südosten zog Preußen also keinen Gewinn; das Bündnis mit England zerfiel, da Pitt sich unter dem Druck der öffentlichen Meinung gegen Rußland wenden mußte. Den Frieden Österreichs mit der Türkei am 4. 8. 1791 konnte noch Preußen vermitteln; der zwischen R u ß l a n d und der Pforte wurde Anfang 1792 ohne sein Zutun abgeschlossen. Preußen hatte in wenigen Jahren offenkundig seine einflußreiche Großmachtstellung eingebüßt und mußte sich nun ganz den Problemen zuwenden, die aus der Revolution in Frankreich erwachsen mochten. Im Innern aber fehlte Preußen das Gleichmaß der Politik, das unter Friedrich dem Großen geherrscht hatte. Friedrich Wilhelm II. war von seinen Günstlingen, vor allem von Wöllner, abhängig, Friedrich Wilhelm III. von seinen Geheimen Kabinettsräten, die rechtlich subalterne Beamte waren, tatsächlich jedoch unbeschränkten Einfluß auf den König ausübten und den Ministern Befehle erteilten. Am wichtigsten aber war, daß beide Könige nicht erkannten, wie es nötig gewesen wäre, Absolutismus und

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M e r k a n t i l i s m u s z u r e f o r m i e r e n , z u m o d i f i z i e r e n u n d den Erfordernissen der Zeit anzupassen. A u s diesem G r u n d e behielt — im Gegensatz zu Österreich — der A d e l seine S t e u e r p r i v i l e g i e n , w u r d e die E r b u n t e r t ä n i g k e i t nicht a u f gehoben, die H e e r e s v e r f a s s u n g nicht modernisiert u n d das K a n t o n w e s e n im R e g l e m e n t v o n 1792 mit allen B e f r e i u n gen bestätigt, w ä h r e n d schon die A u s w i r k u n g e n der f r a n zösischen R e v o l u t i o n g a n z E u r o p a in M i t l e i d e n s c h a f t zu ziehen b e g a n n e n . 15. Deutschland im 18. Jahrhundert N e b e n u n d unter der A u s e i n a n d e r s e t z u n g zwischen Österreich und P r e u ß e n , die schon v o r 1740 b e g a n n u n d über den T o d Friedrichs II. h i n a u s a n d a u e r t e , f ü h r t e n die deutschen Mittel- und Kleinstaaten, führte „Deutschland" in vieler Beziehung sein eigenes Leben. D i e V i e l f a l t der Erscheinungen n a h m in ihnen gegenüber der z w e i t e n H ä l f t e des 17. J a h r h u n d e r t s nicht e t w a ab, sondern w u r d e eher größer. „Es gibt geistliche u n d weltliche, g r o ß e u n d k l e i n e bis herab z u den Reichsstädten u n d S t a a t e n s p l i t t e r n , v o n denen schon das 18. J a h r h u n d e r t spottete, sie besäßen n u r 12 E i n w o h n e r und 1 J u d e n " ( H ä r t u n g ) . M a n k o n n t e sie nach sehr verschiedenen Gesichtspunkten einteilen, u n d f a s t jedesmal ergab sich eine andere R a n g f o l g e . Ihre t e r r i t o r i a l e A u s d e h n u n g korrespondierte nicht m i t i h r e r w i r t schaftlichen B e d e u t u n g : F r a n k f u r t , H a m b u r g , K ö l n w a r e n wirtschaftlich gewichtiger als B a y e r n . Ihre politische Bedeutung wechselte mit dem Entstehen u n d S c h w i n d e n der K o a l i t i o n e n , mit den Aussichten u n d Ergebnissen i m R a h men von H e i r a t s - , Erb- und T a u s c h p o l i t i k . Ihr k u l t u r e l l e r R a n g beruhte vollends auf der Persönlichkeit des F ü r sten, die w i e d e r u m von der politisch-militärischen M a c h t stellung u n a b h ä n g i g sein konnte, aber g e b u n d e n a n die L a g e der Residenz, die N e i g u n g v o n Dichtern, Philosophen, M u s i k e r n oder M a l e r n , sich g e r a d e a n diesem oder jenem H o f niederzulassen. In der militärisch-machtpolitischen Hierarchie konnte e t w a ein S t a a t w i e A n h a l t - D e s s a u f ü r die D a u e r des tätigen Lebens eines K l e i n f ü r s t e n w e i t h i n

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b e k a n n t und b e r ü h m t sein. A u d i w e n n m a n diese vielen deutschen Staaten gewissermaßen von innen heraus betrachtete, ergab sich immer noch ein überaus buntes Bild. Gewiß, das 18. J a h r h u n d e r t w a r das „Zeitalter des Absolutismus" . Aber einmal deckte dieser manche recht verschiedenen Erscheinungsformen unterhalb der großen Klassifikation des praktischen u n d aufgeklärten Absolutismus, u n d zum anderen gab es neben den absolutistisch regierten Monarchien andere Staaten, wie H a n n o v e r , Mecklenburg u n d W ü r t t e m b e r g , in denen adelige oder bürgerliche Landstände die H a u p t r o l l e spielten, und die gewöhnlich von einer patrizischen Aristokratie beherrschten Reichsstädte. Im allgemeinen nahmen bei der Entwicklung zum Absolutismus die katholischen Landesherren die F ü h r u n g : die Habsburger in den deutschen und böhmischen Erblanden, die Wittelsbacher in Bayern. Seit dem 30jährigen Kriege folgten immer mehr kleinere Fürsten auf diesem Wege zum theoretischen u n d z u m praktischen Absolutismus. Fast überall wurden die L a n d s t ä n d e auch gegen ihren Willen zu größeren Leistungen herangezogen: die Landesherren f o r d e r t e n von ihnen die Finanzierung des Baues und der Erhaltung von Festungen, der Errichtung u n d Aufrechterhaltung von Besatzungen u n d stehenden Heeren. Seitdem die W a h l k a p i t u l a t i o n Leopolds I. im Jahre 1658 dem Kaiser die Pflicht auferlegte, über den Schutz' der landesherrlichen Rechte im alten Sinne hinaus auch darauf zu achten, d a ß die Landstände nicht die V e r f ü g u n g über die Steuern an sich zögen, nicht ohne landesfürstliche Genehmigung L a n d t a g e abhielten und d a ß sie keine Bündnisse schlössen, ging die T e n d e n z von Mal zu Mal stärker dahin, die L a n d stände gleichzeitig zu entmachten u n d wirtschaftlich auszubeuten und zu schwächen. Das geschah nicht allein f ü r H e e r u n d Festungen, sondern auch f ü r häufig unerträgliche „Lustra" und „Splendeurs" der fürstlichen Person und Dynastie. Das französische Vorbild regte gewiß nicht allein zu vielfach u n e r f ü l l baren Bedürfnissen an, sondern zahlte nicht selten auch

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über längere Zeiträume Subsidien. Aber, wenngleich diese Fürsten uns viele reizvolle Bauten hinterlassen haben und wenn auch mancher von dem Serenissimustyp des engen Gesichtskreises, der Beschränktheit der Ziele, der Kleinheit des Regierungsbereiches abwich, so ändert das doch nichts an dem Gesamturteil, das H ä r t u n g folgendermaßen formuliert: „Es ist das Verhängnis der deutschen Kleinstaaten geworden, daß ihre Fürsten seit dem Ende des 17. Jahrhunderts kein anderes Ziel mehr hatten, als es an äußerem Glanz den großen Fürstenhöfen bis hinauf zu Ludwig X I V . gleichzutun, ohne doch die Mittel dazu zu haben." Das Sichtbarste an dieser Entwicklung war der Bau von Residenz-, J a g d - u n d Lustschlössern, Fasanerien und Orangerien, die Anlage von weiten Gärten, Parks und Seen, dahinter weniger auffällig und sichtbar, aber nicht weniger kostspielig die Aufblähung des Hofstaates durch immer neue Ämter, die Anpassung der Hofchargen auch bei Kleinststaaten in Titulatur, Uniform und Prunk an den Brauch der größeren Mächte, die Ausübung rücksichtsloser Kabinettsjustiz zur Durchsetzung von unberechtigten Forderungen. Pflege und Blüte von Kunst und Wissenschaft, die Entstehung von „Musenhöfen", die Errichtung von Bauwerken, die noch heute Bewunderung erregen, und die Erweckung des Empfindens f ü r Schönheit und edles Maß sind also nur durch schwere Lasten ermöglicht worden, die das Volk f ü r das Wohlleben einer kleinen Gruppe von Menschen tragen mußte — einer Hofgesellschaft, in der selbst wiederum gewöhnlich nur sehr wenig bemerkenswerte Leistungen vollbracht wurden. Der Absolutismus hat sich jedoch nicht in allen deutschen Territorien gleich weit durchsetzen können. Die Gerichtsbarkeit des Kaisers war wenigstens kleineren Territorien gegenüber stark genug, um Fürsten zu bestrafen und sogar abzusetzen, wenn sie sich ernstlich vergangen hatten. H ä r tung zählt in seiner Verfassungsgeschichte eine Reihe von Fällen auf, in denen der Kaiser das Recht gegenüber schlechten Fürsten zur Geltung brachte und Landständen seinen Schutz gewährte. So kam es 1755 in Mecklenburg-

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Schwerin zu einem bis 1918 gültigen landesgrundgesetzlichen Erbvergleich zwischen dem Herzog und den Ständen. Ebenso behaupteten die Ostfriesen ihre landständische Verfassung gegen ihren angestammten Fürsten, selbst nach der Einverleibung Ostfrieslands in Preußen im Jahre 1744. In dem protestantischen Württemberg führte der Absolutismus seit 1733 unter katholischen Regenten zu einem heftigen Gegensatz der von Johann Jakob Moser beratenen und 1764 den Reichshof rat anrufenden Landstände zum Herzog, der sich 1770, nicht zuletzt, weil die Steuergelder ausblieben, zu einem Erbvergleich herbeilassen mußte: der Rechtszustand des 17. Jahrhunderts wurde bestätigt, der Geheime R a t als oberste, zur Erhaltung der Landesfreiheiten mitverpflichtete Instanz wiederhergestellt, die H ö h e der landständischen Zahlungen an den Herzog festgelegt und dem Herzog Steuererhöhung selbst in Kriegszeiten untersagt. Das hinderte ihn zwar nicht, das Kammergut mit Schulden zu belasten, f ü r die schließlich auch die Stände wieder eintreten mußten; aber die Verfassung des Landes blieb doch unangefochten und wirksam. Sie war so berühmt — ihr oligarchischer Grundcharakter aber unerkannt —, daß der englische Minister Fox erklären konnte, neben der englischen verdiene allein die württembergische die Bezeichnung Verfassung. Auch in Kursachsen blieb die landständische Verfassung in K r a f t , die seit der Konversion der Dynastie im Jahre 1697 die Erhaltung des protestantischen Charakters des Landes gewährleistete. Das bedeutete freilich nicht, daß der alte Adel, der den T o n hätte angeben können, dazu aber zu schwach und zu interesselos war, und das neue Bürgertum, das ihn gern angegeben hätte, dazu aber nicht genügend vertreten war, energischen und rücksichtslosen absoluten Fürsten wie den beiden zugleich in Polen herrschenden Augusten mit Erfolg entgegentreten konnten. Der Landesherr hielt sich an die Form der Steuerbewilligung durch Landtage, diese verweigerten jedoch nie die geforderten Mittel, zumal sie mit Erfolg die eigene Steuerfreiheit zu verteidigen vermochten. N u r in H a n n o v e r wurde der Adel der wirklich regierende

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Stand, als durch die V e r b i n d u n g der D y n a s t i e mit dem englischen T h r o n die monarchische G e w a l t im L a n d e erheblich geschwächt wurde. Infolgedessen ü b e r n a h m p r a k tisch eine kleine G r u p p e adeliger Familien die Regierung durch die Besetzung der wichtigsten H o f ä m t e r . Dieses Adelsregiment nutzte den Staat egoistisch aus, konservierte im engsten eigenen Interesse die wirtschaftliche u n d soziale Struktur des Landes u n d zeigte sich 1757 u n d 1803 politisch unfähig, die staatliche Existenz zu verteidigen. „ T r o t z allen Verschiedenheiten in den staatlichen Formen weist demnach das Leben in den deutschen Mittel- u n d Kleinstaaten w ä h r e n d des J a h r h u n d e r t s nach dem Westfälischen Frieden doch einen gemeinsamen Zug a u f : die ganze Entwicklung stagniert. W e d e r die höfische K u l t u r der absoluten Staaten noch das behagliche Stilleben des Ständetums hat das politische u n d wirtschaftliche Leben zu f ö r d e r n verstanden" ( H ä r t u n g ) . In der zweiten H ä l f t e des J a h r h u n d e r t s brachte allerdings der aufgeklärte Absolutismus auch in den Mittelund Kleinstaaten nach dem Vorgehen u n d Vorbild der größeren Mächte R e f o r m e n zustande — insbesondere in Sachsen, Baden, W e i m a r , Anhalt-Dessau, w o meist langlebige Fürsten unter Friedrichs des G r o ß e n Eindruck u n d beeinflußt von A u f k l ä r u n g , H u m a n i t ä t u n d N a t u r r e c h t sich unter dem Gesichtspunkt der Fürstenpflicht im R a h m e n des aufgeklärten Absolutismus des Wohles der Staaten u n d U n t e r t a n e n annahmen. Sie setzten ihre R e f o r m e n häufig gegen den Willen der Stände u n d Bevölkerungen durch, imitierten dabei vieles — wie innere Kolonisation u n d Landeskultur —, was Preußen und Österreich im Hinblick auf höhere Staatszwecke betrieben, hatten aber ihrerseits nicht derartige hohe Ziele, sondern begnügten sich mit einer eudämonistischen Staatsauffassung, die einfach das Behagen der U n t e r t a n e n anstrebte, den W o h l s t a n d des Einzelnen, nicht die Steuer- u n d damit die politische K r a f t des Staates. Die Rechtspflege w u r d e h u m a n e r , die Leibeigenschaft, 1783 beginnend in Baden, verschiedentlich aufgehoben — dagegen nicht die Belastung des Bodens — , das Schulwesen

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aufklärerisch verbessert, Wohlfahrtswesen, Hygiene und Polizei gefördert — alles letzen Endes in den Kleinstaaten auf die gleiche patriarchalische, hausväterliche und vormünderische Weise wie in früheren Jahrhunderten und mit dem Ergebnis eines zwar politisch rechtlosen, aber sonst vielfach bequemen und behaglichen Lebens, das sich sehr angenehm von dem ungemütlichen und oft harten Erlebnis preußischer Größe unterschied. So wurden für die Zeitgenossen die engen und kleinlichen Züge der Kleinstaaterei vielfach überdeckt von den Annehmlichkeiten, der bunten Mannigfaltigkeit vieler „Residenzen", dem entstehenden literarisch-philosophischen Weltbürgertum ohne andere Weltkenntnis und Teilnahme an der Weltpolitik, als daß die Fürsten gelegentlich Subsidien empfingen oder in einigen Fällen Landeskinder als Soldaten an die Weltmächte verkauften. Die Möglichkeit eigener staatlicher Existenz besaßen diese Kleinstaaten jedoch nicht. Sie hingen vom Schicksal des Reiches ab, „und dessen Untergang ist auch für die meisten von ihnen zum Verhängnis geworden". Der Absolutismus machte auch vor den meisten geistlichen Staaten nicht halt, und die Vielfalt der Erscheinungen zwischen Nachahmung des französischen Absolutismus, Nepotenwirtschaft, Reformisten, Modernisten und streng kirchlichen Herrschern war eher noch größer als im Bereich der weltlichen Staaten. Aber selbst staatsmännisch und künstlerisch so begabte, interessierte und fleißige Fürsten wie die aus dem Hause Schönborn stießen mit ihren Reformen, Neuerungen und mit der Ausbildung merkantilistischer Wirtschaftsformen sehr schnell an die eng gehaltenen Grenzen des Kleinstaates, erlahmten in ihrem Streben und zogen sich aus der Politik in die Bereiche der Schönheit und Bildung, der Pracht und des Wohllebens, auch der christlich betonten Wohlfahrtspolitik ähnlich der Art weltlicher Kleinfürsten zurück. Und wie die weltlichen Kleinstaaten sind auch die geistlichen schließlich in militärisch-politische Ohnmacht versunken. „Der Zusammenbruch des Reiches in der Revolutionszeit machte auch ihnen ein Ende" (Härtung).

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Das Reich trat in den Zeiten der vielen und langen Kriege naturgemäß am auffälligsten durch sein Heer und durch die Assoziation der Kreise von 1697 in Erscheinung. Als aber nach 1713/15 der Druck Frankreichs nachließ, verfiel beides sehr schnell. An die Stelle des auf dem Papier auch in Friedenszeiten beibehaltenen „miles perpetuus" traten in der Praxis sehr viel geringere Kontingente: der „Usualfuß" entsprach in keiner Weise dem „Idealfuß", welchen die Reichskriegsverfassung festgesetzt hatte. Und auch die politische Organisation der Reichskreise zerbrach, als diese im österreichischen Erbfolgekrieg Partei ergreifen mußten. Damit hatte um die Mitte des 18. Jahrhunderts das Reich aufgehört, über eine militärisch brauchbare und beachtenswerte Organisation zu verfügen. Theoretisierte F. C. v. Moser 1765 in seiner Schrift „Vom deutschen Nationalgeist", man müsse versuchen, „die Herren und Häupter unseres Vaterlandes zu bewegen, das zu wollen, was sie wollen sollten", so erkannte Justus Moser sehr viel realistischer: „Für die Erhaltung des deutschen Reichssystems stürzt sich bei uns kein Curtius in den Abgrund." Erst als Preußen als Kristallisationskern und Energiezentrum an die Spitze der Bündnisbewegung trat, kam es am 23. 7. 1785 in bewußter Fortsetzung des von Friedrich dem Großen zitierten Schmalkaldischen und des Rheinischen Bundes von 1638 zu einer neuen „Assoziation", dem deutschen Fürstenbund, den Preußen, Sachsen und Hannover abschlössen und dem in den folgenden Monaten die meisten mitteldeutschen und einige süddeutsche Staaten beitraten. Nach außen setzte er sich die Aufrechterhaltung der Reichsverfassung zum Ziel; in Wirklichkeit wollte er Joseph II. an der Ausnutzung seiner kaiserlichen Gerechtsame zur Verstärkung der eigenen Hausmacht hindern. So blieb also auch diesmal seine Zielsetzung in der Negation befangen, seine Existenz aber von Preußen abhängig, das ihn, wie Frankreich den Rheinbund von 1658, im eigenen, nicht im deutschen Interesse gegen den Kaiser schuf und leitete. Daß einige Kleinstaaten im Fürstenbund mit dessen Hilfe eine Reform der Reichsverfassung anstrebten, hinderte Fried-

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rieh W i l h e l m II. nicht, ihn bald nach seiner Thronbesteigung unter veränderten politischen Verhältnissen aufzugeben und damit die deutschen Mittel- und Kleinstaaten wieder schütz und bedeutungslos werden zu lassen. M i t Nachdruck hat H ä r t u n g dem üblichen Urteil über die Vorzüge der V i e l z a h l alter Reichsstädte und fürstlicher Residenzen als kultureller Mittelpunkte, als ebenso vieler größerer und kleinerer Stätten geistiger und künstlerischer Produktion die „Kehrseite der Medaille" entgegengehalten: „Die Fülle unserer Staaten bedeutete eine ungeheure Vergeudung unserer K r a f t . Die staatliche Arbeit mußte in rund 300 Staatswesen geleistet werden, und das heißt nicht nur, daß die gleiche Arbeit statt einmal rund 300mal gemacht werden mußte, sondern zugleich eine Fülle von Reibungen und unnötigem A u f w a n d . Vor allem aber gilt von fast allen diesen deutschen Mittel- und Kleinstaaten, daß der R a u m zu eng w a r , um ernsthafte staatliche Arbeit zu ermöglichen. Den bescheideneren Aufgaben des Mittelalters w a r e n die deutschen Kleinstaaten noch einigermaßen gewachsen gewesen. M i t den modernen Staaten kamen sie nicht mehr mit, nicht nur außenpolitisch, sondern auch in der inneren V e r w a l t u n g " . Ihr Wirtschaftsraum w a r zu klein, um die Vorzüge des Merkantilsystems, das selbstverständlich eingeführt wurde, in Erscheinung treten zu lassen. „Und in dieser Enge ist die Arbeitsfreudigkeit der deutschen Fürsten und ihres Beamtentums erstickt. Gerade die erste H ä l f t e des 18. Jahrhunderts ist deshalb die vielleicht trübste Zeit der deutschen Kleinstaaterei, in der die deutschen Fürsten in ihrer überwiegenden M e h r z a h l , ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche K r a f t ihrer Untertanen, ihre finanziellen Mittel in sinnloser Nachahmung des französischen Hoflebens vergeudeten." Manche Staaten haben dieses Stadium bis zur Revolution nicht zu überwinden vermocht. M a g die neuere Geschichtsschreibung auch versuchen, vom S t a n d p u n k t kunst- und kulturgeschichtlicher Betrachtung aus mit manchem echtem und scheinbarem Recht ein günstigeres Urteil über diese Fürstengeneration zu fällen, so müssen doch gegenüber dem, w a s

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uns in Dresden, München, Wilhelmshöhe usw. an bleibenden Werten erhalten ist, die ungeheuere Belastung der Länder und die Nachteile der durch fremde Subsidien bestimmten Politik berücksichtigt werden. „Vor allem aber kommt f ü r das Gesamturteil auch die sinnlose, f ü r die spätere Zeit gänzlich nutzlose Verschwendung in Betracht, die in vielen der Kleinstaaten betrieben worden ist, wo der Nachfolger grundsätzlich das vernichtete, was der Vorgänger geschaffen hatte, um Neues und Großartigeres an seine Stelle zu setzen." Erst als in Friedrich dem Großen und Maria Theresia bedeutende Vorbilder und in den H a u p t j a h r z e h n t e n der Aufklärung, des aufgeklärten Absolutismus eine die Menschen bewegende neue Auffassung von Staat, Gesellschaft und Individuum immer wirkungsvoller wurden, besserten sich diese Verhältnisse, wichen Bequemlichkeit, Lässigkeit, Bedenkenlosigkeit und die Schattenseiten des Absolutismus allmählich. Es begann die Zeit der „Land- und Menschenverbesserung", was sich etwa daran zeigte, daß Baden 1783 dem österreichischen Vorbild der Aufhebung der Leibeigenschaft folgte, wobei aber auch jetzt wieder die Kleinstaaten erheblich behinderter waren als die mit den großen Territorien, mit ausreichenden Mitteln und mit den bedeutenderen Staatsmännern und Staatsdenkern. 16. Das Zeitalter der Aufklärung Inzwischen hatte sich in Philosophie, Kunst und Wissenschaft ein äußerst tiefgreifender W a n d e l vollzogen. Er hatte die politisch-soziale Entwicklung im 18. Jahrhundert begleitet, das häufig das „philosophische Jahrhundert" genannt wurde, hatte sie beeinflußt und entscheidend mit dazu beigetragen, daß sich spätestens seit den 60er Jahren des Jahrhunderts die Notwendigkeit großer Veränderungen abzeichnete: das Bedürfnis, Absolutismus und Merkantilismus zu modernisieren und zu modifizieren, die Kluft zwischen adliger Hofgesellschaft und aufwärts strebendem und drängendem Bürgertum zu schließen, dem Bauerntum das Leben zu erleichtern, das Heerwesen der

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veränderten Denkweise und Lebenseinstellung der Menschen anzupassen, das Verhältnis zu Geistes- und N a t u r wissenschaften, zu Schule und Universität zu überprüfen — kurz, vieles jetzt wieder zu tun, was im 17. Jahrhundert der 30jährige Krieg erzwungen hatte. Der Gegensatz der christlichen Konfessionen zueinander war nach den Jahrzehnten der Gegenreformation wesentlich geringer geworden — aufgehört hat er freilich nie; und die Toleranzedikte der zweiten H ä l f t e des 18. Jahrhunderts stellten Idealformulierungen dar, die keineswegs immer befolgt wurden, wie denn auch das religiöse Moment zutiefst selbst im Siebenjährigen Kriege mitwirkte und Joseph II. niemals den Vorrang der katholischen Konfession und deren enge Verbindung mit dem Staat in Zweifel zog. Welche Anziehungskraft die katholische Kirche ausübte, geht aus der langen Liste von Konversionen in reichsständischen Häusern im 17. und 18. Jahrhundert hervor, die J. S. Pütter im 2. Band seiner „Historischen Entwicklung der heutigen Staatsverfassung des deutschen Reiches" 1798 zusammenstellte — am bekanntesten wurde der Religionswechsel des sächsischen und des württembergischen Fürstenhauses zum Katholizismus, während die Untertanen auch fortan dem Protestantismus angehörten. Die Einwanderung der Hugenotten hatte seit dem letzten Viertel des 17. Jahrhunderts ein ganzes Bündel religiöser Probleme entstehen lassen. Die Salzburger Emigranten gehörten in die gleiche Gruppe; das Thorner Blutbad von 1724 zeigte, wie hitzig beide Konfessionen ihre Ansprüche vertreten konnten, und die Abwehr derKatholisierungsversuche der Stuarts in England führte schließlich in die Revolution. Doch beschränkten sich derartige Auseinandersetzungen nicht auf diese extremen Gegensätze der Konfessionen, sie lebten immer wieder auch innerhalb des Protestantismus zwischen Lutheranern und Calvinisten und innerhalb des Katholizismus zuletzt unter Joseph II. auf. Mit Recht hat man allerdings darauf hingewiesen, daß diese religiösen Konflikte nun nicht mehr das Übliche waren, sondern Ausnahmen bildeten, die gerade deshalb so starkes Aufsehen erregten, und daß sie auf

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die Politik insgesamt einen sehr viel geringeren Einfluß ausübten als in den früheren Zeiten. D a f ü r zeugen auch die verschiedenen Unionsversuche, die unter V e r q u i c k u n g religiöser, wirtschaftlicher und politischer M o t i v e die W i e dervereinigung der K o n f e s s i o n e n anstrebten. L e i b n i z ist aus aufklärerischem D e n k e n , aber auch aus politischen E i n heitsvorstellungen einer der lebhaftesten B e f ü r w o r t e r u n d V o r k ä m p f e r dieser Versuche g e w o r d e n , die alle d a r a n scheiterten, d a ß im E r n s t f a l l eine der K o n f e s s i o n e n sich selbst hätte a u f g e b e n oder beide so starke K o n z e s s i o n e n hätten machen müssen, wie sie letzten E n d e s nicht z u erwarten w a r e n — auch nicht im Protestantismus, obgleich d o r t der Pietismus den D o g m a t i s m u s der lutherischen O r t h o d o x i e lockerte u n d politische Gesichtspunkte f a s t g a r nicht v e r trat. A b e r g e r a d e weil es sich u m die „Stillen im L a n d e " handelte, blieb die W i r k u n g der Pietisten wie die der H e r r n h u t e r g a n z auf den Bereich des Geistigen, der Lebensf o r m u n g , der stärkeren Einbeziehung der F r a u in die G e sellschaft, auf Literatur u n d M u s i k beschränkt. Rationalismus u n d Aufklärung, die K a n t 1784 in einem A u f s a t z als „ H e r a u s f ü h r e n der Menschheit aus selbstverschuldeter U n m ü n d i g k e i t , die B e f r e i u n g v o m A b e r g l a u b e n oder v o n Vorurteilen ü b e r h a u p t " bezeichnete, hatten ihre wichtigsten W u r z e l n im H u m a n i s m u s und durch diesen hindurch in sehr ähnlich erscheinenden Bereichen der römischen u n d griechischen A n t i k e . I m geistigen Leben des 18. J a h r h u n d e r t s bestand ein sehr deutliches E m p f i n d e n f ü r diese Verbundenheit, weswegen m a n die g a n z e Zeit v o m A n f a n g des 16. J a h r h u n d e r t s bis zur G e g e n w a r t mit V o r l i e b e als „ A u f k l ä r u n g " (gegenüber dem „ f i n s t e r n M i t t e l a l t e r " ) z u s a m m e n z u f a s s e n liebte. S o griff die A u f k l ä r u n g denn viele alte philosophisch-politisch-soziale G e d a n k e n wieder a u f , f o r m t e sie um, paßte sie an, entwickelte im Anschluß an sie neue. Bedeutsamer aber w a r , d a ß diese Ideen nicht mehr auf einen engen K r e i s v o n Menschen beschränkt blieben, sondern immer weitere, adlig-fürstliche wie bürgerliche K r e i s e ergriffen. Schulen und A k a d e m i e n —' weniger die Universitäten — , Bücher, K o r r e s p o n d e n z e n und Besuche ver-

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breiteten das neue philosophische, das naturwissenschafliche und technische Wissen weithin, boten einen überaus lebhaften Austausch der Kenntnisse, unterstrichen die Bedeutung der exakten Naturwissenschaften für das tägliche Leben und bemühten sich, deren Beweisbarkeit und Übersichtlichkeit auch auf andere Gebiete des geistigen Lebens anzuwenden und zu übertragen und damit diese für die Allgemeinheit einsichtig und verständlich zu machen. Wieder übten, wie in der Zeit des frühen Humanismus und der Renaissance, in der abendländischen Entwicklung Naturwissenschaft und Technik einen großartigen, belebenden, erfrischenden, auch die Geisteswissenschaften bewegenden und anregenden Einfluß aus. Ohne Zweifel beschränkten sich viele ihrer Vertreter allzu sehr auf das Offensichtliche und neigten gelegentlich zu einer gewissen Oberflächlichkeit, sie vernachlässigten die Bereiche des Religiösen oder verengten sie auf das, was durch die ratio zu begreifen und zu verstehen schien. Aber das war eine natürliche Reaktion auf die Zeiten der unbedingten Vorherrschaft der Religion auch in der Wissenschaft. Und dem standen die großen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und Einsichten gegenüber, die dem Menschen zugleich Selbstvertrauen gaben und von ihm Respekt und Bewunderung gegenüber der Größe der Schöpfung forderten. Die großen Entdeckungen jener Zeit sind alle, was die Geschichtsschreibung gelegentlich übersieht oder unterschätzt, nicht aus dem Oberflächenbereich der Naturwissenschaften, sondern aus sehr ernster religiös-philosophischer Fragestellung hervorgegangen. Man hat in diesem Zusammenhang von einer Säkularisation des Geisteslebens gesprochen und damit die Tendenz der Bewegung richtig bezeichnet. Da diese aber nicht unwidersprochen und ohne heftige Gegenbewegung geherrscht hat, ist es vielmehr zu einer gegenseitigen Anregung und Durchdringung gekommen. Das Übergewicht lag allerdings einstweilen auf Seiten der ratio, die etwa bei der Betrachtung der Geschichte überzeugt war, daß der Mensch nur das unternehme, was ihm nützlich, zweckmäßig und geTreue, Deutsche Geschidite

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winnbringend erscheint, daß es keine allgemeinwirksamen Kräfte gebe. Auch neigte man auf Grund so reicher E r gebnisse der Gegenwart bald dazu, auf alle früheren Zeiten verächtlich hinabzublicken. Am bedeutungsvollsten für das politische Leben wurde die Staatslehre der Aufklärung. „Sie verzichtet auf das göttliche Gebot als Grundlage des Staates und der Obrigkeit, führt den Staat vielmehr zurück auf den freien Entschluß rational denkender Menschen, die auf dem Wege des Vertrages den Staat gründen und durch einen weiteren, ebenfalls auf freiem Entschluß, aus der Einsicht der Zweckmäßigkeit hervorgehenden Vertrag die Obrigkeit einsetzen" (Härtung). Das machte den Staat zu einer rein menschlichen, von der Kirche unabhängigen Institution — und in der Theorie die Kirche zu einer Anstalt im Staate. Wie weit diese Auffassung auch in katholischen Staaten um sich greifen konnte, veranschaulichten einmal Josephinismus und Febronlanismus, zum anderen die Auflösung des Jesuitenordens durch den Papst, aber unter dem Druck der katholischen Regierungen im Jahre 1774. Wenn der Febronianismus allerdings vielfach die staatlichen A n sprüche gegen Rom unterstützte, so geschah das nicht allein aus restaurativen, reichskirchlichen Zielsetzungen, sondern auch, weil seine Anhänger sich von dieser Oppositionsbewegung eine Wiederbelebung des religiösen Geistes im Katholizismus erhofften. Grundlage aller dieser Auffassungen waren die Menschen, die von Natur untereinander gleichen Menschen mit gleichen Fähigkeiten, die auszubilden und zu entwickeln als Aufgabe der Erziehung galt. Infolgedessen spielten Erziehung und Schule, die in viele Typen aufgegliedert wurde, eine sehr starke Rolle, wurde der Lehrerbildung, dem Schulbau, dem Verhältnis von Schule und Kirche, der Ausbildung von Staatsbedienten, der Bildung in der Gesellschaft, dem geistigen Austausch starke Aufmerksamkeit geschenkt, für Schulen zum ersten Male verhältnismäßig viel Geld ausgegeben, der aufgeklärte, gebildete Bürger höher geschätzt als der nicht aufgeklärte, die Landessprache zur

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Verbreitung von Wissen verwendet, büßte das Lateinische also erstmals etwas von seiner Monopolstellung ein, entstanden zahlreiche Zeitschriften, Enzyklopädien, Lehrbücher, welche das Wissen leicht greifbar machten, popularisierten und unter große Menschenmengen verbreiteten, so daß neben der G r u p p e der Gelehrten eine immer breitere Schicht von Gebildeten heranwuchs — von Menschen, in deren Bildung das Naturwissenschaftlich-Technische eine starke Rolle spielte, entsprechend der Bevorzugung des Wirtschaftlich-Technologischen durch den merkantilistischen Staatsmann. D a s hatte, aufs G a n z e gesehen, ein immer geschwinderes Aufsteigen des Bürgertums zu Einfluß und Macht zur Folge, da die Bildung des Adels, schulmäßig häufig rückständig, traditionalistisch mehr beim Überkommenen und im Bereich der Landwirtschaft alter Art verharrte als sich der Naturwissenschaft, der Technik und der neuen Philosophie zuwandte, die vielmehr als Kriterien der Reformneigung galten. Diese war naturgemäß in den Städten stärker verbreitet als auf dem Lande, unter Juristen, Ärzten, Literaten, Manufakturisten und Kaufleuten — dem dritten S t a n d also — mehr, als unter Grundbesitzern und Offizieren. Aus diesen Auffassungen und Tendenzen ergab sich, daß theoretisch keine nationalen Unterschiede bestehen konnten: die Wahrheiten der A u f k l ä r u n g galten für alle Zeiten und alle Menschen. Die Wirklichkeit zeigte jedoch große Unterschiede in der T i e f e und zeitlichen Abstufung der A u f n a h m e der A u f k l ä r u n g in den einzelnen Staaten. Im allgemeinen kann man sagen, daß die westeuropäischen Staaten vorangingen — und dort wieder die Seemächte, in denen bereits ein sehr tätiges, ehrgeiziges und selbstbewußtes Bürgertum in Verbindung mit Ubersee stand, seit langem Austausch zwischen Amsterdam und London betrieb und das geistige Leben freier und ungehinderter sich entwickeln konnte als in anderen, insbesondere katholischen Staaten. Doch ist weder in E n g l a n d noch in den Niederlanden die A u f k l ä r u n g ins Politisch-Revolutionäre vorgedrungen, auch nicht durch den Dritten S t a n d hindurch nach unten. V o r 7*

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wiegend von England her griff die A u f k l ä r u n g nach Frankreich über, wo sie dann in Rousseau, Voltaire, den Enzyklopädisten und anderen besonders radikale und schließlich politisch- und Sozialrevolutionäre Formen annahm. Mitteleuropa folgte der Bewegung mit zeitlichem Abstand und bemerkenswerter inhaltlicher Differenzierung. Angesichts der schweren Schäden, die das Staats-, Sozialund Wirtschaftsgefüge durch den 30jährigen Krieg erlitten hatte, einerseits und der politischen Hegemonie Frankreichs andererseits bestanden f ü r das Eindringen der A u f klärung französischer Art günstige Vorbedingungen. Von Leibniz über die protestantische Universität Halle und die weithin ausstrahlende friderizianische bzw. josephinische Staatsführung liefen zahlreiche kräftige Linien, welche die Ausbildung einer spezifisch deutschen Weise der Aufklärung ermöglichten und förderten, die kontinentaler, in mancher Hinsicht enger, staatsgebundener war als die "Westeuropas, da die Anregungen aus Asien und Amerika fehlten, in der auch die literarisch-naturwissenschaftliche Komponente entschieden stärker war als die staatsphilosophische. „Um 1750 konnte die Herrschaft der Vernunft auch in Deutschland als errichtet gelten" (Braubach). Auch hier gab es — besonders im Bereich der Aufklärungsliteratur, die sich nur langsam von dem französischen Übergewicht befreite — Zeitschriften neuer Art, „Intelligenzblätter", Kalender bürgerlichen Typs, moderne Hochschulen (Halle und Göttingen), Schul- und Hochschulreformen, die von der theologischen und kavaliersmäßigen Grundlage und Zielsetzung zum Technisch-Naturwissenschaftlichen überwechselten, zur Gründung von technischen Schulen und Bergakademien, in denen Mathematik, Mineralogie usw. von der Religion losgelöste Hauptfächer wurden. Der A u f k l ä r u n g verdankten Universitäten wie Kiel 1665, Innsbruck 1677, Breslau 1702, vor allem aber Halle 1694 und Göttingen 1737 ihr Entstehen. So sehr nun aber in vielen Bereichen Staat und A u f klärung sich untereinander verbanden, so deutlich war doch auch, daß der bestehende Staat des Absolutismus zutiefst

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stand — und umgekehrt. im Gegensatz zur Aufklärung Denn die Aufklärung griff die staatliche Autorität und gesellschaftliche Ordnung, die sie vorfand, an, forderte Neuordnung, Reformen, letzten Endes Umsturz und Revolution. W e n n Gazetten nicht geniert werden durften, so bezog sich das, wie Lessing zutreffend gespottet hat, nur auf die Freiheit, Sottisen gegen die Religion zu drucken, sollte ihnen aber nicht etwa die Möglichkeit geben, „Maßregeln und Anordnungen der Souveraine" oder auch nur ihrer Beamten zu kritisieren. Friedrich II., der als 16jähriger in Dresden zuerst mit der Aufklärung in Berührung gekommen war und einen Brief mit den Worten „Frédéric le philosoph" unterzeichnete und der 8 Jahre später die Verbindung zu Voltaire aufgenommen hatte, w a n d t e sich in der Verordnung vom 13. 12. 1784 mit Nachdruck gegen die Ausartung der Aufklärung in „freche Ausgelassenheit", gegen die Verwirrung der Begriffe von staatlicher Ordnung und Pflicht, gegen die Förderung von „Aufruhr, Ungehorsam, Zügellosigkeit und Widersetzungsgrundsätzen" durch Journalisten und Zeitungsschreiber. 4 Jahre später schränkte Friedrich Wilhelm II. im Religionsedikt von 1788 die T o leranz erheblich ein — wieder 1 J a h r später zeigte die Aufklärung in der Französischen Revolution, welches Verhältnis sie letzten Endes zum bestehenden Staate hatte: das Bündnis von Staat und Aufklärung wurde gewaltsam zerbrochen, das Zeitalter Friedrichs u n d das der A u f klärung war beendet. Je deutlicher die Tendenzen der Aufklärung wurden, um so stärker entwickelte sich auch bereits die Gegenbewegung, die an der alten Ordnung, an überkommener Moral und Religion festhalten wollte und gegenüber mancher Beschränktheit und Kurzsichtigkeit des Rationalismus die Bedeutung des Irrationalen, der Seele und des Gemüts betonte. So schuf sich der übertriebene Rationalismus seine eigenen Gegner, die den „Kampf gegen die Vernunft" aufnahmen, gegen die unhistorische Betrachtung und Beurteilung von Staat und Gesellschaft, gegen den Schematismus in Wissenschaft und Politik, gegen das Prinzip der Gleich-

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macherei und f ü r den vielfältigen Reichtum des Lebens. Haller und Bodmer waren die ersten Vertreter dieser Bewegung; sie wirkten auf Klopstock (1748—1803), dessen ganzes späteres Leben von nationaldeutschen Entwürfen, einer deutschen Geschichte, dem Plan f ü r eine deutsche Akademie erfüllt gewesen ist; Winkelmanns Entdeckung der Großartigkeit der Antike offenbarte die Oberflächlichkeit des aufgeklärten Entwicklungsglaubens. Der „Sturm und D r a n g " gab sich leidenschaftlich ganz dem Gefühl hin; der sentimentale Roman erreichte mit „Werthers Leiden" seinen H ö h e p u n k t und eroberte mit ihm die Welt. Lessing stand auf der Scheide, indem er der A u f k l ä r u n g angehörte und zugleich den Weg f ü r eine neue Metaphysik, f ü r den Idealismus vorbereitete — ähnlich wie im Bereich der Philosophie Immanuel Kant. Er bezeichnete 1784 die Aufklärung als „das Herausfinden der Menschheit aus selbstverschuldeter Unglücklichkeit, die Befreiung vom Aberglauben oder von Vorurteilen überhaupt". H a m a n n und Lavater taten in dieser Hinsicht einen Schritt über Lessing hinaus. Herder öffnete den Blick f ü r die Bedeutung der Sprache, der Sitten und des Brauchtums, des „Völkischen" als des Nährbodens des Geistigen, insbesondere aller literarischen Entwicklung, seitdem er 1765 als 21jähriger gefragt hatte: H a b e n wir noch das Publikum und das Vaterland der Alten? und die Frage verneint hatte. Wieland bemerkte 1793, daß das W o r t Deutschheit in seiner Jugend völlig unbekannt gewesen sei. Justus Moser lehrte die Bedeutung des Historisch-Gewordenen der engeren Landschaft erkennen. Eine deutsche Nationaltracht wurde geplant, ein deutsches Recht erhofft und Friedrich Wilhelm II. gepriesen, weil er in der Berliner Akademie dem Deutschen den Vorrang geben wollte. So war man mit der Überwindung und Fortführung der Aufklärung bereits beschäftigt, als diese noch ihrem H ö h e p u n k t zustrebte, schuf man bereits die literarische Gegenfront, als die politisch-soziale Aufklärung noch vor ihrer großen Revolution stand. In allen diesen Leistungen und Ereignissen erwuchs der Begriff der „neuen deutschen Kulturnation". Er war z w a r

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ebenso phantastisch wie der Kulturbegriff des alten H u manismus und stellte vorwiegend das Ergebnis einer einzelnen Gesellschaftsschicht d a r ; aber er w a r großartiger u n d e r f a ß t e zugleich I n d i v i d u u m u n d Volk. „Sein H a u p t mangel lag in seinem Verhältnis z u m Staatsbegriff. D a ß die deutsche N a t i o n noch ein Staat sei, ist f ü r die T r ä g e r dieses Kulturbegriffs, den neuen Stand der ,Gebildeten', mindestens unwahrscheinlich; d a ß sie es einmal gewesen ist, ist gleichgültig. D a ß ihr Fortbestehen, auch als K u l t u r nation, von der G e w i n n u n g eines neuen staatlichen Z u sammenhangs abhängt, das sollen aber diese Gebildeten erst in dem völligen Zusammenbruch der alten O r d n u n g e n innewerden" (Joachimsen). Z u den glanzvollsten Erscheinungen des Gemeinsamen von Absolutismus u n d A u f k l ä r u n g gehörte das fürstliche Mäzenatentum, das allerdings auch manche nicht a u f k l ä r e rische Motive h a t t e : die imitative Repräsentation im Stile Ludwigs X I V . u n d Ludwigs X V . etwa, aber doch auch ein echtes Empfinden f ü r die A u f g a b e des Fürsten gegenüber der K u n s t wie der Wissenschaft. Schlösser in den Residenzstädten u n d im L a n d e w u r d e n angelegt, erweitert, m o d e r nisiert, große Kunstsammlungen zusammengebracht, w o z u nicht selten Agenten nach Italien geschickt w u r d e n , die d o r t jahrelang K u n s t w e r k e a u f k a u f e n mußten. Musik (Bach t 1750, H ä n d e l f 1759), T h e a t e r , Singspiel u n d O p e r eng miteinander verbunden, gehörten z u m Erscheinungsbild des bedeutenden Fürsten u n d w u r d e n von ihm unter großen Kosten gefördert — häufig freilich nicht allein um der Kunst, sondern auch um der Künstlerinnen willen. D e r W e s t f a l e P ö p p e l m a n n baute in Dresden den Zwinger, M a x Emanuel u n d sein Nachfolger K a r l Albrecht von Bayern ließen Schleißheim u n d N y m p h e n b u r g errichten, Clemens August, M a x Emanuels jüngerer Sohn und seit 1723 K u r f ü r s t v o n K ö l n , t a t sich in dieser Beziehung in K ö l n u n d in seinen westfälischen Bistümern durch den Bau v o n P a lästen u n d Jagdhäusern im Stil von Spätbarode und R o k o k o hervor. K a r l P h i l i p p von der P f a l z schuf M a n n h e i m u n d nahebei Schwetzingen; damals entstanden auch K a r l s r u h e

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und Ludwigsburg, die Schönborns schufen durch die H a n d des genialen Balthasar Neumann, der 1753 starb, Bruchsal und W ü r z b u r g . Das alles erfolgte allerdings unter großen Kosten und häufig schwersten Lasten f ü r die Bevölkerung der kleinen, an sich nicht reichen Länder. Ohne Zweifel legte die A u f k l ä r u n g den Grund f ü r die bürgerliche Weltanschauung, das bürgerliche "Weltbild. Goethes „ W i l h e l m Meister" (1777/96) bezeichnet den literarischen Höhepunkt dieser Entwicklung: „Nüchterner Wirklichkeitssinn und überlegene V e r n ü n f t i g k e i t , die n a türliche Religion und die natürliche Moral, d a z u ein gewisser Kult des Guten, der schönen Seele, alles überdeckt von einem unbändigen Wissensdrang, dem der Glaube an den endlichen Sieg des Geistes und des Guten Flügel verleiht: das ist ungefähr das Ergebnis der A u f k l ä r u n g in der zweiten H ä l f t e des 18. Jahrhunderts. Entscheidend w i r d nun, daß die T r ä g e r dieser Ideenwelt nicht mehr ausschließlich die privilegierten Stände des Adels und der Geistlichkeit sind, auch nicht das juristische Beamtentum oder das P a t r i z i a t von Großkaufleuten, dem die holländische Kultur ihr Gepräge verdankt. Die A u f k l ä r u n g ist im Grunde die Sache der Söhne des Dritten Standes, die, mit dem Adel des Geistes ausgestattet, zu den sozial noch immer bevorzugten Ständen Zutritt haben, weil der Geist in der Gesellschaftsethik dieser Spätzeit ebenso hoch bewertet w i r d wie Macht und Geld . . . Nicht das Bürgertum als geschichtlich gewordene Menschengruppe, sondern die bürgerliche Geistigkeit, die sich letztlich auf die stoischen Gleichheits- und Humanitätsideen stützt, w i r d die Richtschnur des gesellschaftlichen und des politischen Lebens. Noch nicht sofort in der sozialen Schichtung, wohl aber im Geiste der Führung tritt ein W a n d e l ein: die völlige Ablösung der alten Führerschicht durch eine neue w i r d sich erst im 19. J a h r h u n d e r t vollziehen" ( J u s t ) . M i t Recht hat allerdings auch Joachimsen darauf gewiesen, daß die A u f k l ä r u n g in politischer Hinsicht weise „konservierend auf die verrotteten Zustände der samtverfassung g e w i r k t " hat, indem ausgezeichnete

hinteilGeauf-

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geklärte Fürsten die Staatsgewalt stärkten, ihr einen neuen Inhalt gaben, mit Hilfe der „Beglückungsbestrebungen" die Untertanen „ganz anders wie bisher in ein persönliches Verhältnis zum Fürsten setzten" und damit einen einzelstaatlichen Nationalgeist schufen, der der Erhaltung des Absolutismus förderlich sein mußte. 17. Deutschland und die Französische Revolution bis zum Kriegsausbruch Wenige Jahre, nachdem Unabhängigkeitsbewegung, -erklärung und -krieg in Nordamerika die Oppositions- und Reformbestrebung in Europa, auch in Deutschland, aufs lebhafteste angeregt, die Diskussion von Bürgerrechts- und Verfassungsfragen weitgehend beeinflußt und Prinz Heinrich von Preußen im Zusammenhang mit dem Problem der Staatsform der U S A zu überaus einsichtsvollen und prophetischen Worten über die Zukunft von konstitutioneller Monarchie und Republik veranlaßt hatten, bildete die zweite, noch viel radikalere, nicht allein wie die amerikanische Erhebung als politische, sondern darüber hinaus und anfangs fast in erster Linie als soziale Revolution auftretende und wirkende Bewegung in Frankreich ein neues und nun wirklich alles zutiefst erschütterndes Beben in Europa. Grundsätzlich stand die geistige Elite der Revolution sympathisch gegenüber — wenngleich nicht vergessen werden darf, daß erst Spätere die mit der Revolution Sympathisierenden als Elite bezeichnet und damit eine Umkehrung der ursprünglichen Beurteilung vorgenommen haben. Freilich bestand kein Zweifel, daß die Masse der Denkfähigen gegen Absolutes Regiment und Privilegienwirtschaft war und die Ideale der Aufklärung verwirklichen wollte. Der Grad der Zustimmung reichte von den enthusiastisch nach Paris Eilenden über die zu rednerischen und literarischen Bekundungen Angeregten, über Revolutionsfeste Feiernde bis zu den skeptisch Zustimmenden, die wie Schiller, K a n t und insbesondere Goethe versuchten, das Positive, Fortschrittliche zu erkennen und das Gefährliche,

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Gesellschaftsauflösende und Chaotische davon zu trennen, das es nach ihrer Auffassung Deutschland fernzuhalten galt. Der alternde W i e l a n d sprach geradezu und den Grundgehalt verkennend von der „Revolution ohne V e r nunft". Bis zu einer Revolution in Deutschland oder auch nur zu revolutionären Ansätzen in den Territorien reichten die Anregungen aus Frankreich nicht. Ursachen d a f ü r w a r e n : die Zersplitterung von Reich und V o l k in politischer und konfessioneller Hinsicht, die politische Schwäche bei literarisch-intellektuellem Protest, eine an politische Passivität gewohnte H a l t u n g des Bürgertums, dessen wirtschaftliche Schwäche und geringe Bedeutung im deutschen M e r k a n t i l staat, die Furcht vor dem Zerstörerischen in der Revolution, auch die alte Abneigung und Vorsicht gegenüber allen Ereignissen in Frankreich; schließlich w a r , w i e e r w ä h n t , die Tatsache von Bedeutung, daß der a u f g e k l ä r t e Absolutismus in Deutschland durch manche Reformleistungen und durch das Verhältnis der Bevölkerung zu den ungewöhnlichen, L u d w i g X V . und L u d w i g X V I . weit überlegenen Persönlichkeiten Friedrichs des Großen, M a r i a Theresias, Josephs II. und anderer Fürsten im Vergleich zum f r a n z ö sischen A n j i e n Regime in mancher Hinsicht m a ß v o l l und fortschrittlich w a r . Das Preußische Allgemeine Landrecht schien den deutschen Reformern bereits das kodifiziert zu haben, w o f ü r die R e v o l u t i o n in Paris erst die Bastille stürmte; und selbst die Verfassung des Reiches 1 gelangte zu neuer Wertschätzung als Grundlage und G e w ä h r f ü r Freiheiten, die es in Frankreich noch nicht gab. Diese Besinnung auf die eigenen Vorzüge, diese Hervorhebung und Betonung des in Deutschland längst Bestehenden w u r d e um so häufiger, drang einsichtsvoll um so tiefer, je r a d i kaler, blutiger und propagandistisch expansiver die F r a n zösische Revolution a u f t r a t . H i e r ist unbewußt manches vorbereitet worden, w a s nach den Niederlagen von 1806/07 als R e f o r m w e r k aus deutscher W u r z e l verwirklicht w e r d e n konnte. Diese Reformen w ä r e n vermutlich r a d i k a l e r , w e niger glücklich an die geschichtliche Entwicklung von S t a a t

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und Volk in Deutschland angeschlossen worden, wenn nicht die Erscheinungsformen der Französischen Revolution die deutschen Reformdenker und -planer sehr stark auf sich selbst, auf ihren heimatlichen Urgrund zurückgewiesen hätten. Es kam hinzu, daß nach der Niederlage durch eben diese einst revolutionäre, nun wie im 17. und 18. Jahrhundert, verstärkt durch Nationalismus, nach Hegemonie strebende Macht schon gar kein Anlaß bestand, die Schwächung des eigenen Staates durch Zerschlagung alles Historischen fortzusetzen und in die endgültige Selbstvernichtung hinein zu steigern. Zunächst wuchs allerdings die Sympathie für die Revolution— angefacht durch die Propaganda der Pariser Revolutionäre einerseits, das anspruchsvolle, vielfach verächtliche Verhalten der französischen Emigranten in Westdeutschland andererseits. Dagegen neigten die aufgeklärten Absolutisten in Deutschland angesichts der Freiheitsträumerei zum Anziehen der politischen Zügel in Form von Überwachung und Zensur, zur Überschätzung der Gefahren in der Aufklärungsliteratur, zur Annahme einer bedeutenden und die Ereignisse steuernden Verbindung von deutscher Aufklärung und Französischer Revolution. In eingeengten Formen wurden also die Reformer in Deutschland gezwungen, ihre geistige Auseinandersetzung zu intensivieren, das englische Reformdenken von der Art eines Burke gegenüber dem französischen Revolutionsgeschehen abzuwägen. Burkes „Betrachtungen über die Französische Revolution" wurden von dem „preußischen Kantschüler" Friedrich Gentz übersetzt und so die „Grundlage, von der aus zwei hannoversche Beamte, Rehberg und Brandes, die französischen Lehren bestritten"; religiöse und kulturhistorischliterarische Argumente und Überlegungen wurden auf anderen Seiten erhoben. „Hier treffen wir Elemente einer von der Aufklärung sich entschieden abwendenden Bewegung an, die man dann als Romantik bezeichnet hat: sie sollte in dem jungen Novalis-Hardenberg ihren ersten politischen Propheten kriegen" (Braubach).

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So wurde also durch die Französische Revolution als solche das politische Interesse in Deutschland entschieden angeregt, durch ihre Erscheinungsformen und Ergebnisse aber stark auf die deutschen Ereignisse, die deutsche Geschichte und die Zielsetzungen f ü r Deutschland zurückgewiesen — eine doppelte Bereicherung, wenngleich n u r die erste Phase die Zustimmung der Radikalen und Revolutionäre nach französischem Vorbild f a n d und die zweite sich unbeabsichtigt aus dem Lauf des Geschehens ergab. Eine weitere Folge war die damit verbundene Wendung von der französischen Aufklärung zum englischen Reformdenken in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft, zum englischen Liberalismus also, der bei den Reformen in N o r d - und Ostdeutschland stärkste Patenschaft bot und sich gelegentlich sogar mit der aus der deutschen Geschichte selbst erwachsenen konservativen, ständisch-religiös fundierten Bewegung verständigen konnte. Diese hob den W e r t des Eigenständigen, der historischen — militärisch wie philosophisch-dichterischen — Leistungen in Deutschland hervor, wog dagegen in historisch nicht unbekannter Weise die leichte Geistigkeit und Moral der Franzosen ab und begann von dorther, sich „in dem Glauben an die eigene moralische Überlegenheit einer mystischen Nationalidee zuzuwenden, mit der man jedoch den kosmopolitischen Ausgangspunkt keineswegs aufgeben wollte" (Braubach). In den Revolutionskriegen stieß n u n aber nicht allein die in Frankreich siegende Revolution mit dem Absolutismus u n d Feudalismus der anderen europäischen Mächte zusammen, sondern Frankreichs altes Streben nach Hegemonie f a n d in neuem Gewand, unter H i n z u f ü g u n g neuer Argumente, aber mit grundsätzlich u n v e r ä n d e r t e m Ziel seinen Fortgang. Zunächst sah es so aus, als werde die Revolution sich auf Frankreich beschränken u n d im Osten, ohne Verbindung m i t den Ereignissen in Frankreich, der Gegensatz der T ü r k e i gegen Österreich u n d R u ß l a n d u n d im Zusammenhang damit ein neuer preußisch-österreichischer Krieg ausgetragen werden. D a n n sicherte die Konvention von Reichenbach im Sommer 1790 den Frie-

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den in Deutschland, und L e o p o l d II., der bis dahin in T o s k a n a regiert und dort behutsam manche gute R e f o r m durchgeführt hatte, k o n n t e sich mit u m so mehr Nachdruck der Wiederherstellung der alten O r d n u n g in U n garn u n d Belgien zuwenden und die Kaiserkrone seinem H a u s e zu sichern sich bemühen. Frankreich war o f f e n b a r durch die innerpolitischen Ereignisse, die A u f l ö s u n g e n u n d N e u b i l d u n g e n in Regierung, V e r w a l t u n g , Gesellschaft und Wirtschaft so sehr m i t sich selbst beschäftigt, daß es f ü r eine zunächst unabsehbare Zeit an den internationalen Beziehungen k a u m teilnehmen konnte. Vielmehr verkündete die Pariser N a t i o n a l v e r s a m m l u n g den Verzicht Frankreichs auf jede Expansion und Eroberungslust. U n d weder Österreichs noch Preußens Herrscher beabsichtigten, sich in die Neugestaltung Frankreichs einzumischen. Aber die Auswirkung der Maßnahmen der französischen N a t i o n a l v e r s a m m l u n g ging über diese Absichten hinaus. Zuerst im Elsaß kollidierte die Aufhebung aller Privilegien mit den Ansprüchen der deutschen Reichsstände, soweit diese noch landesherrliche Befugnisse besaßen und finanzielle A b findungen und Entschädigungen nicht akzeptieren wollten. Sie und die gleichfalls in ihren Rechten angegriffenen geistlichen Fürsten wandten sich um H i l f e an Kaiser und Reich. Umgekehrt empfanden die französischen Revolutionäre die zunächst allgemein sehr freundliche A u f n a h m e adliger Emigranten, so etwa der Brüder Ludwigs X V I . , in Deutschland — insbesondere in Koblenz, Trier, M a i n z , W o r m s und Speyer — als eine politische Parteinahme gegen die Revolution, als eine Einmischung also in innerfranzösische Ereignisse und als aktive Unterstützung der Vorbereitung einer Gegenrevolution. Leopold I I . hielt sich deutlich von jeder Maßnahme für die H i l f e heischenden deutschen Fürsten und Schwäger seiner selbst und seiner Schwester, der gleichfalls Beistand erbittenden Königin Marie Antoinette, zurück. Als der greise K a u n i t z ihm von jeder H i l f e bei der Flucht des französischen Königspaares abriet, folgte er z w a r nicht, sondern gab seine Zustimmung zu dieser dilettantischen V e r z w e i f l u n g s t a t ; er u n t e r n a h m auch nach der Ver-

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haftung des Königspaares und der Aufhebung der königlichen Rechte einige nicht sehr eindrucksvolle diplomatische Schritte, vermied jedoch klar erkennbar alles, was einen deutsch-französischen Konflikt hätte herbeiführen können. Am 6. 7. 1791 sandte er von Padua aus ein Rundschreiben an die europäischen Höfe mit der Bitte, durch eine gemeinsame Erklärung die Handlungsfreiheit Ludwigs X V I . wiederherzustellen. Aber weit bedeutungsvoller als diese erste Maßnahme, die als Beginn einer Intervention gedeutet werden konnte, war der politische Richtungswechsel in Preußen, als Friedrich Wilhelm II. begann, sich unter dem Eindruck des Schicksals des französischen Königspaares mit dem Gedanken zu beschäftigen, nach einer über Reichenbach hinausgehenden Verständigung mit Österreich die fürstliche Solidarität zur Rettung Ludwigs X V I . einzusetzen. Seit Anfang 1791 betrieb Bischoffwerder in "Wien Verhandlungen dieser Art, bei denen Ostprobleme im Vordergrund standen. Am 25. 7. 1791 wurde das Abkommen von Wien unterzeichnet, das sich nach Osten und Westen richtete: Rußland gegenüber betonte es die Souveränität Polens, Ludwig X V I . kündigte es das gemeinsame Auftreten beider Staaten in seinem Interesse an. Einige Wochen später ging insbesondere Friedrich Wilhelm I I . bei der Begegnung mit dem Kaiser in Schloß Pillnitz an der Elbe noch einen Schritt weiter: er erstrebte mit seiner Politik Ländgewinn im Osten oder im Westen; Leopold II. dagegen fand, daß nach der Wiedereinsetzung Ludwigs X V I . in seine Rechte eine Unternehmung zu seinen Gunsten, die von den Emigranten immer wieder mit Nachdruck gefordert wurde, nicht mehr drängte. Gleichwohl kam es am 27. 8. 1791 zu der Pillnitzer Erklärung, die das gemeinsame Interesse aller Souveräne an der vollen Wiederherstellung der Monarchie in Frankreich hervorhob und ankündigte, daß man zur Erreichung dieses Zieles mit militärischer Gewalt vorgehen werde — unter der Voraussetzung, daß alle anderen europäischen Mächte mit einer solchen kriegerischen Intervention einverstanden seien. Da England sich mit großer Wahrscheinlichkeit einer solchen

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Einmischung in innerfranzösische Angelegenheiten nicht anschließen würde, war die Erklärung also zunächst nicht viel mehr als eine Demonstration des preußischen Königs — um so weniger, als Leopold II. ausdrücklich und sehr erleichtert die in Aussicht gestellte Einmischung für überflüssig erklärte, sobald Ludwig X V I . in Paris seine Zustimmung zu der von der Nationalversammlung entworfenen Verfassung gegeben hatte. Wenn unter diesen Umständen schon kurz darauf in den deutsch-französischen Beziehungen eine erhebliche Verschärfung eintrat, so lag das zu diesem Zeitpunkt an dem ersten Auftreten empörter und kriegslustiger Revolutionäre. Verständlicherweise hatten das Manifest von Padua, die starke Resonanz der Emigranten an deutschen Höfen und die von den Emigranten der Pillnitzer Deklaration unwidersprochen gegebene Auslegung die Revolutionäre erregt, die den Bestand ihrer Errungenschaften und zugleich eine Demütigung Frankreichs durch die alten Mächte des Absolutismus befürchten mußten. Die Girondisten in der Legislative entwickelten in sich diese Vereinigung von revolutionärer Empfindlichkeit und historisch-nationaler Besorgnis und drängten die eigentlich gemäßigte Regierung zu eindeutiger und heftiger Abwehr der Emigranten-Verlautbarungen und der Drohungen der Monarchen, die sie als Despoten ablehnten. Sie forderten den Kurfürsten von Trier auf, die zur Intervention sich bereitsstellenden Emigrantentruppen aufzulösen, und bemerkten, daß Leopold I I . als Reichsoberhaupt dem Kurfürsten die Erfüllung dieses Verlangens zur Pflicht machte. Aber auch diese betont friedliche Geste des Kaisers vom 21. 12. 1791 konnte in Paris nicht beruhigend wirken, da sie mit der Bemerkung verbunden war, jede französische Aktion gegen deutsches Reichsgebiet werde auf den entschlossenen Widerstand Deutschlands und Europas stoßen, und diese wieder von den Franzosen als Herausforderung empfunden wurde. Als erneut der Plan eines europäischen Konzerts zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Sicherheit der Monarchien auftauchte, führte er in der französischen

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Legislative zu äußerster E r r e g u n g : die von Brissot geleitete Kriegspartei f o r d e r t e die V e r s a m m l u n g u n d die Regierung am 25. 1. 1792 auf, alsbald eine kategorische E r k l ä r u n g gegen jede F o r m der Intervention zu erlassen. So energisches Vorgehen f ü h r t e nun wieder den bis dahin allen Einmischungsplänen eher k ü h l und retardierend gegenüberstehenden Leopold II. näher zu Friedrich Wilhelm I I . : schon am 7. 2. 1792 w u r d e ein österreichisch-preußischer Freundschafts- und Schutzvertrag abgeschlossen, in dem beide Fürsten einander gegen einen etwaigen französischen A n griff 20 000 M a n n H i l f s t r u p p e n u n d entschlossenes Z u sammenwirken in Aussicht stellten. O b Leopold II. den Krieg jetzt f ü r unvermeidlich hielt, steht nicht genau fest: er starb überraschend a m 1. 3. 1792, u n d der alte K a u n i t z ü b e r n a h m wieder einmal die F ü h r u n g der Politik, da Leopolds 23jähriger Sohn F r a n z II., ein nüchterner, fleißiger u n d pflichtbewußter, aber mit den W i r r e n der jüngsten Vergangenheit u n d G e g e n w a r t nicht v e r t r a u t e r Fürst, der zunächst nur in den österreichischen E r b l a n d e n die N a c h folge a n t r a t , politisch völlig u n e r f a h r e n w a r . K a u n i t z t r a t mit dem Starrsinn des dem vierten österreichischen H e r r scher nicht ohne E r f o l g dienenden Meisters der traditionellen Außenpolitik auf und versuchte, durch ebenso scharfe wie verächtliche, die Psyche der Revolutionäre, insbesondere der Girondisten, völlig verkennende V o r w ü r f e die französische F ü h r u n g einzuschüchtern. Aber Brissot u n d seine A n h ä n g e r stürzten im Gegenteil die Regierung, bildeten gegen den W i d e r s t a n d der Gemäßigten ein eigenes Ministerium u n d bewogen auch die R a d i k a l e n u m Robespierre z u m Kriegsentschluß gegen das ihrer A u f f a s s u n g nach isolierte Österreich. I n der Sitzung der Legislative v o m 20. 4. 1792 kündigte L u d w i g X V I . , der selbst — wie der Kriegsminister N a r b o n n e — in der verzweifelten H o f f n u n g auf den Erfolg der Gegner den Konflikt geschürt u n d den Krieg gewünscht hatte, dem König von U n g a r n u n d Böhmen den Krieg an. E m p ö r u n g über die I n t e r v e n tionsabsicht, der Wunsch, die Revolution über die f r a n z ö sischen Grenzen hinaus zu verbreiten, die anderen V ö l k e r

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vom Despotismus zu befreien, u n d nationaler Machtwille standen auf der einen Seite — schon das Föderationsfest vom 14. 7. 1790 hatte die Geschlossenheit der französischen N a t i o n demonstriert —, auf der anderen nach manchen Drohungen in Berlin stärker als in Wien die Entschlossenheit, die Sache der Monarchie zu verteidigen. Beide nun bald kriegführende Parteien rechneten mit einem schnellen und vollkommenen Sieg: die eine aus dem Elan der Revolution, die andere gerade wegen der als prinzipielle U n ordnung beurteilten Instabilität dieser noch ungeklärten, in sich häufig nicht einigen Bewegung. Auf beiden Seiten konnte niemand voraussehen, daß das Ringen zwischen den absoluten Monarchien alter A r t u n d der Französischen Revolution ohne Unterbrechung in einen Eroberungs- und Behauptungskrieg des bedeutendsten Diktators der N e u zeit, in eine Erschütterung ganz Europas und der überseeischen Kolonialräume übergehen und damit gemeinsam in einem viel weiteren Umfange als erwartet eine neue Zeit einleiten und zu einem Ereignis auch in unserer Geschichte, unserem nationalen Bewußtsein werden würde. 18. Der Krieg 1792—1794 u n d die (zweite) Teilung Polens So weit ging die Verkennung der Bedeutung dieser Auseinandersetzung, daß man auf der Fürstenseite den Krieg mit großartigen Festen einleitete. Am 5. 7.1792 wurde Franz II. in F r a n k f u r t einstimmig zum Kaiser gewählt und demonstrativ am Jahrestag des Sturmes auf die Bastille gekrönt — die letzte Kaiserkrönung im alten Reich. Anschließend traf er sich in Mainz mit seinem preußischen Bundesgenossen, der sich sofort im Anschluß an die französische Kriegserklärung mit Österreich solidarisch erklärt hatte. In Mainz wurden die Operationen im einzelnen besprochen: rund 100000 Österreicher sollten in den Niederlanden und am Oberrhein, 42000 Preußen von der Mosel her, ein Emigrantenkorps und ein Kontingent von Hessen-Kassel aus die Revolution in Frankreich niederwerfen. Die anderen Mächte hielten sich einstweilen zuTreue,

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rück — um so mehr, als o f f e n k u n d i g w a r , d a ß sowohl F r a n z wie Friedrich Wilhelm nicht allein die Revolution unterdrücken, sondern auch ihre eigene Macht ausdehnen u n d französische T e r r i t o r i e n besetzen wollten, ohne sich untereinander über diese Seite des Vorgehens geeinigt zu haben. D e r K a m p f f ü r die monarchischen Prinzipien w a r also zugleich auch ein Eroberungskrieg — nicht anders als der französische Feldzug f ü r die revolutionären G r u n d sätze. In Preußen dachte m a n an die E r w e r b u n g von J ü lich-Berg, w o f ü r der K u r f ü r s t von der P f a l z im Elsaß entschädigt werden sollte, schließlich aber immer m e h r an eine Fortsetzung der Teilung Polens. In Wien, w o K a u n i t z aus der politischen Leitung ausgeschieden w a r u n d am 27. 6. 1794 starb, planten Graf P h i l i p p Cobenzl und Staatsreferendar Spielmann, die den jungen Kaiser berieten, zunächst Gebietserweiterungen am Oberrhein und an der niederländischen Grenze, kamen aber bei den Besprechungen in Mainz auf den alten P l a n des Tausches Bayerns gegen Belgien zurück — sehr gegen den Wunsch Friedrich W i l helms II., der eben die fränkische M a r k g r a f s c h a f t AnsbachB a y r e u t h geerbt h a t t e u n d diese d a n n als Bestandteil Bayerns wieder h ä t t e herausgeben müssen. So standen die Bundesgenossen also — noch bevor der Krieg begonnen hatte — wegen der mit Sicherheit erwarteten Siegesbeute einander mißtrauisch gegenüber, ganz abgesehen d a v o n , d a ß im H i n t e r g r u n d R u ß l a n d f ü r beide eine undurchsichtige u n d beunruhigende H a l t u n g bewahrte. Katharina II. w a r mit W o r t e n nicht weniger häufig u n d energisch gegen die Revolution hervorgetreten. I h r H a u p t ziel bildete jedoch die Bindung der deutschen Mächte im Westen, damit R u ß l a n d ungestört im Osten Expansionspolitik betreiben konnte. Dieser Z e i t p u n k t w a r n u n gek o m m e n : S o f o r t nach dem Kriegsanfang im Westen griff die Zarin in die polnischen W i r r e n ein u n d erzwang die A u f h e b u n g der von Stanilaus Poniatowski erlassenen Verfassung. Leopold I I . hatte in seinem ersten A b k o m m e n mit Preußen Polens Bestand u n d Verfassung garantiert u n d damit R u ß l a n d eine gewisse Zurückhaltung aufgezwungen.

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Franz II. gab diese Politik auf und schloß, am "Westen viel stärker interessiert als an Ostfragen, deren Bedeutung er nicht zu überblicken vermochte, am 14. 7. 1792 einen Vertrag mit der Zarm, in dem die von dieser herbeigeführte Reaktion anerkannt, von Katharina aber allerdings auch die territoriale Unversehrtheit in den Grenzen von 1773 zugesagt wurde. Drei Wochen später schloß die Zarin am 7. 8. 1792 mit Friedrich Wilhelm einen Vertrag auf der gleichen Grundlage. Doch mindestens in Berlin und Petersburg wußte man, daß diese Zusicherungen nur einen sehr begrenzten Wert hatten. Sowohl Österreich als auch Preußen vertraten Polen wie Frankreich gegenüber ebenso stark Sonderinteressen wie allgemeine Prinzipien. Und für Katharina hatten allein schon aus geographischen Gründen — weil der Revolutionsherd so weit entfernt lag — die russischen Zielsetzungen entschieden das Übergewicht über die Fragen der Staatsform in Frankreich. Die militärische Zuversicht der Österreicher undPreußen wurde im Westen durch den beschämenden Ausgang eines französischen Vorstoßes in die österreichischen Niederlande noch beträchtlich gesteigert. Die Behauptung der Emigranten, die französische Armee sei durch die revolutionären Ereignisse demoralisiert und zerfallen, schien sich zu bestätigen. Aus dieser Auffassung erklärt sich der hochmütige Tenor des Koblenzer Manifestes von Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig, dem Oberbefehlshaber des Interventionsheeres, vom 25. 7. 1792. Es drohte im Falle der Beleidigung der königlichen Familie, die zweifellos längst vielfach erfolgt war, den Revolutionären ihren Untergang an, konnte diese aber nicht einschüchtern, sondern mußte sie notgedrungen in letzte, entscheidende Maßnahmen hineintreiben. Es besteht kein Zweifel, daß des Braunschweigers unpolitische Überheblichkeit und Maßlosigkeit den Sturz des Königtums in Frankreich am 10. 8. 1792 mindestens beschleunigt, wenn nicht sogar mitverursacht hat. Und das zu einem Zeitpunkt, da aufmerksame und kompetente Beobachter an den bedenklichen Schwächen der Invasionsarmee schon nicht mehr vorüber8'

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sehen konnten: Aufmarsch und Organisation der Truppen hatten erhebliche Mängel enthüllt. Und bald nachdem die Preußen, denen mit dem Marsch auf Paris die bedeutendste Aufgabe zugewiesen wurde, nach Frankreich eingefallen waren und sich Longwys und Verduns bemächtigt hatten, geriet der aus stärkstem Überlegenheitsbewußtsein befohlene Vormarsch bereits in der Champagne ins Stocken. Je stärker Friedrich "Wilhelm zu entscheidenden Unternehmungen auch unter Eingehen eines gewissen Risikos antrieb, um so mehr zögerte die Truppenführung, so daß der bewegliche Dumouriez, der auf der französischen Seite befehligte, sich zunächst in den Ardennen einem Umzingelungsversuch gewandt entzog und dann nach der Vereinigung mit den Truppen des Generals Kellermann Rücken und Flanke des Interventionsheeres bedrohte. Zur Langsamkeit und Energielosigkeit der Führung trat auf der deutschen Seite die Unmöglichkeit, mit so geringer Truppenmacht und bei so schlechter kriegswirtschaftlicher Organisation, insbesondere auch des Nachschubes, tief in den feindlichen Raum einzudringen und stets die Initiative zu behaupten. Bei Valmy stießen beide Heere am 20. 9. aufeinander. Die Kanonade von Valmy nimmt militärisch keinen besonderen Rang ein, hatte jedoch, wie Goethe im Gefolge des Herzogs von Weimar sofort erkannte, welthistorische Bedeutung. „Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und Ihr könnt sagen, Ihr seid dabei gewesen", erinnerte Goethe sich in seinem Tagebuch abends, in einem großen Kreis gesagt zu haben. Die Franzosen wehrten den Vormarsch der Intervention ab, der preußische Feldherr wagte nicht einen entscheidenden Angriff; er entschloß sich vielmehr, die Nachschubschwierigkeiten als willkommene Begründung für den Rückzugsbefehl zu benutzen. Der Rückmarsch der geringwertigen Truppen bei, wie Goethe anschaulich schilderte, ungünstigster Witterung brachte Ermattung, Entmutigung und Enttäuschung über das Heer und die Politik. Die durch Entbehrungen und Krankheiten geschwächten, auch durch den Gang der Er-

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eignisse u n d die schlechte F ü h r u n g demoralisierten T r u p p e n waren zunächst nicht wieder einsatzfähig. D e r erste V o r stoß gegen die Revolution, sorglos u n d siegesgewiß befohlen u n d unternommen, w a r vollkommen gescheitert. Die Revolution hatte sich nicht allein behauptet, sondern darüber hinaus einen bedeutenden moralischen u n d militärischen Erfolg errungen. Die nächste moralische Niederlage bestand im V o r s t o ß der „Sansculotten" v o m Elsaß aus in das Reichsgebiet, w o Speyer, W o r m s u n d Mainz — d o r t beschloß alsbald ein rheinischer K o n v e n t die E r r i c h t u n g eines Freistaates u n d dessen Vereinigung m i t Frankreich — z u r K a p i t u l a t i o n gezwungen w u r d e n u n d schließlich selbst F r a n k f u r t in französische G e w a l t geriet. Die Stadt der K a i s e r k r ö n u n gen w u r d e z w a r a m 2. 12. z u r ü c k e r o b e r t ; aber die F r a n zosen verteidigten sich u n t e r Custine zwischen Bingen u n d L a n d a u , besiegten in den N i e d e r l a n d e n u n t e r D u m o u r i e z a m 6. 1. 1793 die Österreicher bei Jemappes, k o n n t e n ganz Belgien u n d das Gebiet bis einschließlich Aachen besetzen u n d z w a n g e n die Verteidiger bis h i n t e r R u r u n d E r f t . A m E n d e des ersten Kriegsjahres standen nicht die V e r b ü n deten in Paris, s o n d e r n die i m m e r radikaler a u f t r e t e n d e n u n d die Beseitigung des Königs b e d e n k e n d e n R e v o l u t i o n ä r e in Mainz, Aachen u n d Brüssel. Verlief der Krieg im Westen f ü r die V e r b ü n d e t e n u n glücklich u n d w a r eine W e n d u n g d o r t n u r durch erhebliche Anstrengungen zu e r w a r t e n — zu denen m a n keine Bereitschaft zeigte — , so w a n d t e man sich, mehr expansionslustig als politisch klug, nach Osten. N o c h w ä h r e n d des wenig rühmlichen Rückzuges aus der C h a m p a g n e , dessen E n d e ja vorerst nicht abzusehen w a r , f o r d e r t e P r e u ß e n am 25. 10. in einer N o t e an Österreich, d a ß es vor dem A n f a n g eines neuen Feldzuges durch polnische Gebietsteile „entschädigt" w ü r d e . Schon nach kurzen V e r h a n d l u n g e n schlug die Zarin eine (Zweite) Polnische Teilung v o r : am 23. 1. 1793 w u r d e in St. Petersburg ein russisch-preußischer V e r t r a g unterzeichnet, durch den R u ß l a n d Litauen, P o dolien u n d W o l h y n i e n erhielt, P r e u ß e n der G r ö ß e nach

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ein Viertel dieser Fläche, im Werte aber mehr: die Städte Danzig und Thorn sowie die dann zu einer neuen Provinz Südpreußen zusammengefaßten Palatinate Posen und Kaiisch. Die Zarin zwang den Reichstag in Grodno, diese Halbierung des bisherigen Polens anzuerkennen. Als Friedrich Wilhelm II. seinen Anteil erhalten hatte, war er keineswegs zu energischerer Kriegführung im Westen und stärkerer Unterstützung Wiens bereit, wo die Enttäuschung über diese Haltung und darüber, daß Österreich bei der Polnischen Teilung leer ausgegangen war, zu einer heftigen Wendung gegen Preußen führte. Am 22. 3. 1793 erklärte der Reichstag zu Regensburg den Reichskrieg gegen Frankreich, und nach der Hinrichtung Ludwigs X V I . bildete sich nun endlich unter Beitritt Hollands, Englands und Spaniens eine europäische Koalition gegen die Revolution — nicht zur Rettung der Monarchie und des Königs, sondern zur Bestrafung der Revolutionäre. Geistiger Träger der Koalition, die ebenso auf Machtgewinn und territoriale Ausdehnung wie auf Wiederherstellung des Ançien Regime ausging, war der jüngere Pitt. Auf der Gegenseite sicherten die Revolutionäre allen nach Freiheit strebenden Völkern brüderliche Hilfe zu und machten auch ihrerseits Territorialansprüche geltend, indem sie Frankreich bis zu seinen natürlichen Grenzen, den Pyrenäen, den Alpen und dem Rhein, erweitern wollten. Während sich nun im Jahre 1793 in Frankreich die heftigsten internen Auseinandersetzungen der Revolution abspielten und die Greuel des Schreckensregiments in der ganzen zivilisierten Welt größte Empörung hervorriefen, konnte die Koalition Erfolge erzielen: durch den Sieg bei Aldenhoven am 1. 3. Aachen befreien und nach Belgien eindringen und am 18. 3. bei Neerwinden Dumouriez schlagen, der nun mit der Koalition gemeinsame Sache machen wollte, aber bei seinen Truppen keine Gefolgschaft fand und in die kaiserliche Gefangenschaft flüchten mußte. Der Rückeroberung ganz Belgiens folgte die Einnahme der französischen Grenzfestungen Condé und Valenciennes,

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während die Preußen nach längeren Kämpfen am 23.7. Mainz zur Übergabe zwangen und nach der Rückeroberung der linksrheinischen Pfalz der Einmarsch ins Elsaß möglich schien. Aber dann wandte sich das Kriegsglück, indem die Franzosen sich zu energischstem Widerstand aufrafften, in Robespierre, einem ebenso kenntnisreichen wie entschlossenen Ingenieuroffizier von der berühmten Schule in Mézières, den Organisator der levée en masse fanden und nach kürzester Zeit mit einem modernisierten und von nationalem und revolutionärem Pathos erfüllten Heer unter ausgezeichneten jungen Generalen — Jourdan, Hoche und Pichegru — den auch taktisch antiquiert geführten kaiserlichen Söldnern entgegentreten konnten. Entschlossenheit, Tüchtigkeit und Glück auf der einen Seite, Unentschlossenheit, Unfähigkeit, Uneinigkeit in der Koalition führten dazu, daß deren Truppen im September/Oktober die Eroberungen in Frankreich wieder aufgeben mußten. Friedrich Wilhelm II. verließ überraschend mitten im Feldzug sein Heer, begab sich in seine neue Provinz Südpreußen und zeigte damit aller Welt, daß ihn der Westen nicht mehr interessierte. Mehr und mehr gerieten dort die Verbündeten trotz kleiner Erfolge bei den Weißenburger Linien und am 28.—30. 11. bei Kaiserslautern in die Verteidigung; sie mußten die Belagerung Landaus und damit die Pfalz aufgeben und hinter den Rhein zurückgehen. Zu einer allgemeinen Volksbewaffnung, entsprechend der levée en masse, war der Reichstag auch in dieser Lage nicht bereit, sondern nur zur Aufstellung einer selbständigen Reichsarmee, die selbst bei bester Ausrüstung und Führung nicht den Ausfall ersetzen konnte, den die angekündigte und in die Wege geleitete Reduktion der preußischen Truppen auf die vertragsmäßig festgelegten 20 000 Mann bedeutet hätte. Nur im letzten Augenblick gelang es England am 19. 4. 1794 in Den Haag, eine Einigung zwischen den Seemächten und Preußen zustandezubringen: Preußen erhielt hohe Subsidienzahlungen und verpflichtete sich, auch in Zukunft mehr als 60 000 Mann

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im Westen stehen zu lassen — „ein f ü r Staat und Heer Friedrichs des Großen wenig rühmlicher Vertrag, zumal die Geldgeber die Entscheidung über Art und O r t der Verwendung dieser Streitmacht beanspruchten" (Braubach). Aber allerdings herrschte auch in Österreich keine Maria Theresia, war die Entschlossenheit im Kampf gegen Frankreich in England zwar vorhanden, aber nicht zu vergleichen mit dem Elan in den entscheidenden Jahren des 7jährigen Krieges, hatte endlich die gesamte Politik im monarchischen Europa während der letzten Jahrzehnte an Niveau und Klarheit unendlich eingebüßt, was um so stärker auffiel, als in Frankreich aus dem anfänglichen Revolutionschaos immer deutlicher eine neue innere Ordnung und eine außenpolitische Konzeption großen Stils hervorwuchs. Auch der Feldzug von 1794 brachte trotz der Verabredung von Den Haag der Koalition keine entscheidenden Erfolge. Den Anfangssiegen folgte nicht deren entschlossene Ausnutzung; die dringend notwendige Koordination der Unternehmungen erwies sich als unmöglich, und während sich im Westen Europas Schicksal entschied, bemühte Friedrich Wilhelm II. sich im Osten um die Sicherung seines Gewinnes aus der Polnischen Teilung. Als die polnischen Patrioten sich erfolgreich erhoben und die Russen aus Warschau und Krakau vertrieben, lehnte Preußen die Förderung dieser nationalen Erhebung ab und ließ 50000 Mann einmarschieren, die im Westen dringend gebraucht wurden. Dort fehlte es nicht allein an Truppen, sondern ebenso an Eintracht unter den Führern und dadurch weiterhin an Planmäßigkeit und Entschlossenheit in der Kriegführung. So konnte die Revolution im Sommer 1794 entscheidende Erfolge erzielen. Die Österreicher erlitten bei Tourcoing am 18. 5. einen ersten Rückschlag und am 26. 6. bei Fleurus eine schwere Niederlage, so daß sie die gesamten südlichen Niederlande räumen, ja, schließlich sogar über den Rhein zurückgehen mußten. Anfang Oktober marschierten die Franzosen in Köln und Bonn ein, bald danach in Cleve und Koblenz. Damit begannen

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für die linksrheinischen Gebiete zwei Jahrzehnte französischer Herrschaft mit bedeutenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen, die sich in vielen Formen, z. B. in der Gesetzgebung, bis tief in das 19. Jahrhundert bemerkbar gemacht haben. In Holland, das von den Franzosen überrannt wurde, konstituierte sich die Batavische Republik. Während so die Revolution ihren „natürlichen Grenzen" zustrebte, wurden vom Mittelrhein die preußischen Truppen unter Moellendorf gänzlich zurückgezogen. Preußen stellte den Kampf gegen die Revolution einstweilen ein. Aber auch Österreich hatte unter den preußenfeindlichen Thugut die Bedeutung der Ereignisse nicht zu erkennen vermocht und sich vorwiegend von Egoismus und dualistischem wie reichsfeindlichem Ressentiment leiten lassen. Als zu der Unfähigkeit, die politische Lage zu durchschauen und die Stärke der geistigen und materiellen Revolutionskräfte richtig einzuschätzen, schwere militärische Fehler des Prinzen von Coburg u. a. hinzutraten, hatten die umsichtig und entschlossen handelnden und von der Begeisterung für das Neue getragenen Franzosen es verhältnismäßig leicht, wichtige Erfolge zu erzielen. 19. V o m Frieden zu Basel bis zum Frieden von Campo Formio Die (dritte) Teilung Polens Die Bereitschaft zum Angriffskrieg gegen die französische Revolution war im deutschen Volke nie sehr groß gewesen; unter dem Eindruck seiner ungünstigen Ergebnisse wich sie vollends dem Wunsch nach Frieden. Fichtes „Beiträge zur Berichtigung der Urteile des Publikums über die französische Revolution" im Jahre 1793 gaben dieser Stimmung, Kants Schrift „Zum ewigen Frieden" von 1795 dem gleichen Verlangen Ausdruck, das 1713 vom Abbé de St. Pierre am eindrucksvollsten ausgesprochen worden war, wenngleich das Zeitalter des Rationalismus und die Erfahrungen der jüngst vergangenen Jahrzehnte die Skepsis in bezug auf die Durchführbarkeit einer solchen Kon-

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struktion verstärkt hatten. Dieser gleiche Geist der Aufklärung hatte in den Kreisen der höheren preußischen Beamten und Offiziere die Abneigung gegen Politik, Kriegsführung und Kriegsziele des Königs verstärkt. Doch blieb die von Prinz Heinrich geführte Friedenspartei, die seit 1792 bestand und zu der Mitglieder des Kabinetts und des Generaldirektoriums gehörten, mit ihrem Hinweis auf die UnZuverlässigkeit Österreichs und Englands und auf Preußens Finanzschwäche sowie seine Unfähigkeit zu gleichzeitiger erfolgreicher Kriegführung in Ost und West am Hofe zunächst erfolglos. Friedrich Wilhelm lehnte es strikt ab, mit den „Königsmördern" zu verhandeln, förderte jedoch deren Politik durch seine wiederholte egoistische Wendung nach Osten erheblich. Inzwischen war in Frankreich mit Robespierres Sturz am 27. 7. 1794 das Schreckensregiment beseitigt worden und nun zu hoffen, daß die Revolution den Weg zur Mäßigung betreten und sich wieder auf Frankreich beschränken würde. Wenig später erkannte Friedrich Wilhelm die Möglichkeit, aus der allgemeinen Abneigung gegen den Krieg Vorteile zu ziehen. Die Majorität der Reichsstände wünschte den Frieden; in Süddeutschland war man im Begriff, einen neuen Fürstenbund zur Abwehr der Französischen Revolution zu bilden. Auf den Antrag von Kurmainz forderte der Regensburger Reichstag Österreich zum Trotz am 22. 2. 1794 den Kaiser auf, die Herstellung des Friedens in die Wege zu leiten. Und schließlich geriet Preußen im Osten immer mehr in eine schwierige Lage, die eine Entlastung im Westen dringend erwünscht erscheinen lassen mußte. Die preußische Armee operierte in Polen unglücklich, konnte Warschau nicht nehmen, sondern mußte sich zurückziehen — die Parallele zuValmy lag auf der Hand, und die Schwäche der von Friedrich vor wenigen Jahren hinterlassenen Armee war offenbar: diese konnte nur mit Mühe die nach der Teilung besetzten Gebiete behaupten. Da aber gleichzeitig starke russische Truppen die polnische Erhebung bekämpften, bestand durchaus die Möglichkeit, daß Preu-

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ßen bei einer in Aussicht stehenden endgültigen Schlußaufteilung Polens leer ausgehen u n d sogar mit einem schweren Prestigeverlust wie im Westen so auch im Osten dastehen würde. Die Lage spitzte sich f ü r Friedrich Wilhelm immer m e h r zu: eine auf Betreiben des Ministers Struensee zusammengetretene Finanzkommission empfahl dringend den Abbruch des Krieges; Prinz Heinrich forderte am 25. 10. 1794 den König, seinen N e f f e n , ebenso dringend auf, sich einer Verständigung mit Frankreich nicht länger zu widersetzen, u n d gleichzeitig e r f u h r der König, daß hinter seinem Rücken der Feldmarschall Moellendorf v o n seinem H a u p t q u a r t i e r in Basel mit französischen Diplomaten hatte verhandeln lassen: Preußens politische u n d militärische Führung war zum Frieden entschlossen, Frankreich bereit, einen Frieden zu schließen, in dem auf Preußens linksrheinische Besitzungen Rücksicht genommen werden sollte. V o n den zwei Ergebnissen dieser Kette v o n Ereignissen blieb das wichtigere zunächst fast unbeachtet. Der Absolutismus friderizianischer Prägung hatte in wenigen Jahren u n t e r der F ü h r u n g des unfähigen, unentschlossenen u n d schwächlichen Friedrich Wilhelm so sehr abgewirtschaftet, daß, gewiß auch u n b e w u ß t u n t e r dem Eindruck der E r eignisse in Frankreich, Offiziere hinter dem Rücken des Königs Politik treiben u n d Beamte ihn zum Einlenken zwingen konnten. Die Zeit des Absolutismus war in Preußen beendet. Das zweite Ergebnis, das im Augenblick greifbarer u n d deutlicher sichtbar war, bestand darin, daß Friedrich Wilhelm sich zögernd fügte — insbesondere als er erkennen mußte, daß bei einer Weigerung seinerseits Österreich in der Herstellung des Friedens die F ü h r u n g übernehmen u n d damit Preußen eine weitere Schlappe beibringen könnte. In Basel wurde von dem bisher geheim beauftragten Major Meyerinck offiziell weiter verhandelt; die Minister sorgten dafür, daß der auch jetzt noch schwankende König zu seinem eigenen Befehl stand, u n d der f r ü h e r e Botschafter in Paris, Graf Goltz, wurde am

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8. 12. 1794 zu den Abschlußverhandlungen in die Schweiz entsandt. Inzwischen hatten sich die Franzosen entschlossen, von der Forderung der „natürlichen Grenze" am Rhein nicht abzugehen, Preußens Wünsche auf linksrheinische Gebiete also nicht zu berücksichtigen. In Basel trat an die Stelle des plötzlich gestorbenen Goltz der 45jährige Freiherr von Hardenberg, der sich in preußischen Diensten bereits mehrfach ausgezeichnet hatte und zwar die Auffassung verfocht, ein günstiger Friedensschluß im Westen, bei dem auch die Interessen des Reiches Berücksichtigung fänden, sei im preußischen wie im europäischen Interesse wichtiger als Gewinne im Osten, doch aber sich schließlich Friedrich Wilhelms Weisung fügen und zu Einbußen am Rhein bereiterklären mußte, damit die Position an der Weichsel gehalten und verstärkt werden konnte. Denn inzwischen hatten die Russen am 6. 11. 1794 Warschau erobert, den polnischen Aufstand unterdrückt und die Beseitigung Polens eingeleitet, ohne nach Preußens Wünschen zu fragen. Da die Zarin außerdem nach Konstantinopel greifen wollte, drohte eine von Thugut schon längst angestrebte österreichisch-russische Verständigung auf Preußens Kosten. Schon wurde am 3. 1. 1795 in St. Petersburg von der Zarin und dem österreichischen Gesandten Graf Ludwig Cobenzl ein Geheimvertrag vereinbart, der von dem Beschluß über die endgültige Aufteilung Polens ausging und dabei zwar Preußens Mitwirkung vorsah, doch aber zugleich prinzipiell gegen Preußen gerichtet war. Sobald die österreichisch-russische Verständigung erkennbar wurde und Gerüchte auch über eine österreichisch-französische Annäherung umliefen, mußte Preußen auf eine schnelle Einigung mit Frankreich drängen und die französischen Bedingungen akzeptieren — um so mehr, als eine Fortsetzung des Krieges im Westen für Preußen aus wirtschaftlichen und psychologischen Gründen unmöglich war. So wurde am 7. 4. 1795 von Hardenberg und dem Franzosen von Barthelemy der Friedensvertrag von Basel, ein Dokument preußischer Schwäche

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und die Folge der starken Bindung im Osten, unterzeichnet. Für ganz Norddeutschland jenseits einer Demarkationslinie, die den größten Teil Westfalens, Hessens u n d Frankens einschloß, hörte der Krieg auf. Für die anderen Teile, mit Ausnahme Hessen-Kassels, das gleichfalls einen Sonderfrieden schloß, verweigerten die Franzosen selbst den von Hardenberg beantragten Waffenstillstand. Für die Dauer eines Jahrzehnts wurde N o r d deutschland neutralisiert und vor den Stürmen der Revolution bewahrt. Aber Preußen verließ doch auch als erste Macht die Koalition und ermöglichte damit überhaupt erst die folgende französische Hegemonialpolitik. Der Friedensvertrag hatte, u m das Ansehen der preußischen Regierung nicht zu sehr leiden zu lassen, einen öffentlichen und einen geheimen Teil: veröffentlicht wurde, daß die französischen T r u p p e n in den linksrheinischen Besitzungen Preußens bis zur endgültigen Entscheidung über diese Territorien durch einen Reichsfrieden stationiert wurden; ein Geheimartikel sprach jedoch bereits von einer Entschädigung f ü r den Fall der Abtretung. Das bildete die Einleitung zur bald erfolgenden tiefgreifenden Neuziehung der deutschen Ländergrenzen. Inzwischen wurden die russisch-österreichischen Vereinbarungen über Polen bekannt, zu denen man kurzerhand Preußens Zustimmung forderte. Von Haugwitz beraten, fügte sich Friedrich Wilhelm: am 24. 10. 1795 wurde in Petersburg von den drei Partnern der Vertrag über die Dritte Teilung Polens unterzeichnet. Rußland erhielt den Teil bis zur Buglinie, Österreich nahm sich Westgalizien mitLublin und Krakau, das Friedrich Wilhelm gern besessen hätte; Preußen wurde mit Teilen Litauens, Masovien und Warschau abgefunden: während das Frankreich der Revolution die H i n n a h m e seiner Existenz durch revolutionäre Kriegsmaßnahmen erzwungen hatte, wurde der 800 Jahre alte polnische Staat auf eine nicht weniger revolutionäre und als Präzedenzfall möglicherweise höchst gefährliche A r t beseitigt. Weder Österreichs noch Preußens Herrscher und Regierung fanden die nun beginnende unmittelbare Nachbarschaft mit Ruß-

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land, das jetzt Peters des Großen Ziel erreicht hatte und europäische Großmacht geworden war, unerwünscht und gefährlich. In beiden Staaten empfand man den Zuwachs eines v o n Slawen bewohnten Gebietes nicht als politischkulturell-soziale Belastung. Noch war in Mittel- und Osteuropa die Sprengkraft des Nationalen nicht im entferntesten erkannt oder gar dessen Berechtigung anerkannt, während eben dieses Nationale zugleich vom Westen her „natürliche G r e n z e n " forderte und, die Idee der R e v o lution vertretend, über sich selbst hinauswuchs. Im V o r d e r g r u n d der Diskussion in Preußen standen nicht solche Fragen, sondern die Genugtuung über die Wiederherstellung des Friedens, v o n dem man nach politischer Zerfahrenheit und schwächendem Schwanken zwischen Ost und West eine Erholung der Wirtschaft und der Staatsfinanzen erwartete. Hinter diese H o f f n u n g trat auch die Spaltung des Reiches durch die Demarkationslinie zurück, zumal ganz Norddeutschland unter Preußens formellen Schutz gestellt wurde, das dadurch einen gewissen Prestigegewinn erzielte. Sehr bald sollte sich jedoch zeigen, daß die Demarkationslinie auch Gegensätze geschaffen, alte Rivalitäten verschärft und Expansionsneigungen wieder hatte aufleben lassen — zur Schwächung ganz Deutschlands also beitrug, während sie nur einem Teile den Frieden gewährte. A n den Baseler Frieden schloß sich eine heftige Flugschriften-Fehde an, in der v o n Österreich aus Johannes von Müller und der ehemalige preußische Gerichtsbeamte Karl Glave-Kolbielski gegen Preußen auftraten, aber auch deutsche Patrioten Preußen Egoismus und Verrat des Reiches vorwarfen. U n d wenngleich auch Österreich stets in erster Linie die eigenen Interessen verfolgte, so hatte doch Preußen bei der zweiten Teilung Polens und beim Abschluß des Sonderfriedens noch weit offener und rücksichtsloser seine besonderen Ziele in den Vordergrund geschoben, auf diese A r t sich „den H a ß Österreichs, die Abneigung Englands und die Verachtung Rußlands zugezogen und an Frankreich keinen Freund gewonnen: die

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Isolierung w a r vollständig, z u m a l auch die V e r m i t t l u n g s politik i m Reich gescheitert w a r " . Deutlich w a r e n P r e u ßens innere Schwächen hervorgetreten: die politische U n zuverlässigkeit der Gesellschaft, das Nachlassen der Loyalit ä t u n d Disziplin im H e e r . D e r ganz an die Stärke der Persönlichkeit gebundene friderizianische Absolutismus w a r dahin u n d in einer gefährlich g e w o r d e n e n W e l t keine K r a f t an seine Stelle getreten, die es P r e u ß e n ermöglichte, die ü b e r k o m m e n e Stellung zu b e h a u p t e n . So begann in P r e u ß e n m i t der Politik der Passivität jenes „System der N u l l i t ä t " , das 1806 endgültig zusammenbrach, nachdem ganz unabh ängig d a v o n ein J a h r z e h n t bedeutendster literarischer Blüte in d i e s e m Bereich Deutschland über die a n d e r e n europäischen Mächte w e i t hinausgehoben h a t t e . D e r Krieg Österreichs u n d Englands gegen Frankreich d a u e r t e inzwischen an; seit d e m 28. 11. 1795 w a r durch d e n Beitritt R u ß l a n d s ein D r e i b u n d z u s t a n d e g e k o m m e n . In Frankreich aber w u r d e n nach der A n n e k t i o n Belgiens u n d des F ü r s t b i s t u m s Lüttich am 1. 10. 1795 die „ n a t ü r lichen G r e n z e n " energischer als je z u v o r g e f o r d e r t : d. h. Deutschlands Verzicht auf das linke R h e i n u f e r . A m 5. u n d 6. 9. 1795 überschritten die französischen T r u p p e n , gef ü h r t v o n J o u r d a n u n t e r V e r l e t z u n g der D e m a r k a t i o n s linie den N i e d e r r h e i n , besetzten Düsseldorf u n d v e r t r i e b e n die kaiserlichen T r u p p e n bis h i n t e r die L a h n . I m Süden k a p i t u l i e r t e v o r einer zweiten französischen A r m e e u n t e r Pichegru o h n e N o t M a n n h e i m . Als aber die Österreicher a m 24. 9. bei H a n d s c h u h s h e i m den Franzosen eine N i e d e r lage z u f ü g t e n , m u ß t e J o u r d a n das rechte R h e i n u f e r r ä u m e n , Mainz am 29. 10. u n d M a n n h e i m einen M o n a t später den deutschen T r u p p e n überlassen werden. Auf dieser G r u n d l a g e w u r d e auf der W e n d e 1795/96 überraschend ein Waffenstillstand abgeschlossen, den T h u g u t zur Ermöglichung der militärischen Erholung u n d Stärkung mit diplomatischen Besprechungen füllte, keineswegs aber in einen Friedensschluß übergehen lassen wollte. Er w a r entschlossen, um keinen Preis mit dem Frankreich d e r Revolution zu paktieren, lehnte aber ebenso energisch

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die von England und Rußland angebotene Einigung mit Preußen zur Stärkung der Front gegen Frankreich ab. Ein solcher Versuch wäre freilich auch gescheitert: Preußen war bereit, f ü r die Erhaltung des Friedens, f ü r die Respektierung der Demarkationslinie durch Frankreich neue O p f e r zu bringen. Die Berliner Verträge vom 5. 8. 1796 enthielten öffentlich die französische A n e r k e n n u n g der preußischnorddeutschen Neutralität, insgeheim Preußens Bereitschaft, sich selbst f ü r den Verlust der linksrheinischen Besitzungen mit Teilen des Fürstbistums Münster mit Recklinghausen und den aus Holland vertriebenen Oraniern in Franken entschädigen zu lassen. Hier zum ersten Male tauchte nun ernsthaft der Gedanke der Entschädigung durch Säkularisationen auf, nachdem er schon in der friderizianischenZeit gelegentlich erwogen worden war. Allen einschränkenden Formalitäten zum T r o t z zeigten diese Verträge, wie Friedrich Wilhelm II. m e h r u n d m e h r entschlossen war, die Interessen und Rechte des Reiches der Erringung v o n V o r teilen f ü r Preußen zu opfern, die durchaus n u r sehr kurzlebig sein mochten. D e n n es war nicht einzusehen, w a r u m das expansionslustige Frankreich nach entscheidenden Erfolgen im Süden die Grenze im N o r d e n noch respektieren sollte. Dem Frieden aber k o n n t e das Verhalten Preußens nur schaden. D e n n während R u ß l a n d sich eben anschickte, Österreichs T r u p p e n im Westen durch eigene Regimenter zu verstärken, die auch gegen Berlin marschieren k o n n t e n , m u ß t e der Kriegswille in Frankreich sich, im Rücken von Spanien gestützt, durch die preußische N e u t r a l i t ä t u m jeden Preis nur ermutigt fühlen. Das Kriegsjahr 1796 verlief zunächst sehr günstig f ü r Frankreich. Einem groß angelegten Feldzugsplan von C a r n o t zufolge sollten die französischen T r u p p e n get r e n n t marschieren, Erfolge erzielen u n d bei W i e n sich vereinigen. In Oberitalien siegte, in ganz E u r o p a durch seine vollkommene Beherrschung der Kriegskunst A u f sehen erregend, der junge Napoleon Bonaparte bei Lodi, Castiglione, Bassano, Arcole u n d Rivoli. In Deutschland hatte Österreich am 21. 5. den Waffenstillstand gekündigt.

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Hier siegte Moreau bei Malsch, trieb J o u r d a n die Kaiserlichen nach Franken, drangen die französischen T r u p p e n v o n zwei Seiten nach Bayern ein, schlössen Baden und Württemberg Waffenstillstand und Friedensverträge unter Verzicht auf das linksrheinische Gebiet, war am 7. 9. auch Bayern z u m Waffenstillstand bereit. D a erlitten die Franzosen einen schweren Rückschlag: am 3. 9. wurde Jourdan bei Würzburg entscheidend v o n Erzherzog Karl und dann noch einmal bei Altenkirchen geschlagen, so daß die Franzosen sich über Sieg und Rhein zurückzogen. Danach war auch Moreaus Stellung in Bayern nicht mehr zu halten. Er konnte zwar die Umzingelung und Vernichtung im Schwarzwald vermeiden, doch mußten die Franzosen auch in Süddeutschland das rechtsrheinische Gebiet räumen und im Winter selbst Kehl und Hüningen aufgeben, so daß die süddeutschen Fürsten die Verträge mit den Franzosen widerrufen konnten und unter Thuguts Druck annullieren mußten. N u n verbreitete sich selbst in Österreich eine gewiss'e Friedensbereitschaft. Katharina II. starb im N o v e m b e r 1796; ihr Nachfolger P a u l i , lockerte das enge Bündnis mit Österreich, wo die Popularität Thuguts, des „Kriegsbarons", erheblich zurückging. Auch in England ließen Bereitschaft und Entschlossenheit zur Kriegsführung auf dem Kontinent nach. U n d in Frankreich schließlich erlangten diejenigen Einfluß, die dem Frieden zuneigten. Wenn gleichwohl im Frühjahr 1797 von beiden Seiten der K a m p f noch einmal begonnen wurde, so sollte er wenigstens nicht lange andauern. N a p o l e o n drang siegreich tief nach Österreich ein und bestärkte in geschickten, die eigene Schwäche und Anfälligkeit in Venetien gut tarnenden Verhandlungen mit Erzherzog Karl dessen Friedensbereitschaft. In Wien, wo man Niederlagen durch N a p o l e o n und Revolution im Stile Frankreichs fürchtete, mußte T h u g u t jeden Widerstand aufgegeben: am 16. 4. 1797 kam es zum Präliminarfrieden zu Leoben: Österreich mußte Verzicht auf seine Niederlande und, einstweilen noch geheim, auf die Lombardei leisten, die Cisalpinische R e p u T r e u e ,

Deutsche

Geschichte

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blik wurde, und sollte durch die Festlandsgebiete Venedigs entschädigt werden, die noch 1797 erobert wurden; Deutschland sollte unberührt bleiben. Fast schien es, als hätten sich die Ziele der französischen Politik durch das Gewicht des siegreichen Korsen vom Rhein nach Italien verlagert. Bei den Verhandlungen über den endgültigen Frieden zunächst bei Mailand, später in Udine kam es zu schwierigen Auseinandersetzungen. Es war für Österreich und Deutschland ein schweres Unglück, daß in Paris der Staatsstreich des Fructidor am 4. 9. gerade die radikalen Kreise zur Regierung brachte, die unbedingt die Rheingrenze als die natürliche forderten. Das führte im Frieden zu Campo Formio am 17.—18. 10. 1797 zu einer wesentlichen Verschlechterung der Bedingungen für Österreich. Auch hier erwies sich, daß der hauptsächlich verhandelnde Staat auf der Seite der Koalition die eigenen Interessen vor die der Gesamtheit stellte: Thugut vermochte durchzusetzen, daß Österreich das gesamte Gebiet der alten Republik Venedig erhielt. Ein zweiter, am Kriege überhaupt nicht beteiligter Staat verlor also seine Existenz bei der Auseinandersetzung zwischen den Großmächten: die Staaten, die jahrelang für die Wiederherstellung des Ançien Régime gekämpft hatten, erwiesen sich in kurzsichtiger Machtgier praktisch als ebenso revolutionär wie die verachteten und gefürchteten französischen Revolutionäre. Österreich verlor Oberitalien bis zur Etsch und damit das Hauptgebiet südlich der Alpen, das nun an Frankreich überging. Es untergrub auch sein Prestige und seine Macht in Deutschland, als es sich bereit erklärte, auf einem nach Rastatt einzuberufenden Reichsfriedenskongreß für die Abtretung der linksrheinischen Gebiete einschließlich Mainz an Frankreich einzutreten, wofür es mit Teilen Bayerns und mit dem Erzstift Salzburg entschädigt werden sollte. Wenn in diesen Abreden die Franzosen zunächst auf das Kurfürstentum Köln und die preußischen Besitzungen Verzicht leisteten, so geschah dies von beiden Seiten her, um Preußen jeden Anspruch auf die Ausdehnung seines Ge-

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bietes im Rechtsrheinischen unmöglich zu machen. Damit gab das Reichsoberhaupt selbst den feierlich verkündeten Grundsatz der Reichsintegrität auf und machte sich darüber hinaus die seit 1794/95 von protestantischer Seite erhobene Forderung von Säkularisationen und damit eines weitgehenden Umsturzes von Zusammensetzung und Verfassung des Reiches zu eigen. Der Friede von C a m p o Formio entsprach so in seiner Haupttendenz durchaus dem Frieden von Basel und den Berliner Verträgen von 1796. Das Reich war von beiden deutschen Großmächten im Stich gelassen, die Spaltung in Deutschland vertieft worden; Österreich hatte wie Preußen die Dynamik und Stärke Frankreichs nicht erkannt und daher, statt Deutschlands Einigung und Stärkung gegenüber dieser mehr denn je bestehenden Gefahr zu betreiben, aufs Ganze gesehen bedeutungslosen Territorialgewinnen den Vorrang gegeben. Der Einzug der Franzosen nach Mainz kündete den Untergang des Reiches an; das Reich war — nach Polen und Venedig — „nur mehr Korn zwischen den Mühlsteinen der europäischen Politik" (Ernstberger). Aber auch die Auslieferung Venedigs durch Napoleon an Österreich setzte die Tradition des Austausches und Verkaufs von Völkern ohne Rücksicht auf die Grundsätze der Revolution fort. 20. V o m Rastatter Kongreß bis zum Frieden von Luneville Das kaiserliche Hofdekret vom 1. 10. 1797, das zum Reichsfriedenskongreß nach Rastatt einlud, tat dies unaufrichtig in Verbindung mit der Versicherung, es solle dort auf der Basis der Reichsintegrität verhandelt werden. Die Grundsätze der Revolution hatten in jahrelangem Eindruck die Bevölkerung des Elsaß allmählich dem französischen Staat zugeführt. „Das Elsaß, im Mittelalter und zur Zeit der Reformation ein Land deutscher Sprache und Kultur, hat nach 1648 seine sprachliche und zum großen Teil seine kulturelle Eigenart beibehalten, seit der Revolution von 1789 jedoch seinem Willen, der französischen 9*

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Nation anzugehören, mehr und mehr Ausdruck gegeben." Dagegen haben die Versprechungen der Eroberer an Saar, Mosel und Rhein um so weniger Eindruck gemacht, als die Menschen dort rechtlos heftigen Kontributionsforderungen ausgesetzt wurden. Die wenigen f ü r Aufklärung und Menschenrechte begeisterten Professoren und Studenten, die sich, wie die Mainzer Clubisten, zu dem revolutionären Frankreich bekannten, wurden als Narren oder Verräter angesehen und behandelt. Jene kleine Gruppe, meist idealistischer rheinischer Republikaner, die von den Franzosen die Verwirklichung der auch von der deutschen Philosophie gelehrten Freiheits- und Pflichtenauffassung erhofften — zu ihnen gehörte auch der junge Görres —, riefen im Sommer 1797 mit französischer Hilfe in einigen Orten eine separatistische Cisrhenanische Republik nach dem Vorbild der cisalpinischen Ereignisse aus. Im Gefolge des Staatsstreichs vom Fructidor forderten die Franzosen den vollen Anschluß dieses Gebildes an Frankreich. Nach der Einführung der französischen Verwaltung sind manche von jenen anfänglich Begeisterten — unter ihnen wieder Görres — mit der gleichen idealistischen Entschlossenheit diesem Wechsel und der Gewalt entgegengetreten. Auf dem Kongreß zu Rastatt schloß zunächst Napoleon mit Cobenzl am 1. 12. 1797 eine Geheimkonvention, in der Österreich für die Übernahme von Venedig auf Mainz verzichtete. Danach wurde am 17. 1. 1798 von den französischen Beauftragten die Forderung der Rheingrenze allgemein bekanntgegeben, und es ergab sich, daß Preußen und Österreich nicht allein diese längst durch Verträge akzeptiert hatten, sondern auch nicht bereit waren, eine gemeinsame Front gegen Frankreich zu bilden. Die übrigen weltlichen Fürsten, denen man für ihre Verluste links des Rheins Entschädigungen durch Säkularisation zusagte, fanden sich nun gleichfalls schnell zum Nachgeben bereit. Sie wurden außerdem durch gleichzeitige kriegerische Ereignisse unter Druck gesetzt: trotz des Waffenstillstandes von Leoben nahmen die Franzosen die Mannheimer Rheinschanze und belagerten den von Reichstruppen besetzten

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Ehrenbreitstein. So bewilligte die deutsche Deputation am 9. 3. 1798 die Abtretung des linken Rheinufers und unter Vorbehalt die Entschädigung durch Säkularisationen. Über Territorial- und Finanzfragen sowie über einen allgemeinen Entschädigungsplan in Verbindung mit dem Verlust der linksrheinischen Gebiete wurde längere Zeit verhandelt, bis die Franzosen ein Ultimatum stellten und die Schleifung der Befestigungen rechts des Rheines forderten. Zu jener Zeit war aber bereits das Zustandekommen des Friedens sehr unwahrscheinlich geworden. In Lille scheiterten englisch-französische Besprechungen, und Napoleon versuchte, England von Ägypten aus zu besiegen. Unter diesen Umständen war Pitt bestrebt, eine neue Festlandskoalition gegen Frankreich zu bilden; er stieß damit auf Verständnis und Zustimmung bei Paul I. von Rußland, der mit Napoleons Angriff auf die Türkei rechnete und als Protektor des Malteser Ordens durch Napoleons Besetzung von Malta verletzt worden war. In Wien war man mit der Entwicklung seit Campo Formio unzufrieden, da die Franzosen nicht allein die in Rastatt übernommenen Verpflichtungen nicht einhielten, sondern auch durch die Errichtung von revolutionären Republiken in der Schweiz und in Rom ihren Einflußbereich und ihre Machtsphäre immer weiter über Europa ausdehnten. Ausgleichsverhandlungen im elsässischen Selz gegenüber Rastatt führten zu keinem Ergebnis und wurden abgebrochen. Unter diesen Umständen gewann Thuguts Kriegswille wieder das Übergewicht. Gleichzeitig einigten sich England und Rußland über die Notwendigkeit, Frankreich in die Grenzen von 1792 zurückzuwerfen. Die T ü r kei schloß sich nach Nelsons Sieg bei Aboukir am 1. 8. 1798 diesem Verband an. In Preußen starb am 16. 11. 1797 Friedrich Wilhelm II. Mit der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms III. war freilich kein politischer Systemwechsel verbunden: eine österreichisch-preußische Einigung kam trotz englischer und russischer Vorstellungen nicht zustande; der junge Friedrich Wilhelm III. wollte sich weder an Österreich noch an Frankreich binden, indem er hoffte,

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seinem Lande mit der Unabhängigkeit und Handlungsfreiheit auch die bessere Zukunftsaussichten zu erhalten. Rußland und England dagegen waren nun zum Kriege entschlossen. Im Winter 1797/98 marschierten russische Truppen nach Süddeutschland. Und während noch die Verhandlungen in Rastatt fortgesetzt wurden, überschritten französische Truppen den Rhein. Die französischen Gesandten verließen Rastatt als sie erfuhren, daß die kaiserlichen Truppen sich schnell der Stadt näherten. Auf ihre Reise nach Frankreich wurden sie am Abend des 28. 4. 1798 von ungarischen Husaren nicht, wie von den militärischen Vorgesetzten offenbar befohlen, angehalten und durchsucht, sondern gewaltsam überfallen; zwei fanden den Tod, der dritte konnte sich verwundet in Sicherheit bringen. Der Rastatter Gesandtenmord bildete den Abschluß des Rastatter Kongresses und zugleich gewissermaßen den Anfang des Krieges der zweiten Koalition, wenngleich die ersten kriegerischen Zusammenstöße in Süddeutschland schon früher stattgefunden hatten. Wieder siegte Erzherzog Karl: durch seine Erfolge bei Ostrach am 21. 3. und bei Stockach am 25. 3. 1799 zwang er die Franzosen zum Rückzug über den Rhein, wandte sich dann gegen die Schweiz und schlug bei Zürich am 4. und 6. 6. den französischen General Massena; in Italien erwiesen sich die alliierten Truppen unter Suworow bei Cassano, an der Trebbia und am 15. 8. bei Novi erfolgreich, so daß die Franzosen Oberitalien aufgeben mußten und dort ihre Satellitenstaaten zusammenbrachen. An der holländischen Küste landete ein englisch-russisches Korps, das allerdings später den Kontinent erfolglos wieder verlassen mußte. Frankreich, auf den einzigen schwächlichen Bundesgenossen Spanien angewiesen, durchlebte eine schwere Zeit, während die Koalition siegte und auch innerlich erstarkte. Unter dem Eindruck der Erfolge schlössen die süddeutschen Fürsten Subsidienverträge mit England ab, das zugleich auch Österreichs Kriegführung mit bedeutenden Summen unterstützte. Der Zweibrücker Pfalzgraf Max Joseph, der in Bayern am 16. 2. 1799 dem

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Kurfürsten Karl Theodor folgte, näherte sich Rußland, mit dem er am 1. 10. den Vertrag von Gatschina schloß: er selbst stellte der Koalition 20 000 Mann zur Verfügung. Herzog Friedrich von Württemberg dagegen kombinierte seine Teilnahme am Kriege mit der Forderung österreichischer Hilfe gegen die württembergischen Stände. Schließlich wurde am 16. 9.1799 vom Regensburger Reichstag die Wiederaufnahme des Reichskrieges gegen Frankreich beschlossen. Nur Preußen hielt sich wieder aus dem Kriege und war nicht bereit, seine Neutralitätspolitik aufzugeben. Überhaupt erwies sich bald, daß selbst die bedeutenden militärischen Erfolge im Westen und im Süden die schnelle Auflösung der Zweiten Koalition nicht zu verhindern vermochten. Österreich zielte unter Thugut noch immer nicht in erster Linie auf die Vernichtung der Französischen Revolution, sondern auf die Beherrschung Italiens; und Suworow hatte ständig über das unzureichende Maß von Zusammenarbeit von Seiten der österreichischen Generale zu klagen. Wieder gab es, wie in früheren Jahren, keine Koordinierung der militärischen Pläne und Operationen, die die eigene Kriegführung erleichtert und die französische erschwert hätte. Erzherzog Karl, der gleichfalls die Russen nicht in Italien unterstützte, obwohl gerade die österreichischen Kriegsziele dort lagen, sondern sich von der Schweiz nach Norden wandte und Mannheim nahm, verschuldete so den Sieg der Franzosen über die Russen in einer zweiten Schlacht bei Zürich am 25.—26. 9. 1799, so daß Suworow in verlustreichen und schwierigen Märschen über den St. Gotthard zur Entlastung herbeieilte, ohne den Verlust der Schweiz, dieser wichtigen Ausgangsposition für Operationen gegen Frankreich, verhindern zu können. Unter diesen Umständen erklärte Zar Paul in einem erbitterten Brief vom 22. 10. 1799 Kaiser Franz Rußlands Austritt aus der Koalition: sämtliche russischen Truppen wurden zurückgezogen. Wenig später kehrte Napoleon unter Zurücklassung seiner Armee aus Ägypten zurück und wurde durch den

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Staatsstreich des Brumaire am 9.—10. 11. 1799 zum ersten Konsul mit praktisch absoluter Macht ernannt. Er bot dem Kaiser und dem König von England einen Friedensschluß an, wurde aber von beiden in Verkennung der Machtlage abgewiesen. Solange die Österreicher in Italien festzusitzen glauben konnten, war Thugut nicht bereit, auf der Basis von Campo Formio zu verhandeln — um so weniger, als England immer energischere Anstrengungen zur Fortführung des Krieges machte und Anfang 1800 zu diesem Ziel Individualverträge mit Bayern, Württemberg und Kurm^inz schloß; am 2 0 . 6 . 1 8 0 0 sicherte er auch Wien vertraglich weitere Zahlungen in erheblicher Höhe. England war offensichtlich bereit, sich den Krieg seiner deutschen Bundesgenossen etwas kosten zu lassen. Napoleon aber sah die Zurückweisung seines Angebotes nicht ungern: er erhielt so die Möglichkeit, seine Beherrschung der Kriegskunst nach dem Mißerfolg in Ägypten in Europa erneut zu demonstrieren und damit zugleich seine Stellung in Frankreich zu festigen. Während er in Deutschland Moreau die Kampagne führen ließ — der die deutschen Kontingente vom Rhein zur Isar drängte —, wandte er selbst sich wieder Italien zu, wo er 1796 schon so erfolgreich gewesen war, marschierte mit einem ganzen Heer über den St. Bernhard, stand am 2. 6. 1800 in Mailand hinter der österreichischen Armee, siegte am 14. 6. bei Marengo und zwang den österreichischen General Melas am nächsten Tage zur Konvention von Alessandria, in der Melas Oberitalien bis zum Mincio preisgab, um seine Truppen unbehindert zurückziehen zu dürfen. Nach Moreaus Einzug in München kam es einen Monat später auch in Deutschland zu einem Waffenstillstand. Erneut bot Napoleon einen Friedensschluß an. Die österreichische Regierung sandte den Grafen Julien nach Paris und schloß nun einen Präliminarfriedensvertrag auf der Grundlage von Campo Formio ab; aber wieder konnte Thugut sich auch gegen Erzherzog Karl und den Vizekanzler Cobenzl durchsetzen und die Anerkennung des Vertrages verhindern. Nur der Waffenstillstand in

Der Reichsdeputationshauptschluß u. d. Säkularisation

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Deutschland w u r d e v e r l ä n g e r t : er m u ß t e m i t der Hergabe der Festungen Philipsburg, U l m u n d Ingolstadt e r k a u f t werden. Bald nach der W i e d e r a u f n a h m e der Kämpfe siegte Moreau entscheidend am 3. 12. 1800 über den unerfahrenen Erzherzog Johann, der die letzte kaiserliche Feldarmee führte. N u n w a r m a n auch in W i e n endlich z u m Frieden bereit. U n t e r ungünstigsten Bedingungen w u r d e in Deutschland und in Italien der Waffenstillstand erkauft, Thugut nach acht Jahren eines energischen aber auch primitiven Widerstandes gegen Frankreich endgültig ausgeschaltet, Cobenzl die Vollmacht z u m Friedensschluß auf Grund der französischen Forderungen erteilt. Ohne Beteiligung Englands, aber unter Einschluß des Reiches w u r d e am 9. 2. 1801 der Friede zu Luneville geschlossen. Österreich behauptete z w a r in Italien Venetien bis zur Etsch; aber die Cisalpinische R e p u b l i k w u r d e wiederhergestellt; aus Toskana und Modena m u ß t e n die Habsburger weichen, sie sollten in Deutschland entschädigt werden. Belgien blieb m i t Frankreich vereinigt, die Batavische wie die Helvetische R e p u b l i k erhalten, das linke Rheinufer endgültig in französischem Besitz. Die Festungen rechts des Rheines m u ß t e n geschleift werden. Der R h e i n sollte fortan die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland sein, die f r ü h e r links des Rheines ansässigen oder begüterten erblichen Fürsten unter französischer Aufsicht entschädigt werden. Die Franzosen erklärten, die rechtsrheinischen Gebiete erst nach dem Austausch der Ratifikationen räumen zu wollen. Infolgedessen stimmte der Reichstag schon am 7. 3. 1801 dem Frieden zu. „Dabei konnte m a n nicht im Zweifel sein, daß Abtretungen und Entschädigungen eine gewaltige politische und territoriale Umgestaltung Deutschlands zur Folge haben würden." 21. Der Reichsdeputationshauptschluß und die Säkularisation Fast schien es, als w ü r d e sich nun ganz Europa gegen England einigen, wie es sich nie zuvor gegen Frankreich zusammengefunden hatte. Die Französische Revolution

138 Der Reichsdeputationshauptschluß u. d. Säkularisation hatte in ihren blutigsten Formen und auf ihrem Höhepunkt nicht so viel und so geschlossene Empörung in Europa verursacht wie nun der Umstand, daß England Malta den Franzosen entrissen hatte, aber nicht dem Orden zurückgab — eine unter machtpolitisch-militärischen Gesichtspunkten und vollends nach dem schwächlichverräterischen Verhalten des Ordens bei Napoleons Ankunft eigentlich sehr verständliche Entscheidung. Aber die Abneigung gegen das wirtschaftlich sehr mächtige und seine internationale Handelsvormacht rücksichtslos ausnutzende England war außerordentlich weit verbreitet: die Front gegen die Inselmacht reichte vom Zaren Paul bis zum Ersten Konsul. Ende 1800 bildete Rußland mit den skandinavischen Mächten den Bund der Seeneutralität zur Abwehr englischer Übergriffe auf den Meeren; Preußen schloß sich an und rückte sogar unter russischem und französischem Druck nach Hannover ein, während die Dänen Hamburg und Lübeck besetzten. England wehrte sich, indem es die dänische Flotte überfiel, Kopenhagen von See aus heftig beschoß und dadurch Dänemark zum Verlassen der englandfeindlichen Front zwang. Doch bestand in England über diese Aktion hinaus nach Pitts Rücktritt keine Stimmung für die Fortführung des Krieges. Zar Alexanderl., der nach der Ermordung seines Vaters Pauls i. am 23. 3. 1801 den Thron bestiegen hatte, normalisierte die Beziehungen zu England, zeigte sich aber auch weiterhin Frankreich geneigt. Unter diesen Umständen wurden im Herbst 1801 zwischen Rußland und Frankreich und zwischen England und Frankreich Präliminarverträge und am 27. 3. 1802 der Friedensvertrag in Amiens unterzeichnet: England und Frankreich tauschten die meisten Kolonialeroberungen aus, im Mittelmeer gab Frankreich den Griff nach Ägypten und England die Besetzung von Malta auf. Schon am 10.10.1801 hatten sich Alexander I. und Napoleon in einer Geheimabsprache geeinigt, derzufolge nun die Neuordnung Deutschlands unter dem entscheidenden Einfluß der beiden stärksten Großmächte auf dem Kontinent um so

Der Reichsdeputationshauptschluß u. d. Säkularisation 139 leichter durchgeführt werden konnte, als Preußen und Österreich sich nicht einigen konnten und auch die kleineren und mittleren Territorialfürsten nur ihre eigenen engsten Interessen vertraten. Frankreich und Rußland war naturgemäß an der Ausnutzung dieser Lage und Stützung der schwachen mittleren Staaten am meisten gelegen, der Zar insbesondere an der Bevorzugung der mit ihm verwandten südwestdeutschen Dynastien interessiert. Die Neuordnung Deutschlands wurde in Paris besprochen und entschieden, wo die Vertreter der Reichsstände Napoleons und Talleyrands Gunst suchten. Unter dem Einfluß von Montgelas, einem Angehörigen des Illuminatenordens, paßte sich Max Joseph von Bayern ganz den französischen Intentionen an und schloß am 24. 8.1801 einen Friedens- und Freundschaftsvertrag mit Frankreich und am 24. 5. 1802 eine Vereinbarung über Ländertausch und Entschädigung. Auch Württemberg und Baden ordneten sich in die Linie der französischen Politik ein. Karl Theodor von Dalberg, der im Sommer 1802 Kurfürst von Mainz wurde, schloß sich an. Und die beiden deutschen Großmächte befehdeten einander beim Wettbewerb um die Gunst der Machthaber in St. Petersburg und Paris, die für die Erfüllung ihrer Expansionswünsche entscheidend war. Österreich wollte in Köln und Münster einen Erzherzog zum Nachfolger des verstorbenen Max Franz wählen lassen. Für Preußen erreichte Lucchesini am 23. 5. 1802 in Paris einen Vertrag, der unter Preisgabe der Ansprüche auf fränkische Bistumsgebiete territoriale Entschädigungen in Nordwestdeutschland zusicherte: anschließend kam es zu einer Begegnung Friedrich Wilhelms III. mit Alexander I. in Memel. Der nun folgende russisch-französische Entwurf zur Neuordnung traf ein isoliertes Österreich, das zu schwach und finanziell zu angestrengt war, um mehr als zaghafte Proteste und Demonstrationen— wie die Besetzung Passaus — unternehmen zu können, und sich französischen Vorschlägen schließlich fügen mußte. In Regensburg trat in den Formen des alten Reichsrechts eine Reichsdeputation zu-

140 Der Reichsdeputationshauptschluß u. d. Säkularisation sammen, der aus dem Kurfürstenrat Mainz, Böhmen, Brandenburg, Sachsen, dazu Bayern, Württemberg, Hessen-Kassel und der Hoch- und Deutschmeister aus dem Fürstenkolleg angehörten. Sie verhandelten fruchtlos über die Entschädigungen, bis der französisch-russische Plan kaiserlichen Protesten zum Trotz am 23. 11. 1802 angenommen wurde. Einen Monat später, am 26. 12., akzeptierte auch Österreich durch eine in Paris unterzeichnete Konvention den Plan. Am 25. 2. 1803 konnte endgültig der Reichsdeputationshauptschluß angenommen, in der nächsten Zeit seine Ratifikation von Kaiser und Reichstag vorgenommen werden. Damit wurde eine territoriale Neuordnung großen Ausmaßes in Deutschland durchgeführt (sie fand ihre Fortsetzung im Friedensschluß von Preßburg 1805 und in den Gebietsveränderungen des Jahres 1806). Nicht weniger als 112 Reichsstände wurden beseitigt. Alle geistlichen Fürsten — außer dem Hoch- und Deutschmeister und dem Kurfürsten von Mainz, die beide Mitglieder der Reichsdeputation waren — wurden enteignet. Karl Theodor von Dalberg erhielt obendrein Aschaffenburg, Wetzlar und das Fürstbistum Regensburg, wo er als Kurerzkanzler und Primas von Deutschland auch seinen Sitz nehmen sollte. Weiterhin wurden viele kleinere Fürsten und Grafen sowie zahlreiche Reichsstädte mediatisiert; allein Augsburg, Frankfurt und Nürnberg in Oberdeutschland und Hamburg, Bremen und Lübeck als alte niederdeutsche Hansestädte konnten ihre Reichsunmittelbarkeit behaupten. Das so freiwerdende Gebiet fiel an die großen und mittleren Staaten, die gewöhnlich mehr gewannen, als sie auf dem linken Rheinufer einbüßten oder rechtsrheinisch im Sinne staatlicher Konzentration freiwillig aufgaben. 3 Millionen Menschen wechselten ihre Staatsangehörigkeit. Österreich schnitt ungünstig ab, indem es den Breisgau gegen Brixen und Trient eintauschte; allerdings wurde der Breisgau dem Herzog von Modena, das Erzbistum Salzburg mit Berchtesgaden und Teilen von Passau und Eichstätt dem Großherzog von Toskana zu-

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gewiesen, so daß Österreich in Süddeutschland über zwei neue Sekundogenituren verfügte. Preußen mußte das besetzte Gebiet von Hannover wieder ganz räumen, gewann aber insgesamt 235 Quadratmeilen mit 600 000 Menschen — gegen einen Verlust von 48 Quadratmeilen mit 137 000 Menschen ; es erhielt Hildesheim, Paderborn, den östlichen Teil von Münster mit dieser Stadt, das Eichsfeld und Erfurt, die Abteien Herford, Quedlinburg, Elten, Essen, Werden und Kappenberg, die Reichsstädte Mühlhausen, Nordhausen und Goslar und damit eine erhebliche Verstärkung seiner Position in Nordwestdeutschland. Hannover gewann nicht mehr als Osnabrück, Braunschweig und die Abteien Gandersheim und Helmstedt; Oldenburg mußte auf den Elsflether Weserzoll verzichten, erhielt dafür aber das bisher hannoversche Wildeshausen und die münsterschen Ämter Vechta und Cloppenburg. Die westlichen Bezirke Münsters wurden mit dem kölnischen Recklinghausen zur Ausstattung der Häuser Aremberg, Looz-Corswarem, Croy und Salm verwendet. Der Sohn des aus Holland geflüchteten Generalstatthalters erhielt ein Fürstentum, das aus den Bistümern Fulda und Corvey, aus der Stadt Dortmund und aus einigen Abteien gebildet wurde. Hessen-Kassel wurde schmal mit einigen mainzischen Ämtern und der Stadt Gelnhausen abgefunden; HessenDarmstadt erhielt gleichfalls Teile vom rechtsrheinischen Mainz, insbesondere aber das kölnische Herzogtum Westfalen gegen einige Gebietsabtretungen an die Herzöge von Nassau, von denen außerdem der Usinger den Mainzer Rheingau, der Weilburger Gebiete von Trier erhielt. Bildeten dies schon in Norddeutschland tief einschneidende, dem historisch Denkenden weithin unbegreifliche Tausch-, Entwendungs- und Zuweisungsmaßnahmen, die den Stempel der Willkür, Protektion und Abneigung trugen und sich nicht weniger revolutionär darstellten als die territorialen Eingriffe der Französischen Revolution, so trat in Süddeutschland obendrein noch beherrschend der französische Wunsch hinzu, Mittelstaaten eines Ausmaßes zu bilden, die wohl lebensfähig sein konnten, aber auf die

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A n l e h n u n g an das starke Frankreich bedacht sein mochten. So m u ß t e Bayern die rechtsrheinische Pfalz im U m f a n g e von 200 Quadratmeilen u n d mit einer Einwohnerschaft von 600 000 Menschen abgeben u n d eintauschen gegen den Erwerb von W ü r z b u r g , Bamberg, Augsburg, Freising und Teilen v o n Passau u n d Eichstätt sowie einer großen Zahl von Abteien u n d Reichsstädten im Gesamtumfang von 288 Quadratmeilen und 854 000 Menschen. W ü r t t e m berg erhielt die meisten kleinen Reichsterritorien des schwäbischen Kreises: 29 Quadratmeilen mit 120 000'Einwohnern, etwa viermal soviel wie es einbüßte. Baden wurde u m das Bistum Konstanz, die rechtsrheinischen Besitzungen von Basel, Straßburg u n d Speyer sowie u m die Pfalz mit Mannheim und Heidelberg vergrößert, u m insgesamt also 59 Quadratmeilen mit 237 000 Einwohnern, d. h. u m das Sieben- bis Achtfache seiner Abtretungen. Diese territorialen Veränderungen h a t t e n nicht allein einen sehr bedeutenden Einfluß auf die menschliche, religiöse und wirtschaftliche S t r u k t u r der betroffenen Staaten, der sondern sofort auch eine einschneidende Veränderung Reichsverfassung zur Folge. Die Kuren Köln u n d T r i e r wurden aufgehoben, dagegen die v o n W ü r t t e m b e r g , Baden, Hessen-Kassel u n d Salzburg neu geschaffen, so daß es im ersten Kolleg des Reichstages f o r t a n 4 Katholiken u n d 6 Protestanten gab; auch im Fürstenrat verschob sich durch den Fortfall der geistlichen Fürsten das Stimmenverhältnis zugunsten der evangelischen. Zwar protestierte der Kaiser in seinem Ratifikationsdekret gegen diese V e r k ü r z u n g seines Einflusses. Aber nach dem Ende der Reichskirche schien das Reich in seiner alten F o r m ü b e r h a u p t nicht mehr lebensfähig. „Die Säkularisation war f ü r Macht, Organisation u n d Leben des Katholizismus in Deutschland ein furchtbarer Schlag, zumal durch den Reichsdeputationshauptschluß den alten und neuen Landesherren auch die Säkularisationsbefugnis f ü r alle landsässigen Abteien, Klöster u n d Kapitel übertragen wurden. Ein aufgeklärtes Staatskirchentum k o n n t e sich n u n weit u n g e h e m m t e r durchsetzen u n d aus-

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dehnen als vordem. Dabei wurden die Rechte und Aufgaben der Kirche, die Belange des Klerus und die Gefühle des Volkes oft wenig berücksichtigt. Das läßt sich in Staaten, die katholischen Fürsten unterstanden, fast ebenso feststellen,'wie in denen ihrer evangelischen Kollegen. Daß aber nun große Teile der katholischen Bevölkerung sich der Verständnislosigkeit oder dem Vorurteil protestantischer Landesherren und Behörden gegenüber sahen und darunter litten, mußte die konfessionelle Kluft im deutschen V o l k vertiefen. Zugleich aber wurden der deutschen Kultur schwere Schäden zugefügt. Mit den geistlichen Fürstentümern verschwanden manche Hochschulen und sonstige kulturell bedeutsame Einrichtungen, mit den Abteien und Klöstern viele Mittelpunkte einer hervorragenden Gelehrsamkeit und einer großartigen Kunstpflege. Leider haben die Erben der geistlichen Besitzungen oft dadurch gesündigt, daß sie ohne jede Pietät gegen das historisch Gewordene vorgingen. Durch rücksichtslosen Abbruch wertvollster Zeugen und Denkmale einer jahrhundertealten Tradition, durch Vernichtung oder Verschleuderung kostbarer Kunstschätze und Bibliotheken hat eine allzu sehr von fiskalischen Gesichtspunkten gelenkte Bürokratie schwere Schuld auf sich geladen. Aber neben diesen ungünstigen und verhängnisvollen Begleit- und Folgeerscheinungen der Säkularisation wird man die F o r t schritte und Vorteile nicht verkennen dürfen, die sie in mancher Beziehung, freilich von ihren Schöpfern und Nutznießern kaum gewollt, brachte. So gut man unter dem Krummstab zu leben vermochte, es kann doch über das Unvermögen der geistlichen Staaten, sich in einer seit dem Mittelalter völlig veränderten Welt politisch, wirtschaftlich und sozial zu behaupten und zu regenerieren, kein Zweifel sein" (Braubach). So erhielten denn viele Gebiete nun erst im Rahmen größerer Staatswesen die Möglichkeit zur Überwindung des Feudalismus, zur rationalisierenden Straffung der Verwaltung, zur Befreiung der Wirtschaft, insbesondere der Landwirtschaft, von überholten Abhängigkeits- und Dienstformen,

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zur Rechtsreform und zur Neuordnung des Verhältnisses von Fürst und Untertan. „Für die katholische Kirche aber war im Grunde der Fortfall der fürstlichen Bischöfe und der Pfründenwirtschaft, das Ende der gesamten aristokratischen, allmählich erstarrten Kirchenverfassung die Vorbedingung für eine innere Besinnung und Kräftigung und damit für einen Aufschwung, der schon bald allen materiellen Einbußen und Beschränkungen zum T r o t z sich vollziehen sollte. Endlich wird man feststellen müssen, daß diese gesamte Fürstenrevolution von 1803, so sehr sie zunächst die Spaltung innerhalb Deutschlands zu verbreitern schien, doch auch in politischer Beziehung eine notwendige Etappe zu einer besseren Gestaltung der Dinge war. Sicherlich wurden durch die brutale Vereinfachung der politischen Landkarte noch nachhaltiger Deutsche von Deutschen getrennt als vordem, und das an das Symbol des Reichs sich klammernde Gefühl der Verbundenheit erlitt einen neuen schweren Stoß. Aber mit den Kleinund Miniaturstaaten wurden andererseits Ruinen abgetragen, die jedem Neuaufbau hindernd im Wege standen, und der Einsturz des altersschwachen, nicht mehr lebens- und erneuerungsfähigen Reiches konnte gerade den von traditionellen oder von neuen nationalen Ideen beeinflußten zusammenstrebenden Kräften den Weg zu einer besseren Lösung des Problems von Vielheit und Einheit ebnen" (Braubach). 22. Vom Wiederausbruch des Krieges bis zum Ende des Reiches und Zusammenbruch Preußens Die politische Entwicklung in Europa wurde jedoch nicht von diesen innerdeutschen Geschehnissen bestimmt. Es war auch aufs Ganze gesehen zunächst bedeutungslos, daß sich in Preußen unter dem seit 1793 regierenden Friedrich Wilhelm III. und seinen einflußreichen Kabinettsräten Beyme und Mencken Reformneigungen bemerkbar machten, die sich in der Organisation und Verwaltung der neuen Provinzen Süd- und Neuostpreußen, in der Aufhebung adliger Zollprivilegien, in der Durchführung der Domä-

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nenbauern-Befreiung zwischen 1799 und 1805, in der Aufhebung der Binnenzölle und bei Maßnahmen im militärischen Bereich niederschlugen. Bei alledem handelte es sich um von der Französischen Revolution entweder veranlaßte oder beschleunigte und geförderte Unternehmungen, die schon längst gefordert worden waren, nun aber im Schatten der Umwälzungen in Frankreich fast unbemerkt blieben und ihren buchstäblich fundamentalen Rang erst nach der preußischen Niederlage und in Verbindung mit dem großen Neubau erhalten sollten. Einstweilen stand in Europas Entwicklung Napoleon Bonaparte im Vordergrund. Er erwies sich als die große konzentrierende, ordnende und die Leistungsfähigkeit steigernde Persönlichkeit in Frankreich, die aber auch nach Ausdehnung des französischen Machtbereiches auf dem Kontinent strebte und damit eine Kriegsbereitschaft zeigte, welche in Verbindung mit dem gleichzeitig vorhandenen Kriegswillen in England nur zu bald in einen neuen Kampf hineinführen mußte. Tätigkeitsdrang und Machtstreben der Person Napoleons und französisches Expansions- und Hegemoniestreben verbanden sich mit dem Ziel, weit über die „natürlichen Grenzen" hinaus Frankreich zu vergrößern, es — und ihn, Napoleon — über Europa herrschen zu lassen. Napoleon, in so vielen Bereichen der Bändiger und Konsolidator der Revolutionskräfte, erwies sich hier als der Fortführer französischer Vormachtstraditionen, gegen den das alte monarchische Europa so sehr sich verteidigen und in der Abwehr zusammenschließen mußte wie in den Frühzeiten der Französischen Revolution. Daran änderte nichts, daß der Emporkömmling sich im Mai 1804 eine eigene Monarchie in der Form des französischen Kaisertums schuf. Zum Wiederausbruch des englisch-französischen Krieges trug auch Napoleons Wunsch bei, Frankreichs Machtbereich über den Rhein hinaus auszudehnen und unter den west- und süddeutschen Mittelstaaten eine Gruppe zuverlässiger Anhänger und Satelliten zu gewinnen. Diese wiederum erhofften von Napoleon Hilfe bei der völligen T r e u e ,

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Unterwerfung der Reichsritterschaft. Aus diesen Zusammenhängen heraus nahmen sie französische Übergriffe ohne Widerspruch hin, gestatteten die Entführung des bourbonischen Herzogs von Enghien aus Baden, der dann erschossen wurde, und das rechtswidrige Vorgehen gegen englische Diplomaten; sie beglückwünschten schließlich Napoleon, als er sich selbst zum Kaiser krönte und als Nachfolger Karls des Großen nicht allein bezeichnete, sondern auch im September 1804 in Mainz aufführte. N a poleons von Karl Friedrich von Baden und dem Fürstprimas Dalberg geförderter Plan zielte auf die Bildung eines Bundes mittlerer deutscher Fürsten, der einmal diesen eine seit langem nicht mehr genossene Macht sichern, aber vielleicht auch Deutschlands Erneuerung unter napoleonischer Protektion zur Folge haben mochte. Natürlich mußten solche Hoffnungen und Einleitungen sich von Anfang an gegen Preußen und Österreich richten. Preußen, in seiner norddeutschen Vorrangstellung von Frankreich anerkannt, stand doch sofort bei Wiederausbruch des französisch-englischen Krieges vor einer schwerwiegenden Entscheidung: gestattete es den Franzosen den von Napoleon angekündigten Einmarsch nach Hannover, so nahm es die Beseitigung der norddeutschen Neutralität widerstandslos hin; trat es den Franzosen entgegen, so mochte das unübersehbare Folgen haben. Der König wählte den bequemsten Weg, verhandelte langatmig und mußte mit ansehen, wie die Franzosen inzwischen Hannover okkupierten und dessen Truppen zur Selbstauflösung zwangen. Cuxhaven wurde besetzt, der preußische Seehandel im Frühsommer 1803 bedroht. Napoleon bot Preußen Hannover an und wollte auf diese Weise die norddeutsche Vormacht nach allen Seiten verfeinden. Aber Friedrich Wilhelm fürchtete mit Recht Widerstand und Feindschaft Rußlands, das sich immer eindeutiger gegen Frankreich wandte. Infolgedessen schlössen Preußen und Rußland sogar am 24. 5. 1804 ein Verteidigungsbündnis gegen Frankreich. Doch bestand Friedrich Wilhelm in erster Linie auf dem Wunsch, sich zwischen den feind-

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liehen Mächten zu behaupten u n d weder Napoleon zu verärgern noch durch die A n n a h m e einer von jenem angebotenen Kaiserkrone f ü r Preußen die Gegner einer solchen E r h ö h u n g Preußens zusammenzuführen. In Österreich bemühte Erzherzog Karl sich als H o f kriegsratspräsident u m R e f o r m e n , die jedoch an Geldmangel scheitern mußten. Im ganzen hielt Österreich sich auf einer v o n England, Schweden u n d Rußland vorgezeichneten Linie energischen Widerstandes gegen Frankreich. Doch Kaiser Franz erwies sich als ebenso unentschlossen wie König Friedrich Wilhelm — auch er versuchte, zwischen englischen Subsidien, militärischen Hilfeversprechungen aus Rußland, französischer U n t e r s t ü t z u n g f ü r die Reichsritterschaft u n d der Begründung des napoleonischen Kaisertums so lange wie möglich lavierend hindurchzukommen. Napoleons Selbstkrönung setzte Franz die Errichtung des Kaisertums Österreich am 10. 8. 1804 entgegen — durch die Basierung auf die habsburgischen Reichslande, in denen Franz keine Vollsouveränität besaß, eindeutig eine Verletzung des Reichsrechts und im G r u n d e nicht weniger eine Beförderung der Auflösungstendenzen als der Reichsdeputationshauptschluß. Beide Kaiser anerkannten einander — ein nach der Planlosigkeit u n d E n t schlußlosigkeit der Koalitionskriege, der widerstandslosen H i n n a h m e der Absetzung u n d Hinrichtung Ludwigs XVI. besonders unwürdiger Abschluß dieser Phase der Revolution. In England wußte m a n seit langem, daß N a p o l e o n nach der Niederlage v o n 1798 bei Aboukir entschlossen war, durch eine Invasion des britischen Mutterlandes das englische Weltreich zu zerschlagen und damit Frankreich u n d sich selbst zur ersten Stelle in der Weltpolitik u n d W e l t herrschaft zu erheben. Seitdem im Mai 1804 Pitt wieder in die Regierung eingetreten war, bemühte er sich infolgedessen, eine kontinentale Koalition gegen Napoleon zustande zu bringen u n d ihn auf diese Weise an der Invasion zu hindern. Zentralfigur dieser europäischen Koalitionsbewegung selbst war Alexander I., der im Interesse R u ß 10"-

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lands, ebenso aber auch aus prinzipieller Feindschaft gegen das Revolutionsfrankreich mit dem Revolutionskaiser beide beseitigen wollte. Diese Gegner fanden sich in der englisch-russischen Allianz, die am 11. 4. 1805 in St. Petersburg unterzeichnet wurde und ganz Europa in der Anerkennung der überkommenen politischen Auffassungen gegen Frankreich zusammenschließen wollte. Schweden und Neapel schlössen sich der Allianz sofort an, Österreich folgte nur nach erheblichem Druck von Rußland her, da der militärisch erfahrene Erzherzog Carl zu jenem Zeitpunkt das Land militärisch wie finanziell für zu schwach hielt. Erst Napoleons Italienpolitik, die deutlich Venetien gefährdete, gab der „Aktionspartei" in Wien, bestehend aus Erzherzog Johann, dem von Preußen nach Österreich übergesiedelten Gentz sowie Stadion und Metternich, den beiden Botschaftern in St. Petersburg und Wien, endgültig das Übergewicht. Und sobald Napoleon sich zum König von Italien hatte krönen lassen, sowie er die Ziele seiner Italienpolitik offenbart hatte, trat am 9. 8. 1805 Österreich dem englisch-russischen Angriffsbündnis bei. Preußen versagte sich auch jetzt, da Friedrich Wilhelm die französische Feindschaft nicht weniger fürchtete als die russische und in einer häufig, auch auf anderen Gebieten zutage tretenden Entschlußunfähigkeit und Neigung, die Dinge treiben zu lassen, in dieser Charaktereigenschaft noch von der offensichtlichen Schwäche Preußens unterstützt wurde. Rußland mochte mit zwangsweisem Durchmarsch drohen, Frankreich ein Schutz- und Trutzbündnis mitsamt der Zuweisung von Hannover bieten: Preußen bewahrte unter teilweiser Mobilmachung seiner Truppen gegen die Gefahr aus dem Osten seine Neutralität. An einer bedeutungsvollen Stelle unvollständig und lückenhaft, trat die Koalition einem Frankreich gegenüber, das sich nicht allein seit dem letzten Kriege erholt und unter Napoleons Hand konsolidiert hatte, sondern auch die süddeutschen Fürsten einzusetzen vermochte. Kurfürst Max Joseph von Bayern mißtraute den Österreichern so sehr, daß er am 25. 8. im Bündnisvertrag von Bogenhausen

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Napoleon 2 0 0 0 0 Mann zur Verfügung stellte und zum Ausgleich nach dem Siege erhebliche Gebietsgewinne erwarten durfte. Baden tat am 5. 9. das gleiche, Württemberg zögerte, bis die französischen Truppen im Lande standen: am 5. 10. verpflichtete sich auch Kurfürst Friedrich zur Stellung von 8000 Mann. Napoleon war seinen Gegnern nicht allein an Feldherrnbegabung weit überlegen, sondern auch in der Geschwindigkeit des Entschlusses und in der Möglichkeit, diesen ohne Rücksicht auf anspruchsvolle Alliierte zu verwirklichen. So verlief denn die erste Phase des am 8. 9. beginnenden Krieges wider alles Erwarten sehr schnell zu seinen Gunsten. Der österreichische General Mack, dessen optimistisches Auftreten gegen den pessimistischen Erzherzog Carl wesentlich zur politischen Entscheidung Österreichs beigetragen hatte, wurde von den Franzosen im Rücken gepackt, bei Elchingen geschlagen und in Ulm eingeschlossen, wo dann am 17. 10. drei österreichische Korps die Waffen streckten. Erzherzog Carl stand in Italien und kam zu spät zurück, um Wien zu retten, das vielmehr am 13. 10. von den Franzosen besetzt wurde. Die russischen Truppen, die bis zur Donau vorgerückt waren, marschierten eiligst nach Mähren ab. Eine Woche nach der Einnahme Wiens besiegte bei Trafalgar Nelson am 21. 10. die auf dem Marsch zur Vereinigung mit den Invasionstruppen befindliche französische und spanische Kriegsflotte und entschied damit insofern über Napoleons und Frankreichs Schicksal, als ein Übergreifen des Krieges auf die außereuropäischen Gebiete fortan unmöglich war und die kolonialen Reichtümer nunmehr uneingeschränkt Großbritannien und den Feinden Napoleons zur Verfügung standen, was nach menschlichem Ermessen auch ohne direkte militärische und politische Fehler auf der Seite der Franzosen auf lange Sicht zu deren Niederlage führen mußte. Freilich war man auf dem Kontinent noch nicht so sehr in der Einschätzung des kriegswirtschaftlichen Potentials erfahren, daß diese Zusammenhänge klar erkannt wurden und die

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Schlacht von Trafalgar die Politik der kontinentalen Gegner Napoleons sichtbar beeinflußte. Immerhin mußte Napoleon seine politisch-militärischen Pläne reorganisieren: auf die Niederwerfung Englands verzichten, die Hoffnung auf eine Verständigung mit Österreich aufgeben und das Eingreifen Preußens erwarten, nachdem französische Truppen des Marschalls Bernadotte durch das preußische Ansbach marschiert waren, der König — in einer nicht sehr logischen Auffassung von Politik und Neutralität — auch den Russen das Durchmarschrecht bewilligt hatte und sich anschickte, Hannover zu besetzen. Wenige Tage später unterzeichnete er sogar am 3. 11. mit dem Zaren in Potsdam einen Vertrag, demzufolge er versuchen sollte, von Napoleon den Rückzug Frankreichs auf den Stand von Luneville zu erreichen, und beim Nichtgelingen dieser Bemühungen versprach, bis spätestens zum 15. 12. in den Krieg gegen Frankreich einzutreten. Noch immer versuchte freilich Friedrich Wilhelm, den Bruch mit Napoleon und den Beginn des Kampfes zu vermeiden. Erinnerungen an den Großen König, an dessen Sarg eindrucksvoll die Freundschaft mit Alexander besiegelt und beschworen worden war, folgte die alte Neigung zur Entschlußlosigkeit, die von Talleyrand geschickt ausgenutzt wurde. Napoleon gab auch hier die Initiative nicht aus der Hand und ließ Preußen hinhalten, bis er in der Dreikaiserschlacht bei Austerlifz am 2.12.1805, dem ersten Jahrestag seiner Kaiserkrönung, einen glänzenden Sieg über die österreichischen und russischen Truppen erfochten hatte. Das bedeutete das Ende der Dritten Koalition gegen Frankreich. Denn unter dem Eindruck dieser Schlacht schloß Österreich nach dem Abzug aller russischen Truppen mitsamt dem Zaren am 6. 12. in Znaim einen Waffenstillstand ab, kam am 15. 12. in Schönbrunn ein französisch-preußischer Bündnisvertrag zustande, in dem Preußen auf Ansbach, den rechtsrheinischen Teil von Cleve und das schweizerische Neuenburg verzichtete, andererseits Hannover erhalten sollte, und unterzeichnete Österreich

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a m 26. 12. 1805 den Preßburger Frieden: Österreich t r a t seine italienischén Besitzungen an Italien ab, T i r o l u n d V o r a r l b e r g an Bayern, die übrigen vorderösterreichischen Gebiete an W ü r t t e m b e r g u n d Baden. Es erhielt z w a r Salzburg, dessen F ü r s t k u r z e r h a n d nach W ü r z b u r g abgeschoben w u r d e ; aber der Krieg endete so doch m i t der V e r d r ä n g u n g des österreichischen Einflusses aus Italien u n d Deutschland, d. h. m i t einer v o l l k o m m e n n e u e n Sit u a t i o n in M i t t e l e u r o p a — u m so m e h r , als an beiden Stellen das französische Gewicht entscheidend w u r d e . „Austerlitz u n d der P r e ß b u r g e r Friede gaben N a p o l e o n die u n b e d i n g t e H e r r s c h a f t ü b e r Deutschland. T r o t z d e m blieb die bei Austerlitz gefallene Entscheidung Episode, da N a p o l e o n an der durch T r a f a l g a r geschaffenen W e l t lage auf die D a u e r scheitern sollte. Die Ü b e r m a c h t z u r See w a r wichtiger als die auf d e m Festlande" (Mommsen). N a p o l e o n erhob seine Brüder Joseph u n d Ludwig zu K ö n i g e n v o n N e a p e l u n d H o l l a n d ; das v o n jeher angestrebte u n d n u n geschaffene „ D r i t t e D e u t s c h l a n d " k o n n t e im neuen Rheinbund z u s a m m e n g e f a ß t u n d in N a p o l e o n s Politik eingeordnet w e r d e n , die auf das G r a n d E m p i r e in E u r o p a u n d Übersee hinzielte. N a p o l e o n s süddeutsche Bundesgenossen W ü r t t e m b e r g , Bayern u n d Baden schlössen m i t i h m am 11., 16. u n d 2 0 . 1 2 . 1 8 0 5 Verträge, in denen ihnen die österreichischen A b t r e t u n g e n überwiesen w u r d e n . A u ß e r d e m w u r d e aus bisher bayerischem und preußischem Besitz am N i e d e r r h e i n f ü r N a p o l e o n s Schwager M u r a t das neue F ü r s t e n t u m Berg gebildet. Die K u r f ü r s t e n v o n Bayern u n d W ü r t t e m b e r g n a h m e n , wie schon i m Friedensvertrag v o n P r e ß b u r g vorgesehen, die K ö n i g s w ü r d e an; N a p o l e o n s Stiefsohn Eugen Beauharnais h e i r a t e t e im J a n u a r 1806 Prinzessin A u g u s t a v o n Bayern, der K u r p r i n z Karl v o n Baden im A p r i l N a p o l e o n s A d o p t i v t o c h t e r Stefanie Beauharnais, im A u g u s t 1807 Prinzessin K a t h a rina von W ü r t t e m b e r g N a p o l e o n s jüngsten Bruder Jérôme, so d a ß die süddeutschen D y n a s t i e n n u n auch personell m i t d e m Schicksal des französischen Kaisers v e r b u n d e n schienen.

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„Das alles waren Vorläufer und Hilfsmittel für die Errichtung eines Vasallitätsverhältnisses unter völliger Auflösung des Reiches" (Braubach). Das engere Machtstreben der süddeutschen Fürsten in Deutschland konnte nur verwirklicht werden nach Unterwerfung unter das napoleonische Machtstreben in Europa. Über mehrere Etappen — Beseitigung der Souveränität von Augsburg, Nürnberg, Frankfurt und zahlreichen vom Reichsdeputationshauptschluß nicht ergriffenen kleinen Landesherren; von Frankreich entschiedene Streitfälle um die Verteilung dieser Beute; zu späte Erkenntnis in Bayern und Württemberg, daß das Bündnis mit Frankreich fester band und weit weniger Freiheiten ließ als die alte Reichsverfassung; Napoleons Bestehen auf militärischer Konzentration bei gewissem Nachgeben in bezug auf staatsrechtliche Fragen und Verzicht auf ein seine Oberherrschaft verkündendes Fundamentalstatut — kam es am 16. 7. 1806 zur Unterzeichnung der Rheinbundakte durch 16 deutsche Fürsten, die sich damit vom Reiche lossagten und als Rheinische Bundesstaaten unter dem Protektorat des französischen Kaisers eine eigene Konfoederation bildeten. An dieser waren beteiligt: der Fürstprimas Dalberg, der als Großherzog das Gebiet von Frankfurt erhielt, die Könige — nach Ablegung ihrer vom Reich abgeleiteten Titel — von Bayern und Württemberg, die ebenfalls im Rang erhöhten Großherzöge von Baden, Hessen-Darmstadt und Berg, die Herzöge von Nassau, die Fürsten von Hohenzollern, Salm, Isenburg, Liechtenstein und von der Leyen sowie etwas später Großherzog Ferdinand von Würzburg (ehemals von Toskana). Dieser Bund schloß mit Frankreich ein Angriffs- und Verteidigungsbündnis und stellte für jeden Krieg auf dem Kontinent seine sämtlichen Truppen unter den Oberbefehl Napoleons. Die von Napoleon geschaffenen süddeutschen Mittelstaaten — „Zufallsstaaten" nach Treitschkes scharfen Worten — sollten im 19. Jahrhundert ein schweres Hindernis bei der Herstellung der deutschen Einheit bilden.

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Zwei Wochen später folgte logisch am 1. 8., gemeinsam mit dem formellen Austritt der Rheinbundfürsten aus dem Reich und nach einer ultimativen Aufforderung Napoleons an Franz II., die Reichskrone niederzulegen, die französische Mitteilung an den Reichstag, daß man das Reich nicht mehr anerkenne. Schon am 6. 8. erklärte Franz II. das Amt des Kaisers für erloschen und entband alle Stände von ihren Pflichten. Das Reich, seit 1648 in dem Grund seiner Existenz vielumstritten, seit 1803 „tatsächlich schon zerstört" (Härtung), hatte sein Dasein nun durch Napoleons Eingreifen wirklich verloren. „An die Stelle des alten Deutschen Reiches, das gerade ein Jahrtausend bestanden hatte, trat also in Europa das Empire Napoleons — bestehend aus Frankreich und dem Kranze seiner Vasallenstaaten, der von Holland über den Rheinischen Bund bis hinunter nach Italien und nach Neapel die Kernlande des Empire umgab" (Schnabel). Das juristisch abschließende Ereignis wurde nun von den Zeitgenossen kaum beachtet. Am 26. August wurde in Braunau der Nürnberger Buchhändler Palm bereits auf Grund eines französischen Kriegsgerichtsurteils erschossen, weil er aussprach, daß „Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung" von Napoleon unterworfen sei. Noch war allerdings Preußen mit den norddeutschen Staaten selbständig. Und Preußen tat im Sommer 1806 manches, um diesen Rest des Reiches zu einem norddeutschen Bunde zusammenzufassen und sogar die Kaiserwürde zu erhalten. Die Schlacht von Jena setzte auch diesen Bemühungen ein Ende. „So war mit dem 6. August 1806 das Heilige Römische Reich erloschen" (Härtung). Der von vielen seit langem auf Grund der inneren Erstarrung und Ziellosigkeit vorausgesagte Zusammenbruch Preußens kam dann, zuletzt veranlaßt durch eine militärische Niederlage, doch überraschend schnell und vollkommen. Die wenigen Reformansätze der letzten Jahre konnten noch nicht und vor Napoleons Zuschlagen nicht mehr einen wirklich grundsätzlichen Umschwung in Staatsund Gesellschaftsauffassung und -aufbau mit dem Ergeb-

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nis einer allgemeinen Stärkung erreichen. Zwar ratifizierte Friedrich Wilhelm I I I . nicht die Schönbrunner Konvention, aber sein Gesandter Haugwitz wurde zu einem neuen Vertrag in Paris am 5. 2. 1806 gezwungen, der Preußens Lage nur noch verschlechterte. Indem Napoleon den preußischen König, der den Zusammenstoß mit England über Hannover vermeiden wollte, gegen dessen Willen zur sofortigen Besitznahme und zur Schließung der Nordseehäfen zwang, wurde nun der Krieg mit England selbstverständlich. Gleichzeitig aber verhandelte Napoleon mit England und mit Rußland, so daß zahlreiche einsichtige Männer in Preußen das Empfinden hatten, Preußen solle schimpflich isoliert und geopfert werden. Schließlich bemühte sich Friedrich Wilhelm III., unterstützt von Hardenberg, selbst um eine Annäherung an Alexander I., der daraufhin sofort die beabsichtigte und angebahnte Verständigung mit Napoleon aufgab und die Bildung einer Vierten Koalition betrieb. Preußen erklärte am 1. 7. 1806, es werde Napoleon nicht gegen Rußland unterstützen; Alexander I. folgte am 24. 7. mit einer Garantieerklärung für Preußen. Gleichzeitig tat jedoch Napoleon alles, um eine norddeutsche Konzentration zu verhindern. Als man hörte, daß er schließlich auch Hannover wieder den Engländern anbot, mobilisierte Friedrich Wilhelm III. am 9. 8. den größten Teil des Heeres in der Annahme, Napoleon versuche ihn zu hintergehen. Dieser hatte das zwar nicht getan, reagierte aber nun auf die preußische Mobilmachung mit militärischen Vorbereitungen, die in Berlin wieder als Bestätigung der Vermutung empfunden wurden und den Entschluß zum Kriege veranlaßten. Auf die ultimative Forderung, Napoleon solle seine Truppen aus Süddeutschland zurückziehen, erhielt Friedrich Wilhelm keine Antwort; er erließ darauf am 9. 10. 1806 das Kriegsmanifest. Mit Preußen verbündeten sich Sachsen, Braunschweig und Sachsen-Weimar. Nicht allein das Verhältnis der militärischen Führerqualitäten, sondern auch das zahlenmäßige der qualitativ

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wertvollen Truppen war f ü r Preußens Seite sehr ungünstig. Der alte Herzog von Braunschweig bildete für Napoleon keinen vollwertigen Gegner; Prinz Louis Ferdinand aber fiel schon am 10. 10. bei Saalfeld. A m 14. 10. folgte die entscheidende Niederlage der vom Fürsten Hohenlohe geführten Heeresgruppe bei Jena durch Napoleon, der nach der tödlichen Verwundung des Herzogs von Braunschweig trotz Friedrich Wilhelms Anwesenheit vollends führerlosen Hauptarmee bei Auerstedt durch Davout. A m 27. 10. war Napoleon in Berlin, am 28. kapitulierte Hohenlohe mit den Resten seiner Armee bei Prenzlau. Blücher versuchte, mit seiner Armee zur Ostsee auszuweichen, wurde aber in Lübeck abgefangen. In Danzig, Graudenz, Kolberg und in schlesischen Festungen leisteten entschlossene Offiziere und tüchtige Mannschaften energischen Widerstand, der im Augenblick sinnlos erscheinen mochte, an dessen Haltung aber später die Reformer anknüpfen konnten. Am 21. 11. verkündete Napoleon mit gutem Blick f ü r die Bedeutung einer solchen Ortswahl, Ideen des Revolutions-Frankreich fortführend, von Berlin aus die Kontinentalsperre gegen England, während er gleichzeitig entschlossen war, falls notwendig, sofort gegen Rußland zu marschieren. Inzwischen nahm er die Neuordnung Norddeutschlands vor: Braunschweig, Hessen-Kassel und der eben erst gegründete Staat des Oraniers wurden aufgelöst, Kurfürst Friedrich August von Sachsen zum König erhoben, mit der Gruppe der ernestinischen Fürsten in Thüringen Friede und Freundschaft, dagegen mit Preußen am 30. 10. zunächst nur ein Präliminarvertrag geschlossen, in dem Lucchesini und General von Zastrow für Friedrich Wilhelm III. auf den linkselbischen Besitz außer Magdeburg und der Altmark verzichteten. Napoleon forderte weitere Zugeständnisse, worauf Friedrich Wilhelm sich, gedrängt von Stein und Beyme, zur Fortführung des Kampfes im Bunde mit dem Zaren entschloß, der bereits größere Truppenkontingente in Polen stehen hatte. Die Franzosen drängten diese durch Gefechte bei Pultusk und

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Golymin am 26. 12. nach Norden. Und am 7.—8. 2. 1807 kam es zu der blutigen Schlacht bei Preußisch-Eylau, in der es dem General l'Estocq unter Scharnhorsts Beratung zum ersten Male in diesem Kriege gelang, Napoleon am Siege zu hindern. Dieser versuchte daraufhin sein altes Spiel: die Verbündeten zu trennen, Friedrich Wilhelm also zum Abfall zu bewegen. Auch hier blieb er erfolglos, indem das Bartensteiner Schutz- und Trutzbündnis vom 26. 4. Rußland und Preußen nun erst recht zusammenhalten sollte. Aber dann wandte sich wieder das Glück: die Franzosen siegten am 14. 6. über die russischen Truppen bei Friedland, besetzten den größten Teil von Ostpreußen und bewogen durch ihre Überlegenheit nun den Zaren, dem Bartensteiner Vertrag zum Trotz sich mit Napoleon zu verständigen, zumal Englands Hilfe zum großen Teil ausblieb. Das schien Napoleon die Möglichkeit zu bieten, den Blockadekrieg gegen England nun über die ganze Küste des Kontinents auszudehnen und dadurch sehr viel wirkungsvoller zu gestalten als bisher. Auf einem Floß in der Weichsel begegneten die beiden Kaiser einander zum ersten Male am 25. 6. 1807. Am 7. 7. wurden in Tilsit das Friedens- und das Bündnistraktat von beiden Herrschern unterzeichnet. Der Zar erhielt das Recht, das schwedische Finnland zu besetzen, Napoleon dasjenige, ein mit Sachsen in Personalunion verbundenes, aus den preußischen Provinzen Süd- und Neuostpreußen bestehendes Herzogtum Warschau zu bilden. Polen war äußerlich in Personalunion mit Sachsen wiederhergestellt — der eigentliche Herr beider Staaten freilich Napoleon. Alexander bestand auf der Erhaltung Preußens, duldete aber nicht ungern, daß es bis zur Ungefährlichkeit verkleinert wurde. Auch der Versuch der Königin Luise, Napoleon zu bezaubern, konnte diese Entscheidung nicht beeinflussen. Durch den Tilsiter Frieden vom 9. 7. 1807, der das „System von Tilsit" abschloß, verlor Preußen alle Gewinne aus der zweiten und dritten Teilung Polens sowie den Netzedistrikt, dazu alle Gebiete links der Elbe mit Magdeburg; Danzig

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wurde ein Freistaat unter französischem Protektorat. Ein f ü r Napoleons Bruder J^rome neu geschaffenes Königreich Westfalen vereinigte im Westen die bisherigen preußischen, hannoverschen, braunschweigischen und hessischen Gebiete. Preußen — bestehend aus den Provinzen Brandenburg, Pommern, Preußen und Schlesien — mußte sich in die Front gegen England einfügen sowie der Königsberger Konvention vom 12. 7. entsprechend Kriegsentschädigungen und -kontributionen von einstweilen u n bestimmter H ö h e zahlen, bevor die französischen T r u p p e n die besetzten Gebiete räumten. Nach der Auflösung des Reiches hatte zwar, wie Napoleon im Friedensvertrag betonte, „mit Rücksicht auf das befreundete Rußland" diejenige des Königreichs Preußen mit knapper N o t vermieden werden können, doch besaß Preußen einstweilen keinerlei Handlungsfreiheit, sondern gehörte zu den weiten Teilen West- und Mitteleuropas, die Napoleon beherrscht und besetzt hielt. 23. Deutschlands Wirtschaft im 18. Jahrhundert Deutschland war zu Beginn des 18. Jahrhundert noch ganz überwiegend agrarisch. Seit der Jahrhundertwende zeigten sich unter Verschlechterung der bäuerlichen Lage erste Ansätze zur betrieblichen Fortentwicklung besonders der Gutswirtschaft fortschrittlicher Besitzer. Im Vordergrund der Drei- oder Vierfelderwirtschaft stand stets das Getreide; vom Westen aus, insbesondere von der Pfalz her nahm der Anbau von Klee, Lupine, Futter- und Handelspflanzen, Tabak und Gemüse langsam zu; Kartoffeln wurden auf preußischen Domänen seit 1746 feldmäßig angebaut, danach zunehmend auch in der Privatwirtschaft ganz Deutschlands, gefördert durch die Getreidemißernten von 1770—72. Von Friedrich dem Großen, später von Albrecht Thaer gefördert, wurden die Ergebnisse der landwirtschaftlichen Revolution Englands bekannt durch Arthur Youngs Werke, durch angeworbene englische Ökonomen sowie durch Studienreisen nach England. Langsam wurde der Wert des Waldes erkannt.

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Wichtig war neben Rindviehhaltung zur Ausnutzung minderwertiger Weideflächen und für die Wollwirtschaft die Schafzucht unter Einfuhr spanischer Merinos. Allgemein litt die Landwirtschaft unter dem verhängnisvollen Kreislauf des Futtermangels, der die Viehhaltung beschränkte, wodurch die Dungmenge ungenügend blieb, was geringe Körner- und Strohernten zur Folge hatte. Die Hausväterliteratur wuchs langsam in die fortschrittlichere Literatur der Experimental-Ökonomen, die unter Heranziehung der Naturwissenschaft nach allgemeinen Grundsätzen für den Landwirtschaftsbetrieb suchten und ihn als einheitlichen Organismus aufzufassen lehrten. Betriebs reformen konnten agrarrechtlichen Reformen nur folgen, nicht vorausgehen. Dabei ermöglichte es die landesherrliche Gewalt den Fürsten voranzugehen, ihr Beispiel Widerstrebenden aufzuzwingen, wie es zur Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und Steuerkraft der durch Heere, Kriege, Beamtenkörper sowie Repräsentation belasteten Staaten nötig war. In Preußen bemühten sich Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. fast 75 Jahre lang um Förderung der Landwirtschaft, Überwindung sozialer Nachteile und Beseitigung agrarrechtlicher Mißstände, bevor die Reformer unter Friedrich Wilhelm III. den bleibenden Erfolg dieser Bestrebungen nach teils wertvollen (Dänemark), teils abschreckenden (Frankreich) ausländischen Vorbildern erreichten. Z. T. noch aktiver, doch auf engeren Raum beschränkt, waren Karl Theodor von der Pfalz und Bayern, Kurfürst Friedrich August III. von Sachsen, Karl August von SachsenWeimar und Karl Friedrich von Baden. Ihrer aller Tätigkeit betraf insbesondere vier Bereiche: 1. die Urbarmachung und Besiedlung, wobei Preußen in Ostpreußen, im Oderbruch, Silgebruch, Stettiner Bruch, Warthebruch und anderen Brüchen (1747—1768) mit dem Ziel der Peuplierung entschieden voranging — gefolgt in erster Linie von Bayern. Im Zuge dieser Entwicklung wurden in Preußen fast 300000 Kolonisten angesiedelt, so daß 1786 ein Drittel der preußischen Bevölkerung aus Kolonisten und ihren

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Abkömmlingen seit den Tagen des Großen K u r f ü r s t e n bestand, was Steigerung der P r o d u k t i o n s k r a f t u n d der Bedürfnisse, der Steuer- u n d W e h r k r a f t bedeutete; 2. Gemeinheitsteilungen und Arrondierungen, wobei gleichfalls Preußen als D o m ä n e n h e r r seit 1765 voranging; 3. Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse — wied e r u m entschieden u n t e r F ü h r u n g Preußens, wo es seit 1719 einen wachsenden Bauernschutz gab, den Friedrich der Große seit 1748 ständig verstärkte, während er seit 1763 auch die Verbesserung der persönlichen Lage u n d Verringerung der Dienste der Bauern anstrebte, soweit nicht die Sicherheit der Wirtschafts- u n d Sozialordnung durch derartige R e f o r m e n gefährdet wurde. Dabei liegt die Bedeutung der friederizianischen Agrarpolitik nicht so sehr in sozialen R e f o r m e n mit dem Endziel der Bauernbefreiung als vielmehr in der Bewahrung des Bestandes an bäuerlichen Stellen; die „Conservation" des Bauernstandes als Ganzem lag dem König weit mehr am Herzen als das Wohlergehen des Einzelnen. In den anderen deutschen Staaten betrat die Entwicklung sehr verschiedene Wege; sie blieb ungünstig im schwedischen P o m m e r n und in Mecklenburg, wurde fortschrittlich in Schleswig-Holstein, in Baden und H a n n o v e r , weniger in Bayern. Viertens wurden f ü r den landwirtschaftlichen Kredit in Preußen seit 1770 „Landschaften" f ü r die Rittergutsbesitzer einzelner Provinzen gegründet. I m übrigen Deutschland geschah in dieser Hinsicht wenig. Die gesamte deutsche Wirtschaftsentwicklung im 18. J a h r h u n d e r t war gekennzeichnet durch Preußens A u f stieg zum stärksten T e r r i t o r i u m , der zugleich seit 1713 durch die Umstellung v o m Staat der H o f h a l t u n g zu dem der M a n u f a k t u r e n , weniger des Handels gekennzeichnet war. A m wichtigsten war naturgemäß die Textilwirtschaft, insbesondere das Wollgewerbe; seit Schlesiens E r w e r b u n g erhielt die dortige Leinenindustrie neben der westfälischen erhöhte Bedeutung. Sehr wichtig w u r d e die aus m e r k a n tilistischem Denken erwachsene Seidenindustrie, in deren Schule sich u n t e r Anregungen aus Lyon und Genf eine

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internationale Unternehmer- und Kapitalistenschicht formierte und für Preußens gesamte Wirtschaft große Bedeutung gewann. Der Bergbau stand hinter Landwirtschaft und Textilindustrie in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sehr zurück. Auch Schlesien blieb nach 1748 einstweilen unerschlossen. Unternehmende Ausländer wurden allgemein, besonders aber in Preußen, gern aufgenommen: 1750 gab es in Berlin 6000 Franzosen, über 1500 Böhmen. Erste Versuche, mit einer 1750/51 in Emden unter Sicherung staatlichen Einspruchsrechtes gegründeten privaten „Asiatischen Compagnie" am Welthandel teilzunehmen, entsprachen mehr merkantilistischen Großmachtsbräuchen und -Überlegungen als tieferem Interesse des Monarchen und einem echten Bedürfnis des wesentlich nach Osten und Südosten tendierenden Staates. Mittelpunkt des Industrialismus wurde Berlin, das von Friedrich aus der privatwirtschaftlich-fiskalischen Enge seines Vaters an die Spitze volkswirtschaftlicher Planungen und Entwicklungen mit politischen Großmachtzielen gehoben wurde. Dabei „wächst eine Unternehmerschicht heran, die, wenn auch noch unmittelbar abhängig von den Prämiengeldern, Pensionen und Privilegien des Staates, kaufmännischen Weitblick zu entwickeln beginnt" (SchmollerSchrötter). Erstmalig erhielt Berlin ein bemerkenswertes, vielseitiges Unternehmertum, das, Fabrikant, Bankier und Händler zugleich, in Anlehnung an den Staat, doch nicht nur als Exekutivorgan reglementierender Planwirtschaft, aus der Kraft des Einzelnen wertvolle Arbeit leistete und ein neues erstarkendes Bürgertum im Bunde mit dem fürstlichen Absolutismus einleitete. Lebhaft war die gewerbliche Entwicklung auch im Rheinland und an der Saar, wo Preußens Besitzungen an Umfang den 14., an Bevölkerung den 10. Teil der Monarchie ausmachten. Deutlich waren dort überall im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts Ansätze einer „industriellen Revolution" zu beobachten — wenigstens von fern der englischen ähnelnd —, deren Bedeutung als Vorbereitung man nicht im Rausche

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der größeren Erfolge späterer Jahrzehnte unterschätzen sollte. "Wachsende Bedeutung erhielt in Preußen seit 1713, vollends seit 1740 die Rüstungs- und Kriegswirtschaft. In Schlesien setzte der große Aufschwung seit 1777/79 ein, als Heinitz und Reden „das moderne oberschlesische Montanrevier mit jener Krönung in der Königshütte" so zeitgemäß aufbauten „wie das fortgeschrittenste englische oder schottische Werk" (Gröba). Die Finanzierung insbesondere des 7jährigen Krieges geschah auf der preußischen Seite, aber auch in den anderen Staaten in starkem Maße durch Subsidien und Münzverschlechterungen, d. h. Münzbetrug. Jüdische Hoffaktoren, deren Existenzgrundlage mit der Entwicklung des modernen Bank- und Kreditwesens und mit dem Entstehen größerer bürgerlicher und adeliger anlagebereiter Vermögen zu schwinden begann, traten im System der Finanzaushilfen des Staates bei Friedrichs Münzmanipulationen am auffälligsten in Erscheinung. Neben Luthertum und Calvinismus spielte also durch die Hoffaktoren auch das Judentum eine beachtliche Rolle bei Preußens wirtschaftlichem, sozialem und politischem Aufbau. Kein deutscher Fürst kam im 18. wie im 17. Jahrhundert ohne Hoffaktoren aus. Dem Krieg folgte, wesentlich vom Stadtbürger getragen, die Deckung der Kriegskosten durch allmählichen Umtausch schlechter gegen normale Münzen unter Verlusten bei Steuerzahlungen bis zu 41 % . Die Deflation der Nachkriegszeit vernichtete manches Vermögen, führte zu Geldmangel, hohen Zinssätzen, Absatzschwund besonders bei Luxus- und Genußgütern, Steigerung der Schutzzölle zu Einfuhrverboten, Stocken des Baugewerbes, Staatshilfe zur Arbeitsbeschaffung, großem Staatsaufwand beim Rétablissement, Wohnungsmangel, Anschwellen der im Kriege untersagten Zwangsversteigerungen auf dem Lande, Gründung der Landschaftskassen gegen diese Gefährdung, besonders des Adels, der wie die Beamten und Rentenempfänger gegenüber Unternehmern, Kaufleuten und wirtschaftlich sich emanzipierenden Juden als GläuT r e u e ,

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bigern erstmals schwere, künftige Entwicklungen andeutende, wirtschaftliche und gesellschaftliche Einbußen erlitt. Bei den W i e d e r a u f b a u m a ß n a h m e n in Steuer- und Finanzwesen bevorzugte Friedrich der Große nach 1763 zeitweise Franzosen, Holländer u n d Italiener, bei denen er m e h r Weltkenntnis u n d - e r f a h r u n g als bei den Berliner Kaufleuten voraussetzte, aber im Durchschnitt weit weniger Loyalität u n d Hingabe an die Person des Königs u n d an den Staat erlebte. Es begann damit nach der H u genotteneinwanderung eine „zweite romanische Invasion" geringerer Qualität und die Zeit der Projektemacher u n d „Hommes de finance". Die Schäden des 7jährigen Krieges waren weniger schwer als die des 30jährigen; sie w u r d e n in Preußen u n t e r staatlicher Leitung u n d Finanzierung im „Retablissement" auch viel schneller behoben, das sich in einer langen Reihe großer Kulturarbeiten auf Staatskosten fortsetzte. Nach wie vor stand dabei die Steigerung der arbeitsfähigen Bevölkerung im Vordergrund. Die Industrie mit ersten englischen Maschinen wurde durch Schutzzölle, Einfuhrverbote, Prämien usw. gefördert. Mittelpunkt aller industriellen Anlagen blieb Berlin, die „Stadt der Soldaten u n d M a n u f a k t u r e n " , die u m 1785 ein Drittel der preußischen Warenerzeugung zusammenfaßte. Während die meisten deutschen Staaten noch ganz überwiegend agrarisch strukturiert waren, lag Preußen industriell hinter Frankreich, England u n d Holland an vierter Stelle. N u n entstanden die Anfänge eines industriellen Lohnarbeitertums um die gleiche Zeit, als die Domänenbauernbefreiung auch in der Landwirtschaft den Lohnarbeiterstand ins Leben rief: beides zusammen f ü h r t e gemeinsam mit starkem Menschenüberschuß auf dem Lande zu Bildung und schnellem Wachstum des Industrie-Proletariat. Der Arbeiter war u m so straffer an den Betrieb gebunden, je wertvoller seine Fähigkeiten u n d Kenntnisse wurden. Schließlich erstarkte die mit starker Protektion geschaffene Industrie so weit, daß ein Großteil davon ohne Hilfe international wettbewerbsfähig war; selbständige U n t e r n e h m e r u n d Facharbeiter standen als Träger der

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Industrialisierung im 19. J a h r h u n d e r t zur Verfügung. Die A u f h e b u n g des Zunftzwanges war mit dem Verlust m a n cher Vorteile verbunden, wie die Bauernbefreiung mit demjenigen der Zugehörigkeit zur Lebensgemeinschaft des Gutsbetriebes, ohne daß der Staat in die Lücke trat. Häufig ergaben sich dabei neue Formen starker persönlicher Abhängigkeit, dir n u r infolge des Facharbeitermangels noch nicht mit aller Schwere in Erscheinung trat. Den Bergbau beherrschte seit 1777 Frh. v. Heinitz, eine stark unternehmerische Persönlichkeit bedeutenden Formats, der Schlesien z u m bergbaulichen Hauptgebiet erhob u n d weit in die Z u k u n f t wirkte. Die A b n a h m e des "Waldbestandes durch Brennstoffbedarf auf den an Zahl schnell wachsenden H ü t t e n des schlesischen Adels, auch Raubbau, Kriegsschäden u n d Steigen des Holzpreises f ü h r t e n in Schlesien wie in Westfalen zur stärkeren Förderung u n d V e r w e n d u n g v o n Steinkohlen; sie stieß in Oberschlesien auf heftigen Widerstand der an der Wertsteigerung des Waldbestandes interessierten Großgrundbesitzer, bis diese selbst mit Eigen- u n d Fremdkapital z u m Bergbau übergingen. Die Bergarbeiterschaft k a m vielfach aus der adeligen Landwirtschaft Schlesiens, auch aus anderen Teilen Deutschlands u n d Polens u n d wurde erst langsam seßhaft. Die Wirtschaftssysteme der anderen deutschen Staaten unterschieden sich graduell, aber nicht grundsätzlich v o n dem Preußens. Bayern blieb wie die meisten kleineren T e r r i t o r i e n allerdings weit stärker Agrarstaat, m e h r auf den Wohlstand des Einzelnen als auf große Zahl u n d Arbeitskraft vieler Einwohner bedacht, auf das „bequeme Auskommen des getreuen U n t e r t a n s " . In der Pfalz, wo westeuropäische Auffassungen seit dem 17. J a h r h u n d e r t stärkeren Widerhall fanden, vergab schon K u r f ü r s t Joh a n n Wilhelm Fabrikkonzessionen u n d -privilegien in größerer Zahl, betrieb Karl T h e o d o r den Industrieprotektionismus, der seine Residenz Mannheim zum Manuf a k t u r - u n d H a n d e l s z e n t r u m machen sollte. Auch in der Pfalz erkannte man, wie in Preußen, in der Textilindustrie, die H e e r u n d Beamte mit U n i f o r m e n , H o f u n d 11*

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Literaturverzeichnis

Adel mit Seide versorgte, die breiteste Grundlage für den Staat, als dieser zu weiterer Industrialisierung schritt. Betrachtet man die Entwicklung in Nord- und "Westdeutschland nach dem 7jährigen Kriege insgesamt, so wird eine erste Linie der industriellen und landwirtschaftlichen Revolution, wie sie in England stattfand, auch in Preußen und anderen deutschen Staaten sichtbar, die nach der napoleonischen Zeit wieder aufgegriffen werden konnte. Literaturverzeichnis A. Allgemeine "Werke Dehio, Ludwig: Gleichgewicht oder Hegemonie. München 1948. E r d m a n n s d ö r f f e r , Bernhard: Deutsche Geschichte vom Westfälischen Frieden bis zum Regierungsantritt Friedrichs des Großen 1648—1740. 2 Bde. 1892/93. Gebhard, Bruno: Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 2: Von der Ref o r m a t i o n bis zum Ende des Absolutismus 16. bis 18. J a h r h u n d e r t . 8. A u f l . hrsg. von H e r b e r t G r u n d m a n n , Stuttgart 1955; Bd. 3, 8. A u f l . hrsg. v o a H e r b e r t G r u n d m a n n , Stuttgart 1957. Hantsch, H u g o : Die Geschichte Österreichs, Bd. 2 1648—1918. 2. Aufl. 1955. # H a z a r d , P a u l : Die Herrschaft der V e r n u n f t , das europäische Denken im 18. J a h r h u n d e r t . H a m b u r g 1949. H ä r t u n g , F r i t z : Von der Mitte des 17. J a h r h u n d e r t s bis zur Französischen Revolution (Handbuch f ü r den Geschichtslehrer, Bd. 5, 1; das V o r w o r t des Verfassers von 1931). Wien 1937. Hinrichs, C a r l : Das Reich und die T e r r i t o r i a l s t a a t e n im Zeitalter des Absolutismus (in: Deutsche Geschichte im Überblick, hrsg. von Peter Rassow). 1953. H i n t z e , O t t o : Die HohenzoIIern und ihr W e r k . 1915. H i n t z e , O t t o : Geist und Epochen der preußischen Geschichte (gesammelte A b handlungen). 1943. Joachimsen, P a u l : Vom deutschen Volk zum deutschen Staat, 3. überarbeitete und veränderte A u f l . 1955. Just, Leo: Der aufgeklärte Absolutismus (Brandt-Meyer-Just, Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. I I , Abschnitt 4). 1954. Küntzel, G u s t a v : Die drei großen HohenzoIIern und der Aufstieg P r e u ß e n s im 17. und 18. J a h r h u n d e r t (Meister der Politik Bd. 2). 1922. Lorenz, Reinhold: Die Grundlegung des Absolutismus ( B r a n d t - M e y e r - J u s t , Handbuch der deutschen Gesdiichte Bd. 2). 1939/40. Mommsen, W i l h e l m : Geschichte des Abendlandes von der Französischen R e v o lution bis zur Gegenwart 1789—1945. München 1951. Propyläenweltgeschichte, Bd. 6: Das Zeitalter des Absolutismus 1931; Bd. 7: Die Französische Revolution, Napoleon und die Restauration. 1931. Redlich, O t t o : Das W e r d e n einer Großmacht. Österreich von 1700 bis 1740 (Geschichte Österreichs Bd. 7). 2. A u f l . 1942. Rößler, H . und G. F r a n z : S ach Wörterbuch zur deutschen Geschichte. 1956/57. Tagungen deutscher und französischer Geschichtslehrer 1950/1953. BadenBaden 1954. W a g n e r , F r i t z : Europa im Zeitalter des Absolutismus 1648 bis 1789. M ü n chen 1948. W i n d e l b a n d , W o l f g a n g : Die auswärtige Politik der Großmächte in der N e u z e i t von 1494 bis zur Gegenwart. Berlin 1936.

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Hand-

166

Namen- und Sachverzeichnis

A b s o l u t i s m u s 6, 14, 58 f . , 61 f . , 65 f f . , 79, 84, 85 f f . , 90 f . , 94 f f . , 100, 303, 105 f f . , 111, 123 Alexander I., Pawlowitsch, Kaiser von R u ß l a n d 138 f . , 147 f . , 157 A m i e n s 138 A u e r s t e d t 155 A u f k l ä r u n g 76, 78, 94 f f . , 107 f . August I L , Friedrich August I., der S t a r k e , K u r f ü r s t v o n Sachsen, K ö n i g v o n P o l e n 10 August I I I . , Friedrich August II., K u r f ü r s t v o n Sachsen, K ö n i g v o n P o l e n 10, 35, 68 A u s t e r l i t z 150 f . B a r t e n s t e i n 156 Basel 121—125, 131 B a t a v i s c h e R e p u b l i k 121 B a u e r n 27, 29, 55, 66, 77, 90, 94, 145, 159, 162 f . B a y e r i s c h e r E r b f o l g e k r i e g 73 B e a m t e n t u m 60, 62. B e l g r a d 12, 28 B e r g a k a d e m i e n 100 B e r g b a u 160, 163 B e r l i n 51, 128, 131, 155, 160, 162 Beyme, Karl Friedrich von, p r e u ß i scher S t a a t s m a n n 144, 155 Bischoffwerder, Johann Rudolf von, preußischer General und Staatsmann 82, 110 Brüssel 117 B u n z e l w i t z 51 B ü r g e r t u m 29, 54, 5 7 f . , 83, 99, 104, 106 B u r k e , E d m u n d , englischer P o l i t i k e r u n d S t a a t s m a n n 107 B u r k e r s d o r f 52 C a m p o F o r m i o 130 f . Carmer, Johann Heinrich Casimir, Graf von, preußischer G r o ß k a n z l e r u n d C h e f d e justice 57, 82 C h o t u s i t z 41 C i s r h e n a n i s c h e R e p u b l i k 132 C l e v e 120 Cobenzl, Ludwig, Graf von, österreichischer S t a a t s m a n n 114, 124 Cocceji, Samuel, Frh. von, preußischer G r o ß k a n z l e r , e r s t . C h e f d . J u s t i z 57 C z a s l a u 41 D a n z i g 118, 156 D r i t t e r S t a n d 104 D u a l i s m u s 44 Einwanderung 160, 162

16, 23 f . , 66, 95,

158,

E l i s a b e t h , K a i s e r i n v o n R u ß l a n d 45, 47, 51 f . E m i g r a n t e n 107, 109 f f . , 115 E r b f o l g e k r i e g e 8 f f . , 36 f f . E r z i e h u n g 57, 98 Eugen, Franz, Prinz von Savoyen, Österreichischer F e l d h e r r u n d S t a a t s m a n n 11, 19, 22, 24 F e b r o n i a n i s m u s 79, 98 Fleury, A n d r e H e r c u l e de, Cardinal u n d P r e m i e r m i n i s t e r 10, 33, 35 f . Franz II., Joseph Karl, römisch-deutscher K a i s e r , als K a i s e r v o n Ö s t e r reich F r a n z i . 112 f f . , 147, 153 Franz Stephan, F r a n z i . , römisch-deutscher K a i s e r , H e r z o g v o n L o t h r i n g e n , G r o ß h e r z o g v o n T o s c a n a 12, 35, 38, 40, 43 f . F r i e d l a n d 156 f . Friedrich I I . , König von Preußen, F r i e d r i c h d e r G r o ß e 3 0 f f . , 36 f f . , 47 f f . , 54 f f . , 66 f . , 69 f f . , 81 f f . , 90, 92, 94, 101, 106, 157 f f . Friedrich August II., K u r f ü r s t von Sachsen, s. A u g u s t I I I . Friedrich W i l h e l m I., König von Preuß e n 9, 11, 13—18, 24, 26 f . , 30 f f . , 44, 54, 59, 67, 71, 74, 158 Friedrich Wilhelm II., König von P r e u ß e n 82 f f . , 93, 101 f . , 110, 112, 114 f . , 118 f f . , 122 f f . , 144, 158 Friedrich W i l h e l m I I I . , König von P r e u ß e n 85, 133, 139, 146 f f . , 150, 154 f f . F ü r s t e n b u n d 74 f . , 85, 92 f . Gentz, Friedrich v o n , Publizist 107,148 Georg II., König von Großbritannien und Irland, Kurfürst von Hann o v e r 9, 40 . Georg III., König von Großbritannien und Irland, Kurfürst, König von H a n n o v e r 51 G l a t z 51 G l e i c h g e w i c h t 8 f . , 34 Goethe, J o h a n n W o l f g a n g von, Dicht e r 49, 102, 104 f . , 116 Görres, Joseph von, Gelehrter und P u b l i z i s t 132 G r o ß - J ä g e r n d o r f 49 H a n n o v e r 89 f . Hardenberg, Karl August, Fürst von, p r e u ß i s c h e r S t a a t s m a n n 124 f . , 154 H a u g w i t z , ö s t e r r . S t a a t s m a n n 61, 63 Haugwitz, Christian Heinrich Kurt, G r a f v o n , p r e u ß . S t a a t s m a n n 125

Namen- und Sachverzeichnis H e i n i t z , Friedrich A n t o n , F r h . v o n , preußischer S t a a t s m a n n 16t, 163 H e i n r i c h , Friedrich L u d w i g , P r i n z v o n Preußen, preußisdier Generalleutn a n t 69 f . , 105, 122 f . H e r s t a l 37 H e r t z b e r g , E w a l d Friedrich, G r a f von> preußischer S t a a t s m a n n 83 f. Hochkirch 50 H o f f a k t o r e n , H o f j u d e n 29, 161 H o h e n f r i e d b e r g 43 H u b e r t u s b u r g 52 H u g e n o t t e n 23, 95 H u m a n i s m u s 96 f . Idealismus 102 I n t e r v e n t i o n 110, 112 Jena 153, 155 J e s u i t e n 64 f . , 98 J o s e p h I . , römisch-deutscher Kaiser 10, 20, 34 J o s e p h I I . , römisch-deutscher K a i s e r 46, 52, 65 f . , 69 f f . , 82, 84, 92, 95,

106

Josephinismus. 63, 79 f f . , 84, 98 J u s t i z 56 f . , 62, 65, 76, 82, 90 K a n t , I m m a n u e l , P h i l o s o p h 96, 102, 105, 121 Karl VI., römisch-deutscher Kaiser 9 f . , 19 f f . , 24, 27, 34 K a r l F r i e d r i c h , G r o ß h e r z o g v o n Baden 158 Karl T h e o d o r , K u r f ü r s t von der Pfalz u n d B a y e r n 158 K a r l V I I . , Albrecht, römisch-deutscher K a i s e r , K u r f ü r s t v o n B a y e r n 40, 42f. Katharina II., Kaiserin von Rußland 52„ 69 f . , 74, 114, 124, 129 Kaunitz, Wenzel Anton Dominik, F ü r s t v o n , österreichischer S t a a t s m a n n 69, 72, 79, 109, 112, 114 Kesselsdorf 43 Kirche 63, 65, 78 f f . , 91, 95 f., 98 K o a l i t i o n 113 f f . , 125, 134 f . , 150, 154 K l e i n - S c h n e l l e n d o r f 40 f. K o b l e n z 115, 120 K o l b e r g 51 K ö l n 120 K o n t i n e n t a l s p e r r e 155 K r e f e l d 50 K u n e r s d o r f 50 Kursachsen 89 L a n d w i r t s c h a f t 66, 157 f f . Leibeigenschaft 90, 94, 157 Leibniz, G o t t f r i e d Wilhelm von, Gel e h r t e r u n d P h i l o s o p h 96, 100 Leoben 129, 132

167

L e o p o l d I . , römisch-deutscher K a i s e r 20 Leopold I I . , römisch-deutscher Kaiser 84 f . , 109 f f . , 114 L e u t h e n 49 L i b e r a l i s m u s 108 L i e g n i t z 51 L o b o s i t z 48 L u d w i g X I V . , K ö n i g von F r a n k r e i c h 8, 24, 58, 75 L u d w i g X V . , K ö n i g von F r a n k r e i c h 10, 42, 46 f., L u d w i g X V I . , K ö n i g von F r a n k r e i c h ! 67, 73, 109 f f . , 115, 118 | L u d w i g Friedrich C h r i s t i a n , Prinz j v o n P r e u ß e n , meist Louis F e r d i n a n d j g e n a n n t 155 j Luise Auguste W i l h e l m i n e Amalie, i K ö n i g i n v o n P r e u ß e n 156 L u n e v i l l e 137 M a i n z 119, 127, 131 f f . , 146 M a n n h e i m 127, 132, 135 M a n u f a k t u r e n 159 M a r e n g o 136 M a r i a T h e r e s i a , Deutsche K a i s e r i n , Königin von Ungarn und Böhmen, E r z h e r z o g i n v o n Österreich 10, 12, 21, 24, 35 f . , 38 f . , 41 f., 43 f . , 4 6 f . , 49 f f . , 60 f f . , 70 f . , 73, 77, 94, 106 Marlborough, John Churchill, Graf und H e r z o g v o n , englischer Feldherr u n d S t a a t s m a n n 36 M a x e n 50 Mecklenburg-Schwerin 88 f. M e r k a n t i l i s m u s 16, 22, 28 f . , 55, 66, 77, 86, 91, 93 f., 99, 157 f f . 1 M i n d e n 50 ; M ö l l e n d o r f , W i c h a r d Joachim H e i n rich v o n , p r e u ß i s d i e r G e n e r a l f e l d • marschall 123 M o l l w i t z 39 M ü n s t e r 50 M ü n z wesen 56, 161 N a p o l e o n I . , K a i s e r der F r a n z o s e n 128 f f . , 135 f . , 138 f . , 145 f f . , 150, 152 f f . , 156 f. N a t ü r l i c h e G r e n z e n 145 N a t u r w i s s e n s c h a f t 7, 97, 99 f . N e i ß e 40, 69 N i e d e r l a n d e 22, 62, 80, 84 f . , 129 Ö s t e r r e i c h 8, 1 9 f f . , 38, 7 6 f f . , 132, 147 O l m ü t z 50 O s t e n d e 22, 55 O s t f r i e s l a n d 43, 45, 54, 89 P a d u a 110 f. P a r c h w i t z 49 P a u l I . , K a i s e r v . R u ß l a n d 129, 133, 135

168

N a m e n - u n d Sachverzeichnis

Peter I . , der G r o ß e , Alexejewitsch, K a i s e r v o n R u ß l a n d 15, 19 Peter I I I . , Feodorowitsch, Kaiser von R u ß l a n d 52 Philipp V., Herzog von Anjou, König von Spanien 9 P h i l o s o p h i e 97 P h v s i o k r a t i s m u s , P h y s i o k r a t e n 6, 77 P i l l n i t z 110 f . P i r n a 48 Pius V I . , Giovanni Angelo, Graf Braschi 79 P o l e n 10, 6 7 f f . , 1 1 3 f f . , 1 2 1 f f . , 131, 156 P o l i t i s c h e T e s t a m e n t e 45, 59, 61, 68 P r a g 40, 49 P r a g m a t i s c h e S a n k t i o n 9 f . , 12, 21 f . , 27, 30, 34 f f . P r e ß b u r g 140, 151 P r e u ß e n 6, 9, 12 f f . , 47, 59, 85, 92, 127 P r e u ß i s c h - E y l a u 156 R a s t a t t 130 f f . , 134 R a t i o n a l i s m u s 8, 33, 78, 82, 96, 101 R e f o r m e n 61 f . , 76, 81, 90, 92, 99, 106 f f . , 144, 147, 153, 158 Reich 86 f f . , 106, 113, 153, 157 R e i d i e n b a c h 85, 108 R e i c h s d e p u t a t i o n s h a u p t s c h l u ß 137, 139 f . , 142 f . , 144, 152 R e l i g i o n 56, 83, 97, 101 R e n a i s s a n c e 97 R e t a b l i s s e m e n t 16, 29, 56, 162 R e v o l u t i o n 7, 85, 105 f f . , 145 Revolution, landwirtschaftliche und i n d u s t r i e l l e 7, 164 R h e i n b u n d 75, 151 f f . R h e i n g r e n z e 132 Robespierre, Maximilien, französischer R e v o l u t i o n ä r 119, 122 R u ß l a n d 9, 53, 68 f . , 126 S ä k u l a r i s a t i o n 97, 128, 131 f . , 137, 139 f . , 142 f f . Scharnhorst, Gerhard Johannes David v o n , p r e u ß i s c h e r G e n e r a l 156 Schlesien 36 f f . , 47, 54, 160 f . , 163 S c h ö n b r u n n 150, 154 Schule 57, 64 f . , 77 f . , 90 f . , 98 f f . S c h w e i d n i t z 49, 51 f . S e e n e u t r a l i t ä t 74 Sonnenfels, Joseph von, Schriftsteller 65, 78 S o o r 43 S t a a t s l e h r e 98, 103 Stadion, Johann Philipp Karl Joseph, G r a f v o n , österreichischer S t a a t s m a n n 148

Stanislaus I., Leszczynski, König von P o l e n 10—12 Stanislaus II., August, Poniatowski, K ö n i g v o n P o l e n 68 f . , 71, 114 S u a r e z , K a r l G o t t l i e b , J u r i s t 57 S u b s i d i e n 88, 161 S ü d p r e u ß e n 118 f . Tallcyrand-Périgord, Charles Maurice, H e r z o g von, Fürst von Benevent, Herzog von Dino, französischer D i p l o m a t 139, 150 T e c h n i k 7, 97, 99 f . T h a e r , A l b r e c h t v o n , L a n d w i r t 157 T h o r n 118 T h u g u t , Franz M a r i a , Frh. v o n , österreichischer S t a a t s m a n n 121, 124, 127, 129 f . , 133, 135 f f . T i l s i t 156 T o l e r a n z 64, 78, 95, 101 T o r g a u 51 T o s k a n a 12 T r i e s t 21, 55 T ü r k e i 68 f . T ü r k e n k r i e g 12, 19, 23, 81, 84 U l m 149 U n g a r n 23, 28, 40, 62, 80, 84 U n i v e r s i t ä t e n 100 U S A , siehe V e r e i n i g t e S t a a t e n v o n Amerika V a l m y 116 V e n e d i g 130 f f . , V e r e i n i g t e S t a a t e n v o n A m e r i k a 6, 58 V e r f a s s u n g 57 V o l t a i r e , eigentlich F r a n ç o i s Marie Arouet, französischer Geschichtsschreiber, P h i l o s o p h , K r i t i k e r , Gelehrter, Dichter, D r a m a t i k e r und R o m a n s c h r i f t s t e l l e r 33, 45, 71, lOOf. W a r s c h a u 124 W e s t f a l e n 163 W e s t m i n s t e r 46 Wilhelmine Friederike Sophie, Markg r ä f i n v o n B a y r e u t h 9, 31, 50 Wöllner, Johann Christoph von, preußischer S t a a t s m a n n 82, 85 W ü r t t e m b e r g 89 W ü r z b u r g 129 Z e n s u r 78, 83, 107 Z e v e n 49 Z n a i m 150 Z o r n d o r f 50 Z ü n f t e 29, 163

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S t a n d M ä r z 1958 Biologie 8 — Botanik 8 — Chemie 7 — Deutsche Sprache und Literatur 4 Elektrotechnik 9 —

Englisch 4 —

Erd- und Länderkunde 5 —

Franzö-

sisch 4 — Geologie 9 — Germanisch 4 — Geschichte 3 — Griechisch 5 Hebräisch 5 —

Hoch- und T i e f b a u I I —

Indogermanisch 4 —

Italie-

nisch 4 — Kristallographie 9 — Kunst 3 — L a n d - und Forstwirtschaft 9 Lateinisch 5 —

Maschinenbau

10 —

Mathematik 6 —

Mineralogie 9

Musik 3 — Pädagogik 2 — Philosophie 2 — Physik 7 — Psychologie 2 Publizistik 5 —

Religionswissenschaften 3 —

Soziologie 2 —

Technologie 8 —

Russisch 5 — Sanskrit 5

Volkswirtschaft 5 —

Wasserbau 11

Zoologie 8. Die Zahlen entsprechen den Seiten im Innern des H e f t e s ,

WALTER DE G R U Y T E R & CO. BERLIN W

35

Geisteswissenschaften Philosophie Einführung in die philosophie von H. l.eisegangf. 3. Aufl. 145 S. 1957 (281) Hauptprobleme der Philosophie von G. Simmel f . 7., unveränd. Aufl. 177 S. 1950 (500) Geschichte der Philosophie I : Die Griechische Philosophie von W. Capelle. 1. Teil. Von Thaies bis Leukippos. 2., erw. Aufl. 135 S. 1953 (857) II : Die griechische Philosophie von W. Capelle. 2. Teil. Von der Sophistik bis zum Tode Piatons. 2., stark erw. Aufl. 144 S. 1953 (858) I I I : Die griechische Philosophie von W. Capelle. 3. Teil. Vom Tode Piatons bis zur Alten Stoa. 2.,stark erw. Aufl. 132S. 1954. (859) I V : Die griechische Philosophie von W. Capelle. 4. Teil. Von der Alten Stoa bis zum Eklektizismus im 1. J h . v. Chr. 2., stark erw. Aufl. 132 S. 1954 (863) V : Die Philosophie des Mittelalters von J. Koch. In Vorb. (826) V I : Von der Renaissance bis Kant von K. Schilling. 234 S. 1954 (3941394 a) V I I : Immanuel Kant von G.Lehmann. In Vorb. (536) VIII : Die Philosophie des 19. J a h r hunderts von G. Lehmann. 1. Teil. 151 S. 1953 (571) I X : Die Philosophie des 19. J a h r hunderts von G. Lehmann. 2. Teil. 168 S. 1953 (709) X : Die Philosophie im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts I von G. Lehmann. 128 S. 1957 (845) Die geistige Situation der Zeit (1931) von K. Jaspers. 4., unveränd. Abdruck der 1932 bearb. 5. Aufl. 211 S. 1955 (1000) Erkenntnistheorie von G. Kropp. I. Teil: Allgemeine Grundlegung. 143 S. 1950 (807) Formale Logik von P. Lorenzen. 170 S. 1958 (117611176a) Philosophisches Worterbuch von M. 2

Apelf. 5. Aufl., neub. von P. Ludz. 315 S. 1958 (103111031a) Philosophische Anthropologie. Menschliche Selbstdeutung in Geschichte und Gegenwart von A4. Landmann. 266 S. 1955 (1561156a)

Pädagogik, Psychologie Soziologie Geschichte der Pädagogik von Herrn. Weimer. 12., neub. u. verm. Aufl. von Heinz Weimer. 177 S. 1956 (145) Therapeutische Psychologie. I hr Weg durch die Psychoanalyse von W. .VT. Kranefeldt. Mit einer Einführung von C. G. Jung. 3., unveränd. Aufl. 152 S. 1956 (1034) Allgemeine Psychologie von Th. Erismann. 3 Bde. I : Grundprobieme. 2., neub. Aufl. 144 S. 1958 (831) Soziologie. Geschichte und Hauptprobleme von L. von Wiese. 5. Aufl. 162 S. 1954 (101) Sozialpsychologie von P. R. Hofstätter. 181 S., 15 Abb., 22Tab. 1956 (1041104a) Psychologie des Berufs- und Wirtschaftslebens von W. Moede. 190 S., 48 Abb. 1958 (8511851a) Industrie- und Betriebssoziologie von R. Dahrendorf. I 2 0 S . 1956(103)

Religionswissenschaften Jesus von M. Dibelius-f. 2. Aufl. Unveränd. Nachdr. 137 S. 1949 (1130) Paulus von M. Dibeliusf. Nach dem Tode des Verfassers herausgegeben und zu Ende geführt von W. G. Kümmel. 2. Aufl. 155 S. 1956 (1160) Römische Religionsgeschichte von F. Altheim. 2 Bde. 2., umgearb. Aufl. I : Grundlagen und Grundbegriffe. 116 S. 1956 (1035) II: Der geschichtliche Ablauf. 164 S . 1956 (1052) Geschichte Israels von E. L. Ehrlich. 158 S., 1 Taf. 1958 (2311231a)

Musik Musikästhetik von H. J. Moser. 180 S. 1953 (344) Systematische Modulation von R. Hernried. 2. Aufl. 136 S. 1950 (1094) Der polyphone Satz von E. Pepping. 2 Bde. 1. Teil: Der cantus-firmus-Satz. 2. Aufl. 223 S. 1950 (1748) 2. Teil: Übungen im doppelten K o n t r a p u n k t und im Kanon. 137 S. 1957 (116411164a) Allgemeine Musiklehre von H. J. Moser. 2., durchges. Aufl. 155 S. 1955 (2201220a) Harmonielehre von H. J. Moser. 2 Bde. 1: 109 S. 1954 (809) Die Musik des 19. Jahrhunderts von W. Oehlmann. 180 S. 1953 (170) Die Musik des 20. Jahrhunderts von W. Oehlmann. 1958 In Vorb. (1711171a) Technik der deutschen Gesangskunst von H. J. Moser. 3., durchges. und verb. Aufl. 144 S., 5 Flg. 1954 (5761576a) Die Kunst des Dirigierens von H. W. von Waltershausen-]:. 2. Aufl. 138 S. 1954 (1147) Die Technik des Klavierspiels aus dem Geiste des musikalischen Kunstwerkes von K. Schubertf 3. Aufl. 110 S. 1954 (10451

Kunst Stilkunde von H. Weigert. 2 Bde. 3., durchges. Aufl. I : Vorzeit, Antike, Mittelatter. 136 S„ 94 Abb. 1958 (80) I I : Spätmittelalter und Neuzeit. 150 S„ 88 Abb. (Bd. 781) Archäologie von A. Rumpf. 2 Bde. I : Einleitung, historischer Uberblick. 143 S., 6 Abb., 12 Taf. 1953 (538) I I : Die Archäologensprache. Die antiken Reproduktionen. 136 S., 7 Abb., 12 Taf. 1956 (539)

Geschichte Einführung in die Geschichtswissenschaft von P. Kirn. 2. Aufl. 121 S. 1952 (270) Zeltrechnung d . röm. Kaiserzeit, des Mittelalters und der Neuzeit

für die Jahre 1—2000 n. Chr. von H. Lietzmannf. 3. Aufl., durchges. von K. Aland. 130 S. 1956 (1085) Kultur der Urzeit von F. Behn. 3 Bde. 4. Aufl. der „ K u l t u r der Urzeit" Bd. I—III von M. Hoernes. I: Die vormetallischen Kulturen. (Die Steinzeiten Europas. Gleichartige Kulturen in anderen Erdteilen.) 172 S„ 48 Abb. 1950 (564) 11: Die älteren Metallkulturen. (Der Beginn der Metallbenutzung. Kupfer- und Bronzezeit in Europa, im Orient und in Amerika). 160 S., 67 Abb. 1950 (565) I I I : Die jüngeren Metallkulturen. (Das Eisen als Kulturmetall. Hallstatt-Latfene-Kultur in Europa. Das erste Auftreten des Eisens in den anderen Erdteilen.) 149 S., 60 Abb. 1950 (566) Vorgeschichte Europas von F. Behn. Völlig neue Bearbeitung der 7. Aufl. der „Urgeschichte der Menschheit" von M. Hoernes. 125 S., 47 Abb. 1949 (42) Der Eintritt der Germanen In die Geschichte von J. Haller. 3. Aufl., durchges. von H. Dannenbauer. 120 S., 6 Ktnskizz. 1957 (1117) Von den Karolingern zu den Staufern von J. Haller t- Die altdeutsche Kaiserzeit (900—1250). 4., durchges. Aufl. von H. Dannenbauer. 142 S. 1958 (1065) Deutsche Geschichte Im Zeitalter der Reformation, der Gegenreformation und des 30 jährigen Krieges von F. Härtung. 129 S. 1951 (1105) Deutsche Geschichte von 1648 bis 1740 von W. Treue. 120 S. 1956 (35) Deutsche Geschichte von 1713 bis 1806 von W. Treue. 168 S. 1957 (39) Quellenkunde der deutschen Geschichte im Mittelalter (bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts) von K. Jacob f . 3 Bde. I I : Die Kaiserzeit (911 — 1250). 4. Aufl. 127 S. 1949 (280) I I I : Das Spätmittelalter (vom Interregnum bis 1500). Herausgeg. von F. Weden. 152 S. 1952 (284) Geschichte Englands von H. Preller. I: bis 1815. 3., stark umgearb. Aufl. 135 S., 7 Stammtaf., 2 K t n . 1952 (375) I I : von 1815 bis 1910. 2., völlig 3

u m g e a r b . A u f l . 118 S., 1 S t a m m t a f . , 7 K t n . 1954 (1088) Römische Geschichte v o n F. Auheim. 4 Bde. 2., v c r b . A u f l . I : Bis zur Schlacht bei P y d n a (168 v . Chr.). 123 S. 1956 (19) I I : Bis zur Schlacht bei A c t i u m (31 v . Chr.). 130 S. 1956 (677) I I I : Bis zur Schlacht an der M i l vischen B r ü c k e (312 n. Chr.). 144 S. 1958 (679) Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika v o n O. Graf zu Stolberg-Wernigerode. 192 S., 10 K t n . 1956 (105111051a)

Deutsche Sprache und

Literatur

Geschichte der deutschen Sprache v . H. Sperber. 2. A u f l . , durchges. v . W. Fleischhauer. 128 S. 1958. (915) Deutsches Rechtschrelbungswörterbuch v o n M. Gottschald. 2., v e r b . A u f l . 269 S. 1953 (2001200a) Deutsche Wortkunde. Eine kulturgeschichtliche Betrachtung des deutschen W o r t s c h a t z e s v o n A. Schirmer. 3., durchges. A u f l . 109 S. 1949 (929) Deutsche Sprachlehre v o n W. Hofstaetter. 9., neubearb. A u f l . v o n 0. Spree. 144 S. 1953 (20) Stimmkunde f ü r Beruf, K u n s t und H e i l z w e c k e von H. Biehle. IIIS. 1955 (60) Redetechnik. E i n f ü h r u n g in die R h e t o r i k v o n H. Biehle. 115 S. 1954

(61)

Sprechen und Sprachpflege ( D i e K u n s t des Sprechens) v . H. Feist.2., v e r b . A u f l . 99 S., 25 A b b . 1952 (1122) Deutsches Dichten und Denken von der germanischen bis zur staufischen Zeit v o n H. Naumann. (Deutsche Literaturgeschichte vom 5. — 1 3 . Jahrhundert). 2., v e r b . A u f l . 166 S. 1952 (1121) Deutsches Dichten und Denken vom Mittelalter zur Neuzelt v o n G. Müller (1270—1700). 2., durchges. A u f l . 159 S. 1949 (1086) Deutsches Dichten und Denken von der A u f k l ä r u n g bis zum Realismus v o n K . Vietorf ( 1 7 0 0 — 1 8 9 0 ) . 3., durchges. A u f l . v o n G. Erdmann. 1 9 S. 1958 (1096) Der Nibelunge Nöt in A u s w a h l mit kurzem W ö r t e r b u c h v o n K . Lan-

4

gosch. 10., durchges. A u f l . 164 S. 1956 ( I ) K u d r u n - und Dietrich-Epen in Ausw a h l m i t W ö r t e r b u c h v o n O. L. Jiriczek. 6. A u f l . b e a r b . v o n R. IVisniewski. 173 S. 1957. (10) W o l f r a m von Eschenbach. Parzival. Eine A u s w a h l m i t A n m e r k . und W ö r t e r b u c h . V o n H. Jantzen. 2. A u f l . , b e a r b . v o n H. Kolb. 128 S. 1957 (921) Hartmann von A u e v o n F. Maurer. 1958. In V o r b . (18) Die deutschen Personennamen v o n M. Gottschald. 2., v e r b . A u f l . 151 S. 1955 (422) Althochdeutsches Elementarbuch und W. Betz. v o n H. Naumannt 2. A u f l . 156 S. 1954 (1111) Mittelhochdeutsche Grammatik v o n H. de Boor und R. Wisniewski. 141 S. 1956 (1108)

Indogermanisch,

Germanisch

Gotisches Elementarbuch. G r a m m a tik, T e x t e m i t U b e r s e t z u n g und Erläuterungen v o n H. Hempel. 2., umgearb. A u f l . 165 S. 1953 ( 79) indogermanische Sprachwissenschaft v o n H. Krähe. 2 B d e . 3. A u f l . I : E i n l e i t u n g und L a u t l e h r e . 106 S. 1958. (59) Germanische Sprachwissenschaft v o n H. Krähe. 2 Bde. 3., neub. Aufl. I : E i n l e i t u n g und L a u t l e h r e . 147 S. 1956 (238) I I : F o r m e n l e h r e . 149 S. 1957 (780) Altnordisches Elementarbuch v o n F. Ranke. S c h r i f t t u m , Sprache, T e x t e m i t Ü b e r s e t z u n g und W ö r t e r buch. 2., durchges. A u f l . 146 S. 1949 (1115)

Englisch, Französisch Italienisch Altenglisches Elementarbuch v o n M. Lehnert. E i n f ü h r u n g , G r a m m a tik, T e x t e m i t Ü b e r s e t z u n g und W ö r t e r b u c h . 3., v e r b . A u f l . 178 S. 1955 (1125) Historische neuenglische Laut- und Formenlehre v o n E.Ekwall. 3.,durchges. Aufl. 150 S. 1956 (735) Englische Phonetik v o n H. Mutschmann f . 117 S. 1956 (601)

Englische Literaturgeschichte. 4Bde. I : Die alt- und mittelenglische Periode v. F. Schubel. 163 S. 1954 (11U) I I : Von der Renaissance bis zur Aufklärung von F. Schubel. 160 S. 1956 (1116) I I I : Romantik und Viktorianismus v. P. Meissner-f. 150 S. 1938 (7124) I V : Das 20. Jahrhundert von P. Meissnert. 150 S. 1939 (1136) Beowulf von M. Lehnert. Eine Auswahl mit Einführung, teilweiser Obersetzung, Anmerkungen und etymologischem Wörterbuch. 2., verb. Aufl. 135 S. 1949 (1135) Shakespeare von P . Meissner f . 2. Aufl. neubearb. von M. Lehnert. 136 S. 1954 (1142) Italienische Literaturgeschichte von K. Vossler-f. Unveränd. Nachdr. der I927 erschien. 4., durchges. und verb. Aufl. 148 S. 1948 (125) Romanische Sprachwissenschaft von H. Lausberg. 2 Bde. 1956. I : Einleitung und Vokalismus. 160 S. (1281128a) I I : Konsonantismus. 95 S. (250)

I : Schrift-, Laut- und Formenlehre I. 157 S. 1952 (7631763a) I I : Formenlehre I I . Svntax und Flexionstabellen. 195 S. 1955 (7641764a) Sanskrit-Grammatik von M. Mayrhofen 89 S. 1953 (1158) Russische Grammatik von E. Berneker. 6., unveränd. Aufl. von M. Vasmer. 155 S. 1947 (66)

Griechisch, Lateinisch

Allgemeine Betriebswirtschaftslehre von K. Melleromcz. 3 Bde. 9., unveränd. Aufl. I : 142 S. 1956 (1008) I I : 112 S. 1956 (1153) I I I : 143 S. 1956 (1154) Allgemeine Volkswirtschaftslehre von A. Paulsen. 4 Bde. 2., durchges. u. erg. Aufl. I : Grundlegung, Wirtschaftskreislauf. 140 S. 1958 (Bd. 1169) I I : Haushalte, Unternehmungen, Marktformen. 163 S. 32 Abb. 1958 (1170) Zeltungslehre von E. Dovifat. 2 Bde. 3., neubearb. Aufl. I : Theoretische und rechtliche Grundlagen — Nachricht und Meinung — Sprache und Form. 148 S. 1955 (1039) 11: Redaktion — Die Sparten Verlag und Vertrieb, Wirtschaft und Technik, Sicherung der öffentlichen I Aufgabe. 158 S. 1955 (1040)

Griechische Sprachwissenschaft von W. Brandenstein. 2 Bde. I : Einleitung, Lautsystem, Etymologie. 160 S. 1954 (117) Geschichte der griechischen Sprache. 2 Bde. I : Bis zum Ausgang der klassischen Zeit von O. Hoff mann f . 3. Aufl. bearb. von A. Debrunner^. 156 S. 1954 (111) I I : Grundfragen und Grundzüge des nachklass. Griechisch. Von A. Debrunner. 144 S. 1954 (114) t Geschichte der lateinischen Sprache von F. Stolzf. 3-, stark umgearb. Auflage von A. Debrunner+. 136 S. 1953 (492)

Hebräisch, Sanskrit, Russisch

Hebräische Grammatik von G. Beeri. 2 Bde. 2., völlig neub. Aufl. von R. Meyer.

Erd- und Länderkunde Afrika von F. Jaeger. Ein geograph. Überblick. 2 Bde. 2., umgearb. Aufl. 1: Der Lebensraum. 179 S., 18 Abb. 1954 (910) I I : Mensch und Kultur. 152 S., 6 Abb. 1954 (911) Australien und Ozeanien von H. J. Krug. 176 S., 46 Skizz. 1953 (319) Kartenkunde von M. Eckert-Greifendorfff. 3., durchges. Aufl. von W. Kleffner. 149 S., 63 Abb. 1950 (301

Volkswirtschaft, Publizistik

Naturwissenschaften Mathematik Geschichte der Mathematik von J. E. Hofmann. 3 Bde. I : Von den Anfängen bis zum Auftreten von Fermat und Descartes. 200 S. 1953 (226) 11: Von Fermat und Descartes bis zur Erfindung des Calculus und bis zum Ausbau der neuen Methoden. 109 S. 1957 (875) I I I : Von den Auseinandersetzungen um den Calcuius bis zur Französischen Revolution. 107 S. 1957 (882)

Mathematische Formelsammlung' von F. Ringleb. Vollst, umgearb. Neuausg. des Werkes von O. Th. Bürklen. 6., erw. Aufl. 278 S., 53 Fig. 1956 (51151a) Fünfstellige Logarithmen von A. Adler. Mit mehreren graphischen Rechentafeln und häufig vorkommenden Zahlwerten. 2. Aufl. Neudr. 127 S., 1 Taf. 1949 (423) Arithmetik von P. B. Fischer f . 3. Aufl. von H. Rohrbach. 152 S. 1958 (47) Höhere Algebra von H. Hasse. 2 Bde. 4., durchges. Aufl. I : Lineare Gleichungen. 152 S. 1957 (931) I I : Gleichungen höheren Grades. 158 S., 5 Fig. 1958 (932) Aufgabensammlung zur höheren Algebra von H. Hasse und W. Klobe. 2., verb. und verm. Aufl. 181 S. 1952 (10821 Elementare und klassische Algebra vom modernen Standpunkt von W. Krull. 2 Bde. 2., erw. Aufl. 1: 136 S. 1952 (930) I I : In Vorb. 1958 (933) Einführung in die Zahlentheorie von A. Scholzf. Uberarb. und herausgeg. von B. Schoeneberg. 2. Aufl. 128 S. 1955 (1131) Elemente der Funktionentheorie von K. Knopp f . 4. Aufl. 144 S., 23 Fig. 1955 (1109) Funktionentheorie von K. Knopp f . 2 Bde. I : Grundlagen der allgem. Theorie der analytischen Funktionen. 9.,

6

neub. Aufl. 144 S., 8 Fig. 1957 (668) I I : Anwendungen und Weiterführung der allgemeinen Theorie. 8./9. Aufl. 130 S., 7 Fig. 1955 (703) Aufgabensammlung zur Funktionentheorie von K. Knoppf. 2 Bde. I : Aufgaben zur elementaren Punktionentheorie. 5. Aufl. 135 S. 1958 (877) I I : Aufgaben zur höheren Funktionentheorie. 4. Aufl. 151 S. 1949 (878) Gewöhnliche Differentialgleichung gen von G. Hoheisel. 5., durchges. Aufl. 129 S. 1956 (920) Partielle Differentialgleichungen v. G. Hoheisel. 3., neub. Aufl. 130 S. 1953 (1003) Aufgabensammlung zu den gewöhnlichen und partiellen Differentialgleichungen von G. Hoheisel. 2., umgearb. Aufl. 124 S. 1952 (1059) Integralgleichungen vonG. Hoheisel. 2., durchges. Aufl. 1958 In Vbrb. (1099) Mengenlehre von E. Kamke. 3., neub. Auflage. 194 S., 6 Fig. 1955 (9991999a) Gruppentheorie von L. Baumgartner. 3., neub. Aufl. 1958. In Vorb. (8371837a) Ebene und sphärische Trigonometrie von G. Hessenberg. 5. Aufl., durchges. von H. Kneser. 172 S., 60 Fig. 1957 (99) Darstellende Geometrie von W. Haack. 3 Bde. I : Die wichtigsten Darstfellutigsmethoden. Grund- und Aufriß ebenflächiger Körper. 2., durchges. u. erg. Aufl. 1 1 3 S . 1958 (\42) I I : Körper mit kriimmtn Begrenzungsflächen. Kotierte Projektionen. 129 S., 86 Abb. 1964 (143) 111: Axonometrie und Perspektive. 127 S., 100 Abb. 1957 (144) Analytische Geometrie vön K. P. Grotemeyer. 201 S., 73 Abb. 1958 (65165a) Sammlung von Aufgaben und Beispielen zur analytischen Geometrie der Ebene von R. Haussnerf. Mit den vollständigen Lösungen. 139 S., 22 Fig. Neudr. 1949 (756)

Nichteuklidische Geometrie. H y p e r bolische G e o m e t r i e der E b e n e . V o n 3., v e r b . A u f l . , durchR. Baldusf. ges. und herausgeg. v o n F. Löbell. 140 S „ 70 F i g . 1953 (970) Differentialgeometrie v o n K. Strubecker ( f r ü h e r R o t h e ) . 3 Bde. I : K u r v e n t h e o r i e der E b e n e und des Raumes. 150 S., 18 Fig. 1955 (111311113a) II: T h e o r i e der Flächenmetrik. 195 S., 14 F i g . 1958 (117911179a) I I I : T h e o r i e der F l ä c h e n k r ü m m u n g . 1958 In V o r b . (11801 1180a) Einführung in die konforme Abbildung v o n L. Bieberbach. 5., e r w . A u f l . 180 S., 42 F i g . 1956 (7681768a) Vektoren und Matrizen v o n S. Valentiner. 8., e r w . A u f l . der „ V e k t o r analysis". Mit Anh.: Aufgaben zur V e k t o r r e c h n u n g v o n H. König. 202 S., 35 F i g . 1958 (3541354a) Vermessungskunde v o n P. Werkmeister. 3 Bde. I : S t ü c k m e s s u n g und N i v e l l i e r e n . 10., v o l l . neub. A u f l . v o n W. Grossmann. 140 S., 117 F i g . 1958 (468) 11: Messung v o n H o r i z o n t a l w i n k e l n . Festlegung v o n P u n k t e n im K o o r d i n a t e n s y s t e m . A b s t e c k u n g e n . 7. A u f l . 151 S., 93 F i g . 1949 (469) I I I : T r i g o n o m e t r i s c h e und barometrische H ö h e n m e s s u n g . T a c h y metrie und T o p o g r a p h i e . 6. A u f l . 147 S., 64 F i g . 1949 (862) Verslctierungsmattiematik v o n F. Böhm. 2 B d e . I: E l e m e n t e der Versicherungsrechnung. 3., v e r m . und v e r b . A u f l . Durchges. N e u d r . 151 S. 1954 (180) II: Lebensversicherungsmathematik. E i n f ü h r u n g in die technischen Grundlagen der Sozialversicherung. 2.,verb. A u f l . 2 0 5 S . 1953 (9171917a)

Physik Einführung in die theoretische Physik v o n W. Döring. 5 B d e . 1: Mechanik. 119 S., 29 A b b . 1954 (76) 11: Das e l e k t r o m a g n e t i s c h e Feld. 123 S., 15 A b b . 1955 (77) I I I : O p t i k . 117 S., 32 A b b . 1956 (78)

I V : T h e r m o d y n a m i k . 107 S., 9 A b b . 1956 (374) V : Statistische M e c h a n i k . 114 S., 12 A b b . 1957 (1017) Atomphysik v o n K. Bechert und Ch. Gerthsenf. 7 Bde. 3., u m g e a r b . A u f l . I : A l l g e m e i n e Grundlagen. 1. T e i l . 124 S., 55 A b b . 1955 (1009) I I : A l l g e m e i n e Grundlagen. 2. T e i l . 112 S., 48 A b b . 1955 (1033) I I I : T h e o r i e des A t o m b a u s . 1. T e i l . 148 S., 16 A b b . 1954 (112311123a) I V : T h e o r i e des A t o m b a u s . 2. T e i l . 170 S., 14 A b b . 1954 (116511105a) Differentialgleichungen der Physik von F. Sauter. 3., durchges. LI. erg. A u f l . 147 S.,16 Fig. 1958 (1070) Physikalische Formelsammlung v o n G. Mahlert und K. Mahler. 9., durchges. A u f l . 153 S., 69 F i g . 1955 (136) Physikalische Aufgabensammlung v o n G. Mahler-f. Neub. von K. Mahler. M i t den E r g e b n . 9., durchges. A u f l . 127 S., 1957 (243)

Chemie Geschichte der Chemie in kurzgef a ß t e r Darstellung v o n G. Lockemann. 2 B d e . I : V o m A l t e r t u m bis zur E n t d e k kung des Sauerstoffs. 142 S., 8 B i l d n . 1950 (264) I I : V o n der E n t d e c k u n g des Sauers t o f f s bis zur G e g e n w a r t . 151 S., 16 Bildn. 1955 (2651265a) Anorganische Chemie von W. Klemm. 10., durchges. und erg. A u f l . 185 S., 18 A b b . 1958 (37) Organische Chemie v o n W. Schlenk. 7., erw. A u f l . 269 S., 16 A b b . 1957 (38138 a) Allgemeine und physikalische Chemie v o n W. Schulze. 2 Bde. 4., neubearb. A u f l . I : 139 S., 10 F i g . 1955 (Bd. 71) I I : 176 S., 37 Fig. 1956 (6981698a) Molekülbau. T h e o r e t i s c h e G r u n d lagen und M e t h o d e n der S t r u k t u r e r m i t t l u n g v o n W.Schulze. 123 S., 43 Fig. 1958 (Bd. 786) Physikalisch-Chemische Rechenaufgaben v o n E. Asmus. 3., v e r b . A u f l . 96 S. 1958 (445) Analytische Chemie von J. Hoppe. 2 B d e . 5., v e r b . A u f l . 7

I : R e a k t i o n e n . 135 S. 1950 (247) I I : G a n g der q u a l i t a t i v e n A n a l y s e . 166 S. 1950 (248) Maßanalyse. T h e o r i e und P r a x i s der klassischen und der e l e k t r o c h e m i schen T i t r i e r v e r f a h r e n . V o n G. Jander und K. F. Jahr. 7., erg. A u f l . 303 S., 50 F i g . 1956 (2211221a) Thermochemie von W. A. Roth. 2., verb. A u f l . 109 S., 16 Fig. 1952 (1057) Stöchiometrische Aufgabensammlung. M i t den E r g e b n . v o n W. Bahrdtf und R. Scheer. 6 . , d u r c h g e s . A u f l . 118 S. 1957 (452) Elektrochemie und ihre physikalisch-chemischen Grundlagen v o n A. Dossier. 2 Bde. I : 149 S., 21 A b b . 1950 (252) I I : 178 S., 17 A b b . 1950 (253)

Grundriß der allgemeinen Mikrobiologie v o n W. Schwanz. 2 Bde. I : 104 S., 17 A b b . 1949 (1155) I I : 93 S., 12 A b b . 1949 (1157) Symbiose der Tiere mit pflanzlichen Mikroorganismen v o n P. Buchner. 2., v e r b . und v e r m . A u f l . 130 S. 121 A b b . 1949 (1128)

Botanik

Entwicklungsgeschichte des P f l a n zenreiches v o n H. Heil. 2. A u f l . 138 S., 94 A b b . , 1 T a b . 1950 (1137) Morphologie der Pflanzen v o n L. Geitler. 3. A u f l . 126 S., 114 A b b . 1953 (141) Pflanzengeographie von L. Diels f . 5., v o l l . neub. A u f l . v o n F. Mattick. 196 S., 2 K t n . 1958 (3891389a) Die Laubhölzer. K u r z g e f a ß t e B e schreibung der in M i t t e l e u r o p a geTechnologie deihenden L a u b b ä u m e und SträuWarenkunde v o n K. Hassakf und cher. V o n F. W. Negerf und E. £. Beutel-f. 2 Bde. Münchf. 3., durchges. A u f l . herausI : Anorganische W a r e n sowie K o h l e geg. v o n B. Huber. 143 S., 63 Fig. und Erdöl. 8 . A u f l . neubearb. v o n A. 7 T a b . 1950 (718) Kutzelnigg. 119 S., 17 F i g . 1 9 5 8 ( 2 2 2 ) Die Nadelhölzer (Koniferen) und I I : Organische Waren. 7. A u f l . übrigen Gymnospermen v o n F. W. neubearb. v o n A. Kutzelnigg. 143 S., Negerj und E. Münchf. 4. A u f l . , 32 Fig. 1949 (2231 durchges. und erg. v o n B. Huber. Die Fette und Öle v o n K. Braun +. 140 S., 75 Fig., t T a b . , 3 K t n . 1952 5., v ö l l i g neubearb. und v e r b . A u f l . (355) von T/i. Klug. 145 S. 1950 (335) Kuckuck Die Seifenfabrikation von K . Pflanzenzüchtung v o n H. Braun f . 3., neubearb. und v e r b . 2 Bde. A u f l . v o n T/i. Klug. 116 S., 18 A b b . I : G r u n d z ü g e der P f l a n z e n z ü c h t u n g . 3., v ö l l i g u m g e a r b . A u f l . 1953 (336) 132 S., 22 A b b . 1952 (1134) Textilindustrie Spez. g a r t e n b a u l . Pflanzen1: Spinnerei und Z w i r n e r e i . V o n I I : züchtung. 178 S., 27 A b b . 1957 A. Blümcke. 111 S., 43 A b b . 1954 (117811178a) (184)

Biologie Einführung in die allgemeine Biologie v o n M. Hartmann. 132 S., 2 A b b . 1956 (961 Hormone v o n G. Koller. 2., neubearb. und erw. A u f l . 187 S., 60 A b b . , 19 T a b . 1949 (1141) Fortpflanzung im Tier- und P f l a n zenreich von J. Hämmerling. 2., erg. A u f l . 135 S „ 101 A b b . 1951 (1138) Geschlecht und Geschlechtsbestimmung im Tier- und Pflanzenreich von M. Hartmann. 2., v e r b . A u f l . 116S., 61 A b b . , 7 T a b . 1951 (1127) 8

Zoologie Entwicklungsphysiologie der Tiere v o n F. Seidel. 2 B d e . I : Ei und Furchung. 126 S., 29 A b b . 1953 (1162) I I : K ö r p e r g r u n d g e s t a l t und O r g a n bildg. 159S., 4 2 A b b . 1953 (1163) Das Tierreich. F i s c h e v o n D. Lüdemann. 130 S., 65 A b b . 1955 (356) I n s e k t e n v o n H. von Lengerken 128 S., 58 A b b . 1953 (594) L u r c h e ( C h o r d a t i e r e ) v o n K . Herter. 143 S., 129 A b b . 1955 (847)

S p i n n e n t i e r e (Trilobitomorphen, Fühlerlose) und Tausendfüßler, von A. Kaestner. 96 S., 55 Abb. 1955 • C o .

Hochinteressant ist in diesem Zusammenhang Reshevskys objektive Schilderung seiner Schachlaufbahn vom Wunderkind %um Großmeister. Auch er ist ein hervorragender Interpret eigener Partien. Seim allgemeinen Betrachtungen sind ebenfalls sehr lehrreich. A. Brinckmann würdigt den vor einigen Jahren verstorbenen »Großmeister Bogoljubow«, der zwar im Wettkampf mit Aljechin unterlag, aber %u den größten Meistern der Neuheit ?ählt. Dem Gedenken Klaus Junges, dem hoffnungsvollsten deutschen Nachwuchstalent der Kriegsbeil, mit nur kurzer, aber umso glänzenderer Laufbahn ist Budrich'Schuhes sehr empfehlenswertes Büchlein » Das war Klaus Junge« gewidmet. Carl Carls, der Schöpfer der Bremer Partie, hat viele schöne Partien gespielt, die in dem von K. Richter bearbeiteten Buch lebendig werden. Gleichzeitig vermittelt der Rückblick auf Carls' Schachlaufbabn interessante historische Eindrücke. A. A L J E C H I N (Alekhine), Auf dem Wege zw

Weltmeisterschaft

(1923—1927) 2. Auflage. Oktav. Mit 100 Partien und 173 Diagrammen. VIII, 226 Seiten. 1955. Kartoniert D M 9,80 „Auf dem Wege zur Weltmeisterschaft ist in besonderem Maße bezeichnend für das Schaffen Aljechins überhaupt. Das Buch liest sich beinahe romanhaft." Schweizerische Schachzeitung S. R E S H E V S K Y , Meine Schachkarriere Mit 80 ausgewählten Partien. Oktav. 210 Seiten. 1957. Kartoniert D M 12,80 „. . . sehr aufschlußreich in vieler Beziehung für den Schachleser sind die Schilderungen über die einzelnen Turniere

Berlin IV ¡j

und Begegnungen mit den Großen wie Aljechin, Capablanca, Lasker und Botwinnik. A m wertvollsten jedoch sind die Erläuterungen der 80 Partien." Der Nußknacker A . B R I N C K M A N N , Großmeister Bogoljubow Oktav. Mit zahlreichen Abbildungen und Stellungsbildern. 107 Seiten. 1953. Kartoniert D M 5,50 „Eine Sammlung der besten Partien des allseitig beliebten und geschätzten Großmeisters, in der vorzüglichen und zum Teil humorvollen Glossierungskunst Alfred Brinckmanns." Deutsche Nachrichten, Sao Paulo B U D R I C H / S C H U L T E , Das war Klaus Junge Partien und Aufzeichnungen. Gewidmet den jugendlichen Schachspielern in aller Welt. Oktav. 97 Seiten. 1956. Kartoniert D M 8,80 „ E i n Erinnerungsbuch zum Gedächtnis des begabtesten deutschen Jungmeisters, der am 27. April 194; mit 21 Jahren . . . fiel. In wenigen Jahren stieg er zur Weltklasse auf. Das Buch eignet sich vor allem für unsere Jugend zu Geschenkzwecken." Schachecho K . R I C H T E R , Carl Carls und die ,.Bremer Partie' 60 Jahre Schacherinnerungen. Mit einer Vorrede von A l f r e d B r i n c k m a n n . Herausgegeben von K u r t R i c h t e r . Oktav. 1 1 3 Seiten und 2 Abbildungen. 1957. Kartoniert D M 7,80 „Das empfehlenswerte Buch. . . weiß dem Menschen und Schachmeister Carls ein seinen Leistungen und Verdiensten entsprechendes Denkmal zu setzen." Aachener Volkszeitung

Walter dt Gruyter & Co.

-^^ehacfupatiten. Poeme Hnd Pro« In der Mitte zwischen Belehrung und Unterhaltung stehen Partiesammlungen nach verschiedenen Gesichtspunkten. Tiefschürfend sind des jetzigen Exweltmeisters Botwinniks Erläuterungen zu seinen Partien aus dem i. Wettkampf mit Smyslow 19 f 4, ein Genuß für Kenner. Dr. Tartakotver, einer der amüsantesten Plauderer und geistreichsten Köpfe im Reiche Caissas, zeigt eine Anzahl seiner schönsten Partien mit originellen und witzigen Zwischentexten. Mit ungarischem Temperament führt uns der Budapester Experte

W. Ä. Földeäk in die Zauberveit der Glanz-

partien mit ihren schönen Kombinationen — eine prächtige Unterhaltung. Ein gewisses Gegenstück dazu bringt A. Brinckmann in einer Sammlung prägnanter Kurzpartien, hier entlädt sich die Dramatik des Scbacbkampfes sozusagen mit explosiver Kraft.

Ganz anders geartet ist das

Buch über das größte Fernturnier der Nachkriegszeit: das »Dr. Dyckboff Fernschach-Gedenkturnier«. Fernschachpartien großer Meister sind naturgemäß meist tiefer angelegt als Partien am Brett und ermöglichen deshalb Kombinationen, die man sonst kaum antreffen würde. Ähnliches gilt hier für die subtile Behandlung der Aufbauprobleme. Ein bedeutsames Werk. M. M. B O T W I N N I K , Der Scbacbwettkampf Botwimik—Smyslow um die Weltmeisterschaft im Jahre 1954 in Moskau. Deutsche Übersetzung von Dr. H. L e h m a n n . Oktav. 100 Seiten. 1957. Kartoniert D M 6,80 Die Arbeit Botwinniks, die hier als erste in deutscher Sprache vorgelegt wird — die vierundzwanzig ausfuhrlich kommentierten Partien des Wettkampfes um dieWeltmeisterschaft gegen Smyslow im Jahre 1954 — ist zugleich seine neueste.

Berlin V }f

T A R T A K O W E R S Glanzpartien

190;—1930

Eine Auswahl seiner besten Schachpartien aus den Jahren 1905—1930, von ihm selbst erläutert; zugleich ein unsystematisches Lehrbuch der Eröffnungsspiele und der allgemeinen Strategie. Oktav. 227 Seiten. 1956. Kartoniert D M 12,— „In der vorliegenden Neuerscheinung findet sich eine Auswahl der besten Schachpartien des bekannten Meisters, das gleichzeitig ein Lehrbuch der Eröffnungstheorie, der Endspiele und allgemeinen Strategie genannt werden könnte." Union —• Post W. A. F Ö L D E Ä K , 100 preisgekrönte Schachpartien Oktav. VIII, 135 Seiten. 1952. Kartoniert D M 6,80 „Wem die künstlerische Seite des Schachs besonders am Herzen liegt und wer sich beste schachliche Unterhaltung verschaffen will, der greife zu dem Werk." Freie Presse A. B R I N C K M A N N , Matt in zwanzig Zügen Einfälle und Reinfälle. Ein Lehr- und Lesebuch! Oktav. 70 Partien mit 72 Diagrammen. 87 Seiten. 1955. Kartoniert D M 6,80 „Für erprobte Schachspieler ein schachtheoretisch exakt durchdachtes, dabei erfrischend undogmatisches Nachspielheft." Bücherei und Bildung Dr. D Y C K H O F F FERNSCHACHGEDENKTUR NIER 19)4! 19/6 Herausgegeben von H a n s - W e r n e r v o n M a s s o w und Eberhardt Wilhelm. Mit 180 Diagrammen, 39 Fotos, 170 ausgew. Partien, Tabellen, Endspielregister, 246 Seiten. 1958. D M 12,80

Walter Je Grujter eV Co.

Rund

jsiiicke um öai Schachbrett

^^eäien/teiien

An Versuchen, dem ernsten Schachspiel auch eine lustige Seite abzugewinnen, hat es nicht gefehlt. Dr. Fabeis Buch » Rund um das Schachbrett« bringt eine eigenartige Mischung von Abnormitäten des königlichen Spiels, Essays, Kompositionen und lustigen Zeichnungen — am Rande des Schachbretts. Köstliche Seltenheiten l In gewisser Weise ergänzt der Wiener Altmeister Dr. Krejcik in »Mein Abschied vom Schach« das Fabel'sehe Werk. Witzige Probleme und geistreiche Partieendungen werden in gemütvollem Wiener Plauderton vorgetragen und mit nachdenklichen Erinnerungen gewurmt. Zwei Leckerbissen für Genießer ! Weiter gespannt ist der Bogen in K. Richters »Kurzgeschichten um Schachfiguren«. Interessante Zusammenstellungen aus allen Gebieten des Schachspiels, teils unterhaltend, teils belehrend, mit mehr als joo Diagrammen illustrieren die unerschöpflichen Möglichkeiten im Reiche Caissas. Im wahren Sinne des Wortes ein Bilderbuch des Schachspiels und zugleich ein unmethodisches Lehrbuch des Mittelspiels / K. FABEL, Rund um das Schachbrett Amüsantes und Interessantes vom Schach. Oktav. Mit 6 Karikaturen. VIII, 157 Seiten. 1955. Kartoniert DM8,60 „Das Buch kann jedem warm empfohlen werden, der nicht nur Partien gewinnen will, sondern auch Freude an der besinnlichen und unterhaltsamen Seite des Schachspiels hat." Pfälzer Tageblatt

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J . K R E J C I K , Mein Abschied vom Schach Sterbliches und Unsterbliches aus der Mappe eines Wiener Altmeisters. Oktav. Mit 44 Partien, 40 Schlußspielen, 30 Endspielstudien, 17 Problemen, 27 Selbstmattaufgaben und 131 Stellungsbildern. 106 Seiten. 1955. Kartoniert D M 5,20 „ E i n Erinnerungsbuch eines schon fast ehrwürdigen Zeugen einer glanzvollen Schachepoche und ein würdiger Abschied eines der letzten Romantiker aus Caissas buntem Reich." Schachecho K. R I C H T E R , Kurzgeschichten um Schachfiguren Ein Bilderbuch des Schachspiels, zugleich ein Unterhaltungsbuch für alle Schachfreunde. Nach neuen Ideeo zusammengestellt und bearbeitet. 2., verbesserte Auflage. Oktav. Mit mehr als 700 Diagrammen und nicht ganz so vielen Versen. 308 Seiten. 1955. Kartoniert D M 12,80 „Amüsantes und Belehrendes, Schwächen und Nachdenkliches sind zu einem bunten Cocktail der 64 Felder gemixt, den keiner mehr lassen kann, hat er erst einmal davon genippt." Sonntagspost

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