Deutsche Geschichte von der Reformation bis zur Gegenwart. Band 1 Deutsche Geschichte von 1648 bis 1740: Politischer und geistiger Wiederaufbau [Reprint 2019 ed.] 9783110838039, 9783110060621


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German Pages 120 [140] Year 1956

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Inhalt
1. Einleitung: Zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und dem Tod Ludwigs X IV
2. Die Durchführung des Westfälischen Friedens
3. Der Stand der Wirtschaft bei Beendigung des Dreißigjährigen Krieges
4. Kaiser und Reich
5. Die deutschen Mittel- und Kleinstaaten
6. Die Bildung des modernen brandenburgischen Staates. Der Große Kurfürst
7. Die Entstehung der österreichischen Großmacht
8. Deutschland und Ludwig XIV. bis zum Frieden von St. Germain
9. Deutschland und Ludwig XIV. 1679 bis 1688
10. Deutschland und die französische Vormacht
11. Der türkische Krieg und die polnische Thronfolge
12. Die preußische Königskrone
13. Deutschland und der Spanische Erbfolgekrieg
14. Deutschland und der Nordische Krieg
15. Preußen unter Friedrich I
16. Schluß
Literaturverzeichnis
Namen- und Sachverzeichnis
Front matter 2
INHALTSVERZEICHNIS
Geisteswissenschaften
Naturwissenschaften
Technik
SAMMLUNG GOSCHEN - BANDNUMMERNFOLGE
AUTORENREGISTER
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Deutsche Geschichte von der Reformation bis zur Gegenwart. Band 1 Deutsche Geschichte von 1648 bis 1740: Politischer und geistiger Wiederaufbau [Reprint 2019 ed.]
 9783110838039, 9783110060621

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SAMMLUNG

GÖSCHEN

DEUTSCHE

BAND

35

GESCHICHTE

VON 1648 BIS 1740 POLITISCHER

UND

GEISTIGER

WIEDERAUFBAU

von

WILHELM

TREUE

Professor Dr. phil., Güttingen/Hannover

WALTER DE GRUYTER & CO. vormals G. J. G ö s c h e n ' e c b e V e r l a g s h a n d l u n g • J . G u t t e n t a g , V e r l a g s b u c h h a n d l u n g • G e o r g R e i m e r • K a r l J . T r Q b a e r • Veit & C o m p .

BERLIN

1956

A l l e R e c h t e , einschließlich d e r R e c h t e d e r H e r s t e l l u n g v o n P h o t o k o p i e n Mikrofilmen, von der Verlagshandlung

vorbehalten

©

C o p y r i g h t 1956 b y W a l t e r de G r u y t e r & Co. B e r l i n W 35, G e n t h i n e r S t r a ß e 13

A r c h i v - N r . 110 035 S a t z u n d D r u c k : £ S a l a d r u c k , B e r l i n N 65 P r i n t e d in

Germany

und

Inhalt 1. Einleitung: Zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und dem T o d Ludwigs X I V 2. Die Durchführung des Westfälischen Friedens

.

.

Seite

5

.

12

3. Der Stand der Wirtschaft bei Beendigung des Dreißigjährigen Krieges

15

4. Kaiser und Reich

2/

5. Die deutschen Mittel- und Kleinstaaten

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6. Die Bildung des modernen brandenburgischen Staates; der Große Kurfürst

41

7. Die Entstehung der österreichischen Großmacht . . .

53

8. Deutschland und Ludwig X I V . bis zum Frieden von St. Germain

58

9. Deutschland und Ludwig X I V . 1679 bis 1688 . . . . 10. Deutschland und die französische Vormacht

65

. . . .

11. Der türkische Krieg und die polnische Thronfolge

.

77 .

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12. Die preußische Königskrone

88

13. Deutschland und der Spanische Erbfolgekrieg . . . .

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14. Deutschland und der Nordische Krieg

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15. Preußen unter Friedriehl

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16. Schluß

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17. Literatur

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18. Namenverzeichnis

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Die Reihe „Deutsche Geschichte von der Reformation bis zur Gegenwart" umfaßt folgende Bände:

Bandi:

1519—1648 (Slg. Gö. Band 1105)

Band I I :

1638—1740 (Slg. Gö. Band 35)

Band I I I : 1740—1806 (Slg. Gö. Band 39) Band I V : 1807—1871 (Slg. Gö. Band 893) Band V :

1871 bis zur Gegenwart (Slg. Gö. Band 894)

1. Einleitung: Zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und dem Tod Ludwigs XIV. Ein Menschenalter hindurch hatte der Dreißigjährige Krieg Deutschland nicht allein an der Fortentwicklung gehindert, welche die westeuropäischen Staaten tief in den Absolutismus und Merkantilismus, in zentralistische Ordnung im Mutterland und expansive Handels- und Kolonialpolitik in Übersee geführt hatte, sondern Deutschland war vielfach geradezu in altvergangene Zustände zurückgeworfen worden. Was übrig blieb, war in der Mitte des 17. Jahrhunderts eine Nation, die weithin aus zerstörten Städten und Dörfern auf verwüstetem und vernachlässigtem Boden, bedrückt von einer schweren Last direkter Schulden und verwilderter Währungsverhältnisse bei einer um rund Va verringerten Bevölkerung, behindert von Arbeitsscheuen und ins Vagantentum abgeglittenen Massen entlassener und entlaufener Söldner an den Wiederaufbau gehen mußte. Vergessen waren die großen Zeiten deutschen Bürgertums im 16. Jahrhundert mit den kulturellen und wirtschaftlichen Errungenschaften, verloren die Leistungen der oberdeutschen Städte und der Hanse, der Vorrang in Bergbau, H a n d w e r k und Handel. Niemals zuvor hatte Deutschland materiell so schwer gelitten, war es so tief gesunken, wie in diesen Jahrzehnten. Aber der Krieg war f ü r das staatliche, religiöse und damit selbst f ü r das persönliche Leben des Einzelnen auch noch in anderer Hinsicht überaus bedeutungsvoll gewesen. Er hatte die seit Jahrhunderten sich entwickelnde Selbständigkeit der deutschen Einzelstaaten staatsrechtlich bestätigt. Er hat damit neben unsäglichem politischen Leid, Zwist und Unglück — das im folgenden zu betrachten sein w i r d — , neben einer politischen Verwirrung und Schwächung, die bis in die Gegenwart hinein nachgewirkt hat, auch gerade f ü r die Kultur große und fördernde Wirkungen ausgeübt.

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Einleitung: Zwischen dem Dreißigjährigen Krieg usw.

Er hat — um nur eines zu nennen — die Vielzahl der H a u p t und Residenzstädte erhalten, die Rivalität der Einzelfürsten fixiert und damit über die Bestrebungen der Staaten hinweg der gesamtdeutschen Kultur unerhörte Möglichkeiten geschaffen und Antriebe gegeben. Das Schul- und Hochschulwesen, die Wissenschaft, die bildende Kunst und Musik sowie die technisch-industrielle Entwicklung, Straßenund später Eisenbahnbau haben von dieser Vielzahl der territorialen Mittelpunkte her stärkste, stammesmäßig differenzierte und dadurch um so wertvollere Impulse erhalten. Es ist häufig dargestellt und beschrieben worden, wie vorteilhaft sich die lebhafte und gesunde kulturelle Betätigung der vielen deutschen Hauptstädte (ähnlich gewissen Linien in der Kulturentwicklung Nordamerikas) von der provinziellen Dürftigkeit und Beschränktheit der französischen — und nicht viel anders der englischen — Verhältnisse unterschieden hat und noch heute unterscheidet. Hier Vielfalt, "Wettstreit, Geltungsdrang, Gestaltungswille noch in den Residenzen der Duodezfürsten — bei freilich häufig schwer drückenden Lasten f ü r die Einwohner, bei hoher Verschuldung des kleinen Staatswesens und rein imitatorischen, unoriginellen Kulturleistungen —, dort, abseits des einen großen, weit strahlenden Hofes in Paris und Versailles oder der wenigen Wirtschafts- und Zivilisationszentren London, Liverpool usw., die dienstbare ländliche Provinz, in der zu leben und zu wirken f ü r den kulturell tätigen und bedürftigen Menschen der Verbannung gleich zu sein schien und erachtet wurde: Ludwig X I V . wußte, wie er strafte, wenn er einen in Ungnade gefallenen Leibarzt mitsamt seiner weiteren Verwandtschaft in ein Provinzstädtchen verwies. Freilich lag in den großen Vorzügen dieser Menge von Kulturzentren auch ihre Schwäche begründet. Nicht allein, daß die schöpferischen K r ä f t e und häufig sehr begrenzte Finanzmittel in die Gefahr der Zersplitterung gerieten. Auch machtpolitische Zusammenhänge wurden beeinflußt: wo die Kernpunkte des Lebens weit über das ganze Reich zerstreut liegen, da ist die Bedrohung durch kriegerische

Einleitung: Zwischen d e m Dreißigjährigen Krieg usw.

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Ereignisse viel größer, als sie f ü r den im Herzen des Landes gelegenen Mittelpunkt Paris jemals werden konnte. Kaum ein anderer Zeitraum ist so sehr durch eine Vielzahl bedeutender Männer gekennzeichnet gewesen wie diese Jahrzehnte zwischen der Mitte des 17. und den Anfängen des 18. Jahrhunderts. Ludwig X I V . bildete den Mittelpunkt dieses Zeitabschnittes — in der Kultur nicht weniger als in der Politik. Über alle Schlagworte hinweg, die sich bei der Erwähnung seines Namens einstellen, reichte der tiefe Einfluß, den jener Mann auf seine Zeitgenossen ausgeübt hat. Er hat den festen Grund gelegt f ü r eine Epoche kaum vorstellbarer kultureller Vorherrschaft seines Landes, einer Hegemonie, die mit der großen Französischen Revolution keineswegs ihr Ende fand, vielmehr durch sie an zahlreichen Stellen und Orten vertieft wurde und weit in das 19. Jahrhundert, ja, in vielem bis in unsere Tage sich erhalten und erneuert hat. Gemeinsam mit dem Großmogul in Indien und dem Kaiser von China, an denen er sich mit Vorliebe maß und mit denen er sich gerne vergleichen ließ, hat er vom fernsten Osten bis nach Amerika politisch wie wirtschaftlich und kulturell stilbildend gewirkt und Herrscherund Staatstypen geschaffen, die die "Weltgeschichte aufs tiefste beeinflußt, aufs stärkste bestimmt haben. Nicht sofort mit der Thronbesteigung Ludwigs X I V . begannen Frankreich und sein König, kulturelle Richter und Maßstäbe f ü r Europa mit seinen Handels- und Kolonialausstrahlungen zu werden. Aber wie der König, sein Hof und sein Staat sich in den folgenden 50 Jahren entwickelten,. wie sie mit den W a f f e n des Geistes und mit Gewalt Europa in entscheidende Umwälzungen versetzt haben, wie sie durch den Einsatz aller Mittel vom Geld über das Heer bis zum sprachlichen und gesellschaftlichen Eindringen in andere Völker deren Schicksale mitgestaltet haben, das scheint auch durch die deutsche Geschichte jener Zeit und noch der späteren Jahrhunderte immer wieder hindurch. Die Französierung hat im Guten allen Zweigen des kulturellen Lebens wirksamste Antriebe und Anregungen gegeben. Sie hat aber auch teils vorsätzlich, teils unbeab-

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Einleitung: Zwischen dem Dreißigjährigen Krieg usw.

sichtigt den Völkern Mißtrauen in ihre Berechtigung zur Eigenart, zur selbstbewußten und selbstverantwortlichen Gestaltung des nationalen Lebens eingeimpft, wiesie schließlich das Französische schlechthin zum Überlegenen gestempelt hat. Stand Ludwig X I V . am Beginn des hier zu betrachtenden Zeitraumes der deutschen Geschichte und erfüllte er ihn über die ganze Ausdehnung mit seiner Persönlichkeit, so wirkten neben dem „Sonnenkönig" aber auch, Geschick und Gesicht Europas mitgestaltend, so große und bedeutende Männer wie Cromwell und Wilhelm I I I . in England, wie Peter d. Gr. in Rußland und Karl X I I . in Schweden und wie der Große K u r f ü r s t von Brandenburg, der Herzog von K u r land, Herzog Ernst der Fromme von Gotha sowie K u r f ü r s t und König August der Starke in Deutschland. Colbert nahm im Bereich der Wirtschaft fast so sehr eine Idealstellung ein wie sein H e r r in Politik und Kultur — aber auch in England und H o l l a n d bis hin zu Johann Joachim Becher, Wilhelm von Schröder und Friedrich Wilhelm von Hornigk in Deutschland gab es eine Reihe von kameralistisch-merkantilistischen Theoretikern, die nicht weniger stilbildend gewirkt haben als Könige, K u r fürsten und Herzöge; ihre Auffassungen und Lehren sind bis tief ins 18. Jahrhundert hinein änerkannt und befolgt und von etwa 1870 bis in das 20. Jahrhundert hinein als Neomerkantilismus noch einmal überaus wirksam geworden. Ohne das Messen an und den Vergleich mit dem Merkantilismus wäre der Liberalismus des 19. Jahrhunderts nicht zu seiner vollen logischen Klarheit, Überzeugungskraft und die Zeit des Hochkapitalismus bestimmenden Stärke herangewachsen. Die Kriegskunst hat in jener Zeit nicht minder starke Impulse f ü r einen langen Zeitraum erhalten: Prinz Eugen, Louvois, Turenne und Vauban sind N a m e n von weltpolitischem Rang. U n d mit der Kunst des Festungsbaues, mit der Entwicklung des Artilleriewesens war der Aufstieg der Technik, die Ausbildung des modernen Ingenieurwesens aufs engste verbunden: nicht wenige der bedeutendsten

Einleitung: Zwischen dem Dreißigjährigen Krieg usw.

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Erfinder, Techniker und Baumeister • — Praktiker wie Schriftsteller — des 17. Jahrhunderts waren zugleich Ingenieuroffiziere im Dienste von Fürsten, wie Balthasar Neumann, der Meister des deutschen Barock, der darüber hinaus Universitätslehrer in Würzburg gewesen ist. Wie die Jahrzehnte Ludwigs X I V . eine Blütezeit der französischen Literatur bildeten und Corneille, Racine, Molière, Boileau, Lafontaine, Bossuet und Fénélon Entscheidendes zur literarisch kulturellen Vormachtstellung Frankreichs beitrugen, so wirkten gleichzeitig in Holland Rembrandt, Frans Hals und Vermeer, in Frankreich Poussin, in Deutschland und Österreich die großen Baumeister des Barock: vor und nach N e u m a n n Andreas Schlüter, Johann Fischer von Erlach, die vier Dientzenhofer und Daniel Pöppelmann in der Vielzahl der deutschen Residenzen und Hauptstädte von Wien über Nymphenburg und Schleißheim, über Ludwigsburg, Bruchsal und Weingarten, Würzburg, Pommersfelden und Dresden, über Melk und Vierzehnheiligen bis zum jüngsten Macht-, Wirtschaftsund Kulturzentrum Berlin. Am Ende unseres Zeitraumes stehen neben der Verfeinerung der Literatur, der Auflockerung der Malerei und der Auflösung der von der Renaissance her noch immer strengen, in ihrem eigenen Wert erst von C. Burckhardt wiedererkannten Barockbauweise die Anfänge des europäischen Hartporzellans in Sachsen und damit zugleich die der europäischen RokokoKultur. Die hier zu betrachtenden Jahrzehnte bildeten endlich das Zeitalter der Gründungen von wissenschaftlichen Gesellschaften und Akademien, die unter der schützenden und fördernden H a n d der Fürsten zugleich zu deren Ruhm beitrugen wie auch den Geistes- und den jungen N a t u r wissenschaften, der Kunst und ebenso der Technik dienen und, nach einem Worte von Leibniz, „das allgemeine Beste" befördern sollten. Zu ihnen gehörten neben den Akademien in Paris und der Royal Society in London seit 1662 und der spanischen Akademie der Wissenschaften seit 1713 die Kaiserlich Leopoldinisch-Carolinische deutsche Akademie

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Einleitung: Zwischen dem Dreißigjährigen Krieg usw.

der Naturforscher in Schweinfurt und die 1700 von Leibniz gegründete Preußische Akademie der Wissenschaften, welche die Wissenschaften und die deutsche Sprache pflegen sollte. Die „Christenheit" war mit dem Westfälischen Frieden vom 24. 10. 1648 sowohl als geistige wie als politische Einheit endgültig auseinandergebrochen. Den Protestanten war es zwar nicht gelungen, den Katholizismus zu überwinden, aber sie hatten sich neben ihm behauptet. U n d Innozenz' X. protestierende Bulle „In Coena dominus" vermochte an diesem Sachverhalt nichts mehr zu ändern: nachdem die kirchliche Einheit vor mehr als einem Jahrhundert aufgehört hatte zu bestehen, war nun auch die katholische Vorherrschaft f ü r lange Zeit vorüber. U n d die Gleichberechtigung bedeutete mehr als die bloße Duldung einer anderen Konfession neben dem Katholizismus; „sie schloß die Anerkennung des Protestantismus als eines geistigen Prinzips in sich, als des Protestes gegen alle überlieferte Autorität, als eines Rechtes des Individuums zu selbständiger Kritik" (Härtung). Die Bedeutung dieser Tatsache spiegelt sich in der ganzen Geistesgeschichte und -entwicklung bis auf den heutigen T a g — nicht allein im Bereich des christlichen Abendlandes, sondern auch in den überseeischen Kolonial- und Handelsräumen der christlichen Staaten und selbst noch in der Begegnung mit nicht christlichen Völkern und Nationen. So groß ist die Bedeutung dieses Sieges der Selbstbehauptung des Protestantismus gewesen, daß Troeltsch die Neuzeit der Weltgeschichte überhaupt erst mit diesem Ereignis im Jahre 1648 beginnen lassen will. An die Stelle der einheitlichen Christenheit trat fortan „Europa" — aber auch dieses war keine echte Einheit, sondern eine Vielzahl selbständiger Staaten, von denen keiner die Oberhoheit eines anderen dulden und jeder seine Selbständigkeit behaupten wollte. Dieses „Europa" ist nicht plötzlich entstanden, aber der Westfälische Friede brachte mit der gegenseitigen Verpflichtung zu gemeinsamer Aufrechterhaltung der neu geordneten Machtverhältnisse den neuen Gedanken einer Staatengemeinschaft, eines Svstems

Einleitung: Zwischen dem Dreißigjährigen Krieg usw.

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gleichberechtigter Staaten, die. um ihrer Selbsterhaltung willen eifrig darauf achteten, daß die Machtgrundlagen sich nicht verschoben. Damit war das politische System geschaffen, das prinzipiell bis zum 20. Jahrhundert in Geltung blieb. H a t t e n in früheren Zeiten Staat und Kirche die „Welt" geführt, so stand diese seit 1648 nicht auf der Basis der Staaten und Konfessionen, sondern auf der der Staaten und Individuen. Reformation und Humanismus hatten die Befreiung des Individuums begonnen, die bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts soweit gediehen war, daß fortan das Individuum dem Staat gegenüberstand und das Verhältnis beider zueinander den geschichtlichen Ablauf bestimmte — wobei freilich der Staat, der absolutistische, weit in die Bereiche der "Wirtschaft und "Wissenschaft, der Kunst und Technik eingreifende Staat bis 1789 entschieden das Schwergewicht f ü r sich hatte. Das Ende der Religionskriege war erreicht — was nicht bedeutete, daß die Z u k u n f t ärmer wurde an kriegerischen Auseinandersetzungen. Die neue Friedensordnung gab aber auch die K r ä f t e des Einzelstaates frei: neben dem konfessionellen dankte auch der politische Universalismus ab — nicht zuletzt infolge der Selbstbefreiung von Mächten wie England und Holland, die aus den traditionellen Formen ausbrachen, nach Übersee griffen und einen immer stärkeren Teil ihres wirtschaftlichen, und das hieß im Zeitalter von Absolutismus und Merkantilismus ihres machtpolitischen Schwergewichts außerhalb Europas besaßen. _ Aus dieser Sprengung und Auflösung religiöser und politischer, auch kultureller Einheiten ergab sich als Gegenstück zur Auffassung von Gleichberechtigung und Gleichgewicht im Interesse des modernen Staates die Idee und Praxis der Toleranz, der religiösen Duldung, die im Extrem bis zur Gleichgültigkeit reichte und nicht allein Deutschland, sondern den europäischen Raum überhaupt ergriff. Zweifellos war sie stärker in den protestantischen als in den katholischen Staaten ausgeprägt, während der katholische Staat grundsätzlich an der Forderung der katholischen Glaubens-

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Die D u r c h f ü h r u n g des Westfälischen Friedens

einheit festhielt, darin zugleich aber auch die Stärkung des absolutistischen Staates verfolgte. Andererseits ist nicht zu übersehen, daß die religiöse Duldung vielfach mehr auf einer tiefen Ermüdung im konfessionellen Streit als auf echter ethischer H a l t u n g beruhte. Niemals wieder ist das konfessionelle Element ganz aus den innerdeutschen Auseinandersetzungen und aus denen mit seinen Nachbarn verschwunden. 2. Die Durchführung des "Westfälischen Friedens Der Westfälische Friede besiegelte die endgültige Territorialisierung und Partikularisierung in Deutschland. Das Libertätsprinzip des „jus territorii et superioritatis" hatte die nahezu unbeschränkte Souveränität der Landesfürsten zum Inhalt. U n d da der Westfälische Friede — f ü r anderthalb J a h r hunderte — zum Reichsgrundgesetz erhoben und seine Durchführung von Frankreich und Schweden garantiert wurde, bildete diese neue gesetzliche innerdeutsche O r d nung einen Teil der oben angedeuteten europäischen Machtund Gleichgewichtsverteilung. Neuordnung des Reiches und vertragsmäßige völkerrechtliche Organisation Europas sollten eine innere Einheit bilden, aus der sich allerdings F r a n k reich — von der habsburgisch-spanischen Einkreisung befreit — heraushielt, da es entschlossen war, der von ihm selbst mitentworfenen Gleichgewichtsordnung sein eigenes Hegemoniestreben entgegenzusetzen u n d schließlich die Vormacht Europas zu werden, nach der jedoch Ansätzen des Kaisers zu neuer Machtkonzentration von den auswärtigen Garantiemächten auf rechtlicher Basis mit Gewalt begegnet werden konnte. Die Niederlage des Kaisers bedeutete also mehr als nur ein Zurücktreten gegenüber den Reichsständen; sie stellte zugleich eine zumindest einstweilige Niederlage des Österreich-spanischen Gesamthauses durch die Bourbonen dar. Mazarin brachte, wie Hegel es ausdrückte, Deutschland u n d Frankreich „zu ihrem festen, einander entgegengesetzten

Die Durchführung des Westfälischen Friedens

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System". „Frankreich als Staat und Deutschland als Staat hatten beide dieselben Prinzipien der Auflösung in sich: in dem einen zerstörte er sie vollends und erhob sich dadurch zu einem der mächtigsten Staaten; in dem anderen gab er ihnen alle Gewalt und hob dadurch seinen Bestand als Staat auf". Das bedeutete, daß Deutschlands Entwicklung zur Staatseinheit und zur absolutistischen Regierungsform staats- und völkerrechtlich unmöglich gemacht wurde, daß das politische Leben in Deutschland auf annähernd 300 souveräne Einzelstaaten aufgesplittert und verteilt wurde. N u r einige wenige, die größten unter ihnen, die mit H i l f e der europäischen Gegner des Kaisers Landgewinne machen konnten, vermochten, sich zu echten, in sich selbst und von sich selbst aus lebensfähigen Staatswesen zu entwickeln. Die kleineren, insbesondere die Reichsstädte, konnten mit der juristischen Gleichberechtigung um so weniger anfangen, als der große Welthandel, die Hauptquelle ihrer Macht, sich immer mehr zum Atlantik verlagerte. Für die Hilfeleistung bei der Aufrichtung dieser mehr in ihrem eigenen als im deutschen Interesse liegenden O r d nung der Libertät forderten und erhielten Frankreich und Schweden „Satisfaktionen". Dabei stießen die schwedischen Erwerbungen in Pommern mit wohlerworbenen Rechten Brandenburgs auf das 1637 erledigte pommersche Reichslehen zusammen. Frankreich wollte Brandenburg mit Schlesien entschädigen und so zugleich diesen mächtigen Reichsstand in dauernde Feindschaft mit dem Kaiser bringen. Doch erhielt Brandenburg schließlich als Entschädigung die säkularisierten Bistümer Minden, Halberstadt und Cammin, das Erzbistum Magdeburg nach dem Tode des dort eingesetzten Administrators und das restliche Hinterpommern. Das Zustandebringen und die Unterzeichnungen des Friedensvertrages war ein Problem, die Durchführung dieses komplizierten Instrumentes bildete ein anderes. Es war der weltliche Besitzstand von 1618 wiederherzustellen und der Konfessionsstand von 1624; die Schweden mußten gegen eine Zahlung von 20 geforderten, dann aber nur 5 bewil-

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Die D u r c h f ü h r u n g des Westfälischen Friedens

ligten Millionen Reichstalern — eine f ü r sehr hoch gehaltene, schließlich jedoch überraschend schnell aufgebrachte Summe — als „Contentement der Soldatesque" die von ihnen noch besetzten Gebiete räumen, was sie erst nach vollständiger Vollziehung der Restitutionen und der Geldzahlung tun wollten. Umstritten war zunächst, wer die Summe aufbringen sollte, da die Katholiken sich mit dem Argument weigerten, die Schweden seien den Protestanten zu H i l f e geeilt, während die Schweden erklärten, sie seien nicht gekommen, um den Glaubensgenossen zur Last zu fallen, und daher das Geld von den Katholiken forderten. Schließlich zahlten die Protestanten, und die Schweden nahmen das Geld auch von ihnen an. Dadurch waren diese fast die einzigen, die ihre T r u p p e n ordnungsmäßig entlassen konnten. Die meisten anderen Kriegführenden waren dazu nicht imstande, was nicht wenig zur Stärkung der plündernden H o r d e n ehemaliger Landsknechte beitrug, gegen die die Reichsstädte sich häufig wie in der Zeit der Raubritter in Landfriedensbünden zusammenschlössen. Vom Mai 1649 bis zum Juli 1651 tagte schließlich in Nürnberg ein neuer Kongreß zur Exekution des Westfälischen Friedens. Der „Friedens-Exekutions-Haupt-Rezeß" vom 26. 6. 1650 forderte die Erledigung der juristisch noch ungeklärten Restitutionen innerhalb eines Vierteljahres und die Räumung der besetzten Gebiete in drei Zonen gegen Zahlung von je 1 Million Taler. Für die Restsumme mußte Garantie geleistet werden. In Ostfriesland und am Niederrhein blieben holländische Garnisonen, die Spanier räumten erst 1652 das pfälzische Frankenthal. Wenn das so aufgegliederte und in sich veruneinigte Heilige Römische Reich, das „Vorfeld der Politik seiner Nachbarn", gleichwohl noch imstande war, rund 150 Jahre zu bestehen, dann lag das in erster Linie an der Zufriedenheit der Nachbarn mit dem Ergebnis ihrer Politik. Sie brauchten Deutschland nicht zu fürchten u n d konnten ihre Kriege auf deutschem Boden und mit deutschen Bundesgenossen auskämpfen. Auch w a r man sich lange Zeit nicht im klaren über den hohen Grad der Machtlosigkeit des

D e r S t a n d der W i r t s c h a f t bei B e e n d i g u n g usw.

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Reiches, zumal dessen Krone und der Reichsgedanke noch immer — insbesondere in der Verbindung mit der habsburgischen Großmacht — Respekt und Anhänglichkeit einflößten. Freilich reichte der Einfluß der kaiserlichen H a u s macht über Südwestdeutschland kaum hinaus, so daß denn auch der Reichsgedanke dort am wenigsten abstarb. Vorläufig wurde noch nicht erkannt, daß nach dem Zusammenbruch der konfessionellen Einheit, die Schwäche der Libertät ersetzend, eines Tages eine nationale Neuordnung Deutschlands nötig sein und auch zum europäischen Problem heranwachsen würde. 3. Der Stand der Wirtschaft bei Beendigung des Dreißigjährigen Krieges „Uber nichts ist so oft gestritten worden und so schwer ein reines Urteil zu gewinnen, wie über die wirtschaftlichen Folgen des großen Krieges" (Brandi). Gebiete, die längere Zeit von Truppen des Landesherrn, seiner Verbündeten oder Gegner besetzt gewesen waren, hatten unmittelbar am stärksten und häufig am nachhaltigsten gelitten durch Kontributionen, Anleihen, illegale Eintreibungen, Quartierlasten, übliche oder erzwungene Geschenke an Heerführer, Staatsmänner und deren Anhang. Die Chronisten übertrieben allerdings gewöhnlich bewußt oder unbeabsichtigt die Leiden und Verluste. Auch wurden beträchtliche Teile der Kontributionen am Orte der Eintreibung wieder ausgegeben für Löhnungen, Getreide-, Vieh- und Mehlkäufe, beim Gastwirt und Handwerker. Es trat also nicht selten, insbesondere in größeren Städten und bei längerer Besatzung, neben den wirklichen Verlusten eine bedeutsame Besitzverschiebung ein — um so mehr, als die Wohlhabenden zu den Lasten meist verhältnismäßig stärker — z. B. durch Vermögenssteuern, Plünderungen, Beschlagnahmen — herangezogen wurden als die ärmeren Teile der Bevölkerung. Andererseits wurden die Kriegsund Besatzungsperioden fast überall durch lange annähernd friedliche Zeiten unterbrochen. N u r so erklärt sich die

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Der Stand der Wirtschaft bei Beendigung usw.

nahezu unerschöpflich erscheinende F i n a n z k r a f t vieler Städte und Territorien. Sparmaßnahmen beim Unterhalt öffentlicher Gebäude und Straßen, bei Beamtengehältern usw. traten hinzu. Tiefe und meist nachhaltige Spuren hinterließ der Krieg — besonders längs der Durchgangsstraßen — auf dem Lande, wo der Schutz von Mauern und Miliz fehlte und die Bevölkerung sich Übergriffen der T r u p p e n und — zumal nach Kriegsende — der Banden höchstens durch Flucht mit wenig H a b und Gut entziehen konnte. Viele fruchtbare Landstriche glichen Einöden. Ihre wirtschaftliche Wiedereinbeziehung wurde durch Mangel an Pflügen, Zugtieren, Saatgut, selbst an Menschen erschwert und lange verzögert. Wo, wie im Solling von Schweden, die Wälder abgeholzt, zur Küste (Bremen) geflößt und an niederländische Schiffbauer verkauft wurden, mangelte es an Bauholz f ü r den neuen Anfang. Viehverluste konnten nach dem Kriege nur besonders langsam aufgeholt werden — am ehesten bei der Pferdezucht (für T r a n s p o r t , Artillerie und Kavallerie) durch kapitalkräftig gebliebene Adelige in weniger betroffenen Landstrichen. Die Leutenot hatte Lohnsteigerungen zur Folge; steigende Steuern führten zu o f t hoher Verschuldung; heftiges Nachgeben der Getreidepreise beeinträchtigte die Rentabilität und ließ die Bodenpreise sinken, was die Verschuldungsfähigkeit herabsetzte und damit die Möglichkeit der Modernisierung des Betriebes und Intensivierung der Wirtschaft. Keineswegs alle „Wüstungen", die heute bekannt sind, gehen allerdings auf den großen Krieg zurück. Viele stammen aus früherer Zeit, andere wurden überhaupt nicht durch den Krieg verursacht oder ihr Entstehen nur beschleunigt. Gewöhnlich wurden die im Kriege eingeäscherten D ö r f e r wieder aufgebaut — wenn auch zögernd und vielfach erst sehr spät. In Nordwestdeutschland, wo bei Kriegsausbruch die Entwicklung des Meierrechtes gerade etwa ihren Abschluß erreicht hatte, trugen die Meier die schwerste Steuerlast und gerieten dadurch vielfach in Zahlungsschwierigkeiten,

Der Stand der Wirtschaft bei Beendigung usw.

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Landverkäufe, Abmeierungen und Konkurse. Die verlassenen H ö f e wurden zwar wüst, die Ländereien lagen jedoch gewöhnlich gar nicht oder nicht lange brach, sondern wurden vom Grundherrn eingezogen und stückweise in Zeitpacht wieder ausgegeben — nicht selten an den früheren Meier. Dadurch wurden diese bei der Steuerverwaltung als wüst geführten Meiergüter steuerfrei und die Lasten der übrigbleibenden Meier gesteigert, da die unverminderte Gesamtsteuersumme von einer immer kleineren Zahl immer schlechter gestellter Meier aufgebracht werden mußte. Gegen diese unheilvolle Entwicklung wandte sich seit 1647 die Redintegrierungs-Gesetzgebung, wobei die Bauern gelegentlich gewaltsam und unter Androhung zwangsweiser Heranziehung zum Kriegsdienst zur Annahme von H ö f e n gepreßt wurden, damit die Steuer- und Produktionskraft wiederhergestellt wurde. Nirgends ging die staatliche Agrarpolitik nach dem Kriege so zielbewußt und erfolgreich vor wie in Niedersachsen. In diesem vom Kriege wenig betroffenen, von großen Bevölkerungsverlusten verschonten Lande kam es zur Neubildung eines starken Bauernstandes. I n Brandenburg litten Kossäten und Bauern weit schwerer als der Adel, der wüst gewordene H ö f e einzog und zu den Rittergütern schlug, deren U m f a n g bis 1700 um etwa 30 % wuchs. Nach dem Kriege nahm in Mecklenburg, Brandenburg und Pommern das Bauernlegen durch die Gutsherren einen großen U m f a n g an. Eine abnehmende Zahl von Bauern mußte stark wachsende Gutsländereien bestellen. Dieser Menschenmangel schob die Gesindeordnungen, die es in Ansätzen in Holstein schon seit der Vorkriegszeit gab, in Brandenburg seit 1651, in Mecklenburg seit 1645/54, mit zuweilen zeitlich unbeschränktem Gesindezwangsdienst in den Mittelpunkt der Agrargesetzgebung und drückte die Bauern bis zu Erbuntertänigkeit und Leibeigenschaft hinab. An die Stelle des Bauerndorfes trat der Gutsweiler; in Ostmitteldeutschland, wo das Bauerndorf durch das Gut nicht zerstört wurde, erweiterten es die Häusler und wandelten seinen sozialen Charakter. Treue,

D e u t s c h e Geschichte

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Der Stand der Wirtschaft bei Beendigung usw.

In Holstein, wo allgemeine Preissteigerung und zunehmende Kapitalisierung den Adel schon im 16. Jahrhundert begünstigt und in der Entwicklung der Guts Wirtschaft gefördert hatten, die Mitte des 18. Jahrhunderts den Höhepunkt überschreiten und mit ersten Aufsässigkeiten in die Krise und zur Bauernbefreiung führen sollte, lenkte diese erfolgreiche Gutswirtschaft den Adel häufig auch zur Industrieunternehmung, zu bis nach Westeuropa ausgedehnten Kreditgeschäften und zu einer ungewöhnlich weltoffenen, unagrarischen Lebensweise und -auffassung. Vielfach verwischten und verschoben sich die ständischen Grenzen im Bauerntum. Unternehmungslustige, arbeitswillige Häusler, Dreschgärtner, Hirten, Schafmeister und selbst Landsknechte wurden im Westen nicht selten angesichts des Menschenmangels Hintersassen und Bauern, während Bauern ins Tagelöhner- und Arbeiterdasein absanken. In Ostdeutschland stand allerdings die Erhaltung billiger Arbeitskräfte f ü r die Gutswirtschaft im Vordergrund. In Pommern, Mecklenburg, Brandenburg, Böhmen, Niedersachsen und Westfalen drangen manche als Regiments- und Heeresunternehmer reich gewordene Oberste und Generale durch Landkäufe vom verschuldeten Adel in die Gutsbesitzerschicht ein. In Bayern mit seinen ausgeglicheneren sozialen Verhältnissen auf dem Lande und mit seiner Mittelstellung zwischen Ost- und Südwestdeutschland verlor der alte Grundbesitzeradel, wirtschaftlich rückständig und im Kriege verarmt, trotz Versteigerungsschutz (1650) und Fideikommiß (1672) noch mehr Land an die kapitalkräftig gebliebenen Klöster mit geordneter Finanzverwaltung und festen wirtschaftlichen Traditionen als an den neuen, im Kriege reich gewordenen Beamten- und Militäradel. Die landwirtschaftlich nutzbare Fläche wurde durch den Krieg nicht merklich verringert. Vielfach erholte der Boden sich durch lange Brache, so daß der Ertrag sich steigerte. Die bebaute Fläche ging durch Bevölkerungsverluste vorübergehend erheblich zurück, wie auch früher und später nach großen Seuchen und Kriegen. H a t t e das 16. Jahrhundert

D e r S t a n d der W i r t s c h a f t bei B e e n d i g u n g usw.

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Rode- und Holzschlag-Beschränkungen gekannt, so gab es seit 1650 landesfürstliche Anregungen zu R o d u n g und Kolonisation. D i e Betriebsweise änderte sich im allgemeinen nicht, wenn auch Einwanderer in kleinen Gebieten durch K a r t o f f e l n (1623 Elsaß, 1640 Westfalen, 1651 Berlin, 1702 Nürnberg), T a b a k , Obst, Gemüse neue Kulturen einführten und Umsiedler sie verbreiteten. Wichtig wurden die Forstkultur mit Eisenhämmern und Glashütten sowie die Bierbrauerei und Branntweinbrennerei f ü r die gutsherrliche Wirtschaft, über die der Adel Zugang zu Industrie und Kapitalismus parallel zum staatlichen Merkantilismus f a n d . Bedeutsam war, daß nun gelegentlich nach englischen, französischen und italienischen Vorbildern ein landwirtschaftliches Schrifttum a u f k a m , A n f ä n g e der sogenannten Hausväterliteratur, die großen U m f a n g annahm und in W. H . Frh. v. Hohbergs „Georgica C u r i o s a " 1687 einen H ö h e p u n k t erreichte und zugleich einen Übergang zum Physiokratismus bildete. Unter der Verarmung der Bevölkerung, der Verringerung und damit Verteuerung der Produktion, der UnsicherAber heit der Straßen litten ebenso Handel und Gewerbe. auch hier galten die Klagen über völlige Unterbrechung des Handels meist nur f ü r kurze Zeit. O f t wandten die Städte sich erfolgreich gegen die Gefahr des Ausfalls regelmäßiger Märkte durch Zollfreiheit und Subventionen. Gewöhnlich führte der Rückgang von H a n d e l und Gewerbe nicht zu tiefgreifenden dauernden Schädigungen des Wirtschaftslebens. U m 1670 war im allgemeinen der Vorkriegsproduktionsstand wieder erreicht. Der Messehandel Frankfurts, des wichtigsten Stapel- und Speditionsplatzes im Innern Deutschlands und für den Außenhandel, teilte erst nach dem Beginn der schwedischen Besatzung im J a h r 1631 das allgemeine Schicksal Deutschlands. „ D e r Glanz der damals dahingegangenen Periode ist nie wiedergekehrt" (Dietz), da Leipzig eine bald übermächtige Konkurrenz bildete, die Zeit der Messen alten Stils vorüber war und der Schwerpunkt des nach 1648 neu erwachsenden Lebens nicht mehr in den alten Reichsstädten, 2*

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D e r S t a n d d e r W i r t s c h a f t bei B e e n d i g u n g usw.

sondern in den Landesherrschaften und -hauptstädten lag. Andererseits nahmen die modernen Messen, behindert allerdings durch ständig wachsende Mengen von Wege- und Flußzöllen, umso schneller wieder einen erstaunlichen Umfang an, als der Krieg unternehmenden, kapitalkräftigen Kaufleuten und Militärlieferanten große Verdienste brachte und Subsidien, Besuche und Käufe der Fürsten das Geschäft belebten und „dem ganzen Verkehr einen aristokratischen Anstrich gaben" (Dietz). Frankfurter Kapitalisten traten als Kreditgeber großen Stils auf — ein Beweis für den Wohlstand der Stadt selbst in Kriegszeiten. Bei Kriegsende war der städtische Kredit unerschüttert. Bedeutsam wurde, daß seit 1674 neben meist wohlhabenden Kaufleuten und Handwerkern vom linken Rheinufer, aus Straßburg und Metz» die vor Krieg oder Protestantenverfolgungen flohen und die Einfuhr französischer Manufaktur waren förderten, auch eine erhebliche Zahl italienischer und Schweizer Familien einwanderten. In erster Linie solchem Zuzuge verdankte es Frankfurt, wenn es sich im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts endgültig zu West- und Südwestdeutschlands erster Handelsstadt entwickelte. Leipzig wurde wie Frankfurt bis 1631 vom Kriege verschont, seine Messe regelmäßig abgehalten. Durch seine Lage begünstigt, litt es in den Kriegen gegen Frankreich weniger als Frankfurt. Die Zahl der Meßgäste stieg bei starker ost jüdischer Beteiligung gegen Ende des Jahrhunderts auf über 1000. Leipzig blieb wichtigster Handelsplatz Mitteldeutschlands mit lebhaftem Verkehr nach Südosteuropa, Polen, Rußland bis zur Türkei. Die Seestädte nahmen eine unterschiedliche Entwicklung. Hamburg litt während des Großen Krieges — nachdem es im ganzen während der ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts unter starker Verbindung mit Holland eine glänzende Entwicklung erlebt hatte — unter dem Glückstadter Stapel. Seit der Jahrhundertmitte wandte es sich vom Getreide als Haupthandelsgut der Seefischerei, der Gold- und Silberwarenfabrikation und der Textilindustrie zu sowie vor allem dem Kolonialwarenhandel, während der Kornhandel

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auch unter dem Einfluß der ständig wachsenden Elbzölle, der Verwahrlosung des Elbestromes und der Münzverwirrung trotz der Bemühungen von Elbschiffahrtskongressen verfiel. Ein neues bedeutendes Arbeitsfeld bildete seit 1663 die Grönlandsfahrt, die um 1675 bereits große Gewinne abwarf. Die 1665 errichtete Commerzdeputation, Vorläuferin der Handelskammer, bildete als Vertretung der seefahrenden Kaufleute im städtischen Leben und in der Handelspolitik neben dem Rat, der die Regierung behauptete, zu Cliquen- und Vetternwirtschaft neigte und damit die Stadt gefährdete, einen „Fortschritt im Sinne der organisatorischen Entwicklung dieses hauptsächlich handelspolitisch interessierten Stadtstaates" CWiskemann). Neben diesen Neuerungen der 60er Jahre und dem Aufschwung des indirekten Kolonialhandels innerhalb der noch ganz intereuropäisch betriebenen hamburgischen Schiffahrt mit einem freilich tiefen Hinterland zeigte sich auch im Ausbau des Hafens, im Aufblühen des Schiffbaues, in der Errichtung neuer Magazine, in der Entwicklung des Versicherungswesens und in ersten Schritten zum Freihafen seit 1692 Unternehmungslust und Fortschrittsgeist. in der Elbestadt lebendig. Seit 1648 konnte sie als „einzige Luftröhre des Heiligen Reiches" bezeichnet werden, während alle anderen Mündungen deutscher Flüsse unter fremde Kontrolle gerieten. Auch in Bremen blühte, nach im ganzen geruhsamen Zeiten in der ersten H ä l f t e des Jahrhunderts, seit dessen Mitte (1653) der W a l f a n g bei Spitzbergen auf, Heringsfang und -handel warfen gute Gewinne ab; 1682 wurde eine Börse gegründet, deren Leben jedoch einen sehr ruhigen Gang nahm; da eine Bank fehlte, zog das Geldgeschäft sich ganz nach H a m b u r g . In Lübeck stand im Vordergrund eines zurückgegangenen Handels die Gestalt von Thomas Fredenhagen (1627— 1709), der wie eine späte Nachblüte oberdeutschen Kapitalistentums wirkte, „ein neuer T y p des wirtschaftlichen Menschen in Norddeutschland", der vom Kaufmanns- und Partenreeder den risikoreichen Schritt zur selbständigen Allein-

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reederei neben kaufmännischer Betätigung vollzog und damit, vom Glück begünstigt, Lübecks reichster Mann wurde, noch ehe in den Nordseehäfen dieser neue Berufszweig auftrat. Danzig sank nach ausgezeichneten Geschäften in der Kriegszeit seit 1650 schnell ab, da die deutsche Landwirtschaft sich erholte, die niederländische auf Getreide umgestellt wurde, Frankreichs Merkantilpolitik zur Selbstversorgung trieb und Kriege im Ostseeraum den Getreideanbau und -handel erschwerten. J e t z t erst bekam Danzig deutlich zu spüren, was westlichere H ä f e n schon früher hatten empfinden müssen: daß es in einem W i n k e l des neuen Weltwirtschaftsraumes lag. Insgesamt war der deutsche Schiffsbestand um 1670 kaum geringer als um 1590; aber Hamburgs Aufstieg und Lübecks Selbstbehauptung verschleierten den Niedergang Ostfrieslands, Pommerns und Preußens. Gleichzeitig wuchsen E n g lands, Hollands und Frankreichs Flotten gewaltig an. Die Menschenverluste unmittelbar durch Krieg, G e w a l t tat und Hunger waren weniger hoch als die durch Seuchen. „Vorsichtiger Wertung nach wird man rechnen müssen, daß in diesen 30 Notjahren etwa 40 % der deutschen ländlichen Bevölkerung dem Kriege und Seuchen zum O p f e r gefallen sind. In den Städten mag der Verlust nur auf 33 % geschätzt werden" (G. Franz). So wurde also die Bevölkerungszunahme des 16. Jahrhunderts wieder ausgelöscht, was den Neuanfang in einer Zeit der Hochschätzung großer Bevölkerungszahlen erschwerte und z. T . die Neigung zum populationistischen Zug des Merkantilismus in Deutschland begründete. Zunächst jedoch hatte der Krieg den Menschenüberschuß verschlungen, der andere V ö l k e r im 17. und 18. Jahrhundert zu ausgreifender Kolonialpolitik und zum Erwerb neuen Siedlungsraumes befähigte. D e m Bevölkerungsverlust folgte durch Auflockerung der Seßhaftigkeit, kriegerische und wirtschaftliche N ö t e eine Binnenwanderung aus den „Schongebieten" zu den „Tiefdruckgebieten", deren Größe und Weite allerdings nicht überschätzt werden darf; häufig blieb es bei Nachbarschaftsaustausch und Rückkehr

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von Bauern und Soldaten unter starkem Besitzwechsel im engsten Bereich. Innerhalb Westdeutschlands war die Wanderung weit lebhafter als nach dem schwer geschädigten Nordosten, da niemand freiwillig Hörigkeit und Fronarbeit auf sich nahm. So blieb der Osten auf eigene Kräfte angewiesen, was den gutsherrlichen Druck verstärkte, den Gutsherrn aber auch zu größter Initiative zwang. Nach den Soldaten der Kriegszeit verstärkten jetzt Neusiedler und Rückwanderer aus der Schweiz, Tirol, Österreich, den Habsburgischen Niederlanden und (vorwiegend Süd-) Frankreich die Untermischung und Strukturveränderung des deutschen Volkes. Im allgemeinen verschmolzen Zugewanderte schnell mit der zahlenmäßig und wirtschaftlich stärkeren bodenständigen Bevölkerung. Nach manchen Beobachtungen scheinen die Gruppen „führender Bürger", Bauern und Handwerker stärkeren Nachwuchs gehabt zu haben als die der Tagelöhner usw. Zur Überwindung der Kriegsschäden bedurfte es meist einiger Jahrzehnte. Da Rheinschiffahrt und -handel weithin unter holländische Kontrolle gerieten, erlitten die Städte am Strom und seinen Nebenflüssen schwere Verluste; ebenso stand es um den deutschen Handel in und an der Ostsee, während Hamburg und Bremen den Krieg weit besser überstanden hatten, da sie sich mit Holland und England in die deutsche Ein- und Ausfuhr teilten. Deutschlands wirtschaftliches Zurückbleiben hinter den Westmächten war nicht in erster Linie durch den Krieg verschuldet, sondern begann schon früher — wie der Kipperund Wipperzeit Münzverschlechterungen vorausgingen — und beruhte mehr auf weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Entwicklungen als auf innerdeutschen, die der Krieg nur beschleunigte. Der Aufbau stellte nicht die Wirtschaft von 1600/18 wieder her, sondern paßte sie manchen weit- und volkswirtschaftlichen Wandlungen, politischen Machtverschiebungen und Thronwechseln (Berlin) an. In der Pfalz wurde statt vernichteter Reben mehr Getreide, Hanf, Flachs, Mais, Kartoffeln und Tabak angebaut. Die Z««/fordnungen

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wurden gelockert, was bisweilen — z. B. in Brandenburgs Städten — den Eindruck nachhaltiger Kriegsschäden verstärkte. Der Wohlstand der Zünfte wurde, soweit er noch bestand, vom Kriege meistens aufgezehrt. Die technische Entwicklung des Zunfthandwerks blieb im allgemeinen hinter der in England, die kunstgewerbliche hinter der in Frankreich zurück. An die Stelle der ergebnislosen Zunftreformversuche des Reiches im 16. Jahrhundert trat im Rahmen der Einheit der Territorialwirtschaften und merkantilistischer Überlegungen seit der Mitte des 17. Jahrhunderts die Einrichtung von Landeszünften — weniger als Handwerksorganisationen als vielmehr oberhalb der immer unbedeutenderen städtischen Selbstverwaltung als Polizeiorgane des Staates. Darin keimten zugleich auch, etwa in der Pfalz, Ansätze zu größerer Freiheit und Beweglichkeit des Einzelnen, sofern der Staat nicht ausschließlich mit zentralisierender Absicht und dem Ziel der Akzisesteigerung handelte. Vollständige Aufhebung der Zunfteinrichtungen hätte die Wirtschaftsschranken zwischen Stadt und Land einstürzen lassen und das territoriale Steuersystem gefährdet. Bemühungen der von Brandenburg geführten norddeutschen Reichsstände um Abstellung der Handwerksmißbräuche wenigstens in den Einzelstaaten wurden durch die konservativere österreichisch-süddeutsche Opposition wie durch den Kaiser behindert. Vorschlägen und Verhandlungen seit 1669 folgte ein Reichsgutachten von 1672, das inhaltlich wenig Bedeutung hatte, 1731 aber fast wörtlich in den Reichsschluß überging als „Höhepunkt der Zunftgesetzgebung des Reiches und Basis für die gesamte Handwerksgesetzgebung in Deutschland im 18. Jahrhundert, in Preußen bis zum Allgemeinen Landrecht". Die brandenburgische Polizeiverordnung von 1688 gipfelte in der Neuordnung des gesamten Zunftwesens — der ersten allgemeinen Handwerksordnung für ein größeres Gebiet. Bei den Bemühungen um Wiederherstellung des Wohlstandes waren ausländische Gewerbetreibende, Deichbauer, Kolonisten behilflich. Allerdings fehlte es häufig an Geld und Kredit, auch an Verständnis und Großzügigkeit, um Fähigkeiten

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und Unternehmungslust dieser Zugewanderten sich voll auswirken zu lassen. Die Kosten stehender Heere und neuer, moderner Befestigungen ließen selbst reiche, vom Kriege kaum betroffene Städte wie Danzig die Sicherheit von Handel und Umschlag teuer zu stehen kommen. Im Westen hat der Krieg unverkennbar die kapitalistische Wirtschaftsweise besonders angeregt, und zwar sowohl im Handel, soweit er Heereslieferungen aufzubringen und deren Produktion zu organisieren hatte, als auch bei den öffentlichen Gewalten, die mit eigenen Mitteln manches für den Krieg durchführen mußten, was die private Initiative nicht vermochte. Die Riesensummen an Subsidien — Geldern, die alle großen Mächte, auch der Papst, nach Deutschland sandten — wirkten über Fürsten, Hof juden und andere Geschäftsleute in gleicher Richtung, überwogen wohl auch stellenweise Verluste durch Raub und Kapitalflucht. Unter dem Schutz städtischer Rechtssicherheit hatten sich alte wie auch im Kriege erworbene Kapitalien erhalten, die nun Handelshäusern zur Verfügung standen. Nach Ulm, Nürnberg und anderen süddeutschen Städten trugen österreichische Protestanten gerettete Vermögen. Ausländische, insbesondere holländische Unternehmer und flämische Arbeiter brachten Geld, Arbeitskraft und neue Wirtschaftsweisen (Vergrößerung der Webstühle, Steigerung des Steinkohlenverbrauches, vermehrte Ausnutzung der Wasserkräfte). Auch stärkte der Krieg das Freiheitsbedürfnis der Wirtschaft und schuf lange vor dem Einfluß ausländischer liberaler Regierungen eine wachsende Opposition gegen Zunftauffassungen, adelige und geistliche Steuerprivilegien sowie handelsstörende Fluß- und Straßenzölle. In der gewerblichen Produktion stand das Handwerk noch ganz im Vordergrund. Mängel an Kapital und Unternehmungslust, auch fürstliche Abneigung verhinderten die Entstehung wirklich industrieller Unternehmungen. Bedeutungsvoll war die häufig in die Zukunft weisende Durchbrechung des Zunftzwanges durch Konzessionierung und Privilegierung von Verlegern und Manufakturisten, die

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mit Schutz und Förderung des Staates manchen Gewerben durch Qualität, Auslandsverbindungen u n d Kapital wieder überterritoriale Bedeutung gaben; ländliche Hausindustrie charakterisierte mehr und mehr ärmere Gebirgs- und Waldgebiete mit niedrigen Löhnen und Zwang zu Nebenerwerb, Frauen- und Kinderarbeit. Wichtig f ü r die Textilindustrie war die Entstehung von zwei neuen Bedarfsgruppen, der Hofgesellschaft mit Luxusverlangen und der stehenden Heere, Beamten- und Bedientenscharen mit schnell wachsendem Uniformbedarf. N u r langsam entwickelte sich die Zerlegung des Produktionsvorganges und die Verwendung von (Wasser-) Kraftanlagen. Schon gegen Kriegsausgang setzten zum Ausgleich des Münzwirrwarrs und der Münzverschlechterungen erste Reformbestrebungen ein: in Brandenburg wurde das erste Moratorium 1630 publiziert, 1631, 1633, 1638 prolongiert, 1643 neu formuliert, wobei ländliche Gutsbesitzer gegenüber häufig neureichen Gläubigern bevorzugt wurden. Andere Territorien schritten über Moratorien zum Schuldenerlaß; der Regensburger Reichstag bemühte sich 1654 um allgemeine endgültige Regelung der Kreditverhältnisse. Die Praxis führte gewöhnlich zur Kapitalabwertung um V3 bis 2 /3 (selbst um S U bis 4 /s). Sie schloß radikal ab, was die Münzverschlechterung begonnen hatte: die Liquidation der ersten Periode deutscher Kreditwirtschaft, wobei im Südwesten bei hohen Löhnen und mäßigen Preisen die breite Schicht der kleinen Besitzer, im Nordwesten durch Steigerung der Bodenpreise die Inhaber größerer bäuerlicher Güter, im Osten der adelige Großgrundbesitz am stärksten bevorzugt, am wenigsten geschädigt wurde. Die Edelmetallmengen gingen stark zurück; wertvollste Gold- und Silbergeräte der deutschen Renaissancezeit gingen — durch Raub, Beschlagnahme, Kauf und Tausch — u. a. nach Schweden, wo sie in Museen, Schlössern und Gutshäusern vor dem Verlust in späteren Kriegen bewahrt und bis heute erhalten geblieben sind.

4. Kaiser und Reich Die Hauptschwierigkeit bei der Betrachtung der deutschen Geschichte zwischen 1648 und 1806 liegt in dem Umstand, daß diesen 150 Jahren deutscher Geschichte ein Mittelpunkt fehlt. Schon in der großen Zeit des Kaisertums fielen deutsche Geschichte und Kaisergeschichte keineswegs zusammen: die italienische Entwicklung lag außerhalb der deutschen, die der Ostkolonisation außerhalb der Kaisergeschichte. Für die Zeit nach 1648 ist es einfach unmöglich, die D a r stellung um die Kaiser zu gruppieren, denn Kaisertum, Haus Habsburg, d. h. habsburgische Hausmacht, bildeten — mit Erblanden, Böhmen und dem allerdings nur z. T . beherrschten Ungarn — eine Einheit mit Interessen, die keineswegs mit denen Deutschlands identisch waren. Die Einbußen Habsburgs im Westen stellten Verluste f ü r Deutschland und das Reich, dagegen Entlastungen zu Gunsten der Aufgaben und Ziele im Osten und Südosten dar, die nur zu einem kleinen Teil auch mit Vorteilen f ü r Deutschland verbunden waren, wohl aber Grundlagen des österreichischen Staates, der späteren Doppelmonarchie wurden. Durch diese Verschiebung der Interessen, Aufgaben, Blick- und Urteilsrichtungen erklärt es sich, daß im 20. Jahrhundert ein österreichischer Kleinstaat entstehen konnte, der selbst unter schlechten Lebensbedingungen seine Selbständigkeit gegenüber Deutschland behauptete und diesem nicht viel mehr als Sprach- und beschränkte Kulturund Geschichtsgemeinschaft zugestehen wollte. So baute Österreich sich um die Reichshofkanzlei eine eigene Verwaltung, erlebte seine eigene geistige Entwicklung um das eine Zentrum der Gegenreformation u n d um das andere der Internationalität seiner Dynastie, in der und mehr noch über die auch italienische und spanische Kunst- und Literatureinflüsse wirksam wurden. Der Kaiser also stand mit seiner Hausmacht mehr neben dem Reich als in ihm. Aber auch das Reich selbst bildete in unserem Zeitraum nicht Mittelpunkt und Herzstück der deutschen Geschichte. Voltaire hat f ü r das Heilige Römische Reich im 17. und 18. Jahrhundert geschrieben, es sei weder

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heilig noch römisch noch Reich. In diesem nach Pufendorfs — unter dem Pseudonym Severinus de Monzambano, eines Deutschland bereisenden Italieners — Wort „irregulären und fast einem Monstrum ähnelnden" Reich spielten die Hauptrolle die Territorien und ihre Dynastien, nicht das Ganze der Nation oder des Staates, die es beide nicht gab. Unter ihnen waren die bedeutendsten neben den Habsburgern Sachsen, das trotz des Gewinnes der Lausitzen nicht mehr das Gewicht der Reformationszeit hatte, und Brandenburg, das ebenfalls Landgewinne verzeichnen konnte und dessen Kurfürst „kraft seiner Persönlichkeit gewissermaßen in die Stelle einzurücken (schien), die bisher Maximilian von Bayern eingenommen hatte" (Braubach in Gebhardt II). Dieser große Wittelsbacher hatte mit dem Erwerb der Oberpfalz neben Österreich sein Land zur bedeutendsten süddeutschen Territorialmacht erhoben, die er 1651 seinem Sohne Ferdinand Maria hinterließ und die auch durch die Erneuerung der Sekundogenitur in Köln und Lüttich politische Bedeutung über die Reichsgrenzen hinaus erhielt. In die rheinische Pfalz war der Sohn des Winterkönigs, Karl Ludwig, zurückgekehrt, der sich um den Wiederaufbau des weithin zerstörten Landes große Verdienste erwarb. Unter den geistlichen Kurfürsten war die beherrschende Figur der über Mainz und Würzburg herrschende Johann Philipp von Schönborn. Nach vorne drängten weiter Hessen-Kassel, nach finanziellem und territorialem Gewinn die Weifen und die Pfalzgrafen von Neuburg, die Jülich und Berg erhalten hatten. Aber ohne Zweifel ist die Geschichte aller Partikularstaaten in ihrer Summe nicht die deutsche Geschichte — um so weniger, als größere Dynastien in gewissem Umfange aus dem Reich herauswuchsen, es sprengten und sich gegen es wandten. Innerhalb eines halben Jahres nach dem Friedensschluß sollte gemäß Art. VIII ein Reichstag einberufen werden, auf dem die wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit der Reichs Verfassung beraten werden sollten. Dabei handelte es sich in erster Linie um die Wahl des römischen Königs

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und um die Aufstellung einer detaillierten „beständigen" kaiserlichen Wahlkapitulation. Fortan sollten auf Wunsch Frankreichs und Schwedens an der W a h l eines Nachfolgers des Kaisers zu dessen Lebzeiten und an der Abfassung der Wahlkapitulation nicht allein — wie bisher — die K u r fürsten, sondern alle Reichsstände beteiligt sein. U m dieser Erschwerung seiner Lage zu entgehen, verzögerte Kaiser Ferdinand I I I . die Einberufung des Reichstages, einigte sich inzwischen mit den Kurfürsten, die um ihre durch jene Forderung gefährdete „Präeminenz" besorgt waren, über die W a h l seines Sohnes und über die Wahlkapitulation auf dem Kurfürstentag zu Prag im Herbst 1652 unter Erfüllung von Sonderwünschen der Kurfürsten und erreichte so, daß Ferdinand IV. am 3 1 . 5 . 1 6 5 3 in Augsburg einstimmig zum römischen König gewählt wurde. Einen Monat später wurde in Regensburg der Reichstag feierlich eröffnet, nachdem im Frühsommer 1651 K u r f ü r s t Friedrich Wilhelm von Brandenburg versucht hatte, sich durch Handstreich gegen alles Recht in den Besitz weiterer Teile des jülich-cleveschen Erbes zu setzen und die Reichsstände inzwischen zweimal zur Selbsthilfe durch Einigungen geschritten waren (Verteidigungsbündnis der drei geistlichen Kurfürsten mit den Ständen des oberrheinischen Kreises März/April 1651 und Hildesheimer Union 19.2.1652 zwischen den braunschweigischen Häusern Wolfenbüttel, Celle und Hannover, Bremen-Verden, Hessen-Kassel und dem Bischof von Paderborn). Der Reichstag war außerstande, auch nur eine seiner wichtigen Aufgaben zu erledigen. Über die Ursachen seiner Ergebnislosigkeit gibt es mehrere Auffassungen. Droysen als Vertreter der kleindeutsch-preußischen Richtung weist in seiner „Geschichte der preußischen Politik" die Schuld dem Kaiser zu, der kein Interesse am Reich gehabt habe, die Erneuerung des Reiches auf ständischer Grundlage vermeiden wollte und daher den Reichstag absichtlich gelähmt und vorzeitig abgebrochen habe. Vertreter der großdeutschen Auffassung wie Ruville („Die Kaiserliche Politik und der Regensburger Reichstag") erklären, damals habe zum letztenmal die

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Möglichkeit bestanden, eine „legale Obergewalt m i t Z w a n g s befugnissen und Zwangsmitteln" in Deutschland zu errichten; die Verantwortung f ü r die Ergebnislosigkeit des Reichstages trügen die Reichsstände, insbesondere Brandenburg, dessen Übertritt zur Opposition die Entscheidung gegen das Kaisertum ermöglicht habe. H ä r t u n g (Handbuch f. d. Geschichtslehrer Bd. 5,193?) kritisiert die moralisierende und unhistorische H a l t u n g beider Auffassungen des 19. Jahrhunderts gegenüber dem 17. und hält die Wiederherstellung der vollen kaiserlichen Oberhoheit zu jenem Zeitpunkt bereits f ü r unmöglich, da die deutschen Reichsstände zu stark und die ausländischen Großmächte gerade an der Aufrechterhaltung der deutschen Anarchie interessiert waren. „Daß eine Reichsreform nur zu starker Bindung des Kaisertums an die Reichsstände führen konnte, ist dem Kaiser damals deutlich gewesen. Deshalb wollte er von einer Reform nichts wissen". Er handelte auf dem Reichstag nicht als Vertreter einer als politische Macht nicht existierenden deutschen Nation, sondern als Habsburger, was sowohl die Wahl seines Sohnes wie der Verlauf der Verhandlungen bezeugt, „bei denen es dem Kaiser lediglich um die im Westfälischen Frieden untersagte Unterstützung Spaniens zu tun w a r " . Die Reichsstände widersetzten sich dem aus eigenem wie aus dem gesamtdeutschen Interesse der Erhaltung des Friedens. „Ein Sieg des Kaisers in Regensburg . . . hätte nicht Deutschlands Einheit, sondern die erneute Zerfleischung Deutschlands zwischen Habsburg und Bourbon bedeutet". Allerdings hatten andererseits auch die Reichsstände weder K r a f t noch Einsicht zur Wendung von der negativen Ablehnung der kaiserlichen Forderungen zur positiven Übernahme der Führung in Deutschland. So fehlte dem Reichstag ein aktiver politischer Mittelpunkt. „Diese Sünden der Vergangenheit waren durch einen einzelnen Reichstag, ja, man darf allgemein sagen, durch Verfassungsreformen nicht gut zu machen. U n d deshalb ist der Reichstag von 1653/54 im Sande verlaufen". Er hat die Frage der Reichsverfassung nicht berührt und die des wirtschaftlichen Wiederaufbaus

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den Territorien überlassen. Einigkeit herrschte auf dem Reichstag nur darüber, daß die Untertanen zu gehorchen hätten und zur Zahlung ausreichender Steuern zwecks Erhaltung von Festungen und Garnisonen verpflichtet seien, was die H a l t u n g stehender T r u p p e n ohne Bewilligung der Landstände, d. h. die Stärkung des territorialstaatlichen Absolutismus und eine weitere Schwächung des Reiches bedeutete. Der Übergang des von Graf Georg Friedrich von Waldeck beratenen Kurfürsten von Brandenburg zur Opposition gegen Kaiser und katholische Reichsfürsten — besonders in der Frage der Geltung von Majoritätsbeschlüssen bei der Behandlung von Reichssteuern — hatte zur Folge, daß Protestantismus und Reichsstände ihre im Westfälischen Frieden errungene Stellung gegenüber einer sich neu erhebenden kaiserlichen Politik behaupteten. An der Spitze der protestantischen Reichsstände stand fortan Brandenburg, wenngleich Kursachsen das Direktorium des Corpus evangelicorum behielt — auch noch, als August d. Starke f ü r seine Person die Konfession wechselte. Die bereits vor dem Reichstag einsetzende Tendenz zur Bildung reichsständischer Föderationen und Bündnisse f a n d unter Brandenburgs Führung ihre Fortsetzung, indem Graf v. Waldeck einen politisch, nicht konfessionell begründeten antihabsburgischen Unionsplan verfolgte — das „große Dessein" (in Nachahmung des grand dessin von Sully). Waldeck plante die Wahl des bayerischen Kurfürsten zum deutschen Kaiser nach Ferdinands IV. T o d am 9. 7. 1654 und drängte zum Anschluß an Frankreich, das Subsidien zahlen und dagegen Hilfe bei der Eroberung der spanischen Niederlande erhalten sollte, falls es Brandenburg bei der Gewinnung der gesamten jülich-cleveschen Erbschaft gegen den katholischen Pfalzgrafen von Neuburg unterstützte. Das Ergebnis von Waldecks weitreichenden Verhandlungen war zunächst nur ein Bündnis zwischen Kurbrandenburg und den drei weifischen H ö f e n in Braunschweig, H a n n o v e r und Celle am 19. 6. 1655. Vorübergehend bedeutungsvoller war die anfangs katholische, bald aber allgemeinpolitische Kölner Allianz vom 15. 12. 1654 zwischen dem Bischof von

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Münster, den Kurfürsten von Köln und Trier und dem Pfalzgrafen von Neuburg, dem sich 1655 auch Johann Philipp von Mainz anschloß, um sich selbst eine Mittlerstellung in der europäischen Politik zu schaffen. Diese Bündnisbewegung, die im Zusammenhang mit dem noch dauernden Krieg zwischen Spanien und Frankreich und der Gefährdung des Friedens in Deutschland durch ihn betrachtet werden muß, entsprach einer alten, bis ins Mittelalter zurückreichenden Tradition der Friedenssicherung in Zeiten der Reichsschwäche. Jetzt war einerseits die Gefahr so groß, andererseits der konfessionelle Gesichtspunkt so zurückgetreten, daß überkonfessionelle Präventiv-Bündnisse zur Abwehr möglicher Angriffe von außen gebildet wurden, da das Reich als Ganzes aktionsunfähig war. Aber selbst Waldecks Unionsplan konnte um Brandenburg nicht genügend Macht zur Durchführung solcher Vorhaben konzentrieren und scheiterte an Brandenburgs Unfähigkeit zur Koordinierung rivalisierender Staaten f ü r eine gemeinsame Politik. Eine wirklich deutsche Politik kam nirgends zustande, was der W i r r w a r r um Kaiser Ferdinands III. Nachfolge bezeugt. Eine neue Königswahl konnte infolge der Minderjährigkeit von Ferdinands zweitem Sohn Leopold Ignaz (nach Ferdinands IV. Tod), der bereits zu Lebzeiten des Vaters zum König von Ungarn und Böhmen gekrönt worden war, nicht stattfinden, obgleich der Kaiser nahezu regierungsunfähig war; er starb noch nicht 50jährig am 2.4.1657 und hinterließ ein Interregnum von 15 Monaten. Die W a h l selbst stand ganz unter dem Zeichen des habsburgischfranzösischen Gegensatzes, d. h. des Krieges zwischen Frankreich und Spanien, das dauernd habsburgisdhe T r u p p e n hilfe nach Italien und den Niederlanden erhielt. Leopold Ignaz' Wahl und Vermählung mit der ältesten spanischen Königstochter hätte beim Aussterben des spanischen Mannesstammes die Wiedervereinigung des habsburgischen Gesamthauses zur Folge gehabt, was außer Frankreich auch das Reich verhindern wollte. Gegen diese Gefahr wandte sich die Kurerzkanzlerpolitik des Kurfürsten Johann Phi-

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lipp von Schönborn mit der Bemühung um die Schaffung einer dritten Partei zur Sicherung des Friedens für Deutschland. Aber die habsburgfeindliche Partei hatte keinen geeigneten Kronkandidaten, da Ferdinand Maria von Bayern in Erkenntnis seiner Machtmittel und Fähigkeiten auf eine Bewerbung verzichtete und zu Habsburg hielt. Mazarin förderte zeitweise den Pfalzgrafen von Neuburg und dachte selbst an Ludwig XIV., der in Deutschland abgelehnt wurde. So konnten die deutschen Kurfürsten am 18.7. 1658 nur Leopold I. zum römischen Kaiser wählen und ihn in seiner Wahlkapitulation so beschränken, daß er das Reich nicht in den französisch-spanischen Krieg hineinzuziehen vermochte, für seine Hausmacht Neutralität versprechen und außerdem Frankreichs Landerwerbungen im Elsaß ausdrücklich anerkennen mußte. Außerdem schuf Frankreich zur Sicherung über diese Versprechungen auf dem Papier hinaus den Rheinbund. Bereits 1654/55 war zwischen den Kurfürsten von Mainz, Köln und Trier, dem Pfalzgrafen von Pfalz-Neuburg und dem Bischof von Münster ein Rheinischer Bund zustande gekommen, an den Frankreichs Politik nun anknüpfen konnte. Auch glaubte Johann Philipp von Mainz, bestärkt durch seinen bedeutenden Minister Johann Christian von Boyneburg, durch ein solches Bündnis seine Position gegenüber dem Kaiser verbessern zu können. Freilich trugen Bündnisse dieser Art wenig Aktionsmöglichkeit in sich — um so weniger, je weiter ihre Ziele sich über den engsten Interessenkreis und politischen Horizont der Mitglieder hinaus erstreckten. Diese natürliche Schwäche war nur zu verringern, wenn der Bund sich an eine Großmacht anschloß, die mit Nachdruck die Erfüllung der Allianzverpflichtungen fordern und notfalls mit Gewalt erzwingen würde. Als solche Macht stand das durch Leopolds I. Wahl verärgerte und unterlegene Frankreich zur Verfügung: einen Monat nach der Kaiserwahl wurde am 15. 8. für zunächst drei Jahre der Rheinbund geschlossen. Er bestand aus den drei Kurfürsten am Rhein, Pfalz-Neuburg, Münster, Schweden für Verden und Bremen, den weifischen T r e u e , Deutsche Cc^ciiiclue

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Herzögen und dem Landgrafen von Kassel. Am folgenden Tage trat Frankreich dazu, in den, nächsten Jahren folgten Brandenburg (sobald dessen Bündnis mit Polen gegen Schweden nicht mehr im Wege stand), Württemberg, Hessen-Darmstadt und noch andere Staaten. Oberhaupt war von Anbeginn und blieb stets Johann Philipp von Mainz, der zugleich dem Bundesrat und der ständigen Reichsdeputation in Frankfurt vorstand und so mit seiner Tatkraft eine zeitweise recht wirksame Nebenregierung im Gegensatz zum Kaiser zu entwickeln vermochte. Der Bündnisvertrag vom 15. 8. 1658 deutete von dem eigentlichen Ziel nichts an. Der Bund war gegen niemand, insbesondere nicht gegen Kaiser und Reich gerichtet und sollte ausschließlich dem Schutz der Teilnehmer und der Erhaltung des Friedens durch das österreichisch-französische Gleichgewicht dienen. Dahinter lag, unausgesprochen die Aufgabe, den Kaiser daran zu hindern, daß er den Wahlkapitulationen zuwider seine Hausmacht zur Unterstützung Spaniens einsetzte. Im Notfall standen für eine solche Maßnahme auf dem Papier 10000 Mann an Truppen bereit — davon 2400 Franzosen, die den Kern dieser antihabsburgischen Bundesmacht bildeten. Nachdrücklich hat Härtung betont, daß die Bedeutung dieses ersten Rheinbundes nicht nach der des zweiten beurteilt werden dürfe. Während der Rheinbund von 1806 „tatsächlich die Auflösung des alten Deutschen Reiches, das Protektorat Frankreichs über den größten Teil von Südund Mitteldeutschland" bedeutete, war der Rheinbund von 1658 „gewiß auch ein Ausdruck des starken politischen Gegensatzes gegen das habsburgische Kaisertum. Aber seine deutschen Mitglieder wollten damit nicht das Reich auflösen, sondern vor der Gefahr der Zerreißung in einem neuen Kriege zwischen dem Kaiser und Frankreich bewahren". W a r die Zielsetzung des Rheinbundes also positiv, so war doch seine Wirksamkeit nicht sehr bedeutend. Er ist insgesamt nur ein einziges Mal, nämlich in den ersten Zeiten

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des Reichstages, geschlossen aufgetreten, den Leopold I. 1662 unter dem Eindruck der Türkengefahr und der damit verbundenen Finanznöte nach Regensburg zusammenrief und, nach fast einem Jahrzehnt ohne Reichstage, am 20. J a nuar 1663 eröffnete. Nach langem H i n und H e r — inzwischen ging Neuhäusel an die Türken verloren — bewilligten die Rheinbundstaaten zwar die vom Kaiser geforderte Türkenhilfe. Doch stellten sie ihre T r u p p e n kontingente nicht mit den übrigen Reichstruppen dem Kaiser direkt zur Verfügung, sondern formierten ein eigenes, durch 6000 Franzosen — Ludwig hatte die T r u p pen als Mitglied des Rheinbundes zur Demonstration seiner Macht gesandt — verstärktes Korps, das sich auch an der siegreichen Schlacht bei St. Gotthard an der Raab am 1. 8. 1664 beteiligte. D a n n allerdings war im wesentlichen der Rheinbund daran schuld, daß der Kaiser den Sieg nicht auszunützen und den geschlagenen Gegner zu verfolgen wagte, sondern den Krieg abbrach, weil er den von Frankreich gestützten und geführten Bund in seinem Rücken als ständige Gefahr empfinden mußte. Aber dieses war das einzige und damit also auch das letzte geschlossene Auftreten des Rheinbundes. Die europäische politische Entwicklung in den 60er Jahren zeigte auch den deutschen Rheinbundstaaten, daß Frankreich grundsätzlich ein gefährlicherer Gegner war als der Kaiser. Gegen Ende des Jahrzehnts fiel der Bund ohne größeres Aufsehen auseinander. Das erleichterte dem Kaiser bis zu einem gewissen Grade seine Politik, war aber nicht mit dem Aufhören des Gegensatzes der Reichsstände zum Kaiser identisch. Aus dieser Gegnerschaft heraus blieb auch f o r t a n der Reichstag als „ewiger" oder „immerwährender" Reichstag, als ständiger Gesandtenkongreß in Regensburg dauernd beisammen, um die kaiserliche Politik unter der Kontrolle der Stände zu halten und eine selbständige Kriegspolitik des Kaisers zu verhindern. Freilich konnte dort nun auch Ludwig X I V . die Vorgänge in Deutschland zentral beobachten und überwachen. y

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Diese Feindschaft von Kaiser und Ständen verhinderte zumeist bei obendrein kleinlichster Pedanterie der Arbeitsweise die Beschlußfähigkeit des Reichstages. Das Reichsgutachten von 1670 verschärfte die 1654 festgesetzte Steuerpflicht der Untertanen, wurde aber vom Kaiser verworfen. Die Reichskriegsverfassung wurde 1681 aus der gegen Ludwig X I V . gewandten Stimmung nach zeitraubenden Beratungen beschlossen, aber nur da durchgeführt, wo das Reich allein noch lebendig war, in den Gebieten der Kleinstaaterei. Im übrigen erwies der Reichstag sich zumeist als ebenso arbeitsunwillig wie arbeitsunfähig und wurde schnell zum Gespött im In- und Auslande. Das Reich war nicht mehr Träger der deutschen Politik und konnte es auch nicht sein. Die lebendigen K r ä f t e lagen in den deutschen Einzelstaaten. Gegen diese Auffassung hat sich in jüngerer Zeit insbesondere R. Lorenz in Wien gewandt, indem er zwar die außenpolitische Ohnmacht des Reiches im Kreise der europäischen Großmächte nicht bestreitet, wohl aber die „bloße Tatsache des Reiches, dieser aristokratischen ,Republik' mit den antik-christlichen Attributen des Kaisertums" als T r ä ger eines „nicht zu unterschätzenden, geschichtlich begründeten Bewußtseins der Gemeinsamkeit" bezeichnet. „In sehr kritischen Stunden Europas vermochte es weit über die unvollkommenen Formen des öffentlichen Rechtes hinaus K r ä f t e zu entfalten, die dem Gegner deutscher Weltgeltung, der schon gewonnenes Spiel zu haben glaubte, gefährlich werden konnte". Lorenz erklärt, alle territorialen Staatlichkeiten — die des Kaisers nicht weniger als die anderen in Deutschland — hätten auch weiterhin „ihrem Dasein nach an der Rechtsform des ,Reiches'" gehaftet, „mochte sich auch ihr Lebensdrang daran nicht mehr genügen und einen zusätzlichen, eigenständigen Machtbereich aufsuchen. Denn das Partikular-Staatliche bedeutete in der deutschen Welt nie das letzte W o r t auch bei den Größten und verhältnismäßig Unabhängigsten, indes die viel zahlreicheren kleineren Genossen in ihrer Gesellschaft auf Gedeih und Verderb damit verbunden waren. Die auswärtige Politik

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auch der schon als europäische Mächte anzusprechenden Reichsstände enthielt immer ein Element der Gebundenheit, das in dieser Art bei sonst gleichwertigen außerdeutschen nicht zu finden war, und die Handlungen der Wiener H o f burg selbst ließen in wechselnder Stärke ein dreigeschichtetes Fundament durchscheinen: das deutsch-mitteleuropäischreichische, das territorial-österreichische und das katholischdynastisch-universale. Mochte endlich auch der Reichstag keineswegs der Ausdruck einer echten, deutschen Staatlichkeit sein, so ist seine geschichtliche Aufgabe als Ausdruck und Ausgleich sonst ganz unübersehbarer politischer K r ä f t e auch dem fremden Ausland geläufig gewesen". 5. Die deutschen Mittel- und Kleinstaaten Diese mehr von der Ideen- als von der Machtgeschichte herkommende, stärker die großdeutsche Linie romantisch verfolgende als die Bedeutung des Territoriums f ü r die politischen Tatsachen voll erkennende Auffassung kann nicht an dem Faktum vorbeisehen lassen, daß der Wiederaufbau nach 1648 und damit die Grundlegung f ü r die Geschichte der Folgezeit von den Einzelstaaten geleistet worden ist. Das bedeutete zugleich, daß dieser nicht einheitsstaatlich, sondern entsprechend den Individualitäten von Fürsten, Stämmen und Territorialstaaten sehr bunt und häufig in kleinen und kleinlichen Gegensätzlichkeiten verlaufen ist. Dabei stand auf der einen Seite der Vorteil der Vielfalt, auf der anderen der Nachteil in Verbindung mit der Enge der Kleinstaaterei, das Gegeneinander des Unterschiedlichen, bestenfalls das Nebeneinander des Gleichen mit unproduktivem Kräfteverschleiß in kräftearmer Zeit. Am a u f f ä l ligsten, krassesten und eindringlichsten erwies sich diese negative Seite in der Vielfalt des territorialstaatlichen Merkantilismus — so bei dem Verlangen mittel- und süddeutscher Staaten nach zeitgemäßer eigener Kolonialpolitik in Übersee ohne Rücksicht auf die geographischen Gegebenheiten oder bei dem Bemühen mitteldeutscher Staaten um den Aufbau unmittelbarer Handelsbeziehungen etwa zu England, welcher an der aus Souveränitäts- wie aus Finanz-

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gründen hartnäckig aufrecht erhaltenden Tradition des Stapelrechts und selbständiger Zollpolitik der vorgelagerten Territorien scheiterte. Im Zeitalter der phantasievollen und über die Maße der klassischen Renaissance hinausgreifenden Barockkunst gab es auch in der Politik und in der A u f fassung der Herrscher von sich selbst und ihrer Stellung in der Welt viel Phantasterei und machtpolitische Gedänkenspielerei. Bei aller Verschiedenheit der Territorien im einzelnen bestanden grundsätzliche Gemeinsamkeiten: z.B. die Staatsform des fürstlichen Absolutismus in Verbindung mit dem immer deutlicheren Zurücktreten der Stände. Die ständisch regierten Staaten hatten den Großen Krieg am schlechtesten überstanden und danach die geringste K r a f t und Entschlossenheit zum Wiederaufbau gezeigt, sie vermochten nun auch machtpolitisch den fürstlich-absolutistisch regierten Territorien wenig Widerstand entgegenzusetzen. N u r in adelsstarken Territorien wie Mecklenburg und H a n n o v e r , im verbürgerlichten Württemberg sowie im Sachsen der konfessionellen Spaltung zwischen Herrscherhaus und Untertanen vermochten die Stände sich bis ins 18., 19. und 20. Jahrhundert zu behaupten — als reaktionäre, reformfeindliche Mächte, so daß gerade diese Staaten hinter den absolutistisch regierten am weitesten zurückblieben. U n d wo wie in Hamburg, F r a n k f u r t , Leipzig, weniger in Bremen und Lübeck, die ständische Form des politisch-gesellschaftlich-wirtschaftlichen Lebens bestehen blieb, da mußte sie sich nicht selten gegenüber manchen reformerischen O p p o sitionen bewähren und behauptete sich überhaupt nur auf dem Fundament wirtschaftlichen Gedeihens. Das aber heißt: diese Städte bewahrten ein anderes Gesicht und Wesen, das von der Erscheinung der nun aufblühenden fürstlichen Residenzstädte entschieden abwich — eindeutig zum Vorteile, was die Finanzseite anbetraf, eher zum Nachteil, wenn man beachtet, was an handwerklich-industrieller, an Bildungsund künstlerischer Unternehmungslust und Schaffenskraft etwa von Berlin aus die preußische Monarchie erfüllte und bereicherte.

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Auch ist zu beachten, daß der deutsche Territorialabsolutismus nicht schlechthin das französische Vorbild imitierte, sondern vom Menschlichen her seine Wurzeln sowohl im altdeutschen Patriarchalismus wie auch in der christlichen Demut vor und Verpflichtung gegenüber Gott hatte. Ernst der Fromme von Gotha, dessen Regierungsweise zum Vorbild f ü r Veit Ludwig von Seckendorfs Schilderung im „Teutschen Fürstenstaat" vom Jahre 1656 wurde, und Karl Ludwig von der P f a l z waren gewiß die hervorragendsten Vertreter dieser deutschen Fürstengenerationen, doch aber in vieler Hinsicht auch typisch. Etwa insofern, als die Kleinheit ihres Staates den vielleicht beabsichtigten Regierungsabsolutismus alsbald weitgehend in Verwaltungs-Kameralismus abwandelte, indem aus der westeuropäischen Merkantiltheorie mit dem Blick nach Übersee in den binnendeutschen Kleinstaaten zumeist die landwirtschaftliche Hausväterliteratur mit einigem modischen Beiwerk wurde, indem schließlich die Aufgabe der Geldbeschaffung und Steuereintreibung f ü r den allernötigsten Aufbau so schwierig wurde, daß f ü r mehr kaum Energie blieb. H a t t e n Ernst der Fromme Abessinien- und Bayern Guayanapläne, so wirkt das heute eher rührend als bemerkenswert und bewies den Zeitgenossen im wesentlichen nur, daß auch diese Weltweite der Gedanken und der Politik den deutschen Territorialherren nicht fremd war, daß sie mitdenken und selbst mitplanen, wenn auch nicht mitwirken konnten. Ein anderes Kaliber und infolge der Küstenlage andere Möglichkeiten hatten dann freilich der Große K u r f ü r s t von Brandenburg und sein Onkel in Kurland. See- und Kolonialpläne in ihren Köpfen waren mit Gothaer Gedankenspielereien nicht zu vergleichen. Sie steckten zwar nicht voller Möglichkeiten — weil auch diesen Staaten das großstaatliche Format und selbst die nötige Intensivierungs- und Expansionsfähigkeit im Innern fehlte —, wohl aber voller Gefahren der Reibungen und Uberspannungen, der Fehlleitung von Menschengeist u n d - k r a f t , d.h. der Ableitung von naheliegenden und dringenden Aufgaben in der Heimat um der Theorie und des von ihr geforderten Prestiges willen. Es ist die Frage,

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ob das so in Handels- und Kolonialkompanien verwendete Geld und die so eingesetzte K r a f t f ü r Gegenwart und Nachwelt besser angelegt waren als die Summen und Leistungen, aus denen unter Nachahmung französischer Vorbilder Dresden, München und manche kleinere Residenzstadt mit Lustschloß, Fasanerie und Eremitage, mancher Städteneubau wie Karlsruhe und Mannheim entstanden sind. Freilich: beides konnte wenigstens z. T . nur aus Subventionen geleistet werden, die zu politischer Anpassung und Soldatenstellung, d. h. zur Aufgabe der Selbständigkeit und meist zur Nichtachtung der deutschen Interessen führen mußten. Ein eigener Staatsgedanke konnte sich unter solchen Umständen kaum entwickeln. Die Zahl der geistlichen Staaten wurde durch die Säkularisationen von 1648 formal verringert, indem z. B. Magdeburg und Bremen aufhörten, als solche zu existieren. Andere fortbestehende Territorien waren politisch praktisch dauernd einer weltlichen Mittelmacht angeschlossen — wie Köln, München und Paderborn an Bayern — in wieder anderen schwang eine Familie sich zum unbestrittenen Vorrang auf — wie die Schönborns im Fränkischen. Die Regierungsformen waren in diesen geistlichen Fürstentümern durchweg absolutistisch — nicht zuletzt mit H i l f e der päpstlichen Innocentiana von 1686, die sich gegen den Machtanspruch der Domkapitel wandte. Geistliche Fürsten wie die Schönborns und Christoph Bernhard von Galen in Münster hatten ein Format, das auch unter weltlichen Staatsoberhäuptern selten war. Hinter diesen beiden Gruppen standen die Reichsstädte schon weit zurück. Ohne eigene Politik im eigentlichen Sinne, auf sehr beschränktem Territorium und bei geringer Bevölkerung erhielten sie häufig ihre blühende Existenz mehr infolge der Rivalität ihrer Nachbarn als aus eigener K r a f t , teils durch geschicktes Lavieren und gelegentlich durch überlegt angewandte Geschenke. Ganz am Ende der Reihe standen die zahllosen kleinen Grafschaften, Herrschaften, Ritterschaften, die Reichsabteien usw., die infolge ihres geringen Umfanges praktisch

Die Bildung des m o d e r n e n brandenburgischen Staates usw. 4 1

überhaupt kein eigenes Dasein führten — weder politisch noch kulturell noch wirtschaftlich. W e n n nach 1648 unverkennbar ein allmählicher Aufstieg von Kultur und Wirtschaft in Deutschland zu beobachten w a r , so lag er nicht in diesen Splitter- und Zwergstaaten begründet, sondern in den größeren deutschen Territorien, und nicht im europäischen und überseeischen Merkantilismus, sondern in der geduldigen Pflege der Landwirtschaft. Denn Deutschland w a r und blieb noch f ü r lange Zeit agrarisch bestimmt. D a r i n lag die enge Grenze seines W o h l standes, aber auch dessen Sicherheit bei Fleiß und Ausdauer. 6. Die Bildung des modernen brandenburgischen Staates. Der Große Kurfürst Bei Friedrich d. Gr. heißt es einmal über L u d w i g X I V . und den Großen Kurfürsten von Brandenburg: „Vergliche man beide Fürsten miteinander im Hinblick auf ihre Machtfülle, so w ä r e das nicht anders, als wenn man Jupiters Blitze und die Pfeile des Philoctet einander gegenüberstellen wollte". Fragt man freilich, w e r einen Willen zur Macht, zur Expansion und zum Siege gehabt hat, der mit L u d w i g verglichen werden könnte, so w ä r e allerdings nur der K u r fürst von Brandenburg zu nennen — „der Kleinfürst an der Spree". M a n hat Frankreich und Brandenburg als die beiden Zentren des europäischen Absolutismus bezeichnet — mußte aber zugleich hinzufügen, d a ß es sich auch um Pole des Absolutismus handelte, denn der protestantische, in einem zerstückelten und armen, auch zivilisationsarmen und in seiner Grundtendenz mehr dem Osten als dem Westen angehörenden L a n d e herrschende, von der Ostsee durch Sund und Ä r m e l k a n a l Zugang zur W e l t suchende K u r f ü r s t bildete in vieler Hinsicht den unbedingten Gegensatz zum französischen König. U n d w ä h r e n d Ludwigs Politik mit der Vertretung der französischen Interessen identisch w a r , w a r Friedrich W i l h e l m s Politik wohl mit der Vertretung der brandenburgischen, keineswegs aber mit der der deutschen Interessen gleichbedeutend, denn einen deutschen

4 2 D i e B i l d u n g des m o d e r n e n b r a n d e n b u r g i s c h e n S t a a t e s usw.

Charakter hat die brandenburgische Politik nach 1648 niemals gehabt: der Kurfürst war eben noch ein Partikularfürst, der — z. T . selbst gegen die offen zutageliegenden Interessen Deutschlands — nur in die Höhe gelangen wollte. Friedrich Wilhelm war neben den Weifen und Wettinern, die zum englischen bzw. polnischen Thron aufzusteigen vermochten, der erfolgreichste deutsche Fürst im 17. Jahrhundert — erfolgreicher als jene, wenn man bedenkt, daß deren Gewinne für das Stammland nicht Zuwachs, sondern eher Einbuße, Belastung und Gefährdung bedeuteten. Schon die Zeitgenossen nannten den Sohn des kleinlichen und ängstlichen Georg Wilhelm von Brandenburg, der 1640, also noch im Kriege, die Regierung des aus vielen Wunden blutenden Landes mit den schwersten Menschenverlusten in Deutschland überhaupt, der Mark Brandenburg, Preußens und des Gebietes von Cleve-Mark, übernahm, den „Großen". In Brandenburg standen beim Regierungsantritt schwedische und kaiserliche Truppen, Preußen und die rheinischen Besitzungen befanden sich unter fremder Herrschaft. Friedrich Wilhelm hat beim Versuch, sein Land aus den Wirren des Krieges herauszuhalten, die kurfürstliche Macht über seinen Besitz wiederherzustellen und den Staat in Verhältnisse zu führen, welche die Wiederholung des Elends verhinderten, manchen politischen Mißgriff getan; die finanziell-militärische Ohnmacht seines Staates erkennend, hat er vorsichtig laviert, um allmählich die Gewalt in die Hand zu bekommen, und, beginnend mit der Heeresorganisation von 1644, die unzuverlässigen Truppen durch Kader eines stehenden Heeres ersetzt. Er mußte 1648 die Nichterfüllung des Erbanspruches auf Pommern und dessen Übergang an Schweden hinnehmen, da ihm die Macht zum wirkungsvollen Protest fehlte, konnte aber in der Übertragung von Halberstadt und Minden und in der 1680 verwirklichten Anwartschaft auf Magdeburg — einer alles in allem großzügigen Entschädigung — die Anerkennung seiner Persönlichkeit sehen. Friedrich Wilhelms Blick richtete sich unter

Die Bildung des modernen brandenburgischen Staates usw. 43 dem nicht immer nur günstigen Einfluß seines großen Vorbildes, des niederländischen Staates mit Gewerbefleiß, Seeund Überseemacht, zeit seines Lebens auf Pommern als Brandenburgs T o r zur Welt — zu einer Welt, die einem deutschen Territorialherren auch dann im eigentlichen Sinne verschlossen bleiben mußte, wenn er über einen Ostseehafen verfügte. Bei dieser, f ü r das Brandenburg jener Zeit unnatürlichen, aber durch das Wesen von Absolutismus und Merkantilismus nahegelegten Wendung aus Deutschland und Europa hinaus hat Friedrich Wilhelm niemals voll den Wert seiner genannten Erwerbungen zu ermessen vermocht: sie verknüpften Brandenburg mit dem übrigen Deutschland und bildeten eine entscheidende geographische Voraussetzung f ü r weitere Expansionen in Deutschland. Die Innenpolitik des Kurfürsten war ganz auf die Außenpolitik zugeschnitten, ihr unter- und nachgeordnet. Wie Ludwig die Fronde überwinden mußte, so hatte Friedrich Wilhelm sich mit den Ständen auseinanderzusetzen. In Cleve hat er zunächst 1649 ihre dualistischen Rechte vertragsmäßig neu bestätigt, in Brandenburg 1653 diese teilweise erweitert, indem er die Leibeigenschaft der Bauern als Regel anerkannte und den Beweis der Freiheit erschwerte und dagegen indemLandtagsrezeß vom 26.7.1653 die Steuern f ü r die Aufrechterhaltung des Heeres auf sechs Jahre eingehandelt — d. h. die Erhaltung des Instrumentes, mit dem letzten Endes auch die ständische Macht gebrochen werden sollte. Denn nach der Beendigung des Nordischen Krieges und nach dem Ablauf der sechs Jahre hat der Kurfürst nicht mehr auf die Steuern verzichtet, sondern ihre weitere Erhebung einfach als nun bereits absolutistisch regierender und die Stände beiseiteschiebender Landesherr angeordnet. Da die Rittergutsbesitzer, die sozial tragende Schicht Brandenburgs, von jeher steuerfrei und daher von der „Kontribution" ausgenommen waren, fanden sie sich durch diese Maßnahme wirtschaftlich nicht geschädigt; sie nahmen sie also hin. In Cleve-Mark dagegen lagen die Verhältnisse weit komplizierter. Die Anerkennung der Hohenzollern als Landesherren war dort im Zusammen-

4 4 Die Bildung des m o d e r n e n brandenburgischen Staates usw.

hang mit dem Erbfolgestreit mit P f a l z - N e u b u r g von den Ständen an Bedingungen geknüpft worden. Auch besaßen diese Stände, die noch 1653 gegen ihren neuen H e r r n beim Reichstage protestierten, eine starke Stütze am kaiserlichen H o f e und in der ständisch regierten Republik der Vereinigten Niederlande, die sowohl an der Aufrechterhaltung der ständischen Rechte wie an der Behinderung des mit den Oraniern verschwägerten Kurfürsten interessiert waren. Seit 1654 fühlte sich Friedrich Wilhelm gleichwohl stark genug, um mit Rechtsbeugung gegen die Stände und deren Führer, den Freiherrn von Wilich, und während des N o r dischen Krieges unter Erklärung eines alle Rechtsbindungen aufhebenden Notstandes vorzugehen. Er oktroyierte 1661 eine neue Ordnung, welche ihm selbst die allein angestrebte Militärhoheit sicherte und den Ständen, die auf den Verkehr mit fremden Staaten verzichteten, das Recht der Selbstverwaltung, nach ihrer Unterwerfung sogar das formelle Steuerbewilligungsrecht ließ, das freilich durch das kurfürstliche Recht der Einquartierung praktisch weitgehend seine Bedeutung verlor. Am schwierigsten erwies sich die Regelung in Preußen, wo die Stände unter schwachen Regenten aus der f r ä n kischen Linie der Hohenzollern die volle Regierungsgewalt an sich gebracht hatten, die Domänen beherrschten, die konfessionellen Spannungen zwischen Luthertum und reformiertem Herrscher geschickt ausnutzten und im polnischen König, dem Lehnsherrn des Kurfürsten, einen zuverlässigen Bundesgenossen gegen die Hohenzollern besaßen. Im Nordischen Kriege gelang es Friedrich Wilhelm, sich von der polnischen Lehnsherrschaft zu befreien: der Friede von Oliva brachte das „absolute dominium" über das H e r zogtum Preußen, d. h. den Absolutismus in der Außenpolitik, nicht aber in der inneren Verwaltung, in der Friedrich Wilhelm ihn sich erst auf dem Königsberger Landtag 1661/63 erzwingen mußte. Mit Truppengewalt setzte er 1662 in Königsberg Huldigung, Stcuerbewilligung und Zulassung Reformierter zu den Ämtern unter Bewilligung des Indigenatsrechts und anderer Privilegien durch. Auch

Die Bildung des m o d e r n e n brandenburgischen Staates usw. 45

hier f a n d die Auseinandersetzung ihren gewaltsamen Abschluß in der Verhaftung des Oppositionsführers, des Schöppenmeisters Hieronymus Roth. Als, von Polen getrieben, 1669 eine neue Erhebung und 1670/71 der Landtag versuchten, die von Friedrich Wilhelm erkämpfte Stellung anzutasten, griff dieser, ohne Rücksicht auf das Recht, zur Gewalt, ließ die Führer der Aufständischen verhaften und umbringen und trieb die Steuern durch Zwang ein. Nach Wiederherstellung seiner Machtposition war er — unter Aufrechterhaltung des Gegensatzes von Stadt und Land — zu Konzessionen in Steuerfragen bereit. Auch Magdeburg, das reichsunmittelbar werden wollte, verweigerte die Erbhuldigung, bis es 1666 durch die Last einer in die Stadt gelegten Garnison zur Erkenntnis des Machtverhältnisses gebracht wurde. „Wäre es nach dem Sinn der Stände gegangen, so wäre der Staat der Hohenzollern ein lockerer Bund halbselbständiger Kleinstaaten geblieben, wie es etwa die Republik der Vereinigten Niederlande im 17. und 18. Jahrhundert w a r " (Otto Hintze). Friedrich Wilhelm als Verfechter des Absolutismus und Zentralismus wandte sich — von den Ständen als Despot betrachtet — nicht anders als andere absolutistische Herrscher, als Richelieu in Frankreich — unter Rechtsbeugung und mit Gewalt gegen diese Politik der Stände, konzentrierte politische, wirtschaftliche und militärische Macht, stärkte sie, schuf neben dem kleinen stehenden Heer ein grundsätzlich gleichgeartetes Beamtentum und verhinderte energisch jedes Aufkommen von Neben- oder Provinzregierungen, die seine eigene Gewalt zu beeinträchtigen oder zu bedrohen vermochten. Das Ergebnis bestand nicht allein in der Gesundung des im Kriege schwer heimgesuchten Landes und in dessen Zusammenfassung unter einer einzigen Regierung, sondern auch in der allmählichen Entstehung eines neuen Staatsgedankens in diesem Staat des praktischen Absolutismus (Hintze, Härtung), in dem die alten Mächte aus den entscheidenden Positionen verdrängt und an ihrer Stelle f ü r den Aufbau des modernen Staates in enger Verbindung

4 6 D i e B i l d u n g des m o d e r n e n b r a n d e n b u r g i s c h e n S t a a t e s usw.

mit dem einzigen Machtinstrument, dem Heere, neue Wege begangen wurden. Die neuzeitliche Staatsverwaltung hatte ihre Ursprünge in der Heeresorganisation, im landesherrlichen Kommissar beim Heere, und hat diese Herkunft auch später nie ableugnen können oder wollen. Sie vertrat gegenüber den Ständen und alten Territorialbehörden die größeren Gesichtspunkte, die höhere Ordnung, die staatliche Lebensform der Zukunft — ähnlich den Territorialherren im Jahre 1525. Das gab Brandenburg ein doppeltes Gesicht: das des deutschen Territorialstaates — deren es viele gab — und das eines mit eigener Staatsidee sich erfüllenden, besonderen Gesamtstaates in Deutschland. Friedrich Wilhelm selbst hat diese Doppelstellung auf historischem Boden und in der der Zukunft zugewandten Gegenwart, als Territorialfürst und als absoluter Herrscher erkannt und in seinem sog. Politischen Testament von 1667 zum Ausdruck gebracht — mit ungelenken Worten und weniger deutlich als in der Praxis seiner Regierung. Deren außenpolitische Seite wird in größeren Zusammenhängen zu betrachten sein. Die wirtschaftliche entsprach ganz und gar der politischen Grundkonzeption und hatte die Aufgabe, den Kampf um Gewinnung und Erhaltung der Macht mit den nötigen, angesichts der Verhältnisse sehr bedeutenden finanziellen Mitteln zu versorgen: d. h. Geld für den Aufbau, die Aufrechterhaltung und Stärkung des Heeres zur Verfügung zu stellen. Das geschah in erster Linie durch die von den Ständen bewilligte, im wesentlichen als Grundsteuer erhobene Kontribution mit festen, nur schwer zu steigernden Erträgen. Diesen Mangel hat der Kurfürst von Anfang an durch eine nach niederländischem Vorbild geschaffene indirekte Steuer, die Akzise, auszugleichen versucht. Da der landbesitzende Adel sich mit Erfolg gegen diese neue, zusätzliche Steuer sperrte, konnte Friedrich Wilhelm sie nur den Städten aufzwingen. „Seitdem ist der brandenburgisch-preußische Staatshaushalt aufs engste verknüpft mit dem wirtschaftlichen Gedeihen der Städte, denn Zunahme der Bevölkerung, wachsender Ver-

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brauch akzisepflichtiger "Waren macht sich in einer Steigerung der Akziseeinnahmen f ü r den Kurfürsten sofort bemerkbar". So f ü h r t die Steuerpolitik unmittelbar hinein in die Wirtschaftspolitik des brandenburgischen Staates. Um die Aufwendung f ü r Heer und Beamtentum, f ü r Regierungsund Machtapparat bestreiten zu können, mußte Friedrich Wilhelm sich um die Entwicklung der Wirtschaft bemühen. Seine von niederländischen Erfahrungen und Theorien stark beeinflußten Unternehmungen wurden begünstigt durch die Verlagerung der europäischen Handelswege vom Mittelmeerraum zu den Küsten der Nordsee und des Atlantik. Das heißt: wichtige Ursachen f ü r das wirtschaftliche Zurückbleiben Deutschlands im allgemeinen seit der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert wirkten sich zum Vorteile Brandenburgs im besonderen aus. Bis zum Beginn des Großen Krieges — und erst recht während desselben — hatte Brandenburg keine bemerkenswerte wirtschaftliche Rolle gespielt. In der zweiten H ä l f t e des 17. Jahrhunderts änderte sich das, indem Süd- und Mitteldeutschlands Zugang zum Weltverkehr fast nur noch im Norden möglich war — über die großen Flüsse, die brandenburgisches Gebiet durchzogen. Neben den Erlebnissen und Beobachtungen des westeuropäischen Wirtschaftsaufschwunges waren es diese Mittelstellung zwischen Küste und Oberdeutschland, diese Berührung mit den kapitalistisch fortgeschrittenen Räumen einerseits und den Agrargebieten des Binnenlandes andererseits, daneben die Möglichkeit einträglichen Getreideexports aus dem Gebiet der Großgrundbesitzer nach Holland und England, die dem Kurfürsten die Wendung zum Weltverkehr, zur Teilnahme am Welthandel und an der Welterschließung nahelegten. Die Ergebnisse der Seefahrtsund Überseepolitik seines Onkels, des Kurländer Herzogs Jakob, die diesen zu einem der reichsten Fürsten seiner Zeit gemacht hatten, bestärkten ihn in seiner Auffassung. Finanzieller Aufschwung des Landes, der verstärkte Rüstung, größere politische Unabhängigkeit und bedeutenderes internationales Gewicht zur Folge hatte, Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des Großgrundbesitzes mit der Bereit-

4 8 D i e Bildung des m o d e r n e n b r a n d e n b u r g i s c h e n Staates usw.

schaft zu größeren Leistungen f ü r den Staat, stärkere Konsumtionskraft der Städte, d. h. bedeutenderes Akziseaufkommen wurden als die Folge dieser Wirtschaftsexpansion mit Recht erwartet. Sie traten ein, soweit nicht — wie insbesondere in der Kolonial- und Überseepolitik des Großen Kurfürsten — die Planungen und Ansätze über die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Landes hinausgingen und Ausländern überlassen wurden, die in erster Linie an die eigene Bereicherung dachten und sich dem Lande nicht voll verantwortlich fühlten, und soweit nicht die Machtposition Brandenburgs in Europa, bzw. das Wohlwollen Englands und Hollands f ü r den Großen Kurfürsten allzu optimistisch eingeschätzt wurde. Infolgedessen erwies die Flotten- und Afrikapolitik sich bald als ein Unternehmen, das auf die Dauer die finanziellen Möglichkeiten Brandenburgs überstieg und auch infolge des Widerstands der Seemächte gegen Brandenburgs Bestrebungen nicht lebens- oder gar ausbaufähig war. Die Wiederaufgabe dieser Politik zu Beginn des 18. Jahrhunderts fiel zusammen mit der politischen und geistigen Wendung Brandenburg-Preußens von der Politik barocker Repräsentation und Weiträumigkeit zu Sparsamkeit und binnenländisch-ostdeutscher Zielsetzung. Sehr viel zukunftsträchtiger war Friedrich Wilhelms Gewerbepolitik, die an den agrarischen Charakter des Landes anschließen mußte und daher die Wollindustrie bevorzugte, Ausfuhr von Rohwolle und Einfuhr von Wollwaren erschwerte, zunächst aber unter dem Mangel an Arbeitskräften litt. Die Förderung des städtischen H a n d werks zur Steigerung der Exportfähigkeit und des Akziseaufkommens fand ihren H ö h e p u n k t in der Aufnahme der Hugenotten nach der Aufhebung des Edikts von Nantes (1685) durch Ludwig X I V . in ganz Deutschland, in erster Linie aber in Brandenburg, wo nun auch die Peuplisierungspolitik voll einsetzen und im Edikt vom 11. 6. 1687 formuliert werden konnte. Nach der Einwanderungserlaubnis f ü r Hugenotten nach Lüneburg (6. 8. 1684) und der „Freiheitskonzession und -begnadigung" des Landgrafen von Hessen-Kassel (18. 4,

Die Bildung des modernen brandenburgischen Staates usw. 49 1685) erließ Friedrich W i l h e l m von Brandenburg, der schon 1664 gegen schlechte Behandlung der Reformierten bei L u d w i g X I V . protestiert hatte, in Anlehnung an die auch in Hessen-Darmstadt und Württemberg vorbildliche Kasseler Konzession am 29. 10. 1685, drei Wochen nach der Aufhebung des Edikts von Nantes, das zweisprachige „Potsdamer Edikt", dessen 14 Leitsätze maßgebend für das siedlerische W i r k e n der Hohenzollern wurden. Die vielfach aus Südfrankreich kommenden Einwanderer w a n d t e n sich in Deutschland über die Durchgangsorte F r a n k f u r t , Magdeburg, Kassel und H a m b u r g in erster Linie nach Brandenburg-Preußen mit dem seit 1613 reformierten Fürstenhaus, nach Brandenburg-Ansbach (Schwabach), Brandenburg-Bayreuth (Erlangen), Braunschweig-Lüneburg (mit hugenottischer Herzogin), Hessen-Kassel (besonders Kassel), Hessen-Homburg (Homburg, Friedrichsdorf), Hessen-Darmstadt, in das lutherische Württemberg, die konfessionell wechselnde P f a l z (Mannheim) und nach H a m b u r g . Von Werbern und Werbeschriften gefördert, begann die Einwanderung im wesentlichen 1685; es folgte die der Waldenser 1687/90 und besonders 1698/99. Die meisten Einwanderer k a m e n aus Städten und strebten in Städte, wobei es zu Gründungen von „Neu-Städten" und neuen Städten wie Karlshafen, in gewisser Weise auch Mannheim kam. N u r langsam wurden die Einwanderer wirklich seßhaft. Insgesamt kamen von 250—300 000 f r a n zösischen Auswanderern nach Deutschland e t w a 30 000 Franzosen, davon 20 000 nach Brandenburg-Preußen (4000 nach Berlin mit 11 000 Einwohnern; 6000 nach Hessen), außerdem 6000 W a l l o n e n und 3000 Waldenser. Die ihnen verliehenen Freiheiten und Privilegien — teils allgemeine (Potsdamer Edikt), teils individuelle — waren einerseits religiöser N a t u r und hielten sich andererseits im Rahmen der Peuplisierungs-, H a n d e l s - und M a n u f a k t u r p o l i t i k der Zeit. Verhältnismäßig am ungünstigsten w a r die Stellung der Einwanderer in den Hansestädten und in F r a n k f u r t . Die H a l t u n g der Einheimischen w u r d e zumeist durch Glauben, Wirtschafts- und Sozialordnung (Zunft) bestimmt. T r e u e ,

Dcuuchc

Geschichte

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50 Die Bildung des modernen brandenburgischen Staates usw. D a die Ankömmlinge vielfach fortschrittlichere, geschicktere H a n d w e r k e r waren, die mit Fleiß, Unternehmungslust, Privilegien und bisher unbekannten Erzeugnissen die Produktion, Märkte und Preise in Unruhe versetzten, sperrten die Zünfte sich durchweg gegen sie — wodurch die Einbürgerung behindert wurde — und lehnten hugenottische Lehrlinge und Gesellen ab. Ähnlich gab es Schwierigkeiten bei der Ansiedlung auf dem Lande. Nicht ohne Einfluß waren die Temperamentsunterschiede zwischen Südfranzosen und Norddeutschen sowie die Schwierigkeiten sprachlicher Verständigung. Die Einschmelzung großer Gruppen und Gemeinden gelang in größeren Städten wie Berlin langsamer als in Landstädten und Dörfern, aus denen andererseits häufig der „Aufstieg" in jene versucht wurde. Die Masse der Einwanderer bestand aus H a n d w e r k e r n , hinter denen Bauern und Arbeiter sehr zurücktraten. Sie strebten in Deutschland meist erfolgreich in die erlernten Berufe. Unternehmer und Geldleute, nur 4 % der Zuwanderer, spielten wirkungsmäßig jedoch eine viel größere Rolle und wurden f ü r die moderne Unternehmung in Deutschland sehr bedeutsam. Etwa 2 / i der einwandernden Männer waren 20—50 Jahre alt. Der Einfluß ihrer billigen Arbeitskräfte und der gesteigerten K a u f k r a f t erwies sich als umso günstiger, je rückständiger die Entwicklung der neuen Heimat war. Für manche preußischen Städte (Berlin, Magdeburg) bedeutete die Hugenottenaufnahme den A n f a n g einer neuen Entwicklungszeit. Sie belebten H a n d w e r k , Kunsthandwerk, Fern- und Auslandshandel durch ihre Familien- und Glaubensbeziehungen (ähnlich wie die H o f j u d e n ) , förderten Geldwirtschaft und Großhandel (Frankfurt) und änderten den bis dahin ganz agrarischen Charakter BrandenburgPreußens, indem sie Mode- und Luxusindustrien und neue Landwirtschaftszweige schufen, allerdings auch die Seidenraupenzucht in klimatisch ungünstige Gebiete trugen, wo die Versuche erst nach hohem, merkantilpolitisch begründetem A u f w a n d wieder eingestellt wurden.

Die Bildung des m o d e r n e n brandenburgischen Staates usw. 5 1

In außenpolitisch-kriegerische Auseinandersetzungen wurde Brandenburg zuerst durch den Besitz von Preußen hineingezogen, als im Sommer 1655 der Krieg zwischen Karl X. Gustav von Schweden und Johann Kasimir von Polen ausbrach, der, selbst ein Wasa, die beiden Länder vereinigen wollte. Als Herzog von Preußen war Friedrich Wilhelm polnischer Vasall. Bei Erfüllung seiner Lehnspflicht und Niederlage der Polen mußte er Preußen an Schweden verlieren, das dieses Gebiet f ü r die Errichtung des dominium maris baltici gut brauchen konnte. So hielt der brandenburgische K u r f ü r s t sich neutral, bis Karl X. Polen niedergeworfen hatte, und nahm dann im Königsberger Vertrag vom 17. 1. 1656 Preußen u n d das bis dahin polnische Ermland von Schweden zu Lehen, wogegen er Truppenhilfe leistete und Pillau und Mernel als Einsatzhäfen zur Verfügung stellte. Als wenige Monate später Schweden seine Eroberungen durch eine katholisch-nationale Erhebung in Polen wieder verlor, erreichte der K u r f ü r s t von Schweden ein Schutzund Trutzbündnis im Vertrage von Marienburg am 25. 6. 1656, der ihm gegen verstärkte Kriegshilfe Aussicht auf weitere polnische Gebiete machte. D a sich die Lage der Schweden durch die 3 tägige Schlacht bei Warschau (28.—30. 7. 1656), die Unterstützung Polens durch den russischen Zaren und die Möglichkeit einer kaiserlichen Aktion f ü r den katholischen Staat weiter verschlechterte, mußte Karl X. Gustav dem brandenburgischen Kurfürsten schon am 20. 11. 1656 im Vertrage von Labiau weitere Konzessionen machen: er gewährte ihm die Souveränität Preußens. Als Schwedens Position durch das Eingreifen Dänemarks in den Krieg aussichtslos wurde, wandte Friedrich Wilhelm sich unter Vermittlung des kaiserlichen Gesandten vonLisola Polen zu, gab das Ermland wieder zurück und erhielt d a f ü r am 19.9.1657 im Friedens- und Freundschafts-Vertrage von Wehlau die Anerkennung der Souveränität Preußens auch durch Polen. Ein 10 jähriges Schutzund Trutzbündnis zwischen Polen und Brandenburg und die Begegnung von König und Kurfürst in Bromberg am

52 Die Bildung des modernen brandenburgischen Staates usw. 6. 11. 1657 bildeten den Abschluß dieser Vereinbarungen. In der nun folgenden kriegerischen Auseinandersetzung mit Schweden wurden zunächst dessen T r u p p e n mit brandenburgischer H i l f e aus Holstein und Schleswig zurückgedrängt. D a n n eroberte Friedrich Wilhelm unter dem leitenden Gesichtspunkt seiner Seepläne im September 1659 Schwedisch-Pommern, mußte aber unter dem Druck des durch den Pyrenäenfrieden im Osten beweglicher gewordenen und f ü r Schweden auftretenden Frankreichs im Frieden von Oliva am 3. 5. 1660 gegen Bestätigung der preußischen Souveränität (des Ergebnisses von zwei politischen Wechseln in einem Kriege) auf die pommerschen Eroberungen und auf Elbing verzichten — eine große Enttäuschung f ü r den auf die See strebenden Fürsten. Der schwedisch-polnische Krieg ist als die „hohe politische und kriegerische Schule des Kurfürsten von Brandenburg" bezeichnet worden, in der er nach der „Raison" des Staates zu handeln hatte. Insbesondere Otto Hintze hat die „außerordentliche Geschicklichkeit", den „zähen und elastischen Geist" des „geborenen Politikers" hervorgehoben und die Entwicklung von „Selbstvertrauen und Selbstbewußtsein", das Heraustreten des „selbständigen, autokratischen Zuges" betont. Freilich trug diese nur ganz auf den schnellen Aufstieg des Staates gerichtete Politik wechselnder Bündnisse gegen Konzessionen von allen Seiten die Gefahr in sich, daß man die UnZuverlässigkeit des K u r fürsten über seinen militärischen Bündniswert stellte und damit das ganze Spiel unmöglich wurde. Das Machtstreben des Kurfürsten, das kleine Brandenburg in zentraler Lage zwischen bedeutenden. Fürsten von größeren und Großmächten selbst zum Großstaat anwachsen zu lassen, sich und seinen Staat in Europa „formidabel" zu machen, bildete ohne viel Rücksicht auf herkömmliche Moral das oberste Gesetz von Friedrich Wilhelms H a n d e l n . D a ß er dabei bald deutsche und nationale, bald protestantische Argumente verwandte und wieder aufgab, unterschied ihn nicht grundsätzlich von der Politik anderer, politisch aktiver und ehrgeiziger Fürsten seiner Zeit, sondern fiel nur durch

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Offenheit und Häufigkeit des Wechsels in Verbindung mit bemerkenswertem Erfolg auf. Immerhin mußte im deutschen Volke ein bemerkenswertes Nationalgefühl vorhanden sein, wenn der Kurfürst sich für seine Propaganda nationaler Argumente bediente. 7. Die Entstehung der österreichischen Großmacht Der Katholizismus, nicht die Zugehörigkeit zum Reich, bildete nach 1648 die Grundlage der Habsburger und ihrer Länder. Ebensowenig wie in Brandenburg haben in Österreich deutsche Motive und Zielsetzungen beim A u f stieg zur Großmacht eine Rolle gespielt. Der Staat, an dessen Spitze Kaiser Leopold I. stand, hatte seinen politischen Mittelpunkt ganz und gar in der Dynastie und erhielt seine, vom Reiche her gesehen zentrifugalen, Tendenzen durch die Interessen des Herrscherhauses. Die im Westfälischen Frieden festgelegten Religionsbestimmungen wurden von den Habsburgern in ihrem Herrschaftsgebiet nicht anerkannt und dieses auf solche Weise von Anfang an aus dem Reich herausgenommen und von dessen geistiger Entwicklung abgesperrt — die Leitung der Politik ging immer stärker von der deutschen Reichshofkanzlei auf die verselbständigte österreichische Hofkanzlei über. Als im Jahre 1665 die tirolische Nebenlinie der Habsburger ausstarb, vereinigte Leopold sämtliche österreichischen Erblande in seiner H a n d ; außerdem gehörten zu seinem Herrschaftsbereich die böhmische Krone mit Schlesien und die Stefanskrone mit Oberungarn und einem schmalen R a u m zwischen Österreichs Grenze und der Steiermark und den Flüssen R a a b und W a a g . Schon seit der Zeit Ferdinands II. gab es in diesen Gebieten nicht mehr eine bemerkenswerte Ständemacht. Die altständische Opposition w a r seit 1620 in Böhmen, in Österreich seit 1626 gebrochen. N u r in Ungarn erhielt sich mit dem Protestantismus der Wunsch nach nationalständischer Selbstherrschaft bis zur Wiedereroberung im Jahre 1687 und selbst darüber hinaus. Immer mehr verlor der

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Landadel der habsburgischen Erbländer seine Bedeutung gegenüber dem wirtschaftlich aufsteigenden Hochadel, der mit der Kirche die Schicht der agrarischen Kapitalisten bildete, sein Leben in den Hauptstädten verbrachte und dabei zwar kulturelle Interessen und Aufgaben übernahmen, sich aber auch seinen Landschaften entfremdete — eine große Erleichterung f ü r den österreichischen Absolutismus. Ferdinand I I I . erkannte den Totalitätsanspruch der Kirche in allen geistlichen Fragen an, beharrte aber auch in seiner pflichtmäßigen Stellung als Vogt der Kirche, als Ordnungsmacht in seinen Erblanden auf seiner starken Stellung gegenüber dem Papste, die ihn berechtigte, die Publikation päpstlicher 'Willenskundgebungen und konziliarer Beschlüsse mit der Verweigerung seines Placet zu verhindern. Sein Ernennungsrecht in zahlreichen Bistümern zwischen Trient, Wien und Laibach, sein Visitationsrecht gegenüber allen Klöstern und das Recht zur Besetzung von 300 Benefizien gab ihm im Habsburgischen gegenüber Salzburg eine starke Stellung in kirchlichen Angelegenheiten. Mit Energie und einer ans Fanatische grenzenden Strenge führte er die Gegenreformation in Böhmen, Schlesien und Ungarn durch, indem er die Feinde der Kirche als Staatsfeinde betrachtete und verfolgte, soweit das Recht es zuließ. Zu kulturell fruchtbaren Zusammenstößen beider Konfessionen kam es dabei hauptsächlich in Schlesien, wo Angelus Silesius konvertierte und die katholische Mystik erneuerte und die „Heimat des calvinistischen Sprachreinigers Opitz . . . zugleich das Land der durch den Jesuitenbarock befruchteten poetischen Dramatik des Lutheraners Gryphius" wurde (Rössler). Das Bildungsmonopol lag ganz bei den geistlichen Orden, deren Rivalität untereinander die Gefahr jesuitischer Vorherrschaft bannen sollte. Kulturell spielten — nicht zuletzt infolge der italienischen Heiraten der Habsburger — die Italiener eine so stark anregende Rolle, daß Wien 1650—1720 das Zentrum der italienischen Kultur genannt werden konnte. Ferdinands Sohn Leopold I. (1657—1705) wird mit Vorliebe in menschlicher Hinsicht als eine Gegenfigur zum

Die E n t s t e h u n g der österreichischen G r o ß m a c h t

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K u r f ü r s t e n von Brandenburg geschildert: er w a r klug, gebildet, h a t t e eine Vorliebe f ü r T h e a t e r u n d Musik u n d gilt vom Religiösen wie v o m Künstlerischen her als einer der Väter und T r ä g e r der süddeutsch-katholischen Barockkultur u n d -lebensweise. Stärker noch w u r d e seine Gegensätzlichkeit z u m H o h e n z o l l e r n durch Zögern vor wichtigen Entscheidungen, starke Beeinflußbarkeit, Vertrauensseligkeit gepaart mit Ausdauer u n d Zuversicht, die auf dem traditionellen Glauben an die Bestimmung des Hauses H a b s b u r g beruhte. Jahrzehntelang schwankte er zwischen spanischen und italienischen Einflüssen in der Außenpolitik und erschwerte durch seine Unentschlossenheit die Anpassung der inneren Organisation dieses Staates ohne einheitlichen N a m e n an dessen äußeres Wachstum. Wohlorganisiert u n d verhältnismäßig zentralisiert w a r zur Befriedigung der großen finanziellen A n f o r d e r u n g e n die Wirtschaft in einer spezifisch österreichischen F o r m des Merkantilismus. In ihr w u r d e n der binnenländisch-südostmitteleuropäischen Lage entsprechend die Landwirtschaft bevorzugt u n d sie sowohl wie die anderen Gewerbe mehr auf Befriedigung der eigenen Bedürfnisse des H a b s b u r g e r reiches gelenkt als auf starke Teilnahme an dem W e l t handel, der durch die Österreich fernliegenden Meere bestimmt u n d dem Österreich auch durch immer neue Kriege ferngehalten wurde. Ähnlich wie in Brandenburg bevorzugte m a n die populationistische Richtung des M e r k a n t i lismus. Verhältnismäßige Schonung der österreichischen Gebiete im 30 jährigen Kriege, große Erzschätze in T i r o l und Steiermark mit anschließender Industrie in N i e d e r und Innerösterreich, Quecksilber in Istrien, Textil- u n d Glasindustrie in Böhmen, Leinen in Schlesien boten eine gegenüber Brandenburg und anderen deutschen Territorien sehr günstige Grundlage f ü r die ökonomisch-finanzielle Leistungsfähigkeit und Entwicklung des Staates. Aus dieser vorteilhaften u n d hoffnungsvollen Ausgangstellung erklärt sich auch, d a ß die drei f ü h r e n d e n deutschen Merkantilisten sich mit ihrer Arbeit u n d ihren Ideen nach Österreich w a n d t e n , w o sie am ehesten in Deutschland eine W i r t -

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Die Entstehung der österreichischen Großmacht

s d i a f t s k a p a z i t ä t in der G r ö ß e n o r d n u n g derjenigen H o l lands u n d Englands erblicken konnten. F. W . v. H o r n i g k wies 1684 in seiner Schrift „Österreich über alles, w e n n es n u r will" darauf hin, d a ß Österreich in E u r o p a die wirtschaftliche f ü h r e n d e Rolle einnehmen könne, w e n n es echte Merkantilpolitik treibe, die R o h s t o f f e des Inlandes selbst verarbeite u n d die E i n f u h r drossele. Neben ihm haben J. J. Becher u n d W . v. Schröder als T h e o retiker u n d V e r w a l t u n g s p r a k t i k e r zeitweise Einfluß ausgeübt, im ganzen aber der österreichischen "Wirtschaft nicht so sehr grundsätzliche Impulse zu geben vermocht, wie sie erhofft hatten. Das außenpolitische Leben der H a b s b u r g e r m a c h t bestimmte der U m s t a n d , d a ß es sich nach zwei Richtungen wenden m u ß t e : nach Westen gegen Frankreich, nach Osten gegen die Osmanen. Diese Zweifrontenposition stellte unter Leopold I. erschwerte A n f o r d e r u n g e n a n Staatskunst, Staatskasse u n d Willen zur Selbstbehauptung, die sich als Schutzwall des Abendlandes erwies, aber nicht mehr europäisch-abendländischem D e n k e n entstammte, als die deutschen T ö n e des Großen K u r f ü r s t e n v o n B r a n d e n burg einer wirklich deutschen Gesinnung. H a b s b u r g w ä r e dieser A u f g a b e ohne die großen Leistungen des P r i n z e n Eugen nicht H e r r geworden. Durch den die spanischen H a b s b u r g e r demütigenden Pyrenäen-Frieden v o m 7. N o v e m b e r 1659 spitzte sich der habsburgisch-bourbonische Gegensatz zur Frage der spanischen Erbfolge zu, indem ein Artikel des Friedensvertrages die V e r b i n d u n g Ludwigs X I V . mit der ältesten Tochter des unterlegenen Philipps I V . von Spanien bestimmte u n d zugleich den Erbfolgeverzicht der I n f a n t i n festlegte. Leopold, der als einziger diesen Verzicht a u f richtig gemeint hatte u n d als gültig betrachtete, erhob n u n als G a t t e der zweiten Tochter Philipps I V . Erbansprüche auf die spanische Gesamtmonarchie f ü r den Fall des A b lebens des 1661 geborenen lebensschwachen spanischen I n f a n t e n Carlos. Das bedeutete, d a ß H a b s b u r g und Bour-

Die E n t s t e h u n g der österreichischen G r o ß m a c h t

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bon nach dem spanischen Weltreich mitsamt dessen niederländischen und italienischen Nebenländern griffen. „Das Jahr 1661 ist das Epochenjahr f ü r den erneuten großen Doppelkampf, den der österreichische Staat f ü r mehrere Menschenalter gegen Ost und West zu führen hatte: in diesem gleichen Jahre trat Ludwig X I V . die Selbstregierung an und schloß der Großvesir Mohammed Köprülü die innere Wiederherstellung der türkischen Staatsmacht als Voraussetzung einer neuen Eroberungspolitik der Pforte ab" (Hinrichs). Zwei Jahre später entrissen die von Fortifikationsingenieuren französischer H e r k u n f t unterstützten Türken die Hauptfestung der Slowakei, Neuhäusl an der Neutra, dem kaiserlichen Feldherrn Montecuccoli. Dieser wagte sein schwaches H e e r nicht einzusetzen, sondern wollte es als letzten Schutz f ü r Wien bereithalten, weil Tatarenschwärme bereits vor Brünn und Olmütz erschienen. Da der Reichstag die geforderte Türkenhilfe nur zögernd gewährte, trafen die Hilfskontingente aus Brandenburg, Bayern, Sachsen und des Rheinbundes sowie 6000—8000 Mann französische Hilfstruppen (die nach dem Siege über die Türken auf dem Rückmarsch dem Mainzer Kurerzbischof die fast unabhängige Stadt E r f u r t „reduzierten", d. h. unterwarfen) vor dieser ein. Durch Annahme und Einsatz dieser dringend benötigten H i l f e gegen den „Türkenschrecken" anerkannte der Kaiser de facto den Rheinbund und dessen französisches Mitglied als selbständigen politischen Faktor im Reiche. Erst im Sommer 1664 standen auch die vom Reichstag bewilligten Reichskontingente zur Verfügung — rechtzeitig zur E r k ä m p f u n g des Sieges über Köprülü bei St. Gotthard an der Raab am 1.8. 1664, der nicht f ü r eine groß angelegte Verfolgung der Türken mit weitgesteckten Zielen benutzt, sondern im ungünstigen Frieden von Vasvar (Eisenburg) (20. 8. 1664), einem 20 jährigen Waffenstillstand, einer Atempause also zur Wendung ins Reich und nach Westen, aufgefangen wurde: da die ungarischen Magnaten mit den Türken und mit den Franzosen verhandelten und da den Franzosen beim f ü r die nächste Z u k u n f t zu erwartenden Tode Philipps IV. an der

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Deutschi and und Ludwig X I V . bis Zum Frieden usw.

Westgrenze ohnehin nicht zu trauen war, mußte Leopold trotz seiner militärisch günstigen Stellung den Türken Neuhäusl, Großwardein und die Oberherrschaft über Siebenbürgen im Tausch gegen beachtliche Handelsvorteile lassen. 8. Deutschland und Ludwig XIV. bis zum Frieden von St. Germain Im Jahre 1665 starb Philipp IV. von Spanien. Damit rückte die spanische Erbfolgefrage zum Hauptgegenstand aller Politik in Europa auf. Sofort ging Ludwig XIV., der nicht bereit war, den T o d des schwächlichen Nachfolgers, Karls II., abzuwarten, an die Eroberung der spanischen Niederlande als eines Teiles des spanischen Erbes auf Grund des Devolutionsrechtes, demzufolge auch Töchter aus erster Ehe vor den Söhnen aus zweiter Ehe als erbberechtigt galten — eine altbrabantische familienrechtliche Regelung, die in einigen belgischen Landschaften noch in Geltung war, im übrigen aber nur als juristische Tarnung bei der Lösung einer Machtfrage benutzt werden sollte. Im Frühjahr 1667 fielen französische Truppen in die spanischen Niederlande ein und besetzten sie, die staatsrechtlich noch immer als burgundischer Kreis dem Deutschen Reiche angehörten. Teils aus diesem Grunde, mehr aber noch aus Empörung über diesen unverhüllten Eroberungszug, der ein Vierteljahrhundert nach dem Großen Kriege Europa erneut in unabsehbare Kämpfe zu stürzen schien, war die Erregung in Deutschland groß — auch bei den Mitgliedern des Rheinbundes, die Ludwig, dem Bunde als Ganzem mißtrauend, durch Einzelverträge sich noch einmal besonders verpflichtet hatte. So allgemein war die Ablehnung der französischen Eroberungspolitik, daß des Kaisers bedeutendster außenpolitischer Ratgeber, der Burgunder Lisola, in einer Schrift „Le Bouclier d'Etat et de justice", dem bedeutendsten Stück in einer umfangreichen, gegen Frankreich gewandten Publizistik in ganz Europa, unter Widerlegung des französischen Manifestes von 1667 zur Ablehnung der unbegründeten

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Ansprüche Ludwigs sowie zur Bildung einer gesamteuropäischen Koalition zwecks Niederwerfung des französischen Imperialismus aufrufen konnte und das Gleichgewicht der Mächte als Sicherheitsgarantie ihres Daseins bezeichnete. Als im folgenden Jahre 1668 der Rheinbundvertrag ablief, gelang es Ludwig X I V . nicht, die Mitglieder noch einmal zusammenzuhalten: Johann Philipp von Mainz plante die Behauptung einer starken dritten Partei im Reiche, eines Rheinbundes gewissermaßen ohne Teilnahme Frankreichs; und Brandenburg, Kurköln, die braunschweigischen Herzöge, Hessen-Kassel und der Bischof von Osnabrück schlössen ein eigenes Defensivbündnis. Doch fielen diese an sich einsichtigen deutschen Abwehrkräfte in bedeutungslose Teile auseinander, sobald es Ludwigs X I V . , die kaiserlichen Interessen und des Großen Kurfürsten Ehrgeiz geschickt ausspielender Diplomatie gelungen war, diesen und Johann Philipp auf seine Seite zu ziehen. Brandenburg gewann er durch den Verzicht auf die französische T h r o n kandidatur in Polen, eine große Erleichterung f ü r den Kurfürsten, der mit Einkreisung und Streit um Preußen hatte rechnen müssen und nun aufatmend im Dezember 1667 einen Neutralitätsvertrag mit Ludwig schloß, der 1669 sogar zu einem Bündnis erweitert wurde. Damit hatte Ludwig bei seinem Streben nach den „natürlichen" Grenzen f ü r Frankreich das wichtigste Verbindungsstück zwischen Rheinbund, Kaiser, Schweden, Generalstaaten und Weifen gewonnen. Auf der anderen Seite brachte der französische Gesandte in Wien, Gremonville, es fertig, Leopolds I. Hauptratgeber, die Fürsten Lobkowitz und Äuersperg, unter Gewährung persönlicher Vorteile f ü r einen geheimen Teilungsvertrag über die spanische Erbschaft zu gewinnen, der am 19. Januar 1668 abgeschlossen wurde. Darin anerkannte der Kaiser, der Träger also der deutschen Linie des Hauses Habsburg, gegen Lisolas Eintreten f ü r europäische Gesichtspunkte überraschenderweise den französischen Rechtsanspruch und gab so den bis dahin aufrechterhaltenen Gedanken der Unteilbarkeit und das ertragreichste Gebiet der spanischen Erbschaft preis, indem er hoffte, so wenig-

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Deutschland und Ludwig X I V . bis z u m Frieden usw.

stens deren politischen Hauptteil der österreichischen Linie zu sichern, was ihm nur durch ein politisches Doppelspiel möglich erschien. Von der erhofften europäischen Koalition blieb unter solchen Umständen nur eine holländisch-englisch-schwedische, also eine protestantische Tripelallianz zugunsten der bisherigen Vormacht des Katholizismus übrig, die dem am 2. 5. 1688 abgeschlossenen Frieden von Aachen zustande brachte: Ludwig behauptete einen Teil seiner Eroberungen (vor allem Lille) und gab die Franche Comté wieder zurück — Spanien verlor wichtigste strategische Punkte in seinen Niederlanden (Charleroi, Oudenaarde u. a.). Dieser Machtzuwachs Frankreichs, der klar erkennen ließ, daß der Friede nur eine Pause und nicht den Abschluß der französischen Expansion bedeutete, brachte Johann Philipp von Mainz endlich zur Erkenntnis der G e f a h r : er förderte die Auflösung des Rheinbundes und bemühte sich um die Bildung einer „deutsch gesinnten Allianz" zur Abwehr Frankreichs. Im Zusammenhang damit entstand an Schönborns Hof als einziges Ergebnis dieser Bestrebungen das von Boyneburg veranlaßte Gutachten von Leibniz über die „Securitas publica" vom Jahre 1670, das man als „Plan einer neuen Reichsgründung" bezeichnet hat (Hinrichs). Völlig an den wirklichen Tendenzen Frankreichs vorbeiplanend, wollte er — ohne im geringsten die Macht zur Verwirklichung seiner Empfehlungen zu besitzen — Frankreichs expansionistische Energien auf N o r d a f r i k a , Ägypten und die Levante verweisen und den Kaiser mit der Bek ä m p f u n g der T ü r k e n als H a u p t a u f g a b e betrauen, d. h. die beiden H a u p t k r ä f t e Europas aus Europa verweisen, um so das Reich neu begründen und organisieren zu können. Diese viel zitierte unrealistische Gedankenkonstruktion hat denn auch keine politische Bedeutung gehabt. Im Jahre seiner Veröffentlichung besetzten die Franzosen nicht Ägypten, sondern Lothringen. Diplomatie und Machtpolitik wechselten einander auf der französischen Seite mit großen Ergebnissen ab und richteten sich in den nächsten Jahren hauptsächlich gegen H o l -

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land als das politische Haupthindernis vor der spanischen Erbschaft. Seit dem 17. 2. 1670, dem Jahr der Preisgabe Hollands durch England, war Ludwig X I V . mit Bayern verbündet; 1671 heiratete Elisabeth Charlotte (Liselotte), Tochter des Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz, den Herzog von Orleans und brachte dabei die Neutralität ihres Vaters in einem künftigen französisch-holländischen Kriege mit in die Ehe. Der wittelsbachische K u r f ü r s t Maximilian Heinrich von Köln gewährte 1671/72 unter dem Einfluß seiner von Frankreich finanzierten Berater Wilhelm Egon und Franz Egon von Fürstenberg das Recht des Marsches durch seine kölnischen und lüttichschen Besitzungen, gestattete die Anlage von Magazinen und die Verwandlung seiner Festung N e u ß in einen Platz französischer Militärkonzentration; außerdem stellte er noch 18 000 Mann den Franzosen zur Verfügung. Der Fürstbischof Christoph Bernhard von Münster schloß ein Angriffsbündnis mit den Franzosen gegen Holland, um sich selbst in den Besitz niederländischer Gebiete zu bringen. Herzog Johann Friedrich von H a n n o v e r verpflichtete sich zur Aufstellung von Truppen, während Osnabrück, Pfalz-Neuburg, K u r sachsen, Trier und Württemberg unter dem Eindruck der französischen Subsidien Frankreich wenigstens ihre N e u tralität zusicherten. Schließlich f a n d sich Johann Philipp von Mainz unter dem Druck seines französisch gesonnenen Domkapitels bereit, seinen Einfluß zur Aufrechterhaltung der Neutralität des Reiches zu verwenden. Wenn zu diesem Zeitpunkt und angesichts dieser politischen Konstellation Leibniz nach Paris reiste, um sein Consilium Ägyptiacum zu betreiben und Ludwig X I V . zur Preisgabe seiner mühsam und unter dem A u f w a n d erheblicher Bestechungsgelder und Subsidienkosten errichteten politischen Konstruktion gegen die Niederlande zu bewegen, so mußte ein solcher Versuch an den politischen Realitäten scheitern. Diese waren vielmehr soweit gediehen, daß am 1. 11. 1671 auch der Kaiser einen Vertrag mit Frankreich abschloß, in welchem er seine Neutralität zusagte und ihm

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Deutschland und Ludwig X I Y . bis z u m Frieden usw.

d a f ü r das Reich und die spanische Monarchie garantiert wurde. Von allen Bündnissen und Abkommen, die Ludwig geschickt und geduldig geknüpft hatte, löste sich nur eines vorzeitig wieder auf: das mit Brandenburg, dessen K u r f ü r s t sich als nüchterner Realpolitiker ausrechnete, daß seine Stellung in Cleve-Mark mit der Freiheit der Niederlande stand und fiel: infolgedessen schloß er am 6. 5. 1672 ein Bündnis mit den Generalstaaten, in dem er 20 000 Mann zu stellen versprach. Gleichzeitig marschierten bereits die französischen T r u p pen links und rechts des Rheins durch Cleve gegen die niederländischen Hauptprovinzen Holland und Seeland. Ludwig forderte nach Anfangserfolgen außer der von Johann de Witt schnell zugesagten Preisgabe der spanischen Niederlande unter dem Einfluß von Louvois weitere Landabtretungen und Kriegsentschädigungen sowie die Gleichberechtigung des Katholizismus in Holland. Diese Maßlosigkeit bezeichnete den Wendepunkt von Ludwigs eigenem Schicksal. Johann de W i t t wurde gestürzt und wie sein Bruder Cornelis getötet, der 21 jährige Wilhelm III. von Oranien zum Statthalter von Holland sowie zum lebenslänglichen Generalkapitän und Generaladmiral der Republik ernannt und damit einer der größten Gegner Ludwigs X I V . , der sieglose, aber schließlich erfolgreiche Feldherr des „je maintiendrai", in eine Machtposition gehoben. Die Öffnung der Schleusen in den Niederlanden hielt den französischen Vormarsch auf, und der Kaiser f a n d sich nach dem Marsch der Franzosen durch Cleve am 23. 6. 1672 zu einem Bündnis mit Brandenburg bereit. Aber Montecuccoli, der die 16 000 kaiserlichen Soldaten befehligte, die sich mit den 12 000 Brandenburgern vereinigten, verhinderte dann trotz eines weiteren, im Juli abgeschlossenen Bündnisvertrages des Kaisers mit den Niederlanden jede, auch jede brandenburgische Aktivität. So erreichte Friedrich Wilhelm mit der Konzentration dieser beträchtlichen Heeresmasse nicht mehr, als daß Ludwig eine Armee unter Turenne zur Flankendeckung abzweigen mußte. Es blieb, nach einem Worte Rankes, bei

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einer eigentümlichen Vereinigung von Krieg und Frieden, bei einer militärischen Demonstration, deren Ergebnis die Holländer im Verhältnis zu ihren Subsidienzahlungen an Brandenburg f ü r zu gering hielten. Sie stellten diese ein, was wiederum dem Kurfürsten, der ohne Zuschuß sein Heer nicht unterhalten konnte, den unter Berücksichtigung der politischen Machtverteilung willkommenen V o r w a n d f ü r einen Separatfrieden mit Frankreich am 6. 6. 1673 in Vossem bei Löwen gab. Friedrich Wilhelm erhielt Cleve ohne die wegen der Rheinübergänge wichtigen Festungen Wesel und Rees zurück und die Bestätigung seines Rechtes zur Teilnahme an einer etwaigen Verteidigung des Reiches. Außerdem versprach Frankreich ihm Subsidien. Dieser Vertrag ließ die Franzosen nicht zögern, am Main und in der Pfalz deutsches Gebiet zu besetzen und im Sommer 1673 die zehn elsässischen Reichsstädte, deren Vogtei ihnen 1648 überlassen worden war, zu besetzen, zu entwaffnen und ihrer Befestigungen zu entledigen. Allein Straßburg wurde einstweilen noch geschont. Unter diesem Druck verbündete sich der Kaiser am 30. August 1673 auf Lisolas R a t in den H a a g mit Spanien, Holland, Dänemark, Sachsen und dem H e r z o g von Lothringen zum Kriege gegen Frankreich: Turenne wurde über den Rhein zurückgedrängt, Bonn mußte sich am 12. November 1673 den kaiserlichen und niederländisch-spanischen T r u p p e n ergeben; die Franzosen gaben ihre niederländischen Eroberungen auf; Ludwigs Gefolgschaft im Reich zerfiel in dem Maße, in dem seine Erfolge in Verluste umschlugen. Am 24. Mai 1674 erklärte der Reichstag den Reichskrieg gegen Frankreich, Friedrich Wilhelm von Brandenburg paßte sich am 1.7.1674 erneut der veränderten machtpolitischen Situation an und trat dem Reichskrieg bei. Zu f r ü h ; denn während die Franzosen durch die Schlacht bei Sinzheim (16. 6.) die Pfalz und durch die Erfolge bei Enzheim (4. 10.) und Türkheim (5. 1. 1675) das Elsaß zurückgewannen, fielen die Schweden Weihnachten 1674 von Vorpommern aus zu einem Entlastungsunternehmen f ü r ihren französischen Bundesgenossen in Brandenburg ein und erreichten tatsächlich, daß

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Friedrich Wilhelm sich mit seinen T r u p p e n der Befreiung des eigenen Kernbesitzes zuwandte — freilich erst im Frühjahr 1675 nach monatelangen vergeblichen Verhandlungen mit Kaiser, Dänemark und den Niederlanden zwecks gemeinsamer Aktionen gegen Schweden. H a t t e Friedrich Wilhelm 1672 die Franzosen zur Zersplitterung ihrer K r ä f t e gezwungen und 1674 den Friedensvertrag mit Frankreich gebrochen, so geriet er nun selbst in größte Gefahr, die er nur durch militärisch hervorragende, schnelle Unternehmungen bei Rathenow (25.6.) und Fehrbellin (28. 6.) abwenden konnte. Damals zeichnete ihn das Volk — zuerst in einem Elsässer Volkslied — mit dem Beinamen „der Große" aus. Dieser Befreiung der K u r m a r k folgte unter Ausnutzung des Bündnisses mit Dänemark und H o l land ein neuer Versuch Friedrich Wilhelms, die Schweden aus Norddeutschland zu vertreiben und Vorpommern mit Stettin und der Odermündung zu erwerben. W ä h r e n d er militärisch 1675/79 (Verfolgung der Schweden durch das gefrorene Frische und Kurische H a f f ) sein Ziel erreichte, unterlag er politisch der französischen Diplomatie, die am Rhein über Pommerns Schicksal entschied. Sie brachte auf dem Friedenskongreß zu Nymwegen 1678 Separatfriedensschlüsse am 10. August mit Holland und am 17. September mit Spanien zustande, danach die Beendigung des Krieges mit dem Kaiser am 5. 2. 1679 — unter Gewinn von Freiburg (im Tausch gegen Philippsburg), Lothringen, der Franche Comte und der niederländischen Festungslinie an der Nordgrenze Frankreichs — und isolierte auf diese Weise Friedrich Wilhelm von Brandenburg so vollkommen, daß er sich am 29. 6. 1679 zum Frieden von St. Germain bereitfinden mußte, in dem er seine Eroberungen in Pommern wieder an Schweden zurückzugeben hatte. Frankreich war als Sieger aus dem Kriege hervorgegangen und damit zum politischen Vorrang in Europa aufgestiegen; Ludwig X I V . hatte den H ö h e p u n k t seiner Macht erreicht und zugleich den Wendepunkt, an dem sich die Übertreibung des höfischen Charakters des Staatslebens, die finanzielle Überspannung und auch die Übersteigerung des religiösen

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Absolutismus gegenüber den Hugenotten abzuzeichnen begann. D a gleichzeitig der Kaiser brandenburgische Rechte auf die durch den T o d des letzten schlesischen Piasten erledigten Herzogtümer Liegnitz, Brieg und Wohlau überging und diese Gebiete einzog, vollbrachte Friedrich Wilhelm unter dem Eindruck dieser nun massiert gegen ihn selbst gerichteten Politik die nächste Neuorientierung: am 25. 10. 1679 schloß er eine geheime „engere Allianz" mit Frankreich auf zehn Jahre, in der er den Franzosen Durchmarschrecht, Aufnahme von Truppen in seinen Festungen, Unterstützung des französischen Kandidaten für den polnischen Thron, seine Stimme bei der deutschen Kaiserwahl für Ludwig X I V . oder den Dauphin versprach und dafür die Garantie seines Besitzstandes sowie jährlich 100 000 Livres Subvention zum Ausbau des brandenburgischen Heeres einhandelte. 9. Deutschland und Ludwig X I V . 1679 bis 1688 Nach der gewaltsamen Angliederung Lothringens im Jahre 1670 und dem Erfolg von 1679 setzte Ludwig X I V . in Metz, Breisach und Besançon sogenannte Reunionskammern ein, die, auf der Grundlage der ReunionsTheorie, zur Schließung einer weit vorgeschobenen Verteidigungslinie gegenüber dem Osten alle Gebiete für Frankreich beanspruchten, welche irgendwann einmal von Gebieten abhängig gewesen waren, die Frankreich 1552, 1648, 1668 und 1679 „erworben" hatte. Die Kammern entschieden über die Rechtmäßigkeit der französischen Ansprüche und vollstreckten diese, waren also Kläger und Richter zugleich in einem Verfahren, gegen dessen Beschlüsse es keine Möglichkeit des Einspruchs gab. Es ist (von H ä r tung) hervorgehoben worden, daß das Unberechtigte der Reunion weiterhin auch darin lag, „daß lockere Abhängigkeitsverhältnisse des mittelalterlichen Staates, etwa der Lehnsverband, mit der strengen Unterordnung, die der absolutistische Staat forderte und durchsetzte, ohne weiteres gleichgestellt wurden". T r e u e ,

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D i e v o n der R e u n i o n , dem „ g e f ä l l i g e n E u p h e m i s m u s f ü r den R a u b im F r i e d e n " ( B r y c e : H o l y R o m a n E m p i r e , K a p . 19) allem Recht z u w i d e r betroffenen deutschen Fürsten u n d H e r r e n w u r d e n a u f g e f o r d e r t , dem französischen K ö n i g als neuem H e r r n den Lehnseid zu leisten; taten sie das nicht, so w u r d e ihr Gebiet militärisch besetzt, w a s den R u i n des L a n d e s bedeutete. A u f diese Weise w u r d e durch R e u nierung auch des Bistums S t r a ß b u r g die S o u v e r ä n i t ä t über das g a n z e E l s a ß mit A u s n a h m e der S t a d t S t r a ß b u r g erklärt. Ebenso bezeichnete m a n die G r a f s c h a f t M ö m p e l g a r d , die Gebiete der G r a f e n v o n S a l m , Leiningen, S a a r b r ü c k e n , S p o n h e i m , V e l d e n z u n d Lützelstein, einen T e i l des Bistums S p e y e r , Ortschaften in K u r t r i e r , zahlreiche k u r p f ä l z i s c h e Besitzungen u n d manche anderen Gebiete k u r z e r h a n d f ü r französisch. Selbst Frankreichs V e r b ü n d e t e r , der K ö n i g v o n Schweden, verlor seinen Zweibrückenschen H a u s b e s i t z . A m N i e d e r r h e i n reichten die R e u n i o n e n nach der Besetzung L u x e m b u r g s ( 1 6 8 3 ) durch die E i f e l bis dicht v o r Aachen und Köln. Alle deutschen Proteste blieben erfolglos, auch V e r h a n d lungen f ü h r t e n nicht zur Einschränkung der französischen Ansprüche — das einzige Ergebnis b e s t a n d darin, d a ß angesichts dieses ausgedehnten u n d massiven R a u b e s a u f dem Reichstag die seit l a n g e m beratene Reichskriegsverf a s s u n g , der „ p u n c t u s securitatis", 1681 verabschiedet werden konnte. Sie bildete insofern a u f d e m P a p i e r einen beachtlichen Fortschritt, als unter A n p a s s u n g an die Zeitentwicklung nun auch im Reich d a s stehende H e e r eing e f ü h r t werden sollte. Z u diesem Zweck sollten an die Stelle der alten M a t r i k u l a r b e i t r ä g e der einzelnen S t ä n d e 40 000 M a n n im Frieden, im K r i e g e durch Reichstagsbeschluß eine nach B e d a r f vergrößerte T r u p p e treten. A u f bringung u n d B e w a f f n u n g w a r e n A u f g a b e n der zehn Reichskreise, deren S t ä n d e eigene T r u p p e n stellen oder gegen Entschädigung v o n anderen M i t s t ä n d e n stellen lassen k o n n ten. K r e i s k a s s e n u n d Reichskriegskasse hatten die K o s t e n dieses H e e r e s a u f z u b r i n g e n . D a s heißt: dem K a i s e r w a r die V e r f ü g u n g über ein H e e r vorenthalten, das er im

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Großen Kriege u. a. zur Bedrückung der Stände eingesetzt hatte. Dieser Beschluß war durch die Zeitumstände zugleich durchaus berechtigt und nötig wie auch verspätet. Seit dem Großen Kriege war die Entwicklung der größeren Reichsstände, die im übrigen mehreren Kreisen angehörten, zu selbständigen Staaten mit eigener Militärmacht zu weit fortgeschritten, als daß die Reichsarmee nun wirklich ein imposantes Machtinstrument des Reiches hätte werden können. Sie wuchs über die Organisation der kleineren Stände, insbesondere der „vorderen" westlichen Reichskreise nicht hinaus und blieb im Räume der ärgsten Kleinstaaterei eine uneinheitliche Truppensammlung, die kaum als Heer bezeichnet werden konnte und militärisch nur geringen Eindruck zu machen vermochte. Für die Abwehr der Reunionen kam diese „Reichsarmee" zu spät; ihr Ende f a n d sie in der Niederlage von Roßbach. U m diese Zeit mußte, wie seit langem zu erwarten, auch Straßburg, dessen Reichsstadtschaft von Frankreich 1648 ausdrücklich anerkannt worden war, das Schicksal der schon früher vollzogenen Reunionen teilen. Nach insgeheim durchgeführten sorgfältigen militärischen Vorbereitungen erzwang der französische Kriegsminister Louvois in dreitägigen Verhandlungen mit der von Deutschland ohne Hilfe sich selbst überlassenen Stadt den französischen Einmarsch am 30. 9. 1681: Straßburg mußte Ludwig X I V . als seinem Souverän und Schutzherrn huldigen und eine dauernde französische Garnison aufnehmen, während die innere Verfassung der Stadt nicht verändert und f ü r die Religionsausübung das im Westfälischen Frieden festgesetzte N o r maljahr 1624 anerkannt wurde. N u r das Münster mußte den Katholiken zurückerstattet werden. Vauban begann sofort, im Sinne seiner Politik der Befestigung der neugewonnenen Grenzen auch Straßburg in eine starke Festung zu verwandeln. Schon am 25. 10. 1681 hielt Ludwig X I V . seinen triumphalen Einzug, der die Ausdehnung der f r a n zösischen Macht seit 1648 deutlich unterstrich. Die Medaille, die anläßlich der Feier zu diesem Ereignis geschlagen wurde, 5*

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trug die Umschrift Clausa Germanis Gallia, ohne damit anzudeuten, daß umgekehrt nun Frankreich mit der Festung Straßburg eine vorzügliche Absprungbasis gegen Deutschland besaß. Doch trugen die Reunionen, die in ganz Deutschland und selbst in den venezianischen Gesandtenberichten Empörung auslösten, andererseits auch zur Neuordnung der Mächte in Europa bei, die erkannten, welche unheimlichen Absichten Ludwig verfolgte u n d wie lebenswichtig es f ü r sie war> dem französischen Imperialismus entgegenzutreten, wenn sie sich selbst die Unabhängigkeit und Europa den Frieden bewahren wollten. Ein Hauptereignis in dieser Neugruppierung der Staaten bildete der Übertritt Schwedens von der französischen auf die holländische Seite, da König Karl X I . sich durch die Reunion Zweibrückens verletzt fühlte. So schloß er mit Wilhelm I I I . von Oranien auf dessen Initiative hin — er war der eigentliche Mittelpunkt des Widerstandes gegen Ludwig X I V . — im Oktober 1681 einen Garantievertrag zur Aufrechterhaltung der Friedensschlüsse von 1648 und 1679, wobei die späteren Gewaltakte ausdrücklich keine Anerkennung fanden. Der Kaiser und der König von Spanien traten diesem Vertrage bei. Graf Waldeck, der aus brandenburgischen in Wilhelms III. Dienste übergewechselt war, entwarf mit Wissen des Oraniers neue Unionspläne im Reich und war schließlich über die F r a n k f u r t e r Assoziation von 1681 beteiligt am Zustandekommen der Laxenburger Allianz vom 10. Juni 1682 zwischen dem Kaiser und den Ständen des fränkischen und des oberrheinischen Kreises, die zur Verteidigung des Rheins drei Armeen von je 10 000 Mann aufstellen wollten. Wirkliche Abwehr gegen Frankreich vermochte auch dieser Verband nicht aufzubauen, zumal gerade die Kurfürsten am Rhein nach wie vor vorsichtig und ängstlich zwischen definitiven Bindungen an das Reich oder an Frankreich hindurchzulavieren bemüht und daher jeder wirklichen Machtentfaltung des Reiches abhold waren. Wohl schlössen sich auch Bayern, Sachsen und H a n n o v e r der Allianz an; aber der mächtigste Reichsstand, Friedrich

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Wilhelm von Brandenburg, ging seine eigenen Wege. I h m war an der Gewinnung Pommerns mit Stettin und der Odermündung als Grundlage f ü r seine See- und Uberseepläne mehr gelegen als an der Machtzusammenfassung im Reich gegen Frankreich. D a Schweden, in dessen Gewalt Pommern sich befand, zur antifranzösischen Seite übergeschwenkt war, konnte Friedrich Wilhelm das erstrebte Gebiet und möglicherweise darüber hinaus eine starke Machtstellung im Ostseeraum nur aus der H a n d eines siegreichen französischen Königs erhalten. Infolgedessen kam es, beginnend mit der Geheimallianz von St. Germain am 2 5 . 1 0 . 1 6 7 9 , zu mehreren brandenburgisch - französischen Bündnissen, welche die Beziehungen zwischen Friedrich Wilhelm und Ludwig vor allem am 11. 1. 1681 zunehmend verdichteten und über weitere Abkommen in den Jahren 1682 und 1684 bis zu den Vertragsentwürfen vom 30.4.1685 zwischen Frankreich, Brandenburg und Dänemark f ü h r t e n : ihr Ziel war, Bremen, Verden und Wismar f ü r Dänemark, Vorpommern mit Stettin, der Odermündung und Rügen f ü r Brandenburg den Schweden wieder zu entreißen. Frankreich zahlte Subsidien, Friedrich Wilhelm versprach ihm seine Stimme bei der Kaiserwahl. Auch diesmal zeigte sich die französische Diplomatie den Bundesgenossen überlegen: sie erweckte und nährte in Friedrich Wilhelm stärkste Hoffnungen, doch ratifizierte Ludwig nicht die Verträge, was den Kurfürsten nur fester an ihn band. Die Beurteilung dieser H a l t u n g des Großen Kurfürsten ist noch immer uneinheitlich. Die moralisch-nationalistische Entrüstung der Urteile im 19. Jahrhundert geht an der Tatsache vorüber, daß es eine deutsche Politik im 17. J a h r hundert nirgends gab, sondern nur territorialstaatliche, in diesem Falle also brandenburgische Interessenpolitik. Friedrich Wilhelm hat diese Interessen wahrzunehmen versucht, ist aber über den Anfang von beachtlichen Subsidien hinaus nicht erfolgreich gewesen und hat vielmehr in seiner Bindung an Frankreich wesentlich dazu beitragen müssen, d a ß das Reich am Eingreifen gegen die französische Reunionspolitik gehindert wurde.

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Gleichzeitig förderte Ludwig auf der Linie der seit Franz I. bestehenden französisch-türkischen Verständigungen gegenüber Mitteleuropa bereits bestehende Angriffsabsichten der Türken gegen Österreich mit dem Ergebnis, daß Kara Mustafa Ungarn von kaiserlichen T r u p p e n reinigte und am 14. 7. 1683 das von Pestverlusten geschwächte Wien, eine der Hauptstädte des Christentums und der abendländischen Kultur, mit 200 000 Mann einschloß. Der Kaiser war nach Passau geflohen; die Verteidigung "Wiens leitete der unerschrockene Graf Rüdiger von Starhemberg, dessen Aufgabe es war, die Stadt zu behaupten, bis Entsatz herangeführt wurde. Dieser bestand schließlich aus T r u p p e n des Kaisers, der Kurfürsten von Sachsen und Bayern, der fränkisch-schwäbischen Kreise und, infolge päpstlicher Vermittlung, des polnischen Königs Johann Sobieski, der erkannte, daß Österreichs Ende auch Polens Untergang bedeutete — Friedrich Wilhelm von Brandenburg machte in krassem Partikularegoismus und kurzsichtiger Bündnistreue seine H i l f e von der Herausgabe von Jägerndorf an Brandenburg und von der Anerkennung der Reunionen abhängig und blieb nach Ablehnung fern. So bildeten die christlichen Kontingente ein Heer von 70 000 Mann, das am 12. 9. 1683 den Sieg am Kahlenberge errang, Wien befreite und die Türken zum Rückzug zwang. Damit war die Grundlage f ü r Österreichs gewaltige Ausdehnung nach Osten geschaffen, die das bis dahin rein dynastische Gebilde zu einer territorial geschlossenen Ostmacht anwachsen ließ, freilich ohne daß es dabei eine einheitliche Staatsform annahm. Vielmehr verband allein das Herrscherhaus eine Reihe von Königreichen und Erbländern, die mit Ausnahme der Bereiche der auswärtigen Politik, des Heeres- und Kriegswesens und der obersten Gerichtsbarkeit weitgehend selbständig blieben. Zwischen d e m ' s t r a f f e n , wenngleich veraltete Formen bewahrenden und daher schließlich wenig wirkungsvollen Zentralismus des Osmanischen Reiches im Osten und dem um so k r a f t volleren französischen Absolutismus im Westen befand sich also ein junges Reichsgebilde im Zustand extremer

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politischer Dezentralisation und der damit verbundenen politisch-militärischen Schwäche und Anfälligkeit. Immerhin trat 1688 eine Kommission zur „Einrichtung des Königreichs U n g a r n " zusammen, die 1689 ein „Einrichtungswerk" vorlegte — ein absolutistisch-merkantilistisches Programm nach der Zeitauffassung mit der Empfehlung der Trennung von Justiz und Verwaltung, der Vereinheitlichung des Rechtswesens, der Einschränkung adeliger Privilegien, der staatlichen Kontrolle über den Klerus, der Verstaatlichung der Schulen, der Bildung eines deutsch-ungarischen Heeres, der Heranziehung ausländischer Ansiedler, der Förderung von H a n d e l und Gewerben und dem Ziel, „daß H u n g a r n sich aus H u n g a r n selbst erhalten könne". Zwei Wochen vor der Entsetzung Wiens war eigentlich das auf dem H ö h e p u n k t der Krisis von Ludwig X I V . bekanntgegebene Angebot abgelaufen, mit Deutschland einen 30 jährigen Waffenstillstand auf der Basis des gegenwärtigen Besitzstandes abzuschließen. Wie zuvor Friedrich Wilhelm von Brandenburg, so ließ sich jetzt der Kaiser durch das französische Gaukelspiel fangen. Machte Friedrich Wilhelm sich Hoffnungen auf Vorpommern, zu deren Erfüllung Ludwig nichts tat, so hoffte der Kaiser mit der Friedenssicherung im Westen als Deckung im Osten Ungarn erobern und sein Reich neu aufbauen und festigen zu können, ohne zu bedenken, daß Ludwig X I V . gerade an einer solchen Stärkung Österreichs und des Kaisers gar nichts gelegen sein konnte. Er akzeptierte Frankreichs Angebot: am 15. 8. 1684 wurden zu Regensburg der 30 jährige Waffenstillstand von Kaiser und Reich gebilligt und die bis August 1681 vollzogenen Reunionen anerkannt. In der T a t konnte Österreich mit H i l f e der polnischösterreichisch-venetianischen Liga vom 5. März 1684, seit dem 4. Januar 1686 auch mit Unterstützung von 8000 Mann des Kurfürsten von Brandenburg (der Ludwigs X I V . verschlagene Diplomatie durchschaute und am 22. 3. 1686 ein geheimes Defensivbündnis mit dem Kaiser schloß, in welchem er sich gegen E m p f a n g von Subsidien zur Unter-

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Stützung der kaiserlichen Ansprüche in Bezug auf Spanien verpflichtete) in mehreren Feldzügen mit den H ö h e p u n k t e n der Eroberung von O f e n am 2. 9. 1686 u n d des Sieges bei Mohacs am 12. 8. 1687 fast ganz U n g a r n erobern u n d am 6. September 1688 Belgrad stürmen. A m 9 . 1 2 . 1 6 8 7 w u r d e der habsburgische T h r o n e r b e Erzherzog Josef z u m ungarischen König gekrönt, nachdem ein Reichstag zu P r e ß b u r g die Erblichkeit der Stephanskrone im M a n n e s s t a m m der H a b s b u r g e r festgesetzt u n d das Wahlreich in ein Erbreich umgewandelt hatte. D e n H ö h e p u n k t der Entwicklung bildete schließlich der Friede von C a r l o w i t z , in dem die T ü r k e i U n g a r n u n d Siebenbürgen abtrat. Inzwischen w a r W i e n ein kultureller M i t t e l p u n k t geworden, der gleichwertig neben Paris-Versailles stand u n d dessen große Leistungen besonders in Architektur u n d Musik über das ganze A b e n d l a n d ausstrahlten. D e r f ü r drei J a h r z e h n t e zwischen L u d w i g u n d dem Reich abgeschlossene W a f f e n s t i l l s t a n d bedeutete dem einen keine wirkliche Bindung u n d brachte dem anderen nicht den ersehnten Frieden von D a u e r . D a ß der Krieg im Osten fortlief, geschah wenigstens nicht auf unmittelbare V e r anlassung des französischen Königs. I m Westen aber brachte Ludwig noch einmal eine allgemeine religiöse E r regung u n d Bewegung zustande, als er, im J a h r e der T h r o n besteigung des katholischen Jakobs I I . in E n g l a n d , das E d i k t von N a n t e s a u f h o b — nach langem Zögern u n d erst zwei J a h r e nach dem T o d e Colberts, der v o n dieser wirtschaftlich Frankreich selbst schwer schädigenden M a ß n a h m e stets abgeraten hatte, aber gegenüber dem D r ä n g e n der M a i n tenon u n d radikaler K a t h o l i k e n am H o f e nicht endgültig durchgedrungen w a r . Die wirtschaftlichen Folgen dieser M a ß n a h m e n f ü r Deutschland w u r d e n bereits e r w ä h n t . Die politischen w a r e n nicht weniger bedeutungsvoll. Friedrich Wilhelm v o n Brandenburg löste sofort sein Bündnis mit Frankreich u n d t r a t auf die Seite H o l l a n d s — ein in erster Linie v o n religiösen Regungen v e r a n l a ß t e r politischer Wechsel, der von seinen Kritikern im allgemeinen weniger stark hervorge-

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hoben wird als die verschiedenen realpolitisch-egoistischen Frontwechsel dieses Fürsten —, das durch die Aussicht auf Brandenburgs Heer eine beachtliche Stärkung erhielt. Diese religiöse Erregung erhielt eine moralisch-politische Steigerung, als Ludwig X I V . gleichzeitig als Allodialerbe seiner Schwägerin Liselotte die P f a l z f ü r sich beanspruchte. Im Grunde lag diese Erbforderung auf der Linie der Reunionen und der Besetzung Straßburgs; sie konnte daher eigentlich nicht sehr überraschen. Sie zeigte doch aber auch einerseits die Maßlosigkeit des französischen Königs, f ü r dessen Machtstreben es keine Grenzen zu geben schien, und andererseits die Schwäche des Reiches und der Reichskriegsverfassung. Infolgedessen schlössen der Kaiser und die vorderen Reichskreise neben dieser noch die Augsburger Allianz vom 9. Juli 1686, die von den französischen Historikern als Zentrum des Widerstandes gegen Ludwig X I V . bezeichnet wird, in Wirklichkeit aber keine größere Bedeutung hatte als die Laxenburger Allianz vom Jahre 1682, d. h. praktisch fast gar keine, da ihr sowohl bemerkenswerte Macht wie die Entschlossenheit fehlte, diese offensiv einzusetzen. Immerhin bereitete sie den politischen Zusammenschluß Deutschlands und Europas in der „Großen Allianz" von 1689 vor. Die Blicke des Habsburgers waren in jener Zeit ganz nach Südosten gerichtet. Wenn Ludwig trotzdem am rechten Rheinufer Befestigungen durchführen ließ, so geschah dies weniger als Verteidigungsmaßnahme gegen die Allianz, als vielmehr im Zuge der weiteren Expansion, f ü r die hier, z. B. in Hüningen, Brückenköpfe und Ausgangsstellungen vorbereitet wurden. Am deutlichsten wurde diese Zielsetzung in seinem Verhalten gegenüber Köln. Nachdem er bereits im Januar 1688 versucht hatte, dem Kurfürsten von Köln den Straßburger Bischof Wilhelm Egon von Fürstenberg, einen Untertan Ludwigs also, als Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge aufzuzwingen, setzte er im Juli 1688 nach dem Tode des Erzbischofs und einer unklaren Wahl seinen Kandidaten Wilhelm Egon mit Gewalt ein und riß damit eine weitere politische Machtstellung an sich.

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Militärischen "Widerstand erwartete Ludwig nicht aus Deutschland. Er nahm die Verringerung der Zahl seiner deutschen Anhänger im Bewußtsein seiner Machtfülle gelassen hin, ertrug die politische Gegnerschaft des Papstes, der doch mit dem der Kirche sehr ergebenen Fürsten und Verfolger der Hugenotten nicht wirklich brechen konnte; er wußte den Kaiser durch südöstliche Expansionsunternehmungen gebunden und mehr und mehr vom Westen abgelenkt; und in Jakob II. schließlich konnte er f ü r lange Zeit einen zuverlässigen Bundesgenossen auf dem englischen T h r o n sehen — alles in allem, wie es schien, eine Konstellation von seltener Gunst. Aber das Jahr 1688 ist f ü r Europa, wie das J a h r 1661 f ü r Österreichs Zweifrontenkampf in Ost und West, mit Recht als ein „Epochenjahr" erster Ordnung bezeichnet worden (Hinrichs). Gerade von der anscheinend sichersten Seite her kam der entscheidende Umschwung: die englische Revolution von 1688 mit der Flucht Jakobs I I . vor dem in England landenden Wilhelm von Oranien nach Frankreich brachte nicht allein eine maßgebliche innenpolitische Wendung, sondern hatte auch größte außenpolitische Bedeutung. „Wie die europäische Krisis ihren Ausbruch beschleunigt hat, so wirkt die Revolution und ihr Erfolg auch auf Europa zurück, vor allem dadurch, daß sie den Mann auf den englischen Thron bringt, der schon als Statthalter der Niederlande der geborene Gegner Ludwigs X I V . war und nun als revolutionärer König Englands noch ein weiteres Interesse hatte, neue Siege Frankreichs zu verhindern, Wilhelm I I I . " (Härtung). U n d in dem gleichen Jahre, das dieses Mannes Aufstieg zu weltpolitischer Bedeutung erlebte, starb Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der ein Menschenalter hindurch nächst Ludwig X I V . die dynamischste Persönlichkeit in der kontinentaleuropäischen Politik gewesen war, der mit seinen schnellen und überraschenden Stellungswechseln in der politisch-militärischen Entwicklung manche Verwirrung gestiftet, manche Unruhe verursacht, fast durchweg aber sein Territorium im Zeitalter des deutschen Territorialismus

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zu größerer Macht und stärkerem Gewicht in der deutschen und in der internationalen Politik geführt hatte. Es wäre ungerecht, ihn allein mit moralischen Maßstäben zu messen; geschieht dies aber auch mit dem Kaiser und anderen deutschen Fürsten, so fällt Friedrich Wilhelm nicht gar so sehr aus dem Rahmen. U n d es ist falsch, ihn mit den Maßstäben der Individualmoral des demokratischen 20. Jahrhunderts zu messen, die im 17. Jahrhundert weder f ü r die H a n d lungen der Fürsten noch f ü r die Urteile der Zeitgenossen gültig waren. Mazarin gegenüber hat er sich einmal zu dem Grundsatz bekannt: „Wenn meine Ahnen das Interesse anderer Fürsten der Erhaltung ihrer Lande vorgezogen haben, so gestehe ich, daß ich mich von dieser Maxime entfernt habe, da ich mich in meinem Gewissen verpflichtet fühle, die Lande, die ich durch Gottes Gnade besitze, zu verteidigen; und wenn ich das tue, so sehe ich keinen Grund, weshalb mich irgend jemand tadeln könnte." Seit 1684 hatte Friedrich Wilhelm deutlich eine N e u orientierung der brandenburgischen Politik vorgenommen — sie begann angesichts der ablehnenden Haltung Ludwigs gegenüber den auf Pommern gerichteten Wünschen des Großen Kurfürsten und f a n d ihre Fortsetzung in einer von Wilhelm von Oranien geschickt geführten Wiederannäherung an Holland sowie in der prompten 'und uneingeschränkten Reaktion auf die Aufhebung des Edikts von Nantes. Diese brandenburgische Hilfeleistung f ü r die Hugenotten wurde in Frankreich, wo die Auswanderung wie in jedem Merkantilstaat untersagt war, als eine unberechtigte Einmischung in die inneren Angelegenheiten der französischen Monarchie betrachtet. Diese Verstimmung auf Ludwigs Seite drängte den K u r fürsten geradezu auf die des Kaisers, das heißt zur T ü r k e n hilfe gegen beachtliche Subsidienleistungen durch Österreich. An der Eroberung Ofens waren daraufhin brandenburgische T r u p p e n in starkem Maße beteiligt. Schwierig war dagegen die Auseinandersetzung über das allgemeine österreichisch-brandenburgische Verhältnis, in erster Linie über die schlesische Frage: der Kurfürst verlangte die Rückgabe

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von Liegnitz, Brieg, Wohlau und Jägerndorf; der Kaiser verweigerte sie, und Friedrich Wilhelm begnügte sich mit der von Österreich zögernd bewilligten Abtretung des vorwiegend von Protestanten bewohnten Schwiebus. Friedrich Wilhelm hatte das Empfinden, sein Prestige bewahrt zu haben, und ahnte nicht, daß die Österreicher keine echte Abtretung gewährten, da sie sich hinter seinem Rücken mit dem preußischen Kurprinzen über die Rückgabe des Gebietes nach Friedrifch Wilhelms Tod geeinigt hatten. Diese Zusammenhänge bildeten die Grundlage für die geheime Defensivallianz von 1686 zwischen dem Kaiser und dem Kurfürsten, die zwanzig Jahre gelten sollte, aber mehr als vier Jahrzehnte hindurch die Grundlage des politischen Systems in Brandenburg geblieben ist. Die Abkehr von dem französischen Bündnis, die Wendung gegen Frankreich war darin schon deutlich vorgesehen. Anderthalb Jahre später starb er, „der erste Fürst des brandenburgischen Hauses, dem man eine welthistorische Stellung anweisen darf. Freilich war die Gebietsgrundlage seines Staates noch zu schmal und zu wenig zusammenhängend, das Gewicht seiner Machtmittel noch nicht schwer genug, als daß man ihn unter den Leitern der europäischen Politik nennen könnte. An Politiker wie Richelieu und Mazarin, Gustav Adolf und Karl X . Gustav, Cromwell und Wilhelm I I I . von Oranien reicht das Maß seiner welthistorischen Wirksamkeit kaum heran. Aber das lag in dem geringen Machtmittel seines Staates, nicht in seiner Persönlichkeit begründet. . . Man kann ihn als den Begründer des größeren brandenburgischpreußischen Gesamtstaates bezeichnen; nicht, als hätte er die ererbte oder erworbene Ländermasse schon zum einheitlich verwalteten, zentralisierten Großstaat umgeschaffen; aber er hat seinem Staatswesen den Geist eingehaucht, der die Schöpfung des modernen Großstaats vollbringen sollte: den Trieb zur Macht, die auf militärischer und finanzieller Grundlage r u h t . . . Der ehrgeizige Trieb, eine Großmacht zu werden, ist das Erbteil der Regierung Friedrich Wilhelms, die nachhaltige Wirkung seines großen politischen Beispiels. Seine welthistorische Bedeutung ist sozusagen eine mittel-

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bare: als der geistige Urheber der G r ö ß e des preußischen Staates hat er seine Stellung in der allgemeinen europäischen Geschichte. Diese G r ö ß e hat er selbst nicht mehr gesehen, aber er glaubte an sie mit einer A r t von religiöser Zuversicht. Er glaubte sich ganz persönlich, mit seinem H a u s und Staat, in Gottes Schutz gestellt; er f ü h l t e sich in den höchsten Momenten seines Lebens als ein Instrument des göttlichen Willens u n d der göttlichen Pläne. D a r u m ist der Schutz der protestantischen Interessen in der W e l t , die Sicherung der evangelischen Bekenntnisfreiheit ein so wesentliches M o m e n t in seiner Politik. D a r i n gerade sah er die göttliche Mission seines Hauses u n d seines S t a a t e s . . . " (O. H i n t z e ) . 10. Deutschland und die französische Vormacht A m 20. September 1688 w u r d e in Paris der Fall von Belgrad b e k a n n t ; am 24. verkündete der König von F r a n k reich, er lasse zur W a h r u n g der Rechte seines Hauses aus der pfälzischen Erbschaft Liselottens seine Regimenter in Westdeutschland einmarschieren; doch wolle er auf neue E r w e r b u n g e n verzichten, w e n n der Regensburger W a f f e n stillstand von 1684 in einen endgültigen Verzicht umgew a n d e l t werde. D e r eine Vorgang h a t t e ursächlich mit dem anderen nichts zu t u n ; beide gemeinsam bezeichnen aber die Spannungen u n d politischen Tendenzen, zwischen denen Deutschland sich n u n schon seit J a h r z e h n t e n b e f a n d . Die österreichische K e t z e r b e k e h r u n g in U n g a r n w a r in den vergangenen J a h r e n keineswegs milder abgelaufen als die Auseinandersetzung Ludwigs X I V . mit den H u g e n o t t e n . Noch bevor Louvois in Frankreich die H u g e n o t t e n mit seinen D r a g o n a d e n z u m Katholizismus pressen oder w i r t schaftlich ruinieren wollte, begann m a n mit den gleichen Methoden in U n g a r n . G a n z e Bezirke w u r d e n militärisch von P f a r r e r n gesäubert, Kirchen u n d Kirchenvermögen w u r d e n beschlagnahmt, die S t a n d h a f t e n v e r b a n n t oder auf

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die Galeeren nach Neapel geschickt. Allein die Jesuiten „bekehrten" in den Jahren zwischen 1673 und 1676 etwa 20 000 Menschen. Der Glaubenswechsel bedeutete im allgemeinen Magyarisierung. Eine große Zahl Auswanderer zog nach Deutschland, eine kleinere nach der Türkei. Im J a h r e 1674 — also mehr als ein Jahrzehnt vor der Aufhebung des Edikts von Nantes — protestierten alle protestantischen Mächte, außer England, gegen die Behandlung ihrer Glaubensgenossen in Ungarn und erreichten, daß die Galeerensträflinge freigelassen und 1675 die Verfolgungen in Ungarn selbst untersagt wurden. Gleichwohl fanden sie kein Ende. Jahrelang wurde Ungarn von einem heftigen, blutigen, vielfach fanatisch und grausam geführten Religionskrieg erschüttert. Erst in ihrer höchsten Verzweiflung hatten die Protestanten in Ungarn H i l f e beim Sultan gesucht, während der ungarische katholische Hochadel im Kampf gegen den habsburgischen Absolutismus sich an Frankreich gewandt hatte. Mit der Wende von 1683 trat auch hier eine Beruhigung ein. U n d nach den militärischen Erfolgen der J a h r e 1686 bis 1688 konnte man daran denken, weiter in den Balkan hineinzustoßen und die Unternehmungen mit denen der Venetianer zu koordinieren, die an der dalmatinischen Küste kämpften. Da brach der französische König am 24. 9. in die Rheinp f a l z ein und forderte als Bedingung für die Wiederherstellung des Friedens bis zum 1. 1. 1689 außer der endgültigen Anerkennung der Reunionen eine Geldabfindung für seinen mit Liselotte verheirateten Bruder Philipp von Orleans, für den er nach dem Aussterben des kurpfälzischen Hauses Erbansprüche erhoben hatte. Philippsburg fiel im Oktober 1688 in seine H a n d . Bald überschwemmten die französischen Truppen die geistlichen Kurfürstentümer und die ganze Kurpfalz. Unter dem Eindruck dieser Ereignisse vereinigten sich Kurbrandenburg, Kursachsen, Hannover und Kassel im Magdeburger Konzert und erreichten zusammen mit den bayerischen und den kaiserlichen Kontingenten, die in aller Eile vom türkischen Kriegsschauplatz

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herangezogen wurden, den Rückzug der Franzosen auf das linke Rheinufer. Die Schmälerung der Machtposition Ludwigs X I V . durch die Siege des Kaisers im Osten einerseits und die Auflösungserscheinungen in seinem Bündnissystem im Westen andererseits führten immerhin dazu, daß Kaiser und Reich die Eroberungen und Verwüstungen nicht mehr widerstandslos hinnahmen. Im Februar 1689 wurde der Reichskrieg erklärt, an dem nicht allein die unmittelbar von Ludwigs Politik betroffenen Kleinstaaten teilnahmen, sondern auch die militärisch bedeutendsten Mitglieder: die Kurfürsten von Brandenburg, Bayern, dem vom kaiserlichen Schwiegervater H o f f n u n g auf die erbliche Statthalterschaft in den spanischen Niederlanden gemacht wurde, und Sachsen sowie die Weifen, die Aussicht auf eine neue, 1692 tatsächlich geschaffene K u r w ü r d e erhielten: H a n n o v e r wurde vor aller Welt als norddeutsche Macht anerkannt. So sehr band dieser Krieg Kaiser und Reich, daß Leopold Anfang 1690 in Augsburg (denn F r a n k f u r t war vom Feind bedroht) seinen erst zwölfjährigen Sohn Joseph (I.) zum Römischen König und dereinstigen Nachfolger wählen lassen konnte: die Zeit f ü r die T h r o n k a n d i d a t u r Ludwigs oder des D a u phins war endgültig vorüber. U n d da am 12. Mai 1689 Wilhelm III. nach seinem Erfolge in England f ü r dieses und H o l l a n d ein Bündnis mit Kaiser und Reich — mit dem Ziel der Wiederherstellung des Zustandes von 1648 — schloß, dem dann 1690 auch noch Spanien und Savoyen beitraten, sah Ludwig sich zum ersten Male von einer starken, geschlossenen und einigen Koalition umgeben, der er immerhin den absolutistischen Zentralismus der politischen und militärischen Führung entgegenstellen konnte. Der Wandel der Zeit tritt wieder einmal sinnfällig in Erscheinung: die katholisch-habsburgischen Mächte verbünden sich mit dem protestantischen Oranier, dem Erben des einstigen Rebellen gegen die spanische Herrschaft, und dieses Bündnis richtet sich nicht allein gegen Frankreich, sondern zugleich gegen den legitimen katholischen König von England. Selbst die Theologen,

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die in Wien zu Rate gezogen wurden, haben die politischen Gesichtspunkte f ü r wichtiger gehalten als das religiöse Bedenken. U n d Papst Innozenz X I . trat, empört über Ludwigs Staatskirchentum des Gallikanismus, gleichfalls in die Reihe der Gegner Frankreichs. Ludwig stand allein, ohne Bundesgenossen — selbst Savoyen hatte sich der Koalition gegen ihn angeschlossen — einem Ringe von Land- und Seemächten gegenüber, die entschlossen waren, ihn auf dem Kontinent anzugreifen und vom Meere her Frankreich zu blockieren. Allerdings verfügte Frankreich dank Vaubans Unermüdlichkeit über einen ganz modernen, starken Festungsgürtel und hatte im Osten mit Straßburg und Luxemburg, im Süden mit Pinerolo und Casale wichtigste Grenzorte in der H a n d . Aber selbst diese günstige Ausgangsstellung ermöglichte dem König nicht die Behauptung aller 1688 durchgeführten Besetzungen. Er wich unter schwersten Verwüstungen auf die rheinischen Bistümer zurück und mußte im Jahre 1689 den deutschen Boden gänzlich räumen. W a r die Besitznahme der westdeutschen Gebiete im Herbst 1688 bereits von einem ungewöhnlich harten K o n tributionssystem bis tief nach Schwaben und Franken hinein begleitet worden, so steigerten sich die Maßnahmen der Franzosen auf dem Rückzug auf Grund des Brülez-le-Palatinat-Befehls des f ü r die unglückseligen Ereignisse verantwortlichen Louvois zu Maßnahmen im Sinne der „verbrannten Erde", wie sie in späteren Jahrhunderten manches besiegte oder ausweichende Heer aus sehr komplexen Motiven angewandt hat. Das Ergebnis war ein wüstenähnliches Niemandsland vor der französischen Verteidigungslinie einerseits und eine über die Jahrhunderte hinweg erhaltene Verachtung und Erbitterung gegen eine Form der Kriegführung, die es in Europa zuvor nicht gegeben hatte und die ihre traurigen H ö h e p u n k t e fand, als das Heidelberger Schloß in ein Ruinen-Denkmal f ü r diesen Feldzug verwandelt und die Beraubung der Kaisergräber im D o m zu Speyer nicht verhindert wurde. Der größte Teil der seit 1648 geleisteten Wiederaufbau-Arbeit wurde vernichtet, da

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man in Deutschland versäumt hatte, sich gegen den in seiner Gefährlichkeit seit mehr als einem Jahrzehnt bekannten Gegner vorzubereiten und zu schützen. Das einzige Mittel gegen diese Verwüstung eines weiten, fruchtbaren Landstriches, die rechtzeitige und wirkungsvolle militärische Verteidigung, wurde vor allem durch die Langwierigkeit der Beratungen in Regensburg verabsäumt: erst am 3. 4. 1689 konnte der Kaiser in seinem und des Reiches Namen Frankreich den Krieg erklären. Zwar fand Ludwig XIV. nun keine Bundesgenossen mehr in Deutschland; aber die Türken empfanden das Geschehen am Rhein als eine sehr willkommene Entlastung und verweigerten einstweilen den Friedensschluß. Obschon auch in England Wilhelm III. sich zu behaupten verstand, in der Schlacht am Boynefluß in Irland Jakob II. 1690 vernichtend schlagen und damit dessen RückkehrAnstrengungen endgültig zunichte machen konnte, und obgleich die vereinigte holländisch-englische Seemacht 1692 bei La Hogue die französische Flotte schwer zu treffen und damit die Grundlagen für Englands Herrschaft auf dem Meere und in Übersee zu legen vermochte — was die Verhältnisse in Mitteleuropa nicht fühlbar beeinflußte —, erwiesen sich die Verbündeten zu schwach zum aggressiven Vorgehen gegen Ludwig. Der Krieg zog sich jahrelang ohne Entscheidung hin, wobei 1693 Heidelberg völlig zerstört und Schwaben schwer verwüstet wurde. Des Kaisers Hauptinteressen lagen nun schon hauptsächlich im Osten, wo er die Masse seiner Truppen festhielt. Wilhelm von Oranien war ganz zufrieden, wenn er trotz mancher Niederlagen durch französische Marschälle (Fleurus 1690, Steenkerke 1692, Neerwinden 1693) die Niederlande in seiner H a n d behalten konnte. Und die deutschen Stände am Oberrhein glaubten gleichfalls, mit der Befreiung ihres Gebietes und dessen Behauptung das äußerste zu vollbringen, zumal ein Vorstoß der Franzosen im Jahre 1692 ihnen die Gefährlichkeit dieses Gegners bewies, der nicht bereit war, in der Defensive zu verharren und die Initiative ein für allemal aus der Hand zu geben. So beschränkte Markgraf Ludwig T r e u e , Deutsthe Gesdudite

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von Baden, der Türkenlouis, sich darauf, mit den Truppen des fränkischen und des schwäbischen Kreises die Rheinlinie gegenüber den Franzosen zu halten, was nicht zuletzt gelang, weil Ludwig die besten Förderer und Träger seiner Politik durch den T o d verloren hatte: 1683 Colbert, der stets für Geld gesorgt hatte, 1691 Louvois, der die Feldzüge organisiert hatte, 1694 Turenne und Conde, die wie kein anderer für Ludwig gesiegt hatten, und den ihnen schon nicht mehr ebenbürtigen Marschall Luxemburg; übrig blieb von den bedeutenden einzig Catinat. Immerhin erlahmte der Krieg unter diesen Umständen von beiden Seiten her, und sein Ausgang hing weniger von Siegen und Niederlagen ab als von der Frage, ob die Koalition gegen Ludwig X I V . fest genug gefügt und ausreichend einig war, um auch in Jahren geringerer unmittelbarer Gefahr nicht auseinanderzufallen. Sie war es nicht. 1696 fiel der Herzog von Savoyen von ihr ab, wofür Ludwig ihm Pinerolo und Casale, die letzten französischen Besitzungen in Italien, überließ und arrangierte, daß sein ältester Enkel, der älteste Sohn des Dauphins — also der vermutliche Thronfolger — mit der Tochter des Herzogs vermählt wurde. Sogar auf Mailand wurden ihm — im Tausch gegen Savoyen — Hoffnungen gemacht. Dieser Abfall eines militärisch wenig bedeutenden Koalitionspartners (ohne den immerhin in Italien nicht Krieg geführt werden konnte) zeigte den anderen die Schwäche ihres Bundes und veranlaßte sie zu Zurückhaltung und Tatenlosigkeit, so daß Schwedens Yermittlungsbemühungen allgemein begrüßt wurden, die zum Friedenskongreß im holländischen Schloß Ryswick führten. Sein Verlauf wurde folgerichtig auch nicht mehr von einem Koalitionsziel, sondern von einer Gruppe von Sonderinteressen bestimmt, die Ludwig wie immer höchst geschickt ausnutzte und gegeneinander ausspielte: in erster Linie von Wilhelms I I I . Verlangen nach der Anerkennung seiner Königswürde in Verbindung mit der Aufgabe der Stuarts sowie von Spaniens Wunsch nach Zurückerstattung der Reunionsverluste in den spanischen Niederlanden. Dem Reich bot Ludwig X I V .

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unter vorläufiger Aufgabe der in Nymwegen fast errungenen Vorherrschaft in Europa Verzicht auf die außerelsässischen Reunionen und Rückgabe von entweder Straßburg oder Freiburg und Breisach. Die Verhandlungen über die Forderung der Reichsvertreter, den Zustand von 1648 wiederherzustellen und f ü r die Verwüstungen in der Pfalz Entschädigungen zu zahlen, kosteten viel Zeit, während der Ludwig sich mit Wilhelm III. und Spanien arrangierte, so daß er freie H a n d gegenüber dem nun isolierten Kaiser und dem Reich erhielt. Auch erwies sich, daß der Kaiser — wie die katholischen Reichsstände — mehr als an der evangelischen Reichsstadt Straßburg an den Städten Freiburg und Breisach interessiert war, die zum habsburgischen Hausbesitz gehörten. Als Ludwigs H a l t u n g sich zunehmend versteifte und er das Alternativangebot zurückzog, so daß Straßburg mit Gewalt hätte genommen werden müssen, wozu niemand bereit war, kam es am 30. 10. 1697 zum Frieden von Ryswick zwischen Frankreich und dem Reich auf der von Ludwig gebotenen eingeengten Grundlage: Frankreich verzichtete auf die Reunionen außerhalb des Elsaß, gab Breisach und Freiburg an den Kaiser, Kehl und Philippsburg an das Reich heraus, verpflichtete sich zur Schleifung seiner rechtsrheinischen Befestigungen und ließ den Anspruch auf die Besetzung des Erzbistums Köln mit einem französischen Kandidaten fallen. Auch Lothringen wurde seinem rechtmäßigen Besitzer wieder zurückgegeben. Ausdrücklich wurde in der sogenannten Ryswicker Klausel bestimmt, daß der religiöse Zustand in allen von Frankreich aufgegebenen Gebieten unverändert bleiben sollte — was Johann Philipp von der Pfalz entgegen den Bestimmungen des Westfälischen Friedens und gegen einen nicht wirklich ernst gemeinten Einspruch der protestantischen Reichsstände freie H a n d f ü r seine Katholisierungspolitik gewährte und die Mehrzahl der protestantischen Reichsstände an der Unterzeichnung des Friedensvertrages hinderte — ohne daß dies von Bedeutung gewesen wäre. So blieb es dabei, daß Deutschland das Elsaß verloren hatte. Auf der anderen Seite hatte das Reich sich zum ersten 6*

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Male gegenüber Ludwig behauptet und diesen — mit seinen Bundesgenossen — zur Rückgabe von Eroberungen und zur Räumung des rechten und wesentlicher Gebiete des linken Rheinufers gezwungen. Ludwig faßte die in Aussicht stehende Friedenzeit als eine Atempause vor neuen Kämpfen um das spanische Erbe auf. In Deutschland freute man sich über die Beendigung des Krieges, der ein Doppelkrieg in West und Ost gewesen war. 11. Der türkische Krieg und die polnische Thronfolge Denn auch im Osten war gleichzeitig gekämpft worden. Die Niederlage der Türken und ihr Rückzug in den Jahren 1687 und 1688 war den Ungarn so endgültig erschienen, daß sie die Habsburger als Erbdynastie anerkannt hatten, und den Türken so schmählich, daß eine Palastrevolution den unfähigen und entarteten Sultan Mohammed IV. gestürzt und dessen Bruder Suleiman auf den Thron erhoben hatte. Doch waren Sieg oder Niederlage der Türken nicht mehr allein eine Frage der Herrscherpersönlichkeit. Der noch immer mittelalterlich-asiatisch organisierte Staat der Türkei als solcher war nun dem modernen, absolutistischmerkantilistischen europäischen Machtstaat grundsätzlich unterlegen, da dieser imstande war, zentralisiert mehr Truppen, mehr Geld, kurz, mehr „Macht" einzusetzen. Infolgedessen verhinderte der Thronwechsel nicht das Vorrücken der christlichen Truppen und die Einnahme Belgrads durch den Markgrafen von Baden, sondern der Krieg am Rhein gestattete den Türken die Rückeroberung von Nisch und Belgrad im Jahre 1690 und dieBefreiung der belagerten Städte Temesvar und Großwardein. Die Türken waren grundsätzlich den europäischen Mächten unterlegen und blieben es trotz gewisser militärischer Reformversuche durch französische Offiziere — um so mehr, als sie sich nach allen Seiten zu verteidigen hatten: gegen die Österreicher mit deren Verbündeten, gegen Venedig, das bis auf die Balkanhalbinsel vordrang, Morea und Athen eroberte — bei dessen Belagerung das Parthenon durch eine Pulverexplo-

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sion zerstört wurde —, gegen Polen und schließlich selbst gegen Rußland. Die Entscheidung lag dort, wo früher die Expansionspitze der Türkei gedroht hatte und nun infolgedessen die stärkste und entschlossenste Abwehr aufgeboten wurde: an der Donau. Dort errang am 19. 8. 1691 bei Slankamen an der Mündung der Theiß in die Donau der fortan Türkenlouis genannte Markgraf von Baden einen großen Sieg über die türkische Hauptarmee mit ihrem stark ausgebauten Lager, die damit für längere Zeit gänzlich in die Verteidigung gedrängt wurde. Eine endgültige Entscheidung und die Verdrängung der Türkei aus dem Abendland war jedoch nicht möglich, da der Türkenlouis seit dem Winter 1692/93 als Oberbefehlshaber seine Heimat und Deutschland überhaupt gegen Ludwig XIV. verteidigen mußte und die kaiserlichen Truppen aus dem gleichen Grunde im Osten nicht voll konzentriert werden konnten. Nicht einmal Temesvar konnte der ehrgeizige, aber militärisch unfähige Kurfürst August von Sachsen als Oberbefehlshaber aller dort zusammengezogenen Truppen den Türken wieder entreißen. In dieser Lage kam der Neuwahl eines polnischen Königs nach dem Tode Johann Sobieskis im Jahre 1696 erhöhte Bedeutung zu. Da die polnischen Parteien seit langem unfähig waren, selber die polnischen Angelegenheiten zu regeln, waren diese in die Auseinandersetzung der europäischen Großmächte geraten. Angesichts der Schwächung des alten türkischen Partners gegenüber Mitteleuropa erhielt Polen für Frankreich ein umso stärkeres Gewicht: der französische Prinz Conti war Ludwigs XIV. Thronkandidat, der schon mit französischen Schiffen vor Danzig erschien und zweifellos den Kampf gegen die Türkei eher behindert als gefördert hätte. Weitere, aber fast allein durch ihre Siege empfohlene Anwärter waren Max Emanuel von Bayern und Ludwig Wilhelm von Baden; sie verfügten über wenig mehr als über ihren militärischen Ruhm. Und auch der vom Kaiser bevorzugte und mit ihm verschwägerte Prinz Jakob Sobieski kam nicht zum Zuge. Weit aussichtsreicher war die Kandidatur Friedrich Augusts von Sachsen, der um

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des polnischen Thrones willen ohne Zögern f ü r seine Person (nicht aber f ü r das lutherische Kursachsen, so daß er im Reich den Vorsitz des Corpus Evangelicorum behielt) zur katholischen Kirche übertrat, mit dem Geld, welches er f ü r die Abtretung von Lauenburg und Quedlinburg erhalten hatte, in Polen f ü r sich Stimmen k a u f t e und außerdem als einziger aller Bewerber über eigene T r u p p e n verfügte, die also auch Polen und der Front gegen die Türken zugute kommen mochten. So wurde er 1697 zum polnischen König gewählt. Die zwei Generationen dauernde Verbindung Sachsens mit Polen hatte große kulturelle Leistungen zur Folge und trug nicht unbeachtlich zum deutsch-slawischen Bluts- und Geistesaustausch bei. Auch wurde hier die schon im Gange befindliche Schwerpunktsverlagerung des deutschen politischen Interesses nach Osten hin fortgesetzt, die durch den Frieden von Carlowitz und die Politik der Hohenzollern weitere Akzente und Antriebe erhielt. Am 11. September 1697 erfocht Prinz Eugen von Savoyen seinen ersten großen Sieg über die T ü r k e n bei Zenta an der Theiß. Der Großvesir selbst f a n d den T o d im Kampfe. Eugen drang bis Sarajewo vor und empfahl die Wegnahme von Belgrad und Temesvar. U n d obschon d'ie Aussicht auf völlige Unterwerfung der T ü r k e n nun und nach dem inzwischen im Westen abgeschlossenen Frieden besser denn je war, zeigte das durch die Kriegsjahre finanziell arg mitgenommene Österreich sich auch im Osten zu Friedensverhandlungen bereit, da es seine Militär- und Finanzmacht sich erholen lassen und beides f ü r die demnächst zu erwartende Auseinandersetzung um das spanische Erbe einsatzfähig und zur Verfügung haben wollte. Die Türken andererseits waren infolge innerer Schwäche wie militärischer Niederlagen bereit, die Gebietsverluste der letzten Jahre als endgültige Einbußen hinzunehmen und anzuerkennen. U n d schließlich interessierten sich auch die durch Personalunion verbundenen Seemächte England und Holland f ü r den baldigen Abschluß des Friedens, da der venetianisch-türkische Teil des Krieges im Osten ihren H a n d e l erheblich beeinträchtigte und sie, ohne Rücksicht

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auf die Besitzverteilung im einzelnen, Frieden für ihre Kaufleute und Reeder wünschten. So kam es am 2 6 . 1 . 1 6 9 9 zum Frieden von Carlowitz, der Österreich ganz Ungarn und Siebenbürgen mit Ausnahme des Banats von Temesvar überließ, den Venetianern Morea und die dalmatinischen Seefestungen, den Polen Podolien und den Russen Asow. "Wichtiger als diese territorialen Herrschafts Wechsel im einzelnen war die vollkommene Umkehr der Machtverhältnisse im Osten. An der Stelle der Bedrohung des Abendlandes mit seinem Christentum und seiner Kultur durch die Türken mit ihrer Religion und Kultur stand fortan die orientalische Frage, d. h. der Versuch der Türkei, einen ständig kleiner werdenden Restbestand alter territorialer Größe als Grundlage staatlicher Macht und religiöser Expansion vor den Zugriffen europäischer Staaten zu bewahren, die nach Gebiet und Wirtschaftseinfluß, Beherrschung der Meerengen und Schutz für Mittelmeerpositionen verlangten. Österreich aber hatte innerhalb von 15 Jahren, in harten, durch die Kriege im Westen fast ständig erschwerten Kämpfen vom Kahlenberg bis Zenta vorrückend, mit Hilfe aller deutschen Stämme, Fürsten und Konfessionen den türkischen Krieg siegreich beendet und damit Frankreichs Möglichkeit, türkische Angriffe mit den eigenen gegen Habsburg und Deutschland zu koordinieren, sehr verringert; es hatte zwischen Wien und dem Islam einen breiten, eindeutig beherrschten Raum hergestellt, der fast bis Belgrad reichte, und die österreichische Hausmacht durch ungarischen Besitz erheblich gestärkt und erweitert. Im Kampf gegen Franzosen und Osmanen war die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie begründet worden, eine Großmacht von eigenem Gesicht, eigener Staatlichkeit und eigener Kultur. Das bedeutete freilich auch alles in allem gegenüber früheren Zeiten eine noch stärkere Verlagerung der politischen Interessen, der Wirtschaftsformen und der kulturell-völkischen Entwicklung aus Westeuropa und selbst aus dem Reich hinaus zu einem Dasein ganz eigener Prägung.

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Zugleich aber meldete sich schon gegen Ende des großen Türkenkrieges den orthodoxen Balkanslawen gegenüber Moskau als Erbe des Dritten Rom an. Zar Peter reiste, seine große Tour d'Europe umleitend, von Holland nach Wien, um dort seine Auffassung über den Frieden von Carlowitz zur Kenntnis zu bringen, und weiter zu August dem Starken als seinem polnisch-sächsischen Nachbarn zur Verständigung über die gemeinsamen Probleme in Ost- und Südosteuropa. Dann erst holte er zum ersten Schlage im baltischen Raum aus. 12. Die preußische Königskrone Die Zeit nach 1688 war dem Aufstieg des von Friedrich Wilhelm, dem Großen Kurfürsten von Brandenburg, geschaffenen Staates entschieden günstig. Zwar: auf eine eigene groß angelegte See- und Überseepolitik hätte das Kurfürstentum ohne direkten Zugang zu den Weltmeeren auch dann verzichten müssen, wenn Friedrich Wilhelms Sohn und Nachfolger, dem Kurfürsten Friedrich, der Sinn danach gestanden hätte. Im übrigen aber schufen der englisch-holländische Zusammenschluß und die große Koalition gegen Ludwig XIV. mit ihren politischen Auswirkungen bis hin zum Frieden von Utrecht ein politisches Gleichgewicht, das sich entschieden auch zu Brandenburgs Gunsten auswirkte. Im Norden verlor in diesem Prozeß und infolge innerer Entwicklungen Schweden, das seit der Hilfeleistung im 30 jährigen Kriege schwer auf Brandenburg gedrückt hatte, seine Vormachtstellung. Ein russisch-polnischer Druck machte sich noch nicht bemerkbar. Und Österreichs Interessen richteten sich nicht gegen Brandenburg nach Norden, sondern nach Südosten und Westen, wo die Habsburger militärisch wie finanziell voll engagiert waren. So entwickelte sich die Lage für Brandenburg vorteilhaft genug. Aber Kurfürst Friedrich war weniger stark außenpolitisch interessiert, weniger intensiv auf Machtsteigerung durch Expansion aus als vielmehr bestrebt, das Erreichte zu konsolidieren, zusammenzufassen zu einer Einheit und

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sein Ansehen, seine eigene Bedeutung wie die des Staates nicht durch Kriegszüge oder Koalitionen, durch Subventionen und.schnellen Seitenwechsel zu steigern, sondern durch die Gewinnung der Königskrone, d. h. durch den Aufstieg in eine höhere Stufe der Fürstlichkeit wie der Staatlichkeit. So zog er in mancher Hinsicht die letzte Konsequenz aus dem durch seinen Vater Erreichten und schuf zugleich für seinen Nachfolger eine Ausgangsstellung, die ihm selbst der Große Kurfürst nicht hatte hinterlassen können. Friedrich III. begann seine Regierung mit einem aus zentralistisch-staatlichem Denken stammenden Protest gegen Friedrich Wilhelms Testament von 1686, das aus patriarchalischem Herrscherempfinden und Liebe zu den Kindern aus zweiter Ehe eine weitgehende Wiederauflösung des Geschaffenen durch Erbteilung vorsah. Im Interesse der Einheit des Staates, nicht zuletzt aber auch um seiner eigenen Stellung und Ziele willen fand Friedrich III. seine Stiefbrüder mit Geld ab: die Staatsraison siegte über die private Pietät, die Grundsätze des Erstgeburtsrechtes und der Unteilbarkeit des Staates wurden fixiert. Die Energie und den weiten Gesichtskreis des Vaters sucht man in Friedrichs Politik vergeblich. Sie folgte zwar den vorgezeichneten Bahnen, soweit das ohne schwerwiegende eigene Entscheidungen des Kurfürsten möglich war. Im übrigen jedoch war er von dem Glanz und Prunk des barocken Königstums in Frankreich, aber auch in Österreich und England weit stärker beeindruckt und zur Nachahmung herausgefordert als sein Vater, der seine Finanzmittel in erster Linie auf die Politik, d. h. auf die Erhaltung und Steigerung militärischer Macht und Unabhängigkeit in einem Europa gerichtet hatte, in welchem er reichen Anschauungsunterricht über die Folgen militärischer Macht und Ohnmacht erhielt. Die Führung der Staatsgeschäfte überließ Friedrich zuerst Eberhard von Danckelmann und dann — nach einem fünf Jahre dauernden, nicht sehr glücklichen Versuch der Selbstherrschaft — Kolbe von Wartenberg, seinem Premierminister. Danckelmann, eine starke Persönlichkeit aus dem

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gehobenen westfälischen reformierten Bürgertum, stammte aus der Schule Friedrich Wilhelms, in dessen Dienst auch alle seine sechs Brüder zu bedeutenden Stellungen a u f stiegen, und führte die Politik im Sinne des Großen K u r fürsten. Bei Friedrichs Thronbesteigung wurde er Geheimer Rat, im Jahre 1695 Oberpräsident des Geheimen Rates. Unter seiner Leitung deckte und unterstützte Brandenburg 1688 Wilhelms I I I . Unternehmen gegen England und schloß sich 1689 der großen Allianz gegen Ludwig X I V . an, bei der die Brandenburger sich insbesondere in der Belagerung von Bonn auszeichneten, das am 13. 10. 1689 von ihnen genommen wurde. Aber noch war Brandenburg eine „Auxiliarmacht", deren Entschädigungsanspruch im Friedensschluß von Ryswick übergangen und deren Gesandter in verletzender Weise zurückgesetzt wurde. Bald danach wurde Danckelmann gestürzt, dessen Sparsamkeit und starker Einfluß auf den Kurfürsten und dessen Betonung der Staatsraison auf seine nüchterne Art des Machtdenkens das Mißfallen der Kurfürstin Sophie Charlotte erregte. Sie f a n d Unterstützung beim brandenburgischen Adel, der sich ähnlich gegen den bürgerlichen Emporkömmling wandte, wie — in weit größeren Verhältnissen — der französische Colbert ständig in Schwierigkeiten versetzt hatte, sowie bei Unzufriedenen, Schmeichlern und Projektemachern. U n d in der T a t war das „Siebengestirn" der Brüder Danckelmann in hohen und einflußreichen Staatsstellungen geeignet, Neid, Mißgunst und Intrigen wachzurufen. Es kam hinzu, daß Friedrich mit zunehmendem Alter immer stärker nach Selbstherrschaft strebte. Danckelmanns Entlassung am 4. 12. 1697 schlössen sich Verweigerung der Abschiedsaudienz, Verbannung, Verhaftung, jahrelanger Prozeß und schließlich gesetzwidrig vom Kurfürsten selbst über den als unschuldig Erkannten verhängte Vermögenseinziehung und Inhaftierung bis 1707 an. Erst Friedrich Wilhelm I. hat den — in jener Zeit noch nicht ganz seltenen — Willkürakt eines absoluten Fürsten im wesentlichen gesühnt.

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Für Brandenburgs innenpolitische Entwicklung bedeutete Danckelmanns Ausscheiden einen verhängnisvollen Einschnitt. An die Stelle fester, geradliniger Leitung der Geschäfte traten höfische Intrige und Planlosigkeit. Die Sicherheit der Finanzen, die durch vorzügliche Führung der Domänenverwaltung geschaffen worden war, ging durch unheilvolle Verwirrung gerade auf diesem Gebiet schnell wieder verloren •— und damit ein wesentlicher Teil der Staatsgrundlage. Mittelpunkt von Friedrichs Denken und Planen war — zunächst noch von Danckelmann mit wirtschaftlichen und politischen Argumenten kontrolliert und hinausgezögert — sein Plan zur Erwerbung der Königskrone. Nach dem unbefriedigenden Ausgang der Verhandlungen in Ryswick und nach Danckelmanns Sturz stand er bei Friedrich im Vordergrund als „der bezeichnende Ausdruck seiner politischen Gesamtbestrebungen, die auf eine wirksame Darstellung der brandenburgischen Macht vor aller Welt gerichtet waren" (Hintze). Friedrich der Große hat nicht ohne Berechtigung vermerkt, sein Großvater habe ohne königliche Macht nach königlicher Würde gestrebt. Friedrich hätte dies Argument anerkannt — wie er sich denn ja auch die Krone vom Kaiser einhandeln mußte —, aber hinzugefügt, daß die W ü r d e ihm einen Teil jener Macht verleihen und zuführen sollte: zwei sehr verschiedene Denkformen, die eine vertreten durch den Großen Kurfürsten und Friedrich d. Gr., die andere durch Friedrich III., drückten sich in dieser H a l t u n g aus. Friedrichs Trachten reichte von vornherein über ein brandenburgisches Lehnskönigtum hinaus. Er wollte als König von Preußen ein vollkommen unabhängiger europäischer Souverän sein, der einer Übertragung der Krone durch den Kaiser nicht bedurfte, sondern allein die Zustimmung dieses der Tradition zufolge höchsten Fürsten der Christenheit wünschte. Das Unnatürliche dieses Planes lag darin, daß nicht das starke und leistungsfähige, politisch verschiedentlich bedeutungsvoll hervorgetretene Brandenburg die territoriale Grundlage der Rangerhöhung bilden sollte, sondern

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das periphere Herzogtum, das in der neueren Geschichte bisher keine Rolle gespielt hatte und weder über militärische noch über wirtschaftliche Macht verfügte, sondern nur zufällig ein souveränes Staatsgebilde war. Die Verhandlungen mit dem Kaiser über die Königskrone begannen 1690. Sie wurden in die Länge gezogen, weil Friedrich als Kurfürst bis 1695 zögerte, die Abtretung des protestantischen Schwiebus zu vollziehen, die er als Kurprinz Österreich schriftlich versprochen hatte. Er erhielt dafür die Bestätigung der Anwartschaft auf Ostfriesland, die in Friedrichs d. Gr. Zeit realisiert wurde, und die Anerkennung als Herzog in Preußen, aber keinerlei Ermutigung in Richtung auf die Königskrone. Der unbefriedigende Ausgang in Ryswick führte 1697 zu einem vorübergehenden Abbruch der Beziehungen zum Kaiser, die erst sehr langsam wieder aufgenommen wurden, zumal der Kaiser Bedenken hatte gegen einen „neuen Wandalenkönig an der Ostsee" und gegen die Rangerhöhung eines Protestanten. Noch im Jahre 1700 hofften die Jesuiten, gegen Gewährung päpstlicher Hilfe für Friedrichs Bestrebungen die Königskrönung mit einer formell verschleierten Katholisierung des brandenburgischen Herrscherhauses verbinden zu können — im Sinne der Wiedervereinigung der Konfessionen, auf die auch Leibniz hinarbeitete. Die Kurie selbst war an solchen Gedankengängen nicht beteiligt. Den Ausschlag gaben schließlich politische Überlegungen — der Kaiser erkannte die Bedeutung der brandenburgischen Militärmacht in dem bevorstehenden spanischen Erbfolgekrieg, d. h. .die Hauptschöpfung des Großen Kurfürsten bildete die Grundlage für die kaiserliche Zustimmung zu Friedrichs Krönung. Am 16. 11. 1700 wurde in Wien ein Bündnisvertrag zwischen Kaiser und Kurfürst, die Erneuerung des früheren Bündnisses von 1686 abgeschlossen, kein "Throntraktat" im eigentlichen Sinne. Der Kurfürst stellte Truppen, der Kaiser zahlte Subsidien; der Kurfürst sagte zu, sich für die 1692 vom Kaiser bewilligte hannoversche Kurwürde und für die Wiederzulassung der böhmischen Krone zur vollen Ausübung 4er kurfürst-

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liehen Rechte im Reich einzusetzen sowie bei der künftigen Kaiserwahl f ü r Habsburg zu stimmen, der Kaiser versprach die sofortige Anerkennung der preußischen Königskrone, wenn Friedrich „über kurz oder lang, zu welcher Zeit es ihm gefallen werde, wegen seines Herzogtums Preußen sich vor einen König proklamieren und krönen lassen wird". Eine Verpflichtung des Kurfürsten, die Zustimmung des Kaisers nachzusuchen, wurde ausdrücklich abgelehnt. Zwei Tage nach dem Abschluß dieses Vertrages in Wien erfuhr man dort, daß König Karl II. von Spanien am 1. 11. 1700 gestorben war. Der Vertrag, der Österreich brandenburgische W a f f e n h i l f e f ü r den nun dicht bevorstehenden Konflikt sicherte, war f ü r den Kaiser im letzten Augenblick geschlossen worden — drei Tage später hätte Friedrich vermutlich bessere Bedingungen erreichen können. Dieser beeilte sich nun, noch vor der großen Auseinandersetzung die längst ersehnte Krönung zum König im Frieden zu vollziehen. Am 18. 1. 1701 — am Vortage w a r der Orden vom Schwarzen Adler im Anschluß an den einst vom Kaiser verliehenen Reichsadler im Wappenschild der Hochmeister gestiftet worden — f a n d der große A k t in Königsberg mit barockem Prunk statt. K u r f ü r s t Friedrich I I I . setzte selbst sich und seiner Gemahlin im Schlosse die Königskrone aufs H a u p t — gekrönt betrat dann der König, in Preußen (Polen, das den westlichen Teil des alten Ordenslandes beherrschte, hatte gegen den Titel „König von Preußen" Einspruch erhoben) mit seiner Gemahlin die Kirche, und beide empfingen dort die Salbung. „Die U n abhängigkeit der weltlichen Gewalt von der geistlichen wurde dadurch nachdrücklich zur Geltung gebracht" (Hintze). Papst Clemens X I . wurde die Krönung nicht angezeigt; er erhob bei den katholischen H ö f e n Einspruch, und der päpstliche Staatskalender bezeichnete bis 1787 die preußischen Könige als Markgrafen von Brandenburg, weil die katholische Kirche diesen auch die K u r w ü r d e nicht zuerkannt hatte. D a August von Sachsens polnische Königswürde auf dem durchaus außerdeutschen Teil im Rahmen

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einer Personalunion beruhte, Friedrich aber als König auf deutschem Kolonialboden stand, der mit seinen Kurländern immer stärker zusammenwuchs, so konnte er sich von nun an seinem Range nach als erster deutscher Fürst nächst dem Kaiser betrachten. Die mit der Krönung verbundenen Kosten waren sehr hoch und bildeten f ü r das noch immer nicht reiche Land eine schwere Last. Aber Friedrich hatte — von seinem persönlichen Ehrgeiz abgesehen — politisch auch insofern richtig gehandelt, als Georg Ludwig, der älteste Sohn der später „Mutter der Könige" genannten Kurfürstin Sophie, in H a n n o v e r eben die K u r w ü r d e erhalten hatte und die bald verwirklichte Aussicht auf den englischen T h r o n besaß: Am 12. 6. 1701 nahm das englische Parlament die Act of Settlement an, welche die protestantische Erbfolge in England sicherstellte und auf Grund derer Sophies, einer Enkelin Jakobs I., Erbrecht das H a u s H a n n o v e r f ü r den englischen T h r o n bestimmte. U n d August von Sachsen bemühte sich eifrig, die polnische Wahlkrone seinem Hause erblich zu sichern. Inmitten solcher Standeserhöhungen und Prestigesteigerungen konnte der mit Ernst Augusts und Sophies von H a n n o v e r Tochter Sophie Charlotte vermählte ehrgeizige K u r f ü r s t von Brandenburg sich nur anschließen oder zurückbleiben, d. h. in gewisser "Weise auf das von Friedrich Wilhelm errungene Ansehen verzichten. Mit dessen Steigerung nach außen wurde im übrigen auch die innere Einheit gefördert. 13. Deutschland und der Spanische Erbfolgekrieg Seit Jahrzehnten hatte bereits das Problem der spanischen Erbfolge die politischen Ereignisse — Handlungen wie Unterlassungen im Westen wie im Osten — vom H i n t e r grunde her bestimmt. Die im Zusammenhang mit ihr zu erwartenden Auseinandersetzungen zwischen Habsburg und Bourbon mit ihren Verbündeten mußten das Machtverhältnis f ü r die kommenden Zeiten entscheidend beeinflussen — um so mehr, je deutlicher sich zeigte, daß Lud-

Deutschland u n d der Spanische Erbfolgekrieg

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wig X I V . fest entschlossen war, jede Gelegenheit f ü r einen Aufstieg Frankreichs zur Hegemonie in Europa nicht nur zu ergreifen, sondern mit größtem diplomatischen Geschick und vollendeter Skrupellosigkeit in bezug auf Recht und historische Entwicklung vorzubereiten und bis zum letzten konstruierte scheinbare Rechtsansprüche geltend zu machen und zu vertreten. So bedeutete es wenig, daß Habsburg infolge der zahlreichen Eheverbindungen zwischen den beiden Linien des Hauses mit der stets wiederholten Anerkennung der gegenseitigen Erbansprüche juristisch bessere Aussichten auf das Erbe hatte als die Bourbonen, deren Gemahlinnen als spanische Infantinnen ausdrücklich auf das Recht der Erbfolge hatten verzichten müssen. Ludwig X I V . war nicht bereit, auf Grund dieser klaren Rechtsverhältnisse das spanische Erbe den österreichischen Habsburgern zu überlassen. Sein H a u p t a r g u m e n t war, daß der Verzicht seiner Gemahlin Maria Theresia unwirksam geworden sei, da die ihr im Pyrenäenfrieden' zugesagte Mitgift nicht ausgezahlt worden war. Längst aber war klar, daß nicht Rechtsfragen und -entscheidungen, sondern allein der Einsatz militärischer und diplomatischer Macht die Entscheidung in dieser Frage bringen würde. Kaiser Leopold I. sah ein und wußte, daß Ludwig X I V . alles tun mußte und tun würde, um die Entstehung eines zweiten Reiches von der Ausdehnung und Machtfülle des jungen Karls V. zu verhindern. Er hatte im Teilungsvertrag vom Januar 1668, Lisolas R a t entgegen, den Gedanken der Unteilbarkeit des spanischen Erbes in der Erwartung aufgegeben, dadurch wenigstens den Hauptteil der österreichischen Linie zu sichern. Ludwig X I V . hatte in der Folgezeit keine Bereitschaft gezeigt, diese H o f f n u n g zu erfüllen, sondern die Entschlossenheit, Frankreich um jeden Preis zu vergrößern. Andererseits waren Habsburgs K ä m p f e im Osten schließlich von Erfolg gekrönt worden und hatten einen Machtzuwachs gebracht, der die Geneigtheit zur Verständigung unter O p f e r n immer geringer werden ließ. Nach dem Frieden von Carlowitz beanspruchte der Kaiser wieder

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