Deutsche Berichte aus dem Osten: Dokumente der Einsatzgruppen in der Sowjetunion Band 3 9783534264636, 9783534739721, 9783534739738, 3534264630

Die fast täglich im Reichssicherheitshauptamt zusammengestellten Berichte der "Ereignismeldungen UdSSR" des Ja

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German Pages 892 [894] Year 2014

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Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Die »Ereignismeldungen UdSSR« 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 2. Januar 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 5. Jan. 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 7. Januar 1941
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 9. Januar 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 12. Januar 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 14. Januar 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 16. Januar 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 19. Januar 1942
[Ereignismeldung UdSSR Nr. 158 ist die einzige Nummer dieser Berichtsserie, die nirgendwo überliefert ist]
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 23. Jan. 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 26. Januar 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 28. Januar 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 30. Januar 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 2. Februar 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei u.d. SD: Berlin, den 4. Februar 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei u.d. SD: Berlin, den 6. Februar 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei u.d. SD: Berlin, den 9. Februar 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 11. Februar 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 13. Februar 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 16. Februar 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 18. Februar 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 20. Februar 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 23.2.1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 25. Febr. 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 27.II.1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 2. März 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 4. März 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 6. März 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 9. März 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 11. März 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 13. März 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 16. März 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 18. März 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 20. März 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 23. März 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 25. März 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 27. März 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei u.d. SD: Berlin, den 30. März 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und d. SD: Berlin, den 1. April 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 3. April 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 8. April 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 10. April 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei u.d. SD: Berlin, den 14. April 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 17. April 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 21. April 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 24. April 1942
Die »Meldungen aus den besetzten Ostgebieten« 1942/43
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 1. Mai 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 8. Mai 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 15. Mai 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 22. Mai 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 29. Mai 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 5. Juni 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 12.VI.1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 19. Juni 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 26. Juni 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 3. Juli 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 10. Juli 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 17. Juli 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 24. Juli 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 31. Juli 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 7.8.1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 14.VIII.42
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 20.VIII.1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 28.VIII.1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 4.IX.1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 11.IX.1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 18.IX.1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 25. Sept. 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 2. Oktober 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 9. Oktober 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 16. Oktober 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 23. Oktober 1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 30.X.1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 6.XI.1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SDßeß(ß323ß): Berlin, den 13.XI.1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 20.XI.1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 27.11.42
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 4.XII.1942
Der Chef der Einsatzgruppen und des SD: Berlin, den 11.XII.1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 18.XII.1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 23.XII.1942
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 8. Januar 1943
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 15. Jan. 1943
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 22. Januar 1943
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 29. Januar 1943
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 5. Februar 1943
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 12. Februar 1943
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 19.II.1943
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 26.II.1943
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 5. März 1943
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 12. März 1943
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 19. März 1943
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 26. März 1943
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 2. April 1943
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 9. April 1943
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 16.IV.1943
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 23. April 1943
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 30. April 1943
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 7. Mai 1943
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 14.V.1943
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD: Berlin, den 21. Mai 1943
Karten
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Personenregister
Ortsregister
Photonachweis Band III
Die Herausgeber
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Deutsche Berichte aus dem Osten: Dokumente der Einsatzgruppen in der Sowjetunion Band 3
 9783534264636, 9783534739721, 9783534739738, 3534264630

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Klaus-Michael Mallmann/Jürgen Matthäus/ Martin Cüppers /Andrej Angrick (Hrsg.)

Deutsche Berichte aus dem Osten 1942/1943 Dokumente der Einsatzgruppen in der Sowjetunion

Klaus-Michael Mallmann/Jürgen Matthäus/ Martin Cüppers/Andrej Angrick (Hrsg.)

Deutsche Berichte aus dem Osten 1942–1943

Veröffentlichungen der Forschungsstelle Ludwigsburg der Universität Stuttgart, Bd. 26 Herausgegeben von Martin Cüppers und Klaus-Michael Mallmann

Die Veröffentlichung wurde ermöglicht durch die Unterstützung der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur sowie des Curt C. und Else Silberman Fund am Jack, Joseph and Morton Mandel Center for Advanced Holocaust Studies, United States Holocaust Memorial Museum Washington D.C.

Klaus-Michael Mallmann/Jürgen Matthäus/ Martin Cüppers/Andrej Angrick (Hrsg.)

Deutsche Berichte aus dem Osten 1942–1943 Dokumente der Einsatzgruppen in der Sowjetunion III

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme.

© 2014 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Covergestaltung: Peter Lohse, Heppenheim Coverbild: Judenerschießung in Kraigonev, USHMM, W/S 89063 Satz: SatzWeise GmbH, Trier Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-26463-6 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-73972-1 eBook (epub): 978-3-534-73973-8

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die „Ereignismeldungen UdSSR“ 1942: EM 150 v. 2. 1. 1942 . . . . . . . . . . . EM 151 v. 5. 1. 1942 . . . . . . . . . . . EM 152 v. 7. 1.1942 . . . . . . . . . . . EM 153 v. 9. 1. 1942 . . . . . . . . . . . EM 154 v. 12. 1. 1942 . . . . . . . . . . EM 155 v. 14. 1. 1942 . . . . . . . . . . EM 156 v. 16. 1. 1942 . . . . . . . . . . EM 157 v. 19. 1. 1942 . . . . . . . . . . EM 158 nicht überliefert . . . . . . . . EM 159 v. 23. 1. 1942 . . . . . . . . . . EM 160 v. 26. 1. 1942 . . . . . . . . . . EM 161 v. 28. 1. 1942 . . . . . . . . . . EM 162 v. 30. 1. 1942 . . . . . . . . . . EM 163 v. 2. 2. 1942 . . . . . . . . . . . EM 164 v. 4. 2. 1942 . . . . . . . . . . . EM 165 v. 6. 2. 1942 . . . . . . . . . . . EM 166 v. 9. 2. 1942 . . . . . . . . . . . EM 167 v. 11. 2. 1942 . . . . . . . . . . EM 168 v. 13. 2. 1942 . . . . . . . . . . EM 169 v. 16. 2. 1942 . . . . . . . . . . EM 170 v. 18. 2. 1942 . . . . . . . . . . EM 171 v. 20. 2. 1942 . . . . . . . . . . EM 172 v. 23. 2. 1942 . . . . . . . . . . EM 173 v. 25. 2. 1942 . . . . . . . . . . EM 174 v. 27. 2. 1942 . . . . . . . . . . EM 175 v. 2. 3. 1942 . . . . . . . . . . . EM 176 v. 4. 3. 1942 . . . . . . . . . . . EM 177 v. 6. 3. 1942 . . . . . . . . . . . EM 178 v. 9. 3. 1942 . . . . . . . . . . . EM 179 v. 11. 3. 1942 . . . . . . . . . . EM 180 v. 13. 3. 1942 . . . . . . . . . . EM 181 v. 16. 3. 1942 . . . . . . . . . . EM 182 v. 18. 3. 1942 . . . . . . . . . . EM 183 v. 20. 3. 1942 . . . . . . . . . . EM 184 v. 23. 3. 1942 . . . . . . . . . . EM 185 v. 25. 3. 1942 . . . . . . . . . . EM 186 v. 27. 3. 1942 . . . . . . . . . .

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Die „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ 1942/43: MbO 1 v. 1. 5. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 2 v. 8. 5. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 3 v. 15. 5. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 4 v. 22. 5. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 5 v. 29. 5. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 6 v. 5. 6. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 7 v. 12. 6. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 8 v. 19. 6. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 9 v. 26. 6. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 10 v. 3. 7. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 11 v. 10. 7.1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 12 v. 17. 7. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 13 v. 24. 7.1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 14 v. 31. 7. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 15 v. 7. 8. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 16 v. 14. 8. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 17 v. 20. 8. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 18 v. 28. 8. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 19 v. 4. 9. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 20 v. 11. 9. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 21 v. 18. 9. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 22 v. 25. 9. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 23 v. 2. 10. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 24 v. 9. 10. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 25 v. 16. 10. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 26 v. 23. 10. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 27 v. 30. 10. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 28 v. 6. 11. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 29 v. 13. 11. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 30 v. 20. 11. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 31 v. 27. 11. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 32 v. 4. 12. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 33 v. 11.12. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 34 v. 18. 12. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 35 v. 23. 12. 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . MbO 36 v. 8. 1. 1943 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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EM 187 v. 30. 3. 1942 EM 188 v. 1. 4. 1942 . EM 189 v. 3. 4. 1942 . EM 190 v. 8. 4. 1942 . EM 191 v. 10. 4. 1942 EM 192 v. 14. 4. 1942 EM 193 v. 17. 4. 1942 EM 194 v. 21. 4. 1942 EM 195 v. 24. 4. 1942

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Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literaturverzeichnis

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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Photonachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Die Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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MbO 37 v. 15. 1. 1943 MbO 38 v. 22. 1. 1943 MbO 39 v. 29. 1. 1943 MbO 40 v. 5. 2. 1943 . MbO 41 v. 12. 2. 1943 MbO 42 v. 19. 2. 1943 MbO 43 v. 26. 2. 1943 MbO 44 v. 5. 3. 1943 . MbO 45 v. 12. 3. 1943 MbO 46 v. 19. 3. 1943 MbO 47 v. 26. 3. 1943 MbO 48 v. 2. 4. 1943 . MbO 49 v. 9. 4. 1943 . MbO 50 v. 16. 4. 1943 MbO 51 v. 23. 4. 1943 MbO 52 v. 30. 4. 1943 MbO 53 v. 7. 5. 1943 . MbO 54 v. 14. 5. 1943 MbO 55 v. 21. 5. 1943 Karten

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Einleitung Der vorliegende dritte Band der Dokumentation zu den Einsatzgruppen in der Sowjetunion bildet den Abschluß der Editionsreihe zur Tätigkeit von Sicherheitspolizei und SD im deutschbesetzten Osten. Nach Band I, der die „Ereignismeldungen UdSSR“ (EM) des Jahres 1941 beinhaltet 1, und den in Band II kompilierten Zusatzdokumenten aus den Jahren 1941 bis 1945 2 umfaßt Band III jetzt die EM aus dem Jahr 1942 sowie die mit geändertem Titel, Erscheinungsturnus und Format darauf unmittelbar folgenden „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ (MbO). Damit deckt dieser dritte Band der Edition den Zeitraum von Anfang Januar 1942 bis Mai 1943 ab, als mit der Nummer 55 die MbO als Berichtsform ersatzlos eingestellt wurden. Die Bände I und III beinhalten nunmehr sämtliche Berichte, die unter den beiden besagten Serientiteln im Reichssicherheitshauptamt (RSHA) in den Jahren 1941 bis 1943 zum Vorgehen von Sicherheitspolizei und SD sowie zur allgemeinen Lageentwicklung in der besetzten Sowjetunion verfaßt wurden. Dieses etwa 4500 Seiten umfassende Quellenkonvolut stellt bis heute den umfassendsten und informativsten Berichtsstrang dar, der für die nationalsozialistische Besatzungspolitik in Osteuropa überliefert ist. Der Zeitraum der im vorliegenden Band abgedruckten Quellen markiert eine wechselvolle und entscheidende Phase des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges. Nachdem Hitlers Konzept eines „Blitzkrieges“ gegen die UdSSR spätestens im Dezember 1941 vor Moskau gescheitert war, bewies die Rote Armee mit ihrer unmittelbar darauf einsetzenden Winteroffensive ihre fortbestehende, auf deutscher Seite allerdings kaum mehr für möglich gehaltene Operationsfähigkeit. Nach dem Abklingen der sowjetischen Angriffe folgte im Gegenzug im Sommer 1942 der von der NS-Propaganda mit neuen Siegesfanfaren begleitete deutsche Vormarsch an die Wolga und bis zu den Gipfeln des Kaukasus, ehe sich die Lage zum Jahresende erneut dramatisch änderte. Mit der Einkesselung der 6. Armee in Stalingrad und dem darauf folgenden hastigen Rückzug der Heeresgruppe A verlor die Wehrmacht ihre Aura der Unbesiegbarkeit, was sich punktuell auch in den Quellen des vorliegenden Bandes widerspiegelt. 3 Parallel zur militärischen Entwicklung organisierten Sicherheitspolizei und SD, Ordnungspolizei, Wehrmacht, Zivilverwaltung und einheimische Kollaborateure in den deutschbesetzten Gebieten ab 1942 eine zweite Verfolgungswelle gegen die sowjetischen Juden. Bestehende Ghettos wurden dabei vernichtet, noch nicht erfaßte Juden verfolgt und ermordet.4 Die grausigste Zahl hierzu meldete der Höhere SS- und Polizeiführer Ukraine, Hans Adolf Prützmann, Ende 1942: Unter den 387 370 Menschen, die von August bis einschließlich November dieses Jahres im Reichskommissariat Ukraine, im Heeresgebiet Süd und im Bezirk Bialystock im Kontext der Partisanenbekämpfung getötet wurden, befanden sich demnach 363 211 Juden – 93,7 Prozent der Opfer. 5 Hinzu kam ein gleichzeitig stetig steigender Terror gegen die nichtjüdische Zivilbevölkerung. 6 Derlei Maßnahmen finden sich zwar in Andeutungen auch in den hier edierten Quellen für 1942/43 wieder, verglichen mit der Intensität der EM aus 1941 ist der Informationsfluß zu den konkreten Auswirkungen der deutschen Vernichtungspolitik jedoch deutlich

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schwächer. Dafür schlug sich die gesamte Partisanenproblematik in dieser Periode ungleich stärker nieder als noch im ersten Kriegsjahr, in dem die sowjetische Führung die Partisanenbewegung erst mühsam aufzubauen versuchte, frühe Strukturen hinter den feindlichen Linien hauptsächlich aus versprengten Rotarmisten und geflohenen Kriegsgefangenen bestanden und eine damit einhergehende Gefährdung deutscher Besatzungsherrschaft noch kaum virulent war. Im Winter 1941/42 gelang dann auf sowjetischer Seite eine immer straffere Organisierung sowie eine effizientere Führung und Ausrüstung der Partisanen, die seit Frühjahr 1942 eine beständig wachsende Schlagkraft gewannen.7 Diese Entwicklung nimmt in den EM des Jahres 1942, vor allem aber in den MbO der folgenden Zeitspanne einen herausragenden Raum ein. Verglichen mit den EM wurden die MbO als Quellengattung wissenschaftlich bislang wenig genutzt, was sich teilweise aus dem Umstand erklärt, daß Historiker ihre Aufmerksamkeit auf die Frühphase der deutschen Besatzung konzentrierten. Schon Raul Hilberg verwandte in seiner Pionierstudie über den Holocaust zwar 80 Seiten auf die Darstellung der Judenvernichtung 1941, die darauf folgende längere zweite Phase handelte er jedoch lediglich auf einem Viertel dieses Raumes ab. 8 Zahlreiche weitere Historiker folgten später diesem Trend und legten den Schwerpunkt ihrer Analyse auf die Militärgeschichte oder die deutschen Besatzungsverbrechen 1941, so daß die Folgejahre bis in die jüngere Zeit in wissenschaftlichen Darstellungen deutlich unterbelichtet blieben. 9 Ähnliches gilt für die justiziellen Ermittlungen der Nachkriegszeit, die in der Tendenz ebenfalls einen Schwerpunkt ihrer Ermittlungstätigkeit für das Jahr 1941 aufweisen, da auch die Staatsanwälte seinerzeit oftmals vergebens nach inkriminierenden Dokumenten für die späteren Kriegsjahre suchten. Der Mangel an Ermittlungsverfahren wiederum hatte zur Folge, daß Historiker nur eingeschränkt auf Justizakten als ergänzende Quellengattung zurückgreifen konnten. Erst in jüngerer Zeit gelang es der Forschung, durch substanzielle Detailstudien den lange anhaltenden Mangel an Wissen über die spätere deutsche Besatzungspolitik in der Sowjetunion zu beheben.10 Die „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ stellen in diesem Zusammenhang einen herausragenden Quellenkorpus dar, der für die Jahre 1942 und 1943 einen bemerkenswerten Informationsgehalt bietet und damit der vorherrschenden Optik eines scheinbaren Quellenmangels widerspricht. Im Mittelpunkt steht dabei zweifellos die sukzessive wachsende Bedeutung der Partisanenbewegung in den besetzten Gebieten, ihr stetig zunehmender Machtzuwachs und – damit einhergehend – der schleichende Kontrollverlust der deutschen Besatzer. Allerdings – und auch dies wird hier deutlich – verlief dieser Prozeß regional sehr unterschiedlich. Insbesondere in den Räumen der Einsatzgruppe B um Witebsk und Mogilew, Wjasma und Orel, im Generalkommissariat Weißruthenien, an den östlichen Rändern von Lettland und Litauen, in Wolhynien-Podolien und in den nördlichen Zonen des Reichskommissariats Ukraine sowie partiell auf der Krim vollzog sich diese allmähliche Gewichtsverschiebung zugunsten der Partisanen. Im restlichen Baltikum, vor Leningrad, im Donbass und im Süden der Ukraine dagegen blieben die Deutschen auch in dieser Phase noch nahezu uneingeschränkte Herren der Situation. Ein Beispiel mag dies illustrieren: So kann der Lektüre von MbO Nr. 53 eine weitgehende Destabilisierung der Lage in den deutschbesetzten Gebieten entnommen werden. Die Versorgungslage wird als „sehr angespannt“ geschildert. Eine „Herbeischaffung der Lebensmittel […] aus den bandenverseuchten Gebieten“ sei „sehr uneinheitlich und erschwert“. Überhaupt stünde „die Bevölkerung allen deutschen Verlautbarungen mißtrauisch gegenüber“. Militärische Erfolge der Roten Armee hätten bei Teilen von ihr eine

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„Angstpsychose“ und „panikartige Haltung“ vor einer Rückkehr der Sowjetmacht ausgelöst. „Disziplin und Arbeitswillen ließen erheblich nach“, wurde als weitere Konsequenz festgestellt. Dem Bericht zufolge befände sich die Partisanenbewegung weiterhin in einem gefährlichen Aufschwung; die „Banden erhalten ständig Zulauf“. Im Gebiet von Rogatschew operierten „Banden in Stärke bis 1000 Mann“, im Raum Polozk könne eine wichtige Straße „nur noch in starken Geleitzügen“ passiert werden und in Teilen des Rayons Krugloje würden Partisanen „die Lage völlig beherrschen“ und hätten „weitgehend wieder sowjetische Verhältnisse eingeführt“. Die Bevölkerung solcher Gebiete habe sich „infolge Fehlens eines wirksamen militärischen Schutzes eine mehr und mehr müde und gleichgültige“ Haltung angewöhnt.11 Insgesamt bilanziert der Bericht für den Monat März 1943 allein im Bereich der Einsatzgruppe B weit über 1000 Überfälle und Anschläge, bei denen Hunderte von Personen getötet, verwundet oder verschleppt worden waren. Nicht zuletzt wird auch die sowjetische Propaganda als sehr effizient beschrieben, während die von deutscher Seite demgegenüber ihre Wirksamkeit eingebüßt zu haben schien. Alles in allem zeichnet der Bericht eine Lage, in der deutsche Besatzungsinstanzen die Kontrolle in manchen Gebieten in einer Weise verloren hatten, die wenig Hoffnungen auf Besserung machte. In ihrem Aussagewert wären solche Schilderungen insgesamt eigentlich weit eher für eine spätere Kriegsphase – etwa die des Jahres 1944 – zu erwarten gewesen. Daß Sicherheitspolizei und SD aber bereits im Frühjahr 1943 ein derart bedrohliches Gesamtbild zeichneten, verdeutlicht den Wert der MbO für die historische Forschung. Zugleich informiert der vorliegende Quellenkorpus aber auch umfangreich über die Gegenmaßnahmen, mit denen die deutschen Besatzer auf diese Herausforderung reagierten.12 Anfangs glaubten die Einsatzgruppen, daß sie alleine in der Lage seien, die entstehende Partisanenbewegung zu vernichten. Doch diese Hoffnung schwand schon bald. Nach empfindlichen Verlusten – so wurde etwa Dr. Franz Walter Stahlecker, der Chef der Einsatzgruppe A, im März 1942 in einem Gefecht mit Partisanen tödlich verwundet – befahl Heydrich eine wesentliche Einschränkung ihres Aufgabenfeldes: Sicherheitspolizei und SD hätten sich „in Zukunft bei der Bekämpfung der Partisanen lediglich die Führung vorzubehalten“. Der „fühlbare Personalmangel“ verbiete jedoch den gefechtsmäßigen Einsatz eigener Kräfte. Die „Durchführung der Kampfhandlungen“ liege darum bei den Einheiten der Ordnungspolizei bzw. bei der Wehrmacht.13 Die Gewinnung nachrichtendienstlicher Informationen über die Stärke und Bewaffnung der „Banden“, die Lage ihrer Quartiere, aber auch deren logistische Unterstützung durch benachbarte Dörfer bildete seitdem den Sockel aller eigenen Aktivitäten. Auf der Auswertung dieser Aufklärungsergebnisse basierten dann die militärisch geplanten Großunternehmen, bei denen jeweils „SD-Kommandos“ zur Durchführung „sicherheitspolizeilicher Aufgaben“ den eigentlichen Kampftruppen zugeordnet wurden. Konkret bedeutete dies, so der KdS Minsk: „Erkundung, soweit noch möglich. Vernehmung von Gefangenen und Überläufern, Ermittlungen und Unschädlichmachung von Bandenhelfern und Begünstigern“.14 Der von Heydrich proklamierte Führungsanspruch in der Partisanenbekämpfung ließ sich in der Praxis also nicht durchsetzen. Gleichwohl blieb neben der dienenden Funktion des Pfadfinders zu den Partisanen die Entscheidungskompetenz über „Sonderbehandlung“ von Zivilisten. Denn die „SD-Kommandos“ legten nach ihren Verhören fest, wer als „Bandenhelfer“ galt und wer nicht, sie waren also auch Herren über Leben und Tod. Damit aber erweiterte sich die Aufgabe des Erkunders stets um die des Henkers. Wer während eines Unternehmens vor Ort erschossen wurde, lag in aller Regel im Ermessen

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der Truppenkommandeure von Wehrmacht, Waffen-SS und Ordnungspolizei. Über die Frage, wer danach oder in anderem Kontext – etwa bei einer städtischen Razzia – als Gefangener zu liquidieren war, befanden dagegen Sicherheitspolizei und SD, die so eine zentrale Rolle in der alltäglichen Gewaltpraxis deutscher Besatzungsherrschaft behielten. Auf dieser Basis entwickelte sich die deutscherseits als „Bandenkampf“ titulierte Partisanenbekämpfung immer mehr zu einem Krieg gegen die Zivilbevölkerung. Obwohl die Besatzer trotz aller Personalknappheit bis 1944 noch die Möglichkeit hatten, punktuell überlegene Kräfte zu konzentrieren, war es für die Partisanen dennoch relativ einfach, sich rechtzeitig aus der drohenden Umklammerung zu lösen. Damit aber stießen die Deutschen immer wieder ins Leere und trafen hauptsächlich eine bäuerliche Zivilbevölkerung, die sie in aller Regel mit den „Banden“ gleichsetzten. Das Ergebnis der daraus resultierenden Gefechte, die in Wirklichkeit kaum mehr waren als Massaker, manifestierte sich in einem erheblichen Mißverhältnis zwischen der Ziffer der Getöteten einerseits und der Bilanz erbeuteter Waffen sowie der eigenen Verluste andererseits, wie nahezu alle Berichte eindeutig zeigen. Zum Maßstab des militärischen Erfolgs avancierte die Zahl der gegnerischen Toten, die umstandslos zu Partisanen oder „Bandenhelfern“ erklärt wurden. Als Indikator für erfolgreiche „Befriedung“ galt also nicht der Geländegewinn, nicht die Menge der Gefangenen, sondern die der Leichen.15 Diese ideologisierte Optik vernebelte zunehmend die Realität, beeinträchtigte die Faktenanalyse, verstellte den Blick auf die Wirklichkeit, wenngleich sich bis in die Spätphase des Berichtszeitraums durchaus Hinweise darauf finden lassen, daß Sicherheitspolizei und SD die ausweglose Lage der zwischen Partisanen und Deutschen zerriebenen Zivilbevölkerung wie auch die Sinnlosigkeit habituellen Terrors wahrnahmen. Die deutsche Taktik erhöhte nicht nur die Zahl der getöteten Zivilisten, sie wirkte auch extrem kontraproduktiv, denn „die Großbanden wurden nicht vernichtet, sondern nur verdrängt“, wie man beispielsweise im weißrussischen Baranowicze feststellte. „Bei der Erschießung der Bevölkerung wurden leider nur zu einem wesentlichen Teil gerade die friedlichen Elemente erfaßt, da diejenigen Einwohner, die kein reines Gewissen gegenüber den deutschen Behörden hatten, bereits in den Wald geflohen waren, als die ersten Nachrichten von dem Großeinsatz sich verbreiteten. Die Zahl derjenigen Einwohner, die nicht erschossen worden sind, deren Gehöfte aber verbrannt wurden, ist erheblich. Diese treiben sich in den umliegenden Wäldern herum und sind gezwungen, ihren Lebensunterhalt durch Diebstahl oder Bedrohung zu erwerben oder – und dieses ist in der Mehrzahl der Fälle bereits geschehen – zu den Banden zu stoßen.“ 16 Ließen sich die Berichte an Himmler durch die immensen Tötungsquoten so zwar martialisch schönen, dokumentierten sie in Wirklichkeit doch das Scheitern deutscher „Befriedungs“-Politik. Denn statt – wie beabsichtigt – den sozialen Rückhalt der Partisanen zu schwächen, trieb man ihnen durch blindwütige Gewalt neue Kräfte zu. Und da diese Dynamik sich verstärkte, da sie struktureller Bestandteil der Besatzungsherrschaft war, untergruben die Deutschen mit jedem „Bandenunternehmen“, mit jedem verbrannten Dorf ihre eigene Machtposition. Um auch diesen Band der Edition in einem für die Nutzung vertretbaren Umfang zu halten, kamen die Herausgeber nicht umhin, die MbO partiell zu kürzen. Redundanzen wurden zum einen dadurch vermieden, daß auf einen Abdruck der Inhaltsangaben ab MbO Nr. 2 grundsätzlich verzichtet wurde. Zum zweiten entfielen in der Edition mitunter auch Berichte, deren Inhalt den Herausgebern vernachlässigbar erschien. Zweifellos sind im Prinzip alle Quellen zur deutschen Besatzungspolitik relevant, doch nicht für alle gilt dies in gleichem Umfang. Beispielsweise wurde MbO Nr. 1 um eine Meldung aus Lettland

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gekürzt, in der zu erfahren war, es sei „in der Nähe von Modohn ein Flugzeug unbekannter Nationalität beim Abwurf von Ballons beobachtet“ worden. Da deren Funktion nicht weiter eruierbar war, entfiel diese Passage wegen ihres unwesentlichen Inhalts. Auch ein daran anschließender Bericht zu Litauen, in dem Aufklärungsergebnisse über einen „Brand in der Reichspelzfabrik Kailis“ wiedergegeben wurden, erschien ähnlich irrelevant und wurde daher ebenfalls nicht in die Edition aufgenommen.17 Auch eine Kürzung mancher Meldungen erschien schon wegen ihres Umfangs angebracht. So umfaßt etwa MbO Nr. 36 allein 49 Seiten. Darin wurde unter anderem zur „Wirtschaftlichen Lage im Generalbezirk Estland“ eine längere Passage gekürzt, in der Zahlen zu den beim „estnischen Wirtschaftsdirektorium 328“ eingereichten Reprivatisierungsanträgen referiert und Argumente für oder wider eine entsprechende „Behandlung der Mühlen- und Sägewerke“ debattiert wurden.18 Mit solchen maßvollen Streichungen beabsichtigen die Herausgeber die MbO als Quellensammlung besser handhabbar zu machen, ohne bei der Nutzung auf wesentliche Inhalte verzichten zu müssen. Daß es der Edition um möglichst breite Kontextualisierung zentraler Themenaspekte geht, belegt der bereits vorliegende Band II mit seinen Zusatzdokumenten sowie dem umfangreichen Anmerkungsapparat. Ursprünglich gedacht waren die Berichte des RSHA nur für eine sehr begrenzte Anzahl von Dienststellen. Mit der Zeit weitete sich der Verteiler dann aber sukzessive aus. Von der ersten EM wurden am 23. Juni 1941 gerade einmal zehn Exemplare gefertigt. Der Verteiler weist Heinrich Himmler, Reinhard Heydrich und dessen sieben Amtschefs als Empfänger aus.19 Nach gut vier Monaten Ostkrieg hatte sich die Auflage der EM im November schon auf mehr als 50 Exemplare erhöht. Neben den anfänglichen Adressaten waren eine Vielzahl weiterer Gruppen und Referate im RSHA hinzugekommen. Zudem erhielten der Chef der Ordnungspolizei, die Höheren SS- und Polizeiführer in der Sowjetunion sowie der Befehlshaber und die Kommandeure bzw. Inspekteure der Sicherheitspolizei und des SD im besetzten Polen jeweils Ausfertigungen der Berichte. 20 Im Folgejahr muß der Verteiler nochmals ausgeweitet worden sein, da nunmehr auch Behörden außerhalb von Himmlers SS-Imperium wie das Auswärtige Amt zu den Adressaten der EM und MbO zählten. Mangels genauerer Aufstellungen über den Verteiler fehlen für 1942/43 allerdings präzise diesbezügliche Informationen. Die recht ansehnliche Verbreitung der Berichte läßt jedoch nicht den eigentlich naheliegenden Schluß zu, daß mit zunehmender Kriegsdauer auch ein ständig wachsender Kreis von NS-Behörden in Berlin in die mörderischen Praktiken der SS im Osten eingeweiht gewesen wäre. Die Berichte galten bis zuletzt als „Geheime Reichssache“, womit die Zahl ihrer Leser von vornherein stark beschränkt blieb. Gleichzeitig bewirkten ab Herbst 1941 verstärkt greifende Geheimhaltungsbemühungen der NS-Führung, daß die ursprünglich bemerkenswert unverblümte Berichterstattung über die Massenverbrechen an den sowjetischen Juden, an der nichtjüdischen Zivilbevölkerung oder den Kriegsgefangenen zunehmend aus der Berichterstattung verschwand und verschiedensten Euphemismen und Tarnbegriffen Platz machte, die das Wissen in der deutschen Gesellschaft um das „offene Geheimnis“ allerdings noch verstärkten.21 Eben jene verschärften Geheimhaltungsbemühungen zur Verschleierung der nationalsozialistischen Massenverbrechen werden letztlich auch durch die Tatsache belegt, daß lediglich eine einzige Zusammenstellung der Berichte überhaupt das Kriegsende überdauert hat. 22 Während einzelne EM und MbO auch in den Akten des Auswärtigen Amtes überliefert sind, wurde diese bis auf marginale Ausnahmen offenbar einzige vollständige Sammlung im Zentrum der einstigen Macht in der Reichshauptstadt Berlin aufgefunden.23

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Amerikanische Soldaten entdeckten das Berichtskonvolut am 3. September 1945 nicht einmal eigens gesichert inmitten einer Kollektion zahlreicher weiterer Akten mit einem Gesamtgewicht von annähernd zwei Tonnen im 4. Stock des Gestapo-Hauptquartiers in der Prinz-Albrecht-Straße 8. 24 In eben diesem Gebäude waren sowohl die EM als auch die MbO jeweils auf der Grundlage der im RSHA eingehenden Berichte der vier in der Sowjetunion operierenden Einsatzgruppen sowie der vermehrt aus ihnen gebildeten stationären Dienststellen ursprünglich entstanden.25 Während der ersten Monate des Jahres 1942 wurden die EM erst einmal unverändert und im entsprechenden Erscheinungsmodus des Vorjahres fortgesetzt. Mit der EM Nr. 195 endete dann aber Ende April die annähernd ein Jahr beibehaltene Berichtsweise des RSHA zu dieser Tätigkeit. Ohne jegliche Vorankündigung wurden die EM eingestellt und durch die MbO ersetzt. Am 1. Mai heißt es dazu ohne weitere Erklärung oder Begründung im ersten Exemplar der neuen Berichtsform: „Anstelle der bisher monatlich gelieferten ‚Tätigkeits- und Lageberichte der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD in der UdSSR‘ erscheinen nun wöchentlich die ‚Meldungen aus den besetzten Ostgebieten‘.“ 26 In dem knappen Satz ist immerhin ein wichtiges Charakteristikum der neuen Erscheinungsweise erwähnt. Die MbO erschienen künftig im Wochenturnus statt wie bisher die EM anfangs täglich und dann zwei- bis dreimal wöchentlich. Abgesehen davon wurde die neue Berichtsform stärker vereinheitlicht und kategorisiert. Zu Beginn einer jeden MbO fand sich nun eine die Lektüre vereinfachende „Inhaltsangabe“, die eine Kurzzusammenfassung des jeweiligen Inhalts lieferte und ab MbO Nr. 10 eigens mit lateinischen Seitenzahlen statt der sonst üblichen arabischen Ziffern ausgewiesen wurde. 27 Die Lagemeldungen der einzelnen Kommandos und Dienststellen wurden darüber hinaus unter Kategorien wie „Gegner und Exekutivfragen“ und „Lebensgebiete“ subsumiert. Zudem kam mit der Rubrik „Meldungen aus den unbesetzten Gebieten“ noch eine Berichtsebene hinzu, die regelmäßig über die Lage in Stalins Reich jenseits der deutschen Frontlinien informierte. Verglichen mit den früheren, für die EM gewählten Rubriken „Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos“, „Politische Ereignisse“ sowie „Militärische Ereignisse“ offenbarte sich darin das Interesse der RSHA-Führung, die Berichterstattung stärker zu vereinheitlichen und auf den eigentlichen Kernbereich der Sipo- und SD-Arbeit zu konzentrieren.28 Nicht von ungefähr glichen die MbO formal künftig auch weit stärker als bisher dem zur innenpolitischen Lage Deutschlands geführten SD-Berichtsformat der „Meldungen aus dem Reich“. Mit dieser Umorganisierung inhaltlicher Art einher gingen personelle Veränderungen beim Kommandostab, der ursprünglich im Referat IV A 1 des RSHA beheimatet war und bislang die EM aus den eingehenden Berichten der Einsatzgruppen und Sipo-Dienststellen erstellt hatte. Gustav Adolf Nosske, der gerade als Chef des Einsatzkommandos 12 der Einsatzgruppe D abgelöst worden war und im RSHA das neugeschaffene Referat IV D 5 (Besetzte Ostgebiete) übernommen hatte, trat nunmehr an die Spitze des Kommandostabes. Zugleich änderte sich auch dessen weitere personelle Zusammensetzung. Unter dem Vorsitz von Nosske tagten seitdem einmal wöchentlich die Leiter jener RSHA-Referate, die mit Sachfragen der Sowjetunion befaßt waren. Sie erhielten fortan von ihren Amtschefs jeweils diejenigen Berichtsteile der Einsatzgruppen, die unmittelbar ihr Ressort betrafen, und erarbeiteten daraus Vorschläge für die Publikation. Nosskes Referat IV D 5, dem auch Rudolf Fumy und Dr. Günter Knobloch als Redakteure der bisherigen EM zugeordnet worden waren, nahm abschließend die Fertigstellung der MbO vor. 29

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Unklar bleibt, ob Heydrich mit dieser Umstrukturierung ein gewisses Gegengewicht zu Rosenbergs Ostministerium schaffen wollte oder ob er nicht auch unter eigener Ägide die Schaffung einer echten Befehlszentrale für die besetzten Gebiete der Sowjetunion intendierte, was dann lediglich durch seinen Tod kurze Zeit später verhindert wurde. Sogar jenes überraschende Ende des mächtigen Chefs von Sicherheitspolizei und SD am 4. Juni 1942 in Prag stellt ein Beispiel für die neue, stringentere Ausrichtung der MbO dar. Waren in den EM kurz zuvor noch scheinbar wahllos verschiedenste, in ihrer Bedeutung häufig eher fragwürdige Ereignisse aus dem Reich oder aus anderen deutschbesetzten Regionen Europas wie selbstverständlich gemeldet worden, fand nunmehr selbst der Tod Heydrichs in den MbO keinerlei Erwähnung mehr. Seit dem Formatwechsel gehörten dort insbesondere Berichte über kommunistische Untergrundaktivitäten in Frankreich, Jugoslawien oder dem Protektorat der Vergangenheit an. Das unverkennbare Interesse der RSHA-Führung, durch diese Änderung von Aufmachung und Titel ein inhaltlich relevanteres, besser nutzbares Informationsmedium zu schaffen, kann aus heutiger Sicht nur als gescheitert gelten. Zu stark waren dafür längst NS-Ideologie und -Propaganda mit den realen Verhältnissen in den deutschbesetzten Gebieten verwoben. Dieser Umstand in Verbindung mit dem Bedürfnis nach positiver Selbstdarstellung verstellte den SS-Funktionären den Blick auf die Wirklichkeit, deren Wahrnehmung eine wesentliche Vorbedingung für einen wirklichen Gebrauchswert der Berichterstattung gewesen wäre. So entstanden jeweils dann, wenn die Lage vor Ort im Licht der nationalsozialistischen Propaganda- und Durchhalteparolen interpretiert wurde, reichlich groteske Situationsbeschreibungen. So war etwa Anfang Mai 1943 über die Lage im Heeresgebiet Mitte zu lesen, die Bevölkerung sehe fälschlicherweise „hinter den deutschen Frontverkürzungen im mittleren Abschnitt keine frei gewählte strategische Maßnahme, sondern glaubt, daß die deutschen Truppen durch Feinddruck gezwungen wurden, sich zurückzuziehen“. 30 Abgesehen von erheblichen Defiziten bei der Abbildung der Realität offenbarten sich im Berichtsformat von EM und MbO für die Jahre 1942/43 zudem zahlreiche Lücken, die das Interesse eines möglichst einheitlichen, flächendeckenden Informationsflusses konterkarierten. Anders als wohl ursprünglich bei der mit den MbO einhergehenden Umstrukturierung intendiert, blieb das bereits bei den EM erkennbare Ungleichgewicht beim Meldungseingang zu einzelnen Regionen weiterhin bestehen. In den MbO ist wiederholt ein deutlicher Schwerpunkt bei der Berichterstattung zum Baltikum erkennbar, während über die Tätigkeit der Einsatzgruppe D gleichzeitig kaum noch etwas zu erfahren ist. Zur Ukraine läßt sich wiederum häufig eine Konzentration von Berichten auf deren westliche Regionen und hier speziell auf die Nationalitätenfrage sowie die Konflikte mit der Melnik- bzw. Bandera-Bewegung feststellen, während Lageberichte über die östlichen Gebiete weitgehend fehlen. 31 Überdies sind erst seit Sommer 1942 übergreifende Angaben zu lesen, die das Bemühen erkennen lassen, bezüglich der Partisanenaktivitäten ein zusammenhängendes Lagebild zu entwickeln. So findet sich beispielsweise in MbO Nr. 14 eine Zusammenstellung über die Gesamtzahl der Sprengstoffanschläge im Juni 1942 im Bereich der Heeresgruppe Mitte, ergänzt durch eine Auflistung von Angriffen auf einzelne Bahnstrecken und eine Beschreibung der Art der Anschläge. 32 Im gleichen Bericht sowie bereits früher in MbO Nr. 8 ist zudem eine deutliche Betonung der negativen Auswirkungen auf die Stimmung der Zivilbevölkerung und auf die schwierigere Versorgungslage formuliert. 33 Mit dem Sommer 1942 und der sich auch für die deutschen Besatzungsbehörden immer augenfäl-

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liger aufdrängenden Tatsache, daß die sowjetische Partisanenbewegung an Schlagkraft gewann, waren nunmehr stärker um einen Realitätsgehalt bemühte Passagen zu lesen. So enthält MbO Nr. 16 umfangreiche Zahlen zur Häufigkeit von Partisanenüberfällen im Juli und August 1942. Bereits in der Woche darauf wurde in MbO Nr. 17 weiteres Zahlenmaterial zu Opfern, der Zahl von Anschlägen sowie den daraus resultierenden Schäden zusammengestellt. 34 Gleichzeitig jedoch waren Sicherheitspolizei und SD in die Entwicklung hin zu kombinierten Großunternehmen der verschiedenen Waffengattungen bei der Bekämpfung der Partisanen offenbar kaum mehr entscheidend eingebunden. So fanden auch die ersten im Bereich der Heeresgruppe Mitte organisierten gemeinsamen Operationen von Wehrmacht und Ordnungspolizei in den MbO kaum ihren Niederschlag. Wenn die neue Strategie in den Berichten überhaupt Erwähnung findet, zeigt sich, daß solche Passagen fern der eigentlichen Befehlszentren aus einer gewissen Distanz verfaßt wurden.35 Entsprechend fehlte es in den Berichten weiterhin an Aktualität hinsichtlich maßgeblicher Entwicklungen und Ereignisse. Anfang Oktober 1942 beispielsweise sind den MbO Nr. 23 zwar Meldungen über den „Bandenkampf“ zu entnehmen, die jedoch bereits zwei Monate alt sind. Dagegen findet sich keinerlei Bericht über das damals in Weißrußland gegen die dortigen Partisanen laufende Großunternehmen „Sumpffieber“, an dem Sicherheitspolizei und SD immerhin ja beteiligt waren. 36 Für solche auffälligen Lücken sind verschiedene Ursachen denkbar. Möglich wäre, daß die Bearbeiter im RSHA die Berichterstattung der Sipo-Dienststellen oder der noch mobilen Einsatzgruppen in ihrem Wert verkannten und aus der Fülle des Materials nur eher Beliebiges zusammenkürzten. Weit wahrscheinlicher ist jedoch, daß aus der deutschbesetzten Sowjetunion nur selten Berichtsmaterial in einer inhaltlichen Qualität und chronologischen Dichte nach Berlin geschickt wurde, welches das RSHA in die Lage versetzen konnte, zeitnah zu berichten und inhaltlich zutreffende Analysen zur dortigen Lage anzustellen. Bedauerlicherweise sind in diesem Zusammenhang keinerlei Unterlagen des RSHA erhalten, die Aufschluß darüber geben könnten, in welcher Form die Dienststellen vor Ort hinsichtlich der Abfassung von Berichten instruiert wurden. Nur auf der Grundlage solcher Quellen wäre eine zuverlässigere Beurteilung möglich, welche Dependancen genaue und den zugrundeliegenden Vorgaben entsprechende Meldungen verfaßten und welche in dieser Beziehung eher nachlässig verfuhren.37 Vielfach überwiegen in den Berichten aus dem RSHA nachrangige Details und langatmige Kommentare, etwa zu Einzelaspekten der Konfessions- oder Agrarpolitik. Ein authentisches Bild der Lage und ihrer Entwicklungslinien sowie aussagekräftige Vergleiche zur Situation in den einzelnen Großregionen werden hinter einer Fülle von Einzelheiten jedenfalls oft kaum sichtbar. Damit ist tendenziell auch der nicht unerhebliche Umstand belegt, daß Sicherheitspolizei und SD sich immer weniger befähigt zeigten, die Realitäten in den besetzten Gebieten realistisch wahrzunehmen, sie in ihrer Gefährdung für das nationalsozialistische Besatzungsgefüge anzuerkennen und etwa auf die sich ausbreitende Gegengewalt der sowjetischen Partisanen überhaupt eine angemessene Antwort finden zu können. Mit zunehmender Kriegsdauer lesen sich die Berichte immer mehr wie Kompilationen von Sachwaltern deutscher Herrschaft, denen es weniger um den Nutzwert ihrer Meldungen für die Berliner Zentrale als um die Erhaltung ihrer Posten fernab der Front mittels Betonung ihrer Rolle im ungleichen „Bandenkampf“ ging. Zu diesem Zusammenhang, zu inhaltlichen Lücken und der Korrektheit der EM und MbO äußerte sich im Rahmen einer Vernehmung 1948 Rudolf Fumy, Sachbearbeiter im

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zuständigen RSHA-Referat. Er räumte durchaus grundsätzliche Fehler ein, wie sie „bei der notgedrungenen Flüchtigkeit der redaktionellen Arbeit nicht zu vermeiden waren“. Abgesehen davon zielten inhaltliche Eingriffe höherer Stellen, etwa durch Gestapo-Chef Müller, laut Fumy darauf ab, beim Leser den Eindruck zu erhärten, „daß die gesamte geschilderte Tätigkeit auf Rechnung der Sipo und des SD komme“. Dies hatte zur Folge, daß andere Instanzen selbst dann nicht genannt wurden, wenn deren Meldungen über „Querverbindungen“ ins RSHA gelangten und dort in die eigenen Berichte eingearbeitet wurden.38 Bestandteil der interessengeleitet verzerrten Darstellung war demnach auch die Unvollständigkeit bei der Abbildung des besatzungspolitischen Alltags. So fehlte – wie bereits angedeutet – in den Meldungen oft der Hinweis auf einschlägige Ereignisse, die von anderen, oftmals konkurrierenden Institutionen verantwortet wurden, wobei jeweils unklar bleibt, ob dies Folge der Beschränkung auf den Kernbereich des eigenen Aufgabenkreises, eine bewußte Ausklammerung von Aktionen der Konkurrenzinstanzen oder lediglich Resultat von mangelhaftem Informationsfluß war. Die EM und MbO sind daher auch als ein Spiegelbild sowohl der sich zu Ungunsten der Deutschen verändernden Realitäten als auch des teilweise intriganten nationalsozialistischen Institutionengeflechts zu verstehen. Bis zuletzt behaupteten Sicherheitspolizei und SD im Rahmen ihrer Berichterstattung, grundsätzliche Kenntnis von der generellen Lageentwicklung zu besitzen, obwohl die zumindest partiell abhanden gekommen war. Gleichfalls wurde eine herausgehobene Bedeutung etwa bei der „Bandenbekämpfung“ suggeriert, obwohl die entscheidenden Befugnisse lange schon von anderen Instanzen übernommen worden waren. Die vorgespiegelte Objektivität kann über die hermetische Abgeschlossenheit der Berichterstattung nicht hinwegtäuschen. Entsprechend wichtig bleibt es, diese mit Quellen anderer Provenienz systematisch zu vergleichen. Mit den MbO Nr. 55 endeten am 21. Mai 1943 nach annähernd zwei Jahren die bisherigen Berichtsformate von Sicherheitspolizei und SD zur Besatzungspolitik in der Sowjetunion.39 In der letzten Meldung finden sich weder irgendwelche Hinweise auf Überlegungen, die zur Einstellung führten, noch deutet sich irgendwo an, daß im RSHA geplant war, das Berichtsformat in veränderter Form fortzusetzen. Hinsichtlich einer Beantwortung der Frage, warum diese bedeutende Quelle ohne Vorankündigung derart abrupt eingestellt wurde, tappt die Geschichtswissenschaft im Dunkeln. Sahen sich die Verantwortlichen im RSHA angesichts der unbestreitbaren Machtbefugnisse Rosenbergs für die Zivilverwaltung und der bestimmenden Vollmachten Bach-Zelewskis bei der Partisanenbekämpfung, einer der zentralen früheren Kernkompetenzen von Sicherheitspolizei und SD, gezwungen, die eigene Nachrangigkeit auf diesen Gebieten zu akzeptieren und daher jenes Berichtsformat einzustellen, welches noch stark die eigene Bedeutung im besetzten Osteuropa betonte? Oder war es der mit dem Übergang zum „totalen Krieg“ verbundene Abbau bürokratischer Redundanzen, der zur Verschlankung des Berichtswesens in Himmlers Apparat führte? Ohne neue Quellenfunde stellen diesbezügliche Überlegungen jedoch lediglich Spekulationen dar. Ein Beleg dafür, daß die bisherigen Adressaten die Berichte vermißten, ist jedenfalls nicht überliefert. Einige Bemerkungen seien noch zur Schreibweise und zum Umgang mit offensichtlichen Fehlern in den Originaldokumenten angefügt. Grundsätzlich wurde die häufig uneinheitliche Orthographie auch in den edierten Texten beibehalten. Nur um Mißverständnissen vorzubeugen, wurden etwa bei der Unterscheidung von „Maß“ und „Masse“ im Text entsprechende Korrekturen vorgenommen. Darüber hinaus wurden auch zweifelsfrei erkennbare sinnentstellende Schreibfehler stillschweigend verbessert. Im Falle augen-

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scheinlicher orthographischer Fehler, die keine entsprechende Korrektur nahelegten, wurde zur Verdeutlichung ein „sic“ in eckigen Klammern beigefügt. Das gleiche Verfahren wurde bei unvollständigen oder verbauten Sätzen angewandt. Verstümmelte Sätze wurden nicht als sinnloser Torso in den Text aufgenommen, sondern komplett durch den Vermerk „unleserlich“ in eckiger Klammer ersetzt. Bei den in den Quellen häufig variierenden Ortsnamen galt als maßgeblich stets die Version im Kartenmaterial des deutschen Heeres. Der Dank der Herausgeber gilt abschließend denjenigen, die zur Realisierung der vorliegenden Veröffentlichung beigetragen haben. Zu allererst sei Heidrun Baur, die langjährige Mitarbeiterin der Forschungsstelle Ludwigsburg der Universität Stuttgart, genannt, die in unermüdlicher Arbeit sämtliche Texte aufgenommen und korrigiert sowie einen Großteil der Kommentare zu den Quellen in den Anmerkungsapparat eingearbeitet hat. Ihre Tätigkeit an der Forschungsstelle Ludwigsburg hat sie Ende 2013 beendet. Für ihre unschätzbare Arbeit nicht nur am vorliegenden Band danken wir ihr noch einmal sehr herzlich und wünschen das Allerbeste für die weitere Zukunft. Ihre aktuelle Nachfolgerin in Ludwigsburg, Eva Samuel-Eckerle, hat die Arbeit an der Edition abgeschlossen und für den vorliegenden Band die Personen- und Ortsregister erstellt. Dafür gilt auch ihr unser herzlicher Dank. In schon bewährter Weise erarbeitete Ray Brandon einmal mehr die Karten. Dafür sind wir ihm ebenfalls sehr verbunden. Nicht zuletzt danken wir Prof. Dr. Jan Philipp Reemtsma, Prof. Dr. Bernd Greiner und Matthias Kamm vom Hamburger Institut für Sozialforschung, die das Editionsprojekt von Beginn an begleitet und vorbehaltlos unterstützt haben. Dasselbe gilt für Paul Shapiro vom Jack, Joseph and Morton Mandel Center for Advanced Holocaust Studies des United States Holocaust Memorial Museum in Washington D.C. (USHMM). Den Genannten verdankt der Band großzügige Zuschüsse, einerseits seitens der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur, andererseits durch den Curt C. und Else Silberman Fund des USHMM, die letztlich das Erscheinen eines solchen umfassenden Werkes erst möglich gemacht haben. Für dieses angenehme und vorbildliche Beispiel wissenschaftlicher Kooperation danken die Herausgeber sehr herzlich. 1 Klaus-Michael Mallmann/Andrej Angrick/Jürgen Matthäus/Martin Cüppers (Hrsg.): Die „Ereignismeldungen UdSSR“ 1941. Dokumente der Einsatzgruppen in der Sowjetunion I, Darmstadt 2011. 2 Andrej Angrick/Klaus-Michael Mallmann/Jürgen Matthäus/Martin Cüppers (Hrsg.): Deutsche Besatzungsherrschaft in der UdSSR 1941–1945. Dokumente der Einsatzgruppen in der Sowjetunion II, Darmstadt 2013. 3 Zum Kriegsverlauf grundlegend: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bde. 4 u. 6, hrsg. v. Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Stuttgart 1983 u. 1990; John Keegan: Der Zweite Weltkrieg, Berlin 2004; Lothar Gruchmann: Der Zweite Weltkrieg, München 1967; Christian Hartmann: Wehrmacht im Ostkrieg. Front und militärisches Hinterland 1941/42, München 2010. 4 Ausführlich zu Weißrußland: Christian Gerlach: Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrußland 1941–1944, Hamburg 1999, S. 683–743. 5 HSSPF Rußland-Süd, Ukraine u. Nordost: Meldung über Bandenbekämpfungserfolge v. 26.12. 1942, BAB, NS 19/2566; vgl. Shmuel Spector: The Holocaust of the Volhynian Jews 1941–1944, Jerusalem 1990, S. 172 ff. 6 Martin Cüppers: Wegbereiter der Shoah. Die Waffen-SS, der Kommandostab Reichsführer-SS und die Judenvernichtung 1939–1945, Darmstadt 2005, S. 227–233. 7 Zu den schwierigen Anfängen der sowjetischen Partisanenbewegung: Bogdan Musial: Sowjetische Partisanen 1941–1944. Mythos und Wirklichkeit, Paderborn u. a. 2009, S. 38–83; Dieter Pohl: Die Herrschaft der Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in der Sowjetunion 1941–1944, München 2009, S. 149 ff., 283; Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 215–233; Jörn Hasenclever:

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Wehrmacht und Besatzungspolitik in der Sowjetunion. Die Befehlshaber der rückwärtigen Heeresgebiete 1941–1943, Paderborn u. a. 2010, S. 359–377. 8 Raul Hilberg: Die Vernichtung der europäischen Juden, Bd. 2, Frankfurt/M. 1990, S. 287–410. 9 Vgl. den Ausstellungsband zur ersten Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung (Hrsg.): Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944, Hamburg 1996; Bernd Wegner (Hrsg.): Zwei Wege nach Moskau. Vom Hitler-Stalin-Pakt zum „Unternehmen Barbarossa“, München 1991; Gerd R. Ueberschär/Wolfram Wette (Hrsg.): „Unternehmen Barbarossa“. Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion 1941. Berichte, Analysen, Dokumente, Paderborn u. a. 1984; Ralf Ogorreck: Die Einsatzgruppen und die „Genesis der Endlösung“, Berlin 1996. 10 Zu den frühen Standardwerken, die einen intensiven Einblick über 1941 hinaus anbieten, gehört Gerald Reitlinger: Ein Haus auf Sand gebaut. Hitlers Gewaltpolitik in Rußland 1941–1944, Hamburg 1958; als neuere Studien seien exemplarisch genannt: Hasenclever: Wehrmacht und Besatzungspolitik; Andrej Angrick/Peter Klein: Die „Endlösung“ in Riga. Ausbeutung und Vernichtung 1941–1944, Darmstadt 2006; Ray Brandon/Wendy Lower (Hrsg.): The Shoah in Ukraine. History, Testimony, Memorialization, Bloomington 2008; Norbert Kunz: Die Krim unter deutscher Herrschaft 1941–1944. Germanisierungsutopie und Besatzungsrealität, Darmstadt 2005. 11 Alle Zitate aus MbO 53 v. 7. 5. 1943 in diesem Bd. 12 Zusammenfassend: Klaus-Michael Mallmann: „Aufgeräumt und abgebrannt“. Sicherheitspolizei und ‚Bandenkampf‘ in der besetzten Sowjetunion, in: Gerhard Paul/Klaus-Michael Mallmann (Hrsg.): Die Gestapo im Zweiten Weltkrieg. ‚Heimatfront‘ und besetztes Europa, Darmstadt 2000, S. 503–520. 13 CdS an EG A v. 27. 4. 1942, in: Angrick/Mallmann/Matthäus/Cüppers: Deutsche Besatzungsherrschaft in der UdSSR, S. 330. 14 KdS Minsk-Einsatzstab: Einsatzbefehl zum Unternehmen „Erntefest II“ v. 28. 1. 1943, ebd., S. 504. 15 Vgl. Mallmann: „Aufgeräumt und abgebrannt“, S. 514 f. 16 Forstschutzkdo. Baranowitsche an SD-Außenstelle v. 12.10. 1942, BAB, R 6/354. 17 Vgl. die Passagen im Original in MbO 1 v. 1. 5. 1942, BAB, R 58/697. 18 MbO 36 v. 8. 1. 1943 in diesem Bd. 19 Eine weitere Ausfertigung wurde im Referat IV A 1 archiviert, vgl. den Verteiler in EM 1 v. 23. 6. 1941, in: Mallmann/Angrick/Matthäus/Cüppers: Ereignismeldungen UdSSR, S. 42. 20 Vgl. den Verteiler in EM 128 v. 3. 11. 1941, ebd., S. 746 f. 21 Vgl. Peter Longerich: „Davon haben wir nichts gewußt!“ Die Deutschen und die Judenverfolgung 1933–1945, München 2006; Frank Bajohr/Dieter Pohl: Der Holocaust als offenes Geheimnis. Die Deutschen, die NS-Führung und die Alliierten, München 2006; Bernward Dörner: Die Deutschen und der Holocaust. Was niemand wissen wollte, aber jeder wissen konnte, Berlin 2007. 22 Archiviert im Bestand RSHA in BAB, R 58. 23 EM 158 stellt den einzigen Bericht der gesamten Serie von EM u. MbO dar, der offenbar nicht überliefert ist. 24 Ronald Headland: Messages of Murder. A Study of the Reports of the Einsatzgruppen of the Security Police and the Security Service, 1941–1943, Toronto 1992, S. 13 f.; zum Auffinden der Berichte u. zu ihrer Nutzung als Beweismittel der Anklage im Nürnberger Fall 9, dem Prozess gegen Offiziere der EG, ausführlich: Hilary Earl: The Nuremberg SS-Einsatzgruppen Trial 1945–1958. Atrocity, Law, and History, Cambridge u. a. 2009, S. 75–82. 25 Zur Entstehung Vern. Dr. Günter Knobloch v. 30. 1. 1959, zit. in: Helmut Krausnick/Hans-Heinrich Wilhelm: Die Truppe des Weltanschauungskrieges. Die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD, Stuttgart 1981, S. 337; Mallmann/Angrick/Matthäus/Cüppers: Ereignismeldungen UdSSR, S. 10–14. 26 Vgl. MbO 1 in diesem Bd. 27 Dazu ebd. sowie MbO 10 in diesem Bd. 28 Vgl. bspw. die Gliederung von EM 122 v. 23.10. 1941, in: Mallmann/Angrick/Matthäus/Cüppers: Ereignismeldungen UdSSR, S. 721–724. 29 Vermerk Staw Berlin v. 21. 12.1964, BAL, B 162/5418; dto. Gstaw Berlin v. 8. 6.1967, BAL, B 162/ 5419; Vern. Dr. Fritz Rang v. 12.1. 1967, BAL, B 162/5403. 30 MbO 53 v. 7. 5. 1943 in diesem Bd. 31 Vgl. MbO 23 u. 24 v. 2. bzw. 9.10. 1942 in diesem Bd. 32 Vgl. MbO 14 v. 31. 7. 1942 in diesem Bd. 33 Ebd.; MbO 8 v. 19. 6. 1942 in diesem Bd. 34 Vgl. MbO 16 u. 17 v. 14. bzw. 20. 8. 1942 in diesem Bd.

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35 Zur neuen Strategie: Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 884–892; Hartmann: Wehrmacht im Ostkrieg, S. 745–749; Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 252–260. 36 Vgl. MbO 23 v. 2. 10. 1942 in diesem Bd.; zum großangelegten Unternehmen „Sumpffieber“: Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 911 ff.; Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 252 ff. 37 Vom Kommandostab RFSS u. seinen unterstellten SS-Brigaden sind diesbezüglich genaue Dok. erhalten geblieben, vgl. Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 15, 152 f., 174 f., 177 ff. 38 Eidesstattliche Versicherung Rudolf Fumy v. 12.1. 1948, zit. in: Krausnick/Wilhelm: Die Truppe des Weltanschauungskrieges, S. 338 f.; vgl. Headland: Messages of Murder, S. 38–43. 39 MbO 55 v. 21. 5. 1943 in diesem Bd.

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 2. Januar 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 150 I) Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 2. 1.1942. Höh. SS- und Polizei-Führer Nord (101): (Jeckeln 1), Standort: Riga. Einsatzgruppe A: (Dr. Stahlecker 2), Standort: Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: Funkverbindung, Fernschreibverbindung Riga, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Estland: (Dr. Sandberger3), Standort: Reval mit Dienststellen in Narwa, Dorpat, Pernau, Ahrensburg (Ösel), N-Verbindungen: Funkverbindung Narwa, Fernschreibverbindung Reval, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Lettland: (Dr. Lange 4), Standort: Riga mit Dienststellen in Schaulen und Libau, N-Verbindungen: Funkverbindung Riga, Fernschreibverbindung Riga und Libau, Feldpost-Nr. 15447. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Litauen: (Jäger 5), Standort: Kowno mit Dienststelle in Wilna, N-Verbindungen: Funk- und Fernschreibverbindung Kowno, Wilna, Feldpost-Nr. 15641. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Weißruthenien: (Strauch 6), Standort: Minsk mit Dienststelle in Baranowicze, N-Verbindungen: Funk- und Fernschreibverbindung Minsk, Feldpost-Nr. 15641. Höh. SS- und Polizei-Führer Mitte (102): (von dem Bach 7), Standort: Mogilew. Einsatzgruppe B: (Naumann 8), Standort: Smolensk, N-Verbindungen: Funkverbindung Smolensk, Kurierverbindung über Warschau und Fernsprecher über VD Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando 7a: (Steimle 9), Standort: Rshew und Sytschewka, N-Verbindungen: Funkverbindung Rshew, Feldpost-Nr. 05607. Sonderkommando 7b: (Rausch 10), Standort: Brjansk und Kursk, N-Verbindungen: Funkverbindung a. d. Marsch, Feldpost-Nr. 18555. Einsatzkommando 8: (Bradfisch11), Standort: Mogilew, Roslawl, Orscha, Gomel, Bobruisk, N-Verbindung: Feldpost-Nr. 37857. Einsatzkommando 9: (Schäfer 12), Standort: Smolensk, Wjasma, Witebesk, Gshatsk, N-Verbindungen: Funkverbindung Wjasma, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando Moskau 13: Standort: Roslawl, N-Verbindung: Funkverbindung Roslawl. Höh. SS- und Polizei-Führer Süd (103): (Prützmann 14), Standort: Kriwoj-Rog, N-Verbindung: Fernschreibverbindung Lemberg. Einsatzgruppe C: (Dr. Thomas 15), Standort: Kiew, N-Verbindungen: Funkverbindung Kiew, Fernschreibverbindung Lemberg, von dort Kurier, Feldpost-Nr. 32704. Sonderkommando 4a: (Blobel 16), Standort: Charkow, N-Verbindungen: Funkverbindung Charkow, Feldpost-Nr. 22789. Sonderkommando 4b: (Braune 17), Standort: Kramatorsk mit Teilen in Sochnowtschina, Losowaja, Slawjansk, Konstantinowka, Artemowsk, N-Verbindungen: Funkverbindung a. d. Marsch, Feldpost-Nr. 34310.

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Einsatzkommando 5: (Meier 18), Standort: Kiew mit Teilen in Shitomir, Rowno, Winniza, N-Verbindungen: Funkverbindung Nikolajew, Fernschreibverbindung Rowno, FeldpostNr. 35102. Einsatzkommando 6: (Kröger 19), Standort: Stalino, N-Verbindungen: Funkverbindung Stalino, Feldpost-Nr. 35979. Höh. SS- und Polizei-Führer z. b. V.: (Korsemann20), Standort: Rowno. Einsatzgruppe D: (Ohlendorf21), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: Funkverbindung Simferopol, Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10a: (Seetzen 22), Standort: Taganrog, N-Verbindungen: FeldpostNr. 47540. Sonderkommando 10b: (Persterer 23), Standort: Sudak, N-Verbindungen: Funkverbindung a. d. Marsch, Feldpost-Nr. 47549. Einsatzkommando 11a: (Zapp 24), Standort: Jalta mit Teilen in Alupka und Bachtschissaraj, N-Verbindungen: Funkverbindung Jalta, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11b: (Zapp 25), Standort: Simferopol mit Teilen in Aluschta, Karasubasar, Eupatoria, N-Verbindungen: Funkverbindung Simferopol und Aluschta, FeldpostNr. 47540. Einsatzkommando 12: (Nosske26), Standort: Fedorowka, N-Verbindungen: Funkverbindung Fedorowka, Feldpost-Nr. 47540. II) Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A meldet: Allgemeine Lage vor Leningrad 27: Die verzweifelten Ausbruchsversuche der Russen an der Leningrader Einschließungsfront haben angehalten. Wiederum lag der Schwerpunkt der russischen Angriffe am Newa-Knie. Nachdem der Ladogasee teilweise zugefroren ist, wurden mehrere hartnäckige Angriffe über das Eis des Ladogasees nach Süden vorgetragen. Besonders bemerkenswert erscheint der Angriff eines Schneeschuhläuferregiments, das durchweg aus gut ausgebildeten und besonders ausgewählten Mannschaften bestand. Das Regiment war durchweg mit Maschinenpistolen bewaffnet; jeder Mann hatte Verpflegung für vier Tage bei sich (darunter auch Schokolade, Tabak usw.). Dieser Ausbruchsversuch brach wie alle übrigen im zusammengefaßten Feuer aller Waffen zusammen. Das Regiment wurde aufgerieben. Es ist bezeichnend, daß wenige Tage später an der gleichen Stelle wiederum 2 russische Schneeschuhbataillone angriffen. Auch die russische Artillerietätigkeit im Raume um Leningrad war beträchtlich und erreichte in einzelnen Frontabschnitten unerwartete Ausmaße. Allein daraus läßt sich schließen, daß die Leningrader Rüstungsindustrie bisher nur unwesentlich gestört ist. Auch die russische Luftwaffe hat sich augenscheinlich vom ersten Schock erholt. Sie griff mehrfach bei Nacht deutsche Flugplätze, Eisenbahnknotenpunkte usw. an, ohne jedoch nennenswerten Erfolg zu haben. Die deutsche Truppenführung ist immer wieder erstaunt über die Zähigkeit und Hartnäckigkeit der Russen sowie über die Geschicklichkeit bei der Aufstellung bezw. Neuformierung von Truppenkörpern. Angeschlagene Verbände, versprengte Soldaten usw. werden unmittelbar hinter der russischen Front in kürzester Frist neu zusammengefaßt und sofort rücksichtslos eingesetzt. 28 Die Fähigkeit der Russen zum Improvisieren wird deutscherseits geradezu als ausschlaggebend für die Behauptung des russischen Widerstandes angesehen. Wenn auch der Kampfwert und die Moral der „improvisierten“ Einheiten gering sind, es schlagen sich diese Rotarmisten und Leningrader Arbeiter nach wie vor mit einer sturen Hartnäckigkeit. Ohne etwas an der verzweifelten Lage der Russen in Leningrad zu ändern, werden immerhin etwa 10 deutsche Divisionen an der Ein-

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schließungsfront gebunden und vom Einsatz in anderen Abschnitten der Ostfront abgehalten. Gegen Ende der Berichtszeit wurden die am rechten Flügel der Einschließungsfront eingesetzten Divisionen der deutschen 16. Armee umgruppiert mit Schwerpunkt nach Osten. Die Einschließungsfront um Leningrad besteht nunmehr ausschließlich aus Divisionen der 18. Armee (Generaloberst v. Küchler 29), die späterhin Leningrad nehmen sollen (Dabei ist über den möglichen Zeitpunkt nichts Authentisches bekannt). Die um Leningrad eingesetzten deutschen Divisionen haben fast durchweg im Laufe des Ostfeldzuges heftige Kämpfe zu bestehen gehabt. Die Witterungsverhältnisse sowie der Übergang zum Stellungskrieg stellen nunmehr weitere starke Anforderungen an die Truppe. Stabsoffiziere höherer Stäbe äussern dazu, daß Ausmaß und Intensität der Kämpfe nicht spurlos an der Truppe vorbeigegangen seien und so manche Regimenter doch schon etwas ausgeblutet und abgekämpft seien. Im übrigen ist Stimmung und Haltung der Fronttruppe gut und zuversichtlich. Im Vordergrund aller Gespräche steht die Frage, ob und in welchem Umfange Weihnachtsurlaub gewährt wird. Im Hinblick auf Transportschwierigkeiten dürfte nur ein ganz geringer Prozentsatz der Truppe in Urlaub geschickt werden. Über die Tätigkeit der Einsatzgruppe A: Die laufende sicherheitspolizeiliche und sicherheitsdienstliche Arbeit der vorderen Teile der Einsatzgruppe um Leningrad deckt sich im Grundsätzlichen mit den bisherigen Aufgabengebieten. Zur Charakterisierung werden folgende Tätigkeitsgebiete herausgegriffen: 1) Das Erstarren der Einkreisungsfront um Leningrad gibt der sicherheitspolizeilichen Arbeit hinter der deutschen Front besondere Bedeutung. Die Überprüfung und Überholung der russischen Zivilbevölkerung ist zumeist anfangs nur unter dem Gesichtspunkt erfolgt, ausgesprochen aktive, gegen die deutsche Ordnung aufbegehrende Personen unschädlich zu machen. Im engen Zusammenarbeiten mit den Ortskommandanten sowie mehrfach auf speziellen Wunsch höherer Stäbe konnte nunmehr an eine exaktere Überprüfung der Bevölkerung herangegangen werden. Dabei mußte auch mehrfach den von Seiten der Wehrmacht eingesetzten russischen Bürgermeistern erhöhte Beachtung geschenkt werden. So wurde z. B. in Puschkin (Zarskoje-Selo) der russische Stadtrat aufgelöst, da er untragbare Beschlüsse faßte. Anstelle des Stadtrates wurde im Benehmen mit dem Ortskommandanten ein verantwortlicher Mann eingesetzt, der sich streng an die ihm gegebenen Weisungen zu halten hat. Das Zusammenarbeiten mit den Wehrmachtsdienststellen ist z. T. derartig eng, daß jeweils regelmäßig in den Dienststellen der Kommandos der Einsatzgruppe A Besprechungen über die örtlich interessierenden Fragen mit den Ortskommandanten und sonstigen beteiligten Wehrmachtsdienststellen stattfinden (so z. B. in Sluzk). Die Zahl der von den Kommandos der Einsatzgruppe A um Leningrad in der Berichtszeit durchgeführten Überprüfungen beläuft sich auf mehrere Hundert. Exekutiert wurden insgesamt 93 Personen, darunter eine Zigeunerbande, die in der Umgebung von Siwerskaja ihr Unwesen getrieben hatte. Jüdische Zivilbevölkerung ist nicht mehr vorhanden. 2) Auf besonderen Wunsch der 18. Armee ist die Erfassung der im Gefechtsgebiet um Leningrad sowie im rückwärtigen Armeegebiet ansässigen Volksdeutschen durch die Kommandos durchgeführt worden. Die Erfassung ist im allgemeinen abgeschlossen. In Hinblick auf die mit Bestimmtheit zu erwartende Hungersnot sowie die Bedrohung durch Feindeinwirkung erscheint ein beschleunigter Rücktransport der Volksdeutschen notwendig. Es ist weiterhin in engem Zusammenwirken mit AOK 18, das an allen Volkstumsfragen starkes Interesse nimmt, die Erfassung der im Ingermanland siedelnden Esten und Finnen in Angriff genommen worden. Zu dieser Erfassung werden estnische Offiziere sowie Hilfskräfte aus der finnischen Bevölkerung herangezogen. 3) Die von der Wehrmacht zumeist im An-

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Nr. 1: Leichenbeseitigung

schluß an Kriegsgefangenenlager errichteten Zivilgefangenenlager haben sich infolge von Evakuierungen aus dem unmittelbaren Frontgebiet in den letzten Wochen immer mehr gefüllt. Es wurde daher zusammen mit dem Ic/AO des AOK 18 eine Durchkämmung der Zivilgefangenenlager durchgeführt. Dazu wurden von den Kommandos zahlreiche männliche und weibliche Agenten in die Lager entsandt, um die Grundlagen für die Auskämmung zu schaffen. Es ist beabsichtigt, alle Elemente, die sich der deutschen Ordnung entgegenstellen, zu exekutieren; loyale und unbescholtene Personen sollen entlassen werden, während zweifelhafte Elemente weiterhin in den Lagern verbleiben. Nach Beendigung

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dieser Aktion sollen die Kriegsgefangenenlager unter Zugrundelegung des einschlägigen RSHA-Erlasses30 überholt werden. 4) Die Erkundung von Leningrad wurde weiterhin unter Anwendung der bereits gemeldeten Methoden mit Nachdruck betrieben. Der Ic der Heeresgruppe Nord erklärte dazu, daß dreiviertel dessen, was der Heeresgruppe über Leningrad bekannt sei, aus den Erkundungsberichten der Einsatzgruppe A stamme. Festnahmen: 1) In Dorpat wurden am 20. 11. 41 zwei Esten festgenommen, die einen Radioempfänger mit sich führten. Sie waren am 8. 11. 41 gemeinsam mit einem Russen mit Hilfe von Fallschirmen von einem sowjetischen Flugzeug bei der Ortschaft Raepina am Peipussee abgesetzt worden. Während der Russe sich sofort freiwillig der deutschen Wehrmacht stellte, gelang es den beiden Esten, sich nach Dorpat durchzuschlagen. 2) SS-Hauptscharführer Schmidt (Kommando 1a) erschoß nach zweistündigem Feuergefecht auf Ösel den 1. Sekretär der KP, Mui, der gleichzeitig stellvertretender Vorsitzender des Obersten Sowjets der Estn. SSR war und sich neuerdings als Leiter der Oeseler Partisanenorganisation „Saeren“ betätigte. 3) Das Teilkommando Krasnoje-Selo hat 5 Mann einer wichtigen Spionagegruppe des Kapitäns Nikolajeff festgenommen und der Spionage überführt. Die 5 Personen wurden zur weiteren Verwendung dem Stab der Einsatzgruppe in Krasnogwardeisk überstellt. 4) In Narwa wurde am 1. und 2. November eine Großrazzia reibungslos durchgeführt. Bei der Überholung der gesamten Stadt wurden 260 Personen festgenommen; ein Teil konnte bereits wieder entlassen werden. Die Vernehmungen dauern an. Exekutionen: 1) In Krasnoje-Selo wurden 70 verdächtige Personen verhaftet, von denen 10 wegen Partisanentätigkeit standrechtlich erschossen wurden. 2) Vom Sonderkommando 1b wurden in Sluzk und Tosno 8 Personen erschossen und zwar wegen Umhertreibens zur Nachtzeit, Partisanentätigkeit, Plünderung, Sprengstoffverbrechens und wegen Spionageverdachts. 3) Die politische Abteilung des Pol.Präsidiums in Reval legte in der Zeit vom 1.–22. 11. 41 dem Einsatzkommando 1a 282 Urteilsvorschläge vor. Davon waren: 79 Exekutionen, 154 Einweisungen in ein KZ, 49 Freilassungen. Feindpropaganda: 1) Der 18. November, der Jahrestag der Selbständigkeit Lettlands, ist überall ruhig und ohne Provokationen verlaufen. 2) In der Zeit vom 14. bis 18. November wurden in mehreren Gegenden Estlands nachts von sowjetischen Flugzeugen Flugblätter und Zeitungen abgeworfen, die zu Sabotageaktionen auffordern und sich weiterhin gegen das Direktorium Mäe richten. Bei einem sonst erfolglosen Luftangriff auf Dorpat wurden gleichfalls Flugblätter ähnlichen Inhalts abgeworfen. 3) Der Abwurf von Flugblättern am 13. 11. 41 in Weissenstein führte innerhalb der Bevölkerung zu einer zeitweiligen Beunruhigung, die sich aber bald legte. 4) Eine Tätigkeit von bolschewistischen Agenten in bezug auf Feindpropaganda konnte innerhalb der letzten zwei Wochen in Lettland und Estland nicht festgestellt werden. Erkundung Leningrad: 1) Lage der Bevölkerung: Die Verluste der Zivilbevölkerung durch Fliegerbomben und Artilleriebeschuß waren im Laufe des November erheblich, vor allem dadurch, daß auch bei Fliegeralarm in den Rüstungsbetrieben durchgearbeitet werden muß und daß die Schlangen vor den Lebensmittelläden sich ungeachtet der Artillerieeinschläge nicht zerstreuen. Die Opfer werden auf Lkws geladen und sogleich bestattet. Die Friedhöfe Smolenskji (Planqu. Qu 6) sind angeblich wegen Überfüllung gesperrt worden, doch kann der Grund auch in der Anlage von Befestigungslinien liegen, wie solche auf dem Mitrofanskji-Friedhof festgestellt wurden. Der ungenügende Zustand der Luftschutzkeller trägt ebenfalls zur Erhöhung der Todesopfer unter der Zivilbevölkerung bei, ferner die langsam steigende Kurve der Sterblichkeit infolge Entkräftung, Erkältungs- und Unterleibserkrankungen. Von eigentlichen Epidemien in größerem Umfange

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ist jedoch auch im Laufe des November nichts bekannt geworden. Nachrichten über zunehmendes Bandenwesen bestätigen sich. Die Bekämpfung dieser Banden, die nächtliche Plünderungen und Überfälle auf Lebensmittelläden ausführen, durch die sowjetischen Sicherheitsorgane scheint trotz drakonischer Maßnahmen (Erschießungen an Ort und Stelle) im ganzen wirkungslos. 2) Stimmung der Bevölkerung: Zur Hebung der passiven und teilnahmslosen Stimmung innerhalb der Bevölkerung werden von sowjetischer Seite größte Anstrengungen gemacht. Besonders stark ist die Herausgabe von Propagandabroschüren gestiegen, die die kommunistische Gesinnung und den Widerstandswillen festigen wollen. Die letzten Losungen lauten „Wir werden siegen, denn mit uns ist das Recht“ sowie „Unsere Luftwaffe hat die Überlegenheit wiedererobert“. Kinos und Theater setzen nach Möglichkeit ihre Tätigkeit fort. Mitte November sollen noch folgende Theater gearbeitet haben: „Komedia“, „Musikalnaja Komedia“, „Istrebny Teatr“, „Teatr Imeny Leninskawo Komsomola“. In den Kinos werden vornehmlich Wochenschauen, aber auch Spielfilme gegeben. Die sowjetische Propaganda bleibt in ihrem Bestreben, einen aktiven Widerstandswillen wachzurufen, wirkungslos, übt jedoch einen suggestiven Druck auf die Bevölkerung aus, deren Hoffnung auf einen baldigen deutschen Einmarsch und damit auf das Ende von Beschießung und Hunger gesunken ist: „Die Deutschen wollen Leningrad gar nicht haben“. Starke Verbitterung schafft das scharfe Arbeitstempo in den Rüstungsbetrieben, wo die tägliche Arbeitszeit 12 Stunden, in den Leninwerken sogar 14 Stunden einschl. Mittagspause beträgt, ohne daß zusätzliche Rationen ausgegeben werden. Die Ehrung eines Stachanow-Arbeiters durch die „Leningrader Prawda“, der in einem Rüstungsbetrieb 48 Stunden pausenlos gearbeitet habe, läßt darauf schließen, daß tatsächlich über die erwähnte Norm hinaus noch erhebliche Überstunden gefordert werden. Anfang November soll es in zwei namentlich nicht bekannten Rüstungsbetrieben zu lokalen Unruhen gekommen sein. Am 7. November hatte sich auf dem Ssenaja-Platz (Planqu. N 6) eine riesige Menschenmenge angesammelt, da gerüchteweise verlautet, daß hier anläßlich des Sowjetfeiertages Lebensmittel ohne Karten ausgegeben werden sollten. Hierbei kam es zu Prügelszenen, Schimpfereien und Rufen: Erhebt Euch zum Aufstand. Die Miliz reagierte darauf, indem sie in die Menge hineinschoß, wobei es eine Anzahl Tote und viele Verwundete gab. Eine andere Skandalszene wird aus einem Bierkeller berichtet, wo ein betrunkener Soldat als Antwort darauf, daß ihm kein Bier mehr ausgegeben wurde, eine Handgranate in die versammelte Menge warf und dabei schrie: „Ich verrecke an der Front, ihr aber sollt hier sterben“. Es gab dabei sieben Tote. 3) Versorgungslage: Die Versorgung mit Elektrizität und Wasser ist infolge Artilleriebeschusses in mehreren Bezirken gestört gewesen, wird jedoch dem Anschein nach gewöhnlich bald wiederhergestellt. Heizmaterial wird durch Abbruch von Holzhäusern in den Vorstädten beschafft; angeblich soll jedes dritte Haus abgebrochen werden. In den zentral beheizten Gebäuden soll die Höchsttemperatur 19 Grad R betragen. Vor der Einschließung Leningrads waren erhebliche Mengen von Lebensmitteln in der Stadt eingespeichert. Abgesehen von früheren Reserven war der Viehbestand der von der Roten Armee geräumten Gebiete beim Rückzug mitgetrieben und soweit als möglich auch die Körnerernte erfaßt worden. Aus diesem Grunde konnte die Ernährungslage der Stadt längere Zeit hindurch einigermaßen stabil gehalten werden, zeigte aber dann eine eindeutig absinkende Tendenz. Bekannt ist, daß die Stadt noch längere Zeit über Tichwin–Ladogasee und Oranienbaum–Kronstadt mit Lebensmitteln versorgt wurde. Der Umfang dieser Transporte ist im einzelnen nicht bekannt, darf jedoch nicht überschätzt werden.

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Die tägliche Brotration betrug im September 600 gr für Arbeiter und 400 gr für Angestellte, Familienangehörige und Kinder. Sie wurde Anfang Oktober auf 400 resp. 200 gr gesenkt und konnte über einen Monat auf dieser Höhe gehalten werden. Die nächste Senkung erfolgte zu Beginn der zweiten Novemberdekade auf 300 resp. 250 gr, um dann mit Beginn der dritten Novemberdekade eine abermalige Kürzung auf 250 resp. 125 gr zu erfahren. Die Fleischrationen haben sich seit Anfang Oktober konstant auf 500 gr für Arbeiter, 250 gr für Angestellte, Angehörige und Kinder für je 10 Tage halten können. Grütze wurde im Oktober noch einheitlich 600 gr für Arbeiter, 300 gr für Angestellte, Angehörige und Kinder auf die Dekade ausgegeben. Kinder erhielten 400 gr Reis. Seit 1. November erfolgte eine Senkung auf 500 gr für Arbeiter, die Normen für Angestellte, Angehörige und Kinder wechselten. Eine fühlbare Abnahme zeigte die Zuckerzuteilung, die Ende Oktober noch 300 gr je Dekade für Arbeiter betrug, wobei zusätzlich 250 gr Bonbons ausgegeben wurden. Diese Zuteilung sank am 1. November auf 250 gr Zucker, erhöhte sich aber auf 350 gr Bonbons. Angestellte, Angehörige und Kinder erhielten jetzt 100 gr Zucker und 250 gr Bonbons. Zum 11. November erfolgte eine abermalige Senkung der Zuckerzuteilung auf 150 gr für Arbeiter und 50 gr für Angestellte, Angehörige und Kinder. Die Bonbonzuteilung änderte sich unbedeutend. Kartoffeln und Kohl sind zuletzt Ende September, in einigen Fällen nach Anfang Oktober ausgegeben worden und seither nicht mehr erhältlich. Die ausgegebenen Mengen betrugen 10 resp. 2 Kilo als Monatszuteilung. In Speisehäusern gibt es ab und zu Kartoffeln als Beikost, wobei jeweils ein 24-gr-Abschnitt der Grützenkarte abgetrennt wird. Petroleum wurde im Oktober noch ausgegeben, und zwar gab es 1 1/2 Liter für den Monat. Im November ist kein Petroleum mehr ausgeliefert worden. Es folgt eine Übersicht über die Zuteilungen in den drei Novemberdekaden. Bemerkenswert ist, daß ein Ausgleich für die gesenkte Brotration in Form von erhöhten Oel- bezw. Butterrationen versucht worden ist, die jedenfalls über den im Oktober ausgegebenen Normen liegen (Butterzuteilung Ende Oktober: Arbeiter 100 gr, Angestellte und Angehörige 50 gr, Kinder 100 gr).

Brot Zucker Bonbons Grütze Oel Butter Fleisch Fisch

1.–10. Nov. Arb. Angest. Kinder Angeh. 400 200 200 250 100 – 350 250 – 500 250 – ? 150 – 150 – 150 500 250 250 100 100 100

11.–20. Nov. Arb. Angest. Kinder Angeh. 300 150 150 150 50 – 350 250 – 500 150/300 – 300 200/150 – – – 185 500 250 – – – –

21.–30. Nov. Arb. Angest. Kinder Angeh. 250 125 125 150 50 50 350 250/150 250 500 350 350 – 150 ? 280 – ? 500 250 ? – – –

Kinder erhalten je Dekade 10 Eier oder 120 g Eierpulver. Am Revolutionsfeiertag des 7. November wurde eine allgemeine Sonderzuteilung in Form einer Tafel Ersatzschokolade, 1/2 Liter Rotwein und 200 gr gesalzene Tomaten ausgegeben. Im einzelnen ist es möglich, für bestimmte Nahrungsmittel Tauschprodukte zu erhalten, so statt Fleisch Fischkonserven im gleichen Gewicht oder Gallert im dreifachen Gewicht. Für 100 gr Oel konnte ab und zu 75 gr Käse entnommen werden. Für 100 gr Brot 50 gr bezw. 75 gr Süßgebäck. Statt Grütze wird in letzter Zeit vielfach Sojaschrot oder Maismehl ausgegeben. Bereits seit Anfang Oktober wird das Brot mit Hafermehlbeimengung gebacken. Seit Anfang No-

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vember sind Beimengungen von Oelpressrückständen festzustellen. Die verschlechterte Ernährungslage macht sich seit Anfang November im Gesundheitsbild der Bevölkerung geltend. Hungerschwellungen werden vielfach beobachtet. Doch konnten bisher Bemittelte sich auf dem Wege des Schleichhandels zusätzlich versorgen. Der Preis für einen Laib Brot von ca. 1000 gr Gewicht betrug im Schleichhandel am 8. November 50 Rubel, in einem anderen Fall am 12. November 60 Rubel. Für einen Eimer Sauerkraut wurden 100 Rubel bezahlt. Von den Einsatzgruppen B und C liegen keine Meldungen vor. Einsatzgruppe D meldet: 1) Lage und Stimmung: Gesamtstimmung ist nach wie vor beherrscht durch Sorge um Ernährung. Ablehnende Haltung der Bevölkerung gegen Judentum hat sich bestätigt. Erschießungen der Juden wurden im wesentlichen positiv aufgenommen, nachdem ursprüngliche Furcht vor gleicher Behandlung gewichen. Wehrmacht versucht Ernährungslage in den Städten zu bessern durch Aufforderung zur Ablieferung der versteckten Lebensmittel und anschließende gerechte Verteilung an die Bevölkerung. In Kertsch–Karasubasar positives Ergebnis. Ernährung dort für 4 Wochen gesichert. In Simferopol gleiche Aktion im Gange. Haltung gegen deutsche Besatzung nach wie vor vertrauensvoll. Tataren zur positiven Mitarbeit bereit. Bieten aktiven Kampf gegen Partisanen an, sogar Aufstellung eigener Einheiten. Viele Dörfer überfallen. Zur Abwehr bereit, falls Waffen gestellt werden 2) Kirche: Die Rumänen setzen die Taufe und Übernahme der Patenschaften in Karasubasar fort. Weitere Tätigkeit der Bandera-Bewegung in der Berichtszeit nicht festgestellt. 3) Partisanen: Die Teilkommandos setzten ihre Nachrichtenarbeit gegen die Partisanen mit Erfolg fort. Nach wie vor werden einzelne Wehrmachtsfahrzeuge beschossen und angefallen. Neuerdings überfielen Partisanen nachts Dörfer und holten sich Lebensmittel, Schafe, Großvieh u. a. Dabei sind deutschfreundliche Personen verschleppt worden. Auf einzelnen Wegen führten sie Straßenkontrollen durch. Abgefangene Kurierbriefe bestätigen, daß die Partisanenstäbe über Nachrichtenverbindungen in den einzelnen Ortschaften verfügen. Die bisher durchgeführte Flugblattpropaganda gegen die Partisanen bewirkte vorübergehend einen Stimmungsrückgang, dem durch die Partisanenführer in scharfer Form entgegengetreten wurde. Seit Anfang Dezember ist bei der 11. Armee ein besonderer Stab für Partisanenbekämpfung eingesetzt. 31 Dieser Stab hat die Aufgabe, den Truppeneinsatz einheitlich zu leiten. Der Stab arbeitet eng mit den einzelnen Teilkommandos zusammen, die für die geplanten Großaktionen ihre Ermittlungsergebnisse, Pläne und Gewährsmänner zur Verfügung stellen und damit den Erfolg dieser Aktionen sicherstellen. Am 13. 12. eine Großaktion gegen die Partisanenabteilung Maschkarin im Abschnitt Jalta–Alupka unter Einsatz rumänischer Gebirgstruppen und deutscher Pioniere durchgeführt. Das Kommando 11a stellte die Unterlagen und die gesamte Planung. Ergebnis: 40 Partisanen getötet, 28 Lebensmittellager, 4 Weinlager erbeutet, zahlreiche Waffen und Munition vernichtet. Partisanenabteilung dieses Raumes wurde damit aufgerieben. Unter den erschossenen Partisanen befanden sich der Chef des 4. Partisanenbezirks, Generalmajor Awerkin, und der Kommandeur des 14. Vernichtungsbatl., Hauptmann Tamarli. Nach langen Vorbereitungen wurde am 16. 12. die Aktion gegen die Führungstruppe des Oberstleutnant Makroussow, des obersten Partisanenführers auf der Krim, durchgeführt und erfolgreich abgeschlossen. Das Teilkommando Aluschta des Sonderkommandos 11b hatte diese Aktion nachrichtlich vorbereitet und den Plan für die Durchführung ausgearbeitet. Die Gruppe Makroussow wurde völlig aufgerieben, 119 getötet, 12 gefangen und 21 Unterkünfte zerstört. Makroussow ist nach Gefangenenaussagen in der Nacht zum 13. 12.

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mit seiner Frau aus der Unterkunft geflohen. Am 16. 12. durch Kommando 10b eine Aufklärungsaktion in Udisa. 10 Partisanen erschossen, 1 gefangen; ein Lebensmittellager, 35 Gewehre, 2 MG, 2 Lkw erbeutet. Bei einer anderen Aktion im Raum Aluschta am 26. 11., die vom Teilkommando Aluschta vorbereitet war und von rumänischen Truppen durchgeführt wurde, wurden 60 Partisanen erschossen und 20 gefangen. 4) Juden: Simferopol, Jewpatoria, Aluschta, Karasubasar, Kertsch und Feodosia sowie weitere Teile der West-Krim judenfrei gemacht. 32 Vom 16. 11. bis 15. 12. wurden 17645 Juden, 2504 Krimtschaken, 824 Zigeuner und 212 Kommunisten und Partisanen erschossen. Die Gesamtzahl der Exekutionen 75881. Gerüchte über Erschießungen aus anderen Gebieten erschwerten Aktion in Simferopol erheblich. Allmählich sickert durch geflüchtete Juden, Russen und auch Redereien deutscher Soldaten Vorgehen gegen Juden durch. III) Reich und besetzte Gebiete: 1) Kärnten und Krain: Der Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in den besetzten Gebieten Kärntens und Krains in Veldes meldet: In der Nacht zum 17. 2. 1941 [sic] wurde der Gendarmerieposten Lengenfeld von einer bewaffneten Bande ausgehoben, die drei am Posten eingesetzten Gendarmen wurden als Geiseln mitgenommen. Außerdem wurde gemeldet, daß ca. 20 Mann aus der Ortschaft geflüchtet sind und sich der Bande angeschlossen haben. Den drei Gendarmen gelang es nach kurzer Zeit zu entkommen. Nach ihren Angaben wurden sie durch eine Bande verschleppt, deren Angehörige ihnen vollkommen unbekannt waren und die somit nicht aus ihrem Dienstbereich gestammt hat. Auch die übrigen 20 Mann aus der Ortschaft Lengenfeld seien gewaltsam ausgehoben und zum Mitgehen gezwungen worden, nur einige hätten sich freiwillig der Bande angeschlossen. Die Familienangehörigen dieser freiwillig mitgegangenen Männer werden evakuiert. Außerdem werden sämtliche zweifelhaften Elemente in Haft gesetzt. Der gesamten übrigen Bevölkerung wurde öffentlich erklärt, welche Folgen es für sie habe, wenn sie den Verhetzungen der Banditen Glauben schenke, die immer wieder Gerüchte über eine augenblickliche Schwäche Deutschlands und eine Evakuierung verbreiten (Vorwiegend mit dem letzteren Argument wird auf die Bevölkerung eingewirkt, die vor dem Verlassen von Grund und Boden mehr Angst als vor dem Erschießen hat). Der Bevölkerung wurde die tatsächliche Lage erklärt und mitgeteilt, daß eine Aussiedlung nur für diejenigen in Frage käme, die mit den Banden mitarbeiten oder Wahrnehmungen über Bandenbewegungen verschweigen. In verschiedenen anderen Orten wurde ebenfalls festgestellt, daß die Banditen laufend derartige Gerüchte unter die Bevölkerung bringen, um diese für eine Mitarbeit bereit zu machen. Für eine entsprechende Aufklärung wurde Sorge getragen. Zu irgendwelchen Vorfällen in den Betrieben, insbesondere in den Rüstungsbetrieben, ist es nicht gekommen. In den Werken der KIG fehlen von einer Belegschaft von ca. 4000 Mann ungefähr 130 Personen; eine weitere Flucht von Arbeitern fand nicht statt. In Assling wurde eine Organisation der Befreiungsfront ausgehoben; bisher wurden 7 Personen festgenommen, weitere Festnahmen stehen bevor. Derzeit ist in drei Gebieten der Aufenthalt von Banden festgestellt; gegen eine dieser Gruppen läuft z. Zt. eine größere Aktion der Schutzpolizei, der auch ein Kommando der Sicherheitspolizei beigegeben ist. Mehrfach ist es schon zu einer Berührung mit dem Gegner gekommen; nähere Einzelheiten liegen noch nicht vor. Der Aufenthalt der beiden anderen Banden ist bereits durch V-Männer in Erfahrung gebracht und nach Abschluß der laufenden Aktion wird sofort gegen die Bande im Gebiet des Bezirkes Laak vorgegangen, die am gefährlichsten und am besten organisiert sein soll. Sonst ist es zu keinen weiteren Vorfällen gekommen. Zu den Banden

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geflüchtete Partisanen kehren teilweise wieder zurück. In der Ortschaft Schwarzenberg sind die Dienststellen der Zollbehörde und der Schutzpolizei eingeschlossen worden; eine Kompanie Schutzpolizei wurde sofort zum Entsatz über ital. Gebiet zum Einsatz gebracht. Im Poellandtal und bei den Ortschaften Schwarzenberg und Lucna im Bezirk Laak hat die Schutzpolizei nach dem 24. 12. 41 Feuerberührung mit mehreren Banden gehabt. Im Bezirk Laak haben die Banditen mit der Waffe in der Hand versucht, die Bevölkerung zum Mitgehen zu zwingen. In einigen Gemeinden ist daraufhin ein Teil der Bevölkerung geflüchtet, ein anderer Teil gezwungen mitgegangen. Die nahegelegene ital. Grenze wurde auf deutsches Ersuchen von den Italienern entsprechend besetzt, um einen Übertritt über die Grenze zu verhindern. Ein großer Teil der im Bezirk Radmannsdorf geflüchteten Personen ist inzwischen zurückgekehrt. In Assling, wo ursprünglich 140 Personen geflüchtet waren, fehlen noch über 20, im Wocheinertal, wo etwas über 200 Personen gefl. waren, etwa 30. Ein Teil der Zurückgekehrten ist festgenommen worden und wird vernommen. Im allgemeinen dürfte feststehen, daß es vorwiegend an der notwendigen Aufklärung der Bevölkerung gefehlt hat, die jetzt von seiten des Gauleiters mit allem Nachdruck einsetzt. Entsprechende Aufrufe wurden in großer Auflage unter die Bevölkerung gebracht. In Assling gelang es, die gesamte Organisation aufzurollen und über 30 Personen festzunehmen, darunter auch diejenigen Personen, die den Schmuggel von Propagandamaterial aus Laibach in das besetzte Gebiet ermöglicht hatten. In Laibach wurde aufgrund der von deutscher Seite gelieferten Angaben der illegale Sender der „Befreiungsfront“ ausgehoben und mehrere Personen festgenommen. 2) Untersteiermark: Der Kommandeur der Sipo u.d. SD in Marburg meldet: In der Nacht zum 26. 12. 41 wurden ein Werkschutzmann und zwei Nachtwächter des Kohlenbergwerkes Eichtal (Hrastnik) von einer etwa 13 Mann starken kommunistischen Bande überfallen. Drei Personen trugen jugosl. Uniform, die übrigen Zivilkleidung. Der Werkschutzmann und die Nachtwächter wurden getötet, eine in der Nähe stehende Baracke in Brand gesteckt. BAB, R 58/219 1 Friedrich Jeckeln, geb. 1895, Soldat 1914–1918, zuletzt als Lt., Ingenieur, 1929 NSDAP, 1930 SS, 1931 Oberf., 1932 MdR, Jan.–Juli 1933 Fhr. SS-Gruppe Süd, August 1933 Fhr. OA Nordwest u. Gruf., 1936 Fhr. OA Mitte u. Ogruf., Juli 1940–Mai 1941 Fhr. OA West, danach HSSPF Rußland-Süd, Okt. 1941–1945 HSSPF Ostland u. Rußland-Nord, 1945 in Riga zum Tod verurteilt, 1946 hingerichtet; BAB, BDC, SSO Friedrich Jeckeln; BAL, ZK: Friedrich Jeckeln; Frank Flechtmann: „Und nun erst recht!“ Ein Hornberger läßt schießen, in: Die Ortenau 76(1996), S. 471–491; Richard Breitman: Friedrich Jeckeln. Spezialist für die „Endlösung“ im Osten, in: Smelser/Syring: Die SS: Elite unter dem Totenkopf, S. 267–275. 2 Dr. Franz Walter Stahlecker, geb. 1900, Jurastudium, 1919/20 als Angehöriger des Tübinger Studentenbtl. u. a. im Ruhrkampf im Einsatz, danach Organisation Escherich, Organisation Consul u. DSTB, 1923 NSDAP bis zum Verbot, 1924 Referendarexamen, 1927 Dr.jur. u. Assessorexamen, danach im württembergischen Landesdienst, 1930 Arbeitsamtsdirektor in Nagold, 1932 SS, 1933 erneut NSDAP, zurückdatiert auf 1932, Mai 1933 stellv. Leiter des Württembergischen Politischen Landespolizeiamtes, Mai 1934 dessen Leiter, Okt. 1936 Chef Stapo-Leitstelle Stuttgart, Mai 1937 dto. Stapo-Leitstelle Breslau, 1938 SD-Fhr. im SS-OA Donau, März 1939 als Staf. Kdr. EG II Brünn, anschließend BdS Böhmen u. Mähren, Mai 1940 als Oberf. BdS Norwegen, Nov. 1940 zur informatorischen Beschäftigung ins AA, Febr. 1941 Brif., Sommer 1941 Kdr. EG A, Dez. 1941 BdS Ostland, am 23. 3. 1942 Tod als Folge eines Partisanenangriffs; Personalakte, HStAS, E 130c, Bü 112; Übersicht CdS über IdS v. 24. 9. 1938, Runderlaß CdS v. 24. 3. 1939, dto. RSHA I B 1 v. 7. 5. 1940, sämtlich BAB, R 58/241; Jürgen Schuhladen-Krämer: Die Exekutoren des Terrors. Hermann Mattheiß, Walther Stahlecker, Friedrich Mußgay, Leiter der Geheimen Staatspolizeileitstelle Stuttgart, in: Michael Kißener/Joachim Scholtyseck (Hrsg.): Die Führer der Provinz. NS-Biographien aus Baden und Württemberg, Konstanz 1997, S. 405–443; Hans-Joachim

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Lang: Die mörderische Karriere des Walter Stahlecker, in: Erinnern gegen den Schlussstrich. Zum Umgang mit dem Nationalsozialismus, Freiburg 1997, S. 147–156; Heinz-Ludger Borgert: Stahlecker, Walter, in: Maria Magdalena Rückert (Hrsg.): Württembergische Biographien, Bd. 1, Stuttgart 2006, S. 267–269; Sigrid Brüggemann: Walter Stahlecker. Chef der Gestapo in Stuttgart und Massenmörder, in: Hermann G. Abmayr (Hrsg.): Stuttgarter NS-Täter. Vom Mitläufer bis zum Massenmörder, Stuttgart 2009, S. 126–133; falsche Angaben bei Gerald Reitlinger: Die Endlösung. Hitlers Versuch der Ausrottung der Juden Europas 1939–1945, Berlin 19927, S. 212 f. 3 Dr. Martin Sandberger, geb. 1911, Jurastudium, 1931 NSDAP u. SA, 1932/33 Studentenschaftsführer Tübingen, 1933 Referendarexamen u. Dr.jur., 1934/35 hauptamtlich beim Chef des SA-Ausbildungswesens, Mai 1935 SS, Jan. 1936 Referent u. Abt.leiter SD-OA Südwest, 1936 Assessorexamen, 1938 Stubaf., 1939–1941 Leiter Einwandererzentralstelle Nordost des CdS in Lodsch/Litzmannstadt, Febr. 1940 zudem Referent I B 3 (Lehrplangestaltung der Schulen) im RSHA, Sommer 1941 Kdr. SK 1a, Dez. 1941 KdS Estland, 1942 Ostubaf., Sept. 1943 Leiter III beim BdS Italien, Jan. 1944 Gruppenleiter VI A im RSHA, 1945 Staf., 1948 im Nürnberger EG-Prozeß zum Tod verurteilt, später zu lebenslanger Haft begnadigt, 1958 entlassen, gest. 2010; BAB, BDC, SSO u. RuSHA Dr. Martin Sandberger; Affidavit dess. v. 23. 4. 1947, IfZ, Nbg. Dok. NO-2891; BAL, ZK: Dr. Martin Sandberger. 4 Dr. Rudolf Lange, geb. 1910, Jurastudium, 1932 Referendarexamen, 1933 SA u. Dr.jur., 1936 SS, Assessorexamen u. zum Gestapa einberufen, 1937 NSDAP, 1938 Abt.leiter II B der Stapo-Leitstelle Wien u. Ostuf., 1939 stellv. Chef Stapo-Leitstelle Stuttgart, 1940 dto. Stapo-Stellen Weimar u. Erfurt, dann dto. Stapo-Leitstelle Berlin, 1941 Stubaf. u. seit Sommer Leiter IV EG A, Dez. 1941 KdS Lettland, 1943 Ostubaf., Jan. 1945 KdS Posen, im Febr. dort Selbstmord; BAB, BDC, SSO u. RuSHA Dr. Rudolf Lange; BAL, ZK: Dr. Rudolf Lange; Wilhelm: Die Einsatzgruppe A, S. 485; Peter Klein: Dr. Rudolf Lange als Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Lettland, in: Kaiser: Täter im Vernichtungskrieg, S. 125–136; Angrick/Klein: Die „Endlösung“ in Riga, S. 53 f., 199–202, 209 ff., 248–255, 262 f., 271–275, 292 f., 295 f., 343 ff., 350 f., 369 f., 372 ff., 384 ff., 387 ff. 5 Karl Jäger, geb. 1888, Orgelbaufabrikant, Soldat 1914–1918, 1923 NSDAP, 1933 SS, 1936 Hstuf. u. Fhr. des Sturmbannes III/13 Ludwigsburg, 1937 Stubaf., 1938 SD-HA u. Ostubaf., April 1939 Fhr. SD-LA Münster, 1940 Staf. u. SD-Frh. EK II in den Niederlanden, Sommer 1941 Kdr. EK 3, Dez. 1941 KdS Litauen, Mai 1944 Polizeipräsident Reichenberg, Selbstmord 1959 in Haft; BAB, BDC, SSO u. RuSHA Karl Jäger; Vern. dess. v. 15., 16., 18. u. 19. 6. 1959, BAL, B 162/2503, Bl. 1885 ff., 1889 ff., 1909 ff., 1925 ff.; BAL, ZK: Karl Jäger; Wolfram Wette: Verweigerte Erinnerung. Der Fall Karl Jäger, in: GWU 55(2004), S. 83–94; ders.: Karl Jäger. Der Mörder der litauischen Juden, Frankfurt/M. 2011. 6 Eduard Strauch, geb. 1906, Jurastudium, 1931 NSDAP u. SS, 1932 Referendarexamen, 1934 hauptamtlich zum SD, 1935 Ustuf. u. Fhr. SD-UA Arnsberg, dann dto. SD-Abschnitt Dortmund, 1937 Hstuf., 1938 Stubaf., 1939 Ostubaf., Sept. 1939 SD-Fhr. EG II in Polen, März 1941 Fhr. SD-LA Königsberg, Anfang Nov. 1941 Kdr. EK 2, Dez. 1941 KdS Weißruthenien, Juli 1943 Ic beim Chef der Bandenkampfverbände, April 1944 zum Bevollmächtigten des CdS nach Brüssel, Juni 1944 KdS Wallonien in Lüttich, Okt. 1944 Ic beim III. SS-Pz.-Korps, 1948 im Nürnberger EG-Prozeß zum Tod verurteilt, an Belgien ausgeliefert, dort 1949 ebenfalls zum Tod verurteilt, 1952 zu lebenslanger Zwangsarbeit begnadigt, 1955 gest. in Haft; BAB, BDC, SSO u. RuSHA Eduard Strauch; BAL, ZK: Eduard Strauch; Wilhelm: Die Einsatzgruppe A, S. 489 f.; Mallmann/Böhler/Matthäus: Einsatzgruppen in Polen, S. 26, 104. 7 Erich von dem Bach-Zelewski, geb. 1899, 1914 Kriegsfreiwilliger, 1919 DSTB, 1919–1924 Grenzschutz Oberschlesien, Landwirt, 1930 NSDAP, 1931 SS, 1932 MdR, 1933 Brif., 1934 Gruf., Fhr. SS-OA Nordost u. Chef Stapo-Leitstelle Königsberg, 1936 Fhr. SS-OA Südost, 1938 HSSPF Südost, 1941 Ogruf. u. HSSPF Rußland-Mitte, 1943 Chef der Bandenkampfverbände, Sommer 1944 mit Niederschlagung des Warschauer Aufstandes beauftragt, Zeuge der Anklage im Nürnberger Prozeß, 1950 Haftentlassung, 1962 vom LG Nürnberg zu lebenslanger Haft verurteilt, gest. 1972; BAB, BDC, SSO Erich von dem Bach-Zelewski; BAL, ZK: Erich von dem Bach-Zelewski; Andrej Angrick: Erich von dem Bach-Zelewski. Himmlers Mann für alle Fälle, in: Smelser/Syring: Die SS: Elite unter dem Totenkopf, S. 28–44. 8 Erich Naumann, geb. 1905, kaufmännischer Angestellter, 1929 NSDAP, 1930 SA, 1933 Fhr. des SAHochschulamtes in Dresden, 1935 als Stubaf. zur SS u. Abt.leiter im SD-HA, 1936 Fhr. SD-Abschnitt Nürnberg, 1937 dto. SD-OA Stettin, März–Aug. 1938 dto. SD-OA für Österreich, dann dto. SD-OA Ost u. IdS Berlin, 1939 Kdr. EG VI in Polen, danach wieder IdS Berlin, Ende Okt./Anfang Nov. 1941 Kdr. EG B, März 1943 zurück als IdS Berlin, seit Juni zusätzlich IdS Stettin, Sept. 1943 BdS Niederlande, Juni 1944 IdS Nürnberg, 1948 im Nürnberger EG-Prozeß zum Tod verurteilt, 1951 hingerichtet; BAB, BDC, SSO

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Erich Naumann; Affidavit dess. v. 27. 6. 1947, IfZ, Nbg.Dok. NO-4150; BAL, ZK: Erich Naumann; Mallmann/Böhler/Matthäus: Einsatzgruppen in Polen, S. 39, 62, 105, 144. 9 Eugen Steimle führte das SK 7a bis zu seiner Abberufung Ende Nov. 1941. Als das Kdo. in Kalinin Anfang Dez. von der sowjetischen Gegenoffensive überrascht wurde u. den Rückzug antreten mußte, trat Kurt Matschke kommissarisch an die Spitze: Geb. 1908, abgebrochenes Jurastudium, 1932 NSDAP u. SS, 1934 Kriminalangestellter Stapo-Stelle Liegnitz, 1935 dto. Saarbrücken, 1936 KK u. Ostuf., Sept. 1941 zum SK 7a, Juli 1942 zurück nach Saarbrücken, 1943 zur Stapo-Stelle Köln, 1948 zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt, 1954 vom Schwurgericht Köln zu 2 Jahren Zuchthaus verurteilt, 1966 zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt; BAB, BDC, SSO Kurt Matschke; BAL, ZK: Kurt Matschke; Urteil LG Essen v. 10. 2. 1966, BAL, B 162/14199. 10 Günther Rausch, geb. 1909, Jurastudium ohne Abschluß, 1930 NSDAP, 1931 SS, 1933 Hilfspolizei, Okt. 1933 Referent SD-OA Ost, Jan. 1936 Leiter Hauptabt. II 21 im SD-HA, danach Stabsfhr. SD-OA Nord, 1939 Stubaf., Nov. 1939–Febr. 1940 im Umsiedlungskdo. Galizien-Wolhynien, Sommer 1941 Kdr. SK 7b bis Febr. 1942, danach als Ostubaf. Fhr. SD-LA Königsberg, 1944 KdS Lille, 1945 KdS Stuttgart, gest. 1964; BAB, BDC, SSO u. RuSHA Günther Rausch; BAL, ZK: Günther Rausch. 11 Dr. Otto Bradfisch, geb. 1903, Jurastudium, 1926 Dr.jur., 1931 NSDAP, 1932 Referendarexamen, 1935 Assessorexamen, 1937 stellv. Leiter Stapo-Stelle Saarbrücken, 1938 SS als Ostuf. u. Leiter StapoStelle Neustadt/Weinstraße, 1939 Stubaf., Sommer 1941 Kdr. EK 8 bis April 1942, dann Leiter StapoStelle Litzmannstadt, 1943 Ostubaf. u. kommissarischer Oberbürgermeister, 1944 KdS Litzmannstadt, 1945 KdS Potsdam, 1961 vom LG München I zu 10 Jahren Haft u. 1963 vom LG Hannover zu 7 Jahren Haft verurteilt, zusammengezogen zu 13 Jahren Gesamtstrafe, entlassen 1969, gest. 1994; BAB, BDC, SSO Dr. Otto Bradfisch; Vern. dess. v. 9. u. 27. 6. 1958, BAL, B 162/5029, Bl. 2 ff., 33 ff.; dto. v. 2. 2. 1962, BAL, B 162/5032, Bl. 501 ff.; Urteil LG München I v. 21. 7. 1961, BAL, B 162/14193; dto. LG Hannover v. 18. 11. 1963, BAL, B 162/14156; BAL, ZK: Dr. Otto Bradfisch; Peter Klein: Der Mordgehilfe. Schuld und Sühne des Dr. Otto Bradfisch, in: Mallmann/Angrick: Die Gestapo nach 1945, S. 221–234; Arad: The Holocaust in the Soviet Union, S. 130, nennt fälschlicherweise den Namen Brandisch. 12 Oswald Schäfer, geb. 1908, Jurastudium, 1931 Referendarexamen, 1933 NSDAP u. SA, 1935 nach Assessorexamen ins Gestapa, 1936 SS, 1937 Leiter Stapo-Stelle Wesermünde, 1938 Stubaf., 1940 Chef Stapo-Leitstelle Reichenberg, Okt. 1941 Kdr. EK 9, Febr. 1942 Chef Stapo-Leitstelle München, 1942 Ostubaf., 1951 vom LG München zu 2 Jahren Haft verurteilt, nach Revision 1954 freigesprochen, 1966 vom LG Berlin erneut freigesprochen, gest. 1991; BAB, BDC, SSO u. RuSHA Oswald Schäfer; Urteile LG München I v. 29. 5. 1951 u. 30. 9. 1954, BAL, B 162/14414; Urteil LG Berlin v. 6. 5. 1966, BAL, B 162/ 14204; BAL, ZK: Oswald Schäfer. 13 Seit 1. 11. 1941 wurde das VKM geleitet von Wilhelm Bock, geb. 1903, kaufmännischer Angestellter, 1929 NSDAP u. SA, 1931 SS, 1933 Chef Gestapa u. Kripo Lübeck, 1935 Hstuf., 1937 zur Stapo-Leitstelle Berlin, 1938 als Abt.leiter II (Exekutive) zur Stapo-Leitstelle Wien u. Stubaf., 1940 KR, Juli 1942 SSPStF Winniza, 1943 Chef Stapo-Leitstelle Berlin u. Ostubaf., 1944 Staf., 1945 wahrscheinlich gefallen; BAB, BDC, SSO Wilhelm Bock; GVP EG B (undat./Anfang 1942), BA-ZA, ZR 920/52; BB CdS Nr. 29 v. 11. 7. 1942, BAB, RD 19/2; BAL, ZK: Wilhelm Bock. 14 Hans Adolf Prützmann, geb. 1901, Freikorps 1918–1921, Grenzschutz Oberschlesien 1923/24, Agrarstudium, landwirtschaftlicher Beamter, 1929 NSDAP u. SA, 1930 SS, 1932 Staf. u. MdR, 1934 Gruf. u. Fhr. SS-OA Südwest, 1937 dto. SS-OA Nordwest, 1938 HSSPF Nordwest, Mai 1941 HSSPF Nordost u. Rußland-Nord, Okt. 1941 HSSPF Rußland-Süd, Nov. 1941 Ogruf., Okt. 1943 Höchster SS- u. Polizeiführer Ukraine, Nov. 1944 Bevollmächtigter Deutscher General in Kroatien u. als Generalinspekteur der Spezialabwehr zuständig für Werwolf, 1945 Selbstmord in britischer Haft; BAB, BDC, SSO Hans Adolf Prützmann; BAL, ZK: Hans Adolf Prützmann. 15 Dr. Max Thomas, geb. 1891, Medizinstudium, 1914 Kriegsfreiwilliger, 1916 Lt., 1923 Dr.med., 1924 praktischer Arzt, 1933 NSDAP u. SS, 1935 zum SD-OA Rhein, 1936 Ustuf. u. Abt.leiter SD-UA Kassel, 1938 Stubaf., 1939 Ostubaf. u. SD-Fhr. OA Rhein, 1940 Beauftragter des CdS in Frankreich u. Belgien, Oberf. u. Brif., Mitte Nov. 1941 Kdr. EG C, März 1942 BdS Ukraine, Nov. 1942 Gruf., Aug. 1943 Amtsentbindung nach Flugzeugabsturz, Mai 1945 unter falschem Namen wieder Arzt, gest. Dez. 1945; BAB, BDC, SSO u. RuSHA Dr. Max Thomas; BAL, ZK: Dr. Max Thomas. 16 Paul Blobel, geb. 1894, Soldat 1914–1918, Architekt, 1931 NSDAP u. SA, 1932 SS, 1933/34 Hilfsbeamter Stapo-Stelle Düsseldorf, Juni 1934 Leiter SD-UA Düsseldorf, 1936 Hstuf., 1938 Stubaf., 1941 Staf. u. Kdr. SK 4a bis Jan. 1942, dann RSHA, Leiter der Enterdungskdos. 1005, Sommer 1944 Kdr. z. b. V.Gruppe Iltis, 1948 im Nürnberger EG-Prozeß zum Tod verurteilt, 1951 hingerichtet; BAB, BDC,

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SSO Paul Blobel; Affidavit dess. v. 6. 6. 1947, IfZ, Nbg.Dok. NO-3824; dto. v. 18. 6. 1947, ebd., NO-3947; BAL, ZK: Paul Blobel; vgl. Jens Hoffmann: „Das kann man nicht erzählen“. „Aktion 1005“ – Wie die Nazis die Spuren ihrer Massenmorde in Osteuropa beseitigten, Hamburg 2008. 17 Fritz Braune, geb. 1910, Buchhalter, 1931 NSDAP u. SA, Nov. 1935 zum SD-OA Südwest, 1936 SS u. Ustuf., 1938 Hstuf. u. stellv. Kdr. eines EK beim Sudeteneinsatz, Nov. 1939 Stubaf. u. als Referent I A 4 (Stellenbesetzung SD) ins RSHA, Anfang Okt. 1941 Kdr. SK 4b, März 1942 zurück ins RSHA, 1944 Ostubaf., 1973 zu 9 Jahren Haft verurteilt; BAB, BDC, SSO Fritz Braune; Urteil LG Düsseldorf v. 12.1. 1973, BAL, B 162/14472; BAL, ZK: Fritz Braune. 18 August Meier, geb. 1900, Soldat 1918, Schutzpolizei 1922–1934, 1925–1927 NSDAP, 1933 Wiedereintritt u. SS, Nov. 1934 als Ostuf. hauptamtlich zum SD, Fhr. SD-UA Wiesbaden, 1938 Stubaf. u. Fhr. SD-Abschnitt Troppau, 1941 Ostubaf. u. Fhr. SD-Abschnitt Liegnitz, Juni 1941 Leiter III im Stab EG B, Juli–Sept. VO EG C beim HSSPF u. Berück Rußland-Süd, danach Kdr. EK 5 bis Jan. 1942, dann Stab BdS Kiew, Juli–Nov. 1942 Kdr. SK 4b, danach Unternehmen „Zeppelin“, Juni 1943 KdS Limoges, Okt. 1944 Kdr. z. b. V.Kdo. 2 im Raum Danzig, 1949 festgenommen, 1952 in Bordeaux zu 20 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, 1956 entlassen, 1959 erneut festgenommen, 1960 Selbstmord in Haft; BAB, BDC, SSO August Meier; Vern. dess. v. 8., 9. u. 16. 9. 1959, BAL, B 162/5224, Bl. 103 ff., 116 ff., 245 ff.; dto. v. 29. u. 31. 10. 1959, BAL, B 162/5225, Bl. 399 ff., 405 f.; BAL, ZK: August Meier. 19 Falsch, längst Robert Mohr, geb. 1909, Jurastudium, 1933 NSDAP u. SS, Referendarexamen 1934, Assessorexamen 1938, danach zum Gestapa, 1939 Hstuf., Herbst 1939 VO EG VI zur Wehrmacht in Polen, danach Umsiedlungsreferent beim BdS Krakau, 1940 Stubaf. u. Referent I A 1 (Personal) im RSHA, Ende Okt. 1941 Kdr. EK 6 bis Mitte Sept. 1942, danach Leiter Stapo-Stelle Darmstadt, 1944 Ostubaf. u. seit April Chef Stapo-Leitstelle Magdeburg, 1965 zu 8 Jahren Zuchthaus verurteilt; BAB, BDC, SSO Robert Mohr; Vern. dess. v. 22. 3. 1960, BAL, B 162/1570, Bl. 54 ff.; Urteil LG Wuppertal v. 30.12. 1965, BAL, B 162/14308; BAL, ZK: Robert Mohr; Alexander Sperk: Die Staatspolizei(leit)stelle Magdeburg, ihre Leiter und die Zerschlagung der KPD, in: Polizei & Geschichte 1, 2009, S. 11 f.; Mallmann/Böhler/Matthäus: Einsatzgruppen in Polen, S. 240. 20 Gerret Korsemann, geb. 1895, Soldat 1914–1918, zuletzt als Lt., 1918/19 Freikorps Grodno, 1926 NSDAP u. SA, 1937 als Hptm. zur Polizei, 1938 ins HA Orpo, 1939 SS als Oberf., 1940/41 Kdr. PR Lublin, Aug. 1941 Brif., als HSSPF z. b. V. zum HSSPF Rußland-Süd abgestellt, verantwortlich für das Massaker von Rowno am 6./7. 11. 1941, Aug. 1942 als künftiger HSSPF Kaukasus zur HGr. A, Mai 1943 kommissarisch HSSPF Rußland-Mitte u. Weißruthenien, Juli 1943 Waffen-SS, 1946 an Polen ausgeliefert, zu 11 ½ Jahren Gefängnis verurteilt, 1949 entlassen, gest. 1958; BAB, BDC, SSO Gerret Korsemann; BA-ZA, ZM 215/3 u. ZC 10888; GVP HSSPF Kaukasus (Stand: Sept. 1942), RGVA, 1323–1–52; BAL, ZK: Gerret Korsemann; Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 566–570, 605 ff., 635–640, 671, 717. 21 Otto Ohlendorf, geb. 1907, Jurastudium, 1925 NSDAP u. SA, 1927 SS, 1931 Referendarexamen, 1933 Assistent am Institut für Weltwirtschaft in Kiel, 1935 Abt.leiter am Institut für angewandte Wirtschaftswissenschaften in Berlin, 1936 ins SD-HA, 1937 als Stubaf. Stabsfhr. II 2 u. Leiter Hauptabt. II 23 (Wirtschaft), 1938 Ostubaf., 1939 Amtschef III im RSHA, 1940 Staf., 1941 Oberf. u. Kdr. EG D bis Juli 1942, dann zurück ins RSHA, 1942 Brif., Nov. 1943 zusätzlich Unterstaatssekretär im Reichswirtschaftsministerium, 1944 Gruf., 1948 im Nürnberger EG-Prozeß zum Tod verurteilt, 1951 hingerichtet; BAB, BDC, SSO Otto Ohlendorf; Affidavit dess. v. 5. 11. 1945, IfZ, Nbg.Dok. PS-2620; dto. v. 24. 4. 1947, ebd., NO-2890; BAL, ZK: Otto Ohlendorf; Hanno Sowade: Otto Ohlendorf – Nonkonformist, SS-Führer und Wirtschaftsfunktionär, in: Ronald Smelser/Rainer Zitelmann (Hrsg.): Die braune Elite. 22 biographische Skizzen, Darmstadt 1989, S. 188–200; David Kitterman: Otto Ohlendorf – „Gralshüter des Nationalsozialismus“, in: Smelser/Syring: Die SS: Elite unter dem Totenkopf, S. 379–393; wenig überzeugend: Jason Weber: Normalität und Massenmord. Das Beispiel des Einsatzgruppenleiters Otto Ohlendorf, in: Joachim Perels/Rolf Pohl (Hrsg.): NS-Täter in der deutschen Gesellschaft, Hannover 2002, S. 41–68; auch die Behauptung, Ohlendorf habe die Leitung der EG D nur übernommen, um nicht als Feigling zu erscheinen (Headland: Messages of Murder, S. 210) – basierend auf einer Aussage seiner Witwe –, gehört ins Reich der Legende. 22 Heinz Seetzen, geb. 1906, Jurastudium, 1929 Referendarexamen, 1933 Assessorexamen, NSDAP u. SA, Sept. 1933 Leiter Stapo-Stelle Eutin im oldenburgischen Landesteil Lübeck, 1935 SS u. als Ustuf. Chef Stapo-Stelle Aachen, 1938 Stubaf. u. Leiter I Stapo-Leitstelle Wien, 1939 Chef Stapo-Leitstelle Stettin, 1940 dto. Stapo-Leitstelle Hamburg u. Ostubaf., Sommer 1941 Kdr. SK 10a bis Juli 1942, danach Staf. u. IdS Kassel, Mai 1943 IdS Breslau, April 1944 BdS Minsk u. Chef EG B, Sept. 1945 Selbstmord bei der Festnahme durch die Briten; BAB, BDC, SSO u. RuSHA Heinz Seetzen; BAL, ZK: Heinz Seetzen;

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Lawrence D. Stokes: Heinz Seetzen – Chef des Sonderkommandos 10a, in: Mallmann/Paul: Karrieren der Gewalt, S. 196–206. 23 Alois Persterer, geb. 1909, Automechaniker, 1930 NSDAP u. SS, 1933 strafweise aus dem österreichischen Heer entlassen, illegale Tätigkeit für NSDAP, 18 Monate Haft, 1938 als Ustuf. Fhr. SD-UA Salzburg, 1939 Stubaf., Sommer 1941 Kdr. SK 10b bis Jan. 1943, danach KdS Veldes u. Fhr. SD-Abschnitt Klagenfurt, 1945 unter ungeklärten Umständen gest.; BAB, BDC, SSO u. RuSHA Alois Persterer; BAL, ZK: Alois Persterer; Gafke: Heydrichs Ostmärker, S. 75–80, 303 f. 24 Paul Zapp, geb. 1904, kaufmännischer Angestellter, 1934 SS u. Generalsekretär der Deutschen Glaubensbewegung, 1936 SD-HA, 1937 NSDAP, 1938 zum SD-OA Südost, 1940 Stubaf. u. Lehrer für weltanschauliche Schulung der Anwärter des leitenden Dienstes, Mai 1941 Fhr. SD-Abschnitt Kassel, nach Teilung EK 11 im Juli 1941 Kdr. SK 11a, Juli 1942 KdS Simferopol, Nov. 1942 Ostubaf., 1944 IdS Dresden, bis Verhaftung 1967 unter falschem Namen, 1970 zu lebenslanger Haft verurteilt, gest. 1999; BAB, BDC, SSO Paul Zapp; Vern. dess. v. 3., 4., 5., 8., 9. u. 11. 1. 1968, BAL, B 162/7054, Bl. 134 ff.; Urteil LG München I v. 26. 2. 1970, BAL, B 162/14401–14402; BAL, ZK: Paul Zapp; Konrad Kwiet: Paul Zapp – Vordenker und Vollstrecker der Judenvernichtung, in: Mallmann/Paul: Karrieren der Gewalt, S. 252– 263; Jürgen Matthäus/Konrad Kwiet/Jürgen Förster/Richard Breitman: Ausbildungsziel Judenmord? „Weltanschauliche Erziehung“ von SS, Polizei und Waffen-SS im Rahmen der „Endlösung“, Frankfurt/ M. 2003, S. 188 ff. 25 Falsch; bereits Ende Okt. 1941 wurde Dr. Werner Braune Kdr. SK 11b, geb. 1909, Jurastudium, 1931 NSDAP u. SA, 1932 Referendarexamen, 1933 Dr.jur., 1934 SS u. SD-HA, 1935 Ustuf. u. Leiter Hauptabt. II 22, 1938 Hstuf., Fhr. SD-UA Münster u. stellv. Leiter Stapo-Stelle Münster, 1939 zur Stapo-Stelle Koblenz u. Stubaf., 1940 Leiter Stapo-Stelle Wesermünde, 1941 dto. Stapo-Stelle Halle, nach Ablösung als Kdr. SK 11b im Juli 1942 zurück zur Stapo-Stelle Halle, 1943 Ostubaf. u. abgeordnet zur Reichsstudentenführung als Hauptgeschäftsfhr. des deutsch-akademischen Austauschdienstes, Jan. 1945 KdS Oslo, 1948 im Nürnberger EG-Prozeß zum Tod verurteilt, 1951 hingerichtet; BAB, BDC, SSO u. RuSHA Dr. Werner Braune; BAL, ZK: Dr. Werner Braune; Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 305 ff., 417 f., 445 f., 490 ff., 496 ff., 581 f., 722. 26 Gustav Adolf Nosske, geb. 1902, Jurastudium, 1930 Referendarexamen, 1933 NSDAP u. SA, 1934 Assessorexamen, 1935 Gestapa, 1936 SS u. stellv. Leiter Stapo-Stelle Aachen, Sept. 1936 Chef StapoStelle Frankfurt/Oder, 1938 Stubaf. u. Leiter Stapo-Stelle Graz, Mai 1941 dto. Stapo-Stelle Aachen, Sommer 1941 Kdr. EK 12 bis März 1942, danach Referent IV D 5 (Besetzte Ostgebiete) im RSHA u. Leiter des Kdo.Stabes im RSHA, Okt. 1943 als Ostubaf. Chef Stapo-Leitstelle Düsseldorf, 1944 WaffenSS bis Kriegsende, 1948 im Nürnberger EG-Prozeß zu lebenslanger Haft verurteilt, 1952 Entlassung aus dem Gefängnis; BAB, BDC, SSO u. RuSHA Gustav Adolf Nosske; Affidavit dess. v. 29. 6. 1946, IfZ, Nbg.Dok. NO-4146; Vern. dess. v. 9. 4. 1962, BAL, B 162/1149, Bl. 1010 ff.; dto. v. 13. 3.1969, BAL, B 162/ 968, Bl. 2188 ff.; BAL, ZK: Gustav Adolf Nosske. 27 Vgl. Werner Haupt: Leningrad. Die 900-Tage-Schlacht 1941–1944, Friedberg 1980; Harrison E. Salisbury: 900 Tage. Die Belagerung von Leningrad, Frankfurt/M. 1989; Blockade. Leningrad 1941–1944. Dokumente und Essays von Russen und Deutschen, Reinbek 1992; Johannes Hürter: Die Wehrmacht vor Leningrad. Krieg und Besatzungspolitik der 18. Armee im Herbst und Winter 1941/42, in: VfZ 49(2001), S. 377–440; Gerhart Hass: Deutsche Besatzungspolitik im Leningrader Gebiet 1941–1944, in: Quinkert: Wir sind die Herren dieses Landes, S. 64–81; Jörg Ganzenmüller: Das belagerte Leningrad 1941–1944. Die Stadt in den Strategien von Angreifern und Verteidigern, Paderborn u. a. 2005. 28 Vgl. Catherine Merridale: Iwans Krieg. Die Rote Armee 1939–1945, Frankfurt/M. 20102, S. 135 ff.; Franziska Exeler: Gewalt im Militär. Die Rote Armee im Zweiten Weltkrieg, in: ZfG 60(2012), S. 228– 246. 29 Georg von Küchler, geb. 1888, 1939 OB AOK 18, 1940 Generaloberst, Juni 1942 Generalfeldmarschall, Jan. 1942–Jan. 1944 OB HGr. Nord, 1948 in Nürnberg zu 20 Jahren Haft verurteilt, gest. 1968; vgl. John McCannon: Generalfeldmarschall Georg von Küchler, in: Ueberschär: Hitlers militärische Elite, Bd. 1, S. 138–145. 30 Vgl. Angrick/Mallmann/Matthäus/Cüppers: Deutsche Besatzungsherrschaft in der UdSSR, S. 67 ff., 138 f. 31 Vgl. Kunz: Die Krim unter deutscher Herrschaft, S. 126–132. 32 Die genauen Zeitpunkte dieser Mordaktionen sind meist unklar. Sicher ist, daß Anfang Dez. 1941 die systematische Judenliquidierung auf der Krim begann u. die Wehrmacht darüber auch lokal bestens informiert war. So berichtete die OK I (V) 287 in Kertsch bereits am 27. 11. dem Korück 553: „Die

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Liquidation der Juden wird wegen der gefährdeten Ernährungslage der Stadt beschleunigt durchgeführt werden.“Am 7. 12. konnte sie melden: „Die Exekutierung der Juden, etwa 2500 an der Zahl, wurde am 1., 2. u. 3. Dezember vollzogen.“ Nachträglich versuchte man, das Wort „Exekutierung“ unleserlich zu machen u. durch den handschriftlich hinzugefügten Begriff „Umsiedlung“ zu ersetzen. Außerdem wußte die OK bereits: „Mit nachträglichen Exekutierungen ist zu rechnen, da ein Teil der jüdischen Bevölkerung flüchtete, sich versteckt hält u. erst aufgegriffen werden muß“, beides BA-MA, RH 23/72; vgl. Urteil LG München I v. 22. 3. 1972, BAL, B 162/14466; Grossman/Ehrenburg/Lustiger: Das Schwarzbuch, S. 429– 434; Mallmann/Rieß/Pyta: Deutscher Osten 1939–1945, S. 154 f. In ihrem Tätigkeitsbericht für 1.–10. 12. meldete auch die OK II/662 in Jalta am 10. 12.1941: „Die Aussiedlung der Juden ist bereits erfolgt“, BA-MA, RH 23/72; vgl. Urteil LG München I v. 26. 2. 1970, BAL, B 162/14401; Grossman/Ehrenburg/ Lustiger: Das Schwarzbuch, S. 435 f. Die OK Karasubasar berichtete am 14. 12. zynisch: „76 jüdische Männer, Weiber u. Kinder, die einzigen Juden des Ortes, wurden vor 4 Tagen auf den Anger vor dem Ort geführt u. sind bisher noch nicht zurückgekehrt“, BA-MA, RH 23/72. Auch die OK Bachtschissaraj vermerkte am 14. 12. in ihrem Tätigkeitsbericht: „Die hier wohnhaft gewesenen Juden gehörten nicht zu den Reichen u. wohnten verhältnismäßig bescheiden. Der SD hat die Aussiedlung der Juden am 13. 12. 1941 vollzogen.“ Der Begriff „Aussiedlung“ wurde dabei handschriftlich hinzugefügt u. das ursprünglich benutzte Substantiv nachträglich eingeschwärzt, ebd., RH 23/72; vgl. Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 345 ff.; Kunz: Die Krim unter deutscher Herrschaft, S. 179 ff.; ders.: Die Feldund Ortskommandanturen auf der Krim und der Judenmord 1941/42, in: Kaiser: Täter im Vernichtungskrieg, S. 54–70. In Simferopol konnte die zuständige OK I/853 bereits am 14. 11. 1941 dem Korück 553 melden: „Die verbliebenen 11000 Juden werden durch den SD exekutiert“, BA-MA, RH 23/72. Ohlendorfs Adjutant Schubert sagte dazu aus: „Ich war bei einem Gespräch zwischen Ohlendorf u. Dr. Braune anwesend. Bei diesem Gespräch ging es darum, daß die Armee unbedingt wünschte, daß die Juden von Simferopol vor Weihnachten 1941 getötet würden. […] Dr. Braune erklärte Ohlendorf, daß er nicht in der Lage sei, die Exekutionen durchzuführen, da es ihm sowohl an Fahrzeugen u. auch an Personal mangle. Ohlendorf hat daraufhin Dr. Braune zu dem Oberquartiermeister Hauck der 11. Armee gesandt, um mitzuteilen, daß die Exekution nicht durchgeführt werden könne. Die Armee bestand jedoch auf der Durchführung des Befehls, u. Hauck erklärte sich bereit, Lastwagen u. Feldgendarmerie bereitzustellen“, Vern. Heinz Schubert v. 12. 6. 1969, BAL, B 162/1065, Bl. 3740 ff.; ähnlich dto. v. 16. 7. 1959, BAL, B 162/1214, Bl. 89 ff.; Affidavit Dr. Werner Braune v. 8. 7. 1947, IfZ, Nbg.Dok. NO-4234. Die Erschießungen erfolgten an mehreren Tagen Mitte Dez. an Panzergräben außerhalb der Stadt. Die Schützen stellten die SK 11a u. 11b sowie Angehörige der von der Wehrmacht abgestellten Feldgendarmerieabt. 683 u. der GFP-Gruppe 647; vgl. Urteil LG München I v. 26. 2. 1970, BAL, B 162/14401–14402; Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 535 ff. Ferner meldete die FK (V) 810 dem Korück 553 am 20.12. 1941: „Die Juden u. Krimtschaken in Feodosia sind vom SD umgesiedelt worden. […] Mit dem SD (Sonderkommando 10b, Sturmbannführer Persterer) ist Fühlung aufgenommen u. wird ständig unterhalten. Die Zusammenarbeit ist gut“, BA-MA, RH 23/90; vgl. Mallmann/Rieß/Pyta: Deutscher Osten 1939–1945, S. 155. Auch das Judenmassaker in Jewpatoria wurde unmittelbar vor Weihnachten 1941 durchgeführt, denn die zuständige OK I (V) 277 meldete in ihrem Tätigkeitsbericht für 11.–20. 12. am 21. 12.1941: „Die Wohnungen der vom SD [das folgende Wort ist eingeschwärzt u. durch eine unleserliche handschriftliche Tarnbezeichnung ersetzt] Juden wurden von der OK übernommen, Einrichtungsgegenstände, Kleider, Wäsche, Geschirr gesammelt u. geordnet“, BA-MA, RH 23/72; vgl. Urteil LG München I v. 29. 3. 1974, BAL, B 162/14557.

EM 151 v. 5. 1. 1942

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs.

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Berlin, den 5. Jan. 1942

65. Ausfertigungen, Ausfertigung [sic] Ereignismeldung UdSSR Nr. 151 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 5. 1. 1942. Höherer SS- und Polizeiführer Nord (101): (Jeckeln), Standort: Riga. Einsatzgruppe A: (Dr. Stahlecker), Standort: Riga und Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: FT, FS Riga, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Estland: (Dr. Sandberger), Standort: Reval mit Dienststellen in Narwa, Dorpat, Kingisepp, KrasnojeSelo, Luga und Pleskau, N-Verbindungen: FT Narwa, FS Reval, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für Generalbezirk Lettland: (Dr. Lange), Standort: Riga mit Dienststellen in Libau, Wolmar und Dünaburg, N-Verbindungen: FT Riga, FS Riga und Libau, Feldpost-Nr. 15447. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Litauen: (Jäger), Standort: Kowno mit Dienststellen in Wilna und Schaulen, N-Verbindungen: FT und FS Kowno und Wilna, Feldpost-Nr. 15641. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Weißruthenien: (Strauch), Standort: Minsk mit Dienststellen in Nowgorod, Tschudowo, a. d. Marsch nach Cholm und Baranowicze 1, N-Verbindungen: FT und FS Minsk, Feldpost-Nr. 15641. Höh. SS- und Polizeiführer Mitte (102): (Von dem Bach), Standort: Mogilew. Einsatzgruppe B: (Naumann), Standort: Smolensk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Kurierverbindung über Warschau und Fernsprecher über VD Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando 7a: (Steimle 2), Standort: Rshew und Sytschewka, N-Verbindungen: FT Rshew, Feldpost-Nr. 05607. Sonderkommando 7b: (Rausch), Standort: Brjansk und Kursk, N-Verbindungen: FT a. d. Marsch, Feldpost-Nr. 18555. Einsatzkommando 8: (Bradfisch), Standort: Mogilew, Roslawl, Orscha, Gomel, Bobruisk, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 37857. Einsatzkommando 9: (Schäfer), Standort: Smolensk, Wjasma, Witebsk, Gshatsk, N-Verbindungen: FT Wjasma, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando Moskau: Standort: Roslawl, N-Verbindungen: FT Roslawl. Höh. SS- und Polizeiführer Süd (103): (Prützmann), Standort: Kriwoj-Rog, N-Verbindungen: FS Lemberg. Einsatzgruppe C: (Dr. Thomas), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier, Feldpost-Nr. 32704. Sonderkommando 4a: (Blobel), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow, Feldpost-Nr. 22789. Sonderkommando 4b: (Braune), Standort: Kramatorsk mit Teilen in Sochnowtschina, Losowaja, Slawjansk, Konstantinowka, Artemowsk, N-Verbindungen: FT a. d. Marsch, Feldpost-Nr. 34310. Einsatzkommando 5: (Meier), Standort: Kiew mit Teilen in Shitomir, Rowno, Winniza, N-Verbindungen: FT Nikolajew, FS Rowno, Feldpost-Nr. 35102.

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Einsatzkommando 6: (Kröger 3), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino, FeldpostNr. 35979. Höh. SS- und Polizeiführer z. b. V.: (Korsemann), Standort: Rowno. Einsatzgruppe D: (Ohlendorf), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol, Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10a: (Seetzen), Standort: Taganrog, N-Verbindungen: FeldpostNr. 47540. Sonderkommando 10b: (Persterer), Standort: Sudak, N-Verbindungen: FT a. d. Marsch, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11a: (Zapp), Standort: Jalta mit Teilen in Alupka und Bachtschissaraj, N-Verbindungen: FT Simferopol und Aluschta, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11b: (Zapp 4), Standort: Simferopol mit Teilen in Aluschta, Karasubasar, Eupatoria, N-Verbindungen: FT Simferopol und Aluschta, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 12: (Nosske), Standort: Fedorowka, N-Verbindungen: FT Fedorowka, Feldpost-Nr. 47540. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk5. Das Volksdeutschtum im besetzten Gebiet vor Leningrad: Die Ergebnisse der durch die Einsatzgruppe A in Zusammenarbeit mit den Ortskommandanten erfolgten Erfassung der Volksdeutschen liegen jetzt vor. Es sind in diesem Gebiet 1644 Personen volksdeutscher Abstammung erfasst worden, von denen 353 Männer, 680 Frauen und 611 Kinder unter 15 Jahren sind. Die Erfassung ergab ein unterschiedliches Bild. Während sich in geschlossenen deutschen Siedlungen ein Teil der Deutschen durch Sauberkeit, bessere Hauswirtschaft und Erscheinungsbild von der russischen Bevölkerung unterscheidet, sind die einzeln wohnenden Deutschen im allgemeinen ohne weiteres von den Russen nicht mehr auseinander zu halten. Der Hauptteil der Deutschen ist schon seit längerer Zeit im Leningrader Gebiet ansässig, ein kleiner Teil ist während der bolschewistischen Zeit aus anderen Gegenden Russlands oder den baltischen Ländern zugewandert. Etwa 14 % der erfassten Deutschstämmigen entstammen oder leben in völkischen Mischehen. Unter den Erfassten befinden sich 29 Familien mit 4 bis 7 Kindern, wie überhaupt die in den ländlichen Orten wohnenden Familien im allgemeinen kinderreich sind. Die meisten Männer im wehrfähigen Alter sind nicht mehr bei ihren Familien. Sie sind zum Teil verschleppt oder nach Verurteilung wegen politischer Vergehen in Gefängnisse geworfen worden oder sie sind bei der Roten Armee oder beim Arbeitseinsatz in anderen Gegenden Russlands. Der Aufenthaltsort ist in keinem Fall genau bekannt. Bei den erfassten Männern und Frauen sind fast sämtliche möglichen Berufe vertreten. Die in den ländlichen Gebieten wohnenden Deutschstämmigen sind grösstenteils Kolchosbauern, die in den Mittelstädten und Vororten von Leningrad lebenden Fabrikarbeiter, Handwerker, Techniker, Ärzte und Lehrer. Soweit Fachkenntnisse geprüft werden konnten, sind sie nicht sehr bedeutend. Die Allgemeinbildung auch der Kopfarbeiter ist an deutschen Maßstäben gemessen gering. Irgendeine organisatorische Sammlung der Deutschen hat während der bolschewistischen Zeit in keiner Form stattgefunden; die meisten waren im Gegenteil bemüht, ihre deutsche Abstammung zu vergessen oder zu verbergen. Die jüngere Generation spricht meistens gar kein Deutsch mehr; bei der älteren Generation hat sich die deutsche Sprache im allgemeinen erhalten, zum Teil sogar im Dialekt. Erscheinungsbildlich entspricht der Eindruck, den die Erfassten machen, etwa dem der Wolhyniendeutschen. Bei den einzelnen Versuchen, die Voreltern von Deutschstämmigen festzustellen

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– im allgemeinen wussten die Erfassten wenig von ihren Voreltern – wurden sehr oft russische Vorfahren schon in früheren Zeiten ermittelt. Diese waren insbesondere Frauen. Soweit überhaupt solche Versuche durch Befragen der Erfassten durchgeführt werden konnten, war gewöhnlich eine Großmutter oder Urgroßmutter Russin. Die wirtschaftliche Lage der Volksdeutschen ist durchweg schlecht. Etwa 50 % der Erfassten sind ohne sofortige Hilfe buchstäblich dem Hunger ausgesetzt. Der Rest verfügt noch für wenige Wochen über die notwendigsten Lebensmittel. Eine einzige Ausnahme macht ein Teil der Bauern der Kolonie Strjelna, die noch notwendigste Lebensmittel bis zum Frühjahr besitzen. Sie sind dabei aber ununterbrochen Versuchen der unter ihnen lebenden Russen und anderer Deutschstämmiger ausgesetzt, sie zur Teilung der Vorräte zu veranlassen. Die meisten Volksdeutschen werden gegen Lebensmittelzuteilung bei Dienststellen der Wehrmacht beschäftigt. Die Zuteilungen reichen jedoch nur für das Allernotwendigste und betreffen nur diejenigen, die in Ortschaften wohnen, in denen deutsche Truppen liegen. Infolge des Mangels an Transportmöglichkeiten fehlt es überdies an Heizmaterial, das aus entfernt liegenden Wäldern – die Umgebung von Leningrad ist nicht sehr waldreich – zusammengetragen wird. Sämtliche Erfassten befanden sich auch in der bolschewistischen Zeit in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen. Es befindet sich unter ihnen nicht eine Person, die irgendeine hervorragende Stellung einnahm. Am schlimmsten betroffen waren die Frauen von Arbeitern, die in anderen Gebieten Rußlands zur Arbeit eingesetzt waren, da sie gewöhnlich keine oder nur spärliche Geldsendungen erhielten. Mit Ausbruch des Krieges kam die Notlage der Angehörigen der einberufenen Rotarmisten hinzu. Die Angehörigen von Verschleppten oder Verurteilen waren, wenn sie nicht selbst genügend arbeiten konnten, grundsätzlich auf die Mildtätigkeit anderer angewiesen Von den geschlossenen deutschen Kolonien ist als bedeutendste Strjelna zu erwähnen. Es waren dort 576 Deutschstämmige erfasst, von denen 456 die deutsche Sprache beherrschen und grösstenteils jetzt wieder als Haussprache verwenden. Die nicht mehr Deutschsprechenden sind durchweg Kinder. Zwischen den Deutschstämmigen und den in Strjelna lebenden Russen bestehen in der Lebenshaltung geringe Unterschiede, die an besonderen Einrichtungsgegenständen, anderem Bau der Herde, zum Teil auch anderem Bau der Höfe zu bemerken sind. Zum größten Teil sind die Höfe der Deutschstämmigen sauberer und die Kinder gepflegter. Bei den Arbeitern ist ein Unterschied kaum zu merken, wobei zu beachten ist, dass die Lebenshaltung der Bewohner der Vorstädte Leningrads etwas besser als die des flachen Landes ist. Von den gesamten erfassten 1644 Deutschen, die zu 528 Familien gehören, haben nur 6 eine Zugehörigkeit zur Kommunistischen Partei oder sowjetischen Organisationen zugegeben. Von den Erfassten bekennt sich der grösste Teil zur evangelisch-protestantischen Religion. Geschlossen römisch-katholisch bezeichnen sich die deutschstämmigen Bewohner der Gemeinde Suida. Ein Teil der Erfassten bezeichnet sich als religionslos. Im allgemeinen kann gesagt werden, dass die Deutschstämmigen weniger dem kulturellen Einfluss als dem bolschewistischen Terror unterlegen sind. Das Bewusstsein deutscher Abstammung ist zweifellos erst nach dem Einmarsch der deutschen Truppen wieder aufgelebt. Auch die jetzt die deutsche Sprache als Haussprache Sprechenden haben sicherlich in der bolschewistischen Zeit nur geringen Gebrauch von der deutschen Sprache gemacht. Aus den Erzählungen ist allgemein zu entnehmen, dass Versuche Einzelner zur Erhaltung irgendeiner deutschen Eigenart sofort mit Verhaftung oder zumindest Verschleppung geahndet wurden. Lage in Stadt und Land Krasnogwardeisk: Die Stimmung der Zivilbevölkerung in Stadt und Land Krasnogwardeisk wird fast ausschliesslich von der Sorge um die Ernährung

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bestimmt. In der Stadt ist man im allgemeinen froh, dass die Deutschen da sind und dass damit wenigstens die unmittelbare Kriegsbedrohung vorbei ist. Weiterhin hat der Aufbau eines Arbeitsamtes wesentlich zur Beruhigung beigetragen, da durch die vom Arbeitsamt vergebene Arbeit einem Teil der Bevölkerung die Möglichkeit zur Ernährungsbeschaffung gegeben ist. Hinsichtlich der allgemeinen politischen und militärischen Lage verhält man sich ruhig. Einwohner von Marienburg mit dem russischen Bürgermeister an der Spitze entwickelten den Plan einer uniformierten russischen freiwilligen Abteilung zum Kampf gegen den Bolschewismus mit der Waffe. Auf die konkrete Frage, warum die angegebenen Personen den Bolschewismus ablehnen, gaben sie drei Gründe an: 1) Der Bolschewismus habe ihr Eigentum zerstört und ihnen alles Land genommen. Sie hätten kaum das Notwendigste zum Leben verdient. 2) Der Bolschewismus habe die Religion zerstört. 3) Die führenden Leute des Bolschewismus wären Juden gewesen. Übersicht: Das Gebiet der Einsatzgruppe A hat sich nur unwesentlich vergrößert. Hinzugekommen sind die Inseln Dagö, Oesel und Moon, ferner Geländegewinne südlich und südostwärts von Petersburg und das Gebiet um Tichwin. Nachdem das gesamte Gebiet Weißrutheniens als Generalkommissariat in das Gebiet des Reichskommissariats Ostland eingegliedert worden ist, wurde für die sicherheitspolizeilichen Aufgaben in Weißruthenien das Einsatzkommando 1b für zuständig erklärt. Da das Generalkommissariat Weißruthenien durch die ungeheure Größe (ca. 170 000 qkm) selbst bei geringsten Anforderungen zur Wahrung der sicherheitspolizeilichen Aufgaben einer großen Anzahl SS-Führer und Männer bedarf, wurde der größte Teil des EK 1b zur Verstärkung nach Minsk verlegt. 6 Das beim AOK 16 verbleibende Teilkommando wurde vom Gruppenstab aus verstärkt. Dienststellen des EK 1b befinden sich z. Zt. in Minsk und Baranowicze; der Aufbau weiterer Dienststellen wird vorbereitet. Noch nicht geklärt ist, ob weitere Gebiete von Weißruthenien in absehbarer Zeit an die Zivilverwaltung des Generalkommissariats Weißruthenien vom Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes der Heeresgruppe Mitte übergeben werden. Mit der Einnahme von Petersburg ist in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Die Russen versuchen in täglichen Angriffen aus der Petersburger Einschließungsfront auszubrechen. Der Schwerpunkt der Ausbruchsversuche liegt vor Kolpino (Newa-Knie). Die Stellungen der Rotarmisten vor Petersburg werden täglich weiter ausgebaut, die Unterstände für den Winter mit Öfen versehen und auch sonst alle Vorbereitungen für die Überwinterung getroffen. Zur Bekämpfung von Partisanen mußten in der Berichtszeit vereinzelt Kommandos in Lettland und Estland eingesetzt werden. Die Haupttätigkeit der für den Einsatz auf Petersburg bereitgestellten Kommandos besteht z. Zt. in einem erfolgreichen Nachrichtendienst über die Lage in Petersburg selbst. Durch Agenten, die im Einvernehmen mit den einzelnen Truppenteilen durch die Linien geschleust werden, sind verschiedentlich gute und wichtige Nachrichten über militärische und wirtschaftliche Objekte der Stadt, Stimmung der Bevölkerung, Propagandamöglichkeit, Vorrat an Lebensmitteln usw. gewonnen worden. Ein weiteres Nachrichtennetz ist im rückwärtigen Armeegebiet zwischen dem Peipus- und Ilmensee aufgebaut worden. Neben Agenten und versprengten Rotarmisten wurden durch diesen Nachrichtendienst auch mehrfach Partisaneneinheiten aufgespürt, die z. T. mit eigenen Kräften vernichtet, z. T. den zuständigen Wehrmachtsdienststellen gemeldet wurden. Bei der Überprüfung der Bevölkerung stellte sich heraus, dass besonders viele unzuverlässige Russen in den Dienst der Eisenbahn in Krasnogwardeisk eingestellt waren, die seit einiger Zeit unter deutscher Leitung wieder in Betrieb ist. Vom EK 1b wurde der politische Kommissar Ivan Petrovich Kibkalo festgenommen, der über das Kirchenproblem, die Geschichte der kom-

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munistischen Partei, die Judenfrage, die Ehe und das sittliche Leben in der Sowjetunion vernommen wurde. In folgenden Orten sind z. Zt. ständige Kommandos der Einsatzgruppe A tätig: Kauen, Wilna, Schaulen, Baranowicze, Minsk, Riga, Libau, Dünaburg, Narwa, Dorpat, Pernau, Krasnoje-Selo, Krasnogwardeisk, Djetskoje-Selo (Puschkin), Sluzk, Tosno, Luga, Nowgorod, Tichwin, Medjewedje und Tschudowo. Sämtliche Juden der Generalkommissariate Litauen und Lettland sind jetzt restlos in Ghettos untergebracht.7 Die Juden des Rigaer Ghettos, die von Wehrmachts- und Zivilbehörden als Arbeitskräfte benutzt werden, dürfen nicht mehr frei zur Arbeitsstätte gehen, sondern müssen von den anfordernden Dienststellen geschlossen morgens vom Ghetto abgeholt werden, unter Bewachung zu ihrem Arbeitsplatz geführt und abends geschlossen wieder ins Ghetto zurückgebracht werden. Für die Aufnahme der aus dem Reich ankommenden Judentransporte8 ist sowohl in Minsk als auch in Riga alles vorbereitet. Der erste in Minsk angekommene Transport, der sich aus Hamburger Juden zusammensetzte, traf am 10. 11. 41 ein. Am gleichen Tage wurde den Juden im Ghetto Quartier angewiesen. Es konnte beobachtet werden, daß die Juden sich z. T. ein völlig falsches Bild über ihre Zukunft machten, z. B. daß sie sich als Pioniere fühlten, die zur Kolonisierung des Ostens eingesetzt werden. Die ersten 5 Transporte, die nach Riga kommen sollten, wurden nach Kauen geleitet. 9 Das Rigaer Lager, das zur Aufnahme von rd. 25000 Juden dienen soll, ist z. Zt. im Entstehen und wird in kürzester Zeit fertiggestellt sein. Der Höhere SS- und Polizeiführer in Riga, SS-Obergruppenführer Jeckeln, hat inzwischen eine Erschießungsaktion in Angriff genommen und am Sonntag, dem 30. 11. 41, ca. 4000 Juden des Rigaer Ghettos und eines Evakuierungstransportes aus dem Reich beseitigt. Die Aktion sollte ursprünglich mit eigenen Kräften des Höheren SS- und Polizeiführers durchgeführt werden; nach einigen Stunden wurden jedoch die zu Sicherungszwecken abkommandierten 20 Mann des EK 2 mit in der Aktion eingesetzt.10 Politische Lage in Litauen: Die politische Lage in Litauen hat sich nicht wesentlich geändert. Für die politische Entwicklung in Litauen bedeuteten die Aktivisten 11 eine Gefährdung. Der Generalkommissar v. Renteln hat daher an 26. 9. die Front der Aktivisten Litauens aufgelöst und ihr Vermögen beschlagnahmt und eingezogen. Der Führer der Aktivistenfront, Leonas Prapuolenis12, wurde mit Einverständnis des Generalkommissars für Litauen vom EK 3 am 27. 9. 41 festgenommen und bis auf weiteres der Stapostelle Tilsit überstellt. Der unmittelbare Grund für seine Festnahme ist eine von ihm am 15. 9. 1941 verfasste Denkschrift, die bisher nur dem Generalkommissar in Kauen zugesandt worden ist. Die Aktivistenfront hatte geplant, diese Denkschrift dem Führer, dem Oberkommando des Heeres und noch einigen anderen militärischen Stellen im Reich zugänglich zu machen. Aus der Denkschrift geht eindeutig hervor, daß die litauischen Aktivisten jegliche politische und wirtschaftliche Steuerung durch deutsche Behörden ablehnen bezw. scharf kritisieren. Durch die Verbannung des Aktivistenführers Prapuolenis ist der Kopf der Aktivisten verschwunden. Seine Mitarbeiter, die die Denkschrift mit unterschrieben haben, wurden vom EK 3 verwarnt und werden voraussichtlich ihre politische Tätigkeit einstellen. Im Gebiet um Wilna ist die Aktivität der Polen weiter gestiegen. Die Polen beschränken sich nicht nur darauf, durch Verbreitung von Gerüchten und Stimmungsmache die Öffentlichkeit zu beunruhigen, sondern haben den Versuch gemacht, illegale Kampf- und Terrorgruppen zu bilden. Die Versuche wurden von der Sicherheitspolizei im Zusammenwirken mit Ordnungspolizei und Wehrmacht im Keim erstickt. Ein polnischer Geheimsender, der auf Kurzwelle 36,7 am 1. 9. 41 zum ersten Mal gehört wurde, wurde in der

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Zwischenzeit entdeckt und ausgehoben. Die polnische Propaganda fordert weiterhin zu Sabotageakten und Partisanentätigkeit auf. Das Abhören ausländischer Sender und die systematische Verbreitung ihrer Nachrichten von Wilna aus nimmt seinen Fortgang [sic]. Dabei wird die Frage der litauischen Unabhängigkeit diskutiert, die niemals mehr von Deutschland kommen könne, sondern nur von den anglo-amerikanischen Staaten und der Sowjetunion. Gesprochen wird auch über eine angebliche Meldung des Moskauer Rundfunks, wonach die baltischen Staaten unter amerikanischem Schutz ständen. Die Stimmung auf dem flachen Lande ist nach wie vor deutschfreundlich. Die Erhöhung der Preise für landwirtschaftliche Produkte beginnt sich günstiger auszuwirken. In den nächsten Tagen wird die neue Lohnordnung für Industriearbeiter in Kraft treten. Nach dem hier vorliegenden Entwurf sollen ungelernte Arbeiter 0,40 RM, qualifizierte Arbeiter 0,48 RM und Vorarbeiter 0,58 RM Stundenlohn im Durchschnitt erhalten. Damit werden die Löhne gegenüber dem Stand von 20. 6. 1941 um das Drei- bis Vierfache, nach dem Stand vom 15. 11. 1941 um 50–100 % erhöht. Die Verstimmung der litauischen Selbstverwaltungsstellen darüber, daß die deutschen Dienststellen nicht, wie zunächst gehofft, nur als Inspektionsorgane tätig sein werden, sondern die Arbeiten bis ins Kleinste selbst erledigen, hält an. Man hoffte durch die Einsetzung der Generalräte, daß der größte Teil des litauischen Beamtenapparates in der bestehenden Form übernommen und somit vor allem die mittlere und untere Verwaltung einen rein litauischen Charakter behalten würde. Ursprünglich war erwartet worden, daß die deutschen Dienststellen nur Richtlinien und Weisungen erteilen, jedoch die Durchführung zum großen Teil durch die entsprechenden litauischen Behörden oder die Generalräte vorgenommen wird. Die deutschen Dienststellen gingen von dieser Methode ab, mit dem Erfolg, dass der z. T. brauchbare litauische Verwaltungsapparat nicht beschäftigt wird. Von den Einsatzgruppen B, C u. D liegen keine Meldungen vor. III. Reich und besetzte Gebiete: 1) Kärnten und Krain: Der Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in den besetzten Gebieten Kärntens und Krains in Veldes meldet: Seit der letzten Berichterstattung ist es zu keinen wesentlichen Vorfällen gekommen. Es wurden an mehreren Stellen Telegrafen- bzw. Bahnleitungen zerstört, mehrere Diebstähle von Lebensmitteln und der Versuch der Sprengung einer Eisenbahnbrücke, der ohne Erfolg war, unternommen. Die Banden haben sich vollkommen in das Gebiet des Jelovca-Gebirges zurückgezogen und verhalten sich im allgemeinen ruhig. Ohne Zweifel werden die aus dem Bezirk Laak und aus Laibach neu hinzugekommenen Mitglieder vorerst entsprechend ausgebildet. Insgesamt dürften sich ca. 3–400 Personen bei den Banden befinden. Ähnlich wie im Bezirk Radmannsdorf sind auch in Laak Personen zurückgekehrt, die sich während der letzten Tage bei den Banden aufgehalten haben bzw. geflüchtet waren. Die notwendigen Erhebungen und Festnahmen werden laufend von hier durchgeführt. Heute findet in Vigaun die Exekution von 35 von hier bei den Bandenmitgliedern festgenommenen Personen statt. Weitere Exekutionen erfolgen in den nächsten Tagen. In der vergangenen Nacht wurden an mehreren Orten in Laibach hergestellte Flugschriften zerstreut, in denen der 3. Januar als Trauertag für die Opfer des Jahres 1941 erklärt wurde und die Bevölkerung aufgefordert wird, zwischen 19 und 20 Uhr öffentliche Orte und Lokale zu meiden. BAB, R 58/220

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Spiegelt die anhaltende Standortverlagerung des bisherigen SK 1b. Falsch, kommissarisch geführt durch Kurt Matschke. 3 Falsch, längst Robert Mohr. 4 Falsch, längst Dr. Werner Braune. 5 Am 5. u. 6. 1. 1942 hielt sich auch Himmler in Krasnogwardeisk auf; vgl. Der Dienstkalender Heinrich Himmlers, S. 309 f. 6 Zu dieser improvisierten, durch den forcierten Angriff auf Moskau erzwungenen Verlegung vgl. Wilhelm: Die Einsatzgruppe A, S. 308 ff. 7 Vgl. Dieckmann: Deutsche Besatzungspolitik in Litauen 1941–1944; Reichelt: Lettland unter deutscher Besatzung 1941–1944; Max Kaufmann: Churbn Lettland. Die Vernichtung der Juden Lettlands, Konstanz 1999; Wolfgang Benz/Marion Neiss (Hrsg.): Judenmord in Litauen. Studien und Dokumente, Berlin 1999. 8 Vgl. Gottwaldt/Schulle: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941–1945, S. 84–97, 110–136; Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 747–761. 9 Diese 5 Transporte gingen vom 17.–25.11. 1941 von ihren Ausgangsbahnhöfen ab, wobei die Insassen des 3. u. 4. Zuges – insgesamt 3929 Menschen – am 25. bzw. 29.11. in Kaunas vom EK 3 erschossen wurden; vgl. ebd., S. 98–109. 10 Erst hier wurde von jenen beiden „Großaktionen“ in Riga berichtet, bei denen HSSPF Jeckeln am 30.11. u. 8. 12. 1941 im nahen Rumbula-Wald 27800 Juden liquidieren ließ u. lediglich die Facharbeiter im Ghetto zurückbehielt. Die Schützen stellten die Stabskomp. des HSSPF u. das RPB 22. Erst als die Zeit knapp wurde, zog Jeckeln dafür auch Teile des EK 2 hinzu; vgl. Angrick/Klein: Die „Endlösung“ in Riga, S. 138–184; Mallmann/Rieß/Pyta: Deutscher Osten 1939–1945, S. 89–96. Am Morgen des 30.11. ließ Jeckeln die 1053 Juden des „7. Osttransportes“ aus Berlin unmittelbar nach ihrer Ankunft gleichfalls im Rumbula-Wald erschießen. Damit überschritt er offensichtlich seine Kompetenzen, denn am Mittag des 30.11. hielt Himmler nach einem Telephonat mit Heydrich fest: „Judentransport aus Berlin, keine Liquidierung“, Telephonnotiz RFSS v. 30. 11. 1941, BAB, NS 19/1438. Sein Übereifer brachte Jeckeln am 1. 12. eine Rüge Himmlers ein: „Die in das Gebiet Ostland ausgesiedelten Juden sind nur nach den von mir bezw. vom Reichssicherheitshauptamt in meinem Auftrage gegebenen Richtlinien zu behandeln. Eigenmächtigkeiten u. Zuwiderhandlungen werde ich bestrafen“, NAK, HW 16/32; vgl. Peter Klein: Die Erlaubnis zum grenzenlosen Massenmord – Das Schicksal der Berliner Juden und die Rolle der Einsatzgruppen bei dem Versuch, Juden als Partisanen „auszurotten“, in: Rolf-Dieter Müller/Hans-Erich Volkmann (Hrsg.): Die Wehrmacht – Mythos und Realität, München 1999, S. 923–947. In Riga selbst fanden die Massaker keine Ablehnung. Der KdO Lettland berichtete am 23.12. 1941: „In Riga wird allgemein von Massenerschießungen der bisher im Ghetto untergebrachten Juden gesprochen. Der überwiegende Teil der Rigaer Bevölkerung spricht davon mit Genugtuung u. hofft auf eine restlose Beseitigung der Juden u. damit auf ein Freiwerden des Ghettos für Wohnzwecke“, LVVA, 70–5–44. 11 Gemeint ist die Litauische Aktivistenfront (LAF); vgl. Siegfried Gasparaitis: „Verrätern wird nur dann vergeben, wenn sie wirklich beweisen können, daß sie mindestens einen Juden liquidiert haben“. Die „Front Litauischer Aktivisten“ (LAF) und die antisowjetischen Aufstände 1941, in: ZfG 49(2001), S. 886–904 12 Leonas Prapuolenis, der regionale Fhr. des litauischen Widerstandes im Gebiet von Kowno, verkündete am 23. 6. 1941 im Rundfunk, daß die Selbständigkeit Litauens wiederhergestellt sei u. eine provisorische Regierung die Geschäfte übernommen habe; vgl. Myllyniemi: Die baltische Krise 1938–1941, S. 147 ff. 2

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Berlin, den 7. Januar 1941 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 152 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 7. 1.1942. Höherer SS- und Polizeiführer Nord (101): (Jeckeln), Standort: Riga. Einsatzgruppe A: (Dr. Stahlecker), Standort: Riga und Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: FT, FS Riga, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Estland: (Dr. Sandberger), Standort: Reval mit Dienststellen in Narwa, Dorpat, Kingisepp, KrasnojeSelo, Luga und Pleskau, N-Verbindungen: FT Narwa, FS Reval, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Lettland: (Dr. Lange), Standort: Riga mit Dienststellen in Libau, Wolmar und Dünaburg, N-Verbindungen: FT Riga, FS Riga und Libau, Feldpost-Nr. 15447. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Litauen: (Jäger), Standort: Kowno mit Dienststellen in Wilna und Schaulen, N-Verbindungen: FT und FS Kauen und Wilna, Feldpost-Nr. 15641. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Weißruthenien: (Strauch) [handschriftlich: z. Zt. vertreten durch SS-Stubaf. RR Hofmann1], Standort: Minsk mit Dienststellen in Nowgorod, Tschudowo, a. d. Marsch nach Cholm und Baranowicze, N-Verbindungen: FT und FS Minsk, Feldpost-Nr. 15641. Höh. SS- und Polizeiführer Mitte (102): (Von dem Bach), Standort: Mogilew. Einsatzgruppe B: (Naumann), Standort: Smolensk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Kurierverbindung über Warschau und Fernsprecher über VD Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando 7a: (Steimle 2), Standort: Rshew [durchgestrichen, handschriftlich: Wjasma] und Sytschewka, N-Verbindungen: FT Rshew, Feldpost-Nr. 05607. Sonderkommando 7b: (Rausch), Standort: Brjansk und Kursk [durchgestrichen, handschriftlich: mit Teilen in Orel u. Kursk], N-Verbindungen: FT a. d. Marsch, FeldpostNr. 18555. Einsatzkommando 8: (Bradfisch), Standort: Mogilew, Roslawl, Orscha, Gomel, Bobruisk, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 37857. Einsatzkommando 9: (Schäfer), Standort: Smolensk, Wjasma, Witebsk, Gshatsk, N-Verbindungen: FT Wjasma u. Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando Moskau: Standort: Roslawl, N-Verbindungen: FT Roslawl. Höher. SS- und Polizeiführer Süd (103): (Prützmann), Standort: Kriwoj-Rog, N-Verbindungen: FS Lemberg. Einsatzgruppe C: (Dr. Thomas), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier, Feldpost-Nr. 32704 Sonderkommando 4a: (Blobel), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow, Feldpost-Nr. 22789. Sonderkommando 4b: (Braune), Standort: Kramatorsk mit Teilen in Sochnowtschina, Losowaja, Slawjansk, Konstantinowka, Artemowsk, N-Verbindungen: FT a. d. Marsch, Feldpost-Nr. 34310.

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Einsatzkommando 5: (Meier), Standort: Kiew mit Teilen in Shitomir, Rowno, Winniza, N-Verbindungen: FT Nikolajew u. Rowno, FS Rowno, Feldpost-Nr. 35102. Einsatzkommando 6: (Kröger 3), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino, FeldpostNr. 35979. Höher. SS- und Polizeiführer z. b. V.: (Korsemann), Standort: Rowno. Einsatzgruppe D: (Ohlendorf), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol, Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10a: (Seetzen), Standort: unbekannt [durchgestrichen, handschriftlich: Taganrog, Teile in Mariupol u. Melitopol], N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10b: (Persterer), Standort: Sudak [durchgestrichen, handschriftlich: Stari-Krim, Teile in Sudak u. Dshankoj], N-Verbindungen: FT a. d. Marsch [durchgestrichen], Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11a: (Zapp), Standort: Jalta [durchgestrichen], Bachtschissaraj mit Teilen in Alupka u. Jalta, N-Verbindungen: FT Jalta, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11b: (Zapp 4), Standort: Simferopol mit Teilen in Aluschta, Karasubasar, Eupatoria, N-Verbindungen: FT Simferopol und Aluschta, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 12: (Nosske), Standort: Fedorowka, N-Verbindungen: FT Fedorowka, Feldpost-Nr. 47540. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Im Nachtrag zur Meldung der Einsatzgruppe A – Ereignismeldung Nr. 144, S. 6 – wird berichtet: In Weissruthenien hat es endemische Fleckfieberherde schon immer gegeben, von denen Minsk sowohl in der vorbolschewistischen als auch in der bolschewistischen Zeit eines der Hauptzentren war. Das Krankenbuch der Fleckfieberabteilung des Seuchenlazarettes Minsk wies am 29. 11. 41 58 Fälle von Fleckfiebererkrankungen auf. Davon sind bisher 7 tödlich verlaufen. Weitere 7 Fleckfiebererkrankte konnten schon wieder entlassen werden. Im Hinblick auf die Stärke der deutschen Besatzung in Minsk sind diese Zahlen keineswegs als beängstigend anzusprechen. Auch die im Hinblick auf die Epidemie getroffenen Maßnahmen werden es den zuständigen militärischen und zivilen Stellen stets ermöglichen, laufend ein klares Bild über die Erkrankung (Herde, Umfang, Todesfälle usw.) zu bekommen. Anders liegen die Verhältnisse bei der russischen Zivilbevölkerung. Hier ist ein zuverlässiger Überblick aus verständlichen Gründen (u. a. Nachrichtenwege, Arztfrage usw.) nur sehr schwer zu bekommen. Wenn beispielsweise unter der russischen Zivilbevölkerung nur 4 Fälle von Fleckfiebererkrankung ermittelt und erkannt werden, dann muss nach Ansicht deutscher Ärzte angenommen werden, dass das nur ein verschwindend kleiner Bruchteil der tatsächlichen Gesamtziffer der Erkrankten ist. Man nimmt vielmehr an, dass der Bruchteil der tatsächlich an Fleckfieber erkrankten Zivilbevölkerung bis 1/25 beträgt. Wenn diese Annahme richtig ist, dann würde die angegebene Schätzungszahl von rund 2000 erkrankten russischen Zivilpersonen nur einen Bruchteil der tatsächlich an Fleckfieber erkrankten Zivilisten darstellen. Nach Ansicht des Leiters der Abteilung Gesundheitswesen beim Generalkommissar Weissruthenien ist die augenblickliche Situation so, dass die Erkrankungen stetig zunehmen. Wenn auch, worauf in diesem Zusammenhang hingewiesen sei, die Sterblichkeitsziffer bei der russischen Bevölkerung sehr klein ist – sie macht 1–2 % aus –, so ist die Gefahr der Übertragung für die Besatzungsarmee und die Zivilverwaltung dennoch nicht geringer geworden; denn die Voraussetzungen zur Ansteckung (Schmutz und Drecklaus) sind dieselben geblieben. Da das Fleckfieber eine Schmutz- und Dreckkrankheit ist, sind die ergriffenen

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Gegenmaßnahmen entsprechend und, soweit möglich, grosszügig in Angriff genommen worden. Beispielsweise in Minsk ist geplant, alle deutschen Besatzungseinheiten ständig baden und entlausen zu lassen. Die hierfür notwendigen Anstalten sollen allerdings noch gebaut werden. Die Unterkunfts- und Dienstgebäude und -räume werden desinfiziert. Auch für die russische Zivilbevölkerung der gefährdeten Gegenden sollen Entlausungsanstalten gebaut werden, denen wenigstens diejenigen Personen zugeführt werden sollen, die entweder bei deutschen Wehrmachts- und Zivildienststellen arbeiten, oder in kriegsoder lebenswichtigen Betrieben tätig sind. Propagandistisch vorbeugend wird Weissruthenien mit entsprechenden Flugzetteln und Plakaten versorgt werden. Für infizierte Gemeinden besteht Anhalte- und Aufenthaltsverbot, für fleckfieberverdächtige Häuser Einund Ausgehverbot. Die Epidemie hat in deutschen Kreisen bisher keine Panik ausgelöst. Man sieht voller Zuversicht den von den zuständigen Stellen ergriffenen Maßnahmen entgegen. Die russische Zivilbevölkerung reagiert auch in dieser Angelegenheit apathisch; lediglich einige russische Ärzte bilden eine Ausnahme, sie sehen eine Gefahr für die Nichteinheimischen. Deutsche Wehrmachtsärzte und Ärzte der Zivilverwaltung sind der Auffassung, dass es nicht nur ein – auch in der russischen Bevölkerung kolportiertes – Gerücht sei, dass russische Kriegsgefangene und russische „Zivilisten“ Fleckfieberläuse bewusst und absichtlich auf Angehörige der deutschen Besatzungseinheiten und auf Angehörige der russischen Zivilbevölkerung „abgesetzt“ hätten. Weiter wird gemeldet: Am 29. 11. 41 trat die Arbeiterschaft der Fleischexportzentrale in Pernau in Streik, weil sie die Löhne für zu niedrig hält. Die erforderlichen Ermittlungen und Maßnahmen sind eingeleitet. Die estnische Bevölkerung versucht in ständig zunehmendem Maße, sich im Schleichhandel zusätzlich Lebensmittel zu beschaffen. Bei den Schwarzkäufen werden Fantasiepreise verlangt und gezahlt. Am 22. 12. 41 wurden in Wilna 402 Personen standrechtlich erschossen. Davon waren 385 Juden, die übrigen Polen, die sich kommunistisch betätigt hatten. In der Nacht vom 16. zum 17. 12. 1941 wurde ein deutscher Soldat in Kauen erstochen aufgefunden. Am 22. 12. wurde ein entflohener russischer Kriegsgefangener festgenommen, der wahrscheinlich als Täter in Frage kommt. In der Nacht vom 29. 11. zum 30. 11. brannte die Filzfabrik in Smilowitsche (Weissruthenien) völlig aus. 200 Paar Filzstiefel und 800 kg Wolle fielen dem Brand zum Opfer. Die im wesentlichen abgeschlossenen Feststellungen haben nunmehr ergeben, dass es sich um vorsätzliche Brandstiftungen handelt. Unmittelbar vor dem Ausbruch des Feuers wurde in der Fabrik eingebrochen. Von den gleichen Tätern wurden in zwei benachbarten Dörfern weitere Einbrüche verübt. Die Täter, allem Anschein nach Partisanen, konnten bisher nicht ergriffen werden. Zwei Werksangehörige und ein weissruthenischer Hilfspolizist, die in der Brandnacht als Werkswache eingeteilt waren, hatten geschlafen und weder den Einbruch noch die Brandlegung bemerkt. Sie wurden festgenommen. Die Ermittlungen laufen weiter. Am 28. 12. wurden in Minsk 5 Personen festgenommen, darunter 3 aus dem Ghetto entflohene Juden, ein Hilfspolizist und ein OT-Mann, die geplündert hatten. Am gleichen Tage wurden 3 früher festgenommene Juden wegen eigenmächtiger Entfernung aus dem Ghetto und zwei Plünderer erschossen. In der Nacht zum 30. 12. wurden durch das Einsatzkommando in Minsk Aufstandspläne russischer Kriegsgefangener im Minsker Gefangenenlager aufgeklärt. Ein allgemeiner Ausbruch aus dem Lager sollte in der Nacht vom 3. zum 4. 1. 42 erfolgen. Die Gefangenen hatten sich bereits Stadtpläne beschafft und Marschanweisungen ausgegeben. Am 30. 12. entflohen 2 Juden aus dem bei Salaspils im Bau befindlichen Barackenlager, in dem zurzeit 1000 Juden aus dem Reich als Arbeitskräfte eingesetzt sind. Der Finnlandsender brachte in seiner Sendung vom

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23. 12. 41 in estnischer Sprache auszugsweise einen Artikel der „Nounen Socialdemocratie“ zum 6. Monat des Sowjetkrieges. Das angeführte Blatt führte in dem Artikel aus, dass das Ende des deutsch-sowjetischen Freundschaftsbündnisses in Finnland mit Genugtuung begrüsst worden sei. Man habe aber mit einem kürzeren Kriege gerechnet. Infolgedessen sei man jetzt enttäuscht, denn ein baldiges Kriegsende könne man nicht mehr erwarten. Beide Seiten wollten nicht nur die militärische Macht des Gegners brechen, sondern auch seine Ideologie vernichten. Finnland werde sich an diesem Krieg nicht bis zum Ende beteiligen. Sobald Finnlands strategischen Ziele erreicht seien, sei der Krieg für Finnland zu Ende. Anlässlich des Jahreswechsels fand am 1. Januar 1942 in Reval eine Großkundgebung statt, auf der zum ersten Male Generalkommissar Litzmann und der Chef der estnischen Selbstverwaltung Dr. Mäe 5 vor der Öffentlichkeit sprachen. Die Kundgebung sollte einmal dazu dienen, an der Jahreswende eine Rückschau zu halten auf die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit Estlands, zum anderen aber klar und offen Richtung und Ziel der künftigen Arbeit darlegen. In seinem Rechenschaftsbericht über das abgelaufene Jahr gab Dr. Mäe durch Anführung umfassenden Zahlenmaterials die gewaltigen Schäden und Verluste bekannt, die die estnische Wirtschaft während der Zeit der bolschewistischen Herrschaft erlitten hat. Die Rede brachte aber auch eine Anzahl erfreulicher Angaben über das Fortschreiten der ersten Aufbauarbeiten. Die Ausführungen des Generalkommissars, die die Erkenntnis vertieften, in welch starkem Maße Deutsche und Esten in einer Schicksalsgemeinschaft zusammengeschlossen sind, gipfeln in dem Satze, dass für alle Berufszweige, insbesondere aber für den Bauern, die Arbeit wieder Segen tragen werde. Die Grosskundgebung hinterliess bei allen Teilnehmern einen tiefen Eindruck. Nach den Feststellungen des estnischen statistischen Amtes zählt Estland am 1.12. 41 1010 135 Einwohner gegen 1117 361 im Jahre 1934. Das bedeutet einen Verlust von 10,4 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Verminderung der Einwohnerzahl ist in den Städten grösser als auf dem Lande. Die Einwohnerzahl der Städte hat sich im Vergleich mit dem Jahre 1934 um 39 875 Personen oder 11,4 Prozent, die der Gemeinden um 75 945 Personen oder 9,9 Prozent vermindert. Besonders stark ist der Rückgang der Einwohnerzahl in Reval und Nömme. Verschleppt und von den Russen mobilisiert sind nach den letzten Angaben insgesamt 60 911 Menschen. Davon 40 737 aus den Städten und 20 174 vom Land. Die Städte Estlands haben bis zu 32 Prozent ihrer Einwohnerzahl verloren. Auf 100 Männer gibt es heute in den Gemeinden 121 Frauen, in den Städten aber 152. Die Bevölkerung Estlands ist eifrigst bemüht, die deutsche Sprache zu erlernen. In der Revaler Sprachschule, der grössten ihrer Art Estlands, lernen z. Zt. in 55 getrennten Gruppen ca. 2000 Einwohner von Reval und Nömme deutsch. Der Sprachunterricht wird in zwei Schulgebäuden durchgeführt. Die Teilnehmer setzen sich aus Angehörigen aller Berufsschichten zusammen. Den grössten Prozentsatz jedoch stellen die Beamten. Es ist beabsichtigt, die Sprachschule in diesem Jahre erheblich weiter auszubauen. Die Arbeiterschaft der Fleischexportzentrale in Pernau trat wegen der als zu niedrig empfundenen Löhne in Streik. Ein Vertreter der Berufsverbände wurde nach Pernau entsandt, um die Angelegenheit an Ort und Stelle zu klären. In Reval ist ab 5. Januar 1942 die Ausgabe einer deutschen Zeitung unter dem Namen „Revaler Zeitung“ geplant. Der Zeitung kommt die besondere aussenpolitische Aufgabe zu, vermittelndes Organ nach Finnland und den Skandinavischen Staaten zu sein. In der Bevölkerung Estlands gehen nach wie vor Gerüchte über weitere Gebietsverluste der deutschen Wehrmacht im Osten um. In diesem Zusammenhange bildet die Übernahme des Oberbefehls über das Heer durch den

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Führer einen breiten Gesprächsstoff. Die estnische Selbstverwaltung und ihre führenden Männer sind Gegenstand der Kritik seitens der estnischen Intelligenz. Man spricht von Vetternwirtschaft und auch davon, dass Estland darauf lossteuere, eine „Weisse Kolonie“ zu werden, die nur den Zweck habe, Deutschland mit Agrarprodukten zu versorgen. Gem. §§ der allgemeinen Anordnung über die Preis- und Lohngestaltung im Ostland vom 11. September 1941 hat der Generalkommissar in Riga mit Ermächtigung des Reichskommissars für das Ostland die am 20. 6. 41 erhobenen Mietpreise im Gebietskommissariat Riga-Stadt um 200 Prozent erhöht. Die Erhöhung erstreckt sich nicht auf Mietpreise für Lagerräume. Die angeordnete Mieterhöhung hat bei der Arbeiterschaft im Hinblick auf deren schlechte Entlohnung starke Beunruhigung hervorgerufen. Die Belegschaften der in Reval gelegenen Chromlederfabrik und der Eisengiesserei Krull sind mit dem neuen Lohntarife unzufrieden. Sie sind an die Fabrikleitung wegen Lohnerhöhung herangetreten. Gleiche Erscheinungen sind auch in anderen Werken festgestellt worden. Durch den Mangel an Waren wird der weiteren Preissteigerung Vorschub geleistet. Verschiedene Artikel, die im Geschäftsverkehr kaum oder überhaupt nicht zu haben sind, werden in Reval in dem immer mehr um sich greifenden Schleichhandel zu Wucherpreisen angeboten. So wird beispielsweise für ein Stück Toilettenseife ein Preis bis zu 5,– RM gefordert. Für Weihnachtsbäume wurden 0,50 bis zu 7,– RM verlangt. Seidene Damenstrümpfe werden für 10,– bis 30,– RM angeboten. Brot ist für 3,50 RM zu haben. 1 kg Zucker, der zu Weihnachten in einer Menge von 450 gr. zum Preise von 0,58 RM pro kg an die Zivilbevölkerung abgegeben wurde, wird im Schleichhandel für 9,– RM bis 10,– RM verkauft. Seit dem 25. Dezember 1941 gehört die Stadt Libau zum Bereich des Gebietskommissars Alnor und ist nicht mehr dem Festungskommandanten unterstellt. Reichsminister Alfred Rosenberg wird in der Zeit um den 23. Januar 1942 in Riga erwartet. Es ist u. a. ein grosser Empfang führender lettischer Persönlichkeiten vorgesehen. Der Reichskommissar für das Ostland hat am 30. Dezember 1941 eine mit dem Tage ihrer Verkündung in Kraft tretende Anordnung über die polizeiliche Strafgewalt der Gebietskommissare vom 6. Oktober 1941 öffentlich bekannt gegeben. Danach können die Gebietskommissare gegen Personen, die nicht der Wehrmachtsgerichtsbarkeit und nicht der Sondergerichtsbarkeit für Angehörige der Polizei und der SS unterstehen, polizeiliche Strafverfügungen erlassen. Dem Einsatzkommando 3 in Kauen gelang nach sorgfältigen Vorermittlungen und auf Grund nachhaltiger Fahndungsmaßnamen die Festnahme von 18 Terroristen. Es handelt sich fast durchweg um ehemalige Angehörige der NKWD-Dienststellen in Kauen, die nach der Flucht der Roten Armee in Moskau zu Terrorgruppen zusammengefasst und in Litauen eingesetzt wurden. Von den Einsatzgruppen B u. C liegen keine Meldungen vor. Einsatzgruppe D: Standort Simferopol. Partisanenbewegung im Raume Feodosia–Stari-Krim 6: In Feodosia gab es zwei Partisanenabteilungen: 1.) die Feodosia-Abteilung, 2.) die Torpedowerksabteilung. Über die Bildung der Torpedowerksabteilung ist folgendes bekannt geworden: Bereits im Juli 1941 wurden aus der 1500köpfigen Belegschaft des Torpedowerks 238 80 gediente Männer ausgesucht und als bewaffneter Werkschutz bestimmt. Im folgenden Monat erklärte man diese 80 Männer zum Zerstörungsbataillon und nach der Evakuierung des Werkes wurden davon 40 als Partisanen in den Raum von Kisiltasch geschickt. Die übrigen 40 kamen später auch nach Kisiltasch. Nach einem Gefecht mit den Rumänen am 9. oder 10. 11.1941 desertierte fast die Hälfte dieser Partisanen. Über die Partisanen der Stari-Krim-Gruppe wurde folgendes bekannt: Der Führer dieser Gruppe ist Wodopjanow. Der Gruppe gehör-

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ten verschiedene NKWD-Funktionäre aus Stari-Krim an. Die Stari-Krim-Gruppe war anfänglich über 90 Mann stark. Nach der rumänischen Aktion am 10. 11. 41 sind etwa 50 Partisanen wieder nach Stari-Krim zurückgekehrt und haben sich bei der dortigen Miliz gemeldet. Der Rest der Gruppe vereinigte sich mit der Feodosia-Gruppe bei Kisiltasch. Ihr jetziger Standort ist südostwärts Sali. In dieser Gegend sind innerhalb der letzten 10 Tage 3 Feuerüberfälle auf Wehrmachtsfahrzeuge verübt worden. Dem Kommando sind Personen namhaft gemacht worden, die die einzelnen Lager der Partisanen zeigen können. Innerhalb der Partisanengruppe Stari-Krim besteht eine sogenannte Troika, die bereits mehrere Todesurteile gefällt hat. Drei Mitglieder der Partisanenabteilung sind vor einiger Zeit geflüchtet und haben sich bei der Wehrmacht fälschlich als Kriegsgefangene gemeldet. Es handelt sich um Demeter Samatzuk, rechte Hand des Partisanenführers Wodopjanow, Peter Tschawdarow, Vollstrecker von Todesurteilen der Troika und Markus Merslykyn, ehem. Milizführer in Stari-Krim. Zurückgekehrte Partisanen erklärten, dass der Partisanenführer Wodopjanow zahlreiche vom Passamt Stari-Krim mitgenommene Passformulare besitze. Der dazu gehörige Druckstempel wurde von der jetzigen Miliz von Stari-Krim bei einer Aktion am 14. 11. 41 erbeutet. Am 13. 12. wurde eine Aktion gegen die im Raume Jalta festgestellten Partisanengruppen durchgeführt. I. Durch Erkundung des Sonderkommandos XIa war folgendes über Lage, Stärke und Bewaffnung der Partisanenabteilung Maschkarin festgestellt worden: 1. Zug: Südwestabhang des Berges Krasnij Kamen auf Nikitski Sklon, versprengter Rest von 9 Mann des am 19. 11. angegriffenen 1. Zuges, 4 MGs und die üblichen Infanteriewaffen. Nach unüberprüfter Meldung vermutlich ungefähr 500 mtr. nördlich davon weitere 10–15 Mann, Bewaffnung unbekannt. 2. Zug: 500 mtr. östlich der Tränke Besch-Tekne, etwa 3,5 km südöstlich des Dorfes Kutschuk-Usenbasch am Nordwestabhang des Jaila-Kammes, 40–75 Mann, Führer des 2. Zuges Kowal, ferner der Stab der Partisanenabteilung mit Maschkarin als Kommandeur, Belobrotzki als Kommissar und Podobrigora als Chef des Stabes, ausserdem der Stab des ehemaligen 14. Vernichtungsbataillons mit dem Bataillonskommandeur Tamarli, keine MGs, nur Infanteriewaffen. 3. Zug: 2 km westlich des Berges Rona am Nordwestabhang des Jaila-Kammes, 50 Mann, Führer Alejew, 2 MGs und übliche Infanteriewaffen. Die Lage der Hütten, die Aufstellung der Wachen und die Kennworte waren für den 2. und 3. Zug genau bekannt und auf einer Skizze festgelegt worden. II. Nach Besprechung mit dem XXX. Korps und der von dem Korps angesetzten 1. rum. Gebirgsbrigade wurde folgender Plan zur Durchführung des Unternehmens festgelegt: Gegen die 3 Züge werden angesetzt: 2 Schwadronen und 1 MG-Zug des 4. rum. mot. Rgt. gegen den 1. Zug, das 2. Bataillon der 1. rum. Gebirgsbrigade, verstärkt durch eine deutsche Pioniergruppe vom Pionierbataillon 70 mit 2 Flammenwerfern gegen den 2. Zug, das 1. Bataillon der rum. Gebirgsbrigade gegen den 3. Zug. Beteiligung des Sonderkommandos XIa mit 7 Führern und 16 Mann. Ausserdem Gestellung von 12 ortskundigen Wegführern durch das Sonderkommando XIa. Anmarsch getrennt, der Angriff möglichst gleichzeitig zwischen 6 und 8 Uhr. Auf Anweisung des XXX. Korps sollten die Unternehmungen am 14. 12. 41 abends abgeschlossen und die Verbände in ihre Standorte zurückgekehrt sein. Anmarschwege und Lage wurden nach den Angaben des Sonderkommandos XIa in die Karten eingetragen; den Führern der einzelnen Verbände wurden Faustskizzen mit den genauen Einzelheiten (Posten, Zahl und Lage der Hütten, Lebensmittellager) ausgehändigt. Nach Durchführung des Unternehmens wurde festgestellt, dass diese Angaben bis ins einzelne genauestens mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmten.

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III. Die Durchführung des Unternehmens erfolgte nach vorausgegangenen Einzelbesprechungen zwischen den Führern der beteiligten Verbände in folgender Weise: 1. Zug: Nach Abmarsch um 2 Uhr wurde gegen 4 Uhr ein Meldekopf der Partisanen in Leschos ausgehoben und der Verbindungsmann Belochusow festgenommen. Im weiteren Verlauf wurden die Gebäude auf Gruschowaja Poljana durchsucht und 3 nicht zur Hausgemeinschaft gehörende Personen festgenommen, bei denen es sich um einen Kommandeur und einen Kommissar der Roten Armee handeln soll (Vernehmung noch nicht abgeschlossen). Die übrigen Personen sind hier als unverdächtig bekannt. Gegen 10.30 Uhr erfolgte nach Umstellung der Angriff auf die Reste des 1. Zuges. Ergebnis: 2 Partisanen getötet, 7 Partisanen gefangen – davon 3 verletzt, 2 MGs, 12 automatische Gewehre, 8 Karabiner, 5 Kisten Munition, 3 Pistolen. Die Unterkünfte und weitere Bestände an Munition und Handgranaten wurden vernichtet. Eigene Verluste: 1 Toter (Rumäne). Die 2. Partisanengruppe, mutmaßlich 10–15 Mann, konnte gefasst werden, da sie sich nach Feststellung bei dem Unternehmen gegen den 2. Zug am 12. 12. 41 zum 2. Zug begeben hatte. 2. Zug: Nach Abmarsch gegen 1 Uhr traf der Verband gegen 8 Uhr auf der Höhe des Jaila-Kammes ein. Gegen 8.30 Uhr erfolgte die erste Feindberührung, gegen 9 Uhr wurde der Angriff auf das Lager eingeleitet. Die Partisanen leisteten heftigen Widerstand, begünstigt durch Feldstellungen und ein übersichtliches Feld- und Waldgelände. Nach 1 1/2stündigem Gefecht war der Widerstand gebrochen. Ergebnis: 23 Partisanen getötet – darunter 3 Frauen, 1 Partisan gefangen, 10 Gewehre und Karabiner, 1 MP, 6–8 Jagdgewehre, zahlreiche Handgranaten, 1 Paket Leuchtpistolenmunition deutscher Herkunft, Signalraketen, zahlreiche Infanterie- und MG-Munition, z. T. deutscher Herkunft, 4 Erdbunker, 1 Felsenhöhle, 2 Gebäude durch Sprengung zerstört, 3 Lebensmittellager, 1 Weinlager erbeutet und teilweise geräumt oder vernichtet, ferner zahlreiche Ausweise, Dokumente, Karten und Befehle erbeutet. Die erbeuteten Waffen und Munition wurden vernichtet. Unter den getöteten Partisanen befanden sich: 1. der Führer des 2. Zuges Kowal, 2. der Kommandeur des 14. Vernichtungsbataillons Hauptmann Tamarli, 3. der Kommissar der Partisanenabteilung Belobrotzki, ferner 3 Stabsoffiziere von der Leitung der Partisanenbewegung der Krim (Papiere erbeutet, Auswertung noch nicht abgeschlossen). Tote: 1 Mann Waffen-SS, 3 Rumänen. Verletzte: 3 Rumänen – darunter 1 Offizier. 3. Zug: Nach Abmarsch um 1 Uhr traf der Verband gegen 7 Uhr auf dem Jaila-Kamm bei der meteorologischen Station ein, gegen 9 Uhr war die Bereitstellung durchgeführt. Der Angriff erfolgte sofort, Feindwiderstand gering. Ergebnis: 15 Partisanen getötet, 4 Gefangene, 1 lMG, 6 Karabiner und autom. Gewehre, 1 Jagdgewehr, 1 Kiste Munition, 1 Kiste Sprengstoff, zahlreiche Handgranaten, Signalraketen, etwa 25 Paar Schneeschuhe, 12 Erdbunker und Unterkünfte zerstört, 7 Lebensmittellager (2 geräumt, der Rest wird später abgefahren), ein Weinlager. Eigene Verluste: keine. IV. Das Unternehmen gegen die Partisanenabteilung Maschkarin hatte folgendes Gesamtergebnis: 40 Partisanen getötet, 16 Partisanen gefangen, 3 lMG, zahlreiche Handfeuerwaffen und Munitionsbestände, 21 Erdbunker und Unterkünfte, 10 Lebensmittellager, 2 Weinlager erbeutet oder vernichtet. Damit ist die Partisanenabteilung des Abschnittes Jalta–Alupka zersprengt, ihre Stützpunkte und Versorgungsbasen sind zerstört. Da sie auch des grössten Teiles ihrer Waffen verlustig gegangen ist, dürfte sie auch zu einem Einsatz nicht mehr fähig sein. Bei der Vernichtung der Abteilung Jalta der Partisanenbewegung am 13. 12. 41 wurden beim 2. Zug bei Besch-Tekne, 3,5 km südostwärts KutschukUsenbasch, auch die Stäbe der Partisanenabteilung und des 4. Partisanenbezirks(-rayons) z. T. ausgehoben. Es konnten bisher folgende führende Partisanen als dabei getötet iden-

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tifiziert werden: 1. Dimitri Awerkin, Generalmajor und Kommandeur der 48. Kavalleriedivision, seit 17. 11. 41 Chef des 4. Partisanenbezirks. 2. Awksentij Demidow, Hauptmann im Stabe von Awerkin. 3. Iwan Michalschuk, Hauptmann, Chef der operativen Abteilung des Stabes der 48. Kavalleriedivision. 4. Nikolaj Tamarli, Hauptmann a. D., Kommandeur des 14. Vernichtungsbataillons. 5. Wassili Uschakow, Adjutant von Tamarli. 6. Stanislaw Belobrotzki, Kommissar der Partisanenabteilung, ehemals Chef der 1. Komp. des 14. Vernichtungsbataillons, jetziger Erkundungschef der Partisanenabteilung. Diese Personen waren sämtlich auch Mitglieder der Kommunistischen Partei. Ihre Ausweise wurden erbeutet. Bei einigen, vor allem bei Awerkin, Tamarli und Belobrotzki, wurde eine Reihe von Schriftstücken gefunden, die weitere Aufschlüsse über Organisation und Standorte der Partisanenbewegung und ihre Arbeitsweise geben. In die Entstehungsgeschichte der Partisanenbewegung des Bezirks geben Tagebuchaufzeichnungen des Generals Awerkin Einblick. Awerkin beschreibt darin kurz den Fluchtweg seiner Division und anderer versprengter Truppen aus dem Rayon Sali über Karasubasar bis in die Gegend des Berges Tschatyr-Dag. Er wollte sich nach Aluschta–Jalta–Balaklawa durchschlagen, was ihm jedoch misslang. Er hatte folgende Gruppen um sich gesammelt: a) Reste des versprengten Armee-Nachrichtenregiments unter Hauptmann Kowalenko, b) 27 Mann der 25. Grenzschutz-Sonderkommandantur aus Feodosia unter Hauptmann Scherolin und dem Politkommissar Romanow, c) 22 Mann des 68. Kav.Regt. unter Führung des Regimentskommissars Putschkow, d) 30 Mann der 156. Schützendivision unter Oberleutnant Slasow. Den Trupp Kowalenko liess Awerkin am 11. 11. 41 am Tschatyr-Dag zurück. Mit den Übrigen erreichte er am 15. 11. 41 die Steinkohlenminen im Zapondnig. Hier übergab er den Trupp Putschkow den Partisanen. Nach den erfolgreichen Grossaktionen westlich Aluschta und auf dem Jaila-Kamm am 13. bzw. 16. 12. 41 ist eine starke Bewegung in die Partisanengruppen gekommen. Ihrer festen Stützpunkte und Vorratslager beraubt, bewegen sie sich hin und her, um im Bereich der Nachbargruppen unterzukommen, wobei sie dann meist feststellen müssen, dass deren Schlupfwinkel ebenfalls ausgehoben sind. 1. Der Stab des Kommandierenden Makroussow ist nach der letzten Aktion 2 km verlegt worden. Die genaue Stelle ist noch nicht ermittelt, befindet sich jedoch nach einer Meldung in der Nähe der Strasse Simferopol– Aluschta in Erdhütten. Die Leibwache hat noch eine Stärke von 30–40 Mann (Bewaffnung wie üblich, Gewehre verschiedenster Herkunft, Handgranaten und je etwa 100 Schuss Munition, angeblich keine MG). Erkundungschef von Makroussow ist Arapetje. Dieser kennt auf das Beste alle Wege und Pfade und unterhält die Verbindung zwischen den Abteilungen. Möglicherweise ist er z. Zt. nach Sewastopol unterwegs. 2. Über die Reste der am 13. 12. 41 grösstenteils vernichteten Abteilung Jalta lagen bis zum 20. 12. 41 folgende Meldungen vor: a) Eine Restgruppe des 1. Zuges am Krasnij Kamen in Stärke von 17 Mann hat jetzt der Chef des Stabes der Abteilung, der am 13. 12. 41 entkommene Podobrigora, übernommen. Eine eigentliche Führung der Abteilung besteht nicht mehr. Die Gehilfen von Podobrigora sind die Politruks Kutscher und Latischew. Die Restgruppe versuchte am 19. 12. 41 das letzte Lebensmittellager am Krasnij Kamen zu entleeren, kam aber zu spät; es war am Morgen des gleichen Tages vom Sonderkommando XIa endgültig abgetragen worden. Die Gruppe setzte sich am 20. 12. 41 nachmittags in Richtung JailaKamm (vermutlich zu den ehemaligen Standorten des 2. und 3. Zuges) in Bewegung. b) Die Reste des 2. und 3. Zuges von je etwa 10 bis 15 Mann treiben sich in der Nähe des Dorfes Kutschuk-Usenbasch herum. Bei den Resten des 3. Zuges befindet sich noch der Zugführer Agejew und der Kommissar Posnjakow. Von sämtlichen Angehörigen der Zü-

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ge der Abteilung Jalta sind Namen und Anschriften durch am 13. 12. 41 erbeutete Listen bekannt, so dass sie bei Rückkehr in die Ortschaften gefasst werden können. 3. Auch in die nördlich des Jaila-Kammes operierenden Partisanengruppen anderer Abteilungen ist Bewegung gekommen. Am 18. 12. 41 wurde zwischen den Dörfern Kousch und Stilja Kampfeslärm gehört. Anschliessend wurde eine Gruppe von 50–100 Mann in der Gegend des Berges Pijuk-Tauschen (3,5 km ostwärts des Dorfes Pijuk-Usenbasch) in südlicher Marschbewegung gesehen. 4. Kleinere Trupps treiben sich nach wie vor im Walde und in der Nähe der Ortschaften herum. Am 13. 12. 41, einen Tag nach dem Abzug der Rumänen, drangen 6 bewaffnete Partisanen nachts in das Dorf Derekoi ein, um Lebensmittel von der Bevölkerung zu erpressen. Der Abzug der Rumänen wirkte sich ausserdem auch insofern nachteilig aus, als sie das KZ auflösten, ohne es anderen Stellen zu übergeben. Zusammengefasst kann folgendes gesagt werden: Seit dem Befehl des Kommandierenden Makroussow am 4. 12. 41 zu erhöhter Aktivität und den erfolgreichen Gegenaktionen in den Abschnitten Jalta und Aluschta befinden sich die Partisanengruppen in stärkerer Bewegung. Wohin diese zielt, ist noch nicht völlig zu übersehen. Wegen der Zerstörung ihrer Schlupfwinkel und Versorgungsbasen werden sich die Restgruppen jedoch kaum wieder konsolidieren können und auch zu grösseren Einsätzen nicht mehr in der Lage sein. Sie schauen z. Zt. mehr denn je auf Sewastopol. Dieser oben näher bezeichnete Rückzugsund Verbindungsweg muss in verschärftem Maße überwacht werden; stimmungsmäßig beherrschend ist weiterhin für viele Partisanen die Sorge um ihre Angehörigen. Hier kann durch scharfe Überwachung und zweckentsprechende Behandlung der Partisanenfamilien viel erreicht werden. Im übrigen darf die Partisanengefahr nach wie vor nicht unterschätzt werden. Abziehende Einheiten müssen möglichst durch andere abgelöst werden, weil sonst die Partisanen dort sofort wieder aktiv werden. Eine endgültige Befriedung kann nur durch eine Belegung möglichst aller wichtigen Orte, vor allem aber auch der nördlich des Jaila-Kammes im Waldgebirge gelegenen, erreicht werden. III. Reich und besetzte Gebiete: Der Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD i.d. Untersteiermark meldet: In der Nacht vom 2. auf 3. 1. 42 wurde das Sprengmagazin der Strassenbaufirma Takatsch, welches im Kellerraum einer Gastwirtschaft in St. Margarethen, Kreis Cilli, untergebracht war, erbrochen und daraus ca. 40 Patronen Sicherheitssprengstoff/Donarit im Gesamtgewicht von 4 kg gestohlen. Aus der Art der Durchführung kann mit Sicherheit darauf geschlossen werden, dass kommunistische Banden die Täter waren. Am 4. 1. 42 zwischen 01.00 und 12.00 Uhr [sic] wurde auf die Bahnstrecke Wregg–Steinbrück ein Sprengstoffanschlag verübt. Aus dem linken Schienenstrang wurde ein 50 cm langes Stück herausgesprengt. Trotz dieser Beschädigung konnten drei Züge anstandslos passieren. Weiterer Schaden entstand nicht. In Katharina bei Trifail fand im Laufe des 5. 1. 42 ein Gefecht zwischen deutschen Polizeikräften und einer kommunistischen Bande in Stärke von etwa 10 Mann statt. Von der Bande, die im Laufe des Gefechtes eingekreist werden konnte, sind sechs in einem Heuschober verbrannt, ein weiterer wurde auf der Flucht erschossen. Träger des Gefechtes waren Kräfte der Schutzpolizei, der Stapo und d. SD. Ein Angehöriger der Schupo – Josef Kraus – wurde getötet. Vergeltungsmaßnahmen sind eingeleitet. Die Stapostelle Troppau meldet: Zwei deutsche Wehrmachtsangehörige, die in sowjetrussische Kriegsgefangenschaft geraten waren, hatten sich für den sowjetruss. Nachrichtendienst anwerben lassen, um wieder in Freiheit zu kommen. Sie wurden am 4. 1. 42 mittels Fallschirms im Bereich der Stapostelle Troppau abgesetzt. Ihr Auftrag lautete, im Raume

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Nr. 2: Ghettoinsassen von Kaunas/Kowno auf dem Weg zur Erschießung im Fort IX am 28.10.1941

von Wien, München oder Graz nachrichtendienstlich tätig zu werden und evtl. auch Sabotage zu verüben. Der SS- und Polizeiführer im Distrikt Galizien meldet: Im Laufe der Nacht auf deutschem Boden ein Fallschirmabspringer von Sicherheitspolizei festgenommen und zwei Fallschirme mit Lastpäckchen, enthaltend Schaufeln, Spitzhacken, Äxte und Sprengmittel, aufgefunden. Fallschirmabspringer und Fallschirmsäcke zum grössten Teil über ungarischem Gebiet gesehen worden (angeblich 12 Transportflugzeuge). Bisher 2 ungarische Soldaten im Kampf getötet. Ein Honved-Bataillon eingesetzt. Deutsche Ordnungspolizei, Sicherheitspolizei und Zollgrenzschutz sichern die Grenze und haben Suchaktionen eingeleitet. BAB, R 58/220 1 Walter Hofmann, geb. 1905, Jurastudium, 1933 NSDAP u. SS, 1939 Stubaf., 1940 Chef Stapo-Stelle Lüneburg, 1941 Leiter IV EG C, Jan.–März 1942 kommissarisch KdS Weißruthenien, dann zurück nach Lüneburg, 1945 Selbstmord; BAB, BDC, SSO Walter Hofmann; BAL, ZK: Walter Hofmann. 2 Falsch, kommissarisch geführt durch Kurt Matschke. 3 Falsch, längst Robert Mohr. 4 Falsch, längst Dr. Werner Braune. 5 Dr. Hjalmar Mäe, geb. 1901, 1929 Fhr. des faschistischen Freiheitskämpferbundes in Estland, 1935 wegen Umsturzversuchs zu 20 Jahren Haft verurteilt, 1938 begnadigt, 1940 nach Deutschland, Mai 1941 Vorsitzender des Estnischen Befreiungskomitees in Helsinki, Sept. 1941–1944 Chef der estnischen Selbstverwaltung, dann nach Deutschland, 1947 nach Österreich, gest. 1978; biographisch: Seidler: Die Kollaboration 1939–1945, S. 348–352. 6 Zum Kontext Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 131–135.

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 9. Januar 1942

60 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 153 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Die mit der Ereignismeldung Nr. 152 vom 7. 1.1942 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. [II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos:] Einsatzgruppe A: Standort Riga und Krasnogwardeisk. Politische Lage in Lettland: In der Bevölkerung, insbesondere in den Städten, machen sich allmählich die ersten Anzeichen eines Stimmungsumschwungs bemerkbar. Wenn auch die Grundtendenz nach wie vor deutschfreundlich ist, da die Befreiung von den Bolschewisten ein sehr starkes Erlebnis für jeden Einzelnen war, so wird doch immer deutlicher an den Maßnahmen der deutschen Zivilverwaltung 1 Kritik geübt. Die lettische Intelligenz ist sich allmählich klar darüber geworden, dass mit einer lettischen Selbständigkeit auch in nur beschränktem Rahmen in Zukunft nicht mehr gerechnet werden kann. Im Augenblick finden sich die führenden Kreise – da sie machtpolitisch völlig ausgeschaltet sind – damit ab, versuchen aber illegal zu einer lettischen nationalen Einheitsfront zu kommen. Typisch für die Grundhaltung des lettischen Volkes waren die vielen Wünsche bezüglich des Staatsgründungstages des ehemaligen Freistaates Lettland am 18. November, die an die Dienststelle der Sicherheitspolizei und der Zivilverwaltung herangetragen wurden. Der Tag sollte in der alten Form festlich begangen werden, wobei vor allem Beflaggung mit den ehemaligen lettischen Farben und Kranzniederlegung und Ansprache am Freiheitsdenkmal in Riga gewünscht wurden. Durch Verfügung des Reichskommissars vom 5. 11. 41 wurden sämtliche Feiern für den 18. November verboten. Der Tag selbst verlief ohne Zwischenfälle. Die lettischen Bewohner Rigas waren seit den frühen Morgenstunden auf dem Wege zum Brüderfriedhof, wo auf den Gräbern reiche Blumenspenden niedergelegt wurden. Kundgebungen haben auf dem Brüderfriedhof nicht stattgefunden. Auch das Freiheitsdenkmal in Riga – der Wallfahrtsort der Letten – war mit Blumen zum Andenken an die lettischen Freiheitskämpfer geschmückt. Eine grössere Menschenmenge, die sich in den Abendstunden vor dem Freiheitsdenkmal ansammelte und nationallettische Lieder sang, wurde bei Einbruch der Dunkelheit von der lettischen Ordnungspolizei aufgefordert, sich in die Wohnungen zu begeben, was dann auch befolgt wurde. Zu erwähnen ist noch die Verteilung eines Flugblattes, in dem zwar die Befreiung von den Bolschewisten als glückliches Ereignis erwähnt wurde, das jedoch die Letten zur Errichtung eines selbständigen Nationalstaates aufrief. Das Flugblatt wurde von weiten Kreisen der lettischen Bevölkerung als Provokation betrachtet. Man ist auch lettischerseits bestrebt, die Verfasser und Verteiler zu ermitteln. Auch auf dem flachen Lande verlief der 18. November ohne Zwischenfälle. In der Nacht vom 4. auf 5. 11. fand ein überraschender Angriff russischer Flugzeuge auf Riga statt, bei dem einige Zivilpersonen getötet und einiger Sachschaden verursacht wurde. Auf Grund dieses Ereignisses versuchen einige Kreise durch Lügenmeldungen die allgemeine Stimmung zu trüben, besonders mit dem Hinweis darauf, dass der deutsche Rundfunk den Moskauer Rundfunk hin-

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sichtlich dieser Angriffe seiner neunten Lügenmeldung bezichtigt hat. Der Führer des Perkonkrust2, Gustav Celmins 3, erklärte bei seinem Aufenthalt in Riga vor einigen Wochen, dass er beauftragt sei, eine lettische Freiwilligendivision aufzustellen. Er hat besonders unter den ehemaligen lettischen Offizierskreisen grosse Propaganda für diese Freiwilligenlegion gemacht, jedoch nur zum Teil Anklang gefunden. Sowohl in den deutschen Dienststellen als auch in der lettischen Verwaltung ist verbreitet worden, dass man in Kürze mit einer Verfügung des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete zu rechnen hat, nach der die deutsche Zivilverwaltung lediglich eine politische Überwachungsbehörde darstellen soll. Die eigentliche Verwaltung wird den Letten überlassen werden. Dieses Gerücht hat eine lebhafte politische Tätigkeit der einzelnen lettischen Gruppen hervorgerufen. Jede derselben versucht schon jetzt, ihre Kräfte zu mobilisieren. Während die Perkonkrustler nach wie vor lediglich auf die Aufstellung einer lettischen Division hinarbeiten und höchstens noch kulturelle Belange vertreten, sind die ehemaligen Bauernbündler bemüht, eine klare Linie in ihre Reihen zu bringen. Zu Ulmaniszeiten bestand eine Spaltung dieser Regierungspartei, die aber durch das Geschick des Ministerpräsidenten Ulmanis 4 immer wieder zusammengehalten wurde. In der letzten Zeit konnten Besprechungen führender Bauernbündler festgestellt werden. Zur deutschfreundlichen Seite haben sich folgende führende Politiker geschlagen: Kvijesis, der ehemalige Präsident des Freistaates Lettland, Valdmanis 5, der ehemalige Finanzminister, und Pauliuk. Diese Gruppe hat durch die Berufung Valdmanis zum Generaldirektor der Justiz einen Auftrieb erhalten. Die Gegner dieser Gruppe haben sich fühlbar von den deutschen Behörden distanziert. Es sind dies der ehemalige Präsident der lettischen Nationalbank, Klive, ferner der Sekretär der Bauernpartei, Druva, und der zweite Parteisekretär Grantskalns. Im Zusammenhang mit der Abschaffung des Senats als letzte Instanz der lettischen Justiz hat der ehemalige Finanzminister Valdmanis, der nach dem deutschen Einmarsch Oberstaatsanwalt beim Senat geworden war, seine Stellung verloren. Nachdem der bisherige Generaldirektor für das Rechtswesen, Zvejnieks, sein Entlassungsgesuch eingereicht hat, ist Valdmanis als Generaldirektor für das Rechtswesen eingesetzt worden. Die Wiederaufnahme des Unterrichts in dem lettischen Gymnasium und mittleren Fachschulen, die am 18. 11. vom Generalkommissar Dr. Drechsler in feierlicher Form verkündet wurde, ist allseits sehr freundlich begrüsst worden. Es ist weiter beabsichtigt, die Universität in allernächster Zeit wieder zu eröffnen und den Lehrbetrieb fortzusetzen. Politische Lage in Estland: Die am 5. 12. 41 eintretende Übernahme der Zivilverwaltung durch den Generalkommissar, SA-Obergruppenführer Litzmann 6, bedeutet eine Erleichterung des gesamten öffentlichen Lebens und wird, trotzdem die Zusammenarbeit zwischen dem Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes und den estnischen Stellen reibungslos vonstatten ging, von der gesamten Bevölkerung begrüsst. Bei der Anerkennung, die der Este Dr. Mäe als Vertrauensmann der estnischen Bevölkerung gefunden hat und dem Vertrauen, das er andererseits bei den deutschen Dienststellen geniesst, ist zu erwarten, dass die zukünftige Entwicklung auf den allgemeinen Lebensgebieten in Estland in wünschenswerter Weise vor sich geht. Die Bevölkerung beschäftigt sich sehr ausführlich mit der Einführung der Zivilverwaltung und knüpft grosse Erwartungen an das neue zivile Regiment. Die Frage der Reprivatisierung des von den Sowjets enteigneten Besitzes steht dabei, insbesondere soweit es die Wiederherstellung der ländlichen Besitzverhältnisse betrifft, im Vordergrund. Die Stimmung der Bevölkerung ist nach je vor deutschfreundlich, obgleich sie zum Teil durch eine Reihe wirtschaftlicher Maßnahmen, zum Teil durch den Schwebezustand bei der Lösung wichtiger Fragen eine harte Belastungsprobe erhält.

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Besonders bemerkbar macht sich der Mangel an geeigneter Propaganda, durch die die einschneidenden Maßnahmen wirtschaftlicher und kultureller Art dem Volke sehr gut psychologisch verständlich gemacht werden könnten. Lediglich bei der Vorbereitung der Einführung von Lebensmittelkarten ist durch Zusammenarbeit zwischen den deutschen und estnischen Stellen ein gewisser Erfolg zu verzeichnen. Hier ist es durch rechtzeitige gemeinsame Propaganda gelungen, der Einführung der Lebensmittelmarken bei der Bevölkerung eine positive Aufnahme zu gewährleisten, denn die Bevölkerung zeigt sich z. Zt. noch einsichtig in Bezug auf die bevorstehenden Leistungen und Opfer. Die Parole des gemeinsamen Kampfes gegen den Bolschewismus und der sich daraus auch für das estnische Volk ergebenden Opfer findet, soweit sie schon propagandistisch ausgewertet worden ist, weitgehendes Verständnis, und es ist anzunehmen, dass ihre geschickte Handhabung in der Aufklärungsarbeit wesentlich zur Erhaltung der grundsätzlich nach wie vor positiven Einstellung der Bevölkerung beitragen wird. Bericht über polnische Widerstandsbewegung in Weissruthenien: Der polnische Aktivismus ist, nach den Feststellungen der Sicherheitspolizei und des SD, in dem Gebiet der Zivilverwaltung Weissruthenien in voller Tätigkeit. Getragen durch polnische Volkstumsangehörige, die unmittelbar nach der Besetzung Weissrutheniens, insbesondere der ehemals polnischen Gebiete, mit den nachrückenden Einheiten der Wehrmacht in das Gebiet kamen, ist die polnische Widerstandsbewegung daran gegangen, auch im weissruthenischen Raum ihr Zellensystem zu organisieren. Ihre Arbeit wird insbesondere dadurch erleichtert, als in zahlreichen Fällen nicht nur polnische röm.-katholische Geistliche bereits wieder amtieren, sondern dass darüber hinaus teils durch die Wehrmacht, teils durch die Zivilverwaltung polnische Volkstumsangehörige als Bürgermeister eingesetzt und als Dolmetscher verwendet oder sogar wieder in ihren Grossgrundbesitz eingesetzt sind. Die Träger der polnischen Widerstandsbewegung im westweissruthenischen Raum sind die katholischen Priester. In mehreren Fällen ist festgestellt worden, dass die führenden Aktivisten der polnischen Widerstandsbewegung – darunter auch röm.-katholische Geistliche – Querverbindungen zu anderen Gegnern aufgenommen haben und dass enge Freundschaft zwischen Kommunisten und ehem. NKWD-Agenten und katholischen Priestern besteht, z. B. in Tuschkiwitsche, Rayon Goroditsche. Auch die Juden sind aus der Kampfgemeinschaft der polnischen Widerstandsbewegung nicht ausgeschlossen, obwohl sie bei den polnischen Volkstumsangehörigen im allgemeinen wenig Sympathie geniessen. Sie werden als Kampfgefährten in gemeinsamer Abwehrfront betrachtet und besonders als Träger der Flüsterpropaganda. Die geheimen Zusammenkünfte der Zellen der polnischen Widerstandsbewegung finden in der Regel bei polnischen röm.-katholischen Geistlichen statt, getarnt als religiöse Versammlungen. Bezeichnend ist hierfür z. B. eine Versammlung, welche am 9. 11. 41 in der Ortschaft Klezk bei dem polnischen katholischen Geistlichen Gschesiak stattfand und an der acht Personen teilnahmen. Die Versammlung eröffnete der Pole Elnir mit einem politischen Referat, in dem er ungefähr folgendes ausführte: „Wir Polen müssen politisch fest zusammenstehen und die Weisungen Sikorskis7 beachten, damit wir bereit sind, wenn der Tag der Abrechnung kommt. Es kommt der Winter. Die Kraft der Deutschen wird bald erlahmen, und sie werden erliegen. Für diesen Moment müssen wir so gut organisiert sein wie 1918, denn mit einer guten Organisation ist die Grundlage für unsere Zukunft geschaffen. Werden wir von einem Posten abgesetzt, so müssen wir sofort einen anderen Posten der Verteidigung besetzen.“ Auch die Predigten der katholischen Geistlichen sind ganz im Sinne der polnischen Widerstandsbewegung gehalten. Insbesondere verstehen sie es geschickt, auf die im polnischen Volksteil kursie-

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rende Flüsterpropaganda einzugehen. Dies geschieht etwa derart, dass ausgeführt wird: In der Bibel steht geschrieben, zwei grosse Mächte liegen miteinander im Kampf auf Leben und Tod. Die eine, noch starke Macht wird erlahmen, und die andere wird in ihrer Herrlichkeit wieder gross und mächtig auferstehen. Die auf der Basis der röm.-katholischen Konfession vorgetragene Angriffsbewegung des Polentums beschränkt sich jedoch nicht nur auf den westweissruthenischen – ehemals polnischen – Teil, vielmehr versucht die röm.-katholische Kirche in geschickter Form durch Einsetzung röm.-kath. Priester weissruthenischer Volkszugehörigkeit ihre propolnische Arbeit zu tarnen. Spionage- und Partisanenzentralen in Leningrad: Im Zuge des Auftrages der Erkundung Leningrads ergab sich in Umrissen ein Bild vom Aufbau und der Tätigkeit einer Reihe der aktivsten Spionagezentralen in Leningrad. Ausser den erfassten Zentralen sind zweifellos noch eine Anzahl anderer Zentralen auf die finnische und Wolchow-Front angesetzt. Über deren Tätigkeit konnten jedoch keine Erfahrungen gesammelt werden. An der Spitze der ganzen Spionage- und Partisanenarbeit steht der Vorsitzende des Militärrats und Sekretär des Gebietskomitees der KP in Leningrad, Kusnezow. Er gibt persönlich die Richtlinien für diese Arbeit. Sie erfolgt im Zusammenwirken des Stabes der Nordfront mit der Gebietsverwaltung des NKWD. Der Stab der Nordfront entscheidet über die militärischen Notwendigkeiten, bedarf jedoch für die Durchführung der Entscheidungen der Genehmigung der Gebietsverwaltung des NKWD, dessen Aufsicht er unterliegt. Der eigentliche zentrale Arbeitsstab für die gesamte Spionage- und Partisanentätigkeit an der Nordfront befindet sich im Hotel „Oktjabrskaja“. Befehligt wird diese Spionage- und Partisanenabteilung der Nordfront von einem Major Swetschnew. Mit der praktischen Ansetzung von Agenten und teilweise auch von Partisanen mit Sabotageaufträgen befassen sich im einzelnen: 1) Die Besondere- und Spionageabteilung der 55. Armee, 2) die Besondereund Spionageabteilung der 42. Armee, 3) die Besondere- und Spionageabteilung der Baltischen Flotte, 4) Spionagekommando Swerew, 5) Spionageabteilung L 13, 6) Spionageabteilung L 12, 7) Spionage- und Partisanenabteilung des Instituts Lesgaft, 8) Spionagekommando in Rasliw. Jede einzelne dieser Spionageabteilungen verfügt über eine Anzahl von Werbestellen bei den verschiedensten sowjetischen Behörden, in denen geeignete Personen angeworben werden. Die Besondere Abteilung der 55. Armee unterhält für ihre Agenten zwei Privatquartiere, während die Agenten der übrigen Spionageabteilungen gemeinsam kaserniert leben. Das Institut Lesgaft verfügt über eine besondere Ausbildungsabteilung in Kawgolowo. In den Agentenwohnungen erfolgt die Instruktion der von den Werbestellen für Agententätigkeit in Aussicht genommenen Personen, denen oft erst hier eröffnet wird, dass sie für Spionagezwecke angeworben sind. Nach Erledigung eines Auftrages erhalten die Agenten in der Wohnung Verpflegung und Unterkunft, soweit sie nicht um Stadturlaub nachsuchen. Arbeitsmethode: Eine planmäßige Siebung bzw. Anlernung des Agentenmaterials ist kaum festzustellen. Nur in einem einzigen Fall war zwei Knaben eine Tabelle mit deutschen Dienstrangabzeichen gezeigt worden, von denen sie nach drei Tagen viele vergessen hatten. Die Aufträge sind stereotyp und niemals der besonderen Individualität angepasst. Die Agenten werden gewöhnlich paarweise über die Linien geschickt. Erfolg: Trotz Masseneinsatzes von Agenten sehr dürftig. In vielen Fällen gehen die mangelhaft ausgesuchten Agenten mit dem festen Vorsatz durch die Linien, nicht mehr zurückzukehren. Am erfolgreichsten erwiesen sich Handwerkerschüler, doch sind deren Meldungen infolge fehlender Schulung oft unbrauchbar. In einem bekanntgewordenen Einzelfall (Tereschenkow) versuchte die Abteilung eine Anlaufstelle im besetzten Gebiet aufzubauen. Der damit beauftragte Leiter, ein alter zaristischer Leh-

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rer, erwies sich als unbrauchbar und ist z. Zt. freiwillig im Auftrage der Sicherheitspolizei tätig. Als im Dienste der oben genannten Spionageabteilungen arbeitend, konnten bis Anfang Dezember insgesamt 201 Agenten namentlich erfasst bzw. durch Personalbeschreibung gekennzeichnet in eine Fahndungsliste eingetragen werden. Die höchste bisher bekanntgewordene Durchschleusungsnummer ist 703. Zum Passieren der sowjetischen Linien erhält jeder Agent bzw. jede Agentengruppe einen mit laufender Nummer versehenen Passierschein, der dem letzten Posten der Roten abgegeben werden muss. Die Passierscheine werden vom Auftraggeber aus einem Vordruckheft abgetrennt. Da anscheinend die Numerierung für das ganze Frontgebiet durchlaufend ist und sich derartige Vordruckhefte bei allen Spionageabteilungen befinden, so dürfte die Zahl der Agentendurchschleusungen faktisch niedriger liegen. Zu beachten ist, dass auf ein und demselben Passierschein meist zwei, häufig auch mehr Personen durchgebracht werden. Der Einsatz von Agenten im Gebiet der Leningrader Front ist in jedem Fall ausserordentlich stark und mit 5–600 nicht zu gering geschätzt. Da das Agentenmaterial jedoch zum beträchtlichen Teil recht zufällig zusammengeholt, ungenügend oder überhaupt nicht ausgebildet ist und einen geringen Intelligenzgrad besitzt, da ferner nicht wenige dieser Agenten den Auftrag nur mit der Absicht annahmen, das hungernde Leningrad auf bequeme Weise zu verlassen, so scheinen die Erfolge dieses Masseneinsatzes im Ganzen gesehen recht bescheiden. Auffällig ist die meist festzustellende Ideenlosigkeit der Auftragserteilung bzw. deren Nichtanpassung an die Intelligenz des Auftragsträgers, die Schablonenhaftigkeit der vorzutragenden Legenden, der anscheinend herrschende Mangel an gut arbeitenden Nachrichtenzentralen im besetzten Gebiet, mit deren Errichtung zum Teil erst im November ds.Js. begonnen wurde. Bezeichnend ist auf der anderen Seite die besonders zahlreiche Verwendung von Jugendlichen und Kindern, die das Mitleid der deutschen Soldaten zu erwecken haben (etwa bettelnd vor den Feldküchen stehen) und relativ häufig zurückkehren, allerdings mit meist minderwertigem Nachrichtenmaterial. Dass bei der Anwerbung Personen, die aus den durch die deutsche Wehrmacht besetzten Gebieten stammen bzw. Angehörige dort haben, bevorzugt werden, ist selbstverständlich. Eine Altersgrenze nach oben gibt es kaum; ein Spion, der nachweislich auf der Tragfläche eines Flugzeuges bei strengem Frost über die Linien gebracht und hinter diesen mit dem Fallschirm abgesetzt worden war, zählte 68 Jahre. Meldungen der Eins.Gr. B u. C liegen nicht vor. Einsatzgruppe D: Standort Simferopol. Arbeitsbereiche der Teilkommandos vor allem in kleineren Orten judenfrei gemacht. In der Berichtszeit wurden 3176 Juden, 85 Partisanen, 12 Plünderer, 122 kommunistische Funktionäre erschossen.8 Gesamtsumme 79 276. In Simferopol ausser Juden auch Krimtschaken- 9 und Zigeunerfrage bereinigt. Befreiung von diesen Elementen von Bevölkerung allgemein begrüsst. Partisanen: Nachdem in der ersten Dezemberhälfte im Raum Aluschta durch mehrere grössere erfolgreiche Aktionen die Partisanen stark geschwächt und zerstreut wurden und kaum noch Überfälle auf Truppen und Transporte vorkommen, lag Schwergewicht der Arbeit in der Berichtszeit am ostwärtigen Teil des Jaila-Gebirges. Durch Ermittlung des Teilkommandos Karasubasar wurden 3 grössere Gruppen von 70–90 Mann mit entsprechenden Versorgungslagern im Raum Kamenschlik–Jeny–Sali–Koktasch und Ortalan festgestellt. Ausserdem sind in diesem Raum noch mehrere kleine Gruppen erkundet worden. Von russischen Fallschirmspringern, die im Raum von Karasubasar abgesprungen waren, wurde eine Karte mit eingezeichneten Partisanenstellungen erbeutet, die

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durch Erkundungsergebnisse bestätigt wurden. 10 Stellungen der Partisanen bis jetzt bekannt. Unternehmen gegen die westliche Gruppe, an dem auch 11b beteiligt war und die Erkundungsunterlagen und Lotsen stellte, führte zur Vernichtung von 17 Partisanen, 2 Wachzellen, 2 Unterkünften, 1 Erdbunker u. Verpflegungslager. Durch vorzeitigen Abzug der einen russischen Eskadron wurde Vernichtung der gesamten Gruppe unmöglich und neues Unternehmen geplant. Zur Zeit stehen jedoch keine Truppen zur Verfügung. Von Fallschirmspringern wird vermutet, dass sie als Melder für die Partisanen gedacht waren, mit Aufträgen, die im Zusammenhang mit Landungen in Kertsch und Feodosia stehen. Im Waldgebiet Otusi–Kisiltasch wurden bei Aktion am 22. 12. 12 Partisanen getötet und 3 gefangen. Unter Getöteten befand sich früherer Tscheka-Beamter. Erbeutet wurden 3 Granatwerfer, 12 automatische Gewehre, 70 Kisten Granatwerfermunition, 30 000 Schuss MG- und Gewehrmunition, Fernsprechanlage, Morseschreibgerät, 2 Blinkgeräte, Ausrüstungsgegenstände und 3 Lebensmittellager. Es handelt sich um Restgruppe von Partisanen aus Feodosia. Hinsichtlich Partisanentätigkeit nach Landung der Russen bei Feodosia bisher südlich Stari-Krim Versuch zur Verbindungsaufnahme mit Roten Truppen festgestellt. Dortiges Teilkommando beobachtet weitere Entwicklung. Allgemeine Stimmung: Einstellung zur deutschen Besatzung weiterhin positiv. Bei Grossteil der Bevölkerung Furcht vor Rückkehr der Russen. 7000 Gefangene aus Feodosia über Simferopol–Dshankoj zum Teil ohne Bewachung unterwegs. Kein Versuch, zu den Russen überzulaufen, Versorgungslage bereits sehr schwierig. Zur Zeit Versuch, Teile der Stadtbevölkerung aufs Land zu verschicken. Tataren allgemein positiv zur deutschen Besatzung eingestellt. Bieten fortlaufend aktiven Einsatz gegen Partisanen, Aufstellung eigener bewaffneter Einheiten und sichere Vernichtung der Partisanen an.10 BAB, R 58/220 1 Vgl. Sven Jüngerkes: Deutsche Besatzungsverwaltung in Lettland, 1941–1945. Eine Kommunikations- und Kulturgeschichte nationalsozialistischer Organisationen, Konstanz 2010. 2 Die 1930 gegründete faschistische Bewegung Pe ¯ rkonkrust (Donnerkreuzler) bediente neben antisemitischen auch antirussische u. antideutsche Attitüden u. verfocht einen lettischen Nationalismus. Die Mitgliederzahl wurde für die 1930er Jahre auf 12000–15000 Mann, nach einem späteren Urteil der Abwehr auf 5000–6000 Personen geschätzt. Der Pe¯rkonkrust wurde am 17. 8. 1941 im Rahmen der Einrichtung der deutschen Zivilverwaltung verboten. In der Folgezeit trat eine Spaltung der Bewegung ein. Ein Teil der Mitglieder paktierte als „lettische Nationalsozialisten“ offen mit den Deutschen u. gründete im Herbst 1943 mit Unterstützung des SD den Verein Lidumnieks (Pioniere), während die Mehrheit in Opposition zu den Besatzern trat; vgl. Reichelt: Lettland unter deutscher Besatzung, S. 50 ff., 101. 3 Gustavs Celmins ˇ , geb. 1899, Fhr. des Pe¯rkonkrust, als politisch nicht tragbar 1937 des Landes verwiesen. Er begab sich im März 1940 nach Deutschland, verfügte wie andere Exilanten über Kontakte zur Abwehr u. kehrte in deren Diensten stehend als Sonderfhr. im Juli 1941 nach Riga zurück. Wenngleich Abwehr u. EG zunächst auf die Donnerkreuzler als Kollaborateure setzten, die wegen ihres Antisemitismus geschätzt wurden, mißtraute man doch Celminsˇ. In Fehleinschätzung seiner eigenen Position reiste dieser nach Berlin in der Annahme, er könne Hitler von einem unabhängigen Lettland überzeugen. Nachdem ihm noch im selben Jahr die Rückkehr gewährt worden war, nahm er zunächst die Funktion eines Leiters des lettischen Freiwilligenbüros u. danach die eines Chefdolmetschers der landeseigenen Verwaltung wahr, gehörte aber trotz seiner Zuarbeit für den SD zum lettisch-nationalen Widerstandskreis. Celminsˇ Verhaftung erfolgte jedoch 1944. Er wurde ins KL Flossenbürg überstellt, ging 1950 in die USA, lehrte russische Geschichte an der St. Mary’s University in San Antonio u. starb 1968; vgl. Ezergailis: The Holocaust in Latvia, S. 29, 46 f., 81 ff., 107, 122; Reichelt: Lettland unter deutscher Besatzung, S. 100 f., 219 f., 361. 4 Ka¯rlis Ulmanis, der Führer des Bauernbundes, stand zunächst dem demokratisch gewählten Parlament (Seima) vor, verwandelte aber am 15. 5. 1934 Lettland durch einen Staatsstreich in ein von ihm u. einer Gruppe Vertrauter autoritär geführtes Regime. Bei der Besetzung des Baltikums wurde er von

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den Sowjets in Haft genommen u. am 22.7. 1940 nach Woroschilowsk deportiert, wo er verstarb; vgl. von Rauch: Geschichte der baltischen Staaten, S. 149 ff., 213; Inesis Feldmanis: Umgestaltungsprozesse im Rahmen des Ulmanis-Regimes in Lettland 1934–1940, in: Erwin Oberländer(Hrsg.): Autoritäre Regime in Ostmittel- und Südosteuropa 1919–1944, Paderborn u. a. 2001, S. 215–248. 5 Alfreds Valdmanis wurde von der Wirtschaftsinspektion Ost unterstützt u. übernahm das Ressort eines Generaldirektors der Justiz in der landeseigenen Verwaltung. Er hatte jedoch in Rosenberg einen mächtigen Gegner, der ihn als früheren Ulmanis-Anhänger für politisch nicht tragbar hielt u. im Herbst 1942 dessen Amtsenthebung sowie seine Zwangsrückkehr nach Deutschland durchsetzte; vgl. Gerhard P. Bassler: Alfred Valdmanis and the Politics of Survival, Toronto u. a. 2000, S. 104–113. 6 Karl-Siegmund Litzmann, geb. 1893, Gutsverwalter, 1929 NSDAP, 1931 SA-Fhr. Ostland, 1941 Gen.komm. für Estland, gest. 1945. 7 Władyslaw Sikorski, General u. polnischer Premierminister 1922/23, 1939 Ministerpräsident der Exilregierung, gest. 1943 bei Flugzeugabsturz. 8 Auf welche Orte sich diese Zahlen konkret beziehen, ist unklar; vgl. Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 345 ff.; Kunz: Die Krim unter deutscher Herrschaft, S. 179 ff.; ders.: Die Feld- und Ortskommandanturen auf der Krim und der Judenmord 1941/42, in: Kaiser: Täter im Vernichtungskrieg, S. 54–70. 9 Vgl. Rudolf Loewenthal: The Extinction of the Krimchaks in World War II, in: The American Slavic and East European Review 10(1951), S. 130–136; Warren Green: The Fate of the Crimean Jewish Communities: Ashkenazim, Krimchaks and Karaites, in: Jewish Social Studies 46(1984), S. 169–176. 10 Vgl. Kunz: Die Krim unter deutscher Herrschaft, S. 207–213.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 12. Januar 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 154 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 12. 1. 1942. Höherer SS- und Polizeiführer Nord (101): (Jeckeln), Standort: Riga. Einsatzgruppe A: (Dr. Stahlecker), Standort: Riga und Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: FT, FS Riga, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur d. Sicherheitspolizei u.d. SD für den Generalbezirk Estland: (Dr. Sandberger), Standort: Reval mit Dienststellen in Narwa, Dorpat, Kingisepp, Krasnoje-Selo, Luga und Pleskau, N-Verbindungen: FT Reval, FS Reval, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Lettland: (Dr. Lange), Standort: Riga mit Dienststellen in Libau, Wolmar und Dünaburg, N-Verbindungen: FT Riga, FS Riga und Libau, Feldpost-Nr. 15447. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Litauen: (Jäger), Standort: Kowno [durchgestrichen, handschriftlich: Kauen 1] mit Dienststellen in Wilna und Schaulen, N-Verbindungen: FT und FS Kauen und Wilna, Feldpost-Nr. 15641. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Weissruthenien: (Strauch), z. Zt. vertreten durch SS-Stubaf. RR Hofmann, Standort: Minsk mit Dienststellen in Nowgorod, Tschudowo, a. d. Marsch nach Cholm und Baranowicze, N-Verbindungen: FT und FS Minsk, Feldpost-Nr. 15641. Höh. SS- und Polizeiführer Mitte (102): (Von dem Bach), Standort: Mogilew. Einsatzgruppe B: (Naumann), Standort: Smolensk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Kurierverbindung über Warschau u. Fernsprecher über VD Smolensk, Feldpost-Nr. 37857.

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Sonderkommando 7a: (Steimle 2), Standort: Wjasma und Sytschewka [durchgestrichen, handschriftlich: mit Teilen in Gshatsk], N-Verbindungen: FT Rshew [durchgestrichen, handschriftlich: Wjasma], Feldpost-Nr. 05607. Sonderkommando 7b: (Rausch), Standort: Brjansk mit Teilen in Orel u. Kursk, N-Verbindungen: FT a. d. Marsch [durchgestrichen, handschriftlich: Orel], Feldpost-Nr. 18555. Einsatzkommando 8: (Bradfisch), Standort: Mogilew, Roslawl, Orscha, Gomel, Bobruisk, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 37857. Einsatzkommando 9: (Schäfer), Standort: Smolensk, Wjasma [durchgestrichen], Witebsk, Gshatsk [durchgestrichen, handschriftlich: m. Teilen in Smolensk], N-Verbindungen: FT Wjasma u. [durchgestrichen] Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando Moskau: Standort: Roslawl, N-Verbindungen: FT Roslawl. Höher. SS- und Polizeiführer Süd (103): (Prützmann), Standort: Kriwoj-Rog, N-Verbindungen: FS Lemberg. Einsatzgruppe C: (Dr. Thomas), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier, Feldpost-Nr. 32704. Sonderkommando 4a: (Blobel), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow, Feldpost-Nr. 22789. Sonderkommando 4b: (Braune), Standort: Kramatorsk mit Teilen in Shitomir, Rowno, Winniza, N-Verbindungen: FT Nikolajew u. Rowno, FS Rowno, Feldpost-Nr. 35102. Einsatzkommando 6 3: (Kröger 4), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino, Feldpost-Nr. 35979. Höh. SS- und Polizeiführer z. b. V.: (Korsemann), Standort: Rowno. Einsatzgruppe D: (Ohlendorf), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol, Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10a: (Seetzen), Standort: Taganrog, Teile in Mariupol u. Melitopol, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10b: (Persterer), Standort: Stari-Krim, Teile in Sudak u. Dshankoj, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11a: (Zapp), Bachtschissaraj mit Teilen in Alupka u. Jalta, N-Verbindungen: FT Jalta u. Bachtschissaraj, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11b: (Zapp 5), Standort: Simferopol mit Teilen in Aluschta, Karasubasar, Eupatoria, N-Verbindungen: FT Simferopol und Aluschta, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 12: (Nosske), Standort: Fedorowka, N-Verbindungen: FT Fedorowka, Feldpost-Nr. 47540. [II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos:] Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Am 13. 12. 41 wurden die führenden Mitglieder der Terroristengruppe, Vilimas, Baronas und Slapschys, auf dem Grünen Berg in Kauen öffentlich gehängt. Bei der Exekution waren über 25 000 Menschen zugegen, darunter Angehörige der Opfer der Terrorgruppe. Auf Veranlassung des Einsatzkommandos 3 wurde die Bestrafung der Terroristen in der „Deutschen Zeitung im Ostland“ und in der „Kauener Tageszeitung“ bekanntgemacht. Diese Aufklärung der Bevölkerung hat sich ausgezeichnet ausgewirkt. Die Bestrafung der Terroristen wird in allen Kreisen der Bevölkerung durchaus begrüsst. Die Zeitungsnachr. lautet: „Am Sonnabend, d. 13. Dezember, wurden im Park vor dem Kauener Sportstadion drei Terroristen, die als Anführer sowjetischer Terrorbanden aus der Sowjetunion nach dem Generalbezirk Litauen geschickt waren, öffentlich erhängt. Damit sind drei Verbrecher schlimmster Sorte ihrer gerechten Strafe zugeführt worden. Die Bevölkerung ist von

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der Gefahr, durch Umtriebe dieser Terroristen bedroht zu werden, befreit worden. Das rücksichtslose Vorgehen der Polizei und Justiz soll gleichzeitig eine Warnung an alle sein, die sich mit jüdisch-bolschewistischen Elementen einlassen. Die Strafe durch Erhängen wurde mit Rücksicht auf die schweren Vergehen dieser drei Mordbuben gewählt. Bei den zum Tode Verurteilten handelt es sich um den 35 Jahre alten Alfonsas Vilimas, den 28-jährigen Wladas Baronas und den 35 Jahre alten Albertas Slapschys. Da es nicht möglich war, in dem Maueranschlag die näheren Gründe über die Hinrichtung der drei Terroristen anzuführen, werden nachstehend die Einzelheiten aus der Urteilsbegründung des Standgerichts der Öffentlichkeit bekanntgegeben: ‚Die drei Delinquenten sind Anführer sowjetischer Terrorgruppen, die für das Land Litauen angesetzt waren. Vor ihrem Einsatz wurden sie in Kalinin durch führende Persönlichkeiten des NKWD in der Vorbereitung und Ausführung von Sabotage- und Terrorakten theoretisch und praktisch geschult. Sie hatten den Auftrag, Brücken- und Eisenbahnanlagen und Nachschubwege aller Art durch Sprengung unbrauchbar zu machen. Ferner sollten sie Lebensmittel-, Munitions- und Brennstofflager durch Brand vernichten. Die Delinquenten hatten weiter den Auftrag, deutsche Offiziere, Beamte und antikommunistische Litauer durch Mord zu beseitigen. Vilimas ist überführt und geständig, während seiner Tätigkeit bei dem NKWD in Kauen 20 Litauer in der Garage des NKWD-Gebäudes ermordet zu haben. Obwohl Vilimas bestreitet, die von ihm getöteten Menschen vor der Ermordung gemartert zu haben, ist durch die Ausgrabung und Inaugenscheinnahme der Leichen der Nachweis für die der Tötung vorausgegangenen unmenschlichen Misshandlungen erbracht. Baronas gehörte seit 1933 der illegalen kommunistischen Partei in Litauen an. Als Streikhetzer und kommunistischer Agitator ist er mit Zuchthaus, Gefängnis und Arbeitslager vorbestraft. Während der Bolschewikenherrschaft war Baronas Oberbevollmächtigter des NKWD in Litauen. An der Verschleppung von Litauern nach Russland war Baronas maßgebend beteiligt. Bei seiner Festnahme leistete Baronas hartnäckigen Widerstand, indem er wild um sich schoss und sogar Handgranaten warf. Slapschys ist alter illegaler Kommunist und wurde wegen kommunistischer Agitation bereits im Jahre 1934 durch ein litauisches Gericht zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Slapschys floh zunächst bei Kriegsausbruch mit den Bolschewiken. Nachdem er in Russland eine Sonderausbildung erhalten hatte, kehrte er in das von den deutschen Truppen besetzte Litauen zurück, wobei es an der Grenze zu einem Gefecht mit litauischen Partisanen kam. Slapschys hatte die Absicht, durch Sabotage die deutsche Wehrmacht zu schädigen. Er ist überführt und geständig. Bei seiner Festnahme war Slapschys mit Pistole, Handgranaten und Sprengstoff bewaffnet. Bei den drei Delinquenten handelt es sich um typische Verbrecher aus der roten Unterwelt. Das gesunde Volksempfinden verlangte daher eine exemplarische Strafe.‘ Die kurzen und knappen Sätze der Urteilsbegründung des Standgerichtes beleuchten die Grausamkeit der Methoden, mit denen die drei hingerichteten Terroristen ans Werk gingen. Wenn der Verurteilte Vilimas selbst 29 Morde gestanden hat, so besteht kein Zweifel darüber, dass er das Mehrfache davon auf seinem Gewissen hat. Alle Einzelheiten der Vergehen, die während der Untersuchung festgestellt worden sind und die den Mördern zur Last gelegt werden, konnte man in dem kurzen Urteil nicht wiedergeben. Hunderte unschuldiger Menschen wurden von ihnen aufs Grausamste gefoltert. Dass einzelne dieser gequälten Menschen heute noch am Leben sind, haben sie nur dem Zufall zu verdanken. Durch mittelalterliche Terrormethoden zwangen sie als ehemalige Funktionäre des NKWD in Kauen minderjährige Kinder und Frauen zu Spitzeldiensten gegen die eigenen Angehörigen und Verwandten. In den Räumen des ehemaligen NKWD-Gebäudes in

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Kauen Ecke Laisves-Al. und Vytauto-Dr. wurden wahre Blutbäder veranstaltet. Es würde zu weit führen, hier die Namen derjenigen aufzuführen, die sie ermordet, gefoltert, terrorisiert oder verschleppt haben. Diese Namen allein sind eine furchtbare Anklage gegen alle drei, für die keine Strafe zu hart sein konnte. Der Weg, den die drei Mörder beschritten haben, ist der übliche, den alle Terroristen der Moskauer Schule, begonnen vom Hauptanstifter bis zu seinem letzten Helfershelfer beschreiten. Mit solchen Mordbuben führte bereits der ehemalige Freistaat Litauen einen schweren Kampf. Nur dort, wo rücksichtslos durchgegriffen wurde, hatte dieser Kampf Erfolg. Nachgiebigkeit hatte stets eine gegenteilige Wirkung. Ein besonders krasses Beispiel liefert hierfür der Werdegang des ehemaligen litauischen Kommunistenhäuptlings Snietschkus. Dreimal verhaftet, verurteilt und nach der Sowjetunion ausgetauscht, hat er wieder den Weg über Lettland nach Litauen gefunden, um hier Streiks anzuzetteln und Unruhen zu stiften. Nach dem letzten Austausch im Jahre 1933 ist Snietschkus 1936 bereits wieder nach Litauen gekommen. Drei Jahre lang hat er in Litauen die rote Unterwelt um sich geschart, bis ihn endlich im Dezember 1939 die litauische Polizei fassen konnte. Es war allerdings bereits zu spät. Seine Vorarbeit war schon soweit mit Hilfe der inzwischen eingerichteten sowjetischen Garnisonen und der sowjetischen Gesandtschaft in Litauen vorgeschritten, dass die Entwicklung sich in den letzten Monaten fast überstürzte. Als er, nach der am 1. Juni 1940 erfolgten Verurteilung zu acht Jahren Zuchthaus, am 15. Juni zur Verlesung des Urteils ins Gerichtsgebäude gebracht wird, rollen bereits rote Panzerwagen durch die Strassen Kauens. Am selben Abend noch werden die Tore des Kauener Gefängnisses für ihn und seine Helfershelfer geöffnet, und eine Stunde später übernimmt er bereits die Leitung der Sicherheitspolizei. In wenigen Tagen war sein Schreckensregiment schon dabei, viele Tausende unschuldiger Litauer ins Gefängnis zu stecken und zu Tode zu foltern. Die drei Mörder sind nicht nur den gleichen Weg gegangen, sondern sie haben sich sogar erdreistet, nach der Befreiung der litauischen Bevölkerung vom roten Terror noch einmal im Auftrage der Moskauer Blutsauger in dieses Land einzudringen, um Unruhe und Terrorakte anzustiften und Menschenleben in Gefahr zu bringen. Sie kamen mit fertigen Terrorplänen und Waffen in der Tasche, die ihnen während der Ausbildung in der Terrorschule von Kalinin ausgehändigt wurden. Die deutschen Sicherheitsorgane haben jedoch mit Hilfe der örtlichen Bevölkerung die terroristischen Gruppen sofort liquidiert und ihre Pläne im Keim erstickt. Im Interesse der Sicherheit der Bevölkerung und der Ruhe im Lande wird auch in Zukunft jeder Versuch, von aussen her die friedliche Entwicklung zu stören, mit den schärfsten Mitteln niedergeschlagen werden.“ Festnahmen: Am 14. 11. 41 wurde der Kreischef Utena, Grebliauskas Pranas, wegen nachgewiesener Nichtabführung von jüdischem Vermögen, Aneignung von Gegenständen aus vormals jüdischem Besitz, Nichtbefolgung von Anordnungen deutscher Dienststellen und unachtsamer Führung der Dienstgeschäfte festgenommen. Ebenfalls wurden wegen wiederholter Begünstigung von Juden anlässlich der von der Sicherheitspolizei durchgeführten Sonderaktion und wegen deutschfeindlicher Einstellung der Kreischef Antanas Sabaliauskas und der Bürgermeister Adolfas Juodka aus Raseiniai ihrer Ämter enthoben. Sie stehen in dringendem Verdacht, jüdisches Vermögen unterschlagen und dies ihrem Anhang zugeschoben zu haben. Wegen Mordes und Beihilfe zum Mord wurden die Litauer Nazarovas und Prezmiakowas von der litauischen Kriminalpolizei festgenommen und dem deutschen Gericht in Kauen vorgeführt. Wegen Unterschlagung im Amte wurden die litauischen Polizeibeamten Kunigonis und Stakauskas festgenommen. Sie hatten im Laufe eines Ermittlungsverfahrens 2000 RM und verschiedene andere Gegenstände, die

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sie beschlagnahmt hatten, unterschlagen. Wegen fortgesetzten Diebstahls zum Nachteil des deutschen Heeresverpflegungsamtes in Kauen wurde der Tischler Jonas Mekreschius festgenommen. Er ist überführt und geständig. Wegen Diebstahls wurden weiterhin in Kauen 6 Personen festgenommen. In Wilna wurde am 29. 11. ein Pole aus Warschau wegen Devisenvergehens festgenommen. Er führte 5000,– RM mit sich. Anlässlich einer Sonderaktion in Nowgorod wurden 14 Juden, 2 aufgegriffene Partisanen, eine KP- Funktionärin sowie ein russischer Ingenieur wegen versuchter Sabotage und Inbrandsetzung einer technischen Anlage in Nowgorod erschossen. Bei der Aktion am 29. 11. in Kauen wurden ausserdem 15 sowjetische Terroristen sowie 19 litauische Juden erschossen, die sich der Ghettoisierung entzogen hatten. Saboteure sowie sonstige kriminelle Vorfälle: Wegen Spionage und Landesverrat wurde der am 10. 9. 06 in Allenstein geborene Erich Oschlis festgenommen. O. versuchte bei der deutschen Sicherheitspolizei eine Stellung als Dolmetscher zu erhalten. Bei Überprüfung seiner Person wurde festestellt, dass er in den Jahren 1935–39 Spionage zugunsten Litauens getrieben hat. Ausserdem hat O. für das NKWD gearbeitet. In der Nacht vom 5. auf 6. 12. wurde von unbekannten Tätern am Kilometerstein 84 der Strecke Kauen–Eydtkau, ca. 3 km nördlich Pajesys, ein Anschlag verübt. Ein Paket mit Sprengstoff war mit Drähten an den Schienen befestigt. Obwohl ein Zug vor der Entdeckung die Stelle passierte, ist die Detonation nicht erfolgt. Durch das Teilkommando Wilna wurden am 29. 11. im Walde von Panaria zwei 14-jährige Polen mit Militärgewehren und Munition ergriffen. Angeblich wollen die Polen die Waffen von einem Bauern erhalten haben. Der Name des Bauern ist bekannt. Am 4. 12. wurden die litauischen Staatsangehörigen russischer Nationalität Iwanow Samochwalow und Deilidonis festgenommen. Die Festgenommenen haben unter Leitung des in Litauen zurückgebliebenen Leutnants der Roten Armee Kolka (Abkürzung für Nikolai) Partisanengruppen gebildet, die Überfälle auf deutsche Wehrmachtsfahrzeuge ausführen sollten. Nach den bisherigen Ermittlungen scheint es sich um einen grösseren Personenkreis zu handeln, der teilweise schon durch die Angaben des festgenommenen Samochwalow und eines zuverlässigen V-Mannes erfasst ist. Allgemeine Lage im vorläufigen Raum des Generalkommissars Weissruthenien: Die Tatsache, dass beim Aufbau des Generalkommissariats Weissruthenien eigenvölkische, weissruthenische Kräfte weder zahlenmäßig noch wertmäßig zur Verfügung stehen, um auf dem kulturellen, wirtschaftlichen und Verwaltungssektor eingesetzt werden zu können, hat es mit sich gebracht, dass sowohl Führung als auch Verwaltung aller Sektoren des öffentlichen Lebens in deutschen Händen liegen. Zwar hat man versucht, Exponenten der weissruthenischen Emigration 6 in Warschau, Litzmannstadt, Berlin und Prag zur Mitarbeit heranzuziehen. Sie haben aber, abgesehen von der zahlenmäßigen Schwäche des zur Verfügung stehenden Kontingents, sowohl charakterlich wie auch fachlich zumeist nicht ausgereicht, um ihren Aufgaben gerecht zu werden. Besonders ins Auge springend ist diese Erscheinung auf dem Sektor der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Nachdem für Wehrmacht und Polizei im weissruthenischen Volkstum nur geringe Kräfte zur Verfügung standen, denen die Aufgaben der örtlichen Ordnungsdienste übertragen werden konnten, musste man dazu übergehen, andersvölkische Kräfte in den Raum zu ziehen und ihnen Ordnungsaufgaben zu übertragen. Die Heranziehung litauischer, lettischer und ukrainischer Einheiten und die durch die Wehrmacht vorgenommene, durch die Zivilverwaltung anerkannte Einsetzung von Polen als Bürgermeister, Leiter von Ordnungsdiensten, Treuhänder von grossen Landwirtschaftsgütern u. s. f. hat bei den wenigen ihres Volkstums bewussten Weissruthenen eine nicht geringe Enttäuschung hervorgerufen.

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Das eigene Eingeständnis derzeitiger Unfähigkeit und Unmöglichkeit, aus dem weissruthenischen Volkstum entsprechende Ordnungs- und Sicherheitseinheiten zu bilden, hat in den wenigen selbstbewussten Weissruthenen das Gefühl der Minderwertigkeit erheblich verstärkt und zum Teil dazu geführt, dass sie sich resigniert aus den wenigen kommunalen Stellen, in die sie vorläufig eingesetzt waren, zurückgezogen haben. Das Auftreten der litauischen, lettischen und ukrainischen „Hilfsvölker“, wie sie von den Weissruthenen bezeichnet werden, hat zu einem nicht geringen Teil zu einem Abklingen der starken prodeutschen Sympathien geführt, die tatsächlich weitgehendst mit der Besetzung des Gebietes vorhanden waren, weil insbesondere die Ukrainer in ihrer Haltung der Bevölkerung gegenüber zu berechtigter Kritik Anlass gaben. Andererseits hat die Entwicklung in einem kleinen Kreis junger, aktivistischer Weissruthenen zu einer Gegenströmung geführt, die danach strebt, unter deutscher Führung bei der Säuberung und dem Aufbau aktiv mitzuarbeiten, Letten, Litauer und Ukrainer durch zuverlässige Weissruthenen zu ersetzen und als Reaktion gegen das Auftauchen der fremden „Hilfsvölker“ in wenn auch zunächst kleinen Kreisen ein weissruthenisches „Nationalgefühl“ zu erwecken. In diesen jungen Kreisen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Weissruthenien nicht repräsentiert werden könne durch „Papiergenerale“, durch „Professores“ und „Doktores“, welche Weissruthenien von oben herab bauen wollten, dass Weissruthenien vielmehr unter deutscher Führung von unten her gebaut werden müsse. Man ist sich dabei in diesen Kreisen vollkommen klar darüber, dass an ein selbständiges Weissruthenien nicht zu denken sei, weil angesichts der Uneinheitlichkeit des Volkstums im weissruthenischen Raum und der völkischen Lethargie breitester Kreise der Bevölkerung keine Möglichkeit bestehe, die zur Erhaltung eines geschlossenen, weissruthenischen Volkstums und zur Festigung eines weissruthenischen Volks- und Staatsbegriffes notwendigen Voraussetzungen und Grundlagen zu schaffen. In ihrem Drange, der deutschen Führung das Bewusstsein offener und vertrauter Zusammenarbeit zu geben, gehen die aktiven, jungen Kreise heute bereits so weit, von der Notwendigkeit und der Möglichkeit zu sprechen, eine weissruthenische SS aufzustellen. Während bisher deutscherseits weissruthenische Kräfte nur in ganz geringem Umfange für Ordnungs- und Verwaltungsaufgaben eingesetzt werden, kommt ein erst kürzlich ergangener Befehl des Wehrmachtskommandanten Weissruthenien den Bestrebungen der jungen weissruthenischen Kreise wesentlich näher. Es wird bereits jetzt von dieser Seite erklärt, dass damit von Seiten der Wehrmacht der praktische Anfang gemacht sei, der deutschen Führung ein treu ergebenes Element in die Hand zu geben, das nicht nur vorläufig zur Bekämpfung des Partisanentums eingesetzt werden, sondern später die Grundlage einer breiten weissruthenischen Organisation unter deutscher Führung abgeben könne. Das bereits oben erwähnte Gefühl der Minderwertigkeit in den mehr oder weniger volkstumsbewussten weissruthenischen Kreisen wird verstärkt durch die Tatsache, dass ihr Wunsch nach Gründung weissruthenischer Komitees oder Vertrauensräte, entsprechend dem lettischen, litauischen und estnischen Muster, und des Aufziehens einer weissruthenischen Presse bisher keine Verwirklichung gefunden hat. Sie fühlen sich auch aus diesem Grunde als zweitrangiges Volkstum im Bereiche des Reichskommissars Ostland. Eine entscheidende Rolle in der Entwicklung im weissruthenischen Raume spielt das konfessionelle Leben. Bedingt durch die starke Vermischung insbesondere des weissruthenischen und des polnischen Volkstums im weissruthenischen Raum versuchen aktive polnische Kreise auf konfessionellem wie auf politischem Wege Raum zu gewinnen. Besonders interessant ist hierbei das neuerdings festgestellte Zusammenwirken polnisch-

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chauvinistischer Kreise mit dem Kommunismus. In der Zeit zwischen 1. und 10. 12. sind im ehemals polnischen Gebiet um Baranowicze mehrere, mittels Flugzeug abgesetzte Personen polnischer Staats- und Volkszugehörigkeit festgenommen worden, die sich als polnische Kriegsgefangene in sowjetischer Gefangenschaft befanden hatten und in Moskau durch führende sowjetische Offiziere zur Spionage und Sabotagetätigkeit und zum Zusammenwirken mit sowjetischen Banden verpflichtet und geschult worden sind. Es ist eindeutig festgestellt und durch eigenes Geständnis erwiesen, dass ausser den inzwischen festgenommenen noch weitere Personen mittels Fallschirm im ehemals polnischen Gebiet um Baranowicze und bis in das Gebiet um Warschau abgesetzt worden sind. Die Absetzung ist regelmäßig in unmittelbarer Nähe des Heimatortes erfolgt. Entsprechend dieser tatsächlich erfolgten Vereinbarung zwischen kommunistischer Führung und einzelnen polnischen Chauvinisten geht die politische Arbeit des Polentums darauf aus, zur Schwächung der deutschen Besatzungsarmee und der deutschen Führung alles nur Mögliche zu unternehmen, insbesondere auch mit den kommunistischen Partisanenverbänden engstens zusammenzuarbeiten. Psychologisch wird dem polnischen Element die Zusammenarbeit mit dem Kommunismus mit der Erklärung verständlich gemacht, für den Fall der sicher erwarteten deutschen Niederlage bestände bereits jetzt eine feste Vereinbarung zwischen der illegalen, polnischen Führung und den Sowjets über die Errichtung Grosspolens mit den alten Grenzen. In engstem Zusammenwirken mit den rein politisch-illegal tätigen chauvinistischen Elementen steht das durch die „Ostmission“ getarnte Vorrücken des Katholizismus im weissruthenischen Raum. Die offizielle Führung liegt in den Händen des Metropoliten von Wilna, Jalbrzykowski, der seine missionarische Tätigkeit in Weissruthenien mit einem durch den Papst erteilten und durch den päpstlichen Nuntius in Berlin schriftlich übersandten Auftrag begründet. J. hat bereits zahlreiche polnische katholische Geistliche nach ihren präsumptiven Standorten in Weissruthenien entsandt, die in interessanter Weise zum Teil als Bauern verkleidet auf Panjewagen in das Gebiet hereingekommen sind. Vermutlich um beim Aufbau der katholischen Kirche in Weissruthenien den Einfluss volkstumsgebundener Kräfte auszuschalten, versucht J. neuerdings, katholische Geistliche weissruthenischer Volkszugehörigkeit aus dem Gebiet herauszuziehen, indem er ihnen persönlich oder durch seinen Kurierkanzler auf privatem Kurierwege Befehl erteilt, sich binnen drei Tagen bei der Kurie in Wilna zu melden, andernfalls er ihnen die kanonischen Rechte absprechen werde. Als Begründung gibt er an, die Betroffenen hätten ihn nicht um die Erlaubnis gebeten, im altbolschewistischen Gebiet zu predigen. Die in Betracht kommenden Priester haben, wie inzwischen bekannt wurde, von der Absendung der Rückmarschbefehle auf mündlichem Wege Kenntnis erhalten und sich, um die Befehle nicht in Empfang nehmen zu müssen, während der Zeit der vermuteten Ankunft der Briefe aus Minsk zurückgezogen. Nunmehr wird abgewartet werden müssen, in welcher Form der Metropolit von Wilna antworten bzw. gegen die Betroffenen vorgehen wird. Jeder weitere Zustrom polnischer katholischer Geistlicher wird jedoch unter allen Umständen verhindert werden. Im Zusammenhang hiermit stehen die Bestrebungen des weissruthenischen katholischen Professors Iwanowski, zur Zeit stellvertretender Bürgermeister in Minsk, die polnischen katholischen Priester durch solche weissruthenischen Volkstums zu ersetzen. Angesichts der Abhängigkeit des Professors I. von der Kurie in Wilna (I. lebte in Wilna in der Emigration) kann jedoch darin ein taktisches Manöver gesehen werden, das dazu dienen soll, die Aufmerksamkeit der deutschen Führung von dem mit dem Vorrücken des Katholizismus engstens verbundenen Vorrücken des Polentums abzulenken. Die Ver-

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schleierungsmanöver Iwanowskis und seiner Kreise gehen so weit, dass sie der deutschen Führung das Vorrücken des Katholizismus im weissruthenischen Raum mit dem Vorschlag bzw. der Aussicht schmackhaft zu machen versuchen, eine „autokephale weissruthenische katholische Kirche“ zu gründen. Dies könnte nur mit päpstlicher Anordnung bzw. Genehmigung und unter Aufhebung des päpstlichen Erlasses über die von Wilna durchzuführende Mission in Weissruthenien durchgeführt werden. Auf die grosse Gefahr, die in der Beibehaltung polnischer Verwaltungsbeamter und anderer polnischer Funktionäre im öffentlichen Leben Weissrutheniens besteht, braucht nicht besonders hingewiesen werden. Es darf in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, dass fast sämtliche maßgeblichen, von dem oben erwähnten Kreis junger Weissruthenen abgelehnten sogenannten Führungspersönlichkeiten in Weissruthenien katholischer Konfession sind und der Emigration in Wilna oder Warschau entstammen, von wo sie enge persönliche Beziehungen mit Personen des polnischen öffentlichen Lebens und der römisch-katholischen Kirchenleitung verbinden. Hieraus erklärt sich auch ihre offene Feindschaft, in der sie dem weissruthenischen orthodoxen Leben gegenüberstehen. Die auf Anordnung des Generalkommissars in Weissruthenien errichtete „weissruthenische autokephale orthodoxe Nationalkirche“ hat ihre Führung in Minsk versammelt. Metropolit Pantelaimon und Bischof Benedikt von Minsk, welche mit mehreren anderen orthodoxen Priestern von vornherein im Verdacht der Zugehörigkeit zur Erneuererbewegung bzw. zur Sergius-Richtung standen, sind inzwischen ihrer Zugehörigkeit zu dieser von den Sowjets ausgehaltenen kirchenpolitischen Richtung überführt worden. Pantelaimon und Benedikt sind zur Sowjetzeit das Sprachrohr gewesen, durch das Sergius von Moskau aus seine Befehle an die orthodoxe Priesterschaft weitergab. Besonderes Interesse verdienen hierbei die von Benedikt im Auftrag Pantelaimons und unmittelbar ausgegebenen „Formen des Gottesdienstes“, in welchen unter anderem am 10. 5. 1941 angeordnet wurde: „Bitten wir Gott über den Stellvertreter des Patriarchen Metropolit Sergius für unser Land und seine Regierung ein stilles und friedvolles Leben zu geben“, und eine etwa zur gleichen Zeit durch den Bischof von Wolin und Luzk, Erzbischof Nikolai, dem Erzbischof von Pinsk und Polesje, Alexander, erteilte Rüge, weil dieser die bezeichneten Namen des Gottesdienstes nicht eingeführt hatte und sich Moskau nicht beugte. Die weissruthenische orthodoxe Nationalkirche wird in ihrer Führung von Warschau aus abgelehnt und zwar wegen „kommunistischer Vergangenheit“ der leitenden Priester. Besonders krass kommt dies zum Ausdruck in einem von der Rayonkirchenverwaltung Polesje am 17. 11. 1941 erlassenen Befehl an ihre Priester, den Metropoliten Pantelaimon und den Bischof Benedikt nicht in ihre Gebete einzubeziehen, weil sie kommunistische Agenten seien und die „teuflische, kommunistische Regierung“ in ihren Gebeten erwähnt hätten. Der Rayon Polesje unterstellt sich einer Anordnung des Bischofs Alexander von Pinsk entsprechend nicht Minsk, sondern betrachtet nach wie vor Warschau als rechtmäßige Führung. Im Grundsätzlichen wird dagegen eine „weissruthenisch-orthodoxe autokephale Nationalkirche“ durch Warschau anerkannt, wobei sich Warschau auf eine kanonische Entscheidung des Konstantinopeler Patriarchen vom 13. 11. 24 stützt, wonach die weissruthenische Kirche von der russischen und ukrainischen getrennt sein müsse. Aus diesem Grund beschloss die Warschauer Synode unter Vorsitz von Dionysius am 9. 9. 41 drei Bischofskandidaten für Weissruthenien aufzustellen, von denen Filoteus Narko bereits in Minsk eingetroffen ist und mit Pantelaimon seinen Antrittsbesuch beim Generalkommissar gemacht hat. Ob die Einsetzung des Archimandrits Narko als Vertreter Pantelaimons von Warschau aus gedacht ist als ein Keil zur Spaltung

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der weissruthenischen orthodoxen Kirchenleitung oder ob Narko aus Konjunkturgründen eine Schwankung vorgenommen hat, kann derzeit noch nicht abschliessend festgestellt werden. Nachdem jedoch Warschau gleichzeitig mit Narko den Archimandrit Finkowski, einen erklärten Feind Pantelaimons, wieder nach Minsk entsandt hat mit dem ausdrücklichen Auftrag, „die Kirchen in Minsk und im Rayon Minsk“ zu leiten, kann der Schluss gezogen werden, dass es Warschau darum zu tun ist, die vom Generalkommissar eingesetzte weissruthenische orthodoxe Kirchenleitung durch Einsatz von Narko und Finkowski zu sprengen. Damit aber wäre eine Entwicklung angebahnt, die zwangsläufig eine Festigung der autokephalen weissruthenischen orthodoxen Nationalkirche verhindern und damit aus dem Gedanken einer Ausweitung der konfessionellen weissruthenischen Eigenständigkeit auf den kulturellen und politischen Sektor von vornherein Einhalt gebieten würde. Die Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit der Universität Dorpat ist für den 20. Januar ds. Js. vorgesehen. Der Lehrkörper wie auch die Beamten der Verwaltung sind bezüglich ihrer politischen Zuverlässigkeit bereits überprüft. Der Kom. Rektor der Universität Dorpat, Prof. Dr. Weiss, beabsichtigt, anstelle der nicht zugelassenen philosophischen Fakultät ein Lehrerseminar zu errichten, das den dringend notwendigen Lehrernachwuchs heranbilden soll. In Estland ist der gesamte Schulbetrieb wieder aufgenommen worden. Am 4. Januar ds. Js. wurde in Reval die estnische Sicherheitspolizeischule 7 durch eine kurze Feier eröffnet. Bei der Feier sprach die einleitenden Worte Innendirektor Dr. Mäe. Die Schlussworte sprach zugleich auch im Namen des Generalkommissars und des SSund Polizeiführers für Estland SS-Stubaf. Dr. Sandberger. Der erste Lehrgang der Sicherheitspolizeischule wird in der Zeit vom 4.–11. 1. 42 abgehalten. Teilnehmer dieses Lehrganges sind die politischen Abteilungsleiter aller estnischen Präfekturen. Der Zweck des Lehrganges besteht in der fachlichen, charakterlichen und politischen Ausrichtung sowie im persönlichen Kennenlernen. Nach einer Aufstellung des estnischen Landesdirektoriums betragen die Stärken der im Dienst der deutschen Wehrmacht stehenden estnischen Verbände wie folgt: a) 3750 Mann (5 Batl. im Gebiet der 18. Armee), b) 2500 Mann (4 Batl.) zur Verfügung des Bef. d. rückw. Heeresgeb. Nord (grösstenteils eingesetzt ausserhalb Estlands), c) 800–1000 Mann als Freiwillige in den verschiedensten deutschen Truppenteilen (Kanoniere, Sanitäter, Pferdepfleger usw.), d) das estnische Polizeibataillon Frankfurt/Oder mit 280 Mann (einges. in der Ukraine). Dieser Zahl von insgesamt rund 7000 Mann kommt insofern Bedeutung bei, als das estnische Friedensheer nur 11000 bis 12 000 Mann stark war. Bei den von der Bevölkerung Estlands am häufigsten abgehörten Auslandssendern handelt es sich neben dem finnischen hauptsächlich um russische, englische und schweizer Sender. Die durch Anordnung des Reichskommissars für das Ostland getroffene Lohnregelung erregt in Lettland wie Estland im Hinblick auf die nach verschiedenen Kategorien gestaffelte Gehaltsregelung der Angestellten und Beamten bei der Arbeiterschaft immer wieder Unzufriedenheit. Die Arbeiter vertreten die Auffassung, dass ihre Arbeit nicht genügend bewertet wird. Das wiederum hat zur Folge, dass eine immer stärker werdende Interessenlosigkeit an der Arbeit Platz greift. Der Unterschied zwischen der Einstufung des Arbeiters der Faust und des Arbeiters der Stirn sei im Vergleich zu den russischen Lohnsätzen bedeutend grösser. Aber auch die für die Angestellten und Beamten getroffene Gehaltsregelung wirkt sich in Lettland u. Estland nicht günstig aus. Da die Anordnung über die Gehälter der Angestellten und Beamten gewissen Spielraum in der Einstufung zulässt, drücken sich die Werksleitungen vielfach vor der Festsetzung des end-

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gültigen Gehalts. Der Angestellte will aber verständlicherweise wissen, was er verdient. Der tägliche Ansturm an den Lohnbüros ist infolgedessen gross. Über die Verheerungen der Bolschewisten im estnischen Genossenschaftswesen liegen jetzt die endgültigen Zusammenfassungen vor. Diese vermitteln ein deprimierendes Bild. Die Gesamtsumme der Verluste im estnischen Genossenschaftswesen beträgt 112 Mill. Rubel. Über 100 führende Persönlichkeiten des Genossenschaftswesens sind spurlos verschwunden. Am 1. 1. 42 traf in Reval ein Transport von 600 Kriegsgefangenen ein, hauptsächlich Esten, die für die Rote Armee mobilisiert und an der finnischen Front übergelaufen oder gefangengenommen worden waren. In der Nacht vom 31. 12. zum 1. 1. 42 Ausbruch von 36 russischen Kriegsgefangenen aus dem Kriegsgefangenenlager Fellin. Bei Suchaktion 6 Gefangene erschossen. Im Kriegsgefangenenlager Fellin 20 Fälle von Flecktyphus. In der Nacht vom 2. 1. zum 3. 1. 50 russische Fallschirmspringer abgesprungen. Am 5. 1. Sprengstoff in einem für Elektrizitätswerk Reval bestimmten Eisenbahnwaggon sichergestellt. Täter noch nicht ermittelt. Schleichhandel mit Lebensmitteln in Estland nach wie vor stark. Verordnung des Generalkommissars: „Die Zivilbevölkerung wird darauf hingewiesen, dass es sowohl deutschen Wehrmachtsangehörigen als auch deutschen Zivilangestellten verboten ist, im Tausch gegen Lebensmittel Öl, Petroleum, Benzin und dergl. anzubieten. Zuwiderhandlungen werden streng bestraft.“ Das Dorf Augrina [Audrini] bei Rositten wurde am 2. 1. 42 im Zuge einer Strafaktion niedergebrannt. Bevölkerung hatte Partisanen Unterschlupf, Verpflegung und Unterstützung gewährt. Bei Abbrennen in fast allen Häusern Detonationen von Handgranaten und Munition. Sämtliche 250 Einwohner festgenommen. 30 hauptbeteiligte Männer öffentlich auf Marktplatz Rositten erschossen. Die übrigen ebenfalls erschossen. Bevölkerung zeigt für diese scharfen Strafmaßnahmen volles Verständnis. Die am 30. 12. aus dem Barackenlager Salaspils bei Riga entwichenen Juden wurden in einem Postschalterraum in Riga ergriffen. Exekution angesichts der 1000 im Lager untergebrachten Juden aus dem Reich im Lagergelände durchgeführt. In Wilna wurde in der Nacht vom 16. 12. zum 17. 12. ein Soldat ermordet aufgefunden. Nunmehr abgeschlossene Untersuchung hat ergeben, dass der Soldat einen entflohenen russischen Kriegsgefangenen gestellt hat, der in den nahegelegenen Wald flüchtete. Bei Verfolgung und erneuter Festnahme muss es zum Handgemenge gekommen sein. Tatortbesichtigung ergab, dass der Soldat zunächst infolge Schlägen auf den Kopf besinnungslos hingefallen und von dem Kriegsgefangenen mit dem eigenen Seitengewehr erstochen worden ist. Der Täter ist inzwischen ermittelt und festgenommen worden. Am 22. 12. wurden in Wilna 402 Personen erschossen. Davon 385 Juden, die übrigen Polen. Am 20. 12. wurde in Kauen ein Litauer erschossen aufgefunden. Der Tat verdächtig ist der Angehörige eines litauischen Partisanenbataillons, in dessen Wohnung eine Pistole gefunden wurde, deren Kaliber mit den am Tatort gefundenen Patronen übereinstimmt. Der Verdächtige leugnet z. Zt. noch die Tat. Ermittlungen werden fortgesetzt. Am 3. 1. 42 wurden in Vilcoviskis [Wolkowysk] 50 Juden, die sich herumgetrieben hatten und in letzter Zeit aufgegriffen worden waren, erschossen. Im Stadtgebiet Kauen wurden in den letzten Tagen 10 Juden wegen Entfernung aus dem Ghetto festgenommen. Am 4. 1. in Sägemühle in Kauen Schadenfeuer. Vermutlich Brandstiftung. Zur Verhütung ähnlicher Sabotagefälle wurden alle im Betrieb tätigen ehemaligen Kommunisten festgenommen. Weissruthenien: Am 24. 12. Festnahme von 3 Partisanen in der Nähe von Minsk. Am 30. 12. in Minsk Festnahme von 5 Personen wegen Sabotage am Sender Minsk. Ermittlungen noch nicht abgeschlossen. Am 31.12. versuchter Sprengstoffanschlag auf Eisen-

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bahnbrücke in Minsk verhindert. Bereits eingebauter Sprengstoff wurde ausgebaut und sichergestellt. Festnahmen am 2. 1. 6 Personen wegen Vorbereitung zum bewaffneten Aufstand, 2 Personen wegen deutschfeindlicher Äusserungen, 1 Person wegen Passfälschung, 1 entflohener Kriegsgefangener. Am 4. 1. Aufrollung der Aufstandsorganisation im Kriegsgefangenenlager. Bisher insgesamt 315 Festnahmen. Im Zusammenhang damit seit 5. 1. in Weissruthenien höchste Alarmbereitschaft aller Einheiten. Die 4 Mitglieder des am 28. 8. 41 vom Befehlshaber im Einvernehmen mit dem Ostministerium und der Einsatzgruppe eingesetzten Generaldirektoriums für innere Verwaltung und Personalfragen, Oberstleutnant Freimanis, Dr. Sanders, Oberstleutnant Weiss und Anderson, wurden mit Wirkung vom 1. 2. 42 ihrer Aufgaben enthoben. Als Begründung wurde angeführt, dass nach Konsolidierung der politischen Verhältnisse in Lettland der sog. „Vertrauensrat“, dem die 4 Personen angehören, nicht mehr nötig sei. General Dankers 8 behielt seine Aufgabe mit dem Titel eines Generaldirektors für innere Verwaltung. Erkundung Petersburg. Bevölkerung: Die Bevölkerung Leningrads hat sich mittlerweile an den ständigen Artilleriebeschuss derart gewöhnt, dass kaum jemand die Schutzräume aufsucht und der Verkehr auf der Strasse seinen Fortgang nimmt, obgleich die Einwohner der unter Beschuss liegenden Stadtgebiete jeweils durch die öffentlichen Lautsprecher gewarnt werden. Die Verluste unter der Zivilbevölkerung sind demgemäß auch stark angestiegen. Trotzdem dürften die Verluste durch Artillerie und Bombeneinwirkung nach übereinstimmenden Schätzungen aufs Ganze gesehen gering sein und nur einige Tausend Personen betragen. Demgegenüber sollen in der letzten Zeit sich die Fälle von Hungertod beträchtlich gemehrt haben und in den letzten Wochen etwa das Vierfache der Verluste durch Artilleriebeschuss ausmachen. So wurde beispielsweise am 17. Dezember von einer Person auf der Statschekstrasse, zwischen Narwa-Tor und Stadtrand, also auf einer Strecke von 5 Kilometer, beobachtet, dass allein 6 Personen entkräftet zusammenbrachen und liegenblieben. Diese Fälle häufen sich bereits derart, dass sich niemand mehr um die liegengebliebenen Personen kümmert, zumal bei der allgemeinen Entkräftung auch die Wenigsten in der Lage sind, tatkräftige Hilfe zu leisten. Unter der Zivilbevölkerung, die bereits zum grössten Teil Hungerschwellungen aufweisen soll, fallen die Juden durch bessere Kleidung und gesünderes Aussehen sofort auf. In den Lebensmittelverkaufsläden findet man unter dem Personal fast nur noch Juden. Sie haben es verstanden, die Russen fast überall aus diesen zur Zeit begehrtesten Stellungen hinauszudrängen. Stimmung der Bevölkerung: Die in der letzten Novemberdekade vorgenommene Herabsetzung der Brotrationen hat sich auf die Stimmung der Bevölkerung stark ausgewirkt, indem jetzt mit einer Besserung der Ernährungslage nicht mehr gerechnet wird. Eine starke Verbitterung hat der allgemein bekanntgewordene Plan, die Offiziersfamilien bevorzugt zu evakuieren, hervorgerufen. Es wird darin wie auch in der bevorzugten Verpflegung der Offiziersfamilien eine unkommunistische Handlungsweise gesehen. In der letzten Zeit hört man in der offiziellen Parteipropaganda als neue Losungen: „Tod den faschistischen Okkupanten“ und „Wir geben unser Leben für unsere Heimat“. Der Name Stalins wird auffallend wenig in Aufrufen benutzt. In den Lichtspielhäusern – es sind noch etwa 10 in Betrieb – laufen ausgesprochene Spielfilme; Propagandafilme werden, wohl wegen einer gewissen Propagandamüdigkeit der Bevölkerung, weniger gezeigt. In den Wochenschauen und in den Zeitungen werden immer wieder besondere Arbeitsleistungen von Stachanow-Rüstungsarbeitern gerühmt. In den Wochenschauen sind Bilder vom Kriegsschauplatz nicht zu sehen. Neuerdings wird versucht, die Beheizungsfrage durch eine genaue Erfassung aller Wohnungen und Einwohner neu zu regeln. Es soll dann nach

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Wohnfläche und Einwohnerzahl Brennmaterial zugewiesen werden. Bisher hat sich die Neuregelung noch nicht ausgewirkt, und es besteht nach wie vor Mangel an Brennholz, da das durch Abbruch gewonnene Heizmaterial meist von Behörden und der Armee in Anspruch genommen wird. Petroleum ist nicht mehr zu haben. Seit dem 6. Dezember wird elektrischer Strom für die Beleuchtung von Privatwohnungen nicht mehr abgegeben. Strom erhalten nur Behörden und einige kriegswichtige Betriebe. Die Strassenbahn verkehrt nur noch auf 4 Linien. Tätigkeit der Partei und ihrer Organe: In verstärktem Maße wird wieder für den Eintritt der Frontsoldaten in die Partei bzw. in die Kom-Jugend Propaganda gemacht. In den Zeitungen wird immer wieder unter Namensnennung von Soldaten berichtet, die den Wunsch geäussert hätten, in die Partei aufgenommen zu werden, um wenigstens als Parteimitglieder sterben zu können. Es finden immer noch Parteiversammlungen statt. Die Überwachungstätigkeit des NKWD ist weiter verstärkt worden. In die Miliz werden immer mehr Frauen aufgenommen. So waren in einem Milizbezirk im Hafen bereits 90 % sämtlicher Milizionäre Frauen. Die Frauen sind mit kanadischen Gewehren bewaffnet worden. Die Spionagezentralen schicken nach wie vor Agenten mit Ausspähaufträgen in die besetzten Gebiete, nur dass sie dieselben nicht mehr wie früher fast ausschliesslich durch die Linien schleusen, sondern der grösste Teil mittels Flugzeug und Fallschirmabsprung an den Bestimmungsort gebracht wird. Den Flug müssen die Agenten auf den Tragflächen sitzend mitmachen. Als Transportmaschinen werden meist die Doppeldeckerzerstörer vom Typ „Tschaika“ benutzt, die eine Besatzung von 1 Flugzeugführer und einem Bordschützen haben. Es werden jeweils 2 Mann mit einem Fluge befördert, und zwar sitzen dieselben am Ende der unteren Tragfläche mit dem Rücken zur Flugrichtung und stützen sich an die Verstrebung. Auf ein Zeichen des Flugzeugführers mit einer Taschenlampe müssen sie sich umdrehen, so dass sie mit dem Gesicht zur Flugrichtung zu sitzen kommen. Auf ein weiteres Zeichen müssen sie dann den Fallschirmabzug auslösen, woraufhin sich ein kleiner Fallschirm öffnet, der den grossen Fallschirm herauszieht, welcher wiederum die Person von der Tragfläche wegzieht. Dadurch ist der Absprung aus geringen Höhen möglich. Sofort nach dem Absprung der Personen werden Verpflegung und Ausrüstungsgegenstände, oft auch ein Sende- und Empfangsgerät, in einer besonderen Hülle mit einem Gepäckfallschirm abgeworfen. Ausser verschiedenen Bekleidungs- und Gebrauchsgegenständen wird Verpflegung für ca. 15 Tage abgeworfen. Rote Armee: Da die meisten Rüstungswerke wegen Strom- und Kohlenmangel ausgefallen sind und zurzeit angeblich nur ein einziges kleineres Munitionswerk in Rshewka noch voll in Betrieb ist, ist der Munitionsmangel bei der Artillerie in letzter Zeit besonders fühlbar geworden. Die an sich schon bescheidenen Munitionsanforderungen der Abteilungen und Batterien werden mit grosser Verzögerung und bestenfalls mit 25–30 % befriedigt. So erhält eine Batterie im Durchschnitt etwa 12 Schuss für 3 bis 4 Tage. Der Batteriechef hat über jeden abgegebenen Schuss genauestens Rechenschaft abzulegen, über Ziel, Zeit der Feuereröffnung und Erfolg Buch zu führen. Bei der Anforderung von neuer Munition muss über die Verwendung der letzten Munitionsanlieferung abgerechnet werden. Vor einem Angriff, der sowjetischerseits mit Unterstützung von Panzern durchgeführt werden sollte, wurde der bereits gestellten Panzerabteilung mitgeteilt, dass sie nach einer starken Artillerievorbereitung und mit gleichzeitiger Flugzeugunterstützung anzugreifen hätte, um gemeinsam mit den besten verfügbaren Infanteriekräften einige Dörfer zu nehmen. Wer zurückginge, würde erschossen. Die Artillerievorbereitung bestand aber aus etwa 15 Schuss. Darauf musste der Angriff ohne Artillerie- und Flugzeug-

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unterstützung beginnen. Die meisten Panzer blieben bereits vor den ersten deutschen Linien liegen, ebenso die Infanterie. Die durchgebrochenen Panzer setzten stur ihren Weg fort, obgleich ihr weiteres Vorrücken völlig sinnlos war, da die Besatzungen fürchteten umzukehren, weil sie mit ihrer Erschiessung rechnen mussten. Meldungen der Einsatzgruppen B, C u. D liegen nicht vor. III. Reich und besetzte Gebiete: Der Kommandeur d. Sipo u.d. SD Untersteiermark meldet: Am 9. 1. hat ein Feuergefecht zwischen einer Polizeistreife, bestehend aus Mannschaften der Schutzpolizei, Gendarmerie, Geheimen Staatspolizei und des SD einerseits, und einer bewaffneten kommunistischen Bande andererseits stattgefunden. Das Gefecht hat sich im Gebiet der Heiligenalm bei Trifail abgespielt. Durch Meldung eines Bauern war zur Kenntnis der Polizei gelangt, dass sich eine kommunistische Bande in diesem Gebiete aufhielte. Es wurden mit Gewehren und Handgranaten bewaffnete Kommunisten angetroffen, die sich in einem Schuppen aufhielten. Bei dem Feuergefecht wurden 3 Kommunisten erschossen, der 4. wurde verletzt und ist geflüchtet. Er wird noch durch Skistreifen der Schutzpolizei verfolgt. Einer der Erschossenen hatte einen falschen Ausweis bei sich, wurde jedoch identifiziert. Er stammt aus Trifail. BAB, R 58/220 1 Damit wurde der deutsche Ortsname „Kauen“ anstelle des russischen „Kowno“ u. des litauischen „Kaunas“ auch in den EM etabliert. 2 Falsch, kommissarisch geführt durch Kurt Matschke. 3 Das EK 5, aus dem damals die KdS-Dienststellen in Kiew u. der westlichen Ukraine gebildet wurden, entfällt von hier an in den EM. 4 Falsch, längst Robert Mohr. 5 Falsch, längst Dr. Werner Braune. 6 Allgemein dazu: Marc Raeff: Russia Abroad. A Cultural History of the Russian Emigration, 1919– 1939, New York 1990; Michael Glenny/Norman Stone: The Other Russia. The Experience of Exile, New York 1991; Karl Schlögel (Hrsg.): Der große Exodus. Die russische Emigration und ihre Zentren. 1917 bis 1941, München 1994; ders. (Hrsg.): Die russische Emigration in Deutschland 1918–1941. Leben im europäischen Bürgerkrieg, Berlin 1995; Johannes Baur: Die russische Kolonie 1900–1945. Deutsch-russische Beziehungen im 20. Jahrhundert, Wiesbaden 1998; Michael Kellogg: The Russian Roots of Nazism. White Emigrés and the Making of National Socialism, 1917–1945, Cambridge 2005. 7 Vgl. Birn: Die Sicherheitspolizei in Estland 1941–1944, S. 28–41. 8 Oskars Dankers, geb. 1883, wurde am 21. 8. 1941 als Generaldirektor der einheimischen lettischen Landesverwaltung eingesetzt. Ihm beigeordnet waren Sekretäre u. zwar mit Pastor Dr. Visvaldis Sanders u. Oberstleutnant Arturs Freimanis 2 Parteigänger von RMO Rosenberg sowie zum Ausgleich der Pe¯rkonkrustler Anderson. Die landeseigene Verwaltung – zuständig für die Regelung von Alltagsdingen des öffentlichen Lebens – gliederte sich in 6 Direktorien, war aber faktisch vom Wohlwollen des deutschen Generalkommissars abhängig. In der Agoniephase des Dritten Reiches rief Dankers die lettischen Männer der Jahrgänge 1906–1914 gegen das deutsche Zugeständnis der Eigenstaatlichkeit zur Musterung auf. Der mittlerweile in Potsdam Ansässige flog im Febr. 1945 in den Kurlandkessel, um dort dieses Programm umzusetzen, wurde jedoch unter Aufsicht der SS gestellt. Anfang April erfolgte Dankers’ Rückkehr nach Deutschland u. wanderte nach 2 Jahren Internierung in die USA aus; biographisch dazu: Seidler: Die Kollaboration 1939–1945, S. 150–154.

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs.

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Berlin, den 14. Januar 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 155 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 14. 1.1942. Höherer SS- und Polizeiführer Nord (101): (Jeckeln), Standort: Riga. Einsatzgruppe A: (Dr. Stahlecker), Standort: Riga und Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: FT, FS Riga, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur d. Sicherheitspolizei u.d. SD für den Generalbezirk Estland: (Dr. Sandberger), Standort: Reval mit Dienststellen in Narwa, Dorpat, Kingisepp, Krasnoje-Selo und Pleskau, N-Verbindungen: FT Reval, FS Reval, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Lettland: (Dr. Lange), Standort: Riga mit Dienststellen in Libau, Wolmar und Dünaburg, N-Verbindungen: FT Riga, FS Riga und Libau, Feldpost-Nr. 15447. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Litauen: (Jäger), Standort: Kauen mit Dienststellen in Wilna und Schaulen, N-Verbindungen: FT und FS Kauen und Wilna, Feldpost-Nr. 15641. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Weissruthenien: (Strauch), z. Zt. vertreten durch SS-Stubaf. RR Hofmann, Standort: Minsk mit Dienststellen in Nowgorod, Tschudowo, a. d. Marsch nach Cholm und Baranowicze, N-Verbindungen: FT und FS Minsk, Feldpost-Nr. 15641. Höh. SS- und Polizeiführer Mitte (102): (Von dem Bach), Standort: Mogilew. Einsatzgruppe B: (Naumann), Standort: Smolensk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Kurierverbindung über Warschau u. Fernsprecher über VD Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando 7a: (Steimle 1), Standort: Wjasma mit Teilen in Gshatsk, N-Verbindungen: FT Wjasma, Feldpost-Nr. 05607. Sonderkommando 7b: (Rausch), Standort: Brjansk mit Teilen in Orel u. Kursk, N-Verbindungen: FT Orel [durchgestrichen, handschriftlich: a. d. Marsch], Feldpost-Nr. 18555. Einsatzkommando 8: (Bradfisch), Standort: Mogilew, Roslawl, Orscha, Gomel, Bobruisk, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 37857. Einsatzkommando 9: (Schäfer), Standort: Witebsk m. Teilen in Smolensk, N-Verbindungen: FT Smolensk [durchgestrichen, handschriftlich: Witebsk], Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando Moskau: Standort: Roslawl, N-Verbindungen: FT Roslawl. Höher. SS- u. Pol.Führer Süd (103): (Prützmann), Standort: Kriwoj-Rog, N-Verbindungen: FS Lemberg. Einsatzgruppe C: (Dr. Thomas), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier, Feldpost-Nr. 32794. Sonderkommando 4a: (Blobel), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow, Feldpost-Nr. 22789. Sonderkommando 4b: (Braune), Standort: Kramatorsk mit Teilen in Shitomir, Rowno, Winniza, N-Verbindungen: FT Nikolajew u. Rowno, FS Rowno, Feldpost-Nr. 35102. Einsatzkommando 6: (Kröger 2), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino, FeldpostNr. 35979.

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Höh. SS- und Pol.Führer z. b. V.: (Korsemann), Standort: Rowno. Einsatzgruppe D: (Ohlendorf), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol, Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10a: (Seetzen), Standort: Taganrog, Teile in Mariupol u. Melitopol, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10b: (Persterer), Standort: Stari-Krim, Teile in Sudak u. Dshankoj, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11a: (Zapp), Standort: Bachtschissaraj mit Teilen in Alupka u. Jalta, N-Verbindungen: FT Jalta u. Bachtschissaraj, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11b: (Zapp 3), Standort: Simferopol mit Teilen in Aluschta, Karasubasar, Eupatoria, N-Verbindungen: FT Simferopol und Aluschta, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 12: (Nosske), Standort: Fedorowka, N-Verbindungen: FT Fedorowka, Feldpost-Nr. 47540. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Während bisher die antideutsche Propaganda in erster Linie durch Mundpropaganda, Gerüchtebildung und Flüsterpropaganda geführt wurde, wurden jetzt erstmalig an einigen Stellen in Kauen in litauischer Sprache gedruckte Flugblätter mit nachfolgendem Inhalt gefunden: „Aufruf an die Einwohner: Die Deutschen kämpfen für die Freiheit der Nationen, sie sterben für die Rechte des neuen Europas. Wir Litauer haben schon voll empfunden, was die versprochene Freiheit bedeutet. Der Deutsche Kreuzritter hat das litauische Volk betrogen. Haben wir für solch eine Freiheit in den ersten Kriegstagen gekämpft und unsere Brüder und Partisanen ihr Blut vergossen? Ist das Freiheit, was wir heute besitzen? Der Litauer ist heute rechtlos und Sklave. Der Litauer hat schon begriffen; wache auch Du, Partisane, auf und gehe mit der ganzen litauischen Nation zusammen. Der Deutsche begann durch Deine Hand die jüdischen Volksangehörigen zu morden. Sie haben das jüdische Gut geraubt. Sei gewiss, Partisane, Du wirst denselben Weg gehen. Du bist das Werkzeug des Deutschen Kreuzritters, um unschuldige litauische Einwohner zu morden. Einmal müssen wir alle sagen: Es ist genug, Ströme unschuldigen Menschenblutes zu vergiessen. Heute müssen wir alle für einen, einer für alle den Kampf gegen die Kreuzritter ansagen. Partisane, wähle einen von den zwei Wegen: Höre auf mit dem Morden Wehrloser, oder Du wirst von der Hand Deiner Brüder fallen. Wir wissen ganz genau, dass der Deutsche jedem anderen Volkszugehörigen dasselbe wünscht wie den Juden. Wir werden nicht zulassen, dass durch Deine Hände das litauische Volk ausgerottet wird. Du wirst von Deinem Bruder vernichtet werden. Wir werden heute die Kraft haben zu kämpfen und zu siegen. Wisse, dass unser Auge Dich überall beobachtet, sogar unter Deinen Freunden. Tod dem Kreuzritter“. Nach der ganzen Ausdrucksweise zu urteilen, dürfte dieses Flugblatt nicht kommunistischen Ursprunges sein, sondern sein Verfasser dürfte in erster Linie in den Reihen der Aktivisten, evtl. sogar in den Reihen der Nationalisten zu suchen sein. Die grosse Führerrede und die Kriegserklärung Deutschlands gegen USA hat hier im allgemeinen nicht so sehr überrascht, da man nach dem Ausbruch des Krieges zwischen Japan und Amerika mit einer solchen Maßnahme Deutschlands rechnete. Die Reaktion der Letten ist sehr verschieden. Einerseits besteht besonders in den Städten die Ansicht, dass jetzt Deutschland den Krieg verlieren würde, ebenso sei aber auch mit dem Zusammenbruch der UdSSR zu rechnen. Jedenfalls sei England jetzt in seiner Stellung gegenüber der UdSSR stärker geworden, seitdem es als Partner Amerika bekommen habe, und es würde den Engländern gewiss gelingen, die UdSSR dahin zu beeinflussen, dass es von

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seinen Prätentionen, besonders im Baltikum, Abstand nimmt. Die UdSSR werde im Endresultat militärisch so geschwächt sein, dass es gegen die Wünsche des angelsächsischen Blockes gar nicht mehr werde handeln können. Andererseits fühlt sich ein Teil der Letten, besonders die Kreise, die unmittelbar durch die Kommunisten gelitten haben, noch immer zu Dankbarkeit Deutschland gegenüber verpflichtet. Sie sind auch der Ansicht, dass die Letten wegen ihrer Teilnahme an der Unschädlichmachung der Juden von einer anderen Konstitution als der deutschen noch weniger als jetzt zu erwarten hätten. Immerhin kann man beobachten, dass viele Letten eine enge Verbindung mit den Deutschen vermeiden. Sie gehen dabei davon aus, dass die Letten, die sich auch nur in gesellschaftlicher Beziehung mit den Sowjets während der Bolschewistenzeit eingelassen haben, besonders durch die Denunzierungen untereinander, jetzt zur Verantwortung gezogen wurden. Man will nicht einer gleichen Gefahr ausgesetzt sein, wenn sich das Blatt wenden sollte. Die Bauern auf dem Lande, besonders die Altbauern, wünschen jedoch im allgemeinen keine Ablösung der deutschen Herrschaft. Es herrscht auf dem Lande jedoch eine gewisse Unsicherheit, weil das Land den Bauern nicht endgültig als Eigentum zurückgegeben worden ist, sondern nur zur Nutzniessung zur Verfügung gestellt wurde. Gegnerische Kreise versuchen mit dem Argument, dass die Bauern nach dem Kriege von ihrem Besitz verwiesen werden, um nachströmenden deutschen Kolonisten Platz zu machen, eine Unruhe in die Bauernschaft hineinzutragen. Kommunismus: In Estland sind nunmehr mit Ausnahme von einem alle führenden kommunistischen Funktionäre festgenommen und unschädlich gemacht worden. Die Gesamtzahl der in Estland festgenommenen Kommunisten beläuft sich auf rund 14 500. Hiervon wurden rund 1000 erschossen und 6377 in KZ-Haft genommen. 3785 minderbelastete Mitläufer wurden entlassen. Nachdem die unter Führung der Spitzenfunktionäre der estnischen KP organisierte illegale Organisation durch die Festnahme fast aller Funktionäre und Mitglieder bereits in ihren Anfängen zerschlagen worden ist, ist mit einem Wiederaufleben kommunistischer Wühlarbeit in grösserem Ausmaß in Estland nicht mehr zu rechnen. In Lettland wurden Ende Oktober 1941 Anzeichen einer illegalen kommunistischen Tätigkeit festgestellt. Durch Einbau von V-Männern und sorgfältige Überwachung wurde festgestellt, dass sich in Riga mehrere illegale Gruppen gebildet hatten, die demnächst zu aktiver Sabotagearbeit übergehen wollten. Im November 1941 wurden insgesamt 115 Mitglieder der illegalen Organisation festgenommen. Die Ermittlungen werden laufend weitergeführt. Verschiedene Anzeichen weisen darauf hin, dass sich auch in Dünaburg Gruppen dieser Organisation gebildet haben. Im Laufe der Ermittlungen wurde bei der mit einer der illegalen Gruppen in Verbindung stehenden Hausmeisterin Nina Demidoff eine Durchsuchung vorgenommen. Hierbei wurde ein entflohener sowjetrussischer Kriegsgefangener ergriffen, dem sie Unterkunft gewährt hatte. In die Organisation waren Gruppen von Jugendlichen im Alter von 12–15 Jahren eingebaut worden. Diese waren von den Funktionären nach der Besetzung der Stadt durch die deutschen Truppen bereits zum Einsammeln der von den fliehenden Russen weggeworfenen Waffen eingesetzt worden. Die Jugendlichen sollten nunmehr zur Verteilung von Flugblättern eingesetzt werden. Bisher wurden 25 Mitglieder dieser Gruppe festgenommen und dem Jugendgefängnis zugeführt. Am 10. 12. wurden zwei weitere Teilgruppen der Organisation festgenommen. Eine dieser Gruppen setzte sich aus Arbeitern zusammen, die am Flugplatz Spilve eingesetzt worden waren. Der Gruppenleiter hatte bereits Nachrichten über den Einsatz deutscher Flugzeuge gesammelt und dem inzwischen ebenfalls festgenommenen Funktio-

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när Warware Starostenko übermittelt. Bei einem der Festgenommenen wurde eine Stielhandgranate gefunden. Am 28. 11. wurde in Wolmar der bekannte kommunistische Funktionär Krtuschahns festgenommen. Am Tage nach der Festnahme überfiel er den kontrollierenden Gefängnisbeamten, der ihn in der Abwehr erschoss. Ferner wurde in Wolmar ein Rotarmist festgenommen, der sich an der Verfolgung notgelandeter deutscher Flieger beteiligt hatte und ein deutsches Flugzeug in Brand gesteckt hatte. In Litauen gelang es im November 1941, nach sorgfältigen Vorermittlungen 18 kommunistische Terroristen festzunehmen. Die Zahl der Festgenommenen hat sich bis zum 20. 12. auf 46 erhöht. Es handelt sich durchweg um ehemalige Angehörige des NKWD in Kauen, die gleichzeitig mit der zurückgehenden Roten Armee nach Kalinin geflüchtet waren. Dort wurden sie in einem Lehrgang zusammengefasst und von führenden Funktionären und sowjetrussischen Offizieren im Gebrauch von Schusswaffen und in der Durchführung von Sprengungen und Terrorakten geschult. Nach Beendigung dieser Ausbildung wurden sie in 10 Gruppen aufgeteilt und erhielten festumrissene Tätigkeitsbereiche in Litauen zugewiesen. Bisher sind 58 Angehörige dieser Terrorgruppen namentlich bekannt. In Weissruthenien werden im Rahmen der Säuberungsarbeit laufend zurückgebliebene kommunistische Funktionäre, die es bisher verstanden hatten, sich dem Zugriff zu entziehen, festgenommen. Am 18. 12. wurden 7 Kommunisten festgenommen, die maßgebliche Funktionen ausgeübt hatten. Unter ihnen befand sich ein Sekretär der kommunistischen Partei in Weissruthenien. Juden: Es wird angestrebt, das Ostland möglichst vollständig von Juden zu säubern. Die Erschiessungen wurden überall so durchgeführt, dass sie in der Öffentlichkeit so wenig wie möglich bemerkt wurden. Dies ist bisher auch fast überall möglich gewesen. Auch in Städten, in denen Erschiessungen grösseren Ausmaßes durchgeführt wurden, ist nicht bekannt geworden, zu welchem Zeitpunkt und wo die Beseitigung der Juden durchgeführt wurde. In der Bevölkerung und selbst bei den zurückgebliebenen Juden war vielfach die Überzeugung entstanden, dass die Juden in andere Teile des Ostlandes umgesiedelt worden sind. Estland ist bereits judenfrei. In Lettland gibt es Juden nur noch in Riga und in Dünaburg. Die Zahl der in Riga verbliebenen Juden – 29 500 – wurde durch eine vom Höheren SS- und Polizeiführer Ostland durchgeführte Aktion auf 2500 verringert. 4 In Dünaburg leben noch 962 Juden, die für den Arbeitseinsatz dringend erforderlich sind. In Litauen musste angestrebt werden, das flache Land und die kleineren Städte vollständig von Juden zu säubern. Dies war neben grundsätzlichen Erwägungen besonders vordringlich, weil kommunistische Elemente – insbesondere Terrorgruppen und Kreise der polnischen Widerstandsbewegung – Verbindungen zu den Juden anknüpften und diese zur Arbeitssabotage und zum Widerstand aufhetzten. Die Juden wiederum versuchten mehrfach, in an sich aufbauwilligen litauischen Kreisen eine deutschfeindliche Stimmung zu erzeugen. Aus dem Ghetto in Kauen wurde mehrfach auf Wachposten geschossen. Eine besondere Aktivität zeigten die Juden in Zagare. Dort brachen am 2. 10. 41 50 Juden aus dem bereits abgeschlossenen Ghetto aus. Der grösste Teil konnte durch eine sofort durchgeführte Grossfahndung ergriffen und erschossen werden. Bei der daraufhin vorbereiteten Exekution der gesamten Juden in Zagare gingen während des Abtransportes zum Exekutionsplatz die Juden auf ein verabredetes Zeichen gegen die Wachmannschaften und die Männer des sicherheitspolizeilichen Einsatzkommandos tätlich vor. Einige Juden, die von den litauischen Schutzmannschaften nicht gründlich genug durchsucht worden waren, zogen Messer und Pistolen und stürzten sich mit Rufen wie „Es lebe Stalin!“ und „Nieder mit Hitler!“ auf die eingesetzten Polizeimannschaften, von denen 7 verwun-

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det wurden. Der Widerstand wurde sofort gebrochen. Nachdem 150 Juden an Ort und Stelle erschossen worden waren, ging der Abtransport der übrigen Juden zum Exekutionsplatz reibungslos vonstatten.5 In einigen Orten in Litauen waren die Wohnbezirke der Juden infolge der schlechten Wohn- und Ernährungsverhältnisse zu Seuchenherden geworden. Durch vollständige Beseitigung der Juden wurde die Ausbreitung der in den Ghettos ausgebrochenen Krankheiten verhütet. In Litauen befinden sich nunmehr nur noch in Kauen 15 000, die für den Arbeitseinsatz dringend erforderlich sind, in Wilna 15 000 und in Schaulen 4500 Juden. In Weissruthenien ist die Säuberung im Gange. Die Zahl der Juden in dem bisher der Zivilverwaltung übergebenen Teil beläuft sich z. Zt. auf rund 139 000. Von der Einsatzgruppe A wurden seit Übernahme der Dienstgeschäfte in Weissruthenien 33 210 Juden erschossen.6 Partisanen: Die Kälte und starke Schneefälle in den meisten Teilen des Ostlandes haben der Tätigkeit der Partisanen gewisse Grenzen gesetzt. Grössere Partisanengruppen haben sich in unzugänglichen Wäldern ausgesprochene Winterlager errichtet. Angesichts der Unterkunfts- und Verpflegungsschwierigkeiten haben sich jedoch meist aus den Partisaneneinheiten kleinere Trupps gebildet, die als Terrorgruppen tätig werden. Diese kleinen Gruppen sind naturgemäß noch schwerer zu erfassen und unschädlich zu machen als grössere Einheiten. Die schon gegenüber den militärisch organisierten Partisanen mit Erfolg angewendete Art der Bekämpfung – Verwendung von V-Personen, Aufbau eines Nachrichtennetzes, schlagartiges Zugreifen nach eingehender Vorermittlung – wird in weiterer Verfeinerung auch gegenüber diesen kleinen Partisanentrupps angewendet. Aus der Bevölkerung kommen in zunehmendem Maße brauchbare Meldungen über das Auftauchen von Partisanen, da diese häufig in rücksichtslosester Form, oft mit vorgehaltener Waffe, Verpflegung erpressen. In kleineren Dörfern beschaffen sich die Partisanen durch nächtliche Raubüberfälle auf Bauerngehöfte ihren Kleidungs- und Verpflegungsbedarf. An der estnischen Nordküste wurden Mitte November über 100 Partisanen gelandet, die sich nordwestlich von Narwa festsetzen wollten. Durch ein sofort eingesetztes Infanteriebataillon wurden die Partisanen zersprengt. Einige konnten bereits ergriffen und unschädlich gemacht werden. Am Peipus-Ufer wurden Schutzmannschaften eingesetzt, um das Herüberwechseln von Agenten über das Eis des Peipus-Sees zu verhindern. In Lettland haben die Überfälle durch Partisanen wesentlich nachgelassen. Die Sowjets haben in letzter Zeit in verstärktem Maße Fallschirmpartisanen zum Einsatz gebracht. Ein Fallschirmspringer wurde am 1. 12. 41 in der Nähe von Dorpat ergriffen. Zwischen Dorpat und Werro wurden 3 Fallschirmspringer festgenommen, die mit Sendegerät ausgestattet waren. Am 8. 11. 41 sprangen bei Käpina am Peipus-See ein Russe und zwei Esten aus einem russischen Flugzeug mit Fallschirm ab. Der Russe wurde sofort festgenommen. Die beiden Esten konnten erst in Dorpat ergriffen werden. Sie führten einen Rundfunkempfänger mit sich. In der Nähe von Abrene/Lettland stiessen lettische Schutzmannschaften am 10. 11. 41 auf drei Fallschirmpartisanen. Einer von ihnen wurde im Verlaufe eines Feuergefechts getötet. Er trug die Uniform der Roten Armee. Zur Tarnung hatte er sich ein Stück Fallschirmstoff umgelegt. Es handelt sich um einen früher in Lettland ansässigen Juden. Die beiden anderen flohen in Richtung Pugai, wurden dort von den verfolgenden Schutzmannschaften gestellt und im Kampf erschossen. In der Nacht zum 13. 11. sind 25 km südlich von Walk 10 Partisanen mit Fallschirmen abgesprungen. In der Nacht zum 15. 11. wurden sie von lettischen Schutzmannschaften in einem Wald gestellt. Bei dem sich entwickelnden Feuergefecht wurden 4 Fallschirmspringer erschossen; einer verübte Selbstmord mit einer Handgranate, den übrigen gelang es zu entkommen.

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Die Partisanen führten 33 kg Sprengstoff und 3 Strassenminen mit sich. Am 1. 12. 41 wurde bei Modohn ein notgelandeter russischer Flieger festgenommen, der den Auftrag hatte, ein günstiges Gelände für die Landung von Fallschirmpartisanen zu erkunden. Flugblattpropaganda: Über Wesenberg warf ein feindliches Flugzeug kommunistische Flugblätter mit der Überschrift „An das estnische Volk“ ab. In Reval wurde ein Flugblatt mit der Rede Stalins von 6. 11. 41 gefunden. In Lettland wurde Ende November in den Kreisen Rositten und Dünaburg eine Anzahl von Flugblättern aufgefunden, die vermutlich von russischen Flugzeugen abgeworfen worden sind. Sie tragen die Überschrift „Der 24. Jahrestag der grossen sozialistischen Oktoberrevolution“ und enthalten den Wortlaut der von Stalin aus diesem Anlass gehaltenen Rede. In Virgen Krs. Libau wurden zwei Flugblätter gefunden, die vermutlich von nationallettischer Seite stammen. Es handelt sich um handgeschriebene Blätter mit rotweissroter Umrandung, die von den Tätern an der Gemeindetafel angeheftet worden waren. In den Flugblättern heisst es, dass sich die Letten als lebensfähiges Volk erwiesen hätten. Ihre Interessen würden jedoch mit Füssen getreten, zuerst von der Sowjetunion und jetzt von Deutschland. Als Verwalter seien wieder die früheren Grafen und Barone eingesetzt, die das Volk 700 Jahre lang geknechtet haben. In dem Aufruf werden die Letten zur Einigkeit und zum Glauben an Lettland ermahnt. Am Schluss heisst es: „Gott schütze Lettland! Es lebe die unabhängige lettische Republik! Es lebe die Freiheit! Nieder mit den Verrätern!“ Am 18. 11. 41, dem lettischen Nationalfeiertag, wurden in verschiedenen Polizeibezirken in Riga handschriftlich angefertigte Flugblätter mit den Aufschriften „Fort mit dem deutschen Joch!“ – „Es lebe das freie Lettland!“ – „Es lebe der 18. November!“ gefunden. Die geringe Zahl der Flugzettel lässt darauf schliessen, dass es sich bei dem Hersteller und Verbreiter um eine Einzelperson gehandelt hat. Offensichtlich von einem grösseren und gut organisierten Personenkreis wird eine illegale Zeitschrift „Latvija“ herausgegeben. Das erste Exemplar wurde am 18. 11. erfasst. Die Zeitschrift ist in Form eines Flugblattes gehalten. Das Manuskript ist zunächst mit Schreibmaschine geschrieben und offenbar nach Herstellung einer Fotografie auf ein Sinkklischee übertragen worden, von dem die Abzüge gefertigt worden sind. Bei den Herstellern und Verbreitern handelt es sich offenbar um Ulmanis-Anhänger. Deutschfeindliche Hetztätigkeit: Die in letzter Zeit zunehmende Verschlechterung der Stimmung kommt in Einzelfällen in deutschfeindlichen Äusserungen zum Ausdruck. In der ersten Dezemberwoche wurden in einer Reihe von Einzelfällen Ermittlungen geführt. Allein in der Zeit vom 6. bis 12. 12. wurden in Riga fünf Anzeigen bearbeitet. In zwei Fällen wurden die Täter festgenommen. Besonders erwähnenswert ist die Äusserung eines ehemaligen lettischen Offiziers, alle ehemaligen lettischen Offiziere seien im Besitz von Waffen; sie seien gut organisiert und würden nur auf einen günstigen Augenblick warten, um gegen die Deutschen vorzugehen. In Libau laufen vertrauliche Mitteilungen gegen eine Gruppe von Ulmanis-Anhängern. In Gesprächen der Gruppe ist davon die Rede, dass die lettischen Landesschützen demnächst gegen die deutschen Besatzungstruppen vorgehen werden. Gelegentlich wurde geäussert, dass im Januar keine Deutschen mehr in Lettland sein werden. In Minsk wurden am 16. 12. drei Hetzer erschossen, die sich während einer Rede des Generalkommissars deutschfeindlich äußerten und die Veranstaltung zu stören versuchten. Arbeitsverweigerung: Zu Arbeitsverweigerungen grösseren Umfanges ist es bisher im Ostland nicht gekommen. In den bekannt gewordenen Einzelfällen wurde sofort scharf durchgegriffen. Vergeltungsaktion: Im Dorf Audrini bei Rositten wurden sechs Russen monatelang planmäßig versteckt, die vor einiger Zeit 3 lettische Hilfspolizisten bei Amtshandlungen er-

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schossen haben. Am 2. 1. wurde auf Anweisung der Einsatzgruppe A der Sicherheitspolizei und des SD das Dorf nach Abtransport aller Nahrungsmittel usw. völlig in Brand gesteckt und sämtliche Dorfbewohner erschossen. 301 Männer wurden auf dem Marktplatz der nächstgelegenen Stadt Rositten öffentlich erschossen. Alle Maßnahmen sind ohne Zwischenfälle verlaufen. Als Anlage wird eine Übersetzung des „Merkblattes des Rotarmisten“ beigefügt. Das Merkblatt wurde bereits Anfang November durch Komsomolzen (Angehörige der kommunistischen Jugendorganisation), die sich zur Zeit bei der Roten Armee befinden, in der Roten Armee verteilt. Es darf besonders auf die Terminologie des Merkblattes aufmerksam gemacht werden, die nicht typisch bolschewistisch ist, sondern vielmehr allgemein soldatische und nationale Begriffe verwendet. Anlage: Merkblatt des Rotarmisten: 1. Die Stärke der Armee liegt in der Disziplin. Starke militärische Disziplin ist die Vorbedingung für den Sieg im Kampf. Sei ein disziplinierter Kämpfer. Hüte die dir vom Volk anvertraute Waffe. Denke stets, dass der Befehl des Kommandeurs ein Gesetz ist. Erfülle deinen militärischen Treueeid heilig in Treue zum Vaterland und zur Sowjetregierung. 2. Woher der Feind auch kommen möge, man kann ihn immer fassen, entweder mit einer Kugel, einer Granate oder einem Seitengewehr. Was du in der Hand hast, damit schlage. Den Kopf nicht verlieren; wenn der Feind nicht von dort kommt, woher man ihn erwartete – von vorne oder hinten –, bedeutet für dich, in seine Schlinge zu geraten. 3. Lerne faschistische Panzer zu bekämpfen. Für einen tapferen Kämpfer ist ein Panzerkampfwagen nicht gefährlich. Vernichtet feindliche Panzerkampfwagen mit geballten Ladungen und Flaschen mit flüssigem Brennstoff. 4. Lerne faschistische Flugzeuge zu bekämpfen; beschiesse mit dem Maschinengewehr oder dem Gewehr pickierende feindliche Flugzeuge. 5. Die Faschisten fürchten sich vor dem Seitengewehr des Rotarmisten. Vernichte mit einem geschickt geführten Seitengewehrstich die faschistischen Ekel. 6. Der Soldat der Roten Armee kämpft bis zum letzten Blutstropfen und ergibt sich dem Feind nicht. Besser ein Tod im Kampf als in faschistischer Gefangenschaft. 7. Der Feind bemüht sich, unsere Kommandeure und Politfunktionäre aus unseren Reihen zu entfernen. Beschütze und verteidige den Kommandeur und den Politfunktionär im Kampf. 8. Kameradschaft und gegenseitige Hilfe im Kampf sind das Gesetz der Kämpfer der Roten Armee. Hilf im Kampf deinen Genossen, und die Genossen werden dir helfen. Wenn du den Feind schlägst, wird es für alle leichter: für Verwundete und Gesunde. 9. Der Feind ist schlau und hinterlistig, erfahren in Betrug und Provokation. Sei vorsichtig. Hüte die militärischen und staatlichen Geheimnisse streng. Ausplauderung militärischer Geheimnisse ist Verrat am Vaterland. 10. Der Feigling hat grosse Augen. Der Feigling überschätzt die feindliche Stärke und unterschätzt die Kraft des eigenen Truppenteils. Der Panikmacher ist ein gefährlicher Feind im Kampfe. Unkraut – weg vom Felde. 11. Verliere auch nicht den Mut in den schwierigsten Verhältnissen, verzage nicht und kämpfe bis zum letzen Augenblick. Sei immer wachsam, fröhlich und hebe den Kampfgeist deiner Kameraden. Denke immer: Das Recht ist bei uns, der Feind wird geschlagen, der Sieg ist unser! 12. Unser Widerstand gegen den zu weit gegangenen Feind wächst und wird stärker. Unsere Kräfte sind unerschöpflich. Zur Verteidigung des Vaterlandes erhob sich das ganze Sowjetvolk. Vorwärts für unseren Sieg! 13. Kenne keine Schrecken im Kampf gegen die Feinde. Die Tage sind nicht mehr weit, an welchen die deutschen Soldaten, verfolgt von der Roten Armee, die Ferse zeigen werden. Sei ein Held! 14. Unsere Väter und Brüder schufen in aufopferndem Kampf gegen Großgrundbesitzer und Kapitalisten die Sowjetmacht.

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Hitler will die Großgrundbesitzer und Kapitalisten wieder einsetzen und unser Volk versklaven und verdeutschen. Verteidige jeden Fußbreit der Sowjeterde! 15. Für unsere Mütter, Frauen und Kinder! Für unsere Ehre, Freiheit und geliebtes Vaterland! Vorwärts für unseren grossen Stalin zur endgültigen Vernichtung der faschistischen Eroberer! Von den Einsatzgruppen B und C liegen keine Meldungen vor. Einsatzgruppe D: Standort Simferopol. Die OUN in Cherson und Umgebung: Vertraulich durchgeführte Ermittlungen hatten ergeben, dass der Kreis der Bandera-Anhänger sich um den ersten Kommandanten des Selbstschutzes – Konrad – scharte. Wie gross dieser Personenkreis war, konnte zunächst nicht eindeutig ausgemacht werden. Es bestand jedoch die Vermutung, dass dieser Kreis mit einem zweiten Personenkreis in der Chersoner Stadtverwaltung in Verbindung stand, als dessen Mittelpunkt der stellvertretende Bürgermeister Hrize galt. Bei Durchführung einer Aktion gegen die Bandera-Anhänger mussten daher beide Personenkreise festgenommen werden. Die Verhaftungen erfolgten schlagartig. In zahlreichen langwierigen Vernehmungen wurde festgestellt, dass der Kreis der Bandera-Anhänger sich auf wenige Personen beschränkte, die es unter geschickter Ausnutzung ihrer Stellungen im ukrainischen Selbstschutz verstanden, eine rege Werbung für die OUN unter der Bevölkerung durchzuführen. Hierbei verhielt sich der Führer dieses Kreises, der Selbstschutzkommandant Konrad, äusserst geschickt, indem er nicht selbst hervortrat, sondern fast ausschliesslich seine Helfer ansetzte. Es wurden unter dem Vorwand der Gründung von Selbstschutzabteilungen auf dem Lande Versammlungen durchgeführt, bei denen bis zu 2000 Menschen anwesend waren. Hierbei wurde für die OUN und Bandera geworben, die Ziele der OUN propagiert, Flugblätter verteilt und zur aktiven Mitarbeit aufgerufen. Wenn die Tätigkeit der Bandera-Anhänger keine grösseren Erfolge aufzuweisen hatte, so lag dies daran, dass bei der Landbevölkerung die Kenntnis über die Zusammenhänge völlig fehlte und dass in weiten Kreisen die Gründung von Organisationen überhaupt abgelehnt wurde. Die Bandera-Anhänger wurden, wie aus Zeugenaussagen hervorgeht, als „Ostgalizier“ erkannt und geradezu als Fremdlinge betrachtet, eine Haltung, die durch die sprachlichen Unterschiede gefördert wurde. Ungeachtet dessen wurde eine ausgedehnte Schriftenpropaganda getrieben. Ukrainischer Selbstschutz in Cherson und OUN: Aus einer Reihe von Anzeigen konnte geschlossen werden, dass die banderistischen Umtriebe in dem ukrainischen Selbstschutz bereits an Boden gewonnen hätten, so dass eine Überprüfung der führenden Selbstschutzangehörigen notwendig wurde. Hierbei stellte sich jedoch heraus, dass der Kreis um Konrad sehr vorsichtig zu Werke gegangen war und vorerst nur Andeutungen über die verschiedenen ukrainischen Organisationen gemacht hatte, so dass auch die Abteilungsleiter des Selbstschutzes nur sehr unvollkommen über die OUN unterrichtet waren. Sie sollten vermutlich ohne ihr Wissen für die Ziele des Kreises um Konrad eingespannt werden. Im Laufe der Vernehmungen zeigte es sich, dass fast alle übrigen führenden Angehörigen des Selbstschutzes von der Undurchführbarkeit und Ungesetzlichkeit der Pläne Banderas und der OUN überzeugt waren und dass sie gewillt sind, sich diesen Umtrieben aktiv entgegenzustellen. Die Tätigkeit der OUN in den besetzten ukrainischen Gebieten: Aus den Vernehmungen ergaben sich interessante Feststellungen über die Methodik der OUN für die Durchsetzung ihrer Ziele in der Gross-Ukraine. Bei den ermittelten Bandera-Anhängern handelt es sich ausschliesslich um Ostgalizier, die mit offenbar festen Aufträgen in die neu besetzten Gebiete entsandt worden waren. Viele Angehörige der ehemals in Lemberg stehen-

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Nr. 3: Moskauer Straße in Riga, links das eingezäunte Ghetto

den Ukrainischen Legion waren der deutschen Wehrmacht als Dolmetscher zugeteilt worden. Da nach weiteren Feststellungen die Mehrzahl der führenden Männer der BanderaBewegung aus dem Lemberger Bezirk stammen, kann gefolgert werden, dass die zur Wehrmacht überstellten Männer unter dem Deckmantel ihrer Dolmetschertätigkeit und unter Ausnutzung ihrer Position beim Vormarsch der deutschen Wehrmacht die Propaganda für die OUN in die gesamten besetzten ukrainischen Gebiete tragen sollten. Aus zahlreichen Zeugenaussagen geht hervor, dass es Bandera-Anhängern gelang, lediglich mit Ausweisen der OUN versehen, Brücken und Grenzübergänge zu passieren und Beförderungsmittel der Wehrmacht zu benutzen, um in die von ihnen vorgesehenen Räume zu gelangen. Wie aus den Aussagen weiter hervorgeht, war die Parole verbreitet worden, dass sich in Jassy, später in der Gegend von Nikolajew eine ukrainische Armee gebildet habe, die sich verwiegend aus ukrainischen Nationalisten der Bandera-Richtung zusammensetze. Unter dem Vorwand, sich in diese Armee als Freiwillige einzureihen, kamen zahlreiche Bandera-Anhänger in die besetzten Gebiete und propagierten dort ihre Ideen. Aufrufe und „Denkbriefe“ wurden öffentlich angeschlagen, teilweise in den Bürgermeistereien und in den Unterkünften der Selbstschutzabteilungen ausgehängt. Selbstschutzkommandanten und Bürgermeister wurden eingesetzt oder, soweit sie nicht zuverlässig im Sinne der OUN erschienen, durch Bandera-Anhänger abgelöst oder zu verdrängen versucht. Mit diesen Methoden sollte sich die OUN allmählich vorschieben und möglichst viele wichtige Stellen besetzen. So wollte beispielsweise der Kommandant des Chersoner Selbstschutzes seine Tätigkeit dort aufgeben, um in Simferopol den Selbstschutz aufzuziehen. Sein Helfer Kostju beabsichtigt in Sewastopol tätig zu werden. Aus den Aussagen und nach Gesprächen mit dem zu dem verdächtigen Personenkreis gehö-

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renden Sekretär des Erzbischofs Antony v. Kamenez-Podolsky, des künftigen Bischofs von Cherson und Odessa, geht hervor, dass auf wechselseitige Beziehungen zwischen der ukrainischen Nationalkirche und der OUN geschlossen werden darf. Die neue ukrainische Nationalkirche stützt sich weitgehend auf die „Ukrainischen Patrioten“ und zeigt in ihrer Grundhaltung wesentliche Übereinstimmung mit dem Programm der OUN. III. Reich und besetzte Gebiete: Der Höhere SS- und Polizeiführer im Wehrkreis XVIII, Befehlsstelle Veldes, meldet: In der Nacht vom 5. zum 6. 1. 42 überfiel eine stärkere Bande ein Bauernhaus westlich Radmannsdorf. Beim Rückzug stiess die etwa 110 Mann starke Bande auf einen Wehrmachtsposten an der Save südlich Radmannsdorf. Der Posten wurde angeschossen und zwei Mann verwundet. Die sofort eingeleitete Verfolgung verlief ergebnislos. In der Gegend Trifail kam es am 5. 1. 42 zu einem Feuergefecht zwischen einer Polizeistreife und Banditen. Die Banditen hatten sich in einem Wirtschaftsgebäude verschanzt. Das Wirtschaftsgebäude wurde von der Streife in Brand gesteckt. Dabei kam es zu heftigen Explosionen, was auf Vorhandensein von Sprengstoff und Munition schliessen liess. Im Kampf wurden 7 Banditen erschossen und 1 Hptwachtmeister getötet. Als Vergeltung für den Gefallenen wurden 10 in Haft befindliche Banditen in Marburg erschossen. Am 7. 1. 42 wurde der Quästor von Laibach, Ettana Messana, zu einer Besprechung über gemeinsam berührende Fragen zunächst vom Gauleiter Dr. Rainer und dann vom Höheren SS- u. Pol.Führer in Veldes empfangen. Der Quästor sagte zu, dass er die von Oberkrain nach Belgrad evakuierten und widerrechtlich nach Laibach zurückgekehrten Slowenen den deutschen Behörden ausliefern werde, sofern diese Slowenen ihm bekannt oder von den deutschen Dienststellen genannt werden. Darüber hinaus betonte er, dass er nicht nur diese, sondern alle in Laibach gegen das Deutsche Reich und speziell gegen Oberkrain tätigen Slowenen ausliefern werde. Weiter sagte er zu, dass er veranlassen werde, dass sämtliche von italienischen Gerichten zum Tode verurteilten, aber auch mit Oberkrain in irgendeiner Beziehung stehenden Slowenen vor der Vollstreckung des Urteils zum Zwecke des Verhörs an die entsprechenden Dienststellen des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD ausliefern würde. BAB, R 58/220 1

Falsch, kommissarisch geführt durch Kurt Matschke. Falsch, längst Robert Mohr. 3 Falsch, längst Dr. Werner Braune. 4 Damit waren die von HSSPF Jeckeln am 30. 11. u. 8. 12.1941 veranstalteten Massaker gemeint; vgl. EM 151, Fn. 6. 5 Bei der „Aktion“ am 2. 10. 1941 wurde das Ghetto in Z ˇ agaré vollständig liquidiert, wobei mehr als ˇ agaré, in: The United States Holocaust Memorial 2400 Juden ermordet wurden; vgl. Aru¯nas Bubyns: Z Museum Encyclopedia of Camps and Ghettos, 1933–1945. Bd. 2: Ghettos in German-Occupied Eastern Europe, Bloomington 2012, S. 1153–1155. 6 Der hier zugrundeliegende Zeitraum läßt sich nur schätzen. Er dürfte etwa Mitte Okt. 1941–Mitte Jan. 1942 umfaßt haben. 2

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs.

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Berlin, den 16. Januar 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 156 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 16. 1. 1942. Höherer SS- und Polizeiführer Nord (101): (Jeckeln), Standort: Riga. Einsatzgruppe A: (Dr. Stahlecker), Standort: Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: FT, FS Riga, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur d. Sicherheitspolizei u.d. SD für den Generalbezirk Estland: (Dr. Sandberger), Standort: Reval mit Dienststellen in Narwa, Dorpat, Kingisepp, Krasnoje-Selo, Luga und Pleskau, N-Verbindungen: FT Reval, FS Reval, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD Lettland: (Dr. Lange), Standort: Riga mit Dienststellen in Libau, Wolmar und Dünaburg, N-Verbindungen: FT Riga, FS Riga und Libau, Feldpost-Nr. 15447. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Litauen: (Jäger), Standort: Kauen mit Dienststellen in Wilna und Schaulen, N-Verbindungen: FT und FS Kauen und Wilna, Feldpost-Nr. 15641. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Weissruthenien: (Strauch), z. Zt. vertreten durch SS-Stubaf. RR Hofmann, Standort: Minsk mit Dienststellen in Nowgorod [durchgestrichen, handschriftlich: Nowogrodek], Tschudowo, a. d. Marsch nach Cholm und Baranowicze, N-Verbindungen: FT und FS Minsk, FeldpostNr. 15641. Höh. SS- und Polizeiführer Mitte (102): (Von dem Bach), Standort: Mogilew. Einsatzgruppe B: (Naumann), Standort: Smolensk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Kurierverbindung über Warschau u. Fernsprecher über VD Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando 7a: (Steimle 1), Standort: Wjasma mit Teilen in Gshatsk, N-Verbindungen: FT Wjasma, Feldpost-Nr. 05607. Sonderkommando 7b: (Rausch), Standort: Brjansk mit Teilen in Orel und Kursk, N-Verbindungen: FT a. d. Marsch, Feldpost-Nr. 18555. Einsatzkommando 8: (Bradfisch), Standort: Mogilew, Roslawl, Orscha, Gomel, Bobruisk, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 37857. Einsatzkommando 9: (Schäfer), Standort: Witebsk m. Teilen in Smolensk, N-Verbindungen: FT Witebsk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando Moskau: Standort: Roslawl, N-Verbindungen: FT Roslawl. Höherer SS- und Polizeiführer Süd (103): (Prützmann), Standort: Kriwoj-Rog, N-Verbindungen: FS Lemberg. Einsatzgruppe C: (Dr. Thomas), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier, Feldpost-Nr. 32794. Sonderkommando 4a: (Blobel) [durchgestrichen, handschriftlich: Dr. Weinmann 2], Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow, Feldpost-Nr. 22789. Sonderkommando 4b: (Braune) [durchgestrichen, handschriftlich: Haensch 3], Standort: Kramatorsk mit Teilen in Shitomir, Rowno, Winniza, N-Verbindungen: FT Nikolajew u. Rowno, FS Rowno, Feldpost-Nr. 35102.

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Einsatzkommando 6: (Kröger 4), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino, FeldpostNr. 35979. Höherer SS- und Polizeiführer z. b. V.: (Korsemann), Standort: Rowno. Einsatzgruppe D: (Ohlendorf), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol, Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10a: (Seetzen), Standort: Taganrog, Teile in Mariupol und Melitopol, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10b: (Persterer), Standort: Stari Krim [durchgestrichen, handschriftlich: Feodosia], Teile in Sudak und [durchgestrichen] Dshankoj, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11a: (Zapp), Standort: Bachtschissaraj mit Teilen in Alupka und [durchgestrichen] Jalta, N-Verbindungen: FT Jalta und Bachtschissaraj, FeldpostNr. 47540. Einsatzkommando 11b: (Zapp 5), Standort: Simferopol mit Teilen in Aluschta, Karasubasar, Eupatoria, N-Verbindungen: FT Simferopol und Aluschta, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 12: (Nosske), Standort: Fedorowka, N-Verbindungen: FT Fedorowka, Feldpost-Nr. 47540. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. 1.) Nach einer Agentenmeldung sind seit wenigen Tagen die Lebensmittelrationen in Leningrad spürbar erhöht worden. Genauere Feststellungen werden noch getroffen. Die Erhöhung soll propagandistisch sehr stark ausgenutzt werden. 2.) Im Rahmen der lettischen Selbstverwaltung ist im Augenblick die Besetzung des Postens eines Personalreferenten beim Generaldirektorium für Inneres und Personalfragen akut. In Vorschlag werden Anderson, ein ehemaliger Perkonkrustler, und Silins gebracht. Eine endgültige Entscheidung ist noch nicht gefallen. 3.) Der Direktor für lettische Kulturangelegenheiten, Puksis, wurde ohne Genehmigung des Generaldirektors für Inneres und Personalfragen und ohne vorherige Rücksprache mit dem zuständigen Referenten beim Generalkommissar von dem Generaldirektor für Bildung und Kultur, Zelms, abgesetzt. Gegen diesen Schritt von Zelms hat das zuständige Einsatzkommando Einwendung erhoben. Die Absetzung Puksis’ wurde rückgängig gemacht. 4.) Auf Anordnung des Generalkommissars in Riga können in Zukunft Entlassungen und Neueinstellungen von Letten, auch bis zu den höchsten Stellen, nur durch den Generaldirektor für Inneres und Personalfragen erfolgen. 5.) Am 16. 12. 41 meldete der finnische Rundfunk in estn. Sprache: Der Generalkommissar in Reval habe eine Anordnung unterschrieben, nach welcher das enteignete Land den ehem. Besitzern zurückgegeben werden soll. Doch sei über die Art der Durchführung der Anordnung noch nichts bekannt. Im Anschluss daran erwähnte der finnische Sprecher, nach der Befreiung Litauens und Lettlands sei der Grund und Boden dieser Länder zu deutschem Reichsbesitz erklärt worden, doch sei in letzter Zeit den ehem. Besitzern die Möglichkeit gegeben worden, ihr Land zurückzukaufen. Diese finnische Rundfunkmeldung haben deutschfeindl. Kreise in Estland zu einem Gerücht ausgewertet, nach welchem die estn. Bauern ihr von den Kommunisten enteignetes Land zurückkaufen müssten. Dieses Gerücht hat begreiflicherweise unter der Landbevölkerung grosse Beunruhigung verursacht. 6.) Im Reichskommissariat Ostland soll in Kürze eine umfangreiche Metallsammlung durchgeführt werden; auch Kirchenglocken sollen durch diese Metallsammlung erfasst werden. Spionagefunkzentrale bei Schary: Am 15. Dezember 1941 übergab der Ic eines AK dem

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Leiter der Dienststelle Tosno der Sicherheitspolizei und des SD fünf vom Korps aufgefangene und mit „Walja“ unterzeichnete Funksprüche an eine Leningrader Zentrale sowie deren Antwortschreiben mit der Bitte um weitere Bearbeitung. Die besondere Wichtigkeit der Angelegenheit war aus dem Inhalt des Funkverkehrs ersichtlich, der erhebliche militärische Mitteilungen zum Gegenstand hatte. Seitens der Dienststelle wurden sofort umfangreiche Ermittlungen angeordnet und eingeleitet. Die aufgefangenen Funksprüche liessen vermuten, dass die Sendestation in Uschaki, Schary oder in der Nachbarschaft eines dieser Orte stehen musste. Aus früheren Ermittlungen des Sicherheitsdienstes waren auch gewisse Anhaltspunkte hinsichtlich der Person der Funkerin, ihres Aussehens, ihrer Ausbildung usw. vorhanden. Am 16. Dezember und an den folgenden Tagen wurde mit einer systematischen Durchkämmung der Orte Uschaki und Schary begonnen. Am 30. Dezember 1941 lagen die Voraussetzungen zu folgender Konzeption vor: Die Funkstation steht im Raum zwischen Uschaki, Schary und dem Pendikowo-See; vermutlich ist sie in einer der im Walde einzeln stehenden Hütten untergebracht. Am 31. Dezember 1941 morgens wurde eine aus Angehörigen des Kommandos bestehende „Partisanengruppe“ gebildet, mit dem Auftrag, sich in den vorbezeichneten Raum zu begeben und dort die erforderlichen Feststellungen zu treffen mit dem Ziel, die Funkstation und das dazugehörige Nachrichtennetz auszuheben. Unter Hinzuziehung von Vertrauensmännern in Uschaki, später in Schary, ergab sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Wohnung einer bei der deutschen Wehrmacht in Schary beschäftigten Person zugleich der Standort der Funkstelle sein konnte. Diese Wohnung liegt in dem vom Dorf „Rote Letten“ bei Schary etwa 2 km entfernt sich befindenden Wald- und Sumpfgelände. Nach entsprechender Sicherung wurde dieses Haus besetzt. Es handelt sich um die frühere Unterkunft von Waldarbeitern, die jetzt nur noch von einem alten Ehepaar und deren Schwiegertochter bewohnt wird. In der Wohnung wurde eine alte Frau und ein jüngeres Mädchen angetroffen. In einer sofort durchgeführten Vernehmung leugneten beide, etwas von Partisanen, einer Funkstation usw. zu wissen oder gar in unmittelbarer Beziehung zu derartigen Vorgängen zu stehen. Eine Visitation des Mädchens brachte eine Taschenuhr und ein Messer zum Vorschein, die als hier bekannte Ausrüstungsgegenstände bolschewistischer Funker erkannt wurden. Des weiteren konnte ein Funkgerät mit Antenne aufgefunden werden, das unter ausserordentlich geschickter Tarnung auf dem Heuboden des Hauses untergebracht war. Schliesslich wurde der Frau ein russ. Funker gegenübergestellt, dessen Personenkenntnisse und sonstigen Darlegungen ein weiteres Leugnen seitens der jüngeren Frau ausschlossen. Nach einem abgewiesenen Versuch, sich in den Besitz der Pistole eines unserer Männer zu setzen, legte sie ein Geständnis ab. Sie wurde zusammen mit der alten Frau zum Zwecke eingehender Vernehmung nach Tosno verbracht. Gleichfalls verhaftet wurde in Schary die Schwiegertochter der alten Frau sowie eine weitere mutmaßliche Verbindungsperson der Partisanen. Der Mann der alten Frau war von einem Gang nach Uschaki noch nicht zurückgekehrt. Die örtliche Wehrmachtsstelle wurde gebeten, eine Wache in das Haus bis zur Rückkehr des Alten abzustellen, der dann am gleichen Abend ergriffen und nach Tosno überstellt werden konnte. Das Waldhaus wurde abgebrannt. Bei der verhafteten jüngeren Frau handelt es sich um die Walja Tschebotarewa. Sie ist am 7. Juni 1923 in Leningrad geboren. Sie war früher als Laborantin in einem optischen Institut in Leningrad beschäftigt, meldete sich aber bereits vor dem Kriege zu einem vom Armeeflottenklub durchgeführten dreimonatigen Funkerlehrgang. Vom 28. August an nahm die Walja an einem Ergänzungslehrgang teil und wurde an dessen Ende mit 4 weiteren Frauen an die Funkerschule der Roten Armee in der Swenigorodskgastrasse 5 ver-

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bracht, wo sich zugleich ein Erholungsheim für Partisanen befindet. Dort und in dem drei km von Leningrad entfernt liegenden Ort Kawgolowo genoss sie theoretischen und praktischen Unterricht. Leiter dieser Lehrgänge war der Jude Wolotia Immermann. Am 3. November endlich beginnt die eigentliche Partisanentätigkeit der Walja. Sie wurde über ihren Auftrag im einzelnen informiert. Leiter dieser Instruktionsstunden war der Kapitän Iwaschtschenko. Er gab zunächst einen allgemeinen Überblick über Nachrichtentechnik und -taktik der Partisanen, insbesondere Art und Form der Vertrauensmännerwerbung sowie der Nachrichtenübermittlung. Neben den schon bekannten Methoden konnte von der Walja als neues Mittel in der Partisanenarbeit die Benutzung sogenannter „Postkisten“ in Erfahrung gebracht werden. Hierbei handelt es sich um ein an bestimmter Stelle aufgestelltes Behältnis, in das die Vertrauensmänner ihre Nachrichten ablegen. Der Funker hat nur die Aufgabe, die Postkiste, deren Standort ihm bekannt ist, in regelmäßigen Zeitabschnitten zu leeren und ihren Inhalt funktelegrafisch nach Leningrad zu übermitteln. Durch diese Einrichtung soll eine Bekanntschaft zwischen allen im roten Nachrichtendienst arbeitenden Personen ausgeschlossen werden. Anfang November wurde die Walja vom Kapitän Iwaschtschenko einer Partisanengruppe zugeteilt. Diese bestand aus fünf Männern und zwei Funkerinnen. Führer war ein gewisser Viktor Lebediew. Die beiden Frauen sollten zunächst nach Tschudowo verbracht und dort als Funkerinnen eingesetzt werden. Die Walja hat im ganzen 20 Funksprüche an die Zentrale in Leningrad durchgegeben und von hier etwa 15 Antworten erhalten. So berichtet sie über den Standort von Bäckereien und Schlächtereien in Schary und Uschaki, über Zahl und Stärke der in Uschaki untergebrachten Truppen und Pferde, über einen Flugplatz in der Nähe der Station Gorgiewskaja, über die Bewegung von Panzern nach Schary, über Batterien in Krasnyj-Latysch, über den Abtransport von Gruppen aus Uschaki, über ununterbrochene Truppenbewegungen in Richtung auf Leningrad und über offensichtliche Konzentration aller deutschen Einheiten vor der roten Metropole. Die Zentrale in Leningrad zeigt in ihren Antworten ein auffallendes Interesse gerade an dieser Funkerin, sagt ihr persönliche Hilfeleistung zu, ermahnt sie zu aktiver Arbeit und macht Mitteilungen über die angeblich günstige Lage an allen Fronten. Die Unterlagen ihrer Funktätigkeit gewann die Walja teilweise aus geschickt von ihr geführten Unterhaltungen, insbesondere mit der Schwägerin ihres Wohnungsinhabers, einer gewissen Nina Ivanova, die bei einer deutschen Bäckereikomp. in Schary beschäftigt ist, selbst aber in keinerlei Zusammenhang zu Partisanen zu stehen scheint. Den grössten Teil ihrer Nachrichten erhielt die Walja von ihrem Hausherrn, einem gewissen Wassil Sokolovo, der in ihren Funksprüchen unter der Bezeichnung „Der Alte“ erscheint. Als ausgekochter Verbindungsmann zu den Partisanen stellte er zunächst jede Betätigung im deutschfeindlichen Sinne in Abrede, gab jedoch später zu, schon über ein halbes Jahr mit Partisanengruppen zusammenzuarbeiten. Die Walja Tschebotarewa wurde, nachdem sie auch über die sonst interessierenden politischen und militärischen Fragen gehört worden war, 1. Januar 1942 erschossen. Zwei ihrer Helfershelfer wurden gleichfalls erschossen bzw. erhängt. Versuch eines bewaffneten Aufstandes in Minsk: Am 29. 12. 41 wurde durch eine V-Person gemeldet, dass die Kriegsgefangenen im Kriegslazarett in Minsk eine Aufruhrbewegung vorbereiten. Die sofort und mit Vorsicht angesetzten Ermittlungen ergaben nach den bisherigen Feststellungen folgenden Sachverhalt: Am 4. 1. 1942 gegen 5.00 Uhr morgens sollten gleichzeitig im Kriegslazarett 1, im 2. und 3. russischen Kriegsgefangenenlazarett, im Kriegsgefangenenlager sowie im Gefangenenlager der Woroschilow-Fabrik bewaffnete Aufstände losbrechen. Zu der angegebenen Zeit sollten die bei den Offizieren als Bur-

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schen tätigen Kriegsgefangenen sich wie immer in die Offizierswohnungen begeben, als ob sie dort den Stubendienst machen wollten, sollten sich der Pistolen der Offiziere bemächtigen und dann die Offiziere und Mannschaften, die wahrscheinlich keinen Widerstand leisten würden, in einen verschliessbaren Raum zusammentreiben. Dann sollte die Telefonhauptleitung durchschnitten, die Wache überrumpelt und bereitgelegte Waffen übernommen werden. Mit Waffen ausgerüstet sollten die Aufständischen dann zuerst unter allen Umständen den Flugplatz bei Minsk überfallen und besetzen. Ferner waren Überfälle auf bestimmte Gebäude in Minsk vorgesehen. Am Abend des 4. 1. 42 war ein Zusammentreffen mit einer Partisanengruppe, etwa 20 km von Minsk entfernt, vorgesehen. Russische Fallschirmjäger sollten auf dem von den Aufständischen besetzten Flugplatzgelände landen. Mit diesen und den Partisanen zusammen wollten die Aufständischen sämtliche in Minsk festgehaltenen Kriegsgefangenen befreien und alsdann in einer Gesamtstärke von etwa 10 000 Mann von Minsk aus einen Durchbruchversuch auf die deutsche Front unternehmen. Zur Durchführung dieses Planes waren folgende Vorbereitungen getroffen worden: 1. Im Kriegslazarett 1 wurden während der Nachtstunden Stadtpläne und Karten der Stadt und der Umgebung von Minsk angefertigt, in denen die Objekte, die überfallen werden sollten, u. a. auch das Gebäude der Sicherheitspolizei, genau vermerkt waren. 2. Einige mit dem Beheizen der Offiziersräume beauftragte Rädelsführer benutzten diese Gelegenheit, um mit dem dort befindlichen Radiogerät ständig den Moskauer Sender abzuhören und sich über die rückläufigen Bewegungen der deutschen Truppen zu unterrichten. Nach dem daraus vermuteten rückwärtigsten Stand der deutschen Linien wurde der Termin des 4. 1. festgelegt. 3. Einer der Rädelsführer, ein gewisser Osorow, hatte zwei Kurzwellengeräte zur Verfügung, mit denen er 23 Tage lang Funkverbindung mit Moskau und Leningrad aufrechterhalten konnte. Bislang steht fest, dass ein Sender aus einem Diebstahl aus der dem Kriegslazarett gegenüberliegenden Radiofabrik stammt und durch eine weibliche Hilfsperson vermittelt wurde. 4. Innerhalb der einzelnen vorgenannten Aufstandsstellen waren Waffen zusammengetragen worden. Hier befanden sich 400 teils halbautomatische Gewehre, Maschinengewehre, Pistolen, Handgranaten und 3000 Schuss Munition. Die Waffen konnten deswegen ungesehen gesammelt werden, weil vom Kriegslazarett aus unter der Strasse durch etwa 1 1/2 m hohe Heizungskanäle zu den verschiedenen Gebäuden des Kriegslazaretts und zum sogenannten Polytechnikum liefen. Ausserdem konnten sich die Gefangenen auch nachts ungehindert in allen Komplexen bewegen. 5. Durch russisches Sanitätspersonal und russische Ärzte, die die Erlaubnis hatten, sich zwischen den einzelnen Stationen und Lägern frei zu bewegen, durch Kriegsgefangene, die zu Lebensmitteltransporten herangezogen wurden usw., waren Verbindungen zu etwa 300 zuverlässigen Kriegsgefangenen hergestellt, die für das erste Losschlagen vorgesehen waren. Sicherheitspolizeilich wurden bislang folgende Maßnahmen getroffen: Einer der vorerwähnten Sender wurde sichergestellt. Leider war eine Aufrechterhaltung der Funkverbindung mit Moskau und Leningrad infolge technischer Schwierigkeiten nicht mehr möglich. Ferner wurden Karten und Pläne aus ihren Verstecken entfernt und vernichtet. Festgenommen wurden bisher 300 für den ersten Aufstandsversuch vorgesehene Kriegsgefangene. Weitere Festnahmen in grosser Anzahl werden zurzeit noch durchgeführt. Der Verbindungsmann des Haupträdelsführers (Osorow), ehemaliger russischer Nachrichtenoffizier, zu seinen Hintermännern steht namentlich fest. Ebenso ist der Name des Verbindungsmannes zu den erwähnten Partisanengruppen ausserhalb Minsk festgestellt. Die Ermittlungen laufen weiter. Allgemeine Lage: Stimmung: Zwischen der Stimmung in Riga und in der Provinz besteht

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ein großer Unterschied. In Riga wurden seit jeher viele Gerüchte verbreitet. Diese haben naturgemäß während der Kriegszeit nicht abgenommen. Auf dem Lande und in den Kleinstädten dagegen verläuft das Leben ruhiger, und die Sorgen und Bemühungen sind mehr auf die Arbeit ausgerichtet. Die positive Stimmung auf dem Lande kommt auch durch die Spendensammlungen für die deutsche Wehrmacht, die auf dem ganzen Lande, vor allem aber in Semgallen, durchgeführt wurden, zum Ausdruck. Natürlich haben die Landbewohner verschiedene akute Sorgen. Im allgemeinen ist jedoch der Wille vorherrschend, die Entbehrungen des Krieges als etwas Unabänderliches auf sich zu nehmen. Eine Ausnahme bildet der Landesteil Lettgallen, wo durch die vielen dort lebenden Volksgruppen und die herrschenden religiösen Verhältnisse die innere Sicherheit fehlt, die den lettischen Bauern sonst im allgemeinen auszeichnet. Einerseits werden dort Gerüchte von der polnischen Volksgruppe und dem katholischen Klerus verbreitet, andererseits findet auch die kommunistische Propaganda bei einem Teil der dort ansässigen russischen Bevölkerung Anklang. In der zweitgrößten Stadt Lettlands – Libau –, die seit jeher den Ruf hatte, daß sie eine besonders radikale Bevölkerung beherberge, wurden am 30. Nov. in den am Strande gelegenen Parkanlagen Streuzettel gefunden. Diese Zettel tragen auf beiden Seiten mit Gummidruck hergestellte Aufschriften in lettischer Sprache und zwar „Nieder mit der deutschen Macht“ und „Fort mit den Fahnen der Hungerleider“. Auch in Libau konnte eine verstärkte Tätigkeit ehemaliger Ulmanis-Anhänger festgestellt werden. So werden Gespräche laut, in denen man die Auffassung vertritt, daß England in Kürze mit „rotweissroten Bomben“ (rotweissrot: lettische Landesfarbe) auf Deutschland schießen werde. Weiter ist eine Äusserung in diesen Kreisen bekannt, wonach es im Januar hier keinen Deutschen mehr geben wird. Das Nationalgefühl unter den Letten wächst. Man will kein Bestandteil des Ostlandes sein und wünscht wieder einen eigenen selbständigen Staat. Diese Haltung wird durch das umlaufende Gerücht gestützt, daß der deutsche Rückzug in Russland begonnen habe. Die Stadt Rostow sei von den Russen zurückerobert worden, und ebenso hätten die Deutschen vor Petersburg große Verluste erlitten. Auch in Riga konnte festgestellt werden, daß die Räumung Rostows von gegnerischen Kreisen in der Mundpropaganda ausgenutzt wird. In lettischen Arbeiterkreisen sind wieder kommunistische Tendenzen zu erkennen, die durch die neue Lohnverordnung, die entgegen den gehegten Hoffnungen keine Erleichterung der Lage der Arbeiter mit sich brachte, hervorgerufen werden. Sicherheitspolizeiliche Maßnahmen sind in allen Fällen eingeleitet. Politische Gegner: In der Gemeinde Rauda wohnen sehr viele Polen. Die Umgangssprache in dieser Gegend ist polnisch. Die lettische Sprache steht an dritter Stelle. Im übrigen werden die Letten als Abschaum der Menschheit bezeichnet, und man ist stolz darauf, daß man Pole ist. Eine illegale polnische Organisation soll bis vor kurzer Zeit dort noch tätig gewesen sein. Die Polen gehen so weit, ihre Teilnahme an kirchlichen Veranstaltungen zu verweigern, da der dortige Pfarrer den Gottesdienst in lettischer und nicht in polnischer Sprache abhält. Kulturelle Gebiete: Theaterwesen: Nach einer endgültigen Vereinbarung zwischen Wehrmachtsbefehlshaber Ostland und dem Reichskommissariat wird das Lettische Volkstheater in dem Gebäude des ehemaligen Russischen Theaters Riga untergebracht. Mit Genehmigung der deutschen Behörden wird das ehemalige Nationaltheater in Riga jetzt den Namen Lettisches Nationaltheater führen und beginnt seine Spielzeit Ende der nächsten Woche in den Räumen des Rigaer Lettischen Vereins mit dem Lustspiel von Rudolf Blaumann „Aus der süssen Flasche“. Die Freigabe des Lettischen Vereinshauses für die Auf-

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führungen des Nationaltheaters hat sich stimmungsmäßig in den breitesten Kreisen des Rigaer Lettentums sehr günstig ausgewirkt. Die lettischen Künstler entfalten in letzter Zeit eine rege Kulturpropaganda, auch in der Provinz. So wurden vom Dünaburger Theater am 20. und 21.11. zwei Konzerte unter Mitwirkung der Rigaer Opernsängerin Brechmann-Stengel veranstaltet, welche einen begeisterten Beifall fanden. Die Einnahmen beider Veranstaltungen werden dem deutschen Winterhilfswerk und der lettischen Selbsthilfe überwiesen. Die national-lettischen Kreise besuchten am 30. 11. ein Chorkonzert des Männerchors „Dziedonis“, das neben Chorwerken von Grieg fast ausschließlich lettische Nationallieder brachte. Das Publikum, welches sich zumeist aus Beamten und Studenten zusammensetzte, spendete den Darbietungen, aber insbesondere dem Vortrag der patriotischen lettischen Lieder reichlichen Beifall. Es ist festgestellt worden, daß die lettischen Kreise es als ihre Pflicht empfinden, diese Konzerte, welche in der Universitätsaula stattfinden, unter allen Umständen zu besuchen, um den deutschen Dienststellen zu beweisen, daß die Universität in Riga das Kulturzentrum Lettlands ist. Kirchen: Für die Beurteilung der drei großen Konfessionen in Lettland ist deren Haltung gegenüber einer Verordnung des lettischen geistlichen Departements des Generals Dankers kennzeichnend. Der dortige Sachbearbeiter Pfarrer Birgels hatte ein Gebet verfügt, in dem auch für die großdeutsche Armee und den Führer Adolf Hitler gebetet wird. Die evangelisch-lutherische Kirche und die Sekten haben das auch in ihren Gottesdiensten durchgeführt, die römisch-katholische Kirche erbat sich (durch Bischof Ranzan) Bedenkzeit, und der Metropolit Sergius, das Haupt der orthodoxen Kirche Lettlands, reagierte vorläufig noch nicht darauf. Die evangelisch-lutherische Kirche versucht bei den deutschen Stellen eine Sonderbehandlung zu erwirken, was sich besonders in einer staatlichen Unterstützung geldlicher Art zeigen soll. Das wird damit begründet, daß die Kirche Luthers nach Westen ausgerichtet und mit der europäischen Kultur verbunden sei und im Kampf gegen die religiösen Zentren Roms und Moskaus, deren Arbeit in Lettland im polnischen und russischen Gebiet erfolgt, eingesetzt werden könne. In ihrer Geschichte und in der Ausbildung ihrer Pfarrer sei die lettische evangelische Kirche stets mit dem deutschen Geistesleben verbunden gewesen. Ob es zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit kommen kann, erscheint aber doch sehr fraglich, da von einer nationalsozialistischen Einstellung der lettischen evangelischen Pfarrer nicht die Rede sein kann. Erst kürzlich war der Rigaer Pastor und alttestamentliche Dozent, der sein Deutschtum stets verleugnet hat und heute die Dreistigkeit besitzt, sich als Deutscher auszugeben, Felix Treu, vom Erzbischof Grünberg beauftragt worden, die Bücher für den Religionsunterricht in den Schulen durchzusehen, wobei seinerseits besonderer Nachdruck auf die alttestamentlichen biblischen Geschichten gelegt wurde. In Riga ist z. Zt. ein anderer evangelischer Pfarrer, dessen feindliche Einstellung bekannt ist und sich keineswegs geändert haben wird, Albert Frei, Dozent an der lettischen Universität. In seinem 1936 erschienenen Buch „Parsveto und labo“ bezeichnet dieser Gegner des Nationalsozialismus Alfred Rosenbergs Mythos als Gottlosigkeit und als „Narzismus“. Albert Frei genügt heute seine eigene Kirche nicht mehr; er hat es jetzt verstanden, sich in den Besitz auch der verlassenen anglikanischen Kirche zu setzen. Die evangelische Kirche Lettlands kommt mit ihren Geldern nicht aus. Es wird darauf hingewiesen, daß z. B. der Erzbischof Grünberg ein Gehalt einer Stenotypistin erhält (RM 130,–). Die evangelische Kirche beabsichtigt, die staatlichen Stellen um einen monatlichen Zuschuss von etwa RM 7000 und um eine einmalige Unterstützung von RM 100000 bis 150 000 für den Bau der zerstörten Kirchen (ausser der Rigaer Petrikirche) zu bitten. Das Generalkommissariat Lettland hat durch

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Vermittlung des lettischen geistlichen Departements der katholischen Kirche sagen lassen, daß das Konkordat zwischen dem heiligen Stuhl und Lettland hinfällig sei, da der eine Partner (der ehemalige Freistaat Lettland) nicht mehr existiere. Bischof Ranzan, dem dieses mitgeteilt wurde, antwortete, daß dieses nur den päpstlichen Nuntius in Berlin angehe, der dieserhalb mit der deutschen Regierung verhandeln werde. Befragt, wie er die Beziehungen zwischen der Kirche und dem Staat gestalten wolle, antwortete Ranzan: Das Corpus juris canonici ist unsere einzige Grundlage. Bezüglich des Gebetes für die deutsche Armee und den Führer erbat sich Bischof Ranzan Bedenkzeit, da er die Einzelheiten erst mit der Kurie Lettlands und ihren Gliedern verhandeln möchte. Wirtschaft: Da durch den Winter in der Transportlage eine weitere Verschärfung eingetreten ist, ist die Versorgungslage der größeren Städte wieder eine schlechtere geworden. Das Fehlen von Holz und Kohle für die Beheizung wirkt sich in den Städten sehr negativ aus. Die Arbeiter klagen darüber, daß sie, die schon tagsüber in den Fabriken arbeiten, ihre Freizeit in noch kälteren Wohnungen verbringen müssen. Da im allgemeinen die Ansicht besteht, daß vor den Toren Rigas Holz und Lebensmittel in genügendem Maße vorhanden sind, nimmt man die Schwierigkeiten nur sehr ungern hin. Dagegen hat in Arbeiterkreisen die Gewährung von Schwerarbeiterzulagen für Lebensmittel eine günstige Auswirkung gehabt. Die Erscheinung, daß die meisten Geschäfte schon seit Juli „Inventuraufnahme“ machen, wird mit der Zeit nicht mehr verstanden. Sowohl in Riga als auch in der Provinz ist es z. B. unmöglich, Geschäftsbücher und Schreibbedarf zu kaufen. In vielen Behörden und Betrieben fehlt sogar Tinte. Man bringt diese „Inventuraufnahmen“ in Zusammenhang mit der angekündigten Privatisierung und ist der Ansicht, daß die kommissarischen Leiter, die zu einem großen Teil die Betriebe zu erwerben hoffen, die Waren bis zu diesem Zeitpunkt zurückhalten. Daher sind sowohl die Verbraucherkreise als auch die Kreise, die ihre alten Betriebe zurückzuerhalten wünschen, beunruhigt, weil entgegen der Ankündigung bisher noch keine konkreten Schritte über die Privatisierung in der Öffentlichkeit bekanntgeworden sind. Stand der sicherheitspolizeilichen Arbeit: Festnahmen: Es wurden festgenommen: 41 kommunistische Funktionäre oder Angehörige kommunistischer Organisationen, 11 entflohene Kriegsgefangene, 1 Person wegen Beleidigung des Deutschen Reiches, 1 Person wegen Verschiebung jüdischen Vermögens, 1 Person aufgrund der Ausschreibung im geheimen Fahndungsbuch, 2 Personen zwecks Feststellung der Personalien. 1 Politruk und 3 russische Kriegsgefangene wurden vom Stalag wegen Aufwiegelung im Lager überstellt. 13 Ausländer (Russen und Polen), die nach dem 17. 6. 40 in Lettland eingereist sind, wurden interniert. Im Zuge der Aktion gegen die illegale kommunistische Organisation in Riga hat sich die Zahl der festgenommenen Personen auf 115 erhöht. Bei einem der Festgenommenen wurde eine Stielhandgranate vorgefunden und sichergestellt. Besondere Vorkommnisse waren bei der Ermittlungstätigkeit nicht zu verzeichnen. Die Aktion ist noch nicht abgeschlossen. Am 1. 12. 41 wurde 40 km von Modohn ein notgelandeter russischer Flieger festgenommen, der den Auftrag hatte, ein günstiges Gelände für die Landung von Fallschirmspringern (Partisanen) auszusuchen. Ein weiterer Partisan wurde von der Sicherheitshilfspolizei Dünaburg festgenommen. Erschiessungen: In der Berichtszeit wurden standrechtlich erschossen: In Libau 20 Kommunisten, 1 Jude, in Modohn 28 Kommunisten, in Jakobstadt 1 Kommunist, insgesamt 50 Personen. Das vorläufige Gesamtergebnis im Bereich des Einsatzkommandos 2 beträgt hiernach 33 970. Am 30. 11. 41 wurden in Riga 10 600 Juden erschossen. Die Aktion

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stand unter der Leitung des Höheren SS- und Polizeiführers. An der Durchführung war das Einsatzkommando 2 mit 1/20 beteiligt. 6 Libau: In der Zeit vom 28. 11. bis 4. 12. 41 sind im hiesigen Bezirk 18 aktiv gewesene Angehörige kommunistischer Organisationen festgenommen worden. Z. Zt. befinden sich in den Libauer Gefangenenanstalten 469 politische Häftlinge, davon im KZ 219. Wegen politischer Agitation an der Arbeitsstelle wurden 3 aus der Kriegsgefangenschaft entlassene Ukrainer festgenommen. Die Ukrainer arbeiten in geschlossener Arbeitskolonne. Die Festgenommenen haben kommunistische Lieder gesungen und aufrührerische Reden geführt. Im Kreise Libau ist erneut das Flugblatt „Latvija“ aufgetaucht. Das Flugblatt ist von Riga mit der Post an die Molkereigenossenschaft in Ezere gesandt worden. In Kreisen der Bevölkerung kursiert das Gerücht, daß die Amerikaner in Zusammenarbeit mit den Schweden sich darauf vorbereiten, Truppen an der kurländischen Küste zu landen, und zwar sollte dies noch vor Weihnachten geschehen. Das Gerücht rührt offenbar von jüdischer Seite her. Eine vermutliche Folge dieses Gerüchtes ist, daß nach einzelnen Meldungen Arbeiter die Arbeit verweigern mit der Begründung, es habe keinen Sinn, Geld zu verdienen, das vielleicht in Kürze wertlos sein werde. Lagebericht über Estland: I. Beherrschende Grundsätze über Stimmung und Lage auf den Lebensgebieten: Auf die Einsetzung der Zivilverwaltung reagiert die Bevölkerung Estlands sehr langsam. Abgesehen davon, daß das Bewußtwerden dieser Tatsache im ganzen infolge der mangelhaften Verbindungen und Informationsmöglichkeiten geraume Zeit in Anspruch genommen hat, liegt es in der bedächtigen Art des Esten, bei Entscheidungen von großer Tragweite erst ihre praktischen Auswirkungen abzuwarten, um sich dann erst ein endgültiges Urteil über die durch sie angebahnte Entwicklung zu bilden. Die bereits vom Generalkommissar erlassenen Verordnungen werden von der Bevölkerung in diesem Sinne aufmerksam verfolgt, und so zeigt sich bei der hier und da bereits feststellbaren Reaktion, daß man psychologisch nicht auf das notwendigerweise langsame Tempo der Umstellung und Reorganisierung eingestellt ist, sondern fast mit einem Schlage Erfüllung aller Hoffnungen, namentlich auf wirtschaftlichem Gebiet, erwartet hat. Dies beweist erneut die Notwendigkeit einer starken Propaganda und nüchternen Aufklärungsarbeit über die durch den Krieg bedingten Gegebenheiten und Möglichkeiten. In politischer Hinsicht fassen große Teile der Bevölkerung die Einsetzung der Zivilverwaltung als äußeres Zeichen einer endgültigen Entscheidung über die politische Zukunft Estlands auf. Es werden immer noch Gerüchte verschiedenster Art laut, die eine andere Entwicklung vorspiegeln, so z. B. die bekannten Großfinnland-Tendenzen, ferner neuere Gerüchte darüber, daß die deutsche Besetzung nur bis Kriegsende vorgesehen sei. Grundsätzlich ist aber der größte Teil der Bevölkerung davon überzeugt, daß die zukünftige Verwaltung des Landes dauernd in deutschem Sinne erfolgen wird. In den Grenzgebieten Estlands und vor allem im altrussischen Gebiet nehmen in letzter Zeit bolschewistische Tendenzgerüchte zu. Diese beziehen sich auf die Rückverlegung deutscher Streitkräfte (namentlich bei Rostow) und werden mit Vorstellungen verknüpft, die sich um den wiedererhofften Einmarsch der Roten Armee drehen. Die estnische Bevölkerung zeigt sich solchen Gerüchten gegenüber immun. 1. Gemeinschaftsleben: a) Im allgemeinen ist die estnische Bevölkerung sich über die Kompetenzen der einzelnen deutschen Stellen noch nicht im klaren. Auch über die Einordnung der estnischen Selbstverwaltung ist die Bevölkerung nicht genügend aufgeklärt. Es überwiegt die grundsätzliche Auffassung, daß sie nur ein ausführendes Organ des Generalkommissars ist. b) Verwaltung, deutsche Stellen: Unter den Verordnungen der letz-

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ten Tage ist die über den durch die Sowjets enteigneten ländlichen Besitz besonders beachtet worden. Da die Hoffnungen der Altbauern auf eine sofortige Rückgabe ihres früheren Besitzes abgestimmt sind, sieht man in der nun erfolgten Verfügung des Generalkommissars über die Aufhebung bolschewistischer Maßnahmen auf dem Gebiet der Landwirtschaft eine Hinausschiebung der endgültigen Lösung. Auch befürchtet man, daß die praktische Entscheidung bei der Beurteilung der Bewährung von auf ihrem Besitz evtl. zu belassender Jungbauern örtlichen estnischen Stellen übertragen werden könnte, obwohl die Verordnung sie ausdrücklich dem Gebietskommissar vorbehält. Hier zeigt sich einerseits eine starke Skepsis des Esten den volkseigenen Stellen gegenüber, andererseits die noch herrschende Unklarheit über die Einflussmöglichkeiten übergeordneter deutscher Stellen. Grundsätzlich ist die Einstellung zu den deutschen Stellen positiv. In gewissen Grenzen macht sich eine Mißstimmung über Angehörige ziviler und rückwärtiger Heeresdienststellen bemerkbar, die ohne Rücksicht auf die geringen und rationierten Bestände ihre günstigeren Einkaufsmöglichkeiten weitgehend auszunützen versuchen. Die positive Einstellung der breiten Massen zum deutschen Frontsoldaten ist gekennzeichnet durch die Ergebnisse einer Aktion, welche der Einsammlung von Pelz- und sonstigen Wintersachen für die Truppe diente. Nach vorläufigen Angaben sind bisher 12 539 Schafspelze, 37572 Paar Wollhandschuhe, 27 000 Lammfelle, 12 990 Paar wollene Socken usw., zum großen Teil ohne Annahme des festgesetzten Entgeltes, abgeliefert worden. 2. Volkspolitik: a) Volkstum: Bei einer Volkszählung zum 1. 12. 41 wurde festgestellt, daß die Bevölkerung Estlands sich gegenüber dem 1. 9. 40 um 9,5 % vermindert hat. Auf dem Lande wohnen 30,9 %, in der Stadt 69,1 % der Bevölkerung. Der Frauenüberschuss beträgt 130 auf 100 Männer. b) Völkische Minderheiten: Wegen der sowjetfreundlichen Haltung der Russen in den Grenzgebieten ereignen sich dort immer wieder Zwischenfälle zwischen Esten und Russen. In Narwa und Petsakur hat sich der Stimmungsaufschwung der russischen Bevölkerung im Zusammenhang mit den letzten militärischen Ereignissen (propagandistische Aufbauschung der Räumung von Rostow und Tichwin und des Kriegseintritts der USA durch die Sowjets) gehoben. In den rein russischen Gebieten wie Pleskau zeigen sich bei der jüngeren Generation ebenfalls Hoffnungen auf eine Wiederkehr der Roten Armee, während die ältere Generation sich offensichtlich mit dem derzeitigen Zustande abgefunden hat. Bombenangriffe auf Pleskau und Abwürfe von Flugblättern verstärken die Hoffnungen des dortigen deutschfeindlichen Elements. 3. Kulturelles Leben: a) Wissenschaft: An der Universität ist die Zahl der Teilnehmer an den Abschlußprüfungen auf 233 Absolventen, 12 Magistranden und 9 Doktoranden gestiegen, Von akademischen Kreisen sind neuerdings populär-wissenschaftliche Vorträge für Wehrmachtsangehörige eingerichtet worden, in denen allgemein interessierende Themen über Estland behandelt werden. Versuche der studentischen Verbindungen, sich auf Altherrenkommersen usw. zu organisieren, sind durch ein Verbot des Rektors vorläufig unterbunden worden. b) Erziehung: Der Schulbesuch, namentlich in den Volksschulen auf dem Lande, wird erschwert durch den Mangel an warmer Kleidung und tauglichem Schuhwerk, ebenso durch den mancherorts mehrere Kilometer betragenden langen Schulweg. In Dorpat sind durch die Kriegshandlungen zahlreiche Schulgebäude zerstört worden, so daß bis zu 3 Schulen in einem Gebäude zusammengefaßt werden mußten. Die Beanspruchung der Gebäude erfolgt in solchen Fällen von 8 Uhr morgens bis 8 Uhr abends. Im Interesse einer Disziplinierung der halbwüchsigen Jugend wird die Wiedereröffnung der Gymnasien und sonstigen höheren Schulen dringlich. Im rein-russischen Gebiet sind nur vereinzelte Schulen wiedereröffnet worden, wobei hauptsächlich Frauen

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und Mädchen als Lehrkräfte eingestellt sind. Hierbei macht sich die völlige Unkenntnis der Lehrkräfte in Bezug auf Deutschland sowie die Benutzung sowjetischer Lehrbücher negativ bemerkbar. c) Kunst: Zwei Revaler Theater („Estnisches Dramatheater“ und die Oper der „Estonia“) haben in ihr Programm deutschsprachige Vorstellungen aufgenommen. Das Arbeitertheater zeigt durch Veranstaltungen sog. „Finnisch-Ungarischer Abende“ und durch die Aufführung eines an sich unpolitischen finnischen Schauspiels gewisse „Stammverwandtschafts“-Tendenzen, die aber bei seinem ohnehin nicht ausschlaggebenden Publikum nur laue Beteiligung finden. Ausser den Revaler Theatern hat das Unterrichtsdirektorium die Provinztheater in Werro und Wesenberg mit finanziellen Zuwendungen versehen. Auch die übrigen Theater („Wanemuine“-Dorpat, Estnisches Theater in Narwa, „Endla“-Pernau und „Ugala“-Fellin) brauchen Subsidien aus öffentlichen Mitteln. Im Kunstgebäude zu Reval wurde am 14. 12. eine Kunstausstellung eröffnet, an welcher sich 56 estnische Künstler beteiligten. Die Abweichung der estnischen Kunstauffassung von der deutschen bringt es mit sich, daß deutsche Besucher wenig Einkäufe vornehmen. Eine Neuausrichtung des estnischen Kunstschaffens hat eine Vertiefung des Kontakts mit der deutschen Kunst (Studienreisen, Künstlerbesuche usw.) zur Vorbedingung. d) Presse: Im ganzen erscheinen in Estland z. Zt. 15 Zeitungen. Die letzte Führerrede wurde in der estnischen Presse mit starken Kürzungen gebracht. Dies zeigt erneut die Notwendigkeit einer Umschulung des journalistischen Personals, das noch nicht gelernt hat, so bedeutende Ereignisse dem estnischen Publikum nahezubringen. Dagegen ist das Interesse der Bevölkerung selbst am allgemeinen politischen Geschehen durchaus rege. Im Zusammenhang mit dem Kriegseintritt der USA ist ein vergrösserter Absatz verschiedener Zeitungen festzustellen. Dieser wird jedoch begrenzt durch den allgemeinen Papiermangel. e) Propaganda: Im allgemeinen ist die letzte Führerrede von der Bevölkerung wenig gehört worden. Dies ist darauf zurückzuführen, daß auf dem Lande Rundfunkgeräte und elektrischer Strom fehlen und daß die an liberale Lebensformen gewöhnte Bevölkerung sich noch nicht genügend über die richtungweisende Bedeutung der Führerreden klar ist. Über den Ausbruch des Krieges im Stillen Ozean ist noch keine einheitliche Stellungnahme zu verzeichnen. Das Vertrauen auf den Endsieg ist jedoch nicht geschwächt. Tendenzmeldungen der finnischen Funkpropaganda aus den letzten Tagen: 1. 12. 41: Wortlaut der Funkrede des finnischen Premierministers, in der er die kurze Selbständigkeit Estlands und die finnische Mithilfe im estnischen Freiheitskampf 1918/19 erwähnt. Ferner erklärte der Minister u. a., daß das Schicksal der stammverwandten Esten Finnland nie gleichgültig sein werde. Nach einer längeren Pause, in der Estland nicht berührt wurde, wurde am 15. 12. anläßlich des 80. Geburtstages des ehemaligen Staatspräsidenten Svinhufvud in der Darstellung seines Lebens seine estlandfreundliche Politik hervorgehoben. Anschließend daran wurde ein aus Estland stammender Brief durchgegeben, der die herzlichen Gefühle der Esten und Finnen zueinander unter dem Motto „Blut ist dicker als Wasser“ betonte. An 16. 12. wurde ein Aufsatz der „Helsinkin Sanomat“ zitiert, der die Rückgabe der nationalisierten Ländereien in Estland behandelt. Im gleichen Aufsatz wird behauptet, die estnische Universität Dorpat würde durch eine deutsche ersetzt werden, obgleich aus der estnischen Intelligenz noch zur Genüge Kräfte vorhanden seien. Ein anderer Zweig der finnischen Funkpropaganda (regelmäßige antisowjetische Sendungen in russischer Sprache) erregt bei der russischen Bevölkerung des Pleskauer Gebietes infolge angeblich sachlich unrichtiger Darstellung der Zustände unter dem Sowjetregime viel Kritik. Bezeichnenderweise wird der Wunsch geäußert, diese Propaganda möge von eigenen Sendern im russischen Gebiet unter deutscher Aufsicht durch-

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geführt werden. f) Funk, Film: Die Umstellung des Revaler Senders auf eine andere Welle hat seine Abhörmöglichkeiten im Lande verbessert. Es besteht aber immer noch Mangel an geeigneten Empfangsgeräten. Von den 17 Lichtspielhäusern Revals sind z. Zt. bereits 7 in Betrieb genommen. Nach Behebung des Strommangels der Stadt wird auch der Rest für Vorstellungen freigegeben werden. Großen Anklang haben 2 von der Propagandastaffel in Reval veranstaltete Jugendvorstellungen gefunden. g) Kirchen: Das Kirchenleben verläuft normal. Die kürzlich erlassene Verordnung über Feiertage im Jahre 1942, in welcher die gewohnten kirchlichen Feiertage beibehalten worden sind, verstärkt in der Bevölkerung das Gefühl, daß die deutschen Stellen keine Eingriffe in das kirchliche Leben planen. In Narwa und Reval ist der Wunsch nach Wiedereinführung regelmäßiger Rundfunkgottesdienste laut geworden. In Pleskau wurde nach mehr als 20 Jahren wieder der erste evangelische Gottesdienst in estnischer Sprache abgehalten, an dem etwa 250 örtliche Esten und Angehörige dort stationierter estnischer Freiwilligenabteilungen teilnahmen. Man plant die Gründung einer estnischen evangelischen Kirchengemeinde. Allgemein ist im russischen Gebiet eine verstärkte Hinneigung zur orthodoxen Kirche, vorwiegend unter der älteren Generation, festzustellen. II. Gegner: Bolschewisten: a) Partisanen: In Estland ist das Partisanenwesen als liquidiert zu betrachten. Vereinzelt (hauptsächlich bei Narwa) kommen Fälle vor, in welchen entlaufene Kriegsgefangene Einbrüche und sonstige Delikte verüben. In der Gemeinde Tölliste (Krs. Walk) wurde ein Bauernpaar von entflohenen Kriegsgefangenen ermordet, als sie beim Fortschaffen von Lebensmitteln und Kleidung überrascht wurden. b) Funktionäre: Die kommunistische Wühlarbeit im estländischen Gebiet beschränkt sich vorwiegend auf die Verbreitung von tendenziösen Gerüchten. Die Räumung von Rostow hat eine intensive Propagandawelle entfesselt, die eine stärkere Resonanz in den russisch besiedelten Gebieten gefunden hat. In Pleskau wird kolportiert, an der Nordfront seien englische Hilfstruppen eingetroffen. Die Deutschen hätten schwere Verluste vor Leningrad und müssten sich zurückziehen. Auf der Bahnstrecke Pleskau–Krasnogwardeisk verkehrten nur noch Verwundetentransporte. Die Deutschen gäben keine Siegesmeldungen mehr durch, was auf eine steigende Aktivität der Sowjets zurückzuführen sei. Über Pleskau seien beim letzten Bombardement 8 englische Bomber erschienen. Die Partisanen würden in nächster Zeit eine gesteigerte Tätigkeit entfalten, da sie nunmehr von Flugzeugen aus mit Lebensmitteln und Ausrüstung versorgt worden seien. In Narwa wird von einer bevorstehenden englischen Luftoffensive auf Estland über Finnland gesprochen. Vereinzelt tauchen auch im übrigen Estland Gerüchte über Schwierigkeiten an der Ostfront auf. In Dorpat spricht man von einem Rückzug bei Rostow, in Fellin davon, dass die für die Winterquartiere in Estland vorgesehenen Truppen nicht von der Front zurückgezogen werden könnten. Verbreitet ist ein Gerücht über eine angeblich bevorstehende Mobilisierung der estnischen Männer, da im Stellungskrieg vor Leningrad Esten eingesetzt werden sollten. In Werro geht ein Gerücht um, russischsprechende Esten würden in die Ostgebiete versetzt werden, während ihre Plätze von zurückkehrenden Baltendeutschen eingenommen werden sollten. In Fellin wird kolportiert, daß eine Besiedlung Estlands mit deutschen Bauern bevorsteht. Allgemeines: 1.) Im Gebiet Semgallen, das auf Anregung des dortigen Gebietskommissars schon bis zum ersten Abgabetermin zur Sammlung von Woll- und Pelzsachen recht gebefreudig gespendet hatte, sind von der nicht ganz 300 000 Menschen betragenden Einwohnerschaft jetzt weitere 6000 Pelze, 11000 gegerbte, 5000 ungegerbte Felle und 26 000 Paar Socken gespendet worden. Die Spenden sind fast sämtlich ohne jegliche Vergütung abge-

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geben worden. 2.) Im Gebiet des Land- und Stadtkreises Kauen ist das Fleckfieber erheblich zurückgegangen, sodass bereits einige öffentliche Veranstaltungen wieder zugelassen werden konnten. 3.) Im Hinblick auf den bevorstehenden Besuch des Reichsministers Rosenberg verbreiten deutschfeindliche Kreise in Lettland das Gerücht, dass Rosenberg gelegentlich seines Besuches eine lettische Nationalregierung errichten werde. Der frühere lettische Staatspräsident Kviesi werde wieder Staatspräsident werden. Oberstleutnant Weiss, Leiter der lettischen Schutzmannschaften, werde das Amt des Kriegsministers und der derzeitige Leiter des lett. Generaldirektoriums für Justiz, Valdmanis, werde das eines Justizministers bekleiden. Im übrigen werde nach Ernennung der lettischen Nationalregierung die allgemeine Mobilisierung angeordnet werden. 4.) Estnische Arbeiter erzählen, dass für das Reich angeworbene Arbeiter dort sehr schlecht, beinahe wie Kriegsgefangene behandelt würden. Die versprochenen Gehälter würden nicht bezahlt, die Verpflegung sei schwach, und Möglichkeiten zur Rückkehr werden ihnen nicht gegeben. 5.) Am 8. 1. ds.Js. erschien erstmals die neue deutsche Zeitung Estlands, die „Revaler Zeitung“. Estn. Journalistenkreise nehmen in Erinnerung an die frühere „Revaler Zeitung“ Anstoß am Titel der neuen Zeitung. Im Zusammenhang damit, dass die frühere „Revaler Zeitung“ als Organ des Estland-Deutschtums sich für die deutschen Interessen im Lande einsetzte, wird die neue „Revaler Zeitung“ als estenfeindliches Blatt bezeichnet. In den Bevölkerungskreisen ist das Erscheinen der „Revaler Zeitung“ verschieden aufgenommen worden. Teils begrüsst man es, nunmehr ausführliche Informationen aus dem Reich zu bekommen. Teils sieht man in dem Erscheinen dieser deutschen Zeitung ein Zurückdrängen der bestehenden estn. Zeitung. 6.) Aus der Zeitung „Soumen Kuvalehti“ gab der Finnlandsender in seiner Sendung vom 8. 1. in estn. Sprache einen von Dr. Helanen verfassten, unter dem Titel „Fröhliches, zähes Estland“ erschienenen Artikel bekannt. In diesem Artikel wird ausgeführt, dass die finnisch-estnischen Beziehungen auf breiter Grundlage erst im Herbst 1918 aufgenommen wurden, aber bereits im Herbst 1939 wieder auseinandergegangen seien. Es hätten sich aber nur die Wege der Staaten, nicht die der beiden Völker getrennt, wie dies schon der Winterkrieg beweise. Das Jahr 1941 sei für die Völker finnischen Stammes günstig gewesen. Nach der Befreiung Kareliens interessiere man sich in Finnland in immer stärkerem Maße für das nunmehr gleichfalls vom Bolschewismus befreite Estland. Finnland werde bei der Entscheidung des estnischen Schicksals ein Wort mitzureden haben, denn auch finnisches Blut sei für Estland vergossen worden. Estland werde auch keinen Schwierigkeiten, gleich welcher Art, erliegen, denn man erinnere sich des fröhlichen zähen Landes. 7.) Seit der Einsetzung der Zivilverwaltung am 5. 12. 41 hat der Generalkommissar eine Reihe von Verordnungen erlassen, von denen erwähnt wird: Die Anordnung über Aufhebung bolschewistischer Maßnahmen auf dem Gebiet der Landbewirtschaftung. Es handelt sich um eine Anordnung, die im Auftrage des Generalkommissars für die Generalbezirke Lettland und Litauen am 9. 12. 41 für das Gebiet des ehemaligen Freistaates Estland in Kraft gesetzt worden ist. Der wesentliche Inhalt ist folgender: Die Bewirtschaftung der durch den Bolschewismus von bäuerlichen Betrieben abgetrennten Landflächen wird mit sofortiger Wirkung von den früheren Besitzern wieder übernommen. In Ausnahmefällen können von Bolschewisten eingesetzte Neusiedler, die eigene, von anderen abgeschlossene Wirtschaftsgehöfte besitzen, von dem Gebietskommissar als Bewirtschafter belassen werden, sofern die Bewirtschaftung durch ausreichendes totes und lebendiges Inventar, das ordnungsgemäß erworben ist, als gesichert angesehen werden kann. Kommunistische Neusiedler werden nicht zugelassen.

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Von der Einsatzgruppe B liegen keine Meldungen vor. Einsatzgruppe C: Standort Kiew. Allgemeines über Charkow7: Hinsichtlich der NKWD-Arbeit bietet sich in Charkow wie überall das gleiche Bild eines rücksichtslosen Terrors und einer gut durchgearbeiteten Bespitzelung aller Schichten der Bevölkerung und aller Zweige des gewerblichen und industriellen Lebens. Eine der Hauptaufgaben des NKWD lag vor dem Fall Charkows in der Führung der Vernichtung aller Betriebseinrichtungen, soweit sie nicht in die Evakuierung einbezogen werden konnten. Eine totale Vernichtung der Betriebe ist jedoch dem NKWD nicht gelungen, da in einigen Fällen Teile der Betriebsbelegschaften die Maschinen abmontierten und heimlich sicherstellten. Im Rahmen der allgemeinen Evakuierung bildete die Auswahl und Evakuierung von Facharbeitern eine weitere Aufgabe des NKWD. Im Zusammenhang damit und im Zusammenhang mit dem bei dem Näherrücken der Front immer größer werdenden Abgang nach dem Osten ist die Zahl der Bevölkerung auf schätzungsweise 300–350000 Einwohner zurückgegangen. Das Dienstgebäude des NKWD wurde vor dem Einzug der deutschen Truppen gesprengt und ist in seinen wichtigsten Teilen abgebrannt. Dabei sollen auf Grund von Gerüchten ungefähr 300 Gefangene im NKWD-Gefängnis zu Grunde gegangen sein. NKWD-Material konnte infolge dieser Vorgänge nicht mehr sichergestellt werden. Weiterhin oblag dem NKWD noch die Aufstellung von Partisanengruppen, die unter der Leitung von Parteisekretären und NKWD-Funktionären stehen. Diesen Partisanenführern sind auf Grund eines Befehls des NKWD-Gebietsleiters vom 17. 10. 1941 falsche Papiere ausgehändigt und Bescheinigungen ausgestellt worden, auf Grund deren sie in der Lage waren, sich als entlassene Strafgefangene oder als zurückgekehrte Verbannte auszuweisen. Seit Kriegsbeginn hatte in Charkow wie in anderen Städten eine rege Kriegspropaganda eingesetzt. In Form von Flugschriften, Plakaten, Wandzeitungen, Transparenten und Wandbemalungen aller Art wandte sie sich neben Aufrufen an die Gesamtbevölkerung an bestimmte Berufs- und Bevölkerungsschichten mit der Aufforderung, mit der Waffe in der Hand gegen die deutsche Wehrmacht zu kämpfen. Zu diesem Zwecke wurden auch in den Strassen Charkows Barrikaden, Tankfallen, Maschinengewehrnetze8 und sonstige Hindernisse aufgebaut. Hier ist die stellenweise aufflackernde antibolschewistische und antijüdische Propaganda erwähnenswert, die sich allerdings z. T. auch schon vor Ausbruch des deutsch-russischen Krieges entwickelt hatte. Obwohl von einer gegen die Russen organisierten Widerstandsbewegung nicht gesprochen werden konnte, hat doch die geheime Tätigkeit dieser Gegenrevolutionäre dem NKWD recht viel zu schaffen gemacht. Das Volkskommissariat für die Staatssicherheit sah sich daher bereits im Juli 1941 veranlaßt, in der Dienstanweisung Nr. 42, die als streng geheim bezeichnet war, alle Weisungen für die Bekämpfung der Widerstandsströmungen zusammenzufassen. In der Einleitung zu dieser Dienstanweisung wird betont, daß die bisherige Bekämpfung der Widerstandsbewegung nur sehr schwach und wenig erfolgreich gewesen wäre und daß z. B. im Laufe von 4 Tagen 71 Fälle von Verbreitung gegenrevolutionärer Flugblätter festgestellt worden wären, bei denen es nur viermal gelungen wäre, den Täter zu ermitteln. Es fiel auf, daß der Verfasser dieser Flugblätter sich in der Abfassung des Textes eng an den Inhalt der von deutschen Flugzeugen über Charkow abgeworfenen Flugschriften gehalten hatte. Leider war es den Sowjets vor ihrem Abzug gelungen, einen großen Teil der lebenswichtigen Betriebe so zu zerstören, daß ihre Inbetriebnahme voraussichtlich erst in einigen Monaten wird erfolgen können. Bis zur Überwindung dieser außerordentlich großen Schwierigkeiten ist die Stadt Charkow ohne Wasser-, Licht- und Gaszufuhr.

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Partisanen im Bereich des SK 4a: Nach V-Mann-Meldungen sollen sich in einzelnen Stadtteilen von Charkow vom NKWD aufgestellte Partisanengruppen gut getarnt verborgen halten. Ihre Erfassung nimmt mit dem Aufbau eines V-Mann-Netzes mehr und mehr zu. Nach vertraulichen Mitteilungen sollen im Raum zwischen Lubny, Poltawa und Charkow eine große Anzahl von Partisanen, die sich in kleineren Trupps sowie in grösseren Gruppen bis zu 300 Mann bewegen, vorhanden sein. Solche Trupps und Gruppen wurden insbesondere in der Gegend der Ortschaften Sumy, Miropolje, Gadjatsch, Senkow, Kusenin, Achtyrka, Grajworon und Walki festgestellt. Ihr Auftreten ist geschickt und rücksichtslos. Ihre Tätigkeit erstreckt sich neben schnellen Überfällen und Anschlägen auf die Truppe und auf Verkehrsmittel auf die Beeinflussung der Bevölkerung durch irreführende Plakatierung und Flüsterpropaganda. So konnte z. B. festgestellt werden, daß die an die Bevölkerung ergangene Verordnung zur Herstellung von Ruhe und Ordnung in dem besetzten Gebiet durch Änderung des ukrainischen und russischen Textes geschickt in einen Aufruf zum Kampfe gegen den Faschismus umgefälscht worden war. In Lubny konnte das Sonderkommando 4a umfangreiches Material der Partisanenorganisation sicherstellen. Daraus ging hervor, daß diese Gruppen bereits vor Feindberührung im Hintergelände bis in alle Einzelheiten durchorganisiert und mit Waffen und mit Lebensmitteln für die Notzeiten versorgt worden waren. Aus genauen Lageplänen, die für diesen Zweck besonders getarnte Unterstände auf verschiedene Ortschaften verteilt aufweisen, war ein planmäßiges Vorgehen ersichtlich. Weiterhin gaben hierfür Bestände gestempelter und unterschriebener Blankoformulare, welche die Partisanen als harmlose Angestellte von Betrieben ausweisen sollten, Zeugnis. Jede Ortschaft und Partisanenabteilung hatte bereits für weite Zeiträume festgesetzte Parolen. Auch waren die Bevölkerung und die Arbeiter, die bei der Errichtung der Lebensmittel- und Waffenlager mitgearbeitet hatten, schriftlich auf Geheimhaltung verpflichtet worden. Auf Grund einer Besprechung mit dem Ic/AO in Poltawa wurde festgestellt, daß die Truppe allein nicht in der Lage ist, mit den vorhandenen Kräften den gestellten Aufgaben zur Bekämpfung der Partisanen gerecht zu werden. Aus diesem Grunde ist das Sonderkommando 4a in vollem Umfange mit in diese Aufgaben eingeschaltet worden. Da gerade die Räume um Charkow und die Stadt Charkow selbst wegen der Eigenart der dort vorherrschenden Verhältnisse besonders gefährdet erscheinen, hat das AOK zur Durchführung der gesamten Militärpolizeiaufgaben in Charkow die Errichtung einer Geheimpolizei unter Führung des Kommandanten der Feldgendarmerie und der GFP befohlen. Als Aufgabe dieser Geheimpolizei wird in dem vom AOK herausgegebenen Befehl die Sorge für die Sicherheit der Truppe und der gesamten deutschen Einrichtungen in der Stadt Charkow, weiterhin die Verhinderung von Geheimbündelei, Partisanentätigkeit, Sabotagen, Überfällen und die Niederhaltung antideutscher Strömungen bezeichnet. Auf die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit mit den Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des SD wird darin besonders hingewiesen. Das Sonderkommando 4a hat auf Grund dieses Armeebefehls die Verbindung zu dem Militärpolizeiführer bereits aufgenommen und die Zusammenarbeit sichergestellt. Mit dem Ziel, die Erfassung aller im Armeegebiet auftauchenden Partisanen zu gewährleisten, hat das AOK durch einen Geheimbefehl vom 15. 11. 1941 eine Zentralmeldestelle für Partisanen in Charkow angeordnet. Diese arbeitet mit Hilfe von Meldeköpfen und bei den Dorfmilizen eingerichteten Meldestellen unter Einbeziehung eines engen V-MannNetzes in großem Maßstab im gesamten Armeegebiet. Ernährungslage in der Stadt Charkow: Die Ernährungslage in Charkow ist als sehr schlecht zu bezeichnen. Mindestens 1/3 der Bevölkerung hungert bereits jetzt schon. Die

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Ursache hierfür liegt in erster Linie in der zwangsweisen Verhinderung der Ernteeinbringung bezw. in der durch die Roten vorgenommenen Inbrandsetzung der bereits eingebrachten Erntebestände. Als weiterer Grund ist die Verschleppung fast sämtlicher Lebensmittelvorräte durch die Sowjets anzuführen. Die zurückgebliebene Bevölkerung hatte später keine Gelegenheit mehr, sich um die Beschaffung von Lebensmitteln zu kümmern, da sie insgesamt rücksichtslos zu Schanz- und Befestigungsarbeiten herangezogen worden war. Da unter den gegebenen Umständen mit Hungersnot und Unruhen unter der Bevölkerung zu rechnen ist, hat sich der Stadtkommandant veranlaßt gesehen, die Abwanderungsabsichten grosser Teile der Bevölkerung zu begünstigen. Hierbei werden Beschränkungen in der Abwanderungsrichtung nicht auferlegt. Die abwandernden Personen werden einer eingehenden Überprüfung durch das Sonderkommando 4a unterzogen und mit einer zeitlich begrenzten Bescheinigung über Reiseweg und Reiseziel aus dem Stadtgebiet entlassen. Hierbei tritt die Häufigkeit von gefälschten Ausweisen bei Juden in Erscheinung. Zur Erfassung der Passfälschungsstelle sind entsprechende Maßnahmen in Zusammenarbeit mit den Dienststellen der Wehrmacht durch das Sonderkommando 4a eingeleitet worden. Judenfrage in Charkow: Zu dieser Frage werden gegenwärtig Überlegungen zu einer möglichst generellen Erfassung aller Juden geführt. Nach den bisherigen Erfahrungen werden die Verbindungen zu den Saboteuren und Partisanen in erster Linie durch die jüdischen Bevölkerungsteile Charkows aufrecht erhalten. Man verspricht sich von der Erfassung sämtlicher Juden eine wesentliche Beihilfe zur Beseitigung des Partisanenunwesens in diesem Raum. Im Einvernehmen mit dem zuständigen Generalstab und der Feldkommandantur werden die Vorbereitungsarbeiten zu einer größeren Judenaktion durch das SK 4a eingeleitet, sobald die Einrichtungsarbeiten für die Unterkunft des Kommandos erledigt sind. 9 Tätigkeit des Teilkommandos SK 4a in Poltawa: Das Teilkommando Poltawa des SK 4a übernahm am 17. 11. 1941 die Bearbeitung der vom SK 4b zurückgelassenen Vorgänge. Mit der in Poltawa aufgestellten Miliz wurde in einer Besprechung die zukünftige Zusammenarbeit mit SD, GFP, Feldgendarmerie, Schutzpolizei und Ortskommandantur festgelegt. In diesem Zusammenhang wurde die sogenannte politische Abteilung bei der ukrainischen Miliz in Poltawa aufgelöst. An den Tagen bis zum 20. 11. 41 wurde eine ganze Reihe von überstellten Kommunisten vernommen, die zum größten Teil erschossen wurden. Die Durchführung einer größeren Judenaktion erfolgte am 23. 11. 41, nachdem am Tage zuvor durch Plakatanschlag die jüdische Bevölkerung zur Meldung aufgefordert worden war. Dabei wurden insgesamt 1538 Juden erschossen. Die angefallenen Kleidungsstücke wurden dem Bürgermeister von Poltawa überlassen, der bei der Verteilung die Volksdeutschen besonders berücksichtigte. Tätigkeit des Teilkommandos SK 4a in Lubny: Das Teilkommando des SK 4a in Lubny übernahm am 18. 10. 41 die Auswertung des vom Vorkommando zurückgelassenen NKWD-Aktenmaterials und die Erledigung der laufenden Vorgänge. Gemeinsam mit der in Lubny aufgestellten ukrainischen Miliz konnten auf Grund des gesicherten Materials eine ganze Reihe von NKWD-Agenten und mehrere führende Kommunisten festgenommen werden. Es wurden 34 Agenten und Kommunisten und 73 Juden erschossen. Die Gesamtziffer der durch das Sonderkommando 4a Erschossenen betrug am 30. 11. 1941: 59 018. Das Einsatzkommando 5 hat bis zum 7. 12. 41 insgesamt 36 147 Erschießungen vorgenommen.10 Davon wurden in der Zeit vom 23. bis einschl. 30. 11. 41 64 pol. Funktionäre, 46

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Saboteure und Plünderer und 2615 Juden erschossen. In der Zeit vom 1. bis einschl. 7. Dez. 41 erschoss das EK 5: 60 pol. Funktionäre, 47 Saboteure und Plünderer und 1471 Juden. Ein Teilkommando des EK 5 überholte am 26. 11. 41 die Orte Alt-Darniza, Neu-Darniza und Nikolska-Slabotka ostwärts des Dnjepr. Es fiel auf, daß in diesen kleinen Ortschaften eine relativ große Anzahl von Kommunisten und politischen Funktionären erfaßt werden konnte. Bei dieser Aktion wurden 24 Juden, 20 Parteikommunisten und Partisanen und 9 politische Funktionäre, ausserdem noch 3 Politruks erschossen. Unter ihnen befanden sich u. a. ein Milizpolitruk aus Kiew, dem nachgewiesen werden konnte, eine ganze Reihe von Ukrainern dem Revolutionstribunal in Kiew ausgeliefert zu haben, ferner der Politrukstellvertreter der 1. Kompanie eines zur 37. Armee gehörenden motorisierten Pionierbataillons, der seit 1932 Komsomol- und später KP-Mitglied war. Fernerhin befanden sich darunter der Betriebspolitruk einer Schuhfabrik und enge Mitarbeiter des NKWD, Nikolai Boico, der Chef des Arbeiterkomitees in Darniza, Sebeon Wertoheilo, ein Mitglied der Partisanenabwehrgruppe 16 ostwärts des Dnjepr, weiter der als antideutscher Propagandist bekannte Alex Demaschef, der seit dem Jahre 1921 der komm. Partei angehörende Sekretär einer Partisanengruppe, Jakowiwitsch, der auf Grund seiner langen Parteizugehörigkeit mit besonderen Aufträgen für Sabotagezwecke in Darniza zurückgelassen worden war. Es wurden weiter erfaßt der Kommandeur einer Verteidigungsabteilung und Verbindungsmann zur Roten Armee, Peter Klewtschon, der 23 Personen erschossen hatte, die nicht gegen die deutsche Wehrmacht kämpfen wollten, weiter der enge Mitarbeiter des NKWD-Führers Petrenko mit Namen Alphanasi Masajew, der Parlamentärinstrukteur und Vorsitzende des Räteausschusses [unleserlich], der in seiner Eigenschaft als sowjetischer Richter viele Ukrainer nach Sibirien verschickt hatte, der Führer einer Parteiabwehrgruppe, Iwan Kusmin, dem die Beteiligung an der Zerstörung des Bahnhofes und des Fleischkombinates in Darniza nachgewiesen werden konnte. Weiterhin befanden sich unter den Erschossenen der Führer der Abwehrabteilung Nr. 17, Gregori Tschetwikow, der sich an der Verminung der Eisenbahnstrecke beteiligt hatte, der Kommunist Georgi Husak, in dessen Besitz Infanteriepatronen gefunden wurden, der Kommunist Michaeli Berdowski, der seit 1929 der KP als Mitglied angehört und in den ersten Tagen des November 1941 in seiner Wohnung Partisanen versteckt gehalten hatte, der geheime Mitarbeiter des NKWD und kommunistische Propagandist Pakowki Gripas, das Mitglied einer Partisanengruppe Alexej Kasakoff, der Politführer Iwan Arkadazki, seit 1929 KPMitglied, der Führer einer 30 Mann starken Sabotageabteilung, Wassil Kornienkow, die geheime Mitarbeiterin des NKWD und Vertraute des bekannten NKWD-Führers Tscherniawski mit Namen Anna Doruschko sowie eine ganze Reihe weiterer Kommunisten. Bezeichnend ist, daß verschiedene von ihnen mit dem Ruf „Heil Stalin“ den Weg zur Erschießung antraten. Tätigkeit der OUN: Das Einsatzkommando 5 richtete ein besonderes Augenmerk auf die illegale Tätigkeit der Bandera-Anhänger. Die Vernehmung mehrerer von der Milizschule in Klewan entlassener Ukrainer ergab in Bezug auf die Revolutionspläne der OUN neues Material und bestätigte die Richtigkeit der früher getroffenen Feststellungen. In Kiew befinden sich z. Zt. mindestens 2 wichtige Mitglieder der OUN, von denen der eine mit dem Decknamen Saporoshetz oder Kossar angeblich für einen Ministerposten im Bandera-Staat vorgesehen sein soll. Die Beziehungen der OUN reichen in Kiew bis in die an sich von Melnik-Leuten geführte Miliz hinein. Sie waren immerhin schon so stark, daß es den Bandera-Leuten gelang, mehrfach von der Miliz festgenommene Angehörige der Partei zu befreien. Es ist gelungen, einen Teil der für diesen Zustand verantwortlichen Mittels-

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männer zu erfassen. Die aus Klewan und anscheinend auch aus weiteren Stützpunkten der OUN einreisenden Bandera-Leute bedienen sich verschiedener Decknamen. So z. B. verfügte der Leiter einer Gruppe, die ausgehoben werden konnte, über 3 verschiedene Decknamen. Die Bandera-Anhänger bewegen sich sehr vorsichtig, und es ist nur bei Kenntnis ihrer Geheimparolen möglich, an die Verbindungsmänner heranzukommen. Z. T. bedienen sie sich jüngerer Leute, die gar nicht wissen, zu welchem Zweck sie ausgenützt werden. Über die Milizschule Klewan konnte folgendes in Erfahrung gebracht werden: Leiter der Schule ist entweder ein gewisser Ostap oder ein in der Schule als Instrukteur tätiger Mann namens Slawko. Ostap kennt die Verbindungsleute in Kiew und ist auch über die Parolen genauestens informiert. Er muss auch wissen, wo die für die Erhebung vorgesehenen Waffen versteckt sind und ebenso, an welchen Stellen in Klewan oder in Rowno die Druckschriften der OUN verborgen liegen. Der in Kiew festgenommene Instrukteur der Milizschule Klewan, Wassil Scherbak, gab die Namen von 13 Bandera-Anhängern an, in deren Besitz sich Waffen befinden sollen. Nach übereinstimmenden Angaben der hier festgenommenen Bandera-Leute ist ein fester Termin für den Ausbruch der geplanten Revolution nicht genannt worden. Das Signal zur Erhebung soll durch Bandera gegeben werden, mit dessen Freilassung man bei der OUN rechnet. Die Waffenbestände stammen aus aufgefundenen Lagern oder aus gefallenen Rotarmisten abgenommenen Ausrüstungen. Den von den Sowjets zurückgelassenen Waffenbeständen hat die OUN in Voraussicht der kommenden Aktion die gleiche Aufmerksamkeit gewidmet wie den Banken. Die Gelder der Banken waren nicht nur zur Finanzierung der OUN, sondern vor allem für die Kosten der Leute bestimmt, die mit und im Auslande arbeiten sollten. Hieraus erklärt sich auch die Erscheinung, daß die Bandera-Leute immer wieder versuchen, mit der kämpfenden Truppe oder gleich hinter ihr ins Land vorzustossen. Die hier festgenommenen Bandera-Leute bestätigten, daß bei Ausbruch des Aufstandes geplant war, Brückensprengungen vorzunehmen. Das Sonderkommando 4b: Das SK 4b musste sich wiederum in seiner Tätigkeit auf die in den beim Vormarsch auf Kramatorsk berührten Ortschaften anfallende Arbeit beschränken. Nach den bisherigen Feststellungen ist in dem Gebiet des neuen Standortes mit reger Partisanentätigkeit zu rechnen. Während kommunistische Elemente in beachtlichem Umfange vorhanden zu sein scheinen, konnte im allgemeinen die Feststellung getroffen werden, dass die Juden zum grössten Teil vor Eintreffen des Kommandos die Flucht ergriffen hatten. Die Zahl der in den vom SK 4b besetzten Städten in der Gegend um Kramatorsk vorhandenen Juden wird auf nicht mehr als 1500 geschätzt. Im Zug der Überholung verdächtiger Elemente wurde der Bürgermeister von Krementschug, Senitza Werschowsky, festgenommen und erschossen. Er hatte es verstanden, seine Anordnungen vielfach im schroffen Gegensatz zu den ihm bekannten deutschen Befehlen und Wünschen zu treffen. In seiner Anordnung vom 28. 9. 1941 hat er die Behandlung des Judenproblems dadurch zu sabotieren gewusst, dass er eine grosse Anzahl von Juden der Taufe zuführen liess, um sie auf diese Weise der deutschen Kontrolle zu entziehen. Das Einsatzkommando 6: Das EK 6 führte in der Zeit vom 24. bis 30. 11. 41 274 Erschiessungen durch. In dieser Zahl sind eingeschlossen: 19 Pol. Funktionäre, 29 Saboteure und Plünderer u. 226 Juden. Bis zum 12. 11. 41 erschoss das EK 6 800 von insges. 1160 Geisteskranken in der Irrenanstalt Igrin bei Dnjepropetrowsk. Verschleppung von Volksdeutschen im Raum des EK 611: 1.) Dreieck Saporoshje–Melitopol–Mariupol: Im Dreieck Saporoshje–Melitopol–Mariupol liegen etwa 60 rein deutsche Dörfer. Ihre Einwohnerzahl betrug im Jahre 1941 mehr als 50 000. Die Sowjets waren

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Nr. 4: Auspeitschung im Lager Salaspils bei Riga

bemüht, die Volksdeutschen restlos zu verschicken. Die Zwangsumsiedlung ist offenbar nur deswegen nicht völlig gelungen, weil die Organisation versagte und häufig die dazu notwendigen Verkehrsmittel fehlten. Die Organisation der Evakuierung oblag dem NKWD unter der Leitung von Juden. Die Umsiedlung begann bereits am 4. 9. 41, und zwar wurde die männliche Bevölkerung zwischen 16 und 60 Jahren aus den Dörfern Heidelberg, Grünthal, Neu-Montal und Anderberg in mehreren Abteilungen zu je 200 Mann zu Fuss in Richtung Stalino–Charkow in Marsch gesetzt. Eine kleinere Anzahl derselben Jahrgänge der Männer aus den Dörfern Friedrichsfeld, Marienheim, Alexanderheim, Reichsfeld und Kronsfeld mit insgesamt 273 Mann wurde über Pologi und Lasowaja nach Charkow in Marsch gesetzt. Die Männer der Dörfer Neu-Nassau und Hochstedt wurden in Güterzüge verladen und in einer Stärke von etwa 7000 Mann über Woronesh und Pensa nach dem Osten abtransportiert. Ein Flüchtling aus dieser Kolonne berichtet, daß bei dem Bahnhof Mitrofanowka andere Güterzüge mit etwa 3000 Frauen und Kindern von Sowjetflugzeugen bombardiert worden sind, wobei eine große Zahl der Verschickten ums Leben kam. Auf seiner Flucht sah er in Milerowo mehrere Züge mit Volksdeutschen aus der Krim, dem Kaukasus und aus dem Bezirk von Stalino den Bahnhof passieren. In der Zeit vom 22.–25. 9. 41 hat man aus den Orten Tiefenbrunn, Waldorf, Karlsruhe, Kostheim und Reichsfeld in Form von Einzelvorladungen an das Kriegskommissariat insgesamt 2300 Mann „rekrutiert“ und sie über Wolnowacha nach Rostow marschieren lassen. Totale Aussiedlungen fanden erst in den Tagen vom 28.–29. Sept. 1941 statt, wobei aus den Dörfern Hochstedt, Friedrichsfeld, Rosenthal und anderen Siedlungen etwa 6000 Personen mit Güterzügen in Richtung Stalino ver-

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laden wurden. Die auf dem Bahnhof Tokmak zusammengetriebenen Bewohner der Dörfer Tiefenbrunn, Blumenthal, Tiefenhagen und Petershagen in Stärke von 2000 Personen wurden durch das schnelle Vordringen der deutschen Truppen vor dem Abtransport gerettet. Die Behandlung der Volksdeutschen war, angefangen bei der Zwangsaussiedlung aus den Wohnungen bis zu den Strapazen der Fahrt oder des Fussmarsches roh und unmenschlich. Marschverpflegung mitzunehmen wurde nur in wenigen Fällen gestattet. Die Verpflegung bestand aus Wasser und Brot. Weder auf Kranke noch auf Wöchnerinnen wurde Rücksicht genommen. Einzelne Männer unternahmen erfolgreiche Fluchtversuche, jedoch hat nur ein ganz geringer Teil davon bisher die Heimat erreichen können. 2.) Besiedlungskolonie 40 km nordwestlich Stalino: An der Strasse Stalino–Grischino etwa 40 km nordwestlich Stalino befindet sich ein aus 10 Dörfern bestehendes geschlossenes rein deutsches Siedlungsgebiet. Diese Kolonie wurde im Jahre 1884 durch Aussiedlung aus dem alten Malotschnaia-Siedlungsgebiet (südöstlich Saporoshje) auf bestem Schwarzerdeboden gegründet. Die Siedler, die die plattdeutsche Mundart ihrer holländischen Vorfahren unverfälscht bewahrt haben, bekennen sich fast ausnahmslos zur Sekte der Mennoniten, wobei jedoch die jetzige Generation den Gebrauch der Waffe nicht mehr ablehnt. Die auf günstigen natürlichen Gegebenheiten beruhende hohe Bodenkultur wurde sogar von den Sowjets erkannt. Im Jahre 1930 fasste man jeweils 3–4 Dörfer zu großen Kolchosenbetrieben von 4–5000 Hektar zusammen und zog sie als Musterbetriebe auf. Trotzdem wurde jeder Volksdeutsche von jeher als Feind des Staates angesehen. Dieser Hass steigerte sich seit dem Beginn des ersten Fünfjahresplanes (1926–1927), als die Juden sich die führenden Stellen im Staate sicherten und besonders seit der Säuberung der Partei im Jahre 1937 bis ins Unerträgliche. Am 31. 8. 1941 wurde der größte Teil der wehrfähigen Männer zu Schanzarbeiten 200 km nordöstlich von Kiew mobilisiert. Am 3. 5. 1941 [sic] wurden führende Männer der deutschen Dörfer nach Stalino gebracht und mit den dort festgenommenen Volksdeutschen erschossen. Am 5.–7. 10. 41 wurden mit Ausnahme von 1–2 kranken Familien sämtliche Einwohner in Güterzügen verladen, wobei als Ziel der Fahrt die Tomsker Eisenbahn angegeben wurde. Einzelne Flüchtlinge aus diesen Kolonien erzählen, daß von den 200 kg Gepäck, die pro Familie mitgenommen werden durften, sämtliche Lebensmittel auf dem Bahnhof Jasinowatowo von der Roten Armee gestohlen wurden. Die Züge passierten am 9. 10. 41 Woroschilowgrad. Das gesamte lebende und tote Inventar wurde verschleppt oder blindlings zerstört. Ausser einem halben Dutzend Männern je Dorf, die sich durch die Flucht der Verschleppung entziehen konnten, und ausser den zurückgebliebenen kranken Familien sind die Dörfer menschenleer. Die blinde Zerstörungswut in den Wohnungen, die selbst vor Wandbildern aus dem Familienkreise nicht Halt machte, hat hier das bolschewistische Untermenschentum deutlich gekennzeichnet. Einsatzgruppe D: Standort Simferopol. Am 23. 11. 41 gegen 16 Uhr beschossen Partisanen 9 km nordwestl. Aluschta eine Fahrzeugkolonne der Wehrmacht, die in Richtung Jalta fuhr, mit Gewehren und Granatwerfern. Die Wehrmacht hatte dabei 3 Tote und 6 Verwundete zu beklagen. Ausserdem wurden 3 Lkw so schwer beschädigt, dass sie abgeschleppt werden mussten. Als Vergeltung wurden am 24. 11. 32 Kommunisten und 30 Juden aus Bium-Lambat und Aluschta erschossen. Am 26. 11. unternahm das in Aluschta liegende Panzerjägerbatl., verstärkt durch eine Flakabteilung und ein rum. Batl. einer Gebirgsbrigade, eine weitere Aktion gegen diese Partisanen. Das Kommando 10b hatte für diese Aktion durch seine Nachrichtentätigkeit das notwendige Erkundungsmaterial geliefert. Der Hauptsitz der Partisanengruppe wurde umstellt und angegriffen. Die Partisanen, die sich mit Gewehren und Granatwerfern

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verteidigten, versuchten, bei den Rumänen die Umzingelung zu durchbrechen. Einer Gruppe von etwa 200 Mann gelang es auch, über das Gebirge zu entkommen. Dabei erbeuteten diese Partisanen 2 rum. Minenwerfer. Insgesamt wurden bei dieser Aktion 60 Partisanen getötet und 20 gefangengenommen. Ausserdem wurden 3 grosse Lebensmittellager und die Lager der Partisanengruppen restlos zerstört. Die vorgefundenen Waffen und die Munition wurden unbrauchbar gemacht. Bei der Aktion ist auf deutscher Seite ein Oberfeldwebel und Zugführer gefallen, ein Leutnant und ein Schütze wurden schwer verwundet. Das rum. Bat. hatte 16 Tote, darunter 1 Offizier und 14 Verwundete. Die übrigen Einheiten hatten keine Verluste. Unter den Gefangenen befand sich ein Kurier mit einem Brief, der an Oberstleutnant Makroussow in Eskurijurt adressiert war und folgende Meldung enthielt: „Am 23. 11. wurden von meiner Partisanengruppe 2 deutsche Lkw angegriffen und vernichtet. Dabei sind 11 deutsche Soldaten erschossen worden.“ Die Adressierung dieses Briefes ist eine erneute Bestätigung der Feststellung, dass Oberstleutnant Makroussow der oberste Führer der Partisanen ist und sich im Raum von Eskurijurt aufhält. III. Reich und besetzte Gebiete: D. Kdr. d. Sipo u.d. SD i.d. Untersteiermark meldet: Am 5. 1. 1942 erschienen bei einem Bauern 10 bewaffnete Kommunisten. Sie zwangen den Vater des Bauern, sie in seinem Gehöft aufzunehmen und bedrohten die Bewohner des Gehöftes mit dem Tode, falls der Versuch gemacht würde, Polizei zu verständigen. Die Banditen haben dann im Stall und in der Scheune Quartier bezogen, nachdem sie das Gehöft durch Posten gesichert hatten. Gegen Morgen zwangen die Kommunisten den Bauern, ihnen Essen zu kochen und erklärten dabei, sie hätten schon seit über 1 Woche kein warmes Essen gehabt. Als der Bauer gegen 09.00 Uhr versuchte, das Haus zu verlassen, wurde er zurückgehalten. Trotzdem gelang es ihm, einen Boten zu den Nachbarn zu schicken, welche die Polizei verständigten. Um 10.30 Uhr wurde eine Streife, bestehend aus Schutzpolizei, Gendarmerie und Staatspolizei, ausgeschickt. Die Streife wurde sofort bei ihrem Eintreffen von der Scheune aus beschossen und musste sich infolgedessen darauf beschränken, ein Entweichen der Banditen zu verhindern. Die Scheune stand frei, sodass die Banditen nach allen Richtungen schiessen konnten. Die Banditen hatten Gewehre und MG. Während der Aktion gelang es 3 Banditen, aus einem der Nebengebäude auszubrechen und in den Wald zu entkommen. Ein 4. Bandit wurde bei diesem Fluchtversuch durch einen Angehörigen der Geheimen Staatspolizei mit Maschinenpistole erschossen. Die Einsatzgruppe forderte Verstärkung an, welche um 15.00 Uhr eintraf. Auch diese Polizeikräfte wurden sofort beschossen. Ein Versuch, sich bis auf 60 m an die Scheune heranzuarbeiten, musste infolge Gewehr- und MG-Beschuss aufgegeben werden. Um zu verhindern, dass die Banditen in der Dunkelheit entkommen, wurde ein Stosstrupp gebildet, dem es trotz starken Feuers gelang, sich an eines der Nebengebäude heranzuarbeiten und dieses in Brand zu stecken. Der Brand griff bald auf die von den Banditen besetzte Scheune über. Als die Scheune in Flammen stand, konnte beobachtet werden, dass die 6 eingeschlossenen Banditen ein Lied sangen. Kurz darauf hörte man mehrere Schüsse. Es muss daher angenommen werden, dass die Banditen in der brennenden Scheune Selbstmord verübten. Bei weiterer Entwicklung des Brandes hörte man aus der Scheune zahlreiche Detonationen, deren Stärke darauf schliessen lässt, dass mehrere Handgranaten und geballte Ladungen neben der sonstigen Munition explodierten. Die Sprengwirkung betrug etwa 150 m. Eine Untersuchung des erschossenen Banditen ergab, dass es sich um einen aus Eichtal bei Trifail stammenden Kommunisten handelt. Bei einem der verbrannten Banditen

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konnten Dokumente gefunden werden, aus denen hervorging, dass er ebenfalls aus Eichtal stammt. Daher ist die Annahme berechtigt, dass die gemäß obiger Schilderung vernichtete Bande auch den Überfall auf das Werk Eichtal am 26. 12. 1941 verübt hat, bei dem 1 Werkschutzangehöriger und 2 Wehrmänner ermordet wurden. Aufgrund des Vernehmungsergebnisses der bei der letzten Aktion gegen die kommunistische Partei festgenommenen Funktionäre und Mitarbeiter wurde am 11. und 12. 1. 42 neuerlich eine Aktion gegen die KP in der Untersteiermark gestartet, die erfolgreich verlief. Bis jetzt wurden insgesamt über 50 Personen, die der kommunistischen Betätigung überführt oder den kommunistischen Terrorbanden als Mitglieder angehörten, festgenommen. Ein Bandenmitglied sowie ein kommunistischer Funktionär, die sich der Festnahme durch ihre Flucht entziehen wollten, wurden dabei erschossen. Unter den Festgenommenen befinden sich wiederum mehrere Funktionäre und ein praktischer Arzt, der die Bandenmitglieder ärztlich betreute. Im Zuge der Aktion wurden weitere 9 neue kommunistische Anlaufstellen bekannt und ausgehoben. BAB, R 58/220 1

Falsch, kommissarisch geführt durch Kurt Matschke. Dr. Erwin Weinmann, geb. 1909, Medizinstudium, 1931 NSDAP u. SA, Oberarzt Universitätsklinik Tübingen, 1936 SS u. zum SD-OA Südwest, 1937 Stabsfhr. SD-OA Ost, 1939 Ostubaf., 1940 Fhr. SD-LA Berlin, dann Gruppenleiter IV D im RSHA, Anfang 1942 Kdr. SK 4a, ab 1943 BdS Böhmen u. Mähren, 1944 Oberf., angeblich gest. 1945 in Prag; BAB, BDC, SSO Dr. Erwin Weinmann; BAL, ZK: Dr. Erwin Weinmann. 3 Dr. Walter Haensch, geb. 1904, Jurastudium, 1930 Referendarexamen, 1931 NSDAP, 1933 SA, 1934 Assessorexamen, 1935 zum SD-OA Elbe, 1936 SS u. als Untersuchungsfhr. zum SD-HA, 1939 Dr.jur., Stubaf. u. Referatsleiter I D 2 (SS-Dienststrafsachen) im RSHA, Anfang 1942 Kdr. SK 4b, Juni 1942 zurück zum RSHA, Juli 1943 zum Reichsbevollmächtigten in Dänemark, 1948 im Nürnberger EG-Prozeß zum Tod verurteilt, 1951 zu 15 Jahren Haft begnadigt, 1955 entlassen; BAB, BDC, SSO Dr. Walter Haensch; BAL, ZK: Dr. Walter Haensch. 4 Falsch, längst Robert Mohr. 5 Falsch, längst Dr. Werner Braune. 6 Damit wurde dieses Massaker zum dritten Mal – allerdings mit jeweils unterschiedlichen Mordziffern – erwähnt; vgl. EM 151 u. 155. 7 Charkow, die größte Stadt der Ostukraine, war zwar bereits am 23. 10. 1941 durch die 6. Armee eingenommen worden, hatte bislang jedoch noch keine Thematisierung in den EM gefunden. 1939 hatten die 130 200 Juden in der Stadt ein Sechstel der Gesamtbevölkerung gestellt, waren allerdings zum größten Teil im Sommer 1941 nach Osten geflohen; vgl. Dieter Pohl: Schauplatz Ukraine. Der Massenmord an den Juden im Militärverwaltungsgebiet und im Reichskommissariat 1941–1943, in: Norbert Frei/ Sybille Steinbacher/Bernd C. Wagner: Ausbeutung, Vernichtung, Öffentlichkeit. Neue Studien zur nationalsozialistischen Lagerpolitik, München 2000, S. 146–149. 8 Wahrscheinlich: MG-Nester. 9 Ähnlich wie im Fall von Riga berichtete auch hier das SK 4a deutlich post festum: Bereits bei der Einnahme Charkows hatte das zuständige AK festgestellt: „Aufsässige Elemente, Saboteure u. Partisanen, die fast ausschließlich in Judenkreisen zu suchen sind, sind mit dem Tode zu bestrafen“, Gen.Kdo. LV. AK v. 23. 10. 1941: Richtlinien für die Behandlung der Zivilbevölkerung, BA-MA, RH 24–55/13. Vorerst allerdings mußte man sich noch in Geduld üben: „Da Juden grossenteils noch versteckt, Aktion gegen die Juden erst in einiger Zeit vorgesehen“, notierte der Ib-Offizier der 57. Inf.Div. über eine Besprechung bei der FK Charkow am 4. 11., ebd., RH 26–57/113. Auch Major Rudolf Paltzo, der Ic der 6. Armee, klagte: „Festsetzen u. weitere Behandlung dieser Elemente wäre Aufgabe des SD, der aber selbst zu schwach ist u. deshalb der Unterstützung durch die Truppe bedarf“, Befehlsentwurf AOK 6/Ic/ AO v. 6. 11. 1941, ebd., RH 20–6/494. Erst nachdem das gesamte SK 4a u. bald darauf auch die 1. Komp. des RPB 314 in Charkow angekommen waren, klang Paltzo optimistischer: Der SD plane nunmehr eine „Aktion“ gegen 30–50000 Juden in der Stadt, von der sich die Wehrmachtsdienststellen eine Verbesserung der Bestände an Bettwäsche für die Lazarette versprächen; Bericht über die Fahrt OB AOK 6 2

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nach Charkow am 25.11. 1941, ebd., RH 20–6/143. Am 14. 12. befahl der Stadtkommandant die Sammlung der Juden auf dem Gelände des örtlichen Traktorenwerkes. In einer nahegelegenen Schlucht begann einige Tage später die Erschießung der dort internierten 12–15000 Menschen, die sich bis zum 7. 1. 1942 hinzog; Bericht RPB 314 v. 24.1. 1942, BAB, R 2104/25; Urteil LG Darmstadt v. 29.11. 1968, BAL, B 162/14436–14438; vgl. Andrej Angrick: Das Beispiel Charkow: Massenmord unter deutscher Besatzung, in: Christian Hartmann/Johannes Hürter/Ulrike Jureit (Hrsg.): Verbrechen der Wehrmacht. Bilanz einer Debatte, München 2005, S. 117–124; Hamburger Institut für Sozialforschung (Hrsg.): Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941–1944, Hamburg 2002, S. 328–346. 10 Obwohl das EK 5 bereits seit Anfang Jan. 1942 aus der Aufstellung der Standorte verschwunden u. stationär geworden war, wurde hier eine abschließende Bilanz vorgelegt. 11 Vgl. Meir Buchsweiler: Volksdeutsche in der Ukraine am Vorabend und Beginn des Zweiten Weltkrieges, Gerlingen 1984.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 19. Januar 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 157 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Die mit Ereignismeldung Nr. 156 vom 16. 1. 1942 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Nachdem bei Beginn der kalten Jahreszeit zunächst die Partisanengefahr etwas geringer und weniger umfangreich geworden ist, ist augenscheinlich nunmehr die Umstellung des Partisanenkampfes auf den Winter seitens der Russen durchgeführt. Besonders im Gebiet ostwärts der Rollbahn Leningrad–Moskau, etwa in Höhe von Tosno, hat sich das Partisanenunwesen wieder ganz ausserordentlich verstärkt. Die Partisanen finden immer wieder eine Möglichkeit, ungesehen durch die Linien zu kommen. Andererseits ist man dazu übergegangen, Partisanen vom Flugzeug mittels Fallschirm abzuwerfen und in Einzelfällen auch Partisanen mittels Kufenflugzeugen hinter der deutschen Front durch Landung abzusetzen. Bei der Vernehmung und Durchsuchung gefangener Partisanen stellte sich heraus, dass die Bekleidung und Ausrüstung erheblich besser ist als früher. Das Agentenwesen ist an der gesamten Leningrader Front nach wie vor äusserst rege. Auch hier wurden mehrfach Personen aufgegriffen, die mittels Fallschirm abgesprungen waren. Ihre Ausrüstung und Bekleidung war noch erheblich besser als die der abgeworfenen Partisanen. Unter anderem wurden mehrfach betriebsfähige Sendegeräte sichergestellt. Mittels eines Sendegeräts ist die drahtlose Verbindung eines Teilkommandos mit einer Leningrader Agentenzentrale unter Einhaltung besonderer Vorsichtsmaßnahmen seit 14 Tagen im Gange. Auf besonderen Wunsch eines Wehrmachtshorchtrupps wurden 2 ausgebildete russische Funker, die sicherheitspolizeilich eingehend überprüft wurden, zur Verfügung gestellt. Gleichfalls wurden mehrere Codes und sonstige der Wehrmacht bisher unbekannte Dechiffrieranweisungen übergeben. Im Zuge der Agentenbekämpfung gelang die Aufrollung einiger besonders interessanter und typischer Fälle, [Trotz durchlaufender Paginierung fehlt hier beim Seitenübergang Text] abwehr, der russische Spionagedienst

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immer wieder in den Besitz bemerkenswerter Erkundungsergebnisse gelang, dass ein Ausspähapparat mit einer überraschenden Breite aufgebaut ist. Wenn auch zweifellos durch dauernde Hinweise die Truppe heute hinsichtlich des Agentenwesens erheblich mißtrauisch geworden ist, so lassen sich andererseits immer wieder Fälle feststellen, wo eine gewisse Vertrauensseligkeit ungewollt den Partisanen ihre Arbeit erleichtert und zum Teil erst ermöglicht. Von den Einsatzgruppen B und C liegen keine Meldungen vor. Einsatzgruppe D: Standort Simferopol. Allgemeine Lage und Stimmung: Die positive Grundhaltung der Bevölkerung gegenüber der deutschen Besatzung hat sich auch in der Berichtszeit nicht verändert. Die Gründe sind in erster Linie in den bisher schlechten Lebensverhältnissen und in der Terrorisierung unter dem bolschewistischen Regime zu suchen. Die Bevölkerung hat daher auch vor nichts mehr Angst als vor einer Rückkehr der Bolschewisten. Sie sieht andererseits, dass die Deutschen sie weder „verbrennen“ noch „terrorisieren“ und empfindet es dankbar, dass sie unter einer gewissen persönlichen Freiheit leben darf. Die durch den Krieg gebotenen Beschränkungen und Entbehrungen betrachten sie zunächst noch als zwangsläufig. Die Bevölkerung sieht ein völlig unerwartetes korrektes Verhalten des deutschen Soldaten und der deutschen Führung, sieht Versuche, wieder ein geordnetes Leben entstehen zu lassen und selbst für die Ernährung der Zivilbevölkerung das Möglichste zu tun. Das alles hat sie völlig überrascht, da ihnen von den Bolschewisten eingeredet war, auf die grausamste Weise lebendig begraben und misshandelt zu werden. Darüber hinaus setzt die Bevölkerung trotz der äusserst kritischen Ernährungslage ihre ganze Hoffnung darauf, dass „die Deutschen niemand verhungern lassen“ und für die notwendigste Ernährung sorgen würden. So erklärt sich auch der fast allgemeine Wunsch, dass Sewastopol bald fällt und die Roten wieder aus Kertsch und Feodosia vertrieben werden. Dann sei es mit allem besser: Die Kriegsgefahren seien von ihnen genommen, die noch bestehenden persönlichen Beschränkungen würden zum Teil wegfallen, die Partisanengefahr werde schneller beseitigt sein, und nicht zuletzt werde ein grosser Teil der deutschen Truppen abziehen, und auch dadurch würde die Ernährungslage wieder wesentlich besser werden. Diese zwar nüchterne, aber im Grund positive Haltung würde sich wahrscheinlich grundlegend ändern, wenn tatsächlich die befürchtete Hungersnot eintritt, der nach Auffassung der militärischen Kreise im Laufe der nächsten Monate einige 100 000 Menschen zum Opfer fallen werden, weil keine Lebensmittel vorhanden seien.1 Für die Städte, insbesondere für Simferopol, ist eine Abwanderung eines Teils der Bevölkerung auf das flache Land vorbereitet, um die besonderen Schwierigkeiten in den grossen Orten zunächst dadurch abzuwenden. Im übrigen wurde die Stimmung der Bevölkerung durch die Auswirkungen der Umsiedlung von Juden, Zigeunern und Krimtschaken, die im Einsatzbereich der Krim in der Berichtszeit durchgeführt wurde, beeinflusst. Die unsinnige Furcht, dass die Deutschen die Gesamtbevölkerung ausrotten würden, war einige Wochen nach der Besetzung der Krim völlig gewichen. Sie lebte in verstärktem Maße wieder auf, als anfangs Dezember die Vorbereitungen für die Umsiedlung der 12–13000 Juden, Krimtschaken und Zigeuner in die Wege geleitet wurden. Es zeigte sich hier erstmalig, dass nicht nur die Juden – durch bolschewistische Propaganda der aus anderen Gebieten geflüchteten Juden und wohl auch durch Redereien der Soldaten – der Überzeugung waren, dass sie nicht umgesiedelt, sondern erschossen würden, sondern dass in der Bevölkerung wieder weitgehend befürchtet wurde, nun doch noch von den Deutschen beseitigt zu werden. Erst nachdem einige

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Tage nach den Umsiedlungen vergangen waren, trat wieder eine Beruhigung ein. Während sich in den Städten Simferopol, Karasubasar und Aluschta die Bevölkerung wieder beruhigt hat, leben in Jewpatoria auch jetzt noch die Karaimen 2 in dem Glauben, dass sie nun an der Reihe seien. Noch am 30. 12. 1941 haben sie zum Beweise ihrer Loyalität – offenbar aber aus Furcht und in der Hoffnung, ihre Umsiedlung verhindern zu können – dem Teilkommandoführer ihren gesamten Goldbestand – eine sehr ansehnliche Menge – überreicht. Die Umsiedlung der Juden, Krimtschaken und Zigeuner, in der fast ausnahmslos eine endgültige Beseitigung gesehen wird, wird allgemein begrüsst. Auch darin bestätigt sich wieder die allgemeine Ablehnung des Judentums durch die Bevölkerung sowohl auf dem Lande, als auch in der Stadt. Die gleiche Behandlung von Juden und Krimtschaken wird für selbstverständlich gehalten, da die Krimtschaken allgemein als Juden angesehen werden. Nach den bisherigen Erfahrungen ist der grösste Teil der Bevölkerung über die letzten Entwicklungen der Kriegslage auf der Krim und an der übrigen Ostfront – wenn auch unklar – unterrichtet. Vereinzelt ist in den letzten Tagen das Gerücht aufgetreten, dass vor Moskau und Rostow die Russen im Vordringen und die deutschen Truppen auf der Krim bedroht seien. Die Auswirkung ist jedoch weniger Freude als Furcht vor einer Rückkehr der Russen, von denen eine neue Welle von Liquidierungen und Verschickungen befürchtet wird. Die Tataren, die sich ausnahmslos für deutsche Dienste zur Verfügung stellen, erklären, dass ein Leben für sie überhaupt nur unter deutschem Schutz in Frage kommt und nehmen mit Recht an, dass sie bei einer Rückkehr der Roten restlos vernichtet werden würden. Wie weit die Ablehnung des Bolschewismus, zumindest aber eine starke Gleichgültigkeit und Ablehnung des Krieges aber auch in anderen Teilen der Bevölkerung zu finden ist, zeigt die Tatsache, dass bei der Besetzung von Feodosia die dort liegenden 7000 russischen Kriegsgefangenen zwar ausbrachen, aber nicht zu den gelandeten russischen Truppen überliefen, sondern sich in Richtung zu den deutschen Truppen in Marsch setzten, um ohne nennenswerte Bewachung Simferopol zu erreichen. Allgemeine Lage: Im Arbeitsbereich Krim hatten Landungen der Russen3 auffallenden Stimmungsrückgang in der Bevölkerung verursacht. Besetzung von Kertsch und Feodosia waren sofort allgemein bekannt. Landung der Russen in Jewpatoria am 5. 1. hatte Furcht der Bevölkerung vor Rückkehr der Roten verstärkt, zumal gleichzeitig fast täglich kleine Fallschirmtrupps für Brückensprengungen, Strassenverminung usw. abgesetzt wurden und die Partisanen besonders im Raum Karasubasar–Stari Krim und südlich Bachtschissaraj dazu übergingen, grössere Kolonnen und Dörfer zu überfallen und Strassenminen zu legen, dazu täglich Luftangriffe in mehreren Wellen auf Simferopol, Stari Krim und Karasubasar. Vertreiben der Russen aus Jewpatoria und bekanntgewordene Sühnemaßnahmen haben bewirkt, dass Stimmung jetzt zuversichtlicher geworden ist. Gebirgsbevölkerung, darunter viele Tatarendörfer, leben nach wie vor in ständiger Angst, von Partisanen überfallen zu werden. Sonderkommando 10b muss mit Teilkommando Feodosia Kertsch räumen. Beide Teilkommandos haben sich am örtlichen Verteidigungs- und Rückzugskampf beteiligt. Vorbildliche Haltung und Ausdauer von Wehrmacht allgemein anerkannt. Kommando Feodosia war in erster Januarwoche an Front als Stütze für verbündete Truppen unentbehrlich und für Sicherungsaufgaben erfolgreich eingesetzt. Kommando hat inzwischen die Sipo- und SD-Arbeit wieder voll aufgenommen. Teilkommando 11b hat sich in Jewpatoria, in einer Häusergruppe eingeschlossen, bis Entsetzung nach drei Tagen gehalten. Aus Skizze bei einem in Jewpatoria gefangenen Kommissar sowie aus

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Feindnachrichtenblatt geht hervor, dass Sowjets Anweisung erteilt haben, neben Ortskommandanten jeweils sofort die Gestapo auszuheben. Vollzugstätigkeit: Sicherheitspolizeiliche und SD-Arbeit wurde in Berichtszeit mit dem Ziel der restlosen Beseitigung unzuverlässiger Elemente ausgebaut. V-Männernetz in Simferopol unter besonderer Einschaltung der Tataren steht. Einzelergebnisse bereits vorhanden. So wurden u. a. in den letzten Tagen erfasst: Iwanow Iwanowitsch, Freund und Gehilfe des Partisanenführers der Krim, Makroussow, jetzt Angestellter in der Stadtverwaltung. Fetschenko, führender Partisan, der sich in der Stadt aufhält. Katschura, auf Krim allgemein als berüchtigter NKWD-Agent bekannt, der tausende Menschen auf dem Gewissen hat. Letzter Aufenthalt Simferopol. Mazanow, Parteiorganisator und Kommandeur eines Vernichtungsbataillons. Vera Sergewner und ihre Schwester Maria, Verbindungsagentinnen zwischen Simferopol und Makroussow. Exdorf, Leiter des 6. Pol.Bez., Jude mit gefälschten Akten, Mitglied eines Vernichtungsbataillons. Von 1. bis 15. 1. 42 wurden 685 Juden und 1639 Kommunisten und Partisanen erschossen. Gesamtzahl beträgt demnach 80 160. Bezüglich Partisanenbekämpfung lag Schwergewicht in der Berichtszeit auf nachrichtenmäßiger Erkundung. In Einzelfällen wurden, soweit Truppen oder bereits bewaffnete Tataren zur Verfügung standen, Aktionen unternommen, für die die Kommandos Unterlagen und Führung stellten. Taraktasch bei Sudak wurde von 80 bis 90 Partisanen und versprengten Truppen angegriffen. Sonderkommando 10b mobilisierte dort bereits aufgestellte Tatarenselbstschutzkompanie mit dem Erfolg, dass 65 Gefangene, 10 Tote, ein sMG, 5 Gewehre, Munition usw. eingebracht wurden. Ein Tatare verwundet. Tatarenselbstschutzkompanie hat sich hier sehr gut bewährt. Bei Aluschta wurden von 11b bei Erkundungsunternehmen vier Partisanen getötet und einer gefangen. III. Reich und besetzte Gebiete: Der Chef der Eins.Gr. d. Sipo u.d. SD Belgrad meldet: Von der Einsatzgruppe d. Sipo u.d. SD wurden wegen komm. Betätigung 12 Personen, wegen Devisenvergehens 2 Personen, wegen unerlaubten Grenzübertritts 1 Person festgenommen. Von der serbischen Spezialpolizei wegen komm. Betätigung 56 Personen, wegen aktiver Betätigung bei den Aufständischen 2 Personen. Ausserdem 926 ehem. aktive jugos. Offiziere namentlich erfasst, davon 440 nicht auffindbar, wegen Krankheit usw. 79 entlassen, 407 Offiziere durch Schutzpolizei festgenommen und in Gefangenenlager ins Reich abtransportiert. Im Banat 150 Kommunisten als Sühne für Ermordung von 3 volksdeutschen Feldhütern und im Lager Sabac 100 Kommunisten erschossen. Kommunismus: Aushebung einer Aktivgruppe des Skoj in Belgrad. Festnahme von 9 Serben, meist Studenten. Ziel der Gruppe Organisierung kommunistischer Zellen und Aufbau kommunistischer Jugend. Aushebung kommunistischen Teenachmittags, 30 Festnahmen. Alle Festgenommenen sind in kleineren kommunistischen Gruppen unterorganisiert. Zweck der getarnten Versammlung: Verlesung von Flugblättern, Beschaffung von Geldmitteln, Vorbereitung von Sabotage. Am 5. 1. 42 Ermordung eines russ. Werkschutzangehörigen. Mörder Gymnasialschüler Draga Badic, 18 Jahre alt, wurde am 14. 1. 42 öffentlich gehängt, 2 Mittäter erschossen. Durch Ermittlungen festgestellt, dass die drei Täter Angehörige grösserer Terrorgruppe sind, die auf Anweisungen gehandelt haben. Bisher 10 Personen, meist Jugendliche und SkojAngehörige, festgenommen. Ziel der Gruppe Werbung von Arbeitern und Jugendlichen für den Skoj und Durchführung von Terrorakten in Belgrad. Unter den Festgenommenen auch Angestellte der Stadtverwaltung Belgrad, die Mitgliedern der Aktivgruppe falsche Papiere ausstellten. Partisanen: Bei Kämpfen serbischer bewaffneter Abteilungen Kommandant der 3. komm. Komp. aus Uzice, Acer Vucuvic, festgenommen. Unter der Beute

EM 158 nicht überliefert

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2 Kisten mit ital. Handgranaten gefunden. Aktiver serbischer Oberleutnant festgenommen. War im Stabe einer regierungstreuen Cetnik-Abteilung. Überführt, dass er sich auf Anordnung des Bandenführers Mihajlovic in den Verband eingeschlichen und Verbindung mit Mihajlovic aufrecht erhalten hat. Major der ehem. jugosl. Armee festgenommen. Überführt und geständig, Blankolegitimationskarten des Flüchtlingskommissariats Anhängern des Mihajlovic zur Verfügung gestellt zu haben. Durch V-Mann-Meldung festgestellt, dass Aufständische des Mihajlovic in immer grösserem Umfange versuchen, in serbische bewaffnete Abteilungen aufgenommen zu werden. Mehrfache vertrauliche Mitteilungen besagen, dass Balkanaufstand geplant. Kommunisten, Nationalisten und sämtliche sich sonst uneinigen innerpolitischen Gruppen sollen sich auf einen bestimmten Zeitpunkt geeinigt haben. Vertraulich gemeldet, dass Kommunisten versuchen wollen, Gebäude, die deutsche Dienststellen besetzt haben, zu unterminieren, um sie im geeigneten Zeitpunkt sprengen zu können. BAB, R 58/220 1 Zur Hungerkatastrophe auf der Krim: Kunz: Die Krim unter deutscher Herrschaft, S. 133–145; Manfred Oldenburg: Ideologie und militärisches Kalkül. Die Besatzungspolitik der Wehrmacht in der Sowjetunion 1942, Köln-Weimar-Wien 2004, S. 68–107. 2 Die EG D bat das RSHA hier um Klärung der „Rassenfrage“ u. erhielt die Anweisung, die Karäer seien von der „Sonderbehandlung“ wegen ihrer nichtjüdischen Herkunft auszunehmen; vgl. Philip Friedman: The Karaites under Nazi Rule, in: Max Beloff (Hrsg.): On the Track of Tyrany, London 1969, S. 97– 124; Warren Green: The Nazi Racial Policy Towards the Karaites, in: Soviet Jewish Affairs 8(1978), H. 2., S. 36–44. 3 Am 26. 12.1941 landeten sowjetische Truppen in Kertsch u. hielten diesen nordöstlichen Teil der Halbinsel monatelang. Am 29. 12.1941 eroberten sie kurzzeitig Feodosia u. am 4. 1. 1942 Jewpatoria. In den beiden letzteren Fällen wurden alle, „die uns wegen ihres deutschfeindlichen Verhaltens bekannt wurden“, nach der Wiedereroberung erschossen; AOK 11/IV Wi v. 1. 2. 1942: Bericht für 1. 12.1941– 31. 1. 1942, BA-MA, RH 20–11/415. Die Ausmaße dieser Repressalien spiegelt ein Fernschreiben des AOK 11 an HGr. Süd, AOK 17 u. Pz.AOK 1 v. 9. 1. 1942 wider: „1306 Partisanen, Zivilisten u. Soldaten in Zivil, die sich am Kampf beteiligt hatten, standrechtlich erschossen“, IfZ, Nbg.Dok. NOKW-1310.

[Ereignismeldung UdSSR Nr. 158 ist die einzige Nummer dieser Berichtsserie, die nirgendwo überliefert ist]

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EM 159 v. 23. 1. 1942

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 23. Jan. 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 159 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Die mit Ereignismeldung Nr. 156 vom 16. 1. 1942 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. 1.) Am 1. 1. 42 fand in Reval eine Neujahrsversammlung mit Generalkommissar Litzmann und dem 1. Landesdirektor Dr. Mäe in Reval statt. Sie ging auf Anregung des Gen.Kom. zurück, der selbst mit der Bevölkerung Konnex bekommen und den 1. Landesdirektor veranlassen wollte, nicht nur – wie bisher – durch Rundfunkreden propagandistisch auf die Bevölkerung einzureden, sondern öffentlich in einer Versammlung aufzutreten. Die Anwesenden setzten sich fast ausnahmslos aus dem Bürgertum zusammen. Vor Beginn der Versammlung war die Stimmung reserviert, bei manchen skeptisch. Es entstand der Eindruck, dass die Besucher sich an die vielen Meetings erinnerten, zu denen die Bolschewisten sie gezwungen hatten. Beim Auftreten und zu Beginn der Rede von Dr. Mäe blieb die Stimmung merklich kühl und abwartend. Der Beifall, mit dem der Gen.Kom. begrüsst wurde, war zunächst sicher bei den meisten Anwesenden als eine Art der Höflichkeit gegenüber dem Repräsentanten des Deutschen Reiches zu werten. Der Beifall, der im Laufe der Rede des Gen.Kom. regelmäßig einsetzte, war jedoch beim weitaus grössten Teil der Besucher zweifellos ehrlich gemeint. Überrascht und ausgesprochen gerührt waren die Anwesenden darüber, dass der Gen.Kom. in seinen Ausführungen nicht nur politische Forderungen erhebt und Richtlinien erteilt, sondern „Herz“ hat. Bei der Ehrung der verschleppten 50 000 Esten brach der grösste Teil der Anwesenden in eine ehrliche und z. T. hemmungslose Rührung aus. Als nach der Rede des Gen.Kom. nach den deutschen Hymnen die estnische Volkshymne gesungen wurde, brach bei vielen die bewegte Rührung erneut hervor. Die spontane Stimmung unmittelbar nach Beendigung der Kundgebung war durchweg positiv. 2.) Da das Abhören ausländischer Sender im Gebiet des Reichskommissariats Estland in steigendem Maße zugenommen hat, wurde von dem heutigen Tage eine Anordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen erlassen, durch die das absichtliche Abhören ausländischer Rundfunksender verboten und unter Strafe gestellt ist. 3.) Die Ernährungslage in den Städten des Generalbezirks Litauen ist weiterhin gespannt. Die Bevölkerung muss nach wie vor die wenigen zurzeit erhältlichen Artikel sich erst durch zeitraubendes Schlangestehen erwerben. Die Herabsetzung der Fleischration von 350 g auf 250 g und der Wegfall der Fettration in der Woche vom 5. bis 11.1. 42 hat in der Bevölkerung grosse Unzufriedenheit hervorgerufen, zumal man sowieso schon der Ansicht ist, dass die bisherige Fleisch- u. Brotration viel zu gering sei, um die Arbeitskraft aufrechtzuerhalten. Man weist darauf hin, dass die Bevölkerung im Reich 20 Prozent mehr erhält. Unzufriedenheit besteht auch darüber, dass die Deutschen in Litauen sogar das Doppelte der Zuteilungen wie im Reich erhalten. Als absolutes Versagen der deutschen Behörden bezeichnet man das Unvermögen, tatkräftig dem Schleichhandel, mit

EM 159 v. 23. 1. 1942

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welchem alle Artikel teilweise zum zehn- bis zwanzigfachen Preise verkauft werden, entgegenzutreten. Weiter kritisiert man, dass lediglich in den Städten Lebensmittelkarten ausgegeben werden, während auf dem Lande in keiner Weise irgendeine Beschneidung vorgenommen wird. 4.) Am 20. 1. 1942 gegen 22.30 Uhr sind im Rayon des Gutes „Kauguri“, etwa 2 Kilometer von Wolmar entfernt, eine unbekannte Zahl von Russen, mindestens 4 Personen, von Flugzeugen aus abgesprungen. Die Fahndung ist eingeleitet. 5.) Im Rigaer Zentralgefängnis sind bisher 22 Häftlinge und ein Angestellter (Aufseher) an Typhus erkrankt. In den übrigen Rigaer Gefängnissen sind bislang keine Typhusfälle festgestellt worden. Im Krankenhaus in Dünaburg ist der medizinische Feldscher des Dünaburger Gefängnisses an Fleckfieber verstorben. 6.) In Minsk wurden 60 Russen wegen des gemeldeten Aufstandes im Kriegsgefangenenlager erschossen. 7.) Wegen Beihilfe zum bewaffneten Aufstand, Partisanenverdachts, illegaler NKWD-Tätigkeit und Spionageverdachts wurden 23 Russen und 3 Polen, die in der polnischen Widerstandsbewegung tätig waren, in Haft genommen. Meldungen der Einsatzgruppen B u. C liegen nicht vor. Einsatzgruppe D: Standort Simferopol. Partisanenaktion in Taraktasch im Raume Sudak: Am 11. 1. 1942 wurde Taraktasch von etwa 80–90 Mann Partisanen und versprengten Russen angegriffen. In Taraktasch liegt ein Teilkommando von 10b in Stärke von 1 zu 7 sowie 80 Mann der vom Kommando aufgestellten Tatarenselbstschutzkompanie. Die Tataren hatten bereits nach Weisung des Kommandos Sicherungen ausgestellt. Als die ausgestellten Sicherungen mit den angreifenden Partisanen Feindberührung hatten, wurde die T.S.Komp. alarmiert. Sie griff mit unerhörter Bravour in den Kampf ein. Der Gegner wurde restlos zerschlagen. Ein Flakgeschütz griff unter der Leitung von Dolmetscher Voß ebenfalls wirksam ein und nahm den flüchtenden Gegner unter Feuer. Verluste des Feindes: 11 Tote, mehrere Verwundete, davon ein Schwerverletzter in unserer Hand, 55 Gefangene, darunter 1 Politruk. Beute: 6 M.Pi., 1 sMG, 55 Gewehre, zahlreiche Munition, 140 Handgranaten und 6 Pistolen. Eigene Verluste: Ein Tatare wurde durch Armschuss verwundet. Der angreifende Feind rekrutierte sich aus Partisanen und bei Sudak gelandeten Russen, die den Auftrag hatten, auf der Strasse Sudak–Sali den Ort Sali zu erreichen, um die Strasse Simferopol–Stari Krim zu beunruhigen bzw. zu sperren. Die Gruppe ist 6 km westlich von Sudak in Stärke von ca. 180 Mann gelandet. Durch vorherige Aktionen kann diese damals bei Sudak gelandete Gruppe als vernichtet gemeldet werden. Bei dieser Aktion muss nochmals die Einsatzfreudigkeit und das Draufgängertum der vom Kommando rekrutierten Tataren betont werden. Die Gefangenen bestehen überwiegend aus Tataren, Grusiniern und Armeniern. Alle erklärten einstimmig, dass sie nur kämpften, weil sie vor deutscher Gefangenschaft Angst hätten, da ihnen erzählt worden wäre, die Deutschen würden alle Gefangenen massakrieren. Es wurden aus den Gefangenen 5 Mann ausgesucht, die sich bereiterklärten, in die Berge zu gehen und ihren Kameraden zu sagen, dass den sich freiwillig beim Kommando meldenden Partisanen und Truppen nichts passieren würde. III. Reich und besetzte Gebiete: Der Kdr. d. Sipo u.d. SD in Veldes meldet: Die in der Ortschaft Drasgosche zersprengte und dann geflüchtete Bande hat sich in mehrere Gruppen geteilt, die mit eingesetzten Polizeistreifen mehrere Male in Berührung kamen. [Unleserlich] es auf Seiten der Bande 15 Tote. Gestern verlor die Bande bei [unleserlich] abermals 11 Tote. Auf Seiten der Polizei waren keine Verluste. Unter den Toten befanden sich einige wichtige Personen, so ein politischer Kommissar und ein Bandenführer. Ausserdem konnten einige abgesprengte

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EM 160 v. 26. 1. 1942

Bandenmitglieder festgenommen werden, die wichtige Angaben über den Aufbau und die Führung der Bande usw. machen können. Das Gros der Bande konnte am 20. 1. durch verlässliche V-Meldungen an [unleserlich] festgenommen werden und dzt. finden Besprechungen über einen Grosseinsatz statt. Neben der bereits bekanntgegebenen Aushebung einer Jugendorganisation der OF in Aussling, bei der 36 Personen festgenommen wurden, konnte dort eine weitere Organisation aufgerollt werden, die die Erwachsenen erfasst hat. Bisher wurden 50 Personen festgenommen. Weitere Festnahmen finden laufend statt. Die Aktion in der Gemeinde Längenfeld ist abgeschlossen. Auch hier wurden Personen festgenommen, die einen Überfall auf einen Stützpunkt des Zollgrenzschutzes unternommen, den Gendarmerieposten in Längenfeld ausgehoben, eine Brücke zerstört und Strassensperren gelegt haben. Unter den Festgenommenen befinden sich auch die Führer der einzelnen Aktionen. Neben Waffen und Munition konnten auch 12 Dosen Sprengstoff sichergestellt werden. In den einzelnen Ortschaften des [unleserlich] wurden ebenfalls bisher ca. 100 Personen festgenommen, die sich zum Teil bewaffnet den Banden angeschlossen hatten. Am 21. 1. 42 wurden aus der Strafanstalt in [unleserlich] 14 Angehörige der Jugendorganisation in Aussling erschossen. Seit [unleserlich] Tagen haben keinerlei Aktionen von Banden stattgefunden. BAB, R 58/220

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 26. Januar 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 160 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 26. 1. 1942. Höherer SS- und Polizeiführer Nord (101): (Jeckeln), Standort: Riga. Einsatzgruppe A: (Dr. Stahlecker), Standort: Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: FT, FS Riga, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Estland: (Dr. Sandberger), Standort: Reval mit Dienststellen in Narwa, Dorpat, Kingisepp, KrasnojeSelo, Luga und Pleskau, N-Verbindungen: FT Reval, FS Reval, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Lettland: (Dr. Lange), Standort: Riga mit Dienststellen in Libau, Wolmar und Dünaburg, N-Verbindungen: FT Riga, FS Riga und Libau, Feldpost-Nr. 15447. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Litauen: (Jäger), Standort: Kauen mit Dienststellen in Wilna und Schaulen, N-Verbindungen: FT und FS Kauen und Wilna, Feldpost-Nr. 15641. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Weissruthenien: (Strauch), z. Zt. vertreten durch SS-Stubaf. RR Hofmann, Standort: Minsk mit Dienststellen in Nowogrodek, Tschudowo, a. d. Marsch nach Cholm und Baranowicze, N-Verbindungen: FT und FS Minsk, Feldpost-Nr. 15641. Höherer SS- und Polizeiführer Mitte (102): (Von dem Bach), Standort: Mogilew.

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Einsatzgruppe B: (Naumann), Standort: Smolensk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Kurierverbindung über Warschau und Fernsprecher über VD Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando 7a: (Steimle 1), Standort: Wjasma mit Teilen in Gshatsk, N-Verbindungen: FT Wjasma, Feldpost-Nr. 05607. Sonderkommando 7b: (Rausch), Standort: Brjansk mit Teilen in Orel und Kursk, N-Verbindungen: FT a. d. Marsch, Feldpost-Nr. 18555. Einsatzkommando 8: (Bradfisch [durchgestrichen, handschriftlich: Richter 2]), Standort: Mogilew, Roslawl, Orscha, Gomel, Bobruisk, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 37857. Einsatzkommando 9: (Schäfer), Standort: Witebsk m. Teilen in Smolensk, N-Verbindungen: FT Witebsk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando Moskau: Standort: Roslawl, N-Verbindungen: FT Roslawl. Höherer SS- und Polizeiführer Süd (103): (Prützmann), Standort: Kriwoj-Rog, N-Verbindungen: FS Lemberg. Einsatzgruppe C: (Dr. Thomas), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier, Feldpost-Nr. 32704. Sonderkommando 4a: (Dr. Weinmann), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow, Feldpost-Nr. 22789. Sonderkommando 4b: (Haensch), Standort: Kramatorsk mit Teilen in Shitomir, Rowno, Winniza, N-Verbindungen: FT Nikolajew u. Rowno, FS Rowno, Feldpost-Nr. 35102. Einsatzkommando 6: (Kröger 3), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino, FeldpostNr. 35979. Höherer SS- und Polizeiführer z. b. V.: (Korsemann), Standort: Rowno. Einsatzgruppe D: (Ohlendorf), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol, Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10a: (Seetzen), Standort: Taganrog, Teile in Mariupol und Melitopol, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10b: (Persterer), Standort: Feodosia, Teile in Dshankoj [handschriftlich: Stari Krim], N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11a: (Zapp), Standort: Bachtschissaraj mit Teilen in Jalta, N-Verbindungen: FT Jalta und Bachtschissaraj, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11b: (Zapp 4), Standort: Simferopol mit Teilen in Aluschta, Karasubasar, Eupatoria, N-Verbindungen: FT Simferopol und Aluschta, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 12: (Nosske), Standort: Fedorowka [handschriftlich: m. Teilen in Pologi, Seitler, Sarabus u. Biukxas], N-Verbindungen: FT Fedorowka, Feldpost-Nr. 47540. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Allgemeine Tendenz der sowjetrussischen Presse: Der Ton der Presse ist sehr zuversichtlich. Neben dem offiziellen sowjetischen Patriotismus werden die nationalistischen und auch panslawistischen Gedanken stark betont. Der Krieg wird als „vaterländischer“ Volkskrieg gegen die deutsch-faschistischen Unterdrücker gefeiert und der Partisanenkampf glorifiziert. Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Für die Immatrikulierung von Studenten an der Universität Dorpat und der Technischen Hochschule Reval ist folgender Numerus Clausus festgesetzt worden: Universität: Medizinische Fakultät, Ärztl. Abteilung 100, Pharmazeutische Abteilung 35, Tierärztl. Fakultät 30, Landwirtschaftliche Fakultät, Landwirtschaftliche Abteilung 50, Abteilung für Forstwesen 35, Technische Hochschule: Abtl. für Mechanik 45, Fakultät für Chemie und Bergbau, Abteilung für Bergbau 25. In der Revaler Arbeiterschaft wächst die Unzufrie-

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denheit wegen der immer noch nicht geklärten Regelung der Lohnfrage. Da die Lohnsätze oft wesentlich unter den vorschussweise gezahlten Beträgen liegen, ist mit einer Verschärfung der Stimmungslage zu rechnen. Bei den Hafenarbeitern werden zwei Fragen erregt diskutiert: 1. Die neuen Lohnsätze betragen nur ca. 75 % der vom Marinehafenbauamt bisher gezahlten Löhne. 2. Die verkürzten Sonnabende und Vorfeiertage wurden bisher voll angerechnet. Nach einer Verfügung des Marinebauamtes werden jetzt nur noch die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden vergütet. Die Arbeiterschaft hat bereits recht scharf gehaltene Proteste eingebracht. In Reval hat die estn. Kriminalpolizei unter Leitung der deutschen Sicherheitspolizei in den Abendstunden des 16. Januar und in den Morgenstunden des 17. Januar eine Aktion zur Bekämpfung des Schleichhandels durchgeführt. 91 Personen wurden auf frischer Tat betroffen. Im Besitz dieser Personen befindliche Lebensmittel wurden zugunsten der estnischen Verwaltung sichergestellt. In der Bevölkerung Lettlands kursiert das Gerücht, daß der frühere lettische Staatspräsident Ulmanis, der in Russland in der Verbannung lebte, inzwischen nach London gekommen sei und dort einen Aufruf erlassen habe, in dem er die Letten auffordert, auf keinen Fall auf deutscher Seite am Kriege teilzunehmen. England und Amerika hätten es auch erreicht, die Sowjets so stark zu beeinflussen, daß mit einer Neuerrichtung des bolschewistischen Regimes in den baltischen Staaten bei einem Siege der Sowjetunion nicht mehr zu rechnen wäre. Es würde eine linksdemokratische Regierung gebildet werden, wie auch schon jetzt die Bildung einer lettischen Regierung in London bevorstünde. Eine solche linksdemokratische landeseigene Regierung wäre aber immer noch besser als im Reichskommissariat Ostland zu bleiben und früher oder später dem Reich angegliedert zu werden. Von den Einsatzgruppen B–D liegen keine Meldungen vor. III. Besetzte Gebiete: Die Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei und des SD Belgrad meldet: Bei Großunternehmen deutscher Wehrmacht in Bosnien führender Kommunist aus serbischem Aufstand und Mitführer des bosnischen Aufstandes, Franjo Weinert aus Sarajewo, im Kampf getötet. Festnahmen: Wegen kommunistischer Betätigung 21 Personen, wegen Spionage 1 Person, wegen Devisenschiebung 2 Personen, wegen Sabotage 2 Personen, wegen Ermordung eines Volksdeutschen und Betätigung als Franktireure während des jugosl. Feldzuges 17 Personen, wegen verschiedener Delikte 3 Personen, ausserdem 4 amerikanische Staatsangehörige interniert. Bei weiteren Ermittlungen gegen die anlässlich der Ermordung eines russischen Werkschutzangehörigen festgenommenen Skoj-Mitglieder wurde festgestellt, daß ausser kommunistischer Propaganda auch Sanitätsmaterial und Geld gesammelt und den komm. Banden in den Wald geschickt wurde. Als geistiger Urheber und Instrukteur festgestellt Obrad Pelemis. Ist höherer kommunistischer Funktionär und Terrorist. Von Teilnehmern an kommunistischem Teenachmittag weitere 5 Personen festgenommen. Zusammenhänge dieser Gruppe mit der Gruppe, die den russischen Werkschutzmann ermordete, festgestellt. Ausserdem Aufklärung eines Attentats auf eine Serbin, die der Sicherheitspolizei Angaben über Kommunisten gemacht hatte. Ausser den Festgenommenen 10 namentlich erfaßte Mitglieder der Gruppe noch flüchtig. Bei Bekämpfung der aufständischen Bewegung festgestellt, daß Bewegung des Oberst Mihajlovic bewaffneten Umsturz plante. Zahlreiche ehemalige jugosl. Offiziere und andere bedeutende Persönlichkeiten waren geheime Mitarbeiter. Örtliche Organisationsführer hatten Aufgabe, Mitglieder zu werben und einzelne lebenswichtige Objekte in ihrem Wohnsitz skizzenmäßig zu erfassen. Waffen und bewaffnete Hilfskräfte sollten im gege-

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benen Augenblick zur Verfügung gestellt werden. In einigen bereits bekannten Fällen falsche Ausweispapiere verwandt. Organisation konspirativ aufgebaut. Vernommene Offiziere sagen aus, daß Organisation nicht gegen deutsche Besatzungstruppen gerichtet sei, sondern der Abwehr des Kommunismus dienen soll. Im Gegensatz hierzu Äusserung Mihajlovics bekannt geworden, der im Falle deutscher Niederlage an der russischen Front abziehende deutsche Truppen angreifen wollte. Mihajlovic jetzt Kriegsminister der jugosl. Exilregierung in London. In dieser Ermittlungssache bereits über 100 Beschuldigte erfaßt, darunter hohe und höchste ehemalige jugosl. Offiziere. Festnahme des Leiters der Belgrader Artistenagentur Ludwig Goppel, Spitzname Raymond, beschuldigt, bis Ausbruch des Krieges im englischen ND tätig gewesen zu sein. Weiterhin Festnahme des Prof. Mile Pavlovic, der für den englischen ND gearbeitet haben und an Donau-Sabotage beteiligt gewesen sein soll. BAB, R 58/220 1

Falsch, kommissarisch geführt durch Kurt Matschke. Heinz Richter, geb. 1903, Jurastudium, 1926 NSDAP, 1930 Referendarexamen, 1934 Assessorexamen, 1935 zur Stapo-Leitstelle Berlin, 1936 SS u. Chef Stapo-Stelle Allenstein, 1938 Stubaf. u. zum IdS Wien, 1939 VO EG I beim AOK 14 in Polen, danach zum RSHA, Jan. 1942 Kdr. EK 8, Sept. 1942 Gerichtsoffizier beim BdS Frankreich, 1943 Ostubaf., Mai 1944 Chef Stapo-Stelle Frankfurt/Oder, 1969 zu 7 Jahren Haft verurteilt; BAB, BDC, SSO Heinz Richter; BAL, ZK: Heinz Richter; Urteil LG Kiel v. 11. 4. 1969, BAL, B 162/14376; Mallmann/Böhler/Matthäus: Einsatzgruppen in Polen, S. 21, 106. 3 Falsch, längst Robert Mohr. 4 Falsch, längst Dr. Werner Braune. 2

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 28. Januar 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 161 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 28. 1. 1942. Höherer SS- und Polizeiführer Nord (101): (Jeckeln), Standort: Riga. Einsatzgruppe A: (Dr. Stahlecker), Standort: Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: FT, FS Riga, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Estland: (Dr. Sandberger), Standort: Reval mit Dienststellen in Narwa, Dorpat, Kingisepp, KrasnojeSelo, Luga und Pleskau, N-Verbindungen: FT Reval, FS Reval, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Lettland: (Dr. Lange), Standort: Riga mit Dienststellen in Libau, Wolmar und Dünaburg, N-Verbindungen: FT Riga, FS Riga und Libau [durchgestrichen], Feldpost-Nr. 15447. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Litauen: (Jäger), Standort: Kauen mit Dienststellen in Wilna und Schaulen, N-Verbindungen: FT und FS Kauen und Wilna, Feldpost-Nr. 15641. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Weissruthenien: (Strauch), z. Zt. vertreten durch SS-Stubaf. RR Hofmann, Standort: Minsk mit Dienststel-

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len in Nowogrodek, Tschudowo, a. d. Marsch nach Cholm und Baranowicze, N-Verbindungen: FT und FS Minsk, Feldpost-Nr. 15641. Höherer SS- und Polizeiführer Mitte (102): (Von dem Bach), Standort: Mogilew. Einsatzgruppe B: (Naumann), Standort: Smolensk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Kurierverbindung über Warschau und Fernsprecher über VD Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando 7a: (Steimle 1), Standort: Wjasma mit Teilen in Gshatsk [durchgestrichen, handschriftlich: Demidow], N-Verbindungen: FT Wjasma [durchgestrichen, handschriftlich: FT Demidow], Feldpost-Nr. 05607. Sonderkommando 7b: (Rausch), Standort: Brjansk mit Teilen in Orel und Kursk, N-Verbindungen: FT a. d. Marsch [durchgestrichen, handschriftlich: Brjansk], FeldpostNr. 18555. Einsatzkommando 8: (Richter), Standort: Mogilew, Roslawl, Orscha, Gomel, Bobruisk, N-Verbindungen: FT Roslawl, Feldpost-Nr. 37857. Einsatzkommando 9: (Schäfer), Standort: Witebsk mit Teilen in Smolensk, N-Verbindungen: FT Witebsk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando Moskau: Standort: Roslawl, N-Verbindungen: FT Roslawl. Höherer SS- und Polizeiführer Süd (103): (Prützmann), Standort: Kriwoj-Rog, N-Verbindungen: FS Lemberg. Einsatzgruppe C: (Dr. Thomas), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier, Feldpost-Nr. 32704. Sonderkommando 4a: (Dr. Weinmann), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow, Feldpost-Nr. 22789. Sonderkommando 4b: (Haensch), Standort: Kramatorsk mit Teilen in Shitomir, Rowno, Winniza, N-Verbindungen: FT Nikolajew und Rowno, FS Rowno, Feldpost-Nr. 35102. Einsatzkommando 6: (Kröger 2), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino, FeldpostNr. 35979. Höherer SS- und Polizeiführer z. b. V.: (Korsemann), Standort: Rowno. Einsatzgruppe D: (Ohlendorf), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol, Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10a: (Seetzen), Standort: Taganrog, Teile in Mariupol und Melitopol, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10b: (Persterer), Standort: Feodosia, Teile in Dshankoj, Stari Krim, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11a: (Zapp), Standort: Bachtschissaraj mit Teilen in Jalta, N-Verbindungen: FT Jalta und Bachtschissaraj, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11b: (Zapp 3), Standort: Simferopol mit Teilen in Aluschta, Karasubasar, Eupatoria, N-Verbindungen: FT Simferopol und Aluschta, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 12: (Nosske), Standort: Fedorowka mit Teilen in Pologi, Seitler, Sarabus und Biukxas, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. 1.) In der Nacht zum 25. 1. 42 führte EK 1a nach allgemein-sicherheitspolizeilichen Gesichtspunkten unter Grosseinsatz von Sicherheitspolizei, Selbstschutz, estn. politischer Polizei, estn. Kriminalpolizei usw. in Reval eine Grossaktion durch, bei der 128 Personen festgenommen wurden, von denen 47 in Haft bleiben. 26 Personen davon waren im Fahndungsbuch der estn. pol. Polizei ausgeschrieben. Sichergestellt wurden u. a. 6 russ. Gewehre, 3 Revolver, 1000 Schuss Infanteriemunition, 1 Schreibmaschine, grössere Mengen Le-

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bensmittel, Stoffe und Konfektionsartikel. 2.) Der ursprünglich auf den 23. ds. Mts. festgesetzte Termin für die Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit an der Universität Dorpat ist auf den 30. ds. Mts. verschoben worden. Die Universität wird am genannten Tage mit der medizinischen, tierärztlichen und land- und forstwirtschaftlichen Fakultät eröffnet werden. Es wird mit etwa 500 Studierenden gerechnet. Der Lehrbetrieb an der Technischen Hochschule in Reval soll am 26. ds. Mts. wieder aufgenommen werden. Bisher haben sich 286 Studierende gemeldet. 3.) In der Rechtsabteilung des Generalkommissariats in Reval fand am 15. 1. 11 Uhr eine Beratung über den Aufbau der deutschen und estnischen Gerichtsbarkeit in Estland statt. Wie verlautet, sollen die Beratungen bezüglich der deutschen Gerichtsbarkeit dahin gehen, dass die vom Reichskommissar erlassenen Anordnungen betr. deutsche Gerichte v. 6. 10. 41 durchgeführt werden. Bezüglich der estnischen Gerichtsbarkeit sollen die zur estnischen Zeit bestandenen Gerichte und der an diesen Gerichten geltende Rechtszug wieder eingeführt werden (Friedensrichter, Bezirksrichter, Oberlandesgericht). Das Staatsgericht (Reichsgericht) soll jedoch nicht wieder eingeführt werden. Die Vertretung der Anklage vor dem Sondergericht (politische Strafsachen für Deutsche und Esten) wird in die Hand der Staatsanwaltschaft gelegt werden. Von den Einsatzgruppen B und C liegen keine Meldungen vor. Einsatzgruppe D: Standort Simferopol. Während Feodosia seit 18. 1. wieder feindfrei ist, konnte der Landekopf Sudak bisher noch nicht beseitigt werden. Von Bedeutung ist der Landekopf jedoch nicht. Kommando 10b hat sofort die frühere Unterkunft, die durch Bombentreffer beschädigt ist, wieder bezogen. Die Sachen der Kommandoangehörigen sind bis auf einzelne Uniformstücke geplündert. Das Haus ist völlig verwüstet. Zurückgebliebene Deutsche wurden ebenso wie Bewohner, die mit Deutschen in Verbindung waren, erschossen und auf Straßen vorgefunden. Im Keller der Kommandounterkunft wurden 9 deutsche Soldaten, davon 6 tot und 3 verwundet, im Wasser liegend gefunden. Die Verwundeten hatten sich während der Erschießung tot gestellt. Sie wurden sofort vom Kommando geborgen. Die deutschen Lazarette waren geräumt. Täglich werden neue Stätten mit erschossenen deutschen Soldaten und Verwundeten gefunden. Die Bevölkerung ist völlig verängstigt und wagt noch nicht, sich den Deutschen zur Verfügung zu stellen. Der Hafen ist durch Luftwaffe völlig zerschlagen. 6 gesunkene rote Schiffe sperren die Mole. Die Roten mussten jetzt selbst 1200 Verwundete in Feodosia zurücklassen. Die Bolschewisten, die noch entkommen konnten, sind nach Osten auf Halbinsel Kertsch ausgewichen. Feind wird nach Abriegelung der Landenge weiter nach Osten gedrückt. BAB, R 58/220 1 2 3

Falsch, kommissarisch geführt durch Kurt Matschke. Falsch, längst Robert Mohr. Falsch, längst Dr. Werner Braune.

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 30. Januar 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 162 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 30. 1. 1942. Höherer SS- und Polizeiführer Nord (101): (Jeckeln), Standort: Riga. Einsatzgruppe A: (Dr. Stahlecker), Standort: Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: FT, FS Riga, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Estland: (Dr. Sandberger), Standort: Reval mit Dienststellen in Narwa, Dorpat, Kingisepp, KrasnojeSelo, Luga und Pleskau, N-Verbindungen: FT Reval [durchgestrichen], FS Reval, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Lettland: (Dr. Lange), Standort: Riga m. Dienststellen in Libau, Wolmar u. Dünaburg, N-Verbindungen: FT Riga [durchgestrichen], FS Riga, Feldpost-Nr. 15447. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Litauen: (Jäger), Standort: Kauen m. Dienststellen in Wilna und Schaulen, N-Verbindungen: FT und FS Kauen und Wilna, Feldpost-Nr. 15641. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Weissruthenien: (Strauch), z. Zt. vertreten durch SS-Stubaf. RR Hofmann, Standort: Minsk m. Dienststellen in Nowogrodek, Tschudowo, a. d. Marsch nach Cholm und Baranowicze, N-Verbindungen: FT und FS Minsk, Feldpost-Nr. 15641. Höherer SS- und Polizeiführer Mitte (102): (Von dem Bach), Standort: Mogilew. Einsatzgruppe B: (Naumann), Standort: Smolensk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Kurierverbindung über Warschau und Fernsprecher über VD Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando 7a: (Steimle 1), Standort: Demidow [durchgestrichen, handschriftlich: a. d. Marsch n. Smolensk], N-Verbindungen: FT Demidow [durchgestrichen], FeldpostNr. 05607. Sonderkommando 7b: (Rausch [durchgestrichen]), Standort: Brjansk mit Teilen in Orel und Kursk, N-Verbindungen: FT Brjansk, Feldpost-Nr. 18555. Einsatzkommando 8: (Richter), Standort: Mogilew, Roslawl, Orscha, Gomel, Bobruisk, N-Verbindungen: FT Roslawl, Feldpost-Nr. 37857. Einsatzkommando 9: (Schäfer), Standort: Witebsk m. Teilen i. Smolensk, N-Verbindungen: FT Witebsk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando Moskau: Standort: Roslawl, N-Verbindungen: FT Roslawl. Höherer SS- und Polizeiführer Süd (103): (Prützmann), Standort: Kriwoj-Rog [durchgestrichen, handschriftlich: Rowno], N-Verbindungen: FS Lemberg [durchgestrichen]. [Handschriftlich ergänzt:] Kdr. d. Sipo u. des SD f.d. Generalbezirk Nikolajew: (Dr. Spann2). [Handschriftlich ergänzt:] Kdr. d. Sipo u. des SD f.d. Generalbezirk Charkow: (Dr. Kranebitter 3). Einsatzgruppe C: (Dr. Thomas), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier, Feldpost-Nr. 32704.

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Sonderkommando 4a: (Dr. Weinmann), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow, Feldpost-Nr. 22789. Sonderkommando 4b: (Haensch), Standort: Kramatorsk mit Teilen in Shitomir, Rowno, Winniza, N-Verbindungen: FT Nikolajew und Rowno, FS Rowno, Feldpost-Nr. 35102. Einsatzkommando 6: (Kröger 4), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino, FeldpostNr. 35979. Höherer SS- und Polizeiführer z. b. V.: (Korsemann), Standort: Rowno. Einsatzgruppe D: (Ohlendorf), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol, Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10a: (Seetzen), Standort: Taganrog, Teile in Mariupol und Melitopol, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10b: (Persterer), Standort: Feodosia, Teile in Dshankoj, Stari Krim, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11a: (Zapp), Standort: Bachtschissaraj mit Teilen in Jalta, N-Verbindungen: FT Jalta u. Bachtschissaraj, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11b: (Zapp [durchgestrichen, handschriftlich: Dr. Braune]), Standort5: Fedorowka mit Teilen in Pologi, Seitler, Sarabus und Biukxas, N-Verbindungen: FT Fedorowka, Feldpost-Nr. 47540. [Es fehlt Einsatzkommando 12] II. Meldungen d. Eins.Gruppen und -Kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Verwaltung, deutsche Stellen: In gewissen Kreisen der estnischen Intelligenz besteht die Hoffnung, aus der Umstellung auf die Zivilverwaltung Profit zu schlagen. Es handelt sich um solche Personen, die aus politischen Gründen aus ihren leitenden Stellungen ausgeschieden worden sind und die nun damit rechnen, bei eventuellen Neueinstellungen berücksichtigt zu werden. Im allgemeinen ist die Einstellung der Bevölkerung zu den deutschen Stellen nach wie vor positiv. Wenn in den breiten Massen eine Unzufriedenheit über Behörden laut wird, so handelt es sich fast ausschließlich um die volkseigenen Stellen, denen vor allem Vetternwirtschaft vorgeworfen wird. Den führenden Persönlichkeiten der estnischen Verwaltung ist es bis jetzt noch nicht gelungen, eine tiefgehendere Resonanz im Volke zu finden. Die Einstellung zu ihnen ist grundsätzlich als neutral zu bezeichnen. Im altsowjetischen Gebiet hat die deutsche Verwaltung vorwiegend mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Kreditierung der örtlichen Kommunalverwaltungen geschieht durch die Reichskreditkasse. Kürzlich wurde in Luga eine Abteilung der Reichskreditkasse gegründet, die bei einem Anfangskassenstand von 350 000,– RM der Stadt Luga ein erstes Darlehen von 50 000,– RM zur Wiedereinsetzung der lebenswichtigen Betriebe gewährt hat. Volkstum: Grosse Beachtung hat am Neujahrstage in der estnischen Bevölkerung die Rückbeförderung von 600 estnischen Kriegsgefangenen, die an der Finnlandfront den verbündeten Truppen in die Hände gefallen sind, nach Reval gefunden. Unter den Heimkehrenden befand sich auch der zweifache Olympiasieger Palusalu 6. Obwohl dieser schon am selben Tage nach Hause entlassen wurde, wurde im Zusammenhang mit der sicherheitspolizeilichen Überprüfung der Gefangenen im Revaler Lager in der Stadt das Gerücht verbreitet, der populäre Volksheld sei als russischer Spion verhaftet worden. Die rd. 1350 Russen, die z. Zt. in Reval gezählt werden, verhalten sich im allgemeinen ruhig. In letzter Zeit geht unter ihnen das Gerücht um, deutscherseits würden für den Einsatz an der Ostfront Bataillone aus russischen Kriegsgefangenen gebildet, und es seien schon

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welche an die Front geschickt worden. In Dorpat zeigt sich ein gewisses Erwachen auf kulturellem Gebiet unter der dortigen russischen Intelligenz. Man ist bestrebt, die russischen Kinder in Kreisen und Kindergärten zusammenzufassen. Unter den Estlandschweden wird der Gedanke einer Umsiedlung nach Schweden besprochen. Im Jahr 1940 haben diesbezügliche Verhandlungen zwischen Moskau und Stockholm stattgefunden, die jedoch zu keinem Resultat geführt haben. Propaganda: Die vorhandenen Propagandamittel sind noch nicht ausreichend genug, um umfassendere Aktionen zur Aufklärung des Volkes durchführen zu können. Sehr stark ist die gegnerische Flüsterpropaganda, die nur durch wirksame deutsche Gegenpropaganda bekämpft werden kann. Der Finnlandsender hat auch in der Berichtszeit eine Reihe tendenziöser Sendungen gebracht. Am Weihnachtsabend fand die Übermittlung von Grüssen in Finnland ansässiger Esten an ihre hiesigen Freunde statt, die mit der estnischen Nationalhymne abschloss. Am 22. 12. erfolgte in der Wiedergabe eines Zeitungsartikels eine deutliche Anspielung auf die angeblichen Ansprüche des estnischen Kleinvolkes auf Selbständigkeit, am 31. 12. wurde durch den Aufsatz „Pro Estonia“ aus der Zeitung „Soumen Heimo“ erneut Propaganda für die finnisch-estnische Zusammengehörigkeit und eine estnische Republik gemacht. Neben dem finnischen Sender ist in letzter Zeit auch das Abhören englischer und schweizerischer Sender, denen in grossem Maße das Entstehen der in der Bevölkerung verbreiteten Gerüchte zuzuschreiben ist, angewachsen. Eine gewissen Ernüchterung haben hier die japanischen Erfolge gebracht; auch dürfte es der englischen Propaganda nicht mehr gelingen, den weitgehenden Mißkredit, in den England heute bei der Bevölkerung geraten ist, wieder wett zu machen. Das Interesse für die englischen Nachrichten geht auf das Bedürfnis nach möglichst weitgehender Information über die Ereignisse an der Front zurück. Kirchen: Das religiöse Leben zeigte während der Weihnachtsfeiertage eine besondere Intensität. Die Feiern in den Kirchen und die Lichterbäume auf den öffentlichen Plätzen der grösseren Städte gaben wiederholt Anlass zu Äusserungen der Freude darüber, dass durch die deutsche Hilfe nun auch die von den Sowjets verpönten Weihnachten wieder zu Ehren gekommen seien. Obwohl die Pastorenschaft sich im allgemeinen jeglicher politischer Betätigung enthält, ist in letzter Zeit zu beobachten, dass in Predigten und Gebeten der Führer nicht erwähnt wird. Im altsowjetischen Gebiet werden die Kirchen sehr stark besucht, allerdings überwiegend von älteren Personen und Kindern. In Pleskau sind die vorhandenen sechs Kirchen zu den Gottesdiensten überfüllt, ebenso die einzige Kirche in Luga, so dass dort an die Einrichtung einer zweiten gedacht wird. Vollzugstätigkeit: 1.) Am 28. 1. 42 gelang es in Kauen, die aktivste bolschewistische Terrorgruppe in Litauen zu zerschlagen. EK 3 hatte Kenntnis davon bekommen, dass der bislang vergeblich gesuchte Führer der Terrorgruppe, Malinauskas, in einem Hause eine Zusammenkunft mit mehreren Personen hatte. Die Männer des EK hatten ein schweres Feuergefecht mit den im Hause befindlichen Terroristen, räumten aber schliesslich das Haus mit Handgranaten aus. Malinauskas, der sich bis zuletzt zur Wehr setzte, wurde getötet, ein weiterer Terrorist schwer verwundet. Bei der Wohnungsdurchsuchung wurden frischgedruckte kommunistische Flugblätter, ein Setzkasten, eine Anzahl gefälschter Gummistempel deutscher und litauischer Dienststellen, darunter 1 Siegel mit der Aufschrift „Kommando der Schutzpolizei“, ferner 12,5 kg russ. Sprengstoff (TNT), Pistolen nebst Munition, 2,5 kg Blättchenpulver, fertige Sprengkörper, ausserdem rote Fahnen mit Hammer und Sichel, litauische Pässe, russ. Treibstoff u. a. mehr gefunden. Wegen Betätigung für eine polnische Geheimorganisation wurden in Wilna 22 Personen festgenommen.

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2.) [Unleserlich] wurde der Rechtsanwalt Stanaitis festgenommen, der zusammen mit anderen Personen in seiner Wohnung mit Jüdinnen, die sich heimlich aus dem Ghetto entfernt hatten, Zechgelage veranstaltete. 3.) Im [unleserlich], etwa 60 km südwestlich von Mitau, wurden 2 Landwirte, eine Frau und 1 Kind durch 2 geflüchtete russ. Kriegsgefangene durch Beilhiebe ermordet. Die Mörder raubten Pelze, Geld, Lebensmittel, Schlitten und Pferde. Sie wurden an der litauischen Grenze gestellt u. setzten sich zur Wehr. 1 deutscher Schutzmann wurde erschossen. Die russ. Kriegsgefangenen wurden im Kampf getötet. 4.) Eisenbahnsabotage in Minsk: Am 29. 12. 41 erhielt die Sicherheitspolizei durch eine V-Person einen Hinweis, dass in den nächsten Tagen Eisenbahnsabotageakte verübt werden würden. Die V-Person wurde angewiesen zu versuchen, als Mitglied der Sabotagegruppe aufgenommen zu werden. Es gelang ihr auch, in die Minsker Sabotagegruppe eines gewissen Fedorow einzudringen. Von dieser Gruppe aus wurde der V-Mann mit Sprengstoff, Sprengkapseln und Zündschnüren ausgerüstet und erhielt den Auftrag, den Eisenbahnviadukt in Minsk zu sprengen. Der V-Mann baute im Auftrage der Sabotagegruppe den Sprengstoff in die Brücke ein, ohne dass der Bahnschutz dies bemerkte. Später wurde die Sprengladung vom Einsatzkommando der Sicherheitspolizei Minsk wieder entfernt. Als Haupt der Bande ist der Politruk Schlakow anzusehen. Von ihm gehen alle Anweisungen aus. Hinter diesem Schlakow steht ein noch unbekannter Mann, dessen zeitweiliger Aufenthaltsort in Minsk aber bekannt ist (und ständig überwacht wird). Dieser dem Sch. übergeordnete Mann ist ein Beauftragter des Vollzugskomitees der KP für Weissruthenien. Das Vollzugskomitee hat seinen Sitz z. Zt. in der Nähe von Mogilew. Der zweite Leiter der Sabotagegruppe ist der schon einmal erwähnte Fedorow. Der von Borissow herangebrachte Sprengstoff wurde in Minsk durch einen gewissen Pajskij verwaltet, und zwar wurde er durch den Kraftfahrer Rubacho, bei der Stadtverwaltung beschäftigt, herangefahren. Es wurde dazu ein mit der Aufschrift „Vorsicht, Transport von ansteckenden Krankheiten“ versehener Lkw, ebenfalls der Stadtverwaltung gehörig, benutzt. Einer der Mittelsmänner der Sabotagegruppe ist der Leiter der Häuserverwaltung beim Gebietskommissar. Er hat hauptsächlich die Aufgabe erhalten, den von auswärts zuziehenden Mitgliedern in Minsk Wohnungen zu beschaffen. Eine zweite Mittelsperson sitzt in der Druckerei des Gebietskommissars und hat den Auftrag erhalten, 10 000 sowjetische Propagandablätter nachzudrucken. Sämtliche Beteiligten sind mit Pistolen ausgerüstet. Für einen der nächsten Tage verabredete der V-Mann eine Zusammenkunft mit den beiden Leitern der Sabotagegruppe zwecks Übernahme weiterer Sprengstoffaufgaben. Zu diesem Termin wurden am vereinbarten Ort diese beiden Personen und gleichzeitig schlagartig in ganz Minsk zum gleichen Zeitpunkt sämtliche Angehörigen der Eisenbahnsabotagegruppe ausgehoben. Auf das Konto dieser Gruppe kommen die seit einiger Zeit regelmäßig auftretenden Sprengstoffattentate auf Bahnkörper. Die Methode ist im Prinzip immer dieselbe. Es wird ein Paket Tol oben auf der Schiene befestigt, durch die darüberfahrende Lokomotive kommt der Sprengstoff zur Explosion. 5.) Die bei der „Volkshilfe“ registrierten lettischen Einwohner, die im Kommunistenjahr verhaftet, verschleppt oder getötet worden sind und als verschollen gelten, haben nach den nunmehr angestellten amtl. Feststellungen eine Gesamthöhe von 31 348 erreicht. Der Verlust von über 31000 Einwohnern in einem einzigen Jahr der kommunistischen Herrschaft ist an der Gesamtzahl von nicht ganz 2 Millionen zu messen. Der Verlust fällt umso schwerer ins Gewicht, als die Betroffenen vielfach die Führung des Landes in der Wirtschaft, Wissenschaft und im Kulturleben innegehabt haben. 6.) Die zur Verhinderung des Abhörens ausländischer Sender veröffentlichten ausserordentlichen Rundfunkbestimmungen stossen in Estland in

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Bezug auf Finnland auf völliges Nichtverstehen. Man war dort der Ansicht, dass der finnische Rundfunk als Sender eines mitkämpfenden und befreundeten Staates gehört werden dürfte. 7.) Der finnische Rundfunk brachte am 22. 1. 42 folgende Meldung in estnischer Sprache: „Aus Deutschland sind so viele Nahrungsmittel eingetroffen, dass es möglich ist, die Brot- und Zuckerrationen zu erhöhen. Alle finnischen Mühlen sind mit dem Mahlen des von Deutschland erhaltenen Getreides beschäftigt.“ 8.) Am 23. 1. 42 brachte der Finnlandsender folgende Meldungen in estn. Sprache: „Dagens Nyheter“ zufolge glaubt man in London, dass Molotow zur Fortsetzung der in Moskau zwischen Eden und Stalin stattgefundenen Besprechungen nach London kommen werde. Die neun Punkte der Vorschläge Stalins seien: 1. Russland hat keine Prätentionen gegen die Türkei oder auf die Meerenge des Bosporus oder die Dardanellen. 2. Die sowjet-rumänische Grenze soll so festgelegt werden, dass Bessarabien und die Bukowina an die Sowjetunion angeschlossen verbleiben. 3. Russland unterstützt die Schaffung eines mächtigen Polens. 4. Russland hält es für wünschenswert, dass die drei baltischen Staaten der Sowjetunion angeschlossen bleiben. 5. Moskau wünscht ein selbständiges Finnland, dessen Grenzen in Abhängigkeit vom Umfang der finnischen Hilfe an Deutschland festgelegt werden müssten. 6. Russland fordert Garantien, dass der Iran nicht als eine Angriffsbasis gegen Russland verwandt werden könne. 7. In Afrika habe Russland keine Interessen. 8. Russland anerkennt Englands Vorherrschaft im Mittelmeer. 9. Russland erkennt Englands Politik an, wonach Nordfrankreich und Nordafrika nicht englandfeindlich sein dürfen. Eden habe auf diese Vorschläge keinerlei Versprechungen gegeben. 9.) Die Frage der Versorgung der Zivilbevölkerung im Gebiet um Leningrad mit Lebensmitteln wird immer problematischer. Lebensmittel oder Lebensmittelvorräte sind nicht vorhanden. Die Bevölkerung versucht neuerdings in den benachbarten Dörfern Lebensmittel zu beschaffen oder durch Arbeitsleistung bei Wehrmachtdienststellen zu bekommen. Die Notlage geht soweit, dass selbst die Haut verendeter oder geschlachteter Tiere Verwendung findet. Fälle von Kannibalismus unter der Zivilbevölkerung sind nachgewiesen. Meldungen der Einsatzgruppen B, C u. D liegen nicht vor. III. Anlage: Programm für die Kommissare und politischen Leiter in Leningrad (1941): Auf zwei Gesichtspunkte darf besonders aufmerksam gemacht werden: 1.) Auf die ausserordentliche Machtfülle und Verantwortung, die den Kommissaren und politischen Leitern übertragen ist und 2.) auf die gesamte Ideologie, die in geschickter Weise eindeutig russisch-nationale Begriffe und Argumente verwendet. Politische Verwaltung des LWO (Leningrader Militär-Wehrkreis): Programm für die Kommissare und politischen Leiter – Leningrad 1941. Einleitung: Die Aufgaben der Kriegskommissare und der politischen Leiter der Roten Armee sind niedergelegt in der „Verfügung über Militärkommissare der Arbeiter-BauernRoten Armee“, in der Direktive Nr. 090 des Volkskommissars der Verteidigung der UdSSR, Genosse Stalin, und im Befehl Nr. 720 des Hauptquartier-Oberkommandos der Roten Armee. Diese Dokumente bilden für die Kommissare und politischen Leiter das ständige Programm für ihre Tätigkeit. Alle Militärkommissare und politischen Arbeiter müssen ihre Aufgabe gut kennen und darauf dringen, ohne ihr Leben zu schonen, dass die Kampfbefehle unbedingt erfüllt werden und ihre Untergebenen hierüber ständig belehren. Im Nachstehenden werden die Fragen aufgeführt, auf die die Kommissare und politischen Leiter in der Kriegssituation bei der Arbeit mit den Soldaten und Offizieren besonders achten müssen. Es empfiehlt sich, dieses Verzeichnis auch bei Gesprächen auf den

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Lehrgängen für die politische Arbeit in den Kriegsschulen und in den Lehrgängen zur Vorbereitung von Kommissaren und politischen Arbeitern zu verwerten. 1. Der grosse vaterländische Volkskrieg. Die deutschen Faschisten hatten wortbrüchig unser Vaterland überfallen. Die Bestie Hitler will die Sowjetmacht stürzen und in unserem Lande die Macht des Zaren, der Gutsbesitzer und der Kapitalisten wieder aufrichten. Die deutschen Faschisten sind bestrebt, unser Land in ihre Kolonie zu verwandeln, in eine landwirtschaftliche Zugabe zu Deutschland, und die Sowjetmenschen zu germanisieren und zu ihren Sklaven zu machen. „Das Land bevölkert von einer fremden Rasse“, erklärt von der Sowjetunion der blutgierige Hitler, „muss ein Land der Sklaven, der landwirtschaftlichen Tagelöhner oder Industriearbeiter werden“. Der Krieg mit dem deutschen Faschismus stellt einen vaterländischen Krieg dar, den gerechtesten von allen Kriegen, die die Menschheit kennt; er trägt einen nationalen und einen Klassencharakter. In diesem Kriege tritt als eine einige Familie das ganze 200-Millionen-Sowjetvolk auf, das die Errungenschaften der grossen sozialistischen Oktoberrevolution verteidigt, die durch Kampf und Arbeit unserer Väter, Brüder und uns selbst errungen sind. Wir kämpfen für unsere Heimat, für unsere Erde, für unsere Fabriken und Werke, für unsere Kolchose, für unsere Städte und Dörfer, für die grosse unzerreissbare Freundschaft der Völker der SSSR. Im Kriege mit dem deutschen Faschismus geht es um „das Leben oder Sterben des Sowjetstaates, um das Leben oder Sterben der Völker der SSSR und darum, ob die Völker der Sowjetunion frei bleiben oder der Versklavung verfallen“ (Stalin). Der Kampf um die Freiheit unseres Vaterlandes stimmt überein mit dem Kampf der europäischen Völker für ihre Unabhängigkeit. Es weitet und festigt sich die gemeinsame Front der Völker, die für die Freiheit und gegen die Versklavung und die Drohungen der Versklavung von seiten der faschistischen Armeen Hitlers stehen. Unser Widerstand dem Feinde gegenüber wird fester und wächst. Die Berechnungen der Faschisten für einen Blitzkrieg sind durchgefallen. In den Kämpfen mit der Roten Armee ist der Mythos der Unbesiegbarkeit der deutsch-faschistischen Armeen zerstört. „Die Rote Armee, die Rote Flotte und alle Bürger der Sowjetunion müssen jeden Fussbreit Sowjeterde verteidigen und bis zum letzten Blutstropfen für unsere Städte und Dörfer kämpfen, Tapferkeit, Initiative und Geschicklichkeit beweisen, die unseren Völkern eigen sind“ (Stalin). Welche Schwierigkeiten sich an der Front auch für den Soldaten und Offizier ergeben sollten, sie dürfen die Perspektive nicht verlieren und fest daran denken, dass an der Spitze der bewaffneten Kräfte unseres Vaterlandes der grosse Stalin steht, der das Grab für die faschistischen Vergewaltiger vorbereitet. 2. Die ganze slawische Welt vereinigt sich zur Zerschmetterung des Faschismus. Die Bestie Hitler erklärt, dass die Deutschen eine höhere Rasse seien und die slawischen Völker eine tieferstehende und dass alle Slawen dazu geschaffen sind, um die Erde für die Deutschen zu düngen. Die Faschisten sind bestrebt, die Mehrzahl der Slawen zu vernichten und physisch aufzulösen und diejenigen, die am Leben bleiben, zu ihren Sklaven zu machen. Die slawische Menschenrasse – erklärt gemein Hitler – als rassischer Unrat ist nicht wert des Besitzes ihres Bodens; er muss in die Hände der deutschen Herren übergehen und die Slawen – Eigentümer der Erde – zu bodenbesitzlosen Sklaven verwandelt werden. Den Faschisten ist es gelungen, die Polen, Tschechen und Serben zu versklaven, aber die versklavten slawischen Völker wollen und werden sich nicht mit der faschistischen Vergewaltigung zufriedengeben. Zum Kampf mit dem deutschen Faschismus hat sich die ganze slawische Welt vereinigt. Zusammen mit den russischen, ukrainischen und weissrussischen Völkern erheben sie sich zum Kampf gegen den Faschismus, die Polen, Tschechen, Serben

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und andere slawische Völker. Unter Führung des grossen russischen Volkes und des Führers der Völker, Gen. Stalin, haben die Slawen dem blutigen Faschismus einen tödlichen Schlag versetzt. 3. Der Militärkommissar ist Vertreter der Partei und Regierung. Der bolschewistische Kommissar der Lenin-Stalinschen Ausrichtung ist ein kriegerischer Bolschewist, ein kriegerischer Träger der bolschewistischen Partei, ihrer Festigkeit, Selbstlosigkeit, des Mannesmutes und des unzerstörbaren Willens zum Siege. Die Aufgabe des Kommissars ist, eine feste Verbindung mit den Rotarmisten, Kommandeuren, politischen Arbeitern, Kommunisten, Komsomolzen und Parteilosen zu schaffen. Immer mit der Masse und an der Spitze der Masse ist das oberste Gesetz für jeden Kommissar und politischen Arbeiter. Der Kriegskommissar ist das Auge und das Ohr der bolschewistischen Partei und der Sowjetregierung. Er muss der hellhörigste Mensch in der Abteilung sein und dessen Menschenbestand überprüfen. Die Aufgabe des Kommissars ist eine hohe revolutionäre Hellhörigkeit bei allen Untergebenen zu erzielen, darauf zu achten, dass in der Abteilung kein faschistischer Spion oder Diversant Eingang findet. Die Kommissare müssen ihre Arbeit in Übereinstimmung bringen mit den Stellen der Kriegsprokuratoren, der Tribunale und der Besonderen Abteilungen. Der Kriegskommissar ist der moralische Führer seiner Abteilung, der erste Verteidiger ihrer materiellen und geistigen Interessen. Der Kommissar ist der Vater und die Seele seiner Abteilung. 4. Der Kriegskommissar ist der militärische Führer seiner Abteilung. Neben dem Kommandeur ist der Kriegskommissar der militärische Führer seiner Abteilung. Der Kommissar ist verpflichtet, genau die operative Lage zu kennen und dem Kommandeur zu helfen, die militärischen Befehle auszufertigen, sowie die Autorität des Kommandeurs zu stärken und strengstens die Überwachung der Ausführung der Befehle der höheren Führung durchzuführen. Der Kommissar ist verpflichtet, in alle Einzelheiten des kriegerischen Lebens seiner Abteilung einzudringen, um gemeinsam mit dem Kommandeur seine Abteilung in eine unangreifbare Festung zu verwandeln. Der Kommissar ist verpflichtet, darauf zu achten, dass sämtliche Kommandeure und politischen Arbeiter mit ihrem Verhalten an der Front den Soldaten ein Beispiel der Tapferkeit, der Härte und der Liebe zur Heimat geben, sowie darauf, dass diese sich nicht in den Schreibstuben aufhalten und in den Deckungen zurückbleiben, sondern den Kampfverlauf beobachten und dessen Führung innehaben. Ein Kommandeur, der sich während des Kampfes versteckt und ihn nicht leitet, ist ein Feigling, und mit ihm muss man verfahren gemäss dem Befehl Stalins Nr. 270. Für die Härte der Abteilung im Kampf, für ihre Bereitschaft bis zum letzten Blutstropfen mit den Feinden unserer Heimat zu kämpfen, trägt der Kommissar mit seinem Kopf die Verantwortung. 5. Der Kriegskommissar ist ein Beispiel der Tapferkeit und des Mutes im Kampf. Eine ständige Aufgabe des Kommissars ist die Steigerung der Begeisterung und des Mutes des Mannschaftsstandes und in diesem den unerschütterlichen Glauben an unseren Sieg, an die Kraft der Roten Armee und unserer Waffen zu verankern. Der Kriegskommissar ist der tapferste Soldat seiner Abteilung. Die charakteristischen Züge eines bolschewistischen Kommissars sind die unerschütterliche Hingabe an die Heimat, Furchtlosigkeit im Kampf, ein hohes Bewusstsein der Verpflichtung und die Gleichgültigkeit dem Tode gegenüber. Während des Kampfes ist der Kommissar verpflichtet, ein Beispiel des Mutes und der Tapferkeit zu sein und damit der Geist der Truppe zu sein und die widerspruchslose Erfüllung des Kampfbefehles zu erreichen.

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6. Einschaltung der Partei- und Komsomolkräfte. Die Kommunisten und Komsomolzen müssen die widerstandsfähigsten, die tapfersten und mutigsten Soldaten sein. Für Kommunisten und Komsomolzen bestehen keine unerfüllbaren militärischen Aufgaben. Der Tod oder der Sieg sind das militärische Gesetz für jeden Kommunisten und Komsomolzen an der Front. In der Hand der widerstandsfähigsten, tapfersten und geprüften Soldaten, Kommunisten, Komsomolzen und parteizugehörigen Kommunisten [sic] müssen sich die stärksten militärischen Mittel der Abteilung befinden. An allen entscheidenden und wichtigsten Abschnitten sind kämpferische Aktivisten aus Kommunisten und parteilosen Bolschewisten aufzustellen. Die gefährlichsten und verantwortlichsten militärischen Aufgaben – Erkundung, nächtliche Aufklärung, ein kühner Durchbruch in den Rücken des Feindes, Feststellung der Verbindungen u. a. m. – sind Kommunisten, Komsomolzen und parteilosen Bolschewisten zu übertragen. Die besten Soldaten, die zu einer militärischen Heldentat ausgeschickt werden, ist der Kommissar verpflichtet, persönlich wie ein Vater zu instruieren, ihnen den Befehl zu übermitteln und die politische Führung zu sichern. 7. Disziplin, Standhaftigkeit, Organisation – die Grundlagen des Sieges. In jeder Kampflage müssen die Kommandeure und politischen Arbeiter die soldatische Ehre und die Ehre ihres Regimentes hochhalten und die Standhaftigkeit und Kampffähigkeit erhalten. Der Kriegskommissar trägt neben dem Kommandeur die volle Verantwortung für den Rückzug der Abteilung, falls diese hierzu keine Befehle besitzt. Die Aufgabe der Abteilung, die eingekreist ist, ist selbstlos bis zur letzten Möglichkeit zu kämpfen und Waffen und Geräte wie ihre Augäpfel zu hüten und zu den eigenen Truppen durch die rückwärtigen Linien des Feindes durchzustossen und ihm hierbei Niederlagen zu bereiten. Jeder Versuch des Überlaufens einer militärischen Person zum Feinde, unabhängig von seinem Dienstgrad, muss auf der Stelle mit Erschiessen bestraft werden. In den Reihen der Roten Armee gibt es und darf es keinen Platz geben für Kleingläubige, Feige, Panikmacher, Deserteure und Mutlose. Die Feigen, Panikmacher und Deserteure können eine Armee zersetzen und unser Heimatland ruinieren. Die Kommissare und politischen Arbeiter sind verpflichtet, mit eiserner Faust eine revolutionäre Ordnung und Disziplin durchzuführen und mitleidslos Feige und Panikmacher, Mutlose, Deserteure und alle, die selbständig ohne Befehl die Stellung verlassen, zu bestrafen. Feige und Deserteure muss man vernichten. 8. Die Erziehung tapferer Helden des vaterländischen Krieges. Das Leben jedes Sowjetsoldaten gehört der Heimat. „Die Verachtung dem Tode gegenüber muss in den Massen verankert werden und den Sieg garantieren“ (Lenin). Die Verachtung dem Tode gegenüber gebärt Helden. Die Verpflichtung der Kommissare und politischen Arbeiter ist, die Kommunisten, Komsomolzen, Kommandeure und militärischen Aktivisten, alle Soldaten so zu erziehen, dass ihnen Furcht im Kampfe unbekannt ist und dass sie selbstlos im Gefecht und selbstlos bis zum vollen Siege über den Feind kämpfen. Die Kommissare müssen diejenigen Soldaten, Kommandeure und politischen Arbeiter, die sich in den Kämpfen für die Heimat ausgezeichnet haben, populär machen und fördern und sie herausstellen. Die Aufgabe der Kommissare und politischen Arbeiter ist die Erziehung des gesamten Menschenbestandes im Geiste des Hasses gegen die faschistischen Vergewaltiger und im Geiste der Rache für die nie dagewesenen Bestialitäten an friedlichen Sowjetbürgern und gefallenen Soldaten der Roten Armee. Aufgabe der Kommissare ist, im grössten Umfange bei den Soldaten die Verpflichtung zur gegenseitigen Hilfe im Kampfe zu erziehen, darauf zu achten, dass die Verwundeten rechtzeitig vom Kampffeld getragen werden und dass die, die den Tod der Tapferen erlitten haben, nicht unbeerdigt bleiben. Durch tägliche Aufklärungsarbeit müssen die Kommissare und politischen Arbeiter den

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Soldaten und Kommandeuren die Liebe zu ihrem Truppenteil anerziehen sowie das Bestreben, ständig zu versuchen, diesen durch ihre kämpferischen Heldentaten berühmt zu machen. 9. Wie ein Augapfel sind Waffen und die technische Ausrüstung zu hüten. Die wirkungsvollsten Waffen müssen in den Händen der standhaftesten, tapfersten und bewährtesten Soldaten sein. Die Bewaffnung ist genauestens zu hüten, und ihre Kraft und Wirkung ist geübt zur Vernichtung des Feindes einzusetzen. Der Verlust der Waffen und der technischen Ausrüstung ist eine Schande für den Truppenteil. Die Aufgabe der Kommissare und politischen Arbeiter ist, bei allen Soldaten die Liebe zu den Waffen hervorzurufen und zu erreichen, dass die Waffen und die technische Ausrüstung unter keinen Umständen in die Hände des Feindes fallen. Die Waffen der Gefallenen, Verwundeten und die Waffen, die vom Feinde zurückgelassen sind, müssen umgehend eingesammelt werden. Die Kommissare und politischen Arbeiter tragen neben den Kommandeuren die höchste Verantwortung für den Verlust von Waffen und technischer Ausrüstung gemäss den Kriegsgesetzen. 10. Der Stab – das Gehirn der Truppe. Die Arbeit des Stabes ist ehrenvoll und verantwortungsvoll. Eine unablässige genaue Arbeit des Stabes sichert eine rechtzeitige und richtige Führung der Truppe. Die wichtigste Aufgabe des Kommissars ist, auf die ununterbrochene Verbindung des Stabes mit den Truppen zu achten. Die Verbindung (Nachrichten) ist der Nerv der Armee. Ohne Verbindung besteht keine und kann auch keine Führung der Truppen durchgeführt werden. Das Auge des Kommissars muss in alle Einzelheiten der Arbeit des Stabes eindringen. Aufgabe des Kommissars ist, täglich die Arbeit des Stabes zu kontrollieren, unverzüglich Mängel abzustellen und die Geheimhaltung seiner Arbeit zu gewährleisten. In den Stab darf kein Unbefugter Zutritt haben. Die Bewachung des Stabes ist ebenso wichtig wie die Erfüllung einer Kampfaufgabe. 11. Eine feste Etappe ist die Grundlage der Front. Die eiserne Einigkeit der Front und der Etappe ist die Grundlage des Sieges über den Feind. Die Arbeit der Etappe ist ebenso ehren- und verantwortungsvoll wie die Arbeit an der Front. Die unablässige Versorgung der Truppen mit Waffen, Munition, Verpflegung, Brennstoff, ein gut angelegtes Nachrichtennetz, rechtzeitige Evakuierung der Verwundeten, Einsammlung und Instandsetzung von Waffen und andere Fragen der Etappenarbeit sichern die Erfolge der Truppen an der Front. Jeder Arbeiter in der Etappe ist verpflichtet, mit einer zehnfachen Energie für den Sieg über den Feind zu arbeiten. Die Aufgabe der Kommissare und politischen Arbeiter ist, die unablässige Kontrolle der Etappe von unten bis nach oben durchzuführen und die Etappenabteilung und Institutionen in erstklassig funktionierende Einrichtungen, die voll die Kampftätigkeit der Truppen sichern, zu verwandeln. Die Kommissare und politischen Arbeiter tragen die gleiche Verantwortung für die Arbeit wie die Kommissare und politischen Arbeiter der Fronttruppenteile. 12. Führung der politischen Organe und der Partei- und der Komsomolzenorganisationen. Der Kommissar ist verpflichtet, täglich die politischen Organe, die Partei- und Komsomolzenorganisationen zu führen und sie zu lehren, in den Massen zu arbeiten. Die parteipolitische Arbeit muss in der Kompanie konzentriert werden. Der Kommissar muss alle Kommandeure und politischen Leiter der Untergliederungen, die stellvertretenden Leiter (politischen) der Parteiführer, der Komsomolzenführer kennen und ihre Arbeit leiten. Die wichtigste Arbeit des Kommissars ist zu erreichen, dass die Kommunisten und Komsomolzen im Kampfe die erste Rolle spielen. Der Kommissar muss sich darum bemühen, diese in den Kämpfen ausgezeichneten Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere als Mitglie-

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der der Partei und des Komsomol heranzuziehen. Die Propaganda und Agitation (mündliche, gedruckte und Anschauungspropaganda) muss der Kommissar und politische Arbeiter so organisieren, dass sie die Erfüllung der vor der Truppe stehenden Kampfaufgaben sichert und dass sie rechtzeitig auf alle Veränderungen im Leben des Truppenteils reagiert. 13. Führung der politischen Arbeit im Frontgebiet und den okkupierten Gebieten und Partisanenbewegung. Die Kommissare und politischen Organe müssen eine enge Verbindung mit den Partei- und Sowjetorganisationen unterhalten, indem sie alle ihre Kräfte für die Hilfe der Front mobilisieren. Eine besondere Aufmerksamkeit müssen die Kommissare auf die Organisation der politischen Arbeit zwischen der Bevölkerung des Frontgebietes, Einführung einer revolutionären Ordnung, Erziehung der Wachsamkeit, Aufklärung von Provokationsgerüchten, Heraussuche von Diversanten, Spionen und Provokateuren richten. Die Kommissare und politischen Organe sind verpflichtet, die Entwicklung der Partisanenbewegung im Hinterland des Gegners mit allen Kräften zu unterstützen, die Verbindung mit den Partisanen und ihrer Führung aufrechtzuerhalten. Eine besondere Aufmerksamkeit ist auf die gedruckte Propaganda zwischen der Bevölkerung der okkupierten Sowjetgebiete, insbesondere auf die Widerlegung der faschistischen Lüge und falschen Information, zu richten. Die Bevölkerung der okkupierten Gebiete ist systematisch mit Sowjetzeitungen und speziell Flugblättern zu versorgen. 14. Studium des Feindes und Arbeit unter seinen Truppen und in seiner Bevölkerung. Die Kommissare und politischen Organe müssen ständig die in ihrem Abschnitt tätigen Truppen des Gegners studieren. Auf jeden Provokationsversuch des Gegners, der darauf gerichtet ist, die Aufmerksamkeit unserer Soldaten und Truppenteile zu schwächen, ist das Feuer zu eröffnen. Die Kommissare sind verpflichtet, den politisch-moralischen Zustand der Truppen des Gegners zu kennen und die Arbeit auf ihre Zersetzung hin zu führen. Zum Kennenlernen des Gegners und seines Hinterlandes sind im weitesten Maße die Unterlagen der Gefangenenvernehmungen, Dokumente, die bei ihnen oder auf dem Schlachtfeld gefunden werden, Erzählungen von Militärangehörigen, die im Hinterland des Gegners gekämpft haben, Mitteilungen der Partisanen und der örtlichen Bevölkerung auszunützen. Aufgabe der Kommissare und politischen Organe ist die Beschaffung der fotographischen Aufnahmen und das Sammeln von Material, darunter auch Fotodokumente über die Bestialitäten, Plünderungen und Vergewaltigungen der Faschisten. Das beschaffte Material über den Gegner muss zur Information der eigenen Truppen und der Gegnerpropaganda bei den Truppen des Gegners mit dem Ziel der Zersetzung in seinen Reihen ausgenützt werden. Die hauptsächlichste Art der Arbeit unter den Truppen und der Bevölkerung des Gegners ist, unter Zuhilfenahme von Flugzeugen und Erdmitteln, die Verbreitung von Flugblättern und Zeitungen. Ebenso weitgehend müssen die bei den Armeen befindlichen Lautsprecherstationen ausgenützt werden. Die Kommissare und politischen Arbeiter sind verpflichtet, schnell und energisch alle Versuche des Feindes, Propaganda bei unseren Truppen zu treiben, zu vereiteln. Alle Flugblätter und Aufrufe des Gegners müssen umgehend eingesammelt und durch die politischen Arbeiter vernichtet werden. Das Aufbewahren und das Lesen faschistischer Flugblätter ist wie eine antisowjetische Handlung anzusehen. 19. August 1941. Chef der politischen Hauptverwaltung der Roten Armee. Armeekommissar I. Ranges. L. Mechlis 7 BAB, R 58/220

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Falsch, kommissarisch geführt durch Kurt Matschke. Dr. Leopold Spann, geb. 1908, Jurastudium, 1924 SA, 1927 zur österreichischen Gendarmerie, 1932 NSDAP, 1934 wegen illegaler Betätigung für sie aus Staatsdienst entlassen, 1935 Dr.jur., SS, Flucht nach Deutschland u. zur Stapo-Leitstelle München, 1938 Hstuf. u. stellv. Chef Stapo-Stelle Innsbruck, 1939 Stubaf., 1940 Chef Stapo-Stelle Köslin, Jan. 1942 KdS Nikolajew, 1943 Ostubaf., April 1944 Chef StapoStelle Saarbrücken, Juli 1944 dto. Linz, 1945 gefallen; BAB, BDC, SSO Dr. Leopold Spann; BAL, ZK: Dr. Leopold Spann. 3 Dr. Fritz Kranebitter, geb. 1903, 1924 zur österreichischen Schutzpolizei, Jurastudium, 1931 NSDAP, 1934 SS u. Dr.jur., 1938 Chef Stapo-Außenstelle Wiener Neustadt, 1941 Stubaf., Jan. 1942 KdS Charkow, Nov. 1943 Leiter IV BdS Italien, gest. 1957; BAB, BDC, SSO Dr. Fritz Kranebitter; BAL, ZK: Dr. Fritz Kranebitter; Gafke: Heydrichs Ostmärker, S. 294 f. 4 Falsch, längst Robert Mohr. 5 Hier handelt es sich um einen Abschreibfehler. Letzter gemeldeter Standort war Simferopol. 6 Der Ringer Kristjan Palusalu gewann bei den Olympischen Sommerspielen 1936 in Berlin zwei Goldmedaillen; vgl. Toivo Miljan: Historical Dictionary of Estonia, Lanham 2004, S. 361 f. 7 Lew Sacharowitsch Mechlis (1889–1953), 1930 Hrsg. der „Prawda“, Aug. 1937–1942 Chef der Politischen Hauptverwaltung der Roten Armee u. damit oberster Kommissar. 2

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 2. Februar 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 163 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Die mit Ereignismeldung Nr. 162 vom 30. 1. 42 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Kirchen: Im Mittelpunkt des kirchlichen Interesses stand in der Berichtszeit selbstverständlich Weihnachten. Es wurde begrüsst, dass nunmehr Weihnachtsbäume, die schon seit Jahrzehnten in Lettland üblich sind, nicht verboten waren. Die Weihnachtsgottesdienste waren beherrscht von der Sehnsucht nach Frieden und ruhigen Verhältnissen. Grössere Beachtung in kirchlichen Kreisen fand auch die Wiedereröffnung der im Kriegsjahr 1941 zerstörten Rigaer Kreuzkirche am 21. 12. 41. Die kleine Rigaer Vorstadtkirche war bis zum letzten Platz besetzt. Die Feier trug stark national-lettisches Gepräge. Es wurde nicht der Befreiung durch die deutschen Truppen gedacht, was an diesem Tage durchaus am Platz gewesen wäre; überhaupt wurde alles Deutsche und der jetzige politische Zustand ignoriert. Probst Berg sagte u. a. in der Festpredigt: „Wir Christen brauchen keine Gesetze, denn wir haben unsere eigenen Gesetze.“ Für mehrere lettische Grundschulen wurden schulweise Kindergottesdienste mit „brennendem Weihnachtsbaum“ veranstaltet, wodurch der Kirche eine weitgehende konfessionelle Beeinflussung der Jugend möglich war. Metropolit Sergius von der orth. Kirche hat mit einer Aktion zur Beseitigung der „Karlowtschjany“ Bischof Seraphim Lade, Berlin, begonnen [sic]. Es ist deutlich, dass nach Erledigung der Bolschewisten die „Karlowtschjany-Frage“ irgendwie gelöst werden muss und man keine Erneuerung altrussischer theokratischer Bestrebungen, wie sie zur Zarenzeit allgemein waren, zulassen kann. Es zeigt sich heute deutlich, dass auf der Seite

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des gewesenen Metropoliten Augustin, des anglophilen Ulmanis-Parteigängers, nur 2 orth. Popen stehen. Die Mehrheit der orth. Geistlichen ist mit der getroffenen Lösung des baltischen Schismas durchaus zufrieden. Ein gewisses Hinneigen dieser Popen zu ihren russischen Volksgenossen und eine innere Teilnahme am Schicksal der russischen Kriegsgefangenen ist unvermeidlich. Dasselbe Verhältnis besteht zwischen den röm.-kath. Priestern und den Polen. Besonders auch weil viele Priester polnischer Volkszugehörigkeit sind, haben Gerüchte, dass sämtliche Polen ins Gouvernement ausgesiedelt oder ins Rigaer Ghetto gebracht würden, von wo aus sie dann exekutiert würden, Unruhe in katholischen Kirchenkreisen hervorgerufen. Vollzugstätigkeit: Juden und Kirche: In Dünaburg wurde der Priester Brock, der polnisch orientiert ist und der die gesamte katholische Bevölkerung Lettgallens beeinflusst, festgenommen. 2 reichsdeutsche Juden, die aus dem Rigaer Ghetto entflohen waren, wurden festgenommen. Reaktion, Widerstandsbewegung: Es sind Anzeichen dafür vorhanden, dass in den ehemals lettischen Offizierskreisen die Widerstandsbewegung grösseren Umfang annimmt. Insbesondere sollen die alten Offiziere an dieser Bewegung beteiligt sein, während die jüngeren sich den Deutschen gegenüber loyal verhalten. Bisher sind nur wenige Namen von verdächtigen Offizieren bekannt geworden. Es ist damit zu rechnen, dass die Ermittlungen bald soweit gediehen sein werden, dass ein Einschreiten Erfolg verspricht. Nach vertraulichen Mitteilungen sollen auch Kreise der lettischen Ordnungspolizei, insbesondere Offiziere, der lettischen Widerstandsbewegung angehören. Es wird vermutet, dass nach den Gerüchten, wonach die Russen sich im Vormarsch befinden, ein Anwachsen der Widerstandsbewegung zu verzeichnen ist. Die polnische Widerstandsbewegung fasst lediglich Fuss im Bezirk der Aussenstelle Dünaburg. Einem Gerücht zufolge soll der lettische General Balodis zusammen mit einem polnischen Stabschef mit Militär bereits bei Zilupe stehen. Erschiessungen: Insgesamt wurden 8 Personen, darunter eine Jüdin, wegen kommunistischer Betätigung erschossen. 136 Personen wurden nach erfolgter Überprüfung aus den Rigaer Gefängnissen entlassen. Das vorläufige Gesamtergebnis der im Bereich des EK 2 erschossenen Personen beträgt demnach 34 193. Es wurde festgestellt, dass in der Gemeinde Makascheini, Ortschaft Audrini, schon seit September 1941 im Hause der Anaisija Gluschnewa ihr Sohn, der gewesene Milizangehörige Radion Gluschnew, und 2 Rotarmisten versteckt waren. Alle drei waren ohne Waffen. Nach ihrem Eintreffen in der Ortschaft hat der dort wohnende ehemalige Milizangehörige Euzma Woronzov ihnen Waffen besorgt. Ungefähr 2 Wochen bevor der Oberschutzmann Ludbogscha erschossen wurde, gesellten sich noch 3 Rotarmisten zu ihnen. Auch sie wurden von Woronzov mit Waffen versorgt. Ihr Versteck war der Keller, der vor dem Eintreten der Kälte gegraben wurde. Am Bau desselben haben sich Einwohner des Dorfes beteiligt, indem sie mit Baumaterialien aushalfen, die nicht im Hause der A. Gluschnewa aufzutreiben waren. Die Bauarbeiten dauerten eine ganze Woche. Es ist daher ausgeschlossen, dass die übrigen Einwohner des Dorfes es nicht gesehen haben sollen. Noch in der letzten Woche vor dem Geschehenen hat Iwan Vasilijs der Bande ein Brecheisen zur Verfügung gestellt. Ausser den 5 Rotarmisten und Radion Gluschnew wohnten noch A. Gluschnewa und ihr 13-jähriger Sohn [unleserlich], zusammen 8 Personen, in dem Hause. Nach A. Gluschnewas Aussagen hatte sie nie soviel Lebensmittel, um alle 8 Personen zu unterhalten. Die fehlenden Produkte brachten die übrigen Einwohner der Ortschaft Audrini und haben sie teils der A. Gl. gegeben, teils den Rotarmisten. Die Einwohner der Ortschaft Audrini sind Russen – Altgläubige – zusammen 48 Familien. Sie haben, blind in ihrem Nationalismus, die Rotarmisten 100 %ig unterstützt. In der Ort-

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schaft Audrini haben 5 bewaffnete Rotarmisten, 3 gewesene Milizangehörige, 3 aus dem Gefangenenlager entflohene Kriegsgefangene und 11 gewesene Kriegsgefangene gewohnt. Es ist anzunehmen, dass im Sommer in dieser Ortschaft viele Flüchtlinge Unterkunft gefunden haben. In mehreren Fällen wurden Flüchtlinge, die im Gefängnis von Rositten ausgebrochen waren, verhört. Nach dem Verhör stellte es sich heraus, dass ihr Ziel die Ortschaft Audrini war. Bei einem Flüchtling wurde ein Zettel gefunden: „Ortschaft Audrini, 12 km von Rositten entfernt“ – ein Beweis dafür, dass die Bewohner der Ortschaft Audrini mit dem Gefangenenlager in Verbindung standen. Die Frauen haben das Essen gekocht und sind so mehr oder weniger mit der ganzen Familie an der Sache beteiligt gewesen. Die Ortschaft war eine von den aktivsten im kommunistischen Sinne. In Verfolg dieser Angelegenheit stiessen am 18. 12. 41 zwei lettische Hilfspolizeibeamte mit bewaffneten Rotarmisten zusammen. Die Rotarmisten flüchteten in ein Haus. Die lettischen Hilfspolizeibeamten brachen die Tür auf und standen 5 bewaffneten Rotarmisten gegenüber. Einer der Hilfspolizeibeamten entriss einem Rotarmisten das Gewehr und schoss ihn damit nieder. Daraufhin wurde er selbst erschossen. Dem zweiten Beamten gelang es zu entkommen. Nach Bekanntwerden dieses Vorfalles wurden von der Kreispolizei Rositten 110 Schutzmänner entsandt, die die Wälder durchstreiften. Am 21. 12. 41 gegen 12.30 Uhr stiess eine Streife von 3 Mann – wahrscheinlich waren es dieselben Rotarmisten – mit bewaffneten Männern zusammen. Die Schutzmänner wurden mit Maschinenpistolen beschossen und getötet. Am gleichen Tage wurde ein weiterer Schutzmann erschossen. Auf Anordnung des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD wurden sämtliche Einwohner des Dorfes Audrini und zwar 61 Männer, 88 Frauen und 51 Kinder festgenommen und nach Rositten überführt. Das Vieh und die Vorräte wurden dem Kreislandwirt übergeben. Im Einverständnis mit dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD Ostland hat der Kommandeur des EK 2 angeordnet, dass 1. das Dorf Audrini abzubrennen sei und dass 2. sämtliche beteiligten Dorfbewohner zu erschiessen seien. In Ausführung dieses Befehls wurde das Dorf am 2. 1. 42 in Brand gesteckt. Trotzdem die Häuser durchsucht worden waren, explodierten nach Ausbreitung des Brandes verborgen gewesene Handgranaten und sonstige Munition. Am 3. 1. 42 wurde ein Teil der Dorfbewohner erschossen und zwar unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Am 4. 1. 42 wurden um 11 Uhr auf dem Marktplatz in Rositten 30 männliche Dorfbewohner öffentlich erschossen. Hierzu hatte sich ein grosser Teil der Bevölkerung eingefunden. Alle Aktionen verliefen ohne Zwischenfälle. Die Sühnemaßnahmen wurden in den im Gebiet Lettland erscheinenden Tageszeitungen durch einen Aufruf des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD und durch Aushang von 6000 Plakaten mit dem gleichen Text in sämtlichen Dörfern Lettgallens bekanntgegeben. Am Morgen des 2. 1. 42 sind in der Umgebung von Werro etwa 50 Fallschirmspringer abgesprungen. Es wurden bereits mehrere Fallschirmspringer von der estnischen Polizei festgenommen. Nach den Aussagen der Festgenommenen sind die 50 Mann durch 5 Flugzeuge transportiert worden. Es soll sich durchweg um russische Offiziere bzw. Unteroffiziere handeln. Der Führer der Fallschirmspringer soll ein Battl.Kommandeur mit Namen Petrow sein. Sämtliche Fallschirmspringer haben militärische Kleidung an, tragen darüber aber einen Zivilmantel und Wintermütze. Die Bewaffnung besteht aus automatischen Waffen, Handgranaten und Sprengstoff. Ihre Aufgabe besteht in Sprengungen von Strassen und Brücken. Weiter haben die Festgenommenen angegeben, dass die Abteilung sich in Richtung auf die lettische Grenze begeben soll. Am 25. 12. 41 wurde in der Gemeinde Bilskas ein Jude festgenommen. Bei der Festnahme versuchte er zu flüchten, wurde je-

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Nr. 5: Kriegsgefangenenlager Glebokie

doch angeschossen und durch einen Bauchschuss leicht verletzt. In der Nacht hat er sich dann selber erhängt. Nach seinen Angaben heisst er Leon Skutas. Er will aus Kauen geflüchtet sein. In seinem Besitz befanden sich ein lettischer Pass auf den Namen Arvids Podsinsch und ein estnischer Pass auf den Namen Peter Lingison. Seine eigenen Papiere will er im Ghetto in Riga zurückgelassen haben. Angeblich wollte er nach Schweden. Skutas ist personengleich mit dem Schreiber des Hetzbriefes, der sich mit den Judenexekutionen in Riga befasst. Von der Einsatzgruppe B liegen keine Meldungen vor. Einsatzgruppe C: Standort Kiew. In Kiew ist eine Aktion zur Aushebung der von den Bolschewiken in Kiew zurückgelassenen Sabotage- und Sprengkommandos, zusammen etwa 80 Personen, im Gange. Es bestehen 3 getrennt voneinander arbeitende Kommandos für Sprengstoffanschläge und Sabotagehandlungen. Sie stehen unter der Führung eines vom Stabe der Roten Armee hierzu abgestellten Kapitäns Smirnow. Die Mitglieder der einzelnen Gruppen kennen sich untereinander nicht, die Gruppenführer halten Verbindungen mit S., kennen aber seine Anschrift auch nicht, sondern werden von ihm zu den Treffs bestellt. Nebenbei arbeitet eine Parteiorganisation der KP – Hauptaufgaben: Hetze und Verbreitung der sowjetrussischen Propaganda. In der Industrie- und Handelsabteilung der Stadtverwaltung sind umfangreiche Schiebungen und Bestechungen festgestellt worden. Hineinverwickelt sind die höchsten ukrainischen städtischen Beamten. Weiter ist von den Kiewer Fabriken verschiedenes Material verschoben worden, um es den Deutschen nicht in die Hände fallen zu lassen. Innerhalb der ukrainischen Beamtenschaft in der Stadtverwaltung und in verschiedenen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Institutionen sitzen NKWD-Agenten. Es

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handelt sich um zum Teil hochgestellte ukrainische Persönlichkeiten. In die Angelegenheit ist der ukrainische Bürgermeister von Kiew verwickelt, ebenso der erste Sekretär der Akademie der Wissenschaft. Von der Einsatzgruppe D liegen keine Meldungen vor. III. Reich und besetzte Gebiete: Der Befehlsh. d. Sipo u.d. SD in Belgrad meldet: 1.) Die Spur des flüchtigen bzw. totgeglaubten Generalsekretärs des Skoj, ZK-Mitglied Ivan Ribar, wurde wieder aufgefunden. Seine bis zuletzt benutzte Anlaufstelle in Kroatien ist bekannt. Maßnahmen zur Festnahme eingeleitet. 2.) Festnahme des Terroristen Radovan Simic. Hat Attentat auf einen Dolmetscher der Wehrmacht durchgeführt. Ausserdem an 2 weiteren Attentaten, die gegen Beamte der serbischen Polizei gerichtet waren, beteiligt. War längere Zeit bei den Partisanen im Wald und an Kämpfen beteiligt. In Verbindung hiermit kleinere Terrorgruppe von 4 Personen entdeckt. Durch Ermittlungen festgestellt, dass Hauptorganisator der Attentate Mitglied des Skoj-Komitees Marija Racki war. R. ist schon erschossen. 3.) Weitere Ermittlungen gegen Mitglieder der kommunistischen Organisation, die getarnte Versammlungen in Form von Teenachmittagen abhielt, führten zur Festnahme des Schneiders Dusan Mihajlovic. Wird von bereits festgenommenen Teilnehmern beschuldigt, Führer der Organisation gewesen zu sein. Bei Hausdurchsuchung in Handtasche der Ehefrau 2 grössere Pakete kommunistischer Flugblätter gefunden. Besteht Verdacht, dass M. höherer kommunistischer Funktionär ist. 4.) Am 27.1. erneuter Überfall auf Wehrmachtsangehörigen auf offener Strasse. Ein Täter festgenommen. Festgestellt, dass kommunistische Dreiergruppe Auftrag hatte, Wehrmachtsangehörige zu überfallen und zu entwaffnen, um Waffen zu erhalten. 5.) Festgestellt, dass Partisanenbewegung neue Methoden anwendet, um Bevölkerung und Einheiten der Regierung, die gegen sie kämpfen, auf ihre Seite zu ziehen. Statt bisher angewandter Brutalität und bestialischer Ermordung jetzt gute Behandlung der Gefangenen. Freie Bewegung nach Abnahme der Waffen im Lager, politische Vorträge und ausreichende und gute Verpflegung. In verschiedenen Fällen Entlassung nach kurzer Gefangenschaft. Allen Gefangenen wird erklärt, dass Aufstand kein kommunistischer, sondern ein national-serbischer zur Befreiung von den deutschen Okkupatoren sei. Es besteht Gefahr, dass politisch nicht fest ausgerichtete Angehörige der serbischen bewaffneten Abteilungen dieser geschickten Propaganda verfallen. 6.) Meldungen über geplanten allgemeinen Frühjahrsaufstand auch in dieser Berichtszeit von verschiedenen Seiten eingegangen. Sender Boston besprach z. B. am 26. 1. in serbischer Sendung 20.30 Uhr ganz offen Erneuerung der Balkanfront im Frühjahr und grosse Rolle, die Draza Mihajlovic mit seinen Aufständischen hierbei spielen wird. BAB, R 58/220

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Berlin, den 4. Februar 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 164 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Sonderkommando 7a hat Demidow verlassen und befindet sich a. d. Marsch nach Smolensk. Die sonstigen mit Ereignismeldung Nr. 162 vom 30. 1. 42 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. 1.) In Wilna wurden wegen umfangreicher Passfälschungen 14 Polen festgenommen. Sie hatten die gefälschten Papiere zu hohen Preisen, insbesondere an flüchtige Juden, verkauft. Im Einvernehmen mit dem Generalkommissar und dem Wehrmachtskommandeur in Litauen wird demnächst eine neue Regelung des Pass- und Ausweiswesens vorgenommen werden. 2.) In letzter Zeit mehren sich in Litauen Gewalt- und Eigentumsverbrechen. In wiederholten Fällen wurden in Wilna am hellen Tage Strassenpassanten überfallen und Geld und Lebensmittel geraubt. Ein Wohnungsinhaber, der sich bei einem Raubüberfall zur Wehr setzte, wurde erschossen. In einem anderen Fall drangen 4 litauische Partisanen in eine Wohnung ein und verlangten unter Drohung mit der Schußwaffe Lebensmittel. 3.) Die aus Kauen gemeldeten Sprengstoffanschläge und Schadenfeuer haben durch Festnahme der führenden Terroristen ihre Aufklärung erhalten. Von der Eins.Gr. B liegen keine Meldungen vor. Einsatzgruppe C: Standort Kiew. Im Kiewer Gebiet hat sich der Abwehrkampf gegen die Kommunisten immer mehr zu einem Kampf gegen die nationalen ukrainischen Verbände ausgestaltet. Die früher festgestellten Bindungen zwischen NKWD und OUN erweisen sich als recht eng und kompliziert. Die Weihnachtstage verliefen entgegen der Annahme überall ruhig. Es konnte lediglich eine verstärkte kommunistische Flugblattpropaganda festgestellt werden. Im Zuge dieser Ermittlungsarbeit wurde am 11.12. 41 in einer Vorstadt von Kramatorsk eine Razzia durchgeführt. Mit Unterstützung von 250 Mann der Wehrmacht wurde der Stadtteil abgeriegelt, und durch eigene Kräfte wurden rund 350 Personen festgenommen. Hiervon wurden 60 Personen als aktive KP-Mitglieder bzw. KP-Funktionäre, Partisanen usw. erschossen. Die restlichen konnten nach eingehender Verwarnung wieder entlassen werden. Diese Aktion hat die Bevölkerung stark beeindruckt. Weiterhin war festzustellen, dass die Stimmung der Bevölkerung nicht nur in Bezug auf die Kommunisten, sondern auch in Bezug auf die national-ukrainischen Verbände sich merklich verschlechtert hat. Die ostukrainische Bevölkerung macht deutlich Front gegen die eingewanderten Westukrainer, welche als Hauptträger der nationalistischen Ideen betrachtet werden können. Ebenso wie die Kommunisten bedienen sich die Angehörigen der national-ukrainischen Bewegung verschiedentlich gefälschter Dokumente, Decknamen, Geheimparolen usw. Neuerdings wurden von kommunistischer Seite deutsche Plakate in bolschewistischem Sinne umgefälscht oder neben dem deutschen Urtext in gleicher Weise aufgegliederte „Übersetzungen“ ausgehängt, deren Inhalt rein kommunistische Propaganda war.

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Unter den ukrainischen nationalen Verbänden besitzt die Melnik-Gruppe zweifellos heute den grössten Einfluss. Daran ändert auch die ausserordentlich rege und verschärfte Propaganda Banderas nichts.1 Diese Propaganda scheint sich zu ihrem eigenen Nachteil auszuwirken. Da Bandera ganz offen gegen Deutschland und seine Wehrmacht Stellung nimmt, macht er die Bevölkerung zumindest in der Ostukraine für seine Ziele uninteressiert. Man ist auch bei den Bandera-Anhängern bereits zu der Einsicht gekommen, dass der augenblickliche Zeitpunkt für einen offenen Kampf nicht geeignet ist. In einer sichergestellten Instruktion für die Anhänger dieser Richtung heisst es, dass die Mitglieder der OUN zunächst sich wenigstens aller Provokationen, Terror- und Sabotageakte gegen die deutsche Regierung und ihre Einrichtungen zu enthalten hätten. Das Hauptgewicht sei im Augenblick auf den beschleunigten Ausbau der inneren Organisation zu legen, wobei insbesondere die Aufstellung und Bewaffnung des ukrainischen Nationalheeres vorgetrieben werden müsste. Erst wenn diese Vorbereitungen genügend weit gediehen und der OUN die zur Ausübung eines direkten Druckes notwendigen Machtmittel gegeben sind, würde man mit der deutschen Regierung in Verhandlung treten und je nach dem Ausgang dieser Verhandlungen im Sinne Banderas die Deutschen entweder als Verbündete anerkennen oder aber vernichten. Diese Instruktion ist scheinbar nicht überall durchgedrungen oder sie wird nicht befolgt, da weiterhin unverschämte Hetzschriften aufgefunden wurden. Das sichergestellte Schriftgut sowie die Aussagen verschiedener in der Zwischenzeit festgenommener Bandera-Leute beweisen erneut, dass es nicht möglich ist, die Anhänger der Bandera-Bewegung zu irgendwelcher positiver Mitarbeit heranzuziehen. Es bleibt nur der eingeschlagene Weg der restlosen Vernichtung dieser Bewegung übrig. Das Verhältnis zwischen Bandera und Melnik hat eine weitere Verschärfung erfahren. Beide Bewegungen sind eifrig bemüht, ihre gegenseitigen Anhänger bei den verschiedenen deutschen Stellen zu diskriminieren. Hierbei hat die Melnik-Bewegung den Vorzug, deutscherseits noch nicht völlig als feindliche Strömung angesehen zu werden und kann daher diese Taktik mit grösserem Erfolg anwenden. In einer Beziehung sind beide Strömungen aber einig und zwar in der ganz extrem nationalistisch-chauvinistischen Einstellung, die sich auch den Deutschen gegenüber auswirkt. Wenn man heute versucht, Amtspersonen nichtukrainischer Nationalität durch Boykott, Denunziationen, in bestimmten Fällen sogar durch Bedrohung und Nötigung von ihren Posten zu entfernen, so ist das nicht als Ausfluss der Stimmung des Ukrainertums in seiner Gesamtheit aufzufassen. Gerade der Ostukrainer ist in Nationalitätenfragen ausserordentlich duldsam. Die Träger der extremistischen Bestrebungen sind mit geringen Ausnahmen durchweg Westukrainer. Nach Meldungen zuverlässiger V-Leute sowie nach eigenen Beobachtungen scheint die Melnik-Bewegung nicht nur genau dieselben Ziele zu verfolgen wie die Bandera-Bewegung, sondern sie unterhält auch bestimmte Verbindungen mit England. Zu diesem Schluss kommt man zwangsläufig bei der Betrachtung der Agitationsmethoden. Allgemein wird behauptet, Melnik sei der Führer der Ukrainer und geniesse als solcher die volle Unterstützung des Deutschen Reiches. In Fällen, wo Zweifel an dieser Behauptung auftreten und darauf hingewiesen wird, dass dies nicht gut der Fall sein könnte, weil ja Melnik letzten Endes gegendeutsche Ziele verfolge, wird darauf hingewiesen, dass der Krieg ja noch nicht entschieden sei und man daher aus taktischen Gründen die Engländer nicht verärgern dürfte. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass die Propaganda gegen die Juden und darüber hinaus die direkte Beteiligung von Ukrainern an Judenaktionen, wo irgend angängig, eingestellt wor-

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den ist. Es liegen sogar Druckschriften allerdings von der Bandera-Bewegung vor, in denen die Schlagzeilen und Sätze antisemitischen Inhaltes gestrichen worden sind. Die Zentrale der Melnik-Bewegung in der Ostukraine liegt zur Zeit in Kiew. Ihr Leiter ist ein gewisser Dr. Kandiba, um den sich eine Anzahl teils bekannter, teils unbekannter Westukrainer scharrt. Neben diesem Stab der OUN steht der ebenfalls von Dr. Kandiba organisierte Nationalrat unter der Leitung des Prof. Welitschkiwski und dessen Vertreter Tschudinow. Welitschkiwski ist kein Professor, sondern hat sich den Titel der grösseren Zugkraft wegen zugelegt. Er ist absolut Strohmann und wird von Kandiba gelenkt, welcher die eigentliche Seele des Nationalrates ist. Der Vertreter Welitschkiwskis, Tschudinow, ist ein politischer Abenteurer, der ausserdem in verschiedene dunkle finanzielle Machenschaften verwickelt ist. Der Nationalrat, der von keiner deutschen Stelle anerkannt worden ist, ist nichts weiter als eine inoffizielle ukrainische Regierung. Er beschäftigt sich z. Zt. mit der Erfassung und Zusammenstellung eines geeigneten Mitarbeiterstabes, Beseitigung aller Nicht-OUN-Leute, ohne Rücksicht auf sachliche Befähigung, und mit der Politisierung sämtlicher bestehender ukrainischer bürgerlichen Organisationen zum Zwecke, diese allmählich in Ministerien umzuwandeln. Weiter gehen die Bemühungen des Nationalrates dahin, möglichst viele Werte „vor dem Zugriff der Deutschen zu retten“. Einer der typischsten Vertreter dieser Richtung ist der hier lebende Dr. Andrussian. Die Interessen der Bolschewiken und Melnik-Leute sind weitgehend die gleichen. Handelt es sich doch zunächst einmal darum, unter den Ukrainern nach Möglichkeit Unzufriedenheit zu säen, was auch gelingt. Wo eine sachliche Grundlage fehlt, wird sie künstlich herbeigeführt, im wesentlichen durch die Behauptung, die Deutschen hätten den Ukrainern verschiedene Versprechungen gemacht, die jetzt nicht gehalten würden. Die Erfassung der Jugend für die ukrainischen nationalen Bestrebungen erfolgt über die Sportorganisation Sitsch. In diesem Sportverein, der sehr viele Zweigstellen hat, wird weniger Sport getrieben als politische Schulung mit chauvinistisch angedeuteter Tendenz. In der Presse ist ebenfalls die Melnik-Bewegung allmählich führend geworden. Wenn auch durch energisches Zugreifen und Erschiessungen der verantwortlichen Schriftleiter die Kiewer ukrainische Zeitung zur Zeit von schädlichen Elementen gesäubert ist, so sitzen doch in den Schriftleitungen der ukrainischen Provinzzeitungen überwiegend nationalistische Elemente, die ihren Blättern nicht nur die von der Melnik-Bewegung gewünschte Tendenz geben, sondern anscheinend auch die OUN mit illegalen Druckschriften versorgen. Den Hauptanteil der illegalen Druckschriften stellt nach wie vor die Zentrale in Lemberg, die ihr Material zum Teil aus Berlin und Prag bezieht. Der in Kiew bestehende ukrainische Schriftstellerverband unter dem Vorsitz der Dichterin Jadwiga Teliga ist ebenfalls eine rein nationalistische Angelegenheit. Seine Arbeit beschränkt sich z. Zt. nur auf die materielle Sicherstellung seiner Mitglieder. Ein starkes Zentrum der national-ukrainischen Kräfte ist die Kiewer Akademie der Wissenschaft, deren erster Sekretär der schon eingangs erwähnte Tschudinow ist. Das Präsidium der Akademie besteht fast ausschliesslich aus Mitgliedern des Nationalrates, so dass nach der offiziellen Auflösung des Nationalrates die Möglichkeit einer weiteren Betätigung für diese Institution im Rahmen der Akademie der Wissenschaften offen bleibt. Auch die Akademie ist bestrebt, die national-ukrainischen Elemente zu sammeln und zu organisieren. Die für die deutsche Wirtschaft wichtigen Institute der Akademie werden aus dem Gesamtorgan gelöst und in den deutschen Verwaltungszug eingeordnet. Ein weiteres Instrument national-ukrainischer Politik ist die autokephale ukrainische Kirche, hinter der im wesentlichen die Organisation des Lewitzkyj steht. Der hervorragendste Vertreter

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dieser Kirche ist der Bischof Hilarion von Chelm, der mehr Politiker als Kirchenfürst auf die Kiewer Metropolitenschaft prätendiert und zur Zeit in Kiew durch einen gewissen Korowizki vertreten wird. Wie stark die Bindungen der autokephalen Kirche zur MelnikBewegung sind, lässt sich im Augenblick nicht ganz übersehen. Vorhanden sind sie jedenfalls. Die Behauptung verschiedener V-Männer, dass zwischen Bischof Hilarion und dem NKWD bestimmte Beziehungen bestehen, ist noch unbewiesen, erscheint aber unter Berücksichtigung des Charakters des Bischofs nicht unwahrscheinlich. Hetman Skoropadski 2 hofft immer noch, in absehbarer Zeit Führer der Ukrainer zu werden. Nach Mitteilungen des Kiewer Rechtsanwaltes Maikowski, welcher auf Einladung des Auswärtigen Amtes eine Reise durch Deutschland machte und mit den Führern der verschiedenen ukrainischen Nationalrichtungen Fühlung nahm, erklären einige der Anhänger Skoropadskis, dass sie nicht nur Deutschland, sondern auch England als Förderer eines ukrainischen Nationalstaates betrachten, wenn Deutschland den Krieg verlieren sollte. Judenerfassung in Charkow: Im Rahmen des SK 4a wurden die umfangreichen Vorbereitungen, die im Rahmen der allgemeinen Judenerfassung in Charkow notwendig wurden, beschleunigt betrieben. Es galt in erster Linie, geeignetes Gelände für die Evakuierung der Juden im engsten Einvernehmen mit dem Quartieramt der Stadt zu ermitteln. Es wurde ein Geländeabschnitt gewählt, wo die Juden in den Baracken einer Werkssiedlung untergebracht werden konnten. Am 14. 12. 41 erschien dann ein Aufruf des Stadtkommandanten an die Juden von Charkow, worin diese aufgefordert wurden, sich bis zum 16. 12. 41 in die im Aufruf näher bezeichnete Siedlung zu begeben. Die Evakuierung der Juden verlief bis auf einige Plünderungen, die sich auf dem Marsche der Juden zu den neuen Quartieren ereigneten und an denen sich fast ausschliesslich Ukrainer beteiligten, reibungslos. Ein zahlenmäßiger Überblick über die bisher durch die Evakuierung erfassten Juden liegt noch nicht vor. Die Zählung der Juden ist eingeleitet. Gleichzeitig sind die Vorbereitungen für die Erschiessungen der Juden im Gange. 305 Juden, die der deutschen Wehrmacht abträgliche Gerüchte verbreiteten, wurden sofort erschossen.3 BAB, R 58/220 1 Grundlegend zum Nationalismus der beiden Fraktionen: Alexander J. Motyl: The Turn to the Right: The Ideological Origins and Developments of Ukrainian Nationalsm, 1919–1929, New York 1980; ders.: Ukrainian Nationalist Political Violence in Inter-War Poland, 1921–1939, in: East European Quaterly 19(1985), S. 45–55; zur Spaltung: Bruder: Den ukrainischen Staat erkämpfen oder sterben, S. 118–123; zusammenfassend: dies.: Kollaboration oder Widerstand? Die ukrainischen Nationalisten während des Zweiten Weltkrieges, in: ZfG 54 (2006), S. 20–44; Müller: An der Seite der Wehrmacht, S. 192–203. 2 Pawlo Skoropadskyj (1873–1945), zaristischer General, 1918/19 Hetman der Ukraine unter dem Schutz der Mittelmächte; vgl. Wolfram Dornik/Stefan Karner (Hrsg.): Die Besatzung der Ukraine 1918. Historischer Kontext–Forschungsstand–wirtschaftliche und soziale Folgen, Graz–Wien 2008; Wolfram Dornik (Hrsg.): Die Ukraine zwischen Selbstbestimmung und Fremdherrschaft 1917–1922, Graz 2011. 3 Siehe EM 156, Fn. 8.

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65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 165 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 6. 2. 1942. Höherer SS- und Polizeiführer Nord (101): (Jeckeln), Standort: Riga. Einsatzgruppe A: (Dr. Stahlecker), Standort: Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: FT, FS Riga, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur d. Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Estland: (Dr. Sandberger), Standort: Reval mit Dienststellen in Narwa, Dorpat, Kingisepp, Krasnoje-Selo, Luga und Pleskau, N-Verbindungen: FT, FS Reval, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Lettland: (Dr. Lange): Standort: Riga m. Dienststellen in Libau, Wolmar u. Dünaburg, N-Verbindungen: FT, FS Riga, Feldpost-Nr. 15447. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Litauen: (Jäger), Standort: Kauen m. Dienststellen in Wilna und Schaulen, N-Verbindungen: FT und FS Kauen und Wilna, Feldpost-Nr. 15641. Kommandeur der Sicherheitspolizei u.d. SD für den Generalbezirk Weissruthenien: (Strauch), z. Zt. vertreten durch SS-Stubaf. RR Hofmann, Standort: Minsk m. Dienststellen in Nowogrodek, Tschudowo, a. d. Marsch nach Cholm und Baranowicze, N-Verbindungen: FT und FS Minsk, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 15641. Höherer SS- und Polizeiführer Mitte (102): (Von dem Bach), Standort: Mogilew. Einsatzgruppe B: (Naumann), Standort: Smolensk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Kurierverbindung über Warschau und Fernsprecher über VD Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando 7a: (Steimle 1), Standort: a. d. Marsch n. Smolensk, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 85607. Sonderkommando 7b: Standort: Brjansk m. Teilen in Orel und Kursk, N-Verbindungen: FT Brjansk, Feldpost-Nr. 18555. Einsatzkommando 8: (Richter), Standort: Mogilew, Roslawl, Orscha, Gomel, Bobruisk, N-Verbindungen: FT Roslawl, Feldpost-Nr. 37857. Einsatzkommando 9: (Schäfer), Standort: Witebsk m. Teilen in Smolensk, N-Verbindungen: FT Witebsk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando Moskau: Standort: Roslawl, N-Verbindungen: FT Roslawl. Höherer SS- und Polizeiführer Süd (103): (Prützmann), Standort: Rowno. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Nikolajew: (Dr. Spann). Kommandeur der Sicherheitspolizei u.d. SD für den Generalbezirk Charkow: (Dr. Kranebitter). Einsatzgruppe C: (Dr. Thomas), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier, Feldpost-Nr. 32704. Sonderkommando 4a: (Dr. Weinmann), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow, Feldpost-Nr. 22789.

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Sonderkommando 4b: (Haensch), Standort: Kramatorsk m. Teilen in Shitomir, Rowno, Winniza, N-Verbindungen: FT Nikolajew und Rowno, FS Rowno, Feldpost-Nr. 35102. Einsatzkommando 6: (Kröger 2), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino, FeldpostNr. 35979. Höherer SS-und Polizeiführer z. b. V.: (Korsemann), Standort: Rowno. Einsatzgruppe D: (Ohlendorf), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol, Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10a: (Seetzen), Standort: Taganrog, Teile in Mariupol und Melitopol, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10b: (Persterer), Standort: Feodosia, Teile in Dshankoj, Stari Krim, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11a: (Zapp), Standort: Bachtschissaraj mit Teilen in Jalta, N-Verbindungen: FT Jalta u. Bachtschissaraj, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11b: (Dr. Braune), Standort3: Fedorowka mit Teilen in Pologi, Seitler, Sarabus und Biukxas, N-Verbindungen: FT Fedorowka, Feldpost-Nr. 47540. [Es fehlt Einsatzkommando 12] II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Lagebericht Pleskau 4: Als das Sonderkommando 1a am 10. 7. 41 in Pleskau eine Dienststelle einrichtete, bahnte sich eine gewisse Klärung und stimmungsmäßige Beruhigung innerhalb der Bevölkerung dieser bedeutendsten Stadt des östlichen Peipusufers an. Vor allem die ältere Generation trauerte dem roten Regime nicht nach; sie blickte mit Vertrauen in die Zukunft, vielleicht auf ein neuerstehendes nationales Russland hoffend, und betonte in diesem Zusammenhang oft den Unterschied, der zwischen dem russischen Volk und dem Sowjetstaat zu machen sei. Diese optimistische Schau der Lage bestand im allgemeinen bei der älteren Generation; die Jungen, von klein auf unter dem Einfluss der Sowjetpropaganda, sahen in der Sowjetordnung die tatsächlich bestmögliche Staatsform. Doch schon in den Anfangstagen der Tätigkeit des Sonderkommandos in Pleskau war ein anfangs fast unmerklicher, bald aber immer stärker in Erscheinung tretender Stimmungsrückgang auch innerhalb der anfangs positiv eingestellten Bevölkerungskreise zu bemerken. Diese Entwicklung hat zum Jahresschluss zu einem besorgniserregenden Tiefstand des Stimmungsniveaus geführt und ist durch mancherlei Faktoren bedingt. In der immer schwieriger werdenden Ernährungslage ist der wesentlichste Grund zu suchen. Eine allgemeine Furcht vor einer Hungersnot beherrscht die Menschen; man argwöhnt, dass es das System der Deutschen sei, die Bevölkerung durch Aushungern zu schwächen und widerstandsunfähig zu machen. Andere Gerüchte wissen von einer Hungersnot im Reich und von einem geplanten Abtransport aller verfügbaren Lebensmittel dorthin. Es wird die Ansicht geäussert, dass auch unter dem Sowjetregime Not geherrscht habe, doch sei sie im Vergleich zur jetzt eingetretenen erträglich gewesen. Verschärft wird die Lage durch die ungewöhnlich strenge Kälte, der die Bevölkerung durch den bestehenden Brennmaterialmangel oft wehrlos ausgesetzt ist. Beeindruckt wird die Bevölkerung weiterhin von der Erkenntnis, dass sie von den anwesenden Deutschen und Esten als minderwertige Volksgruppe angesehen wird. Das Nationalgefühl der Intelligenzschicht hat sich in letzter Zeit bedeutend gesteigert. In diesen Kreisen wird die Auffassung vertreten, dass das grossrussische Reich in seiner ursprünglichen Grösse auf nationaler Grundlage wieder erstehen möge. Unter keinen Umständen würde sich aber das russische Volk mit dem Zustand abfinden können, dass Teile des russischen Reiches in Form eines Protektorats oder gar

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einer „Kolonie“ unter eine fremde Staatsführung kämen. Die Schlussfolgerung lautet in solchen Fällen stets einheitlich: „Dann soll lieber der Bolschewismus zurückkehren.“ Ein weiterer Grund für die gedrückte Volksstimmung liegt im Fehlen jeglicher Ablenkungsmöglichkeiten von den täglichen Sorgen. Es fehlen Kinos, sonstige Unterhaltungsstätten, Bibliotheken usw. Das öffentliche Leben ist tot. Unter der Landbevölkerung ist die Stimmung naturgemäß besser als in den Städten. Dies ist in erster Linie durch die besseren Ernährungsverhältnisse bedingt. Auch empfindet der Bauer durch das enge Zusammenleben in den Dorfgemeinschaften sowie durch die stärkere Abgeschiedenheit vom öffentlichen Leben die Besetzung des Landes nicht so unmittelbar wie der Städter. Ausserdem fühlt er sich immer tiefer in den Gedanken ein, dass der von ihm bearbeitete Grund und Boden in seinen Besitz übergehen wird. Diese Hoffnung wird genährt durch die gegenwärtige Regelung, dass der Bauer die gesamte Ernte zu eigen erhält und nur bestimmte Mengen abzuliefern hat. Diese Lieferungen werden im allgemeinen pünktlich erfüllt, wie überhaupt die Zusammenarbeit mit den deutschen Wirtschaftsstellen befriedigend ist. Die Schwierigkeiten liegen darin, dass das Pleskauer Gebiet von jeher ein Zuschussgebiet gewesen ist, was sich nun bei der Versorgung der Stadt Pleskau auswirkt. Bedingt durch den herrschenden Lebensmittel- und Warenmangel zeigen die Preise eine dauernd steigende Tendenz. Da die ohnehin in keinem Verhältnis zu den Preisen stehenden Löhne unverändert niedrig sind, ergibt sich ein immer krasser in Erscheinung tretendes Klaffen der Preisschere. Die festgesetzten Höchstpreise werden allgemein umgangen und bewirken einen grossangelegten Schwarzhandel. Mitte Dezember wurde, um die Marktspekulation zu unterbinden, eine strenge Überwachung der Markttätigkeit durchgeführt. Das Ergebnis war, dass nach einigen Tagen jede Zufuhr vom Lande aussetzte und erst wieder einsetzte, als der freie Handel nicht mehr behindert wurde. Kirche: Mit dem Sitz in Pleskau wirkt im Bereich zwischen Peipus- und Ilmensee die „Verwaltung der Orthodoxen Mission in den befreiten Gebieten Russlands“. Unterstellt ist diese Gesellschaft dem Exarchen Sergius in Riga, welcher angeblich auf Grund einer Berliner Entscheidung das alleinige Recht besitzt, das religiöse Leben innerhalb der orthodoxen Kirche im baltischen Raum wieder aufzubauen. Die Missionsgesellschaft verfügt heute über einen Personalbestand von 41 Personen und zwar in der Hauptsache lettische Geistliche. Die Gesellschaft ist mit allen Mitteln bestrebt, die religiöse Erziehung der schulpflichtigen Kinder zu übernehmen und wünscht eine enge Verknüpfung des Schulunterrichts mit religiöser Aufklärung. Am Neujahrstage wurde in feierlicher Prozession das Tichwiner Muttergottesbild, welches von deutschen Truppen während der Kämpfe geborgen worden war, in die Pleskauer Kathedrale überführt. Diese Überführung wurde mit allen der Kirche zur Verfügung stehenden Mitteln eindrucksvoll aufgezogen, um den deutschen Stellen die grosse Anhängerschaft der Kirche vor Augen zu führen. Es beteiligten sich an diesem Umzug rund 2000 Personen, fast ausschliesslich Frauen. Allgemeines: 1.) Das Deutsche Nachrichtenbüro, vertreten durch seinen Ostland-Vertreter Dr. Winter, beabsichtigt, für die lettischen Zeitungen einen Nachrichtendienst herauszugeben. 2.) Das Verbot des Abhörens des Finnlandsenders erregt in Estland weiterhin die Gemüter. Es wird im einzelnen behauptet, dass der Bevölkerung das Erfahren der Wahrheit unmöglich gemacht werden soll. 3.) In estnischen Landwirtschaftskreisen wird ernste Sorge für das kommende Wirtschaftsjahr gehegt. Von deutscher Seite werde wohl Hebung des Ernteertrages verlangt, jedoch die Lieferung von Saatgetreide und Kunstdünger aus dem Reich kategorisch abgelehnt. Mit Besorgnis wird auf das Abströmen von Arbeitern in das Altreich hingewiesen. 4.) Estnische Zeitungen zur Führerrede lassen er-

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kennen, mit welch grossem Interesse die Ausführungen des Führers auch in Estland verfolgt wurden. Die grosse Siegeszuversicht, die aus den Worten des Führers sprach, hat ihre Wirkung nicht verfehlt. 5.) In Minsk wurden in der Zeit vom 20.–31. Januar 1942 insges. 125 Personen, darunter 5 wegen Sabotage, 30 wegen Partisanentätigkeit, 17 als NKWDAgenten, 1 Fallschirmspringer, 3 wegen Spionageverdachts und 35 wegen Teilnahme an Aufstandsbewegungen festgenommen. Drei OD-Männer wurden wegen Fluchtbegünstigungen von Häftlingen festgenommen. 6.) Wegen Ausbreitung der Fleckfieberepidemie wurden vom 28. bis 29. 1. 42 zur Bereinigung des Gefängnisses 311 Personen in Minsk erschossen. 7.) Am 1. 2. 42 wurden in Loknja die letzten 38 Juden und Zigeuner exekutiert. 5 8.) Auf der Bahnstrecke Minsk–Baranowicze wurden am 20. 1. 42 zwei deutsche Streckenläufer von Partisanen angeschossen, desgl. 1 Posten am Fliegerhorst Minsk. 9.) Am 26. 1. 42 wurde der Grundschullehrer Peteris Junge festgenommen, der Mitglied des höchsten Rates der lettischen Sowjetrepublik war. Er geriet seinerzeit unter dem Namen „Peter Jugin“ als russischer Soldat in deutsche Gefangenschaft. 10.) Im Rigaer Zentralgefängnis sind weitere 11 Personen an Flecktyphus erkrankt, so dass sich am 4. 2. 42 ein Krankheitsbestand von 87 Personen ergab. Von den Eins.Gruppen B u. C liegen keine Meldungen vor. Einsatzgruppe D: Standort Simferopol. In der Berichtszeit hat Sonderkommando 10b in Feodosia nach der Vertreibung der Russen die sicherheitspolizeiliche Arbeit wieder aufnehmen und am 30. 1. nach Beseitigung des russischen Landekopfes in Sudak nach diesem Ort wiederum ein Teilkommando legen können. Im übrigen wurden 2 weitere Teilkommandos unter Zuziehung von Männern des EK 12 für Durchkämmung der nördlichen Krim angesetzt. Allgemeine Lage: Grundeinstellung der Bevölkerung zur deutschen Besatzung nach wie vor positiv. Da Stimmung eindeutig von der Ernährungslage und Kriegsereignissen beherrscht wird, zeigen sich in einzelnen Räumen entsprechend verschiedene Auswirkungen. Vernichtung der Russen in Jewpatoria, Feodosia und Sudak haben zwar Vertrauen zur deutschen Überlegenheit wieder hergestellt, ein Teil der Bevölkerung gerade dieser Räume lebte jedoch in der Angst der Wiederkehr der Sowjets und hält sich insbesondere in Feodosia von der Unterstützung der Deutschen zurück. Am ausschlaggebendsten für die Einstellung der Bewohner ist die derzeitige Versorgungslage. In Simferopol selbst sowie allgemein in den Nordteilen der Krim ist diese zwar sehr angespannt, doch konnte sich die Bevölkerung immer wieder durch Flucht und Hergabe ihrer letzten Habseligkeiten sowie in den Städten durch die Ausgabe von Getreide durch die Wikos 6 vor dem grössten Hunger schützen. In den Gebieten der Südküste, in denen nur Obst-, Wein- und Tabakbau betrieben wird, ist die Ernährungslage und damit die Stimmung wesentlich schlechter. Besonders in Jalta herrscht Hungersnot. Diese Lage hat eine grosse Wanderbewegung von der Südküste in Teile der Nordkrim und die Ukraine bewirkt, die zunächst infolge der Ausgabe zahlloser Bescheinigungen unkontrollierbar war, jetzt aber auf Einwirkung des Teilkommandos der Sipo u.d. SD registriert wird. Trotz dieser Lage wird die Stimmung aber auch hier nicht als ausgesprochen negativ angesehen, zumal die Einwohner die Hoffnung haben, dass deutsche Stellen doch noch helfen werden und u. a. die Kollektivwirtschaften in den Weinberggebieten wenigstens auflockern und den Fischfang richtig organisieren. Vollzugstätigkeit: Die Fahndung nach Kommunisten und anderen unzuverlässigen Elementen hat im Raum Simferopol, Karasubasar, Aluschta und Jewpatoria besonders durch eigenes V-Mann-Netz dazu geführt, dass z. B. in Simferopol ausser Juden allein über 100

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kommunistische NKWD-Agenten und Saboteure in der Berichtszeit ermittelt und erschossen werden konnten. U. a. wurde der Milizchef Granowsky als Angehöriger eines Zerstörungsbatl. und kommunistischer Propagandist überführt. In Jewpatoria wurden versprengte Rotarmisten, die sich zu Partisanengruppen zusammengeschlossen hatten, erkundet und für Vernichtung gesorgt. Bei Fahndung nach NKWD-Leuten wurde u. a. eine Frau festgenommen, die deutsche Truppeneinheiten auszuspionieren hatte und mit Arsenpräparaten zur Vergiftung deutscher Soldaten ausgerüstet war. Kommando Feodosia nahm Durchkämmung der Stadt vor und konnte am 28. 1. 36 versteckte Kommunisten und Partisanen im Kampf erschiessen und 16 gefangennehmen. Das Teilkommando in Dshankoj säuberte Stadt- und Landgebiete und nahm in den letzten 14 Tagen 141 verdächtige Personen fest. 76 wurden nach Überprüfung bereits erschossen. U. a. wurde ein Russe festgenommen, der als Parteifunktionär und Verbindungsmann zu Partisanen in Kertsch mehrere Fabriken zerstört hat. Ein weiterer Festgenommener, der von der Wehrmacht als Starost eingesetzt worden war, war unter Sowjets „revolutionsmilitärischer Volkskommissar“ und hatte Verbindung zu Partisanen unterhalten und Sabotagebefehle gegeben. Eine Sara Plett gab sich als Volksdeutsche aus. Bei ihrer Festnahme wurden in Diensträumen der Eisenbahn gestohlene Papiere und Zeichnungen sichergestellt. In Bachtschissaraj und Jalta wurden auf Bitten der Wehrmacht Grossaktionen durchgeführt. Während in Bachtschissaraj von 100 festgenommenen Personen 20 als Verbindungsleute zu den Partisanen ermittelt werden konnten, wurden in Jalta nur einzelne Elemente erfasst. Auch hier hat nur Nachrichtenarbeit zu Erfolgen geführt. 600 verdächtige Personen sind karteimäßig erfasst und einzelne Gruppen bereits ausgehoben. Jeffibov wurde als kommunistischer Agitator mit 5 Kommunisten bei einer Geheimsitzung festgenommen. Kanter, jüdischer Arzt, konnte als Leiter einer Gruppe von Brandstiftern und Saboteuren gefasst werden. Goremikin konnte als Leiter einer Spionagezentrale, die die Verbindung zwischen Partisanen und Sewastopol-Front hielt, erschossen werden. Partisanen waren in den letzten 14 Tagen wieder sehr aktiv. Besonders auf Strassen Jalta–Aluschta–Simferopol werden fast täglich Fahrzeuge von starken Gruppen mit schweren Infanteriewaffen überfallen. Partisanenlager sind zwar von den Kommandos der Sipo u.d. SD eindeutig erkundet und an Wehrmacht gemeldet, bisher jedoch keine Truppen zur Verfügung. Aufstellen der Tataren-Selbstschutzkompanien, Verlegung in gefährdete Gebiete hat andererseits Überfälle auf Dörfer verhindert und Abdrängung von Partisanengruppen bewirkt. In den letzten 14 Tagen wurden 10 Überfälle auf Ortschaften durch Tataren-Selbstschutzkompanien mit Verlusten für Partisanen abgeschlagen. Partisanen leben z. T. in erbärmlichen Verhältnissen. Bestrebungen zur Kampfaufgabe werden aber von Kommissaren unterdrückt. Vom 15.–31. 1. 42 wurden 3601 Personen erschossen, davon 3286 Juden, 152 Kommunisten, NKWD-Leute, 84 Partisanen und 79 Plünderer, Saboteure, Asoziale. Gesamtzahl bisher 85 201.7 BAB, R 58/220 1

Falsch, kommissarisch geführt durch Kurt Matschke. Falsch, längst Robert Mohr. 3 Hier handelt es sich um einen Abschreibfehler. Letzter gemeldeter Standort war Simferopol. 4 Zur Situation im militärisch verwalteten Gebiet östlich des Peipussees: Wilhelm: Die Einsatzgruppe A der Sicherheitspolizei und des SD, S. 252 ff. 5 Vgl. ebd., S. 257 f. 6 Wirtschaftskommandos der Wehrmacht. 7 Zu den Zahlenangaben Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 519 f. 2

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Der Chef der Sicherheitspolizei u.d. SD IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 9. Februar 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 166 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 9. 2. 42. Höherer SS- und Polizeiführer Nord (101): (Jeckeln), Standort: Riga. Einsatzgruppe A: (Dr. Stahlecker), Standort: Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: FT, FS Riga, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur d. Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Estland: (Dr. Sandberger), Standort: Reval mit Dienststellen in Narwa, Dorpat, Kingisepp, Krasnoje-Selo, Luga und Pleskau, N-Verbindungen: FT, FS Reval, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Lettland: (Dr. Lange), Standort: Riga m. Dienststellen in Libau, Wolmar u. Dünaburg, N-Verbindungen: FT, FS Riga, Feldpost-Nr. 15447. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Litauen: (Jäger), Standort: Kauen m. Dienststellen in Wilna und Schaulen, N-Verbindungen: FT und FS Kauen und Wilna, Feldpost-Nr. 15641. Kommandeur der Sicherheitspolizei u.d. SD für den Generalbezirk Weissruthenien: (Strauch), z. Zt. vertreten durch SS-Stubaf. RR Hofmann, Standort: Minsk m. Dienststellen in Nowogrodek, Tschudowo, a. d. Marsch nach Cholm und Baranowicze, N-Verbindungen: FT und FS Minsk, Feldpost-Nr. 15641. Höherer SS- und Polizeiführer Mitte (102): (Von dem Bach), Standort: Mogilew. Einsatzgruppe B: (Naumann), Standort: Smolensk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Kurierverbindung über Warschau und Fernsprecher über VD Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando 7a: (Steimle 1), Standort: a. d. Marsch n. Smolensk, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 85607. Sonderkommando 7b: Standort: Brjansk m. Teilen in Orel und Kursk, N-Verbindungen: FT Brjansk, Feldpost-Nr. 18555. Einsatzkommando 8: (Richter), Standort: Mogilew, Roslawl, Orscha, Gomel, Bobruisk, N-Verbindungen: FT Roslawl, Feldpost-Nr. 37867. Einsatzkommando 9: (Schäfer), Standort: Witebsk m. Teilen in Smolensk, N-Verbindungen: FT Witebsk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando Moskau: Standort: Roslawl, N-Verbindungen: FT Roslawl. Höherer SS- und Polizeiführer Süd (103): (Prützmann), Standort: Rowno. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Nikolajew: (Dr. Spann). Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Charkow: (Dr. Kranebitter). Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Kiew: (Ehrlinger2). Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Shitomir: (Dr. Razesberger3). Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Wolhynien (Rowno): (Dr. Pütz 4). Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Dnjepropetrowsk: (Mulde 5). Einsatzgruppe C: (Dr. Thomas), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier, Feldpost-Nr. 32704.

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Sonderkommando 4a: (Dr. Weinmann), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow, Feldpost-Nr. 22789. Sonderkommando 4b: (Haensch), Standort: Kramatorsk m. Teilen in Shitomir, Rowno, Winniza, N-Verbindungen: FT Nikolajew und Rowno, FS Rowno, Feldpost-Nr. 35102. Einsatzkommando 6: (Kröger 6), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino, FeldpostNr. 35979. Höherer SS- und Polizeiführer z. b. V.: (Korsemann), Standort: Rowno. Einsatzgruppe D: (Ohlendorf), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol, Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10a: (Seetzen), Standort: Taganrog, Teile in Mariupol und Melitopol, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10b: (Persterer), Standort: Feodosia, Teile in Dshankoj, Stari Krim, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11a: (Zapp), Standort: Bachtschissaraj mit Teilen in Jalta, N-Verbindungen: FT Jalta u. Bachtschissaraj, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11b: (Dr. Braune), Standort7: Fedorowka mit Teilen in Pologi, Seitler, Sarabus und Biukxas, N-Verbindungen: FT Fedorowka, Feldpost-Nr. 47540. [Es fehlt Einsatzkommando 12] II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. l.) Auf einer am 2. 2. 42 stattgefundenen Betriebsversammlung in den Lutherwerken in Reval erschien ganz unerwartet der Generalkommissar Litzmann, um zu den Arbeitern zu sprechen. Der Generalkommissar nahm zu einigen, die estnische Arbeiterschaft besonders interessierenden Fragen Stellung. Die Rede des Generalkommissars wurde von den Arbeitern mit grösster Aufmerksamkeit angehört und mehrfach von Beifall unterbrochen. Die Absetzung des bisherigen Betriebsleiters der Lutherwerke, die wegen verschiedener Missstände kurz vorher auf Veranlassung des Generalkommissars erfolgt war, hat sensationell gewirkt. Die Maßnahme wird im allgemeinen, ganz besonders aber in der Arbeiterschaft, begrüsst. Auch über den Rahmen der Belegschaft der Lutherwerke hinaus wirkt sich jetzt die Ansprache des Generalkommissars vom 2. 2. aus. Es wird in Arbeiterkreisen mit Genugtuung festgestellt, dass sich höchste Stellen um die Belange der Arbeiter kümmern. Man gibt der Hoffnung Ausdruck, dass nunmehr auch die Lohnfrage ihrer baldigen Lösung zugeführt werde. Aus der Rede wird mit Stolz die Erwähnung der estnischen Freiwilligen hervorgehoben. 2.) Gegenüber 1122 000 Einwohnern im September 1940 zählt Estland jetzt nur noch 1010 135 Einwohner. Das bedeutet einen Bevölkerungsrückgang um 111865 Menschen. Hiervon sind 60 911 Personen verschleppt oder als Mobilisierte deportiert worden. 1178 wurden ermordet. Am stärksten haben die Intelligenzberufe gelitten. 3.) Die allgemeine Stimmung der Bevölkerung Estlands hat sich im Vergleich zu Anfang Januar beruhigt und gehoben. Hierbei sprechen mit: 1. Die Nachrichten über die Lage an der Ostfront. 2. Der günstige Abschluss der Wintersachensammlung. 3. Das wachsende Vertrauen zu der Person des Generalkommissars Litzmann und den deutschen Behörden. 4.) Der in Luga stationierte Posten der Einsatzgruppe A hat unter Mithilfe einheimischer Erkunder durch schnellen Handstreich eine Partisanengruppe von 13 Mann, die gleichzeitig die Führungsgruppe eines Teiles der Partisanen bei Luga war, vernichtet. Dem Führer der Antipartisanengruppe des Postens Luga wurde vom Kommandeur einer Division das eiserne Kreuz 2. Kl. verliehen. Ausserdem erhielt der SD-Posten Anerkennungsschreiben des Divisionskommandeurs und eine Verpflegungs-

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zulage. 5.) Ein Teil der Einsatzgruppe in Stärke von 20 Mann unter Führung des SSU.Stuf. Carolus hat sich in den mehrtägigen Abwehrkämpfen um das eingeschlossene Cholm so ausgezeichnet, dass dem SS-U.Stuf. Carolus das eiserne Kreuz 1. Kl. und 3 weiteren Angehörigen der Einsatzgruppe das EK 2. Kl. an Ort und Stelle verliehen wurde. Die Gruppe Carolus hatte bei den Kämpfen 9 Verwundete, die sämtlich durch Flugzeug in das Kriegslazarett Pleskau überführt wurden. 6.) In der Nacht zum 6. 2. sind an der Westküste des Peipussees bei Mustvee 6 russische Fallschirmjäger mit einem Motorschlitten gelandet. Durch Lichtsignale vom Ufer wurde der Landungsversuch begünstigt. Bei dem sich zwischen der Wachmannschaft und den Russen entwickelnden Feuergefecht wurden 2 Fallschirmjäger erschossen, 1 geriet in Gefangenschaft, 3 gelang es zu entkommen. 7.) Die Zusammenstellung der Ergebnisse der Wintersachensammlung im Reichskommissariat Ostland ergibt 849 105 Stück. Dazu treten noch 25 216,– RM an Geldspenden und 335 936 [sic], 6 kg Lebensmittel sowie grössere Posten Schafwolle und Garne. An diesem Ergebnis sind beteiligt: Estland mit 305 000 Stück, Lettland mit 268 689 Stück und Litauen mit 275 416 Stück. 8.) Der Gedanke an ein Grossfinnland oder zumindest an ein Aufnehmen enger Beziehungen zu Finnland beginnt in der estnischen Jugend Wurzel zu fassen. Während in der Zeit der Selbständigkeit Estlands nur gewisse Akademikerkreise finnisch orientiert waren, in den breiten Bevölkerungskreisen aber eine enge Verbindung mit Finnland abgelehnt wurde, wird jetzt der Gedanke des Zusammengehens allgemein erörtert. Vielfach besteht unter den wehrfähigen jungen Männern der Wunsch, sich als Freiwillige bei den Finnen zu melden und später die finnische Staatszugehörigkeit zu erwerben. In diesem Zusammenhang verdient ein Bericht von Professor Heiskanen Beachtung, den der Finnlandsender am 5. 2. 42 in estnischer Sprache brachte. Heiskanen gab darin einen Überblick über den Anteil Estlands am Kampfe gegen den Bolschewismus. Nach der Erwähnung des estnischen Freiheitskrieges und des Putsches im Jahre 1942 [sic] sprach Heiskanen über die Opferbereitschaft der Esten während des Winterkrieges der Finnen diesen gegenüber. Weiter gab er eine Übersicht über den Partisanenkrieg im rückwärtigen Gebiet der Roten Armee im derzeitigen Kriege und die Teilnahme der Esten in den Reihen der deutschen Wehrmacht. Obwohl man die Bedeutung des Partisanenkrieges nicht überschätzen dürfe, stehe fest, dass Estlands Anteil dennoch viel grösser sei als der irgendeines anderen befreiten Volkes. Estland setze den Kampf durch seine Freiwilligen fort, die mit voller Begeisterung für die Freiheit Estlands und ganz Europas ins Feld gezogen seien. Von den Einsatzgruppen B, C u. D liegen keine Meldungen vor. III. Reich und besetzte Gebiete: Der Kdr. d. Sipo u.d. SD in den bes. Geb. Kärntens u. Krains meldet: Die seinerzeit in der Ortschaft Draschgoche zersprengte kommunistische Bande wurde laufend durch Aktionen der Schutz- und Sicherheitspolizei empfindlich geschwächt und hat sich nun, wie aus den Aussagen von festgenommenen Bandenmitgliedern und aus vertraulichen Meldungen hervorgeht, in mehrere Einzelgruppen aufgelöst, die sich vorwiegend in den Gebieten der politischen Bezirke Krainburg und Radmannsdorf aufhalten und dort nach einer mehr als 5-wöchigen Pause neuerlich in den letzten Tagen Aktionen unternommen haben. Der slowenische kommissarische Bürgermeister der Gemeinde Afriach wurde in den Nachtstunden durch 4 Banditen aus seiner Wohnung gelockt und erschossen. Von den damit in Zusammenhang stehenden Personen konnte eine festgenommen werden, eine weitere wurde im Kampf erschossen. In der Ortschaft Neumarktl wurde ein slowenischer Reichsbahnbediensteter nach Einbruch der Dunkelheit auf dem Wege zu seinem Arbeitsplatz

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erschossen. Der vermutliche Täter ist bekannt und flüchtig. Seine Ausforschung ist eingeleitet. Falls er innerhalb einer bestimmten Frist nicht festgenommen werden kann, wird der Bevölkerung der Gemeinde Neumarktl eine Geldbusse von RM 100000 auferlegt werden. Ausserdem wurden Familienangehörige des Täters und eine grosse Zahl weiterer Gegner vorerst festgenommen. Als Sühnemaßnahme wurden 15 in Haft befindliche kommunistische Gewaltverbrecher erschossen. Zur Bekämpfung der Banden ist die gesamte Schutzpolizei laufend im Streifendienst eingesetzt und führt gemeinsam mit der Sicherheitspolizei auch Einsätze durch. Aufgrund der sicherheitspolizeilichen Arbeit wurden in den letzten Wochen etwa 250 Personen festgenommen, die zum Teil Bandenführer und an zahlreichen Morden und Terroranschlägen beteiligt waren. Die übrigen Festgenommenen waren in der slowenischen Befreiungsfront (KP) organisiert und haben bei dieser zum Teil wichtige Stellungen bekleidet. Weitere Aktionen grösseren Ausmaßes erfolgen in den nächsten Tagen. Im Bezirk Laak werden etwa 150 Personen festgenommen, die sich zur Zeit der Aufstandsbewegungen im Bezirk Laak den Banditen angeschlossen haben und inzwischen wieder zurückgekehrt sind. Im Gebiet der Gemeinde Neuming werden ebenfalls etwa 40 Personen in Haft gesetzt, die beim Legen von Baumsperren und bei einem Überfall auf ein Kommando der Schutzpolizei mitgewirkt haben. Im Wege der einzelnen Einvernahmen konnten wesentliche Anhaltspunkte über den Aufbau und Zusammensetzung der Banden und über die Täter der von diesen durchgeführten Aktionen erhalten werden. Ausserdem konnte in verschiedenen Gebieten die Organisation der slowenischen Befreiungsfront aufgerollt werden, und es besteht Aussicht, in absehbarer Zeit in die Zentrale derselben in Krainburg Eingang zu finden. Im Laufe der Vernehmungen wurde auch festgestellt, dass die einzelnen Banden über Weisung der Zentralstellen in Laibach derzeit mit Rücksicht auf das Winterwetter und auf die dadurch zum Teil eingetretene Demoralisierung den Auftrag erhalten haben, bis zum Eintritt des Frühjahres Ruhestellungen zu beziehen und erst im Frühjahr wieder voll in Aktion zu treten. Der Befehlshaber der Sicherheitspolizei u.d. SD in Belgrad meldet: Festnahmen: Wegen kommunistischer Betätigung 33 Personen, wegen Spionage 1 Person, wegen Verdachts der Spionage 2 Personen, wegen Sabotage 7 Personen, wegen Mordes an Volksdeutschen 1 Person, wegen Devisenvergehens 3 Personen, wegen Schleichhandels 7 Personen, 2 Personen, die sich als Beamte der Geheimen Staatspolizei ausgegeben hatten, und wegen verschiedener Delikte 9 Personen. Aushebung des Ortsaktivs des Skoj: 3 Mitglieder festgenommen, 3 geflüchtet, Organisationsarchiv sichergestellt. Festgestellt, dass für die Arbeit des Skoj Belgrad in 6 Abschnitte aufgeteilt ist. Als 7. Abschnitt gilt die Arbeit an den Belgrader Mittelschulen. Jeder Abschnitt ist in Bezirksaktive geteilt und diese wieder in Unteraktive. Abschnitt 1 hatte 8 Bezirksaktive, Abschnitt 2 hatte 12, Abschnitt 3 hatte 4, Abschnitt 4 hatte 3, Abschnitt 5 hatte 5, Abschnitt 6 hatte 3 Bezirksaktive und Abschnitt 7 umfasst sämtliche Mittelschulen. Jedes Bezirksaktiv besteht durchschnittlich aus 2 bis 3 Unteraktiven. Aus diesen Unteraktiven werden dann je 3 Mitglieder herausgezogen, die eine Terrorgruppe bilden. Die Terrordreiergruppen bestehen nur im Abschnittsaktiv. Jedes Abschnittsaktiv zählt durchschnittlich 120 Mitglieder. Die Arbeit des Skoj in Belgrad leiten 3 schon bekannte Personen, die sich seit der Aufdeckung des Orts- und Gebietskomitees des Skoj im Herbst 41 auf der Flucht befinden. Wichtiges Material betreffend Organisation und politische Arbeit aus neuester Zeit ist sichergestellt. Aufgrund dessen bis jetzt 9 Festnahmen. Weitere Ermittlungen und Festnahmen im Gange. Bekämpfung der Aufständischenbewegung: Durch eingehende Meldungen und eigene Feststellungen erwiesen, dass Anhänger des

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Draza Mihajlovic in immer grösserer Anzahl versuchen, in serbische bewaffnete Abteilungen einzutreten, um diese zu zersetzen. In den im November/Dezember 41 gesäuberten Aufstandsgebieten teilweise Wiederbeginn der Bandentätigkeit. Kampfhandlungen haben bereits stattgefunden. Neuerdings wieder Eingang von Meldungen über bevorstehenden allgemeinen Frühjahrsaufstand. BAB, R 58/220 1

Falsch, kommissarisch geführt durch Kurt Matschke. Erich Ehrlinger, geb. 1910, Jurastudium, 1931 NSDAP u. SA, 1933 Referendarexamen, 1934 hauptamtlich beim Chef des SA-Ausbildungswesens, 1935 SS, Sept. 1935 SD-HA, Stabsführer Zentralabt. I 3 (Presse, Museum) u. Leiter Hauptabt. II 11 (Weltanschauungen), 1938 Aufbau des SD in Wien, 1939 dto. in Prag, 1939 Ostubaf., Herbst 1939–April 1940 SD-Führer EG IV in Polen, dann beim KdS Warschau, Aug. 1940–Febr. 1941 mit Sonderauftrag RFSS als Berater Quislings in Oslo, Sommer 1941 Kdr. SK 1b; Dez. 1941 KdS Kiew, Aug. 1943 zudem BdS Ukraine, Sept. 1943 BdS Minsk u. Chef EG B, April 1944 Amtschef I des RSHA, 1963 zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt, Aufhebung durch BGH, 1965 Haftentlassung, Dez. 1969 Verfahrenseinstellung wegen Verhandlungsunfähigkeit, in der Folge justitiell nicht mehr behelligt, gest. 2004; BAB, BDC, SSO Erich Ehrlinger; Vern. dess. v. 9. 12.1958, BAL, B 162/2641, Bl. 11 ff.; BAL, ZK: Erich Ehrlinger; Urteil LG Karlsruhe v. 20.12.1961, BAL, B 162/14150; Michael Wildt: Erich Ehrlinger – ein Vertreter „kämpfender Verwaltung“, in: Mallmann/Paul: Karrieren der Gewalt, S. 76–85; Mallmann/Böhler/Matthäus: Einsatzgruppen in Polen, S. 31, 70, 105, 116 f. 3 Dr. Franz Razesberger, geb. 1904, Jurastudium, 1929 österreichische Polizei, KR, kein SS-Mitglied, Stubaf. als Uniformträger, Chef Kripo-Leitstelle Wien, 1940/41 Leiter V BdS Metz, Jan.–Dez. 1942 KdS Shitomir, dann zum Amt V des RSHA, 1961 Freispruch durch LG Wien; BAB, BDC, SSO Dr. Franz Razesberger; BAL, ZK: Dr. Franz Razesberger; vgl. Gafke: Heydrichs Ostmärker, S. 91–95, 306. 4 Dr. Karl Pütz, geb. 1911, Jurastudium, 1933 Referendarexamen, NSDAP u. SA, 1934 Dr.jur., 1937 Assessorexamen u. zur Gestapo, 1938 SS u. stellv. Chef Stapo-Stelle Aachen, 1940 Stubaf., Dez. 1941 KdS Rowno, Okt. 1943 KdS Lublin, Aug. 1944 KdS Posen, 1945 vermutlich Selbstmord; BAB, BDC, SSO Dr. Karl Pütz; BAL, ZK: Dr. Karl Pütz. 5 Wilhelm Mulde, geb. 1910, Kaufmann, 1929 NSDAP, 1930 SA, 1933 SS u. Leiter SD-UA Halle, 1938 Stubaf., Jan. 1942 KdS Dnjepropetrowsk, Okt. 1943 gefallen; BAB, BDC, SSO Wilhelm Mulde; BAL, ZK: Wilhelm Mulde. 6 Falsch, längst Robert Mohr. 7 Hier handelt es sich um einen Abschreibfehler. Letzter gemeldeter Standort war Simferopol. 2

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 11. Februar 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 167 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Die mit Ereignismeldung Nr. 166 vom 9. 2. 42 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. 1.) Im Gebiet des Generalkommissars in Kauen mehren sich in letzter Zeit die Fälle, in denen wegen Arbeitsverweigerung mit Polizeistrafen vorgegangen werden muss. 2.) Im Kauener Zentralgefängnis sind zwei Fälle von Zusammenarbeit des Bewachungsdienstes mit Terroristen bekannt geworden. Die Löhne und Gehälter der Beamten des Bewa-

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chungsdienstes sind immer noch so, dass die Beamten davon nicht leben können. Trotz wiederholter Verhandlungen des Kommandeurs der Sipo Litauen mit den zuständigen Stellen der Zivilverwaltung konnte bis jetzt eine Änderung der bestehenden Löhne und Gehaltssätze nicht erreicht werden. 3.) Aus den Gebieten der Ölschieferindustrie in Wierland mehren sich die Klagen der Bevölkerung darüber, dass die zu Arbeiten auf den Werken eingesetzten russischen Gefangenen bedeutend höhere Verpflegungssätze als die Zivilbevölkerung erhalten. Während die Gefangenen regelmäßig Zucker, Marmelade, Nährmittel, Tee und Salz bekommen und auch mit Kartoffeln, Sauerkohl und Frischgemüse versorgt werden, erhalten die Arbeiter überhaupt keine zuckerhaltigen Nährmittel und müssen für die Beschaffung von Kartoffeln selbst sorgen, die aber nicht zu haben sind. Die Fabrikleitungen sollen sich angeblich auf den Standpunkt stellen, dass den Kriegsgefangenen eine kräftige Kost verabfolgt werden muss, damit sie produktive Arbeit leisten können. 4.) Die ausserordentlichen Maßnahmen, die seitens des Gesundheitsamtes beim Generalkommissar in Reval zur Bekämpfung der Flecktyphusepidemie ergriffen worden sind, haben schon Erfolge gezeitigt. Die Zahl der erkrankten und unter Verdacht stehenden Personen ist von 2125 zu Ende Januar bis auf 1684 (Stichtag 5. 2. 42) gesunken. Im einzelnen verteilt sich die genannte Zahl wie folgt: Russische Kriegsgefangene 1357, deutsche Zivil- und Militärpersonen 29, einheimische Zivilbevölkerung und Selbstschutz 298. 5.) Am 6. 2. 42 sind aus der Gegend um Leningrad weitere 671 Volksdeutsche nach einem Umsiedlungslager in Konitz in Marsch gesetzt worden. Von den Einsatzgruppen B u. C liegen keine Meldungen vor. Einsatzgruppe D: Standort Simferopol. Sicherheitspolizeiliche Arbeit auf der Krim: Die bisherige sicherheitspolizeiliche Arbeit auf der Krim hat die Erfahrung gebracht, dass die von den Kommandos besetzten Räume mehrfach in einer Form durchkämmt werden müssen, dass möglichst auch jeder kleinere Ort überprüft wird. Hatte sich schon in den ersten Monaten des Einsatzes herausgestellt, dass die unzuverlässigen Elemente erst einige Wochen nach der Besetzung durch die Truppen wieder in den Ortschaften aufzutauchen pflegen bzw. eine Möglichkeit sehen, wieder aktiv hervorzutreten, so gilt dies ganz besonders für die jetzt bearbeiteten Gebiete. Die Gründe sind einmal in den mehrfachen Landungsversuchen der Russen, im Absetzen von Fallschirmspringern, zum anderen in der Tätigkeit der Partisanen zu suchen. Dass die Partisanen, trotzdem ihre Standorte fast durchweg von den Kommandos erkundet sind, nicht nachhaltig bekämpft werden, liegt an den Witterungsverhältnissen und vor allem am Fehlen der dafür notwendigen Truppen. Auch die Elemente, die sich sonst erfahrungsgemäß zurückhalten, bekommen durch diese Umstände immer wieder neuen Auftrieb. Besonders die örtlichen Wehrmachtseinheiten legten grössten Wert darauf, dass die Hauptortschaften durch schlagartig durchgeführte Grossaktionen zur Erfassung von Saboteuren, Partisanen, feindlichen Fallschirmspringern, führenden Kommunisten usw. überprüft wurden. Die unter Führung der Kommandos vorgenommenen Aktionen haben keine wirklichen Erfolge gehabt. Die zunächst festgehaltenen Personen mussten jeweils wieder bis auf wenige entlassen werden. Wirkliche Erfolge hatte bisher nur die Nachrichtenarbeit. Mit Hilfe eines verzweigten und laufend ausgebauten V-Männernetzes, das sich in der Hauptsache auf Tataren stützt, konnte bereits eine Reihe von Gegnern ermittelt und unschädlich gemacht werden. Die Stadt Jalta und die Ortschaften ihrer Umgebung sind keine Hochburgen des Kommunismus gewesen. Einmal bedingte das Fehlen fast jeder Industrie auch das Fehlen grösserer Ansammlungen von fremden Arbeitermassen. Zum zweiten ist das Gebiet um Jalta, abgesehen von der Stadt selbst, überwiegend von

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Tataren bewohnt, die dem Bolschewismus immer feindlich gegenüberstanden. Dagegen wird die Tätigkeit von Partisanengruppen durch die Landschaft mit ihren Berg- und Waldverstecken ausserordentlich begünstigt. Nach genauer Erkundung wurden die Partisanengruppen im Raume von Jalta in mehreren Aktionen so gründlich aufgerieben, dass sie seither nicht mehr in Erscheinung getreten sind. Gleichzeitig damit setzte die Arbeit gegen die in der Stadt verbliebenen kommunistischen Gruppen und Partisanen ein. Die führenden kommunistischen Funktionäre waren, wie überall, fast ausnahmslos geflüchtet oder als Partisanen in die Berge gegangen. Durch die erwähnten Unternehmungen konnten in den Bergen einige von ihnen unschädlich gemacht werden. Bei der Säuberung der Tatarendörfer wurden einige Kommunisten entdeckt, die sich hier in Sicherheit glaubten. U. a. wurden Personen festgenommen, die bereits früher in Zusammenarbeit mit dem NKWD an der Verschickung der Volksdeutschen beteiligt waren und bei deren letzter grosser Evakuierung aus der Krim mitgewirkt hatten. Im Stadtgebiet Dshankoj wurden Säuberungsaktionen gegen kommunistische Elemente in grösserem Umfange durchgeführt. Es wurden hierbei 92 Personen festgenommen und ein eingerichtetes Schutzhäftlingslager, das unter die Bewachung des Zuges der Tatarenselbstschutzkompanie gestellt wurde, eingeliefert. Im gleichen Raume wurden die im Gebiet liegenden Ortschaften gesäubert. Die Festgenommenen – insgesamt 49 Personen – wurden im Sammeltransport von Kolay und Seitler aus nach Dshankoj transportiert. Nach Abschluss der Ermittlungen wurden von den Festgenommenen 75 Personen erschossen. Es handelt sich im wesentlichen um Parteimitglieder und Angehörige von Zerstörungsabteilungen, die kurz vor Abzug der Sowjets in Erscheinung getreten waren. Da von Seiten deutscher Dienststellen in oft leichtsinniger Grosszügigkeit Zivilisten für wichtige Arbeiten verwendet werden, wurden Überholungen von Betrieben, vor allem der Eisenbahn, für notwendig erachtet. Verdächtige Elemente wurden teils festgenommen, teils wurde ihre Entlassung bei den betreffenden Dienststellen beantragt. Feststellen liess sich hierbei, dass in mehreren Fällen Personen eingestellt waren, von denen nach Prüfung ihrer politischen Vergangenheit ein aktives Tätigwerden bestimmt zu erwarten war. Lage und allgemeine Stimmung im Raum Jalta: Die Versorgung der Küstenbevölkerung mit Lebensmitteln war schon zu sowjetischer Zeit wegen des Fehlens geeigneter Landzufahrtswege schwierig. Sie erfolgte auf dem Wasserwege und erstreckte sich im wesentlichen auf die grossen Sanatorien und staatlichen Anstalten. Soweit die Bevölkerung als Angestellte oder Arbeiter wirtschaftlich nicht an diese angeschlossen war, ging es ihr stets verhältnismäßig schlecht. Nach Aufzehrung der wenigen vorhanden gewesenen Bestände ist eine Hungersnot eingetreten, die sich seit Mitte Januar täglich verschärft. In den ersten Januartagen sind etwa 60 Personen verhungert; in den letzten Tagen sterben täglich 15–17 Personen an Hunger. Es sind bereits Schwierigkeiten bei dem Verbringen der Leichen auf dem Friedhof aufgetreten. Die Stadtverwaltung hat Streifen eingerichtet, um die auf Strassen und Plätzen an Hunger zusammenbrechenden Passanten wegschaffen zu lassen. Zur Zeit werden in 4 Volksküchen 3700 Mittagessen ausgegeben (bei einer Bevölkerungszahl von etwa 30 000). An der Lebensmittelversorgung haben nur die Beschäftigten und auch im beschränkten Umfange Angehörige teil. Die Beschäftigten erhalten für einen Zeitraum von 4 Tagen bis 2 Wochen 300 gr Brot. Aus den vorhandenen Beständen können die Volksküchen bis etwa Mitte April Mittagessen bereiten. Es stehen dafür die Erträge des Fischfangs zur Verfügung und an Vorräten 550 Tonnen Salz und 9900 kg Tomatenpaste. Ausserdem noch 100 Päckchen Kaffeeersatz und 140 Liter Essig. Die Stadtverwaltung ist zur Zeit sehr bemüht, zusammen mit dem Ortskommandanten die Ernäh-

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rungslage zu bessern. Der Bürgermeister bereitet ein Lebensmittelkartensystem vor, das am 4. Februar in Kraft gesetzt werden soll, nachdem die Lebensmittelbeschaffung in Gang gekommen ist. Ab Anfang April werden 6000 Menschen durch den Garten- und Gemüsebau ernährt werden können. Die Bevölkerung selbst will auf verschiedenste Weise des Hungers Herr werden. Allenthalben wird versucht, Wertsachen und Kleider gegen Lebensmittel einzutauschen. Das Allheilmittel wird aber allgemein in einem Passierschein nach Simferopol oder Umgebung gesehen. Seit Dezember hat eine grosse Wanderungsbewegung eingesetzt. Es wird versucht, diese völlig unkontrollierte Wanderung in geordnete Bahnen zu lenken. Trotz der Hungersnot und der schweren Lage, die noch durch einen seit Jahrzehnten in dieser Form nicht dagewesenen Winter verschärft wird, ist die Stimmung der Bevölkerung nicht als negativ zu bezeichnen. Sie ist zwar unterschiedlich und schwer zu erfassen, es liessen sich im Grossen jedoch folgende Strömungen erkennen: Der grösste Teil der Bevölkerung hatte im November die deutsche Wehrmacht mit Freude und Hoffnung erwartet. Auch heute noch wird die Wehrmacht als Befreier vom jüdisch-kommunistischen Joch angesehen und geachtet. Insbesondere der kleine Teil der alten Intelligenz, der sich noch in Jalta erhalten hatte, glaubt weiterhin unerschütterlich an sie. Die Zahl der überzeugten Kommunisten und der Schwankenden, die Gerüchte und Missstimmungen verbreiten, hat keinen entscheidenden Einfluss auf die Haltung der Gesamtbevölkerung, deren Einstellung sich mehr nach den Tatsachen und Taten der Wehrmacht richtet. Deshalb hatte auch die Umgruppierung der deutschen Truppen in der Südkrim den ersten Stimmungsrückschlag zur Folge. Das scharfe Vorgehen gegen Kommunisten, Partisanen und deren Gesinnungsgenossen, insbesondere die öffentliche Erhängung dreier Verbindungsleute zu den Partisanen und die Plakatierung von 40 Erschiessungen, überzeugte das Volk davon, dass die Deutschen Herren der Lage bleiben würden. Die grossen Aktionen zur Durchkämmung der männlichen Bevölkerung und die Evakuierung von 1500 Männern zur Beschaffung von Lebensmitteln wurde verschieden beurteilt. Die Durchkämmung der Männer zwischen 17 und 50 Jahren überzeugte die Bevölkerung nicht davon, dass auf diese Weise die wirklichen Kommunisten gefunden werden; sie hatte aber zur Folge, dass man überall in einem Stempel des Sonderkommandos im Pass einen Freibrief sah und die Dienststelle entsprechend überlief. Bezüglich des Marsches der Männer nach Simferopol ist sich der weitaus grösste Teil der Angehörigen der Evakuierten darüber klar, dass die Männer in Wirklichkeit wegen der Gefahr, bei einem Landungsversuch der Roten in Jalta könnte sich ähnliches wie in Eupatoria ereignen,1 vorläufig aus der Stadt verschwinden mussten. Der Gedanke an eine mögliche Rückkehr der Roten löst beim weit überwiegenden Teil des Volkes Unruhe und Furcht aus. Gegenwärtig überschattet jedoch der Hunger alle anderen Stimmungen. Zwar ist sich die Bevölkerung zumeist bewusst, dass an dem herrschenden Elend nur die Sowjets schuld sind, aber sie hatte doch eine grössere Hilfe von Seiten der Deutschen erwartet. Die Drosselung der Passierscheinausgabe ohne gleichzeitige Vermehrung der Lebensmittelausgabe hat erhebliche Unruhe hervorgerufen. Auch die planlos erscheinenden Kontrollen der Zivilbevölkerung durch die Wehrmacht, insbesondere die dauernde Aufgreifung völlig harmloser und bereits mehrfach geprüfter Personen, verursachen allgemeines Kopfschütteln. Für die Entwicklung der Stimmung der Bevölkerung sind ausser der Beseitigung der Hungersnot und der erwähnten Mängel folgende zwei Punkte wichtig: 1.) Die Lösung der Frage der Wirtschaftsordnung. 2.) Das Einsetzen einer deutschen Propaganda. In der ersten Frage hat es bei den Bauern, d. h. vor allem bei den Tataren, auf deren Gewinnung

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Wert gelegt werden muss, grosse Enttäuschung hervorgerufen, dass das verhasste System der Kollektivwirtschaften von den Deutschen beibehalten wird. Die fehlende deutsche Propaganda erweist sich als eine grosse Lücke in der deutschen Ordnung. Die Bevölkerung ist gewöhnt, Parolen zu empfangen. Wo sie von deutscher Seite ausbleiben, ist ein grosser Spielraum für bolschewistische Flüsterpropaganda und Agitation. In Jalta ist ein kleiner Sender vorhanden, an den fast jedes Haus durch Drahtfunk angeschlossen ist. Es würde in der Bevölkerung sehr begrüsst werden, wenn der Sender in Betrieb genommen und ihr dadurch die Möglichkeit gegeben würde, Anordnungen, Mitteilungen und Nachrichten der Deutschen zu hören. III. Reich und besetzte Gebiete: Der Kdr. d. Sipo u.d. SD in Veldes meldet: Das zur Bandenbekämpfung eingesetzte Sonderkommando konnte im Verlaufe einer mehrtägigen Aktion den Bandenführer Jakob Bernad, geb. 23. 7. 1909, in Kampfe erschiessen. Bernad war seit dem Beginn des Bandenkrieges zuerst Führer einer eigenen Gruppe und zum Schluss als ehemaliger jugoslawischer Offizier der militärische Organisator der gesamten Bandentätigkeit im hiesigen Bereich. Er war der Führer bei zahlreichen Mord-, Sabotage- und Raubüberfällen und hat selbst mehrere Morde, darunter einen an einem Gendarm, verübt. Ein weiterer Bandit, der nach den bei ihm aufgefundenen Papieren und Namenslisten ebenfalls eine wichtige Stellung bei den Banden einnahm, aber dessen Namen noch nicht festgestellt werden konnte, wurde ebenfalls erschossen. Weitere 10 Personen, die bei den Banden waren oder diese mit Nachrichten, Waffen, Lebensmitteln usw. versehen haben, konnten festgenommen werden. BAB, R 58/220 1 Bei der gescheiterten Landung in Eupatoria hatten sich Teile der Bevölkerung auf die Seite der Roten Armee geschlagen.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 13. Februar 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 168 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 13. 2. 1942. Höherer SS- und Polizeiführer Nord (101): (Jeckeln), Standort: Riga. Einsatzgruppe A: (Dr. Stahlecker), Standort: Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: FT, FS Riga, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur d. Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Estland: (Dr. Sandberger), Standort: Reval mit Dienststellen in Narwa, Dorpat, Kingisepp, Krasnoje-Selo, Luga und Pleskau, N-Verbindungen: FT, FS Reval, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Lettland: (Dr. Lange), Standort: Riga m. Dienststellen in Libau, Wolmar u. Dünaburg, N-Verbindungen: FT, FS Riga, Feldpost-Nr. 15447. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Litauen: (Jäger),

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Standort: Kauen m. Dienststellen in Wilna und Schaulen, N-Verbindungen: FT und FS Kauen und Wilna, Feldpost-Nr. 15641. Kommandeur der Sicherheitspolizei u.d. SD für den Generalbezirk Weissruthenien: (Strauch), z. Zt. vertreten durch SS-Stubaf. RR Hofmann, Standort: Minsk m. Dienststellen in Nowogrodek, Tschudowo, a. d. Marsch n. Cholm u. Baranowicze, N-Verbindungen: FT und FS Minsk, Feldpost-Nr. 15641. Höherer SS- und Polizeiführer Mitte (102): (v. d. Bach), Standort: Mogilew. Einsatzgruppe B: (Naumann), Standort Smolensk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Kurierverbindung über Warschau und Fernsprecher über VD Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando 7a: (Steimle 1), Standort: a. d. Rückmarsch, N-Verbindungen: FT Klinzy, Feldpost-Nr. 85607. Sonderkommando 7b 2: Standort: Brjansk m. Trupps in Orel und Kursk, N-Verbindungen: FT Brjansk, Feldpost-Nr. 18555. Einsatzkommando 8: (Richter), Standort: Mogilew m. Trupps i. Borissow, Orscha, Gomel, Bobruisk, N-Verbindungen: FT Roslawl, Feldpost-Nr. 37867. Einsatzkommando 9: (Wiebens3), Standort: Witebsk m. Trupps in Smolensk, Newel, Polozk, N-Verbindungen: FT Witebsk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando Moskau: Standort: Roslawl, N-Verbindungen: FT Roslawl. Höherer SS- und Polizeiführer Süd (103): (Prützmann), Standort: Rowno. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez.Nikolajew: (Dr. Spann). Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Charkow: (Dr. Kranebitter). Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Kiew: (Ehrlinger). Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Shitomir: (Dr. Razesberger). Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Wolhynien (Rowno): (Dr. Pütz). Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Dnjepropetrowsk: (Mulde). Einsatzgruppe C: (Dr. Thomas), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier, Feldpost-Nr. 32704. Sonderkommando 4a: (Dr. Weinmann), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow, Feldpost-Nr. 22789. Sonderkommando 4b: (Haensch), Standort: Kramatorsk m. Trupps in Shitomir, Rowno, Winniza, N-Verbindungen: FT Nikolajew und Rowno, FS Gorlowka, Feldpost-Nr. 35102. Einsatzkommando 6: (Kröger 4), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino, FeldpostNr. 35979. Höherer SS- und Polizeiführer z. b. V.: (Korsemann), Standort: Rowno. Einsatzgruppe D: (Ohlendorf), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol, Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10a: (Seetzen), Standort: Taganrog m. Trupps in Mariupol und Melitopol, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10b: (Persterer), Standort: Feodosia m. Trupps in Dshankoj, Stari Krim, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11a: (Zapp), Standort: Bachtschissaraj m. Trupp in Jalta, N-Verbindungen: FT Jalta u. Bachtschissaraj, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11b: (Dr. Braune), Standort5: Fedorowka m. Trupps in Pologi, Seitler, Sarabus und Biukxas, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 12: (Nosske), Standort: Fedorowka m. Trupps in Pologi, Seitler, Sarabus und Biukxas, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540.

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II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Aus Litauen: Im Zusammenhang mit der Zerschlagung der berüchtigten Terroristengruppe, deren Führer Malinauskas am 28. 1. 42 im Kampf erschossen wurde, konnten weitere 15 Personen festgenommen werden. Sie stehen im Verdacht, die Terroristen mit Waffen und Sprengstoff versorgt zu haben. Bei einer wurde eine Kiste mit 50 Stielhandgranaten und Sprengkapseln gefunden. Die Sprengstoffe hatten sich die Terroristen z. T. aus einem Lager im Walde etwa 10 km nordöstl. Kauen besorgt, in dem sich zurückgelassene russ. Heeresbestände befanden. An dieser Stelle wurden u. a. gefunden: 200 Fliegerbomben zu 50 kg und 30 Granaten, Kaliber 10,5 cm. In Schaulen wurde aufgrund aufgefundenen NKWD-Materials der kommissarische Gebietsrat, Rechtsanwalt Pocela, als ehem. NKWD-Agent entlarvt und festgenommen. Der Generalkommissar hat die Entfernung des P. aus seinem Amte eingeleitet. Es wurden ferner in Wilna 2, in Kauen 5 und in Schaulen 3 Personen wegen Diebstahls festgenommen. In der Brauerei Wolf und Engelmann in Kauen konnte eine Sprengladung mit bereits brennender Zündschnur rechtzeitig entfernt werden. Die Ermittlungen laufen. Aus Estland: Am 21. 1. 42 stellte sich auf Ösel der langgesuchte Kerntruppenchef des Öseler Ausschusses der komm. Partei und spätere Bevollmächtigte des Versorgungsvolkskommissariats, Oll, der Polizei und wurde in das Gefängnis von Ahrensburg eingeliefert. Aus Weissruthenien: In Minsk wurden in der Zeit vom 1. bis 4. 2. 42 insgesamt 123 Personen festgenommen, darunter 80 wegen Arbeitsverweigerung. Da sich in letzter Zeit die Fälle von Arbeitsverweigerung häuften, was besonders bei den Dienststellen der Reichsbahn in Erscheinung trat, werden 5 Arbeitsverweigerer vor der versammelten Belegschaft eines Industriebetriebes standrechtlich erschossen. Im übrigen werden die Arbeitsverweigerer ausnahmslos auf 3 bis 5 Monate dem SS-Arbeitslager zugeführt. Als Grund für die Arbeitsverweigerung wird meistens die angeblich zu geringe Entlohnung angegeben. Am 3. 2. 42 wurde der sog. Schwarze Markt in Minsk unter Einsatz des gesamten Kommandos durchkämmt. Dabei wurden fast 2000 Personen kontrolliert und zahlreiche schwarzgehandelte Waren beschlagnahmt, vor allem deutscher Tabak, Zigaretten und Sacharin. Da auch hohe Beträge deutschen Geldes gefunden wurden, ist auf eine starke Beteiligung von Deutschen an diesen Tauschhandelsgeschäften zu schliessen, wobei vor allem deutsche Eisenbahner in Erscheinung getreten sind. Am 4. 2. 42 wurde in Rakow, 35 km von Minsk entfernt, das Ghetto mit rund 100 Personen liquidiert. Die Juden waren dazu übergegangen, die Bevölkerung aufzuwiegeln. 6 Von den Einsatzgruppen B, C und D liegen keine Meldungen vor. Anlage: In Wjasma wurde ein sowjetischer Armeebefehl vom September 1941 gefunden, der zur Verhinderung der häufig vorkommenden Desertionen die Bildung von Absperrabteilungen in der Roten Armee anordnet. Der Befehl lautet in Übersetzung: „Hauptquartier des Oberkommandos. Die Erfahrung im Kampf mit dem deutschen Faschismus hat gezeigt, dass in unseren Schützendivisionen es nicht wenig zur Panik neigende und geradezu feindlich eingestellte Elemente gibt, die bei dem ersten Druck seitens des Feindes die Waffen wegwerfen und rufen ‚wir werden umzingelt‘ und die Kämpfer so mitreissen. Als Ergebnis solcher Handlungen solcher Elemente wendet sich die Division zur Flucht, wirft die materielle Ausrüstung weg und beginnt darauf einzeln aus den Wäldern herauszutreten. Diese Vorgänge finden an allen Fronten statt. Wären die Kommandeure und Kommissare solcher Divisionen auf der Höhe ihrer Aufgaben, so könnten die kopflosen und feindli-

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chen Elemente in den Divisionen nicht die Überhand gewinnen; es ist aber leider so, dass feste und standhafte Kommandeure und Kommissare bei uns nicht zahlreich sind. Zum Zweck der Vorbeugung obengenannter unerwünschter Erscheinungen an der Front, der Liquidation der Anstifter von Panik und Flucht und der Unterstützung ehrlicher und kämpferischer Elemente bei den Divisionen, die nicht zur Panik neigen, aber bei der allgemeinen Flucht mitgerissen werden, befiehlt das Oberkommando: 1. In jeder Schützendivision ist eine Absperrabteilung, gebildet aus zuverlässigen Kämpfern, in der Stärke nicht über ein Batl. – entsprechend je 1 Kompanie auf ein Regiment –, dem Divisionskommando unterstellt, die ausser der gewöhnlichen Bewaffnung Transportmittel (Lastwagen), einige Tanks oder Panzerwagen zur Verfügung hat. 2. Aufgaben der Absperrabteilungen sind: Unmittelbare Unterstützung des Kommandeurs bei der Herstellung und Aufrechterhaltung einer straffen Disziplin, Aufhalten der Flucht in Panik geratener Soldaten, wobei nicht vor dem Gebrauch der Waffe halt zu machen ist. 3. Verpflichten sich die Mitarbeiter des ‚Osobi Otdel‘ und die politischen Führer der Division dem Divisionskommandeur und den Absperrabteilungen bei der Festigung der Ordnung und Disziplin jede Unterstützung zu gewähren. 4. Die Bildung der Absperrabteilungen ist binnen 5 Tagen ab Erhalt dieses Befehls durchzuführen. 5. Über Empfang und Ausführung ist von den Front- und Armeekommandeuren dem Hauptquartier des Oberkommandos Meldung zu machen. Stalin – Schaposchnikow.“ BAB, R 58/220 1 Als das SK 7a nach seinem Rückmarsch Mitte Febr. 1942 in Klinzy eintraf, wurde der kommissarische Kdo.Fhr. Matschke abgelöst durch Albert Rapp, geb. 1908, Jurastudium, 1931 NSDAP, 1932 SA, 1933 Referendarexamen, 1936 SS, Assessorexamen u. zum SD-UA Baden, 1937 als Ustuf. zum SD-UA Ost, 1939 Stubaf. u. SD-Fhr. EG VI in Polen, danach Fhr. SD-LA Posen, 1940 Fhr. SD-LA Süd, 1941 Ostubaf., Febr. 1942–Frühjahr 1943 Kdr. SK 7a, danach IdS Braunschweig, Nov. 1944 Gruppenleiter VI C im RSHA, 1965 zu lebenslänglicher Haft verurteilt; BAB, BDC, SSO Albert Rapp; BAB, ZK: Albert Rapp; Urteil LG Essen v. 29. 3.1965, BAL, B 162/14174; vgl. Klaus-Michael Mallmann: Lebenslänglich. Wie die Beweiskette gegen Albert Rapp geschmiedet wurde, in: ders./Angrick: Die Gestapo nach 1945, S. 255–269. 2 Mitte Febr. 1942 wurde Adolf Ott Kdr. des SK 7b: Geb. 1904, Kaufmann, 1931 NSDAP u. SS, 1934 zum SD, 1936 Hstuf. u. Fhr. SD-Außenstelle Lindau, 1938 Stubaf., 1939 Fhr. SD-UA Saar, 1941 Ostubaf., Sept. 1942 zurück nach Saarbrücken, 1948 im Nürnberger EG-Prozeß zum Tod verurteilt, 1951 zu lebenslänglicher Haft begnadigt, 1958 entlassen, 1973 Selbstmord; BAB, BDC, SSO Adolf Ott; BAL, ZK: Adolf Ott. 3 Wilhelm Wiebens, geb. 1906, Kaufmann, 1931 NSDAP u. SS, 1935 Ostuf. u. Fhr. SD-UA Potsdam, 1939 Ostubaf., 1941 Fhr. SD-Abschnitt Kiel, Febr. 1942 Kdr. EK 9, Nov. 1942 Fhr. SD-Abschnitt Koblenz, Aug. 1944 kommissarischer IdS Wiesbaden, 1947 von britischem Militärgericht zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt, 1955 Haftentlassung, 1966 zu lebenslanger Haft verurteilt; BAB, BDC, SSO Wilhelm Wiebens; BAL, ZK: Wilhelm Wiebens; Anklage Gstaw Berlin v. 18. 10. 1965, BAL, B 162/4751; Urteil LG Berlin v. 6. 5. 1966, BAL, B 162/14204. 4 Falsch, längst Robert Mohr. 5 Hier handelt es sich um einen Abschreibfehler. Letzter gemeldeter Standort war Simferopol. 6 Sowjetische Nachkriegsangaben zur Zahl der Opfer der „Aktion“ in Raków am 4. 2. 1942 liegen mit 928 deutlich höher; vgl. Monika Tomkiewicz/Martin Dean: Raków, in: The United States Holocaust Memorial Museum Encyclopedia of Camps and Ghettos, 1933–1945. Bd. 2: Ghettos in German-Occupied Eastern Europe, Bloomington 2012, S. 1268 f.

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 16. Februar 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 169 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Die mit Ereignismeldung Nr. 168 vom 13. Februar 1942 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Im Zuge der sicherheitspolizeilichen Befriedung im Armeegebiet mußten in der Berichtszeit 88 Personen zum grösseren Teil erschossen, zum geringeren Teil auch erhängt werden. Zur drastischeren Art des Erhängens mußte gegriffen werden, um dem immer rücksichtsloser um sich greifenden Kannibalismus wirksam entgegenzutreten. So hatte beispielsweise ein Ehepaar in Pawlowsk versucht, ein etwa neunjähriges Kind durch Versprechung von Lebensmitteln in seine Wohnung zu locken mit der Absicht, es zu töten und später zu verzehren. Nachdem das Kind die vorgesetzte Suppe gegessen hatte, versuchten die Eheleute ihm mit einem Messer den Hals zu durchschneiden. Da das Kind einen starken Wollschal trug, brachten sie ihm nur eine leichte Stichwunde am Halse bei. Durch die Hilferufe des Kindes aufmerksam gemacht, durchsuchten Nachbarn die Wohnung und fanden im Nebenzimmer das Kind, das sich inzwischen unter ein Bett verkrochen hatte. Daraufhin wurden die Eheleute festgenommen. Bei der Vernehmung durch die Sicherheitspolizei gestanden die Eheleute ohne Umschweife, das Kind in ihre Wohnung gelockt zu haben, um es zu töten und dann zu verzehren. Die Tat ist vorher von beiden verabredet worden. Die Agenten- und Partisanentätigkeit hat an der Einschliessung [unleserlich] Petersburg eher ab- als zugenommen. Die Gründe hierfür sind in den energischen Gegenmaßnahmen der auf deutscher Seite eingesetzten Stellen zu suchen. Im Partisanenwesen wird auch die allgemein gespannte Ernährungslage wesentlich hierbei mitsprechen. Ausserdem haben die Abwehrstellen bereits eine mehrmonatige Praxis und Kenntnis der Sachlage erworben, die die Partisanenabwehr fördert. Nicht zuletzt ist auch die Zivilbevölkerung daran beteiligt, die von sich aus nachrichtlich und aktiv an der Bekämpfung des Agenten- und Partisanenunwesens mitarbeitet. So wurde z. B. von einem Agenten einer Frau ein Brief zur Weiterbeförderung an einen anderen Agenten übergeben. Da ihr dies jedoch verdächtig vorkam, lieferte sie den Brief nicht beim Empfänger, sondern bei einem Teilkommando der Sicherheitspolizei ab. Auf Grund dieses Briefes konnten zwei Personen verhaftet werden, die einwandfrei als Agenten überführt und erschossen wurden. In verschiedenen anderen Fällen wurden von den Ortseinwohnern in die Ortschaften zugezogene und ihnen unbekannte Personen kurzerhand den Dienststellen der Sicherheitspolizei zur Überprüfung zugestellt, wobei in den meisten Fällen festgestellt werden konnte, daß es sich um entlaufene russische Kriegsgefangene, Agenten oder Partisanen handelte. Die Teilkommandos sind im Zusammenwirken mit den vom AOK 18 bestimmten Dienststellen in besonders starkem Maße mit dem Abtransport der Volksdeutschen aus dem Raum um Leningrad beschäftigt. Die erfaßten, sicherheitspolizeilich überprüften und

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mit Ausweisen versehenen Volksdeutschen wurden nach einem von der Sicherheitspolizei ausgearbeiteten Plan aus drei Teilgebieten des Kommandobereiches bereits abtransportiert. Die Transporte erfolgten in der Form, daß die Volksdeutschen durch die Organe der Sicherheitspolizei vorher von der bevorstehenden Umsiedlung verständigt und über die Durchführung des Abtransportes unterrichtet wurden, um im Augenblick des Abrufes bereit zu sein, sich auf vorher bestimmten Sammelplätzen zu versammeln. Die Sammelplätze wurden von den Ortskommandanturen im Zusammenwirken mit der Sicherheitspolizei errichtet und bestanden in geheizten Räumen, die die Volksdeutschen für nur einige Stunden beherbergten, von wo sie dann mittels Lkw des AOK 18 an die Bahnsammelplätze abtransportiert und in bereitgestellte Züge verladen wurden. An den Sammelplätzen sowie an den Bahnsammelplätzen wurde von der Sicherheitspolizei sowie von der Wehrmacht für warme Getränke und Verpflegung, nötigenfalls auch für Übernachtung gesorgt. Den Volksdeutschen war es aus Transportrücksichten nur gestattet, pro Person eine Traglast mit sich zu führen. Ihre übrige Habe wurde bereits vorher von den Wirtschaftskommandos der Wehrmacht erfaßt. Dabei ergab sich, daß die Volksdeutschen wertmäßig kaum nennenswertes Vermögen hinterliessen. Der erste Transport wurde am 25. 1. 1942 aus Luga mit 73 Personen abgefertigt. Dieser Transport wurde zunächst nach Riga verbracht. Der zweite Transport wurde am 29. 1. 42 von Kikerino über Narwa nach Konitz/Westpr. abgefertigt. Er umfaßte 209 Personen. Der dritte Transport wurde am 5. 2. 42 zusammengestellt und ging in Stärke von 671 Personen am 6. 2. 42 von Bahnhof Krasnogwardeisk nach Konitz/Westpr. Die Abtransporte der restlichen Volksdeutschen aus dem Berichtsgebiet werden in diesen Tagen laufend durchgeführt. Der Gesundheitszustand der Volksdeutschen ist durchweg schlecht. Auffallend ist die grosse Zahl der Frauen, während Männer im wehrfähigen Alter fast nicht vorhanden sind. Das Fehlen der Männer ist durch Verschleppung und Mobilisierung begründet. Einen guten Eindruck machen die vereinzelten Wolgadeutschen, die seinerzeit von den Bolschewisten als kulakenverdächtig aus dem Wolgagebiet ausgesiedelt wurden. Die Stimmung der Volksdeutschen bei den Abtransporten ist eine recht zuversichtliche. Aus dem Bereich der Einsatzgruppe A liegen ausserdem folgende Einzelmeldungen vor: 1. In Kreisen der estnischen Studentenschaft wird erzählt, daß Estland am 24. 2. 1942 wieder seine politische Selbständigkeit erhalten würde. Anschliessend werde eine allgemeine Mobilisierung durchgeführt. 2. Der günstige Abschluss der Wintersachensammelaktion veranlaßt die Bevölkerung Estlands, mit Stolz auf die Vergleichszahlen mit Lettland und Litauen hinzuweisen. Im Verhältnis zur Bevölkerung des Landes hätte Estland 1 Stück auf 3,6 Bewohner, Lettland 1 auf 7,2 Bewohner und Litauen 1 Stück auf 8,7 Bewohner abgeliefert. Estland habe dreimal mehr als Lettland und 2,5-mal mehr als Litauen zur Wintersachensammlung gespendet. 3. Aus dem Kreis Jerven (Estland) verlautet, daß die Registrierung und Beschlagnahme von Milchzentrifugen, die sich im privaten Besitz befinden, grösste Beunruhigung hervorgerufen habe. Auch die Wegnahme der Russenpferde erwecke bei den Bauern Unwillen, da sie fürchten, dann nicht in der Lage zu sein, ihre Feldbestellung im Frühjahr durchführen zu können. 4. Unter der Überschrift „Warum?“ bringt das „Eeste Soena“ in seiner Nummer vom 5. 2. 1942 einen Leitartikel, in dem die Haltung Schwedens gegenüber der schwedischen Minderheit in Estland z. Zt. der Bolschewistenherrschaft einer scharfen Kritik unterzogen wird. Es wird kritisiert, daß es Schweden nicht gelungen ist, die Estlandschweden umzusiedeln, so wie es Deutschland mit den Baltendeutschen getan habe. Schweden trage so die Schuld, daß ein grosser Teil der besten Kräfte der Estlandschweden von den Bolschewisten ermordet, verschleppt oder verhaftet

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worden sei. Auf der anderen Seite aber sei unverständlich, wie in Schweden heute noch von Humanität und Bruderschaft gesprochen und den Kommunisten in Schweden ein verbrieftes Recht für ihre Tätigkeit gegeben werde. 5. Nach Mitteilung des Finnlandsenders vom 9. 2. 1942 beschloss der finnische Stammverwandtschaftsverein seine Tätigkeit zu erweitern. Es werden 6 Sektionen gebildet, von denen sich die eine mit Estland befassen wird. 6. Am 10. 2. 1942 brachte der Finnlandsender folgende Meldung in estnischer Sprache: Der bekannte finnische Historiker Hjalmar Jaakkola hat ein neues Werk über Finnlands Ostfragen veröffentlicht. Er stellt fest, daß die Finnen und Schweden so zusammengewachsen seien, daß es unmöglich wäre, sie zu trennen. Die Sowjetunion habe den Dorpater Friedensvertrag nie gehalten; darum sei es recht, daß Karelien sich von Russland lossage und sich Finnland anschließe. Ausser Aunus und Wiena müßten aber noch die Kolahalbinsel und Nordingermanland Finnland angeschlossen werden. Die Russen müßte man in das Innere Russlands umsiedeln und rd. 400 000 Ingermanländer an ihre Stelle bringen. 7. Auf Anordnung des Generalkommissars in Minsk fand am 12. 2. 1942 im Stadtkommissariat Minsk eine Besprechung über die Ernährungslage statt, an der sämtliche an dieser Frage interessierten Stellen teilnahmen. Die Besprechung hatte folgendes Ergebnis: Einführung von Märkten unmöglich, da keinerlei Reserve an Nahrungsmitteln in Minsk vorhanden. Heranschaffen von Vorräten vom Lande wegen Transportschwierigkeiten und auch dort vorhandener Mangellage unmöglich. Keinerlei Uhren (Gebrauchsgüter) zum Austausch für die von den Bauern in kleinen Kontingenten freiwillig zugeführten Lebensmittel sind vorhanden. Der Bevölkerung kann keinerlei Hilfe gebracht werden. 8. Die rd. 120 000 Einwohner betragende Bevölkerung von Minsk erhält täglich pro Person 15 g Butter, 10 g Fett, 30 g Hefe und Sirup. 35 000 Arbeiter erhalten daneben noch eine kärgliche Zusatzverpflegung. Die Verteilungsstellen verteilen von der Hand in den Mund ohne jede Reserve. 9. Am 6. 2. 1942 wurde der Reichsbahngehilfe Kurt Dier wegen Unterschlagung von Postsendungen für andere Reichsbahnangehörige durch das Sondergericht Minsk im Hinblick auf die erschwerenden Umstände zum Tode verurteilt. Das Urteil wird nach Bestätigung sofort vollstreckt werden. 10. In Minsk wurden 23 Russen wegen Arbeitsverweigerung festgenommen und auf die Dauer von 3 Monaten einem SS-Arbeitslager überwiesen. Die Arbeitsverweigerung ist grösstenteils auf kommunistische Agitation zurückzuführen, zum anderen Teil aber auch auf die schlechte Entlohnung. Der Stundenlohn beträgt durchschnittlich 15 Pfg. 11. Am 6. 2. 1942 sind nordostwärts Dorpats am Westufer des Peipussees 6 russische Fallschirmjäger gelandet, darunter ein Este. Die Russen wurden beim Widerstand erschossen. Der gefangengenommene Este gab an, daß am 7. und 8. 2. 1942 in ganz Estland Landungen erfolgen würden. Tatsächlich sind auch am 7. 2. bei Lidowska am Südufer des Pleskauersees 8 feindliche Fallschirmjäger abgesprungen. Suchaktionen sind eingeleitet. Einsatzgruppe B: Standort Smolensk. Die Lage an der Front und die schlechte Ernährungslage begünstigte die Feindpropaganda. Es hat den Anschein, als ob nach und nach System in die bolschewistische Propaganda gekommen ist. So konnte das Auftauchen gleicher Gerüchte an den verschiedensten Orten, die sehr oft weit voneinander liegen, beobachtet werden. Auch die Methode ist überall die gleiche. Zunächst tauchen Gerüchte vom Zurückgehen der deutschen Truppen und der Besetzung von Orten, die nahe an der Front liegen, auf. Später werden dann weiter zurückliegende Orte genannt und endlich wird die Rückeroberung grosser Städte wie Smolensk, Charkow, Kiew und Odessa behauptet. Nachdem durch diese Gerüchte die Bevölkerung beunruhigt und entsprechend vorbereitet erscheint, werden an Häusern

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Nr. 6: Erhängte Zivilisten November 1941

Druckschriften oder handgeschriebene Flugzettel angeklebt, die die entsprechenden Gerüchte angeblich bestätigen und z. T. von einer Zersetzung in der deutschen Wehrmacht und im Reich selbst sprechen. Auch Aufforderungen zum Eintritt in Partisanenabteilungen und entsprechende Drohungen bei Zusammenarbeit mit deutschen Dienststellen sind in diesen Flugzetteln enthalten. Bei notwendig werdenden Erschiessungen, die aus be-

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stimmten Gründen öffentlich erfolgen, werden in der Bevölkerung Gerüchte verbreitet, in denen behauptet wird, dass die Bestraften sich nur ganz geringfügige Vergehen hätten zu Schulden kommen lassen. Es liegt die Vermutung nahe, dass diese Gerüchte die Bevölkerung von dem Gedanken an bevorstehende Greueltaten der Bolschewisten nach evtl. Wiederbesetzung ablenken sollen. Von den Greueltaten der Sowjets in den von diesen wiederbesetzten Gebieten ist die Bevölkerung genauestens unterrichtet. Die Zivilbevölkerung befindet sich dauernd in einem verständlichen Angstzustand und verbreitet deshalb oft ein ebengehörtes Gerücht gedankenlos weiter. Von einer deutschen Gegenpropaganda ist, von Ausnahmen abgesehen, wenig zu verspüren. Ein wirksames Entgegentreten durch Aufklärung der Bevölkerung in den Zeitungen wäre durchaus möglich. Hier müsste insbesondere auf die Stabilisierung der Verhältnisse nach der planmäßigen Verkürzung der Front hingewiesen werden. Hierdurch wäre auch eine Erklärung für das Vorhandensein von evakuierten Personen aus den geräumten Gebieten geschaffen. Im allgemeinen ist der Russe jetzt nach den Niederlagen des Sommers und nach persönlicher Fühlungnahme mit den deutschen Soldaten bereit, der deutschen Propaganda mehr Glauben zu schenken als der der Sowjets. Die deutsche Propaganda geht jedoch nicht genügend auf den russ. Volkscharakter ein. So wird beispielsweise die Zeitung „Retsch“, die in Orel erscheint, überall gern gelesen. Beanstandet jedoch wird immer wieder der geringe Umfang dieser Zeitung. Es liegt dies daran, dass der Russe in seiner Ausdrucksweise wesentlich umständlicher ist und die Berichte, die diese Zeitung bringt, ja nur eine Übersetzung der kurzen deutschen Meldungen sind. Die deutsche Propaganda muss sich bemühen, sich in dieser Hinsicht der russischen Eigenart anzupassen und die Meldungen in entsprechender Form zu bringen. Durch die Festnahme eines Russen, der zu den Erschiessungen der Wolgadeutschen nach Engels kommandiert wurde, gelang es, einige Feststellungen über das Schicksal der Wolgadeutschen zu treffen.1 Nach diesen Feststellungen wurde am 28. Juli 1941 ein Kommando von 600 und einige Tage später von 900 KP-Angehörigen aus Kursk in das Gebiet der Wolgadeutschen Republik entsandt. Diese KP-Angehörigen sollten, obgleich sie weder Bauern waren noch werden wollten, die Höfe der von dort vertriebenen Wolgadeutschen übernehmen. Ausserdem wurden ca. 80 Beamte und Angestellte des Kursker Gefängnisses nach Engels geschickt, um einen Teil der Wolgadeutschen an Ort und Stelle zu erschiessen. Der grössere Teil der Wolgadeutschen wurde unter Zurücklassung ihrer Habe zum gleichen Zeitpunkt zu Fuss nach Sibirien in Marsch gesetzt. Die Partisanentätigkeit hat im Bereich der Einsatzgruppe weiter zugenommen. 2 Auch der strenge Frost hat ein Nachlassen dieser Tätigkeit nicht zur Folge gehabt. Auf der einen Seite richten sich die Angriffe der Partisanen nach wie vor gegen Angehörige und Einrichtungen der deutschen Wehrmacht, auf der anderen Seite gehen die Partisanen in gleicher Weise vor wie früher. Hierbei wird von ihnen die Tatsache ausgenutzt, dass die derzeitige Lage an der mittleren Ostfront unter der Bevölkerung eine gewisse Beunruhigung hervorgerufen hat. Sie sind ganz besonders bemüht, schwankende Elemente durch erhöhte Flüster- und Flugblattpropaganda aufzuwiegeln. Meldungen über Auftreten und Tätigkeit von Partisanen liegen hauptsächlich aus den Gebieten um Roslawl, um Brjansk und westlich Bobruisk vor. Die sicherheitspolizeilichen Ermittlungen in diesen Räumen sind in die Wege geleitet. Vor kurzem drangen Partisanen in die Stadt Brjansk ein and erschossen zwei Posten an der Desnabrücke. Weiter sollen noch in den umliegenden Ortschaften und kleinen Städten wie Schukowka, Djatkowka, Ljudinowo und Nawlja Partisanengruppen in Stärke von 100–200 Mann vorhanden sein, die vielfach die von der Militärverwal-

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tungsgruppe der zuständigen Feldkommandantur eingesetzten Rayonverwaltungspersonen und auch Angehörige der Ordnungsdienste erschossen und die Befehlsgewalt in diesen Ortschaften an sich gerissen haben. Eine grössere Aktion wird durchgeführt werden. Weiter versuchen die Partisanen offenbar, die Lebensmittelversorgung grösserer Orte zu stören. So haben sie in einem Falle die Lebensmittellieferung für Orel dadurch behindert, dass sie den Bürgermeister einer zu Lieferungen verpflichteten Ortschaft erschossen haben. Das hatte zur Folge, dass sich in dieser Ortschaft niemand zur Übernahme der Aufgabe bereiterklärt hat in der Befürchtung, das gleiche Schicksal zu erleiden. In Minsk war bekannt geworden, dass zum 4. Januar 1942 ein grösserer Aufstand geplant war, an dem sich ausser einer grösseren Anzahl Kriegsgefangener eine erhebliche Anzahl Partisanen beteiligen wollte. Durch rechtzeitigen Zugriff konnte die Aktion zum Scheitern gebracht werden. Angeblich haben die Partisanen ihre Anweisungen vom Vollzugskomitee der Kommunistischen Partei Weißrußlands, das in Mogilew seinen Sitz haben soll, erhalten. Die erforderlichen Ermittlungen sind eingeleitet. Wenn auch den eingegangenen Meldungen stets sofort nachgegangen wird, so ist eine wirksame Bekämpfung der Partisanen z. Zt. wegen der hohen Schneelage und wegen der starken Kälte ausserordentlich schwierig und zwar besonders abseits der Rollbahnen. Hier können nur Formationen mit Erfolg eingesetzt werden, die mit ausgezeichneter Winterbekleidung ausgestattet sind. Aus den Aussagen eines sowj. Majors der Staatssicherheit geht hervor, dass für den Fall einer Besetzung Moskaus durch deutsche Truppen eine illegale Kampforganisation des NKWD in Moskau gebildet wurde, die dazu bestimmt ist, Sabotage- und Terrorakte durchzuführen. In den einzelnen Stadtbezirken sind Anlaufstellen in Privatwohnungen eingerichtet worden, die meistens in Hinterhäusern gut versteckt liegen. Jede Kampfgruppe hat ihre bestimmte Anlaufstelle, in der sie mit allem versorgt werden kann, was sie für ihre Zwecke braucht. Hier sind auch Waffen (automatische Pistolen u. dgl.), Sprengstoffe, Gifte, deutsches und russisches Geld und auch deutsche Wehrmachtsuniformen bereitgelegt. Die Kampfgruppen sollen auch bei günstiger Gelegenheit Überfälle auf kleinere Trupps oder einzelne deutsche Soldaten ausführen. Von den Einsatzgruppen C und D liegen keine Meldungen vor. BAB, R 58/220 1 Vgl. Robert Conquest: The Soviet Deportation of Nationalities, London 1960; ders.: Stalins Völkermord. Wolgadeutsche, Krimtataren, Kaukasier, Wien 1970; Michael Schippan/Sonja Striegnitz: Wolgadeutsche. Geschichte und Gegenwart, Berlin 1992; Timothy Snyder: Bloodlands. Europa zwischen Stalin und Hitler, München 2012. 2 Fast zeitgleich sahen dies die militärischen Instanzen weit weniger dramatisch: „Rückblickend auf das Jahr 1941 darf gesagt werden, daß die von den Russen laut angekündigten Erfolge der Partisanen im rückwärtigen Heeresgebiet gering gewesen sind. Nicht ein einziges Mal wurden von den Partisanen Erfolge erzielt, die die deutschen Operationen beeinträchtigt oder gestört hätten“, Berück Mitte an OKH v. 10. 1. 1942, BA-MA, RH 22/225.

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 18. Februar 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 170 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Die mit Ereignismeldung Nr. 168 vom 13. Februar 1942 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A meldet: Über die Entwicklung der Lage in Leningrad ergibt sich auf den verschiedenen Lebensgebieten für die Zeit von Mitte Dezember bis Anfang Februar folgendes Bild 1: 1.) Bevölkerung und Stimmung: Die Sowjets begannen im Dezember 1941 grössere Transporte von Zivilisten über den zugefrorenen Ladoga-See durchzuführen.2 Die Transporte geschahen teils mit Lkw, teils mit Schlitten. Die Lkw nahmen je 18 Personen auf. In den Fahrzeugen konnten 20 kg Gepäck je Person mitgenommen werden. Anrecht auf Plätze in den Fahrzeugen hatten nur Familien mit Kindern unter 11 Jahren. Wegen Benzinmangel und durch die ständigen Beschießungen der Verbindungswege über den Ladoga-See durch die deutsche Artillerie wurde diese Evakuierungsaktion bald stark eingeschränkt. Fortlaufend werden jedoch vom Flugplatz Rshewka aus mit Flugzeugen die Transporte hauptsächlich von Juden, Spezialarbeitern und hohen Funktionären des Sowjetregimes durchgeführt. Zu diesem Zweck standen Ende Dezember täglich etwa 15 Transportmaschinen mit einem Fassungsvermögen von je 30 Personen zur Verfügung, die dreimal am Tage eine Flugstrecke von 150 km in Richtung Wologda zurücklegten. Diese Evakuierungen verfolgen zunächst propagandistische Zwecke. Von tatsächlicher Bedeutung sind sie nur für die Familien höherer ziviler und militärischer Funktionäre bezw. für Juden. Auch eine von den Sowjets erhoffte Entlastung der Ernährungslage ist nicht zu erwarten, da die Zahl der Evakuierten bei einer Gesamtbevölkerung von über 4 Millionen überhaupt nicht ins Gewicht fällt. Angeblich soll über die Hälfte der vor dem Krieg in Leningrad ansässigen Juden evakuiert sein. In Leningrad befinden sich heute noch ca. 150 000 Juden. Fast sämtliche Lebensmittelvertriebsstellen sowohl für die Zivilbevölkerung als auch für die Armee sind in Händen von Juden. Dementsprechend fallen die Juden im Straßenbild durch ihre bessere Kleidung und besseres Aussehen sofort auf. Die Beschießung Leningrads durch die deutsche Artillerie vermag heute das Leben der Zivilbevölkerung kaum mehr wesentlich zu beeinflussen, so sehr hat sie sich bereits daran gewöhnt. Der Verkehr auf der Strasse nimmt seinen Fortgang trotz der Warnung der Einwohner durch die Lautsprecher der unter Beschuss liegenden Stadtteile (Seit Mitte Januar sind auch die öffentlichen Lautsprecheranlagen ausser Betrieb). Auch die an den Lebensmittelgeschäften anstehenden Personen lassen sich nicht durch starken Beschuss von ihren Plätzen vertreiben. Die öffentlichen Schutzräume werden kaum noch benutzt. Wegen Mangel an Kohlen, zum Teil auch wegen Zerstörung sind die E-Werke stillgelegt. Damit ist auch die Leningrader Industrie bis auf eine geringe Anzahl von Betrieben der Ernährungs- und Rüstungsindustrie, die noch mit einzelnen Abteilungen arbeiten, praktisch stillgelegt. Da man von seiten der entlassenen Arbeiterschaft Unruhe befürchtete, wurden

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die Arbeiter trotz Stillegung der Betriebe z. T. weiter besoldet, z. T. bei verschiedenen Notstandsarbeiten, Schneeschippen usw. beschäftigt. Schon im Dezember wiesen große Teile der Zivilbevölkerung Leningrads Hungerschwellungen auf. Es passierte immer wieder, daß Personen auf den Strassen zusammenbrachen und tot liegen blieben. Im Laufe des Januar begann nun unter der Zivilbevölkerung ein regelrechtes Massensterben. Namentlich in den Abendstunden werden die Leichen auf Handschlitten aus den Häusern nach den Kirchhöfen gefahren, wo sie, wegen der Unmöglichkeit, den hartgefrorenen Boden aufzugraben, einfach in den Schnee geworfen werden. In der letzten Zeit sparen sich die Angehörigen meist die Mühe des Weges bis zum Friedhof und laden die Leichen schon unterwegs am Strassenrand ab. Ein Überläufer machte sich Ende Januar die Mühe, in einer verkehrsreichen Strasse in Leningrad am Nachmittag die vorübergeführten Handschlitten mit Leichen zu zählen und kam im Verlauf einer Stunde auf die Zahl von 100. Vielfach werden Leichen auch schon in Höfen oder auf umfriedeten freien Plätzen gestapelt. Ein im Hof eines zerstörten Wohnblocks angelegter Leichenstapel war etwa 2 m hoch und 20 m lang. Vielfach werden die Leichen aber gar nicht erst aus den Wohnungen abtransportiert, sondern bloß in ungeheizte Räume gestellt. In den Luftschutzräumen findet man häufig Tote, für deren Abtransport nichts geschieht. Auch beispielsweise im Alexanderowskaja-Krankenhaus sind in ungeheizten Räumen, Gängen und im Hofe 1200 Leichen abgestellt. Schon Anfang Januar wurde die Zahl der täglichen Todesopfer des Hungers und der Kälte mit 2–3000 angegeben. Ende Januar ging in Leningrad das Gerücht, daß täglich bereits an die 15 000 Menschen sterben und im Laufe der letzten 3 Monate bereits 200 000 Personen Hungers gestorben seien. Auch diese Zahl ist im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung nicht allzu hoch. Es ist aber zu berücksichtigen, daß sich die Todesopfer mit jeder Woche ungeheuer steigern werden, wenn die jetzigen Verhältnisse – Hunger und Kälte – bestehen bleiben. Die eingesparten Lebensmittelrationen auf die einzelnen verteilt sind jedoch ohne Bedeutung. In besonderem Maße sollen Kinder Opfer des Hungers werden, namentlich Kleinkinder, für die es keine Nahrung gibt. In der letzten Zeit soll zudem noch eine Pockenepidemie ausgebrochen sein, die außerdem noch unter den Kindern zahlreiche Opfer fordert. Über das Schicksal der in Leningrad sesshaften Volksdeutschen ist nur bekannt, daß in der kleinen deutschen Kolonie Petrewskaja Slawianka zahlreiche Volksdeutsche in strengster Isolierung leben. Sie dürfen das Gebiet der Siedlung nicht verlassen, und jeder Verkehr wird ihnen streng verboten. Unter dem Druck der immer unerträglicher werdenden Lage ist der Judenhass merkbar gewachsen. Es liegen Meldungen vor, daß es verschiedentlich zu Ausschreitungen gekommen ist. So wurden im Laufe des Dezembers mehrere Jüdinnen, die beim Lebensmitteleinkauf bevorzugt abgefertigt worden waren, von der vergeblich anstehenden Menschenmenge erschlagen. Auch Juden, bei denen Lebensmittellager gefunden wurden, sind von ihren Hausgenossen erschlagen worden. Die Miliz vermag gegen die Hassausbrüche nichts zu unternehmen, zumal die Bevölkerung sich in den meisten Fällen auf die Seite der Angreifer stellt. Mit Schadenfreude werden die Juden auf ihr Schicksal im Falle des deutschen Einmarsches hingewiesen. Unter der Arbeiterschaft verschiedener Werke, die wegen Stillegung des Betriebes mit Notstandsarbeiten beschäftigt waren, ist es zu Streikbewegungen gekommen, die z. T. auch auf die Arbeiterschaft von Rüstungsbetrieben übergriffen. Der Grund war meist die schlechte Verpflegung sowie die daraus sich ergebende Entkräftung. Durch die Heraufsetzung der Brotration Anfang Januar (s. u. Ziff. 2) hat sich die Stimmung in Leningrad nicht gebessert, da sich an der

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Ernährungslage durch den Wegfall einer Reihe bis jetzt noch erhältlicher Nahrungsmittel praktisch nichts geändert hat. Die sowjetische Propaganda bemüht sich, die Stimmung durch Berichte von den Erfolgen der Sowjettruppen und Schwierigkeiten der Deutschen durch den für sie ungewohnten strengen Winter zu heben. Es erweist sich jedoch, daß das Vertrauen der Bevölkerung in die Sowjetpropaganda so weit erschüttert ist, daß auch den wirklichen Erfolgsmeldungen nicht recht geglaubt wird. Besonders die Schilderungen der Versorgungsschwierigkeiten unter den Deutschen stoßen auf höhnische Ablehnung. Die eigenen Soldaten verhungerten ja und hätten nichts Warmes anzuziehen. An den entscheidenden Umschwung, den der Sowjetpropaganda zufolge der Winter in der Kriegslage bringen sollte, glaubt niemand mehr. Hinsichtlich des künftigen Schicksals der Stadt herrscht eine passive Resignation. Obwohl die Propaganda sich sehr bemüht, die Hoffnung auf Entsatz immer wieder neu anzufachen, herrscht doch die allgemeine Überzeugung, daß die Sowjetmacht nicht mehr stark genug sei, das Schicksal der Stadt zu wenden. Im Gegenteil, es greift vielfach eine Art Erbitterung gegen die Deutschen um sich, daß diese nicht endlich in Leningrad einmarschieren. An die Eroberung Petersburgs durch die Deutschen knüpfen sich nicht mehr die gleichen Erwartungen wie im Herbst. Man ist sich klar darüber, daß es auch weiterhin Verpflegungsschwierigkeiten geben wird, erhofft aber doch eine Wendung zum Besseren. 2.) Versorgungslage: Die Eröffnung der Eisstrasse über den Ladoga-See ermöglichte es den Sowjets, im beschränkten Maßstab eine Ergänzung der zur Neige gehenden lebenswichtigen Vorräte vorzunehmen. So ist allem Anschein nach Benzin und Mehl auf diesem Wege in die Stadt geschafft worden, denn seit Ende Dezember herrscht in Leningrad und an der Leningrader Front zwar noch außerordentlicher Benzinmangel, jedoch sieht man wieder Kraftfahrzeuge fahren, was am Anfang Dezember kaum noch der Fall war. Vom 21. November bis 25. Dezember betrugen die Lebensmittelnormen für die Zivilbevölkerung: Brot Fleisch Grütze Öl Zucker u. Süßwaren

Arbeiter 250 gr 300 gr 300 gr 350 gr 500 gr

Angest. u. Fam.Angeh. 125 gr pro Tag 150 gr für 10 Tage 150 gr für 10 Tage 100 gr für 10 Tage 150 gr für 10 Tage

Butter ist seit der 2. Dezemberdekade überhaupt nicht mehr zu haben, doch erhalten Säuglinge bis zu 9 Monaten täglich 200 gr Milch. Am 25. Dezember erfolgte eine Erhöhung der Brotration auf 350 gr für Arbeiter und 200 gr für Familienangehörige und Kinder. Die geringen Bestände an sonstigen Lebensmitteln reichen aber für eine gleichmäßige Versorgung der Gesamtbevölkerung nicht mehr aus. So werden zwar an Kinder theoretisch 400 gr Grütze, 100 gr Zucker und einmal 100 gr Schokolade in der Dekade ausgegeben, doch lassen sich diese Zuteilungen praktisch bereits nicht mehr im vollen Umfange durchführen. Ölkuchen oder ein sehr gestrecktes Roggenmehl treten an die Stelle der Grütze. Ende Dezember geriet das Verteilungswesen der Stadt erneut in Unordnung; die um diese Zeit fälligen Rationen waren vielfach erst nach einer Woche oder nach 10 Tagen praktisch erhältlich. Die Lebensmittelversorgung im Januar ist dadurch gekennzeichnet, daß die Bevölkerung mit ihren nunmehr wieder regelmäßiger ausgegebenen Brotrationen auszukommen hat. Im Gegensatz zu früher hat sich das Anfang De-

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zember eingeführte Stammkundensystem durchgesetzt. Wenn es den Sowjets nicht gelingt, während der Wintermonate mit der Möglichkeit eines Transportes über den Ladoga-See eine gewisse Vorratswirtschaft für die Stadt zu betreiben, wird sich die Ernährungslage im Frühjahr katastrophal verschlechtern. Einen besonderen Umfang hat der Tauschhandel angenommen. Auf dem Wege des Schwarzhandels sind Lebensmittel ferner noch zu phantastischen Preisen gegen bares Gold erhältlich. 100 gr Brot kosteten Ende Dezember 60,– bis 70,– Rbl., eine Katze 100,– bis 250,– Rbl.; Hunde sind kaum mehr zu sehen und werden mit 3000,– Rbl. und darüber bezahlt. Auf dem Wege von Durchstechereien und Veruntreuungen gelangt immer wieder etwas Brot aus den Versorgungsstellen in den illegalen Tauschhandel und wird von den Wohlhabenderen gegen Hergabe von Wertsachen und warmen Bekleidungsstücken eingetauscht. Für einen Wintermantel oder einen guten Anzug kann man 1 kg Brot erhalten, für ein gutes Hemd, eine gute Hose oder eine Uhr 200 gr Brot. Ferner wird Brot gegen Spiritus oder Schnaps, Kerzen und Petroleum getauscht. Im übrigen sind geringe Quanten von Hafermehl, Ölkuchen, Eau de Cologne (anstelle von Wodka), Zigaretten und Streichhölzer sowie Brennholz und Wein in kleinen Flaschen die wichtigsten Umsatzgüter dieses Tauschhandels. Eine Art Naturalwährung: 100 gr Brot = eine 25-Stck.-Packung Zigaretten hat sich herausgebildet. Auf Grund dieser Währung werden meist die Preise berechnet, da Geld nur ungern angenommen wird. Die Stromversorgung in der Stadt ist seit dem 1.1. 1942 stillgelegt. Nur einzelne wenige Rüstungs- und Ernährungsbetriebe können mit Strom in begrenztem Umfange versorgt werden. Schon vom 8. 12. 1941 ab wurden selbst in gut versorgten Betrieben täglich nur 1– 2 Stunden Strom abgegeben. Die Behörden gingen auf Ölbeleuchtung über. Ab Ende Dezember stellte die Strassenbahn ihren Verkehr auch auf den letzten Linien ein. Noch nicht völlig unterbunden war die Wasserversorgung, obwohl in manchen Bezirken die Zivilbevölkerung dazu übergehen mußte, das Wasser durch Schmelzen von Schnee zu gewinnen. Im allgemeinen arbeitete noch die Wasserleitung, doch reichte der Druck nur zur Versorgung des ersten Stockwerkes aus. Seit dem 1. Januar jedoch erhalten die städtischen Pumpwerke keinen Strom mehr und stellten damit ihre Tätigkeit ein. Die Bevölkerung ist gezwungen, sich das Wasser aus der Newa zu holen oder sich Schnee zu schmelzen. Kohlenbestände sind in Leningrad nicht mehr vorhanden. Zum Heizen wird Holz aus dem Abbruch zerstörter Häuser verwertet. Das Sammeln von Holzmaterial in den Trümmern zerschossener Gebäude war zeitweise ebenso verboten wie das Abtragen von Zäunen u. dergl. und den städtischen Organen vorbehalten. Nachdem es sich erwies, daß dies praktisch nicht durchzusetzen war, behielten sich die Milizorgane nur eine ordnende Kontrolle der Abtragung von Ruinen vor. Petroleum ist nicht mehr vorhanden bezw. nur noch in ganz kleinen Mengen im Schwarzhandel erhältlich. Dafür wurde im Januar etwa Leuchtöl ausgegeben und auch auf dem Markt mit 50,– Rbl. der Liter gehandelt. Praktisch herrscht nach Einbruch der Dämmerung Dunkelheit in den kaum geheizten Wohnungen. Für die wichtigsten Verrichtungen dient eine Kienspanbeleuchtung. Die Versorgungslage der Stadt ist seit Anfang Januar 1942 in ein Katastrophalstadium getreten. Das Überdauern ist eine Frage der kräftigeren Konstitutionen. Fälle von Kannibalismus wurden bekannt. 3.) Verteidigungsvorbereitungen und Lage in der Armee: Auch im Januar wurde am Ausbau der Stellungen um Leningrad gearbeitet. An verschiedenen Stellen des Südrands der Stadt wurden neue Gräben ausgehoben, z. T. unter Einsatz großer Arbeitergruppen. Auch die Anlage neuer größerer Minenfelder wurde bekannt. Verwandt werden vorwiegend

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Minen im Format 30 mal 50 cm Grundfläche in Holzkästen. In den südlichen Stadtteilen wurde eine Reihe von fünfstöckigen Häusern zur Verteidigung eingerichtet; die Fensteröffnungen wurden zugemauert und mit Schießscharten versehen. Die so geschaffenen Festungen sollen z. T. mit Pak und 76-mm-Geschützen bestückt sein. An den wesentlichsten Brücken und Eisenbahnüberführungen sind Sprengladungen angebracht. In einer Reihe von Fällen wurden von Überläufern die Vorbereitungsarbeiten beobachtet. Die zentrale Leitung aller dieser Arbeiten liegt bei der Hauptverwaltung des Leningrader Elektrizitätsnetzes, der sogen. Lenenergo. Die Verpflegungssätze für die im Leningrader Frontgebiet in den vorderen Linien abgesetzten Truppen haben eine Erhöhung gefunden. Statt bisher 500 gr Brot werden jetzt 600 gr ausgegeben. Einzelne Truppenteile, wie Schneeschuhbataillone und die sogen. Bondarew-Division, die sich im Kampf ausgezeichnet hatte und jetzt im Oranienbaumer Kessel angesetzt ist, erhalten darüber hinaus Sonderzuwendungen, namentlich an Schnaps und Zigaretten. Der offizielle Verpflegungssatz für die vorderen Truppenteile ist seit dem 21. 1. 1942: Brot 600 gr täglich, Grütze 220 gr täglich, Butter 43 gr täglich, Zucker 35 gr täglich, Fleisch 125 gr täglich, Zigaretten 50 Stück für 3 Tage. Diese Sätze werden aber durchaus nicht immer eingehalten; namentlich die Fleisch- und Fettrationen fallen meist ganz aus. Als Fleisch wird nur Pferdefleisch oder gesalzener Fisch ausgegeben. Die weiter rückwärts stationierten Truppenteile leiden Hunger. Hungerschwellungen sind an der Tagesordnung. In einem Eisenbahnbataillon an der finnischen Front starben im Laufe von 3 Wochen 8 Mann an Hunger. 50 % des Btl. war wegen allgemeiner Entkräftung vom Dienst befreit. Trotz der Verbesserung der Verpflegungslage für die vorderen Truppenteile und der verstärkten Propaganda, die von großen Erfolgen und einer bald zu erwartenden Entlastung spricht, ist die Stimmung in der Truppe nach wie vor ausgesprochen schlecht. Grund zur Unzufriedenheit sind vielfach die katastrophalen Verhältnisse in Leningrad, wo die Familien vieler Rotarmisten verhungern. Es wird auch daher der Postverkehr mit den Angehörigen in L. völlig unterbunden. So erhalten z. B. die im Oranienbaumer Kessel angesetzten Soldaten Feldpostbriefe aus allen Teilen der Sowjetunion, nur nicht aus Leningrad. Ein weiterer Grund zur Unzufriedenheit ist die unregelmäßige und vielfach unvollständige Zustellung der Verpflegung, vor allem aber die ungeheueren Verluste bei sinnlosen und meist schlecht geführten Angriffen, bei jenen Politruks und Offiziere meist völlig fehlen. Die Politruks und Offiziere haben es daher auch schwer, Ordnung und Disziplin aufrecht zu erhalten. Es kommt in einem fort zu Widersätzlichkeiten und lange nicht in allen Fällen kann durchgegriffen werden. Trotzdem werden täglich auf einem Leningrader Friedhof etwa 20 Meuterer von einem Exekutionskommando erschossen. Nach der Schätzung eines im allgemeinen zuverlässigen Gewährsmannes sind heute noch 20–25 % der Mannschaften bereit, für ihre „sozialistische Heimat“ zu kämpfen und schenken der sowjetischen Propaganda Glauben, namentlich hinsichtlich der in letzter Zeit besonders drastisch dargestellten Grausamkeiten, die der Gefangene auf deutscher Seite zu gewärtigen habe. Während früher immer zwischen überzeugten Nazis und anderen Deutschen, die Gegner des Hitlerismus seien, unterschieden wurde, lautet die Parole heute, alle Deutschen wären „barbarische Faschisten“ und müssten vernichtet werden. Schon vor Weihnachten wurde den Offizieren und Politruks ein von Mechlis unterschriebener Geheimbefehl bekanntgegeben, nach dem wegen der unmenschlichen Behandlung russischer Kriegsgefangener durch die Deutschen in Zukunft keine deutschen Gefangenen mehr gemacht werden sollten. Der Befehl durfte den Mannschaften nicht bekannt-

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gemacht werden, doch sollte in der Truppe der Hass gegen die Deutschen derart geschürt werden, daß sie von sich aus jeden Deutschen niedermachen. Ein übergelaufener sowjetrussischer Abwehroffizier äußerte, er könne jedem Deutschen, der sich der Gefangenschaft nicht mehr entziehen könne, nur raten, selbst Hand an sich zu legen. Demgegenüber wird jedoch bekannt, daß gerade im Leningrader Gebiet in Einzelfällen Kriegsgefangene eine einigermaßen anständige Behandlung erfahren haben, wohl weil sie einen gewissen Seltenheitswert darstellen. Es soll angeblich zwischen überzeugten „Hitleristen“ – d. h. solchen, die bis zum letzten Augenblick Widerstand leisten – und solchen, die sich gefangen geben, unterschieden werden. Die für Kriegsgefangene festgesetzte tägliche Brotration beträgt 100 gr. Es besteht ein Geheimbefehl, nach dem Deutschstämmige nicht an der Front einzusetzen seien, ebenso keine Männer, deren Familien sich im besetzten Gebiet befinden. Um die häufiger werdenden Fälle von Desertion zu bekämpfen, ist ein Befehl erlassen worden, nach dem Offiziere von Truppenteilen, bei denen es Überläufer gibt, erschossen werden. Ferner werden alle Posten in den vorderen Linien doppelt besetzt und immer so, daß die beiden Männer einander nicht kennen. Da das Überlaufen auf diese Weise stark erschwert ist, sollen viele Soldaten auf einen baldigen deutschen Angriff hoffen, um sich dann ergeben zu können. Unter den Offizieren soll der Prozentsatz derer, die bereit sind, überzulaufen, wesentlich geringer sein und etwa 20–25 % betragen. In der Truppe soll allgemein damit gerechnet werden, daß, wenn es im Winter nicht gelingen sollte, die besetzten Gebiete vom Feinde zu säubern, im Frühjahr, spätestens im Sommer der endgültige Zusammenbruch der Roten Armee erfolgen müsse. Seitens des Nachrichtendienstes der Leningrader Front sind auch in letzter Zeit wieder Agenten eingesetzt worden, wobei weniger Frauen, dagegen hauptsächlich Jugendliche unter 16 Jahren bezw. über 60 Jahre alte Männer verwandt wurden. Die Agenten hatten vielfach den Auftrag, in den besetzten Gebieten Ausweispapiere mit deutschen Dienststempeln zu entwenden bezw. Personen der örtlichen Bevölkerung mit systematischem Dokumentendiebstahl zu beauftragen. Ferner hat eine Reihe von Agenten den Auftrag erhalten, im Falle eines Rückzuges der deutschen Truppen mit diesen mitzuziehen und in jedem Ort Meldungen über ihre Feststellungen über Richtung des Rückzuges usw. am letzten Dorfbrunnen zu vergraben bezw. an anderen ausdrücklich vereinbarten Orten (In Luga beispielsweise an einem genau bezeichneten Ort am Bahnhof). Im allgemeinen sollen die Ergebnisse des sowjetrussischen Nachrichtendienstes, nach dem Zeugnis eines sowjetrussischen Abwehroffiziers, in der letzten Zeit sehr mager geworden sein. Beispielsweise ist man sich über die Stärke der gegenüberliegenden deutschen Truppenteile völlig im unklaren, ebenso über die Standorte höherer deutscher Stäbe. So wird der Sitz des AOK in Krasnoje-Selo und des Heeresgruppenkommandos in Luga vermutet. Die Nachschubstrasse über den Ladoga-See ist immer noch stark befahren. Von Pionieren werden die beiden Fahrbahnen vom Schnee freigehalten und die durch Artilleriebeschuß und Bombentreffer verursachten Schäden in der Eisdecke durch Bohlendielen überbrückt. Ein Lkw legt die Fahrt vom Dorf Nowaja Ladoga bis zum Westufer des LadogaSees (48 km) in etwa 130 Minuten zurück. Ein Agent, der von Taschkent aus nach Leningrad in Marsch gesetzt worden war, um hier angesetzt zu werden, zählte bei seiner Fahrt über den Ladoga-See etwa 100 Lkw, die ihm begegneten. Vom Westufer des Ladoga-Sees führt eine Strasse etwa noch 4 km bis zum Bahnhof Irinowka, von wo aus unregelmäßig Güterzüge nach Leningrad verkehren. Die Transporte nach Leningrad enthalten meist Mehl, Munition und Treibstoff und nehmen auf der Rückfahrt Flüchtlinge auf. Zusam-

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mengefaßt ist zu sagen, daß die Lage in Leningrad nach unseren Begriffen bereits jetzt schon katastrophal ist und sich –wie die Entwicklung in den letzten Monaten klar gezeigt hat – stets statt ansteigend von Woche zu Woche verschlechtern wird. Es ist jedoch nicht zu erwarten, daß von offizieller sowjetrussischer Seite hieraus irgendwelche Konsequenzen gezogen werden. Wenn auch mit einzelnen Auflehnungen, so ist doch nicht mit einem organisierten Aufstand, der irgendeine Änderung bringen könnte, zu rechnen. Die Stadt ist fest in der Hand der Sowjets. Einzelmeldungen aus dem Bereich der Einsatzgruppe A: 1.) Von der Wehrmacht ist an das Generalkommissariat in Reval die Forderung gestellt worden, aus Ingermanland 10 000 Finnen, die später nach Finnland umgesiedelt werden sollen, in Estland aufzunehmen. Das Generalkommissariat hat dagegen Einspruch erhoben, weil es sich bei diesen Umsiedlern vorwiegend um Kinder und Greise handelt, die zwischenzeitlich als Arbeitskräfte nicht eingesetzt werden können, und weil die augenblickliche Ernährungslage Estlands eine Aufnahme verbietet. 2.) In Anbetracht der gegenwärtigen Seuchenverbreitung und der während und nach der Schneeschmelze bestehenden Gefahr des Auftretens neuer Epidemien sind die Kreis- und Stadtärzte des Generalkommissariats Estland angewiesen worden, sofort mit der Sanierung ihrer Bezirke zu beginnen. 3.) Eine in Dorpat in 32 Unternehmungen durchgeführte Razzia zur Bekämpfung des Schleichhandels hat zur Beschlagnahmung größerer Warenmengen geführt. Es wurden sichergestellt: 1250 kg Fleisch, 2 Ferkel, 60 kg Butter, 10 l selbstgebrannter Schnaps, 25 kg Seife, 60 Pakete Zigaretten und 200 Pakete Farben. 4.) In unmittelbarer Nähe von Luga wurde ein Partisanenlager vernichtet, in dem 9 Männer und 4 Frauen hausten. Durch die Wirkung einer Handgranate wurden mehrere Partisanen sofort getötet, während die übrigen nach kurzer Gegenwehr durch Gewehrbeschuß unschädlich gemacht werden konnten. 2 Partisanen entkamen verwundet und schlecht bekleidet in der Dunkelheit. Mit ihrem Tode ist jedoch zu rechnen. Durch Explosion der lagernden Handgranaten und Munition wurden sämtliche Waffen und Vorräte vernichtet. 2 Pferde mit Lastschlitten wurden sichergestellt. 5.) Im Dorf Usatischtsche bei Pleskau wurden bei Aufspürung eines Partisanentrupps 1 Feldwebel und 6 Mann der Wehrmacht getötet, 6 schwer verletzt. Das Haus, in dem sich die Partisanen aufhielten, wurde durch Handgranaten in Brand gesetzt; die Partisanen kamen dabei ums Leben. 6.) Im Bezirk Aglona-Lettgallen wurde eine Partisanenorganisation festgestellt. Der größte Teil der Dorfbewohner dieses Bezirks sind altgläubige Russen. Jedes Dorf bildete eine Kampforganisation (unter Führung eines Dorfältesten). Leiter der Gesamtorganisation war Leutnant der Roten Armee Alekseij Kulikow, der festgenommen wurde. Kukilow war vom Stab der Roten Armee nach Lettgallen entsandt worden. Seine Gehilfen waren Matrosen. Bisher wurden 94 Männer und 4 Frauen dieser Organisation verhaftet und 4 Personen auf der Flucht erschossen. Ein schweres MG, 2 IMG, 1 MP, 1 halbautomatisches Gewehr, 6 russische Gewehre und 3 Handgranaten wurden sichergestellt. 7.) In Rositten ist ein Aufruf in lettischer Sprache gefunden worden, der die Bewohner zum Fernbleiben vom Freiwilligendienst auffordert. Ferner wurde in Rositten ein Angestellter des Kreischefs festgenommen, der bei Werbeaktion für RAD antideutsche Propaganda betrieb. 8.) Festnahme eines Kapitäns und eines Sergeanten der Roten Armee sowie einer Frau, die seit 3 Wochen Kurierdienste zwischen der Widerstandsbewegung in Minsk und einer Partisanengruppe westlich von Minsk geleistet haben. Ferner wurde ein russischer Major festgenommen, der als Arbeiter beim Luftgaukommando beschäftigt war und dem Verbindung zur russischen Widerstandsbewegung nachgewiesen wurde. 9.) In Minsk mußten ein Meister und ein Wachtmeister der Schutzpolizei

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verhaftet werden, die Postverbindungen zwischen Ghettojuden und ihren Angehörigen im Reich hergestellt haben. Angehörige des Generalkommandos und 2 Wehrmachtsangehörige sind beteiligt. Gold- und Silberwaren wurden beschlagnahmt. Bisher wurden 11 deutsche Juden, darunter der Leiter des Ältestenrates, festgenommen. Einsatzgruppe D meldet: l.) Allgemeine Lage 3: Die Tatsache, daß die Roten ihr Ziel, die Krim zurückzuerobern, bisher nicht erreicht haben, sondern mit blutigen Verlusten abgewiesen wurden, hat die Stimmung der Bevölkerung im ganzen gesehen positiv beeinflußt. Eine Ausnahme bilden die Gebiete an den beiden Fronten im Osten und Westen. Besonders in Feodosia leben die Einwohner in ständiger Furcht, daß die Roten in Kürze zurückkommen. Mehrfach ist es einzelnen Russen gelungen, aus Kertsch durch die russischen sowie deutschen Linien ungehindert durchzukommen. Diese Rückkehrer verbreiten in der Stadt Gerüchte über die laufenden Truppenverstärkungen der Russen usw. Das Kommando in Feodosia konnte in den letzten Tagen 3 Frauen festnehmen, die von den Roten nach Kertsch für Schanzarbeiten mitgenommen waren, dort aber geflüchtet und zurückgekehrt sind, weil in Kertsch die Hungersnot sehr groß sein soll. Auch sie hatten über Massenaufmärsche der Roten Gerüchte verbreitet. Die Ernährungslage als wichtigster Stimmungsfaktor hat sich insgesamt nicht verschlechtert. Im Gegenteil haben regelmäßige Zuteilungen wenn auch geringer Getreide- oder Mehlmengen in den größeren Orten dazu beigetragen, das Vertrauen den Deutschen gegenüber zu festigen. Auch die Versorgungslage in den Gebieten der Südkrim hat sich durch die inzwischen erfolgte Wiederaufnahme des Fischfangs gebessert. Man sieht die Gefahr einer Hungersnot durch das Eingreifen deutscher Stellen behoben, zumal noch die Überwindung des Hungerjahres 1932 allein durch Fischfang in lebhafter Erinnerung ist. Von Aluschta und Jalta aus wird bereits ein Teil des Fischfangs für andere Gebiete verwandt. Die derzeitige leichte Aufbesserung der Ernährungslage darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich um ein von der Hand- in den Mundleben handelt und die Schwierigkeiten für die Zukunft damit nicht behoben sind. An politischen Gerüchten geht z. Zt. in Karasubasar, wahrscheinlich angeregt durch die Tatarenaktion, das Gerücht, daß die Türken die Krim besetzen würden. In Aluschta wurde vielfach die Äußerung gehört, daß die Deutschen durch die Schaffung einer tatarischen Krim die Türkei für sich gewinnen könnten. In anderen Orten will man wissen, daß eine selbständige Krim unter deutscher Führung geplant sei. 2.) Sicherheitspolizeiliche Arbeit: Insbesondere wurden die nördlichen Teile der Krim sicherheitspolizeilich bearbeitet. 4 Teilkommandos sind dabei, die Gebiete Ort für Ort durchzukämmen. Es handelt sich meist um Dörfer mit 150–300 Einwohnern, die sich vorwiegend aus Russen und Ukrainern zusammensetzen. Neben der Erledigung der Exekutivaufgaben errichteten die Teilkommandos in den Ortschaften Meldeköpfe. Von Zeit zu Zeit werden die V-Männer abgefragt, die über alle Zugezogenen und sonstigen Ereignisse zu melden haben. Im ganzen kann gesagt werden, daß sich in den ländlichen Gebieten des nördlichen Teils verhältnismäßig wenig unzuverlässige Elemente aufhalten. Bedeutende Funktionäre usw. wurden bisher nicht festgestellt, sondern in erster Linie sich versteckt haltende Juden und vereinzelt Partisanen erfaßt. Bis Ende Februar wird die besetzte Krim einmal durchgekämmt sein, wobei einzelne wichtige Gebiete und besonders die Städte laufend überholt werden. Ermittlungen nach vereinzelten Juden, die sich bisher durch Verstecken oder falsche Personalangaben der Erschießung entzogen haben, wurden fortgesetzt. In Simferopol wurden vom 9. 1.–15. 2. über 300 Juden erfaßt und exekutiert. Die Zahl der Exekutierten ist damit in Simferopol auf nahezu 10 000 Juden gestie-

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gen und etwa um 300 höher als die Zahl der registrierten Juden. Auch in den anderen Kommandobereichen wurden noch jeweils 100–200 Juden erledigt. Neben der Unschädlichmachung von kommunistischen Funktionären und NKWD-Agenten, von denen in den einzelnen Arbeitsräumen je über 100 erfaßt wurden, steht nach wie vor die Partisanenerkundung in den Räumen Bachtschissaraj, Jalta und Karasubasar im Vordergrund. Während die Überfälle auf die Straßen der Westkrim infolge des Geleitzugsystems und stärkerer Sicherungen etwas zurückgingen, erfolgten mehrere Angriffe auf Ortschaften. In der Nacht vom 7. und 8. 2. wurde Kousch von 300 Partisanen angegriffen und 8 Häuser in Brand gesteckt. Die Partisanen wurden mit Hilfe einer Tatarenselbstschutzkompanie (TSKP) und einer Wehrmachtseinheit zurückgeschlagen. Am 9. 2. überfielen 150 Partisanen, die nach Art der TSKP mit Armbinden versehen waren, das Dorf Stzlia, das ausgeplündert wurde. Bei Berichten an die Armee wurde wiederholt auf unbedingt notwendige stärkere Bekämpfung der Partisanen vor Beginn der wärmeren Jahreszeit hingewiesen. Z. Zt. werden mehrere Großeinsätze aufgrund der hiesigen Erkundungsergebnisse vorbereitet. Im Ostteil, insbesondere im Raum Karasubasar, wurden 4 Überfälle auf deutsche Lkw’s verübt, einer davon von 200 Partisanen, die z. T. Schneehemden trugen. Am 1. 2. wurde das Dorf Kasanli besetzt. TSKP befreite das Dorf und erschoß 6 Partisanen und 2 Kommissare. Ein Versuch, Ortalan zu besetzen, wurde von den TSKP abgeschlagen. Ein für den 9. 2. geplanter Überfall auf Tschokrak zur Befreiung von 40 dort untergebrachten Kriegsgefangenen wurde durch Erkundung des Kommandos verhindert. Am 3. 2. gingen bei Karasubasar 6 Fallschirmspringer nieder. Aktion des Kommandos mit TSKP verhinderte das Mitnehmen abgeworfener Batterien und Sprengmittel durch die Fallschirmspringer, die sich zu Partisanen durchschlagen konnten. Beute, u. a. „Molotow-Coktail“, wurde sichergestellt. Auch für den Ostteil sind mehrere Aktionen, für die die Unterlagen der Wehrmacht zur Verfügung gestellt wurden, geplant. Im Nordteil der Krim wurde eine Partisanengruppe von sieben Mann gefaßt, die sich zur Ukraine durchschlagen wollte, um angeblich in Nikolajew besondere Aufträge zu empfangen. Vom 1.–15. 2. wurden 1451 Personen exekutiert, davon 920 Juden, 468 Kommunisten, 45 Partisanen und 12 Plünderer, Saboteure, Asoziale. Gesamtzahl bisher 86 682. Meldungen der Einsatzgruppen B und C liegen nicht vor. III. Reich und besetzte Gebiete: Der Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in den besetzten Gebieten Kärntens und Krains – Veldes meldet: Durch den starken Schneefall beschränkt sich zur Zeit die Bandenbekämpfung auf die Ermittlungstätigkeit der Sicherheitspolizei und den Einsatz von V-Leuten. Die Kräfte der Ordnungspolizei üben den Objektschutz aus und errichten Streifenschutz in den Tälern und bewohnten Ortschaften. Die Berge, in denen sich die Banditen aufhalten, sind nur für Skifahrer zu erreichen. Das Kommando der Schutzpolizei, das mit Skiern ausgerüstet ist, ist nicht in der Lage, die großen Gebiete so abzukämmen, wie es erforderlich wäre. Die Banden haben sich seit einigen Wochen in einzelne Gruppen aufgeteilt und halten sich, da sie selbst fast nicht über Skier verfügen, in Almhütten versteckt. Ihre Aufspürung und Liquidierung durch besonders zusammengesetzte und mit Skiern ausgerüstete Kommandos ist in die Wege geleitet. Außer dem Bandenführer Bernad wurde bei der gleichen Aktion (vgl. Ereignismeldung vom 11. 2. 42, Nr. 167, S. 12) auch der berüchtigte Bandenführer Alois Pecnik von der Sicherheitspolizei erschossen. Pecnik war längere Zeit in Rußland, war schon vor der Besetzung des Gebietes ein führender Kommunist und Bandit und war zuletzt Bandenführer und Führer bei zahlrei-

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chen Mord- und Terroraktionen. Mehrere Morde hat er selbst durchgeführt. Auf seinen Kopf waren RM 20000,– ausgesetzt. Der Kdr. d. Sipo u.d. SD in der Untersteiermark – Marburg meldet: Am 17. 2. 42 gegen 07.00 Uhr wurde bei Edlingen, Krs. Trifail, der Arbeiter Franz Prasnikar, geb. am 26. 11. 1913, von 4 unbekannten Kommunisten erschossen. Prasnikar hatte am 9. 1. 41 [sic] der Polizei gemeldet, daß sich in der Scheune seines Vaters 4 kommunistische Banditen verborgen halten, die dann durch polizeilichen Einsatz vernichtet wurden. Prasnikar wurde auf dem Wege zur Arbeitsstätte von 4 Unbekannten zur Ausweisleistung angehalten und dann von rückwärts erschossen. Erhebungen sind im Gange. Vergeltungsmaßnahmen wurden eingeleitet. BAB, R 58/220 1

Vgl. Anna Reid: Blokada. Die Belagerung von Leningrad 1941–1944, Berlin 2011, S. 252–370. Zum Kontext: Rebecca Manley: To the Tashkent Station. Evacuation and Survival in the Soviet Union at War, Ithaca/London 2009. 3 Vgl. Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 458–503. 2

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 20. Februar 1942 [Stempel:Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 171 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 20. 2. 1942. Höherer SS- und Polizeiführer Nord (101): (Jeckeln), Standort: Riga. Einsatzgruppe A: (Dr. Stahlecker), Standort: Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: FT, FS Riga, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Estland: (Dr. Sandberger), Standort: Reval m. Dienststellen in Narwa, Dorpat, Kingisepp, Krasnoje-Selo, Luga und Pleskau, N-Verbindungen: FT, FS Reval, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Lettland: (Dr. Lange), Standort: Riga m. Dienststellen in Libau, Wolmar u. Dünaburg, N-Verbindungen: FT, FS Riga, Feldpost-Nr. 15447. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Litauen: (Jäger), Standort: Kauen m. Dienststellen in Wilna und Schaulen, N-Verbindungen: FT und FS Kauen und Wilna, Feldpost-Nr. 15641. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Weißruthenien: (Strauch), z. Zt. vertreten durch SS-Stubaf. RR Hofmann, Standort: Minsk m. Dienststellen in Nowogrodek, Tschudowo, a. d. Marsch n. Cholm u. Baranowicze, N-Verbindungen: FT und FS Minsk, Feldpost-Nr. 15641. Höherer SS- und Polizeiführer Mitte (102): (v. d. Bach), Standort: Mogilew. Einsatzgruppe B: (Naumann), Standort: Smolensk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Kurierverbindung über Warschau und Fernsprecher über VD Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando 7a: (Steimle 1), Standort: a. d. Rückmarsch, N-Verbindungen: FT Klinzy, Feldpost-Nr. 85607.

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Sonderkommando 7b: Standort: Brjansk m. Trupps in Orel und Kursk, N-Verbindungen: FT Brjansk, Feldpost-Nr. 18555. Einsatzkommando 8: (Richter), Standort: Mogilew m. Trupps i. Borissow, Orscha, Gomel, Bobruisk, N-Verbindungen: FT Roslawl [handschriftlich: u. Funkstelle i. Smolensk], Feldpost-Nr. 37867. Einsatzkommando 9: (Wiebens), Standort: Witebsk m. Trupps in Smolensk, Newel, Polozk, N-Verbindungen: FT Witebsk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando Moskau: Standort: Roslawl, N-Verbindungen: FT Roslawl. Höherer SS- und Polizeiführer Süd (103): (Prützmann), Standort: Rowno. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Nikolajew: (Dr.Spann). Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Charkow: (Dr.Kranebitter). Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Shitomir: (Dr. Razesberger). Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Wolhynien (Rowno): (Dr. Pütz). Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Dnjepropetrowsk: (Mulde). Einsatzgruppe C: (Dr. Thomas), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier, Feldpost-Nr. 32704. Sonderkommando 4a: (Dr. Weinmann), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow, Feldpost-Nr. 22789. Sonderkommando 4b: (Haensch), Standort: Kramatorsk m. Trupps in Shitomir, Rowno, Winniza, N-Verbindungen: FT Nikolajew und Rowno, FS Gorlowka, Feldpost-Nr. 35102. Einsatzkommando 6: (Kröger 2), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino, FeldpostNr. 35979. Höherer SS- und Polizeiführer z. b. V.: (Korsemann), Standort: Rowno. Einsatzgruppe D: (Ohlendorf), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol, Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10a: (Seetzen), Standort: Taganrog m. Trupps in Mariupol u. Melitopol, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10b: (Persterer), Standort: Feodosia m. Trupps in Dshankoj, Stari Krim [durchgestrichen, handschriftlich: Sudak, Ismail, Tereku u.], N-Verbindungen: FeldpostNr. 47540. Einsatzkommando 11a: (Zapp), Standort: Bachtschissaraj m. Trupp in Jalta [handschriftlich: u. Simeis], N-Verbindungen: FT Jalta u. Bachtschissaraj, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11b: (Dr. Braune), Standort: Simferopol m. Teilen in Aluschta, Karasubasar, Eupatoria [durchgestrichen, handschriftlich: Jewpatoria], N-Verbindungen: FT Simferopol u. Aluschta, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 12: (Nosske), Standort: Fedorowka m. Teilen in Pologi, Seitler, Sarabus und Biukxas [durchgestrichen, handschriftlich: Gulja-Pole], N-Verbindungen: FT Fedorowka, Feldpost-Nr. 47540. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A meldet: Aus Estland: Ein Teil der Bauern Estlands zeigt sich darüber beleidigt, daß die Rückgabe des Landbesitzes in Verbindung gebracht wird mit den für die Wehrmacht abgelieferten Pelz- und Wintersachen, ohne daß berücksichtigt wird, was der Bauer selbst und seine Vorfahren auf dem betreffenden Hofe geleistet haben. Infolge des kürzlich eingeführten Schlachtverbots versuchen die estnischen Bauern, sich durch Schlachten größerer Viehbestände für die nächste Zeit mit dem notwendigen Fleisch zu versorgen. Das Abhören des Finnlandsenders wird trotz Verbotes in breitesten Kreisen der Bevölkerung Estlands

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weiter betrieben. Ein estnischer Arzt in Reval hat den Versuch gemacht, einen Monat hindurch mit den festgesetzten Lebensmittelrationen auszukommen. Nach Ansicht des Arztes ist mit den zugeteilten Mengen nicht auszukommen; die Rationen seien für das dortige Klima zu klein. In 32 Aktionen gegen Schleichhandel in Dorpat wurden größere Mengen von Lebensmitteln und Rauchwaren sichergestellt. Ein deutscher Werkmeister wurde wegen Verdachts von Schleichhandelsgeschäften in großem Umfang festgenommen. Südlich Krivioeli sind 4 sowjetrussische Fallschirmjäger abgesprungen; davon wurden 2 bei Gegenwehr erschossen und 2 gefangen. Die Gefangenen sagten aus, daß noch 3500 Mann in Leningrad in Ausbildung ständen, um im Frühjahr über Estland abgesetzt zu werden. U. a. wurden Funkgerät mit Schlüssel, Namensliste von V-Männern und Angaben über Waffenlager sichergestellt. Die Haushaltspläne der Stadt- und Kreisverwaltungen Estlands für die ersten 6 Monate dieses Jahres liegen jetzt dem Direktorium der inneren Verwaltung zur Bestätigung vor. Unter der Gesamtsumme der Voranschläge von 24 Mill. RM nimmt die Stadt Reval mit 13,8 Mill. RM den ersten Platz ein. Es folgen dann Dorpat mit 1,2 Mill. RM und Narwa mit 0,83 Mill. RM. In der großen Waldarbeitsaktion, die sich über ganz Estland erstreckt und die zur Beschaffung von Brennholz für die Städte dient, sind z. Zt. 25 263 Personen beschäftigt. Der Abtransport des Holzes, für den 9000 Pferde zur Verfügung stehen, hat bereits begonnen. Die tägliche Leistung beträgt je Waldarbeiter durchschnittlich etwa 1,5 Festmeter. Aus Lettland: In Anwesenheit der Vertreter des Reichs- und Generalkommissars, der Wehrmacht und der lettischen Behörden fand am 16. 2. 1942 im Saal der „Großen Gilde“ zu Riga die 4. Arbeitstagung des Zentralverbandes der Berufsverbände beim Generalkommissar in Riga für die Betriebsführer und -sprecher statt. Der Zweck der Tagung war, allen Betrieben eine einheitliche Ausrichtung auf arbeitspolitischem Gebiet zu geben. Aus Litauen: Der Generalkommissar in Kauen hat im Einvernehmen mit dem Wehrmachtsbefehlshaber Litauen beschlossen, von dem litauischen Nationalfeiertag am 16. 2. 1942, dem sogen. Unabhängigkeitstage, seitens der deutschen Behörden keine Notiz zu nehmen, im übrigen aber Kranzniederlegungen auf Friedhöfen und an nationalen Denkmälern sowie das Zeigen der litauischen Flagge zu dulden. Es wurde für richtig gehalten, jedes unnötige Einschreiten zu vermeiden. Die breite Masse der litauischen Bevölkerung hat bisher für die gegebene Lage weitgehendst Verständnis gezeigt. Die Betriebsführer im Generalkommissariat Litauen sind durch litauische Mittelsmänner angewiesen worden, dafür zu sorgen, daß am Unabhängigkeitstage wie an gewöhnlichen Tagen gearbeitet wird. Am 15. 2. 1942, dem Vortage des litauischen Unabhängigkeitstages, wurde in Kauen auf Veranlassung des Generalkommissars die litauische Flagge vom Kriegsmuseum niedergeholt. Zu diesem Akt hatten sich etwa 3000 Litauer eingefunden, die beim Niederholen der litauischen Flagge die litauische Nationalhymne, das Deutschland- und Horst-Wessel-Lied und ein religiöses Lied sangen. Zu irgendwelchen Demonstrationen ist es nicht gekommen. Aus Weißruthenien: In Minsk wurden festgenommen: 27 Personen, darunter 1 Fallschirmspringer, ferner 1 deutscher Heizer wegen Arbeitsverweigerung bei der Reichsbahn sowie 1 OT-Mann und 1 Russin, die gemeinsam im Ghetto Diebstähle begingen. Anschlag auf Ölhandelsgesellschaft in Minsk wurde durch Wurf von 2 Handgranaten in 2 benachbarte Häuser verübt, die in Brand geraten sollten. Am 12. 2. 1942 fand eine Großaktion gegen sowjetrussische Widerstands- und Partisanenbewegung statt. 300 Personen, z. T. Führer der Kommunisten, wurden festgenommen. Meldungen der Einsatzgruppen B, C und D liegen nicht vor.

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III. Reich und besetzte Gebiete: Der Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in den besetzten Gebieten Kärntens und Krains – Veldes meldet: Mitte Dezember 1941 erschienen in verschiedenen Gemeinden des Wocheinertales mehrere seit langer Zeit bei den Banden befindliche, aus diesem Gebiet stammende Kommunisten und verstanden es, einen größeren Teil der männlichen Bevölkerung der einzelnen Gemeinden unter verschiedenen Drohungen und Versprechungen zum Anschluss an die Banditen zu bewegen. Es wurde den Leuten erklärt, der Krieg wäre für Deutschland verloren, die Sowjets seien überall im Vormarsch, die deutschen Einsatzkräfte seien bereits im Begriff, das Gebiet zu verlassen usw. Tatsächlich erreichten sie, daß sich zahlreiche, bis dahin z. T. überhaupt nicht politisch in Erscheinung getretene Bewohner des Gebietes ihnen anschlossen. Die ganze Aktion ging ohne Zweifel – wie auch in anderen Gebieten – von den Zentralstellen der Widerstandsbewegung in Laibach aus. Führend traten Andreas Zvan aus Untergöriach und Bokal Stanislaus aus Assling in Erscheinung, die seit längerer Zeit flüchtig waren und bis dahin sich bei den Banditen aufgehalten hatten. Aus dem ganzen Gebiet sammelten sich ungefähr 200 Personen, die z. T. mit Waffen versehen waren, z. T. aber auch ohne Waffen bereit waren, an der Aufstandsbewegung teilzunehmen. Die Aktion selbst wurde unter kommunistischer Parole durchgeführt; es wurden auch mit den kommunistischen Zeichen versehene Fahnen von den einzelnen Gruppen verwandt und die Aufständischen in einzelnen Versammlungen und Besprechungen in rein kommunistischem Sinne beeinflusst. Es war beabsichtigt, die Ortschaft Neuming und den dort gelegenen Bahnhof zu besetzen und die Eisenbahnzüge zum Stehen zu bringen. Von Neuming aus sollte sich die Aufstandsbewegung über das ganze Wocheinertal bis Veldes ausdehnen. Als die Banditen im Begriffe waren, ihren Plan zu verwirklichen und auch bereits verschiedene Strassensperren gelegt hatten, um eine evtl. Störung durch Polizei zu verhindern, wurden sie durch eine größere Abteilung von Schutz- und Sicherheitspolizei überrascht, die zur gleichen Zeit eine Aktion in dieser Gegend durchführte. Es kam zu einem Feuergefecht mit der Bande, wodurch diese in die Flucht geschlagen wurde und sich vorerst in das Gebirge zurückzog. Einem Teil der Aufständischen genügte dieses erste Zusammentreffen mit der Polizei, um sich wieder von der Bande zu trennen und nach Hause zu gehen. Der Rest wurde durch verschiedene Einsätze der Polizei wiederholt gestellt und die Folge war, daß in wenigen Tagen die Aufstandsbewegung erledigt war. Ausser den Urhebern des Aufstandes blieb nur ein geringer Teil der geflüchteten Personen bei den Banditen, während der Rest heimkehrte oder aber bei den verschiedenen Polizeiaktionen festgenommen werden konnte. Aus dem Gebiet der Gemeinde Göriach waren ungefähr 100 Personen direkt durch Anschluss an die Banditen oder indirekt durch Vermittlung von Nachrichten, Lebensmitteln usw. an dem Aufstand beteiligt, die festgenommen und auch bereits vernommen wurden. Die beiden bereits angeführten Führer der Bewegung flüchteten und konnten ebenso wie ein kleiner Teil jener Personen, die sich der Bande angeschlossen hatten, bisher nicht festgenommen werden. Die Flüchtigen sind namentlich erfaßt und ihre Fahndung ist in die Wege geleitet. Von den im Gebiet der Gemeinde Göriach Festgenommenen bleiben auf Grund der Erhebungen zunächst 45 in Haft, 16 davon, die maßgeblich, sei es mit der Waffe in der Hand oder aber durch aktive Mitarbeit beim Legen der Baumsperren oder bei den Gefechten mit den Polizeikräften an den Aktionen beteiligt waren, werden zur gegebenen Zeit hingerichtet. Verschiedene Waffen, Munition, mehrere kommunistische Fahnen und weiteres Material wurden sichergestellt. Die Erhebungen über die aus anderen Ortschaften stammenden Festgenommenen sind noch nicht abgeschlos-

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sen. Scharfes Vorgehen ist unbedingt notwendig, da sich wieder einmal gezeigt hat, daß fast niemand aus der Bevölkerung, die z. T. schon vor dem Ausbruch des Aufstandes von verschiedenen Vorgehen Kenntnis hatte, den Behörden davon Mitteilung gemacht hat. Vor einigen Wochen gelang es, in Assling und Umgebung eine Jugendorganisation der Osvobodilna Fronta (Slowenische Befreiungsfront) aufzudecken. Im Laufe der damals durchgeführten Erhebungen konnten auch verschiedene Verbindungen zu einer bereits entsprechend ausgebauten Männerorganisation der gleichen Bewegung festgestellt werden. Es war in der Folge möglich, auch diese aufzudecken und beinahe sämtliche Mitglieder festzunehmen. Die Bewegung wurde durch mehrere seit langer Zeit flüchtige Kommunisten aufgezogen, die sich seit längerer Zeit bei den Banditen befinden und durch verschiedene Kuriere eine entsprechende Verbindung aufrechterhalten. Die Banditen selbst standen in ständiger Verbindung mit den Zentralstellen in Laibach, erhielten von dort ihre Weisungen und gaben diese an die Organisation in Assling weiter. Im Ausschuss der Befreiungsfront waren die Kommunisten, die nationalen Slowenen und die ChristlichSozialen durch je 2 Personen vertreten. Der Aufbau war so organisiert, daß die gesamten Mitglieder in Dreiergruppen zusammengefaßt wurden, von denen immer wieder nur 1 Person zur nächsten Gruppe Verbindung hatte. Der Zweck dieser Maßnahme war, im Falle einer Aufrollung der Bewegung womöglich die Festnahme einer größeren Anzahl von Mitgliedern zu verhindern. Die einzelnen Mitglieder kamen wiederholt in Versammlungen zusammen, die ausschließlich im Sinne der KP aufgezogen waren. Dabei wurde über die Unterstützung der geflüchteten Banditen, über die Aufgabe der KP, über Terrorund Sabotageaktionen usw. gesprochen. Wiederholt erschienen bei den einzelnen Versammlungen bei den Banden befindliche Kommunisten und gaben entsprechende Anweisungen über den Aufbau und über die Ziele der Organisation. Es wurden Flugschriften hergestellt und durch die einzelnen Mitglieder innerhalb der Arbeiterschaft in Assling zur Verteilung gebracht. Durch die einzelnen Mitglieder wurden auch größere Geldbeträge gesammelt und laufend zur Unterstützung an die Banditen abgeführt. Ebenso wurden Nahrungsmittel, Kleider usw. gesammelt und Nachrichten weitergegeben. Für das kommende Frühjahr war ein allgemeiner Aufstand vorgesehen und einzelnen Mitgliedern waren dafür schon bestimmte Funktionen zugewiesen. Innerhalb der KIG, bei der derzeit ca. 4000 Arbeiter beschäftigt sind und die ausschließlich Rüstungsaufträge bearbeitet, sollten größere Sabotageaktionen vorgenommen werden, um den Betrieb im Werke zu unterbinden. Insgesamt wurden bisher 62 Personen, unter denen sich auch die geistigen Führer der Bewegung befinden, festgenommen. 14 der Festgenommenen werden zur gegebenen Zeit hingerichtet. Gegen die übrigen wird Antrag auf Schutzhaft gestellt. Mit diesen Festnahmen und mit der bereits durchgeführten Aushebung der Jugendorganisation der OF wurden in diesem Gebiet über 100 Personen festgenommen, die alle innerhalb der Slowenischen Befreiungsfront tätig waren. Darunter befinden sich zahlreiche verbissene Gegner des Deutschtums, die z. T. schon jahrelang innerhalb der KP tätig waren. Es darf angenommen werden, daß mit dieser Aktion die Bewegung innerhalb der Arbeiterschaft der KIG weitgehendst erledigt wurde. Aus den durchgeführten Erhebungen und Einvernahmen ergibt sich, daß für das kommende Frühjahr Aktionen größten Ausmaßes vorgesehen waren, die ohne Zweifel eine Unterbindung des gesamten Betriebes innerhalb der KIG bewirkt hätten, da ja ein Großteil der Festgenommenen innerhalb der KIG in den verschiedenen Betrieben beschäftigt war. Die vorgesehenen Hinrichtungen finden vorerst nicht statt, sondern werden erst dann durchgeführt, wenn sich innerhalb der KIG neuerlich irgendwie gegnerische Strömungen bemerkbar machen oder Sa-

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botageaktionen versucht werden. Im Laufe der durchgeführten Vernehmungen konnten auch zahlreiche Verbindungen nach Krainburg aufgedeckt und dort bereits zahlreiche Festnahmen führender Mitglieder der OF durchgeführt werden. Es besteht Aussicht, weitere maßgebliche Kreise der Organisation aufzurollen. BAB, R 58/220 1 2

Falsch, mittlerweile Albert Rapp. Falsch, längst Robert Mohr.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 23. 2. 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 172 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 23. 2. 1942. Höherer SS- und Polizeiführer Nord (101): (Jeckeln), Standort: Riga. Einsatzgruppe A: (Dr. Stahlecker), Standort: Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: FT, FS Riga, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Estland: (Dr. Sandberger), Standort: Reval m. Dienststellen in Narwa, Dorpat, Kingisepp, Krasnoje-Selo, Luga u. Pleskau, N-Verbindungen: FT, FS Reval, FT Pleskau, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Lettland: (Dr. Lange), Standort: Riga m. Dienststellen in Libau, Wolmar u. Dünaburg, N-Verbindungen: FT, FS Riga, Feldpost-Nr. 15447. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Litauen: (Jäger), Standort: Kauen m. Dienststellen in Wilna und Schaulen, N-Verbindungen: FT und FS Kauen und Wilna, Feldpost-Nr. 15641. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Weißruthenien: (Strauch), z. Zt. vertreten durch SS-Stubaf. RR Hofmann, Standort: Minsk m. Dienststellen in Nowogrodek, Tschudowo, a. d. Marsch n. Cholm u. Baranowicze, N-Verbindungen: FT und FS Minsk, Feldpost-Nr. 15641. Höherer SS- und Polizeiführer Mitte (102): (v. d. Bach), Standort: Mogilew. Einsatzgruppe B: (Naumann), Standort: Smolensk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Kurierverbindung über Warschau und Fernsprecher über VD Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando 7a: (Steimle [durchgestrichen, handschriftlich: Rapp]), Standort: a. d. Rückmarsch [durchgestrichen, handschriftlich: Klinzy], N-Verbindungen: FT Klinzy, Feldpost-Nr. 85607. Sonderkommando 7b: (Ott), Standort: Brjansk m. Trupps in Orel und Kursk, N-Verbindungen: FT Brjansk, Feldpost-Nr. 18555. Einsatzkommando 8: (Richter), Standort: Mogilew m. Trupps i. Borissow, Orscha, Gomel u. Bobruisk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Feldpost-Nr. 37867. Einsatzkommando 9: (Wiebens), Standort: Witebsk m. Trupps in Smolensk, Newel, Polozk, N-Verbindungen: FT Witebsk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando Moskau: Standort: Roslawl, N-Verbindungen: FT Roslawl.

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Höherer SS- und Polizeiführer Süd (103): (Prützmann), Standort: Rowno. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Nikolajew: (Dr. Spann), Standort: Nikolajew, N-Verbindungen: FT Nikolajew. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Charkow: (Dr. Kranebitter), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Shitomir: (Dr. Razesberger), Standort: Shitomir, N-Verbindungen: FS Shitomir. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Wolhynien: (Dr. Pütz), Standort: Rowno, N-Verbindungen: FT Rowno. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Dnjepropetrowsk: (Mulde), Standort: Dnjepropetrowsk, N-Verbindungen: FT Dnjepropetrowsk. Einsatzgruppe C: (Dr. Thomas), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier, Feldpost-Nr. 32704. Sonderkommando 4a: (Dr. Weinmann), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow, Feldpost-Nr. 22789. Sonderkommando 4b: (Haensch), Standort: Kramatorsk m. Trupps in Shitomir, Rowno, Winniza, N-Verbindungen: FT, FS Gorlowka, Feldpost-Nr. 35102. Einsatzkommando 6: (Kröger 1), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino, FeldpostNr. 35979. Höherer SS- und Polizeiführer z. b. V.: (Korsemann), Standort: Rowno. Einsatzgruppe D: (Ohlendorf), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol, Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10a: (Seetzen), Standort: Taganrog m. Trupps in Mariupol u. Melitopol, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10b: (Persterer), Standort: Feodosia m. Trupps in Sudak, Ismail, Tereku u. Dshankoj, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11a: (Zapp), Standort: Bachtschissaraj m. Trupps in Jalta u. Simeis, N-Verbindungen: FT Jalta u. Bachtschissaraj, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11b: (Dr. Braune), Standort: Simferopol m. Trupps in Jewpatoria, Aluschta, Karasubasar, N-Verbindungen: FT Simferopol u. Aluschta, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 12: (Nosske [durchgestrichen2]), Standort: Fedorowka m. Trupps in Pologi, Biukxas u. Gulja-Pole, N-Verbindungen: FT Fedorowka, Feldpost-Nr. 47540. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A meldet: Aus Estland: Der 24. Februar ist der Tag der estn. Unabhängigkeitserklärung; der Generalkommissar hat die Erlaubnis zur feierlichen Begehung dieses Tages erteilt. In der estn. Bevölkerung herrscht darüber grosse Freude. Man sieht darin eine Auszeichnung für die gute Haltung des estn. Volkes bei der Wintersachensammlung und bei der Gestellung von Freiwilligen für die Front. Am 30. Januar 1942 wurde im Dorfe Hulla auf Ormsee im Beisein der z. Zt. in Estland weilenden schwedischen Abordnung eine Versammlung der Estlandschweden abgehalten, die von etwa 300 Personen besucht war. Die örtlichen Vertreter der Estlandschweden brachten den Wunsch der Volksgruppe nach Umsiedlung ins Mutterland zum Ausdruck. Die Lohnfrage beschäftigt die estn. Arbeiterschaft in verstärktem Maße. Das Wirtschaftsdirektorium hatte Änderungen in der Anwendung der einzelnen Lohnordnungen in Aussicht gestellt. Diese Zusicherung hatte vorübergehend zu einer gewissen Beruhigung der Arbeiter geführt. Bisher sind aber keine diesbezüglichen Anordnungen, die eine Änderung in der Anwendung der Lohnordung vorsehen, bekannt-

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gegeben worden. Bei den Berufsverbänden sollen täglich Beschwerden und Klagen einlaufen. Ein Sprecher der Verbände hat sich dahin ausgelassen, daß es schwer falle, die Stimmung der Arbeiterschaft hoch zu halten. In estn. Intelligenzkreisen wird kritisiert, daß die am 2. 2. 42 erschienene erste Nummer des Amtsblattes des Generalkommissars in Reval auf der ersten Seite nur in deutscher Sprache abgefasst ist. Auch wird die Formulierung „in jedem Generalbezirk ist die Landessprache zugelassen“ als Herabsetzung empfunden. Die estn. Bauern sind darüber beunruhigt, daß das Besitzrecht ihrer Höfe noch nicht geregelt worden ist. Besonders wesentlich ist die Klärung dieser Frage bei den Höfen, auf denen die Gebäude durch Kriegseinwirkung abgebrannt sind, da die Bauern nicht wissen, ob es sich überhaupt lohnt, die Gebäude wieder, und im bejahenden Falle in welchem Umfange, aufzubauen. Aus dem Gebiet um Leningrad sollen 16 000 Finnen zum Arbeitseinsatz nach Estland gebracht werden, da dort grosser Arbeitermangel herrscht. Unabhängig davon laufen Werbungen von Zivilarbeitern für das Reich. Erster für Danzig bestimmter Transport verließ das Heimatgebiet schon am 22. d. Mts. Die Fleckfieberepidemie ist dank der energischen Gegenmaßnahmen auch weiterhin zurückgegangen. Am 16. 2. 42 waren 1166 Erkrankungen und unter Verdacht stehende Personen gemeldet, davon 27 deutsche Zivil- und Militärpersonen, 228 einheimische Zivilbevölkerung und Selbstschutz, der Rest sind Kriegsgefangene. Aus Lettland: In Lettland wird die Reprivatisierung der von den Bolschewisten enteigneten Kleinindustrie und Handwerksunternehmen in drei Etappen vor sich gehen: 1. Antragstellung seitens des ehem. Besitzers auf Rückgabe des enteigneten Kleinindustrieoder Handwerksunternehmens bis zum 31. 3. 1942. 2. Prüfung des Antrages und Anmeldung desselben beim Gebietskommissar seitens der Kombinate oder Trusts. Anfordern des Wertungsausschusses, der die Aufgabe hat, das dem ehem. Besitzer des Unternehmens abgenommene Gut, Rohstoffe usw. festzustellen. 3. Prüfung der Reprivatisierungssache durch einen Rat des Bevollmächtigten für Kleinindustrie und Handwerk und Entscheidung durch den Bevollmächtigten. In letzter Zeit häufen sich die Fälle, in denen in den Städten und Dörfern Lettlands Flugblätter lettischen Ursprungs verbreitet werden. Der Inhalt dieser Flugblätter ist antibolschewistisch gehalten, fordert aber zur Herbeiführung der Selbstständigkeit und Unabhängigkeit Lettlands auf. Festgenommen wurden in Riga eine Lettin wegen Diebstahls aus der Woll- und Pelzsammlung, 3 Personen wegen Beraubung von Eisenbahnwagen mit Judengepäck, 1 Lette der Autoreparaturwerkstatt der OT wegen Arbeitsverweigerung und Aufwiegelung der Belegschaft sowie ein bei Deutscher Dienstpost beschäftigter Wagenwäscher wegen vorsätzlicher Beschädigung von Lkw-Reifen. In Zibla, Krs. Ludsen, Selbstgestellung einer russ. Fallschirmspringerin, die am 4. 2. in der Gegend Molosowa bei Luga abgesprungen ist. Im Kreise Talsen Leutnant der Roten Armee Nikolaj Sorokin nach Feuergefecht festgenommen. Auf der Fahrt von Rosinow nach Ludsen Absprung von Kriegsgefangenen von Transportzug. Durch Begleitkommando 12 Gefangene erschossen, 12 wieder aufgegriffen, Rest entkommen. Aus Litauen: Am 16. 2. 1942, dem Tage der lit. Unabhängigkeit, zeigten die Strassen von Kauen eine dürftige Beflaggung in den litauischen Nationalfarben; vielfach war neben der lit. Fahne die Hakenkreuzfahne zu sehen. Der Tag selbst ist ruhig verlaufen. Weder in Kauen noch in der Provinz ist es zu irgendwelchen Unzuträglichkeiten gekommen. In der Bevölkerung ist das tolerante Verhalten der deutschen Behörden, die es u. a. auch duldeten, daß auf dem Platz vor dem Kriegsmuseum und auf dem Heldenfriedhof eine grössere Menschenmenge die lit. Nationalhymne, das Deutschlandlied und Horst-Wessel-

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Lied sangen, mit Befriedigung aufgenommen worden. Am 14. und 15. II. wurden Flugblätter gefunden, die mit folgendem Text auf den lit. Nationalfeiertag hinwiesen: „Alle wie einer müssen wir diese unsere Feierstätte ehren, wo wir uns erinnern werden, daß wir vor 2 Jahren frei waren und frei sein wollen.“ Über Loknja wurden russ. Flugblätter abgeworfen und Zeitungen mit der Rede Stalins vom 6. 11. 41. Stalag 336 meldet aus Litauen aufsässiges Benehmen der von Landkommandos zurückgekehrten russ. Kriegsgefangenen, die äusserten, daß bewaffnete Revolte zusammen mit lit. Zivilbevölkerung geplant sei. Die Namen zweier beteiligter Bauern wurden ermittelt. Am 17. II.1942 setzten sich 4 mit Pistolen und automatischen Gewehren bewaffnete Partisanen in dem Dorfe Baltroniskai bei Jonava gewaltsam in den Besitz von Lebensmitteln, Geld usw. In Petrosiai im Kreise Schaulen wurde ein Bauer mit Ehefrau und 3 Kindern wahrscheinlich von flüchtigen Kriegsgefangenen ermordet. In der Umgebung des Tatortes haben allein am 18. II.18 russische Kriegsgefangene ihre Landarbeitsstellen verlassen. Am 19. II. erfolgte auf der Strecke Pabrade–Pazimena Eisenbahnsabotage durch Loslösen von Schrauben einer Eisenbahnschiene. 10 polnische Eisenbahner als der Tat verdächtig sind festgenommen. Im Dezember 1941 durchgeführte Sprengstoffanschläge auf die Bahnstrecke Kauen–Eydtkau und auf Wehrmachtsunterkunft in Kauen konnten aufgeklärt werden. Die festgenommenen Täter gestanden, der Terrorgruppe Malinauskas angehört zu haben. Z. Zt. sitzen noch 68 Angehörige dieser Terrorgruppe im Kauener Zentralgefängnis ein. Am 19. II. wurde in Kauen der Kommunist Pranas Sibertas festgenommen, der bereits vom lit. Gericht zum Tode verurteilt und dann zu 20 Jahren Zuchthaus begnadigt wurde. Unter den Bolschewiken war Sibertas stellvertretender Vorsitzender des Obersten Gerichts in Litauen. Er ist von Beruf Tischler. Im September 1940 wurde er an der Spitze einer lit. Abordnung von Stalin empfangen und besonders geehrt. Das Sondergericht in Kauen verurteilte einen 19-jährigen Litauer wegen Verfälschung von Bezugsscheinen zum Tode. Nach Meldungen aus Kauen beabsichtigen die Polen Wasserleitungen, Lebensmittellager usw. mit Bazillen zu verseuchen. Aus Weißruthenien: Auf Veranlassung des Generalkommissars in Minsk werden Anfang März 1942 etwa 60 junge Wolgadeutsche, die sich freiwillig zum Reichsarbeitsdienst gemeldet haben, ins Altreich geschickt. Am 15. II.1942 wurde in Minsk die erste Ausstellung weißruthenischer Kunst im Hause der Volkskultur eröffnet. Das künstlerische Niveau der rd. 110 ausgestellten Werke ist mittelmäßig. Es mehren sich die Meldungen, daß die russ. Partisanen und die polnische Widerstandsbewegung einen Aufstand zum 23. 2. 1942 vorbereiten. Es soll geplant sein, vor allem die umliegenden kleinen Wehrmachtseinheiten aufzureiben und dann auf Minsk selbst vorzustossen. Die Wehrmacht hat für Minsk und den Bereich der 707. Div. ab 21. II. erhöhte Alarmbereitschaft angeordnet. Der poln. Aktivismus hat sich besonders in den westlichen und nördlichen weissruthenischen Gebieten verstärkt. Von der poln. Widerstandsbewegung werden in letzter Zeit in grossem Umfang Flugblätter verbreitet, in denen zum Widerstand gegen die deutsche Wehrmacht und die deutsche Zivilbevölkerung aufgefordert wird. In einem im Gebiet von Wilejka aufgefundenen Flugblatt wird gesagt, daß die Stunde der Befreiung durch die Rote Armee gekommen sei. Zwei poln. Missionare wurden auf weissruthenischem Boden gefaßt. Die Wilnaer Zeitung „Goniec Codzienny“ wird von polnischen Eisenbahnern der Strecke Wilna unterwegs auf den Stationen verteilt. In Minsk gelang die Festnahme eines Partisanen, der als Kurier zwischen einem in der Nähe von Minsk liegenden Partisanenlager von 500 Mann und einer Postanlaufstelle der Partisanen eingesetzt war. In Minsk wurde ein ausserhalb des Ghettos lebender Jude festgenommen, der eine Postanlaufstelle im Ghetto für Par-

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tisanen unterhielt und im Ghetto Partisanen werben sollte. Ferner wurde ein ehem. Kriegsgefangener, der Fälscherdienste bei Partisanen geleistet, und 1 Mitglied der polnischen Widerstandsbewegung gefaßt sowie 2 Russinnen, die 12 russischen Kriegsgefangenen zur Flucht verholfen hatten. Wegen allgemein ungenügender Bewachung sind allein am 17. II. 42 15 Kriegsgefangene aus den Lagern in Minsk ausgebrochen. Im Waldgebiet Turez–Klinok, ostwärts von Minsk, ist Partisanenlager in Stärke von 4 bis 500 Mann festgestellt. Bewaffnung besteht aus Karabinern, MPs, lMG, sMG und eingebauter Pak. Grosse Munitions- und Nahrungsmittelvorräte sind vorhanden. Nach Aussagen eines gefangenen Partisanen wurde 7 Tage lang Munition auf Panjeschlitten zum Lager gefahren. Im Raum Tscherwen–Bugowitsche befinden sich nach anderen Gefangenenaussagen im Umkreis von 30 km noch 5 weitere solcher Lager. Die Partisanen haben strikten Befehl, noch nicht in Aktion zu treten, aber die deutschen Partisanenjäger auf jeden Fall anzugreifen und zu vernichten. Im Dorf Rypchoswolma, ostwärts Minsk, wo sich etwa 150 Partisanen aufhalten, wird ein Tanzfest von Partisanen veranstaltet. Ein Spähtrupp von drei als Partisanen verkleideten Wehrmachtsangehörigen und einem Dolmetscher, der durch falsche Aussagen in das Dorf gelockt worden war, wurde mit vorgehaltener Pistole angehalten und kam nur durch einen Zufall wieder frei. Im Zusammenhang mit der Ergreifung eines Partisanenkuriers, der die Verbindung einer etwa 500 Mann starken Partisanengruppe in der Nähe von Minsk mit ihren Angehörigen in Minsk herstellte, wurden weitere 11 Jüdinnen und Juden sowie 2 Russen wegen Vermittlung von Partisanenpost festgenommen. 111 weitere Exekutionen durchgeführt, darunter 40 Juden und 15 Frauen. Von den Einsatzgruppen B, C und D liegen keine Meldungen vor. III. Reich und besetzte Gebiete: Der Höh. SS- und Pol.F. in Klagenfurt meldet: Eine Bande von etwa 20 Mann verübte in Scheraunitz einen Raubüberfall. Von derselben Bande wurde bei Velben, 1,5 km südlich Scheraunitz, eine Eisenbahnübersetzung durch Sprengung zerstört und Fernsprech- und Signalanlagen beschädigt. Trotz Einsatz der Skiabteilung konnte die Bande bisher nicht gestellt werden. Der Kdr. d. Sipo u.d. SD i.d. Untersteiermark meldet: Wie mir durch eine erfasste illegale Druckschrift bestätigt wird, ist der Führer der slowenischen kommunistischen Aufstandsbewegung Milos Sidanschek, intensiver Arbeiter, Kommandant des Partisanenbataillons „Ljubo Serior“, Mitglied der Zentrale KPS = Kommunistische Partei Sloweniens = ehem. Sekretär des Marburger Kreisausschusses der KPS für das nördliche Slowenien, auf italienischem Boden durch eine Bombe getötet worden. Die Führungsstellen der KPS haben eine 10-tägige slowenische Nationaltrauer für Sidanschek angeordnet. BAB, R 58/220 1

Falsch, längst Robert Mohr. Nosske wurde im Febr. 1942 abgelöst von Dr. Erich Müller, geb. 1902, Jurastudium, 1929 Assessorexamen, 1931 Staatsanwalt, 1932 NSDAP u. SA, 1935 stellv. Leiter Stapo-Stelle Berlin, 1936 SS u. Chef Stapo-Leitstelle Berlin, 1937 zum RMVP, dort Ministerialdirigent u. Leiter der Personalabt., 1939 Staf., Kdr. EK 12 bis Okt. 1942, dann zurück zum RMVP, nach 1945 Flucht nach Argentinien, 1971 Verfahrenseinstellung; BAB, BDC, SSO Dr. Erich Müller; BAL, ZK: Dr. Erich Müller; Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 419 f., 574 ff., 724. 2

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs.

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Berlin, den 25. Febr. 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 173 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 25. 2. 1942. Die mit Ereignismeldung Nr. 172 vom 23. 2. 42 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Der Mannschaftsersatz der vor Leningrad eingesetzten Verbände der Roten Armee besteht zum größten Teil aus genesenden Arbeitern aller Altersklassen, welche oft nur 2 bis 3 Tage ausgebildet worden sind, und aus Sträflingen. Daneben wurden aber auch 16- bis 17-jährige Schüler der oberen Klassen von Handwerksschulen bei den Fronttruppen eingesetzt. Da in ganz Russland der Jahrgang 1923 eingezogen wurde, sind auch in Leningrad Rekruten aus allen Teilen der UdSSR eingetroffen. Die körperliche Leistungsfähigkeit der Ersatzmannschaften ist infolge der mangelhaften Ernährung sehr schlecht. Die Ernährung der sowjetischen Fronttruppen an der Leningrader Front ist nach wie vor unzureichend. Vereinzelte Fälle von Kannibalismus wurden festgestellt. Auch hinsichtlich der Bekleidung macht sich ein fühlbarer Fehlbestand bemerkbar. Der neue Ersatz erhält zumeist abgetragene Kleidungsstücke, Mäntel und Unterwäsche. Zur Behebung der bestehenden Mißstände wurde die Zivilbevölkerung zu einer Wintersachensammlung aufgerufen. Es besteht weiterhin Mangel an Waffen, so dass besondere Kommandos beauftragt sind, Gewehre und Ausrüstungsgegenstände Gefallener zu sammeln. Trotz täglicher Aufmunterungsappelle durch die Politruks und den Versuchen, die Verpflegung zu verbessern, dauert die schlechte Stimmung an. Im Rahmen der allgemein sicherheitspolizeilichen Überprüfung weiter Teile der Zivilbevölkerung um Leningrad mussten weitere 140 Personen erschossen werden. Veranlassung dazu war im wesentlichen: a) Aktive Tätigkeit innerhalb der kommunistischen Partei vor Einmarsch der deutschen Truppen, b) zersetzende und hetzerische Tätigkeit seit Einmarsch der deutschen Wehrmacht, c) Partisanentätigkeit, d) Spionagetätigkeit, e) Zugehörigkeit zur jüdischen Rasse. Sieben Zivilgefangene eines Lagers in Roshdjestwenno wurden wegen nachgewiesenem Kannibalismus zur Abschreckung erhängt (Haupttäter war ein Mediziner aus der Ukraine, der die Leichen sezierte, die Lungen, Nieren und Mägen an andere beteiligte Gefangene weitergegeben hatte und auch teilweise selbst verzehrte. Es wurde zum Beispiel gekochtes Menschenfleisch in einem Kochgeschirr vorgefunden. Verschiedentlich hatten sich die Gefangenen auch selber Teile aus den Oberschenkeln der Leichen herausgeschnitten bzw. Beine und Arme von den Leichen abgetrennt. Das Menschenfleisch war gekocht und dann verzehrt worden). Weitere drei Personen wurden in Krasnogwardeisk im Benehmen mit einem Luftgaukommando erhängt, zwei in Mga. In Weissruthenien hat die Wehrmacht im rückwärtigen Heeresgebiet Anschläge in weissruthenischer und russischer Sprache anbringen lassen, in denen den Bauern bekanntgegeben wird, dass sie ihr Land zurückbekommen. Die Vorarbeiten der hierfür zuständigen deutschen Stellen seien beendet; man werde bald in der Lage sein, das Land aufzuteilen und den Bauern noch

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mehr Land geben zu können, als sie bisher besessen haben. Bevorzugt sollen die Bauern werden, die sich bei der Bekämpfung von Partisanen und Saboteuren ausgezeichnet haben. Die Tatsache, dass diese Anschläge von der Wehrmacht angebracht worden sind, hat die Stimmung der Bevölkerung gegen die Zivilverwaltung erneut verschärft. Von der Einsatzgruppe B liegen keine Meldungen vor. Einsatzgruppe C: Standort Kiew. Durch das Sonderkommando 4b wurden in der Zeit vom 14. 1. bis 12. 2. 42 861 standrechtliche Erschiessungen vorgenommen. Davon waren 649 politische Funktionäre, 52 Saboteure und Partisanen und 139 Juden. Die Zahl der durch das Einsatzkommando 5 vorgenommenen standrechtlichen Erschiessungen betrug in der Zeit vom 12. 1. bis einschl. 24. 1. 42 104 politische Funktionäre, 75 Saboteure und Plünderer und rund 8000 Juden 1. Das Einsatzkommando 6 erschoss in den vergangenen Wochen 173 politische Funktionäre, 56 Saboteure und Plünderer und 149 Juden. In Dnjepropetrowsk wurde in der letzten Zeit besonderer Wert auf die Bekämpfung der zahlreich auftretenden Berufsverbrecher gelegt. Es gelang, in Zusammenarbeit mit der ukrainischen Miliz am 4. 2. 42 25 Kapitalverbrecher, die zum Teil aus dem Gefängnis entwichen waren, festzunehmen. Unter den Festgenommenen befanden sich u. a. 2 der Haupttäter eines Massenmordes und ein Dokumentenfälscher, der eine besondere Fertigkeit darin hatte, deutsche und ukrainische Dienstsiegel herzustellen. In der Zeit vom 10. 1. bis 6. 2. 42 wurden in Dnjepropetrowsk 17 Berufsverbrecher, 105 kommunistische Funktionäre, 16 Partisanen und ca. 350 Juden standrechtlich erschossen. Ausserdem wurden 400 Insassen der Irrenanstalt Igrin und 320 Insassen der Irrenanstalt Wasilkowska beseitigt. Von der Einsatzgruppe D liegen keine Meldungen vor. III. Reich und besetzte Gebiete: Der Kdr. d. Sipo u.d. SD in den bes. Geb. Kärntens und Krains – Veldes meldet: Im Verlauf einer in Krainburg durchgeführten Aktion sind bisher 68 Personen festgenommen worden. Bei den Festgenommenen handelt es sich fast ausschliesslich um sämtliche führende Köpfe der Organisation der OF (Slowenische Befreiungsfront), deren Zentrale in Krainburg stand. Es wurde der Hauptausschuss, der Propagandaausschuss, der technische Apparat usw. ausgehoben, eine grosse Menge Flugschriften, Ausrüstungsgegenstände für die Partisanen, Medikamente, Verbandszeug usw. sichergestellt. Das bisher angefallene und im Wege der Vernehmungen erfasste Beweismaterial führt noch zu einer grossen Zahl weiterer Festnahmen und Aufdeckung der Verbindungen zu weiteren Gruppen in anderen Ortschaften. Es konnte auch die Anlaufstelle für Propagandamaterial aus Laibach ausgehoben und damit vermutlich Verbindung zur Zentrale in Laibach hergestellt werden. BAB, R 58/220 1 Die Opferzahlen beziehen sich offenbar vor allem auf 2 aufeinanderfolgende Massaker in der nahe Winniza gelegenen Kleinstadt Chmelnik, in der Mitte Januar 1942 bis zu 8000 Juden ermordet wurden; vgl. Grossman/Ehrenburg/Lustiger: Das Schwarzbuch, S. 81.

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Berlin, den 27. II.1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 174 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 27. II.1942. Die mit Ereignismeldung Nr. 172 vom 23. II.1942 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Aus Estland: Mit grosser Spannung wurde die Rede des Generalkommissars zum 24. II., dem estnischen Unabhängigkeitstag, erwartet. In der Bevölkerung wurde das Gerücht verbreitet, der Führer werde an diesem Tage dem estnischen Volke eine grosse Überraschung bereiten; man erwartete die Selbständigkeitserklärung und die Rückkehr aller in Deutschland befindlichen estnischen Kriegsgefangenen. In seinen Sendungen vom 20. und 21. II.1942 brachte der Finnlandsender wieder einige Pressestimmen in estnischer Sprache. „Helsingin Sanomat“ zufolge arbeiten die zuständigen deutschen Kreise an Vorbereitungen zur Verwertung der osteuropäischen Reichtümer. Die Sowjetunion habe das Land durch Zwangsmaßnahmen überindustrialisiert und die Produktion der Lebensmittel und Rohstoffe vernachlässigt. Nach dem von den deutschen Stellen vorbereiteten Plan werde im Prinzip das Privateigentum wieder eingeführt, die Rüstungsindustrie zur Industrie der Bedarfsartikel wieder umgebaut, die übermäßige Industrialisierung rückgängig gemacht und Russland wieder zu einem Europa mit Lebensmitteln und Rohstoffen versorgenden Lande gemacht werden. Der gleichen Zeitung zufolge sind die Sowjetverluste in den Winterkämpfen so schwer gewesen, daß für die deutsche Wehrmacht keine kritische Lage mehr entstehen kann. „Daily Mirror“ veröffentlicht einen Artikel, dem zufolge man die deutsche Offensive schon vor dem Frühling erwarten dürfe. Aus Lettland: In der Zeit vom 16. bis 22. II. tagte in Riga die Hauptabteilung III des Reichskommissars Ostland. In drei Verhandlungstagen wurden sämtliche Wirtschaftsfragen zwischen dem Reichskommissariat und den Generalkommissaren eingehend erörtert. Aus Litauen: In Verfolg ihrer Widerstandsbestrebungen sollen die Polen auch in diesem Jahr wieder beabsichtigen, die Wasserleitungen, Brunnen, Lebensmittellager sowie auch andere mit der Verarbeitung oder Lagerung allgemein benötigter Genussmittel befaßte Betriebe mit Typhus- und Diphteriebazillen zu verseuchen. In den letzten Tagen sollen bereits 12 Kisten solcher Bazillen in Wilna eingetroffen sein. Die in der Kauener Presse veröffentlichte Erschiessung von 20 Terroristen der Gruppe Malinauskas hat in der Bevölkerung allgemein Zustimmung gefunden, in Kommunistenkreisen eine gedrückte Stimmung hervorgerufen. In Wilna wurde ein Soldat und Leutnant Dimitrij Jescenko, in den Amtsbezirken Taberze und Trakai zwei weitere Soldaten der Roten Armee festgenommen. In diesem Zusammenhang weitere Personen verhaftet. Darunter bekannte Persönlichkeiten aus der bolschewistischen Okkupationszeit, die erst kürzlich aus Russland zurückgekehrt sind. Ein Teil der Verhafteten war in den Wäldern von Ibenai und Babtei im Kreise Kauen tätig und wurde von dem früheren Vorsitzenden des Vollzugskomitees des Amtsbezirks Babtei bewaffnet und mit Instruktionen versehen.

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Aus Weißruthenien: In Minsk wird ein flutartiges Anwachsen von Paketsendungen der Eisenbahner in das Altreich beobachtet. Entsprechende Hinweise der deutschen Dienstpost wurden von der deutschen Reichsbahn mit der Begründung abgelehnt, daß die Eisenbahner im härtesten Einsatz stünden und eine Einschränkung der Sendungen ungerechtfertigt sei. Die deutsche Dienstpost soll erklärt haben, derartige Massensendungen in Zukunft nicht mehr zu befördern. Im Monat Januar wurden über die deutsche Dienstpost Minsk 1000 000 Reichsmark in das Altreich überwiesen, ein Beweis, daß die Angehörigen der Wehrmacht und der Zivilbehörden ihr Geld nicht anlegen können. Einsatzgruppe B: Standort Smolensk.1 Die Unterkunft des EK 9 in Witebsk wurde in der Nacht zum 23. 2. bei einem Fliegerangriff von einer Sprengbombe getroffen (1 Toter und 3 Verletzte). Eine 2. Sprengbombe schlug neben der Garage ein, die abgebrannt ist. Hierbei wurden 12 Pkw und Lkw vollkommen vernichtet oder zerstört. OT prüft z. Zt., ob die Unterkunft nach bewohnbar ist. Einsatzgruppe C: Standort Kiew. Meldungen liegen nicht vor. Einsatzgruppe D: Standort Simferopol. Die Partisanenbewegung im Raume der Westkrim. Entwicklung, Aufbau und Alltag der Partisanenbewegung. Entwicklung: Die Partisanenbewegung der Krim hat ihren Ursprung in den roten Partisanen der Jahre 1918–20; aus dieser Zeit und aus den Kämpfen der damaligen Partisanen der Wrangel-Armee stammt ihre Tradition. Die Bezeichnung „Alter Partisan“, die häufig anzutreffen ist, bezieht sich auf diese Zeit. Die neue Partisanenbewegung der Krim hat sich sowohl aus der Partisanenorganisation wie aus dem NKWD, der Miliz und der Roten Armee heraus entwickelt. Vor Beginn und noch im Verlauf des Krieges wurden zivile Hilfstruppen aufgestellt, denen neben dem allgemeinen Werkschutz und Luftschutz die Abwehr von Fallschirmspringern, Saboteuren usw. übertragen wurde. Sie wurden rayonweise zu Vernichtungsbataillonen zusammengefasst. Aus diesen Vernichtungsbataillonen wurden zunächst, ebenso wie aus den Parteiorganisationen, Freiwillige für die Partisanenbewegung geworben. Da die Freiwilligenwerbung jedoch nicht zum Ziele führte, wurde die Rekrutierung aus der männlichen Bevölkerung (zum Teil auch Frauen, soweit es sich z. B. um Sanitätspersonal handelt) über das Kriegskommissariat vorgenommen und die Einberufungen in Partisanenabteilungen eingegliedert. Hieraus ergibt sich, dass sich unter den Partisanen zahlreiche Männer befinden, die sich ideenmäßig nicht zum Bolschewismus bekennen. Die Vorbereitungen zum Partisanenkrieg begannen bereits im Sommer 1941 mit der Anlegung von Unterkünften und Lebensmittellagern in den unwegsamen Teilen des Jaila-Gebirges. Mit dem Vordringen der deutschen Wehrmacht zogen sich die Partisanengruppen frontwärts in die Berge zurück. Der überraschend schnelle Vormarsch der deutschen Truppen brachte die Partisanenabteilungen sehr bald in Berührung mit versprengten Teilen der Roten Armee, die sich teilweise in die Partisanenbewegung eingliederten. Dieser Umstand führte zu einer Verwischung des ursprünglichen führungsmäßigen Aufbaus der Bewegung. Aufbau: Ursprünglich war die Partisanenbewegung nach eigenen Rayonen aufgegliedert, die sich nicht mit den Verwaltungsrayonen deckten. Führer eines Rayons war normalerweise der Kommandeur eines Vernichtungsbataillons, der zugleich auch eine führende Stellung in der Parteiorganisation innehatte. Die Gesamtführung hat der Kommandeur der Partisanenbewegung der Krim, dem ein Kommissar zur Seite steht. Dem Rayon als der nächsten politischen Verwaltungseinheit entspricht die Brigade als Kampfeinheit (bisher wurden 5 Rayone und Partisanenbrigaden festgestellt). Der Brigade unterstehen

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Nr. 7: Juden in Bachtschissaraj vor der Erschießung

4 Abteilungen. Die Abteilung ist untergliedert in mehrere Gruppen. Die Gruppe arbeitet nach dem System der Zehner- und Fünfereinheiten. An der Spitze des Rayons und der Brigade steht der Brigadekommandeur. Zu seiner Verfügung stehen ein Stabschef für den Rayon und für die Brigade. Das Führerkorps ist in der Stabsgruppe zusammengefasst. Jede Abteilung (auch Bataillon) und jede Gruppe (auch Kompanie) hat einen Kommandeur, einen Stabschef und einen Kommissar oder Politruk, die neben der Kampfführung für die militärische und politische Ausbildung verantwortlich sind. Über den Umfang dieser Ausbildung geben folgende erbeuteten Befehle Aufschluss: „7 Uhr Wecken, 7–7,45 Uhr Waschen und Frühsport, 7,45–8 Uhr Antreten, 8–9 Uhr Hausdienst, 9–9,30 Uhr Politische Information, 9,30–11 Uhr Frühstück, 11–11,30 Uhr Waffenreinigen, 11,40–15 Uhr Ausbildung, 15–15,50 Uhr Waffenappell, 15,50–16 Uhr Wacheinteilung, 16–18 Uhr Mittagessen und Hausdienst, 18–19 Uhr Schulungsunterricht, 19–21 Uhr Freizeit, 21–21,15 Uhr Antreten, 21,20 Uhr Zapfenstreich.“ „I.) Besonderheiten der Partisanentaktik: Die politische Bedeutung der Partisanenbewegung: 1. Patriotismus. 2. Die Lehre Lenins – Stalins. 3. Opferbereitschaft. 4. Überwindung von Schwierigkeiten. 5. Vertrauen zu den Vorgesetzten. II.) Aufklärung und Patrouillentätigkeit: 1. Systematische

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Spähtrupptätigkeit, umfassende Beobachtung der Stärke und Bewaffnung des Gegners, Mut, Tapferkeit und Beobachtungsfähigkeit des Spähtrupps. 2. Schnelligkeit und Genauigkeit der Meldung. 3. Schweigsamkeit und Geräuschlosigkeit beim Postenwechsel, Tarnung, Gefangenenvernehmung. 4. Persönliches Verhalten der Streife, Verhalten gegenüber der Umgebung und der Bevölkerung. III.) Vorbereitung zu Operationen: 1. Überfälle auf Stäbe und Unterkünfte. 2. Störung des Nachschubs durch Überfälle und Beutemachen. 3. Überfälle auf kleine gegnerische Einheiten. 4. Hinterhalte. 5. Gefangennahme von Meldern. 6. Überfälle auf Lager und Unterkünfte. IV.) Voraussetzungen zum Erfolg: 1. Gesundheitszustand der Mannschaften. 2. Bewaffnung. 3. Zweckentsprechende Kleidung. 4. Getarnter Anmarsch. 5. Rückzug auf den festgelegten Wegen. 6. Genaue Verteilung der Aufgaben. 7. Kenntnis der vorhandenen Kräfte, deren Bereitstellung und Einsatz. V.) Verlauf der Aktion: 1. Geräuschlosigkeit. 2. Schnelligkeit, Plötzlichkeit, Beweglichkeit, Einsatz der Feuerkraft: Gewehre, MG, Handgranaten. 3. Durchführung der Aufträge, Schnelligkeit, Ordnung und Planmäßigkeit beim Überfall. 4. Verbindung zum Führer. 5. Ausstellen von Sicherungen. 6. Sicherstellen von Dokumenten, Waffen und Gefangenen. VI.) Beendigung der Aktion: 1. Posteneinziehen. 2. Beschleunigter Rückzug. 3. Warnung des Rückmarsches. 4. Feststellung der Stärke und Verluste. 5. Erste Hilfe für die Verwundeten. 6. Beobachtungen über Stärke und Marschrichtung des abrückenden Gegners.“ Die Verluste der Roten Armee zwangen das Kriegskommissariat, militärisch ausgebildete Kommandeure von Vernichtungsbataillonen zur Roten Armee einzuberufen. Hierdurch trat häufig ein Wechsel in der Partisanenführung ein. Anstelle der ausgefallenen Kommandeure traten vielfach militärische Führer niederer Dienstgrade oder führende Parteimitglieder. Mit dem Abrücken in die Unterkünfte in den Bergen erfolgte planmäßig die Aufteilung der einzelnen Gruppen. Häufig waren Kommissare und Führer der Gruppen identisch, zumal wenn durch Kampfhandlungen die Gruppenführer ausfielen. Die Bewaffnung bestand aus Gewehren verschiedenster Herkunft (japanische, englische, polnische, deutsche und russische), Handgranaten und lMGs. Erst durch das Hinzustossen von versprengten Truppeneinheiten der Roten Armee konnten sich die Partisanen auch mit schweren Infanteriewaffen (Granatwerfer und leichten Geschützen) ausrüsten. In den von deutschen Truppen besetzten Gebieten wurden Nachrichtenträger und Meldeköpfe zurückgelassen oder eingebaut. Die Brigaden waren teilweise mit Funkgerät ausgestattet. Die Nachrichtenverbindung funktionierte sehr gut. Mit Beginn der Kälteperiode und den damit auftretenden Schwierigkeiten (Schneestürme, Schneeverwehungen) und durch die Aktionen der Wehrmacht und der Sicherheitspolizei gegen die Partisanenbewegung geriet der ursprüngliche Aufbau in Verwirrung. Die einzelnen Abteilungen verloren die enge Verbindung untereinander, die Gruppen waren gezwungen, selbständig zu handeln und sich selbständig zu ernähren. Nach wie vor versucht jedoch die Führung der Partisanenbewegung auf der Krim die Verbindung durch Funk und Melder (Meldegänger und berittene Melder) aufrecht zu erhalten. Nach allgemein übereinstimmenden Meldungen soll Makroussow („Alter Partisan“), der schon 1918 hervorgetreten und wegen seiner Verdienste zum Ehrenmitglied des Obersten Rates der Sowjetunion ernannt und mit dem Roten Orden ausgezeichnet worden war, Führer der Gesamtpartisanenbewegung der Krim sein. Sein genauer Standort war bisher nicht zu ermitteln. Nach neueren Meldungen soll Makroussow einem militärischen Führer unterstellt worden sein, während Flugblätter der Partisanen von Ende Januar 1942 noch seine Unterschrift als „Kommandeur der Partisanenbewegung der Krim“ tragen. Da die Gesamtbewegung der Partisanen

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durch den Verkehr auf der Nachschubstrasse Simferopol–Aluschta in eine Ost- und eine Westgruppe zerlegt ist, besteht die Möglichkeit, dass entweder jede der beiden Gruppen neuerdings ihre eigene Führung hat, von denen eine in der Hand des Makroussow liegt, oder dass Makroussow dem Befehl der Unterordnung keine Folge geleistet hat. Ein klares Bild liess sich hierüber bisher nicht gewinnen. Auftrag und Taktik der Partisanen: Nach den Befehlen der Zentrale in Moskau hat die Partisanenbewegung den Auftrag, den Nachschub des Gegners zu stören und die gegnerische Wehrmacht durch Überfälle und Sabotageakte in ständiger Beunruhigung zu halten. Die Stellungen der Partisanen verliefen von der Halbinsel Kertsch über das Waldgebiet von Karasubasar zum Naturschutzgebiet des Sapowetnik, westlich der Strasse Simferopol–Aluschta, dem Kamm des Jaila-Gebirges folgend über die Ausläufer des Gebirges bis in die Wälder von Sewastopol. Sie verlaufen durch Höhlengebiete, Steinbrüche und Kohlengruben, durch Gebiete von Urwald- und Hochgebirgscharakter (bis 1600 Meter) und bieten den geländekundigen Einheimischen die besten Möglichkeiten zum Guerillakrieg. Von hier aus sollte sowohl die Strassenkontrolle wie die Störungsarbeit im Hinterland (unterstützt durch Stadtpartisanen) erfolgen. Gleichzeitig sollte die Verbindung mit Sewastopol aufrecht erhalten werden. Diese Anweisungen bedingen die Kampftaktik der Partisanen. Sie sind in dem bearbeiteten Raum bisher nur wenige Male in grösseren geschlossenen Verbänden aufgetreten oder zum Angriff übergegangen. Ihre Stärke liegt in dem blitzartigen, überraschend durchgeführten Überfall mit kleineren Gruppen und sofortigem Rückzug. In dem unübersichtlichen gebirgigen Gelände sind die ortskundigen Partisanen den deutschen Truppen gegenüber hiermit im Vorteil. Mit besonderem Nachdruck wurden in dem bearbeiteten Raum die Straßen Aluschta–Jalta, Kirkenes–Foros– Bajdary und Bija–Sala–Kousch von den Partisanen bearbeitet. Ihre Bekämpfung erforderte ein planmäßiges Vorgehen seitens der Wehrmacht und der Sicherheitspolizei als Nachrichten- und Erkundungsorgan. Bekämpfung der Partisanenbewegung. Nachrichtenerfassung: Alle bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass bei dem Aufbau und der Taktik der Partisanenbewegung mit einer wirklich erfolgreichen Bekämpfung nur dann gerechnet werden kann, wenn eine sorgfältige nachrichtenmäßige Erkundung und Einkreisung vorausgegangen ist. Andernfalls besteht die Gefahr, dass bei militärischer Erkundung oder unvorbereiteten Angriffen der Gegner gewarnt und rechtzeitig in die Lage versetzt wird, in andere Schlupfwinkel zurückzuweichen. Aktionen, die von der Sicherheitspolizei und dem SD nachrichtenmäßig gut vorbereitet waren, haben dagegen bisher fast immer zu Erfolgen geführt. Zu dieser Erkundungsarbeit wurden verwendet: a) Meldungen aus der Bevölkerung, b) Aussagen bei Vernehmungen, c) Aussagen übergelaufener oder gefangener Partisanen, d) Meldungen eigener V-Männer. Diese Methode der Erkundung hat zu einem System geführt, mit dem heute ganze Gebiete unter Nachrichtenkontrolle stehen. In diesem System sind ausser dem V-M-Netz die Bürgermeister, die Selbstschutzführer, die deutschen Dienststellen und zwei Reiternachrichtenstaffeln der Tatarenselbstschutzkompanien des Sonderkommandos XIa eingebaut. Die Nachrichtenauswertung und kartographische Festlegung erfolgt zentral am Sitz des Kommandos. Erschwerend wirkt sich hierbei die völlige Unkenntnis der Russen und Tataren in Kartenlesen aus. Diese Schwierigkeiten sind nur durch Anfertigung von Skizzen nach Angaben von Ortskundigen und durch Heranziehung ortskundiger Wegeführer zu überbrücken, wobei häufig übergelaufene Partisanen erfolgreich eingesetzt werden konnten. Die Nachrichtenerfassung, Aufklärung und Überwachung der Partisanengruppen und ihrer Bewegungen wird allerdings zum Teil empfind-

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lich gestört durch die Gutgläubigkeit der Wehrmachtsangehörigen und durch den fast ungehindert vor sich gehenden Zivilverkehr, der sich nicht nur auf den Hauptstrassen, sondern auch im Gebirge in fast unerträglichem Ausmaß vollzieht. Wenn auch die schwierige Ernährungslage erfordert, der Zivilbevölkerung gewisse Erleichterungen zur Beschaffung von Lebensmitteln zu gestatten, so muss doch durch entsprechende Organisation dieser Beschaffungsaktionen die Gewähr für eine ausreichende Kontrolle geleistet werden. Zu welchen Folgen die Nichtbeachtung dieses Grundsatzes führt, zeigt die „Grundsätzliche Anweisung für den Geheimen Nachrichtendienst der Geheimen Nachrichtenabteilung des Stabes der 21. (russischen) Armee v. 1. 9. 1941“, in welcher es wörtlich heisst: „Bedeutend leichter ist im Rücken des Feindes die Tätigkeit für Frauen jeden Alters, Männer über 50 Jahren und unter 18 Jahren, da diese keine Ausweispapiere benötigen. Diese Gruppen lassen die Deutschen fast immer in Ruhe, abgesehen davon, dass sie zur Arbeit herangezogen werden … Es muss darauf hingewiesen werden, dass weitaus die Mehrzahl der deutschen Soldaten und Unteroffiziere, die Streifendienst in den Ortschaften versehen, nichts von unseren Ausweispapieren verstehen und bei der Prüfung den Ausweis in der Hand drehen wie ein Bär die Bibel. Es genügt ihnen in der Hauptsache das auf dem Ausweis aufgeklebte Lichtbild.“ Trotz dieser Schwierigkeiten ist es bisher gelungen, brauchbare Nachrichten in grossem Umfang einzuziehen und der Armee, den zuständigen Korps und dem Stab für Partisanenbekämpfung bei der Armee zur Verfügung zu stellen. Bisher wurden die Gebiete nördlich Jalta (von Jalta bis Kirkenes) und der Abschnitt Kousch (südostwärts Bachtschissaraj) fast einwandfrei erkundet. Der Raum westlich Jalta bis Bajdary und westlich Kousch (mit Anschluss an den Raum Bajdary) ist in Bearbeitung. Der Raum nördlich Bachtschissaraj scheint im wesentlichen partisanenfrei zu sein. Im Raum Jalta wurden bisher erkundet: Abteilung Maschkarin mit den Gruppen KrasnyKamen, Besch-Tekne und Aj-Petri. Der Wehrmacht konnten an Unterlagen zur Verfügung gestellt werden: a) die genauen Lagepläne der befestigten Unterkünfte und Lager, b) die Stärken der Gruppen, c) die Art der Bewaffnung. Durch Stellung von ortskundigen Wegeführern konnten unter Beteiligung des Sonderkommandos XIa alle drei Gruppen durch Teile der 1. rumänischen Gebirgsbrigade aufgerollt werden. Der Partisanenmeldekopf Alupka, der durch Ermittlungen und Zugriff des Sonderkommandos XIa vernichtet wurde. Die Bewegungen der Partisanenabteilungen Balaklawa. Die Ermittlungen erbrachten wertvolles Material zur Erkundung der übergeordneten Partisanenbrigade. Im Raum Bachtschissaraj wurden bisher erkundet (Stand vom 12. 2. 1942): Waldgebiet Abdulga, im Koscha-Tal, um die Höhe 628,7. Stärke vermutlich 200 Mann, 2 MG, wenig Munition. Im Lager soll sich angeblich Makroussow aufhalten. Zufahrt angeblich durch Minen und Baumsperren gesichert (9–10 km vor Asport). Die ersten Posten sollen 4 km südostwärts Beschuj stehen. Forsthaus Beschuski-Balka, 11 km nordostwärts Bija-Sala im Knick des Marta-Tales. Zerstörtes Forsthaus und Erdbunker vermutlich besetzt durch Gruppen aus Bodrak, mindestens 1 MG. Forsthaus Kitsch-Kailow südostwärts des Forsthauses Tobluk, im Suchaija-Alma-Tal. Stärke unbekannt. Forsthaus Tobluk, 4 km ostwärts Beschuski-Balka, in der Nähe des Zusammenflusses der Alma und Suchaija-Alma, Stärke unbekannt. Forsthaus Japalsch, im Suchaija-Alma-Tal, Stärke etwa 70 Mann, Kommandeur Tschussi, wenig Lebensmittel. Forsthaus Subir-Sachow, 1 km südlich Japalsch, Stärke unbekannt. Beschuski-Kopi (Schachtanlagen), 11 km ostwärts Kousch am Ende der Strasse. Stärke etwa 100 Mann, Kommandeur Segedinow, Chef des Stabes Repkin, Politruk Istschenko, einer der Zugführer Patschenko. Die Gruppe befand sich vordem in dem am

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27. 1. durch Aktion zerstörten Forsthaus Slawitsch. Forsthaus Kamischi, 3 km westlich Japalsch, Gruppe Bachtschissaraj. Stärke etwa 100 Mann. Kommissar Tschorny, wenig Lebensmittel. Auch hier soll Makroussow gesehen worden sein. Forsthaus Tschetschul, 7 km südostwärts Beschuski-Kopi, 30 Meter westlich der Strasse Peschul–Jalta (unmittelbar unterhalb der Serpentine). Zerstörtes Forsthaus und Erdbunker, Stärke etwa 100 Mann. Forsthaus Martwinowa, 5 km nordwestlich Kamischi im Marta-Tal am Südhang der Höhe 382,2. Stärke mindestens 50 Mann, zusammengeschlossen mit der Gruppe Aluschta, deren Stärke unbekannt ist. Angeblich ausreichend Lebensmittel, 1 sMG, mehrere lMG, Führer angeblich Kalaschnikow (früher Führer der Abteilung [unleserlich]), zur 4. Brigade Jalta gehörig. Basma-Kermen, 6 km südostwärts Kousch im Verlauf des Kascha-Tales. Stärke etwa 150 Mann, Kommandeur Katschenko, Stabschef Polachornow, Kommissar Boledilnikow, Erdhütten. Laki-Kermentschik, Stärke etwa 150–200 Mann, verteilt auf den Raum zwischen Laki und Kermentschik. Vorposten bis auf die Höhen südlich SchuryLaki dient als Stützpunkt. Machuldur, 3–4 km nordostwärts Kokosi, Stärke etwa 60 Mann, Kommandeur Jegarew, Erkundung durch VM und Wehrmacht stehen sich gegenüber. Nach Wehrmachtsmeldung soll die Gruppe nicht mehr vorhanden sein. Jailach, 4 km südwestlich [unleserlich]. VM-Meldung und Wehrmachtsmeldung stehen sich gegenüber, nach Wehrmachtsmeldung soll die Abteilung nicht mehr bestehen. Es ist möglich, dass sich die Abteilung aufgrund der Vernichtung der westlich gelegenen Abteilung Sewastopol zerstreut hat oder abgezogen ist. Partisanenposten der Abteilung 3 km südlich Kokosi von Tatarenselbstschutz ausgehoben. Kowalik, 4 km von Tschaini-Dom (Himmelsrichtung unbekannt), Stärke etwa 150 Mann, Lebensmittel- und Waffenlager, Kommandeur Krawtschenko, Vertreter Klimov. Usenbasch (Molkerei Ochsenbrunn), Stärke etwa 150 Mann mit Meldekopf in Usenbasch, Leiter Seit Mirosmanow (Seit Amir Osnanow?), Partisanensender am Ortsrand von Usenbasch, Leiter Kommissar Bekir Osman (Meldung des Abwehrtrupp I). Fünfte Partisanenbrigade (Die nachfolgenden Angaben stammen aus Ermittlungsergebnissen und Vernehmungen und geben einen Überblick über die Bewegungen der 5. Partisanenbrigade): Führer der Brigade Krasnikow (zugleich Führer des 5. Rayons). Stabschef der Brigade Krikun, Stabschef des Rayons Iwanenko. Stabsgruppe bisher in der Nähe des Tschaini-Dom, Stärke 25 Mann. Der Brigade unterstehen 4 Abteilungen: Abtl. Jalta, Lage unbekannt, Führer vermutlich Kalaschnikow, jetzt angeblich in Martwinowa (Position 10). Abtl. Inkerman, Lage unbekannt. Abtl. Balaklawa, Stärke etwa 120 Mann, Kommandeur Casiw, Chef des Stabes Popow. Der Abteilung unterstehen 5 Gruppen mit den Gruppenführern Kabimow, Larinnow, Gurienko (vergleiche Befehl auf Seite 7 dieses Berichtes), Guberow, Kermenschitski (nach erbeuteten Papieren umfasst diese Gruppe etwa 30 Mann). Die Abteilung Balaklawa hielt sich ursprünglich am Kara-Dag auf, erhielt Befehl, von dort geschlossen zum Techaus abzurücken. Sie traf dort auf die Abteilung Sewastopol und wurde mit dieser ohne Verluste angegriffen. Sie entfernte sich dann in unbekannter Richtung. Abtl. Sewastopol, Stärke lt. Aussage des Kommandeurs am 1. 2. 42 132 Mann, Kommandeur Pitworko, Stabschef Gurmata, Kommissar Schakun. Der Abteilung unterstehen 4 Gruppen: Gruppe Arbusow, Stärke 28 Mann, 19 Gewehre, 5 halbautomatische Gewehre, 2 Pistolen, 1 MG, 70 Handgranaten, 3750 Schuss Munition. Gruppe Galjuta, Stärke 37 Mann, 35 Gewehre, 1 MG, 150 Handgranaten, 3070 Schuss Munition. Gruppe Schumanin, Stärke 33 Mann, 23 Gewehre, 7 halbautomatische Gewehre, 3 Pistolen, 1 MG, 75 Handgranaten, 2810 Schuss Munition. Gruppe Atamanow, Stärke 34 Mann, 26 Gewehre, 4 halbautomatische Gewehre, 4 Pistolen, 1 MG, 80 Stielhandgranaten, 27 Eier-

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handgranaten, 3238 Schuss Munition. Die Abteilung Sewastopol lag ursprünglich in der Gegend von Aj-Todor. Von dort aus nahm sie folgende Bewegungen vor: Atlaus–Tschaini-Dom–Kara-Dag–Tschaini-Dom–Aj-Todor–Atlaus–Alsu. Von Alsu aus beabsichtigte die Abteilung den Verkehr auf der Strasse nach Sewastopol zu stören oder sich von Katschka-Tschorgun nach Sewastopol zurückzuziehen. Hier wurde sie von Teilen der 1. rumänischen Gebirgsbrigade gestellt. Nach Berechnungen aus den vorliegenden Zahlen und unter Berücksichtigung der Verluste und Desertationen [sic] muss die Abteilung bis auf etwa 70 Mann aufgerieben sein. Der Kommandeur, der Stabschef und der Kommissar wurden gefangen. Aktive Partisanenbekämpfung: Die aktive Bekämpfung der Partisanen muss 2 Hauptziele verfolgen: a) Zerstörung der Versorgungsbasen und Unterkünfte, b) Liquidierung des Mannschaftsbestandes. Nach den übereinstimmenden Meldungen und Aussagen gefangener Partisanen aus allen Partisanengebieten herrscht innerhalb der Partisanenbewegung absolute Hungersnot. Die Lebensmittellager sind teils durch bisher durchführte Aktionen abgetragen oder vernichtet, teils durch Schnee unauffindbar geworden oder infolge Truppenbelegung der nächstgelegenen Ortschaften für die Partisanen nicht mehr zugänglich. Nach den neuesten Aussagen gefangener Partisanen werden zum Teil schon abgesengte Pferdehäute und Schuhleder gekocht und gegessen. Die Vernichtung der Lebensmittelbasen und Unterkünfte ist daher ein sehr wirksames Mittel zur Bekämpfung der Partisanenbewegung, das jedoch noch vor Einbruch der warmen Jahreszeit voll ausgenutzt werden muss, bevor es den Partisanen gelingt, die Hungersnot und die dadurch bedingten Krankheiten (insbesondere den bereits weiterverbreiteten Skorbut) durch Verwertung von frühen Gemüsen und Früchten und durch Auffindung alter Lebensmittellager zu beheben. Der Mannschaftsbestand der Partisanenbewegung der Westkrim kann nach den vorliegenden Zahlen auf etwa 2000 Mann geschätzt werden. Ausfälle wurden, wie aus Gefangenenaussagen hervorgeht, durch Zwangsrekrutierungen aus der Bevölkerung zum Teil ausgeglichen. Je mehr Stützpunkte und Unterkünfte zerstört werden, um so enger wird der Raum, auf den sich die Partisanengruppen zusammendrängen müssen und um so schwieriger wird damit die Lösung ihres Versorgungsproblems. Gleichzeitig erfolgt damit eine zwangsläufige Konzentration des Gegners, die eine schnellere und gründlichere Liquidation verspricht. Musste gegen Ende Dezember 1941 noch vorwiegend mit Gruppen von einem Mannschaftsbestand zwischen 40 und 70 gerechnet werden, so hat sich dieser jetzt durch die Zusammendrängung der Partisanen auf durchschnittlich 100 bis 150 je Gruppe verdichtet. Dieser Umstand erfordert eine schärfere Bekämpfung nach militärischen Grundsätzen und mit militärischen Mitteln, d. h. durch kampfgeschulte Infanterie- oder Gebirgsjägereinheiten unter Einsatz von schweren Infanteriewaffen, da auch die Partisanen über derartige Kampfmittel verfügen: Bei dem am 8. 2. 42 auf das Dorf Kousch geführten Angriff der Partisanen in Stärke von etwa 300 Mann wurden auf Seiten der Partisanen 1 schwerer und 2–3 leichte Minenwerfer festgestellt. Diese Forderung erscheint um so dringlicher, als im Abschnitt Kousch bisher 2 Partisanenangriffe in der genannten Stärke auf das Dorf Kousch und die dort liegende Besatzung von Wehrmacht, SD und Tatarenselbstschutzkompanie sowie 2 Angriffe in Stärke von je 100–150 Mann auf das 6 km entfernt liegende Dorf Stilja erfolgten. Wird dieser Neigung der Partisanen, nun aber auch in grösseren Verbänden anzugreifen, nicht Einhalt geboten, so muss gegebenenfalls mit einer Vereinigung der noch bestehenden Partisanenabteilungen gerechnet werden, die dann im Rücken der kämpfenden Truppe eine bedeutende Gefahr darstellen und die Operationen vor Sewastopol beeinflussen könnten.

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Erfolge: In der letzten Zeit wurden durch Vernehmungen im Rahmen der allgemeinen sicherheitspolizeilichen Arbeit rund 100 Partisanen überführt und erschossen. Zu dieser Zahl kommen die bei Kampfhandlungen Erschossenen, an denen das Sonderkommando beteiligt war, mit 60–70. Der unmittelbare Anteil des Kommandos an der Vernichtung des Mannschaftsbestandes der Partisanenbewegung der Westkrim beläuft sich also auf rund 160–170 Mann. Im Bereich Jalta wurde die Partisanenabteilung Maschkarin mit 3 Gruppen vernichtet oder zerstreut. Im Bereich Bachtschissaraj wurden im Abschnitt Kousch die Gruppen Slawitsch und Schair teils zerstreut, teils vernichtet. Bei diesen Aktionen, die aufgrund der Ermittlungen und der Erkundungstätigkeit des Sonderkommandos XIa zusammen mit Teilen der deutschen und rumänischen Wehrmacht durchgeführt wurden, wurden rund 20 Unterkünfte und Erdbunker zerstört, 1 Partisanensiedlung mit 28 Häusern gesäubert und vernichtet, 9 Lebensmittellager ausgehoben und grössere Bestände an Waffen und Munition sichergestellt oder vernichtet. BAB, R 58/221 1 Unerwähnt bleibt hier die Liquidierung des Ghettos in Lepel Ende Februar 1942 durch ein Teilkommando des EK 9; vgl. Urteil LG Berlin v. 6. 5. 1966, BAL, B 162/14204; Christina Ullrich: „Ich fühl’ mich nicht als Mörder“. Die Integration von NS-Tätern in die Nachkriegsgesellschaft, Darmstadt 2011, S. 274–276.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 2. März 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 175 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 2. 3. 1942. Die mit Ereignismeldung Nr. 172 vom 23. 2. 1942 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Meldungen der Einsatzgruppen u. -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Estland: Der estn. Unabhängigkeits- oder Freiheitstag (24. 2.) ist in ganz Estland feierlich begangen worden. Der Tag ist überall ruhig verlaufen. In Reval fand eine Grosskundgebung statt, auf der Generalkomm. Litzmann und der erste estn. Landesdirektor Dr. Mäe sprachen. In Finnland nahestehenden estn. Bevölkerungskreisen wird erzählt, dass die Finnen immer mehr von der Idee einer Vereinigung Finnlands und Estlands eingenommen sind. Diese Idee werde nicht nur durch die täglichen Rundfunksendungen in estn. Sprache, sondern auch in der Presse und im Volke propagiert. Der Finnlandsender brachte am 24. 2. d. J. in estn. Sprache auszugsweise einen Artikel des Rektors Musikka, der anlässlich des Freiheitstages in der Zeitschrift „Hoeimurahva“ erschienen ist. Es wurde folgendes ausgeführt: Das estn. Volk habe einen jahrhundertelangen Leidensweg hinter sich. Das Land sei mit dem Schweiss und Blut des Volkes getränkt. Tapfer verteidigten die Esten ihre Freiheit, aber die Waffen der Eroberer waren besser. Sie fielen in die Sklaverei unter den anmaßenden Gutsherren und Satrapen, aber sie brachen nicht. Sie seien heute genau so stark wie zuvor. In Krasnogwardeisk wurde ein russ. Fallschirmspringer-

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agent verhaftet, der über dem Orte abgesprungen war und sich auf dem Wege nach Uge befand, wo er militärische Geheimnisse erkunden und durch Funk nach Leningrad übermitteln sollte. Funkgerät und Fallschirm konnten sichergestellt werden. Funkverkehr zwecks Feststellung der Agentenzentrale in Leningrad wird aufgenommen. Am 6. 2. 42 wurden bei Woloschowo, Rayon Luga, 15 aus Leningrad kommende russ. Fallschirmspringer gestellt und im Kampf erschossen. Zwei Russen konnten mit Sendegeräten gefangengenommen werden. Südlich des Dorfes Lenin, Gebiet Hansewitsche 1, wurde ein Trupp der OT in Stärke von 15 Mann von Partisanen angegriffen und restlos aufgerieben. Die OT-Männer wurden von den Partisanen ausgezogen und liegengelassen. Lettland: Auf der in der Zeit vom 18.–22. Februar d. J. in Riga stattgefundenen Tagung der Hauptabteilung Wirtschaft beim Reichskommissariat Ostland wurde u. a. von den zust. Stellen erklärt, dass aus grundsätzlichen Erwägungen eine Änderung in der Lohnfrage, insbes. eine Lohnerhöhung, nicht vorgenommen werden könne, weil die Preise gehalten werden müssten, eine Änderung der Löhne aber gleichzeitig eine Preisänderung nach sich ziehen würde. Der Reichskommissar hat am 23. Febr. d. J. dem Metropoliten Sergei Woskresensky ein Schreiben zugestellt und ihn aufgefordert, sich bis zum 5. 3. d. J. zu seinem eigentlichen Dienstsitz in Wilna zu begeben. Gleichzeitig wurde mit der Leitung der orthodoxen Kirche in Lettland der Erzbischof Alexander von Modohn beauftragt. Entgegen dem Vorschlage des lettischen Generaldirektors für die Justizverwaltung Valdmanis ist zum Generalsekretär der lettischen Volkshilfe der ehem. Perkonkrustler Adolf Schilde vom Generalkommissar bestellt worden. Damit ist zum ersten Male der Einfluss und die Vorherrschaft Valdmanis’ auf personellem Gebiete durchbrochen worden. In Libau waren am 16. 2. d. J. handschriftlich gefertigte Zettel gefunden [sic], die zum Widerstand mit den Waffen gegen die „politischen Ausbeuter“ – gemeint sind damit die Deutschen – auffordern. Litauen: Am 23. 2. 42 wurden in dem Dorfe Seskupial, Krs. Schaulen, 2 Polizeibeamte beim Versuch der Festnahme flüchtiger russischer Kriegsgefangener erschossen. Täter konnten entkommen. Ein Gefängniswärter in Wilna wegen Beförderung von Nachricht aus dem Gefängnis an Juden festgenommen. Weissruthenien: Die Aktivität der poln. Widerstandsbewegung im ehem. Ostpolen hält weiterhin an. So wird aus dem Gebiet Hansewitsche gemeldet, dass vor allem die poln. Hilfspolizisten Gerüchte verbreiten, dass sich im Frühjahr Polen erheben, die poln. Armee unter Sikorski wieder aufstehen und im Rücken der deutschen Armee Sabotageakte verüben würde. In Molodeczna ist eine polnische Partisanenbande, die s.Zt. gegen die Russen gekämpft hatte, als nunmehr für die poln. Widerstandsbewegung arbeitend festgestellt worden. In ihren Reihen befinden sich eine grössere Anzahl ehem. poln. Soldaten, die im deutsch-polnischen Krieg gegen Deutschland gekämpft haben. Im Bereich von Baranowicze weitverbreitete religiöse Sekte amerikanischer Baptisten festgestellt, die grössere Versammlungen durchführen. Verstärkte Partisanentätigkeit im Raume Sluzk und Baranowicze hält an. Mehrere Festnahmen wegen unbefugten Waffenbesitzes. In Baranowicze zwei Lokomotiven infolge eines Sabotageaktes von poln. Eisenbahnern zusammengestossen. In Minsk 2 Elektriker festgenommen, die im Verdacht stehen, innerhalb der letzten acht Tage das Fernschreibkabel des Feldluftparks dreimal durchschnitten zu haben. In Baranowicze ein Jude wegen Arbeitsverweigerung im Ghetto öffentlich erschossen. In Minsk 4 Jüdinnen und 6 Juden wegen unberechtigten Aufenthalts ausserhalb des Ghettos ohne Stern festgenommen. Der polnische Rayonbürgermeister von Chukin, Gebiet Bara-

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nowicze, von einem Sonderführer der Wehrmacht wegen Widerstandes erschossen. Ein V-Mann erhielt durch Mittelsmann aus der Nachrichtengerätefabrik Minsk einen Radioempfänger für Partisanen ausgehändigt. Die im rückw. Heeresgebiet angekündigte Landaufteilung wird von kommunistischer Gegenseite als deutsche Schwäche ausgelegt, was die Bevölkerung nach der ersten Freude zum Teil glaubt. Die Stimmung der Bevölkerung ist durch Gerüchtebildung, steigende Partisanentätigkeit, Luftangriffe usw. weiter gedrückt. In den Städten wird die Ernährungslage von Tag zu Tag schlechter. Arbeitsplätze werden immer zahlreicher verlassen. Abwanderungen nach dem Westen werden erstmalig beobachtet und zwar auch von Juden in den Landgemeinden. Die Bauern verstecken zum Teil ihre letzten Reserven an Getreide und Futtermitteln. In westweissruthenischen Gebieten wurde von katholischer Seite der Plan der Stärkung der weissruthenischen Position gegenüber den Polen durch bewusstes Herausstreichen katholisch-weissruthenischer Priester der Zivilverwaltung gegenüber mehrmals vorgetragen. Gebiet um Leningrad: AOK 18 beabsichtigt, die Werbung von Russen zum Waffendienst gegen den Bolschewismus durch Plakate zu betreiben. Einsatzgruppe B: Standort Smolensk. Tag der Roten Armee am 23. Februar: Aus absolut zuverlässiger Quelle ist hier bekannt geworden, dass Stäbe und Einheiten der Roten Armee zum 26. Jahrestag der Roten Armee Glückwünsche durch Funk ausgetauscht haben. U. a. konnte folgender Glückwunsch erfasst werden, der von einem höheren Stab an ein Armeekorps gerichtet war: „Mit Lenin und Stalin hat die Rote Armee am 23. 2. 1918 ihre Kriegsgeschichte begonnen. Unter den Fahnen Lenins und Stalins hat die Rote Armee die Ehre, Freiheit und Unabhängigkeit der jungen Sowjetrepublik gewahrt. Der verrückt gewordene Unmensch Hitler und seine Bande von Kopfabschneidern haben den verderblichen Irrtum des wilhelminischen Deutschlands wiederholt. Unerwartet auf Räuberart haben die deutschen Faschistenraubtiere unsere glückliche blühende Heimat im Jahre 1941 überfallen und aus den Ihnen bekannten Gründen anfangs gewisse Erfolge erzielt. Das stolze Sowjetvolk hat sich auf den Ruf der Partei des Genossen Stalin wie ein Mann erhoben, um seine Ehre und Freiheit zu verteidigen. Die falsche Legende von der Unbesiegbarkeit des deutschen Heeres ist zu Schutt und Asche geworden. Alle Pläne des Gegners sind durcheinandergebracht. Die Rote Armee hat dem Hitler-Deutschland einen langen und zermürbenden Krieg aufgezwungen, der deutschen Kräften nicht entspricht. Im Feuer der Gefechte sind unsere jungen, zu Beginn des Krieges noch nicht ganz als aktive Truppen zu bezeichnenden Divisionen erhärtet und erstarkt. Sie sind jetzt zu einer furchtbaren Gefahr für die Deutschen geworden. Von der eigenen Industrie erhält die Rote Armee eine täglich zunehmende Menge von Flugzeugen, Panzern, Kanonen, Granatwerfern, automatischen Gewehren. Ununterbrochen nimmt auch die Hilfeleistung unserer Verbündeten zu. In unseren Händen ist auch der wichtigste Vorteil: die Initiative. Nicht das deutsche Heer zwingt uns jetzt seinen Willen auf, sondern unsere Truppen ihren Willen den Deutschen. Die Deutschen verteidigen sich und gehen zurück. Der Feind ist noch nicht vernichtet. Blutige Schlachten stehen noch bevor. Mutig vorwärts, ihr ruhmreichen Krieger. Verstärkt ununterbrochen den Druck auf den Feind. Brecht mutig und entschlossen seinen Widerstand.“ Von den Einsatzgruppen C und D liegen keine Meldungen vor. III. Reich und besetzte Gebiete: Der Kdr. d. Sipo u.d. SD i.d. Untersteiermark meldet: Vertraulich gelang die Erfassung eines Exemplares der „Befreiungsfront“, des Organes der Befreiungsfront des slowe-

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nischen Volkes. Die Zeitung befasst sich in erster Linie mit der Aktivierung und Rekrutierung der Partisanen. Unter Verherrlichung der Sowjetunion wird die slowenische Bevölkerung zum Eintritt in die Partisanenabteilung und zum Kampf mit der Waffe gegen die Besatzungstruppen aufgefordert. Die Schrift enthält weiterhin die Satzung der Nationalgarde. Danach ist die Nationalgarde ein Bestandteil der slowenischen bewaffneten Kräfte und dem Oberkommando der Partisanenabteilung, dem höchsten militärischen Organ der Befreiungsfront, unterstellt. Das Oberkommando ernennt Kreis- und Ortskommandeure sowie Befehlshaber der Einheiten der Nationalgarde. Die Nationalgarde wird in dem gesamten Gebiet der slowenischen Erde, ungeachtet der heutigen Grenzen oder der seinerzeitigen Versailler Grenzen mobilisiert. Aufgenommen werden alle bewussten Slowenen von 18 bis 50 Jahren, die geeignet sind, die Waffe zu tragen und den Willen haben, aktiv im Kampfe um die Befreiung und Vereinigung des slowenischen Volkes mitzuarbeiten. Die Mitglieder müssen davon überzeugt sein, dass sie mit ihrer Arbeit das Schicksal des slowenischen Volkes entscheiden, das zusammen mit den Partisanen erkämpft wird, damit wir die fremden Gewalttäter aus unserer Heimat verjagen können. Die Anhänger müssen alles daransetzen, dass die slowenische Wehrmacht die ganze slowenische Erde besetzt und dass sie dem slowenischen Volke seine Souveränität auf ihrer Erde gewährleistet. BAB, R 58/221 1

Gehörte nicht zu Estland, sondern zu Weißruthenien.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 4. März 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 176 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 4. 3. 1942. Die mit Ereignismeldung Nr. 172 vom 23. 2. 1942 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Estland: 1.) Die Ende vorigen Jahres vom Bildungsdirektorium angeregte und von der estn. Volksgemeinschaftshilfe durchgeführte Aktion „Die Stadt schenkt dem Lande Geistesnahrung“ hat einen unerwarteten grossen Erfolg zu verzeichnen. Es wurden insgesamt 42 000 Bücher gesammelt, die eine Zusammenstellung von 250 Wanderbüchereien ermöglichte. 2.) Der Finnlandverband beging am 24. 2. den 24. Jahrestag der estn. Selbständigkeit festlich. Unter den erschienenen Gästen war der Gesandte von Ungarn vertreten. Minister Varma hielt die Festrede. U. a. führte er aus: „Jeder Este wird die deutsche Flagge neben der estn. gutheißen; nicht darum, dass er die estn. Selbständigkeit aufgeben möchte, sondern in Anerkennung der deutschen Verdienste im Kampf gegen den Bolschewismus.“ 3.) Der finnische Stammverwandtschaftsverein feierte am 22. 2. den estn. Freiheitstag. Ausser Finnen waren Esten, Ungarn, Karelier und Ingermanländer erschienen. 4.) Weitere Stimmen aus der Bevölkerung zu der aus Anlass des diesjährigen Freiheitstages abge-

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haltenen Grosskundgebung verraten eine gewisse Enttäuschung, weil mit der Bekanntgabe einer grundlegenden Änderung im politischen Leben des Volkes stark gerechnet wurde. 5.) Am 25. Februar gegen 23 Uhr sprangen aus einem russischen zweimotorigen Bombenflugzeug etwa 20 km südwestlich Revals 3 estnische Fallschirmspringer ab. Sie hatten von der baltischen Roten Flotte in Leningrad den Auftrag erhalten, im Hafen von Reval festzustellen, welche deutschen Kriegsschiffe sich dort befinden, welche Transportmittel von den Deutschen Verwendung finden und wie das Paßsystem in Estland aufgebaut werde. Die gesammelten Nachrichten sollten sie mittels eines mitgeführten Funkapparates nach Leningrad weitergeben. Zwei der Fallschirmspringer stellten sich selbst der Polizei, während der Dritte mit dem Funkapparat noch flüchtig ist. 6.) In der Nacht vom 1. zum 2. 3. sind bei Vastelin im Kreise Werro 3 russische Fallschirmspringerinnen gelandet. Von ihnen konnte eine gefangengenommen werden. Sie führt einen estnischen Pass, 500 RM deutsches Geld und einen russischen Kompass bei sich. 7.) Aus deutschfreundlichen Intelligenzkreisen wird auf die Gefahr hingewiesen, die das Abhören des Finnlandsenders, vor allem seiner Sendungen in estnischer Sprache, für die estnische Bevölkerung mit sich bringt. Besonders vor und nach dem 24. 2. sei der Sender mit Interesse gehört worden. Das ständige Betonen des moralischen Rechts zur Wiedererlangung seiner Selbständigkeit, das sich Estland erkämpft hätte, wirke sich allmählich in weiteren Kreisen aus. 8.) Von den Sendungen der letzten Zeit des Finnlandsenders in estnischer Sprache sind folgende bemerkenswert: „Helsinkin Sanomat“ schreibt, dass der 24. 2. für Estland von grosser symbolischer Bedeutung sei. Er beweise, dass der Drang zur Selbständigkeit noch lebe. Die Arbeit der Gesellschaft finnischer Stammverwandten war voriges Jahr sehr beschränkt. Von den Esten wußte man nichts, nur mit den Ungarn war die Zusammenarbeit möglich. Heute gäbe es dagegen viel zu tun. Weißruthenien: 1.) In der Nacht vom 24. zum 25. Februar wurden die beim Wasserwerk Minsk aufgestellten Posten der litauischen Schutzmannschaft von mehreren mit Skiern ausgerüsteten Partisanen angegriffen und beschossen. Eine gegen die Partisanen angesetzte Streife verlief ergebnislos. 2.) In den letzten Tagen wurden wiederholt Fernsprechleitungen und Kabel der Wehrmacht durch Störungstrupps der Partisanen zerstört. 3.) Wegen dringenden Spionageverdachts wurde am 27. 2. der Jude Brasser festgenommen. Brasser ist einer der bekanntesten Bildhauer und Zeichner Russlands und hatte für zahlreiche politische und militärische Führer der Sowjetunion gearbeitet. Nach der Besetzung von Minsk durch deutsche Truppen wusste Brasser bei nahezu allen in Minsk liegenden Einheiten Zutritt zu finden. Er zeichnete zahlreiche Offiziere und Wehrmachtsangehörige. Dadurch gelang es ihm auch, in den Privaträumen der Offiziere und Mannschaften Zutritt zu finden. 4.) Durch Festnahme zweier russ. Juden konnten umfangreiche Durchstechereien in der Minsker Grossküche für die weissruthenische Bevölkerung, die von der Stadtverwaltung betrieben wird, festgestellt werden. Es wurden Lebensmittel, die an sich der Bevölkerung gegeben werden sollten, im Schwarzhandel verkauft. Etwa 15 Verhaftungen stehen bevor. 5.) Die Zusammenarbeit zwischen Kreisen der poln. Widerstandsbewegung und russ. Partisanen wird immer offensichtlicher. So wird von Seiten der Gendarmerie mitgeteilt, dass Überfälle auf Schutzmannschaften immer häufiger seien. 6.) Innerhalb der ukrainischen Polizei sollen Bestrebungen bestehen, aus der durch den Eintritt in ein Polizeibataillon eingegangenen Bindung wieder herauszukommen. Von den gleichen Kreisen sollen hektographierte Flugblätter verteilt werden, die Gegenpropaganda enthalten. 7.) Es gelang, einen aus dem Gefängnis in Minsk herausgebrachten Brief abzufangen, in dem ein Häftling die bei der Sicherheitspolizei beobachteten Vorgänge

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schildert. Ferner werden in diesem Briefe Namen von bereits erschossenen Insassen genannt, von denen die Bevölkerung annimmt, dass sie noch leben. Die Untersuchung ergab, dass der zur Bewachung des Gefängnisses herangezogene Ordnungsdienst derartige Briefe gegen hohe Bezahlung befördert. 8.) Der Generalkommissar in Minsk weihte am 1. 3. d. J. die 1. Schule für volksdeutsche Kinder in Smolewitsche bei Minsk ein und gab ihr den Namen „Adolf-Hitler-Schule“. Die Schule wird von etwa 34 Kindern besucht. Im Gebiet des Gebietskommissars Minsk-Land sind etwa 15 000 Volksdeutsche ansässig. Es ist beabsichtigt, Russendörfer auszusiedeln und die verstreut wohnenden Volksdeutschen in geschlossenen volksdeutschen Siedlungen zu sammeln, um sie dann zu späterer Zeit umzusiedeln. Von den Eins.Gruppen B, C u. D liegen keine Meldungen vor. BAB, R 58/221

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 6. März 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 177 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 4. 3. 1942. Die mit Ereignismeldung Nr. 172 vom 23. 2. 1942 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Von den Einsatzgruppen A und B liegen keine Meldungen vor. Einsatzgruppe C: Standort Kiew. Allgemeine Lage in grundsätzlicher Hinsicht: Stimmungsmäßig hat sich die Tätigkeit der Einsatzgruppe hinsichtlich der scharfen Maßnahmen gegen die Juden und die ehemaligen Parteikommunisten im allgemeinen günstig ausgewirkt. Nicht nur die Behandlung der Juden wird mit Verständnis verfolgt, sondern auch das Vorgehen gegen die Träger der Unruhen. Bei dem Teil der Arbeiterschaft, der dem Deutschtum nicht ablehnend gegenübersteht, zeigte sich bisher ein fester Glaube an das Können der deutschen Führung. Da sich aber ihre Hoffnung, dass im Laufe weniger Monate die Werke und Betriebe wieder arbeiten, nicht bewahrheitet, macht sich bereits eine Enttäuschung bemerkbar, die noch dadurch vergrössert wird, dass sich die Ernährungslage von Woche zu Woche verschlechtert. Daher lässt sich beobachten, dass sehr viele Arbeiter wieder auf das Land ziehen, weil sie glauben, sich dort leichter ernähren zu können. Hinzu kommt, dass der gegnerische Teil der Bevölkerung, der nun infolge der schlechten Ernährungslage und Wetterverhältnisse den geeigneten Nährboden findet, in geschickter Weise zumeist im Wege der Flüsterpropaganda auf das Volk einzuwirken beginnt. Haben sich bisher die Nachrichten von der Zurücknahme deutscher Truppen an einzelnen Abschnitten ungünstig ausgewirkt, so ist darüber hinaus festzustellen, dass Gerüchte über Erfolge der Roten, über die Zurückgewinnung zahlreicher Städte und die Wiederbesetzung des Donezgebietes in grosser Zahl umlaufen. Wenn diese Gerüchte auch laufend und systematisch von gegnerischer Seite durch Flugblätter und Flüsterpropaganda weitergegeben werden, so besteht

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kein Zweifel darüber, dass in Intelligenzkreisen das Abhören des Moskauer Rundfunks als Ursache dieser Gerüchte angesehen werden muss. Es scheint die bisher beobachtete abwartende Haltung einer Gärung im negativen Sinne Platz gemacht zu haben, einer Entwicklung, der nur durch zentral gesteuerte und intensiv gesteigerte Gegenpropagandatätigkeit entgegengewirkt werden kann. Die Zusammenarbeit mit den ukrainischen Stellen und der Miliz ist im allgemeinen gut. Dass bei der Einsetzung der Verantwortlichen nicht immer mit der nötigen Vorsicht und Sorgfalt vorgegangen wird, beweist die Tatsache, dass der Bürgermeister der Stadt Krementschug, Senitza, festgenommen wurde, weil er die ihm gegebenen Befehle sabotiert hatte. Erst durch die Vernehmungen der Beamten des Einsatzkommandos wurde festgestellt, dass er sich wissentlich falscher Personalien bedient hatte und die Behandlung des Judenproblems in der Weise zu sabotieren wusste, dass er den Oberpopen Protojerej Romanskyj ermächtigte, die von ihm selbst bezeichneten Juden zu taufen und ihnen christliche bzw. russische Vornamen zu geben. Infolge einer sofortigen Verhaftung konnte vermieden werden, dass sich eine grössere Anzahl von Juden der deutschen Kontrolle entzog. Senitza wurde exekutiert. In diesem Zusammenhang musste auch der Chef des Personalamtes des Familienregisters in Krementschug seines Amtes enthoben werden, da er sich in seiner Eigenschaft als Standesbeamter weigerte, die Berichtigungen in den Urkunden vorzunehmen. Auch gegen die ukrainische Miliz in der Altstadt von Kramatorsk musste vorgegangen werden, da ständig Klagen über das Verhalten der führenden Milizangehörigen bekannt wurden. Die eingehende Untersuchung ergab, dass die gesamte Führung der Miliz äusserst korrupt und politisch vorbelastet war und die Bevölkerung terrorisierte. Nach Abschluss der Ermittlungen wurden von den 45 Festgenommenen der Kommandant der Miliz, sein Stellvertreter, der Wirtschaftsführer und ein weiterer Milizant erschossen. Die übrigen Angehörigen wurden nach Überprüfung und scharfer Verwarnung wieder entlassen. Vollzugstätigkeit: Die polizeiliche Tätigkeit litt nach dem Stillstand der Front, der infolge des langen Verweilens der Kommandos einen erheblichen Anfall an Vorgängen erbrachte, sehr unter den niedrigen Temperaturen und den Schneeverwehungen. Durch das Sonderkommando 4b wurde eine Zahl von 1317 Personen (darunter 63 politische Aktivisten, 30 Saboteure und Partisanen und 1224 Juden) exekutiert. Durch diese Maßnahme wurde auch der Ort Artemowsk judenfrei.1 Aufgrund der Tätigkeit des Einsatzkommandos 5 sind politische Aktivisten, 114 Saboteure und Plünderer sowie 1580 Juden, insgesamt 1880 Personen erschossen worden. Bei diesem Kommando ist auch ein Vorgehen gegen Angehörige der Bandera-Gruppe erfolgt. Infolge der von dem Einsatzkommando 6 getroffenen Maßnahmen sind nunmehr die Orte Gorlowka und Makejewka judenfrei gemacht worden. 2 Ein in Stalino verbliebener Rest wird umgesiedelt werden, sobald die Witterungsverhältnisse es erlauben. Exekutiert wurden hier insgesamt 493 Personen (darunter 80 politische Aktivisten, 44 Saboteure und Plünderer und 369 Juden). Auffallend ist hier die Zahl der festgenommenen alten KP-Angehörigen, deren Ausharren auf besondere Absichten des Gegners in diesem Raume schliessen lässt. Hier konnten auch vier bewaffnete Fallschirmspringer unschädlich gemacht werden. Widerstandsbewegung: a) Bandera-Gruppe: Gegen eine grössere Anzahl von Angehörigen der Bandera-Gruppe musste im hiesigen Bereich vorgegangen werden. b) Jugendvereinigung Sitsch: Nachdem im hiesigen Bereich eine gewisse Beruhigung eingetreten war, sind hier wiederholt Bestrebungen bekannt geworden, die sich darauf erstreckten, die ukrainische Jugend in besonderen Zirkeln zusammenzufassen, um sie durch Lagerkurse,

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durch körperliche Übungen in Sälen und auf freien Plätzen körperlich, geistig und berufsmäßig zu ertüchtigen. Obwohl offizielle Stellen betonen, dass die Absicht bestehe, die ukrainische Jugend durch Pflege der nationalen Gesinnung, der körperlichen Ertüchtigung und der beruflichen Förderung zu sammeln und zu lenken, ist festgestellt worden, dass in verschiedenen Teilen des zuständigen Bereiches bereits derartige Vereinigungen bestehen. Nach zugegangenen Mitteilungen sollen bereits Vorträge gehalten worden sein, die darauf abzielten, das Vertrauen zu Deutschland zu untergraben. Wie vertraulich festgestellt wurde, ist das Wort „Sitsch“, das ursprünglich den befestigten Sitz des Hetmans auf einer Dnjepr-Insel und die Ratsversammlung der Kosakengemeinschaft bezeichnen sollte, in den Kämpfen der Karpato-Ukraine gegen Ungarn von dem ukrainischen Heer auf sich selbst angewandt worden. Bei diesen Kämpfen sollen 30 000 Ukrainer gefallen sein, so dass das Wort „Sitsch“ noch mehr zum geheiligten Inbegriff einer heldischen Gemeinschaft von Freiheitskämpfern wurde. Da anzunehmen ist, dass diese Vereinigung weitere Kreise der ukrainischen Jugend erfasst, wird ihre Entwicklung beobachtet. Von der Einsatzgruppe D liegen keine Meldungen vor. III. Reich und besetzte Gebiete: Der Kommandeur d. Sipo u.d. SD i.d. Untersteiermark meldet: 1.) Am 4. 3. 42 wurde der Oberleutnant Anton Wirth in Ottendorf bei Cilli bei der Rückkehr von einem Streifengang vor seinem Wohnhause von einem unbekannten Manne angeschossen, den er zwecks Ausweisleistung angerufen hatte. Oblt. Wirth wurde durch einen Durchschuss der beiden Unterschenkelknochen des linken Fusses verletzt. Oblt. Wirth versuchte Gegenwehr, doch versagte die Pistole. In diesem Augenblick kamen drei weitere Männer, die der Offizier jedoch durch einige Schüsse vertreiben konnte. Sofort angestellte Ermittlungen haben zweifellos ergeben, dass es sich um einen kommunistischen Mordanschlag handelte. Die Täter konnten noch nicht gefasst werden. 2.) Am 28. 2. 42 um 19 Uhr wurde in Marburg ein Wehrmachtsangehöriger im Stadtpark von 3 Slowenen überfallen. Der Soldat trug wegen Armbruch einen Arm in der Schlinge und setzte sich mittels Seitengewehr zur Wehr. Er erlitt Verletzungen durch Fusstritte in den Bauch und durch Schnittwunden. Er konnte aus dem Lazarett am 4. 3. 42 wieder entlassen werden. Die Fahndung nach den Tätern ist aufgenommen, blieb jedoch bisher ergebnislos. Als Gegenmaßnahme werden am 6. 3. 42 in Marburg 10 kommunistische Gewaltverbrecher erschossen. BAB, R 58/221 1 Vgl. Anklage ZSD v. 10. 2. 1970, BAL, B 162/18184; Urteil LG Düsseldorf v. 12.1. 1973, BAL, B 162/ 14472. 2 Vgl. Anklage Staw Wuppertal v. 23. 7. 1962, BAL, B 162/4690; Urteil LG Wuppertal v. 30.12. 1965, BAL, B 162/14308.

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs.

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Berlin, den 9. März 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 178 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 9. März 1942. Die mit Ereignismeldung Nr. 172 vom 23. II.1942 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Aus Litauen: In mehreren Orten westlich Babtei, die überwiegend russische und polnische Bevölkerung besitzen, wurden Partisanen in grösserer Anzahl gemeldet. Die zur Bekämpfung dieser Partisanengruppe eingeleiteten polizeilichen Maßnahmen führten am 3. ds. Mts. zu einem vollen Erfolge. Es wurden insges. 102 Personen, darunter 11 Frauen, zur Vernehmung vorgeführt. Ausserdem wurden 6 russische Kriegsgefangene aufgebracht und von der Zivilbevölkerung 12 russische und ein polnischer Bauer, denen die Unterstützung von Partisanen und die Verbindung mit sowjetischen Terroristen nachgewiesen werden konnte, erschossen. Die Kriegsgefangenen wurden vorläufig zum Zwecke der eingehenden Vernehmung in Gewahrsam genommen. Am 27. 2. wurden in Pabrade und Butiai 4 weitere Personen, die an Sabotageakten an Eisenbahneinrichtungen beteiligt waren, festgenommen und nach Wilna überführt. Unter den Festgenommenen befindet sich auch der Organisator der Sabotageakte Stanislaus Szklenik aus Pabrade. Bei der Festnahme zweier Attentäter im Dorfe Guzi wurden 5 Dorfbewohner ermittelt, die im Besitze von Schusswaffen und Munition waren. Es konnten 2 Revolver, 1 Karabiner und eine Kiste Gewehrmunition gefunden und sichergestellt werden. Alle 5 Personen wurden an Ort und Stelle erschossen. Am 28. 2. gelang die Festnahme des Polen Waclav Frytling, der in eine Spionage- und Dokumentenfälschersache verwickelt ist. F. soll ausserdem Mitglied einer polnischen Geheimorganisation in Wilna und für diese als Kurier tätig sein. Aus Lettland: In den letzten Tagen wurden 3 aus dem Reich nach Riga verbrachte Juden aufgegriffen, die aus dem Ghetto bezw. den Barackenlagern geflüchtet waren. Die Juden wurden in Gegenwart der Ghetto- bezw. Lagerinsassen erschossen bezw. erhängt. Am 23. 2. wurde in einem Hausbriefkasten eines Rigaer Grundstücks ein durch Vervielfältigungsapparat hergestellter Aufruf in lettischer Sprache vorgefunden. Der Aufruf schliesst mit den Worten: „Wir sind bereit, für diesen gemeinsamen Kampf alles zu opfern, wir wollen aber zuerst klar und deutlich wissen, was unser Volk davon haben wird. Bevor uns dieses nicht eindeutig versprochen wird, soll kein Lette, der Volk und Heimat liebt, auf falsche Versprechungen hören und keinen geheimen oder öffentlichen Aufforderungen Folge leisten.“ Im Gedenken an den Beginn der Offensive der baltischen Landeswehr und des Kalpaks-Bataillons gegen die Bolschewisten in Kurland am 3. 3. 19 fand am 3. 3. 42 eine schlichte Feier auf dem Heldenfriedhof in Riga statt. Am Abend wurde in der Domkirche ein Gedächtnisgottesdienst abgehalten, zu dem unter anderem auch der SS- und Polizeiführer für den Gen.Bez. Lettland erschienen war. Aus Weißruthenien: Am 2. 3. wurden 3 junge Burschen aufgegriffen, die den Partisanen in der Umgebung von Minsk Zuträgerdienste geleistet hatten. Weiter konnte der in der Lei-

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tung einer Partisanenwerbestelle führend tätig gewesene Jude Bronstein festgenommen werden. Im Laufe der Ermittlungen konnte festgestellt werden, daß die Partisanen in der Umgebung von Minsk laufend Nachschub an Menschen und Material aus Minsk erhalten. So ist in den letzten Tagen ein Transport von 13 Partisanen von Minsk in Richtung Lagoisk in Marsch gesetzt worden. Täglich gehen neue Meldungen ein, daß im Bereich der Sicherungsdivision Fernsprechleitungen und Feldkabel der Wehrmacht in Sabotageabsicht zerstört werden. So wurde die Leitung des Nachrichtenbereichsführers Sluzk im Walde zwischen Rudnja und Jarovkan an 3 Stellen durchschnitten. Am 2. und 3. 3. gelang die Vernichtung einer Partisanenkolonne von 7 Panjeschlitten. Die Partisanen führten nicht nur Waffen und Munition in grösserem Umfange bei sich, sondern waren auch reichlich mit Lebensmitteln versehen. Im Zuge der weiteren Ermittlungen gegen die Partisanenwerbeorganisation Juschkewitsch gelang die Festnahme der angeblichen Auftraggeberin mit ihrem Ehemann. Bei einer am 2. und 3. 3. durchgeführten Judenaktion wurden in Minsk 3412 Juden 1, in Wilejka 302 und in Baranowicze 2007 2 erschossen. Insges. wurden also 5721 Juden exekutiert. In deutschen Kreisen wird die Partisanenfrage immer eingehender besprochen. Von weissruthenischer Seite wird dazu erklärt, daß sich die Partisanenbewegung stärker entwickelt habe als bei Einbruch des Winters und daß die Situation tatsächlich ernst sei. Die in Minsk am 3. 3. durchgeführte Judenaktion hat in der Stadtbevölkerung die Vermutung aufkommen lassen, daß in den nächsten Wochen weitere grössere Aktionen in ganz Weissruthenien stattfinden werden. Die Bevölkerung begrüsst die eingeleiteten Aktionen, denn sie ist ergrimmt darüber, daß die Juden ernährungsmäßig doch relativ gut versorgt sind, was bei der Durchsicht der leergewordenen Judenwohnungen immer wieder festgestellt werden konnte. Auf Veranlassung des Kommandeurs der Sipo u.d. SD fand jetzt im Gen.Komm. eine Besprechung der die Volksdeutschen betreffenden Fragen statt. Eine grosszügige und umfassende Betreuung der Volksdeutschen soll umgehend eingeleitet werden. Auf Grund einer vertraulichen Meldung gelang die Festnahme des früheren Leiters der Finanzabteilung des Zivilgefängnisses in Minsk. Weiter wurde ein Sowjetrusse festgenommen, der im dringenden Verdacht der kommunistischen Betätigung stand. In letzter Zeit häufen sich Übergriffe der Schutzmannschaft gegenüber der Zivilbevölkerung. Plünderungen, Diebstähle und körperliche Mißhandlungen sind die Begleiterscheinungen von Hausdurchsuchungen. Bei der Festnahme 2 russ. Juden in Minsk konnte festgestellt werden, daß unter den russ. Juden noch ein verzweigter Handel mit Gold getrieben wird. Bei der Fahndung nach den Tätern eines Raubüberfalles konnten 2 bewaffnete Russen festgenommen werden. Die beiden Russen kommen wahrscheinlich auch als Täter für einen im Herbst 1940 begangenen Mord an einem Kolchosvorsteher in Frage, da der s.Zt. ausgeführte Überfall unter den gleichen Umständen vor sich gegangen war wie der letzte. Von seiten der Anhänger der weissruthenischen nationalsozialistischen Partei wurde wegen der fehlenden deutschen Propaganda, vor allem in den Landgebieten, Klage geführt. Die Erfolge der Werbung der Partisanen und ihrer von Tag zu Tag anwachsenden Aktivität werden in diesen Kreisen auf das fast vollkommene Fehlen deutscher Gegenpropaganda zurückgeführt. Die Agitation der polnischen Widerstandsbewegung hält unvermindert an. Sie wird nicht nur aggressiver, sondern auch unvorsichtiger. Immer wieder ist der kath. poln. Geistliche der erste Antreiber. Bei einer Taufe in Lida äusserte der poln. Pfarrer: „Sei gesegnet polnische Mutter, so lange polnische Kinder geboren werden. Noch ist Polen nicht verloren.“ Die Stimmung der Frauen und Mütter in den Städten ist besonders auch deshalb so abgesunken, weil für die Kinder keinerlei Milch zur Verfügung gestellt werden kann. Um eine

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stärkere Milchzufuhr wie bisher nach der Stadt Minsk zu erreichen, ist durch den Gebietskommissar Minsk-Land eine Anordnung ergangen, nach der für jede Kuh auf den Kolchosen, ohne Rücksicht, ob die Kuh trägt oder nicht, 1 ltr. Milch abzuführen ist. Am 28. 2. 42 wurde von dem Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD eine Kleiderspendeaktion durchgeführt, die von den bedachten Volksdeutschen dankbar aufgenommen wurde. Aus Estland: In der Gemeinde Konnu, Dorf Suru, wurden am 27. 2. 2 Fallschirmspringerinnen festgenommen, die aus einem russ. Flugzeug abgesetzt worden waren. Sie hatten von der baltischen Roten Flotte in Leningrad den Auftrag erhalten, in einem Betrieb in Reval Arbeit zu suchen. Dort sollten sie die Stimmung der Bevölkerung erkunden und sich mit Personen, die bereit waren gegen die Deutschen zu arbeiten, in Verbindung setzen, um die Beschaffenheit der Transportwege und Transportmittel sowie den Zustand des Revaler Hafens zu erkunden. Zur Nachrichtenübermittlung war ihnen ein Funkgerät mitgegeben worden. Einen Tag später wurden der Mann der einen Fallschirmspringerin u. ein Este, die gleichfalls an anderer Stelle abgesprungen waren, festgenommen. In Estland haben in letzter Zeit die Fleckfiebererkrankungen wieder zugenommen. Als Ursache hierfür konnte ermittelt werden, daß Wehrmachtsangehörige verwundete oder flüchtige Zivilpersonen aus russ. Gebieten über die Grenze nach Estland hereinbringen und daß russ. Flüchtlinge selbst über die z. Zt. zugefrorenen Seen, vor allem den Peipussee, ins Landesinnere kommen. Die russ. Flüchtlinge treten mit der einheimischen Bevölkerung in direkte Verbindung, ohne vorher eine Quarantäne durchgemacht zu haben. Die Frage der Reprivatisierung des Hausbesitzes beschäftigt in immer stärkerem Maße die Bevölkerung. Es wird befürchtet, daß das Eigentum überhaupt nicht mehr zurückgegeben wird. Ein Wiederankaufen der Häuser durch die ehem. Besitzer komme wegen Geldmangels nicht in Frage. Viele der nationalisierten Häuser befänden sich in einem verfallenen Zustande. Da aber bei der bestehenden Rechtslage wenig Wert auf Reparaturen gelegt werde, verkommen die Häuser immer mehr. Einsatzgruppe B: Standort Smolensk. Die Lage und Stimmung im Witebsker Bezirk erfuhr eine wesentliche Verschlechterung. Ursache für diese Tatsache ist in zwei entscheidenden Faktoren zu suchen: In der Nacht zum 29./30. Januar wurde der zweite Bürgermeister der Stadt Witebsk ermordet. Dieser Vorfall löste in der Bevölkerung naturgemäß Unruhe und ein Gefühl der Unsicherheit aus. Seitens der Stadtbewohner wurde dieser Mord einerseits als ein Racheakt der Juden und zum anderen als eine Arbeit der Partisanen angesehen. Die durch diesen Mord hervorgerufene Beunruhigung steigerte sich besonders in Witebsk beinahe zu einer Panik, als die Bevölkerung von den Maßnahmen der deutschen Militärbehörden zur Verteidigung Witebsks gegen den befürchteten Durchbruch der Bolschewisten Kenntnis erhielt. Die Folge war, dass ca. 8000 Personen aus der Stadt flüchteten. Die in der Stadt verbliebenen Einwohner trafen vorsorglich Fluchtvorbereitungen. Die Stadt selbst schien tagelang wie ausgestorben insbesondere deshalb, da in Befürchtung des erwarteten Russeneinfalls sich jeder in seiner Wohnung aufhielt. Beide Gründe führten zu Arbeitsstockungen in den verschiedensten Betrieben, in der Stadtverwaltung und dem unter deutscher Leitung stehenden Arbeitsamt. Z. Zt. ist wieder eine gewisse Beruhigung eingetreten. Es wird jedoch einige Zeit dauern, bis die bisherige Aufbauarbeit in vollem Umfang wieder aufgenommen werden kann. Gerüchte über den Durchbruch der Bolschewisten und das Erscheinen roter Truppenteile vor den Toren Witebsks führten in der Polozker und Neweler Gegend gleichfalls zu star-

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kem Absinken der Stimmung, die durch Erzählungen von Flüchtlingen aus Toropez und Welikije-Luki stark beeinflusst wurden. In Newel und Polozk wurde die Flucht der Zivilbevölkerung in rückwärtige Gebiete durch Verbot der Kommandanturen und Sicherung der Ausfallstrassen unterbunden: Abgesehen von einem verstärkten Aufflackern bolschewistischer Gedanken, die sich in einem neuen Zustrom zur Partisanenbewegung bemerkbar machen soll (genaue Feststellungen hierfür konnten noch nicht getroffen werden), ist die Stimmung im grossen und ganzen als deutschfreundlich zu bezeichnen. Die in letzter Zeit eingetretene Stabilität an einigen Frontabschnitten hat auf die Bevölkerung Mogilews nur in geringem Maße beruhigend gewirkt. Dagegen haben Gerüchte, z. B. dass die Bolschewisten vor Witebsk stehen, weiterhin Beunruhigung hervorgerufen. Grosse Teile der Bevölkerung sind ausserordentlich zurückhaltend und nur sehr schwer zu bewegen, aktiv am Wiederaufbau mitzuarbeiten. Auch die Ernährungslage ist nach wie vor angespannt. Der arbeitenden Bevölkerung stehen pro Tag 300 gr Brot zur Verfügung. Da die Zuteilung an 2 Tagen der Woche ausfällt, kommen in Wirklichkeit auf den Kopf nur 225 gr Brot. Andere Nahrungsmittel gibt es nicht; der in Arbeit stehende Einwohner hat lediglich Gelegenheit, in den Speisesälen der Fabriken bzw. der Stadt ein bescheidenes Mittagessen einzunehmen. In Orscha wurde die Bevölkerung insofern stimmungsmäßig stark beeindruckt, als bei einem am 3. 2. erfolgten Luftangriff mehrere Zivilbewohner getötet wurden. Verschiedene Gerüchte, wie z. B. Smolensk und Witebsk seien von den Roten besetzt, die Deutschen befänden sich auf der Flucht usw., trugen dazu bei, die Stimmung weitgehendst zu beeinflussen, insbesondere deshalb, weil die Bevölkerung das Schlimmste bei einer evtl. Rückkehr der Bolschewisten befürchtet. Der Flüchtlingsstrom, der sich vor einiger Zeit durch Roslawl bewegte, hatte innerhalb der Bevölkerung eine ängstliche Stimmung hervorgerufen, die aber inzwischen abgeebbt war. Anlass zur Besorgnis gibt nunmehr die ausserordentlich starke Partisanentätigkeit südwestlich von Kirowograd. Die Bevölkerung ist der Ansicht, dass die Partisanen mit Unterstützung regulärer bolschewistischer Truppen bis nach Roslawl kommen könnten. Im grossen und ganzen ist jedoch auch hier die Stimmung durchaus deutschfreundlich, und man erwartet und erhofft einen baldigen Sieg der deutschen Wehrmacht. In Orel war die militärische Lage und somit auch die Stimmung der Bevölkerung ausserordentlich angespannt. Der starke Druck der Bolschewisten gegen die Stellungen vor Orel hielt in der Berichtszeit unvermindert an; es wurde mit wechselseitigem Erfolg gekämpft. Lage und Stimmung der Bevölkerung sind durch die militärischen Operationen stark beeinflusst und werden durch Gerüchte sowie Agententätigkeit des Feindes wesentlich verschärft. Die Ernährungsfrage der Zivilbevölkerung ist noch nicht geregelt, Heizungsmaterial ist kaum vorhanden. In dieser Hinsicht ist man über Einquartierungen deutscher Soldaten sehr erfreut, da diese schon irgendwie für Heizmaterial sorgen. In Brjansk kann die Lage und Stimmung der Bevölkerung als ruhig bezeichnet werden. Die in den letzten Wochen systematisch verbreiteten Gerüchte über die Rückkehr der Bolschewisten sind verstummt. In der Stadt selbst sowie in der näheren Umgebung lebt die Bevölkerung mit der deutschen Wehrmacht in gutem Einverständnis. Auch in Kursk ist innerhalb der Bevölkerung eine merkliche Beruhigung eingetreten. Es hat den Anschein, als ob das Vorgehen gegen Verbreiter von Gerüchten sowie die Beseitigung eines Teiles dieser Personen wesentlich dazu beigetragen hat. Die Stimmung der Bevölkerung in Smolensk ist ruhig. Auch die in letzter Zeit fast täglich stattfindenden Luftangriffe der Bolschewisten haben eine nachteilige Wirkung bisher nicht ausgeübt. Vielfach wird behauptet, dass die Angriffe der Roten zu spät kämen und an der russischen Niederlage nichts

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mehr ändern können. Auch vergleicht man die jetzige deutsche Luftabwehr mit der der Russen vom Vorjahre und ist überzeugt, dass die deutsche Abwehr wesentlich besser ist. Nur vereinzelt wurden Fälle festgestellt, in denen Bewohner eindeutig für die Bolschewisten Stellung nehmen. Die Masse der Bevölkerung glaubt an einen deutschen Sieg und führt die örtlichen Erfolge der Sowjets nur darauf zurück, weil diese die Kälte besser vertragen können. Von der Einsatzgruppe C liegen keine Meldungen vor. Einsatzgruppe D: Standort Simferopol. Allgemeine Lage: In der Gesamthaltung der Bevölkerung ist keine Veränderung eingetreten. Die militärische Lage wird zwar nach wie vor besonders im Süd- und Ostteil der Krim mit einer gewissen Besorgnis verfolgt, doch hat sich die Stimmung der Einwohner trotz der Angriffe der Russen an der Ost- und Westfront nicht verschlechtert. An der Südküste haben in den letzten Tagen abgeworfene Flugblätter der Sowjets der Bevölkerung besonders drastisch die Verlogenheit der bolschewistischen Propaganda gezeigt. In den Flugblättern heisst es, dass die Krim bereits erobert sei und die roten Truppen im Vormarsch auf Odessa seien. Das Ausbleiben der von den Russen gross angekündigten Erfolge bestärkt die Bevölkerung in der Überzeugung, dass der Vormarsch der Deutschen im Frühjahr erfolgreich weitergehen wird. Im Vergleich zur ersten Februarhälfte hat sich die Ernährungslage im Raum Bachtschissaraj durch Maßnahmen, die aufgrund der hiesigen Berichterstattung an die Armee erfolgten, gebessert, während Schwierigkeiten an der Südküste, besonders in Jalta, noch andauern. Die Hungersnot weiter Teile der Bevölkerung ist dort noch nicht behoben. Die Sterblichkeit ist im Januar auf Februar um 100 % gestiegen. In der Nordkrim ist die Stimmung infolge der besseren Ernährungsmöglichkeiten als günstiger anzusehen. Insgesamt kann gesagt werden, dass auch der Teil der Bevölkerung, der sich den Deutschen gegenüber zurzeit noch passiv verhält, sofort aktiv mitarbeiten wird, wenn die noch vorhandenen Fronten auf der Krim aufgerollt sein werden. Tätigkeit der Sicherheitspolizei: Während der Berichtszeit wurden die Gebiete der Krim nördlich Simferopol weiter durchgekämmt. Der Westteil bis zur Linie Jewpatoria–Ak– Schaich, der Ostteil bis zur Bahnlinie Simferopol–Dshankoj sowie die Bandengebiete im Norden bis zur Höhe Dshankoj sind jetzt bearbeitet worden. Die zurzeit im mittleren Teil angesetzten Teilkommandos sind durch schlechte Wegeverhältnisse sehr gehemmt. Die einmalige Durchkämmung der Gesamtkrim steht jedoch kurz vor dem Abschluss, wobei die südlichen Arbeitsräume der Kommandos 10b, 11a und 11b, besonders die grösseren Orte, mehrfach bzw. laufend überholt werden. Kommando 12 hat in der Berichtszeit infolge grosser Kältegrade und Schneestürme sowie unpassierbarer Strassen die Tätigkeit auf die Orte und nähere Umgebung der abgezweigten Teilkommandos beschränken müssen. Die Standorte werden zurzeit in den Raum südlich Stalino vorverlegt. In der Berichtszeit konnten weitere Erfolge bezüglich der Ermittlung und Unschädlichmachung von unzuverlässigen Elementen aufgrund des weiter ausgebauten V-Männer-Netzes verzeichnet werden. Neben der Aufgreifung von über 1000 Juden und Zigeunern konnten zahlreiche politisch verdächtige Personen gefasst werden. a) Kommunisten: Vom 16. bis 28. 2. 42 wurden 271 Kommunisten und NKWD-Agenten ermittelt und unschädlich gemacht. Unter den Festgenommenen befanden sich u. a. Schabedien, Kommissar des Vernichtungsbataillons Bachtschissaraj und Instrukteur des Bildungswesens im Rayon Bachtschissaraj, Ibraimow, Chef d. Fahndungsabteilung des NKWD, Tairow, Parteifunktionär. Mitarbeiter Tairowj

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setzte die Lebensmittellager in Bachtschissaraj in Brand. Amadow, Kommissar des Vernichtungsbataillons Albat und Partisanenverbindungsmann, Pitworko, Führer der Partisanenabteilung Sewastopol und Gurijenko, Stabschef der Partisanenabteilung Sewastopol. Ibraimow, Tairow, Pitworko, Gurijenko sowie eine Partisanenagentin wurden als abschreckendes Beispiel in Bachtschissaraj öffentlich erhängt. In Jalta konnte eine sich neu bildende Komsomolzenzelle ausgehoben und die führende Komsomolzin Lissa Nowa festgenommen werden. Die Nowa ist selbst Partisanin und hielt später von Jalta aus Verbindung zu den Partisanen. Nach Landung der Russen in Feodosia wurde diese Keimzelle besonders aktiv durch Flüsterpropaganda usw. In Ortschaften des Rayons Jalta wurden ausserdem gefasst: Jagja-Chalij, führender Kommunist und Mitbegründer der Sowjetherrschaft auf der Krim, Taubermann, Jude und kommunistischer Agitator für die Südkrim, Smolenzewa, gehörte als uniformiertes Flintenweib dem Vernichtungsbataillon in Jalta an. Nahe der Ostfront auf der Halbinsel Kertsch konnten in der Berichtszeit 6 NKWD-Agenten, die sich in kleineren Orten versteckt hielten, durch VM-Meldungen ermittelt werden. Die Vernehmung hat ergeben, dass sie Tausende Verschickungen und Ermordungen veranlasst hatten. Einer der 6 Agenten, Buriak, war zuletzt Beamter des NKWD in Charkow. Während seiner Amtstätigkeit wurden etwa 5000 Menschen erschossen und über 10 000 zwangsverschickt. b) Während die Partisanenüberfälle in der 2. Februarhälfte u. a. durch den Einsatz der Tatarenselbstschutzkompanien im West- und Ostteil des Jaila-Gebirges nachließen, waren die Partisanen zwischen Jalta und Aluschta wesentlich aktiver. Kleinere Gruppen überfielen mehrfach einzelne Wehrmachtsfahrzeuge und beunruhigten laufend die Küstenstrasse. Es handelt sich um 3 grössere Partisanengruppen, die als Folge von Aktionen südlich Bachtschissaraj bis an die Küste abgedrängt wurden. Aufgrund der ausführlichen Erkundungsergebnisse der Teilkommandos, die sich in der Hauptsache auf Meldungen des VM-Netzes stützen, wurden in der Berichtszeit von der Wehrmacht 3 grössere Unternehmen durchgeführt: 1. Im Raum Karasubasar wurden unter Einsatz von Rumänen und Tataren mehrere Lager ausgehoben, 68 Partisanen getötet, 12 Erdhütten vernichtet und zahlreiches Waffenmaterial erbeutet. 2. Südlich Bachtschissaraj wurden bei einer ähnlichen Aktion 73 Partisanen, darunter 30 Rotarmisten, getötet und ebenfalls 6 grössere Stützpunkte und Kasernen vernichtet sowie zahlreiches Material erbeutet. 3. Nordwestlich Sudak wurde ein befestigtes Lager der Partisanen vernichtet und 42 Partisanen getötet. Bei einer Aktion westlich Feodosia wurden 16 Partisanen, darunter ein Bataillonskommissar und 3 Offiziere einer NKWD-Einheit, gefangengenommen. Die Kommandos stellten ausser den genauen Erkundungsergebnissen bei allen Unternehmen wegekundige Führer sowie die TSKP zur Verfügung. Aus den Erfahrungen der Aktionen, aus Gefangenenaussagen und aus VM-Meldungen ergibt sich, dass noch mehrere Tausend Partisanen im Jaila-Gebirge vorhanden sind, die sich zum grossen Teil aus Rotarmisten unter Führung von Offizieren zusammensetzen. Wenn auch feststeht, dass sie größtenteils vor Hunger und Kälte kaum noch kampffähig sind, so liegt in der derzeitigen Bekämpfungsweise durch Einzelaktionen doch eine grosse Gefahr, da es hierdurch vielen Gruppen gelingen wird, bis zur wärmeren Jahreszeit durchzuhalten. Eine Vernichtung der Partisanen kann nur durch Truppenteile erfolgen, die lediglich für diesen Zweck abgestellt werden und dauernd am Feind bleiben können. Die Armee wurde mehrfach auf diese Situation hingewiesen. Bis jetzt konnten jedoch keine Truppen für die Dauer abgezweigt werden. c) Im Bereich des Kommandos 12 wurde der Kommissar Hennus gefasst, der mehrere Zerstörer- und Sabotagegruppen aufgestellt und ausgebildet hat. Dem Kommando gelang

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es ausserdem, einen sowjetrussischen Geheimsender [in] Pologi, der bis zuletzt die Verbindung mit den roten Truppen herstellte, auszuheben. Die betriebsfähige Sendeanlage wird für einen evtl. Einsatz überprüft werden. d) Vom 16. bis 28. 2. 42 wurden 1515 Personen erschossen, davon 729 Juden, 271 Kommunisten, 74 Partisanen, 421 Zigeuner, Asoziale und Saboteure. BAB, R 58/221 1 Vgl. Urteil LG Koblenz v. 21. 5. 1963, BAL, B 162/14151–14153. Bei dem Massaker in Minsk waren auch mehrere Hundert Kinder direkt im Ghetto erschossen worden. Gegen solches Vorgehen protestierte Generalkommissar Kube, was auch bei dessen Besprechung mit Himmler am 10. 3. zur Sprache gekommen sein dürfte; vgl. Der Dienstkalender Heinrich Himmlers, S. 375. 2 Vgl. EdH, Bd. 1, S. 153.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 11. März 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 179 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 11. 3. 1942. Höherer SS- und Polizeiführer Nord (101): (Jeckeln), Standort: Riga. Einsatzgruppe A: (Dr. Stahlecker), Standort: Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: FT, FS Riga, FT Krasnogwardeisk, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Estland: (Dr. Sandberger), Standort: Reval m. Dienststellen in Narwa, Dorpat, Kingisepp, Krasnoje-Selo, Luga und Pleskau, N-Verbindungen: FT, FS Reval, FT Pleskau, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Lettland: (Dr. Lange), Standort: Riga m. Dienststellen in Libau, Wolmar u. Dünaburg, N-Verbindungen: FT, FS Riga, Feldpost-Nr. 15447. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Litauen: (Jäger), Standort: Kauen m. Dienststellen in Wilna und Schaulen, N-Verbindungen: FT und FS Kauen und Wilna, Feldpost-Nr. 15641. Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den Generalbezirk Weissruthenien: (Strauch), z. Zt. vertreten durch SS-Stubaf. RR Hofmann [durchgestrichen], Standort: Minsk m. Dienststellen in Nowogrodek, Tschudowo, a. d. Marsch n. Cholm u. Baranowicze, N-Verbindungen: FT und FS Minsk, Feldpost-Nr. 15641. Höherer SS- und Polizeiführer Mitte (102): (v. d. Bach), Standort: Mogilew. Einsatzgruppe B: (Naumann), Standort: Smolensk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Kurierverbindung über Warschau und Fernsprecher über VD Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando 7a: (Rapp), Standort: Klinzy, N-Verbindungen: FT Klinzy, FeldpostNr. 85607. Sonderkommando 7b: (Ott), Standort: Brjansk m. Trupps in Orel und Kursk, N-Verbindungen: FT Brjansk [durchgestrichen, handschriftlich: Orel], Feldpost-Nr. 18555. Einsatzkommando 8: (Richter), Standort: Mogilew m. Trupps in Borissow, Orscha, Gomel u. Bobruisk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Feldpost-Nr. 37867.

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Einsatzkommando 9: (Wiebens), Standort: Witebsk m. Trupps in Smolensk, Newel, Polozk u. Lepel, N-Verbindungen: FT Witebsk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando Moskau: Standort: Roslawl, N-Verbindungen: FT Roslawl. Höherer SS- und Polizeiführer Süd (103): (Prützmann), Standort: Rowno. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Nikolajew: (Dr. Spann), Standort: Nikolajew, N-Verbindungen: FT Nikolajew. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Charkow: (Dr. Kranebitter), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Shitomir: (Dr. Razesberger), Standort: Shitomir, N-Verbindungen: FS Shitomir. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Wolhynien: (Dr. Pütz), Standort: Rowno, N-Verbindungen: FT Rowno. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Dnjepropetrowsk: (Mulde), Standort: Dnjepropetrowsk, N-Verbindungen: FT Dnjepropetrowsk. Einsatzgruppe C: (Dr. Thomas), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier, Feldpost-Nr. 32704. Sonderkommando 4a: (Dr. Weinmann), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow, Feldpost-Nr. 22789. Sonderkommando 4b: (Haensch), Standort: Kramatorsk m. Trupps in Shitomir, Rowno, Winniza, N-Verbindungen: FT, FS Gorlowka, Feldpost-Nr. 35102. Einsatzkommando 6: (Kröger [durchgestrichen, handschriftlich: Mohr]), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino, Feldpost-Nr. 35979. Höherer SS- und Polizeiführer z. b. V.: (Korsemann), Standort: Rowno. Einsatzgruppe D: (Ohlendorf), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol, Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10a: (Seetzen), Standort: Taganrog m. Trupps in Mariupol u. Melitopol, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10b: (Persterer), Standort: Feodosia m. Trupps in Sudak, Ismail, Tereku u. Dshankoj, N-Verbindungen: FT Feodosia, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11a: (Zapp), Standort: Bachtschissaraj m. Trupps in Jalta u. Simeis, N-Verbindungen: FT Jalta u. [durchgestrichen] Bachtschissaraj, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 11b: (Dr. Braune), Standort: Simferopol m. Trupps in Jewpatoria, Aluschta, Karasubasar, N-Verbindungen: FT Simferopol u. Aluschta, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 12: Standort: Fedorowka m. Trupps in Pologi, Biukxas und Gulja-Pole, N-Verbindungen: FT Fedorowka, Feldpost-Nr. 47540. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Partisanenerkundung: Bei dem Gesamtbild, das sich aus den anlaufenden Einzelmeldungen ergab, konnte festgestellt werden, dass 1.) das Auftreten von Partisanen fast durchweg in grösseren Einheiten erfolgte, 2.) dass die Operationen der Partisanen vielfach gemeinsam mit roten Truppen erfolgen, 3.) dass die Partisanen meist über militärische Führung und schwere Infanteriewaffen verfügen, 4.) dass die Partisanen in dem von ihnen beherrschten Gebiet Rekrutierungen unter der männlichen Bevölkerung durchführen. Das sichere Auftreten und die offenbar nach einem bestimmten Plan gelenkte Arbeit der Partisanen ist unzweifelhaft zurückzuführen auf die ihnen gegebene Möglichkeit, Verbindungen mit roten Truppen aufrecht zu erhalten, mit ihnen gemeinsam zu operieren und durch sie mit Waffen versorgt zu werden. Die offene Front südlich Nasswa erlaubt roten Trup-

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peneinheiten die Überschreitung der Rollbahn und Bahnlinie Loknja–Nowosokolniki, das Eindringen in ein Gebiet, aus dem sie sich hinreichend verpflegen können und in dem sie wegen des völligen Fehlens deutscher Truppen überhaupt nicht behelligt werden. Erfahrungsgemäß vollzieht sich die Durchsetzung eines von deutschen Truppen entblößten Gebietes wie folgt: 1.) tauchen kleinere Partisanengruppen von 2–12 ortskundigen Männern auf, die die Dörfer terrorisieren, die von der deutschen Wehrmacht eingesetzten Bürgermeister beseitigen und die Bevölkerung an der Durchführung der ihnen von der Wehrmacht aufgelegten Leistung verhindern, 2.) nach einiger Zeit tauchen grössere Partisanengruppen mit Rotarmisten auf, die einzelne Dörfer belegen, Verpflegung beschaffen und Dorfsowjets wieder einsetzen, 3.) Rotarmisten ziehen in das Gebiet in grösseren und kleineren Gruppen nach unter Mitnahme von ausreichender Bewaffnung, Stützpunkte werden ausgebaut, die Beweglichkeit der Truppe durch requirierte Schlitten erhöht und Zivilkleidung von der Bevölkerung requiriert, 4.) die gesamte männliche Bevölkerung im Alter von 15–50 Jahren wird zwangsweise mobilisiert und in der Handhabung der Waffen geübt, 5.) das gesamte von Rotarmisten und Partisanen besetzte Gebiet wird abgeriegelt und jeder zivile Verkehr über die Grenzen dieses Gebietes unterbunden. Partisanengebiet nördlich Loknja: Das Gebiet um den Polisto-See ist schon längere Zeit als Partisanenzentrum bekannt. Nach Meldungen betrug die Stärke der Partisanen etwa 1500 Mann (1 Brigade). Geführt wurden die Partisanen von einem Oberst Wassiliew, dessen Stab sich in Ratscha befand (östlich v. Polisto-See). Das Eindringen kleinerer Einheiten in diesen Raum wurde durch befestigte Ortschaften verhindert, die an der Strasse lagen, wie z. B. Plawaiza, eine Ortschaft, die aus ihrer überhöhten Lage einen guten Überblick über das Gelände gestattete. Die Ortschaft war zeitweilig mit 200 Partisanen besetzt, die durch MG-Feuer eine Annäherung an den Ort verhinderten. Die Partisanen waren mit einer Haubitze, Pak, sMG, Gewehren und Handgranaten ausgerüstet. Sie verfügten über einen Flugplatz auf dem Usorjewskoje-See, eine Funkstelle und einen Spezialsprengtrupp, dessen Standort westlich des Polisto-Sees war. Ausserdem wurde eine Reiterabteilung von etwa 200 Mann gemeldet. Mit den zur Verfügung stehenden schwachen Kräften war eine Aushebung dieses Partisanenherdes nicht möglich. Beim Angriff auf Cholm ist diese Partisanenbrigade von Westen her gegen Cholm angesetzt worden. Durch das Abziehen der Partisanenbrigade aus diesem Gebiet wurde es ruhiger. Einsatzgruppe B: Standort Smolensk. Allgemein stimmungsmäßig ungünstig wirkt sich der überall blühende Tauschhandel aus. Die Folge davon ist, dass sehr oft die Annahme neuer Arbeit verweigert wird, ja es kommt sogar vor, dass Arbeiter ihre Arbeitsstellen verlassen, weil sie durch Tauschhandel mehr verdienen bzw. besser leben können. Der Arbeiter, der von früh bis abends in der Fabrik arbeitet, hat keine Zeit, Tauschhandel zu treiben. Da er für seine Arbeit hauptsächlich mit Geld entlohnt wird, für sein verdientes Geld aber nichts erhalten bzw. kaufen kann, verliert er die Lust zu geregelter Arbeit und versucht sehr oft mit allen Mitteln seinen Arbeitsplatz zu verlassen. Die Tätigkeit von Partisanengruppen hat hauptsächlich die Dorfbevölkerung in Angst und Schrecken versetzt. Da aber die Kolchosen noch bestehen, sieht sich die Landbevölkerung zum weitaus grössten Teil nicht veranlasst, die Güter vor den Partisanen zu verteidigen. Die Bauern hatten sehr stark gehofft, dass unmittelbar nach Besetzung durch die deutsche Wehrmacht die Kolchosenwirtschaft beseitigt und ihnen Grund und Boden zugeteilt werde. Da inzwischen durch die zuständigen Stellen entsprechende Maßnahmen bzw. Landzuteilungen getroffen wurden, ist anzunehmen, dass sich

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die Haltung der Landbevölkerung in Zukunft grundsätzlich ändert. Auch wird der Bauer seinen Besitz gegen Partisanen verteidigen. Feindpropaganda: Bedingt durch die Frontnähe war eine Verstärkung der Feindpropaganda insbesondere durch Flugblattabwurf in Witebsk und Umgebung festzustellen. Im Gegensatz zu früher, wo diese Flugzettel von der Bevölkerung kaum beachtet wurden, wurde erstmalig festgestellt, dass diese jetzt von Hand zu Hand gingen. Eine Erklärung hierfür dürfte lediglich das Interesse am Frontgeschehen und der Mangel an entsprechender deutscher Propaganda sein. Neben der Flugblattpropaganda ist die Flüsterpropaganda erheblich angewachsen. Als Urheber sind ausnahmslos die noch auf den Dörfern verstreut lebenden Juden anzusehen. Die erzielten örtlichen Erfolge der Bolschewisten am mittleren Frontabschnitt wurden in Mogilew von bolschewistischen Elementen zu stärkster Gegenpropaganda entsprechend ausgenutzt. Die Verbreitung von Gerüchten, unterstützt durch den Moskauer Rundfunk, wurde sehr stark betrieben. Allerdings ist die Rundfunkpropaganda in den letzten Tagen infolge Stromsperre zum grossen Teil unwirksam geworden. In Borissow und Umgebung tauchte Anfang Februar das Gerücht auf, dass demnächst Einheiten der deutschen Polizei ankommen würden, die gemeinsam mit dem Ordnungsdienst die Aufgabe zugewiesen bekommen hätten, die gesamte männliche Jugend zu erschiessen. Dieses Gerücht war sehr stark verbreitet und führte vereinzelt sogar dazu, dass junge Leute in die Wälder flüchteten. Durch Verbreitung dieses Gerüchtes erhoffte der Gegner anscheinend Zuwachs für die Partisanengruppen. Über Gomel liegt folgender Bericht vor: Durch die augenblickliche Frontlage machen sich in den letzten Wochen mehr und mehr antideutsche Bestrebungen bemerkbar, die in Gomel durch Anbringen von Aufrufen, die zum offenen Kampf gegen die deutsche Wehrmacht auffordern, öffentlich zum Ausdruck gebracht werden. Unterstützt werden diese Aufrufe durch rege Flüsterpropaganda seitens durchziehender Partisanen und sich noch umhertreibender Juden. Insbesondere wird behauptet, die Bolschewiken hätten Orel zurückerobert und seien weiterhin im Vormarsch. Des weiteren wird behauptet, die Stadt Rostow am Don sei wieder von den Russen besetzt und die Einnahme von Charkow stände unmittelbar bevor. Die angebrachten Aufrufe, die nur in den ersten Morgenstunden hingen, dann von ODLeuten entfernt wurden, wurden von der Bevölkerung wenig beachtet, zumindest nicht gelesen. In Smolensk wurden in den letzten Tagen Flugblätter abgeworfen bzw. erfasst, die sich in erster Linie an die deutschen Soldaten richteten und diese zum Überlaufen aufforderten. Deutsche Propaganda: Wie bereits wiederholt berichtet, ist von einer deutschen Propaganda in den besetzten Gebieten, von geringfügigen Ausnahmen abgesehen, auch weiterhin nichts festzustellen. Allgemein wird berichtet, dass z. B. die deutschen Wehrmachtsberichte auf die Bevölkerung keinen besonderen Eindruck machen. Die Bevölkerung vermisst in diesen Berichten in der Hauptsache Orts- und Zahlenangaben von der Ostfront und weist darauf hin, dass von anderen Fronten (Afrika) wesentlich genauere Angaben erfolgten. Von den Einsatzgruppen C u. D liegen keine Meldungen vor. III. Reich und besetzte Gebiete: Der Bef. d. Sipo u.d. SD Serbien meldet: Terroraktion der Kommunisten: In steigendem Maße ist die terroristische Aktivität der KPJ festzustellen. So wurden am 4. 3. 42 anlässlich einer Festnahmeaktion im Banat ein volksdeutscher Hilfspolizist in Belgrad auf öffentlicher Strasse und 2 Agenten der serbischen Spezialpolizei erschossen. Täter stehen in den Reihen des Skoj der KPJ. Als Vergeltung für diese Mordtaten wurde die Exekution von

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150 Belgrader und Banater Kommunisten verfügt. Die Vergeltungsmaßnahme wird durch Plakatierung, Presse und Rundfunk bekanntgegeben. Die Ermittlungen nach den Tätern verliefen bisher erfolglos. BAB, R 58/221

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 13. März 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 180 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 13. März 1942. Die mit Ereignismeldung Nr. 179 vom 11. 3. 42 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Estland: Im Kreise Wierland wurden 2 Fallschirmspringer ergriffen, die den Auftrag hatten, Truppenbewegungen in Taps festzustellen. Sie führten Handgranaten, Pistolen, Funkgeräte und je 15 000 Rubel bei sich. Im Kreise Walk wurden ein Este und ein Russe als Fallschirmspringer aufgegriffen. Der Este gab an, Sekretär der KP im Kreise Walk gewesen zu sein. Die beiden Fallschirmspringer führten ausser Waffen noch topographische Karten, Signalmittel, Lebensmittel und Geld bei sich. Bei Reval wurden 2 von der Roten Flotte in Leningrad eingesetzte Fallschirmspringerinnen ergriffen, die den Auftrag hatten, in Revaler Betrieben mit pro- und antibolschewistisch gesinnten Arbeitern in Verbindung zu treten. Ausser der üblichen Ausrüstung führten sie ein Funkgerät bei sich. Es gelang am 6. d. Mts. dem EK in Estland, mit diesem Funkgerät Verbindung mit Leningrad aufzunehmen. Weißruthenien: In Minsk erfolgte Festnahme eines Russen, der in grossem Umfang stadteigene Lebensmittel aus der Volksküche verkauft hatte. 28 km von Minsk entfernt 17 verdächtige Russen festgenommen, die sich dort verborgen hielten. Auf der Armeefeldpostdienststelle Minsk wurden seit geraumer Zeit in grossem Umfang Feldpostsendungen entwendet. Sicherheitspolizeiliche Ermittlungen ergaben, dass 25 dort beschäftigte Kriegsgefangene die Postsäcke beraubt haben. Wegen Plünderung im Ghetto und Kameradendiebstahls 3 lettische Angehörige der Schutzmannschaften festgenommen. Gebiet um Leningrad: Ein am 6. März 1942 von Tosno angesetztes Unternehmen gegen Fallschirmspringer führte zu einem Gefecht in der Nähe des Pendikowosees. Dabei 1 Partisan schwer verwundet und gefangen. Aufgrund dessen Angaben durch überraschenden Zugriff weitere 3 Partisanen mit vollständiger Ausrüstung, Bewaffnung, Munition und Sprengstoff festgenommen. Litauen: Auf Anordnung des Gen.Komm. in Kauen wurden alle männlichen Gefolgschaftsmitglieder des Gen.Komm. und der nachgeordneten Dienststellen zur Erhaltung und Förderung der Wehrkraft in einer besonderen Einheit „Wehrbereitschaft Kauen“ zusammengefasst. [Estland:] Estn. Intelligenzkreise beschäftigen sich mit dem Prozess von Riom, den sie als Komödie bezeichnen. Von den Sendungen des Finnlandsenders in estn. Sprache: 5. März:

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„Helsinkin Sanomat“ schreibt über die Rundreise der finnischen Journalisten durch Deutschland, dass das jetzige Deutschland eine Nuss darstelle, die sich nicht so leicht öffne. Dessen ungeachtet könne man sehen, dass das deutsche Volk Anstrengungen mache, um im Frühling den Angriff im Osten erfolgreich zu gestalten. Jedermann spricht davon, niemand nimmt die Aufgabe leicht. Man versteht, dass der Kampf auf Leben und Tod geführt wird. Weißruthenien: Der Erzbischof der griechischen uniierten Kirche, Szeptynski–Lemberg (Nationalukrainer), ernannte auf Anweisung der Kurie den Weissruthenen Exarchen Niemancewicz–Slonim zum Exarchen der uniierten Kirche in Weissruthenien. Am 8. März wurde der Archimandrid Atanasius Matras in Minsk vom Metropoliten Panteleymon im Beisein sämtlicher Würdenträger und unter starker Anteilnahme der Bevölkerung zum Bischof geweiht. In der z. Zt. stattfindenden Bischofstagung werden Fragen des Aufbaus der autokephalen Kirche durchgesprochen. Die ersten Meldungen über die stimmungsmäßige Auswirkung des Agrarerlasses besagen, dass unter der Bevölkerung trotz entsprechender Gegenpropaganda von kommunistischer Seite grosse Freude herrscht. Die Arbeitswilligkeit der Landbevölkerung, ihre Hilfeleistung bei arbeitsmäßigen und sachlichen Anforderungen haben überraschend angezogen. Einsatzgruppe B: Standort Smolensk. Landwirtschaft: Am 6. 2. 1942 fand in Mogilew eine Versammlung der Rayonbürgermeister statt. Die Feldkommandantur Mogilew gab in dieser Versammlung den Befehl des Führers bekannt, dass den Bauern die „priusadebnije utschastki“ – Gartenbauland – zugeteilt wird und zwar in der doppelten Höhe der früheren Grösse. Die Freude unter den Bürgermeistern war selbstverständlich sehr gross, und sie brachten gemeinsam ein spontanes „Hoch auf den Führer“ aus. Die Auswirkungen dieser Bekanntmachung konnten bisher noch nicht festgestellt werden, jedoch wurde aus einzelnen Dörfern berichtet, dass die Zuteilung und vor allem die Erhöhung mit besonderer Genugtuung zur Kenntnis genommen wurden. Die Bauern sind der festen Überzeugung, dass damit der Anfang der Aufteilung der Kolchosen begonnen hat und hoffen weiter, dass ihnen noch mehr Land als Eigentum zugeteilt wird. Verschiedentlich brachten die Bauern zum Ausdruck, dass die deutschen Behörden überzeugt sein können, dass, wenn das Land aufgeteilt wird, sie, die Bauern, sich die grösste Mühe geben würden, um das Deutsche Reich mit genügend Brot zu versorgen. Kirchenfragen: Das Kirchenleben in Witebsk und im Rayon hatte einen spürbaren Rückgang zu verzeichnen. Die Ursache hierzu ist in der militärischen Lage der letzten Zeit zu finden. Nur etwa ein Drittel der früheren Besucherzahl nahm an den Gottesdiensten und anderen kirchlichen Handlungen teil. Propagandistisch ist in Kirchenfragen lediglich die griech.-orthod. Kirche in Erscheinung getreten. Die in der Witebsker Zeitung „Der neue Weg“ gebrachten Artikel trugen einen mehr oder minder weniger politischen als religiösen Charakter; sie gaben einen Vergleich zwischen der jetzigen und früheren Zeit. Allgemein wurde hervorgehoben, dass das zukünftige Leben unter deutscher Führung in jeder Beziehung besser werden wird. Die bisherige Entwicklung wurde begrüßt und der Wille zum Ausdruck gebracht, sich dem Aufbau zur Verfügung zu stellen. Unbestätigten Gerüchten zufolge sollen unter den in Witebsk und Newel ansässigen Polen Bestrebungen vorhanden sein, die das röm.-kath. Kirchenleben zu fördern beabsichtigen. Wie verlautet, sollen bereits der hiesigen Feldkommandantur Gesuche unterbreitet worden sein, die die Einsetzung des röm.-kath. Priesters Gajlewitsch aus Dünaburg fordern. Nach einer vom Stadtamt Borissow durchgeführten Zählung sind in Borissow: 19 317 Anhänger der

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griech.-orthod. Kirche, 6255 Anhänger der röm.-kath. Kirche, 130 Anhänger der evangelischen Kirche, 23 Mohamedaner, 894 Glaubenslose und Anhänger anderer Kirchen. Gegenwärtig ist nur ein Pope der griech.-orthod. Kirche vorhanden, der auch die Gottesdienste und sonstigen kirchlichen Handlungen vornimmt. Katholische Geistliche wurden bisher nicht ermittelt. Vollzugstätigkeit: Allgemeines: Die allgemeine Sicherheitslage im rückwärtigen Heeresgebiet Mitte ist in fortschreitendem Maße gekennzeichnet durch die immer stärker und damit gefährlicher werdende Tätigkeit der Partisanen, neben der alles andere, was sonst die Sicherheitslage zu beeinflussen geeignet ist, erheblich in den Hintergrund getreten ist.1 Den durch die Schneefälle und -verwehungen geschaffenen Wegeverhältnissen, die einen Ansatz in grösserem Umfange abseits der Rollbahnen auch mit Schlitten kaum zulassen, Rechnung tragend, ist das Schwergewicht in der Bekämpfung der Partisanen von der eigentlichen Kampftätigkeit auf die Erkundung der Aufenthaltsräume der Partisanen, der Art ihrer Bewaffnung, ihrer Stärke usw. gelegt worden, um so die für eine wirkungsvolle Bekämpfung der Partisanen erforderlichen Grundlagen zu beschaffen. Wenn bislang aufgrund der verschiedenen Berichte festgestellt werden konnte, dass die von den Partisanen ausgeführten Überfälle neben der Beunruhigung der Nachschubwege in erster Linie den Zweck verfolgen, Lebensmittel, Winterkleidung usw. zu beschaffen, lassen die letzten Meldungen erkennen, dass die Tätigkeit der Partisanen, die auch nicht davor zurückschrecken, von deutschen Dienststellen eingesetzte Bürgermeister und Ordnungsdienstangehörige zu ermorden, bereits Formen angenommen hat, die den Übergang zum offenen Angriff bedeuten lassen. Die durch die Frontlage bedingte Entblössung des rückwärtigen Heeresgebietes von Truppen und die dadurch hervorgerufene teilweise nur mangelhafte militärische Sicherung des Gebietes ist nicht zuletzt der Grund für das frechere und unbekümmertere Auftreten der Partisanen, die in verschiedenen Dörfern Trinkgelage mit Gesang und Tanz veranstaltet haben. Die Partisanen stehen zum Teil in Funkverbindung mit sowjetischen Truppeneinheiten. Sie werden offenbar auch in dem Raum ost- und südostwärts Smolensk und südlich Wjasma von sowjetischen Fallschirmspringern unterstützt. Aus der Vernehmung einer Russin, die einer Partisanenbande angehörte, ergab sich, dass die Partisanen etwa [Zeile fehlt]: a) Aufhetzung der Bauern zur Sabotage der von den deutschen Dienststellen angeordneten Maßnahmen, b) Durchführung von Überfällen auf kleinere deutsche Einheiten, um deren Waffen und Proviant zu erlangen, c) Aufforderung der Männer in den von den Partisanen heimgesuchten Orten zum Eintritt in die Partisanengruppen. Wie aus dem Bericht des EK 9 hervorgeht, erhalten die Partisanen nicht unerheblichen Zulauf aus den Reihen der Angehörigen der KP und von noch auf dem Lande verstreut lebenden Juden. In der Berichtszeit haben sich besondere Gefahrenherde gebildet im Gebiet südlich der Strasse Mogilew–Beresino–Tscherwen bis in die Gegend von Bobruisk und im Raum ostwärts Roslawl. Diese Gefahrenherde werden mit Nachdruck erkundet und in enger Verbindung mit der Wehrmacht bekämpft. Folgende Einzelmeldungen mögen als Beispiele für das Auftreten und Tätigwerden der Partisanen dienen: Am 8. Februar stiess ein stärkerer Spähtrupp, der aus vier Gruppen von Wehrmachtseinheiten gebildet war und zu dem vier Angehörige des SKM getreten waren, nach Swaschkowitschi vor. Als der Trupp sich bis auf etwa 300 m dem Dorf genähert hatte, wurde bemerkt, dass einige Schiläufer und bespannte Schlitten das Dorf verliessen. Offenbar sollte hierdurch vorgetäuscht werden, dass die Partisanen flüchteten. Tatsächlich war aber der ganze Ort besetzt. Die Partisanen machten einen Feuerüberfall, bei dem ausser Gewehren fünf Maschinengewehre eingesetzt wurden. Fast alle Pferde des

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Trupps wurden erschossen, und der Trupp war gezwungen sich zurückzuziehen. Verluste: drei Tote, 4 Verwundete. In Worga tauchten in der Nacht zum 10. Februar etwa 100 Partisanen auf, von denen etwa 25 beritten waren, während die Übrigen Schlitten benutzten. Sie führten Gewehre, 1 lMG und deutsche Stielhandgranaten mit sich. In Schmakowo, südlich Jelnja, befindet sich eine Gruppe Partisanen, über deren Stärke noch nichts Näheres bekannt ist. Diese Gruppe ist durch Fallschirmspringer verstärkt und soll den Auftrag haben, die Bahnhöfe Stodolitsche und Schatalowka an der Strecke Roslawl–Smolensk zu beunruhigen. Lebhaftere Partisanentätigkeit wird auch aus dem Raum um Klitschew gemeldet. Anfang Februar wurden in dem Dorf Kobiljanka der Bürgermeister und sein Sohn sowie der Dorfälteste und sein Sohn von Partisanen erschossen. Ihre Anwesen wurden ausgeplündert. In Obolodzie wurden vier Ordnungsdienstangehörige erschossen. Ihre Häuser wurden ausgeraubt und niedergebrannt. In Gondscha wurden drei OD-Angehörige erschossen, zwei weitere von den Partisanen verschleppt. In Usakino wurde das Bürgermeisteramt ausgeraubt; aus dem Wachlokal des Ordnungsdienstes wurden 9 Gewehre gestohlen. In Bazewitschi wurden zwei Männer, die sich weigerten, sich den Partisanen auf deren Aufforderung anzuschließen, erschossen. In Pazoba-Sloboda wurden in der Nacht vom 3. zum 4. Februar von Partisanen ein Getreidelager und ein Heuschober in Brand gesetzt. Die erforderlichen Maßnahmen sind in allen Fällen eingeleitet. In der Umgebung von Brjansk sollen kleinere Partisanengruppen aufgetreten sein, die nachts Brücken der Rollbahn durch Sprengungen zu zerstören suchen. An der Eisenbahnstrecke Gomel–Brjansk versuchte in einer Nacht Anfang Februar ein kleiner Trupp Partisanen, einen Güterzug anzugreifen. Der Anschlag schlug fehl. Drei Partisanen wurden erschossen, die Übrigen konnten entkommen. Auf der Strecke Roslawl–Brjansk wurde ein alleinfahrender Lkw der Wehrmacht am hellen Nachmittage von Partisanen überfallen; die Insassen wurden erschossen. Das SK 7b meldet, es hätte in Erfahrung gebracht werden können, dass es sich bei den Partisanengruppen in der Umgebung von Brjansk um Reste regulärer Truppenteile der Roten Armee handele, die von sowjetischen Offizieren geführt und von örtlichen Parteifunktionären unterstützt werden sollen. Ferner sollen in letzter Zeit westlich der Eisenbahn Brjansk–Lobanowo sowie in dem Wald- und Sumpfgebiet südlich der Nawlja Männer im Alter von 15–60 Jahren von den Partisanen eingezogen sein. Die Verpflegung werde aus den umliegenden Dörfern beschafft. Bei der Fahndung nach Angehörigen des NKWD-Agentennetzes gelang es aufgrund der Mitteilung einer V-Person in der Person des Wasili Sedych in Orel einen besonders rührigen Agenten festzunehmen. Er betätigte sich auch als Verbindungsmann zu Partisanen. Diese Tätigkeit wurde ihm dadurch erleichtert, dass er im Ordnungsdienst des Rayons eingestellt war und so unbeobachtet in den Dörfern um Orel seine Arbeit durchführen konnte. Die Ermittlungen weisen darauf hin, dass auch einige weibliche Personen als Agenten tätig geworden sind. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. III. Reich und besetzte Gebiete: D. Kdr. d. Sipo u.d. SD i.d. Untersteiermark meldet: Kommunistischer Überfall in Buchberg bei Cilli: Am 21. 3. 42 [sic] gegen 20.00 Uhr wurde ein Überfall auf einen Sturmführer der Wehrmannschaft, Bergmann Buria in Buchberg bei Cilli, ausgeführt. Die unbekannten Täter gaben zwei Pistolenschüsse durch das Fenster auf den Sturmführer ab, die jedoch ihr Ziel verfehlten. Zur gleichen Zeit wurde ebenfalls in Buchberg bei Cilli ein Überfall auf den Bergmann Arnovschek, Ferdinand, ausgeführt. Derselbe wurde in seinem Hause gefesselt und verschleppt. Kurze Zeit darauf hörte die Ehefrau zwei Schüsse. Die Ermittlungen wurden sofort eingestellt [gemeint: aufgenommen]. Der Genannte wur-

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Nr. 8: Massengrab mit ermordeten Juden in Proskurow

de in den heutigen Morgenstunden ermordet in einem Graben bei Buchberg aufgefunden. In beiden Fällen handelt es sich um kommunistische Überfälle. Vergeltungsmaßnahmen sind eingeleitet. In den letzten Tagen haben Banditen in mehreren Fällen wieder Raubüberfälle auf vorwiegend einzelwohnende Besitzer unternommen, um in den Besitz von Lebensmitteln zu kommen. Im Bezirk Radmannsdorf wurde ein slowenischer Jäger verschleppt, der Schutzpolizei bei mehreren Streifen geführt hat. Es ist anzunehmen, dass er erschossen wurde. Im Bezirk Laak wurde ein schon vor längerer Zeit erschlagener Slowene aufgefunden, der der Gendarmerie seinerzeit Nachrichten gebracht hat. Erhebungen und Vergeltungsmaßnahmen sind eingeleitet. BAB, R 58/221 1 Zur Entwicklung der Partisanentätigkeit gegen Ende des Winters im rückwärtigen Heeresgebiet Mitte vgl. Hartmann: Wehrmacht im Ostkrieg, S. 243 ff.

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 16. März 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 181 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 16. März 1942. Die mit Ereignismeldung Nr. 179 vom 11. 3. 42 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Der Erkundungstrupp in Juchowo kontrolliert die Rollbahn westlich und östlich Juchowo sowie die nähergelegenen Dörfer. Es wurden bereits zahlreiche Personen, die ortsfremd waren und trotz Verbot von Ort zu Ort zogen, festgenommen und dem Stab in Loknja überstellt. Desgleichen wurden Parteimitglieder und Parteikandidaten festgenommen und ihre Überprüfung eingeleitet. Es handelte sich zum Teil um ältere bewährte Parteimitglieder, die ihrer Erschiessung entgegensehen, zum Teil um Personen, die sich aus dem Beitritt zur Partei wirtschaftliche Vorteile versprachen, sich sonst aber nicht politisch betätigt haben. Sämtliche Parteimitglieder und Kandidaten sind von den zuständigen Parteistellen der Ssel-Sowjets mit Beginn des Krieges aufgefordert worden, als Partisanen den deutschen Streitkräften entgegenzutreten. Dieser Aufforderung ist nur ein Teil der Parteimitglieder und Kandidaten nachgekommen, doch besteht der Verdacht, dass die verbliebenen Personen nachrichtendienstlich für die Partisanen arbeiten. Ihre Überwachung ist eingeleitet. Die im Raume längs der Rollbahn Loknja–Troiza–Chlawizy vom 39. AK angesetzten litauischen, lettischen und estnischen Hundertschaften arbeiten zufriedenstellend, doch musste festgestellt werden, dass bei ihren Aktionen auch mehrfach Personen erschossen wurden, die wertvolle Aussagen hätten machen können. So wurden bei einer Strafexpedition einer litauischen Hundertschaft am 2. 2. gegen das Dorf Tschertsch 10 km südöstlich von Juchowo unter 23 Partisanen auch 5 Mann erschossen, die Angaben über eine Spionagezentrale im Raume um Loknja machen wollten. Es wurde festgestellt, dass das gemeinsame Ansetzen von Hundertschaften verschiedener Volkszugehörigkeiten zu Misstimmigkeiten und zur Schwächung der Stosskraft geplanter Operationen führen kann, da hierbei Missgunst und Streitigkeiten traditioneller Art zwischen den baltischen Völkern wieder aufbrechen. Das Vorhandensein von organisierten Partisanenbanden im Raum um die Rollbahn Loknja–Cholm wurde am 5. 2. durch die Festnahme des Bürgermeisters und 5 weiterer Personen aus Jaswy – 8 km nördlich von Pekino – und die Sicherstellung eines Munitionslagers für Partisanen u. a. erwiesen. In Loknja wurden 38 Juden und 1 Zigeuner erschossen. Die Stimmung der Bevölkerung, die sich in der Umgegend von Loknja fast nur aus Bauern oder Landarbeitern zusammensetzt, ist zum grössten Teil entschieden den Deutschen gegenüber freundlich gesinnt. Dieses wurde bedingt durch die Hoffnung, Land zu eigen wieder zu erhalten und die Tatsache, dass das Kolchosvieh wieder zum grossen Teil auf die Bauern verteilt wurde. Ein Abgleiten der Stimmung ist festzustellen, seitdem, durch Versorgungsschwierigkeiten der Wehrmacht bedingt, das Vieh zum Teil den Einwohnern wieder fortgenommen wird. Doch kann im allgemeinen gesagt werden, dass die Zivilbevölkerung sich zu dem stellt, der die Macht im Raume

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ausübt. Überall da, wo rote reguläre Truppen oder Partisanen ihren Wirkungsbereich ausdehnen, wo die deutschen Truppen nicht im Stande sind, die deutschen Verwaltungsmaßnahmen wirksam zu unterstreichen, gehorcht der russische Einwohner den Weisungen seiner früheren Machthaber, die naturgemäß eine Verhinderung von Nachschub und Versorgung sowie eine Beunruhigung und Schädigung der deutschen Truppen bezwecken. Gelegentliche Strafexpeditionen wirken nur vorübergehend, wenn sie nicht planvoll durchgeführt eine Aufrollung des gesamten Unruheherdes ergeben. Die Tatsache, dass das Gebiet um Loknja im allgemeinen landwirtschaftlich ergiebig ist, bedingt einerseits eine durch ausreichende Versorgung ruhige Bevölkerung, gibt aber andererseits den roten Truppen bei ihrem Vordringen die Möglichkeit, sich aus dem Lande selbst zu versorgen. Besonders südlich Nasswa sind schwächere und stärkere Abteilungen der Roten Armee eingedrungen und haben sich auf die Dörfer verteilt; sie sind dabei versorgungsmäßig unabhängig. In der Nacht vom 7/8. 2. führte der Zug Störtz 1 eine Aktion gegen das Partisanendorf Ussaditsche durch. Das Dorf wurde angezündet und sämtliche Einwohner vernichtet. Die zahlreichen in das Dorf führenden Skispuren zeigten, dass die Meldungen von Skispähtrupps aus Ussaditsche auf Wahrheit beruhten. Als Abschluss der Erkundung um Nasswa wurde am 11. 2. ein Spähtrupp in südöstl. Richtung von Nasswa über Rowni nach Ssobki geschickt. Es sollten die Dörfer südlich und östl. von Ssobki erkundet werden. Durch Meldung von Zivilerkundern wurde festgestellt, dass sich in Tulubjewo etwa 20 Partisanen aufhalten. Nachdem die angeforderte Verstärkung eingetroffen war, ging der gesamte Zug auf Tulubjewo vor, geriet aber bei Owssischtso in einen starken feindlichen Hinterhalt regulärer roter Truppen, die über Granatwerfer, sMG, lMG und MPi verfügten. Bei dem Versuch des Zuges Störtz, sich vom Feinde zu lösen und Rowni zu erreichen, geriet er in einen zweiten Hinterhalt, etwa in der Mitte zwischen Rowni und Ssobki. Durch wirksamen Beschuss des Feindes und durch die hereinbrechende Dunkelheit begünstigt, gelang der Durchbruch. Lage um Leningrad: Allgemein: Die Strassen der Stadt bieten ein ausgestorbenes Bild. Man sieht wenig Menschen. Bis auf die Hauptstrassen, welche noch regelmäßig gereinigt werden und wo sogar noch unnötigerweise die Strassenbahnschienen vom Schnee befreit werden, ist alles tief verschneit; der Schnee wird nicht weggeräumt. Abfälle und Abwässer werden aus den Fenstern geschüttet. Leichen Verhungerter, die entkräftet zusammengebrochen und im Frost erstarrt sind, kann man oft tagelang liegen sehen. Anfang Januar wurden derartige Hungerleichen noch durch Lkw aufgesammelt und abgefahren, in letzter Zeit soll dies nicht mehr der Fall sein. Es gibt wieder freie Wohnungen in Leningrad, obwohl die Quartiere bei Beginn der Belagerung durch den Zuzug der Flüchtlinge aufs letzte überfüllt waren. Von den Einwohnern werden oft die Dielenbretter solcher leeren Wohnungen herausgerissen und verheizt. Charakteristisch ist überhaupt, dass die Autorität der Ordnungsorgane immer weniger gilt. Um das Verbot des eigenmächtigen Abbruchs von Häusern und Zäunen kümmert sich faktisch niemand; die Miliz greift auch nicht mehr ein. Stimmung der Bevölkerung: Obwohl die sowjetische Propaganda die eigenen Erfolge weitestgehend auswertet, um die Stimmung der Bevölkerung zu heben, bleiben diese Bemühungen doch ohne Wirkung. Es wird davon gesprochen, dass, obwohl die Nordbahn wie Oktoberbahn bereits frei seien, die Deutschen zurückgingen, dass sie dem Winter nicht gewachsen seien, dass der Februar „der entscheidende Monat dieses Krieges“, den Zusammenbruch der deutschen Front bringen werde. Die Versorgungslage gestalte sich immer günstiger, es lägen am Ladogasee grosse Mengen von Lebensmitteln bereit; nur die

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Transportfrage müsse noch gelöst werden, um eine normale Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Aber man glaubt den eigenen Erfolgsmeldungen nicht mehr. Besonders misstrauisch macht die Tatsache, dass die seit Anfang Januar in erheblich verringertem Format erscheinenden Zeitungen zwar über Erfolge an den verschiedensten Frontabschnitten zu melden wissen, jedoch von der Leningrader Front keinerlei Meldungen kommen. Berichte über die Versorgungsschwierigkeiten, die mangelhafte Ausrüstung und Verpflegung der deutschen Soldaten werden verlacht, denn es ist bekannt, dass die eigenen Rotarmisten hungern. Zu Zusammenrottungen, wie sie aus dem Dezember 1941 vereinzelt bekannt geworden sind, ist es in letzter Zeit anscheinend nirgends gekommen. Eine allgemeine Erscheinung ist das offene Schimpfen auf das eigene Regime in den anstehenden Reihen vor den Brotverteilungsstellen. Es wird dagegen auch nicht eingeschritten, da derartige Redensarten angesichts der allgemeinen Passivität und Resignation nicht als gefährlich betrachtet würden. Kennzeichnend für die psychologische Situation der Leningrader Bevölkerung ist der Groll, der sich wiederholt den deutschen Belagerern gegenüber äussert: „Sie sitzen satt und warm in ihren Bunkern und lassen uns hier vor Hunger verrecken“. Man rechnet innerlich fest mit der unausbleiblichen Einnahme der Stadt und ist erbittert darüber, dass dies nicht schneller erfolgt. Von der eigenen Regierung wird eine Besserung der Lage nicht mehr erwartet, sondern die Hoffnungen richten sich nur noch auf die Deutschen. Man wartet auf den Frühling, da mit dem Eintritt der warmen Witterung der Beginn der deutschen Operationen erwartet wird. Versorgungslage: Die Eröffnung einer Verbindung über die Eisstrasse des Ladogasees sowie die Organisation von Lebensmitteltransporten auf dem Luftwege gaben den Sowjets die Möglichkeit, am 25. 1. 42 abermals eine Erhöhung des Brotrationen vorzunehmen, nachdem eine solche bereits am 25. 12. 41 (von 250 bzw. 125 gr auf 350 bzw. 200 gr) stattgefunden hatte. Aussagen von Überläufern zufolge sollen an der Wolchowmündung bei Wolchowstroj grössere Mengen an Lebensmittelvorräten lagern, die nach und nach in die Stadt geschafft werden. Von den Einsatzgruppen B, C und D liegen keine Meldungen vor. BAB, R 58/221 1

Dabei handelte es sich um jenen Zug des Btl. Waffen-SS z. b. V., der dem SK 1a zugeteilt war.

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65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 182 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 18. März 1942. Die mit Ereignismeldung Nr. 179 vom 11. 3. 1942 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Leningrad: Neben der Lebensmittelversorgung bildet auch die Versorgung mit Wasser ein Problem, zumal für die Tätigkeit der Leningrader Bäckereien. Auch diese müssen das

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Wasser seit der Stillegung der Leningrader Wasserwerke der Newa entnehmen, wo an den verschiedenen Eislöchern die Zivilbevölkerung in langen Reihen nach Wasser ansteht. Heizmaterial wird nach wie vor durch Abreissen von Zäunen, zerschossenen Häusern, aber auch durch Demolierung ausgestorbener Wohnungen (Dielenbretter, Möbel) gewonnen. Die Miliz pflegt nicht mehr einzugreifen. Auch von den Kirchhöfen sieht man Menschen mit Holzkreuzen auf der Schulter kommen, welche zu Hause verheizt werden. Hinsichtlich der Treibstofflage scheint Anfang Januar eine gewisse Besserung eingetreten zu sein. Man sieht wieder, wenn auch nicht häufig, Kraftfahrzeuge, doch werden vorwiegend Lkw mit Holzgasantrieb verwandt. Tätigkeit der Partei und ihrer Organe: Die Propagandatätigkeit der Partei und ihrer Organe wird durch das Ausschalten der Strassenlautsprecher und den durch Stillegung der Druckereien erzwungenen Verzicht auf neue Plakate im wesentlichen auf die mündliche Wirksamkeit in den Gemeinschaftsunterkünften der kasernierten Arbeiter, Kasernen und Lazaretten beschränkt. Doch ist das Vertrauen soweit gesunken, dass selbst wahre Nachrichten nicht mehr geglaubt werden. Neu ist die Aufnahme einer propagandistischen Bearbeitung der russischen Zivilbevölkerung unmittelbar hinter den deutschen Linien durch Agenten, welche die im Frontgebiet herrschenden Ernährungsschwierigkeiten ausnützen, um die Bevölkerung durch Ausstreuung von Gerüchten über die beneidenswerte Ernährungslage im Sowjetgebiet und speziell in Leningrad gegen die Deutschen aufzustacheln. So wurde in dem hungernden Strjelna verbreitet, die Leningrader Brotrationen betrügen 900 gr täglich; in Wolodarka wurde erzählt, eine neue, „amerikanische“ Regierung hätte auf der Sowjetseite die Macht übernommen, die Leningrader Industrie wieder anlaufen lassen und die Stadt ausreichend mit Lebensmitteln versorgt. Die Tätigkeit dieser Propagandaagenten war nicht ohne Erfolg. Zur planmäßigen Ausbildung von Spionen und Sabotageagenten ist auf dem Wassilijewski-Ostrow, 16. Linie Nr. 81, eine neue Spionageschule für mehrwöchentliche Kurse unter Leitung eines Kapitän Reich eröffnet worden. Die Schule begann ihre Tätigkeit Mitte Dezember 1941 und zählte am 1. Februar 1942 ca. 60 Kursteilnehmer, vornehmlich Finnen. Die Ausbildung erfolgt im Skilaufen, Sprengtechnik, Geländekunde und Waffengebrauch. Die Verpflegung ist gut. Angesichts der deutschen Abwehrerfolge erhalten alle Teilnehmer Decknamen, deren sie sich untereinander zu bedienen haben. Den Deutschen gegenüber haben sie sich jedoch mit ihren echten Dokumenten auszuweisen. Rote Armee: Laut unkontrollierbaren Meldungen sollen im Laufe des Januar 1942 Truppenkontingente über den Ladogasee nach Osten abgeschoben worden sein. Hierfür seien besonders tüchtige Leute aus den verschiedenen Einheiten, u. a. aus dem 52. Regiment, ausgesucht worden. Bekannt ist von der anderen Seite, dass Unterführerersatz aus Sibirien für das vor Uritz liegende 14. NKWD-Regiment zur gleichen Zeit in Leningrad eingetroffen ist. Seit dem 23. 1. 42 ist die Frontverpflegung verbessert worden. Es werden mit gewissen Schwankungen im allgemeinen ausgegeben: täglich 600 gr Brot, 45 gr Butter, 35 gr Zucker, 125 gr Fleisch, oft mehrmals wöchentlich, sowie Grütze. Trotzdem ist die Stimmung der Truppe schlecht und vor allem die Disziplin ungemein gesunken. Nachlässige und verspätete Ausführung von Befehlen, Maulen und Widerreden sind an der Tagesordnung, sogar bei den als besser diszipliniert geltenden Marinetruppen. Das regelmäßige Aufziehen und die Ablösung der Posten in den Frostnächten kann oft erst durch wiederholte Ermahnungen durchgesetzt werden. Wirkliche Autorität den Mannschaften gegenüber haben nur noch die Politruks, die sehr gefürchtet werden. Zur Aufrechterhaltung der Kampfmoral soll nach einem Befehl Stalins jeder Umgang mit dem weiblichen

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Geschlecht verboten worden sein. Ferner ist es verboten, vom Gegner anders als mit den Bezeichnungen „Okkupanten“, „Partisanen“ oder „Faschisten“ zu reden. Angehörige der als unzuverlässig geltenden Völkerschaften (Tataren, Finnen usw.) dürfen nicht allein auf vorgeschobene Posten geschickt werden. Für die Stimmung der Truppe ist die Motivierung bezeichnend, welche seitens der Soldaten und Offiziere für die sinnlosen vielen Einzelangriffe auf die deutschen Stellungen gegeben wird: Da L. ohnehin nicht zu halten sei, die Armee aber nicht kapitulieren dürfe, so sei die oberste Führung der Leningrader Front daran interessiert, den Bestand ihrer Kräfte in erfolglosen Angriffen möglichst schnell zu verbrauchen. Jeder dieser Angriffe bedeute bis zu 80 % Totalverluste. Wenn auf solche Weise erst das Soldatenmaterial aufgebraucht sei, dann habe die oberste Führung die Möglichkeit, mit den Flugzeugen L. zu verlassen und in Moskau zu melden, dass die Stadt in Ermangelung von Truppen nicht mehr länger zu halten gewesen sei. Nur in diesem Falle sei sie vor dem Genickschuss des NKWD sicher. Nationaler Feiertag am 16. 2. 1942: Am 16. Februar feierten die Litauer den Tag ihrer nationalen Unabhängigkeit. Bereits einige Tage vor dem 16. Februar machte sich in nationalistischen Kreisen, besonders bei der Studentenschaft und bei der Schuljugend, eine Steigerung des Patriotismus bemerkbar. Bereits etwa 1 Woche vorher wurden in der Universität und in den Schulen Aufrufe verbreitet, die zur Teilnahme an der Feier der Fahnenstreichung am 16. 2. am Kriegsmuseum sowie zu der darauf folgenden Ehrung der Gefallenen am Grabe des unbekannten Soldaten und an dem Denkmal für die gefallenen Partisanen aufforderten. Die Führer der ehem. Aktivistenfront sowie auch der Nationalistenpartei haben ihren ehem. Anhängern, soweit sie es vermochten, mündlich den Befehl erteilt, an der Feier vor dem Kriegsmuseum und auf dem Kirchhof teilzunehmen. Die Geistlichkeit ermahnte ihre Anhänger, an diesem Tage die Kirche zu besuchen. Am 16. Februar 42 versammelten sich um 17 Uhr ca. 10 000 Menschen vor dem Kriegsmuseum. Es wurden die litauische und deutsche Nationalhymne gesungen. Ebenso wurde das Lied gesungen: „Maria, Maria, errette uns aus der Sklaverei“ (hierbei handelt es sich um ein politisch-chauvinistisches Kirchenlied). Nach Abschluss der Feier am Kriegsmuseum strömten die Menschenmassen zum Kirchhof, um die Gräber der gefallenen Soldaten und Partisanen mit Kränzen zu schmücken. Auch hierbei wurde die litauische Nationalhymne gesungen. An vielen öffentlichen Gebäuden und privaten Häusern war an diesem Tage die litauische Flagge gesetzt worden. An den öffentlichen Gebäuden war sie meist zugleich mit der Hakenkreuzfahne aufgezogen. Kommunistische Kreise hatten anfangs die Absicht, durch Provokation Zwischenfälle auszulösen und innerhalb der Menschenansammlung vor dem Museum und auf dem Kirchhof gegen Deutschland gerichtete Schlagworte loszulassen. Man hat von diesem Vorhaben scheinbar Abstand genommen aus Furcht vor der patriotischen Menge. Stimmungsmäßig wirkte sich innerhalb der Öffentlichkeit besonders gut aus, dass von deutscher Seite die Feier in keiner Weise gestört wurde und dass auch die litauischen Fahnen gesetzt werden durften. Deutsche Soldaten und Offiziere, die während der Feier in der Menge standen oder sich in der Nähe aufhielten, wurden in keiner Weise von irgendeiner Seite beleidigt oder angegriffen, sondern im Gegenteil von den zahlreichen Partisanen, die in Uniform an der Feier teilnahmen, achtungsvoll und freundlich gegrüsst. Litauen: Am 11. 3. 42 sind in Nähe von Toruka 5 schwerbewaffnete und mit Flugschriften in litauischer Sprache ausgerüstete russische Fallschirmjäger abgesprungen. Zwei davon wurden bei Verfolgung erschossen, drei sind entkommen. Weitere Verfolgung aufgenom-

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men. Der Metropolit Sergius in Wilna, der sich zeitweilig in Riga aufhielt, hat sich an seinen Bestimmungsort – Bistum Wilna – begeben. Lettland: In Dünaburg wurden am 28. 2. 21 kranke, nicht mehr arbeitsfähige Juden und 12 unheilbar Geisteskranke1 exekutiert. Russische Flugzeuge haben in den letzten Tagen im Kreise Abrene Flugblätter kommunistischen Inhalts abgeworfen. Mehr als 1000 solcher Flugblätter aufgefunden. Der Metropolit Augustin ist auf die Dauer von 3 Monaten in Urlaub gegangen; an seiner Stelle hat die Leitung der Kirchengeschäfte der Bischof Alexander von Modohn übernommen. Weissruthenien: Festgenommen wurden 14 Personen wegen Unterstützung der Partisanenbewegung, 1 Jüdin ohne Kennzeichen und Politkommissare, die im Stalag in Minsk eine Partisanenwerbestelle unterhielten. In Morocz erschienen 50 berittene Partisanen und hoben die dortigen weissruthenischen Schutzmannschaften aus. 3 Schutzmänner gefallen, die Übrigen in Gefangenschaft geraten und verschleppt. In Uretsche, Kreis Sluzk, haben ungefähr 10 jüdische Einwohner das Ortsghetto verlassen und sind zu den sich in der Nähe aufhaltenden Partisanen übergetreten. Am 8. 3. in Winsnor, Rayon Kolky, 28 weissruthenische Schutzmänner von Partisanen erschossen. Die in Minsk laufend durchgeführten Kontrollen der schwarzen Märkte haben ein Sinken der Lebensmittelpreise bewirkt. Auch der Tauschhandel ist zurückgegangen; Geldumlauf steigt dadurch an. Wegen wachsender Partisanengefahr beginnt Wehrmacht die im Laufe des Sommers entlassenen Kriegsgefangenen wieder einzufangen und den Stalags zu überstellen. Die Wiederfestsetzung der Kriegsgefangenen wird von den Partisanen damit beantwortet, dass sie ihrerseits alle auf den Kolchosen arbeitenden ehemaligen Kriegsgefangenen zur Partisanenbewegung einberufen. Es mehren sich die Nachrichten, dass neben den ausgesprochenen Partisanenbanden neuerdings auch Banden auftreten, die die Zivilbevölkerung in kleineren Ortschaften berauben und die Viehbestände plündern. In der Zeit vom 5.–8. 3. 42 bei verschiedenen Streifen gegen Partisanen im Bereich der 707. ID insgesamt 58 Personen aufgegriffen. Davon 30 an Ort und Stelle erschossen. Stimmung der Landbevölkerung beginnt, je weiter Propaganda über Agrarreform durchdringt, besser zu werden, obgleich Gegenpropaganda entsprechend arbeitet. Im Gegensatz hierzu nimmt Stimmungsverschlechterung in Städten zu. In Rudensk (Minsk-Land) fand wegen der Agrarreform 1. grössere Versammlung sämtlicher Gemeindevorsteher und Kolchosältesten unter Vorsitz des Gebietskommissars statt. Stimmungsmäßiger Erfolg sehr gut. Agitation polnischer Widerstandsbewegung hält in Weissruthenien unvermindert an. Es wird immer offensichtlicher, dass Widerstandsbewegung ihre Tätigkeit organisatorisch durchdacht hat. Estland: Unter wohlhabenden Kreisen der Landbevölkerung englandfreundliche Stimmung zu spüren. Während die Esten durch einen Sieg Englands die Selbständigkeit erhoffen, rechnen andere damit, dass Deutschland, auch wenn es siegreich aus dem Krieg hervorgeht, doch nicht die Kraft haben werde, die ganzen Ostgebiete zu beherrschen; es wird daher den baltischen Staaten die Selbständigkeit zurückgeben müssen. Der englische Rundfunk soll sich über Festlichkeiten aus Anlass des Freiheitstages in Estland und Litauen dahingehend geäussert haben, dass Deutschland sich durch diese Nachgiebigkeitspolitik bei den baltischen Völkern beliebt machen wolle. Die Feiern seien nur auf Forderung der Finnen zugelassen. Zugleich mit der gesamten Rechtspflege hat in Estland die Tätigkeit des deutschen Gerichts und Sondergerichts begonnen. 1. Sitzung des Sondergerichts, die von Generalkommissar Litzmann eröffnet wurde, fand am 11. 3. 42 statt. Von den Einsatzgruppen B, C und D liegen keine Meldungen vor. BAB, R 58/221

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1 Hinsichtlich der „geistig Zurückgebliebenen“ existierten von ‚oben‘ ebenfalls keinerlei zentrale Tötungsbefehle; vgl. Angelika Ebbinghaus/Gerd Preissler: Die Ermordung psychisch kranker Menschen in der Sowjetunion. Dokumentation, in: Götz Aly (Hrsg.): Aussonderung und Tod. Die klinische Hinrichtung des Unbrauchbaren, Berlin 1985, S. 75–107. Hans-Walter Schmuhl: Vergessene Opfer. Die Wehrmacht und die Massenmorde an psychisch Kranken, geistig Behinderten und „Zigeunern“, in: Karl Heinrich Pohl (Hrsg.): Wehrmacht und Vernichtungspolitik. Militär im nationalsozialistischen System, Göttingen 1999, S. 119, schätzt die Zahl der ermordeten Psychiatriepatienten in der besetzten Sowjetunion auf 10000–20000.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 20. März 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 183 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 20. März 1942. Die mit Ereignismeldung Nr. 179 vom 11. 3. 1942 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Vertrieb lebensgefährlicher Flüssigkeit im Schleichhandel: Bei ihrem Rückzuge hat die bolschewistische Armee vielfach Brennstoff zurückgelassen, der nicht in die Hände der deutschen Wehrmacht gefallen ist, sondern den sich die einheimische Bevölkerung angeeignet hat. In Litauen wird dieser Brennstoff von Schiebern und Spekulanten als Gasol oder unter anderen Namen verkauft. Der fragliche Brennstoff stellt eine äußerst gefährliche Flüssigkeit dar, die bei der sowjetischen Luftwaffe Verwendung fand. Die Flüssigkeit hat mit Gasol, Benzin oder Naphtaprodukten nichts gemein und kann als Ersatz für diese Produkte nicht gebraucht werden. Sie hat eine rötliche oder bläuliche Farbe und besitzt einen starken aromatischen Duft (Blumen oder Äpfel). Beim Verbrennen zeigt die Flüssigkeit eine starke Rauchentwicklung. Sie verdampft sehr leicht. Der Rauch und die Dämpfe sind äußerst giftig. Im Bereich des Generalkommissariats Litauen sind bis jetzt 30 Todesfälle zu verzeichnen, die durch den Gebrauch dieser äußerst gefährlichen Flüssigkeit herbeigeführt worden sind. Fast sämtliche Vergiftungsfälle verlaufen meistens tödlich. Aus Litauen: Am 12. 3. 42 bei Labilisch, Krs. Birsen, sind 10 sowjetische Fallschirmspringer abgesprungen. Bei Verfolgung wurden alle 10 erschossen. Die Fallschirmspringer waren mit Waffen, Handgranaten, Kartenmaterial, Pässen, deutschem und russischem Geld und einem Sendegerät versehen. Sämtliche Gegenstände wurden sichergestellt. Aus Weißruthenien: In der Zeit vom 5.–28. 2. wurden von der Hauptaussenstelle Wilejka 29 Juden, 4 Kommunisten, 5 Partisanen, 5 Volksschädlinge und 4 Personen wegen Sabotage erschossen. Weitere 16 Personen wurden festgenommen. Bei einer Razzia gegen Arbeitsverweigerer in Minsk wurden 11 Personen festgenommen und dem SS-Arbeitslager überstellt. Der Leiter des weißruthenischen Straßenbaubüros wurde mit mehreren Mitarbeitern wegen Zugehörigkeit zur kommunistischen Partei und Unterstützung von Partisanen festgenommen. Der Rayonbürgermeister von Pleszenice und dessen Sohn wurden

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wegen deutschfeindlicher Einstellung festgenommen. Partisanentätigkeit tritt von Tag zu Tag stärker in Erscheinung. So sind im Raume des Gebietskommissars Luzk Partisanen in Stärke bis zu 100 Schlitten aufgetreten. Sie räubern Kolchosen aus und stehlen das Saatgetreide. Im Kreise Starobin sind Partisanen in Stärke von 600 Mann aufgetreten. Sämtliche Bürgermeister und Kreisvorsteher und Beamte sind vor den Partisanen geflüchtet. An der Rollbahn Minsk–Bobruisk wurde 4 km südlich Duroka eine Holzbrücke durch Partisanen zerstört. Weitere Brückenzerstörungen fanden auf der Straße Duroka–Rudensk statt; eine 200 m lange Holzbrücke über den Fluss Wislotsche bei Duroka wurde ebenfalls zerstört. Trotz wachsender Freude über Klärung der Kolchosfrage ist die Stimmung der Landbevölkerung durch rege Partisanentätigkeit gedrückt, z. T. geradezu feindlich. In Gegenden, in denen Wehrmacht oder Polizei nicht vorhanden, finden Arbeitsverweigerungen, Rückgang der Sollablieferungen, Gerüchteverbreitung in einem noch nie dagewesenen Umfange statt. Die Ernährungslage in Minsk und Witebsk ist z. Zt. besorgniserregend. Polnischer Großgrundbesitz in zahlreichen Dörfern zwischen Wilejka und Ilja begünstigt den Aufenthalt von Polen aus Litauen, womit diese sich einem Arbeitseinsatz im Reich entziehen können. Das Gebiet Minsk-Land hat als erstes des Generalkommissariats die Versammlungswelle für Kolchosvorsitzende abgeschlossen. Stimmungsmäßiger Erfolg z. T. außerordentlich gut. Infolge Fehlens einer umfassenden deutschen Aufklärung und Propaganda wird Bevölkerung von dem langsamen, aber stetigen Vordringen der deutschen Truppen wenig beeindruckt. Propaganda der Sowjets weitaus aktiver. Aus Estland: Der Abtransport von estnischen Freiwilligen an die Ostfront hat bei estnischer Bevölkerung lebhaften Widerhall gefunden. Die Tatsache, daß estnische Freiwillige für besondere Tapferkeit das EK verliehen bekommen haben, hat in der Bevölkerung große Befriedigung ausgelöst. Verleihung Beweis dafür, daß Leistungen der estnischen Soldaten von der deutschen Führung anerkannt werden. Aus Pernau wird berichtet, daß dort junge Leute, die sich s.Zt. zum RAD gemeldet hatten und jetzt zur Musterung vorgeladen wurden, von Altersgenossen verprügelt worden sind. Auswirkung: Zurücktreten der RAD-Bewerber. Einsatzgruppe B: Standort Smolensk. Vollzugstätigkeit: Das SK 7b meldet: In der Zeit von Mitte Januar bis Mitte Februar 1942 wurde in Orel eine Organisation ausgehoben, in der sich Partisanen und illegale Propagandisten der KP zusammengeschlossen hatten. Sie hatte die Aufgabe, Sabotageakte an Wehrmachtseinrichtungen und Überfälle vorzubereiten und durchzuführen. Die Grundlage für diese Organisation war bereits vor der Besetzung Orels durch die deutschen Truppen vom NKWD vorbereitet worden. Unmittelbar vor dem Abmarsch der roten Truppen wurde der Russe Dimitri J. vom NKWD verpflichtet, nach der Besetzung Orels durch die Deutschen weiterhin die Belange der Sowjets zu wahren. Er will den Auftrag angenommen haben, weil er befürchtet habe, im Falle der Ablehnung erschossen zu werden. Es wurde ihm erklärt, daß zu gegebener Zeit ein Verbindungsmann mit Anweisungen für seine Tätigkeit sich bei ihm melden werde. Am 17. Januar 1942 trat der Verbindungsmann an J. heran und erklärte ihm, er werde nunmehr mit Aufträgen versehen werden, über deren Ausführung er zu berichten habe. Kurz darauf wurde J. auf Grund der Mitteilung eines Agenten festgenommen. J., der bereitwillig zur Sache aussagte und sich zur Mitarbeit verpflichtete, wurde angewiesen, mit dem Verbindungsmann in Fühlung zu bleiben. Auf Grund der von J. überbrachten Nachrichten konnten die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet werden, die dazu führten, daß die Organisation zerschlagen wurde, ihre Mitglieder festgenommen werden konnten und daß das Vorhaben

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im Keime erstickt wurde. Insgesamt wurden 9 Personen, unter ihnen 2 Frauen, festgenommen. Die Feststellungen haben folgendes Bild ergeben: Der Russe Stepanow, der sich unter den Festgenommenen befindet, wurde im Oktober 1941 auf sowjetischer Seite im Orte Plawsk von einem Parteisekretär der KP Schewtschenko angeworben und erhielt den Auftrag, in der Umgebung Orels eine kommunistische Organisation aufzubauen. Alle Kommunisten dieses Gebietes sollten neu erfaßt werden, ferner auch solche Nichtmitglieder, die infolge der veränderten Frontlage mit den Kommunisten sympathisierten. Die Mitglieder der Organisation sollten mit kommunistischem Propagandamaterial ausgerüstet werden, dieses Material vervielfältigen und unter die Bevölkerung verbreiten. Es war ferner geplant, durch Einzelaktionen Lagerräume und Magazine der deutschen Wehrmacht zu zerstören. Die wieder in Zellen zusammengefaßten Gruppen sollten im Falle eines Rückzuges der deutschen Truppen als Partisanengruppen in deren Rücken kämpfen. Stepanow war angewiesen, sich aus Tarnungsgründen eine Beschäftigung bei der deutschen Wehrmacht zu beschaffen und dort durch fleißiges Arbeiten das Vertrauen der deutschen Soldaten zu erwerben. Es werde ihm auf diese Weise leicht fallen, Passierscheine für die Nacht und auch nach anderen Orten zu erhalten. Er sollte sich ferner nach Möglichkeit mit deutschen Soldaten anfreunden, damit er unter deren Schutz in die einzelnen Dörfer fahren könne und dort unauffällig seine Aufbauarbeit für die Organisation leisten. Für den Kurierdienst zu den einzelnen Zellen sollten möglichst junge Mädchen oder Frauen verwendet werden, da die deutschen Soldaten diese meist ungehindert passieren ließen. Es gelang Stepanow in kurzer Zeit, eine Beschäftigung bei einer Wehrmachtseinheit in Narischkino zu erhalten. Er hatte sich auch bald das Vertrauen deutscher Soldaten erschlichen und kam so in den Besitz eines Passierscheines. Er freundete sich besonders mit einem Soldaten dieser Einheit an, den er dazu benutzte, die ebenfalls festgenommene Kirsanowa in Loschakowo von seinen jeweiligen Plänen in Kenntnis zu setzen. Dieser Soldat, der jede Gelegenheit benutzte, um mit der Kirsanowa zusammensein zu können, hat die Zettel mit in russischer Sprache geschriebenen Nachrichten, die er nicht lesen konnte, ohne Widerspruch übermittelt. Durch diese Umstände begünstigt, war es Stepanow im Verlauf von nicht ganz zwei Monaten gelungen, den Grundstock zu der Organisation zu legen. Mitte Januar 1942 hatte Stepanow ein Flugblatt in Umlauf gesetzt, das die Mitglieder der Organisation vervielfältigen und in den Dörfern und in Orel öffentlich ankleben sollten. Das Flugblatt konnte erfaßt werden. Besondere Aufträge hatten von Stepanow die Kirsanowa und ein ebenfalls festgenommener Russe Kolzow erhalten, die u. a. in Narischkino ein Wehrmachtsmagazin unter Verwendung von Benzin in Brand setzen sollten. Die übrigen Mitglieder waren zunächst in erster Linie zur Anwerbung neuer Mitglieder und zur Verbreitung der Flugblätter verpflichtet. Nach dem Fortzug der Wehrmachtseinheit, bei der Stepanow beschäftigt war, konnte er trotzdem ungestört seinen Organisationsarbeiten nachgehen, da ihm von der Einheit weder die Passierscheine noch die Armbinde abgenommen worden waren. Ferner war dem Stepanow von einem deutschen Soldaten, der kurze Zeit in seinem Hause einquartiert war, ein Uniformrock geschenkt worden. So ausgerüstet mit einem deutschen Uniformrock, Armbinde und den erforderlichen Passierscheinen war es für ihn leicht, ungehindert und unauffällig zu arbeiten. Die Ermittlungen laufen weiter. Einsatzgruppe C: Standort Kiew. In Kiew wurde am 14. 3. 42 eine illegale kommunistische Organisation ausgehoben, die sich mit der Anfertigung und Verbreitung von Flugblättern und kommunistischer Propaganda befaßte. Die Ermittlungen sind noch im Gange. Bisher wurden 25 Mitglieder

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und Zuträger der Organisation festgenommen. 10 Personen wurden bei einem Treff überrascht und festgenommen. Um die gleiche Zeit wurde in Kiew ein früherer Angehöriger der ukrainischen Schutzmannschaften festgenommen, der nach Abzug der Sowjets KPund NKWD-Mitglieder aus der Haft befreit, Anzeigen, die gegen Kommunisten gerichtet waren, unterschlagen, an Plünderungen teilgenommen und an Kommunisten und NKWD-Agenten Ausweise ausgestellt hat. Der Kommandeur der Sipo u.d. SD Rowno erfaßte 12 Personen, die kommunistische Flüsterpropaganda getrieben und Feindsender abgehört und deren Nachrichten verbreitet hatten. Im Kreisgebiet Proskurow wurden 4 Personen festgenommen, die einer Partisanengruppe angehörten. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Die Vermutung, daß Zusammenhang zwischen diesen Personen und der in Starokonstantinow ausgehobenen größeren Partisanenabteilung besteht, ist noch nicht bestätigt. Im Bereich der Stadt Shitomir wurden 15 Flugblätter erfaßt, die zum Widerstand und Partisanenbildung auffordern. Aufforderung zum Durchhalten erfolgte mit dem Hinweis, daß die Rückkehr der Bolschewisten im Frühjahr gewiß sei. Nikolajew meldet erhöhte kommunistische Flüsterpropaganda. Ermittlungen haben noch zu keinen näheren Feststellungen geführt. Im Bereich des rückwärtigen Heeresgebietes wurden, wie das Kommando Krementschug meldet, zwischen 5. und 8. 3. 42 mehrere Orte sicherheitspolizeilich überholt. Dabei wurde festgestellt, daß viele kommunistische Funktionäre sich auf das flache Land zurückgezogen haben. Nach ihnen wird zum Zwecke der Festnahme gefahndet. In Charkow wurden in der Zeit vom 11. bis 13. 3. 42 6 NKWDAgenten und 24 aktive Kommunisten wegen KP-Propaganda festgenommen. Wie das SK 4b, Gorlowka, meldet, wird in Kramatorsk und Slawjansk die Frontnähe zum Anlaß genommen, wieder aktiv zu werden, Anordnungen der Wehrmacht unbeachtet zu lassen und z. T. offen dagegen Stellung zu nehmen. Unterstützt von bolschewistischer Flugblattpropaganda werden unglaubliche Gerüchte über Erfolge der Sowjets und Verluste der Deutschen planmäßig verbreitet. Das EK 6, Stalino, hat am 10. 3. 42 elf aktive Kommunisten festgenommen. Bei einem wurden Schusswaffen und ganze Vorführungsapparate mit Schulungs- und Propagandafilmen gefunden. Ukrainische Widerstandsbewegung: Am 25. 2. 42 wurden in Kiew 3 ukrainische Kraftfahrer festgenommen, die durch Nichtbefolgen bestehender Befehle und durch fahrlässiges Verhalten die Sicherheit städtischer Kraftfahrkolonnen und die pünktliche Erledigung der Nahrungsmittelzufuhr für die Stadt Kiew gefährdeten. Weiterhin wurde in Kiew der Rechtsanwalt und ukrainische Emigrant Bagrjanowsky, Nikolaus, wegen politischer Umtriebe festgenommen. In Smoligo bei Luzk, Kommandeurbereich Rowno, wurden ein Pfarrer nebst Sohn vermutlich von Bandera-Anhängern ermordet. Ermittlungen sind noch im Gange. Eine größere Bandera-Organisation wurde Ende Februar 1942 in Shitomir ausgehoben. Im Rahmen der Aktion wurden zwischen 10. und 13. 3. 42 neuerdings 12 Bandera-Angehörige festgenommen. Am 8. 3. 42 wurde in Krementschug eine Gruppe von Bandera-Anhängern festgenommen. Einzelheiten liegen noch nicht vor. In Stalino wurde, wie das EK 6 berichtet, am 10. 3. 42 ein Bandera-Aktivist festgenommen. Sabotage, Arbeitsniederlegung: Am 11. 3. 42 wurde vom Kommandeur der Sipo u.d. SD Kiew ein Ukrainer aus Kasatin festgenommen, der an der Zerstörung des Kiewer Bahnhofs nach Abzug der Roten Armee teilgenommen hat. In Petschanowka bei Tschumow (Kommandeurbereich Shitomir) blieben in der letzten Zeit wiederholt ukrainische Arbeiter von der Baustelle der Eisenbahnen weg. Es wurden deshalb am 12. 3. 42 2 Rädelsführer erhängt. Maßnahme wirkte sich auf der Baustelle sehr günstig aus. In der Zuckerfabrik Korowinze im gleichen Bereich wurde der Direktor auf dem Fabrikhof erhängt, da er

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absichtlich falsche Anweisungen erteilte, damit der Zucker unbrauchbar wurde. Er trieb außerdem Schleichhandel mit Melasse und war als Deutschenhasser bekannt. Aus Nikolajew wird der Brand zweier Flughallen gemeldet, der zur Vernichtung von Flugzeugen und Material führte und beträchtlichen Schaden anrichtete. Sabotage wahrscheinlich. Täter konnte nicht festgestellt werden. Es wurden deshalb 10 Geiseln erhängt. Nach einem Bericht des SK 4a, Charkow, forderten in einem Schmiedebetrieb der OT 2 Ukrainer zur Arbeitsniederlegung auf. Sie wurden erhängt. In der Nacht vom 10. zum 11. 3. 42 wurden die Gleisanlagen bei Selidowka (Strecke Grischino–Stalino) gesprengt. Die Bahnstrecke war 12 Stunden unterbrochen. Die Untersuchung ist noch im Gange. Bisher wurden 3 verdächtige Personen festgenommen. Festnahme und Erschießung kommunistischer Aktivisten als Geiseln ist beabsichtigt. Aus Stalino wird ein Sprengstoffanschlag am 10. 3. 42 berichtet. Näheres ist noch nicht bekannt. Am gleichen Ort wurden um 9. 3. 42 vier Arbeitsverweigerer festgenommen. Bei Romny, rückwärtiges Heeresgebiet, wurde ein Sabotagetrupp von 20 Mann festgenommen, der mit Fallschirm abgesprungen war und Auftrag hatte, die Bahnlinie Poltawa–Krementschug zu sprengen. Abwehr: Am 9. 3. 42 wurde in Dnjepropetrowsk eine Sowjetagentin festgenommen, die im Februar 1942 vom NKWD aus dem Gefängnis Woronesh entlassen wurde und Auftrag hatte, die Frontlinie bei Losowaja zu durchgehen. Sie wurde von einem Politruk und 2 Offizieren durch die Front gebracht. In Shitomir wurden am 10. 3. 42 vier ehemalige ukrainische Kriegsgefangene exekutiert, da sie nach der Entlassung aus der Gefangenschaft versuchten, durch die deutschen Kampflinien zu den Bolschewisten zu gelangen und Nachrichten über deutsche militärische Verhältnisse zu übermitteln. Sonstiges: Laut Bericht des Kommandeurs der Sipo u.d. SD in Rowno vom 10. 3. 42 wurde ein in Proskurow eingesetzter Kreislandwirtschaftsführer wegen Rassenschande und sonstiger Exzesse festgenommen. In Charkow wurde der frühere ordentliche Professor Warlerij Kowalow wegen deutschfeindlichen Verhaltens festgenommen. Er ist Träger des Leninordens. Meldungen der Einsatzgruppe D liegen nicht vor. BAB, R 58/221

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 23. März 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 184 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 23. März 1942. Die mit Ereignismeldung Nr. 179 vom 11. 3. 1942 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Litauen: 1.) Am 14. 3. 42 sind in Wilna 22 Polen festgenommen worden, die in grossem Umfange Lebensmittelkarten gefälscht oder gefälschte Karten angeboten haben. In der Umgebung von Jonava sind in letzter Zeit bewaffnete Kriegsgefangene festgestellt wor-

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den. 2.) Das zur Befriedung dieser Gegend eingesetzte Sicherheitspolizeikommando stellte auf dem Gute Santakai bewaffnete Kriegsgefangene fest. In einem Feuergefecht wurden 1 russischer Kriegsgefangener und 1 Jude getötet. Die Fahndungsaktion ist noch nicht abgeschlossen. 3.) Am 13./14. 3. sind in der Umgebung von Pabrade 4 weitere Polen festgenommen [worden], die zu einer grossen Partisanenorganisation gehören. Unter den Verhafteten befindet sich der ehem. Schullehrer Peter Schemirski aus Vorwerk Drusziany, der ein führendes Mitglied der aufgedeckten Organisation war. Lettland: 1.) Im Gebiet des Generalkommissars sind in den letzten Tagen mehrfach russische Fallschirmjäger abgesetzt worden. So konnte am 2. 3. 42 bei dem Dorf Zahori bei Abrene der Absprung eines Fallschirmjägers, am 3. 3. 42 bei Sommerseeta, etwa 50 km nördlich von Dünaburg, gleichfalls der Absprung eines und in der Nacht vom 7. zum 8. 3. im Bereich der Gemeinde Birskale, etwa 50 km südwestlich von Riga, der Absprung von etwa 7–8 Fallschirmjägern beobachtet werden. 2.) In Ligat bei Riga und in Modohn sind mittels Handdruckkasten gefertigte Flugblätter in lettischer Sprache deutschfeindlichen Inhalts in grösserem Umfange verbreitet worden. Weissruthenien: 1.) In Ilja, östlich von Wilejka, wurden am 17. 3. 520 Juden erschossen.1 2.) Im Verlauf von Strassenkontrollen wurden in Minsk 11 Personen wegen Arbeitsverweigerung festgenommen und dem SS-Arbeitslager zugeführt. 3.) Die immer schlechter werdende Stimmung in den weissruthenischen Intelligenzkreisen über die unter dem augenblicklichen Existenzminimum liegenden Gehälter – ein Lehrer erhält 500 Rubel, 1 Arzt 300 Rubel Monatsgehalt – hat den Generalkommissar veranlasst, für den 1. Mai dieses Jahres eine Gehaltsaufbesserung für die Angestellten anzukündigen. 4.) Infolge der herrschenden Lebensmittelknappheit nimmt das Verlassen der Arbeitsplätze durch die werktätige Bevölkerung in immer grösserem Umfange zu. Die arbeitende Bevölkerung versucht sich auf das Land durchzuschlagen. 5.) Aus den nordweissruthenischen Gebieten werden die Meldungen häufiger, dass die polnische Widerstandsbewegung mit kommunistischen Elementen zusammenarbeitet. 6.) Die von deutschfeindlicher Seite verbreiteten Ankündigungen über bevorstehende Fliegerangriffe grösseren Ausmaßes auf Minsk finden bei der Bevölkerung Glauben, zumal der auf den 8. 3. angekündigte Fliegerangriff tatsächlich auch erfolgt ist. In der Bevölkerung hat sich eine grosse Beunruhigung bemächtigt, die dazu geführt hat, dass im Brennpunkt deutscher Dienststellen liegende Strassenzüge von den Einwohnern vorübergehend geräumt worden sind und dass zahlreiche russische Angehörige deutscher Dienststellen um Urlaub nachgesucht haben. 7.) Am 18. 3. 42 in Minsk 23 Personen festgenommen. Davon 5 Juden mit falschen Pässen, 1 NKWD-Agent, 1 früherer NKWD-Funktionär, 1 sowjetrussischer Oberleutnant, der vor längerer Zeit aus der Kriegsgefangenschaft entwichen war. 8.) Im Kreise Sluzk gelang Festnahme des Vorsitzenden des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Weissrusslands Ssyman. S. wurde am 14. 3. erschossen. 9.) Bei der Stadtbevölkerung in Minsk hat sich stimmungsmäßig positiv ausgewirkt, dass diejenigen Einwohner, die durch sowjetische Luftangriffe geschädigt worden sind, von dem Stadtkommissar eine Unterstützung erhalten werden. 10.) Bei der letzten Kolchosversammlung im Gebiet Minsk sandten Bauern an den Führer ein Danktelegramm. Am Tage zuvor überreichte ein Kolchosbauer dem Vertreter des Gebietskommissars eine Spende der „Freien Bauern“ von 20 000 Rubel. Estland: Der Aufruf zur Metallspende hat in weiten Kreisen der Bevölkerung eine positive Aufnahme gefunden. Mangel an Zucker wird in der Bevölkerung stark beklagt. Als Folgeerscheinung ein lebhafter Schwarzhandel mit Sacharin festzustellen, für 1 g werden

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bis zu 3,– RM gezahlt. Je mehr es der Frühjahrsbestellung entgegengeht, desto mehr laufen Klagen über den passiven Widerstand der Bauern einzelner Gegenden bei Unterstützung der Waldaufarbeitungsaktion ein. Bauern versuchen nicht nur ihre Pferde zu schonen, sondern befürchten auch ein zu starkes Abnutzen des Pferdegeschirrs, das sie bei dem herrschenden Ledermangel nicht mehr ausbessern und ersetzen können. Gebiet um Leningrad: Am 16. 3. wurden am Pendikowosee in Nähe von Tosno mittels Flugzeugen abgesetzte Sowjetagenten nach Feuergefecht gefangengenommen. Von den Einsatzgruppen B und C liegen keine Meldungen vor. Einsatzgruppe D: Standort Simferopol. I. Allgemeine Lage und Ernährung: In der Berichtszeit traten die Kriegsereignisse auf der Krim als Stimmungsfaktor wieder stark in Erscheinung. Den Großangriffen sowohl an der Sewastopol- als an der Kertsch-Front Ende Februar folgten fast täglich erneute Vorstöße der Russen, die sich in den letzten Tagen auf der Halbinsel Kertsch wieder zu Großangriffen steigerten. Wirkte sich diese Lage bereits drückend auf die Stimmung der Bevölkerung aus, so wurden die Einwohner in den Städten, besonders in Simferopol, durch starke Fliegerangriffe und durch Verteidigungsmaßnahmen der deutschen Truppen in den Straßen (Bunker und Schießschartenbauten) sehr beunruhigt. Für die Küstenstädte kam die Beschießung durch Schiffe der Roten Flotte sowie die dauernde Angst vor neuen Landungen der Russen hinzu, wobei, wie besonders in Jalta, ausserdem bekannt wurde, daß sich verstärkte Partisanengruppen in bedrohlicher Nähe der Stadt sammelten. Während die Lage allgemein als ernster und angespannt zu bezeichnen ist, zeigten sich in Feodosia krassere Auswirkungen. Die Furcht vor Rückkehr der Roten ist hier infolge der Frontnähe und der Erfahrungen bei der Wiederbesetzung durch die Russen so stark, daß sich der größte Teil der Einwohner den deutschen Maßnahmen gegenüber passiv verhält und es bereits schwierig ist, Mitarbeiter für die Fahndungstätigkeit des Kommandos zu finden. Außerdem bestimmt die Ernährungslage hier besonders die Haltung der Bevölkerung, da in Feodosia ausser einer Brotration von 200 Gramm pro Kopf täglich nichts ausgegeben wird und auch die Fischerei ruht. Zur Entlastung der Versorgungslage in Simferopol und anderen grösseren Orten wurde in der Berichtszeit die Aussiedlung von Bewohnern in nördlichere Landgebiete sehr aktivisiert. Aus Simferopol werden allein täglich bis 150 Personen umgesiedelt. In verschiedenen Bereichen der Krim ist die Sorge um die Ernährung bereits stark in den Hintergrund getreten. Aluschta konnte sogar die tägliche Brotration um 100 Gramm erhöhen und in 6 Speisehäusern u. a. auch Fleischgerichte ausgeben. II. Vollzugstätigkeit: Neben den bereits genannten Feindeinwirkungen traten in den letzten 2 Wochen kleinere Fallschirmtrupps besonders in den Nordteilen der Krim mit Sprengaufträgen usw. auf, so daß auf die weitere sicherheitspolizeiliche Durchkämmung auch von seiten der Wehrmacht grösster Wert gelegt wurde. Ausser weiteren Teilen der Mittelkrim wurden die Landengengebiete, in denen sich immer wieder unzuverlässige Elemente sammeln, erneut überholt. Auf Grund des hier bereits arbeitenden V-MannNetzes führten die Ermittlungen in der Berichtszeit gerade in dünnbesiedelten Räumen zu besonderen Erfolgen. 1. Allein im Raum nördlich Dshankoj konnten 241 Juden, die in letzter Zeit zugewandert waren, erfaßt werden. Weitere 437 wurden in den übrigen Teilen der Krim erschossen. Hierbei hat sich das System, daß die Starosten-La-Führer usw. laufend jeden Zuzug Ortsfremder den Kommandos bezw. Teilkommandos melden, sehr bewährt. 2. Auf den Nordteil bezogen, liegt der Haupterfolg der Arbeit in der Ermittlung von gefährlichen Kommunisten, NKWD-Agenten und einzelnen Widerstandsnestern.

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Von 369 überführten unzuverlässigen Elementen sind allein aus den Landengengebieten 87 herausgeholt worden. U. a. wurden gefaßt: a) Der Ukrainer Schterban Prakovi, als Führer einer Zerstörungsabteilung (in Zivil) in Genitschewsk zurückgelassen. Sch. hat noch während des deutschen Einmarsches eine Großmühle durch Brand zerstört und weitere Zerstörungen vorbereitet. Durchsuchung seiner Wohnung ergab grössere Mengen an Waffen, Munition und Sprengstoffe. b) Der Ukrainer Samara Fedor war früher NKWDMitarbeiter in Genitschewsk, hat ebenfalls grosse Fabriken in Brand gesetzt, u. a. eine der grössten Baumwollfabriken. Er war von einer Wehrmachtseinheit bereits wieder als Direktor einer Baumwollfabrik eingesetzt. c) Der Russe Wurdakoff hatte in seiner Wohnung Teile einer Funk- und Sendeanlage versteckt, mit der er Verbindung zu den Roten halten wollte. d) Der Rotarmist Kosianoff hatte Auftrag, den Bahnhof Novo-Alixiewka zu sprengen und weitere Bahnanlagen mit einer inzwischen ausgehobenen Partisanengruppe zu zerstören. Seine Festnahme verhinderte die Durchführung. III. In Taganasch-Lublenka konnten Widerstandsnester ausgehoben werden. In Taganasch handelt es sich um eine Gruppe von 5 Kommunisten, die von der Roten Armee übergelaufen waren, um eine Widerstandsbewegung zu organisieren. Sie hatten bereits gleichgesinnte Vertrauensposten eingesetzt, verschiedene Sabotageakte durchgeführt und durch Maueranschläge Beunruhigung hervorgerufen. Die zweite Gruppe von 6 Personen verfolgte nationalukrainische Bestrebungen, ohne daß Beziehungen zur BanderaGruppe oder OUN festgestellt werden konnten. In Geheimsitzungen wurden Maßnahmen gegen die Anordnungen der deutschen Wehrmacht festgelegt, und durch umfangreiche Propaganda wurde die Bevölkerung beunruhigt. Im Nordgebiet wurden ausserdem 15 Partisanen festgenommen und ein Waffenlager ausfindig gemacht. Die Partisanen hatten sich auffallend deutschfreundlich benommen. Im Fall der Festnahme hatten sie Auftrag, sich als gläubige Christen auszugeben. Mehrere von ihnen trugen auf der Brust ein grosses Kruzifix eintätowiert. Wie bereits erwähnt, waren die Partisanen im übrigen besonders an der Südküste aktiv. Während sie im gesamten Jaila-Gebirge in der Berichtszeit auffallend oft ihre Standorte wechselten und vielfach das Zusammenziehen an besonderen Plätzen beobachtet wurde, unternahmen sie im Raum Jalta mehrere Überfälle auf Streifen der Wehrmacht und der Tatarenselbstschutzkomp. U. a. wurde am 5. 3. 42 ein Waldaufseher, der VM des Kommandos ist, verschleppt. Auf die Dörfer Sawatka, Swelja und Nikolajewka wurden mehrere Überfälle verübt. Zur Sicherung sind Teile der Tatarenselbstschutzkomp. von Jalta an allen Zugangsstraßen eingesetzt. Im Raum südlich Karasubasar wurden die Erkundungen für die Vorbereitung grösserer Aktionen der Wehrmacht von dortigem Kommando durchgeführt. Die Beseitigung asozialer Elemente führte zur Unschädlichmachung von über 800 Zigeunern und Geisteskranken. Auf Grund der besonderen Lage wurde Feodosia in 3 Razzien durchkämmt. Ein vierter Stadtteil wird in den nächsten Tagen in Angriff genommen. Die am 5., 9. und 13. 3. 42 durchgeführten Razzien, zu denen unserem Kommando jeweils 350 Soldaten zur Verfügung gestellt wurden, hatten im Gegensatz zu den bisherigen Großaktionen in Städten grösseren Erfolg. Festgenommen wurden: 66 Juden, 28 NKWD-Angehörige, darunter 2 Untersuchungsrichter und 3 politische Kommissare. Weiterhin 27 Partisanen, darunter ein Batl.-Kommissar, mehrere Offiziere im Verband des NKWD. Von 27 spionageverdächtigen Personen konnten 13 bereits Spionageaufträge, die von der Halbinsel Kertsch aus liefen, nachgewiesen werden. Zur Abschreckung wurden am 8. 3. 42 4 Männer in Feodosia öffentlich erhängt. Nach Durchführung der 4. ausstehenden Razzia wird auch die Stadt Feodosia als politisch befriedet angesehen werden können. In der Berichtszeit wurden 2010 Personen erschossen,

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davon 678 Juden, 359 kommunistische Funktionäre, 153 Partisanen und 810 Asoziale, Zigeuner, Geisteskranke und Saboteure. [Zu EG B: 2] Ferner wurde in Orel eine Anzahl Juden und Jüdinnen festgenommen und erschossen. Sie hatten in besonders frecher Weise kommunistische Propaganda getrieben und in übler Form gegen die deutsche Wehrmacht gehetzt. Bei den Durchsuchungen wurden deutsche Konserven gefunden, die aus Wehrmachtsbeständen stammen und nach Lage der Dinge den Juden von Soldaten überlassen waren. In Orel wurde ferner festgestellt, dass in mehreren Fällen Zivilpersonen an deutsche Soldaten herantraten und diese durch Gebärden zum Mitgehen in eine Wohnung veranlassten. Dort eigneten sich die Zivilpersonen im Beisein der unbeteiligten Soldaten widerrechtlich Sachen an und verliessen die Wohnung. Die Geschädigten, die durch die Anwesenheit der Soldaten eingeschüchtert waren, wagten es nicht, sich zur Wehr zu setzen. In den bekannt gewordenen Fällen haben nach den Aussagen der Geschädigten die Soldaten sich in keiner Form an der Wegnahme der Sachen beteiligt. In Brjansk wurde der kommunistische Funktionär Michail Sykow festgenommen, der seit 1930 KP-Mitglied war. S. war als äusserst aktiver Kommunist bekannt. Er wurde überführt, kurz vor dem Einmarsch der deutschen Truppen an der Inbrandsetzung einer Fabrik sich beteiligt zu haben. Er wurde erschossen. Der Russe Wladimir Segin konnte überführt werden, ein Lebensmittellager in Brand gesetzt zu haben. Er hatte der KP seit 1930 angehört. Er wurde erschossen. Vom SKM wurde der Oberpolitruk Peter Sacharow festgenommen und nach Vernehmung erschossen. EK 8 meldet, dass in der Berichtszeit 13 Personen, die kommunistische Wühlarbeit betrieben hatten, exekutiert wurden. Von den Einsatzgruppen C und D liegen keine Meldungen vor. BAB, R 58/221 1 Täter waren die Angehörigen der neuen KdS-Außenstelle Wilejka unter Mithilfe eines Nachrichtenzuges der Wehrmacht; Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 691. 2 Die hier folgende letzte Seite der EM paßt zwar inhaltlich nicht in das Berichtsschema, gehört aber laut Paginierung einwandfrei zu dieser Nr.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 25. März 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 185 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 25. März 1942. Die mit Ereignismeldung Nr. 179 vom 11. 3. 1942 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Litauen: Erlass des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete über einen weitgehenden Ausbau der landeseigenen Verwaltung in den baltischen Ländern hat auch in der litauischen Öffentlichkeit starken Widerhall gefunden.1 Die grösste Zeitung in Litauen

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„Laisve“ stellt grosse Bedeutung und Tragweite in einem Artikel unter der Überschrift „Vorwärts mit dem neuen Europa“ heraus. Lettland: Auch in Lettland ist Erlass des Reichsministers über die landeseigene Selbstverwaltung in den baltischen Ländern begeistert aufgenommen worden. Die „Deutsche Zeitung im Ostland“, die grösste deutsche Tageszeitung in Lettland, sowie die „Tevija“, die führende lettische Tageszeitung, brachten in den am 19. 42 [sic] erschienenen Nummern längere Abhandlungen, die sich eingehend mit dem Erlass befassen. Die Erwähnung, dass die Zuerkennung der Selbstverwaltung eine Anerkennung für die Haltung der Bevölkerung der baltischen Länder darstellt, hat lebhafte Zustimmung gefunden. Mit Ermächtigung des Reichskommissars für das Ostland hat Generalkommissar in Riga am 15. 3. 42 eine Anordnung über die vorläufige Ausübung der Rechtspflege durch die landeseigenen Justizbehörden nebst Durchführungsbestimmungen hierzu erlassen. Die Anordnung sieht vor, dass bis zur endgültigen Regelung die landeseigenen Justizbehörden ihre Tätigkeit aufgrund der Gesetze und Bestimmungen, die am 17. 6. 40 gegolten haben, und aufgrund der seit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht ergangenen Anordnungen nach Maßgabe der einzelnen Vorschriften der Anordnung ausübt. Weissruthenien: Die von der Kunstabteilung der Stadt Minsk in Zusammenarbeit mit der weissruthenischen Künstlerschaft durchgeführte Kunstausstellung hatte ein für weissruthenische Verhältnisse unerwartet günstiges Ergebnis. Innerhalb von 14 Tagen wurde die Ausstellung von 1800 Interessenten besucht. Über 40 Bilder fanden zumeist deutsche Käufer. Von der Einsatzgruppe B liegen keine Meldungen vor. Einsatzgruppe C: Standort Kiew. In der Zeit vom 16. 3. bis 18. 3. 42 wurden in Kiew 4 Personen festgenommen, die an der Verschickung von Ukrainern nach Sibirien maßgeblich beteiligt und seit dem Einmarsch der deutschen Truppen raubend und plündernd durch viele Dörfer gezogen waren. Am 14. 3. wurden 2 Ukrainer in das Gefängnis Kiew eingeliefert, die als Partisanen auf die Rückkehr der Bolschewisten hinarbeiteten. Einer von ihnen hatte geäussert, dass die Zeit zur Rache an den Deutschen nicht mehr fern wäre. Der andere hatte seit 1927 der KP angehört und war bis zum Kriegsausbruch von den verschiedensten kommunistischen Organisationen mit besonderen Aufträgen bedacht worden. In den vergangenen Tagen wurde in Kiew ein Ukrainer ermittelt, der seit 1927 KP-Mitglied und später Sekretär der Komsomolzelle in Chuter-Hora war. Dieser Mann hatte sich auch aktiv an der „Entkulakisierung“ der Bauern beteiligt und war später politischer Führer in der Roten Armee geworden. Am 18. 3. 42 wurde der ehem. NKWD-Major und frühere Vorsitzende des NKWD in Megilijen-Podoljst Koschemijak mit seiner Ehefrau festgenommen. K. hatte versucht, in Kiew eine neue NKWD-Organisation aufzuziehen und Terror- und Sabotagegruppen zum Zwecke der Sprengung von grösseren Bauten und Brücken zu bilden. Die Ermittlungen in dieser Sache sind noch nicht abgeschlossen. An demselben Tage erfolgte in Kiew die Festnahme eines Ukrainers, der sich durch viele Denunziationen der Verschickung von Ukrainern nach Sibirien schuldig gemacht hatte. Ausserdem wurde ein erster Komsomolsekretär festgenommen. Wie der Kommandeur der Sipo u.d. SD in Tschernigow berichtet, wurde dort ein Agent erfasst, der den Auftrag hatte, in Dörfern Partisanen zu werben. Im Zusammenhang damit konnte der Schlupfwinkel eines Stabes einer Partisanengruppe im Dorfe Schary, Rayon Tschernobyl, ausfindig gemacht werden. Drei KP-Angehörige, die einem Vernichtungsbataillon angehört hatten, wurden festgenommen. Nach einem Bericht des Kdr. d. Sipo u.d. SD in Tschernigow nahm der dorti-

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ge Grenzschutz 60 Personen fest, die sich zum grossen Teil ohne jeden Ausweis in der dortigen Gegend herumgetrieben hatten. Die sicherheitspolizeiliche Überprüfung ergab, dass sich unter diesen Leuten 30 Politruks befanden. Vom EK 6 in Stalino wurden 46 aktive Kommunisten, unter denen sich eine ganze Anzahl von NKWD-Spitzeln befand, festgenommen. Hierbei war bemerkenswert, dass ein grosser Teil dieser Leute den KPAngehörigkeitsvermerk in ihren Wehrpässen ausradiert hatten. Ukr. Widerstandsbewegung: In Kiew wurde ein neues illegales Flugblatt der MelnikGruppe der OUN erfasst, das wiederum in einer Anzahl von 300 Exemplaren zur Herstellung und Verbreitung gelangte. Dieses Flugblatt trug erneut die Überschrift: „Es lebe der selbständige ukr. Staat! Es lebe die Organisation der ukr. Nationalisten! Es lebe der Kapitän Andreas Melnik!“ Der übrige Inhalt war dem Todestag Schewtschenkos gewidmet und brachte eine ausführliche Darstellung seines Kampfes für die selbständige Ukraine, seines Lebens- und Leidensweges sowie seiner revolutionären Freiheitsdichtungen. Das Flugblatt schloss: „Schewtschenko sah, dass nur Menschen mit lebendigem Blut, kühn und stolz, in ihrem Kampf siegen können. Darum straft er diejenigen, die vor den Okkupanten sich verbeugen … Heute strömen wir hin zu dem heiligen Grab am DnjeprUfer. Dort wollen wir dem unsterblichen Geist, dem Beschützer der ukr. Revolutionäre schwören, dass wir nicht eher rasten werden, bis wir seine Befehle erfüllt haben werden, bis die Ukraine ein freier selbständiger Staat geworden ist.“ Der Kdr. d. Sipo u.d. SD Rowno meldet die Festnahme einiger Bandera-Anhänger, die in der Umgebung von Kamenez-Podolsk Propagandamaterial vertrieben haben. In Luzk wurde eine poln. Widerstandsbewegungszelle ausgehoben. Es erfolgte die Festnahme von 14 Personen, die sich gemeinschaftlich zum Aufstand vorbereitet, Versammlungen abgehalten, exerziert und sich im verbotenen Besitz von Waffen befunden hatten. Die Aussendienststelle Winniza (Kdr. Shitomir) meldet ein Anwachsen der Bandera-Bewegung und stärkere Zellenbildung in Stadt und Land. Mit einem sicherheitspolizeilichen Zugriff ist in der nächster Zeit zu rechnen. Das Kommando in Krementschug fasste 2 OUN-Kuriere ab, die von Poltawa über Krementschug nach Lemberg und Krakau reisen sollten. Sonstiges: In dem ehem. NKWD-Erholungsviertel in Kiew wurde ein Bunker entdeckt, der zur Bolschewistenzeit von besonders zuverlässigen NKWD-Angehörigen und Parteimitgliedern erbaut ist. In einer Abzweigung des Bunkers, über dessen eigentlichen Verwendungszweck noch keine Klarheit herrscht, befand sich ein etwa 100 m tiefer brunnenartiger Schacht mit allerlei Kabeln u. a. In Rowno gab nach einer Meldung des Kdr. d. Sipo u.d. SD ein sowjetischer kriegsgefangener Leutnant eine Stelle mit vergrabenen militärischen Ausrüstungsgegenständen und Waffen an. In Charkow erfolgte durch Flüsterpropaganda die Verbreitung einer Drohung, nach der alle Nationalukrainer damit rechnen müssten, erschossen zu werden, falls sie sich im Falle einer Räumung Charkows den deutschen Truppen anschliessen sollten. Kommunisten: Im Zuge der bereits gemeldeten Aufdeckung einer illegalen kommunistischen Organisation in Kiew, die sich mit der Anfertigung und Verbreitung von Flugblättern und kommunistischer Propaganda befasste, wurden weitere 9 Personen festgenommen, darunter der Sekretär der ausgehobenen Geheimorganisation und mehrere langjährige KP-Funktionäre. Am 12. und 13. 3. 42 erfolgte in Kiew die Festnahme von 18 KP- und NKWD-Angehörigen wegen kommunistischer Wühlarbeit. Unter ihnen befand sich der Chef der Vernichtungsabteilung „Dnjepr“. In Starokonstantinow waren bereits im Januar Flugzettel aufgefunden worden, die zum Kampf gegen den „Blutigen Faschismus“ aufforderten. der „Zehntausende von Kriegsgefangenen zum Tode geführt und nun

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Nr. 9: Leichen im Kriegsgefangenenlager Glebokie

die Absicht hat, die entlassenen Gefangenen wieder zu mobilisieren und an die Front zu schicken“. Die Ermittlungen nach den Verbreitern dieser Flugblätter waren erfolgreich. Der Verfasser der Druckschriften konnte festgenommen werden. Der Kommandeur der Sipo u.d. SD in Rowno nahm 15 Personen wegen kommunistischer Umtriebe fest, die sich die Mundpropaganda für die KP und den NKWD-Spitzeldienst zur besonderen Aufgabe gemacht hatten. Anfang März waren auf der Strasse Tschernigow–Gomel Bauern von bewaffneten Partisanen angehalten und der Lebensmittel beraubt worden. Am 11. 3. 42 wurde einer der Täter festgenommen, ein zweiter bei der Flucht angeschossen. Ausserdem wurden in Tschernigow zwei Einwohner ermittelt, die diesen Partisanen Unterschlupf gewährt hatten. In Radomyschl führte ein Kommando dem Kommandeur der Sipo u.d. SD in Shitomir 6 ehemalige kommunistische Funktionäre wegen Betätigung als Partisanen der Erschiessung zu. Das Kommando Krementschug ermittelte einen Politruk und einen NKWD-Agenten, der 600 Menschen nach Sibirien gebracht hatte. Er wurde erhängt. Das Einsatzkommando 6 in Stalino konnte 14 aktive Kommunisten, darunter mehrere frühere Mitarbeiter des NKWD festnehmen. In Ilowajsk musste der Chef der ukrainischen Hilfspolizei festgenommen werden, da er mehrfach kommunistische Häftlinge begünstigte und ausserdem ständige Verbindung mit Kommunisten unterhielt. Das Einsatzkommando 6 meldet aus Stalino die Festnahme einer Reihe von Kommunisten, die sich allabendlich in einer Wohnung getroffen, dort den Inhalt von russischen Flugblättern besprochen und tagsüber systematische Propaganda getrieben hatten. Weiterhin wurden 10 NKWD-Spitzel, 3 Politruks, 3 ehem. russ. Offiziere wegen antideutscher Propaganda und ein früheres Mitglied der Deputiertenkammer in Moskau festgenommen.

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Ukr. Widerstandsbewegung: In Kiew kam man einer aus alten KP-Mitgliedern zusammengesetzten Terrorgruppe auf die Spur, die die Aufgabe hatte, die Produktion einer für deutsche Dienststellen arbeitenden Brotfabrik durch Sabotageakte und Beeinflussung der Belegschaft durch deutschfeindliche Propaganda zu stören. Es konnten 9 Personen festgenommen werden, denen neben der Verbreitung von Flugschriften mit hetzerischem Inhalt nachgewiesen wurde, einmal einen Motor in der Brotfabrik in Brand gesetzt und in einem Falle grössere Mengen von Glasscherben in einen Teigkasten geworfen zu haben. Der Kommandeur der Sipo u.d. SD in Kiew konnte weiterhin 7 Personen festnehmen, die den Versuch unternommen hatten, Gelder zu sammeln, die der Bildung einer Organisation zur Sprengung der soeben fertiggestellten „Feldmarschall von Reichenau-Brücke“ über den Dnjepr in Kiew dienen sollten. 30 kg Sprengstoff (Dynamit) wurden sichergestellt. Weitere Ermittlungen sind im Gange. Am 11. 3. 42 wurden 2 Ukrainer aus Kiew inhaftiert, die an den Zerstörungen in Kiew aktiv teilgenommen hatten. Einem von ihnen war der Auftrag erteilt worden, den Bahnkörper in Borispol zu zerstören. Nach einer Meldung des Kommandeurs der Sipo u.d. SD in Tschernigow wurden am 11. 3. 42 Personen festgenommen, die vom Stab der 5. bolschewistischen Armee beauftragt worden waren, Sabotage-Terrorakte auszuführen. In Stalino wurden drei weitere Personen ermittelt, die Vorbereitungen zum Sprengen eines Schachtes getroffen hatten. Das Einsatzkommando 6 in Stalino meldet weiter die Festnahme eines Saboteurs, der 23 Waggons Getreide angezündet hatte, ferner eines Ukrainers, der an der Zerstörung des Wasserwerkes Krinka führend beteiligt war. Dieser Mann hatte sich in der Absicht, später Sabotage zu treiben, von deutschen Dienststellen zum Wiederaufbau anwerben lassen. In Stalino häufen sich in der letzten Zeit Arbeitsniederlegungen und Arbeitsverweigerungen. 13 Personen wurden wegen Sabotage der ihnen von deutschen Dienststellen aufgetragenen Arbeiten festgenommen. Abwehr: Um Kiew erfolgte am 13. 3. 42 die Festnahme eines Ukrainers wegen Spionageverdachts. Das Einsatzkommando 6 nahm einen Ukrainer fest, der am 2. 3. 42 mit einem Fallschirm abgesprungen war. In seinem Besitz befanden sich 6 Trockenbatterien, 1 Handgranate, RM 30,–, 200 Rubel sowie ein Personalausweis und ein Militärpass. Im Laufe der Vernehmungen gab er an, den Auftrag gehabt zu haben, sich zu einem Verbindungsmann in Stalino zu begeben und ihm die Batterien zu überbringen. Von diesem Verbindungsmann sollte er deutsche Zeitungen erhalten, die er durch die Frontlinie zum Stab der Armee 80 in Woroschilowgrad zu bringen hatte. Zwischen den Zeilen der Zeitung sollten militärische Nachrichten mit Milch niedergeschrieben werden. Die Ermittlungen in dieser Sache sind noch nicht abgeschlossen. Wie das Einsatzkommando 6 weiter meldet, wurden drei spionageverdächtige Personen festgenommen, die ohne Genehmigung mehrfach die Frontsicherungszone überschritten hatten. In Tschistjakowo wurde eine mehrere Mann starke Gruppe ermittelt, die seit November 1941 Verbindung mit den Roten jenseits der Front unterhalten hatte. Der Kdr. d. Sipo u.d. SD in Tschernigow nahm vor kurzer Zeit einen Juden mit einem Schwarzsender und im Laufe der Ermittlungen 4 weitere Personen fest. Sonstiges: Nach einem Bericht des Kdr. d. Sipo u.d. SD in Kiew wurde ein Russe festgenommen, der sich als Angehöriger des SD ausgegeben, die Gäste in Kaffeehäusern kontrolliert und von ihnen unter Androhung von Waffengewalt Geld gefordert hatte. Ausserdem hatte er mehrere Personen in einen Kellerraum eingesperrt, sie misshandelt und sie erst nach der Bezahlung eines Lösegeldes wieder freigegeben. Wie der Kdr. d. Sipo u.d. SD in Tschernigow meldet, wurden in Leskow 3 Männer in Wehrmachtsuniform und 2 Zi-

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vilisten nach kurzem Feuergefecht festgenommen, die 7 Raubüberfälle begangen hatten. Die Soldaten waren Volksdeutsche aus Bessarabien und gehörten dem landwirtschaftlichen Schutzkommando an. Kriminelle Ereignisse: Am 11. 3. 42 wurde in Kiew eine Ukrainerin ermordet. Der Täter konnte bisher nicht ermittelt werden. Am 13. 3. 42 wurde in Kiew eine Ukrainerin nach einem Streit von ihrem Mann durch einen Schuss in die Brust schwer verletzt. Der Täter wurde daraufhin von einem Bruder der Frau angeschossen. In Stalino wurden 2 junge Burschen dingfest gemacht, die eine Frau durch Beilhiebe ermordet und die Wohnung ausgeraubt hatten. Das Einsatzkommando 6 meldet weiter die Festnahme des Bürgermeisters in Berdjansk, der fortwährend Schmiergelder angenommen und dafür eine Erhöhung der Preise für Möbel, Geschirr usw. gebilligt hatte. Ausserdem wurde in Stalino der ukr. Leiter eines Polizeireviers festgenommen, der sich bei Haussuchungen unrechtmäßig Sachen aneignete und damit seine Wohnung ausstattete. In Stalino wurden ferner 3 ukr. Hilfspolizisten wegen Raubes und fahrlässiger Tötung inhaftiert. Der Kdr. d. Sipo u.d. SD in Shitomir meldet die Festnahme eines Mannes, der in Davritki eine Frau mit einer Axt erschlagen und ihr 6000 Rubel geraubt hatte. a) Festnahmen: 480. b) Entlassungen: 93. c) Gesamtbestand an Häftlingen: 877. Von der Eins.Gr. D liegen keine Meldungen vor. BAB, R 58/221 1

Vgl. Dieckmann: Deutsche Besatzungspolitik in Litauen 1941–1944, Bd. 1, S. 471 ff.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 27. März 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 186 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 27. März 1942. Höherer SS- und Polizeiführer Nord (101): (Jeckeln), Standort: Riga. Einsatzgruppe A: (Jost 1), Standort: Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: FT, FS Riga, FT Krasnogwardeisk, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Estland: (Dr. Sandberger), Standort: Reval m. Dienststellen in Narwa, Dorpat, Kingisepp, Krasnoje-Selo, Luga und Pleskau, N-Verbindungen: FS Reval, FT Pleskau, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Lettland: (Dr. Lange), Standort: Riga m. Dienststellen i. Libau, Wolmar u. Dünaburg, N-Verbindungen: FT, FS Riga, FS Libau, Wolmar u. Dünaburg, Feldpost-Nr. 15447. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Litauen: (Jäger), Standort: Kauen m. Dienststellen in Wilna u. Schaulen, N-Verbindungen: FT, FS Wilna und Schaulen, Feldpost-Nr. 15641. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Weissruthenien: (Strauch), Standort: Minsk m. Dienststellen in Wilejka u. Nowogrodek, Tschudowo, a. d. Marsch n. Cholm [durchgestrichen] u. Baranowicze, N-Verbindungen: FT und FS Minsk, Feldpost-Nr. 15641. Höherer SS- und Pol.Führer Mitte (102): (v. d. Bach), Standort: Mogilew.

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Einsatzgruppe B: (Naumann), Standort: Smolensk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Kurierverbindung über Warschau und Fernsprecher über VD Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando 7a: (Rapp), Standort: Klinzy, N-Verbindungen: FT Klinzy, FeldpostNr. 85607. Sonderkommando 7b: (Ott), Standort: Brjansk m. Trupps in Orel und Kursk [durchgestrichen], N-Verbindungen: FT Orel, Feldpost-Nr. 18555. Einsatzkommando 8: (Richter), Standort: Mogilew m. Trupps in Borissow, Orscha, Gomel u. Bobruisk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Feldpost-Nr. 37867. Einsatzkommando 9: (Wiebens), Standort: Witebsk m. Trupps in Smolensk, Newel, Polozk u. Lepel, N-Verbindungen: FT Witebsk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando Moskau: Standort: Roslawl, N-Verbindungen: FT Roslawl. Höherer SS- u. Polizeiführer Süd (103): (Prützmann), Standort: Rowno. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Kiew: (Ehrlinger), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Nikolajew: (Dr. Spann), Standort: Nikolajew, N-Verbindungen: FT Nikolajew. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Charkow: (Dr. Kranebitter), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Shitomir: (Dr. Razesberger), Standort: Shitomir, N-Verbindungen: FS Shitomir. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Wolhynien: (Dr. Pütz), Standort: Rowno, N-Verbindungen: FT u. FS Rowno. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Dnjepropetrowsk: (Mulde), Standort: Dnjepropetrowsk, N-Verbindungen: FT Dnjepropetrowsk. Einsatzgruppe C: (Dr. Thomas), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier, Feldpost-Nr. 32704. Sonderkommando 4a: (Dr. Weinmann), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow, Feldpost-Nr. 32704. Sonderkommando 4b: (Haensch), Standort: Kramatorsk m. Trupps in Shitomir, Rowno, Winniza, N-Verbindungen: FT Gorlowka, Feldpost-Nr. 35102 [durchgestrichen, handschriftlich: 34 310]. Einsatzkommando 6: (Mohr), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino, FeldpostNr. 35970. Höherer SS- und Pol.Führer z. b. V.: (Korsemann), Standort: Rowno. Einsatzgruppe D: (Ohlendorf), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol, Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10a: (Seetzen), Standort: Taganrog m. Trupps in Mariupol u. Melitopol, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10b: (Persterer), Standort: Feodosia m. Trupps in Sudak, Ismail, Tereku u. Dshankoj, N-Verbindungen: FT Feodosia, Feldpost-Nr. 47540. [Es fehlt Einsatzkommando 11a] Einsatzkommando 11b: (Dr. Braune), Standort: Simferopol m. Trupps in Jewpatoria, Aluschta, Karasubasar, N-Verbindungen: FT Simferopol u. Aluschta, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 12: (Dr. Müller), Standort: Fedorowka m. Trupps in Pologi, Biukxas u. Gulja-Pole, N-Verbindungen: FT Fedorowka, Feldpost-Nr. 47540.

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II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Lettland [falsch, Litauen]: Am 23. März 1942 in der Zeit von 21 bis 23 Uhr erfolgte auf Wilna ein feindlicher Flugzeugangriff, in dessen Verlauf die Bahnanlagen des Güterbahnhofes, die Kaserne des litauischen Selbstschutzes sowie verschiedene Privathäuser von Bomben getroffen wurden. Der Feind griff mit einer Mehrzahl von Flugzeugen an. Bisher festgestellt: 13 Häuser zerstört oder beschädigt, 24 Tote, darunter 2 deutsche Soldaten, 7 lit. Schutzmänner und 19 Zivilisten. Abgeworfene Bomben gegen 30 Stück. Die Städte Pabrade und Varena wurden ebenfalls angegriffen. Weißruthenien: Stimmung und Verhalten der Bevölkerung: Obwohl es der Bevölkerung, vor allem entlang der Vormarschstrassen, nicht verborgen geblieben ist, dass der deutsche Nachschub wieder rollt, ist die Stimmung weiterhin lau, ja schlecht, wobei sich die Landbevölkerung nur um einige Grade positiv von der städtischen Bevölkerung unterscheidet. Die Rückkehr der Roten Armee erwarten die breiten Schichten der Bevölkerung nicht. Ihre kühle, ja oft resistente Haltung hat ihren Grund in der Angst über eine solche Rückkehr und in der z. T. schon nicht mehr nur Enttäuschung, sondern sogar Verbitterung über die fehlende Unterstützung und die Herbeischaffung des täglichen Brotes (Stadtbevölkerung) von deutscher Seite. Die kommunistische Propaganda berücksichtigt diese Stimmungslage und arbeitet ausgezeichnet. Der deutsche Nachschub wird als „letzte Reserve“ bezeichnet, die den „völligen Zusammenbruch der deutschen Front“ aufhalten soll. Immer wieder benutzt die kommunistische Gegenpropaganda die Ghettobildung, nicht nur den Polen, sondern jetzt auch schon Russen ihre Ghettoisierung durch die Deutschen anzudrehen. Das passive Verhalten der Bevölkerung wird durch einen Vorfall gekennzeichnet, der sich im Generalkommissariat abspielte. Ein sowjetisches Flugblatt wanderte dort von Hand zu Hand des russischen Hauspersonals, ehe es ein „Vertrauensmann“ übergab. Die Schwierigkeiten auf dem Lebensmittelmarkt führen zu Kritiken der Stadtbevölkerung an der deutschen Führung, dass sie sich nicht um die Bevölkerung kümmere, wie sie es versprochen habe und auch unfähig sei, die nötigen Lebensmittel heranzuschaffen und die Verteilung zu organisieren. Die Landbevölkerung, die ernährungsmäßig in keiner trostlosen Lage ist – sie hat z. B. Nahrungsgüter gehortet –, wird immer wieder durch Partisanen beunruhigt, die bei ihr requirieren, werben und rauben, ohne bisher zu umfassenden Terroraktionen gegenüber der sich z. T. sperrenden Bevölkerung zu greifen. Sie unterstützt die Partisanen zu einem grossen Teil nur gezwungen. Der auf ein Zusammengehen mit den Deutschen eingestellte Kolchosbauer glaubt, seine Gesinnung aus Furcht vor Terrorakten verbergen zu müssen. Deshalb unterstützt diese Landbevölkerung die deutsche Gegenpropaganda und deutsche Gegenaktionen nur sehr zögernd und uneinheitlich. Die allgemeine Stimmung war noch nie so unsicher und schwankend wie augenblicklich. Der deutschen Propaganda wird kein Glauben mehr geschenkt, denn die gegnerischen Parolen, besonders von der Zurücklegung der Front, werden durch Erzählungen von Flüchtigen untermauert. Die sowjetische Propaganda arbeitet zudem im Ton sehr ruhig, was als Objektivität gedeutet wird. Weiterhin durchgeführte grössere Judenaktionen, z. B. in Rakow und Tscherwen (in Tscherwen wurden 15 000 Juden erschossen2), versetzt die weissruthenische Bevölkerung in Unsicherheit, ja eine gewisse Angst. In „gebildeten Kreisen“ wurde bemerkt, dass man so etwas aus der Sowjetzeit nicht gewöhnt sei und dass die Folgen solcher Maßnahmen nicht abzusehen seien. Wo sich die Bevölkerung einigermaßen sicher fühlt, die gegnerische Propaganda durch deutsche Aufklärung kompensiert wird und keine grösseren Ernährungssorgen vorhanden sind, ist die Stimmung besser, die

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Haltung z. T. direkt opferbereit. So hat dort die Pelzsammlung keine Misstimmung hervorgerufen. Gespannt erwartet man dort auch den Fortgang des deutschen Vormarsches, wofür die Äusserung kennzeichnend ist: „Stalin hat Angst, dass er den Krieg verliert, deshalb geht er jetzt in die Kirche.“ Die polnische Stimmungsmache hält an, ja nimmt zu. Kommunistische und polnische Agitation laufen parallel. Die polnische Propaganda, die mit denselben „Inhalten“ arbeitet wie die kommunistische, wird von der weissruthenischen Bevölkerung oft als Lüge bezeichnet. Die Stimmung der Roten Armee wird von Kriegsgefangenen, Überläufern und Agenten allgemein als kriegsmüde bezeichnet. Die Truppenführung und politische Leitung sowie die Parteimitglieder sind jedoch im allgemeinen vom Endsieg fest überzeugt und entschlossen durchzuhalten. Vor jedem Angriff bearbeiten die Politruks jeden einzelnen Mann und bieten ihm die Möglichkeit der Aufnahme in die kommunistische Partei an. Neuerdings brauchen die Rotarmisten nur die Verpflichtung zu unterschreiben, eine bestimmte Anzahl deutscher Soldaten zu erschiessen und sich im Kampf als Kommunisten bewähren zu wollen, um Aufnahme in die kommunistische Partei zu erhalten. Beim politischen Unterricht, der zwar nicht an der Front, aber in Ruhestellung 2 Stunden täglich betrieben wird, wird bessere Verpflegung in Aussicht gestellt und von den grossen Erfolgen vor Moskau gesprochen. Da über den Ladogasee zur Zeit ein gewisser Nachschub an Lebensmitteln, Munition und Waffen auch mittels einer Kleinbahn möglich ist, sind die Brotrationen der um Leningrad eingesetzten Rotarmisten erhöht worden. Weitgehend wird auch in der Roten Armee die Meinung vertreten, dass für die Russen positive Entscheidungen noch im Winter fallen müssten, da nur während der kalten Jahreszeit der Rotarmist dem deutschen Soldaten überlegen ist. Tätigkeit der Einsatzgruppe: Zur weiteren allgemeinen Befriedung sicherheitspolizeilicher Art im Bereich der 18. Armee wurden in der Berichtszeit 102 Personen erschossen (ehemals führende Kommunisten, NKWD-Mitarbeiter, Saboteure, Partisanen usw.). Infolge der besonderen Hungersnot unmittelbar hinter der deutschen Front verliert die russische Zivilbevölkerung immer mehr ihre Hemmungen und verwahrlost zusehends. So verübte zum Beispiel der deutschstämmige Oleg Smilkow in Puschkin einen Raubmord an seiner ebenfalls deutschstämmigen Tante, indem er sie dreimal mit einem Beil über den Kopf schlug. Er setzte sich dann in den Besitz von Schmuckgegenständen, die seiner Tante gehörten und tauschte dafür auf dem Wochenmarkt Lebensmittel ein. Der Täter konnte durch das Teilkommando der Sicherheitspolizei und des SD in Sluzk ergriffen werden und wurde erschossen. Die Bekämpfung der aus Leningrad kommenden Agenten hat die Feststellung erbracht, dass an dieser Front im Vergleich zu den Verhältnissen von vor etwa 2 Monaten eine deutliche zahlenmäßige Minderung eingetreten ist. Allerdings ist die Agententätigkeit im Raum um Mga und Schlüsselburg nach wie vor erheblich, so dass das hier stationierte Teilkommando der Agentenbekämpfung nach wie vor besonders erhöhte Aufmerksamkeit schenken muss. Auch aus dem Kessel um Oranienbaum werden noch laufend Agenten entsandt, deren Bekämpfung einem Spezialkommando unterliegt. Das in Schapki stationierte besondere Partisanenkommando hat seine Tätigkeit abgeschlossen. Die Gegend ist heute im allgemeinen ohne Partisanen. Der Funkverkehr mit der Leningrader Agenten- und Partisanenzentrale wurde aufgrund erneuter Anfragen aus Leningrad unter Beachtung der von der Armee verfügten Einschränkungen kurzfristig wieder aufgenommen. Der letzte aus Leningrad am 19. 2. 1942 aufgenommene Funkspruch an den vermeintlichen roten Agenten lautet: „Am 20. 2. melden Sie uns, welche Einheiten und Stäbe in

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Tosno liegen, die Nummern der Einheiten und welche Verbände aus einer bestimmten Richtung durch Tosno marschieren. Welche Einheiten und welcher Nachschub wird auf der Eisenbahn von Krasnogwardeisk herbefördert? Wo bauen die Deutschen Befestigungsanlagen? Was ist durch unsere Flugzeuge und Artillerietätigkeit zerstört?“ Aufgrund der Tatsachen, dass allgemeine und politische Nachrichten in Leningrad nicht interessieren, dass andererseits keine Möglichkeit der Durchgabe irgendwelcher militärischer Nachrichten gegeben ist, wurde mit dem Hintergedanken einer propagandistischen Beeinflussung des Leningrader Funkpersonals usw. am 21. 2. folgender letzter Funkspruch von hier aus durchgegeben: „An Kapitän Iwaschenko! Ich will ehrlich zu Ihnen, Genosse Kapitän, sein. Sie verlangen von mir militärische Nachrichten über den Feind, aber ich will diese nicht geben. Seit zwei Monaten arbeite ich in einer deutschen Bäckerei und werde wie alle Russen gut behandelt. Die kommunistische Propaganda ist verlogen. Alle Genossen, welche die Faschisten kennengelernt haben, haben dieselbe Meinung. Der Sieg ist in den Händen der Deutschen. Die Juden müssen ausgerottet werden, und wir werden alle Arbeit und Brot bekommen. Ich trenne mich von Ihnen, Kapitän. Nieder mit dem Bolschewismus. Heil Hitler! Akimoff.“ Die Arbeiten zum Abtransport der im Raum um Leningrad liegenden Volksdeutschen wurden in der Berichtszeit abgeschlossen. Insgesamt konnten über 2800 Volksdeutsche erfasst und zu den Einladebahnhöfen verbracht werden. Vor dort erfolgte Weiterfahrt nach dem VoMi-Lager in Konitz/Westpr. Bei allen Arbeiten zur Durchführung dieser Aktion war enge Zusammenarbeit mit den Wehrmachtsdienststellen unerlässlich. Infolge starken Einsatzes der Kommandos wurde das Unternehmen völlig reibungslos durchgeführt, sodaß das AOK seine besondere Befriedigung darüber zum Ausdruck brachte. Nach den grundlegenden Befehlen des Reichsmarschalls wird auch im Berichtsgebiet vom Reichsarbeitsministerium eine Werbung russischer Arbeitskräfte für die Landwirtschaft und für die gewerbliche Wirtschaft im Reich betrieben. Ein erster Transport von 700 Personen, der allerdings infolge von Transportschwierigkeiten noch nicht, wie beabsichtigt, abgefertigt werden konnte, wurde sicherheitspolizeilich überholt. Infolge des Hungers stösst die Werbung von Arbeitskräften für das Reich bei den Russen auf durchaus dankbaren Boden. Neben der weiterhin betriebenen aktiven Erkundung Leningrads wurde auf hiesige Initiative nach Rücksprache und mit Einverständnis des AOK eine neuartige Methode zur militärischen Aufklärung und Erkundung ausprobiert. Erstmalig am 12. 2. 42 wurde bei der Gruppe v. Basse gegen das XIII. russische Kav.Corps ein Spähtrupp eingesetzt, der aus zuverlässigen Russen bestand, die bei der Einsatzgruppe längere Zeit erprobt waren. Die Russen waren mit russischen Uniformen bekleidet, mit Skiern, Gewehren, Handgranaten und Pistolen ausgerüstet. Die Aufklärungs- und Erkundungsaufträge wurden von der Gruppe v. Basse erteilt und vom russischen Spähtrupp zur vollen Zufriedenheit der Kampfgruppe ausgeführt, so dass bei der gleichen Gruppe unmittelbar darauf ein zweiter russischer Spähtrupp eingesetzt wurde. Der russische Spähtrupp hat teilweise auch mit einem deutschen Stosstrupp zusammen operiert, zum Beispiel in der Form, dass sich der Spähtrupp, getarnt durch seine Rotarmistenuniform, an rote Posten heranmachte, diese ablenkte und so dem deutschen Stosstrupp eine Möglichkeit zum Einbruch gab. Es ist weiterhin der Versuch gemacht worden, bei bewaffneten Zusammenstössen zwischen deutschen Soldaten und Rotarmisten die roten Truppen dadurch in Verwirrung zu bringen, dass die auf der deutschen Seite kämpfenden Russen sich plötzlich erhoben und die Rotarmisten aufforderten, die Waffen niederzulegen, da niemand zu befürchten brauche,

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dass Überläufer von den Deutschen schlecht behandelt werden. Auf Bitte der Armee sind weiterhin kleine bewaffnete Spähtrupps in russischer Uniform und mit der Aufgabe eingesetzt, weit hinter den Linien aufzuklären und zu erkunden. Allgemeine Lage: Der Aufruf zum freiwilligen Eintritt in die Schutzmannschaften hat die Letten gezwungen, in politischer Hinsicht eine klare Stellung zu beziehen. 3 Das lettische Volk ist zurzeit – unabhängig von seiner sonstigen politischen Einstellung – in zwei Richtungen aufgespalten. In weiten Kreisen der Bevölkerung wird die Aufstellung der Schutzmannschaften freudig begrüsst. Vor allem aus der Arbeiterschaft, sowohl in den Städten als auch auf dem Lande, laufen zahlreiche Meldungen ein. Zum Teil mögen die schlechten Lohnverhältnisse bei der Meldung mitbestimmend sein. Interessant ist, dass die meisten Freiwilligen nicht zu den jüngsten Jahrgängen gehören. Dies ist zweifellos darauf zurückzuführen, dass die antideutsche Erziehung der Schuljugend während der Ulmanis-Zeit noch stark nachwirkt. Der kleinere Teil der Bevölkerung – besonders ein Teil der lettischen Intelligenz – steht bewusst abseits und betreibt eine unterirdische Wühlarbeit gegen die Freiwilligenwerbung. Die Freiwilligenmeldungen aus lettischen Intelligenzkreisen sind verhältnismäßig sehr gering. Die lettisch-nationalistischen Gegnerkreise arbeiten mit dem Argument, dass das lettische Volk schon durch die Bolschewistenzeit einen grossen Teil seiner besten Menschen verloren habe und die Deutschen in raffinierter Form im Begriff seien, einen weiteren Teil der aktivistischen lettischen Jugend zu vernichten. In diesem Sinne werden mit Hektografen vervielfältigte Aufrufe teils mit der Post versandt, teils in die Briefkästen von Privatwohnungen gesteckt. Eine interessante Erscheinung ist die immer weiter um sich greifende Abspaltung der Lettgaller vom lettischen Volkstum. Die Lettgaller, die bis zum Weltkriege nicht – wie das übrige Lettland – eine unter deutschem Einfluss stehende Sonderentwicklung durchgemacht haben und auch sprachlich starke Dialektunterschiede aufweisen, erkennen den Führungsanspruch der baltischen Letten nicht mehr an und betrachten sich immer mehr als ein besonderes Volkstum. Bezeichnend ist ein Brief, der von den Schülern der oberen Klassen des Ludsener Gymnasiums an den Gebietskommissar von Dünaburg gerichtet wurde. Es wird in ihm von Unterdrückungen in jeder Form und über den ständigen Versuch der Letten, sie zu lettisieren, berichtet. Es heisst dort wörtlich: „Seit mehr als 20 Jahren wissen wir in Lettgallen recht gut, was die Letten für uns Lettgaller sind. Sie haben uns ausgeraubt und vernachlässigt. Sie wollen uns auch jetzt nicht aus ihren Händen lassen. Da unsere lettgallische Intelligenz von den lettischen Tschekisten dezimiert ist, sind in Lettgallen jetzt fast alle führenden Posten und Stellen von Letten besetzt. Bei den obwaltenden Zuständen haben wir jungen Lettgaller keine Aussicht, in Zukunft eine Stelle oder passende Arbeit in unserer Heimat zu bekommen. Überall sitzen die Letten und hassen unsere lettgallische Muttersprache, hassen unsere Sitten und unseren Glauben und unser ganzes Wesen. Wir hassen sie gleichfalls, wie man einen überlegenen Bedrücker hasst.“ Estland: Im allgemeinen ist der Este sich durchaus dessen bewusst, im heutigen Kampf gegen den Bolschewismus seine Pflicht tun zu müssen. Die positive Einstellung jüngerer Jahrgänge zeigt der Erfolg der Werbung für den Reichsarbeitsdienst. Es haben sich im Ganzen rund 700 20- bis 22-jährige junge Männer, d. h. 15 v. H. der entsprechenden Jahrgänge, gemeldet, wobei noch die gleichzeitig stattfindende Werbung anderer Wehrmachts- und sonstiger Stellen zu berücksichtigen ist. Bezeichnend ist die Kritik, die diese Tatsache in gewissen estnischen Intelligenzkreisen gefunden hat. Es wird nicht nur darüber Missfallen geäussert, dass dem Lande Arbeitskräfte entzogen werden, sondern es wird auch die Stimmung laut, die jungen Menschen sollten nach Deutschland verbracht wer-

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den, um dort völlig dem deutschen Einfluss unterworfen zu werden. Auch sonst ist in einzelnen Intelligenzschichten eine gewisse Skepsis in Bezug auf die deutsche Politik festzustellen. Man folgert aus der Tatsache, dass die Esten deutscherseits als ein rassisch gleich hochstehendes Volk bewertet werden, das Motiv zu Eindeutschungsplänen. Man befürchtet eine Verdrängung namentlich der estnischen Intelligenz durch Deutsche. So wird in diesem Zusammenhang erzählt, Reval solle zu einer Großstadt von 350 000 ausgestaltet werden. Der fehlende Bevölkerungsbestand würde aus Deutschland nachgezogen werden. Der Rundfunk sei bereits völlig in deutscher Hand; so brächte er täglich neunmal deutsche Meldungen, estnische nur dreimal. Einen stimmungsmäßig nicht unwesentlichen Faktor stellt die Rückführung von etwa 700 estnischen Kriegsgefangenen aus dem Kgf.-Lager Stablack in Ostpreussen dar. Es handelt sich um Angehörige der aktiven estnischen Armee (mehr als ein Viertel davon Offiziere), die Anfang Juli östlich des Peipus-Sees, meist als Überläufer, in deutsche Kriegsgefangenschaft gerieten und seitdem im Lager festgehalten wurden. Als ihre Entlassung seitens der zuständigen Reichsstellen angeordnet wurde, wurde dieses vorzeitig durch die hiesige Presse bekanntgegeben. Inzwischen eingetretene Transportschwierigkeiten haben die Rückführung in die Heimat verzögert, wodurch namentlich in Reval eine Quelle von Gerüchten und Beunruhigungen entstanden ist. Die breiteren Bevölkerungsmassen zeigen sich zurzeit wieder hauptsächlich von Alltagsproblemen bewegt. Namentlich das Problem der Lebensmittelversorgung bildet ein beliebtes Gesprächsthema. Die seinerzeit in recht weitem Maße angelegten privaten Lebensmittelvorräte gehen zur Neige. Die Bekämpfung des Schleichhandels, der eine weitgehend ausgenutzte Gelegenheit zur zusätzlichen Versorgung darstellt, ist von den deutschen Behörden aufgenommen worden. Ferner treten in der Lieferung der dem einzelnen Verbraucher zustehenden Lebensmittelrationen immer wieder Stockungen ein. Die Arbeiterschaft erörtert besonders die Frage der Löhne, die im Verhältnis zu dem Preisniveau als zu niedrig empfunden werden. Es sind Gerüchte aufgetaucht, denen zufolge die Löhne bewusst niedrig gehalten würden, um die Arbeiter zur Arbeitsannahme in Deutschland zu zwingen, mit dem Ziel, sie dort einzudeutschen. Auch sonst ist ein Eindringen der Diskussion über eine geplante Eindeutschung in Arbeiterkreisen festzustellen. Man meint dort, die allgemein gute Behandlung der Esten verfolge die Tendenz, die Esten auf diesem Wege für das Deutsche Reich zu gewinnen. Das persönliche Auftreten des Generalkommissars vor den Arbeitern der Revaler Luther-Werke hat stimmungsmäßig in der Arbeiterschaft weitgehend positive Auswirkungen gehabt. Es werden Parallelen zu dem Erscheinen bolschewistischer Grössen gezogen. Damals seien die Betriebe vorher sorgfältig für den Besuch vorbereitet, die Räume gesäubert und umfangreiche Sicherungsmaßnahmen getroffen worden. Im Gegensatz dazu habe der Generalkommissar ohne jegliche Vorbereitung und ohne jeden persönlichen Schutz mitten unter den Arbeiten gesprochen. Die bei dieser Gelegenheit aufgrund verschiedener Misstände vom Generalkommissar vorgenommene Amtsenthebung des kommissarischen Leiters der Fabrik, V. Saks, ist von der Arbeiterschaft über den Rahmen der Belegschaft der Luther-Werke hinaus zustimmend aufgenommen worden. Die Maßnahme wird in Einklang gebracht mit den Worten des Generalkommissars über den Kampf des Nationalsozialismus „gegen Bolschewismus und Plutokratie“. Bezeichnend ist, dass in estnischen industriellen Kreisen im Zusammenhang mit der Absetzung von Saks eine gewisse Beunruhigung festzustellen ist. Das Verhältnis der ortsansässigen Russen zur neuen Ordnung besonders im Narwa- und Petschurgebiet ist nach wie vor ein schlechtes. Auch die einzel-

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nen russischen Enklaven im Innern des Landes, so z. B. die unter der Regierung Päts an der Matzal-Wiek bei Hapsal angesiedelten Fischer, stellen sowohl in Bezug auf Gesinnung als auch in ihrer rassischen Zusammensetzung einen Fremdkörper innerhalb der übrigen Bevölkerung dar. Einsatzgruppe B: Standort Smolensk. Partisanenbekämpfung: Am 8. März 1942 fand beim Befehlshaber rückw. Heeresgebiet Mitte eine Besprechung statt, bei der die Durchführung einer gross angelegten Aktion der Wehrmacht zur Partisanenbekämpfung in den Räumen um Bobruisk und Brjansk erörtert wurde. 4 Zur Durchführung der Partisanenbekämpfung werden zu den bereits vorhandenen Sicherungsbrigaden zwei aktive Divisionen der Wehrmacht mit schweren Waffen und mit Verbänden der Luftwaffe eingesetzt. Die Einsatzgruppe B hat auf Weisung des Befehlshabers rückw. H. G. mit ihren Kräften die Voraussetzung zur Durchführung der Aktion zu schaffen. Aus diesem Grunde ist bis zur Beendigung der Aktion in den Aktionsräumen eine Erhöhung der bisher festgelegten Stützpunkte (Trupps) unter Hinzuziehung von Verstärkungen aus dem EK 9 und SK 7a erfolgt. Aufgabe der Sicherheitspolizei und des SD ist eine intensive Erkundung durch V-Männer und Agenten. Der Befehlshaber des rückw. Heeresgebietes Mitte, General von Schenckendorff5, sprach zu Beginn der Besprechung der Einsatzgruppe B seinen Dank aus für die bisher geleistete sicherheitspolizeiliche und SD-mäßige Tätigkeit, ohne die ein Erfolg der Aktion durch die Wehrmacht nicht möglich sei. Er wies darauf hin, dass die Kräfte der Sicherheitspolizei und des SD aufgrund der Erfahrungen des Ostfeldzuges für die Wehrmacht unentbehrlich seien und gab den an der Besprechung teilnehmenden Offizieren (Divisionskommandeure, Ia, Ic usw.) gegenüber der Erwartung Ausdruck, dass sie gerade bei der vorgesehenen Aktion in engster Fühlungnahme mit den eingesetzten Kräften der Sicherheitspolizei und des SD arbeiten. Zu den Stäben der eingesetzten Divisionen wurde jeweils ein geeigneter Führer des EK 8 und des SK 7b für die Dauer der Aktion als Verbindungsführer abgeordnet. Von der Einsatzgruppe C liegen keine Meldungen vor. Einsatzgruppe D: Standort Simferopol. Partisanenbekämpfung im Raum Karasubasar/Krim: Auf Grund von Erkundungen des Sonderkommandos 11b konnte in der Zeit vom 14.–16. 3. 42 eine Grossaktion gegen die Partisanengruppen von Beschuj, Alljanma und Tschermalyk und die südlich davon gelegenen Stützpunkte durchgeführt werden. Es waren beteiligt: 3 rum. Inf.Batl., 4 rum. Schwadronen, 2 Panzer (deutsch), 1 halbe Batterie Nebelwerfer, 1 Tskp der E.Gr. D und Teile des Sonderkommandos 11b. Die Aktion erbrachte folgendes Ergebnis: Verluste des Gegners: 353 Partisanen getötet, darunter 1 Major, 2 Hauptleute, 3 Kommissare, 11 Frauen. Die Partisanen hatten eine grössere Anzahl Verwundeter, die jedoch nicht feststellbar ist, da sie ihre Verwundeten mitnahmen. Erbeutet wurden 14 Sack Mehl, 3–6 to Kartoffeln, ca. 50 Wolldecken, 300 Schuss Infanteriemunition, kleine Mengen Granatwerfermunition, 3 automatische Gewehre, 1 lMG, 3 Pferdeschlitten, 1 Pferdefuhrwerk, kleine Mengen Lebensmittel und 1 kleiner Posten Seife. Vernichtet wurden 250 Gewehre, 22 Erdhütten, 3 Lkw von Partisanen selbst vernichtet. Am 11. 3. wurde eine gewaltsame Aufklärung durch einen Zug der achten Tskp unter Führung eines tatarischen Zugführers angesetzt. Das Unternehmen hatte folgendes Ergebnis: Die Stärke der in Stilja verkehrenden Partisanen beläuft sich auf etwa 15 Mann, wobei es sich stets um die gleichen Personen handelt, vermutl. Angehörige der Gruppe Schori. Unter ihnen befindet sich der frühere Vorsitzende des Dorfrates von Stilja-Chalibujalew. Bei dem Vorstoss auf

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Schori wurde das einzelstehende Haus Hojanschek überholt und festgestellt, daß es als Partisanenstützpunkt nicht infrage kommt. Da die Partisanen keinen Widerstand leisteten, konnte der Stützpunkt ohne Verluste vernichtet werden. Da in den Öfen noch Feuer war, muss angenommen werden, daß die Partisanen unmittelbar vor dem Angriff flüchteten. Bei dem Angriff auf Aran erhielt der Zug einzelnes Infanteriefeuer aus einer Vorpostenstellung. Die Stellung wurde genommen. Aus Blutspuren konnte geschlossen werden, daß bei den Partisanenposten Verluste eingetreten sind. Aran selbst wurde, wie aus den vorgefundenen Spuren zu ersehen war – auch hier war noch Feuer in den Öfen –, unmittelbar vor dem Angriff von den Partisanen verlassen. Erfolge: 3 Stützpunkte niedergebrannt, Vorräte an Fleisch, ein leichter russ. Granatwerfer ohne Munition, 200 Schuss deutscher Gewehrmunition und Handgranaten vernichtet sowie 500 Schuss russ. Gewehrmunition sichergestellt. Eigene Verluste traten nicht ein. Auf Grund der bei dem Unternehmen getätigten Ermittlungen steht fest, daß die Partisanen unter erheblichen Hungerund Krankheitserscheinungen leiden. Ausser Fleisch waren keine Lebensmittel vorhanden. Der in der Umgebung der Stützpunkte vorgefundene Menschenkot war durchweg blutig. Es ist anzunehmen, daß sich die Partisanen dieser Stützpunkte, die auf etwa 40–50 Mann geschätzt wurden, in Richtung Jamanntasch, östl. Bijuk-Usenbach, zurückgezogen haben. In der Nacht vom 12. zum 13. 3. überfielen 100 Partisanen das Dorf KutschukUsenbasch. Sie wurden von V-Männern, die die Parole und das Kennwort der Partisanen kannten, zum Haus des Bürgermeisters und zu den Wohnungen der Selbstschutzangehörigen geführt. Die Partisanen verschleppten 4 Einwohner, unter denen sich auch der Bürgermeister befinden soll. 2 Selbstschutzangehörige konnten wieder flüchten. An Lebensmitteln erbeuteten Partisanen fast zwei Tonnen Fleisch, Kartoffeln, Mehl und sonstiges sowie eine Kuh und ein Pferd. Der Überfall wurde von der Partisanengruppe ausgeführt, die sich zwischen Besch-Tekne, Jaila-Kamm und Bijuk-Usenbach erneut in Stärke von 120 festgesetzt hat. Die V-Männer der Partisanen in Bijuk-Usenbach wurden festgenommen. Die Lebensverhältnisse in der Stadt Rostow nach Rückkehr der Roten: Die Vernehmung mehrerer Überläufer aus Rostow hat über die Stadt folgendes Bild erbracht: Sofort nach Rückkehr der Roten in die Stadt wurden die zurückgebliebenen deutschen Soldaten öffentlich erschossen. Teile der Bevölkerung, die mit den Deutschen sympathisiert haben, wurden festgenommen und zum Teil ebenfalls erschossen. Andere schmachten heute noch in den Gefängnissen oder werden heimlich erschossen. Die Rote Armee führte nach ihrer Rückkehr in den Wohnungen Haussuchungen durch. Sämtliche Lebensmittel wurden der Bevölkerung abgenommen und von der Armee beschlagnahmt. Dadurch ist die Ernährungslage der Stadt ziemlich schlecht. Die Erwachsenen werden zum Auswerfen von Schützengräben herangezogen und erhalten dafür 400 Gramm Brot. Diejenigen Erwachsenen, die sich dieser Arbeit zu entziehen suchen, werden vor das Kriegsgericht gebracht. Sie erhalten keine Nahrung. Die Magazine der Stadt sind ausgeräubert. Käuflich ist in Rostow nichts mehr zu erwerben, da die Armee alles beschlagnahmt hat. Vereinzelt soll in den verschiedenen Stadtteilen wieder die Licht- und Wasserversorgung in Angriff genommen sein. Nach dem Abzug der Deutschen aus Rostow kehren die Juden nach und nach wieder in die Stadt zurück. Die in Rostow verbliebenen Juden haben die Roten mit offenen Armen aufgenommen und in ihre Quartiere geholt. Die Wohnungen der Juden wurden zuerst wieder in Ordnung gebracht. An den Befestigungsarbeiten sind die Juden nicht beteiligt. Wie aus der Aussage einer gefaßten Agentin hervorgeht, ist die Stimmung der Bevölkerung sehr gedrückt. Es gibt wenig Verdienstmöglichkeiten, da nur in wenigen Fabriken gearbeitet wird. Die Arbeiter erhalten jedoch keine Löhne, mit der Begründung,

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daß das Geld für Verteidigungszwecke benötigt wird. Die Versorgungslage ist äusserst schwierig. Die Märkte sind zwar reichlich mit Lebensmitteln versorgt, die Preise aber derart hoch, daß die Waren den Arbeitern nicht zugänglich sind. Als Käufer treten hier die zurückgekehrten Juden auf. Aufstellung und Aufgaben der Zerstörertrupps: Die Ermittlungen führten in verschiedenen Fällen zur Feststellung von Personen, die sich führend bei der Zerstörung lebenswichtiger Einrichtungen beteiligt hatten. So wurde u. a. im Bereich um Gulja-Pole der politische Kommissar Hennus erfaßt, der in höherem Auftrage Verhandlungen mit den örtlichen Parteiorganen und Dorfräten zur Bildung von Zerstörergruppen geführt hatte. Er selbst hatte für 4 Wochen die Ausbildung einzelner Gruppen übernommen, die sich ausser der Ausbildung mit Infanteriewaffen auf die Anwendungsweise chemischer Kampfmittel erstreckte. Eingeschlossen war hierbei der Unterricht über deutsche Infanteriewaffen. Die Zusammenstellung der eigentlichen Verbände erfolgte in der Nacht vom 3. zum 4. Oktober 1941. In dieser Nacht wurden alle noch anwesenden Männer zwischen 17 und 50 Jahren mobilisiert und zu Gruppen zusammengefaßt. Zu einem Einsatz dieser Gruppen war es indessen nicht mehr gekommen. Infolge mangelnder Organisation lösten sich bereits einige Gruppen wenige Tage später auf und kehrten in ihre Ortschaften zurück. In Gulja-Pole wurde die Brücke nach Stalino (Flußübergang) gesprengt und das Rohöllager in Brand gesetzt. Die Sprengung der Getreide- und Ölmühle gelang nicht. Nach Aussage von Mitgliedern der Zerstörergruppe sowie sich versteckt haltenden Zivilpersonen wurden beide Objekte von dem Sekretär des Hennus zerstört. Auch in Orechow wurden Ermittlungen aufgenommen. Dort war das Zerstörerbatl. in 3 Züge gegliedert, deren 1. Zug ein Reiterzug war. Bisher wurden dort insgesamt 23 belastete Zerstörertruppangehörige festgenommen. In welchem Maße diesen Personenkreisen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss, zeigt der durch ein Aussenkommando festgestellte Fall in Orechow. Der beim Kreislandwirtschaftsführer beschäftigte Agronom, dessen Festnahme aus den verschiedensten Gründen durchgeführt werden musste, hatte versucht, neulich noch Sabotagemaßnahmen zu betreiben. Der Kreislandwirtschaftsführer, der ihm das beste Zeugnis ausstellte, da es sich um einen seiner fleissigsten Mitarbeiter handelte, versuchte mehrfach, die Freilassung zu erwirken, musste sich jedoch nach Abschluss der Ermittlungsergebnisse überzeugen, daß sein Agronom seine fleissige Mitarbeit nur zur Tarnung benutzt hatte, um andererseits die ihm anvertrauten Traktoren so fehlerhaft zusammenzusetzen, daß diese nach einem kurzen Einsatz bei der kommenden Frühjahrsbestellung unbrauchbar werden mussten. Der Agronom wurde zu einem Geständnis gebracht und erschossen. III. Reich und besetzte Gebiete: Der Kdr. d. Sipo u.d. SD Veldes meldet: Verhältnisse in Laibach und Umgebung: Während der Nacht vom 19. zum 20. 3. wurden in Laibach sämtliche ehemaligen jugosl. Offiziere verhaftet und sofort nach Italien abgeschoben. Die Bevölkerung Laibachs durfte am 20. 3. erst um 9 Uhr auf die Strasse. Die Hauptstrassen Laibachs waren massenweise mit kommunistischen Flugzetteln bestreut. Am 18. und 19. 3. wurden in Laibach 2 Studenten und ein alter Mann um die Mittagszeit von 2 jungen Burschen auf Fahrrädern erschossen. Prinz Auersberg musste von Gottschee nach Laibach flüchten, da Gottschee von Banden durchseucht ist und offizielle italienische Stellen dem Prinzen mitteilten, dass sie nicht in der Lage wären, weiterhin den Schutz seiner Familie in Gottschee zu übernehmen. Vor 2 Tagen wurde in Skofljaca, ca. 10 km vor Laibach, ein Zug mit Benzinfässern von Kommunisten angehalten und mit MG beschossen. Heizer und Lokführer wurden getötet, der

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halbe Zug ist abgebrannt. Vor 2 Tagen wurden vom faschistischen Universitätsverein Laibach der Vorsteher und Vertreter durch Kommunisten erschossen. Die Täter hinterliessen einen Zettel mit der Drohung, dass der ganze Vorstand in der nächsten Zeit daran glauben müsse. In Unterkrain sollen seit gestern eine Menge Bauern ihre Höfe verlassen haben und in die Berge gegangen sein. Vor 3 Tagen wurde bei Gross Sulle ein Auto mit italienischen Offizieren auf der Fahrt nach Rudolfswerk von Kommunisten überfallen, wobei 4 Offiziere getötet wurden. Der General, welcher ebenfalls im Wagen sass, konnte nach Laibach entkommen. BAB, R 58/221 1 Heinz Jost, geb. 1904, Jurastudium, 1927 Referendarexamen u. NSDAP, 1929 SA, 1930 Assessorexamen, 1931 Rechtsanwalt, 1933/34 Polizeidirektor in Worms u. Gießen, 1934 SS u. als Stubaf. zum SD-HA, 1936 Staf. u. Leiter Zentralabt. III/1 u. III/2, 1938 Chef der EG Dresden beim Einmarsch ins Sudetenland, 1939 Brif., April–Sept. 1942 BdS Ostland, danach zum RMO, 1948 im Nürnberger EG-Prozeß zu lebenslanger Haft verurteilt, 1951 zu 10 Jahren Gefängnis begnadigt, gest. 1964; BAB, BDC, SSO Heinz Jost; BAL, ZK: Heinz Jost. 2 Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 685, schreibt dazu mit Bezug auf das EK 8, also die EG B, u. fälschlicherweise auf EM 184 lediglich: „Mit Tippfehler bei der Opferzahl (‚15000‘)“. 3 Hitler hatte Himmler am 25.1. 1942 die Aufstellung weiterer einheimischer Schutzmannschaften unter der Führung von SS u. Polizei genehmigt; vgl. Der Dienstkalender Heinrich Himmlers, S. 327, 342. Im Baltikum wurden in der Folge Aufrufe zum Eintritt in diese Kollaborationseinheiten verbreitet. 4 Das Unternehmen ging auf eine Denkschrift des neuen OB der HGr Mitte, Generalfeldmarschall Günther von Kluge zurück u. mündete in eine Anweisung des OKW v. 1. 3.1942, die den Auftakt zu einer intensivierten u. wesentlich brutalisierten Form der „Partisanenbekämpfung“ in den deutsch besetzten Gebieten darstellte; zum Kontext vgl. Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 884 f. 5 Max von Schenckendorff (1875–1943) war von 1941 bis Anfang Juli 1943 Berück Rußland-Mitte; vgl. Hasenclever: Wehrmacht und Besatzungspolitik in der Sowjetunion, S. 73–95, 206 ff., 474–522.

Der Chef der Sicherheitspolizei u.d. SD IV A 1 – 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 30. März 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 187 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 30. 3. 1942. Die mit Ereignismeldung Nr. 186 v. 27. 3. 42 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Lettland: 1. Im Nachgang zu dem in der Ereignismeldung Nr. 186 v. 27. 3. 42 gemeldeten Fliegerangriff auf Wilna wird berichtet: Während des Bombenabwurfes wurden Flugzettel in deutscher Sprache abgeworfen, die sich vorwiegend an die deutschen Soldaten richteten; Brände entstanden nicht. Bevölkerung verhielt sich ruhig. Luftschutzmäßiges Verhalten genügte nicht, da grosser Teil der Bewohner sich während des Angriffs auf der Strasse aufhielt. Insbesondere ist noch zu melden, dass wiederholt von deutschen Beamten und verschiedenen deutschen Dienststellen das Abschiessen von roten Leuchtkugeln von der Erde aus beobachtet wurde, worauf Bombenabwurf erfolgte. Sämtliche Schadenstellen

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sind abgesperrt. Insgesamt befinden sich in den Krankenhäusern nach den letzten Feststellungen 20 Tote, 22 Schwerverletzte, darunter 10 lebensgefährlich, und 5 Leichtverletzte. Ferner wurden 61 Personen ambulant behandelt. Etwa 160 Personen sind obdachlos. Für die Unterbringung hat die Gemeindeverwaltung gesorgt. 2. Am 19. 3. wurden bei Ugahlen, 50 km südwestlich von Windau, 3 russ. Fallschirmjäger festgenommen. Unter den Fallschirmspringern befand sich eine Frau. Die Fallschirmjäger waren im Besitz von Waffen, russischen Spezialkarten und einem Kurzwellensender. 3. Bis zum 20. 3. haben sich etwa 8000 Freiwillige für die neuaufzustellenden Schutzmannschaftsformationen gemeldet. Im Augenblick ist jedoch die Werbeaktion völlig ins Stocken geraten, da in der lettischen Bevölkerung bekannt geworden ist, dass bei den bereits früher angeworbenen Freiwilligen Unzufriedenheit wegen der schlechten Bewaffnung wie auch darüber besteht, dass die Schutzmänner zu Bewachungszwecken in der Ukraine eingesetzt werden sollen, während ihnen bei der Werbung ein Einsatz im Kampf gegen den Bolschewismus an der Front versprochen worden sei. Estland: 1. In der Nacht vom 22. zum 23. 3. wurden in der Gegend von Werro-Oberpahlen verschiedenfarbige Leuchtraketen beobachtet. Die Raketen wurden in geringen Zeitabständen, oft auch mehrere hintereinander, in den verschiedensten Farbenkombinationen abgeschossen. Die notwendigen Ermittlungen sind eingeleitet. 2. Am 24. 3. gelang die Festnahme des seit langem gesuchten gr. kath. Geistlichen Alexander Iwanow Kowsz. K. ist dringend verdächtig, Vertrauensmann der Sowjets zu sein. 3. Im Zuge der Aktion gegen die Leitung der Partisanenbewegung Weissrutheniens gelang am 25. 3. die Festnahme des Chefs der Partisanenbewegung wie des Stabschefs und weiterer 50 Personen. Durch die Aussagen des Führers der Partisanenbewegung sind nunmehr die Standorte der einzelnen Gruppen sowie die Namen der Gruppenführer bekannt, so dass es möglich sein wird, in Kürze grosse Teile der Partisanenbewegung Weissrutheniens unschädlich zu machen. Einige Waffenlager wurden schon jetzt ausgehoben. Weitere Lager werden z. Zt. noch festgestellt. 4. Ein Oberleutnant der russ. Armee, der von Moskau aus im Partisanenauftrag in Marsch gesetzt und bei Smolensk durch die Front geschleust worden war, stellte sich selbst. 5. Nach Äusserungen der Bevölkerung soll vor einigen Tagen der estn. Kommunistenführer Vares über den Moskauer Rundfunk den Esten die Befreiung von der „faschistischen Plage“ versprochen haben. Dieses Versprechen wird im Volk allgemein belacht. Man gibt dabei der Hoffnung Ausdruck, dass man das „Glück der Befreiung“ durch die Sowjets nie erleben möge. 6. Am 22. 3. tagte in Reval der Finnlandverband. Es wurde den Lehrern empfohlen, estnisch und ungarisch zu lernen; auch wurde beschlossen, eine Aktion zur Finnisierung der russisch klingenden Namen in Ostkarelien einzuleiten. Man will auch Wege finden, um die Lage der stammverwandten Kriegsgefangenen zu verbessern. Weissruthenien: l. Während die bisherigen Meldungen über Anwachsen der Partisanentätigkeit zumeist aus den östlichen und südlichen Gebieten um Minsk stammen, kommen jetzt auch Meldungen über ein Anwachsen der Partisanenbewegung aus den nördlichen weissruthenischen Gebieten. Auch dort beginnen Kriegsgefangene zu Partisanen überzulaufen. 2. Die Führung der weissruthenischen Intelligenz in Minsk beabsichtigt, dem Führer durch eine Delegation eine Dankadresse überreichen zu lassen und ihn gleichzeitig zu bitten, eine Selbstverwaltung, ähnlich wie in den baltischen Ländern, für Weissruthenien zu genehmigen. 3. Am 24. 3. gelang in Minsk die Festnahme des Stabes der Partisanenbewegung Weissrutheniens. Insgesamt wurden 17 Personen festgenommen, unter denen sich auch der Propagandachef und der Beauftragte für Passfälschung befinden.

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Festgenommen wurde auch ein Stabsangehöriger, der mit der Herstellung von Gift und Bakterien beauftragt war. Gift und Bakterienkulturen konnten sichergestellt werden. Der Stabschef sowie der Leiter der Partisanenbewegung Weissrutheniens konnten bisher nicht dingfest gemacht werden. 4. Nach den bisherigen Feststellungen versuchte die Leitung in Minsk durch im Generalkommissariat eingeschmuggelte Frauenspersonen, die ebenfalls bereits festgenommen sind, den Gauleiter Kube zu vergiften. Darüber hinaus sollten umfangreiche Sprengungen im Generalkommissariat vorgenommen werden. Aufgrund der erfolgten Festnahme ist anzunehmen, dass es nunmehr gelingen wird, einen grossen Teil der verschiedenen Partisanengruppen in Weissruthenien ausfindig und unschädlich zu machen. 5. In Weissruthenien werden überall Versammlungen abgehalten, die die bäuerliche Bevölkerung über die Agrarreform unterrichten. In Minsk, wo der Gebietskommissar sämtliche Bürgermeister, Dorfältesten und Lehrer des Rayons Minsk im Weissruthenischen Theater zu einer Arbeitstagung zusammengezogen hatte, übernahm der Generalkommissar Kube persönlich die Erläuterung des grosszügigen bäuerlichen Reformwerks der Reichsregierung. In Kojdanow (Minsk-Land) überreichten die Bauern in ihrer Freude eine Spende von 4000 RM für das deutsche Rote Kreuz. In Smolewitsche veranstalteten die Kolchosbauern eine Sammlung, die 2000 RM für das deutsche Rote Kreuz ergab. Im Laufe der nächsten Wochen wird in den grösseren Orten Weissrutheniens, vor allem in Minsk, eine Werbeausstellung für Deutschland durchgeführt werden. 6. Infolge der katastrophalen Lebensmittellage in Minsk geht das einheimische Selbsthilfewerk jetzt dazu über, die Kinder aus den Waisenhäusern auf das Land, hauptsächlich nach Weissruthenien, zu schicken. So wurden die Kinder des Minsker Kinderheims Nr. 1 am 20. 3. 42 bereits nach Klezk überführt. Litauen: Erzbischof Jalbrzykowsky hat am 22. 3. in Begleitung seines Kanzlers Sawski Wilna in Richtung Mariupol verlassen. Die Abfahrt des Erzbischofs ist ohne jegliches Aufsehen und ohne Zwischenfall vonstatten gegangen. Von der Einsatzgruppe B liegen keine Meldungen vor. Einsatzgruppe C: Standort Kiew. Lage und Stimmung: Die Stimmung der Bevölkerung im Gebiete des EK C/6 kann noch als befriedigend angesehen werden. Durch die häufigen Truppenverschiebungen und Zurücknahme von deutschen Truppen an einzelnen Frontabschnitten tritt bei den Volksdeutschen und in den deutschfreundlich gesinnten Kreisen der Bevölkerung eine gewisse Beunruhigung und Unsicherheit auf. Die feindliche Propaganda und Agitation hat in den letzten Wochen zugenommen. In den abgeworfenen Flugblättern kündigen die Roten ihre bevorstehende Rückkehr an. Sie drohen der deutschfreundlichen Bevölkerung mit Erschiessen. Die Juden werden aufgefordert, sich noch einige Zeit versteckt zu halten. Ihre Rettung stehe bevor. Die Stimmung wird auch durch die schlechte Ernährungslage ungünstig beeinflusst. Auch aus dem Gebiet Kramatorsk wird vom SK 4b gemeldet, dass trotz der misslichen Ernährungslage die allgemeine Stimmung nicht als deutschfeindlich bezeichnet werden kann. In diesem Gebiet ist der Prozentsatz an Kommunisten höher, weil dort das Industrieproletariat überwiegt. Doch ist es keineswegs so, dass der Bolschewismus in der breiten Masse fest verwurzelt ist. Die ältere Generation erinnert sich vorwiegend der Zarenzeit, in der es ihr besser ergangen ist. Die jüngere Generation ist ziemlich stark vom Bolschewismus infiziert, da sie keine bessere Welt kennt. Ein Teil dieser Jugendlichen ist jedoch von dem Wunsche beseelt, unter anderen Bedingungen als unter dem Sowjetsystem arbeiten und leben zu können. Die meisten sind noch davon überzeugt, dass die Deutschen ihnen Arbeit und Brot geben werden. Diejenigen Männer, die noch

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dienstpflichtig sind und dem Befehl zur Evakuierung seinerzeit nicht Folge geleistet haben, stehen naturgemäß mit ihren Familien auf deutscher Seite. Sie leben jedoch augenblicklich in grosser Furcht. Gesteigert werden ihre Befürchtungen durch Nachrichten der hauptsächlich im Abschnitt bei Artemowsk aus einzelnen von den Roten zurückeroberten Dörfern geflüchteten Bevölkerung. Ein von roten Fliegern auf Kramatorsk ausgeführter Bombenangriff hinterliess trotz seiner Wirkungslosigkeit bei der Bevölkerung einen recht starken Eindruck. Alle diese Tatsachen lassen es der Bevölkerung ratsam erscheinen, sich nicht zu sehr zu exponieren und sich vorläufig abwartend zu verhalten. Die religiöse Freizügigkeit findet grossen Anklang. Es wird gemeldet, dass eine Bemerkung in der in Luzk erscheinenden deutschen Zeitung, wonach deutsche Soldaten in der Ukraine Siedlungsland erhalten sollen, in der Bevölkerung die Befürchtung ausgelöst habe, dass die Ukrainer nach dem Kriege die Fronknechte deutscher Herren werden sollten. Diese Meldungen lassen die völlige Unsicherheit im Volke erkennen, die noch durch mangelhafte Propaganda im Reichskommissariat verstärkt wird. Im Kiewer Gebiet haben sich Lage und Stimmung nicht wesentlich geändert. Bemerkenswert ist die Ablehnung, welche Westukrainer und Reemigranten erfahren. Es bietet sich hierbei die Möglichkeit, dem unerwünschten Treiben dieser Elemente entgegenzuwirken. Volkstum: Über das Vorhandensein von Volksdeutschen in dem inzwischen vom Kommando 4b weiter durchschrittenen Raum wird ergänzend mitgeteilt: a) Poltawa: In Poltawa waren noch 87 volksdeutsche Kolonien zurückgeblieben, die listenmäßig erfasst wurden. Nach Überprüfung ihrer Wohnverhältnisse, wirtschaftlichen Lage usw. wurde bei den zuständigen Stellen veranlasst, dass den Volksdeutschen ordentliche Wohnungen zugewiesen werden. Ausserdem wurde bei dem zuständigen Landwirtschaftsführer veranlasst, dass für sämtliche Volksdeutsche eine Gemeinschaftsküche errichtet wird und die darüber hinaus notwendigen Lebensmittel für die einzelnen Familien laufend in ausreichender Menge zugeteilt werden. Der grösste Teil dieser Volksdeutschen konnte durch das Kommando mit warmer Kleidung, die infolge der Judenaktion zur Verfügung stand, versehen werden. b) Sachnowtschina: In Sachnowtschina wurden noch 52 Volksdeutsche angetroffen. Durch den längeren Aufenthalt des EK 4b konnte die Betreuung umfassender als bisher erfolgen. Neben der Zuweisung und Instandsetzung geeigneter Wohnungen erfolgte über den Bürgermeister eine einmalige Zuweisung von Mehl und Kartoffeln als Wintervorrat und die laufende Zuweisung von Lebensmitteln für den täglichen Verbrauch. Insbesondere wurde auch Zuteilung von Frischmilch für Kleinkinder veranlasst. Vor dem weiteren Vorrücken des Kommandos wurde in der Unterkunft des Kommandos ein volksdeutscher Abend veranstaltet. c) Slawjansk, Kramatorsk, Konstantinowka und Artemowsk: In diesen 4 Städten läuft z. Zt. die Erfassung der Volksdeutschen. Schätzungsweise werden noch 600–700 Volksdeutsche anwesend sein. Auch hier wurde – wie überall – im Jahre 1937 und im Herbst 1941 der grösste Teil der Volksdeutschen nach dem Innern Russlands verschleppt. Männer sind kaum noch anzutreffen. Das volksdeutsche Bewusstsein ist fast völlig verschüttet. Die Zahl der Mischehen ist ausserordentlich hoch. Die deutsche Sprache wird nur noch teilweise gesprochen. Die meisten Kinder haben sie überhaupt nicht mehr erlernt. In den Industriestädten des Donezgebietes kommt noch hinzu, dass ein erheblicher Teil Volksdeutscher bolschewisiert ist. d) Berdjansk, Tschernikowka: Dort wurden 800 Volksdeutsche und im Bezirk Tschernikowka 3200 Volksdeutsche erfasst. Die im Bezirk Berdjansk gelegenen Dörfer Neuhoffnung, Neuhoffnungstal, Rosenfeld und Neu-Stuttgart sind von Mennoniten bewohnt, die sich völ-

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kisch rein erhalten haben. In den weiteren Siedlungen ging das Deutschtum durch Mischehen mit russischer und ukrainischer Bevölkerung mehr oder weniger verloren. Wirtschaft und Ernährung: Das Ernährungsproblem: Aus Stalino wird berichtet, dass dieses Problem für die Bevölkerung so drückend ist, dass dadurch eine allgemeine Depression entsteht und sich hartnäckig hält. Man sieht hier mit grosser Sorge in die Zukunft, umsomehr, als bis zur nächsten Ernte noch 5 Monate zu überwinden sind. Die rote Flüsterpropaganda versucht mit allen Mitteln, den deutschen Behörden das Versagen der Volksernährung zuzuschieben. Allerdings nicht immer mit Erfolg, denn es ist ja bekannt, wer die Lebensmittelvorräte zerstört und geplündert hat. Stimmungsmäßig ungünstig wirkt sich auch die Geldentwertung aus. Ganz gleichgültig, ob die Löhnung der Arbeiterschaft in Reichsmark oder in Rubeln bezahlt wird, besitzt z. Zt. keine der beiden Währungen einen Kaufwert, da keine kaufbare Ware vorhanden ist. Das ist auch der Grund, warum unter der Hand Preise bestehen, die jedes Vertrauen zu den Währungen aufheben. So wird z. B. für ein Päckchen Tabak bis zu 120 Rubel oder RM 12,– gezahlt, für eine Zigarette RM –,50. Eine Kartoffel kostet 1 Rubel, 1 Rübe zwischen 3 und 5 Rubel. Vorherrschend ist immer noch der Tausch. Gegen Ware kann nahezu alles getauscht werden. Es ist klar, dass besonders die Arbeiter mit ihren RM 40,– oder RM 60,– monatlich unter solchen Umständen nichts anfangen können. Die Arbeitswilligkeit geht dementsprechend zurück. Man ist sich dessen bewusst, dass der Arbeitsplatz zugleich ein Anrecht auf Ernährung gibt, womit die Existenz gesichert sein sollte. Misstimmungen entstehen sofort, wenn die Belegschaft eines Betriebes oder einer Behörde besser versorgt wird als die Arbeiter anderer Unternehmen. So hat z. B. die Stadt Stalino für ihre Belegschaft ein Speisehaus eingerichtet und gibt ihren Gefolgschaftsmitgliedern ausser Brot noch Sonderzuweisungen. Dies führt zur Unzufriedenheit unter den Arbeitern der Bergwerks- und Hüttengesellschaft Ost m.b.H., die noch keine Werksküchen haben und trotz der sehr schweren Arbeit keine Sonderzuweisungen bekommen. Aus Dnjepropetrowsk wird gemeldet, dass wegen der uneinheitlichen Lohnzahlungen der deutschen Dienststellen vom Generalkommissar mit dem 1. 2. 42 eine Lohnstoppverordnung in Kraft gesetzt worden ist. Gleichzeitig damit wird wegen der wilden Entwicklung der Marktpreise und dem Überhandnehmen des Schleichhandels eine Preisstoppverordnung herauskommen. Die praktische Erfahrung in Kiew erweist die absolute Unzweckmäßigkeit der Markt- und Preisregelung aufgrund von theoretischen Erlassen, deren Durchführung praktisch weder kontrolliert noch gewährleistet werden kann. Die zweite in Kiew herausgegebene Preisstoppverordnung zur Regelung der Marktpreise erlitt genau dasselbe Fiasko, welches der ersten derartigen Verordnung beschieden gewesen ist. Wie beim ersten Male verschwanden sofort nach Bekanntwerden der Verordnung sämtliche Waren überhaupt vom Markt und der Schleichhandel wurde nicht gebremst, sondern bekam ein nie dagewesenes Ausmaß. Um die Bevölkerung vor den Folgen dieser verfehlten Maßnahme zu bewahren, musste die Höchstpreisverordnung wieder zurückgezogen werden, worauf die notwendigen Waren sofort wieder auf dem Markt erschienen. Hierdurch ist das an sich schon recht stark erschütterte Ansehen der deutschen Verordnungen noch weiter untergraben. Die einzige Möglichkeit, eine Preissenkung bis zu dem gewünschten und erträglichen Maße herbeizuführen, ist die Schaffung staatlich gesteuerter zentraler Einkaufs- und Verkaufsorganisationen. Die Preisgestaltung dieser Organisationen allein kann die Herabsetzung der Einzelhandelspreise auf die gleiche oder ähnliche Höhe bewirken. Landwirtschaft: Die augenblickliche Lage der Landwirtschaft im Gebiet Stalino, das im nördlichen und östlichen Teil noch nicht feindfrei ist, wird durch 2 Umstände entschei-

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dend beeinflusst: a) Das Gebiet Stalino war in früheren Zeiten als Industriezentrum immer schon Zuschussgebiet (allein an Getreide mussten jährlich aus anderen Gebieten 300 000 to eingeführt werden). b) Seit Mitte Oktober 1941 sind in diesem Gebiet allein von der deutschen Wehrmacht rd. 500 000 Mann sowie etwa 100 000 Mann Verbündete und der entsprechende Heerestroß untergebracht worden. Infolge der schlechten Verkehrsverhältnisse sind diese Menschenmassen bisher zum grössten Teil aus dem Lande ernährt worden. Im Gebiet Stalino war z. Zt. der Besetzung (15.–22. Oktober) die Ernte bereits zu 85 % eingebracht, ausgedroschen und das Korn an den vorgeschriebenen Punkten zusammengefahren. Erhebliche Mengen Getreide waren bereits ins Innere Russlands abtransportiert worden. Nach bisherigen Erhebungen rd. 30 000 to. Die restlichen Getreidevorräte sollten durch besondere Zerstörungskommandos vernichtet werden. Tatsächlich wurden auch zahlreiche Getreidespeicher angezündet. Man schätzt die Menge des auf diese Art vernichteten Getreides auf ca. 40 000 to. Alle übrigen Getreidelager wurden von der Bevölkerung geplündert. Die eingesetzten Landwirtschaftsführer fanden daher Ende Oktober folgendes Bild vor: 1. Zu beiden Seiten der Vormarschstrasse restlos ausgeplünderte Sowchosen und Kolchosen. 2. Brennende Getreidespeicher, ebenfalls von der Zivilbevölkerung ausgeplündert. 3. Gesprengte Be- und Verarbeitungsbetriebe wie Mühlen, Brotfabriken, Molkereien usw. 4. Keine Fahrzeuge, fast keine Pferde und nur wenig zusammengefahrenes Getreide, nur auf entlegenen Betrieben Vorräte an Vieh, Getreide und Rauhfutter. Kommunisten: Die Zahl der anfallenden Vorgänge betreffend Bekämpfung der Kommunisten steigt täglich. Die ukrainische Hilfspolizei wird von politisch und kriminell untragbaren Elementen gesäubert. Die von der feindlichen Front aus nach Charkow hineinbetriebene feindliche Propaganda hat sich verstärkt. Neben der Flugblattpropaganda gehen in erhöhtem Maße Flüsterparolen durch. Die Feindpropaganda beabsichtigt, das russische Element und die KP-Kreise in dem Glauben an die Rückkehr der Roten zu bestärken. Auf der anderen Seite wird versucht, die Hilfsbereitschaft der Ukrainer den Deutschen gegenüber durch Einschüchterungen und Drohungen zu beinträchtigen. Die Propaganda wird in erster Linie durch Parteimitglieder, die von Kurieren Weisungen erhalten, getragen. Es wird mit allen Mitteln versucht, die Unzufriedenheit der Bevölkerung zu schüren und sie zum passiven und aktiven Widerstand zu bewegen. Es wurden daher im Rahmen der für die Stadt Charkow befohlenen Verteidigungsmaßnahmen und zur Sicherung gegen das Anwachsen gefährlicher bolschewistischer Einflüsse in den besonders hiervon betroffenen Rayons der Stadt sicherheitspolizeiliche Maßnahmen gegen die Mitglieder der KP ergriffen. Hierbei konnten 236 Personen festgenommen und vernommen werden. 193 Personen wurden als Agitatoren und gefährliche, zersetzende Elemente festgestellt und erschossen. Ebenso wurde gegen 64 Juden verfahren, die mit falschen Pässen ausgerüstet waren, sich verborgen hielten oder denen die Verbreitung zersetzender Gerüchte in Verbindung mit der Feindpropaganda nachgewiesen werden konnte. Durch das EK C/6 wurden Awdejewka, Berdjansk, Gorlowka, Grischino und Makejewka judenfrei gemacht. 1 Es ist weiterhin gelungen, eine Reihe von Passfälschern sowie 2 Spione zu fassen und zu exekutieren. In Konstantinowka sind als Vergeltung für das Durchschneiden eines Wehrmachtsfernsprechkabels 8 Personen erhängt und 2 erschossen worden. In Kiew wurden 3 Personen wegen Sabotage öffentlich erhängt. Bandera-Bewegung: Im Dienstbezirk des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD in Shitomir ist es gelungen, die bedeutendsten Funktionäre der OUN in diesem Gebiet festzunehmen. Der Gebietsführer Roman Martschak wurde bei einem Fluchtversuch

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erschossen. Es wurden ca. 2000 Broschüren und Flugblätter sichergestellt. Unter dem Bett des Martschak wurde eine mit Dum-Dum-Munition geladene Nagan-Pistole vorgefunden. Durch die Aussagen eines der festgenommenen Bandera-Leute konnten im Keller eines vollkommen zerschossenen Hauses grosse Mengen Propagandamaterials, Organisationspläne und Mitgliederlisten der Gebiete Shitomir, Kiew, Charkow und Poltawa sowie eine vollständige Passfälscherwerkstatt, in Koffern und Rücksäcken untergebracht, sichergestellt werden. Weiterhin wurden im Laufe der Ermittlungen 2 Schreibmaschinen sichergestellt, mit denen Propagandamaterial hergestellt worden ist. Es steht heute einwandfrei fest, dass die Bandera-Bewegung nicht nur ihre sämtlichen Funktionäre, sondern auch Juden mit falschen Pässen versehen hat. Wie aus den vorgefundenen Befehlen zu ersehen ist, erstreckte sich die Arbeit der Bewegung während der Wintermonate nur auf propagandistische Aufklärungstätigkeit innerhalb der breitesten Bevölkerungsschichten bis in die kleinsten Dörfer hinein. Ein gut funktionierender Nachrichtendienst sorgte für die Unterrichtung des Gebietsführers über die kleinsten Ereignisse in den Kreisen und Rayons. Die Nachrichten wurden oft Hunderte von Kilometern mit Fahrrad, zu Fuss oder durch Benutzung deutscher Wehrmachtswagen dem Gebietsführer zugeführt. Zum grössten Teil waren diese Meldungen chiffriert. Erwähnenswert ist, dass die Meldungen oft zusammengerollt, auf dünnstem Papier geschrieben, in einem Füllfederhalter überbracht wurden. Überholungsaktionen sind vorbereitet und werden baldmöglichst durchgeführt. In einer dieser vorgenannten Meldungen wird auch auf die Polen hingewiesen, die im Begriff stehen, eigene Organisationen aufzustellen. Weiterhin wurde im Rahmen der Ermittlungen auf die Organisation „Freie Kosaken“ gestossen, die ebenfalls eine selbständige, freie Ukraine erkämpfen will und teilweise bereits Hand in Hand mit der BanderaBewegung arbeitet. Die führenden Mitglieder der Bandera-Bewegung gehören vorwiegend der Intelligenz an. Wie besonders aus der Liste der Kiewer Mitglieder zu ersehen ist, handelt es sich um Professoren, Lehrer, Studenten, Dichter usw. Durch die propagandistische Tätigkeit der fast ausschliesslich aus der Westukraine zugewanderten Funktionäre hat die Bewegung bereits breite Bevölkerungsschichten auf dem Lande erfasst. Es ist der Organisation im Bezirk Shitomir gelungen, in alle Zweige der Verwaltung einzudringen. Am 18. 3. 42 erfolgte die Festnahme eines aktiven Kommunisten, dem enge Beziehungen zu jüdischen Kreisen nachgewiesen wurden. Als sowjetischer Dorfältester und Kolchosvorsitzender hatte er die Bauern zum Anlegen von Schützengräben gezwungen und sie vor dem Einmarsch der deutschen Truppen das Vieh zum Dorf hinaustreiben lassen. Später duldete er den Aufenthalt von unangemeldeten Kriegsgefangenen und versuchte, eine Partisanengruppe zu organisieren. Am 16. 3. 42 nahm der Kdr. d. Sipo u.d. SD in Kiew einen ehemaligen NKWD-Major aus Kirowograd fest, dem zur Last gelegt wurde, seine Untergebenen zur Unschädlichmachung von Volksdeutschen und deutschfreundlichen Ukrainern angehalten zu haben. Er gab zu, 56 Personen in das Konzentrationslager Komsomolzk, dessen Leiter er von 1937 bis 1938 war, verschickt zu haben. In Starokonstantinow (Kdr. d. Sipo u.d. SD Rowno) wurde ein ehem. Komsomolsekretär und Sekretär des sowjetischen Dorfrates festgenommen. Im Bereich des Sonderkommandos 4b, Gorlowka, war in der letzten Zeit eine besondere Aktivität der KP nicht festzustellen. Es traten lediglich einige Fälle von Flüsterpropaganda in deutschfeindlichem Sinne in Kramatorsk auf. In Artemowsk kann die Gefahr des Wiederauflebens der KP-Tätigkeit als abgewendet betrachtet werden. Eine Überprüfung aller wesentlichen Betriebe in diesem Ort ist beendet worden. Die Melnik- u. Bandera-Bewegung: Wie der Kdr. d. Sipo u.d. SD in Kiew berichtet, ver-

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breitete die illegale Melnik-OUN-Gruppe ein neues Flugblatt, das in Broschürenform auf 12 Seiten das Memorandum des Präsidenten des (aufgelösten) ukrainischen Nationalrates in Kiew, Nikola Welitschkowski, an den Reichskommissar für die Ukraine wörtlich wiedergibt. Das Flugblatt hatte eine Auflage von 180 Stck. In dem Memorandum kritisierte Welitschkowski verschiedene Maßnahmen der deutschen Verwaltung. In Rowno beschlagnahmte der Kdr. d. Sipo u.d. SD die Ausgabe Nr. 32/51 vom 22. 3. 42 der Zeitung „Wolhynien“ wegen eines Leitartikels des Melnik-Anhängers Samtschuk mit deutschfeindlichem Inhalt. 21000 Exemplare dieser Ausgabe wurden vernichtet. In Ostrog (Kdr. d. Sipo u.d. SD Rowno) wurden der Bürgermeister, sein Stellvertreter und 5 andere Personen festgenommen, da sie die illegale Herstellung von Flugblättern „Die 10 Gebote der Bandera-Bewegung“ in einer städtischen Druckerei duldeten. Das EK 6 ergriff in Stalino einen Mann, der in der Nähe von Stalino mit einem Fallschirm abgesprungen war und der u. a. den Auftrag hatte, die Verbindung mit sowjetrussischen Vertrauensleuten zu Spionagezwecken herzustellen. Einer dieser Verbindungsleute konnte im Laufe der Ermittlungen ausfindig gemacht werden. In seinem Besitz befanden sich mehrere auf verschiedene Namen lautende Personalausweise und Militärpässe. In seiner Wohnung in Stalino wurde am 16. 3. 42 eine gebrauchsfertige englische Kurzwellensendeanlage im Sitz eines Sofas entdeckt und sichergestellt. In der Nähe des Apparates, der offenbar seit langer Zeit in Betrieb war, lag ein geladener russischer Browning mit gefülltem Ersatzmagazin; ausserdem wurde ein Chiffreabdruck gefunden. Einsatzgruppe D: Standort Simferopol. Bolschewistische Propaganda: Feindliche Flugzeuge warfen in den letzten Wochen wiederholt über Taganrog Flugblätter ab, in denen sie die Jugend Taganrogs zum Widerstand gegen die deutsche Wehrmacht und zur Gründung von Terror- und Sabotagegruppen aufforderte. Durch solche Akte sollte Beunruhigung im Rücken der Front hervorgerufen werden. Einige Tage nach Abwurf der Flugblätter trat dann auch eine Klebekolonne, die Hetzschriften verbreitete und sich ebenfalls durch einen Aufruf an die Jugend der Stadt wandte, in Erscheinung, die die Jugend zum Zusammenschluss und zur Partisanentätigkeit aufforderte. Die sofort aufgenommenen Ermittlungen führten zur Festnahme der Urheber und Verbreiter dieser Schriften. Umfangreiches Beweismaterial wie Durchschlagpapier, noch nicht aufgehängte Flugzettel und die Schreibmaschine, die zur Herstellung der Schriften diente, konnte sichergestellt werden. Diese Geheimorganisation bestand aus zehn Männern, deren Führung mit den Roten jenseits des Lises in Verbindung stand und von dort auch seine Weisungen erhielt. Für Treffpunkte mit Leuten, die von den Roten nach Taganrog geschickt wurden, war folgende Parole herausgegeben worden: „Wünschen Sie zu baden?“ Antwort: „Gehen Sie nach Moskau baden.“ BAB, R 58/221 1 Vgl. Anklage Staw Wuppertal v. 23. 7. 1962, BAL, B 162/4690; Urteil LG Wuppertal v. 30.12. 1965, BAL, B 162/14308.

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Der Chef der Sicherheitspolizei und d. SD IV A 1 – 1 B/41 g.Rs.

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Berlin, den 1. April 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 188 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 1. 4. 42. Höherer SS- und Polizeiführer Nord (101): (Jeckeln), Standort: Riga. Einsatzgruppe A: (Jost), Standort: Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: FS Riga, FT Krasnogwardeisk, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Estland: (Dr. Sandberger), Standort: Reval m. Dienststellen in Narwa, Dorpat, Kingisepp, Krasnoje-Selo, Luga und Pleskau, N-Verbindungen: FS Reval, FT Pleskau, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Lettland: (Dr. Lange), Standort: Riga m. Dienststellen in Libau, Wolmar u. Dünaburg, N-Verbindungen: FT Riga, FS Libau, Wolmar u. Dünaburg, Feldpost-Nr. 15447. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Litauen: (Jäger), Standort: Kauen m. Dienststellen in Wilna u. Schaulen, N-Verbindungen: FT, FS Wilna und Schaulen, Feldpost-Nr. 15641. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Weissruthenien: (Strauch), Standort: Minsk m. Dienststellen in Wilejka und Baranowicze, N-Verbindungen: FT und FS Minsk, FeldpostNr. 15641. Höherer SS- und Pol.Führer Mitte (102): (v. d. Bach), Standort: Mogilew. Einsatzgruppe B: (Naumann), Standort: Smolensk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Kurierverbindung über Warschau und Fernsprecher über VD Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando 7a: (Rapp), Standort: Klinzy, N-Verbindungen: FT Klinzy, FeldpostNr. 85607. Sonderkommando 7b: (Ott), Standort: Brjansk m. Trupp in Orel, N-Verbindungen: FT Orel, Feldpost-Nr. 18535. Einsatzkommando 8: (Richter), Standort: Mogilew m. Trupps in Borissow, Orscha, Gomel u. Bobruisk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Feldpost-Nr. 37867. Einsatzkommando 9: (Wiebens), Standort: Witebsk m. Trupps in Smolensk, Newel, Polozk u. Lepel, N-Verbindungen: FT Witebsk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando Moskau: Standort: Roslawl, N-Verbindungen: FT Roslawl. Höherer SS- und Polizeiführer Süd (103): (Prützmann), Standort: Rowno. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Kiew: (Ehrlinger), N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Nikolajew: (Dr. Spann), Standort: Nikolajew, N-Verbindungen: FT Nikolajew. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Charkow: (Dr. Kranebitter), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Shitomir: (Dr. Razesberger), Standort: Shitomir, N-Verbindungen: FS Shitomir. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Wolhynien: (Dr. Pütz), Standort: Rowno, N-Verbindungen: FT u. FS Rowno.

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Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Dnjepropetrowsk: (Mulde), Standort: Dnjepropetrowsk, N-Verbindungen: FT Dnjepropetrowsk. Einsatzgruppe C: (Dr. Thomas), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier, Feldpost-Nr. 32704. Sonderkommando 4a: (Dr. Weinmann), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow, Feldpost-Nr. 32704. Sonderkommando 4b: (Haensch), Standort: Kramatorsk m. Trupps in Shitomir, Rowno, Winniza, N-Verbindungen: FT Gorlowka, Feldpost-Nr. 34310. Einsatzkommando 6: (Mohr), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino, FeldpostNr. 35970. Höherer SS- und Pol.Führer z. b. V.: (Korsemann), Standort: Rowno. Einsatzgruppe D: (Ohlendorf), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol, Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10a: (Seetzen), Standort: Taganrog m. Trupps in Mariupol und Melitopol, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10b: (Persterer), Standort: Feodosia m. Trupps in Sudak, Ismail, Tereku u. Dshankoj, N-Verbindungen: FT Feodosia, Feldpost-Nr. 47540. [Es fehlt Einsatzkommando 11a] Einsatzkommando 11b: (Dr. Braune), Standort: Simferopol u. Aluschta, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 12: (Dr. Müller), Standort: Fedorowka m. Trupps in Pologi, Biukxas u. Gulja-Pole, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Estland: 1.) Die Zuerkennung der Selbstverwaltung wird in der estnischen Bevölkerung verschieden besprochen. Es fehlt nicht an Stimmen, die der Meinung sind, dass es sich nur um eine Geste handele, die den Engländern zeigen solle, dass Deutschland den Baltenländern grosszügige Freiheit gewährt. 2.) In der Bevölkerung greift immer mehr die Befürchtung um sich, dass mit Eintreten wärmerer Witterung Epidemien ausbrechen werden. Es wird dabei darauf hingewiesen, dass Estland der Front sehr nahe liegt und dass durch den schlechten Ernährungszustand der Bevölkerung den Krankheitserregern kein genügender Widerstand entgegengesetzt werden kann. 3.) In estnischen Intelligenzkreisen kursiert ein Gerücht, nach welchem durch Vermittlung des spanischen Staatsführers Franco zwischen Deutschland und England Friedensverhandlungen geführt würden. Deutschland wolle seine Kräfte für den Kampf im Osten frei haben. 4.) Am 21. 3. brachte der Finnlandsender in estnischer Sprache einen Aufsatz der „Uosi Suomi“, in dem zu dem Erlass des Reichsministers für die Ostgebiete, der die Einführung der Selbstverwaltung in den baltischen Ländern betrifft, Stellung genommen wird. Die Zeitung nennt diesen Erlass beachtenswert und zitiert hierzu Äusserungen deutscher Zeitungen. Durch die Einführung der Selbstverwaltung werde den baltischen Völkern die Möglichkeit gegeben, die Spuren der bolschewistischen Zersetzungen endgültig zu beseitigen. Einsatzgruppe B: Standort Smolensk. Allgemeines: Die Angstpsychose vor der Rückkehr der Roten ist in allen Bevölkerungskreisen noch nicht geschwunden. Trotzdem konnte innerhalb der Bevölkerung ein Aufatmen festgestellt werden, da diese der Überzeugung ist, dass mit Beginn der wärmeren Jahreszeit durch eine Offensive der Deutschen der bolschewistische Spuk bald endgültig weggefegt sein wird. Die nachlassenden Fliegerangriffe der Sowjets auf die besetzten Ge-

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biete haben eine Besserung der Stimmung unterstützt und lassen zugleich das Gerücht aufkommen, dass die Bolschewisten sich zurzeit auch auf die endgültige Auseinandersetzung vorbereiten. Mittelpunkt der Tagesgespräche ist die allgemeine Sorge um die Sicherstellung der Ernährung und Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln. Die amtlichen Zuteilungen, so wird berichtet, seien zwar ausreichend, aber kämen nicht immer zur Verteilung. In Kreisen der Bevölkerung wird offen davon gesprochen, dass sich in letzter Zeit Übergriffe von Ordnungsdienstangehörigen in Form von Plünderungen ereignet haben und dass selbst die amtlichen Organe wie Bürgermeister verschiedentlich zuerst an sich und ihre Verwandten dächten. Diese Stimmung wird erheblich genährt durch eine geschickte Feindpropaganda in Form von Flugzetteln, Handzetteln und Flüsterpropaganda. Wenn auch diese Propaganda sich nicht so stark mit der Ernährungslage beschäftigt, so verfehlt sie durch nachdrücklichste Drohung und Prophezeiungen über die Rückkehr der Roten Armee nicht ihren Zweck. So wird im Bezirk Mogilew auch weiterhin über die äusserst schlechte Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln geklagt. Lebensmittel sind zwar zur Verteilung vorgesehen, aber in Wirklichkeit bekommt der Arbeiter mit seinen Angehörigen lediglich Brot. Kartoffeln oder andere Nahrungsmittel gibt es tatsächlich nicht. Auch über die Verpflegung der Arbeitenden in den Speisesälen der Fabriken liegen zahlreiche Klagen vor. Das Essen z. B. im Metallkombinat besteht aus einer undefinierbaren Suppe mit gefrorenen schwarzen Kartoffelstückchen und ist kaum geniessbar. Die Speisesäle der Stadt verausgaben als Mittagskost ebenfalls fast ungeniessbare Speisen. Selbst die Zusage, verschiedenen Arbeitern des Metallkombinates durch Milchzulagen eine zusätzliche Verpflegung zu garantieren, ist zwar durch Milchanlieferung eingehalten, die aber nicht den betreffenden Arbeitern verabreicht, sondern bereits im Büro verteilt worden ist. Dazu kommt noch im Mogilewer Bezirk die ungerechte Verteilung von Lebensmitteln durch die Bürgermeister an sich selbst sowie an Freunde, Verwandte und Bekannte. Diese Ungerechtigkeiten müssen zweifellos die Stimmung erheblich gerade in Fabriken beeinflussen. In Bobruisk ist die Stimmung nach wie vor sehr zurückhaltend. Die Gründe liegen in der schlechten Ernährungslage sowie in der Zunahme der in Umlauf gesetzten Gerüchte. Das Aufflackern der Partisanenbewegung gibt nicht zuletzt den Anlass zur Gerüchtebildung. Im besonderen wird ein energisches Durchgreifen der deutschen militärischen Dienststellen vermisst. Borissow meldet hierzu, dass die Stimmung im Rayon Borissow nicht als ausgesprochen schlecht zu bezeichnen ist. Abgesehen davon, dass eine Anzahl von Einwohnern noch Angst vor einer möglichen Rückkehr der Roten Armee zeigt, ist die Mehrzahl der Bevölkerung doch bereits anderer Ansicht. Der rege Verkehr entlang der Autobahn verhilft zu der Einsicht, dass in absehbarer Zeit grössere militärische Aktionen bevorstehen und dass daher eine übertriebene Angst falsch am Platze ist. Es gibt allerdings auch andere Kreise, besonders solche, die den Reihen der sogenannten Intelligenz angehören, die lieber Handarbeit leisten und als einfache Arbeiter in den Betrieben tätig sein wollen, als dass sie die ihnen gebührenden Posten mit Verantwortung annehmen wollen. Sie fürchten nämlich, dadurch in den Verdacht der Mitarbeit bei deutschen Dienststellen zu kommen. Vereinzelt ruft auch das anbefohlene Arbeitstempo, dem die Russen nicht gewachsen sind, Unwillen hervor. Man bezeichnet dieses Tempo als glatte Übertreibung. Gemachte Versprechungen von deutscher Seite werden abwartend behandelt, ihre Einlösung wird für zweifelhaft gehalten. Die wiederholten Luftangriffe im vergangenen Monat auf Orscha haben einen starken Eindruck hinterlassen, der bis heute noch nicht verwischt ist. Die neuerdings verstärkte deutsche Luftabwehr hat zwar der Bevölkerung die Sicherheit wiedergegeben, aber sie

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nicht davon abhalten können, die Stadt zu verlassen und in den umliegenden Landgemeinden Unterschlupf zu suchen. Gerüchte behaupten, dass die Sowjets wieder äusserst stark seien und dass daher bald mit ihrer Rückkunft zu rechnen ist. Diese Stadtflucht, die zum Teil ohne jede Abmeldung vor sich geht, hat zur Folge, dass in der Registrierung der Bevölkerung jede Übersicht fehlt. Auf dem Lande der obengenannten Gebiete ist die Stimmung gleichbleibend gut; lediglich in einigen Orten, in denen sich jetzt vor allem eine verstärkte Partisanentätigkeit bemerkbar macht, ist die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt. Hier hat sich durch Sofortmaßnahmen der deutschen Wehrmacht die Stimmung etwas gebessert und vor allem durch das Bekanntwerden der neuen Agrarordnung einen erheblichen Auftrieb erhalten. Nach wie vor ist im Witebsker Gebiet eine unruhige Stimmung festzustellen. Die Fliegerangriffe in der Berichtszeit, das Auftreten der Partisanen in der näheren Umgebung haben die Stimmung weiterhin ungünstig beeindruckt. So ist ein Partisanenüberfall auf eine 18 km von Witebsk entfernte Mühle in Masolow an der Strasse nach Gorodok bekanntgeworden. Sämtliche Vorräte, unter anderem mehrere Tonnen Weizenmehl, wurden fortgeschafft. Der Bürgermeister und zwei von deutschen Behörden eingestellte Russen wurden erschossen. Ähnliche Überfälle werden aus Rowka, 40 km nordöstlich von Witebsk, gemeldet. In einem anderem Fall wurde 10 km von Witebsk ein Angestellter aus Witebsk samt Pferdeschlitten verschleppt. Diese Vorfälle aus letzter Zeit und die schlechte Ernährungslage sind naturgemäß dazu angetan, die schon stark gedrückte Stimmung der Bevölkerung noch zu verschlechtern. Die Angst vor einer Rückkehr der Roten hält trotz aller deutschen Sicherungsmaßnahmen an. Die Gefahr einer Umzingelung in Witebsk wird befürchtet. Gerüchten zufolge sollen die Bolschewisten die Absicht haben, den Partisanenkrieg wie in Finnland so auch hier in kleineren Gruppen von 15–20 Mann zu führen. Immer wieder hält sich das hartnäckige Gerücht, dass die Deutschen die Bekämpfung der Partisanen zu leicht nehmen und sich über die Folgen des Partisanenkrieges nicht im klaren sind. Die Stimmung in Lepel ist ähnlich wie in Witebsk. Es ist insofern eine Beruhigung festzustellen, als die seit langem geplante Judenaktion durchgeführt worden und nunmehr nach Ansicht der Bevölkerung die Hauptquelle unwahrer Gerüchte versiegt ist.1 Die infolge der im vorigen Monat erfolgten Fliegerangriffe der Roten begonnene Landflucht ist abgestoppt und bereits die Rückkehr des grössten Teiles der Flüchtlinge erfolgt. In Newel ist eine merkliche Besserung der allgemeinen Stimmung und Lage festzustellen. Bedingt durch die anfangs März erfolgte Lockerung der Verkehrssperre für die russische Bevölkerung konnte eine grössere Menge an Lebensmitteln wieder in die Stadt geschafft werden. Lediglich die Tatsache, dass fünf Gemeinden dieses Bezirkes unter direktem Einfluss der Partisanen stehen, lässt die Gefahr kenntlich werden, in der sich das Gebiet um Newel befindet. Trotzdem macht sich auf dem Lande eine immer deutlichere Abkehr vom bolschewistischen Geist bemerkbar. In Polozk ist die Ansicht der Bevölkerung über die augenblickliche Lage noch sehr schwankend. Bestimmend hierfür ist die Befürchtung, dass sich die Fliegerangriffe bei angeblichem Erstarken der Roten Luftwaffe in noch schrecklicherer Form wiederholen könnten. Die Bevölkerung gibt der Hoffnung Ausdruck, dass mit dem Ende des Winters und mit Beginn der deutschen Operationen die Gefahr einer weiteren Bedrohung von Polozk ausgeschlossen wird und damit eine Befriedung innerhalb dieses Bezirkes eintritt. Die in den letzten Wochen verminderte Fliegertätigkeit der Bolschewisten im Smolensker Gebiet hat auf die Bevölkerung eine starke beruhigende Wirkung ausgeübt. Die Gerüchte, dass die Partisanen sich konzentrisch den Ein- und Ausfallstrassen von Smolensk nähern und damit eine Beunruhigung des ländlichen Gebietes herbeiführen, haben zum Teil wie

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ein Schock auf die Bevölkerung gewirkt. Gerüchte sprechen davon, dass die Bolschewiken nach wie vor Smolensk erheblich bedrohen und dass die wechselseitigen Erfolge im mittleren Frontabschnitt ein Zeichen ungebrochenen Kampfgeistes des Bolschewiken seien. Hinzu kommt noch die schlechte Ernährungslage im Smolensker Gebiet, die zu den verschiedensten Mutmaßungen führt. Die Bevölkerung erwartet mit der Auslösung einer neuen deutschen Offensive eine Behebung aller Schwierigkeiten und lässt zugleich ihre Zuversicht zu einem deutschen Siege offenkundig werden. Über die Stimmung und Lage in den Gebieten von Brjansk, Orel und Kursk liegen neue Meldungen nicht vor, da infolge grösserer Schneeverwehungen Berichte von dort nicht hierher gelangen konnten. Allgemeine Erscheinungen, die für sämtliche Gebiete und Bezirke zutreffen, sind Schwierigkeiten in der Beschaffung von Brennmaterial, von Haushalts- und anderen Gebrauchsgegenständen. Weiterhin wird auch der Mangel an Genussmitteln wie Tabak und Schnaps als fühlbar empfunden. Die Folge davon ist, dass, wie bereits wiederholt berichtet, der Tauschhandel in diesen Artikeln zu ungeahnter Blüte gestiegen ist. Es wird nur Ware gegen Ware getauscht und somit eine gesunde Waren- und Verbrauchslenkung unterbunden. Der sich hieraus ergebende Schwarzhandel führt zu einer fast vollkommenen Ausschaltung der Währung und damit zu einer Preissteigerung trotz angeordneten Preisstopps. Gerade diese Marktbewegung macht eine geregelte Versorgung unmöglich, gibt Anlass zu den verschiedensten Gerüchten und beeinflusst stets die allgemeine Stimmung in weitgehendstem Maße ungünstig. Von den Einsatzgruppen C und D liegen keine Meldungen vor. III. Reich und besetzte Gebiete: Der Kdr. d. Sipo u.d SD in der Untersteiermark meldet: Am 29. 3. 42 um 23.30 Uhr wurde in Loschinzen, Gemd. Woellan, Kreis Cillider, Nachtwächter Michael Saboschek, der bei den staatlichen Aluminiumwerken in Loschinzen beschäftigt ist, von 4 kommunistischen Banditen umstellt, die mit Gewehren und Pistolen bewaffnet waren. Einer der Banditen setzte dem Manne die Pistole an die Brust und verlangte die Herausgabe der Schlüssel zur Aluminiumbaracke. Die Banditen fragten weiter nach dem Sprengstoffmagazin. Der Nachtwächter machte jedoch darüber falsche Angaben und hat dadurch den Diebstahl einer dort lagernden grösseren Menge Sprengmittel verhindert. Die Banditen erbrachen sodann eine Kanzleitür und zündeten die im Raume lagernden Schriften an, wodurch die ungefähr 25 mtr. lange Baracke völlig eingeäschert wurde. Desgleichen wurde auch eine kleinere Baracke in Brand gesteckt, in der sich ein Kompressor befand. Auch diese Baracke verbrannte vollständig. Der Kompressor wurde gänzlich unbrauchbar. Der Gesamtschaden beläuft sich auf ungefähr RM 25000,–. Der Kdr. d. Sipo u.d. SD in Veldes meldet: Am 27. 3. 42 fand im Bezirk Laak ein Grosseinsatz der Sipo und Schutzpolizei gegen eine kommunistische Bande statt, die in letzter Zeit mehrere Raub- und Mordüberfälle verübt hat. Im Verlaufe dieses Kampfes wurde die gesamte Bande, insgesamt 19 Mann, vernichtet. Auf Seite der Schutzpolizei waren ebenfalls 8 Tote und 9 Verletzte. In der Nacht zum 28. 3. wurde in der Nähe von Stein ein slowenischer Bauer ermordet, der kürzlich der Gendarmerie Angaben über den Aufenthalt einer Bande gemacht hatte. Diese Bande war etwa 14 Tage bei den Besitzern einer Ortschaft, die sehr abgelegen ist und in der auch der Erschossene wohnte, einquartiert, ohne dass jemand eine Meldung machte. Der Ermordete machte erst dann seine Angaben, als die Bande bereits wieder abgezogen war. Vergeltungsmaßnahmen gegen das ganze Dorf sind bereits eingeleitet. Ein weiterer Mord wurde von Banditen in der Nähe der

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Ortschaft Buplach verübt, wo ebenfalls ein slow. Besitzer ermordet wurde. Auch hier wurden Vergeltungsmaßnahmen eingeleitet. BAB, R 58/221 1

Vgl. EM 174.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 3. April 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 189 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 3. 4. 1942. Die mit Ereignismeldung Nr. 188 vom 1. April 1942 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Die Lage im Ingermanland: Im Gegensatz zu den ländlichen Bezirken Südwestingermanlands ist die Stimmung in den Städten und im nordöstlichen Teil schlecht, bedingt durch die immer trostloser sich gestaltende Ernährungslage. Die Bevölkerung zeigt den bekannten russischen Fatalismus und gibt zersetzenden Gerüchten einen guten Nährboden. Die Anwerbung von Arbeitskräften für das Reich, die in mehreren Teilen Ingermanlands begonnen hat, stösst auf eine starke Gegenpropaganda, die von Verschleppung in Sklaverei, mangelhaftester Verpflegung und Unterbringung in Deutschland usw. spricht. Ein weiterer stimmungsdrückender Faktor ist in den ständig steigenden Preisen zu sehen. Wer sich zusätzliche Lebensmittel beschaffen will, steht Preisen gegenüber, die ohne jegliches Verhältnis zu den Löhnen sind: 1 kg Butter kostet im Schleichhandel 200 bis 250 Rubel, das sind 20 bis 26 Arbeitstage für den Durchschnittsarbeiter. Die amtlichen Festpreise werden nicht beachtet, und die Bevölkerung neigt dazu, die Schuld an diesen ungeregelten Verhältnissen den deutschen Behörden zuzuschieben. Ein ähnliches Absinken des Vertrauens zu den deutschen Stellen ist wie in den Städten auch im nordöstlichen Ingermanland zu beobachten. Dort zeigen sich auch ausgesprochen nationalrussische Kreise immer zugänglicher der bolschewistischen Zersetzungspropaganda. Andererseits ist im Gebiet um Pleskau ein Abklingen der bolschewistischen Einflüsse festzustellen, da sich die in den letzten Monaten verbreiteten Gerüchte über Rückkehr der Roten Armee nicht bewahrheitet haben. Eine nachhaltigere Wirkung dieser Propaganda zeigt sich nur bei der jüngeren Generation. Bisher sind rd. 2000 Personen deutschen Volkstums über Riga ins Altreich umgesiedelt worden. Im Raum der 16. Armee sind die entsprechenden Evakuierungsmaßnahmen noch nicht abgeschlossen. In Pleskau meldeten sich 133 Personen auf den Aufruf zur Registrierung Deutschstämmiger hin, hauptsächlich getrieben durch Hoffnung auf finanzielle Unterstützung. Ein Drittel hatte deutsche Eltern, ein weiteres Drittel nur einen deutschen Vater, ein Sechstel eine deutsche Mutter. Die Verheirateten hatten meist russische Ehegatten. An Kindern wurden 66 im Alter bis 16 Jahren gemeldet. Die Hälfte der erfaßten Personen ist über 60 Jahre alt, etwa vier Fünftel Frauen. Etwa ein Drittel gibt an, daß

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die Vorfahren direkt aus dem Altreich nach Pleskau eingewandert sind; der Rest entstammt Familien aus dem Baltikum. Die Gesamtzahl der bisher evakuierten Flüchtlinge beläuft sich schätzungsweise auf rd. 70 000 Personen. Eine lagermäßige Unterbringung kann in den meisten Fällen nicht vorgenommen werden. Bei den Flüchtlingen handelt es sich zumeist um arbeitseinsatzfähige Frauen, ältere Personen männlichen Geschlechts und Kinder. Männer zwischen 20 und 45 Jahren sind verhältnismäßig wenig vorhanden, da sie fast ausnahmslos mobilisiert sind. Im allgemeinen ist die Lage der Flüchtlinge katastrophal. In allen Bezirken sind die Saatgutvorräte aufgezehrt. Der grösste Teil der Flüchtlinge eignet sich für die Landarbeit. Es ist zu erwarten, daß 25–30000 Personen sofort einsatzfähig sind, davon höchstens 4000 Männer. Facharbeiterberufe sind nur geringfügig vorhanden. Im Rahmen der Landarbeiterumsiedlung sind z. Zt. 1500 Personen abtransportbereit, die in Krasnogwardeisk zusammengezogen werden. Der erste Transportzug mit 700 Personen sollte am 22. 2. über Pleskau nach Danzig abrollen. Infolge militärischer Dispositionen war jedoch ein Beginn des Abtransportes noch nicht möglich. Drei Anwerbekommissionen setzen ihre Tätigkeit in den Gebieten Samrasee, Krasnogwardeisk und Opotschka fort. Es wird damit gerechnet, daß aus dem Petersburger Gebiet ungefähr ab 10. 3. 42 laufend abtransportiert wird, soweit Leerzüge zur Verfügung stehen. Nach den bisher gemachten Feststellungen handelt es sich rassisch überwiegend um Westslawen, wie sie auch in den östlichen Randgebieten des Reiches anzutreffen sind: Menschen mit gutmütiger Natur, die am zweckmäßigsten mit freundlicher Energie und nicht mit dem Knüppel zu regieren sind. Deutsche Arbeitsleistungen können aber nur allmählich von ihnen erwartet werden. Durchschnittlich sind die Männer weniger arbeitsfreudig als die Frauen. Fast alle Personen haben sich freiwillig zur Arbeitsaufnahme ins Reich gemeldet. Seitens des Reichskommissars ist unlängst gebeten worden, 15 000 Flüchtlinge für Lettland und weitere 25 000 als landwirtschaftliche Helfer nach Estland zu verbringen, da die Landwirtschaft in diesen beiden Ländern ohne zusätzliche fremde Hilfe ihre Aufgaben im Rahmen der Erzeugungsschlacht nicht erfüllen könnte. Vom Ostministerium wurde aber dieser Einsatz von russischen Flüchtlingen für unzweckmäßig gehalten und abgelehnt. Nach einem nunmehr zweimonatigen Kampf gegen den Flecktyphus ist festzustellen, daß trotz der schweren materiellen Lage der Bevölkerung keine bedeutende Vermehrung der Erkrankungsfälle seit dem Höchststand gegen Ende Februar eingetreten ist. Die Krise scheint endgültig überwunden zu sein, und die noch herrschende Epidemie kann somit zu einer der leichten gezählt werden. Da zur Bekämpfung des Fleckfiebers von vornherein die notwendigsten Voraussetzungen fehlten, können die bisherigen Ergebnisse als ausgesprochen günstig bezeichnet werden. Andere Infektionskrankheiten sind z. Zt. selten. Allerdings wird in russischen Ärztekreisen zu Beginn des Frühjahrs mit dem Ausbruch einer Dysentherieseuche gerechnet. Von deutscher Seite beschränkt sich die propagandistische Bearbeitung der Bevölkerung auf die in sehr bescheidenem Umfang erscheinenden russischen Zeitungen sowie in den Landbezirken auf die periodisch abgehaltenen Bauernversammlungen. Rundfunksendungen werden mit Ausnahme der Stadt Pleskau kaum gehört, da die entsprechenden Geräte fehlen. Im Grossen gesehen fehlt es der deutschen Propaganda an der erforderlichen Schwungkraft, und sie ist nach Aussage der wohlwollenden russischen Kreise zum Teil ungeschickt aufgezogen und nicht schlagkräftig genug. Ausserdem trägt sie der russischen Mentalität zu wenig Rechnung. Eine aus dem üblichen Rahmen fallende Propagandatätigkeit wird in Verbindung mit der neuen Agrarreform in der nächsten Zeit anlaufen. Im

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Hinblick auf die kommende Frühjahrsbestellung liegt der Zeitpunkt der Einführung der neuen Agrarverordnung, die seit 8. 3. 42 in allen Dorfgemeinschaften durchgeführt wird, stimmungsmäßig sehr vorteilhaft. Die Saatgutversorgung, welche am Anfang des Jahres noch als gesichert angesehen werden konnte, hat sich inzwischen ausserordentlich kritisch gestaltet, nachdem ein Teil der als stille Reserven eingelagerten Sommerkornsaaten der Wehrmacht zur Verfügung gestellt werden musste. Die eigenmächtigen Eingriffe der Truppe in die Saatbestände der Bauern lassen sich z. Zt. noch nicht überblicken. Infolgedessen müssen erhebliche Mengen an Leinsaat, welche für den Abtransport ins Reich bestimmt waren, zurückgehalten werden und überall da zur Aussaat gelangen, wo sich andere Saaten nicht beschaffen lassen. Nach einer vorläufigen Schätzung fehlen z. Zt. Saaten für ein Gebiet von 100 000 ha. Für das Frühjahr ist von der Truppe eine Pferdemusterung zu erwarten, die die jetzt schon erheblichen Schwierigkeiten noch vergrössern dürfte. Die sehr starke winterliche Beanspruchung der Tiere hat einen grossen Verschleiss und damit verbunden eine Herabsetzung der Arbeitsleistung herbeigeführt. Seitens des Wiko 1 wird der Umbau von Traktoren auf Holzgasgeneratorenbetrieb mit Hochdruck fortgesetzt. So wurden unlängst noch 92 russische und 65 lettische Fachkräfte an den MTS 2 eingesetzt. Die Umschulung zahlreicher Arbeiter und Traktoristen auf Holzgasbetrieb ist im Gange. Die industrielle Lage ist stets zweitrangig gewesen. Vorherrschend sind z. Zt. die Flachsfabriken (grösstes geschlossenes Flachsanbaugebiet Europas), die aber fast ausnahmslos in einem derartig verkommenen Zustand übernommen wurden, daß die derzeitige Verarbeitungsproduktion durch die häufigen Reparaturen ständig ins Stocken gerät. Es mangelt in jeder Hinsicht an den notwendigsten Maschinenersatzteilen und sonstigen Materialien. Die Anspannung der gesamten Verkehrslage blieb weiterhin bestehen und hat sich gegen Ende des Monats durch starke Schneefälle im östlichen Gebiet weiter erhöht. Die Rollbahnen sind nach wie vor befahrbar und werden ständig durch grössere Baukolonnen in guter Verfassung gehalten. Der Ausfall an Fahrzeugen ist sehr bedeutend; die Reparaturen halten mit dem Ausfall nicht Schritt. Zur weiteren Einschränkung des Straßenverkehrs führt der Treibstoffmangel. Die Planungen für die grosse neue Nord-Süd-Verbindung, die Petersburg mit der Krim verbinden soll und über Pleskau–Witebsk–Kiew führt, stehen vor ihrem Abschluss. Die Arbeitsaufnahme soll in den Frühjahrsmonaten bereits an mehreren Abschnitten gleichzeitig beginnen. Durch die starke Kälte bis zu 45 Grad konnte der gesamte Eisenbahnverkehr nur mit den grössten Anstrengungen aufrechterhalten werden. Der Mangel an geeigneten und fahrbereiten Lokomotiven macht sich immer stärker fühlbar. Das Vordringen der Roten Armee im Raume südlich des Ilmensees und der gelungene Durchbruch über die Rollbahn Nowgorod–Tschudowo hat die Partisanentätigkeit im ganzen Gebiet stark aufleben lassen. Als Hauptzentren sind z. Zt. die Gebiete um Cholm, das Quellgebiet der Welikaja, Luga und Orjedsh anzusehen. Von den beteiligten deutschen Dienststellen sind umfangreiche Gegenmaßnahmen ergriffen worden. So wurden im Raum um Luga zwei der aktivsten Partisanenbanden unter Führung von Panow und Lukin beinah restlos aufgerieben. Über die Anzahl der vorhandenen Juden liegen z. Zt. keine Zahlen vor. Im allgemeinen dürfte es sich nur noch um vereinzelt siedelnde Juden handeln, die den bisherigen Erfassungen entgehen konnten. Der Pleskauer Bezirk bis einschl. Porchow sowie Luga und Krasnoje-Selo sind judenfrei. Die nationalrussische Strömung innerhalb der Bevölkerung, die noch gegen Ende des vergangenen Jahres in Diskussionen auftauchte und vertreten wurde, ist in letzter Zeit nicht mehr wahrnehmbar gewesen. Die seinerzeitigen Vermutungen, daß sich schon eine unbekannte feste national-

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Nr. 10: Ankunft von Reichsminister Rosenberg in Dubno 1942

russische Organisation gebildet habe, konnten bisher durch keinerlei Anhaltspunkte gerechtfertigt werden. Auch sind die Nivellierungsmaßnahmen der bolschewistischen Regierung so gründlich erfolgt, daß sich heute nur noch vereinzelte Angehörige der sogenannten russischen Intelligenz für diesen Gedanken einsetzen würden, wogegen die breite Masse für derartige Ideen überhaupt nicht mehr empfänglich ist. In der Masse steht nur der alltägliche Existenzkampf, der jede Zukunftsgestaltung, ob so oder so, als nebensächlich erscheinen läßt, im Vordergrund. Aus Weissruthenien: Im Verlaufe der Aktion gegen die Partisanenbewegung in Weiss-

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ruthenien konnten bisher 163 Personen festgenommen werden.3 An Waffen wurden sichergestellt: 8 Pistolen, 60 Handgranaten, 2 MG’s, 20 Karabiner und etwa 200 Schuss Munition. Bisherige Ermittlungen haben folgendes ergeben: Der Chef der Partisanenbewegung Minsk hatte einen Stab aufgestellt, der aus 10 Abteilungen bestand, deren Leiter durchweg Offiziere oder Verwaltungsbeamte der Roten Armee waren. Es gelang, den Chef der sowjetischen Partisanenbewegung Minsk, Rokow, und zahlreiche andere führende Persönlichkeiten festzunehmen. Der Stab hatte sich die Aufgabe gestellt, den deutschen Generalkommissar zu vergiften, Brunnen- und Wasseranlagen in Minsk zu verseuchen und militärische Objekte auszuspähen. Mehrere Bakterienkulturen konnten sichergestellt werden. Ausspähungen militärischer Objekte waren bereits weit fortgeschritten. Im Gebäude der Sicherheitspolizei Minsk war ein jüdischer Heizer, im Gebäude des Gen.Komm. zwei jüdische Heizer und ein Bedienungsmädchen beschäftigt, die für die Partisanen arbeiteten. Auch zu anderen Dienststellen bestanden gute Verbindungen. Unter dem Stabe arbeiteten 9 z. T. sehr gut organisierte Partisanengruppen. 3 Gruppen liegen in dem Waldgebiet Anuschkowitschi im Rayon Lagoisk. Ihre Gesamtstärke beträgt 2–300 Mann. Eine weitere Gruppe von 400 Mann hat ihren Standort in Rudensk. Die übrigen Gruppen sind unbedeutend. Neben der Partisanenabteilung steht in Minsk noch die Partei, die eine gewisse Aufsicht führt. Der Organisator des Parteiapparates, der grusinische Jude Mustafa Delikurdgly, konnte festgenommen werden. Die Leitung der Partei lag in den Händen eines 7-köpfigen Komitees. Eine illegale Gruppe von 60 Ghettojuden finanzierte die Parteiarbeit, beschaffte Waffen und verstärkte die Partisanengruppe laufend. 60–80 Juden wurden aus dem Ghetto den Partisanen zugeführt. In der Wohnung des Juden Delikurdgly wurden mehrere Empfangsgeräte, ausserdem Verbandsstoffe und Medikamente sichergestellt. Weiter wurde eine tadellos eingearbeitete Druckerei ausgehoben und 8 Schreibmaschinen beschlagnahmt. Einsatzgruppe B: Standort Smolensk. Deutsche Propaganda: Übereinstimmend wird aus den Gebieten des Bereiches eine unzulängliche deutsche Propaganda gemeldet. Im Gegensatz zu der intensiven Feindpropaganda, der jeder Weg und jedes Mittel recht ist, beschäftigt sich nach Ansicht der einheimischen Bevölkerung die deutsche Propaganda zu wenig mit dem russischen Menschen. Es wird der Standpunkt vertreten, dass durch eine wirksame deutsche Propaganda und damit Aufklärung der einheimischen Bevölkerung vor allem über den Stand der Kriegsereignisse die Stimmung der Bevölkerung sich nicht unwesentlich zu Gunsten der Deutschen heben würde. Die Verbreitung wirksamer Maueranschläge, Übertragungen von Nachrichten, Verteilung von Flugzetteln, Filmvorführungen usw. erscheinen hier für die Propagandaführung unerlässlich und von grösster Bedeutung. Der bisherige Aushang von Plakaten war bis auf Ausnahmen unwirksam. Dadurch, dass verschiedene Stellen ohne vorherige gegenseitige Unterrichtung Maueranschläge anbrachten, entstand innerhalb der einheimischen Bevölkerung ein unklares Bild über das wirkliche Vorhaben der deutschen Behörden. So konnte festgestellt werden, dass die neue Agrarordnung in Roslawl weder durch die russischen Zeitungen, noch durch Propagandamaterial bekannt geworden ist. Lediglich die Ankündigung, eine Besprechung stattfinden zu lassen, auf welcher die nähere Durchführung beraten wird, und dass beabsichtigt ist, in der nächsten Ausgabe der örtlichen Presse gegen Mitte März den Erlass zu veröffentlichen, brachte der Bevölkerung gerüchtweise Kenntnis von der Agrarordnung. Es scheint unumgänglich notwendig, die einheimische Landbevölkerung mehr als bisher auf weitere in nächster Zeit zu erwartende einschneidende Maßnahmen, wie z. B. geringere Brotzuteilung, Abzug

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von Vieh usw., vorzubereiten und entsprechend aufzuklären. Die durchgeführte Propagandaaktion im Gebiet von Mogilew mit einem kurzen Auszug aus der Rede des Führers vom 30. 1. 42, Bilder und Karten von der Front mit Wehrmachtsberichten und Aufstellen von öffentlichen Lautsprechern auf Strassen und Plätzen zeigte, dass die russische Bevölkerung das Geschehen mit Interesse verfolgt. Es gehört zum russischen Wesen, dass die Bevölkerung genau wissen will, wie es mit ihr steht und was sich um sie tut. Auswirkungen der neuen Agrarordnung4: Über die Aufnahme der neuen Agrarordnung, die in den ersten Märztagen der russischen bäuerlichen Bevölkerung mittels Flugblätter, durch Anschlag, durch die Presse oder in mündlichen Bekanntgaben seitens der Bürgermeister zur Kenntnis gegeben wurde, liegen nunmehr eine Anzahl Stimmen vor. Sie ermöglichen ein Bild, welche Vor- und Nachteile sich der russische Bauer von der praktischen Durchführung der Verordnung verspricht und welche künftigen Erwartungen er noch an sie zu stellen hat. Erstmalig fühlt sich der russische Bauer durch den Erlass persönlich angesprochen. Obwohl man ihm seiner Meinung nach keine goldenen Berge verspricht, fühlt er sich aus der Unsicherheit erlöst, in die ihn bisher umlaufende Gerüchte und eigene Vermutungen gebracht haben. Er sieht Klarheit und etwas Entscheidendes vor Augen. Sein Betätigungsdrang hat damit einen Ansporn erhalten. Der Bauer empfindet, dass ihm hiermit etwas Greifbares in die Hand gegeben wird. Die Agrarordnung hat daher im ersten Augenblick überall einen guten Eindruck hinterlassen und spontane Freude und Begeisterung entfacht Dies führte beispielsweise so weit, dass bei der Verteilung der Hausparzellen in Starodub von Dorfältesten ein Freudentanz aufgeführt wurde und dass anlässlich einer Versammlung in Mogilew, in der den Bauern die Agrarordnung bekanntgegeben wurde, der Rayonbürgermeister in seiner Dankansprache ein Hoch auf den Führer ausbrachte. Durch Anordnung der Militärdienststellen sind in den einzelnen Bezirken propagandistische Vorbereitungen getroffen worden, um jeweils in einem festlichen Rahmen den Bauern die bevorstehende Rückgabe ihres Grund und Bodens bekanntzugeben. Eine einheitliche Anweisung an die Kreislandwirte gewährleistet zugleich die gleichmäßige Behandlung aller Fragen, die im Zusammenhang mit der neuen Agrarordnung stehen. Die einberufenen Versammlungen waren durchweg gut besucht und fanden bei den Bauern starkes Interesse. Da zu dieser Agrarordnung vorläufig noch nähere Ausführungsbestimmungen fehlen, sind andererseits bei den Bauern gewisse Bedenken aufgekommen. Die Erfahrungen, die der russische Bauer mit der Zeit seiner Leibeigenschaft und unter dem Sowjetregime gemacht hat, haben ihn allen Versprechungen gegenüber misstrauisch gemacht. 5 So sehr er die Abschaffung des Kolchossystems begrüsst, wirkt dennoch die bevorstehende Einführung der Gemeinwirtschaft noch nicht überzeugend. Die neue Verordnung ist für ihn nicht in allen Punkten klar. Verschiedene Stimmen lassen erkennen, dass nach Ansicht gewisser Bauernkreise alles beim Alten bleibt, dass die frühere Kolchose jetzt Gemeinwirtschaft heisst, also nur „ein altes Gebilde mit einem neuen Schild“. Wenn die Bauern auch zum grossen Teil begreifen, dass die Gemeinwirtschaft nur der erste Schritt zur endgültigen Regelung der Landfrage ist, so ist ihnen das ganze Kolchossystem derartig verhasst, dass sie verständlicherweise die „Gemeinwirtschaft“ innerlich ablehnen. Die Landbaugenossenschaft erfreut sich nach den Aussagen der Bauern dagegen grösseren Zuspruchs, da sie begreifen, dass nicht jeder Bauer sofort eine Einzelwirtschaft betreiben kann. So interessieren die Bauern in der Zusammenarbeit in der Gemeinwirtschaft die Fragen: „Wer muss Saatgut geben, wer besorgt Arbeitsvieh und Gespanne, wer muss landwirtschaftliche Geräte besorgen bzw. sie instandhalten, wie geht die Ernteverteilung vor

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sich und wie gross wird die Naturaliensteuer sein?“ Es bleibt daher das Bestreben der Bauern, unter allen Umständen in den Besitz von Grund und Boden zu kommen, um dadurch für sich und seine Familie und darüber hinaus durch seinen Fleiss für die Bevölkerung zu sorgen. Eine weitere Unsicherheit sieht der Bauer daher in den Punkten der Verordnung, in denen gesagt wird, dass die Bauern das Recht auf eigenen Boden erhalten werden, wenn sie fleissig sind, den Bestimmungen der deutschen Behörden nachkommen und wenn sie politisch zuverlässig sind. Durch diesen Passus in der Verordnung fühlt der Bauer, dass er wohl das Land in seiner Nutzung hat, aber doch nicht Eigentümer des Bodens sein wird. Angesichts der Tatsache, dass es mit dem Saatgut, den landwirtschaftlichen Geräten, Arbeitspferden und Arbeitskräften sehr schlecht bestellt ist, sind die meisten russischen Agronomen der Auffassung, dass die ganze landwirtschaftliche Aktion in diesen Jahre von weit grösserem Erfolg wäre, wenn man den Bauern weitmöglichst entgegenkommt und die Bestimmungen der Agrarordnung aufs grosszügigste auslegt und anwendet. Der vorhandene Mangel an Pferden und das Fehlen landwirtschaftlicher Maschinen macht es zur Notwendigkeit, dass die Privatinitiative in den Vordergrund gestellt werden muss. Die augenblicklichen Kriegshandlungen und die damit verbundenen Aushebungen von Pferden haben den Pferdebestand zumindest um 50 % reduziert, so dass eine Frühjahrsbestellung nach dem System der Gemeinwirtschaft geradezu unmöglich erscheint. Dagegen wird die Meinung vertreten, dass bei Aufteilung der Kolchosen die Bauern bestrebt sein werden, von morgens bis spät abends auf dem Lande zu arbeiten, um die Frühjahrsbestellung zu sichern. Wenn die Bauern schon in diesen Wochen die Feldstreifen zur persönlichen Bestellung erhalten, werden sie schon irgendwie Saatgut aufbringen, selbst wenn sie dadurch eine Zeitlang gezwungen sind zu hungern. Die russischen Landwirte sind der Meinung, dass die persönliche Initiative der Bauern ein Faktor ist, der nicht unterschätzt werden darf. Wird der Bauer an seiner Arbeit unmittelbar interessiert, so wird er mit Bestimmtheit auch eine erhöhte Leistung und Arbeitsfreude zeigen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass verschiedene Bauern und gerade die umsichtigeren seit dem vorigen Herbst Vorkehrungen für die Inbetriebnahme einer Einzelwirtschaft getroffen haben. Es war ihnen möglich, im vergangenen Herbst von ihren Produkten mehr zurückzubehalten, als dies früher der Fall war, und es besteht durchaus die Annahme, dass bei Förderung der Privatinitiative manches aus den Verstecken geholt wird, das der Bauer nicht in einen allgemeinen Topf werfen will. Auch in Bezug auf die Landgenossenschaften besteht in den Dörfern, die erfasst werden konnten, die Hoffnung, dass die Landbaugenossenschaft nicht unbedingt alle Wirtschaften eines Dorfes umfassen muss, sondern dass die Erlaubnis zur Bildung von Landbaugenossenschaften mit einer kleineren Zahl von Bauernhöfen erteilt wird. Hierfür spricht, dass aus persönlichen und wirtschaftlichen Gründen ein Zusammenlegen von Einzelwirtschaften einen entscheidend grösseren Erfolg ergibt. Infolge der Umlage und durch die Entnahme von Getreide aller Art durch die jetzt eingesetzten Kampfgruppen sind die Saatgutvorräte stark gelichtet. Die in den Kolchosen vorrätigen Saatgutbestände reichen nach Ansicht deutscher und russischer Stellen nicht aus, um die Frühjahrsbestellung durchzuführen. Die Bauern haben aus ihrer eigenen Ernte, dem Deputatlohn und schliesslich auf unrechtmäßige Weise erworbenes Saatgut greifbar, womit eine Ergänzung der zur Verfügung stehenden Vorräte herbeigeführt werden könnte. Dabei ist festzustellen, dass die Ertragshöhe auf den Kolchosen nicht nur zurückgegangen, sondern auch die Aussaatmengen immer geringer gewählt sind, weil das Saatgut für andere Zwecke verwendet wurde. Somit dürfte die Zuteilung der Flächen

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an den Bauern eine normale Aussaat stärken und wahrscheinlich auch eine bessere Bearbeitung schon in diesem Jahre gewährleisten. Die Privatinitiative wird sich so gegenüber dem Kollektiv überlegen zeigen, weil grössere Mengen im Herbst nicht gepflügt wurden und eine frühzeitige und vermehrte Arbeit im Frühjahr eine grössere Sicherheit auf Erfolg verspricht als die Gemeinwirtschaft. Der Viehbestand hat in letzter Zeit durch die Eingriffe der Wi-Dienststellen ausserordentlich abgenommen, so dass zum nächsten Jahr die Fleischversorgung gefährdet erscheint. Auch hier würde bei erheblicher Landzuteilung bedeutend mehr Vieh gehalten, vor allem Schweine und Schafe, die schnell ins Fleisch wachsen. Die Ansicht der Bauern geht in diesem Falle dahin, dass sein persönliches Interesse im Vordergrund stehen muss. Verschiedene Gebiete haben bereits seit längerer Zeit die Frühjahrsbestellung vorbereitet und dementsprechend organisatorisch ihre Planung vorgenommen. Dies war z. B. der Fall im Gebiete von Orscha, wo kaum Schwierigkeiten zu erwarten waren und nun durch die Aushebung von 1500 Pferden die Frühjahrsbestellung in Frage gestellt worden ist. Bei allen oben erwähnten Schwierigkeiten, die evtl. bei Durchführung der Agrarordnung sich noch ergeben könnten, muss jedoch, wie anfangs gesagt, die grundsätzliche Bereitwilligkeit der russischen Bauern am Wiederaufbau seines Landes, im besonderen seine bereits offenkundig gezeigte Zustimmung zur Agrarordnung, immer wieder hervorgehoben werden. Hier ergibt sich nun für die zuständigen deutschen Behörden eine grosse Möglichkeit, alle Register einer gründlichen und auf alle Fragen eingehenden Propagandatätigkeit zu ziehen. Es muss unter allen Umständen erreicht werden, die Agrarordnung den Bauern so schmackhaft zu machen, dass mit ihr der russische Bauer gewonnen und eine Steigerung seiner Arbeitsleistung erzielt wird. Ernährungslage: Die Lage auf dem Gebiete der Volksernährung ist, wie aus allen Berichten übereinstimmend ersichtlich, unzulänglich bzw. schlecht. Die Bevölkerung der Städte Mogilew, Orscha, Gomel, Bobruisk und Borissow erhält trotz der amtlich festgesetzten Lebensmittelmengen bis auf kleine Ausnahmen nur eine Brotzuteilung, während andere Nahrungsmittel nicht zur Verfügung stehen. Wie bereits erwähnt, ist auch die Essensausgabe in den verschiedenen Fabriken und in den öffentlichen Speisesälen nicht ausreichend. Hingegen meldet Witebsk, dass die Ernährung der arbeitenden Bevölkerung nunmehr bis Ende Mai voraussichtlich gesichert ist. Eine durchgeführte Aktion der Stadtverwaltung hat mit Unterstützung des weissruthenischen Selbsthilfewerks in Minsk einen ansprechenden Erfolg gezeitigt. Es wurden aus dem Gebiete der Zivilverwaltung 50 Tonnen Getreide eingebracht. Die Abholung dieser Mengen wird durch die Stadtverwaltung demnächst durchgeführt. Die bestehende Reserve an Kartoffeln hat sich von 300 000 kg auf 500 000 kg erhöht, so dass hier ein Ausgleich für den Wegfall der Zuweisung an Hülsenfrüchten geschaffen ist. Das gleichzeitige Absinken der Bevölkerungszahl von Witebsk bis Ende Februar auf 38 906 Einwohner, hervorgerufen durch Flucht nach Fliegerangriffen und Abwanderung infolge mangelnder Versorgung der nichtarbeitenden Bevölkerung hat ebenfalls eine Entspannung der allgemeinen Ernährung mit sich gebracht. Die Ernährung der Bevölkerung in Lepel ist, im Gegensatz zu der Landbevölkerung dieses Bezirkes, die noch genügend Lebensmittel versteckt hält und deshalb ohne Schwierigkeiten bis zur nächsten Ernte durchhalten wird, nach wie vor unmöglich. Arbeits- und Sozialwesen: Die Arbeitsvermittlung von russischen Arbeitern in das Reich wird fortgesetzt. Die Arbeit der Kommissionen der zuständigen Arbeitsämter ist, wie bisher ersichtlich, durchaus erfolgreich. Witebsk und Umgebung meldet inzwischen die Zahl der in das Reich zu vermittelnden Personen mit 700. Der Transport war für 25. 3. 42

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geplant. Am 10. 3. 42 erhielt das Arbeitsamt Roslawl den Auftrag, einen Transport russischer Arbeitskräfte für das Reich zusammenzustellen und nach der in Minsk eingerichteten Umschlagstelle zu befördern. Es wurden 320 Personen gemeldet, von denen 60 Männer und 20 Frauen die Reise nicht antraten. 30 Handwerker, die dringend am Ort benötigt werden, wurden zurückgestellt. Auch aus den anderen Gebieten wird das Interesse an einer Arbeitsvermittlung in das Reich gemeldet. In kürzester Zeit wird die Bekanntgabe einer bereits erlassenen Verordnung des Befehlshabers des rückwärtigen Heeresgebietes Mitte zur Regelung des Arbeitseinsatzes in Aussicht gestellt. Um die Arbeitslosigkeit im hiesigen Gebiet zu beseitigen und einen planmäßigen Einsatz jeder Arbeitskraft für den Wiederaufbau des Landes zu sichern, wird die Arbeitspflicht angeordnet. Danach unterliegt jeder Einwohner dieses Gebietes vom vollendeten 15. Lebensjahr an nach Maßgabe seiner Arbeitsfähigkeit der Arbeitspflicht. Weiter ist in dieser Verordnung die Meldepflicht ausgesprochen sowie der Arbeitsplatzwechsel und die Zuständigkeit der Arbeitsämter geregelt. Mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung wird zugleich einem Wunsche der Bevölkerung Rechnung getragen, die von sich aus jede Arbeit bejaht. Die Arbeitslosigkeit wurde in den Wintermonaten teilweise durch Notstandsarbeiten, insbesondere Schneeräumen, überbrückt. Allerdings führt diese Art der Beschäftigung dazu, die Arbeitsdisziplin zu untergraben, da es überall an dem nun einmal notwendigen Aufsichtspersonal mangelt. Grundsätzlich erschien nach Aufforderung nur ca. die Hälfte der dringend benötigten Arbeitskräfte. Erst durch entsprechende Strafen (Geldstrafen) ist es gelungen, die „Arbeitswilligkeit“ zu heben. Auch auf den Märkten hat sich anläßlich von Überholungen gezeigt, dass ein Teil der sich im Tauschhandel betätigenden Personen vollarbeitseinsatzfähig war und nach Feststellung ihrer Personalien dem zuständigen Arbeitsamt gemeldet werden konnten. Einsatzgruppe C: Standort Kiew. Durch den Kdr. d. Sipo u.d. SD in Kiew erfolgte die Festnahme der langjährigen Parteifunktionärin und Vorsitzenden des Volksgerichtshofes in Browary, Maria Nikiten, die über 200 Urteile gegen Personen ausgesprochen hatte, die wegen ihrer antibolschewistischen bzw. deutschfreundlichen Einstellung bekannt waren. Die N. war Geheimagentin des NKWD. In dem Ort Semipolka hat sie auf der Kolchose alle Maschinen und das gesamte Getreide vernichten und das ganze Vieh wegtreiben lassen. Wer sich ihrer Anordnung widersetzte, wurde erschossen. Weiterhin wurde der alte Kommunist und NKWD-Agent Peter Kurilenko in das Gefängnis eingeliefert, der 45 Personen zur Anzeige gebracht, 3 unschuldige Männer und eine Frau erschossen und als Angehöriger der roten Miliz in Kiew ein wahres Schreckensregiment geführt hatte. Auf dem Marktplatz in Schepetowka (Kdr.-Bereich Rowno) wurde am 8. 3. 42 ein Flugblatt aufgefunden, das zur Bildung von Partisanengruppen aufforderte. Es hatte folgenden Wortlaut: „Genossen! Die Front befindet sich von uns in der Entfernung von 400 km. Beim Rückzug nehmen die Faschisten unsere Männer, Brüder, Schwestern und Väter mit sich, um sie an die Front gegen die SSSR zu stellen. Denkt daran, dass das Organisieren von Partisanenabteilungen unsere Befreiung vom verfluchten Faschismus beschleunigen wird. Tod dem Faschismus. Freunde der SSSR.“ Der Kdr. d. Sipo u.d. SD in Nikolajew meldet eine sehr lebhafte KP-Tätigkeit. Ehemalige Kommunisten treiben Hetzpropaganda, Sowjetoffiziere und Kommissare organisieren Partisanengruppen und unterhalten ein illegales Netz von Verbindungen. Als Mittelpunkt lebhafter Partisanentätigkeit kann der Rayon Gruschka angesehen werden. 10 Partisanen wurden durch die Gendarmerie erschossen, darunter 6 Leutnante, 2 Kommissare und 2 Frauen. In Cherson wurden 5 Personen dingfest ge-

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macht, die Partisanengruppen zu bilden beabsichtigten. In Illoweiske wurden 30 Geiseln erschossen, nachdem bei Fliegerangriffen wiederholt Leuchtzeichen abgegeben und die Täter nicht zu ermitteln waren. In Shitomir wurde in Gaissin der Soldatenfriedhof durch unbekannte Täter geschändet. Im Zuge der Ermittlungen wurden 50 Geiseln aus Gaissin und Umgebung festgesetzt und die Hälfte davon erschossen. In der Zeit vom 28. 3. bis einschließlich 31. 3. wurden insgesamt 434 Personen der Sondermaßnahme zugeführt. Davon waren 33 politische Funktionäre, 48 Saboteure und Plünderer, 352 Juden und 1 Geisteskranker. Von der Einsatzgruppe D liegen keine Meldungen vor. III. Reich und besetzte Gebiete: Der Kdr. d. Sipo u.d. SD in Veldes, Oberkrain, meldet: Für die in den letzten Tagen verübten Morde wurden am 31. 3. 42 in der Strafanstalt in Vigaun 30 kommunistische Gewaltverbrecher erschossen. In der Nacht zum 1. 4. 42 wurde der Bürgermeister der Gemeinde Bresisch, Hocevar, in seiner Wohnung von etwa 15 bewaffneten Banditen überfallen. Die Wohnung wurde ausgeraubt; dabei fielen den Banditen 5 Gewehre, die s.Zt. von der Gendarmerie für den Feldzug ausgegeben worden waren, in die Hände und 2 Jagdgewehre und Munition. Dem Überfallenen wurde erklärt, er habe sein Amt als Bürgermeister sofort niederzulegen; andernfalls habe er mit seiner Ermordung zu rechnen. Eine andere Gruppe plünderte im Krs. Stein in den letzten Tagen eine Tabakfabrik und das Lager einer kleinen Genossenschaftskäserei, wodurch ein Schaden von mehreren tausend Mark entstand. Die Täter konnten in allen Fällen unerkannt flüchten. Fahndungsmaßnahmen sind eingeleitet. Der Kdr. d. Sipo u.d. SD in d. Untersteiermark meldet: Am 2. 4. 42 gegen 23.00 Uhr wurde in Skorno bei Packenstein, Kreis Cilli, die Kauschlerin Anna Petritsch durch kommunistische Banden mit zahlreichen Schüssen aus einer Maschinenpistole niedergeschossen. Zu gleicher Zeit wurde ein Bandenüberfall auf den Ortsbauernführer Franz Moznik in Skorno verübt, der ebenfalls getötet wurde. Die Bande bestand in beiden Fällen aus je 6 Mann. Zur gleichen Zeit wurde in Skorno die Einwohnerinswitwe Antonia Greusl durch 3 bewaffnete Zivilisten erschossen. Ihr wurde zum Vorwurf gemacht, dass sie den bereits erschossenen Gewaltverbrecher Johann Bisiak aus Skorno an die Polizei verraten hat. Die Nachforschungen nach den Tätern blieben bis jetzt ohne Erfolg. Vergeltungsmaßnahmen sind eingeleitet. BAB, R 58/221 1

Wirtschaftskdo. Maschinen- u. Traktorenstationen. 3 Zu dieser Zeit fand südlich von Bobruisk mit dem Unternehmen „Bamberg“ ein erstes in einer langen Serie von brutal geführten Großunternehmen gegen die sowjetischen Partisanen statt, in dessen Verlauf mindestens 6000 Zivilisten ermordet wurden; vgl. Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 887 ff.; Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 243 ff. 4 Vgl. Christian Gerlach: Die deutsche Agrarreform und die Besatzungspolitik in den besetzten sowjetischen Gebieten, in: ders./Joachim Drews/Thomas M. Bohn (Hrsg.): Besatzung und Bündnis. Deutsche Herrschaftsstrategien in Ost- und Südosteuropa, Göttingen 1995, S. 9–60; rückblickend aus Sicht der Akteure: Die deutsche Wirtschaftspolitik in den besetzten sowjetischen Gebieten 1941–1943. Der Abschlußbericht des Wirtschaftsstabes Ost und Aufzeichnungen eines Angehörigen des Wirtschaftskommandos Kiew, hrsg. v. Rolf-Dieter Müller, Boppard 1991, S. 108–115. 5 Grundlegend zu dieser Hintergrundfolie: Helmut Altrichter: Die Bauern von Tver. Vom Leben auf dem russischen Dorfe zwischen Revolution und Kollektivierung, München 1984. 2

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 8. April 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

65 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 190 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 8. April 1942. Höherer SS- und Polizeiführer Nord (101): (Jeckeln), Standort: Riga. Einsatzgruppe A: (Jost), Standort: Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: FS Riga, FT Krasnogwardeisk, Feldpost-Nr. 15119. Konmandeur d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Estland: (Dr. Sandberger), Standort: Reval m. Dienststellen in Narwa, Dorpat, Kingisepp, Krasnoje-Selo, Luga und Pleskau, N-Verbindungen: FS Reval, FT Pleskau, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Lettland: (Dr. Lange), Standort: Riga m. Dienststellen in Libau, Wolmar u. Dünaburg, N-Verbindungen: FT Riga, FS Libau, Wolmar u. Dünaburg, Feldpost-Nr. 15447. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Litauen: (Jäger), Standort: Kauen m. Dienststellen in Wilna u. Schaulen, N-Verbindungen: FT, FS Wilna und Schaulen, Feldpost-Nr. 15641. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Weissruthenien: (Strauch), Standort: Minsk m. Dienststellen in Wilejka und Baranowicze, N-Verbindungen: FT und FS Minsk, FeldpostNr. 15641. Höherer SS- und Pol.Führer Mitte (102): (v. d. Bach), Standort: Mogilew. Einsatzgruppe B: (Naumann), Standort: Smolensk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Kurierverbindung über Warschau und Fernsprecher über VD Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando 7a: (Rapp), Standort: Klinzy, N-Verbindungen: FT Klinzy, FeldpostNr. 85607. Sonderkommando 7b: (Ott), Standort: Brjansk m. Trupp in Orel, N-Verbindungen: FT Orel, Feldpost-Nr. 18535. Einsatzkommando 8: (Richter), Standort: Mogilew m. Trupps in Borissow, Orscha, Gomel u. Bobruisk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Feldpost-Nr. 37867. Einsatzkommando 9: (Wiebens), Standort: Witebsk m. Trupps in Smolensk, Newel, Polozk u. Lepel, N-Verbindungen: FT Witebsk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando Moskau: Standort: Roslawl, N-Verbindungen: FT Roslawl. Höherer SS- und Polizeiführer Süd (103): (Prützmann), Standort: Rowno. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Kiew: (Ehrlinger), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Nikolajew: (Dr. Spann), Standort: Nikolajew, N-Verbindungen: FT Nikolajew. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Charkow: (Dr. Kranebitter), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Shitomir: (Dr. Razesberger), Standort: Shitomir, N-Verbindungen: FS Shitomir. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Wolhynien: (Dr. Pütz), Standort: Rowno, N-Verbindungen: FT u. FS Rowno.

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Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Dnjepropetrowsk: (Mulde), Standort: Dnjepropetrowsk, N-Verbindungen: FT Dnjepropetrowsk. Einsatzgruppe C: (Dr. Thomas), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier, Feldpost-Nr. 32704. Sonderkommando 4a: (Dr. Weinmann), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow, Feldpost-Nr. 32704. Sonderkommando 4b: (Haensch), Standort: Kramatorsk m. Trupps in Shitomir, Rowno, Winniza, N-Verbindungen: FT Gorlowka, Feldpost-Nr. 34310. Einsatzkommando 6: (Mohr), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino, FeldpostNr. 35970. Höherer SS- und Pol.Führer z. b. V.: (Korsemann), Standort: Rowno. Einsatzgruppe D: (Ohlendorf), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol, Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10a: (Seetzen), Standort: Taganrog m. Trupps in Mariupol und Melitopol, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10b: (Persterer), Standort: Feodosia m. Trupps in Sudak, Ismail, Tereku u. Dshankoj, N-Verbindungen: FT Feodosia, Feldpost-Nr. 47540. [Es fehlt Einsatzkommando 11a] Einsatzkommando 11b: (Dr. Braune), Standort: Simferopol u. Aluschta, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 12: (Dr. Müller), Standort: Fedorowka m. Trupps in Pologi, Biukxas u. Gulja-Pole, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Stimmung und Lage im Bereich der 18. Armee (vor Leningrad): Allgemeine Stimmung in der Bevölkerung: Die Sorge um die Ernährung ist weiterhin ausschlaggebend für die Stimmung der Bevölkerung. Das Andauern der Wintertemperaturen auch während der ersten Märzhälfte hat die Hoffnungen der russischen Bevölkerung auf eine Besserung der allgemeinen Lebensumstände zunichte gemacht. Auch durch das Ablösen eines grossen Teiles der Truppen im unmittelbaren Frontgebiet um Leningrad hat sich die Ernährungslage während der Berichtszeit insofern schwieriger gestaltet, als die bisher bei deutschen Einheiten beschäftigten Russen, die von ihnen ernährt wurden, beschäftigungslos werden und somit praktisch ohne Lebensmittel sind. Zwar werden die neuen Einheiten nach einiger Zeit auch wieder auf russische Hilfskräfte zurückgreifen müssen; in der Zwischenzeit von drei bis vier Wochen jedoch wird ein grosser Teil zu evakuieren versuchen oder sterben. So sind z. B. in Szablino durch das Abrücken der 122. ID über 1000 Personen beschäftigungslos geworden. Es besteht weiterhin das Verbot des Umherziehens, soweit es sich um das unmittelbare Frontgebiet handelt, aber die Not der Bevölkerung ist stärker als die Furcht vor schweren Strafen. Von Seiten der Ortskommandanturen wird alles getan, um im Rahmen des Möglichen eine kontrollierte Abwanderung zu ermöglichen. Die Wehrmachtsstellen sind zur Linderung der allergrößten Not mehr als bisher dazu übergegangen, Lebensmittel und Verpflegungsportionen der russischen Zivilbevölkerung zur Verfügung zu stellen. Da in weiten Teilen des Berichtsgebietes tatsächlich bei der Bevölkerung seit geraumer Zeit keine Lebensmittelvorräte mehr vorhanden sind, bleibt es ein Rätsel, dass die Sterblichkeit infolge Hungers nicht noch grösser ist. Es muss angenommen werden, dass sich die Bevölkerung durch Bettelei bei den Wehrmachtseinheiten gelegentlich Lebensmittel verschafft, teilweise auch in besonders gut angelegten Verste-

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cken noch sorgfältig gehütete Vorräte aufbewahrt hat und im übrigen in einer für deutsche Verhältnisse völlig unverständlichen Weise gewohnt zu sein scheint, Hungerzeiten zu ertragen bzw. sich mit minderwertigen Ersatzstoffen am Leben zu erhalten. Soweit noch bekannt ist, an welchen Stellen im Sommer verendete Pferde verscharrt sind, werden Ausgrabungen vorgenommen und das so gewonnene Fleisch ohne ernste gesundheitliche Schäden verzehrt. Als Delikatesse werden von der Bevölkerung die während des Winters von der deutschen Wehrmacht geschlachteten, nicht mehr einsatzfähigen Pferde betrachtet, die der Zivilbevölkerung zur Verfügung gestellt wurden, soweit die besten Stücke nicht von der Truppe selbst verwendet wurden. In den nicht unmittelbar im Frontgebiet liegenden Gebieten ist die Ernährungslage etwas günstiger, was sich naturgemäß auf die allgemeine Stimmung der Zivilbevölkerung entsprechend günstig auswirkt. Während die in Aussicht gestellte Unterstützung mit Lebensmitteln an notleidende Esten und Finnen sowie der Abtransport der arbeitsfähigen Russen ins Reich stimmungsmäßig auf die dadurch betroffenen Kreise sehr günstig wirkt, hat dies bei den dadurch nicht betroffenen Kreisen zu einer Beunruhigung geführt und zu dem Gerücht Anlass gegeben, dass nur die Volksdeutschen, die Finnen und Esten sowie die arbeitsfähigen Russen gerettet werden, während alle übrigen ihrem Schicksal überlassen werden sollen. Die Zahl der Sterbefälle ist etwa konstant geblieben. Um eventuellen Seuchengefahren für das kommende Frühjahr vorzubeugen, werden jetzt schon Maßnahmen getroffen, um die in den Wohnungen liegenden Leichen zu sammeln, sie an bestimmten Orten zu stapeln, um sie später bei eintretendem Tauwetter zu beerdigen. In Puschkin wurde zum Beispiel aus Angehörigen der Bürgerwehr ein Kommando zusammengestellt, das die Häuser nach Leichen durchsucht. Bisher wurden rd. 400 Leichen, die noch nicht bestattet waren, gefunden. Hier wurden sie, soweit dies möglich war, sogar bereits beerdigt. Wesentlich neue Gerüchte sind nicht aufgetreten. Die wahrscheinlich von der Feindpropaganda seinerzeit in Umlauf gebrachten Gerüchte, die von einem baldigen Entsatz Leningrads sprachen, haben inzwischen dadurch, dass die Erfolge der Roten Armee ausblieben, sehr stark an Glaubwürdigkeit verloren. Die Kenntnis der Bevölkerung über durchgeführte Truppenverschiebungen ist sehr gross. Dies hat insofern auf die Stimmung der Bevölkerung einen Einfluss, weil dadurch, dass der Zweck dieser Verschiebungen der russischen Zivilbevölkerung unklar ist, eine gewisse Nervosität unter ihr hervorgerufen wird. Die Zivilbevölkerung erhielt von den Truppenverschiebungen auf verschiedenste Art Kenntnis. Einerseits kann sie diese selbst wahrnehmen, andererseits erfährt sie davon durch die Schwatzhaftigkeit und Unvorsichtigkeit einiger deutscher Soldaten. Es mussten zur Instandsetzung abgegebene Wäschestücke oder Stiefel sofort fertiggestellt werden, was von den Landsern unvorsichtigerweise unter Hinweis darauf verlangt wurde, dass sie abrücken. Zum Teil erzählten sie es auch russischen Mädchen, mit denen sie enge Beziehungen hatten. Bei Klärung einiger Vorfälle konnte festgestellt werden, dass russische Mädchen ausgedehnte Beziehungen zu einer Reihe deutscher Soldaten und sogar Offizieren unterhielten. Durch einen V-Mann wurde mitgeteilt, dass in Pawlowsk ein deutscher Soldat eine Russin heiraten und mit nach Deutschland nehmen will. Der Soldat habe dazu alle erforderlichen Papiere und werde das Mädchen mit nach Deutschland nehmen, sobald die Division abgelöst würde, was etwa in sechs Wochen der Fall sei. Die Einstellung der russischen Zivilbevölkerung zu den deutschen Dienststellen hat sich im wesentlichen nicht geändert. Grundsätzlich gesehen ist es der russischen Zivilbevölkerung ziemlich gleichgültig, ob sie unter deutscher oder russischer Herrschaft steht. Ihre erste und grösste Sorge ist nach wie vor die Ernährungsfrage.

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Lage auf den Lebensgebieten: Auf kirchlichem Gebiet sind keine grundsätzlichen Veränderungen eingetreten. Die Anzahl der Gottesdienste sowie die Anzahl der sich an diesen Gottesdiensten beteiligenden Bevölkerung sind gleich geblieben. Es kann ganz allgemein gesagt werden, dass das Interesse am religiösen Leben, bedingt durch die äusserst drückende Ernährungslage und durch die Kälte, sehr gering ist. Auch die Zusammensetzung der Kirchenbesucher in Bezug auf Geschlecht und Alter ist gleich geblieben. Bei der laufenden Kontrolle der Gottesdienste durch die Organe der Sicherheitspolizei und des SD konnte die Wahrnehmung gemacht werden, dass die Popen in ihren Predigten die beabsichtigte Aufhebung der Kolchose zum Anlass nehmen, um der deutschen Führung und der siegreichen deutschen Armee ihren Dank abzustatten. Auch in Bezug auf das Schulwesen ist nichts Neues zu berichten. Die geringen Ansätze im Schulwesen sind durch die äusserst schlechte Ernährungslage und die Kälte sehr stark abgedrosselt worden. Auch der Mangel an Lehrmitteln trägt dazu bei. Wegen der Gefahr des Umhervagabundierens der Schuljugend hat die Bevölkerung den Wunsch, es möchte von Seiten der deutschen Dienststellen dem Schulbetrieb besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Handel und Gewerbe liegen infolge der Frontnähe vollkommen darnieder. Tauschhandel wird nach wie vor getrieben, und es können immer wieder unverhältnismäßig hohe Wucherpreise für einfache Gebrauchsgegenstände und vor allem für Lebensmittel geboten werden. Auch die deutschen Soldaten sind an diesen Geschäften nicht unmaßgeblich beteiligt. Als eine Stätte des schwunghaften Tauschhandels haben sich die Märkte erwiesen. Um die für die Stimmung der russischen Bevölkerung sehr schädlichen Wuchergeschäfte, bei denen deutsche Soldaten, die Notlage ausnutzend, Lebensmittel gegen Wertgegenstände eintauschen, zu unterbinden, ist von einzelnen Ortskommandanturen der Besuch der Märkte durch Wehrmachtsangehörige verboten worden. Im Kleingewerbe werden von einzelnen Ortskommandanturen Schuhmachereien, Schneidereien und Haarschneidereien hauptsächlich für die deutsche Wehrmacht eingerichtet. Auch die wenigen vorhandenen kleineren Industrieunternehmen arbeiten, soweit sie nicht stillgelegt sind, fast ausschließlich für die Wehrmacht; ihre Belegschaften sind nur einige Mann stark. Die Lage in der Landwirtschaft wird durch das kommende Frühjahr bestimmt. Ausschlaggebend für die Stimmung innerhalb der Landbevölkerung ist der Erlass über die Aufhebung der Kolchoswirtschaft. Die Frühjahrsbestellung bildet seit geraumer Zeit das Hauptarbeitsgebiet der von der Wehrmacht zu diesem Zwecke eingesetzten Dienststellen. Es wurden bereits viele Vorbereitungen getroffen. In Bezug auf das Gesundheitswesen ist festzustellen, dass die Wehrmachtsdienststellen schon jetzt Anstalten treffen, um beim Eintritt der wärmeren Witterung der bevorstehenden Seuchengefahr entgegenwirken zu können. In Puschkin ist der dortige Ortskommandant bemüht, eine Arbeitskolonne zusammenzustellen, die sich mit der Reinigung der Häuser, Strassen und der Kanalisation zu beschäftigen hat. Der Zustand der Krankenhäuser, Siechen- und Waisenhäuser, soweit sie noch vorhanden sind, ist denkbar schlecht. Sie sind eher als Seuchenherde anzusehen als als sanitäre Einrichtungen. Dieser Umstand ist den Wehrmachtsdienststellen bekannt, und es wird ihm entsprechend entgegengearbeitet. Badehäuser und Entlausungsanstalten für die Zivilbevölkerung werden errichtet und der Bevölkerung die Auflage erteilt, diese zu benutzen. Die Anzahl der Apotheken ist sehr klein. In den noch bestehenden Apotheken und Krankenhäusern fehlt es an den allernotwendigsten Medikamenten. Die meisten Ortschaften sind aber ohne Krankenhäuser und Apotheken. Sowohl die Flugblattpropaganda als auch die unter der Bevölkerung kursierende Flüster-

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propaganda und die für die an der Front stehenden deutschen Soldaten bestimmte Lautsprecherpropaganda der Russen ist während der letzten Zeit nur unwesentlich in Erscheinung getreten. Flüsterpropaganda hat merklich nachgelassen und jedenfalls an Glaubwürdigkeit verloren. Der gross angekündigte Entsatz Leningrads ist immer noch nicht eingetreten. Die Feststellung, dass von einer organisierten Widerstandsbewegung nicht die Rede sein kann, hat sich erneut bestätigt. Die zum Teil verblüffende rasche und gute Kenntnis des Gegners von bevorstehenden Veränderungen ist zweifellos auf Agentenund Spionagetätigkeit zurückzuführen. Es konnte die Feststellung gemacht werden, dass der Gegner in letzter Zeit auf den Masseneinsatz unqualifizierter Agenten verzichtet und nur wenige, aber bessere und für ihren Zweck ausgebildete Kräfte einsetzt. Sie werden zum grössten Teil vom Flugzeug aus abgesetzt und sind mit Funkgeräten ausgestattet. Die Partisanen im östlichen Berichtsgebiet haben sich zum grössten Teil mit den dort eingekesselten russischen Truppen vereinigt. Sicherheitspolizeiliche Arbeit: Auch weiterhin werden Überläufer aus der Roten Armee den Dienststellen der Einsatzgruppe von der Wehrmacht zur Vernehmung übergeben. Die Ergebnisse dieser Vernehmungen wurden den Wehrmachtsdienststellen zur Verfügung gestellt. Einer dieser Überläufer konnte Angaben über die von Stalin angeordnete „Sozialistische Verpflichtung“ machen. Am 15. 12. 1941 hat Stalin eine Rede gehalten, in der u. a. er sagte: „Alle Deutschen müssen vernichtet werden.“ Dadurch entstand bei den Rotarmisten der „sozialistische Wetteifer“. Er wird wie folgt gehandhabt: Der betreffende Rotarmist schreibt eine sozialistische Verpflichtung. Sie sieht wie folgt aus: Sozialistische Verpflichtung. Jahr, Tag, Monat. Ich, … Rotarmist der … Kompanie, … Batl., … Reg., Name, verpflichte mich in der Zeit vom … bis … 12 Faschisten zu vernichten, Ich fordere den Rotarmisten X zu diesem Wettbewerb auf. Vorstehendes unterschreibt … Name, … Dienstgrad. Hat der Rotarmist einen oder mehrere Deutsche vernichtet, so muss er es sich von einem Genossen bestätigen lassen. Diese Bestätigung sieht wie folgt aus: Akt. Jahr, Tag, Monat. Ich – Vernichter – Rotarmist der … Komp., … Batl., … Reg., Name … habe im Rayon … zwei Faschisten vernichtet. Den Akt kann bezeugen … Dienstgrad, Unterschrift. Diese Bescheinigung muss dem Politruk abgegeben werden. Der Vernichter selbst bekommt ein Büchlein, in das er die jeweiligen Zahlen und Daten einträgt. Die Registrierung der Esten und Finnen im Bereich der 18. Armee ist abgeschlossen. Es wurden insgesamt 11 415 Esten und 64 800 Finnen erfasst. Eine Änderung dieser Zahlen kann nur noch im geringen Maße in Frage kommen und ist dadurch bedingt, dass ausserhalb des eigentlichen Gefechtsgebietes, wo ein Verbot des Umherziehens nicht besteht, immer noch eine bestimmte Bewegung in der Bevölkerung festzustellen ist. Die Überprüfung der für das Reich angeworbenen russischen Arbeitskräfte wird laufend fortgesetzt und stellt eine erhebliche Belastung der Dienststellen der Einsatzgruppe dar, nachdem der Andrang der russischen Zivilbevölkerung zur Arbeitsleistung in Deutschland sich als unvorhergesehen gross erwies. Die Gründe hierfür sind einesteils die wirtschaftliche Not, anderenteils aber auch der Wunsch, sich den Gefahren des Gefechtsgebietes zu entziehen, und ausserdem die Befürchtung, bei einer eventuellen Rückkehr der Roten Armee deren Terrormaßnahmen ausgesetzt zu sein oder in deren Reihen eingezogen zu werden. Die Anwerbung von freiwilligen Finnen für die 18. Armee wurde auch in der Berichtszeit weiterhin fortgesetzt. Es wurden etwa 1000 Freiwillige für die Armee geworben. Weiterhin mussten im Einverständnis mit der Armee Maßnahmen zur Überprüfung der bei der Wehrmacht bzw. bei den örtlichen Schutzdiensten eingesetzten russischen Hilfs- und Ordnungsorganen durchgeführt werden. Bei den meisten dieser Per-

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sonen konnte die Bewilligung zur Weiterbeschäftigung gegeben werden. Es hat sich bei dieser Überprüfung ergeben, dass besonders gerissene Personen mit anfänglichem Erfolg versucht haben, in solchen Beschäftigungen unterzukommen, um ihre frühere anrüchige politische und kriminelle Tätigkeit zu verschleiern und einer diesbezüglichen Verfolgung zu entgehen. So wurde zum Beispiel in Wolodarski der zivile russische Ordnungsdienst von einem früheren Berufsverbrecher und neun politisch belasteten Personen gesäubert. Die bereits gemeldete Art der Einsetzung von gemischten Spähtrupps, bestehend aus lettischen und russischen Hilfskräften unter deutscher Führung, wurde im Auftrag der Armee weiterhin mit gutem Erfolg fortgesetzt. Die betreffenden Wehrmachtsstellen haben mündlich und schriftlich der Einsatzgruppe ihre Anerkennung ausgesprochen. Lage in Lettland: Die Stimmung hat aus verschiedenen Gründen eine Verschlechterung erfahren. Das Umsichgreifen kommunistischer Propaganda macht sich in stärkerem Maße bemerkbar. Lettische Betriebsführer sind der Meinung, dass bei Fortdauer der gegenwärtigen Lohnpolitik die Arbeiter in kurzer Zeit wieder ins kommunistische Fahrwasser geraten werden. In Wirtschaftskreisen herrscht eine starke Depression. Man glaubt nicht mehr recht an den guten Willen der deutschen Verwaltung und hat die Hoffnung an eine einigermaßen selbständige Wirtschaft aufgegeben. Ein weiterer Übelstand, der die Stimmung weiter Bevölkerungsteile im negativen Sinne beeinflusst, ist die Wohnungsfrage. Der überaus starke Zuzug immer weiterer deutscher Beamter und der Wehrmachtsbedarf hat den Wohnraum für die einheimische Bevölkerung sehr beschränkt. Obgleich die Wehrmacht über eine Reihe guter Wohnungen verfügt, die zum Teil nur teilweise bewohnt sind oder nur als Übergangsquartier von Fall zu Fall dienen, gelingt es dem Wohnungsamt beim Gebietskommissar Riga-Stadt nur in seltenen Fällen, Wohnungen für den zivilen Bedarf freizubekommen. Es besteht der Eindruck, dass das Wohnungsamt nicht in der Lage ist, seinen Aufgaben gerecht zu werden. Da sich neuerdings auch das Reichskommissariat eingeschaltet hat und sowohl über Wohnungen als auch über Möbel disponiert und ausserdem noch ein lettisches Wohnungsamt besteht, herrscht auf diesem Gebiet infolge Fehlens einer zentralen Lenkung ein ziemliches Durcheinander. Bisher haben sich 8000 Freiwillige zur Dienstleistung in der lettischen Schutzmannschaft gemeldet. Die Werbeaktion hat die stärkste Beeinträchtigung durch eine vom Oberreichsbahnrat Balk erlassene Anordnung über die Einführung der Prügelstrafe für Eisenbahnbedienstete erfahren. Die Nachwirkungen dieser Anordnung sind immer noch spürbar. Obwohl in der „Deutschen Zeitung im Ostland“ bekanntgegeben wurde, dass „der Sachbearbeiter B“ zu seiner Heimatdienststelle zurückversetzt worden ist und obgleich die Verordnung stillschweigend aufgehoben wurde, hat die Tatsache, dass überhaupt eine Verordnung erschienen ist, die für die Letten Prügelstrafen vorsieht, ungeheuere Erbitterung hervorgerufen. Die Bevölkerung des Generalbezirks Lettland will und kann es nicht begreifen, dass die Anordnung „Balk“ in Estland vom Generalkommissar Litzmann sofort für ungültig erklärt wurde, nachdem man die Öffentlichkeit nur mit einer lakonischen kurzen Zeitungsmeldung, die von niemandem unterzeichnet war, abgespeist hat. Dieses unausgeglichene Vorgehen der Zivilbehörden fällt auf und gibt zu den verschiedensten Mutmaßungen Anlass. Augenblicklich ist die Werbeaktion auch ins Stocken geraten, weil in der Bevölkerung bekannt wurde, dass von den aufgestellten lettischen Freiwilligen 3 Wachbataillone bis zum 15. 3. und eins bis zum 20. 4. nach der Ukraine zur Bewachung von Gefangenenlagern, Wegen und Brücken in Marsch gesetzt werden sollen. Da während der Werbung hervorgehoben wurde, dass den Letten jetzt Gelegenheit gegeben werden soll, sich aktiv am Kampf gegen den Bolschewismus zu beteiligen, hat das Bekannt-

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werden dieser vorgesehenen Verwendung hinter der Front eine sehr grosse Enttäuschung ausgelöst. Die grossen Mängel der Ausrüstung, besonders das Fehlen von Stiefeln, haben sich ebenfalls herumgesprochen. Aus allen diesen Gründen haben die Freiwilligenmeldungen in den letzten Tagen fast ganz aufgehört. Infolge der Prügelstrafverordnung werden alle Schritte der deutschen Verwaltung und anderer Dienststellen mit grösserem Misstrauen denn je beobachtet. Es wird der Verwunderung darüber Ausdruck gegeben, dass die von SS-Brigadeführer Schröder1 in Mitau gehaltene Werberede, in der dieser erklärte „Dieser Idiot hat es versucht, die guten deutsch-lettischen Beziehungen zu sabotieren“, in der „Deutschen Zeitung im Ostland“ entstellt und gekürzt gebracht worden ist. Die sich immer mehr zuspitzende Ernährungslage wirkt sich stimmungsmäßig sehr stark aus. Ausser den rationierten Lebensmitteln ist so gut wie nichts vorhanden. Kartoffeln und Kohl – von anderem Gemüse ganz zu schweigen – werden überall vermisst. Die von einigen Bevölkerungsteilen aufgespeicherten Nahrungsmittel sind inzwischen zur Neige gegangen. Aus diesem Grunde ist der Schleichhandel, obwohl mit den schärfsten Strafen vorgegangen wird, in vollster Blüte. Besonders lebhaft wird die Versorgung der hier anwesenden Reichsdeutschen erörtert, deren Lebensmittelrationen doppelt so gross sind wie die der Letten. Mit einer weiteren Herabsetzung der Lebensmittelrationen für die einheimische Bevölkerung, die in Kürze erfolgen wird, muss eine erhebliche Verringerung der Zuteilung an die deutschen Verbraucher verbunden sein, da sonst die Unzufriedenheit noch grösser wird. Auf die Bevölkerung wirkt ferner die Durchführung der Dienstverpflichtungen für das Reich sehr beunruhigend. Da die Verschleppungen der Bolschewisten noch in zu frischer Erinnerung sind, vergleicht man die zwangsweise Entsendung von Arbeitskräften ins Reich mit den von den Russen durchgeführten Aktionen. Das Arbeitsamt ist darauf angewiesen, mit sehr wenig deutschen Mitarbeitern die Arbeit zu bewältigen. So kommen oftmals Pannen vor, z. B. sind Mütter von kleinen Kindern plötzlich ins Reich dienstverpflichtet worden. Auch die Tatsache, dass 3000 ehemalige Junglandwirte aus Lettland als Landarbeiter ins Reich gehen müssen, hat unter der Landbevölkerung eine erhebliche Unruhe ausgelöst. In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass das Verbot des Geschlechtsverkehrs für die im Reich eingesetzten lettischen Arbeitskräfte ungünstige Rückwirkungen haben kann, wenn bei der Vorlage des Merkblattes nicht die erforderlichen Erläuterungen gegeben werden. Es muss vermieden werden, dass bei den Letten der Eindruck entsteht, dass sie in dieser Hinsicht etwa den Polen gleichgestellt werden. Starke Unzufriedenheit herrscht insbesondere über die Methoden, die vom Arbeitsamt angewendet werden, um die Letten aufgrund des Erlasses des Reichskommissars vom 15. 8. 1941 für kriegswichtige Betriebe zu verpflichten. Diese Verordnung sieht vor, dass das Arbeitsamt für bedeutsame und vordringliche Arbeiten geeignete Arbeitskräfte an bestimmte Arbeitsplätze auch ausserhalb des Wohnsitzes bei entsprechender Vergütung zuweisen kann. Das Arbeitsamt verfährt bei dieser Einweisung sehr rücksichtslos. Auch die Arbeitsverhältnisse werden von den Letten oft als verletzend und beschämend empfunden. So müssen z. B. auf dem Güterbahnhof eine Anzahl von dienstverpflichteten Letten aus intelligenten Berufen Güterwagen beladen, während an Nebenwagen Juden arbeiten. Die Entlohnung für Dienstverpflichtete ist sehr gering, da sämtliche Dienstverpflichteten, unabhängig von Alter und Vorbildung, als ungelernte Arbeiter eingestuft werden und einen Stundenlohn von 27 Pfennigen erhalten. Familienzuschüsse werden nicht bezahlt. Auch für entsprechendes Schuhwerk und Arbeitskleidung wird nicht gesorgt. Durch stetige Berührung der im Ostland eingesetzten deutschen Soldaten und Beamten

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mit der einheimischen Bevölkerung ist die Frage der Eheschließung zwischen Deutschen und Letten akut geworden. Da in dieser Hinsicht bisher keine klaren Richtlinien bestanden, wurden noch bis vor kurzem laufend Anzeigen in der „Deutschen Zeitung im Ostland“ veröffentlicht, in denen es heisst: „Reichsdeutscher sucht zwecks Heirat die Bekanntschaft mit einem Rigaer Mädel, blond“ usw. Bei den Dienststellen sind vielfach Anträge auf Erteilung der Erlaubnis zur Heirat mit Einheimischen gestellt worden. Nunmehr hat die Haupteisenbahndirektion als erste durch einen Geheimerlaß unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Reichskommissars ihren Beamten bekanntgegeben, dass für die Kriegsdauer Eheschließungen zwischen Deutschen und Einheimischen verboten sind. Um bei Bekanntwerden dieser Anordnung dem Aufkommen falscher Auslegungen zuvorzukommen, hat die „Deutsche Zeitung im Ostland“ einen Artikel veröffentlicht, der darauf hinweist, dass die Letten, Esten und Litauer den Deutschen keineswegs artfremd, sondern im Gegenteil artverwandt seien; dies müsse aber in jedem Falle noch vor der Eheschließung nachgewiesen und durch Urkunden erhärtet werden. Die Anordnung des Reichskommissars, die die Eheschließung zwischen Reichsdeutschen und Landeseinwohnern zeitweilig unterbindet, bezwecke keineswegs das endgültige Verbot der Eheschließung zwischen Deutschen und Letten. Die Anordnung solle lediglich bis zum Inkrafttreten einer umfassenden gesetzlichen Regelung das Zustandekommen solcher Ehen ausschliessen, die dann aus dem einen oder anderen Grunde später angefochten werden könnten. Im Zusammenhang mit dem verstärkten Durchzug deutscher Truppen durch Riga nach der Ostfront werden wieder verschiedene Gerüchte verbreitet. Dennoch ist in Lettgallen eine gewisse Beruhigung festzustellen. Der grösste Teil der Bevölkerung ist jetzt offensichtlich der Meinung, dass die teilweise gehegten Hoffnungen und Wünsche auf Rückkehr der Russen in das lettgallische Gebiet aufgegeben werden müssen, nachdem die Rote Armee trotz der vielen Ankündigungen, in den Wintermonaten zurückzukehren, nirgends vorangekommen ist. Grosse Sorgen bereitet der bald zu erwartende Eisgang. Infolge des langen Winters und des beständigen und harten Frostes rechnet man mit einem sehr grossen Eisgang, falls der Frost noch bis Ende März anhalten sollte. Vor allen Dingen werden dann wohl Friedrichstadt und die an der Mündung der Düna gelegenen Niederungsgebiete unter Wasser gesetzt werden. Der Mangel an Eisbrechern kann katastrophale Folgen haben, weil das Eis an der Dünamündung nicht aufgelockert werden kann. Die Generaldirektion der Landwirtschaft hat im Einvernehmen mit der Abt. III b (Ernährung und Landwirtschaft) des Generalkommissars bereits vorsorgliche Vorbereitungen getroffen, um eine reibungslose Durchführung aller notwendigen Frühjahrsaussaatarbeiten sicherzustellen. Hierzu ist erstmals wieder vorgesehen, im Frühjahr 1942 nicht geringere Saatflächen als in der Vorbolschewistenzeit zu bestellen. Die Saatflächen für Kartoffeln, Flachs und Zuckerrüben vermehren sich im Vergleich zu 1941 um 31,1 % bei Kartoffeln, 28,6 % bei Flachs und 25,0 % bei Zuckerrüben. Die geplante Erzeugungssteigerung wird jedoch erst nach Abstellung einer Reihe von im Augenblick noch vorhandenen Schwierigkeiten praktisch möglich sein. Von entscheidender Bedeutung ist die Frage der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte, die bisher noch keine befriedigende Lösung erfahren hat. Nach den Berechnungen der Generaldirektion der Landwirtschaft werden in diesem Jahre wenigstens 50 000 Arbeiter fehlen, bei der Voraussetzung, dass die im Herbst 1941 eingesetzten 32 000 Gefangenen, 5600 Industriearbeiter und die in der Landwirtschaft tätigen Arbeiter aus Polen und Litauen in der Landwirtschaft belassen werden. Dies wird aber nur zum Teil der Fall sein.

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Einzelmeldungen: Aus Estland: Am 26. 3. beging die Stadt Reval den alljährlichen Gedenktag aus Anlass der erfolgreichen Abwehr der Belagerung der Stadt durch die Truppen des Zaren Iwan des Schrecklichen. Während im vorigen Jahr sämtliche Festlichkeiten aus Anlass dieses Tages von den Bolschewisten verboten worden waren, wurde der Tag dieses Jahr mit besonderer Betonung begangen. Die Stadt zeigte reichen Flaggenschmuck. Die estnische Presse widmete dem Tag viel Aufmerksamkeit und hob seine Bedeutung gerade in der heutigen Zeit hervor. In Reval sind handgeschriebene Flugblätter aufgefunden wurden, in denen die Bevölkerung aufgefordert wird, sich nicht an der Metallsammlung zu beteiligen. Die Bevölkerung jedoch belächelt diese Flugblätter und bemerkt hierzu, daß sie sich nicht zum 2. Male von der bolschewistischen Propaganda überlisten lassen werde. Unter der Bevölkerung der Insel Oesel macht sich eine steigende Sympathie für die nationalsozialistisch ausgerichtete, z. Zt. des estnischen Freiheitsstaates jedoch verbotene „Freiheitskämpferbewegung“ bemerkbar. Man hofft diese Bewegung reorganisieren oder aber eine nationalsozialistische Partei ins Leben rufen zu können. In Narwa ist die Ernährungslage überaus angespannt. Bei der Bevölkerung machen sich bereits starke Anzeichen einer Unterernährung bemerkbar. Abgesehen davon, daß Narwa und seine Umgebung besonders unter den Kriegseinwirkungen zu leiden gehabt haben, wird über ein Versagen der zuständigen Versorgungsbehörden geklagt. In Kreisen der Postbeamten macht sich eine stärker werdende, das Deutschtum ablehnende Haltung bemerkbar. Der Grund dieser Einstellung dürfte darin zu suchen sein, daß die estn. Post der Rigaer Postdirektion unterstellt worden ist. Die Stimmung der Straßenbahner der Stadt Reval ist durch die bevorstehende Lohnsenkung sehr gedrückt. Die Straßenbahner sind der Auffassung, daß die Reduzierung der Löhne veranlasst worden ist, um die Männer für die Freiwilligenbataillone und die Frauen für einen Arbeitseinsatz im Altreich anwerben zu können. In Lissino konnte der Bürgermeister des Ortes, der sich des besonderen Vertrauens der deutschen Wehrmachtsstellen erfreute und im Stabsgebäude wohnte, des verbotenen Waffenbesitzes, der führenden Zusammenarbeit mit Partisanen und der Spionage überführt werden. Der Bürgermeister war im Besitz der neuesten deutschen AV I für den Winterkrieg und eines Sendegeräts. Er sowie 5 weitere Personen wurden erschossen. In Tosno musste erstmalig ein russ. amtierender Pope wegen Widerstand gegen deutsche Anordnungen erschossen werden. Estnische Fischer, die z. T. durch die Kriegseinwirkungen stark gelitten haben, klagen darüber, daß die Preise, die ihnen für ihre Produkte von der Fischereizentrale gezahlt werden, zu niedrig seien. Auf dem Markt seien andererseits die Fischpreise unverhältnismäßig hoch. Die Metallsammelaktion wird in weitesten Kreisen der Bevölkerung Estlands zum Anlass genommen, die Bereitwilligkeit in der Unterstützung im Kampf gegen den Bolschewismus zu beweisen. Noch stärker als bei der Wollsachensammlung wird dabei versucht, Lettland und Litauen zu übertrumpfen. Tatsächlich beweist auch das Ergebnis der 1. Woche von rd. 112 000 kg (Reval) bereits, daß die Opferfreudigkeit im Vergleich zu der der Letten, die in 2 Wochen 55 000 kg (Riga) gespendet haben, bedeutend grösser ist. Aus Litauen: In Wilna wurden weitere 16 Personen festgenommen, die an der Fälschung von Lebensmittelkarten beteiligt waren. In der Umgebung von Pabrade wurden am 25. 3. bei der Aufrollung einer Partisanenorganisation, die sich vor allem mit Eisenbahnanschlägen befaßt, z. T. bewaffnete Polen festgenommen. Über Antalgin, Krs. Ziurasai, wurden in der Nacht vom 25. zum 26. 3. durch russ. Flugzeuge in grosser Zahl Flugblätter in deutscher Sprache abgeworfen. Die Flugblätter enthalten Auszüge aus der bekannten Molotow-Rede an die Litauer. In der Nacht des 26. 3. wurde in der Nähe des Dorfes Uzusaliai

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bei Jonava der Abschuss von verschiedenfarbigen Leuchtraketen beobachtet. Bei der Fahndung nach den Tätern wurden die eingesetzten Streifen aus einem Waldstück beschossen. Als Täter dürften russ. Kriegsgef. in Betracht kommen, die durch den Abschuss der Raketen Verständigung mit einer anderen Gruppe gesucht haben. Im Stadt- und Landkreise Schaulen wurde eine bolschewistische Terroristengruppe ermittelt, die Anhänger warb u. diese mit Waffen versah, um sie zu einem geeigneten Zeitpunkt gegen die deutschen Besatzungstruppen einzusetzen. Bisher wurden 12 Angehörige festgenommen. Die Mitglieder bestehen in der Hauptsache aus russ. Kriegsgef. und ehem. Kommunisten russ. und poln. Volkszugehörigkeit Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Aus Weissruthenien: Am 25. 3. wurde im Weissruthenischen Theater in Minsk der weissruthenische Nationaltag feierlich begangen. Es sprachen Pfarrer Godlewski und die weissruthenischen Nationalsozialisten 2 Abramowitsch und Koslowski. An den Führer wurde ein Danktelegramm gesandt. Gen.Komm. Kube liess sich vertreten. Die nicht mit den weissruthenischen Nationalsozialisten sympathisierenden Emigranten blieben mit Ausnahme von Pfarrer Godlewski und Prof. Iwanowski der Feier fern. Der Besuch der Veranstaltung war im Hinblick auf die Bedeutung des Tages für das weissruthenische Volk schlecht. In der weiteren Öffentlichkeit war von der Feier nichts bekannt. Ähnliche Veranstaltungen fanden in Nowgorod, Slonim und Witebsk statt. Weissruthenische Kreise wollen wissen, daß der ehem. Leiter der weissruthenischen NSP, Akyntschitin, nach Rücksprache mit dem OKH vom Ostministerium die Erlaubnis bekommen hat, aus den Kriegsgefangenenlagern in den besetzten Gebieten die noch vorhandene, kommunistisch nicht infizierte weissruthenische Intelligenz herauszusuchen, um sie für den Aufbau Weissrutheniens zu verwenden. Bei den deutschen Zivil- und Parteibehörden laufen in der letzten Zeit überraschend viele Bitt- und vor allem Beschwerdeschriften ein. Die Einheitlichkeit der Formulierung dieser Eingaben lässt den Schluss zu, daß gegnerische Kreise dieses plötzlich flutartige Anwachsen in Szene setzen, um nicht nur die deutschen Behörden mit Arbeit zu überschütten, sondern vor allem auch um die Bevölkerung von der Hilflosigkeit der deutschen Behörden zu überzeugen. Von den bisher im Gebiet des Gen.Komm. Weissruthenien für den Arbeitseinsatz im Altreich erfaßten 8769 Zivilarbeitern und 2383 Kriegsgefangenen ist bisher noch kein Transport im Altreich eingetroffen, da das Auffanglager Quarantänegebiet ist. Im Hinblick auf die aus Weissruthenien erhofften rd. 400 000 Arbeitskräfte für das Altreich sind die bisherigen Erfassungsergebnisse gering. Die Agrarreform in Weissruthenien soll noch vor der Frühjahrsbestellung vollzogen werden. Die 1. Genehmigungserteilung zur Auflösung der Kolchose wird der Bevölkerung am Ostersonntag bekannt gegeben. Die Zivilverwaltung erwartet durch diese Bekanntgabe gerade am Ostersonntag stimmungsmäßig grossen Erfolg. Nach den ersten Meldungen über die Teilnahme der Bevölkerung Weissrutheniens an der Metallsammlung sind die Eingänge der freiwilligen Spenden überraschend gering. Der Priesterschaft ist anheimgestellt worden, ihren Dank für die Befreiung von der Bolschewistenherrschaft durch die deutschen Truppen durch freiwillige Abgabe eines Teiles der Kirchenglocken abzustatten. Am 30. 3. wurden vom deutschen Sondergericht in Minsk 15 Angehörige der deutschen Reichsbahn wegen Verbrechens nach der Volksschädlingsordnung verurteilt. Sämtliche Angeklagten hatten auf einem Güterbahnhof in Minsk einen an die Front abgehenden Truppenwirtschaftstransport beraubt. Das Urteil lautet gegen 5 Angeklagte auf Todesstrafe, gegen 9 andere auf Zuchthaus von 2–12 Jahren. In einem Fall erfolgte Freispruch. Aus dem Bereich der Stapo-Stelle Allenstein: Am 2. 3. 42 um 13 Uhr entstand zwischen

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dem Reservepolizeibataillon Nr. 13 und 20 Partisanen, die sich unter der Führung eines russischen Leutnants in einem vereinzelt stehenden Gehöft etwa 7–8 km nordwestlich von Dobrowola an der Eisenbahnlinie Bialystok–Wolkowysk eingenistet hatten, ein Feuergefecht. Im Verlauf desselben wurden 17 Partisanen, darunter ihr Führer, getötet, während auf Seite des Reservepolizeibataillons Nr. 13 keine Verluste entstanden. 3 Partisanen gelang es, in die nahegelegenen Wälder zu entkommen. Von der Einsatzgruppe B liegen keine Meldungen vor. Einsatzgruppe C: Standort Kiew. In der Zeit vom 1. 3. bis 3. 4. 1942 wurden im Bereich des Befehlshabers der Sicherheitspolizei und des SD für die Ukraine insgesamt 1315 Personen der Sondermaßnahme zugeführt. Davon waren 185 politische Funktionäre, 121 Saboteure und Plünderer 3 1009. Einsatzgruppe D: Standort Simferopol. Allgemeine Lage: Die Tatsache, daß an beiden Fronten der Krim den Russen trotz grösster Anstrengung Erfolge versagt blieben, hat die Lage wieder gefestigt und die Bevölkerung zusehends beruhigt. Insbesondere hat das Erscheinen neuer Truppen auf der Krim, vor allem der neuen Panzerverbände, das Vertrauen zur deutschen Führung gestärkt. Mit einer Rückeroberung der Krim wird kaum mehr gerechnet; vielmehr sieht der Grossteil der Bevölkerung der deutschen Frühjahrsoffensive mit gespannten Erwartungen u. grossen Hoffnungen entgegen. Gedrückte Stimmung und Furcht vor den Roten besteht ausser in Frontnähe an einigen Küstenstreifen, vor allem in den luftgefährdeten Gebieten zwischen Simferopol–Sarabus, Saki und um Dshankoj. Besonders das Letztere als wichtigster und empfindlichster Punkt der Eisenbahnverbindungen zur Krim ist Tag und Nacht Luftangriffen ausgesetzt. Die Stadt ist erheblich zerstört und von der Bevölkerung verlassen. Erst am 30. 3. forderte ein Bombenvolltreffer in der Unterkunft der Tskp. 4 10 Tote und 15 Verletzte. Das Teilkommando in Dshankoj ist zeitweise voll zur Sicherung der Eisenbahn gegen Fallschirmspringer und sonstige Anschläge eingesetzt. In diesen Gebieten findet auch die Flüsterpropaganda immer wieder Boden, zumal wenn örtliche Mißstände oder Fehler amtlicher Stellen sie begünstigen. So in Aluschta, wo der Bürgermeister in einer stark an Sowjetmethoden erinnernden Form eine Reihe unsozialer Steuern, darunter eine Kopfsteuer einführte. Grösstes Interesse begegnete im Einsatzbereich die Ankündigung der Aufhebung des Kollektivsystems. Während man jedoch die Umwandlung der Kollektivwirtschaften in Gemeinwirtschaften lediglich als eine Namensänderung beargwöhnt, hat die Bekanntmachung von der Land- bezw. Prämienzuteilung für Verdienst bei der Bekämpfung der Partisanen und Kommunisten überall grosse Freude ausgelöst. An grösseren Epidemien trat im Bereich des EK 12 Flecktyphus in einer Stärke von 80 bis 100 akuten Fällen je Rayon auf. Die Wanderungsbewegung aus der Süd- in die Nordkrim hält weiter an. Eine teilweise durchgeführte Beschränkung stiess auf völliges Unverständnis der Bevölkerung und ist bezw. wird wieder aufgegeben werden. Allein aus der Stadt Bachtschissaraj siedelten im März über 1200 Personen in die Nordkrim über. Die weiterhin starke Tätigkeit der Partisanen hat sich von Einzelüberfällen auf deutsche Soldaten oder Fahrzeuge mehr in Richtung auf Aktionen und Massenangriffe gegen Dörfer zur Beschaffung von Lebensmitteln verlagert. Die Tskp. der Einsatzgruppe haben sich bei der Zurückschlagung dieser Angriffe besonders bewährt. Ernährungslage: Auf dem Lande bestehen im allgemeinen keine ernsten Ernährungsschwierigkeiten. Hier hat die Bevölkerung grösstenteils noch so viel Lebensmittel zurückbehalten, dass sie bis zur neuen Ernte nicht ernsthaft hungergefährdet erscheint. In den Städten ist dagegen die Zuteilung von Lebensmitteln äusserst knapp. Der Grund liegt vor

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allem in den Transportschwierigkeiten. In Aluschta musste die Brotration wieder herabgesetzt werden. Die in Volksküchen ausgegebenen Eintopfessen sind durchschnittlich schlecht und haben wenig Nährwert. In Bachtschissaraj musste die Volksküche wieder aufgegeben werden. Die Hoffnungen auf den Fischfang haben sich infolge der auch in der Berichtszeit anhaltenden kalten Witterung nicht erfüllt. Die durchschnittliche Tagesration an Brot beträgt für in Arbeit Stehende in den Städten allgemein 300 Gramm, für Arbeitslose 200 Gramm. Wo von den Behörden sichtbare Maßnahmen zur Besserung der Lage und zu einer gerechten Verteilung, z. B. Einführung einer Brotkarte, ergriffen worden sind, bringt die Bevölkerung den kriegsbedingten Schwierigkeiten der Ernährungslage Verständnis entgegen. Schleichhandel, Hamsterei und Preissteigerungen blühen aber weiterhin. Die sonstige wirtschaftliche Lage ist gekennzeichnet durch die nahezu vollständige Auspumpung des Landes und grosse Schwierigkeiten bei der Frühjahrsbestellung infolge Fehlens von Saatgut und Arbeitsmitteln. Sicherheitspolizeiliche Arbeit: Die intensive sicherheitspolizeiliche Arbeit im Einsatzgebiet bewirkte, daß jetzt alle Ortschaften vor allem auf der Krim wenigstens einmal durchgekämmt sind. Breitenarbeit, gestützt auf gesäuberte und ausgerichtete Ortsmilizen, ein ausgebautes VM- und Nachrichtensystem sowie auf die im grossen Ausmaße erreichte tätige Mitarbeit der Bevölkerung brachte dabei gute Erfolge. Nach der Säuberung des Einsatzgebietes, insbesondere der Krim von Widerstandsnestern und gegnerischen Truppen, werden im steigenden Maße untergetauchte und getarnte bolschewistische Funktionäre unschädlich gemacht. Juden, Krimtschaken und Zigeuner sind ausser wenigen kleinen, gelegentlich im Norden der Krim auftauchenden Truppen [sic] nicht mehr vorhanden. Wo sie als Einzelpersonen mittels falscher Ausweise usw. sich tarnen konnten, werden sie früher oder später doch erkannt, wie die Erfahrungen der letzten Wochen zeigten. Partisanen: Die Partisanen führten in der Berichtszeit weniger Überfälle auf deutsche und rumänische Wehrmachtsfahrzeuge durch, sondern versuchten durch Angriffe auf Dörfer unter allen Umständen zu Lebensmitteln zu kommen. So griffen 500 Partisanen die Ortschaft Baksan an. Die Tskp. hielt das Dorf in mutiger Verteidigung viele Stunden lang, bis deutscher Einsatz eintraf. Sie hatte dabei 8 Tote und 3 Schwerverletzte. 200 Partisanen, die am 24. 3. das Dorf Beschuj überfielen, wurden von der dortigen Tskp. noch vor Eintreffen deutscher Verstärkung in die Flucht geschlagen. Vom 14. bis 16. 3. wurden auf Grund der Erkundungsergebnisse des EK 11b unter Beteiligung einer Tskp. von deutschen und rumänischen Truppen, darunter 2 Panzern und einer halben Batterie Nebelwerfern, eine Grossaktion gegen Partisanentruppen in Gegend Alljanma–Tscharmalik und Beschuj durchgeführt, bei der 353 Partisanen getötet, eine Menge Lebensmittel und Waffen erbeutet und vernichtet wurden. Durch Nachrichtenarbeit und eine Reihe von erfolgreichen Aufklärungsvorstössen sind jetzt nahezu sämtliche Partisanengruppen und Lager auf der Krim erkundet, unter anderem auch das als Zentrale anzusprechende grösste Partisanenlager südlich Baksan mit einer Stärke von über 2000 Mann. Die Partisanen wurden in letzter Zeit in steigendem Maße von roten Flugzeugen mit Verpflegung, Munition und Nachrichtenmitteln wie Funkempfangs- und Sendegeräten versorgt. Nördlich Simeis wurde von einem Aufklärungstrupp der dortigen Tskp. eine Sendung vollkommen neuer Waffen nach dem Abwurf in einem sofort gestarteten Unternehmen erbeutet. Im Raum Aluschta konnte ein Fallschirm mit Lebensmitteln unversehrt sichergestellt werden. Einwohner des Dorfes Laki bei Bachtschissaraj hatten ständige Verbindung mit Partisanengruppen, gewährten ihnen nachts Quartier und versorgten sie mit Lebensmitteln. Am

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23. 3. förderte eine Strafaktion gegen das Dorf eine solche Fülle von Lebensmitteln zutage, daß die Partisanen bis zur neuen Ernte hätten davon leben können. Die 15 Hauptbeteiligten, darunter der Bürgermeister, wurden erschossen, die Einwohnerschaft evakuiert und das Dorf niedergebrannt. In der zweiten Märzhälfte wurden insgesamt 1501 Personen exekutiert, davon 588 Juden, 405 Kommunisten, 247 Partisanen, 261 Asoziale einschl. Zigeuner. Gesamtzahl bisher 91678. III. Reich und besetzte Gebiete: Der Kdr. d. Sipo u.d. SD in Veldes meldet: Am 2. 4. 42 um 20 Uhr wurde eine deutschfreundlich eingestellte Einwohnerin auf einem Waldweg unweit von Lese erschossen aufgefunden. Sie wurde ohne Zweifel von kommunistischen Banditen ermordet. Am 3. 4. 42 um 4.30 Uhr hat eine andere kommunistische Bande in der Nähe der Gemeinde Kraxen, Bez. Stein, eine Transformatorenanlage durch Sprengungen zerstört. Der Sachschaden steht noch nicht fest. Fahndungs- und Vergeltungsmaßnahmen sind eingeleitet. Der Kdr. d. Sipo u.d. SD i.d. Untersteiermark meldet: Am 4. 4. 42 wurde gegen 22.30 Uhr in Trifail die am 4. 12. 91 geb. Theresia Machnitsch von zwei kommunistischen Banditen ermordet. Dem Sohn der Machnitsch, dem eigentlich dieser Anschlag galt, gelang die Entwaffnung eines der Banditen, jedoch konnten beide entkommen. In der gleichen Nacht wurde in Trifail auf das Anwesen des Bauern Pranikar ein Brandanschlag verübt, dem zwei Scheunen, 2 Pferde und 8 Rinder zum Opfer fielen. Auch in diesem Fall sind die Täter in kommunistischen Kreisen zu suchen. In der Ortschaft Swir Lkotkopvikove wurden in der Nacht zum 4. 4. 42 vier Anwesen durch Brandlegung eingeäschert. Es wird vermutet, dass es sich bei dem Täter um einen nach der Provinz Laibach geflüchteten Slowenen handelt. Vergeltungsmaßnahmen werden eingeleitet. BAB, R 58/221 1 Walter Schröder, geb. 1902, Ingenieur, 1925 NSDAP, 1932 MdR, Polizeipräsident in Lübeck, 1938 SS, SSPF Lettland Aug. 1941–Okt. 1944, gest. 1973; BAL, ZK: Walter Schröder. 2 Allgemein dazu John J. Stephan: The Russian Fascists.Tragedy and Farce in Exile, 1925–1945, New York 1978. 3 Unter diese Bezeichnung wurden in aller Regel Juden subsumiert. 4 Tatarenselbstschutzkompanie.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A 1 – 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 10. April 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

77 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 191 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 10. 4. 1942. Höherer SS- u. Pol.Führer Nord (101): (SS-O.Gruf. Jeckeln), Standort: Riga. Befehlshaber der Sipo u.d. SD Ostland: (SS-Brif. Jost), Standort: Riga, N-Verbindungen: FS, FT Riga. Kommandeur der Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Estland: (SS-Stubaf. RR Dr. Sandberger), Standort: Reval m. Dienststellen in Narwa, Dorpat, Kingisepp, Krasnoje-Selo, Luga und Pleskau, N-Verbindungen: FT, FS Reval, FT Pleskau, Feldpost-Nr. 15119.

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Kommandeur der Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Lettland: (SS-Stubaf. RR Dr. Lange), Standort: Riga m. Dienststellen in Libau, Wolmar, Dünaburg, N-Verbindungen: FT, FS Riga, Feldpost-Nr. 15447. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Litauen: (SS-Staf. Jäger), Standort: Kauen m. Dienststellen in Wilna u. Schaulen, N-Verbindungen: FT, FS Wilna und Schaulen, FeldpostNr. 15641. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Weissruthenien: (SS-Stubaf. RR Strauch), Standort: Minsk m. Dienststellen in Wilejka und Baranowicze, N-Verbindungen: FT und FS Minsk, Feldpost-Nr. 15641. Chef der Einsatzgruppe A: (SS-Brigf. Jost), Standort: Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: FT, FS Riga, FT Krasnogwardeisk, Feldpost-Nr. 15119. Höherer SS- und Pol.Führer Mitte (102): (SS-Ob.Gruf. v. d. Bach), Standort: Mogilew. Chef der Einsatzgruppe B: (SS-Oberführer Naumann), Standort: Smolensk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Kurierverbindung über Warschau und Fernsprecher über VD Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando 7a: (SS-O.Stubaf. Rapp), Standort: Klinzy, N-Verbindungen: FT Klinzy, Feldpost-Nr. 85607. Sonderkommando 7b: (SS-O.Stubaf. Ott), Standort: Brjansk m. Trupps in Orel und Kursk, N-Verbindungen: FT Orel, Feldpost-Nr. 18555. Einsatzkommando 8: (SS-Stubaf. RR Richter), Standort: Mogilew m. Trupps in Borissow, Orscha, Gomel u. Bobruisk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Feldpost-Nr. 37867. Einsatzkommando 9: (SS-O.Stubaf. Wiebens), Standort: Witebsk m. Trupps in Smolensk, Newel, Polozk u. Lepel, N-Verbindungen: FT Witebsk, Feldpost-Nr. 37857. Höherer SS- u. Pol.Führer Süd (103): (SS-Obergruf. Prützmann), Standort: Rowno. Befehlshaber der Sipo u.d. SD Ukraine: (SS-Brigf. Dr. Thomas), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Rowno, v. dort Kurier, Feldpost-Nr. 32704. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Wolhynien: (SS-Stubaf. RR Dr. Pütz), Standort: Rowno, N-Verbindungen: FT Rowno. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Shitomir: (SS-Stubaf. RR Dr. Razesberger), Standort: Shitomir, N-Verbindungen: FS Shitomir. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Kiew: (SS-O.Stubaf. Ehrlinger), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Tschernigow: (SS-Stubaf. Christensen1), Standort: Tschernigow, N-Verbindungen: FT Kiew, v. dort Kurier od. FT Orpo. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Nikolajew: (SS-Stubaf. RR Dr. Spann), Standort: Nikolajew, N-Verbindungen: FT Nikolajew. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Charkow: (SS-Stubaf. RR Dr. Kranebitter), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow. Kdr. d. Sipo u.d. SD f.d. Gen.Bez. Dnjepropetrowsk: (SS-Stubaf. Mulde), Standort: Dnjepropetrowsk, N-Verbindungen: FT Dnjepropetrowsk. Chef der Einsatzgruppe C: (SS-Brigf. Dr. Thomas), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier, Feldpost-Nr. 32704. Sonderkommando 4a: (SS-O.Stubaf. ORR Dr. Weinmann), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow, Feldpost-Nr. 32704. Sonderkommando 4b: (SS-Stubaf. RR Dr. Haensch), Standort: Gorlowka, N-Verbindungen: FT Gorlowka, Feldpost-Nr. 34310.

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Einsatzkommando 6: (SS-Stubaf. RR Mohr), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino, Feldpost-Nr. 35979. Kommando beim Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes: (SS-H.Stuf. Plath 2), Standort: Krementschug, N-Verbindungen: FT Krementschug. Höherer SS- u. Pol.Führer z. b. V.: (SS-Brigf. Korsemann), Standort: Rowno. Chef der Einsatzgruppe D: (SS-Oberf. Ohlendorf), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol, Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10a: (SS-O.Stubaf. ORR Seetzen), Standort: Taganrog m. Trupps in Mariupol u. Melitopol, N-Verbindungen: Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10b: (SS-Stubaf. Persterer), Standort: Feodosia m. Trupps in Sudak u. Dshankoj, N-Verbindungen: FT Feodosia, Feldpost-Nr. 47540. [Es fehlt Einsatzkommando 10a] Einsatzkommando 11b: (SS-Stubaf. RR Dr. Braune), Standort: Simferopol m. Trupps in Jewpatoria, Aluschta, Karasubasar, N-Verbindungen: FT Simferopol u. Aluschta, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 12: (SS-Staf. Min.Dirigent Dr. Müller), Standort: Fedorowka m. Trupps in Pologi, Biukxas u. Gulja-Pole, N-Verbindungen: FT Fedorowka, FeldpostNr. 47540. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Die Lage in Leningrad: Aufgrund der laufenden Erkundungstätigkeit der Einsatzgruppe A der Sicherheitspolizei und des SD ergibt sich über die weitere Entwicklung der Gesamtlage in Leningrad folgendes: 1. Bevölkerung: In gesteigertem Maße wurde die Verbindungsstrasse über das Eis des Ladoga-Sees von den Leningrader Behörden auch weiterhin nicht nur zur Heranschaffung von Kriegsmaterial und Lebensmitteln, sondern in gesteigertem Maße auch zur Evakuierung eines Teiles der Bevölkerung nach dem Innern der Sowjetunion benutzt. Über den Umfang dieser Evakuierungsmaßnahmen liegen keine genauen Zahlen vor. Bekannt ist jedoch, dass sämtliche Fahrzeuge und Eisenbahnzüge, die zum Antransport von Lebensmitteln und Kriegsmaterial eingesetzt werden, bei der Leerfahrt zum Hafen Ladoshskoje Osero (Endpunkt der Ladoga-Strasse) Flüchtlinge fortschaffen. Die Züge werden vom Finnischen Bahnhof abgefertigt, in dessen Umgebung die Strassen voller Flüchtlinge sind, die das zugelassene Gepäck, 32 kg je Person, meist auf Handschlitten mit sich führen. Zur Evakuierung gelangen in erster Linie die Angehörigen von Sowjetbeamten und Sowjetoffizieren; vornehmlich jedoch Juden drängen sich dazu. Auch Militär-Lkw’s fahren fast niemals leer zum Ladoga-See. Sie werden in erster Linie zum Abtransport der Familien von Angehörigen der Roten Armee eingesetzt, nehmen jedoch vielfach statt dessen Juden mit, die diese Beförderung dem Bahntransport vorziehen, da sie mit dem Lkw gleich an das andere Ufer des Sees gebracht werden. Der Bestechungssatz soll 2000 bis 3000 Rubel für eine Fahrt betragen. Nach einer rohen Schätzung dürften seit Anfang Januar täglich bis zu 2500 Personen auf diesem Wege die Stadt verlassen haben. Festzuhalten ist dabei jedoch, dass lt. einer Verfügung vom 20. 2. 42 auch der Zivilbevölkerung des Oranienbaumer Kessels freigestellt wurde, über Kronstadt und Leningrad ins Innere Russlands zu evakuieren. Umfangmäßig weit bedeutender als der Abzug über den Ladoga-See ist die Verminderung der Leningrader Bevölkerung durch das unverändert anhaltende Massensterben. Die angegebenen Zahlen der täglichen Todesfälle schwanken, liegen aber durchweg über

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8000. Die Todesursachen sind Hunger, Erschöpfung, Herzschwäche und Darmkrankheiten. Eigentliche Epidemien wurden nicht gemeldet. Aus dem Bestand der Leningrader Luftschutzorganisation PWHO sollen etwa 50 v. H. gestorben sein; der Rest erhofft einen Einsatz an der Front wegen der dort zu erwartenden besseren Verpflegung. Leere Wohnungen, die vormals in der übervölkerten Stadt nur mit ungeheueren Schwierigkeiten und durch grosse Bestechungen zu erhalten waren, stehen heute in grosser Zahl zur Verfügung. Nach einer nicht nachprüfbaren Meldung sollen am 1. 1. 42 vom Versorgungsamt des Leningrader Stadtsowjets 2 125 500 Zivillebensmittelkarten ausgegeben worden sein, Anfang März jedoch rd. 600 000 Karten weniger. Dieser Rückgang sei in erster Linie auf den Hungertod, in zweiter auf die Evakuierungsmaßnahmen zurückzuführen. Diesen Zahlen kann eine relative Glaubwürdigkeit zugebilligt werden unter Zugrundelegung der Annahme, dass die Versorgung der zur Arbeiterwehr eingezogenen Männer mit Lebensmittelkarten von einer anderen Stelle aus erfolgte. Auch die erneute Heraufsetzung der Brotration auf 500 gr. bzw. 400 und 300 gr. spricht dafür, dass die Zahl der zu Versorgenden um einen erheblichen Prozentsatz abgenommen hat, da nachweislich die Brotreserven im Dezember nahezu aufgezehrt waren und die hundertprozentige Erhöhung der Zuteilungen gegenüber dem Dezember schon rein mengenmäßig nicht einzig auf Nachschubtransporten basieren kann. Nach wie vor findet man auf der Strasse Leichen von Personen, die aus Erschöpfung zusammengebrochen sind. Oft werden sie in den Abendstunden von der Bevölkerung entkleidet und bleiben so einige Tage liegen, bis sie abgeführt werden. Juden sollen unter den Toten nicht zu sehen sein; im Gegenteil sollen sie, wo man sie sieht, noch einen relativ wohlgenährten Eindruck machen. Doch nimmt ihre Zahl merklich ab. 2. Stimmung der Bevölkerung: Wie berichtet wird, ist die judenfeindliche Stimmung, die bis zum Februar spürbar zugenommen hatte, in letzter Zeit zum Stillstand gekommen. Erklärt wird diese Erscheinung zum Teil in den erfolgreichen Bemühungen der Sowjetbehörden, die Ernährungslage zu bessern, zum Teil in der allgemeinen Lethargie und Gleichgültigkeit politischen Fragen gegenüber. In der Öffentlichkeit diskutiert werden einzig Ernährungsprobleme. Die Sowjetpropaganda arbeitet stark mit Siegesnachrichten von verschiedenen Frontabschnitten, die allerdings meist auf Unglauben stossen, da die mehrfach angekündigten Termine für eine Entsetzung der Stadt sich nicht bewahrheitet haben. Im grossen und ganzen ist die Frage, ob die Stadt den Deutschen in die Hände fällt oder von den Sowjets entsetzt wird, der Bevölkerung gleichgültig. Doch hofft man mit dem Eintritt der wärmeren Witterung auf den Beginn neuer militärischer Operationen, die so oder so eine Änderung der unerträglichen Lage bringen sollen. 3. Versorgungslage: Um den 15. 2. 1942 erfolgte abermals eine Erhöhung der Lebensmittelrationen. Die Normen sind im einzelnen unsicher, zumal die zustehenden Rationen nicht immer erhältlich sind und vor allem grundsätzlich verfallen, wenn sie nicht zum Termin entnommen werden. Häufig sind die Klagen, dass ausser Brot praktisch überhaupt nichts zu erhalten sei. Die tägliche Brotration beträgt nun für Arbeiter 500 gr., für Angestellte 400 gr., für Fam.Angehörige 300 gr. Als sicher kann gelten, daß die Regelung des Zuteilungswesens niemals soweit funktionierte, daß für die Gesamtbevölkerung die Ausgabe der offiziell zustehenden Normen gewährleistet war. An Fleisch wird gewöhnlich Pferdefleisch ausgegeben, Brot und Grütze sind stark gestreckt. Im November und Dezember bestand die Streckmasse aus einer Mischung von Torf und Papier, welche im Kirow-Werk Nr. 3 (Planquadr. Q 3), westlich der Kalininstraße, einem früheren Zellulosewerk, hergestellt wurde. Die Arbeiterschaft in Leningrad wird vielfach über die Werk-

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kantinen bezw. Speisehäuser verpflegt gegen Abgabe der entsprechenden Kartenabschnitte. In diesen wird ausgegeben: Pferdefleisch (selten), Kohl (gewöhnlich Sauerkrautrückstände: Deckblätter, Kerne), Makkaronisuppen, Omeletts und andere Speisen aus Eierpulver und Mehlbrei, der stark mit Ersatzmitteln gestreckt und sehr unbeliebt ist. In den Gefängnissen bezw. Konzentrationslagern ist die Verpflegung knapp, aber relativ günstig und lag sogar zeitweise über den an die Zivilbevölkerung ausgegebenen Normen (im Dezember und Jan. z. B. je nach dem Arbeitseinsatz 200 gr. bezw. 270 gr. Brot, während die allgemeinen Normen zur gleichen Zeit 125 gr. bezw. 250 gr. betrugen). Z. Zt. beträgt sie je nach dem Arbeitseinsatz 300 gr. bezw. 250 gr. Brot sowie zwei Mal täglich eine dünne Suppe mit etwas Grütze und Pflanzenfett. Im Tauschhandel bezw. Schwarzhandel, der neuerdings von der Miliz sehr schwer verfolgt wird, sind die meisten Lebensmittel nur in sehr geringen Mengen erhältlich. Die dafür bezahlten Preise in Geld sind völlig phantastisch, da Geld ungern genommen wird. Der Leningrader Einzelhandel liegt nahezu brach. Die meisten Geschäfte sind geschlossen, Textilien und Schuhwaren so gut wie ganz aus den Auslagen verschwunden und nur in sehr beschränkten Mengen auf Karten erhältlich. Die Stromversorgung der Stadt ist ausserordentlich knapp. Die Straßenbahn verkehrt überhaupt nicht. Die Zivilbevölkerung erhält keinen Strom für Beleuchtungszwecke, wohl aber sind eine Reihe Strassenlautsprecher wieder in Betrieb genommen worden, welche politische Nachrichten, Frontmeldungen sowie amtliche Bekanntmachungen durchgeben. Eine Reihe von Behörden arbeitet mit elektrischem Licht, so z. B. die Milizreviere, die Kriegskommissariate u. ä. Auch die wichtigsten Rüstungsbetriebe werden mit Strom versorgt. An Zeitungen erscheint täglich die „Leningrader Prawda“ in verkleinertem Format und zweiseitig. Die Auflage ist sehr verringert, die Abonnements sind aufgehoben und Zeitungen nur in den Kiosken und auch da bloss beschränkt erhältlich. Die „Moskauer Prawda“ erscheint vierseitig, ist jedoch noch seltener zu haben. Die Post arbeitet ebenfalls mit grossen Einschränkungen. Briefe müssen in den Postämtern abgegeben werden. Die Postkästen werden nicht geleert. Das Austragen der Post verzögert sich infolge der starken Verringerung der Arbeitskräfte ausserordentlich. Briefe aus dem Innern Russlands kommen an, jedoch nur selten und mit monatelangen Verzögerungen und stets von der Zensur geöffnet. Auch Telegramme treffen mit einer Verzögerung von mehreren Wochen ein. Die privaten Fernsprecher sind durchweg stillgelegt, die Apparate z. T. abmontiert worden. Nur die Postfernsprecher arbeiten. Zur Regelung des Brennstoffbedarfs werden Holzbezugsscheine ausgegeben, mit denen die Zivilbevölkerung viel Ärger hat, da Brennholz ausserordentlich schwer erhältlich ist. Das wilde Abreissen von zerstörten Häusern ist durch die Miliz erheblich gebremst worden. Im allgemeinen ist die Beheizungsfrage durch Aufstellung kleiner blecherner Sparöfen, sogen. „Burshuiki“, gelöst worden, so daß gewöhnlich wenigstens ein Zimmer heizbar ist, in dem sich die Bewohner zusammendrängen. Die Wasserleitung ist fast durchweg eingefroren, das Wasserwerk selbst aber anscheinend nicht zerstört. In den meisten Fällen versorgt sich die Bevölkerung mit Wasser aus der Newa oder aus den Kanälen. 4. Tätigkeit der Partei und ihrer Organe: Der Verteidigungsrat Leningrads setzt sich unter dem Vorsitz des Oberbefehlshabers der Leningrader Front, Generalleutnant Hosin, wie folgt zusammen: Shdanow, I. Sekretär des Leningr. Gebietskomitees, Popkow, Vorsitzender des Leningr. Stadtsowjets, Kusnezow, II. Sekretär des Leningr. Gebietskomitees, Kapustin, III. Sekretär des Leningr. Stadtkomitees. Die Versorgung der Zivilbevölkerung mit Lebensmitteln erfolgt unter Aufsicht Popkows durch die Handelsabteilung des Lenin-

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grader Stadtsowjets, die von einem Andrejenko geleitet wird. Es besteht der Eindruck, daß nach einer Periode weitgehender Depression und Desorganisation, die ihren Höhepunkt etwa um die Weihnachtszeit hatte, aber noch weit in den Januar hineinreichte, die Leningrader Parteibehörden die Ordnung in der Stadt weitgehend wiederhergestellt haben. Die Miliz arbeitet straffer und ist in letzter Zeit besonders auf den Schwarzhandel angesetzt worden. Von Raubüberfällen ist seit Anfang Februar nichts gemeldet worden. Die Propaganda arbeitet rege und bedient sich dabei sowohl der Zeitungen wie auch der Straßenlautsprecher. Ferner werden Schallplatten besprochen und in Kasernen, auf den Kriegsschiffen und in den Sammelunterkünften der zur Arbeiterwehr eingezogenen Arbeiter abgespielt. Die Gefängnisse sind überfüllt. 80 % der Inhaftierten besteht aus Angehörigen der Roten Armee oder sitzt wegen Versäumnissen bei der Durchführung von Heeresaufträgen ein. Einzelmeldungen: Aus Estland: Am 30. 3. 42 wurden im Kreise Harrien in der Gegend bei Raasiku beim Absprung 2 von einem Flughafen bei Leningrad eingesetzte russ. Fallschirmspringer estnischer Nationalität festgenommen. Die beiden Esten sollten als Spione tätig werden. Sie waren unter anderem auch mit 2 Funkgeräten ausgerüstet, die sichergestellt werden konnten. Aus Lettland: Die in den letzten Tagen eingeleitete Aktion gegen die KP führte infolge intensiver nachrichtendienstlicher Vorbereitung zu einem vollen Erfolg. Insgesamt wurden bisher 152 Personen festgenommen, darunter sämtliche führenden Köpfe. Die KPLeute unterhielten engste Verbindungen zu Partisanen und Kriegsgefangenen. Entflohene Kriegsgefangene konnten aus ihren Verstecken herausgeholt werden. Umfangreiches Fälschermaterial und Waffen, ferner Dum-Dum-Geschosse und Explosivstoffe sind sichergestellt. Die Organisation plante Attentate auf führende Persönlichkeiten. Ein Fallschirmspringer hat bereits zugegeben, den Auftrag gehabt zu haben, den General Dankers und den Oberst Weiss zu beseitigen. Die Vernehmungen dauern z. Zt. noch an. Aus Litauen: In Wilna wurden am 26. und 27. 3. 42 polnisch-katholische Klöster wegen deutschfeindlicher Betätigung der Insassen nach Sicherstellung des vorgefundenen Materials geschlossen. Insgesamt wurden 253 Klosterinsassen, davon 64 männliche und 109 weibliche Personen, in Schutzhaft genommen. In den Nachmittagsstunden des 2. April gingen zwischen Pirsiai und Rokischkis 6–7 mit Hetzschriften beladene Fallschirme nieder. 3 der Fallschirme konnten inzwischen sichergestellt werden. Durch Angliederung der neugebildeten Kreise Svyriai, Asmena und Eischiskis, die bisher zum Generalbez. Weissruthenien gehörten, hat der Gen.Bez. Litauen eine nicht unerhebliche Vergrösserung erfahren. Die Bevölkerungszahl der neu hinzugekommenen Gebiete beläuft sich auf etwa 200 000 Menschen. Im Rahmen der sicherheitspolizeilichen Aktionen wurden in der Zeit vom 16. 2.–21. 3. 1942 festgenommen: Festnahmen: in Kauen 9 Kommunisten, 37 Juden, 4 Polen, 11 Abwehr-Sabotage, zus. 61, in Wilna 94 Kommunisten, 24 Juden, 192 Polen, 9 Abwehr-Sabotage, zus. 319, in Schaulen 21 Kommunisten, 3 Juden, zus. 24, Gesamtsumme: 404. Davon wurden erschossen: in Kauen 38 Terroristen (darunter 7 Frauen), 6 Spione (darunter 1 Frau), 18 NKWD-Agenten und Berufsverbrecher (darunter 1 kath. Geistlicher), 19 aktive Kommunisten (darunter 12 russ. und 1 poln. Bauer), 1 russ. Kriegsgefangener, 24 Juden (darunter 1 Jüdin), zus.106, in Schaulen 2 russ. Kriegsgefangene gehängt, 1 russ. Bauer (aktiver Kommunist), zus. 3, in Wilna 23 aktive Kommunisten (darunter 4 Frauen), 73 Juden (darunter 23 Frauen und 2 Kinder), 14 Polen (Widerstandsbewegung), 20 Polen (Passfälscher und sonstige Delikte, darunter 4 Frauen), 7 Spione, zus. 137, Gesamtsumme: 246.

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Von der Einsatzgruppe B liegen keine Meldungen vor. Einsatzgruppe C: Standort Kiew. Lage und Stimmung in der Ukraine: Lage und Stimmung in der Westukraine: Die Westukraine (Generalbezirk Wolhynien/Podolien) hat gewisse typische Merkmale, die sie von der übrigen Ukraine unterscheiden. Die Bevölkerungsdichte ist grösser, das Nebeneinander der verschiedenen Volksgruppen tritt krasser hervor: Ukrainer, Polen und Juden stehen hier nahezu gleichbedeutend und auch zahlenmäßig annähernd neben- und gegeneinander. Die Russen spielen nur eine unbedeutende Rolle. Die verschiedenen Volksgruppen zeigen eine unterschiedliche Haltung gegenüber den Deutschen und sind auch untereinander noch misstrauisch und verfeindet. Diese Gegensätze und Zersplitterungen geben Ansatzpunkte für die politische und nachrichtendienstliche Bekämpfung der verschiedenen reichsfeindlichen Gruppen. Unter den Volksgruppen ist als stärkste politische Bewegung der ukrainische Nationalismus anzusehen. Die aktivste und bedeutendste der Gruppen dieser Richtung, die Bandera-Bewegung, ist zu einer überwiegend deutschfeindlichen, illegalen Organisation geworden. Daneben bleibt – gerade im Bezirk Wolhynien/ Podolien – die Entwicklung der ukrainischen Kirchenfrage besonders beachtlich, da sich aus den bisherigen Bemühungen die Möglichkeit einer nationalistischen Einigung auf landeskirchlicher Grundlage aufzeigt. Ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen dem nördlichen Teil des Generalbezirks Wolhynien und dem südlichen Teil Podoliens. Wolhynien stand 20 Jahre unter polnischer und nur 2 Jahre unter sowjetrussischer Herrschaft. Podolien dagegen hat stets zur Sowjetunion gehört. Die Auswirkung auf die Bevölkerung ist unverkennbar. Die Bevölkerung in Podolien ist anspruchsloser als in Wolhynien. Sie hat es verlernt, sich politischen Hoffnungen hinzugeben, aber sie versteht es auch, ihre Gefühle hinter äusserer Stumpfheit zu verbergen. In Wolhynien treten dagegen, entsprechend der grösseren Dichte der Intelligenz dort, politische und wirtschaftliche Bestrebungen, Klagen und Sorgen deutlicher hervor. Die Stimmung der Bevölkerung ist uneinheitlich. Die Hauptgründe der teilweise negativen Stimmungsäusserungen liegen in der Entwicklung der politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten des Landes. So erwarten die extremen Nationalisten eine alsbaldige ukrainische Selbstverwaltung und rasche Durchführung der Agrarreform. Die grosse Masse der Bevölkerung wird von diesem Problem weniger berührt. Allgemein geklagt wird nur über den stark fühlbaren Mangel an Gebrauchsgegenständen und in den Städten über die Lebensmittelnot. Trotz einheitlicher Allgemeintendenz zeigen sich infolge der rassisch-völkischen Gegensätze und Einflüsse erhebliche Unterschiede im Stimmungsbild der einzelnen Volksgruppen. Die Ukrainer weisen in diesem Bezirk eine Zusammenballung der Intelligenz auf, insbesondere solcher Ukrainer, die nach dem Weltkriege und im Jahre 1939 emigriert und nun, meist aus dem Generalgouvernement, zurückgekehrt sind. Für die Haltung dieses ukrainischen Bevölkerungsteiles ist die nationalistische Tendenz kennzeichnend. Nachdem die ukrainische Intelligenz, insbesondere die studentische Jugend, der kriegerischen Auseinandersetzung des Reiches mit der Sowjetunion mit ungeduldiger Erwartung entgegengesehen hatte, glaubte sie, auf Grund der verschiedenen Umstände zu Hoffnungen auf eine künftige Eigenstaatlichkeit der Ukraine berechtigt zu sein. Die Haltung dieser Kreise ist z. T. noch abwartend, z. T. zunehmend deutschfeindlich. Ein bemerkenswerter Unterschied zeigt sich jedoch in der Haltung der ukrainischen Intelligenzkreise der älteren Generation einerseits und der jüngeren Generation andererseits. Die Älteren neigen nach demokratisch-parlamentarischen Vorbildern zu einem Kompromiß und wollen in irgendeiner Form zur Mitarbeit bei den deutschen Stellen herangezogen werden. Die jün-

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Nr. 11: Kommissare einer Partisanenbrigade in Pinsk 1942

geren aktivistischen Kreise stehen dagegen in der OUN und sind mehr revolutionär-oppositionell eingestellt. Während die älteren Intelligenzler sich bemühen, den heute fehlenden Kontakt mit der breiten Masse der Bevölkerung auf dem Wege der Beteiligung an der deutschen Zivilverwaltung zu gewinnen, wenden sich die jüngeren revolutionären Kreise direkt an die bäuerliche Bevölkerung, um sie zu aktivieren. Dabei wird vielfach vor den alten Intelligenzlern gewarnt, da sie „zum Verrat an der ukrainischen Sache“ bereit wären. Für die Beurteilung der ukrainischen Selbständigkeitsbewegung ist bezeich-

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nend, daß beim Einmarsch der deutschen Truppen zu erkennen war, daß der Gedanke einer Selbständigkeit der Ukraine in den Gebieten, die früher nicht zu Polen gehörten, kaum verbreitet war und erst durch die aus Galizien kommenden Westukrainer ins Land getragen wurde. Von einsichtigen Ukrainern wird zugegeben, daß die ukrainische Führerschicht zu dünn ist, um einen eigenen Staats- und Verwaltungsapparat aufbauen zu können. Die jüngeren chauvinistischen Kreise weisen derartige Überlegungen ab. Sie fordern kategorisch Selbstverwaltung. Maßnahmen wie Schliessung der Schulen, Nichtzulassung der „Proswita“ usw. werden dahin ausgelegt, daß den Ukrainern auch auf kulturellem Gebiet keine Eigenständigkeit gewährt würde. Es wird auch heftig darüber geklagt, daß kein Unterschied mehr zwischen Ukrainern und Polen (im Gegensatz zur früheren Behandlung im Generalgouvernement) gemacht würde. Es wird in ukrainischen Kreisen immer wieder betont, daß es verfehlt wäre, Methoden und Auffassungen, die gegenüber den Polen im Warthegau vielleicht am Platze seien, ohne weiteres auf die Ukraine zu übertragen. Bezeichnend für die Stimmung der ukrainischen Chauvinisten sind auch die Ansichten und Mutmaßungen über die Kriegslage. Bei einigen fehlt der Glaube an einen Endsieg des Reiches über Sowjetrussland. Diese nationalistischen Kreise wünschen zwar keineswegs einen Sieg der Bolschewiken, rechnen aber damit, daß eine gegenseitige totale Abnutzung beider Mächte eintreten und der Ukraine die Befreiung nach beiden Seiten ermöglichen würde. Im Hinblick auf die in Angriff genommene Einreihung ukrainischer Freiwilliger in die deutsche Wehrmacht rücken 2 Fragen in den Vordergrund: Einmal, ob mit dieser Teilnahme des ukrainischen Volkes am Kampfe gegen den Bolschewismus irgendwelche Zugeständnisse deutscherseits verbunden würden (Autonomie, Landzuweisung an die aktiven Kriegsteilnehmer). Ferner, ob es sich um geschlossene ukrainische Verbände unter ukrainischer Führung handeln würde oder nicht. In der Landbevölkerung stehen wirtschaftliche Fragen im Vordergrund. In erster Linie die Frage der Auflösung der Kolchosen. Das politische Interesse ist demgegenüber in der ländlich-bäuerlichen Bevölkerung sehr gering. Nicht nur die wolhynischen Bauern, die ja kaum mehr als 1 Jahr zu Kollektivwirtschaften gehörten, sondern auch die Bauern in Podolien, die bereits 8–10 Jahre im Kolchos waren, sehen sich heute noch als Eigentümer ihres Bodens an, der ihnen – wie sie sagen – nicht enteignet, sondern lediglich zwecks kollektiver Bewirtschaftung zusammengelegt worden sei. Dementsprechend fand die Agrarreform mit dem Endziel der Auflösung der Kolchosen – gerade in Wolhynien – besonders starken Widerhall. Sehr ungünstig wird von der ukrainischen Bevölkerung empfunden, daß die private gewerbliche Tätigkeit fast vollständig unterbunden ist und daß die deutschen Stellen auf diesem Gebiet die Initiative selbst übernahmen (Z.O. = „Zentralhandelsgesellschaft Ost“). Deutschfeindliche Elemente nützen diesen Zustand zu gehässigen Sticheleien gegen die Deutschen, teils sogar zur Propaganda für die frühere bolschewistische Wirtschaft aus. Die Polen haben, besonders in den ehemals polnischen Gebieten, meist in den Städten lebend, ziemlich beachtliche, z. T. einflussreiche Stellungen inne. Auf Grund nachbarlicher, geschichtlicher und nationaler Bindungen unterhalten sie enge Beziehungen zu entsprechenden Kreisen im Generalgouvernement. Die polnische Bevölkerung ist grundsätzlich deutschfeindlich. Der polnische Nationalsozialismus [sic, gemeint: Nationalismus] kann auf Grund der Geschichte, Staatsbildung und Erziehung auf stärkeren Voraussetzungen aufbauen als der ukrainische Nationalismus. Die polnisch-nationalistische Opposition ist daher in allen Schichten der polnischen Bevölkerung – nicht nur in den Intelligenzkreisen – besonders rege und gefährlich. Im Gegensatz zu den Ukrainern verstehen

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es die Polen besser, ihre wahren Empfindungen zu verbergen und durch kriecherisches Wesen den Gegner zu täuschen. Da die Stadtbevölkerung, abgesehen von den Juden, überwiegend polnisch ist, stellen die Polen den grössten Anteil an deutschsprechenden und in Kanzleiarbeiten bewanderten Personen. In vielen Fällen bedienen sich daher die deutschen Stellen polnischer Dolmetscher, Schreibkräfte usw. Über diese angebliche Bevorzugung der Polen beklagen sich die Ukrainer bitter. Sie behaupten, daß diese in den deutschen Dienststellen eingebauten Polen ihre Vorgesetzten hintergingen und daß sie die Schwierigkeiten zwischen Deutschen und Ukrainern absichtlich herbeiführten. Insbesondere warnen sie vor dem Einfluss polnischer Frauen. Unter dem Einfluss der panslawistischen Propaganda Moskaus scheinen die Polen die alten Gegensätze den Ukrainern gegenüber beseitigen zu wollen. Nach Meldungen von ukrainischer Seite machen die Polen allenthalben Anbiederungsversuche, indem sie erklären, die Deutschen seien sowohl die Feinde der Polen als auch der Ukrainer. Beide müssten daher zusammenhalten. Lage und Stimmung in der Ostukraine: Die Lage im Generalbezirk Kiew ist im wesentlichen durch folgende Elemente bestimmt: Die Bevölkerung der Stadt Kiew steht unter dem Eindruck einer Lebensmittelknappheit, deren Ende nicht abzusehen ist. Zwar lagern in den Kreisgebieten im Süden des Generalbezirks noch Getreide und Hülsenfrüchte, auch Vieh ist an einigen Stellen noch vorhanden, aber die Transportlage, insbesondere die Beschaffenheit der Straßen, der Betriebsstoffmangel und ähnliche Schwierigkeiten machen eine Heranschaffung der Lebensmittel unmöglich. So ist die Bevölkerung in zunehmendem Maße dazu übergegangen, sich die notwendigen Lebensmittel im Schleichhandel und auf dem Tauschwege zu beschaffen. Dies hat dazu geführt, daß die letzten Kleidungs- und Einrichtungsstücke hingegeben oder daß Tauschgegenstände auf ungesetzlichem Wege beschafft werden. Die Kriminalität ist nicht zuletzt deshalb ziemlich gross. Neben sehr vielen Eigentumsdelikten, Einbruchsdiebstählen und Raubüberfällen fällt vor allem die Häufung von Mordfällen auf. Allein im Stadtgebiet von Kiew wird täglich mindestens ein Mordfall gemeldet. Die allgemeine Unsicherheit machen sich im besonderen die kommunistischen Aktivisten zunutze, die sich in zunehmendem Maße wieder hervorwagen. Hauptargument ihrer Propaganda und Gerüchtemacherei ist die Verpflegungslage, die tatsächlich, im Vergleich zur durchschnittlichen Versorgung der Bevölkerung zur Sowjetzeit, wesentlich schlechter ist. Auf der anderen Seite wird in geschickter Form durch zahlreiche ins Land gekommene Emigranten und Westukrainer der ukrainischen Bevölkerung die Lage so dargestellt, als bestehe von deutscher Seite die Absicht, gerade die nationalen Hoffnungen und Wünsche bewusst niederzuhalten, ja, überhaupt alle Volkstumsregungen durch physischen Einfluss zu vernichten. Auf dieser Ebene trifft sich nun die Agitation der Bolschewiken mit derjenigen der extremen Nationalisten. Es liegen zahlreiche Äusserungen von klar und nüchtern denkenden, volkstumsbewußten, aber in ihren politischen und völkischen Ansprüchen maßvollen ukrainischen Persönlichkeiten vor, wonach die Sowjets schon vor dem Einmarsch der deutschen Truppen den Plan ins Auge gefaßt hatten, durch Aufputschung der nationalen Empfindungen, durch übertriebene nationalistische Forderungen und durch Sabotage deutscher Verwaltungsmaßnahmen die politische Atmosphäre zwischen der deutschen Besatzung und der einheimischen Bevölkerung derart zu erhitzen, daß es zu örtlichen Aufständen kommen würde, deren Führung in die Hände bolschewistischer Agenten übergehen sollte. Der grossen Masse der Bevölkerung in Stadt und Land geht es lediglich um die Erfüllung der einfachsten Wünsche und Erfordernisse des täglichen Lebens: Die Stadtbevölkerung

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wünscht Arbeit und Brot, die Landbevölkerung hofft, vernünftige Arbeitsbedingungen und zweckentsprechende Verwaltung von Grund und Boden zu erhalten; überall da jedoch, wo wesentliche Störungen im Aufbau, in der Wirtschaft, der Verwaltung und des gesellschaftlichen Lebens festzustellen sind, sind sie Folgeerscheinungen der kommunistischen und der durch Emigranten und Westukrainer vorgetragenen überspitzten nationalukrainischen Propaganda, die sich zwar in ihrer letzten Zielsetzung unterscheiden, aber manchmal in ihrer gegendeutschen Einstellung berühren. Beide Teile hoffen, daß es ihnen gelingen werde, der deutschen Besatzung im Hinterlande auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens, besonders der Wirtschaft und der Verwaltung, Schwierigkeiten zu bereiten und eine Krise herbeizuführen. Von dieser Krise erhoffen die Bolschewiken die Wiederkehr der Sowjetherrschaft, die ukrainischen Chauvinisten grössere nationale Zugeständnisse. Über die Lage in der übrigen Ostukraine ist folgendes zu sagen: Die allgemeine Lage in Charkow wird nach wie vor durch die Frontnähe und insbesondere durch die von der Jahreszeit hervorgerufenen Schwierigkeiten aller Art bestimmt. Die Stimmung innerhalb der Bevölkerung ist nicht gut, da die Ernährung, die in jedem Falle hier mitbestimmend ist, mit der Zeit katastrophale Auswirkungen annimmt. Hierzu kommt noch die Beeinflussung durch wilde Gerüchte über die Zurückeroberung Charkows durch die Bolschewiken, welche von den zurückgebliebenen Mitgliedern der KP verbreitet werden. Diese Feindpropaganda hatte schon mit der Angriffsbereitstellung des Gegners begonnen und beim Durchbruch bei Isjum eindeutige Formen angenommen. Die Lage im Einsatzraum des SK 4b wurde weitgehend durch die Offensive der Russen im Donez-Abschnitt beeinflusst. Die mehrfachen täglichen Bombenangriffe der Russen auf Kramatorsk und Slawjansk, die z. T. erhebliche Schäden anrichteten, die Evakuierung deutscher Einheiten nach Süden und das teilweise unbeherrschte Verhalten von Wehrmachtsangehörigen steigerten die bereits seit Wochen bestehende Angst vor der Rückkehr der Roten zu einer Panikstimmung. Es kam zu überstürzter Flucht, Arbeitsverweigerung, vereinzelten Plünderungen usw. Es konnte bei einem grossen Teil der Bevölkerung die Tendenz festgestellt werden, sich durch bewusst passives oder gar gegnerisches Verhalten gegenüber den Deutschen vor eventuellen Strafmaßnahmen der Russen bei deren Wiedereinrücken in die Stadt zu schützen. Nur in ganz vereinzelten Fällen boten sich einzelne Personen aus der Bevölkerung aus Überzeugung zum Einsatz für den etwa nötig werdenden Kampf um die Stadt an. Bemerkenswert ist immer wieder die ausserordentlich starke Gerüchtebildung, die in allen Fällen einer Zuspitzung der Lage auftritt. Es konnte oftmals festgestellt werden, daß von deutscher Seite durch leichtfertige Redereien der Gerüchtebildung Vorschub geleistet wurde. Einzelne nicht untereinander in Verbindung stehende Aktivisten oder Gruppen verübten vereinzelte unbedeutende Sabotageakte, verbreiteten selbstgeschriebene oder von bolschewistischen Flugzeugen abgeworfene deutschfeindliche Flugblätter oder trieben Flüsterpropaganda und Aufhetzung allgemeiner Art. Volksdeutsche: Die Volksdeutschen, die im Bereich des SK 4b ansässig sind, waren besonders verängstigt. Im Zuge einer vom Kommando bereits in Angriff genommenen Registrierung dieser Personen wurde Kramatorsk organisatorisch für eine bevorzugte Evakuierung der Volksdeutschen vorbereitet. Eine Versammlung aller Volksdeutschen wurde durchgeführt. Sie zeigte deutlich, wie wenig deutschbewusst und wie gemeinschaftsfremd diese Personen sind. Nur wenige von ihnen werden nach gründlicher Auslese und Schulung geeignet und würdig sein, als Reichsbürger anerkannt zu werden. Durch Arbeitsvermittlung, Zuweisung von Kleidung, Heizmittelbeschaffung und erhöhte Lebensmittel-

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zuteilung sowie die Einrichtung eigener Verkaufsstellen in Slawjansk, Kramatorsk und Konstantinowka hat das Kommando zunächst eine menschenwürdigere Lebensführung dieser Volksdeutschen sichergestellt. Judentum: Die Juden bilden nach wie vor im Generalbezirk Wolhynien/Podolien – in den Orten, wo sie noch nicht umgesiedelt wurden – den rührigsten und aktivsten Bevölkerungsteil. Nicht nur der Handel, sondern auch die handwerklichen Berufe liegen in ihren Händen. In Wolhynien/Podolien sind bisher rd. 40 000 Juden umgesiedelt worden.3 Die Juden sind heute in den Städten in sogen. Judenvierteln zusammengefaßt, die aber von Aussenstehenden nicht streng abgeschlossen sind. In den Judenvierteln blühte daher ein schwunghafter Schleichhandel, wobei die zur Stadt kommenden Bauern Kleidungsstücke und Gebrauchsgegenstände, die sie dringend benötigten, gegen landwirtschaftliche Produkte umtauschten. Dieser Mißstand wurde durch scharfe staatspolizeiliche Maßnahmen abgeschafft. Die Juden sind den deutschen Stellen gegenüber unterwürfig und dienstbeflissen. Sie sind als Facharbeiter und Handwerker zum grossen Teile noch unentbehrlich. Die derzeitige Stimmung der Juden, für die natürlich ihre unterwürfige, diensteifrige Art völlig unmaßgeblich ist, wird am besten durch folgenden Ausspruch eines Juden gekennzeichnet: „Es würde uns genügen, wenn das bolschewistische Regime nur für 2 Stunden wiederkäme, um Rache dafür zu nehmen, was uns angetan wird.“ In Charkow tritt das Judentum, nachdem seine Umsiedlung erfolgt ist, nicht mehr in Erscheinung. Trotzdem halten sich noch Juden in den ländlichen Bezirken und auch in der Stadt verborgen. Durch Ukrainer, welche infolge geeigneter Aufklärung die zersetzende Bedeutung des Judentums erkannt haben, werden täglich versteckte Juden oder Familien, die solche beherbergen, gemeldet und erfaßt. Die Bevölkerung Charkows ist, bis auf Einzelerscheinungen, unbedingt negativ zum Judentum eingestellt. Ernährungslage: Im Generalbezirk Wolhynien/Podolien sind die Ernährungsmöglichkeiten auf dem Lande als ausreichend zu bezeichnen. In Podolien ist diese Frage heute günstiger gelöst als zur Bolschewikenzeit. In den Städten ist die Ernährungsfrage durch Austeilung von Lebensmittelkarten für Brot, Milch und sehr geringe Mengen Fett geregelt worden. Die Stadtbevölkerung beschafft sich im allgemeinen zusätzliche Lebensmittel durch Schleichhandel. In den meisten Fällen wird Tauschhandel getrieben, da die Bauern, wenn sie überhaupt gegen Bargeld verkaufen, Wucherpreise verlangen. Im übrigen tauschen sie lieber Gebrauchsgegenstände gegen ihre Lebensmittel, da diese Dinge anders nicht mehr zu haben sind. Die Ernährungslage der Stadt Kiew ist durch den vorzeitig einsetzenden Winter, die langanhaltende Kälte und die grossen Schneefälle sehr schlecht. Die amtliche Verpflegung der Einwohnerschaft beschränkt sich auf 400 gr Schwarzbrot je Person und Woche. Lediglich diejenigen, die bereits wieder in Arbeit stehen, erhalten zusätzlich durch ihre Arbeitsstelle 1 Brot je Woche oder alle 14 Tage. Dazu kommen kleine Zuteilungen an Graupen, Grütze, Mehl und ab und zu etwas Fleisch. Die Anfuhr von frei verkäuflichen Nahrungsmitteln auf die öffentlichen Märkte ist gering, die Preise sind sehr hoch. Jede Möglichkeit, sich auf dem Lande mit Lebensmitteln zu versorgen, wird benutzt. Zum Tausch werden oft wertvolle Artikel, wie Treibstoff, Öl und Petroleum, verwendet. Die schlechte Lebensmittellage wird selbstverständlich von der bolschewistischen Propaganda ausgenutzt, um in die Bevölkerung der Stadt Unruhe und Unzufriedenheit zu tragen und gegen die deutschen Dienststellen zu hetzen. Die Ernährungslage in Charkow ist katastrophal. Die teilweise Abriegelung der Stadt hat einem Teil der Bevölkerung, der seine Lebensmittel aus bestimmten Landstrichen holt, auch diese Möglichkeit

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genommen. Hinzu kommt die schlechte Wetterlage, die auch Wanderungen innerhalb der gezogenen Begrenzungslinien nicht zulässt. In Kreisen der ukrainischen Intelligenz hat sich ein Arbeitsausschuß gebildet, der die Unterstützung der notleidenden Bevölkerung angeblich zum Ziel hat. Es handelt sich um die „Gesellschaft des ukrainischen Roten Kreuzes“. Es ist dafür Sorge getragen, daß diese Gesellschaft unter Beobachtung steht und nur örtliche kleine Gemeinschaften bilden kann. Sie soll in absehbarer Zeit in eine vom Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete genehmigte Form übergeführt werden. Die bei den deutschen Behörden oder der deutschen Wehrmacht arbeitenden zivilen Kräfte werden ernährungsmäßig unterstützt. Darüber hinaus hat der Stadtkommandant die einzelnen Einheiten veranlasst, daß eine intensive Auswertung der Küchenreste erfolgt und an die hungernde Bevölkerung zur Verteilung kommt. Die Einheiten haben zu melden, wie viele Portionen an die Zivilbevölkerung abgegeben werden. In Gorlowka wurde die Stimmung der Bevölkerung wesentlich durch die ausserordentlich schlechte Ernährungslage beeinflusst. Die Stadtverwaltung sah sich gezwungen, gerade in den kritischen Tagen die Brotzuteilung für die Familienangehörigen der arbeitenden Bevölkerung einzustellen. Sie gab nur noch an die Arbeiter in den Speisehäusern der Werke 100 gr Brot täglich aus. Trotzdem kann die Ernährungslage nicht als hoffnungslos bezeichnet werden. Bei der Bevölkerung sind grössere Reserven vorhanden. Daß diese Reserven zur Verfügung stehen, zeigen u. a. die Lebensmittelmengen, die den 3 Geistlichen der Städte Kramatorsk, Kontantinowka und Slawjansk aus der Bevölkerung als Spenden zugehen. Einsatz von Arbeitskräften im Reich: Die freiwillige Abwanderung von Arbeitskräften in das Reich erfährt von Tag zu Tag eine Steigerung. Allerdings war im Februar durch die Schwierigkeiten in der Transportlage ein Rückgang der Arbeiterabwanderung ins Reich zu verzeichnen. Eine vorbereitende Propaganda ist erforderlich, um der bolschewistischen Gegenpropaganda, lt. welcher die Arbeiter als Zwangsarbeiter behandelt würden, entgegenzuwirken. Gleichzeitig müssten die Familien über das Ziel der Fahrt ihrer Angehörigen in geeigneter Weise aufgeklärt werden. Die ins Reich abtransportierten Arbeiter müssen die Möglichkeit haben, ihre zurückgebliebenen Familien durch Postkartennachricht über ihr Schicksal zu informieren. Ebenso müsste für die zurückgebliebenen Angehörigen dieser Arbeiter ernährungsmäßig gesorgt werden, was gegenwärtig nicht durchgeführt werden kann. Widerstandsbewegungen: Kommune: Im Generalbezirk Wolhynien/Podolien sind keine Anzeichen dafür vorhanden, daß noch eine straffe bolschewistische Organisation bestände. Es gibt aber noch überall Einzelgänger und Agenten des NKWD, die für den Bolschewismus Flüsterpropaganda und Zersetzungsarbeit betreiben. In einigen Fällen sind auch Juden wegen Verbreitung tendenziöser Berichte gefaßt worden. Eine der Weisungen, mit denen das NKWD seine Agenten im Lande zurückgelassen hat, ist nach Angabe ukrainischer V-Personen das Einschleichen in die ukrainischen Organisationen, Selbstverwaltungsbehörden usw., um auf diese Weise Zutritt zu deutschen Stellen zu finden. Von ukrainisch-nationaler, loyaler Seite wird vielfach die Vermutung ausgesprochen, daß der antideutsche Kurs der Bandera-Bewegung auch auf die Arbeit solcher NKWD-Agenten innerhalb der Bandera-Gruppe zurückzuführen sei. Dabei wird darauf hingewiesen, daß bei der Aufdeckung der Bandera-Organisation durch die Bolschewiken in Lemberg eine ganze Reihe von Bandera-Männern – teils unter Zwang – in die Dienste des NKWD getreten seien. Im Raume Charkow hat sich der bolschewistische Einfluss mit dem Näherrücken der Front verstärkt. Die Einflussnahme erfolgte in erster Linie durch Flüsterpro-

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paganda, die die Rückkehr der Roten ankündigte und diejenigen Kreise, die mit den deutschen Behörden arbeiteten, einschüchterte. Die Bevölkerung wurde aufgerufen, überall Widerstand zu leisten und so die Deutschen in ihrer Waffenkraft und Aufbauarbeit zu schädigen. Es wurden daher wegen der der Verteidigung Charkows unmittelbar drohenden Gefahr gegen die ermittelten Kreise der KP und alle unsicheren Elemente umfangreiche Säuberungsmaßnahmen getroffen. Gleichzeitig wurde durch eine Abriegelung der Stadt der illegalen Zuwanderung entgegengetreten. Neben der Flüsterpropaganda geht die Zersetzungstätigkeit durch Flugblätter weiter. Widerstände sind innerhalb der Bevölkerung weniger von den Ukrainern zu erwarten als von den reaktionär- russischen und russisch-bolschewistischen Elementen. Beide Richtungen sind grossrussisch und panslawistisch eingestellt. Sie trennt lediglich die verschiedene Ansicht über die Regierungsform. Ein grosser Teil der reaktionären Russen setzt seine Hoffnung auf England als Weltmacht und auf den englischen Sieg. Sie versprechen sich hiervon eine Änderung der Regierungsform in Russland zu ihren Gunsten. Sie gehen mit den Bolschewiken in ihrer scharfen Gegnerschaft gegen die ukrainischen Unabhängigkeitsbestrebungen einig. Ihr Ideal ist das einige unteilbare Russland. In der Nähe von Charkow sind – bis auf einen Fall – Partisanengruppen nicht aufgetreten. Die bei Walki aufgetretene Partisanengruppe wurde nach Osten in Richtung Murefa getrieben und in der Nähe von Smijew gestellt. Es handelt sich um eine Gruppe von etwa 300 Partisanen, die in Frauenkleidern und in Zivil, aber auch in Wehrmachtsuniform oder Uniformen der deutschen Polizei gekämpft hatten. Von dieser Partisanengruppe, die, nachdem sie gestellt war, sämtliche Waffen und Vorräte vernichtete, sind etwa 50 Mitglieder entkommen. Erfassungsmaßnahmen sind eingeleitet. Im Gebiet des SK 4b war vordringlichste Aufgabe, angesichts der Frontlage, die Unschädlichmachung sämtlicher gefährlichen Elemente. Um eine Vereinigung der von den Kommunisten gebildeten Widerstandsnester mit den nordöstlich und nordwestlich Slawjansk eingesetzten sowjetrussischen Einheiten unmöglich zu machen, musste das SK 4b gegen sämtliche in Slawjansk und Kramatorsk erfaßbaren KP-Aktivisten und sonstige gefährliche Elemente mit schärfsten staatspolizeilichen Maßnahmen vorgehen. Sämtliche kriegswichtigen Werke wurden nach Kommunisten und Sympathisierenden durchkämmt sowie eine Überprüfung der Verwaltungsorgane der Miliz der Stadt Kramatorsk vorgenommen. Der stellvertretende Milizchef wurde öffentlich erhängt. Die militärische Zersetzungsarbeit der Roten ist ausserordentlich aktiv. Die Flugblattabwürfe nehmen ständig zu. Vom SK 4b wurde auch die militärische Zersetzungsarbeit des Gegners bekämpft. Ukrainisch-chauvinistische Gruppen: Die Bandera-Gruppe, deren Kern von Anfang an die jüngere Intelligenz der Westukraine (Lemberger Studenten!) bildete, hat – besonders im Bezirk Wolhynien/Podolien – innerhalb der Jugend Fuß gefaßt. Der organisatorische Zusammenhalt für die illegale Betätigung ist hier insbesondere bei einem Geheimkursus auf der Milizschule in Klewan begründet worden. Die jungen Ukrainer erhielten hier geheime Instruktionen politischer und militärischer Art über ihre Aufgaben als nationalistische „Revolutionsarmee“. Die Propaganda sollte unmittelbar in die bäuerliche Bevölkerung getragen werden. Es wurden bei einem grösseren Zugriff noch 10 dieser BanderaAnhänger festgenommen. Es handelt sich um junge, teils halbwüchsige Burschen, die keiner geregelten Arbeit nachgehen und aus Gewohnheit oder Abenteuerlust Geheimbündelei betreiben, ohne festen Wohnsitz im Lande umherstreunen und konspirieren. Bei den Festgenommenen wurden regelmäßig kirchliche Medaillons sowie ukrainischchauvinistische Gebetstexte vorgefunden.

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Im Zuge der Shitomirer Aktion konnte interessantes Material über die Organisation sichergestellt werden. Die Auswertung ist noch im Gange. Interessieren würde in diesem Zusammenhang der Schwur der Bandera-Bewegung, welcher in Übersetzung wie folgt lautet: „Ehre und Heil für die toten Kämpfer, für ihr heiliges Blut, welches sie für mein eigenes ukrainisches Land vergossen haben. Für die Majestät meiner Heimat Ukraine gebe ich den Schwur ab, daß ich mit allen meinen Kräften und mit dem Einsatz meines Lebens für die Selbständigkeit und Herrlichkeit des ukrainischen Reiches kämpfen werde. Mit meinem Herzen und mit meiner ganzen Kraft glaube ich, daß nur die ukrainische nationale Revolution meinem Volke die Stärke, die Ehre und das Heil bringen kann. Ich glaube, daß ich bis zum Tode auf dem Wege des Kampfes für die Schaffung eines starken ukrainischen Nationalreiches verbleiben werde. Von diesem Wege zur ukrainischen nationalen Revolution kann mich niemand und nichts abbringen, keine Schwierigkeiten, keine Fehlschläge und auch nicht der Tod. Ich werde alle Befehle, die ich von meinem Führer erhalte, ohne Widerrede und mit Disziplin ausführen.“ Im Bezirk Wolhynien/Podolien scheint der Chefredakteur der ukrainischen Zeitung „Wolhyn“ in Rowno, Ulas Samtschuk, das Haupt der Melnik-Bewegung zu sein. Trotz der Zensur hat er in seinen Leitartikeln immer wieder versteckte Andeutungen gegen die angeblichen deutschen Unterdrücker gemacht. Die Anhänger rekrutieren sich aus den Kreisen der Intelligenz, insbesondere den „besseren Kreisen“. Trotz häufiger gegenteiliger Behauptungen kann es heute keinem Zweifel mehr unterliegen, daß in der UdSSR ukrainische nationalistische Organisationen zur Sowjetzeit – mindestens in den letzten Jahren – nicht bestanden haben. Namhafte Persönlichkeiten ukrainischer Herkunft haben ihr Erstaunen darüber zum Ausdruck gebracht, mit welch weitgesteckten, phantastischen Plänen die Emigranten nach der Besetzung in die Ukraine zurückgekehrt seien. Sie werden als Menschen bezeichnet, die den Wandel in Haltung und Charakter nicht erkennen wollten, den das ukrainische Volk in 23 Jahren sowjetischer Herrschaft durchgemacht habe. In Kiew ist Anfang Februar eine illegale OUN-Organisation aufgedeckt worden, die es sich zum Ziele gesetzt hat, eine straff gegliederte Parteiorganisation aufzuziehen, die sich – auf dem Fünfersystem aufgebaut – nach oben bis zur Gau-(Gebiets-) Organisation ausweitet. Der Zusammenhang zwischen Führung und Mitgliedern wird zunächst noch durch illegal hergestellte Flugblätter aufrechterhalten, in denen genaue Richtlinien über die Propaganda, die Arbeits- und Werbemethoden, die Vereinigung der Mitglieder, die Pflicht zur Geheimhaltung und die Folgen eines Verrates gegeben werden. Bezeichnend ist die Eidesformel: „Nach eigenem Willen, gemäß meiner festen Überzeugung, widme ich mich und mein Leben dem Opferdienst der ukrainischen Nation und der nationalistischen Idee. Vor Gott und dem hehren Andenken der Kämpfer schwöre ich der OUN ewige Treue. Ich schwöre Ergebenheit meinem Führer Andreas Melnik und Unterordnung unter die von ihm gegebene Obrigkeit. Ich gebe meine ganze Arbeit und opfere wenn nötig mein Leben im Kampf für den ukrainischen Staat. Ich weiss, daß ich für Eidbruch mit meiner Ehre und mit meinen Leben verhaftet bin. Heil der Ukraine.“ Die organisatorische Arbeit der OUN erstreckt sich von Kiew aus bereits auf weite Teile des Reichskommissariats Ukraine. Nach den bisherigen Feststellungen ist erwiesen, daß die Zentrale der illegalen Arbeit in der Stadtverwaltung von Kiew und zwar in einer Rayonverwaltung liegt und daß die Verfasser der illegalen Flugblätter, von denen einige namentlich bekannt sind, z. Zt. Bagasis, des inzwischen festgenommenen Bürgermeisters von Kiew, als Angestellte in die Stadtverwaltung übernommen wurden. Die OUN versucht neuerdings, Einfluss auf die sog. Schutzmannschaften (früher Miliz) zu gewinnen,

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die inzwischen unter die Führung der Schupo gestellt wurden.4 Es ist erwiesen, daß die OUN versucht hat, von Kiew aus Schutzmannschaften im Gebiet der Zivilverwaltung aufzuziehen und mit ihren Anhängern zu besetzen. Es wird die Ansicht vertreten, daß man die Milizeinheiten auf den Lande so stark als nur irgendmöglich machen müsse, weil dort die deutschen Kräfte nur schwach vertreten seien. Bezeichnend ist der Ausspruch: „Wenn einmal 5 Deutschen 50 Milizmänner gegenüberstehen, wer hat dann die Macht?“ Parallel mit diesen Bestrebungen laufen die Absichten der OUN, die Organisation „Sitsch“ auf breiter Basis neu aufzuziehen. Sie soll nach aussenhin als Verein für Leibesübungen ein harmloses Gesicht erhalten. Daneben ist an einzelnen Orten bereits versucht worden, Ortsgruppen der „Proswita“ ins Leben zu rufen, einer Organisation, die sich schon zur Zarenzeit als Kampfbund für die ukrainische Kultur ausgezeichnet hat. Gegenmaßnahmen sind eingeleitet. Ein Zentrum aktiver gesamtukrainischer Bestrebungen war die Stadtverwaltung in Kiew. Hier hatte es der Bürgermeister Bagasi verstanden, schon kurze Zeit nach dem Einmarsch einen Kreis von Gleichgesinnten um sich zu versammeln, mit deren Hilfe er sehr rasch eine in zahlreiche Abteilungen gegliederte Stadtverwaltung aufbaute. Mit Hilfe eines Strohmannes errichtete er die inzwischen staatspolizeilich aufgelöste „Organisation zur gemeinnützigen Hilfeleistung“, die sich auch Rotes Kreuz nannte, die ihrerseits wieder von Kiew aus durch Spezialagenten einen unkontrollierbaren Nachrichtendienst über das gesamte ukrainische Gebiet unterhielt. Diese Spezialagenten bereisten u. a. die Kriegsgefangenenlager in der Ukraine und besuchten auch entlassene ukrainische Kriegsgefangene, denen u. a. die Frage vorgelegt wurde, ob sie während der Gefangenschaft durch Deutsche gequält oder sonst schlecht behandelt worden seien. Alle derartigen Berichte liefen in Kiew zusammen, wo die Zentrale schliesslich eine Kartei von etwa 60 000 Kriegsgefangenen unterhielt. In welcher Form das so gesammelte Material tatsächlich Verwendung gefunden hat, ist nicht bekannt. Bringt man diese systematische Materialsammlung jedoch in Verbindung mit der einem objektiv denkenden Ukrainer durch eine Person aus dem Kreise um Melnik gemachten Äusserung, wonach die OUN systematisch Material über die Mißwirtschaft Deutschlands in der Ukraine sammle, um es zu gegebener Zeit aussenpolitisch verwerten zu können, so gewinnt die Materialsammlung durch das Rote Kreuz besondere Bedeutung. Bagasi und sein Kreis machten kein Hehl daraus, vor Eintreffen der deutschen Verwaltung Handel und Wirtschaft in der Ukraine in Privathände hinüberzuspielen, da „die Deutschen ja doch, wie überall, so auch in der Ukraine, alles an sich nehmen“ würden. Bagasi hat wertvollste Rohmaterialien, z. B. fertige Stiefel und grössere Lederbestände, Kerzen- und Seifenbestände und die Rohmaterialien hierzu sowie Millionenwerte an Fertigproduktion an Personen seines engeren Freundeskreises oder an Privatgesellschafen verschoben oder transferiert, deren Revision schwere Mißwirtschaft zutage gefördert hat. Er hat noch zu Beginn des Jahres 1942 durch rigorose Eingriffe in die Miliz in Kiew versucht, die Miliz in seine Abhängigkeit zu bringen und von der Untersuchung ihm unangenehmer krimineller Delikte abzuhalten. Er hat in einem Falle aktiver und passiver Bestechung, in den er selbst verwickelt war, den beauftragten Abteilungsleiter der ukrainischen Untersuchungsabteilung durch Drohung mit Entlassung an der Durchführung weiterer Ermittlungen gehindert. Das ihm von Seiten der Wehrmacht und der Verwaltung für Lebensmitteltransporte zur Verfügung gestellte Benzin hat er zum Teil für private Zwecke oder für nationalukrainische Propagandaaufträge verwendet. Während er erklärte, daß für Lebensmittelfahrten kein Benzin vorhanden sei und die Kraftfahrer zusehen müßten,

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wie sie sich Benzin anderweitig verschafften, wurden in seinem Privatkeller nach der Festnahme grössere Benzinbestände vorgefunden. Er hat ferner das sogen. ukrainische Rote Kreuz durch Hergabe von Benzin instandgesetzt, mindestens dreimal Fahrten mit Kraftfahrzeugen des Roten Kreuzes bis tief in das Generalgouvernement hinein zu unternehmen, um mit Metropolit Dionysius in Warschau und Erzbischof Hilarion in Cholm Verhandlungen über die Einsetzung eines Metropoliten der in Kürze zu schaffenden autokephalen ukrainischen Nationalkirche zu pflegen. Er hat den damit beauftragten Personen sogar Passierscheine ausgestellt. Die von ihm in der Stadtverwaltung Kiew geschaffene Abteilung für Glaubensbekenntnisse war die Führungsstelle des nach Auflösung des Nationalrates kurzerhand gegründeten ukrainischen Kirchenrates, der in tatsächlicher Hinsicht und auch nach Aussage mehrerer Mitglieder nur die Aufgabe hatte, die politischen Ziele des aufgelösten Nationalrates unter anderem Namen weiterzuverfolgen. Im Auftrage Bagasis besuchten der Referent der Abteilung für Glaubensbekenntnisse in der Stadtverwa1tung Kiew, Iwan Korowitzki, und ein gewisser Bagranowski, der angeblich zu dem engeren Kreis um Melnik gehört, zwei Emigranten, Ende Dezember 1941 den damals in Kiew amtierenden Bischof Pantelemon und erklärten ihm, „dass die ganze ukrainische Bevölkerung von dem neuen Bischof eine starke ukrainische Hand erwarte, widrigenfalls er in unangenehme Konflikte kommen werde“. Bagasi hat sich in den maßgeblichen Stellen der Stadtverwaltung mit Personen umgeben, die – sich als Vollstrecker gesamtukrainischer Forderungen fühlend – einen ausgesprochen chauvinistischen Kurs beschritten und mehr und mehr eine feindliche und hasserfüllte Politik gegen alle deutschen Maßnahmen verfolgt haben. Die Frage, wie es ihm gelungen ist, ohne zur Sowjetzeit mit nationalistischen Ukrainern in organisiertem Zusammenhang zu stehen, schon unmittelbar mit dem deutschen Einmarsch einen Kreis von Vertrauten um sich zu sammeln, mit denen er allmählich den deutschen Einfluss zu verdrängen trachtete und die ukrainischen Forderungen bis zur Grenze des Konflikts trieb, sei zunächst dahingestellt. Es steht jedoch fest, daß er und seine Vertrauten durch ihre Maßnahmen und Bestrebungen den Nährboden schufen, auf dem auch die bolschewistischen Bestrebungen nur gedeihen und Aussicht auf Erfolg haben konnten. Angesichts der ihm innewohnenden Klugheit kann nicht daran gezweifelt werden, daß er sich der Konsequenzen seiner Politik nicht [sic] bewußt gewesen wäre. Zur Abrundung der Schilderung seiner Persönlichkeit darf nicht unerwähnt bleiben, daß er zur Sowjetzeit erst Lehrer und schliesslich Leiter einer jüdischen Schule in Kiew war und als Privatlehrer die Kinder des 1. Sekretärs des Gebietsvollzugskomitees der kommunistischen Partei, Chrewtschuw5, unterrichtete. Die Hetman-Gruppe (Hetman Skoropadski) wurde 1918 mit deutscher Hilfe zum Herrscher der Ukraine gemacht. Neben einigen wenigen Intelligenzlern rekrutieren sich seine (meist passiven) Anhänger aus der Landbevölkerung, die in ihrer Primitivität die Monarchie als gottgewollte Einrichtung ansehen. Die Schriften der Hetman-Partei weisen auch bewusst darauf hin, daß nicht eine dünne Intelligenzschicht, sondern ein gesunder Bauernstand die Stütze des auf berufsständischer Grundlage aufzubauenden Hetman-Staates sein müsse. Hetman Skoropadski hält sich seit dem Ende des Weltkrieges in Berlin auf und scheint auf eine enge Zusammenarbeit mit dem Reich Wert zu legen. Sein Sohn soll sich in London befinden. Skoropadski lässt sich durch laufende Berichte von Vertrauensleuten in der Ukraine über die allgemeine Lage unterrichten. Aus einem zufällig erfaßten Brief ergibt sich, daß er Material über etwaige Fehlgriffe der deutschen Verwaltung sammelt. Sein Ziel dürfte dabei sein, durch geeignete Verwertung dieses Materials über zen-

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trale Reichsstellen politischen Einfluss in der Ukraine zu gewinnen. Aus den verschiedensten Anzeigen und Meldungen ist zu ersehen, daß sich eine rührige, vielverzweigte polnische Widerstandsorganisation gebildet hat. Deutschfeindliche Gerüchte tauchen gleichzeitig in polnischen Bevölkerungskreisen der verschiedensten Orte auf. In mehreren Fällen sind bereits Festnahmen von Polen, darunter eines katholischen Pfarrers, durchgeführt worden. Die Verbindung zur polnischen Widerstandsbewegung im Generalgouvernement erscheint sicher. Ein grösserer Zugriff wird z. Zt. vorbereitet.6 Einzelmeldungen: In der Nacht vom 27. zum 28. 3. 1942 wurden auf einer Anhöhe westlich des Dnjepr in Kiew zwischen der neuerbauten von Reichenau- und der neuerbauten Eisenbahnbrücke Blinkzeichen beobachtet. Bei der Suche nach dem Ursprung dieser Lichtsignale wurden drei Personen erfasst, die ein Sende- und Empfangsgerät sowie ein Blinkgerät deutscher Herkunft im Besitz hatten. Bei einer durch den Kdr. d. Sipo u.d. SD in Kiew unter Mithilfe von 500 Mann Gendarmerie durchgeführten Grossaktion am 28. 3. 42 wurden zahlreiche verdächtige Personen festgenommen, aus deren Besitz Radioersatzteile, unentwickelte Fotoplatten, Munition und Feldstecher sichergestellt werden konnten. Durch den Kdr. d. Sipo u.d. SD in Kiew erfolgte die Festnahme von 11 Ukrainern, die in früheren Jahren als Kolchosenleiter, Verwalter von Magazinen, Dorfleiter usw. Bauernhäuser und Kirchen ausgeplündert und vor der Besetzung des Gebietes Prowary durch die deutsche Wehrmacht den Schweinebestand verschiedener Kolchosen verkauft und das Großvieh zum grössten Teil ins Hinterland geschafft hatten, um es nicht in die Hände der Deutschen fallen zu lassen. In Potschina wurden 5 Ukrainer ermittelt, in deren Besitz sich ein sMG und 60 Gewehre befanden. Der Leiter dieser Bande hatte ausserdem einen Zettel mit einer deutschfeindlichen Aufschrift öffentlich angeschlagen. Am 25. 3. 42 wurden in Kiew zwei Russinnen wegen Verdachts der Zugehörigkeit zu einer Partisanengruppe festgenommen. Beide hatten einem sog. Instandsetzungszug der Roten Armee angehört und Waffen und Uniform getragen. Weiter wurden in Kiew 14 Angehörige einer Partisanengruppe festgenommen. Sie hatten als alte KP-Mitglieder führende Posten innerhalb der Partei und des NKWD bekleidet. Einigen von ihnen waren vom NKWD vor Kriegsausbruch Bescheinigungen ausgehändigt worden, die sie zum Tragen eines Gewehres berechtigten, mit dem sie auf deutsche Fallschirmjäger schiessen sollten. Der Kdr. d. Sipo u.d. SD in Rowno hat in Proskurow drei Personen wegen kommunistischer Zersetzungsarbeit und verbotenen Waffenbesitzes in Haft genommen. Bei der Haussuchung wurden auf einem Boden versteckt ein Schnellfeuergewehr, ein Gewehr, zwei Seitengewehre, zwei Handgranaten und 400 Schuss Munition gefunden. Der Haupttäter – ein Jude – war russischer Soldat. Weiter sind in Luzk 6 Personen festgenommen worden, die im Begriff waren, eine Sabotagegruppe und eine kommunistische Organisation zu gründen. Aus der ukr. Widerstandsbewegung: In Kiew wurden am 26. 3. 42 von der OUN erneut Flugblätter in einer Auflage von 165 Stück hergestellt. Sie enthalten den Wortlaut eines am 14. 2. 42 an den Führer abgesandten Memorandums, das von Erzbischof Scheptizki, Melitschkowski (Kiew), Melnik und Omeljanowitsch (Prag) unterschrieben ist. In Poltawa wurde der Bürgermeister mit drei Personen festgenommen. Er hatte in seinen Diensträumen Versammlungen der Bandera-Anhänger abgehalten und darin die Aufstellung einer ukrainischen Armee gegen die deutsche Wehrmacht propagiert. Bei der Überführung nach Krementschug erfolgte ein Überfall auf einen Wachbeamten, der mit Verletzungen ins Lazarett in Poltawa eingeliefert werden musste. In Zwirtze wurde ein BanderaAnhänger unter dem dringenden Verdacht, drei Morde ausgeführt zu haben, festgenommen. Er war 1937 von den Polen wegen politischer Betätigung festgenommen und zu

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12 Jahren Zuchthaus verurteilt, beim Einmarsch der deutschen Truppen aber freigelassen worden. In Nikolajew wird von Seiten der OUN-Anhänger lebhafte Flüsterpropaganda getrieben. In Winniza wurde eine OUN-Propagandaschrift erfasst, die auf der ersten Seite einen Sowjetstern trug. Von der Einsatzgruppe D liegen keine Meldungen vor. III. Reich und besetzte Gebiete: Der Kdr. d. Sipo u.d. SD in der Untersteiermark meldet: In der Nacht zum 5. 4. 1942 fand ein Feuergefecht zwischen einer Streife der Ordnungspolizei und 5 bewaffneten Banditen in Sauratetz, Kreis Gurkfeld, statt. Es dürfte sich um kommunistische Bandenmitglieder handeln, die einen Viehdiebstahl ausführen wollten. Bei diesem Feuergefecht wurde ein Bandit getötet. Suchaktionen nach den restlichen Banditen, die über die Grenze geflüchtet sind, waren erfolglos. Am 6. 4. 42 abends drangen drei maskierte Männer in die Wohnung des Schuhmachermeisters Franz Schmied in Kappeldorf Nr. 79, Bez. Pragwald, mit den Worten „Policija“ (Polizei) ein. Schmied flüchtete in ein Zimmer und versteckte sich. Während dieser Zeit stahlen die Unbekannten eine Decke und ein paar Stiefel. Etwa um die gleiche Zeit drangen in die Wohnung des Alois Mesnik in Niederdorf, Bez. Pragwald, zwei mit Pistolen bewaffnete, unbekannte Männer ein, verlangten die Herausgabe von zwei Zeltbahnen und verschwanden dann. Die pol. Ermittlungen sind bisher erfolglos verlaufen. Der Kdr. d. Sipo und d. SD in den bes. Geb. Kärntens und Krains meldet: Am 3. 4. 42 nachts wurde in die Gemeindekanzlei in Kraxen durch Banditen eingebrochen. Es wurden eine Schreibmaschine, ein Radioapparat, 3 Standlampen, 32 Wolldecken und 70,– RM Bargeld gestohlen. Am 4. 4. 42 wurde in Oberdorf und Pöllandl, beide Kreis Krainburg, je ein Einwohner in bzw. nahe der Wohnung von kommunistischen Banditen erschossen. Sie waren bei der Bausammelstelle in Laak beschäftigt. Am 6. 4. 42 wurde der Fahrdienstleiter des Bahnhofes Laak von Banditen in der Nähe des Bahnhofes durch Pistolenschüsse verletzt. Alle Überfälle erfolgten in den Nachtstunden. Die Ausforschungen und Vergeltungsmaßnahmen sind eingeleitet. Am 6. 4. 42 wurde, während die Gendarmen beim Abendessen weilten, in die Räume des Gend.-Postens St. Oswald von Banditen eingebrochen, 2 Stutzen mit Munition und Uniformstücke gestohlen. Als die Gendarmen zum Posten zurückkehren wollten, wurden sie mit Gewehr- und MG-Feuer überfallen. Am 6. 4. um ca. 22.00 Uhr versuchten Banditen einen in Trata wohnhaften Rechtsanwalt und seinen Jäger aus der Wohnung zu locken, ohne Zweifel, um sie zu ermorden. Beide gaben aber sofort Feuer, worauf die Banditen flüchteten. BAB, R 58/221 1

Theodor Christensen, geb. 1905, Gärtner, 1930 NSDAP, 1931–1933 SA, dann hauptamtlich zum SD, 1934 Referent SD-HA, 1935 Ostuf., 1937 Stabsfhr. SD-LA Königsberg, 1940 Stubaf. u. Fhr. SD-Hauptaußenstelle Zichenau, 1942 KdS Tschernigow, 1944 zum Amt III des RSHA, dann Kdr. EK 12 bei EG G in Rumänien, Freispruch durch LG Darmstadt am 18. 4. 1969; BAB, BDC, SSO Theodor Christensen; BAL, ZK: Theodor Christensen. 2 Julius Plath, geb. 1910, Referent SD-HA, dann zum Amt VI des RSHA, Hstuf., dann Stubaf., Okt. 1941 zur EG C, gefallen 1943; BAL, ZK: Julius Plath. 3 Schätzungen zur Zahl der im Generalbezirk Wolhynien-Podolien ermordeten Juden liegen für den Zeitraum Juni–Dez. 1941 bei über 30 000, für 1942 bei 101000; vgl. Alexander Kruglov: Jewish Losses in Ukraine, 1941–1944, in: Ray Brandon/Wendy Lower (Hrsg.): The Shoah in Ukraine. History, Testimony, Memorialization, Bloomington 2008, S. 278–281. 4 Vgl. Martin Dean: Collaboration and the Holocaust: Crimes of the Local Police in Belorussia and Ukraine, 1941–44, London 2000.

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5 Gemeint ist wohl Nikita Chruschtschow (1894–1971), 1938–1949 Erster Sekretär der KPdSU in der Ukraine. 6 Zum Hintergrund dieser Konfliktlagen: Andrea Graziosi: The Great Peasant War. Bolshewiks and Peasants, 1917–1933, Cambridge 1996; Henry Abramson: A Prayer for the Government. Ukrainians and Jews in Revolutionary Times, 1917–1920, Cambridge 1999; Serhy Yekelchyk: Ukraine: Birth of a Modern Nation, Oxford 2007; Alexander V. Prusin: The Lands Between. Conflict in the East European Borderlands, 1870–1992, Oxford 2010; Felix Schnell: Räume des Schreckens. Gewalt und Gruppenmilitanz in der Ukraine 1905–1933, Hamburg 2012.

Der Chef der Sicherheitspolizei u.d. SD IV A 1 – 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 14. April 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

77 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 192 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 14. April 1942. Die mit Ereignismeldung UdSSR Nr. 191 vom 10. 4. 42 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Lage und Stimmung in Litauen: Die Einführung der Selbstverwaltung in Litauen wird nach wie vor in der Öffentlichkeit lebhaft diskutiert. Grundsätzlich erblickt man in dieser neuen Maßnahme den ersten Schritt zu einer kulturellen und wirtschaftlichen Besserstellung des litauischen Volkes. Man ist sich natürlich darüber in klaren, dass mit der Einführung der Selbstverwaltung eine Unabhängigkeit des litauischen Staates noch lange nicht herbeigeführt ist, und in radikalen Nationalisten- und Aktivistenkreisen sieht man diese Maßnahme der deutschen Regierung mehr als einen diplomatischen Schachzug an, der geeignet ist, die restlose Angliederung Litauens an das Reich besser vorzubereiten, als wie der bisherige Zustand es konnte. So setzte aus diesen Kreisen auch sofort eine entsprechende Gegenpropaganda an, die im wesentlichen etwa folgende Punkte anführte: 1. Die Deutschen haben den Litauern die Selbstverwaltung nicht aus Sympathie gegeben, sondern aus der Notwendigkeit des Krieges heraus. 2. Die Deutschen brauchen das Menschenmaterial für die Erweiterung der deutschen Verwaltung in den besetzten russischen Gebieten und schränken deshalb im Ostland ihre Personalbestände ein. 3. An der russischen Front fehlen Soldaten. Die Deutschen beabsichtigen, über die Einführung der Selbstverwaltung die Litauer zu mobilisieren, damit weitere Männer an die Front kämen. 4. Die Erweiterung der Rechte der Litauer hängt mit der fühlbar gewordenen Schwächung ihrer Kräfte zusammen. Man versucht jetzt bei den Litauern die englische Taktik anzuwenden, indem man die Litauer durch die Hände der Litauer ausnutzen läßt. 5. Nach Beendigung des Krieges wird die Erweiterung der litauischen Selbständigkeit zurückgezogen werden, und Deutschland wird Litauen an das Reich angliedern. In den Kreisen der städtischen Bevölkerung kann diese Propaganda nicht so recht Fuss fassen, da man über den Abbau der Zivilverwaltung in personeller Hinsicht an sich schon äusserst befriedigt ist, vor allem aber deshalb, weil alle möglichen Leute glauben, jetzt gut bezahlte und bessere Stellungen innerhalb der litauischen Verwaltung beziehen zu können. Ebenso glaubt man, dass nun nur noch eine kleine Wirtschaftskontrolle bleiben wer-

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de und es damit auch leichter werden würde, die eigenen Angelegenheiten besser zu besorgen. Ganz allgemein kann gesagt werden, dass bei dem litauischen Bevölkerungsteil über die Neuordnung aufrichtige Freude herrscht, die z. T. auch darin zum Ausdruck kommt, dass, wie überall im Lande, vereinzelt auch in Wilna die Nationalflagge gehisst wurde. Die Flaggen mussten jedoch bald wieder eingezogen werden, da ihre Hissung ohne Genehmigung des Gebietskommissars vorgenommen wurde. In den Kreisen der Intelligenz hofft man, dass durch die Verleihung der Selbstverwaltung nur der erste Schritt für die kommende Autonomie gemacht sei und dass weitere Entscheidungen auf den anderen wichtigen Lebensgebieten nachfolgen. Am 23. 3. 1942 fand eine Versammlung von Vertretern sämtlicher Wirtschaftsstellen im Generalkommissariat statt. Der Generalkommissar verkündete die Gründung einer litauischen Wirtschaftsvereinigung. Zu der Tagung waren Vertreter der Wehrmacht, der Polizei, der SA und der SS sowie des Reichsstandes des deutschen Handwerkes geladen. Um der ganzen Tagung einen würdigen Rahmen zu geben, wurden zu Anfang und Ende vom Opernorchester Kauen Musikstücke von Mozart und Schubert gespielt. Von den Reden, die gehalten wurden, wird besonders in der litauischen Öffentlichkeit die Stelle aus der Rede des Generalkommissars hervorgehoben, die sich mit der Wiedereinführung der Privatwirtschaft befasst. Die während der ganzen Wintermonate anhaltende gute Stimmung der Polen infolge der russischen Gegenoffensiven hat einer erheblichen Niedergeschlagenheit Platz gemacht. Sofort nach der Veröffentlichung der Verordnung des Reichsministers für das Ostland gingen in der Stadt Wilna Gerüchte um, dass Litauen seine Unabhängigkeit wieder bekommen habe. Die Stimmung der Polen war demzufolge ausserordentlich gedrückt. Die niederdrückende Wirkung dieser Maßnahme wurde ganz erheblich verstärkt durch die Schließung des Priesterseminars sowie durch die Ausweisung des Wilnaer Erzbischofs Jalbrzykowski. Obgleich der Ausweisungsbefehl in seinen Einzelheiten schon am Tage nach der offiziellen Bekanntgabe dank der ausgezeichneten Flüsterpropaganda in der ganzen Stadt bekannt war, kam es in der Bevölkerung zu keinerlei Kundgebungen oder Unruhen, wie verschiedentlich vorher vermutet wurde. Es wurden zwar Gerüchte laut, dass die Polen am Tage der Ausreise Protestkundgebungen veranstalten wollten, tatsächlich nahm jedoch die polnische Bevölkerung diese Maßnahme niedergedrückt und schweigend hin. Auch die für den 19. 3. 1942 anlässlich des Namenstages des Marschalls Pilsudski von verschiedenen Seiten erwarteten Demonstrationen blieben völlig aus. Als dann am 25. 3. 1942 der Luftangriff auf Wilna erfolgte und sich überall sofort das Gerücht verbreitete, dass dieser Angriff als Vergeltungsmaßnahme gegen die Litauer, insbesondere wegen der Ausweisung des Erzbischofs Jalbrzykowski und der Einsetzung des neuen litauischen Erzbischofs Reinys, erfolgt sei, schien die Stimmung der Polen wieder erheblich gehoben. Es wurde festgestellt, dass tatsächlich den russischen Fliegern Leuchtsignale gegeben wurden. Die Tatsache, dass bei dem Luftangriff die Kaserne eines litauischen Selbstschutzbataillons sowie der Sitz des neuen Erzbischofs Reinys getroffen wurde, der neue Erzbischof Reinys leicht verletzt und sein Kanzler tödlich verwundet wurde, gab den Gerüchten einen durchaus glaubhaften Hintergrund. Um den Polen zu beweisen, dass die deutschen Stellen bei derartigen Angelegenheiten mit sofortigen Gegenmaßnahmen antworten, erfolgte in Wilna die Schliessung der polnisch-katholischen Klöster (insgesamt 16) und die Inschutzhaftnahme der Klosterinsassen (insgesamt 253). Bei der litauisch-katholischen Geistlichkeit herrschte beim Eintreffen dieser Nachricht vollstes Verständnis, in den meisten Fällen sogar erhebliche Genugtuung. Besonders günstig auf die Stimmung der katholischen Kreise wirkte sich die sofor-

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tige Benachrichtigung des Kauener erzbischöflichen Ordinariats durch die hiesige Dienststelle aus, wo dem litauischen Weihbischof Brisgys mitgeteilt wurde, dass diese Maßnahme zum Schutze der litauischen Interessen und auch zur Wahrung der litauisch-katholischen Interessen getroffen worden sei. Brisgys wurde weiter mitgeteilt, dass gegen eine Rückgabe der Gebäude an die litauische Geistlichkeit nach Abschluss der Ermittlungen keine Bedenken beständen. Weiter wurde Brisgys mitgeteilt, dass die Schliessung der weiblichen Klöster vor allen Dingen auch deshalb erfolgt sei, weil der begründete Verdacht besteht, dass sich unter den Ordensangehörigen eine ganze Anzahl Jüdinnen befinden, dass aber nach Klärung der Angelegenheit alle nicht besonders belasteten weiblichen Ordensangehörigen sofort wieder auf freien Fuss gesetzt würden. Brisgys nahm die Erklärungen der hiesigen Dienststelle ohne eigene Stellungnahme hin. Nach zuverlässigen Mitteilungen wird diese Aktion von ihm sowie von anderen höheren Geistlichen aber durchaus günstig aufgenommen. Alle bisher gegen die polnisch-katholische Kirche in Wilna getroffenen Maßnahmen wurden innerhalb der litauischen Geistlichkeit in keinem Falle als Maßnahmen gegen die Kirche aufgefasst, sondern ausschliesslich als Maßnahmen gegen bestimmte politisierende polnische Kreise. Innerhalb der polnischen Bevölkerung trat sofort die gewünschte Reaktion ein; zu irgendwelchen Kundgebungen oder Gegenmaßnahmen ist es in keinem Falle gekommen. Die litauische Öffentlichkeit ist über diese Maßnahme äusserst erfreut. Positiv für die Stimmung der litauischen Bevölkerung, insbesondere im Wilnaer Gebiet, hat sich auch die für den 1. 4. 42 angekündigte Eingliederung der Kreise Oschmiana, Swir und Eiseliai ausgewirkt. An sich handelt es sich hier um ein landwirtschaftlich recht armes Gebiet mit einer kulturell, sozial und politisch tiefstehenden Bevölkerung. Die Eingliederung ist insofern von Bedeutung, als sie einen weiteren Zuwachs weissruthenischer und polnischer Bevölkerung bringt. Besondere Beachtung dürfte der im Kreis Oschmiana liegende Ort Smordon verdienen, da sich nach hier vorliegenden Meldungen dort eines der Zentren der polnischen Widerstandsbewegung des betreffenden Gebietes befindet. Angeblich laufen aus diesem Gebiet auch die Verbindungen zu den sowjetischen Partisanen um Minsk. Der beabsichtigte Einsatz litauischer Polizei in den neugewonnenen Gebieten, hauptsächlich aber im Kr. Oschmiana, wo das litauische Element überhaupt nicht vorhanden ist, dürfte sich unter Umständen evtl. politisch nachteilig auswirken; es wäre daher zu erwägen, ob nicht der Versuch gemacht werden soll, wenigsten in diesem Kreis die weissruthenischen Polizeikräfte, die schon jetzt dort vorhanden sind, nach gehöriger Überprüfung beizubehalten. Vertreter des weissruthenischen Nationalkomitees haben darauf hingewiesen, dass der Einsatz litauischer Polizeikräfte von der weissruthenischen Bevölkerung dieses Gebietes kaum verstanden werden würde. Ganz allgemein erscheint es erforderlich, der weissruthenischen Frage künftighin eine grössere Beachtung zu schenken, da nunmehr durch den Anschluss der neuen Kreise ein erheblicher Zuwachs erfolgt. Die Wechselbeziehungen zwischen der weissruthenischen Intelligenz in Minsk und Westweissruthenien, die zu einem nicht unerheblichen Teil vom Generalkommissariat Weissruthenien von hier nach dort abgezogen wurden, zu den führenden weissruthenischen Kreisen sind sehr intensiv und liegen dem ersten Anschein nach nicht immer in der von uns verfolgten Linie. Der jetzt ausgewiesene Erzbischof Jalbrzykowski hat seit 1925, als er nach Wilna berufen wurde, zielbewusst jegliches weissruthenisches Volksbewusstsein durch die Kirche unterdrückt. Die wenigen weissruthenischen Priester wurden amtsenthoben und durch die Kirche das Polentum mit allen Mitteln gefördert. Es gibt in Wilna und im ganzen Wilnaer Gebiet mit seiner überwiegend weiss-

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ruthenischen Bevölkerung keine weissruthenischen Pfarrer. Immer wieder unternommene Versuche und Bestrebungen in dieser Richtung wurden von Jalbrzykowski radikal unterdrückt. Der gegenwärtige Zeitpunkt der Umbesetzung des Wilnaer Bischofspostens erscheint geeignet, hier eine Änderung herbeizuführen. Es müsste zumindest in Wilna eine weissruthenische Pfarrei geschaffen werden. Es steht ausser Zweifel, dass dieses im ganzen Gebiet von der weissruthenischen Bevölkerung mit grosser Aufmerksamkeit aufgenommen würde. Die wenigen weissruthenischen katholischen Geistlichen, die sich in dem Gebiet befinden, sind gegen die polnische Geistlichkeit eingestellt und nehmen Deutschland gegenüber eine positive Haltung ein. Estland: Die allgemeine Stimmung der Bevölkerung hat eine wesentliche Verschlechterung erfahren. Der durch die Feier des nationalen Selbständigkeitstages am 24. 2. hervorgerufene Stimmungsaufschwung, der in dem Gefühl einer besonderen Anerkennung der positiven Haltung und der Leistungen des estnischen Volkes seinen Ursprung hatte, ist inzwischen wieder einem der nüchternen Betrachtung des Alltages entspringenden Bedrücktsein gewichen. Immer stärker greift in der Bevölkerung die Auffassung um sich, als würde trotz aller Anstrengungen des durch die Bolschewisten ausgeplünderten Landes trotz des wiederholt deutscherseits rühmend hervorgehobenen Einsatzes an der Front und in der Heimat das estnische Volk in vielen Dingen ungerechtfertigterweise benachteiligt. Der Este ist realistisch genug, um in reichlichem Maße Einsicht für die Kriegsnotwendigkeiten zu haben. Auch die durch die Reden des 24. Februars und durch die nun endgültig erfolgte Festlegung des Verwaltungssystems ergangene Belehrung über die Zukunft des Landes ist richtig verstanden worden. In seiner materiell bestimmten Art, die Dinge zu betrachten, ist für den Esten die Erinnerung an die frühere Selbständigkeit stark verknüpft mit dem Gedanken an einen gediegenen Wohlstand, an eine Epoche des (trotz aller autoritären Maßnahmen des Päts-Regimes 1) „Lebens und Leben-lassens“. Wenn er in Bezug auf eine eigene politische Zukunft trotz zurzeit noch lebhafter Diskussion keine allzu grossen Erwartungen mehr hegt, so hofft er andererseits auf wirtschaftlichem Gebiet eine möglichst geringe Einschränkung seiner Betätigungsmöglichkeiten zu erreichen. Hier jedoch sieht er bereits eine andere Entwicklung sich anbahnen. In reichsdeutschen Monopol- und Landbewirtschaftungsgesellschaften wie ZHO, „Ostfaser“, „Ostland“ sowie „Ostland-Bank“ sieht er Vorboten einer Abdrängung des estnischen Elements in die niederen Sphären der Wirtschaft. Im gleichen Sinne deutet er auch die Hinauszögerung der tatsächlichen Rückgabe des ländlichen und städtischen Grund- und Hausbesitzes. Die zunehmende Beaufsichtigung durch zentrale deutsche Stellen erscheint ihm unbequem und den Geschäftsgang erschwerend sowie hemmend. Auch in anderen Problemen des Alltages fühlt sich die Bevölkerung benachteiligt, so z. B. in der Ernährungsfrage. Immer wieder werden Vergleiche mit Lettland angestellt. Man erhebt den Vorwurf, der Estländer erhalte trotz politisch besserer Behandlung geringere Wochenrationen (100 gegen 200 gr. Butter, keine Zuckerzuteilung im Gegensatz zu Lettland usw.). Die reichsdeutschen Zivilpersonen in Estland erhalten doppelt so grosse Zuteilungen wie die Esten, wobei besonders bemerkt wird, dass diese Rationen sogar weit über den Reichsnormen lägen. Die ständige Verschlechterung der allgemeinen Ernährungslage, sonstige Versorgungsnöte, die als ungenügend empfundenen Löhne, namentlich der Arbeiterschaft, schaffen neben der obenerwähnten psychologischen Verstimmung allmählich den Nährboden für eine Unzufriedenheit, die günstige Ansatzpunkte für eine antideutsche Propaganda, vor allem von England her, bietet. Vorläufig noch als einzelne Symptome, dennoch in zunehmendem Maße, ist bereits von einer Distanzierung

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gewisser Bevölkerungskreise von dem Gedanken einer deutsch-estnischen Schicksalsgemeinschaft zu hören. Noch sehr vereinzelt werden sogar Meinungen laut, die bereits einer Sammlung national gesinnter Elemente „für bessere Zeiten“ das Wort reden. Der psychologische Fehler des bekannten „Prügelerlasses“ der Reichsbahn ist in seinen Auswirkungen noch nicht ausgewogen worden. Bei der langsamen Art des Esten, zu reagieren, beginnt der Erlass erst auf dem flachen Lande bekannt zu werden und wirkt sich stimmungsmäßig um so negativer aus, als man daraufhin befürchtet, auch die neue deutsche Ordnung werde auf Methoden der Behandlung zurückgreifen, wie sie durch die demokratische Tendenzpropaganda der Nachkriegsjahre als typisch für ein deutsches Herrentum dem Volke eingeredet worden sind. Die estnische Bevölkerung ist überzeugt von ihrer eigenen Bereitschaft, sich in die kommende neue Ordnung einzufügen und sich das dazu notwendige Wissen und Erfahrung anzueignen. Sie glaubt aber, aus eigener Einsicht und Bestrebung ohne fühlbare Bevormundung oder gar Antreibung durch Gewaltmaßnahmen auf diesen Weg kommen zu können. Aus seiner in der Epoche des Liberalismus geprägten Geschichtsauffassung heraus ist der Este gewohnt, in seinem früheren Verhältnis zum deutschen Volke sich als den nur leidenden und gebenden Teil anzusehen. Sein ausgeprägtes Nationalbewusstsein lässt ihn sehr empfindlich auf Erscheinungen, die er als schroffe Äusserungen des Misstrauens oder der Nichtachtung ihm gegenüber ansieht, reagieren. Die Einführung der landeseigenen Gerichtsbarkeit hat sich im ganzen Generalbezirk stimmungsmäßig äusserst günstig ausgewirkt. Man betrachtet diese Maßnahme als einen weiteren Schritt zur gänzlichen Liquidierung der bolschewistischen Herrschaft, die mit ihren „Volksgerichten“ nicht das wahre Recht gewollt, sondern krasses Unrecht begangen habe. Die Wiedergeltung des estnischen Gesetzes – gewisse Kreise hatten bereits die Einführung des deutschen Rechts befürchtet – wird grundsätzlich als ein Zeichen des Vertrauens gewertet, das die maßgebenden deutschen Stellen dem estnischen Volke und der Selbstverwaltung schenken. Gleichzeitig hat dieser Umstand das nationale Bewusstsein derjenigen Kreise gestärkt, die gewillt sind, unter deutscher Hoheit im Rahmen einer eigenen Verwaltung am Wiederaufbau mitzuarbeiten. Der Erlass des Reichsministers Rosenberg über die Bestätigung der Selbstverwaltung und ihrer bisherigen Organe hat in der Bevölkerung keinen sonderlich nachhaltigen Widerhall gefunden, trotz der günstigen Pressekommentare. Man stellt nüchtern fest, dass dieser Erlass, dessen einzelne Bestimmungen bisher nicht bekannt geworden sind, dessen wesentlicher Inhalt aber aus den Rundfunk- und Pressemeldungen zu ersehen war, nur eine Bestätigung und rechtliche Untermauerung des bisherigen schon von der Militärverwaltung eingeführten und zugebilligten Zustandes sei. Man übersieht nicht die im Erlass des Reichsministers fundierte deutsche Hoheitsgewalt und Aufsichtsverwaltung, unter der sich die eigene Verwaltung zu beugen hat. Intelligenzkreise bezeichnen den Erlass als eine blosse Geste gegenüber dem Ausland, die nicht darüber hinwegtäuschen dürfe, dass die Mitglieder des estnischen Landesdirektoriums lediglich Marionetten seien. Die Lage der Landwirtschaft in Estland verschlechtert sich immer mehr, was sich auch in der Stimmung der Landbevölkerung bemerkbar macht. Wenn auch die Reprivatisierung sich ihrem Ende nähert, so wird diese Frage doch noch sehr stark auf dem Lande besprochen. Es stellt sich nun heraus, dass die Altbauern fast hundertprozentig ihr Land zur Nutzniessung zurückerhalten. In nur vereinzelten Fällen ist dieses nicht eingetreten, und in einigen wenigen Fällen liegt der Entscheid der Gebietskommissare noch nicht vor. Die Bauern sind der Meinung, dass man dies Ergebnis schneller und leichter hätte erreichen

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können. Durch eine einzige Verordnung hätte die Frage schon im Dezember geklärt sein können und die Wirtschaft hätte nicht unter diesen unsicheren und unklaren Verhältnissen zu leiden brauchen. Wenn nun die Bauern auch das Land zur Bewirtschaftung erhalten haben, so sind sie doch nicht restlos zufrieden, denn durch diese Maßnahme ist die bolschewistische Agrarreform nicht annulliert worden, da die Bauern nur Bewirtschafter, nicht Besitzer sind. Es wird gehofft, dass auch die Besitzfrage schnell geklärt wird; für die Erzeugungssteigerung wäre es von erheblicher Bedeutung. Der estnische Bauer denkt sehr materiell und ist daher an einer Erzeugungssteigerung nur interessiert, wenn er sich voll als Herr auf dem Hof fühlen kann. Die Ernährungslage wird zusehends schlechter. Die nördlichen Kreise Estlands sind jetzt Zuschussgebiete geworden, wozu der nördliche Teil der Wiek, Harrien, Nordjerwen und Wierland gehören. Besonders schwierig ist die Lage in Narwa, Ostwierland und dem Ölschiefergebiet. In Narwa ist die Ausgabe der Fleischrationen auf Lebensmittelmarken fünf Wochen im Rückstand. Ebenso schlecht steht es mit der Butterversorgung. Die Zivilbevölkerung hat nur etwas über die Hälfte ihres Anspruchs an Butter erhalten können. Die Städte sind einigermaßen versorgt worden, was nur dadurch erfolgen konnte, dass die Landbevölkerung ihre Normen nicht abgenommen hat. Durch den anhaltenden Frost ist das Brotgetreide, da Kartoffeln nicht transportiert werden konnten, sehr knapp geworden. Die Getreideversorgung ist so schwach, dass man nun eine Hofbegehung anordnen muss, um überhaupt festzustellen, wieviel noch an Getreide vorhanden ist, um dann den Überschuss zwangsweise abliefern zu lassen. In Zukunft soll die Ablieferung landwirtschaftlicher Produkte nach anderen Grundsätzen geregelt werden und zwar so, dass dem Bauern feste Normen vorgeschrieben werden, die er im Jahr zu erfüllen hat. Was der Bauer über diese Normen hinaus erzeugt, kann er frei verwerten. Wie Meldungen aus dem Kreise Pernau besagen, lässt sich unter den dort untergebrachten Kriegsgefangenen zunehmende Aufsässigkeit feststellen. Es ist in einzelnen Fällen zu Widersetzlichkeiten und tätlichem Widerstand gekommen. Die zum Teil nicht einwandfreie, übervorsichtige Haltung der Zivilbevölkerung wird von den Gefangenen, die über diese Stimmung genau unterrichtet sind, für eigene Zwecke ausgenutzt. Auch aus anderen Gegenden ist von organisierten Fluchtversuchen berichtet worden, die jedoch bisher rechtzeitig vereitelt werden konnten. Tätigkeit der vorderen Teile Einsatzgruppe A: Die Einsatzgruppe hat Vorbereitungen zum Aufbau eines Netzes russischer Stützpunkte begonnen. Zum Unterschied von der bisher schon laufend betriebenen Werbung von VM und Hilfskräften, die bei den Dienststellen arbeiten, sollen in den sicherheitspolizeilich wichtigen Ortschaften des Berichtsgebietes nunmehr feste, hauptamtliche Kräfte (Russen) als eine Art örtliche Dienststellen eingesetzt werden. Die materielle Entschädigung dieser Personen wird derart erfolgen, dass über die örtlichen Wirtschaftskommandos eine erhöhte Landzuteilung, Zuteilung von Vieh usw. erfolgt. Die Verbindung zu diesen meist in entlegenen Ortschaften einzusetzenden Stützpunkten soll durch eine Art Stafettenläufer gehalten werden, welche nach einem festen Plan die einzelnen Stützpunkte anlaufen, selbst unterwegs Beobachtungen machen und dann der nächstgelegenen deutschen Dienststelle der Sipo u.d. SD Meldung erstatten können. Diesen Vorbereitungen liegt die Überlegung zu Grunde, dass es schon jetzt schwer ist, mit den zur Verfügung stehenden Kräften den weiten russischen Raum sicherheitspolizeilich zu sichern und späterhin ganz unmöglich sein wird. Andererseits gibt es unter den Russen durchaus Gruppen, die unter entsprechender Beaufsichtigung zur Mitarbeit herangezogen werden können.

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Das Agentenwesen hat zwar an Umfang weiterhin abgenommen, jedoch ist die Feindspionage dazu übergegangen, bessere und sogar ausgezeichnet qualifizierte Kräfte einzusetzen. So wurde von der Wehrmacht ein Agentenpaar überstellt, bei dem es sich nach längeren Vernehmungen herausstellte, dass es von der Moskauer Hauptverwaltung des NKWD eigens zur Erkundung der deutschen sicherheitspolizeilichen Abwehrstellen angesetzt war. Die russische Agentin, die neben der deutschen auch die französische und englische Sprache beherrscht, gab an, dass sie mittels Flugzeug von Moskau nach Leningrad gebracht wurde. Hier wurde sie durch die deutschen Linien geschleust und ihr der Auftrag gegeben, die deutsche Abwehrzentrale in Krasnogwardeisk auszuspähen, sich in den Dienst dieser Stelle anwerben zu lassen, um sowohl die Arbeitsweise als auch die Mitarbeiter kennenzulernen und so weiter und das Ergebnis ihrer Tätigkeit mit dem ihr zugeteilten Mittelsmann nach Moskau zu berichten. Im einzelnen hatte sie folgende Aufträge: Tief in das deutsche Spionageabwehrwesen einzudringen und die Arbeitsmethoden genau kennenzulernen, die entsprechenden Mitarbeiter der Abwehrstellen kennenzulernen, festzustellen, wer von den Russen als Hilfskraft Verwendung findet, welche deutsche Agenten bereits über die Linien geschickt worden sind, welche geschickt werden sollen und wie deren Aufträge lauteten bzw. lauten, zu erkunden, wer von den Sowjetagenten gefangen worden ist. Besonderes Augenmerk ist auf diejenigen Agenten zu richten, die sich für deutsche Dienste anwerben liessen. Einem Teilkommando gelang es, nachdem der Standort des Kommandos lange Zeit unter wahrscheinlich durch Agenten geleiteten Bombenangriffen zu leiden hatte, ein Blinkgerät ausfindig zu machen und sicherzustellen. Die Ansetzung von Spähkommandos aus Letten und Russen unter Führung deutscher Kommandoangehöriger wurde weiterhin betrieben. Der Zweck der Einsetzung dieser Kommandos bestand darin, dass die Letten bzw. Russen unter Ausnützung ihrer Kenntnis der Landessprache sowie rotarmistischer Uniform solche Erkundungen durchführen sollten, die von der Wehrmacht selbst nur unter Einsatz grösserer Einheiten unternommen werden können. Die zu dieser Aktion ausgesuchten Letten und Russen wurden bereits vorher auf ihre Zuverlässigkeit hin überprüft. Als voläufiges Ergebnis kann festgestellt werden, dass dieser Versuch als gelungen bezeichnet werden kann. Die Erfahrungsergebnisse in dieser Hinsicht konnten in einem Bericht zusammengefasst und den Wehrmachtsstellen übermittelt werden. Bedingt durch die sehr schwere Lage auf dem Gebiete der Ernährung kommt es sehr häufig zu Diebstählen der Zivilbevölkerung bei Wehrmachtseinheiten. In fast allen Fällen handelt es sich um Lebensmitteldiebstahl. Die Bestrafungen werden, je nach Alter des Täters und Schwere des Falles und unter Beachtung der sonstigen Umstände, beginnend mit Prügelstrafe bis zum Erhängen verhängt. Einzelmeldungen: Aus Estland: Am 5. April wurden im Kreise Harrien 2 Fallschirmspringer, und zwar 1 Russe und 1 Este, die von einem Feldflughafen in der Nähe von Leningrad von der baltischen Roten Flotte eingesetzt worden waren, festgenommen. Der Este sollte als Spion tätig werden, während ihm der Russe als Funker beigegeben worden war. Der dem Esten erteilte Spionageauftrag erstreckte sich auf das estn. Küstengebiet, insbes. auf den Revaler Flughafen und den Revaler Kriegs- und Handelshafen. Zu einer Ausführung des Auftrages ist es nicht gekommen, da die beiden Fallschirmspringer kurze Zeit nach ihrer Landung schon festgenommen wurden. Das von ihnen mitgeführte Funkgerät wurde sichergestellt. Am 6. April wurde in der gleichen Gegend ein Fallschirmspringer (Este) festgenommen, der unter anderem den Auftrag hatte, sich als Freiwilliger beim Reichsarbeitsdienst anwerben und sich auf diese Weise nach Deutschland vermitteln zu lassen. Hier sollte er Spionage zugunsten der UdSSR treiben. Der Fallschirmspringer war mit

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einem Sendegerät ausgerüstet, das sichergestellt werden konnte. Am gleichen Tage wurde bei Charlottenhof 1 Fallschirmspringer (ebenfalls Este) verhaftet. Er hatte den Auftrag, sich in Reval mit ihm bekannten Personen in Verbindung zu setzten, um Nachrichten über deutsche Militäreinheiten zu erhalten. Außer der üblichen Verpflegung an Konserven und Vitamintabletten führte er ein Sendegerät bei sich. Über den Moskauer Sender soll ein Anruf an die Esten gerichtet worden sein, sich nicht an der Metallspende zu beteiligen, da sie das Metall in Zukunft selbst noch brauchen würden. Deutschfeindliche Kreise verbreiten Meldungen von ins Reich zum Arbeitseinsatz versandten Esten, denen zufolge die dort arbeitenden Esten über ihren Arbeitseinsatz unzufrieden sind. Sie würden nur zu schweren und gefährlichen Arbeiten herangezogen, die die Deutschen sich auszuführen scheuen. Die Gerüchte über bevorstehende schwere Zeiten auf dem Gebiet der Ernährung nehmen zu. So wird unter anderem die Meinung vertreten, dass die Ernährungslage in den Monaten Juni, Juli und August so schwierig sein werde, dass mit einer Hungersnot gerechnet werden muss. Es seien zu wenig Saaten vorhanden, um in genügendem Maße durch Gemüseanbau die Versorgungslage zu verbessern. Anstelle von Fleisch solle demnächst nur gesalzener Dorsch verkauft werden. Von den Einsatzgruppen B, C und D liegen keine Meldungen vor. III. Reich und besetzte Gebiete: Der Kdr. d. Sipo u.d. SD i.d. Untersteiermark meldet: Am 8. 4. 1942 um 01.00 Uhr wurde der werkseigene schmalspurige Schleppzug vom Kohlenbergwerk Buchberg zum Bahnhof Sachsenfeld durch angeblich 20 bewaffnete Banditen in Cilli angehalten. Das Zugpersonal wurde zum Aussteigen gezwungen, in ein Haus verbracht und dort für einige Zeit festgehalten. Der leere Zug wurde dann von den Banditen in Bewegung gesetzt; die Maschine fuhr mit der Hälfte des Zuges allein los und rannte bei Sachsenfeld auf. Es entstand nur geringer Sachschaden. Die Maschine ist bereits wieder in Betrieb. Vermutlich war beabsichtigt, die Brücke der Schmalspurbahn über die Sann und die Maschine zu zerstören, um weitere Kohlentransporte zu verhindern. Nach Aussagen des Zugpersonals waren die Banditen mit einem lMG, Handgranaten und Infanteriegewehren bewaffnet. Die Aussagen der Zugbegleitung weisen eine bis ins einzelne gehende auffällige Übereinstimmung auf. Aktionen der Schutzpolizei blieben bis jetzt ergebnislos. Die staatspolizeilichen Erhebungen dauern noch an. In der Nacht zum 9. 4. 42 wurden in Cilli und Umgebung komm. Flugblätter gestreut. Zur gleichen Zeit wurden von komm. Bandenangehörigen die Wirtschaftsgebäude von zwei unter komm. Verwaltung stehenden Besitzungen in Masase bzw. Prekoje in Brand gesteckt. Die beiden Wirtschaftsgebäude sind vollständig niedergebrannt. In Diederdorf, westlich Arch, überfielen am 7. 4. 42 nachts Banditen einen Selbstschutzmann, der unverletzt blieb. Nach versuchtem Viehdiebstahl fand ein Feuergefecht mit der Bande statt. Die Banditen flohen über die Grenze. 4 Stücke Vieh wurden sichergestellt. Am Tatort wurden eine serbische Mütze mit Sowjetstern, ein Seitengewehr und eine Zeltplane aufgefunden. Am 10. 4. abends wurde auf der Strassenkreuzung Trojane–St. Gotthard, Lk. Trifail, ein Lastkraftwagen der Grosseinkaufsgesellschaft Cilli von komm. Banditen überfallen und die drei Insassen ermordet. Die Verfolgung der Banditen ist von Polizeikräften aus Edlingen und Cilli aufgenommen. Vergeltungsmaßnahmen werden eingeleitet. BAB, R 58/221 1 Konstantin Päts (1874–1956), erster estnischer Ministerpräsident, nach Staatsstreich 1934 autoritär regierendes Staatsoberhaupt, seit 1940 in sowjetischer Haft.

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75 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 193 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 17. April 1942. Die mit Ereignismeldung UdSSR Nr. 191 vom 10. 4. 42 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Einzelmeldungen: Estland: Die Aufnahme der Tätigkeit der Zivilgerichte wird immer dringender. Beim städtischen Wohnungsamt liegen bereits 7000 Sachen vor (Räumungsund Mietzahlungsklagen), die beim Zivilgericht sofort eingereicht werden sollen. 30 Prozent der städtischen Mieter zahlt keine Mieten, weil ein gerichtlicher Zwang zurzeit noch nicht ausgeübt werden kann. Auch die ehemaligen Richter, Gerichtsbeamte und sonstige Personen, die unmittelbar an der Wiedereinführung der Zivilgerichtsbarkeit interessiert sind, wundern sich darüber, dass die Zivilgerichte ihre Tätigkeit bis jetzt noch nicht aufgenommen haben, obgleich die diesbezüglichen Verordnungen schon vor einiger Zeit bekanntgegeben worden sind. In seiner Sendung in estnischer Sprache vom 9. ds. Mts. gab der Finnlandsender das Veranstaltungsprogramm des „Stammverwandtschaftsvereins“ Finnlands für die nächste Zeit bekannt, das u. a. für den 12. April einen Vortrag über Ingermanland und die Ingermanlandfrage im Augenblick, am 26. April einen Propagandatag der Stammverwandtschaftsarbeit, am 3. Mai ein estnisches Fest in Helsinki, veranstaltet vom Stammverwandtschaftsverein und der estnischen Gesellschaft, und ausserdem für Mai Vorträge über die Wolgafinnen, die Mordowiten und Tschermissen vorsieht. Am 9. 4. 42 wurden in einer öffentlichen Kundgebung auf dem Rathausplatz in Reval 131 junge Esten, die sich zum RAD gemeldet und jetzt ihre Einberufung erhalten hatten, feierlich verabschiedet. Unter reger Beteiligung der Bevölkerung wurden ihnen [eine Zeile fehlt] Estland mitgegeben. Einzelne Zuhörer äusserten sich verwundert darüber, dass nur wenige estnische Fahnen gehisst worden waren und dass zum Abschluss nicht die estnische Hymne gespielt wurde. Lettland: Im Zuge der Ermittlungen gegen die illegale kommunistische Organisation hat sich die Zahl der Festgenommenen in Riga auf bisher 200 erhöht. Durch Vernehmungen konnte geklärt werden, dass die Organisation sich nur auf Riga erstreckt und stadtteilmäßig gegliedert war. Mit weiteren Festnahmen ist zu rechnen. Litauen: Am 4. 4. 42 wurde die litauische Polizeistation in Vydziai, Krs. Svenzioniai, von bewaffneten ehemaligen polnischen Polizisten aus Weissrussland überfallen. Die Polen entführten den Chef der Polizeistation und seinen Vertreter. Am 7. 4. 42 kam es in einem Grundstück in Wilna zu einem Zusammenstoss zwischen vier litauischen Sicherheitspolizeibeamten und einer Gruppe sowjetrussischer Terroristen. Auf beiden Seiten wurde von der Waffe Gebrauch gemacht. Dabei wurde ein litauischer Polizeibeamter getötet und ein weiterer verwundet. Bei der Verfolgung wurden zwei Anhänger der Terroristengruppe erschossen, die übrigen entkamen. In Olita wurden am 7. 4. 42 22 Personen wegen aktiver kommunistischer Betätigung und Unterhaltung von Beziehungen zu Partisanengruppen

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erschossen. Russische Stielhandgranaten und Sprengstoff, die bei einigen der Kommunisten gefunden wurden, wurden sichergestellt. Am gleichen Tage wurden in Kauen 22 Personen, darunter 14 Juden, die nachweislich bis in die letzte Zeit hinein kommunistische Propaganda getrieben hatten, erschossen. Am 30. 3. 42 wurde in Gluko ein Partisanenversteck ausgemacht. Die Partisanen leisteten bewaffneten Widerstand. Es gelang ihnen zunächst zu entkommen. Bei der weiteren Verfolgung wurden jedoch drei der Partisanen erschossen. Im Zuge der Ermittlungen wurden weitere 35 Personen festgenommen. Neun von ihnen wurden auf der Stelle erschossen, da ihnen die Unterstützung von Sowjetrussen einwandfrei nachgewiesen werden konnte. In einem bunkerähnlichen Keller wurde ein umfangreiches Waffen- und Munitionslager entdeckt, das sichergestellt wurde. Weissruthenien: In der Nacht vom 26. zum 27. 3. 42 wurden zwei Reichsdeutsche, die bei einer zivilbehördlichen Dienststelle beschäftigt sind, in Minsk festgenommen, weil sie in betrunkenem Zustande in das Haus eines Ortsbewohners eingedrungen waren und mit vorgehaltener Pistole Lebensmittel beschlagnahmen wollten. Durch die Staatsanwaltschaft beim deutschen Gericht in Minsk wurden 5 Personen des Telefunkenwerkes Minsk festgenommen. Die Verhafteten werden beschuldigt, sich an Durchstechereien übelster Art mit Wehrmachtsdienststellen beteiligt zu haben. Die zu Ostern vorgenommenen ersten Kolchosaufteilungen haben stimmungsmäßig sehr gut gewirkt. U. a. wurden von einem Rayonbürgermeister dem Gebietskommissar 11000 RM als Spende überreicht. Es zeigt sich aber immer wieder, dass die propagandistischen Möglichkeiten in keinem Verhältnis zu den Notwendigkeiten stehen. Da die Propaganda fast vollkommen fehlt, ist zu befürchten, dass ein nachhaltiger stimmungsmäßiger Erfolg, den die Agrarreform auszulösen geeignet wäre, ausbleibt. Aufgrund der Weisungen des neuen Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, Gauleiter Sauckel 1, hat das Generalkommissariat Weissruthenien ca. 100 000 Arbeitskräfte zu stellen. Bisher sind jedoch erst 17 000 abtransportiert worden. Um die geforderte Menge an Arbeitskräften stellen zu können, wird das Prinzip der Freiwilligenmeldung fallengelassen und zu Zwangsmaßnahmen gegriffen werden müssen.2 In der Partisanentätigkeit ist in letzter Zeit eine erhöhte Aktivität festzustellen. Es mehren sich die Fälle von Plünderungen und Maßnahmen gegen die von den Deutschen eingesetzten Bürgermeister und weissruthenischen Schutzmannschaften. Ausgesprochene Aktionen gegen die Wehrmacht oder Sabotageakte in grossem Umfange haben aber nicht stattgefunden. Am 8. 4. 42 fand in Minsk eine Besprechung sämtlicher interessierter Dienststellen über die Gründung eines weissruthenischen Baudienstes statt. Durch den weissruthenischen Baudienst sollen weissruthenische Jugendliche im Alter von 20 bis 22 Jahren, möglichst unverheiratet, auf freiwilliger Grundlage einem geschlossenen Einsatz vorerst bei kriegswichtigen Arbeiten in Weissruthenien zugeführt werden. Es ist geplant, zunächst 2000 Mann zu werben, die in Hundertschaften in Minsk und Umgebung unter Führung deutscher Arbeitsdienstführer zum Einsatz kommen sollen. Zweck des Baudienstes ist die Organisierung der weissruthenischen Jugend zu einem beweglichen Einsatz in der Bau-, Land- und Forstwirtschaft und zum Katastrophenschutz. Einsatzgruppe B: Standort Smolensk. In Mogilew wurden in letzter Zeit wiederholt von einer Organisation „GIM“ herausgegebene Flugblätter verteilt bzw. öffentlich angeschlagen, in denen zum äußersten Kampf gegen den Faschismus aufgefordert wurde. Die Ermittlungen führten zur Feststellung des Herstellers dieser Hetzschriften in der Person des ehem. russischen Hauptmanns Georgi Meciolkin, geb. Januar 1912 in Krassniarsk, der sich in Mogilew unter falschem Namen aufhielt. Meciolkin und seine Ehefrau wurden festgenommen; sie sind geständig, in

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den letzten beiden Monaten etwa 50 Hetzschriften hergestellt und verbreitet zu haben. Bei der Durchsuchung ihrer Wohnung konnte umfangreiches illegales Material sichergestellt werden. Ausser dem Ehepaar Meciolkin wurden weitere 32 Personen festgenommen, die zum Teil bereits geständig sind, bei der Verbreitung der Hetzschriften mitgewirkt zu haben, zum anderen Teil in engster Verbindung zum Ehepaar Meciolkin standen. Meciolkin, der Leiter der „GIM“ für das Stadtgebiet Mogilew war, erklärte bei seiner Vernehmung u. a. folgendes: „Die ‚GIM‘ (= Internationale Volksstärke) kämpft vor allen Dingen gegen den blutigen Faschismus und dessen Führer sowie gegen Stalin. Wir wollen uns freimachen von dem Zwang des Faschismus. Unser höchstes Ziel ist die Vereinigung des deutschen und russischen Volkes unter neuer Führung. Die Voraussetzung für diese Vereinigung ist allerdings, dass Deutschland alle besetzten Gebiete räumen und die jetzige Regierung beseitigen muss. Um zu unserem Ziel zu kommen, wollen wir eine zweite Front bilden und die Deutschen mit Waffengewalt aus unserem Lande treiben. Als Signal für den Aufbruch sollen überall grosse Brände entfacht werden. Unsere Organisation hat bereits in allen Städten Russlands Fuss gefasst. Leiter der Organisation ‚GIM‘ ist ein gewisser Bogow, der im unbesetzten Russland und zwar in Nishni-Nowgorod lebt. Dieser steht mit einem gewissen Gromow, der Leiter für Weissrussland ist, durch Fallschirmspringer und Funk in Verbindung. In Mogilew selbst war unsere Organisation noch im Ausbau begriffen. Um unseren Plan mit Gewalt durchführen zu können, nahmen wir mit den Partisanen bereits Verbindung auf.“ Meciolkin gab weiter zu, selbst bereits zweimal mit Partisanenführern in Verbindung getreten zu sein und diese über den Stand der Vorbereitungen in Mogilew unterrichtet zu haben. Bei Meciolkin wurden u. a. Aufzeichnungen gefunden über die Stärke der deutschen Truppen in verschiedenen Orten und eine Aufstellung der Gebäude in Mogilew, die beim Ausbruch des Aufstandes in erster Linie gestürmt werden sollten, sowie eine handgeschriebene Aufforderung an den Führer eines Ukrainerbataillons in Mogilew, mit seiner Mannschaft zu „GIM“ überzutreten, da er sonst erschossen würde. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Einsatzgruppe C: Standort Kiew. Einzelmeldungen: Der Kommandeur der Sipo u.d. SD in Kiew nahm in der Zeit vom 30. 3. bis 2. 4. 42 insgesamt 18 kommunistische Funktionäre, NKWD-Agenten und Mitglieder von Partisanenabteilungen fest. Im einzelnen wurden sie beschuldigt bzw. überführt, vor dem Abzug der Roten an der Fortschaffung von Fabrikeinrichtungen beteiligt, Anweisungen zur Sprengung der Wurstfabrik in Kiew gegeben, landwirtschaftliche Maschinen und Traktoren unbrauchbar gemacht und die Getreidevorräte in der Lambartowoer Kolchose vernichtet zu haben. Bei mehreren dieser Personen wurden Waffen vorgefunden. Einer der Verhafteten hatte falsche Stempel, Pässe sowie Vervielfältigungsmaterial zur Herstellung von Hetzschriften in seinem Besitz, bei einem zweiten wurden mehrere Handgranaten und bei einem dritten ein Gewehr und Munition sichergestellt. Unter den Festgenommenen befanden sich u. a. ein Politruk, der an mehreren Sprengungen teilgenommen hatte, weiterhin ein Mitglied der Partisaneneinheit des Wasserwerkes in Kiew, ein früheres Mitglied der Spezialabteilung der ehem. Tscheka, der Leiter des Fachverbandes des Wasserwerkes, der zugleich NKWD-Agent und Mitglied der Gauleitung der KP war, ein Chinese, der sich bereits 1917 als Partisan betätigt und im Jahre 1936 enger Mitarbeiter des NKWD geworden war, der Chef der 2. Abteilung des Wasserwerkes, der vom Parteikomitee den Auftrag erhalten hatte, illegale Arbeit hinter den deutschen Linien zu leisten, ein Parteisekretär, ein zweiter Sekretär des Parteibüros und eifriger Agitator, vier NKWD-Agenten, die zusammen mehr als 60 Personen dem NKWD ausgeliefert hatten,

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sowie ein Partisan, in dessen Besitz Pulver in grösserer Menge vorgefunden wurde. Weiter wurden vom Kommandeur der Sipo u.d. SD in Kiew mehrere Kommunisten festgenommen, in deren Besitz sich deutschfeindliche Flugblätter befanden. Sechs von den Festgenommenen konnten überführt werden, diese Flugschriften verbreitet zu haben. Im Gebiet von Christinowka sind in der letzten Zeit rund 1400 Mann festgenommen worden, die alle aus dem Kriegsgefangenenlager entwichen waren. Ein Schlupfwinkel wurde ausgehoben. In Kremenez (Kommandeur der Sipo u.d. SD Rowno) wurde der beim dortigen Gebietskommissar angestellte Kreischef festgenommen, nachdem er verbotene Propagandaschriften des Erzbischofs Polikarp verbreitet hatte. Kurz nach der Festnahme gelang es ihm, aus dem Gendarmeriegefängnis auszubrechen. Er gilt als gefährlicher Nationalist, der bereits zur Polenzeit eine 3-jährige Gefängnisstrafe wegen eines politischen Deliktes verbüßt hatte. Eine aus Bandera-Anhängern zusammengesetzte Terrorgruppe ist im Bereich des Kdr. d. Sipo u.d. SD i. Rowno tätig. In Tschoepel, Krs. Portschyn, wurden ein Bauer erschossen und zwei seiner Angehörigen von bisher unbekannten Tätern verletzt. Am gleichen Tage hielten zwei bewaffnete Männer einen Angehörigen der Schutzmannschaft in Luzk an und versuchten, ihn mit Hilfe eines Gurtes zu erhängen. Dem Kommandanten der Schutzmannschaft Rayon Luzk wurde ein Brief zugestellt, in dem ihm angedroht wurde, dass er demnächst mit seiner Ermordung zu rechnen hätte. Verschiedene Beobachtungen und Feststellungen weisen darauf hin, dass es sich in allen Fällen bei den Tätern um chauvinistische Bandera-Anhänger handelt, die Morde und Gewalttätigkeiten gegen solche Ukrainer ausführen, die die Ziele der ukrainischen Nationalisten verraten. Im Laufe des Monats März 1942 hatten sich ungefähr 15 Personen aus Popelnja, Bez. Rushin (Bereich d. Kdr. d. Sipo u.d. SD in Shitomir), zusammengeschlossen, um die dort liegende slowakische Einheit zu überfallen, die deutsche Wachmannschaft der Munitionsanstalt zu ermorden und anschließend die dort lagernde Munition in die Luft zu sprengen. Die Ehefrau eines an der bolschewistischen Front stehenden Oberleutnants musste sich zu diesem Zweck an einen deutschen Soldaten heranmachen. Der Gendarmerieposten in Popelnja nahm 13 Personen fest, nachdem er von dem Bestehen dieser Partisanengruppe Kenntnis erhalten hatte. Zwei Rädelsführer wurden erhängt. Weiter wurden zwei Anhänger der Bandera-Bewegung festgenommen, die im Laufe von Vernehmungen zugaben, die Absicht gehabt zu haben, im Frühjahr Brücken zu sprengen und Sabotageakte auszuführen. Den Auftrag hierzu wollen sie von einem Unbekannten aus Radomyschl erhalten haben. Die Ermittlungen dauern an. In der Nacht zum 1. 4. 42 kreisten sowjetrussische Flugzeuge über Tschepowitschi, Gebietskommissariat Korosten, die über der Rayonstadt Malin, Gebietskommissariat Radomyschl, 5 Bomben abwarfen. Die Bomben schlugen in der Nähe des Kommandanturgebäudes der slowakischen Wehrmacht und des Gebäudes der Rayonverwaltung ein. Die Flugzeuge entfernten sich in Richtung Kiew, nachdem aus ihnen 30 Fallschirmspringer abgesprungen waren, die später die Telefonleitung nach Malin zerschnitten. 12 km von Malin entfernt wurde abgeworfene Munition gefunden. Da diese Flugzeuge auch über der Stadt und dem Gebiet um Owrutsch gesichtet wurden, ist anzunehmen, dass sie den dort liegenden Partisanen zu Hilfe kommen wollten. Abwürfe von Flugblättern deutschfeindlichen Inhalts erfolgten über den Ortschaften Golubiwka und Dewbysch. Über dem Dorfe Goroschki wurde ein Flugzeug mit angeblich deutschem Hoheitsabzeichen beobachtet, von dem aus die an einer Eisenbahnstrecke beschäftigten Arbeiter mit einem Maschinengewehr beschossen wurden.

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Im Bereich des Kommandeurs der Sipo u.d. SD in Dnjepropetrowsk konnten durch rechtzeitige Festnahme von 12 Personen in Kamenskaja ein Anschlag mit Handgranaten auf einen Milizchef und ein Giftmordanschlag auf den ukrainischen Bürgermeister verhindert werden. Unter den Festgenommenen befanden sich der Kommandeur des 344. Art.Rgts. und ein Major des Stabes der 147. sowj. Schützendivision, die sich im Kriegsgefangenenlager als einfache Soldaten ausgegeben hatten und daraufhin entlassen worden waren. Die beiden Offiziere haben im Laufe der Vernehmungen das geplante Attentat, Flugblattpropaganda und die Anfertigung von Stempeln für die Fälschung von Ausweisen usw. zugegeben. Verbindungen dieser Gruppe zu einer ähnlichen Organisation in Dnjepropetrowsk wurden festgestellt. Die Ermittlungen sind im Gange. In der Zeit vom 3. 4. bis 7. 4. 42 nahm der Kommandeur der Sicherheitspolizei u.d. SD in Dnjepropetrowsk 4 kommunistische Parteisekretäre, 2 NKWD-Agenten und 9 alte Kommunisten wegen deutschfeindlicher Propaganda fest. In einem Dorfe 34 km nördlich von Kriwoj-Rog wurde eine Druckereimaschine entdeckt, mit der illegale Flugblätter der Bandera-Gruppe der OUN hergestellt wurden. Einsatzgruppe D: Standort Simferopol. Bericht über die Durchkämmung des Stadtgebietes von Feodosia: Anlass der Durchkämmung: Die Beobachtungen, die vom Sonderkommando 10b bei der Durchführung der sicherheitspolizeilichen Arbeit gemacht wurden, liessen darauf schliessen, dass sich im Stadtgebiet von Feodosia (jetzt rund 26 000, 1939: 46 000 Einwohner) noch viele unzuverlässige und feindlich eingestellte Elemente aufhalten. Die Gründe dafür dürften hauptsächlich folgende sein: 1.) Im Frieden war Feodosia Stützpunkt der Roten Marine, die bekanntlich einen besonderen Pfeiler des Bolschewismus bildet. Die Bevölkerung stand mit den Angehörigen der Roten Marine in enger Verbindung. 2.) Die Arbeit der Sipo und des SD musste seinerzeit wegen des Einbruchs der Sowjets unterbrochen werden. 3.) Mit der Wiederbesetzung der Stadt durch die Bolschewisten kamen viele fanatisch eingestellte Kommunisten und dgl. aus den von den Roten noch gehaltenen Gebieten nach Feodosia, wo sie zum Teil auch nach der Wiederbesetzung durch die deutschen Truppen blieben. 4.) In der Stadt halten bzw. hielten sich noch Angehörige der Roten Armee, besonders Matrosen, auf, die versprengt worden waren und nicht mehr flüchten konnten. 5.) Partisanen, die sich in den an das Stadtgebiet angrenzenden Bergen versteckt halten bzw. hielten, hatten Verbindungsleute in der Stadt, die ihnen Unterschlupf gewährten und sie mit Nahrungsmitteln und Nachrichten versorgten. 6.) Die Rote Armee sendet immer wieder Spione von Kertsch aus durch die Front ins rückwärtige Armeegebiet. Diese Spione suchen erfahrungsgemäß gern in Feodosia Unterschlupf. Für die Durchkämmung des Stadtgebietes war ausserdem mitbestimmend, dass viele arbeitsfähige Leute sich nicht zum Arbeitseinsatz meldeten und die Aufbauarbeit des Ortskommandanten sabotierten. Planung der Aktion: Da die verfügbaren Kräfte für eine Gesamtaktion nicht ausreichten, wurde das Gebiet in 4 Bezirke eingeteilt, die zu verschiedenen Zeiten durchkämmt werden sollten. Für die Durchkämmung selbst war folgendes festgelegt: Der äussere Gürtel eines jeden Bezirkes wird in den Morgenstunden schlagartig von Wehrmachtseinheiten abgesperrt. An allen grösseren Strassen innerhalb des zu durchkämmenden Bezirkes werden Wehrmachtsteile aufgestellt, die zu verhindern haben, dass Personen aus noch nicht durchsuchten Stadtteilen in durchsuchte Wohnviertel hinüberwechseln und umgekehrt. Der zu durchsuchende Bezirk selbst wird dann von einer grösseren Anzahl von Fahndungstrupps durchsucht. Zu diesem Zwecke wird jedem Fahndungstrupp ein bestimmter

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Stadtteil, bestehend aus mehreren Häuserblocks, zugewiesen. Da die Fahndungstrupps schlagartig mit der Durchkämmung zu beginnen haben, wird damit gerechnet, dass alle anwesenden Personen erfasst werden. Alle angetroffenen Leute sind dann vom Fahndungstrupp zu überprüfen und folgende Personen zunächst festzunehmen: Wehrfähige Männer ohne Arbeit, Zivilpersonen ohne Ausweispapiere, Personen, die sich bei der Bürgermeisterei noch nicht registrieren liessen, Wehrmachtsangehörige ohne Ausweis. Die Festgenommenen sind sofort körperlich zu durchsuchen und sodann zu einem Sammelplatz zu verbringen. Der Fahndungstrupp ist weiter verpflichtet, die ihm zugewiesenen Häuser und dgl. nach Waffen, Hamster- und Plünderwaren zu durchsuchen und evtl. vorgefundene Sachen sicherzustellen. Jeder Fahndungstrupp besteht aus einem Fahndungstruppführer, der jeweils aus den Reihen der Angehörigen des Kommandos der Sipo und des SD bestimmt wird, aus einem Feldgendarmen, einem Milizmann und ca. 10 Wehrmachtsangehörigen. Der als Fahndungstruppführer bestimmte Kommandoangehörige ist für die Durchführung der Durchkämmung persönlich verantwortlich. Die ihm zugeteilten Männer haben seinen Anordnungen unbedingt Folge zu leisten. Der Fahndungstruppführer ist verpflichtet, besondere Vorfälle sofort dem Sonderkommando zu melden. Nach Beendigung der Durchsuchung hat sich der Fahndungstrupp sofort beim S.Kdo. zu melden. Da der von der Wehrmacht abgesperrte Bezirk räumlich ziemlich ausgedehnt ist und um den Fahndungstrupps den oft sehr weiten Transportweg der Gefangenen zur Dienststelle zu ersparen, wird ein Sammelplatz errichtet, der so gewählt wird, dass er möglichst in der Mitte des abgesperrten Bezirks liegt. Zu diesem Platze werden von den einzelnen Fahndungstrupps die Festgenommenen laufend angeliefert. Wenn ein grösserer Trupp von Arrestanten am Sammelplatz zusammengekommen ist, wird dieser zur Dienststelle der Kdos. d. Sipo zur weiteren Überprüfung gebracht. Der Sammelplatz wird durch eigens bestimmte Wehrmachtsangehörige (ca. 30 Mann) gesichert, die auch die Begleitmannschaften für die Gefangenentransporte vom Sammelplatz zur Dienststelle stellen. Ein Wehrmachtsangehöriger wird als Führer des Sammelplatzes bestimmt. Die vom Sammelplatz zur Dienststelle verbrachten Festgenommenen werden hier erneut von Kommandoangehörigen (SS-Unterführern), die als Prüfer eingesetzt werden, überprüft. Die endgültige Entscheidung darüber, was mit den Festgenommenen zu geschehen hat, fällt sodann nach Vortrag des Prüfers der Kommandoführer. Wenn alle Fahndungstruppführer mit der Durchkämmung fertig sind, wird die Beendigung der Absperrung den Absperrmannschaften durch 3 weisse Leuchtkugeln angezeigt. Durchführung der Aktion: Am Vortage der einzelnen Aktionen fand im engsten Einvernehmen mit dem Truppenkommandanten von Feodosia eine Besprechung mit den Einheitsführern der Absperrmannschaften statt. Dabei wurden die Aufgaben der Absperrmannschaften genau besprochen und an Hand eines Stadtplanes jeder Einheit die ihr zugeteilte Absperrungslinie bekanntgegeben. Zur leichteren Unterrichtung der Absperrungsmannschaften wurde jedem Einheitsführer eine Anzahl der „Merkblätter für Absperrmannschaften“ ausgehändigt. Diese sollten an die Unterführer verteilt werden. Anschliessend an diese Besprechung fand eine Schulung und genaue Einweisung der Fahndungstruppführer statt. Um diesen später bei der Aktion das Arbeiten zu erleichtern, wurde ihnen am Schluss der Schulung ein „Merkblatt für Fahndungstrupps“ ausgehändigt. Den Fahndungstruppführern wurde zur Pflicht gemacht, am Tage der Aktion vor Beginn ihre Leute selbst zu schulen. Im Anschluss an diese Schulung wurden noch die als Prüfer eingeteilten SS-Unterführer eingehend für diesen Zweck eingewiesen. Für die erste Razzia standen für die Absperrung und Durchkämmung rund 380 Soldaten

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zur Verfügung. Durch die Fahndungstrupps wurden 351 Personen festgenommen und über den Sammelplatz zur Dienststelle verbracht. Von diesen Personen wurden 64 arbeitsund wehrfähige Männer dem Kriegsgefangenenlager in Feodosia überwiesen, weil sie sich ohne Arbeit in der Stadt herumtrieben. 13 Personen, darunter 4 Frauen, wurden in das Gefängnis eingeliefert, der Rest am gleichen Tage wieder entlassen. Von den festgenommenen 13 Personen waren: 4 Juden, davon 2 mit gefälschten Pässen (angebl. selbst gef.), 3 Jüdinnen, davon 2 mit gefälschten Pässen (angebl. v. Ehemann gef.), 1 Partisan, 1 NKWD-Angehöriger, 1 Mann, der Partisanen verborgen hielt, 1 Frau, die Partisanen verborgen hielt und pflegte, 1 Angehöriger der komm. Partei, der keine Arbeit annahm, 1 Mann, der bei der Besetzung von Feodosia als Zivilist deutsche Soldaten ermordet und ausgeplündert hatte und nach dem bereits gefahndet wurde. Sämtliche 13 Personen wurden später exekutiert; der Mann, der die Soldaten ermordet hatte, wurde am Marktplatz öffentlich erhängt. Bei der Razzia konnte eine Menge verschiedenster Wehrmachts- und Hamstergüter sichergestellt werden. Um 18.30 Uhr war die Aktion beendet. Für die 2. Razzia waren vom Truppenkommandanten ca. 360 Wehrmachtsangehörige zur Verfügung gestellt worden. 447 Personen wurden festgenommen und den Prüfern zur eingehenden Ermittlung überstellt. 57 Personen, alles wehr- und arbeitsfähige Männer, wurden, da ohne jede Arbeit, dem Kriegsgefangenenlager überstellt. 15 Personen, darunter 5 Frauen, wurden zur besonderen weiteren Behandlung in das Gefängnis eingeliefert. Alle übrigen Verhafteten konnten am gleichen Tage wieder entlassen werden. Die 15 Personen setzten sich zusammen aus: 6 Juden, davon 3 mit von dem NKWD gefälschten Pässen, 3 Jüdinnen, 1 Frau, die Wehrmachtsgüter in grösserem Umfange geplündert hatte, 1 Oberleutnant der russischen Armee in Zivil (versprengt, vermutlich jedoch Partisan), 2 Angehörige des NKWD, 1 Spionin, 19 Jahre, die mit Feindaufträgen durch die Front gekommen war. Nach ihr wurde bereits seit einigen Tagen gefahndet. 1 Angehöriger der kommunistischen Partei, der früher sehr aktiv war und jetzt die Arbeit verweigerte. Alle 15 Personen wurden nach eingehendem Verhör erschossen. Auch bei dieser Razzia konnten verschiedene Wehrmachts-, Hamster- und Plünderwaren beschlagnahmt werden. Um 17 Uhr war die Aktion, die um 8 Uhr begonnen hatte, beendet. Auch die 3. Razzia begann um 8 Uhr. An Wehrmachtsangehörigen standen rund 350 Mann zur Verfügung. Bei dieser Aktion wurden 257 Personen den Prüfern zugeführt. Hiervon wurden 23 arbeits- und wehrfähige Männer, die ohne Arbeit waren, dem Gefangenenlager überstellt. 17 Personen wurden ins Gefängnis verbracht, der Rest am gleichen Tage wieder entlassen. Von diesen 17 Personen waren: 3 Juden, 3 Angehörige des NKWD, 8 Jüdinnen und Kinder, 2 Männer, die geplündert hatten, 1 Politruk (in Zivilkleidung – versprengt). Von diesen 17 Personen sind später 15 exekutiert worden. 2 wurden wieder entlassen, da die Plünderung nicht nachweisbar war. Wiederum wurden verschiedene Mengen von Hamster- und Plündererwaren sichergestellt. Diese Razzia war um 16 Uhr beendet. Bei der 4. Razzia, zu der 350 Wehrmachtsangehörige abgestellt waren, wurden 54 Personen den Prüfern zugeführt. 11 Männer davon wurden als arbeitslos dem Gefangenenlager überwiesen. 7 Personen wurden ins Gefängnis eingeliefert und zwar: 3 Juden, 3 Kommunisten und Arbeitsverweigerer, 1 führender Angehöriger des NKWD. Sämtliche 7 Personen wurden nach eingehenden Verhören später hingerichtet. Bei dieser Aktion, die bereits um 13 Uhr beendet war, konnte nur geringes Hamstergut sichergestellt werden. Damit war die Durchkämmung der Stadt Feodosia abgeschlossen. Das Ergebnis kann, im grossen gesehen, als zufriedenstellend bezeichnet werden.

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Erfahrungen: Infolge der systematischen Durchkämmung sind praktisch die Häuser der ganzen Stadt durchsucht und alle Personen überprüft. Die unzuverlässigen Elemente wurden aus der Stadt herausgezogen und unschädlich gemacht. Dadurch erhöht sich die Sicherheit in der Stadt bedeutend. Für den Fall eines plötzlichen Angriffs auf die Stadt durch die Sowjets ist dadurch der deutschen Truppenführung eine grössere Rückenfreiheit gewährleistet. Auch im erzieherischen Sinne hat sich die Durchkämmung günstig auf die Bevölkerung der Stadt ausgewirkt. Bei der letzten Razzia konnte bereits einwandfrei festgestellt werden, dass sich die arbeitsfähige Bevölkerung durchweg seit den ersten Aktionen um Arbeit bemüht hatte. Der Ortskommandant kann daher in viel grösserem Umfange als vorher an Aufbauarbeiten herangehen. Der Truppenkommandant von Feodosia, der für die Verteidigung der Stadt verantwortlich ist, sprach sich sehr lobend über den Erfolg der Razzien aus. Das zuständige Generalkommando hat in einem Befehl an die ihm unterstellten Einheiten angeordnet, dass nun alle im Gefechtsstreifen liegenden Ortschaften zu durchkämmen sind, wobei die Aufnahme der Verbindung und die Zusammenarbeit mit der Sipo und dem SD vom Generalkommando verlangt wird. BAB, R 58/221 1 Fritz Sauckel, geb. 1894, Ingenieur, 1933 MdR u. Reichsstatthalter in Thüringen, 1942 Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz, 1946 im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozeß zum Tod verurteilt u. hingerichtet. 2 Seitdem kamen Razzien in Form von Menschenjagden immer mehr in Mode. Auch die Partisanenbekämpfung wurde sukzessive dem Prinzip der Arbeitskräftebeschaffung untergeordnet.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A l – 1 B/41 g.Rs.

Berlin, den 21. April 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

75 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 194 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 21. April 1942. Die mit Ereignismeldung UdSSR Nr. 191 vom 10. 4. 1942 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. In mehrtägiger, durch schwierigste Wetterlage beeinflusster Aktion ist es gelungen, eine Rekrutierungszentrale der Roten Armee im rückwärtigen Armeegebiet bei Panova, 15 km westlich Nasswa, auszuheben. Nach starker Gegenwehr wurden 8 Personen, darunter 2 Frauen, gefangengenommen und überführt. Die ausgehobene Zentrale hat seit Wochen Rekrutierungen von jungen Bauern für die Rote Armee durchgeführt und die Angeworbenen nachts über die Partisanendörfer zu den roten Truppen gebracht. Als Hauptbeteiligter der Zentrale wird ein gewisser Kolja genannt. Kolja, der vermutlich Offizier der Roten Armee war, wurde bei einem Fluchtversuch erschossen. Einzelmeldungen: Estland: In Revaler Bevölkerungskreisen wird die Reise des Chefs der estnischen Selbstverwaltung und des Wirtschaftsinspektors nach Berlin mit einer erwarteten Besserung der Ernährungslage in Zusammenhang gebracht. In verschiedenen Kreisen

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der estnischen Bevölkerung wird immer häufiger über die Stellung Schwedens zu den augenblicklichen kriegerischen Auseinandersetzungen gesprochen. Zum Teil werden Hoffnungen auf eine Mithilfe Schwedens bei einer kommenden Neuregelung des baltischen Raumes gesetzt. So wird geäussert, dass beim Vorrücken der deutschen Front in innerrussische Gebiete hinein für Estland die richtige Zeit gekommen wäre, sich mit Schweden in Verbindung zu setzen, um mit seiner Hilfe die Selbständigkeit zu gewinnen. Ein Gerücht besagt, dass England sich mit Schweden dahingehend geeinigt hätte, in Schweden Truppen zu stationieren, um von dort eine neue Angriffsbasis gegen Deutschland zu bilden. Auch werde dann von Schweden aus die Verbindung nach Russland aufgenommen. Als Gegenmaßnahmen deutscherseits seien angeblich auch schon deutsche Truppen bestimmt, die Finnlands Küste bewachen sollen. Die durch das warme Wetter bedingte Tauperiode der letzten Tage und die damit verbundene Nässe der Strassen hat zu mehrfachen Klagen der Bevölkerung über die schwierige Lage der Schuh- und Lederversorgung geführt. Am 11. 4. wurden in der Nähe von Wesenberg Flugblätter in estnischer und russischer Sprache gefunden, die am 5. 4. nachts von russischen Flugzeugen in Paketen gebündelt abgeworfen worden sein sollen. Die Flugblätter wurden sichergestellt. Lettland: Aus den bisherigen Vernehmungen über die Tätigkeit der illegalen kommunistischen Organisation in Riga bzw. über deren Aufgaben konnte folgendes festgestellt werden: Attentatspläne gegen führende lettische und reichsdeutsche Persönlichkeiten kommunistische Agitation durch Mund- und Flugblattpropaganda, Vorbereitungen für Sabotageakte wie z. B. Sprengung des Rigaer Elektrizitätswerkes in Kegum, Brückensprengungen, Sprengung von Bahnanlagen und heereswichtiger Betriebe, Hilfeleistung für entwichene russische Kriegsgefangene durch Eingliederung in die Partisanenbewegung oder Rücktransport zu den russischen Linien, Waffen- und Munitionsbeschaffung, Fühlungnahme und Unterstützung von Fallschirmspringern. Litauen: Am 11. 4. wurden in einer Scheune im Dorfe Aluwe, Gebiet Wilna-Land, 2 bewaffnete Kommunisten ausgehoben. Die Scheune musste in Brand gesteckt werden. Bei dem stattgefundenen Feuergefecht wurde ein litauischer Schutzmann getötet und ein Wachtmeister der deutschen Gendarmerie sowie ein litauischer Schutzmann verwundet. Weißruthenien: Am 12. 4. wurde im Bereich des Gebietskommissariats Minsk-Land und damit auch des Generalkommissariats die dritte volksdeutsche Schule eingeweiht. Die Schule wird von 20 Kindern besucht. Der Vertreter des Generalkommissars äusserte bei seiner Einweihungsrede, dass auch die Frage des Landbesitzes bald geregelt sein werde. Volksdeutsche würden geschlossen in Dörfern angesiedelt werden. Einsatzgruppe B: Standort Smolensk. Allgemeine Lage: Die andauernden, aber erfolgreichen Abwehrkämpfe an der mittleren Front haben die allgemeine Lage und Stimmung der Bevölkerung auch weiterhin günstig beeinflusst. Die Möglichkeiten eines bolschewistischen Sieges werden nach Ansicht der Bevölkerung mit nachlassender Kälte immer geringer. Das Anrücken neuer Truppenteile verstärkt die Hoffnung auf den baldigen Beginn der deutschen Frühjahrsoffensive. Die Haltung der Bevölkerung gegenüber den Deutschen hat sich grundsätzlich nicht geändert. Von geringfügigen Ausnahmen abgesehen vertrauen die Menschen nach wie vor den Deutschen und erwarten baldige Besserung ihrer Lage. Dagegen wirkt sich die Tätigkeit der Partisanen, die sich in letzter Zeit erheblich verstärkt hat, auf die allgemeine Stimmung nachteilig aus. Weite Gebiete des bisher besetzten Raumes sind von Partisanen verseucht bzw. werden von diesen beherrscht. Kleinere deutsche Einheiten oder gar Ein-

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zelpersonen dürfen unter keinen Umständen die von Partisanen besetzten Gebiete betreten; andernfalls laufen sie Gefahr, restlos niedergemacht zu werden. Selbstverständlich ist es auch nicht möglich, diese Gebiete propagandistisch oder wirtschaftlich zu erfassen, insbesondere die dort wohnende Bevölkerung mit dem neuen Agrargesetz bekannt zu machen, geschweige denn es zur Anwendung zu bringen.1 Es besteht somit die Gefahr, dass die von Partisanen besetzten Gebiete einmal für die Frühjahrsbestellung nicht herangezogen werden können, zum anderen aber der gesamte Viehbestand sowie sämtliche Lebensmittel- und Saatvorräte an die Partisanen verloren gehen. Die Bevölkerung in den von deutschen Truppen besetzten Räumen ist über die Tätigkeit der Partisanen weitgehend unterrichtet. Diese Tatsache beeinflusst selbstverständlich die Stimmung wesentlich, zumal die Bevölkerung nicht versteht, warum seitens der deutschen Wehrmacht nicht entsprechende Maßnahmen zur Beseitigung dieser Gefahr ergriffen werden. In der Bevölkerung wird sehr oft behauptet, dass die Deutschen die Partisanengefahr unterschätzen, zum andern aber wird die Tatsache, dass nichts unternommen wird, als Schwäche ausgelegt. Festgestellt wurde ferner, dass die Feindpropaganda durch die Partisanen tatkräftig unterstützt bzw. von diesen selbst betrieben und teilweise von der Bevölkerung in den jeweiligen Gebieten willig aufgenommen wird, insbesondere deshalb, weil die deutsche Propaganda völlig fehlt. Feindpropaganda: Die Feindpropaganda ist nach wie vor insbesondere mit Flugzettel- und Flüsterpropaganda sehr aktiv. Die schlechte Versorgungslage und die starke Tätigkeit der Partisanen erleichtern der gegnerischen Propaganda ihre Arbeit. Der bedingte Stillstand der militärischen Operationen deutscherseits und die fortgesetzte Aktivität russischerseits lassen die Propaganda verschiedenartig wirken. Ein Teil der Bevölkerung nimmt die Hetzschriften zur Kenntnis und legt sie beiseite, während ein anderer Teil interessiert die Flugblätter liest und sich in wahllosen Kombinationen verliert. Entscheidende Auswirkungen der sowjet. Propaganda waren bisher nicht festzustellen. Flugblätter in deutscher Sprache werden in immer grösser werdender Vielgestaltigkeit vom Feinde verbreitet. Neben Aufrufen, die Waffen niederzulegen und sich in Gefangenschaft zu begeben, werden auch Texte von Reden, illustrierte Zeitungen und Postkarten abgeworfen. Meldungen „Was geht in Deutschland vor“ geben die üblichen Greuelberichte über die angeblich schlechte Ernährungslage im Reich, das Fehlen von Treibstoffen, die Verhaftung von Generälen und das grauenvolle Los der Witwen und Waisenkinder. Neben dieser Schriftpropaganda nimmt die Flüsterpropaganda den weitaus grössten Raum ein. Es werden die wahnwitzigsten und unglaublichsten Gerüchte verbreitet mit dem Ziel, die russ. Bevölkerung in steter Unruhe zu halten und den deutschen Aufbau zu stören. Die Verbreitung der Ansicht, dass die Deutschen nicht mehr in der Lage seien, eine Offensive durchzuführen, und dass dagegen eine neue Offensive der Sowjets nahe bevorstände, dass der General „Morast“ sämtliche deutschen Anstrengungen zunichte macht und dass, sobald die Wälder wieder grün sind, die Partisanen zum neuen glorreichen Kampf bereitständen, ist keine Seltenheit. Die erfolgte Verordnung über die Rückführung der Kriegsgefangenen in die Kriegsgefangenenlager hat zu einer Beunruhigung geführt. Wie berichtet wird, ist ein Teil der Kriegsgefangenen in die Wälder gegangen, um nicht, wie gerüchtweise durch Partisanenpropaganda verlautet, erschossen oder nach Afrika gebracht zu werden. Deutsche Propaganda: Die deutsche Propaganda ist in der Berichtszeit von zwei Ereignissen getragen worden, die sich gut ausgewirkt haben. Die Ankündigung der Aufteilung der Kolchosen gab der Propaganda breiten Raum zur Entfaltung. Der geplante Arbeitseinsatz im Reich und die damit verbundene Propaganda hat mit einzelnen Ausnahmen

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gleichfalls guten Anklang gefunden. Wenn auch die Propagandawelle zur Agrarordnung langsam und schleppend anlief, so kann doch aus allen Bereichen festgestellt werden, dass sehr geschickt und ausführlich zu den einzelnen Fragen Stellung genommen wurde. Die Werbeaktionen für den Arbeitseinsatz in Deutschland sind auf breiter Basis eingeleitet und haben gute Erfolge gezeitigt. Bei der Durchführung der Werbeaktion und der bestehenden Anordnungen sind verschiedentlich Schwierigkeiten aufgetreten, die unter Umständen eine derartige Aktion zum Scheitern bringen. Grundsätzlich muss jedoch immer wieder festgestellt werden, dass von einer propagandistisch wirksamen Erfassung des Landes überhaupt keine Rede sein kann und auch in den Städten auf diesem Gebiet noch viel zu tun ist. Selbstverständlich verhindern auf dem Lande teils die Wegeverhältnisse die Durchführung propagandistischer Maßnahmen weitgehend. Für eine wirksame deutsche Propaganda muss erst der Boden bereitet werden. Die Eröffnung von Kinosälen, die Vorführung von Unterhaltungsfilmen müssen die Stimmung der Bevölkerung laufend auflockern, sie auf diese Art und Weise von ihrem eigenen Elend ablenken und ihnen eine Vorstellung von Deutschland geben. Diese Erkenntnis fordert die Zurverfügungstellung von Räumen für diesen Zweck. Die Verbreitung des Drahtrundfunks sowie der Presse muss gesteigert und die Landbevölkerung über aktuelle landwirtschaftliche Fragen besonders in Form von praktischen Ratschlägen für den Bauern interessiert und aufgeklärt werden. In diesem Zusammenhang wird die bildliche Darstellung irgendwelcher Anordnungen propagandistisch wesentlich mehr Erfolg versprechen als die gewöhnliche Gesetzessprache und Schriftenmaterial. Die kleinliche Behandlung und Anwendung dieser wohl wirksamsten deutschen Propaganda hat dazu geführt, dass sämtliche Möglichkeiten bei weitem nicht ausgenutzt sind. Volkstumsfragen: Die Zahl der Volksdeutschen in dem von der Einsatzgruppe B besetzten Gebiet beläuft sich auf 1506 bei einer Bevölkerung von insgesamt 4 695 938 (ausser den erfassten Partisanengebieten). Hiervon sind in den Bereichen der Standort- bzw. Feldkommandanturen ansässig: Im Bezirk der Standortkommandantur Smolensk 116 Volksdeutsche, im Bezirk der Feldkommandantur 181 Lepel 27 Volksdeutsche, im Bezirk der FK 789 Polozk – Volksdeutsche, im Bezirk der FK 815 Witebsk 247 Volksdeutsche, im Bezirk Kampfgebiet – Volksdeutsche, im Bezirk der Standortkommandantur Roslawl 44 Volksdeutsche, im Bezirk der FK 813 Mogilew 136 Volksdeutsche, im Bezirk der FK 683 Orscha 179 Volksdeutsche, im Bezirk der FK 244 Borissow 272 Volksdeutsche, im Bezirk der FK 581 Bobruisk 274 Volksdeutsche, im Bezirk der StOK Gomel 89 Volksdeutsche, im Bezirk der FK 549 Klimowitschi 26 Volksdeutsche, im Bezirk der FK 528 Klinzy 96 Volksdeutsche, im Bezirk der FK 184 Brjansk – Volksdeutsche. Von geschlossenen Volksgruppen kann nicht gesprochen werden. Wie festgestellt wurde, haben sich die Volksdeutschen in den verschiedenen Gebieten, so im Rayon Mogilew, vor dem Weltkriege nur zweimal im Jahr getroffen, um kirchliche Veranstaltungen abzuhalten. Zur Zeit der Sowjets mussten diese Zusammenkünfte unterbleiben, und erst jetzt werden Maßnahmen getroffen, um die Volksdeutschen der einzelnen Gebiete zusammenzufassen und zu betreuen. Ein Teil dieser Volksdeutschen ist bei deutschen Dienststellen, soweit sie die deutsche Sprache beherrschen, als Dolmetscher untergekommen bzw. verrichten sie ihrem Beruf entsprechend andere Arbeit. Der Bürgermeister von Borissow, der zugleich Vorsitzender des weissruthenischen Kulturvereins ist, Dr. Stanislaus Stankiewitsch, bemüht sich um Zusammenfassung der weissruthenischen Volksgruppe im gesamten Raum. Die Fragen, die ihn bewegen, sind die Stellungnahme zum weissruthenischen Sprachgebiet und zum von Weissruthenen be-

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wohnten Territorium sowie zur weissruthenischen Sprache, ihre Erhaltung und Anwendung. Ausgehend von dem vom weissruth. Volk in geschlossener Masse bewohnten Gebiet ist nach seiner Ansicht und seiner historischen Beweisführung der den Weissruthenen zustehende Raum grösser als das ehemalige Gebiet der Weissruthenischen Sowjetrepublik. Stankiewitsch legt in seiner Ausführung die Grenzen des weissruth. Raumes mit etwa 350 000 qkm fest und spricht von über 1 400 0000 Weissruthenen. Sie wohnen auf diesem Gebiet in geschlossener Masse und betragen seiner Berechnung nach 70–80 % der Gesamtbevölkerung. Als kleines, wenn auch nicht allgemein zu wertendes Beispiel wird die vor einem Monat im Borissower Gebiet durchgeführte Volkszählung angeführt. Obwohl sich in diesem Gebiet ein ganz beachtlicher Teil von Kriegsflüchtlingen befindet, zählen die Weissruthenen 91,7 % der Gesamtbevölkerung. Ein höherer Prozentsatz von Nichtweissruthenen ist in Wilna, in Grodno und in anderen Städten zu finden. Hier wohnen teils Polen, die sich meistens aus ehemaligen polnischen Beamten und sonstigen zuströmenden Elementen zusammensetzen. Auch in den Städten Polozk, Witebsk, Newel, Welish und Smolensk ist die gleiche Erscheinung festzustellen. Die ethnographische Grenze zwischen den Weissruthenen einerseits und den angrenzenden Volksgruppen andererseits ist allgemein klar und einheitlich. Die Beweisführung Stankiewitschs läuft darauf hinaus, den deutschen Behörden einen möglichst grossen von Weissruthenen bewohnten Raum einzureden, in dem schon von jeher weissruthenische Sprache und Brauchtum sowie Kulturgüter gepflegt und gehegt wurden. Auch hier wird also schon jetzt vorgearbeitet, um, wenn vielleicht auch erst nach dem Kriege, beim Reich den Anspruch auf eine Eigenstaatlichkeit Weissrutheniens anmelden zu können. Kirchenfragen: Durch die eingetretene Beunruhigung der Lage hat das Kirchenleben in der Stadt Witebsk wieder einen beachtlichen Aufschwung genommen. Der innere organisatorische Ausbau der griechisch-orthodoxen Kirche schreitet fort. Am 8. 3. 42 ernannte der Metropolit Bandelenen aus Minsk den Priester Afanasi Mortos zum Bischof von Witebsk und Polozk. Neben der altgriechisch-orthodoxen Kirche bestehen in Witebsk noch zwei Gemeinden der altgläubigen Kirche. Jede Gemeinde ist im Besitz eines Bethauses und wird durch einen Geistlichen betreut. Die Gläubigenzahl liegt zwischen 60 und 100 Personen. Wie durch verschiedene Mitteilungen bekannt wurde, herrscht bei den Weissruthenen katholischer Konfession im Westen des Gebietes Witebsk, besonders in Drissa, Lepel und Uschatschi, durch das kirchliche Betätigungsverbot Unzufriedenheit. Es handelt sich nach Angaben des weissruth. Bürgermeisters um etwa 20 000 durch ihren Katholizismus stark polonisierte Weissruthenen, die angeblich weissruthenisch sprechen. Es dürfte sich dabei durchweg um ältere Leute handeln, die ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen, da bei der Jugend bisher noch keine Neigung zum Katholizismus festgestellt wurde. In Ordshonikidsegrad hat ein Beauftragter der evangelisch-christlichen Baptistengemeinde Matuchin um die Eröffnung eines eigenen Bethauses nachgesucht. Sein Antrag wurde abgelehnt, worauf Matuchin in unbekannter Richtung verzogen ist. Auch die deutschen Geistlichen entfalten z. Zt. eine beachtliche Propaganda bei den Soldaten des hiesigen Gebietes. So konnte ein im Vervielfältigungsverfahren hergestelltes dreiseitiges „Kirchenamtliches Mitteilungsblatt“ des bischöflichen Ordinariats Rottenburg v. 2. 2. 42 erfasst werden, das an alle Seelsorgerstellen der dortigen Diözese gerichtet war. Aufsehen erregte ferner ein Artikel im Frontnachrichtenblatt der Panzerarmee „Das Neueste“ v. 14. 3. 42 unter dem Titel „Niedertracht an unserem Fliegerhelden Mölders“. Es wurde in verschiedenen Teilen des Reiches, so wird in diesem Artikel ausgeführt, ein Brief verbreitet, den Mölders angeblich kurz vor seinem Tode an den kathol. Probst von

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Stettin gerichtet haben soll. Dieser Brief sei eine Fälschung und seine Verbreitung werde streng bestraft. Es wurde festgestellt, dass im hiesigen Armeebereich der Obergefreite Gotschin, im Beruf Pfarrer, an als Offiziere und Soldaten diensttuende Pfarrer diesen Brief verbreitet hatte. Gotschin hat den Text des Briefes von einem Pfarrer Rüter aus Dönhofstädt, Kreis Rastenburg i.Pr., erhalten. Eine kriegsgerichtliche Untersuchung führte zur Festnahme des G. und eines Leutnants Sporleder. Regelmäßige Zusammenkünfte der Pfarrer und ihre Reden an die Soldaten sollen geeignet gewesen sein, das Vertrauen zur Führung zu untergraben. Ernährungslage: Allgemein ist festzustellen, dass die Ernährungslage in allen Gebieten äusserst angespannt ist und die Bevölkerung von der Hand in den Mund lebt. Die vorhandenen Vorräte sind erschöpft und die noch zum Markt kommenden Lebensmittel und Landesprodukte trotz amtlicher Festpreise unerschwinglich teuer. Der Schleichhandel und Wucher nehmen deshalb immer krassere Formen an. So wurden z. B. unter der Hand für 1 l Brennspiritus 150 Rubel bezahlt. Der Tauschhandel gibt immer noch dem Marktleben ein starkes Gepräge. Es ist für viele die einzige Möglichkeit, in den Besitz von Mangelware zu kommen. Landwirtschaft: Inzwischen sind weitere Stimmen zur Agrarordnung bekannt geworden, die bestätigen, dass die Agrarordnung übereinstimmend gut aufgenommen wurde und die Bevölkerung über diese Regelung erfreut ist. Auf die Stimmung der Landbevölkerung hat die Ankündigung der vorgesehenen Neuaufteilung der Kolchosen sehr belebend gewirkt und die durch die rücksichtslosen Requirierungen stellenweise deutschfeindliche Einstellung stark eingeschränkt. Die günstige Aufnahme der Maßnahmen hat ihren Niederschlag in geschlossenen Dankschreiben der Bauern aus den verschiedensten Gegenden gefunden. In den gefährdeten Partisanengebieten ist man der Ansicht, dass der russ. Bauer, wenn er erst wieder Besitzer seines Bodens ist, jede Handbreit seines Bodens verteidigen wird. Der verantwortliche Wirtschaftsführer des Gebietes Witebsk hat den zuständigen Berliner Stellen Vorschläge unterbreitet, die eine weitgehendere Landaufteilung ermöglichen, als sie ursprünglich in der Agrarordnung vorgesehen war. Sie wurden berücksichtigt und im rückw. Heeresgebiet Mitte wird nach diesen Vorschlägen nunmehr gearbeitet. Der Mangel an Saatgut wird nach Ansicht deutscher Dienststellen jetzt weitgehend behoben werden können, da die Kolchosbauern nach dieser Regelung ihre versteckten Bestände für die Aussaat verwenden werden, weil sie später einen grösseren persönlichen Nutzen erwarten. Die Arbeit der Wikos ist besonders darauf abgestellt, Traktoren herbeizuschaffen bzw. instandzusetzen, um das Fehlen von Zugvieh auszugleichen. Schmiedewerkstätten werden zur Herstellung von Ackerpflügen herangezogen. In den verschiedenen Bezirken wurden je nach Lage von den Rayonbürgermeistern Vorschläge eingebracht, die darauf abzielten, vor allen Dingen eine Produktionssteigerung zu erreichen. Die Kolchosenverwalter werden in den Versammlungen laufend geschult und über die zeitlich anfallenden Fragen beraten. Die Lockerung und großzügige Handhabung der Agrarordnung verspricht nach bisher gemachten Beobachtungen einen grösseren Erfolg, als wenn sie in der alten Fassung zur Anwendung gekommen wäre. Arbeits- und Sozialwesen: Die Werbetätigkeit für den Arbeitseinsatz nach Deutschland ist im gesamten Bereich angelaufen. Der Rayon Mogilew hatte ein Soll von 1700 Arbeitern zu stellen. Das Arbeitsamt schätzt jedoch die Meldezahl auf ca. 700 Personen, so dass der verbleibende Rest ausgehoben werden muss. Der erste Transport von 134 Männern und Frauen ist nach Deutschland abgegangen. Von dem vorgeschriebenen Soll von 300 Personen pro Woche fehlen somit bei der ersten Vermittlung bereits 166 Arbeitskräfte.

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Nr. 12: Transport des schwerverletzten Stahlecker nach Gefecht mit Partisanen März 1942

Die im Bezirk Brjansk bereits durchgeführten Aushebungen unter Druck haben eine erhebliche Beunruhigung hervorgerufen. Nach Vorstellungen seitens des SK und Ic des Korück hat das Arbeitsamt weitere zwangsweise Aushebungen nicht mehr vorgenommen. Der erste Transport umfasste 300 Personen aus Brjansk, 400 aus Ordshonikidsegrad und 250 aus dem Dulag. Das Arbeitsamt in Witebsk vermittelte gleichfalls seinen ersten Transport mit 700 Freiwilligen nach Deutschland. Es liegen bereits über 1200 Neuanmeldungen vor, von denen 900 Freiwillige am 1. April in Marsch gesetzt werden sollten. Witebsk und Umgebung soll weitere 2500 Arbeitskräfte stellen. Die durchgeführte Propaganda lässt darauf schliessen, dass diese Zahl noch überschritten wird. Für die Arbeiter, die ihre Familien zurücklassen, werden Richtlinien ausgearbeitet, wie ihre Angehörigen abzufinden sind. Aus dem Gebiet der Wirtschaftsinspektion Witebsk ist bis Ende April die Werbung von weiteren 25 000 Arbeitern, 1/3 Männern, 2/3 Frauen, geplant. In Newel und Lepel sind gleichfalls umfassende Werbeaktionen beabsichtigt. Das Polozker Arbeitsamt ist gleichfalls in der Anwerbung von Arbeitskräften sehr erfolgreich gewesen. Roslawl meldet einen geringen Erfolg der bisherigen Anwerbungsaktion. Wenn auch der Mangel an Arbeitskräften im Reich in den kommenden Wochen und Monaten eine weitere Anwerbung von Kräften notwendig machen wird, darf dabei nicht übersehen werden, dass auch für die Aufbauarbeiten der besetzten Gebiete ein erhebliches Kontingent an Fachkräften erforderlich ist. Polizeiliche Tätigkeit: Die Tätigkeit der Einsatzgruppe B hat sich in der Berichtszeit noch mehr, als es bisher der Fall war, auf das Gebiet der Partisanenerkundung verlagert. 2 Wäh-

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Nr. 13: Der aufgebahrte tote Stahlecker

rend die Sicherheitslage in den grösseren Standorten der Kommandos als befriedigend bezeichnet werden kann, hält der Druck der Partisanen auf dem flachen Lande nicht nur an, sondern verstärkt sich, so dass in absehbarer Zeit mit der Möglichkeit grösserer Kampfhandlungen zu rechnen ist. Aus den eingehenden Meldungen und den durchgeführten Erkundungen ergibt sich, dass es sich bei den Partisanentrupps nicht allein um zusammengerottete Rotarmisten, die aus den Kesselschlachten des vorigen Jahres in den verschiedensten Gebieten entkommen sind, handelt oder um grössere Räuberbanden, die sich in den Wäldern versteckt halten, sondern um Einheiten, bestehend aus Rotarmisten, Kommunisten, Juden und Zwangsevakuierten. Von ihnen werden die in den Partisanenschulen erlernten Methoden systematisch in die Praxis umgesetzt, so dass man in einigen Arbeitsbereichen der Einsatzgruppe von einem regelrechten Partisanenkrieg nach bolschewistischer Methodik sprechen kann. Durch die unzähligen Überfälle, besonders nachts, ist die Dorfbevölkerung verängstigt und lebt in gedrückter Stimmung. Sie ist teilweise enttäuscht von der angeblich geringen Aktivität der deutschen Dienststellen in der Partisanenbekämpfung. In den bedrohten Dörfern findet sich bald niemand mehr bereit, irgendein Amt anzunehmen. Die Einwohner müssen untätig zusehen, wie Vieh und Lebensmittel von den Partisanen geplündert werden, da die Selbstverteidigung mangels ausreichender Bewaffnung die Abwehr der Überfälle einfach unmöglich macht. Es ist festgestellt worden, dass dort, wo Partisanen in geringer Stärke die Dorfbewohner bedrohen, sich die Bevölkerung energisch wehrt. Man darf ferner sagen, dass die Landbevölkerung im allgemeinen mit Freude den Kampf gegen die Partisanenplage aufnimmt und dabei

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gern auf Hilfe verzichtet, wenn die Vernichtung der Partisanen mit eigenen Kräften erzielt werden kann. Die Arbeit der Einsatzkommandos wird durch Anzeigen aus der russischen Bevölkerung weitgehend unterstützt. Die Ordnungsdienstmänner und die überall angesetzten V-Personen haben sich bei der Partisanenerkundung gut bewährt. Der Erfassung und Bekämpfung der noch aktiven Kommunisten wird nach wie vor besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Der OD ist angewiesen, aufgrund der zusammengestellten Listen auch auf dem Lande rührig gewesene Kommunisten festzunehmen und dieselben den Gefängnissen der Rayonstädte zuzuführen, wo dann die sicherheitspolizeiliche Überprüfung durchgeführt wird. Die Zahl der listenmäßig erfassten Kommunisten ist in der letzten Zeit erheblich gestiegen, was sich daraus erklärt, dass erst jetzt die Einzelmeldungen aus den Landgemeinden eintreffen. In der Zeit v. 6.–30. 3. 42 wurden im Bereich der Einsatzgruppe sonderbehandelt durch SK 7a 1657 Personen, darunter 27 wegen Zugehörigkeit zu Partisanengruppen und Mitgliedschaft zur ehem. KP, 45 Zigeuner, 1585 Juden; durch SK 7b 82 Personen, darunter 19 wegen Zusammenarbeit mit Partisanen, 22 wegen kommunistischer Propagandatätigkeit und erwiesener KP-Zugehörigkeit, 14 wegen hetzerischer Äusserungen, 27 Juden; durch SKM 52 Personen, darunter 41 Russen wegen Zugehörigkeit zu Partisanengruppen, 4 wegen Diebstahls bzw. Giftmordversuchs, 7 Juden; durch EK 8 1609 Personen, darunter 20 Russen wegen kommunistischer Umtriebe, Sabotage und NKWD-Zugehörigkeit, 5 Russen wegen Diebstahls, Einbruchs, Unterschlagung, 33 Zigeuner, 1551 Juden; durch EK 9 273 Personen, darunter 85 Russen wegen Zugehörigkeit zu Partisanengruppen, 18 wegen kommunistischer Wühlarbeit und krimineller Delikte, 170 Juden; durch Trupp Smolensk 60 Personen, darunter 29 Russen wegen Partisanenhilfeleistung, 13 wegen Diebstahls, Plünderungen, Agententätigkeit, Sabotage, 18 Juden.3 Von den Einsatzgruppen C und D liegen keine Meldungen vor. BAB, R 58/221 1 Damit hatte sich die Bewertung der EG B zur Partisanenlage binnen weniger Tage dramatisch verändert u. spiegelte erstmals die Realität vor allem in Weißrußland wider. In Teilen der Großregion hatten die Nationalsozialisten die Kontrolle in ländlichen Gebieten an die Partisanen verloren. Lediglich mit massiven Truppenkonzentrationen im Rahmen von Großunternehmen waren die Deutschen in der Lage, dort die Initiative wieder an sich zu reißen; vgl. Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 884 f.; Hasenclever: Wehrmacht und Besatzungspolitik in der Sowjetunion, S. 377–380. 2 Diese Tätigkeitsverlagerung entsprach voll u. ganz den zentralen Vorgaben; vgl. CdS an EG A v. 27. 4. 1942: Partisanenbekämpfung, BAL, B 162/Vorl. Dok.Slg. UdSSR 402. Allerdings deutet die Berichterstattung darauf hin, daß die EG B in das zwischen dem 26. 3. u. 6. 4. 1942 von der 707. Inf.Div., dem slowakischen Inf.Rgt. 102 sowie dem PB 315 ausgeführten Großunternehmen „Bamberg“ noch nicht intensiver involviert war; vgl. Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 885–893. 3 Auf welche Aktionen sich die hohe Zahl von Judenmorden durch SK 7a u. EK 8 bezieht, bleibt unklar.

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD IV A l – 1 B/41 g.Rs.

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Berlin, den 24. April 1942 [Stempel: Geheime Reichssache!]

75 Ausfertigungen, 51. Ausfertigung Ereignismeldung UdSSR Nr. 195 I. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Zeit: 24. April 1942. Die mit Ereignismeldung UdSSR Nr. 191 vom 10. 4. 1942 gemeldeten Standorte und Nachrichtenverbindungen sind unverändert geblieben. II. Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos: Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. Allgemeine Lage und Stimmung: Nachdem bereits seit Wochen in den breitesten Kreisen das Gerücht umlief, daß in Kürze eine Verfassung für die ehemaligen baltischen Staaten in Ausarbeitung sei, erfolgte am Donnerstag, den 19. 3. 1942, in den hiesigen Zeitungen die Veröffentlichung der Anordnung des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete über die Selbstverwaltung der 3 baltischen Gebiete, ohne daß dem Reichs- oder Generalkommissar vom Ostministerium hinsichtlich der Veröffentlichung Gelegenheit zur Stellungnahme über Zeitpunkt und Formulierung der Bekanntmachung gegeben worden war. Die Reaktion in der lettischen Öffentlichkeit war besonders am ersten Tage sehr positiv. Man sah in der Verordnung eine Bestätigung dafür, daß der Wirkungskreis der bisher noch vorhandenen einheimischen Behörden nicht weiter eingeschränkt, sondern eher erweitert werden soll. Am 20. 3. 42 haben auf Veranlassung des vorläufigen Generaldirektors für das Justizwesen, Valdmanis, sämtliche Generaldirektoren bis auf General Dankers ihr Rücktrittsgesuch beim Generalkommissar eingereicht. Der Generalkommissar betraute die bisherigen Generaldirektoren mit der Weiterführung der Geschäfte. Im Laufe des Tages erfolgte eine Besprechung des Generalkommissars mit Valdmanis, der die Absicht zu Grunde lag, diesen zum neuen Leiter des Generaldirektoriums für Inneres und Personalfragen an Stelle von General Dankers vorzuschlagen. Valdmanis war nach einigen Bedenken bereit, diese Stellung anzunehmen. Da der Generaldirektor für Inneres etwa die Stellung eines Ministerpräsidenten einnehmen soll, wäre der Einfluß Valdmanis’ in der lettischen Politik noch stärker geworden als bisher. Am Nachmittag des 20. 3. 42 fand beim Generalkommissar eine Hauptabteilungsleiterbesprechung, zu welcher der SS- und Polizeiführer und der Kommandeur der Sipo und des SD hinzugezogen wurden, statt, in der die Besetzung der Generaldirektorenposten geklärt werden sollte. Der Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD Lettland erhob Einspruch gegen die Ernennung von Valdmanis zum Generaldirektor des Inneren und gegen seinen Verbleib in der lettischen Selbstverwaltung überhaupt.1 Die Ablehnung erfolgte angesichts der bisherigen Tätigkeit des V., der sowohl zur Zeit der lettischen Selbständigkeit als auch durch sein gegenwärtiges Wirken als Generaldirektor für Justizwesen keineswegs den Beweis erbracht hat, dass er vorbehaltlos gewillt ist, eine Linie einzuhalten, die der Reichspolitik entspricht. Inzwischen hat der Generalkommissar davon Abstand genommen, Valdmanis als Spitze des Selbstverwaltungskörpers vorzuschlagen. Wahrscheinlich auf Anregung von Valdmanis sollte der General Dankers nunmehr durch den ehemaligen Präsidenten Kwiesis ersetzt werden, der früher der Bauernpartei angehörte und nach seinem Staatsstreich vom 15. Mai 1934 jedoch aus-

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gebootet wurde. Kwiesis hat den ihm vorgeschlagenen Posten jedoch abgelehnt und erklärt, nur ein Teilressort annehmen zu wollen. Durch Vermittlung des SS- und Polizeiführers Lettland wurde dem Generalkommissar von ehemaligen Perkonkrustlern und dem Werbekomitee für die Freiwilligen ein weiterer Vorschlag unterbreitet. Diese Liste enthält keinesfalls nur Anhänger des Perkonkrusts, sondern setzt sich in der Hauptsache aus Fachleuten zusammen, die besonders während der Bolschewistenzeit ihren Willen und ihre Fähigkeiten unter Beweis gestellt haben. Am 26. 3. 42 wurde der ehemalige Führer des Perkonkrusts, Gustav Zelminsch 2, durch den Generalkommissar empfangen. Irgendeine Entscheidung ist hierbei jedoch nicht gefallen. Der Generalkommissar hat in den letzten Tagen folgenden endgültigen Vorschlag an den Reichskommissar weitergeleitet: Generaldirektor für Inneres und Personalfragen General Dankers, Generaldirektor für das Justizwesen Valdmanis, Generaldirektor der Finanzen Skujewitz, Generaldirektor der Wirtschaft Zagars, Generaldirektor für das Verkehrswesen Leimanis, Generaldirektor für das Bildungswesen wahrscheinlich Rektor Primanis. Die Generaldirektorien für Landwirtschaft, Handel und Industrie sind im Wirtschaftsgeneraldirektorium zusammengefasst worden. Die Volkswohlfahrt wurde als Direktorium dem Innern und die Staatskontrolle den Finanzen unterstellt. Obwohl zweifellos die Einführung der Selbstverwaltung einen politisch bedeutungsvollen Schritt bedeutet, ist die stimmungsmäßige Auswirkung nicht so positiv ausgefallen, wie es der Fall hätte sein können. In der Hauptsache ist dies auf die ungenügende Vorbereitung zurückzuführen. Es besteht bei der Bevölkerung nicht nur über die personelle Besetzung erhebliche Unklarheit, sondern auch über den Wirkungsbereich der landeseigenen Verwaltung. Die Mißstimmung wird in der Hauptsache von den Anhängern der ehemaligen Ulmanis-Regierung getragen. Sie behaupten, die Deutschen hätten nunmehr gezeigt, dass sie keineswegs gewillt seien, dem ehemaligen Lettland auch nur den Schein eines selbständigen Staatsgebildes zu geben. Die lettischen Wirtschaftskreise verbreiten die Parole, dass die neue Selbstverwaltung nichts zu verwalten haben wird, da die gesamte lettische Wirtschaft, insbesondere alle Industrie- und Handelsbetriebe, zu großen deutschen Gesellschaften zusammengeschlossen sind, auf die die lettische Selbstverwaltung überhaupt keinen Einfluß nehmen kann. Auf der anderen Seite ist die Ratlosigkeit der deutschen Dienststellen und die Zwiespältigkeit in der Personalpolitik den Letten gegenüber sehr deutlich geworden. Da die Letten bis zum Einmarsch der Bolschewisten eine mehr oder weniger deutschfeindliche Haltung eingenommen haben, kann die Wertung der Menschen für den politischen Einsatz in unserem Sinne letzten Endes nur davon ausgehen, wie sie sich in der Bolschewistenzeit und während des augenblicklichen Zustandes verhalten haben. Es kommt daher in erster Linie darauf an, Männer zur Arbeit heranzuziehen, die mit der Tat bewiesen haben, daß sie gewillt sind, an einer positiven Aufbauarbeit teilzunehmen. Die großen Aktivposten für das lettische Volk sind: 1.) der Kampf gegen die Rote Armee und Partisanen während der Kämpfe in Lettland, 2.) die Beseitigung der Juden und Freimaurer, 3.) der günstige Verlauf der Werbeaktion für den Reichsarbeitsdienst, 4.) das überaus günstige Ergebnis der Wintersachensammlung für die Front, 5.) die freiwilligen Meldungen in die Schutzmannschaften und 6.) Förderung des Verständnisses der Letten für den Nationalsozialismus, unter Anerkennung der Aufgabe des deutschen Volkes als Neugestalter Europas. Insbesondere die Pelzspende hat gezeigt, dass die lettische Landbevölkerung unbedingt gewillt ist, die grössten Opfer als Dank für die Befreiung vom Bolschewismus auf sich zu nehmen. Am meisten haben diejenigen Gebiete geopfert, wo das Einvernehmen mit der deutschen Verwaltung am grössten war. Dies trifft

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besonders auf das Gebiet Semgallen zu. Bei allen diesen positiven Merkmalen ist weder Valdmanis noch ein anderer der gegenwärtigen Generaldirektoren – mit der Ausnahme von General Dankers und teilweise auch Zagars – beteiligt gewesen. Die Freiwilligenmeldungen für die Schutzmannschaften haben so gut wie ganz aufgehört. Eine gewisse Ausnahme hier bildet Lettgallen, wo die ansässige überschüssige Landbevölkerung es vorzieht, sich für den Osteinsatz zu melden, um nicht als Landarbeiter bei äusserst geringen Löhnen nach dem übrigen lettischen Gebiet zu kommen. Hier konnte auch die Beobachtung gemacht werden, dass sich verhältnismäßig viele Russen als Freiwillige melden. Das Stocken der Meldungen ist in erster Linie auf die schlechte Ausrüstung und Versorgung der lettischen Verbände zurückzuführen. Es hat sich herumgesprochen, dass die an der Front eingesetzten lett. Soldaten mit vollkommen ungenügendem Schuhwerk und Uniformen ausgestattet worden sind. In vielen Fällen haben die Letten erst toten Russen die notwendigen Ausrüstungsgegenstände abgenommen. Auch die Bezüge wurden allgemein als völlig ungenügend angesehen, da sie die Versorgung der Familie nicht sicherstellen. Die jetzt erfolgte Regelung der Vergütungssätze hat eine gewisse Beruhigung ausgelöst, obwohl darauf hingewiesen wird, dass die Hinterbliebenenfürsorge auch weiterhin ungeklärt geblieben ist. Da die lettischen Bataillone und Kompanien fast immer in ganz kleine Einheiten aufgeteilt werden und so die Disziplinargewalt der Bataillonskommandeure und Kompaniechefs gewöhnlich nicht zur Auswirkung kommt, ist ein beträchtliches Nachlassen der Disziplin der lettischen Frontverbände festzustellen. Im Auftrage des Komitees für Freiwilligenwerbung hat General Dankers als dessen Vorsitzender ein Memorandum an den SS- und Polizeiführer Lettland, SS-Brigadeführer Schröder, und den Generalkommissar eingereicht, in welchem die Mißstände aufgezählt werden. Das Komitee brachte zum Ausdruck, es hoffe, dass bald die Möglichkeit bestehen werde, diese Unzulänglichkeiten zu beseitigen, da es sich sonst nicht in der Lage sehe, mit gutem Gewissen die Werbung fortzuführen. Auch die Tatsache, dass einige dieser Freiwilligen als Wachbataillone in die Ukraine geschickt werden sollen, hat die Begeisterung abebben lassen. In den letzten Wochen ist eine verstärkte Zunahme der gegnerischen Flugblattpropaganda festzustellen. Neben solchen kommunistischer Herkunft, die in der Hauptsache von bolschewistischen Flugzeugen über Lettgallen abgeworfen werden, sind im übrigen Lettland hauptsächlich solche festgestellt worden, die aus den Kreisen der lettischen Widerstandsbewegung stammen. Einerseits sind es mit Maschinenschrift geschriebene, vervielfältigte Handzettel, die meist einen plumpen und unsachlichen Text aufweisen. So kursiert jetzt das Gedicht „Geständnis des Hinrich Lohse“, in dem es u. a. heißt: „Wir wollen, daß ihr auseinander gefegt werdet, nach allen Seiten, wo der Bolschewist schiesst, nach Deutschland, wo die Bomben fallen. Sie werden alle Leichen sein, kalt und steif. Mit dem Willen des Führers schlagen wir euch mit schlanker Rute, um euch die Freiheitsmücken auszutreiben und alle diese hinterlistigen lettischen Schliche.“ Andererseits kursieren aber auch Flugblätter, die den Charakter einer kleinen Zeitung haben und von Zeit zu Zeit als neue Nummern erscheinen. Es sind dies das Flugblatt „Latvija“ und „Tautas Balss“ (Volksstimme). Das erste Flugblatt erschien mit der alten Ulmanis-Parole „Für das erhabene und mächtige Lettland“, während das 2. von der illegalen Organisation „LNS“ (Lettischer Nationaler Verband) herausgegeben wurde und eine aktivistischere Note aufzeigt. Beide Flugblätter haben aber gemein, dass sie das lettische Volk dazu auffordern, sich nicht zu Gewalthandlungen hinreissen zu lassen, sondern überall passive Resistenz zu üben und alle Vorhaben der Deutschen, wie z. B. die Metallsammlung, die Freiwilligen-

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meldungen, Arbeitsaufnahme im Reich usw., zu sabotieren. In diesen Kreisen ist die Überzeugung vorherrschend, dass es den Deutschen gelingen wird, Sowjetrußland zu schlagen, dass es sich aber dabei um einen Pyrrhussieg handeln würde. England und Amerika würden dann später das Übergewicht Deutschlands beseitigen und dadurch auch die Ausnützung eines Sieges Deutschlands über Russland. Da die kommunistische Gefahr nach einem Zusammenbruch Sowjetrußlands als beseitigt gelten dürfe, müsste das lettische Volk alle seine Kräfte auf diese historische Stunde konzentrieren, um dann den Deutschen in den Rücken zu fallen. Damit würde, wie in den Jahren 18–20, die lettische Selbständigkeit mit Hilfe Englands und Amerikas wieder erkämpft werden können. Während die bolschewistische Propaganda im großen und ganzen im lettischen Volk keinen Widerhall mehr findet, sind die letztgenannten Bestrebungen durchaus ernst zu nehmen. Besonders trifft das auf die Rigaer Bevölkerung und hier wiederum in ganz besonderem Maße auf die lettische Intelligenzschicht zu, die sich von den Deutschen deklassiert fühlt. Das Ermittlungsbüro der lettischen Volkshilfe hat bis zum 1. III. 42 im ganzen 34 493 Personen als Opfer des Bolschewismus registriert. Davon sind 14 635 Verschleppte, 5972 Verhaftete, 12 498 Verschwundene, von denen anzunehmen ist, dass der grösste Teil von ihnen ebenfalls verschleppt worden ist, und 1388 Ermordete. Von den Registrierten haben sich 3021 Personen wieder eingefunden. Antisemitisches Institut: Das lettische Antisemitische Institut bereitet im Auftrag der Propagandaabteilung beim Generalkommissar eine antibolschewistische Ausstellung für den 1. Juli d. J. in Riga vor 3. Der Generaldirektor für Bildungswesen, Celms, der wiederholt den Versuch unternommen hat, das antisemitische Institut zu sabotieren, hat seinerseits den Leiter des Historischen Institutes, Prof. Schwalbe, mit der Durchführung einer gleichen Ausstellung zum 1. Mai beauftragt. Sowohl Celms wie Schwalbe sind als alte Ulmanis-Anhänger in ganz Lettland bekannt, wobei Celms an vielen Verordnungen, die gegen das kulturelle Leben der deutschen Volksgruppe gerichtet waren, mitgewirkt hat. Prof. Schwalbe war früher bemüht, durch pseudowissenschaftliche Arbeiten den historischen Wert der deutschen Kulturarbeit in den baltischen Ländern herabzusetzen. Schulen: In den lettischen Schulen und Bildungsanstalten konnten in der letzten Zeit keine besonderen Veränderungen und Ereignisse festgestellt werden. Dagegen ist mit dem Aufbau der polnischen Schulen begonnen worden. Sie werden fast nur in Lettgallen eingerichtet; die polnischen Schulen haben nur 4 Klassen. Den weissruthenischen Schulen, die in Lettgallen in grösserer Zahl entstanden sind, werden nach wie vor von den lettischen Behörden Schwierigkeiten bereitet. Die Auffassung der Letten, daß die Weissruthenen und ebenso die Russen sämtlich Kommunisten sind, trifft für die eingesessene Bevölkerung nicht zu. Eine Ausnahme bilden die Angehörigen der russischen Sekte der Altgläubigen, die sich mit den Ernsten Bibelforschern vergleichen lassen. Typisch für das Verhalten der Letten ist, dass eine Anzahl von weissruthenischen Lehrern unbehelligt in lettischen Schulen gewirkt hatte, nun, da sie zu weissruthenischen Schulen übergingen, plötzlich als verdächtige Elemente denunziert werden. Die Errichtung bezw. Bestätigung der Schulen für die slawischen Bevölkerungsteile in Lettland wurde vom SD unterstützt, damit nicht noch stärkere slawische Blutseinflüsse auf Grund einer Lettisierung der Slawen in das lettische Volk hineinströmen. Kirchen: Die Unruhe innerhalb der ev. Geistlichkeit bezüglich der Zukunftsgestaltung der Kirche und der Kampf zwischen den Altkirchlichen und Reformlern unter den Geistlichen hält an. In Wolmar und Wenden sollen die dortigen Pröbste von sich aus alle Neuerungspläne abgelehnt und die Pastoren gar nicht zusammengerufen haben. In Mitau, wo

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die neuen Projekte vorgelegt wurden, vertrat man den Standpunkt, dass nichts zu ändern sei. In Riga-Stadt und -Land, in Dünaburg und Selburg soll sich eine knappe Mehrheit für das Projekt der Tschuibe-Gruppe ergeben haben. Nach Meinung der Kreise um Tschuibe sollen die letzten Stärkeverhältnisse den tatsächlichen Zuständen unter der gesamten ev. Geistlichkeit des Generalbezirks entsprechen. Es gibt oft heftige Zusammenstöße zwischen den Geistlichen, die an den Kampf zwischen der Bekenntnisfront und den Deutschen Christen im Reich erinnern. Dr. Sanders sen., der Altmeister der Lettischen Christen, ist in diesen Tagen in Riga eingetroffen und hat seinen Kampf gegen das jüdische Alte Testament und für eine arische Kirche begonnen. Der heutige Kampf unter den evangelischen Geistlichen dreht sich in der Hauptsache um Personalfragen. Die Altkirchlichen wollen die Autorität des Erzbischofs Theodor Grünberg stärken. Die Reformler wollen den Erzbischof als unter den Gläubigen bewährte Dekoration belassen und Prof. Kundsin, Sakarnis, Kulitis usw. die tatsächliche Leitung der Kirche in die Hand geben. Von den ev. Geistlichen haben sich 3 (Kraulis, Namgaud und Robeschniek) als Freiwillige zu den lettischen Schutzmannschaften gemeldet. Ein erstes Schreiben des abgereisten Exarchen Metropoliten Sergej von Wilna an seinen Rigaer Mitarbeiter, den orth. Prof. Grimm, (mit sehr interessanten Einblicken in die neue Tätigkeit des Sergej) konnte erfaßt werden. Dieser Brief ist eine weitere Bestätigung für die vom Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD Litauen getroffene Feststellung: „Die Reden und Handlungen des Sergej verlaufen in einer deutschfreundlichen Richtung. Sein Erscheinen ist geeignet, zur weiteren Entspannung und Beruhigung beizutragen.“ Der Rigaer orth. Generalvikar, Bischof Alexander von Modohn, fühlt sich als Rechtsnachfolger des Metropoliten Augustin Peterson. Unter Alexanders friedfertiger Hand haben sich die Zustände innerhalb der orth. Kirche normalisiert. Wohl versucht eine kleine Minderheit von Augustin-Anhängern noch immer in den Vordergrund zu treten und wird dabei von allen national-lettischen Kreisen unterstützt. Die Mehrheit der russischen Gläubigen und auch ruhig gesinnte lettisch-orthodoxe Kreise sind mit der jetzigen Entwicklung sehr zufrieden. Der röm.-kath. Bischof Ranzans, der sich mehrfach dahingehend geäussert hatte, dass die deutschen Stellen, z. B. die Sicherheitspolizei, wahllos kath. Priester einsperren und offenbar bei den Bolschewisten in die Schule gegangen seien, wurde sicherheitspolizeilich schärfstens verwarnt. Die Priester Waikulis und Juchnewitz, die gegen das wegen der Typhusepidemie erlassene Gottesdienstverbot im Dünaburger Kreise verstoßen hatten, wurden nach Abbüssung einer vierwöchigen Haft freigelassen. Die national-lettischen Kreise, auch die Katholiken, drängen immer mehr darauf, die kath. Priester, die als politische Agitatoren für die polnische Sache sattsam bekannt sind, in das Generalgouvernement abzuschieben. Die Seele dieser Bestrebungen der polnischen Aktivisten unter den Geistlichen ist der Rigaer Prof. Nowitzky. Wirtschaft: In lettischen Wirtschaftskreisen kann man fast durchweg eine sehr pessimistische Stimmung feststellen. Die Übernahme aller Betriebe und Unternehmen der Ernährungswirtschaft, ausgenommen sind bisher die korporativen Unternehmungen, durch die Zentralhandelsgesellschaft Ost ab 1. 4. d. Js. hat weiter den Eindruck vertieft, dass auch der letzte Betrieb in Lettland von irgendeiner Gesellschaft übernommen und damit die Lösung der Eigentumsfrage einen weiteren Aufschub erfahren werde. Im Zusammenhang mit der Selbstverwaltung wird daher in Wirtschaftskreisen die Frage aufgeworfen, was den Letten letzten Endes noch zum Verwalten übrig bleiben werde. In Bezug auf die Reprivatisierung hat sich nichts geändert. Lettischerseits sind Bestrebungen im Gange, nach Möglichkeit auch die grösseren Einzelhandelsgeschäfte zurückzuerhalten, ebenso auch die

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grösseren Handwerksunternehmungen, die mehr als 20 Gefolgschaftsmitglieder beschäftigen. Das Rigaer Sozialamt (Arbeitsamt), das dem Gebietskommissar unterstellt ist, wird von allen Seiten stark kritisiert. Deutsche Firmen klagen darüber, dass dringend benötigte Arbeitskräfte, die namentlich angefordert werden und frei sind, erst nach einigen Wochen zugeteilt werden. Die Werbung von Arbeitskräften für das Reich wird durch die Furcht vor den englischen Bombenangriffen nachteilig beeinflusst. Die lettischen Arbeitskräfte werden namentlich in der Hauptsache nach Hamburg, Lübeck, Kiel vermittelt. Die Unzufriedenheit der Arbeiter wegen der geringen Lebensmittelration hat sich allmählich gelegt, da in letzter Zeit wieder mehr Schwerarbeiterzulagen genehmigt worden sind. Es wird allerdings scharf darauf geachtet, dass die zusätzlichen Nahrungsmittel nur über die Werkküchen verabreicht werden, damit diese Vergünstigung auch tatsächlich dem Arbeiter und nicht seiner Familie zugutekommt. Landwirtschaft: Bei den Bauern herrscht augenblicklich grösste Aufregung wegen der Einziehung von 10 000 Pferden für die Wehrmacht. Da der Bestand an Zugtieren durch den Krieg bereits erheblich zusammengeschmolzen ist, wird allgemein befürchtet, dass man nicht in der Lage sein wird, die Feldbestellung durchzuführen. Die während der Bolschewistenzeit eingesetzten Junglandwirte, von denen 3000 als Landarbeiter ins Reich verpflichtet wurden, versuchen mit allen Mitteln, im Land zu bleiben. In landwirtschaftlichen Kreisen hat eine Notiz der „Deutschen Zeitung im Ostland“ vom 5. März erhebliche Unruhe verursacht. Es hiess dort, dass alle während der Bolschewistenzeit in Estland nationalisierten landwirtschaftlichen Anwesen an ihre einstmaligen Besitzer zurückzugeben seien. Man erhoffte für Lettland eine ähnliche Anordnung, deren Ausbleiben eine anhaltende Unzufriedenheit hervorgerufen hat. Ernährungslage: Die allgemeine Ernährungslage wird durch das Ausbleiben verschiedener wichtiger Nahrungsmittel weiterhin negativ beeinträchtigt. So würde beispielsweise eine erhöhte Zuteilung von Gemüse und vor allem auch Kartoffeln einen Ausgleich für die mengenmäßig niedrig gehaltenen Normalverbrauchersätze, die in Kürze nochmals reduziert werden, darstellen. Sämtliche Gemüsesorten sind jedoch in ungenügenden Mengen vorhanden und besonders der einheimischen Zivilbevölkerung kaum zugänglich. Die Aussichten, einen intensiveren Gemüseanbau zu betreiben, sind bis jetzt noch infolge des fehlenden Saatgutes in Frage gestellt. Auf den hiesigen Märkten ist vor allem die Nachfrage nach markenfreien Nahrungsmitteln ausserordentlich groß, obwohl solche kaum zum Angebot gelangen. So wurden im Laufe der vergangenen Woche beispielsweise Fischabfälle, u. a. Köpfe von Strömlingen, zum Verkauf angeboten. Es wurde beobachtet, daß sich eine grosse Anzahl von Kaufinteressenten um den Kauf von Fischköpfen stritt, obwohl es sich hierbei lediglich um Abfallprodukte handeln dürfte, die früher nie begehrt waren. Die Ernährungslage erfährt weiterhin durch den anhaltenden angestrengten spekulativen Geschäftsgang mit Nahrungsmitteln einen grossen Abbruch. Der Erzeuger, der mit den angeordneten Preisen für seine Erzeugnisse äußerst unzufrieden ist, neigt mit Vorliebe dazu, auf spekulativem Wege Preisüberschreitungen zu begehen. In Erzeugerkreisen auf dem Lande hat die Einführung von Schlachtkarten keine Befriedigung hervorgerufen. Die Gemeindeältesten erhielten den Auftrag, bekanntzugeben, daß fortan je Verbraucher pro Woche 800 gr Fleisch genehmigt seien. Eine diesbezügliche Bekanntmachung in der Tagespresse wurde unterlassen. Die Unzufriedenheit über die angeordnete Rationierung wird dadurch verstärkt, daß bekannt geworden ist, dass alle Selbsterzeuger im Reich in der gleichen Zeit 1060 gr Fleisch verbrauchen dürfen. Es muss

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damit gerechnet werden, dass trotz Inkrafttretens des Schlachtverbotes ab 1. 3. 42 und trotz der Einführung der Schlachtkarte ein erhöhtes Schwarzschlachten eintreten wird. Stand der sicherheitspolizeilichen Arbeit: I. Festnahmen: Es wurden festgenommen: 83 Personen wegen kommunistischer Betätigung, 4 entflohene russische Kriegsgefangene, 4 Personen wegen Verkehrs mit Kriegsgefangenen, 3 Personen wegen Abhörens ausländischer Sender, 5 Juden, darunter 3 wegen Diebstahls bei der Woll- und Pelzsammlung und 2 Juden, die unberechtigt außerhalb des Ghettos lebten, 1 Person wegen Sp.-Verdachtes. 100 Personen insgesamt. II. Kommunismus und Marxismus: In Frauenburg wurde eine illegal arbeitende MOPRZelle 4 aufgedeckt. Sichergestellt wurden ein neugefertigter Stempel und Aufnahmeformulare. Bisher konnten 4 Personen festgenommen werden. In Prekuln, Kr. Libau, wurde eine Organisation, deren Ziel der Aufbau einer kommunistischen Partisanengruppe war, festgestellt, Die Angehörigen der Organisation hatten die Absicht, sich nach Eintritt der warmen Jahreszeit in den Wäldern aufzuhalten, um von dort aus Sabotageakte durchzuführen. Bisher wurden 8 Personen festgenommen. Die Ermittlungen sind noch im Gange. Ferner wurde der Expedient Janis Bergmanis festgenommen. B. ist in seiner vorgefundenen Personalakte und in seinem Lebenslauf als äußerst aktiver Kommunist bezeichnet. 1918–1920 gehörte er der Roten Armee an und hat bei Riga an den Kämpfen gegen die Deutschen teilgenommen. 1920 wurde er vom lettischen Kriegsgericht der Nachrichtenübermittlung an die Rote Armee und kommunistische Organisationen beschuldigt. Ihm drohte die Todesstrafe. Nur auf Grund des lettisch-sowjetischen Friedensvertrages wurde er begnadigt. In Dünaburg wurden 7 Kommunisten, die sich im Sommer 1941 an der Erschießung notgelandeter deutscher Flieger beteiligt hatten, und 2 kranke, nicht mehr arbeitsfähige Juden exekutiert. Am 19. 3. 1942 wurden bei Puce, Kr. Windau, 3 Fallschirmspringer, darunter eine Frau, festgenommen. Es handelt sich um lettische Staatsangehörige. Diese Personen sind mit einem Flugzeug vom Flugplatz Bolgajos (Rußland) aufgestiegen und in der Gemeinde Puce mit Fallschirmen abgesprungen. Bei ihnen wurden ein Sendegerät, zwei Pistolen Kal. 7,65 mm, Munition, Sprengstoff und Proviant vorgefunden. Auf den fahrenden Eisenbahnzug Nr. 252 Pleskau–Abrene wurde in der Gegend von Piragi durch Entzündung eines Sprengkörpers ein Anschlag verübt. Durch die Explosion wurden der Boden eines Eisenbahnwagens und die Fensterscheiben beschädigt. In der Nacht zum 21. 3. 1942 beobachteten die Brückenwachen in Riga-Strand, dass in den Gemeinden Holmhof, Pinkenhof und Bilderingshof, Kr. Riga-Land, weisse und grüne Leuchtraketen abgeschossen wurden. Die Fahndung nach den Tätern verlief zunächst ergebnislos. Da auch in anderen Orten des Kreises Leuchtraketen beobachtet wurden, bestand die Vermutung, dass Fallschirmspringer abgesetzt worden waren. Bei der anschliessend durchgeführten Razzia erhielten die Streifen aus einem aus der Vorkriegszeit stammenden Schützengraben lebhaftes Pistolenfeuer. Der Aufforderung, sich zu ergeben, leisteten die drei Fallschirmspringer keine Folge, sondern warfen mit Handgranaten. Nach kurzem Feuergefecht sind sie erschossen worden. Bei einem der Erschossenen wurde ein modernes englisches Sendegerät nebst Code gefunden. Bei den Toten handelt es sich um zwei Letten und einen Russen. In sechs vorgefundenen Rucksäcken wurden Wäsche, Bekleidungsstücke, Medikamente, Verpflegung, Kartenmaterial und Munition gefunden. Bei der Besichtigung des Kampfplatzes am 22. 3. 42 konnten in unmittelbarer Nähe 4 gut im Schnee versteckte Fallschirme geborgen werden. Am 26. 3. 42 wurde der Gefangenenaufseher Boris Majorov festgenommen, da er Angehöriger eines NKWD-Vernichtungsbataillons gewesen war. Er hat an Durchsuchungen, Festnahmen und Erschiessungen teil-

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genommen. Mit seiner Einheit flüchtete er über Narwa nach Petersburg und wurde am Ladoga-See am Newa-Ufer zur Erkundung deutscher Stellungen eingesetzt. Er will sich freiwillig in deutsche Gefangenschaft begeben haben und wurde dem Kriegsgefangenenlager Riga überstellt. Dort meldete er sich freiwillig zum Dienst in der deutschen Wehrmacht. Er wurde in lettische Uniform eingekleidet und zur Bewachung russischer Kriegsgefangener zugeteilt. Bei seiner Vernehmung gab er sämtliche Straftaten zu. In Riga wurde am 24. 3. 42 in einem Hausbriefkasten ein in lettischer Sprache durch Schreibmaschine hergestellter Aufruf vorgefunden: „Öffnet die Augen, Letten! Genügend haben wir den Deutschen gedankt und die Hände für die verabfolgte ‚Freiheit‘ geküsst. Diese deutschen Bettler haben uns bis zum Letzten ausgeplündert und empfangen hier sowie in Deutschland zweimal soviel Lebensmittel wie wir! Gleich den Bolschewisten führen diese Untiere unsere Landsmänner weg und verschicken dieselben entweder nach Deutschland oder an die sowjetische Kriegsfront. Während die Bolschewisten aber Junge sowie Alte verschleppten, rauben uns diese deutschen Befreier unmittelbar die Blüte unseres Volkes – die Jugend! Die Straßen unserer Hauptstadt sind mit den Namen Plettenberg und Goltz geschmückt, auf dass wir beständig an die Zeit, wo uns die deutschen Barone zu Sklaven machen wollten, erinnert werden. 700 Jahre haben sie uns gefoltert und geschlagen und nun wird wahrscheinlich auf Anregung des General Dankers die Körperstrafe aufs neue eingeführt. Die letzte Anordnung der Metallaktion und die Alkoholeinschränkung bezeugen hell und klar, dass die Deutschen ‚Bankrott‘ gespielt haben und sich ängstigen, dass ihre Soldaten in trunkenem Zustande die schlechte Lage an der Front und im ‚Vaterlande‘ verraten. Letten, unsere Stunde hat nunmehr geschlagen! Viele von uns sind bereits in die Reihen der Partisanen getreten! Tut desgleichen! Wer aber nicht zur Waffe greifen kann, soll sich bemühen, die deutschen Pläne, wo nur irgend möglich, zu sabotieren. Hindert in den Fabriken und den Werkstätten der Stadt und des Landes die deutsche Arbeit, da der Tag nicht mehr weit ist, wo uns die Amerikaner, angreifend von den Inseln Englands, von dem Joch der Deutschen befreien werden.“ Am 10. 3. 42 wurde auf den Vertreter des Bezirkschefs von Aglona (Lettgallen) eine Handgranate geworfen, die keinen Schaden anrichtete. Der Vertreter des Bezirkschefs von Aglona hat sich an den zur Bekämpfung der Partisanen getroffenen sicherheitspolizeilichen Maßnahmen eifrig beteiligt. Vermutlich stammt der Täter aus Partisanenkreisen. Es sollen sich etwa 30 Personen in gut ausgebauten Unterständen in den naheliegenden Wäldern von Aglona verborgen halten. Auf Veranlassung der Außenstelle Dünaburg wurde von der Wehrmacht ein Flugzeug über die Gegend von Aglona entsandt, um die Gegend aufzuklären. Vom Flugzeug aus konnte beobachtet werden, daß 1.) die Umgegend von Aglona mehr Waldbestand aufweist, als in den Karten verzeichnet ist, 2.) sich in den Wäldern eine große Anzahl von Gebäuden befindet, 3.) sich an einigen Punkten, besonders Höhe 179 und 182, auffallend viel Menschen aufhielten. Während des Fluges wurde die Maschine mit MG-Feuer beschossen, wurde aber nicht getroffen. Die kommunistische Tätigkeit in Lettland nimmt erheblich zu. Nach wie vor sind die Hauptgründe für eine aktive kommunistische Propaganda die Diskussionen der Lohnfragen, die Wohnungs- bezw. Mietverhältnisse und die herabgeminderte Lebensmittelrationierung. Die illegal arbeitenden Kommunisten tarnen sich hinter national-lettischen Parolen wie z. B.: „Tretet nicht in die Schutzmannschaften ein, lasst euch nicht ins Reich verschicken, bleibt in Lettland und arbeitet hier für eine bessere und schönere Zukunft eures Volkes.“ Durch den Aufbau eines Netzes von Vertrauenspersonen und sorgfältiger Überwachungsarbeit wurden die Ermittlungen gegen eine grössere kommunistische Gruppe vorwärts getrie-

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ben. Das Bild über den Kreis der illegal tätigen Kommunisten und ihrer Organisationen rundet sich immer mehr ab. Es sind bereits Verbindungen zu Sabotagegruppen und organisierten Trupps entflohener russischer Kriegsgefangener festgestellt worden. Sobald die Vorermittlungen zum Abschluß gekommen sind, wird schlagartig zugegriffen werden. Bei der Aufrollung des Gesamtkomplexes wird es voraussichtlich gelingen, eine illegale Flugblattdruckerei auszuheben. Insbesondere treiben die Kommunisten mit folgenden Argumenten in der Wirtschaft Propaganda: „Zur Bolschewistenzeit brauchtet ihr weniger zu arbeiten und verdientet mehr Geld. Die Deutschen steigern die Preise und zahlen euch niedrigere Löhne.“ Verschiedenes: In der Berichtszeit wurden insgesamt 1272 Personen exekutiert, davon 983 Juden, die ansteckende Krankheiten hatten oder derart alt und gebrechlich waren, daß sie für einen Arbeitseinsatz nicht mehr infrage kamen, 5 71 Zigeuner, 204 Kommunisten und weitere 14 Juden, die sich verschiedener Vergehen und Verbrechen schuldig gemacht hatten. Einsatzgruppe B: Standort Smolensk. Allgemeine Lage (23. 4. 1942): In Orel Flüsse Oka und Orlik über Ufer getreten. Weite Teile der Stadt überflutet. Heute nach 03.00 Uhr höchster Wasserstand. Kommandoquartier vom Wasser umgeben. Höhe bis 1 Meter. Die meisten Straßen in den Stadtvierteln unpassierbar. 2000 Einwohner umquartiert. Hochwasser seit vielen Jahren nie so hoch. Pioniere sprengen seit 2 Tagen das Eis der Flüsse. Wasserspiegel seit 18.00 Uhr im Sinken. Verlassen des Kommandoquartiers nur zu Pferde oder Boot möglich. Boot vor Wochen beschafft. Straße nach Brjansk und Karatschew unpassierbar. Sonnentemperatur heute mittag in Smolensk 48 Grad Wärme [sic]. Einsatzgruppe C: Standort Kiew. Einzelmeldungen: Kiew: 1. In verschiedenen Dörfern im Bereich des Kdrs. der Sipo u.d. SD in Kiew hatten sich im Laufe des vergangenen Winters eine ganze Anzahl entwichener Kriegsgefangener angesiedelt, von denen seit Anfang April bereits 33 Mann ergriffen werden konnten. Bei den Vernehmungen wurde festgestellt, daß sich fast alle mehr oder weniger aktiv als Partisanen betätigt haben. 2. Am 14. 4. 42 nahm der Kdr. der Sipo u.d. SD in Kiew ein langjähriges Mitglied der KP fest. Dieser Mann war früher bei der Tscheka tätig und hatte später das Amt eines Richters inne. Als geheimer Mitarbeiter des NKWD hat er viele Ukrainer denunziert. 3. Um die gleiche Zeit wurde ein Ukrainer festgenommen, der als NKWD-Mitarbeiter vor dem Einmarsch der deutschen Truppen aus Kiew geflüchtet war. Einige Zeit später kehrte er jedoch wieder zurück mit dem Auftrage, für das NKWD illegal weiterzuarbeiten. 4. Bei einer Werbestelle meldete sich der Ukrainer Lugina zum Einsatz nach Deutschland. Er wurde von einem V-Mann des Kdrs. d. Sipo u.d. SD in Kiew als alter Kommunist erkannt und dem Gefängnis zugeführt. Er war früher Milizkommandant und seit 1928 Parteisekretär. Auf sein Konto fällt die Verschickung vieler unschuldiger Personen nach Sibirien. 5. Der Ukrainer Dobrowolsky war seit 1922 führend in der russ. Miliz tätig und später einige zeitlang Angestellter des NKWD. In dieser Eigenschaft hat er viele Volksdeutsche in die Verbannung geschickt. Er wurde jetzt wegen deutschfeindlicher Propaganda und kommunistischer Wühlarbeit vom Kdr. d. Sipo u.d. SD in Kiew festgenommen. 6. In Kostowzi wurde ein alter Kommunist und NKWDZuträger ergriffen, dem vorgeworfen wurde, mit drei weiteren Personen eine Bande gebildet zu haben, die führende Personen in deutschen Dienststellen beseitigen sollte. Die Ermittlungen in dieser Sache sind noch nicht abgeschlossen. 7. In Kiew wurde ein früherer NKWD-Mitarbeiter beim Plündern einer Wohnung angetroffen und festgenommen. Eine

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bei ihm vorgenommene Haussuchung förderte u. a. drei sowjetische Fahnen zutage, die er nach seinen eigenen Angaben für eine evtl. Rückkehr der Sowjets aufbewahrt hatte. Ein kommunistischer Funktionär aus Horosbje, Bez. Kiew, der vor dem Einmarsch der deutschen Truppen die Einwohnerschaft seines Heimatortes aufgefordert hatte, Maschinenund Getreidevorräte zu vernichten, wurde gleichfalls festgenommen. Ihm wurde ausserdem nachgewiesen, deutschfreundliche Ukrainer mißhandelt zu haben. Am gleichen Tage erfolgte durch den Kdr. d. Sipo u.d. SD in Kiew die Festnahme zweier alter KP-Mitglieder, von denen einer an der Sprengung der Eisenbahnbrücke in Kiew aktiv teilgenommen hatte. Shitomir: 8. In Shitomir ergriff der dortige Kdr. d. Sipo u.d. SD Maßnahmen gegen eine Gruppe von etwa 40 Personen, die seit längerer Zeit mit der Gründung von geheimen Partisanenkommandos beschäftigt war. Der Führer dieser Gruppe wurde in seiner Wohnung, in der regelmäßig Versammlungen und Besprechungen der Partisanen stattfanden, ergriffen. In der Nacht zum 4. 4. 42 wurde in Radomyschl (Kdr. d. Sipo u.d. SD Shitomir) ein Flugblatt aufgefunden, das mit „Radomyschler Aufstandskomitee“ unterschrieben war und u. a. die Sätze enthielt: „Die Deutschen sind nur gekommen, um zu rauben und zu vernichten. Versprecht heute vor Gott, daß Ihr Euer Leben einsetzen werdet, um Euch selbst und Eure Kinder vor der Faschistenbande zu schützen. Schärft die Beile und die Sensen, macht die Gabeln fertig. Nach dem Aufruf zu den Waffen brecht den deutschen Menschenfressern ohne Rücksicht die Rippen. Nieder mit den Faschisten, es lebe die Sowjetunion.“ Zu der Festnahme von 13 Mitgliedern einer Geheimorganisation in Popelnja, die sich u. a. zur Aufgabe gemacht hatte, eine in Popelnja liegende slowakische Einheit zu überfallen und zu entwaffnen und das dortige Munitionslager nach Beseitigung der deutschen Wachmannschaft in die Luft zu sprengen, berichtet der Kdr. d. Sipo u.d. SD in Shitomir noch folgendes: Die Führer der Geheimorganisation waren Homenjuk als Leiter, Eugen Romantschuk als Werber und Organisator und Peter Lebedijewskiyj als stellv. Leiter. Nach ihren Aussagen wollten sie von dem Führer in Popelnja ansässigen Lehrer [sic] Kraschnoschok und von einem sowjetischen Oberleutnant mit Vornamen Wasil den Auftrag erhalten haben, eine Partisanengruppe zu bilden. Die Fahndungen nach diesen Auftraggebern sind eingeleitet. Zwei der Haupträdelsführer wurden auf einem öffentlichen Platze erhängt. Weiterhin wurden in Makejewka ein Politruk, der im Besitz falscher Ausweise war und sich als Partisan betätigt hatte, ein NKWD-Agent, der handgeschriebene Flugblätter mit deutschfeindlichen Aufrufen an verschiedene Haustüren geklebt hatte, ein kommunistischer Agitator, der zur Bildung von Partisanengruppen aufgefordert hatte, sowie der ehem. Vorsitzende der Kollektive in Selidowka festgenommen, der u. a. geäussert hatte, er würde dem Führer den Kopf abschlagen und ihn Stalin übergeben. Tschernigow: 9. Vom Kdr. d. Sipo u.d. SD in Tschernigow werden die Festnahmen eines kommunistischen Funktionärs, eines Kommandeurs eines Vernichtungsbataillons und 4 weiterer Personen, in deren Besitz sich Waffen befanden, gemeldet. Ausserdem wurden in der näheren Umgebung von Tschernigow 5 NKWD-Angehörige und 20 Personen festgenommen, die verschiedenen Partisanengruppen angehört hatten. 10. Im Dorfe Swiin wurden der Bürgermeister und zwei andere Personen in das Gefängnis eingeliefert, da sie fortgesetzt deutschfeindliche Äusserungen getan und die Bevölkerung des Dorfes gegen die deutsche Wehrmacht aufgehetzt hatten. 11. Seit einiger Zeit beobachtete der Kdr. d. Sipo u.d. SD in Tschernigow in verschiedenen Orten Zuwanderungen von Personen. Bei Nachprüfungen stellte sich heraus, daß sie in ganz anderen Gegenden beheimatet

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waren. Ähnlich wie vor einiger Zeit im Ort Repki wurden im Rayon Beresna schlagartig alle diese Personen aufgegriffen, wobei sich ergab, daß es sich grösstenteils um geflüchtete Kriegsgefangene handelte. Insgesamt wurden 167 Personen wegen Verdachts der Verbindung zu Partisanengruppen festgenommen. 12. In Krementschug wurde ein Mann festgenommen, der vom September 1941 bis jetzt als Bürgermeister eingesetzt war und der fortwährend Diebstähle und Plünderungen ausgeführt hatte. Bei der Vernehmung ergab sich, daß dieser Mann früher ein aktiver Kommunist war und als Henker des NKWD über 100 Menschen ermordet hatte. Dnjepropetrowsk: 13. In Dnjepropetrowsk nahm der Kdr. d. Sipo u.d. SD 89 KP-Mitglieder, Agitatoren, Funktionäre und Angehörige eines Verschickungskomitees fest. Stalino: 14. Das EK 6 ergriff in Stalino 15 kommunistische Aktivisten, die deutschfeindliche Flugblätter verteilt, unwahre Nachrichten unter der Bevölkerung verbreitet, vor dem Einrücken der deutschen Truppen zum Widerstand aufgerufen hatten und an der Wegschaffung landwirtschaftlicher Maschinen beteiligt waren. 15. Das EK 6 nahm in Stalino einen Politruk, einen Partisanenführer und 4 NKWD-Agenten fest, von denen einer deutschfeindliche Aufrufe verfaßt und verbreitet hatte. Rowno: 16. Nach einer Meldung des Kdrs. d. Sipo u.d. SD in Rowno wurden aus dem Eisenbahnzug Kowel–Stolbunow Flugblätter in 5 verschiedenen Ausführungen herausgeworfen, die kommunistische Hetzpropaganda und Aufforderungen zu Partisanentätigkeit enthielten. In Jarmolinzi wurden zwei verschiedene selbstgefertigte, an Telefonmasten angeklebte Flugblätter kommunistischen Inhalts erfaßt. 17. Kommandeur d. Sipo u.d. SD in Rowno ergriff in der Gegend von Nowo-Labun im Kreisgebiet Schepetowka vier ortsfremde Personen, in deren Besitz sich falsche Papiere, gefälschte Stempelabdrucke, Karten der UdSSR, Skizzen und Teile einer anzufertigenden Bohrmaschine, Gewehrmunition und eine Büchse mit Pulver befanden. Ukrainische Widerstandsbewegung: Nikolajew: In dem Dorfe Besserewodka (Kdr. d. Sipo u.d. SD in Nikolajew) wurde gegenüber einer deutschen Polizeiwache ein handgeschriebenes Flugblatt der Bandenbewegung gefunden, das zum „Kampf gegen die Okkupanten“ aufrief. Sabotage und Arbeitsniederlegung: Eine Fliegerhorstkompanie überstellte dem Kdr. d. Sipo u.d. SD in Kiew am 10. 4. 42 den Führer der ukrainischen Horstmiliz Pencherschewski. P. hatte versucht, den Ausbau des Fliegerhorstes dadurch zu sabotieren, daß er die dort beschäftigten Arbeiter zur Arbeitsniederlegung aufforderte und ihnen bei der Flucht behilflich war. Ukrainische Wachmänner beurlaubte er ohne Erlaubnis der Horstkompanie in der Absicht, die ausreichende Bewachung des Fliegerhorstes infrage zu stellen. Er wird ausserdem verdächtigt, sich darum bemüht zu haben, eine genaue Anzahl der Skiausrüstungen zu erfassen. Abwehr: Nikolajew: In Nikolajew wurde ein Major der Roten Armee in das Gefängnis eingeliefert, der mit dem Fallschirm hinter den deutschen Linien abgesprungen war. Nach seinen Angaben sollten weitere 150 Offiziere der Roten Armee abgesprungen sein, um in den von den Deutschen besetzten Gebieten Spionage treiben, Widerstand gegen die deutsche Wehrmacht zu organisieren und Sabotageakte auszuführen. In Krementschug wurden in der Umgebung von Saporoshje 4 Studenten und 1 Studentin festgenommen, die mit zwei Funkgeräten versehen waren und den Auftrag hatten, die Moskauer Sendungen unter der Bevölkerung zu verbreiten und Truppenbewegungen den Sowjets durch Funk bekannt zu geben. Shitomir: In der Nähe des Dorfes Trokowitsch (Bereich des Kdrs. d. Sipo u.d. SD in Shi-

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tomir) wurden Flugblätter gefunden, die handgeschrieben in ukrainischer Sprache verfaßt und u. a. folgende Sätze enthielten: „Patrioten der Ukraine, helft der Roten Armee und den Partisanen. Sammelt Nachrichten über feindliche Kräfte und über den Nachschub und übergebt sie den Partisanen oder den Regimentern der Roten Armee, zerstört die Telefonverbindungen des Feindes, zerstört die deutschen Autotransporte, nehmt ihnen die Gewehre weg und wendet sie gegen die Deutschen selbst an. Wenn ihr keine Gewehre bekommt, greift zu den Beilen, Forken und Kreuzhacken, organisiert Heckenschützen und überfallt die feindlichen Soldaten.“ Einsatzgruppe D: Standort Simferopol. In Auswirkung der Bestimmungen zur Auflockerung der Kollektivwirtschaft wurde für den Bereich der Krim von der Armee verfügt, daß den Einwohnern, die sich für die deutschen Belange besonders einsetzen, Land zugeteilt wird. BAB, R 58/221 1

Vgl. Reichelt: Lettland unter deutscher Besatzung, S. 297 ff. Gemeint ist Gustavs Celmins. 3 Zum Lettischen Antisemitischen Institut vgl. Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart, Bd. 5, Berlin u. a. 2012, S. 375 f. 4 Rote Hilfe. 5 Vgl. Angrick/Klein: Die „Endlösung“ in Riga, S. 342 ff. 2

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten 1942/43

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 1. Mai 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 1 Anstelle der bisher monatlich gelieferten „Tätigkeits- und Lageberichte der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD in der UdSSR“ erscheinen nun wöchentlich die „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“. 1 Inhaltsangabe: A. Standorte und Nachrichtenverbindungen2 B. Gegner und Exekutivfragen Einsatzgruppe A: Lettland: Auftreten von Störballons in der Nähe von Modohn. Litauen: Aufklärung von laufenden Diebstählen in der Reichspelzfabrik Kailis in Kauen. Festnahme von Passfälschern. Weißruthenien: Auftreten von Partisanentrupps bei RajaKowa, bei Lagoisk und Radowitschi. Verschiedene Fälle von Sprengstoffanschlägen auf Eisenbahnen usw. Erschießung von Juden, die der Partisanengruppe Minsk angehörten. Festnahme von 62 Personen wegen Schleichhandels und Preiswuchers. Einsatzgruppen B und C: Fehlanzeige. Einsatzgruppe D: Die Partisanenbewegung auf der Krim: Massenangriffe auf Dörfer zwecks Beschaffung von Lebensmitteln. Versorgung von Partisanengruppen durch rote Flugzeuge. Organisatorische Maßnahmen der Partisanen zur Aktivierung für den Sommerkrieg. Nachrichtenmäßige Erkundung der Partisanenlager. Erfolgreiche Aufklärungstätigkeit der Tatarenselbstschutzkompanien. Sabotage: Unschädlichmachung einer besonders gefährlichen Sabotagegruppe in Simferopol. Kommunisten: Erfolgreiche Großrazzien im Raum von Feodosia. Juden: Umsiedlungsaktion. Abwehr: Festnahme von Agenten. C. Lebensgebiete Zur volkspolitischen Lage in Weißruthenien: Es gibt keine weißruthenische Frage als nationalistisch-autonomistisches Problem. Das einzige Kriterium für die Zugehörigkeit zum weißruthenischen Volk ist der Gebrauch der weißruthenischen Sprache. Von politischer Bedeutung erscheint ein gewisses oppositionelles Volksbewußtsein, das im Verhältnis der Weißruthenen zu den völkischen Minderheiten des weißruthenischen Raumes zum Ausdruck kommt. Offener Polenhaß. Es gibt schätzungsweise 10 Millionen Weißruthenen. Notwendig erscheint die Ausschaltung des Polentums und die starke Heranziehung von landeseigenen Kräften in alle Zweige der Verwaltung. D. Meldungen aus dem unbesetzten Gebiet der UdSSR 3 Mitteilungen neutraler diplomatischer Kreise über die allgemeinen Mangelerscheinungen in Samara, auftretende Verpflegungsschwierigkeiten für die Rote Armee und die stoische Ruhe, mit der die Sowjets sich mit allem abfinden. […] B. Gegner und Exekutivfragen Einsatzgruppe A: Standort Krasnogwardeisk. […] Weißruthenien: 1. Trotz des Eintretens starken Tauwetters und der damit verbundenen Verschlammung der Straßen hat die Partisanentätigkeit keineswegs nachgelassen. So wurden stärkere, gut ausgerüstete Partisanengruppen im Waldgebiet bei Raja-Kowa festgestellt. Im Dorf Tschernicia wurde eine zum Zwecke der Kolchosaufteilung einberufene

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Versammlung von einer 35 Mann starken Partisanengruppe ausgehoben. In der Umgebung von Lagoisk wird die Partisanengefahr immer fühlbarer. Die dort auftretenden Gruppen haben Stärken bis zu 60 Mann und führen meist Maschinenwaffen mit sich. In Radowitschi überfielen Partisanen eine Gruppe von 9 OT-Männern, von denen 6 getötet und 3 schwer verletzt wurden. 5 Partisanen konnten bei der nachfolgenden Suchaktion festgenommen werden. 2. In letzter Zeit mehren sich die Fälle, in denen Sprengstoffanschläge auf Brücken, Eisenbahnen und sonstige dem Nachschub dienende Anlagen der Wehrmacht verübt werden. Bei Molodeczna wurde die Eisenbahnstrecke Wilna– Minsk auf etwa 3 Schienenlängen aufgerissen. Ein mit Wehrmachtsgut beladener Güterzug kam hierdurch zur Entgleisung. Es entstand grosser Sachschaden. Auf der Strecke Rudensk–Dritschin konnte eine Sprengladung von 3 kg Dynamit unschädlich gemacht werden. Auf der Strecke Minsk–Ossipowitschi wurden die Gleise der Eisenbahn in die Luft gesprengt. Auf der Eisenbahnstrecke Gomel–Minsk wurde in der Nähe von Rudensk auf eine 3 m lange Brücke ein Sprengstoffanschlag verübt. Die Brücke wurde beschädigt und ein Gleis auseinandergerissen. Ermittlungen sind eingeleitet. 3. In Minsk wurden weitere 9 Juden, die der Partisanengruppe Minsk angehörten, erschossen. 4. In den letzten Tagen wurden in Minsk 62 Personen wegen Schleichhandels und Preiswuchers festgenommen. Die erhöhte Zahl der Festnahmen beweist, daß der Schwarzhandel wieder im Ansteigen ist. Besondere Meldungen der Einsatzgruppen B und C liegen nicht vor. Einsatzgruppe D: Standort Simferopol. Partisanen: Besonders intensiv war in der Berichtszeit der Einsatz der Kommandos zur Bekämpfung der Partisanen. Die Partisanenbewegung auf der Krim ist trotz der Schläge, die ihr in den letzten Monaten versetzt wurden, keinesfalls im Abklingen begriffen. Zwar ist die Zahl der Überfälle auf deutsche und rumänische Wehrmachtsfahrzeuge und einzelne Soldaten infolge der Sicherungsmaßnahmen zurückgegangen. Die Aktivität der Partisanen hat sich dafür aber in Richtung auf Aktionen und Massenangriffe auf Dörfer zur Beschaffung von Lebensmitteln verlagert. Die Ernährungslage der Partisanen ist nach den Gruppen sehr verschieden. Während von einzelnen Gruppen furchtbare Hungererscheinungen bekannt wurden, sind andere noch verproviantiert und ausgerüstet. Auch in der Berichtszeit wurden die Gruppen aus roten Flugzeugen mit Lebensmitteln, Ausrüstungsgegenständen und Nachrichtengeräten versorgt. Zur Zeit versuchen Partisanengruppen durch eine gewisse Zurückhaltung und durch ständigen Wechsel ihrer Standorte im Westteil bezw. durch sorgfältige Verbergung und Bewachung ihrer grossen befestigten Lager im Ostteil des Jaila-Gebirges sich bis in den Frühling vor der Entdeckung und Zerschlagung zu retten, da ihnen die warme Jahreszeit bessere Bedingungen für Verbergung, Versorgung und Überfalltätigkeit bietet. […] Kommunisten: Bei der auf das gut funktionierende Nachrichtensystem gegründeten Kleinarbeit zur Unschädlichmachung von kommunistischen Elementen wurden weitere Erfolge erzielt. Zu grösseren Aktionen kam es nur im Raum von Feodosia, wo nach den erfolgreichen Grossrazzien in der Stadt selbst die angrenzenden Küstenstreifen und einige grössere Orte wie Stari Krim und Koktebel durch Aktionen überholt wurden. Dieser Raum kann danach als befriedet gelten. In Feodosia wurden 15 deutsche Soldaten, die bei Einnahme der Stadt durch die Roten ermordet worden waren, vergraben aufgefunden. 8 Personen, darunter 2 Frauen, konnten der Beteiligung an der Ermordung bezw. Plünderung deutscher Soldaten überführt und erschossen werden. In Melitopol wurde vom

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Kommando 12 ein zweiter Geheimsender, nach dem die Wehrmacht seit langem fahndete, ausgehoben. […] Juden: Juden wurden nur noch eine geringe Anzahl [sic], die sich versteckt gehalten hatten, umgesiedelt. 3 Juden waren mit vom NKWD gefälschten Pässen versehen. […] C. Lebensgebiete Zur volkspolitischen Lage in Weissruthenien: Auf Grund bisher vorliegender Meldungen aus dem besetzten Raum Weissrutheniens kann nachstehend eine kurze Darstellung der allgemeinen Lage auf volkspolitischem Sektor in Weissruthenien gegeben werden. Entsprechend der „geschichtslosen“ Entwicklung des weissruthenischen Volkes und des kleinbäuerlich-egoistischen Charakters der Weissruthenen ist in der breiten Masse ein Volks- oder Nationalbewußtsein kaum vorhanden. Es gibt wohl ein weissruthenisches Volk und eine weissruthenische Sprache, jedoch keine weissruthenische Frage als nationalistisch-autonomistisches Problem. Das weissruthenische Volk kann schlechthin als eine amorphe Masse bezeichnet werden, die seit Jahrhunderten ihrer Intelligenz beraubt und ohne jemals die gemeinschafts- und geschichtsbildende Kraft aufgebracht zu haben, einen eigenen Staat zu wollen oder zu bilden, nur von kleinbäuerlich-egoistischen Interessen beherrscht ist. Das einzige Kriterium für die Zugehörigkeit zum weissruthenischen Volk ist der Gebrauch der weissruthenischen Sprache, jedoch trifft dies nicht für grössere Gebiete an den Grenzen und insbesondere für die Intelligenz und die junge Generation in den grösseren Städten zu. Dagegen ist die weissruthenische Sprache bei der weitaus überwiegenden Mehrheit der Landbevölkerung durchaus noch lebendig. Sie hat sich jedoch seit dem 17. Jahrhundert kaum weiter entwickelt, so dass sie heute im Vergleich zu allen anderen Sprachen des europäischen Kontinents als primitiv bezeichnet werden muss. Die Bauern geben diesem dadurch Ausdruck, dass sie unter sich Weissruthenisch sprechen, stehen sie jedoch einem Fremden oder Beamten gegenüber, sprechen sie Polnisch bezw. Russisch. Das hierin zum Ausdruck kommende Minderwertigkeitsgefühl ist bei den meisten Weissruthenen festzustellen. Dieser primitiven weissruthenischen Sprache fehlen nun die Begriffe der Kultur, der Technik usw., so dass z. B. bei der Einführung weissruthenischer Zeitungen häufig neue Worte gebildet werden müssen, die dann natürlich von der breiten Masse wiederum schwer verstanden werden. Hierdurch wird auch begreiflich, dass die Weissruthenen bei zweisprachig gedruckten Zeitungen lieber oder überhaupt nur den nichtweissruthenischen Text lesen. Als weitere Schwierigkeit kommt die Verschiedenheit der Druckschrift hinzu. Im altsowjetischen Raum ist die kyrillische Schrift noch im Gebrauch, im neusowjetischen des ehem. Polen dagegen die lateinische Schrift. Ausser der weissruthenischen Sprache sind nur sehr wenige Merkmale eines eigenen Volkstums vorhanden. Weissruthenische Volkslieder und -tänze sind noch relativ verbreitet. Es ist hierbei typisch für die Mentalität der Weissruthenen, dass diese Lieder und Tänze fast ausnahmslos die Natur, die Jahreszeiten und den Lebensablauf zum Gegenstand haben, während geschichtliche, nationale und politische Themen unbekannt sind. An Volkskunst sind lediglich noch gewisse Reste einer allerdings stark daniederliegenden Heimweberei vorhanden. Auch die Konfessionszugehörigkeit hat jahrhundertelang, sogar bis in die neueste Zeit hinein, als Sprach- und Volkstumszugehörigkeit eine grössere Rolle gespielt. So kam es noch unter dem sowjetischen Regime vor, dass katholische Weissruthenen in ihrem Pass als Polen bezeichnet wurden. Von politischer Bedeutung erscheint jedoch ein gewisses oppositionelles Volksbewusstsein, das im Verhältnis der Weissruthe-

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nen zu den völkischen Minderheiten des weissruthenischen Raumes zum Ausdruck kommt. Am krassesten ist das Verhältnis, insbesondere in den neusowjetischen Gebieten, zu den Polen. Die Erinnerung an die Zeit der Leibeigenschaft und die Großgrundbesitzerherrschaft ist hier noch so lebendig, dass von einem offenen Polenhass gesprochen werden kann. Gegenüber den Grossrussen war schon in zaristischer Zeit das Bewusstsein der Verschiedenheit der Völker vorhanden (Grossrussen = Moskowiter), welches sich unter dem Sowjetregime zu einer stärkeren Abneigung verschärfte (Grossrussen = Bolschewisten). Das Verhältnis zu Litauern, Letten und Ukrainern ist dagegen durchaus freundschaftlich, wenn auch gegenüber letzteren ein ausgeprägtes Bewusstsein der Verschiedenheit der Völker vorhanden ist. Über Zahl und Zusammensetzung der Bevölkerung Weissrutheniens ist in absehbarer Zeit kaum ein genaues Bild zu erhalten. Einerseits sind Teile der Weissruthenen nach der Sowjetunion verschleppt oder eingezogen worden, andererseits ist eine große Zahl der Flüchtlinge verschiedener Völkerschaften in den weissruthenischen Raum hineingeströmt. Die ständige Fluktuation der Bevölkerung ist durch den harten Winter etwas eingedämmt worden, dürfte jedoch mit Beginn der wärmeren Jahreszeit und nach erneutem Vorrücken der deutschen Front wieder erheblich ansteigen. Die Zahl der eigentlichen Weissruthenen wird auf etwa 10 Millionen geschätzt. Wenn auch die allgemeine Stimmung der breiten Masse zurzeit bis zu einem gewissen Grad abhängig ist von dem Frontgeschehen, der Partisanentätigkeit und Ernährungslage hat dies jedoch, allgemein betrachtet, nichts an der positiven Grundeinstellung der weissruthenischen Bevölkerung zum „deutschen Befreier“ geändert. Dagegen hat jedoch die Behandlung der Polenfrage im weissruthenischen Raum eine gewisse Enttäuschung hervorgerufen. Insbesondere in den neusowjetischen Gebieten ist es den Polen auf Grund ihrer grösseren Intelligenz und Aktivität, ihrer deutschen Sprachkenntnisse und unter Vorgabe ihrer Sowjetfeindlichkeit sehr bald gelungen, nicht nur von deutscher Seite ihre alten Positionen in der Verwaltung, einschl. Eisenbahn, Post und Forst, wieder zu erhalten, sondern darüber hinaus immer neue Positionen zu besetzen. Es gelang auch den polnischen Großgrundbesitzern, teilweise mit Ausweisen von deutschen Dienststellen versehen, in ihre alten Gebiete zurückzukehren und ihren Großgrundbesitz wieder zu übernehmen. Kurze Zeit nach dem deutschen Einmarsch mußte festgestellt werden, daß die Polen mit Hilfe deutscher Dienststellen fast alle Schlüsselstellungen in der Verwaltung erobert hatten und anfingen, die weißruthenische Bevölkerung zu terrorisieren. Darüber hinaus gelang es vielfach den Polen, sehr bald unmittelbar hinter der kämpfenden Front noch weiter in das altsowjetische Gebiet vorzudringen und somit absolutes Neuland zu erwerben. Von nicht unerheblicher Bedeutung war hier auch die Arbeit der katholischen Kirche, die von den polnisch-chauvinistischen Kreisen Wilnas geführt wurde und immer wieder polnisch-chauvinistische Pfarrer auf illegale Art in die altsowjetischen Gebiete entsandte. Durch die häufige Einsetzung von Polen in Verwaltungsdienststellen durch deutsche Behörden musste bei der weissruthenischen Bevölkerung der Eindruck entstehen, dass diese Entwicklung von deutscher Seite absichtlich gefördert wurde. Als dringendst zu lösende Frage erscheint daher die Ausschaltung des Polentums und die starke Heranziehung von landeseigenen Kräften in alle Zweige der Verwaltung, da sonst die Gefahr eines weiteren polnischen Vordringens durch die unerhörte polnische Aktivität und das passive Verhalten der Weissruthenen besteht. BAB, R 58/697

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Vgl. zum neuen Berichtsformat die betreffenden Kommentare in der Einleitung. Fehlt in dieser Überlieferung. Fehlt in dieser Überlieferung.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 8. Mai 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 2 […] B. Gegner und Exekutivfragen Als Abrundung bisheriger Einzelberichte über die am 23. März 1942 ausgehobene Partisanenbewegung in Weissruthenien hat sich folgendes ergeben 1: In Minsk befindet sich seit Zerschlagung der sowjetischen Armeen, vor allem bei Wjasma und Brjansk, eine grosse Anzahl russischer Offiziere der sowjetrussischen Armee, denen es gelungen war, sich Zivilkleider sowie falsche Pässe zu beschaffen, und die nun hier versuchten, ihr Leben zu fristen. Aus diesen Kreisen heraus rekrutiert sich vorwiegend die Führerschaft und die Ergänzung der Partisanen. Im August/September 1941 versuchte ein Jude, diese Kreise zu organisieren und fest zusammenzufassen. Es handelt sich bei ihm um den Erdöl-Ing. Isaj Kosinjez, der den Namen Mustafa Delikurdogly führte und falsche Papiere auf diesen Namen besaß. Kosinjez war zwar Reserveoffizier, wurde jedoch bei Ausbruch des Krieges nicht eingezogen. Anfänglich beschränkte sich Kosinjez im wesentlichen darauf, mit einigen näheren Bekannten bei einem Georgy, Deckname: Schorsch, Nachrichten abzuhören und diese durch Mundpropaganda zu verbreiten. Erst im Dezember 1941/Januar 1942, als die russische Offensive einsetzte und ein Stillstand des deutschen Vormarsches eintrat, erhielten Kosinjez und seine Mitarbeiter neuen Auftrieb. Weitere Personen wurden herangezogen und zur Mitarbeit verpflichtet, so daß Mitte März 1942 die Organisation einer illegalen KP- und Partisanenbewegung abgeschlossen war. Die Führung der KP bestand aus einem Komitee von 7 Personen, die jeder ein besonderes Arbeitsgebiet hatten: 1. Kosinjez selbst war der eigentliche Vorsitzende des Komitees und bearbeitete das Ghetto. Als solcher hatte er die Verbindungen mit dem Judentum in Minsk aufrechtzuerhalten und von dort Mitglieder und Kleidungsstücke zu organisieren sowie den Partisanennachschub durchzuführen. 2. Saizew, Stepan, Deckname: Sajaz, hatte Mitglieder zu werben und die Organisation in den Rayons und der Stadt Minsk aufzubauen. 3. Semjonow, Georgy, Deckname: Schorsch oder Schuk, hatte innerhalb des Komitees die Propagandaarbeit und die Durchführung der Druckaufträge zu bearbeiten. 4. Rokow, Iwan, Deckname: Stepan Iwanowitsch, war Chef des Militärrates der Partisanen für Weissruthenien. Seine Aufgabe war die Organisation und der taktische Einsatz der Partisanen im weissruthenischen Raum. 5. Kotjikow, Leonid, Deckname: Tjagaj, war der Organisator der Eisenbahnerpartisanengruppen in Minsk. 6. Kowalow, Iwan, Deckname: Njewski, war Komiteemitglied und erhielt von Zeit zu Zeit Sonderaufgaben zugewiesen. 7. Grigorjew, Konstantin, Deckname: Kataj, war beauftragt, innerhalb der Betriebe in Minsk Partisanen zu werben. Der unter 4. genannte Rokow bildete einen Militärrat der Partisanen, dem angehörten: 1. Er selbst. 2. Below, Iwan, Deckname: Tarakanow oder Aletnowitsch, war Stabsführer der Partisanen. In der Roten Armee war er Hauptmann

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und Chef des Stabes der 13. Schützendivision. Seine Aufgaben innerhalb des Partisanenstabes waren die eines Generalstäblers. 3. Antochin, Peter, Deckname: Sergej Iwanowitsch Sokolow, war Hauptmann und Kommandeur eines Panzerbataillons. Hat am Spanienkrieg als Kommandeur einer Panzerbrigade teilgenommen. War Adjutant und Stellvertreter von Rokow sowie Verbindungsmann zu zahlreichen Partisanen in Minsk. Der Partisanenstab selbst war in insgesamt 10 Abteilungen gegliedert und zwar: 1. Wirtschaftsabteilung (Herbeischaffung von Verpflegung und Anlegung von Partisanenlagern, Führer: Surowjagin, Pawel, Deckname: Petrenkow). 2. Finanzabteilung (Finanzierung der Partisanenbewegung, Führer: Alexander Tschischiks, war Chef der Finanzabteilung der 13. Div.). 3. Politische und Propagandaabteilung (Propaganda innerhalb der Bevölkerung und der Partisanen und Weitergabe von Nachrichten an die Partisanen, Führer: Tolkatschow, Nikolaj, war Mitglied der KP und politischer Kommissar im Range eines Generalmajors). 4. Befehlsabteilung (Aufgabe war die Kurierverbindung und die evtl. Erschiessung von unzuverlässigen Elementen. Der Führer dieser Abteilung hatte das Recht, auch selbständig Erschiessungen vorzunehmen, wenn es im Interesse der Sache lag. Im allgemeinen wurden jedoch die Befehle zur Erschiessung von Rokow gegeben. Dieser hatte bereits 2 Befehle zur Erschiessung von Partisanen gegeben, die jedoch nicht ausgeführt worden waren. Führer: Wirbitzki, Iwan, war Kriegstechniker im Range eines Unterleutnants). 5. Informationsabteilung (Hatte den Auftrag, Nachrichten abzuhören und sie der Propagandaabteilung weiterzuleiten, Führer: Goriza, Jefim, war Chef einer Wirtschaftsabteilung im NKWD und Mitglied der KP). 6. Sanitätsabteilung (Aufgabe war, Ärzte anzuwerben, Medikamente zu beschaffen und diese an die Partisanen weiterzuleiten. Ausserdem sollten in Minsk und in der Nähe der Standorte der Partisanenabteilungen behelfsmäßige Lazarette eingerichtet werden. Als Leiter war der ehemalige Militärarzt ersten Ranges Jagorski vorgesehen). 7. Kaderabteilung (Einsatz von Führern und Mannschaften für die Partisanenabteilungen sowie die karteimäßige Erfassung, Führer: Juschakow, Nikofor, Deckname: Kolka oder Nokolaj, war Hauptmann der Panzertruppe und Mitglied der KP). 8. Erkundungsabteilung (Erkundung der militärischen Objekte, Führer: Nikitin, war Hauptmann und Kommandeur eines mot. Batl. der Roten Armee). 9. Operationsabteilung (Aufgabe war, sämtliche an die Partisanengruppen ausgehenden Befehle auszuarbeiten und den taktischen Einsatz der einzelnen Partisanengruppen zu leiten. Sonderaufgabe war die Ausarbeitung einer Besetzung der Stadt Minsk. Hierfür war vorgesehen, im Falle des Vormarsches der sowjetischen Truppen bis zur Beresina Minsk von aussen her durch die Partisanen angreifen zu lassen. Gleichzeitig sollte in der Stadt ein Aufstand durchgeführt werden und die wichtigsten militärischen und zivilen Dienststellen besetzt werden. Führer: Iwanow, Andrej, Deckname: Podogrigora, war vor dem Kriege Leiter des Telegrafenamtes in Minsk. 1924 wurde er Kandidat und 1927 Mitglied der KP. Bei Ausbruch des Krieges wurde er als Hauptmann eines schweren Haubitzenregiments eingezogen). 10. Nachrichtenabteilung (Hatte die Aufgabe, Empfangs- und Sendegeräte sowie Nachrichtenmittel, wie Fernsprecher usw., zu beschaffen. Führer war noch nicht vorgesehen). Während von den Partisanen in Minsk zwar noch keine Sabotage- und Terrorakte durchgeführt wurden, lief jedoch die Anwerbung von neuen Partisanenangehörigen und ihrer Zuweisung an die einzelnen in Weissruthenien liegenden Partisanenabteilungen. Diese wurden in Trupps von 10–15 Mann durch Verbindungsleute zu den Partisanenabteilungen geführt. Die Zuführung erfolgte jeweils von Ort zu Ort, wobei die einzelnen Führer immer nur den Weg bis zum nächsten Ort und dem dort befindlichen Verbindungsmann

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kannten, so daß ein Verrat weitgehendst ausgeschaltet ist. Wie viele Personen im einzelnen zu den Partisanen gestoßen sind, konnte nicht festgestellt werden. Aus dem Ghetto sind bisher ungefähr 100 Juden zu den Partisanen geführt worden.2 Bemerkenswert ist noch die Tatsache, daß von seiten der Abteilungsführer der Partisanen und von dem Militärrat selbst die Juden als Partisanen abgelehnt wurden, da sie zu feige sind und nicht aktiv eingesetzt werden können. Das Hauptinteresse der Juden an der Partisanenbewegung besteht darin, daß sie aus dem Ghetto herauskommen; jeder weiteren Betätigung gehen sie jedoch aus dem Wege. Es ist daher vorgekommen, daß die jüdischen Partisanen vom Militärrat mit falschen Befehlen und unrichtigen Marschzielen ausgerüstet in Marsch gesetzt wurden, so daß diese Gruppen dann ziellos umherirrten und z. T. von der Wehrmacht aufgegriffen wurden. In Minsk bestanden bisher drei Partisanengruppen, und zwar: 1. Gruppe Rayon Storoschawka. Führer: Djomin, Iwan, Deckname: Stasewitsch, war Techniker im Offiziersrang und Mitglied der KP. Seine Gruppe bestand aus 7 Mitgliedern, von denen 4 festgenommen wurden. 2. Gruppe Rayon Kommanrowka. Führer: Alexander Arndt, Deckname: Arndow, war Verwaltungsführer im Offiziersrang. Seine Gruppe bestand aus 6 Personen, die sämtlich festgenommen sind. 3. Zentralgruppe. Diese Gruppe umfaßte sämtliche Angehörige des Partisanenstabes. Weitere Gruppen waren in Minsk in Vorbereitung, konnten aber noch nicht organisiert werden. Von dem Stabsführer der Partisanen wurden insgesamt 9 Partisanengruppen geführt. Bei dieser Aufstellung ist jedoch zu berücksichtigen, daß weit mehr Gruppen geführt wurden, als tatsächlich Verbindung mit diesen bestand. So sind einige Gruppen mitnotiert worden, von denen Rokow bezw. der Stabsführer lediglich gesprächsweise gehört haben. Von diesen Partisanenabteilungen sind eine durch die Wehrmacht und zwei weitere durch das Einsatzkommando dSPudSD 3 aufgerieben worden. Das Propaganda- und Nachrichtenmaterial besorgte im wesentlichen Kosinjez, da die Informationsabteilung bisher über kein Empfangsgerät verfügte. K. hörte die Nachrichten bei dem noch flüchtigen „Schorsch“ (Georgy) ab. Dieser „Schorsch“ besaß in seiner Wohnung 2 Empfangsgeräte. Eins davon war älteren Datums und selbst gebaut. Bei dem zweiten Gerät handelt es sich um einen Rundfunkempfänger, Typ „Lionier“, der bei der Firma Telefunken in Minsk hergestellt worden war. Die Beschaffung des Apparates hatte ein in der Firma Telefunken beschäftigter Ingenieur (ehem. Offizier) übernommen. Dieser trug mit 3 ebenfalls festgenommenen Helfershelfern den Apparat in Einzelteile zerlegt aus dem Werk hinaus und setzte ihn bei dem genannten „Schorsch“ wieder zusammen. Kosinjez leitete die Nachrichten durch einen ebenfalls festgenommenen Mittelsmann an die Angehörigen des Komitees weiter. Darüber hinaus wurden jeweils mehrere Nachrichten gesammelt, in einer Geheimdruckerei gedruckt und als Flugblätter verbreitet. Die Druckerei befand sich in einem Wohngebäude in der Nähe des Ghettos und wurde von einem ausserhalb des Ghettos wohnenden Juden namens Tschiptschin geleitet. Die Druckerei war vollständig eingerichtet, und es konnten dort sowohl Flugblätter als auch Propagandahefte gedruckt werden. Bei der Aushebung wurden Probeabzüge einer Broschüre vorgefunden, die eine der zuletzt gehaltenen Reden Stalins enthielten. Das gesamte Druckmaterial, wie Matern usw., war von dem bereits genannten Iwanow aus der Druckerei des „Durchbruch“ in Minsk gestohlen worden. Die russischen Buchstaben hatte Iwanow aus dem Ghetto erhalten. Die Druckerei selbst führte laufend Druckaufträge von ausserhalb liegenden Partisanengruppen aus. Nach den bisherigen Feststellungen sind ungefähr 3000 Werbeflugblätter für Partisanen

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hergestellt worden. Die Finanzierung der Partisanenbewegung erfolgte im wesentlichen durch Geldspenden aus dem Ghetto. Die Feststellungen haben ergeben, daß praktisch nahezu das gesamte Ghetto organisiert und in Abteilungen und Unterabteilungen gegliedert ist. Die Ermittlungen in dieser Richtung sind zunächst eingeschränkt worden, da eine Auflösung des Ghettos vorgesehen ist. 4 Seit Anfang März 1942 stand das Komitee bezw. der Militärrat über eine Fallschirmspringergruppe mit Moskau in Verbindung. Die Fallschirmspringergruppe war mit einem Funkgerät ausgerüstet und gab die wichtigsten Mitteilungen, die sich vorwiegend auf erkundete Objekte bezogen, weiter. Führer dieser Fallschirmspringergruppe ist ein aktiver Hauptmann der Roten Armee, Alexander Wolkow, Deckname: Borowik, Vigenti, der festgenommen wurde. Da in Moskau zuverlässige Nachrichten über die tatsächliche Lage in Weissruthenien vollkommen fehlten, wurden dort Anfang Januar 1942 zwei Fallschirmspringergruppen aufgestellt, die den speziellen Auftrag hatten, die Lage in Weissruthenien zu erkunden und das Ergebnis nach Moskau zu funken. Diese Gruppen hatten übrigens den Auftrag, keine Verbindung mit Partisanen aufzunehmen. Der Führer dieser Gruppe hat dies trotzdem getan, da er glaubte, dadurch leichter Material erhalten zu können. Er hatte das Bestehen des Komitees und des Militärrates nach Moskau gefunkt. Von dort erhielt er die Anweisung, die Verbindung mit dem Komitee aufrechtzuerhalten. Dieses Komitee müsse jedoch erst eine wesentliche Leistung vollbringen, ehe es von Moskau aus anerkannt würde. Vorgesehen war auf Anweisung von Moskau die Ermordung des Generalkommissars, Gauleiter Kube 5. Der Führer der Fallschirmspringergruppe hatte diesen Auftrag an Rokow weitergegeben, der seinerseits das Attentat vorbereitete. Er war zu diesem Zweck mit dem festgenommenen Glochow, Gregor, in Verbindung getreten, der Gift organisiert hatte. Dieses Gift sollte durch eine beim Generalkommissariat beschäftigte und von den Partisanen geworbene V-Person dem Essen des Gauleiters beigemischt werden. Die V-Person war als Putzfrau in der Küche des Generalkommissars tätig. Die Vergiftung war deshalb noch nicht ausgeführt worden, weil man sich noch nicht im klaren war, wie man das Gift dem Essen so beimischen könnte, daß lediglich der Generalkommissar davon bekäme und nicht die aus der gleichen Küche verpflegten russischen Arbeitskräfte des Generalkommissariats. Das Gift wurde vernichtet. Glochow hatte weiter Bakterienkulturen in seinem Besitz, die für eine spätere Verwendung bei der Truppe vorgesehen waren. Es war ferner ein weiterer Plan ausgearbeitet, den Generalkommissar bei einer seiner Ausfahrten zu erschiessen. Dieser Plan konnte noch nicht ausgeführt werden, da die notwendig erforderlichen Erkundungen über die Dienstreisen des Generalkommissars noch nicht abgeschlossen waren. 6 Bei den Partisanen war auf dem Wege über die im Generalkommissariat beschäftigten Juden bekannt geworden, daß auf der Kartenstelle der Wehrmacht ein Stadtplan von Minsk angefertigt worden war, der sämtliche in Minsk liegenden Wehrmachtseinheiten, die Dienststellen der Zivilverwaltung, der Polizei einschl. der Sicherheitspolizei sowie alle Betriebe mit dem Hinweis, ob diese für die Zivilverwaltung oder für die Wehrmacht arbeiten, enthielt. Der Leiter der Erkundungsabteilung gab einem beim Generalkommissariat beschäftigten Juden den Auftrag, den in den Diensträumen des Generalkommissariats frei liegenden Plan zu entwenden. Der Jude, der übrigens eine vom Generalkommissariat ausgestellte Bescheinigung als Mischling besaß, führte den Auftrag aus und brachte die Karte zu dem Leiter der Erkundungsabteilung. Diese Karte ist später der Fallschirmspringergruppe ausgehändigt worden, die ihrerseits diese Karte auswertete

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und das Material nach Moskau funkte. Der Chef des Militärrates Rokow hatte ausserdem einen bei der hiesigen Dienststelle als Heizer beschäftigten Mann, einen ehemaligen Offizier, angeworben. Dieser war dazu vorgesehen, das Gebäude der Sicherheitspolizei in Riga in der nächsten Zeit in die Luft zu sprengen. Den dazu erforderlichen Sprengstoff sollte der Führer der Fallschirmspringergruppe in Moskau anfordern. Ferner konnten 2 in den Werkstätten der hiesigen Dienststelle beschäftigte Juden als Angehörige der Partisanengruppe festgenommen werden. Diese hatten vorwiegend Erkundungsaufträge, die sich auf die Tätigkeit der Sicherheitspolizei und des SD bezogen. Im Zuge der bisher durchgeführten Ermittlungen wurden insgesamt 404 Personen, einschl. der im Ghetto organisierten Partisanen, festgenommen. Davon wurden bereits 212 Personen erschossen. Grössere Mengen an Waffen und Munition konnten sichergestellt werden. C. Lebensgebiete […] Deutsche Propaganda: Die Erfassung der breiten Massen der Bevölkerung durch die deutsche Propaganda wird in den Meldungen weiterhin als nicht ausreichend bezeichnet. Sehr gross seien schon die technischen Schwierigkeiten. Es fehlten Druckereien und es mangele an Papier. Auch die Verkehrsschwierigkeiten, die sich nach der Schneeschmelze vergrössert haben, erschwerten die Ausbreitung von Propagandamaterial. Der Nachrichtenhunger der Bevölkerung werde in den Städten noch einigermaßen gedeckt, da wenigstens Zeitungen, wenn auch in einer sehr geringen Anzahl, zur Verfügung stehen (z. B. Witebsk, Smolensk, Bobruisk). Günstig wirke es sich aus, dass durch die Wiederaufnahme bzw. den Ausbau des vorhandenen Drahtfunknetzes Möglichkeiten der Nachrichtenübermittlung und damit der propagandistischen Beeinflussung gegeben sind (z. B. Witebsk, Orel). Demgegenüber ist die ländliche Bevölkerung auf ganz wenige zu ihr gelangende Zeitungen und Plakate, Aufrufe und Flugzettel angewiesen. Verschiedentlich wird vorgeschlagen, die Zeitungen in den Dörfern öffentlich auszuhängen (z. B. Klinzy). Notwendig sei es, die meist veralteten und verwitterten Plakate durch neue zu ersetzen. In Roslawl wurden inzwischen eine Reihe neuer Plakate und Flugblätter zur Verfügung gestellt. Besonderen Anklang fänden illustrierte Plakate und Bildmaterial. Übereinstimmende Feststellungen gehen dahin, dass das kleinste Führerbild mit grösster Freude aufgenommen und sorgfältig aufbewahrt wird (z. B. Klinzy, Orel). Es wird durchgehend für erforderlich gehalten, dass die deutsche Propaganda auf die die Bevölkerung beschäftigenden Fragen aktueller Art rasch und überzeugend eingeht. So würden beispielsweise im Gebiet von Orel aus der Landbevölkerung immer wieder Fragen erhoben wie: Dürfen Kirchen in den Dörfern ohne besondere Genehmigung eröffnet werden? Kann der Handel auf dem Lande ohne besondere Erlaubnis aufgenommen werden? Besteht die Möglichkeit, in die deutsche Wehrmacht einzutreten? Unter diesen Fragen befänden sich ständig auch solche, die deutscherseits entsprechend abgebogen werden müssten, so z. B. die Frage, ob man eine russische NSDAP gründen könne oder wie man an das Programm der NSDAP herankomme. Die Werbung von Arbeitskräften für das Reich, die Kommentare über die Agrarordnung, die Aufrufe zur Bekämpfung der Partisanen und die Aufforderung zum Einsatz aller Kräfte bei der Frühjahrsbestellung, die den Hauptgegenstand der deutschen Propaganda bildeten, hätten bei der Bevölkerung im allgemeinen gut angesprochen. […] BAB, R 58/697

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Gemeint sind offenbar Festnahmen vermeintlicher Partisanenführer; vgl. EM 187. Vgl. Shalom Cholawski: Soldiers from the Ghetto, San Diego 1980; Hersh Smolar: The Minsk Ghetto. Soviet-Jewish Partisans Against the Nazis, New York 1989; Barbara L. Epstein: The Minsk Ghetto: Jewish Resistance and Jewish Internationalism, Berkeley 2008; Kuzma Kosak: Das Ghetto von Minsk, in: Waltrud Barton (Hrsg.): Ermordet in Maly Trostinec. Die österreichischen Opfer der Shoa in Weißrussland, Wien 2012, S. 79–93. 3 Der Sicherheitspolizei u. des SD. 4 Die endgültige Liquidierung des Ghettos in Minsk erfolgte erst im Laufe des Jahres 1943; vgl. Petra Rentrop: Tatorte der „Endlösung“. Das Ghetto Minsk und die Vernichtungsstätte von Maly Trostinez, Berlin 2011, S. 150 f. 5 Wilhelm Kube, geb. 1887, Journalist, 1928 Gauleiter der NSDAP im Gau Brandenburg, 1933 Oberpräsident Brandenburg-Berlin, 1933 SS, 1936 Amtsenthebung, 1941 politisch reaktiviert u. ab 17. 7. Gen.komm. für Weißruthenien; vgl. Helmut Heiber: Aus den Akten des Gauleiters Kube, in: VfZ 4(1956), S. 67–92. 6 Kube fiel in der Tat am 22. 9. 1943 einem Anschlag zum Opfer. Attentäterin war eine Bedienstete seiner Dienststelle, die eine Bombe unter seinem Bett anbrachte; vgl. Hermann Weiß (Hrsg.): Biographisches Lexikon zum Dritten Reich, Frankfurt/M. 1998, S. 285 ff. 2

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 15. Mai 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 3 […] B. Gegner und Exekutivfragen Einsatzgruppe A: Lettland: Am 3. 4. 42 wurde nach Abschluss äusserst umfangreicher Vorermittlungen eine Aktion gegen eine neugebildete KP- und Partisanenorganisation in Riga durchgeführt. Die Gesamtzahl der Festgenommenen beläuft sich auf 200 Personen. Im Laufe der Feststellungen hat sich die enge Zusammenarbeit zwischen KP-Anhängern, entwichenen Kriegsgefangenen, Fallschirmspringern und Partisanen wiederum bestätigt. Die illegale Organisation hatte folgende Aufgaben: 1. Kommunistische Agitation durch Mundpropaganda und Druckschriften, 2. Verübung von Attentaten gegen führende lettische und reichsdeutsche Persönlichkeiten, 3. Durchführung von Sabotageakten (erteilte Einzelaufträge: Sprengung des Rigaer Elektrizitätswerkes in Kegum, Sprengung der Rigaer Eisenbahnbrücken, Bahnsprengungen, Sprengung heereswichtiger Betriebe usw.), 4. Hilfeleistung für entwichene bolschewistische Kriegsgefangene durch Eingliederung in die Partisanenbewegung oder Rücktransport zu den russischen Linien, 5. Waffen- und Munitionsbeschaffung, 6. Fühlungnahme mit und Unterstützung von Fallschirmspringern. Ausser Waffen und Munition wurden ein Sendegerät und 2000,– RM beschlagnahmt. […] Einsatzgruppe B: Die Partisanentätigkeit hat erheblich zugenommen. Verschiedene grössere Räume des Heeresgebietes werden von den Banden derart beherrscht, daß sie von Angehörigen der deutschen Wehrmacht und der übrigen deutschen Dienststellen nicht mehr betreten werden können. War die Entwicklung der Dinge bislang so, daß sich zunächst, wie schon früher berichtet, Banden aus versprengten Rotarmisten, aus den von den deutschen Truppen besetzten Orten geflüchteten Kommunisten ohne einheitliche Führung und Ausrich-

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tung bildeten, aus denen später insbesondere durch Zuführung roter Offiziere und durch deren Führung militärisch organisierte und straff geleitete Einheiten entstanden, so zeigt sich jetzt mehr und mehr, daß diese zunächst unabhängig voneinander operierenden Einheiten unter einheitlicher Führung zusammengefaßt und damit zu einer immer grösser werdenden Gefahr für die Sicherheit des Heeresgebietes werden.1 […] Einsatzgruppe D: Bei den in letzter Zeit gegen Partisanen im Jaila-Gebirge durchgeführten 3 Grossaktionen wurden 71 Erdbunker und Zelte gesprengt, 60 Partisanen im Feuerkampf erschossen und zahlreiche Beute, u. a. mehrere 100 000 Schuss Munition, gemacht. Unter den 351 unschädlich gemachten Funktionären und Agenten befand sich auch der Präsident der vormilitärischen Ausbildung für das Gebiet der Ostkrim, Abduramow. Anfang April gelang es, in und um Feodosia 6 führende Partisanen und Angehörige des Zerstörungsbataillons festzunehmen. Nach ihren Angaben ist die Lebensmittelknappheit sehr gross, so daß sich der Partisanenführer entschlossen habe, seine Abteilung in Trupps von 4–5 Mann aufzulösen. Diese Trupps haben den Befehl, sich durch die Front nach Kertsch durchzuschlagen oder, wenn dies nicht möglich ist, in den Dörfern unterzutauchen. Unter diesen Festgenommenen befanden sich der Oberkriegsgerichtsvorsitzende des NKWD im Kirowograd’schen Rayon, der Direktor der Landwirtschaftlichen Zentralorganisation, Parteimitglied seit 1918, seit 1917 bereits Partisan, und der Direktor des Eisenbahndepots in Feodosia, Parteimitglied seit 1925. C. Lebensgebiete […] Lettland: Während die Einführung der Selbstverwaltung ebenso wie in Estland und Litauen in Lettland von der Bevölkerung freudig begrüsst wurde, habe die Tatsache, dass die Stadt Riga aus der Selbstverwaltung herausgenommen und rein deutsch verwaltet werden solle, tiefe Niedergeschlagenheit, teilweise Empörung ausgelöst. In Anbetracht der wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten seien die Freiwilligenmeldungen für Schutzmannschaften usw. zurückgegangen. Bisherige Feststellungen haben ergeben, dass sich Angehörige der lettischen Intelligenz und vor allem des ehem. Offizierskorps fast überhaupt nicht gemeldet haben. Es zeige sich immer deutlicher, dass die Intelligenz sich abwartend verhalte und mehr dazu neige, Forderungen zu stellen als Pflichten zu erfüllen. […] In der Landwirtschaft werde ebenfalls wie in den übrigen Gebieten der Frühjahrsbestellung mit grosser Sorge entgegengesehen. Einerseits würde der schon vorhandene Mangel an Zugtieren durch eine weitere Heeresanforderung von 10 000 Pferden für Lettland weiter verschärft, andererseits der Mangel an Arbeitskräften durch Dienstverpflichtung von jungen Landwirten in das Reich gesteigert. Es würde in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die lettische Landwirtschaft in normalen Jahren zur Durchführung der notwendigen Arbeiten 50 bis 60 000 polnische Landarbeiter zusätzlich hätte hereinholen müssen. Die Herabsetzung der Lebensmittelrationen habe eine allgemeine Unruhe hervorgerufen; besonders die Arbeiterschaft sei sehr unzufrieden, da sie nicht die Möglichkeit habe, im Schleichhandel oder durch Beziehungen auf dem Lande zusätzliche Nahrungsmittel zu erhalten. Das völlige Ausbleiben von Kartoffeln und Kohl seit vielen Wochen erschwere es gerade diesem Bevölkerungsteil, mit den Lebensmittelrationen auszukommen. Von lettischer Seite würde darauf hingewiesen, dass eine Gleichstellung mit den Lebensmittelrationen im Reich wünschenswert wäre. Da nur knapp die Hälfte der

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Bevölkerung Nichtselbstversorger sei, würde dies nur einen geringen Mehrverbrauch an Lebensmitteln mit sich bringen. Dagegen würde hierdurch der kommunistischen Propaganda innerhalb der Arbeiterschaft, die auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse ständig wächst, das wesentlichste Argument entzogen werden. Weiter würde dann die Durchführung schärfster Maßnahmen gegen den Schleichhandel von der Bevölkerung besser verstanden werden. Schulwesen: Vorläufige zusammenfassende Übersicht über die Lage im Schulwesen im Raum der Heeresgruppe Mitte: Mit Februar 1942 ist der Schulbetrieb im Bereich der Heeresgruppe Mitte auf Anordnung der Militärverwaltung wieder aufgenommen worden. In vielen Orten scheiterte allerdings eine vollständige oder teilweise Wiederaufnahme an folgenden Faktoren: der Gebäudefrage, der Inventarfrage, der Lehrmittelfrage und der Personalfrage. Die ehemaligen Schulgebäude sind nur zu einem geringen Teil zerstört mit Ausnahme von Roslawl, wo die Mehrzahl vernichtet ist. Soweit die Schulen aber benutzbar sind, waren bezw. sind sie in sehr vielen Fällen durch die deutsche Wehrmacht belegt (Brjansk, Witebsk, Roslawl). Der Unterricht unterliegt dadurch laufend Stockungen und Verschiebungen. Das Inventar (Bänke, Tische, Stühle usw.) ist vielfach vernichtet worden. Es dürfte, wenn überhaupt, nur unter grössten Schwierigkeiten zu ersetzen sein (Brjansk). Auch das Lehrmaterial ist zu einem erheblichen Teil verschwunden oder zerstört worden. Durch Aussortieren des alten Lehrmaterials, insbesondere der Bücher, gehen weitere Teile verloren, obwohl man vorläufig die alten kommunistischen Lehrbücher mit einigen Streichungen und Änderungen neben Zeitungen und Broschüren weiter verwenden muss, da die Beschaffung von neuen Lehrbüchern aussichtslos erscheint. […] Die verhältnismäßig geringsten Schwierigkeiten bereitet die Lehrerfrage. Bei der Registrierung der Lehrer hat sich ergeben, dass nur die Lehrer geflohen sind, die der Kommunistischen Partei angehört haben (Brjansk, Kletnja). Ein Lehrermangel ist dadurch nicht entstanden. Allerdings fallen noch die Lehrer aus, die deutschen Unterricht erteilt haben. Sie sind heute meist als Dolmetscher bei Wehrmachtseinheiten oder russischen Zivilbehörden tätig und dort kaum abkömmlich. Nach den vorliegenden Meldungen läuft der Schulbetrieb in Mogilew in 10 Schulen mit zusammen 123 Klassen und 4655 Schülern, im Rayon Witebsk in 11 Schulen, in Stadt und Rayon Klinzy in 55 Schulen und 2 Spezialschulen (Blinden- und Taubstummenschule). Im Rayon Roslawl unterrichten z. Zt. in 69 Schulen 168 Lehrer 8408 Schüler. Noch geschlossen sind die Schulen in der Stadt Witebsk, in Karatschew, in Ordshonikidsegrad. Auch in Kursk, Orel und Brjansk sind vorerst nur die Vorarbeiten für die Wiederaufnahme des Schulbetriebes im Gange. In Borissow und im Rayon Roslawl mussten 2 bezw. 4 Schulen wegen Seuchengefahr wieder geschlossen werden. Die Schulfreudigkeit der Kinder ist allgemein nicht schlecht, bei den Eltern war dagegen ein geteiltes Interesse festzustellen. Die Gründe lagen hauptsächlich in der Schwierigkeit der Beschaffung von Kleidung und Schuhwerk und in der den Kindern während der Schulzeit entgehenden Verdienstmöglichkeit (Mogilew, Kletnja). In Kletnja wurde, da bei den Eltern eine Zeit lang die Tendenz zu beobachten war, die Kinder nicht zur Schule zu schicken, von der Ortskommandantur folgende Regelung getroffen. Es brauchen die Schule nicht zu besuchen: 1. Kinder, deren Elternhaus abgebrannt ist, 2. Kinder, deren Elternhaus in Fabriken oder anderen Betrieben arbeiten und wo daheim noch kleine Kinder zu beaufsichtigen sind. Für unbegründete Schulversäumnis wurden von der Kommandantur Geldstrafen bis zu 1000 Rubel genehmigt. In einigen Fällen wurden bereits solche bis zu 300 Rubel verhängt. Seither ist eine wesentliche Besserung eingetreten.

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In grossen Teilen der Bevölkerung wird jedoch die Wiederaufnahme des Schulunterrichtes aufrichtig begrüsst, wie u. a. aus Witebsk, Brjansk Mogilew und Kletnja berichtet wird. Die Eltern, die beruflich tätig sind, wissen, dass sich ihre Kinder in den Schulen in sicherer Obhut befinden. Auch die Lehrerschaft steht der Wiedereröffnung der Schulen mit wenigen Ausnahmen positiv gegenüber. Die Disziplin und der Schulfortgang wird als besser als vor dem Kriege bezeichnet, da die Lehrer mit grösserer Begeisterung bei der Sache sind und auch die Schüler infolge Fehlens anderer Ablenkungen mit weit grösserem Interesse mitarbeiteten (Kletnja). Vereinzelt wird berichtet, dass Lehrer die Gehaltsfrage in den Vordergrund stellen. Die Bezahlung der Lehrerschaft sei keineswegs ausreichend (Mogilew, Klinzy). Die in Händen der Feldkommandanturen liegende Schulüberwachung erstreckt sich z. Zt. neben der Überprüfung der Lehrkräfte nur auf eine Ausrichtung des Lehrpersonals durch Vorträge. […] BAB, R 58/697 1 Das stellt eine realistische Beschreibung der Organisations- u. Operationsfähigkeit der sowjetischen Partisanenbewegung in Weißrußland dar; vgl. John A. Armstrong (Hrsg.): Soviet Partisans in World War II, Madison 1964, S. 89–108.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 22. Mai 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 4 […] A. Standorte und Nachrichtenverbindungen Höherer SS- und Polizeiführer Nord (101): (SS-O’Gruf. Jeckeln), Standort: Riga. Befehlshaber dSPudSD Ostland: (SS-Brif. Jost), Standort Bfh.: Riga, N-Verbindungen: FS, FT Riga, Standort d. EG A: Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: FT, FS Riga, FT Krasnogwardeisk, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Estland: (SS-Stubaf. RR Dr. Sandberger), Standort: Reval m. Dienststellen in Narwa, Dorpat, Kingisepp, Krasnoje-Selo, Luga und Pleskau, N-Verbindungen: FT, FS Reval, FT Pleskau, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Lettland: (SS-Stubaf. RR Dr. Lange), Standort: Riga m. Dienststellen in Libau, Wolmar, Dünaburg, N-Verbindungen: FT, FS Riga, Feldpost-Nr. 15447. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Litauen: (SS-Staf. Jäger), Standort: Kauen m. Dienststellen in Wilna u. Schaulen, N-Verbindungen: FT, FS Wilna und Schaulen, Feldpost-Nr. 15641. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Weißruthenien: (SS-Stubaf. RR Strauch), Standort: Minsk m. Dienststellen in Wilska [sic] und Baranowicze, N-Verbindungen: FT und FS Minsk, Feldpost-Nr. 15641. Höherer SS- und Polizeiführer Mitte (102): (SS-O’Gruf. v. d. Bach), Standort: Mogilew. Chef der Einsatzgruppe B: (SS-Oberf. Naumann), Standort: Smolensk, N-Verbindungen: FT Smolensk, Kurierverbindung über Warschau und Fernsprecher über VD Smolensk, Feldpost-Nr. 37857.

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Sonderkommando 7a: (SS-O’Stubaf. Rapp), Standort: Sytschewka m. Trupp i. Wjasma, N-Verbindungen: Sytschewka, Feldpost-Nr. 85607. Sonderkommando 7b: (SS-O’Stubaf. Ott), Standort: Orel m. Trupps in Brjansk und Karatschew, N-Verbindungen: FT Orel, Feldpost-Nr. 18555. Einsatzkommando 8: (SS-Stubaf. RR Richter), Standort: Mogilew m. Trupps in Bobruisk, Orscha, Borissow, Gomel, Klinzy, N-Verbindungen: FT Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Einsatzkommando 9: (SS-O’Stubaf. Wiebens), Standort: Witebsk m. Trupps i. Newel, Polozk, Lepel und Surash, N-Verbindungen: FT Witebsk, Feldpost-Nr. 37857. Höherer SS- und Polizeiführer Süd (103): (SS-O’Gruf. Prützmann), Standort: Kiew. Befehlshaber dSPudSD Ukraine: (SS-Brif. Dr. Thomas), Standort Bfh.: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Rowno, von dort Kurier, Feldpost-Nr. 32704, Standort d. EG C: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier, Feldpost-Nr. 32704. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Wolhynien: (SS-Stubaf. RR Dr. Pütz), Standort: Rowno, N-Verbindungen: FT Rowno. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Shitomir: (SS-Stubaf. RR Dr. Razesberger), Standort: Shitomir, N-Verbindungen: FS Shitomir. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Kiew: (SS-O’Stubaf. Ehrlinger), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew, FS Lemberg, von dort Kurier. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Tschernigow: (SS-Stubaf. Christensen), Standort: Tschernigow, N-Verbindungen: FT Kiew, v. d. Kurier od. FT Ordpo. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Nikolajew: (SS-Stubaf. RR Dr. Spann), Standort: Nikolajew, N-Verbindungen: FT Nikolajew. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Charkow: (SS-Stubaf. RR Dr. Kranebitter), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Dnjepropetrowsk: (SS-Stubaf. Mulde), Standort: Dnjepropetrowsk, N-Verbindungen: FT Dnjepropetrowsk. Sonderkommando 4a: (SS-O’Stubaf. ORR Dr. Weinmann), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow, Feldpost-Nr. 32704. Sonderkommando 4b: (SS-Stubaf. RR Dr. Haensch), Standort: Gorlowka, N-Verbindungen: FT Gorlowka, Feldpost-Nr. 34310. Einsatzkommando 6: (SS-Stubaf. RR Mohr), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino, Feldpost-Nr. 35979. Höherer SS- und Polizeiführer z. b. V.: (SS-Brif. Korsemann), Standort: Krementschug. Chef der Einsatzgruppe D: (SS-Oberf. Ohlendorf), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol, Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10a: (SS-O’Stubaf. ORR Seetzen), Standort: Taganrog m. Trupps in Mariupol u. Melitopol, N-Verbindungen: FT Taganrog, Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10b: (SS-Stubaf. Persterer), Standort: Feodosia m. Trupps in Sudak u. Dshankoj, N-Verbindungen: FT Feodosia u. Sudak, Feldpost-Nr: 47540. Einsatzkommando 11a: (SS-Stubaf. Zapp), Standort: Kokosi, N-Verbindungen: FT Mariupol. Einsatzkommando 11b: (SS-Stubaf. RR Dr. Braune), Standort: Simferopol m. Trupps in Jewpatoria, Aluschta, Karasubasar, N-Verbindungen: FT Simferopol u. Aluschta, Feldpost-Nr. 47540. Einsatzkommando 12: (SS-Staf. Min.Dirigent Dr. Müller), Standort: Fedorowka m. Trupps in Pologi, Biukxas u. Gulja-Pole, N-Verbindungen: FT Fedorowka, FeldpostNr. 47540.

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B. Gegner und Exekutivfragen […] Widerstandsbewegung in der Ukraine: a) Bandera-Bewegung: Nach einem Bericht des Bfh. dSPudSD für die Ukraine haben die Ermittlungen ergeben, daß Rowno Zentralstelle der illegalen Bandera-Bewegung von Wolhynien und Podolien war. Als Führer kommt ein Ostap Timostschuk in Frage. Die durchgeführten Festnahmen haben bewirkt, daß Rowno als Zentralstelle und Stützpunkt aufgegeben wurde. Anzeichen liegen vor, daß sich die Organisationsleitung in das Sumpfgelände von Sarny und Pinsk zurückgezogen hat. Der Organisationsplan der Bandera-Bewegung ergibt sich aus dem Material, das bei dem festgenommenen Kowaltschuk vorgefunden wurde. Danach wurde die Ukraine in Provinzen, Gebiete, Überkreise, Kreise, Unterkreise und Blocks, jede dieser Gliederung mit einem Gesamtführer an der Spitze, eingeteilt. Jedem Gesamtführer unterstand ein Organisationsführer, Verbindungsführer, militärischer Führer, Werbungsführer, Sicherheitsführer, Bildungsführer, Jugendführer und eine Frauenschaftsführerin. Ausserdem gab es Stellvertreter. Sie hatten die Aufgabe, nach dem Sieg der Bandera-Bewegung das öffentliche Leben der Ukraine zu organisieren sowie die Ausbildung und Ernennung sonstiger Führer zu übernehmen. Besonderer Wert wird auf die Erziehung der Jugend gelegt. Zu Kriegsbeginn reisten geschulte Bandera-Anhänger aus Galizien ein und besetzten ohne behördliche Genehmigung die für sie geeigneten Posten, insbesondere die Schulinspektorstellen. Die von diesen Schulinspektoren bestätigten Junglehrer sollten die Jugendlichen nach besonderen Richtlinien erziehen und zu fanatischen Bandera-Anhängern heranbilden. Daneben haben die Junglehrer auch bei den älteren Ukrainern Propaganda für Bandera zu treiben. In Rowno besaß die Bandera-Gruppe mehrere Fabrikgebäude und Wohnungen. Dort wurde die ukrainische Miliz ausgebildet und Versammlungen abgehalten. Die illegale Milizausbildung wurde unterbunden und die Milizschule in Rowno aufgelöst. Die Milizschule wurde daraufhin illegal im ehemaligen Schlossgebäude in Klewan fortgeführt. Durch das Material, das bei der Auflösung der Milizschule in Rowno sichergestellt wurde, ist einwandfrei erwiesen, daß die Miliz als Bandera-Kampforganisation gedacht war. Der Lehrgang der Milizschule hatte 40 Teilnehmer, die auf die Illegalität ihrer künftigen Arbeit aufmerksam gemacht wurden. Es wurde ihnen klargemacht, daß es sich um einen Freiheitskampf der Ukraine gegen Deutschland handele. Für den Fall der Festnahme wurde die Verweigerung jeglicher Angaben gefordert. Für den Fall von Verrat wurde den Teilnehmern Beseitigung durch die Bewegung angedroht. Breiten Raum nahm die Ausbildung der Kursteilnehmer in der Handhabung der Waffen ein. Es wurde ihnen erklärt, daß der freie, unabhängige ukrainische Staat nur mit der Waffe erkämpft werden könnte. Bemerkenswert ist, daß schon früher aufgrund eines den Milizführern zugegangenen Geheimbefehls, Beutewaffen und Munition nicht an die deutsche Wehrmacht abgegeben, sondern bei den Milizstellen versteckt gelagert wurden. Waffen wurden auch von Juden zusammengetragen. Als im Gebiet von Kostopol mehrere Waffenlager ausgehoben wurden, versuchten die Milizführer, die Schuld auf Juden abzuwälzen. Die Milizmänner wurden nicht nur militärisch, sondern auch politisch geschult. Hierbei wurden sie durch Verdrehung von Tatsachen gegen das Deutschtum aufgehetzt. Es wurde erklärt, daß die Deutschen als Befreier erwartet wurden, sich aber als Unterdrücker entpuppt hätten. Gegen diese sei der Kampf zu führen. Weiter wurde bekannt gegeben, daß sich der Kampf im Rücken der deutschen Fronttruppen abspielen würde. Die Teilnehmer des Geheimlehrgangs wurden auch propagandistisch ausgerichtet. Bei der Werbung für die BanderaGruppe sollten sie sich nur an die einfachen Leute halten, da die Intelligenz mit den

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deutschen Stellen zusammenarbeitet. Aus der Masse der Bevölkerung sollte eine Revolutionsarmee zur Bekämpfung der Deutschen gebildet werden. Die Melnik-Gruppe und die Polen wurden als Feinde der OUN bezeichnet. Von den Engländern sagte man, auf sie sei kein Verlass, da sie nur ein grosses Polenreich gründen wollten. Von den Teilnehmern an dem Geheimlehrgang in Klewan wurden Ende Okt. 1941 ca. 25 Männer mit geheimen Aufträgen nach der Ostukraine entsandt. Ein Teil dieser Propagandisten konnte durch die sicherheitspolizeilichen Fahndungsmaßnahmen an verschiedenen Orten festgenommen werden. Von der Bandera-Bewegung wurde auch versucht, in die Ausbildungsabteilungen der Hilfsschutzmannschaften einzudringen. Die besten Propagandisten wurden zu den Ausbildungsabteilungen befohlen. Es wurde versucht, die in den Ausbildungsabteilungen tätigen Melnik-Anhänger zum Übertritt zu veranlassen. Gelang dies nicht, wurden die Melnik-Anhänger durch falsche Beschuldigungen aus der Schutzmannschaft gedrängt. Es wurde festgestellt, daß jeder Bandera-Mann einen oder mehrere Decknamen führte. Für Anlaufstellen wurden besondere Parolen herausgegeben. Durch Benutzung einer vertraulich bekanntgewordenen Parole gelang es, den an der Milizschule in Klewan tätig gewesenen Instrukteur Kaniuka (Deckname: Begun) festzunehmen. Bei Bandera-Leuten wurden falsche Ausweispapiere und auf Decknamen lautende Pässe gefunden. Zur Vermeidung weiterer Täuschungsmanöver wurden die bei den Milizen umherliegenden russischen Pass- und Ausweisformulare sichergestellt. […] Das Judentum auf der Krim 1: Die ersten nennenswerten jüdischen Ansiedlungen in der Krim gehen auf das Ende des 18. Jahrhunderts zurück, als die Krim mit Ausnahme von Sewastopol und der kaiserlichen Sommerresidenz Jalta den Juden als Ansiedlungszone zugewiesen wurde. Als das Judentum versuchte, sich im asiatischen Russland das jüdische autonome Gebiet Birobidshan zu schaffen, wurde mit starker finanzieller Unterstützung amerikanischer Judenorganisationen zugleich der Versuch unternommen, dem Judentum auch im europäischen Teil der UdSSR auf der Krim ein möglichst geschlossenes Siedlungsgebiet zu schaffen. Bezeichnend für den schon damaligen Gesamteinfluß der Juden in der UdSSR ist, daß der dabei von den Roten eigens als Kontrollorganisation geschaffene sogen. „Kosed“, eine Unterabteilung des NKWD, in kurzer Zeit vollständig von Juden beherrscht war. Die hauptsächlich um die Zeit der verstärkt einsetzenden Kollektivierung (um 1928) stattfindende Judenansiedlung auf der Krim ging fast nur zu Lasten der Volksdeutschen und Tataren. Im westlichen und mittleren Teil der Steppe mussten ganze deutsche Dörfer geräumt und den Juden überlassen werden. Jedoch genau wie in Birobidshan misslang auch auf der Krim der Versuch, aus Juden ein Bauernvolk zu machen. 2 Bereits 1939 lebten von den 65 000 Juden auf der Krim 44 000 (d.s. fast 70 v. H.) nur in den Städten Simferopol, Sewastopol, Kertsch, Jewpatoria, Jalta und Feodosia. Auf dem Lande betätigten sie sich hauptsächlich noch als Verwalter grosser Lager und Verteilerstellen, wo sie durch den An- und Verkauf besonders von Mangelware und Bedarfsgegenständen ihre Wuchergeschäfte betrieben. Von den Städten aus wurden in der Krim sämtliche Lebensgebiete bald vollständig von den Juden beherrscht. Waren einmal die Vorsitzenden von einzelnen Kommissariaten selbst keine Juden, so waren es die Vertreter oder die ersten Sekretäre. Von den allgemein zu den Juden gezählten Krimtschaken (etwa 6000) lebten gut die Hälfte überwiegend in Simferopol (2500) und in Karasubasar. Ihre Ausmerzung zusammen mit den eigentlichen Juden und den Zigeunern auf der Krim erfolgte im wesentlichen bis Anfang Dezember 1941. 3 Die Einbeziehung der Krimtschaken und der Zigeuner in das Schicksal der Juden erregte bei der Bevölkerung kein besonderes Aufsehen.

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C. Lebengebiete Allgemeine Lage und Stimmung auf der Halbinsel Krim: Während im Winter die Stimmung der Bevölkerung auf der Halbinsel Krim durch die sehr angespannte Ernährungslage einerseits, andererseits durch die wiederholten Landungsversuche der Sowjets und deren Positionen bei Sewastopol und auf der Landenge von Kertsch sehr negativ beeindruckt gewesen sei, habe bereits im April ein positiver Stimmungsumschwung stattgefunden. Die laufend zugeführten deutschen Truppen hätten das Vertrauen in die deutsche Kraft und den deutschen Sieg sehr gestärkt, so dass die Befürchtungen, dass die Bolschewisten die Krim wieder erobern könnten, schwanden. Diese positive Wandlung der Stimmung habe ihren Ausdruck darin gefunden, dass die Bevölkerung wieder geneigter sei, für Deutsche zu arbeiten, bei der Ausschaltung von Saboteuren usw. zu helfen. Der Besuch des Marschalls Antonescu habe allerdings teilweise bei der Bevölkerung die Befürchtung ausgelöst, dass die Krim unter rumänische Herrschaft kommen könnte. Die sehr angespannte Ernährungslage habe sich im ganzen etwas gebessert, besonders durch den erhöhten Fischfang an der Südküste sowie den Anfall von Frühgemüse. Auch für die weitere Zukunft werde hinsichtlich der Feldbestellung und Viehwirtschaft etwas optimistischer gesehen als bisher, da bei einem etwa 30–40 %igen allgemeinen Durchschnitt der Feldbestellungen in einzelnen Rayonen gelungen sei, das Land 100 %ig zu bebauen. Auch der Viehbestand habe sich als höher herausgestellt als ursprünglich angenommen. Die besonders positive Einstellung der Tataren auf der Krim gegenüber Deutschland sei zum Geburtstag des Führers wieder deutlich zum Ausdruck gekommen. So seien von den Tataren Gottesdienste durchgeführt worden, in denen für den Führer gebetet wurde. Andererseits hätten die Bestrebungen der Tataren, ihren Einfluss im öffentlichen Leben zu verstärken, zugenommen. […] BAB, R 58/697 1

Zum Überblick EdH, Bd. 2, S. 820 ff. Vgl. Antje Kuchenbecker: Zionismus ohne Zion. Birobidzan: Idee und Geschichte eines jüdischen Staates in Sowjet-Fernost, Berlin 2000. 3 Vgl. Kunz: Die Krim unter deutscher Herrschaft, S. 190 f. 2

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 29. Mai 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 5 […] B. Gegner und Exekutivfragen Kommunistische Bewegung: In Kiew ist es gelungen, den illegalen kommunistischen Jugendverband (Komsomol) aufzurollen. Das Stadtgebiet war in 9 Bezirke (Rayonkomitees) eingeteilt, von denen 5 bisher zerschlagen werden konnten. Die illegale Leitung ist bereits vor dem Einmarsch der deutschen Truppen in Kiew durch das ZK der Komsomolzen der Ukraine eingesetzt worden. Aufgabe der Organisation sollte es sein, kommunistische Flugblätter herzustellen und zu verbreiten, die Bevölkerung in Unruhe zu versetzen, durch Sabotageakte die deutsche Wehrmacht schädigen und Ausspähdienste für die Rote

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Nr. 14: Lettische Schutzmannschaften im „Bandenkampf“ bei Tschernigow 19422

Armee zu leisten. Die Leitung der einzelnen Rayonkomitees bestand aus dem Führer und 3 Mitarbeitern. Die führenden Funktionäre führten Decknamen und waren den Angehörigen des Verbands nur unter diesem Namen bekannt. Verschiedene der leitenden Funktionäre waren im Besitze von Waffen, Eierhandgranaten und Gift (Strychnin). Unter den Festgenommenen befinden sich mehrere Rayonleiter und eine Mitarbeiterin der Stadtleitung. Um zu verhindern, daß die Angehörigen des illegalen Verbandes nach dem Reichsgebiet in Arbeit vermittelt werden, wurden sie sämtlich mit gefälschten Arbeitsausweisen versehen. Das Lebensalter der Festgenommenen beträgt im Durchschnitt 17 bis 25 Jahre. Nach vertraulichen Nachrichten ist in Kiew eine neue illegale kommunistische Organisation in Bildung begriffen, die sich Volksdemokratische Partei nennt. Bei den Mitgliedern handelt es sich z. T. um alte KP-Angehörige. Die leitenden Funktionäre führen Decknamen. Neben der Agitation zum Massenaufstand befaßt sich die Organisation mit der Beschaffung von Waffen und leistet militärische Ausspähdienste. Partisanen und Fallschirmspringer, Terror und Sabotage: […] Im Bereich des Kdrs. dSPudSD für Weissruthenien: Die Partisanengefahr ist in diesem Gebiet immer noch sehr groß. Seit Anfang April ist es einer in der Umgebung von Baranowicze aufgetretenen Partisanengruppe gelungen, 21 einheimische Schutzmänner zu erschiessen. In der Nähe von Smolewitsche wurden 3 Dörfer durch eine Partisanengruppe in Stärke von 60 Mann vollkommen ausgeplündert. Alle Fuhrwerke, Pferde und Lebensmittel wurden mitgenommen. Am 9. 5. 42 wurden im Stadtgebiet Minsk 28 Angehörige der Partisanenorganisation Weissruthenien durch Erhängen öffentlich hingerichtet. Am gleichen Tage wurden ferner 251 Personen, vornehmlich Partisanen und Juden, erschossen. In Minsk wurde eine Aktion gegen eine Eisenbahnterrorgruppe durchgeführt und 126 Per-

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sonen festgenommen. Die Ermittlungen laufen noch. Bei einer rd. 6-wöchigen Partisanenbekämpfungsaktion im Raum von Gdow konnten eine grössere Anzahl von Partisanen erledigt und diverse Schlupfwinkel und Bunker ausgehoben werden. Im Bereich der Einsatzgruppe B: Die Partisanengefahr ist in fast allen Teilen des Heeresgebietes Mitte weiter erheblich angewachsen. Die aktive Bekämpfung wird durch die eingetretene Schlammperiode verzögert. Im Rayon Trubtschewsk haben die Partisanen durch Legen von Minen, Beschießen des Stadtrandes von Trubtschewsk, Plünderung in den benachbarten Ortschaften sowie durch einen Überfall auf einen Heutransport der Kavallerie eine besondere Aktivität an den Tag gelegt. In der Siedlung Radutin soll sich das Hauptquartier einer grossen Partisanengruppe befinden, wo z. Zt. etwa 4 russische Panzer und etwa 100 Kraftfahrzeuge instandgesetzt werden. Im Rayon Mglin überfielen Partisanen die Ortschaften Ryabzi, Trussowka, Oskolkow und Kinti, wobei grössere Bestände an Lebensmitteln geplündert wurden. Eine etwa 700 Mann starke Partisanengruppe erpresste in dem Dorf Chorowka gleichfalls Vieh und Lebensmittel. Im Rayon Pogar haben die Partisanen das Dorf Sapitschu überfallen und 27 Pferde entführt. Aus der Umgebung dieses Dorfes werden 250 Partisanen gemeldet, die gut bewaffnet sind. Andere Partisanengruppen sollen die Absicht haben, in Ordshonikidsegrad (Gebiet Brjansk) unter Umgehung der deutschen Posten einzudringen, um sich die dort lagernden Waffen und Lebensmittel anzueignen. Bei Djatkowo besteht ein Flugplatz der Partisanen, wo bereits russische Flugzeuge gelandet sind und seitdem ein regelmäßiger Flugverkehr herrscht. In letzter Zeit richten sich die Überfälle der Partisanen vor allem gegen die Eisenbahnanlagen. So herrschte besonders auf der Strecke Brjansk–Roslawl eine rege Tätigkeit. Bei Rhaniza fuhr ein Panzerzug auf eine Mine, wobei Lokomotive und Tender beschädigt wurden. Ein weiterer Panzerzug fuhr bei Selzo auf eine Mine, wobei die Lokomotive entgleiste und umstürzte. An beiden Stellen wurden ebenfalls Gleise gesprengt. Auf der Strecke Karatschew–Orel konnte eine Sprengladung rechtzeitig geräumt werden. Weitere Überfälle richteten sich gegen die Bahnlinien Brjansk–Dmitrijew und Brjansk–Nawlja. Ausserdem wurden Fernsprechleitungen an der Rollbahn Brjansk–Roslawl an mehreren Stellen durchschnitten. In einem Falle hatten sich die Partisanen an die Leitung angeschlossen. Am 20. 4. 1942 wurde auf den Panzerzug, der täglich die Strecke Newel–Welikije-Luki befährt, 16 km von Newel entfernt, ein Sprenganschlag von Partisanen verübt. Hierbei wurden 6 Wehrmachtsangehörige getötet und eine grössere Anzahl verwundet. Im Raume südwestlich von Mogilew wurde zusammen mit dem Polizeiregiment Mitte eine Aktion gegen starke, dort befindliche Partisanenbanden durchgeführt. Über 200 Tote und reiche Beute war das Ergebnis. Im Rayon Beresino hatte der ehem. Inspektor für Schulangelegenheiten in Minsk, Schunejko, auf Grund falscher Angaben den Posten des stellvertretenden Ordnungsdienstleiters bekommen. Diese Stellung nutzte Sch. aus, um 33 OD-Männer zu überreden, mit ihren Waffen und Ausrüstungsstücken zu einer Partisanengruppe überzutreten. Vor der Flucht sollte in Beresino noch ein Lager mit grossen Mengen russischer Artilleriemunition in die Luft gesprengt werden. Vor Ausführung dieses Planes wurden Sch. und 39 weitere Personen festgenommen. Im Rayon Gomel wurden 8 abgesprungene Fallschirmjäger festgenommen und die mitgeführten Sprengstoffe sowie ein Sendegerät sichergestellt. Diese Gruppe hatte den Auftrag, die Bahnlinie Gomel– Minsk und die Straße Mogilew–Gomel zu sprengen. In Bobruisk gelang es, eine im Aufbau begriffene Partisanenorganisation zu zerschlagen und 12 Personen festzunehmen. Die Mitglieder waren z. T. mit gefälschten Ausweispapieren versehen. Das Fälschermaterial wurde sichergestellt.

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[…] C. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung im Bereich der Heeresgruppe Mitte: Die Gesamtstimmung der Bevölkerung wurde in den letzten Wochen im wesentlichen bestimmt durch die sich immer mehr verschlechternde Ernährungslage und den zunehmenden Partisanenterror. Demgegenüber trat das Interesse an der militärischen Lage in den Hintergrund. Durch den dauernden Nachschub von Truppen und Material ist jedoch das Vertrauen der Bevölkerung in den deutschen Endsieg gestärkt und dementsprechend die Angst vor der Rückkehr der Roten Armee im Schwinden begriffen. Nachdem die Bevölkerung vorübergehend durch die Osterfeierlichkeiten etwas abgelenkt wurde, steht jetzt wieder die Ernährungsgrundlage im Vordergrund des Interesses. Übereinstimmend wird berichtet (Smolensk, Newel, Lepel, Mogilew, Orel, Borissow, Bobruisk), dass die gelagerten Bestände an Lebensmitteln aufgebraucht bzw. eine allgemeine Verschlechterung der Ernährungslage eingetreten ist, die die Stimmung der Bevölkerung ungünstig beeinflusst. Die Flugblattpropaganda benutzt diese Situation zur Stimmungsmache gegen Deutschland. Zur Verschlechterung der Ernährungslage tragen nach vorliegenden Berichten verschiedene Umstände bei: Frühjahrshochwasser, katastrophale Wegeverhältnisse, Schleich- und Tauschhandel, Schwarzschlachtungen und Requirierungen. Eine sehr grosse Rolle hierbei spielt jedoch auch die wachsende Aktivität der Partisanen, die den Abtransport von Lebensmitteln in den weiten, von ihnen beherrschten Gebieten verhindern bzw. die Lebensmittel selbst verbrauchen. So ist z. B. die Versorgung von Smolensk mit dadurch gefährdet, dass einer der Lieferbezirke von Partisanen so beeinflusst wird, dass keine Lieferungen durchgeführt werden. Die Frühjahrsbestellung wurde durch den Partisanenterror in weiten Gebieten unmöglich gemacht. Auch die Verkündung der neuen Agrarordnung könne die Bauern in den durch Partisanen gefährdeten Gebieten nicht zu ernstem Widerstand anfeuern, weil diesen der Boden nicht sofort als Eigentum gewährt werde. Obgleich die feindliche Flugblattpropaganda – unter Hinweis auf deren Erfolge – aufruft, ist die Haltung der Bevölkerung gegenüber den Partisanen allgemein ablehnend. Diese betrachtet die Partisanen als „Räuber und Banditen“, und es finden sich bei der Einrichtung militärischer Stützpunkte gegen die Partisanen sofort Männer aller Altersstufen bereit, auf deutscher Seite gegen diese zu kämpfen. Bei öffentlichen Exekutionen von Partisanen kommt die ablehnende Haltung der Bevölkerung gegenüber diesen immer wieder besonders zum Ausdruck. […] Das Polentum in Wolhynien: Wolhynien fiel 1921 auf Grund des Rigaer Friedens an Polen. Die Mehrheit der Bevölkerung bildeten Ukrainer und Weissruthenen. Durch den polnischen Staat wurde eine radikale und systematische Polonisierung betrieben. Während der Großgrundbesitz schon vorher in polnischer Hand war, wurden insbesondere entlang der Ostgrenze polnische Bauern auf beschlagnahmten Gütern angesiedelt, so dass die Ukrainer und Weissruthenen eingekapselt wurden. In den Städten erfolgte ein starker Zuzug von polnischer Beamtenschaft und Intelligenz, so dass sie einen gemischt-polnischjüdischen Charakter erhielten. Verwaltung, Post, Eisenbahn und Forst waren nur Polen vorbehalten. Der aktivste Träger des Volkstumskampfes war der katholische Klerus. Die erfolgreiche Polonisierungsarbeit wurde scheinbar durch den Ausbruch des deutsch-polnischen Krieges unterbrochen. Heute beträgt die Gesamtbevölkerung des Generalbezirks Wolhynien und Podolien etwa 4 630 000, davon rd. 465 000 Polen und 326 000 Juden. In den Städten bilden Juden und Polen die Mehrheit. So haben die Städte Rowno, Dubno, Wla-

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dimir-Wolhynsk, Luzk, Kowel, Kostopol, Stolbunow, Brest-Litowsk, Pinsk und Kobryn zusammen 243 800 Einwohner, davon sind 71 300 (rd. 35 %) Polen und 103 200 Juden. Auch in einzelnen Landkreisen bilden die Polen eine starke Minderheit von 15–20 %. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass fast jeder Pole als chauvinistischer Aktivist zu betrachten ist, so dass die politische Bedeutung der Polen bedeutend grösser ist, als in den blossen Zahlen zum Ausdruck kommt. Das Bestreben der Polen geht heute eindeutig dahin, durch geschicktes Verhalten das Vertrauen der deutschen Stellen zu erwerben, unter deutschem Schutz ihre Positionen immer mehr auszubauen bis zu der von ihnen erwarteten deutschen Niederlage und der dann erhofften Errichtung eines grosspolnischen Reiches. Nach bisherigen Beobachtungen arbeiten die Polen nach folgenden Richtlinien: 1) Eintritt in die von der deutschen Verwaltung errichteten Dienststellen, um deren Vertrauen zu erwerben und unauffällig die Entscheidungen der deutschen Dienststellen zugunsten der Polen zu beeinflussen, 2) jeder Pole, dem es gelungen ist, in einer Dienststelle Verwendung zu finden, zieht andere Polen nach sich, so dass sich immer grössere Kreise bilden, 3) die deutschen Dienststellen sind gegenüber Ukrainern und Weissruthenen misstrauisch zu machen und zu Repressalien zu veranlassen, um letztere gegen die deutsche Verwaltung aufzuputschen. Zunächst ist es den Polen gelungen, an Ort und Stelle Arbeitsplätze zu erhalten und sich dadurch dem Arbeitseinsatz im Reiche zu entziehen. Sie stellen überdies in Wolhynien heute das Hauptkontingent der für die deutsche Verwaltung arbeitenden Landeseinwohner. Eine besonders gefährliche Rolle spielen sie auf zahlreichen deutschen Dienststellen als Dolmetscher. Immer wieder ist festzustellen, dass sie hierbei absichtlich falsch dolmetschen und dadurch zwischen beiden Parteien Misstrauen und Abneigung stiften. In der Forstwirtschaft werden überwiegend Polen, vor allem Angehörige der Intelligenz, beschäftigt. Typisch für das raffinierte Vorgehen der Polen einerseits und ihre Einschätzung durch manche deutsche Stellen andererseits ist jener Fall, in dem ein polnischer Oberförster, jetzt Forstinspektor, einen deutschen Gebietskommissar wegen angeblich verbotener Jagdausübung bei der deutschen Forstverwaltung anzeigte und hierdurch Differenzen zwischen diesen beiden deutschen Dienststellen hervorrief. Wie immer in der neueren polnischen Geschichte und in allen Gebieten polnischer Unterwanderung spielt auch heute in Wolhynien die polnische katholische Geistlichkeit die grösste Rolle als Träger chauvinistischer Politik. So sind die örtlichen polnischen Pfarrer fast stets auch die geistigen Führer des polnischen Widerstandes und Aktivismus. […] D. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten Wie über das neutrale Ausland bekannt wird, hat sich die Stimmung der Bevölkerung in der Sowjetunion in den letzten Monaten weiter verschlechtert. Die Verschlechterung beruhe im wesentlichen auf der Tatsache der weiteren Verknappung der Lebensmittel und der nur ungenügend eingehaltenen Versprechungen der Anglo-Amerikaner auf Lieferung von Kriegsmaterial. Durch die amtlichen Zuteilungen an Lebensmitteln sei das Existenzminimum weiter Kreise nicht mehr garantiert, obgleich die Schwerarbeiter in den Rüstungsbetrieben bevorzugt behandelt werden. Um den dringlichsten Bedarf der Industriebevölkerung sicherzustellen, hat die Sowjetregierung im nördlichen Iran und in den sowjetischen Kaukasusgebieten Beschlagnahmungen der Getreidevorräte durchführen lassen und hierbei zum Teil Gewalt angewendet, wenn die Bevölkerung die geforderte Abgabe verweigerte oder hintertrieb. In Georgien und Aserbaidschan sei es sogar zu bewaffnetem Widerstand und offener Empörung gegen die Beschlagnahmeaktionen und die

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Maßnahmen der Moskauer Zentralbehörden gekommen. Da die versprochenen Materiallieferungen trotz des Druckes der sowjetischen Regierung aus den demokratischen Ländern praktisch ausbleiben, macht sich eine Verschlechterung der Stimmung bis in die Parteikreise bemerkbar. Um dieser Auswirkung zu begegnen, sah sich die sowjetische Regierung veranlasst, propagandistisch aufgemachte Paraden mit „englischem“ und „amerikanischem“ Kriegsmaterial, das zum grössten Teil aus sowjetischen Fabriken stammt, vorzuführen. Trotzdem vertieft sich gerade in den regierungstreuen Kreisen die Skepsis gegen die enge Verbindung der Sowjetregierung mit den kapitalistisch-demokratischen Interessen des Westens. Angeblich betrachtet die innere sowjetische Propaganda die Bekämpfung dieses Defaitismus zurzeit als ihre Hauptaufgabe. Gleichzeitig wird jedoch darauf hingewiesen, daß die Produktion der sowjetischen Rüstungsindustrie immer noch verhältnismäßig hoch ist und daß es ein Fehler wäre, sich bezüglich des noch verbleibenden sowjetischen Rüstungspotentials, trotz der bisher schweren Verluste, einer optimistischen Täuschung hinzugeben. BAB, R 58/697

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 5. Juni 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 6 […] B. Gegner und Exekutivfragen Partisanen und Fallschirmspringer, Terror und Sabotage: […] Im Bereich des Kdrs. dSPudSD für Litauen: Am 19. 5. 1942 wurde ein Wehrmachts-Pkw auf der Fahrt von Swensioni nach Luntuki von einer Frauensperson zum Halten gebracht und dann von 5–6 bewaffneten Zivilisten mit Handgranaten und Maschinenpistolen angegriffen. Die deutschen Insassen des Wagens, ein Oberleutnant und 2 Sonderführer, wurden tödlich verletzt. Fahndungsmaßnahmen nach den flüchtigen Tätern sind eingeleitet. Als Vergeltung wurden 400 Personen des Gebietes Wilna exekutiert. Am 21. 5. 1942 entgleiste vor der Station Kalnenai ein leerer Lazarettzug, wobei ein Beamter schwer verletzt und 7 Wagen total zerstört wurden. Ursache war, daß die Schienen auf einer Strecke von etwa 50 m von den Schwellen gelöst waren. Dieser Anschlag ist wahrscheinlich von Partisanen bezw. Terroristen ausgeübt worden im Zusammenhang mit dem Besuch des Reichsministers Rosenberg. Im Zuge der sofort eingeleiteten Ermittlungen wurden bisher 20 Personen festgenommen. Im Bereich des Kdrs. dSPudSD für Weißruthenien: Die Aktivität der Partisanen ist unvermindert stark. Sie nimmt einen immer mehr bedrohlichen Charakter an. Aus den zahlreichen Einzelmeldungen seien folgende Fälle erwähnt: In der Nähe des Dorfes Prisant wurde eine Forstschutzstreife in Stärke von 2 Mann aus dem Hinterhalt erschossen. Beim Dorf Albingi wurde der einheimische Schutzmann erschossen, sein Gehilfe schwer verletzt. Im Dorf Kobelniki wurde die einheimische Schutzmannschaft durch eine etwa 30 Mann starke Partisanenbande in ihrem Dienstgebäude belagert, wobei 3 Schutzmänner erschossen wurden. In der Nähe von Marina-Gorka wurden 2 Forstschutzleute durch

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Partisanen ermordet. Seit dem 9. 5. 42 wurde der Ort Kopyl durch eine Partisanengruppe in Stärke von 300 Mann belagert. Der Ort konnte erst 2 Wochen später nach einer von Polizeikräften und Wehrmachtseinheiten durchgeführten Aktion entsetzt werden. Die aufgefundenen Leichen der von Partisanen Ermordeten sind teilweise bestialisch verstümmelt. Die Uniformen zweier ermordeter deutscher Gendarmen wurden von den Partisanen mitgenommen. 18 bei der Aktion festgenommene Partisanen wurden öffentlich erhängt. In Sluzk wurden 30 Partisanen erhängt und 38 Geiseln erschossen. In einer kleinen Gemeinde in der Nähe von Krowewseyna wurden 20 bei der Deutschen Reichsbahn beschäftigte Zivilarbeiter durch eine 30 Mann starke Partisanengruppe angegriffen und erschossen. Auf der Straße nach Lagoisk wurde ein Lkw des OT-Stützpunktes Pleszenice durch eine Balkensperre aufgehalten, bei deren Beseitigung Feuerüberfall durch Partisanen erfolgte. Ein deutscher OT-Mann und ein Kriegsgefangener wurden getötet, der Lkw von den Partisanen in Brand gesteckt. Eine Stunde später erhielt ein Wehrmachts-Pkw an der gleichen Stelle Feuer, wobei ein Hauptmann verwundet wurde. Im Bereich der Einsatzgruppe B: Die Tätigkeit der Partisanen in der näheren Umgebung von Jarzewo besteht in Sprengungen bezw. Sprengversuchen der Bahnlinie Jarzewo– Wjasma, Beschiessung der Stadt mit Artillerie sowie in Feuerüberfällen auf deutsche Kraftfahrzeuge auf der Autobahn. In der Nacht zum 30. 4. 1942 wurden an der Eisenbahnstrecke Sswitschewo–Miloschowo, unweit der dortigen Blockstation, 10 Minen rechts und links der Gleise angebracht sowie die Telefonleitung zerschnitten. In der gleichen Nacht erfolgte auf der Autobahn nördlich von Sswitschewo ein Angriff auf die dortigen Wehrmachtssicherungen durch 200 bis 250 mit Gewehren und Pistolen bewaffnete Partisanen. Die Wehrmacht hatte Verluste und musste sich zurückziehen. Deutsche Artillerie nahm daraufhin von Jarzewo aus die von den Partisanen besetzten Gebiete unter Feuer. Auf der Eisenbahnstrecke Jarzewo–Smolensk fuhr am 5. 5. 1942 ein Urlauberzug auf eine Mine. Bisher wurden 13 Tote und etwa 50 Schwer- und Leichtverletzte gemeldet. Fast zur gleichen Zeit fuhr ein Truppentransportzug bei Priselskaja ebenfalls auf eine Mine. In diesem Falle wurde nur die Lokomotive beschädigt, die den nächsten Bahnhof noch erreichen konnte. Auf der Bahnstrecke westlich Jarzewo konnten am gleichen Tage 40 Minen, die teilweise mit Zeitzündung und teils mit Kontakt versehen waren, unschädlich gemacht werden. Am folgenden Tage wurden unweit der gleichen Stelle 14 eingebaute Minen vorgefunden und beseitigt. In der Zeit vom 29. 4.–7. 5. 1942 sind in der fraglichen Gegend rd. 80 Personen festgenommen und unschädlich gemacht worden. Bei Aktionen gegen Partisanen im Olsa-Abschnitt vom 11.–13. 5. 42 hatte der Gegner allein 570 Tote. Auch hier mussten deutsche Artillerie und Flieger zur Bekämpfung eingesetzt werden. Im Bereich der Einsatzgruppe C: […] Im Kdr.-Bereich Tschernigow wurden 288 partisanenverdächtige Personen, darunter ein KP-Mitglied, das grössere Mengen Getreide vernichtete, festgenommen. Im Kdr.-Bereich Nikolajew entgleisten am 20. 5. 1942 einige Eisenbahnwagen, wobei eine Anzahl von Wehrmachtsangehörigen verletzt wurde. Die Saboteure, 13 Personen, darunter der mutmaßliche Leiter der Gruppe, wurden festgenommen. Im Kdr.-Bereich Gorlowka1 wurden Ende April/Anfang Mai 1942 mehrere grössere Aktionen gegen Partisanen und Kommunisten durchgeführt. Von 1038 festgenommenen Personen wurden 727 sonderbehandelt, unter denen sich 461 Partisanen, Angehörige von Vernichtungsbataillonen, Saboteure und Plünderer sowie auch einige kommunistische Aktivisten und NKWD-Agenten befanden.

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Die kirchliche Lage in Weißruthenien: Im kirchlichen Lebensbereich ist in Weissruthenien bereits die grossrussische Frage offen und klar aufgeworfen. Um die Weissruthenen auch auf dem Gebiete der Kirche vom Grossrussentum abzusprengen und unabhängig zu machen, rief der Generalkommissar die autokephale orthodoxe weissruthenische Nationalkirche ins Leben. Es steht nunmehr fest, daß diese weissruthenische Nationalkirche ein Sammelbecken grossrussischer Priesterkreise geworden ist, obwohl es die Zivilverwaltung an entsprechenden Hinweisen, ja im weissruthenischen Marschtritt mitzumarschieren, nicht fehlen ließ und von seiten der Spitze der autokephalen Kirche immer wieder beteuert wurde, daß man keinerlei Schwierigkeiten machen werde. Diese grossrussische Entwicklung innerhalb der weissruthenischen Nationalkirche wurde aufmerksam beobachtet und konkretes Unterlagenmaterial über die ehem. Beziehungen der Spitze dieser Kirche zu dem von den Sowjets herausgestellten Erzbischof Sergius, Moskau (Metropolit Pantelejmon, Bischof Benedikt usw.) und die grossrussischen Bestrebungen nach der deutschen Befreiung zusammengetragen. Es entstand insofern eine schwierige Lage, als auf der einen Seite aus Gründen der Politik die autokephale orthodoxe weißruthenische Nationalkirche begründet werden sollte und auf der anderen Seite aber keine weissruthenischen orthodoxen Priester zur Füllung des Rahmens zur Verfügung standen. Verschiedene Vorkommnisse und Äusserungen innerhalb der weissruthenischen Nationalkirche machten offensichtlich, daß der Metropolit Pantelejmon und sein Kreis die weissruthenische Entwicklung der russifizierten autokephalen orthodoxen weissruthenischen Nationalkirche zu hemmen versuchten. Diese Grossrussen hatten die Möglichkeit, sich erst einmal zu sammeln, wenn auch vorerst in einer weissruthenischen orthodoxen Kirche, geschickt ausgenutzt und somit die Zivilverwaltung in einem gewissen Sinne überspielt. Zu den grossrussischen Zentren in Warschau, Grodno, Wilna, Pinsk, Riga bestehen von Minsk aus Verbindungen. Vor allem ist es der Bischof Benedikt, der seinen Sitz ausserhalb Weissrutheniens hat (Grodno), der der eifrigste grossrussische Organisator und Reisende ist. Es wurde mehrmals versucht, solche Verbindungen zu unterbinden, was jedoch deshalb nicht immer möglich war, weil die Priester mit Einreisegenehmigung in Minsk erschienen. Neben Metropolit Pantelejmon, Minsk, dessen grossruss. Einstellung und Kirchenpolitik ausser jedem Zweifel stehen, wird von weissruthen. orthodoxer Priesterseite immer wieder Metropolit Sergius, jetzt Wilna, vorher Riga, der ehem. Stellvertreter von Sergius in Moskau, als treibende Kraft der grossrussischen orthodoxen Kirchenentwicklung genannt. Sergius hat mehrfach versucht, sich mit Pantelejmon in Verbindung zu setzen, ja sich in den Aufbau der autokephalen orthodoxen weissruthen. Nationalkirche einzuschalten. Der Sekretär von Sergius, Wilna, Bruder Jewgeni, hat zu einem der Vertrautesten von Pantelejmon, Priester Balay, geäußert, daß die Autokephalie der orthox. weissruthen. Kirche ein deutsches Zweckgebilde sei, das den Wünschen der grossruss. Orthodoxie widerspreche und dass man erst einmal abwarten solle, wie der Krieg ausgehe. Sergius soll Pantelejmon zu beeinflussen versucht haben, den weiteren Aus- und Aufbau der weissruthen. Nationalkirche zu stoppen. Ferner wird behauptet, daß Pantelejmon zum russischen Komitee in Warschau Verbindung haben soll. In weissruthen. Kreisen spricht man davon, daß Bischof Pantelejmon, Bischof Benedikt und auch Bischof Narkow die Bischofsweihe der 2 weissruthen. Bischofskandidaten Sewba und Nowitzki deshalb mit dem Vorwand „Der Metropolit ist krank“ unterbunden haben, um die weissruthen. Front innerhalb der russifizierten autokephalen orthodoxen weissruthen. Nationalkirche nicht zu verstärken. Interessant ist die Querverbindung dieser grossruss. Priesterkreise innerhalb der weissruthen. Nationalkirche zu dem ESW 2. Das ESW hat zahlreiche Priester als

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Helfer und Beiratsmitglieder eingesetzt. Dass auch ausserhalb der Kirche die grossruss. Frage diskutiert wird in den Kreisen, die oben kurz skizziert wurden, zeigt folgende Äusserung eines Grossrussen in einer „weissruthen.Verwaltung“: „Es gibt nur ein einziges unteilbares russisches Volk. Dieses soll wie ein Meer alle slawischen Stämme in sich aufnehmen. Es existiert keine weissruthen. Sprache. Die weissruthen. Sprache ist nur ein Dialekt der russischen Sprache. Die weissruthen. Bewegung und die Organisation von Weissruthenien ist nur das Ergebnis der deutschen Politik nach dem Grundsatz ‚Divide et impera‘, um das russische Volk leichter zu unterjochen. Die slawischen Völker sollen sich nicht trennen, sondern gemeinsam ihre russische Sache verteidigen“. Die Juden in Estland: Da Estland im zaristischen Rußland bis etwa in die Mitte des vorigen Jahrhunderts für die jüdische Einwanderung gesperrt war, ist das Judentum dort mit nur 0,38 v. H. (4500) zahlenmäßig unbedeutend geblieben. Gleichwohl war ihr Einfluss auf allen Lebensgebieten ungemein stärker. Vor allem durch ihre Verbindungen zum NKWD wussten die Juden sich innerhalb des estnischen Lebens eine starke Position zu schaffen. Mit dem Einmarsch der deutschen Truppen verließ die Mehrzahl der Juden Estland. Nur etwa 2000 Juden blieben zurück, von denen etwa die Hälfte in Reval wohnte. Durch die Sicherheitspolizei und den SD wurden die Juden unter Vermeidung jeder unnötigen Erschütterung des estnischen Wirtschaftslebens nach und nach erfaßt. Heute gibt es in Estland keine Juden mehr. 3 […] Vorbeugende Verbrechensbekämpfung4: Es hat sich als notwendig und zweckmäßig gezeigt, die vorbeugende Verbrechensbekämpfung (polizeiliche planmäßige Überwachung und polizeiliche Vorbeugungshaft; grundlegende Bestimmungen: RdErl. d. RMdI vom 14. 12. 1937 – Pol.S.Kr. 3 Nr. 1682/37 und Richtlinien des RKPA vom 4. 4. 1938 – 6001/ 250.38) im gesamten deutschen Machtbereich einzuführen. Hierbei soll den örtlichen Verhältnissen der in Frage kommenden Gebiete Rechnung getragen werden. Es kommt daher teils eine sinngemäße Anwendung der Bestimmungen des Reichsgebietes in Frage (z. B. in den vor ihrer Eingliederung stehenden Gebieten oder Gauen), teils der Erlass besonderer Bestimmungen (z. B. im Protektorat Böhmen und Mähren) in Betracht. In den Alpen- und Donaugauen, im Sudetenland, in den eingegliederten Ostgebieten (Gau Danzig-Westpreussen, Warthegau), in Luxemburg, im Elsass und in Lothringen ist die Einführung der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung bereits erfolgt; bezüglich des Generalgouvernements, Norwegens, der Niederlande, Belgiens und Nordfrankreichs sowie des übrigen besetzten Teils Frankreichs schweben entsprechende Verhandlungen. Für die besetzten Ostgebiete (Reichskommissariate Ostland und Ukraine) wird gleichfalls die Einführung der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung mit Nachdruck vorbereitet. Dies hindert nicht, bis zum Erlass oder Wirksamwerden einer entsprechenden Verordnung bereits eine Ausmerzung des Verbrechertums in der Form durchzuführen, daß durch systematische Auswertung vorgefundener oder wieder herbeigeschaffter Karteien, Listen oder Akten das Berufs- und Gewohnheitsverbrechertum erfaßt und nach dem Standrecht behandelt wird. Als Richtlinien können hierbei die für das Reichsgebiet geltenden Bestimmungen über die Anordnung polizeilicher Vorbeugungshaft gegen Berufs- und Gewohnheitsverbrecher sowie Gemeingefährliche gelten. Die vorbeugende Verbrechensbekämpfung, auch in diesem Rahmen, verhindert zugleich die Hereinnahme gefährlicher krimineller Elemente als fremdvölkische Arbeitskräfte ins Reich.

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Nr. 15: Vor der Exekution

C. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung in den Generalbezirken Estland, Lettland und Litauen: Allgemein ist festzustellen, daß sich die Stimmung der Bevölkerung in den Generalbezirken Estland, Lettland und Litauen in den letzten Wochen insbesondere durch die Entwicklung der Wirtschaftslage laufend verschlechtert hat. Der Mangel an psychologischem Verständnis von deutscher Seite und das Fehlen einer wirkungsvollen propagandistischen Vorbereitung und Begründung deutscher Maßnahmen habe zu dieser Stimmungsverschlechterung beigetragen. Der Stimmungsabfall ist in den Generalbezirken verschieden und kommt am deutlichsten in den Ergebnissen der Metallspende zum Ausdruck: Gene-

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ralbez. Estland 648 263 kg – 0,61 kg/Einwohner, Generalbez. Lettland 504 300 kg – 0,27 kg/Einwohner, Generalbez. Litauen 416 500 kg – 0,15 kg/Einwohner. Estland: Lediglich auf dem Lande war mit dem Einsetzen des Frühjahrs eine leichte Besserung der Stimmung festzustellen. Im übrigen bildet die Ernährungslage nach wie vor den Hauptgegenstand der Diskussion: Einerseits die unterschiedliche Zuteilung an Deutsche und Esten, worin diese eine Deklassierung sehen, andererseits die estnische Behauptung, daß die Rationen in Anbetracht des früheren Lebensstandards und der klimatischen Verhältnisse zu gering seien. Besonders schwer sei die Arbeiterschaft durch das Ausbleiben der Schwer- und Schwerstarbeiterzulage getroffen, insbesondere da sie bei den niedrigen Löhnen keine Möglichkeit habe, sich zusätzlich Lebensmittel durch Schleichhandel zu beschaffen. Während von estnischer Seite an der Person des Generalkommissars keine Kritik geübt wird, nimmt die Kritik an der unteren deutschen Verwaltung immer mehr zu. Immer wieder ist die Behauptung zu hören: „Die Deutschen verstehen es nicht, andere Völker zu regieren“. Während selbst in dringendsten Fällen Bezugscheine für Esten abgelehnt würden, säßen die deutschen Beamten im Überfluß und spekulierten noch mit Lebensmitteln. Die angeblich laufende Vergrößerung des deutschen Beamtenapparates, insbesondere bei Post und Zoll, rufe bei den Esten die Befürchtung hervor, daß die landeseigene Verwaltung zur völligen Einflußlosigkeit absinken würde. Das Verhältnis zwischen Bevölkerung und Wehrmacht wird durch undiszipliniertes Auftreten einzelner Soldaten, das meist durch Alkoholgenuß hervorgerufen wird, durch Schwarzeinkäufe auf dem Lande und angebliches anmaßendes Verhalten und Wohlleben Angehöriger rückwärtiger Dienststellen getrübt. Einzelfälle werden hierbei verallgemeinert und durch Mundpropaganda verbreitet. Die Bevölkerung macht allerdings eine scharfe Trennung zwischen Front und Etappe, wobei sie durch abfällige Bemerkungen durchreisender Urlauber über Kriegsverwaltungsräte, Sonderführer, Zivilbeamte und Angestellte bestätigt wird. Die Werbung von Arbeitskräften für das Reich wird z. Zt. durch die Gegenpropaganda erschwert. Hierzu tragen die Erzählungen von aus dem Reich zurückgekehrten Jungarbeitern über angeblich schlechte Behandlung und Wohnverhältnisse, Nichteinhaltung der gemachten Versprechungen usw. bei. Trotz wachsender Mißstimmung ist bisher im Generalbezirk Estland eine organisierte nationale Opposition noch nicht in Erscheinung getreten. Die alte Kluft zwischen Intelligenz und Volksmassen ist durch das anwachsende Nationalgefühl nicht überbrückt worden, da die Intelligenz noch in sich selbst zerrissen und uneinig ist. Während von dieser Seite die Verwandtschaft und Freundschaft mit dem finnischen Volke schon länger demonstrativ herausgestellt wurde – unterstützt durch die Sendungen des finnischen Rundfunks – tauchen neuerdings Tendenzen auf, an Schweden, als dem „künftigen Mitkämpfer Englands“, Anlehnung zu suchen. Lettland: Während die in letzter Zeit von deutscher Seite durchgeführten Großaktionen gegen Kommunisten überall in der Bevölkerung großen Widerhall fanden – man kann mit Ausnahme des Gebietes Lettgallen noch von einem allgemeinen Kommunistenhaß sprechen – hat sich der national-lettische Widerstand gegen Deutschland außerordentlich verstärkt. Insbesondere in Intelligenzkreisen wird die deutschfeindliche Stimmung immer fühlbarer. Unter anderem findet sie ihren Ausdruck in der vielfältigen an die lettischen Frauen und Mädchen gerichteten Propaganda, sich nicht mit Deutschen abzugeben, sondern „den Volkshaß im Herzen zu bewahren“. Diese Parolen werden sogar in den lettischen Freiwilligenformationen verbreitet. Die Freiwilligenwerbung ist ganz zum Stillstand gekommen. Von lettischer Seite wird der Wunsch geäußert, daß die Freiwilligenformationen der Schutzmannschaften in eine lettische Legion mit lettischer Fahne umgewandelt

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werden. Die Herausnahme der Stadt Riga aus der Selbstverwaltung und angebliche Erklärung Rigas zur reichsfreien Stadt bildet noch immer ein heftiges Agitationsthema: „Das Versprechen der Selbstverwaltung ist nicht nur politisch, sondern auch finanziell ein Volksbetrug; durch Herausnahme des Rigaer Steueraufkommens aus der finanziellen Selbstverwaltung wird dieser von vornherein der Lebensfaden abgeschnitten“. In diesem Zusammenhang wird stark kritisiert, daß die am 19. 3. 42 verkündete Selbstverwaltung bis jetzt noch angeblich keine greifbaren Formen angenommen habe. Ein gewichtiger Beweis für die Seßhaftmachung der Deutschen im Lande wird in der Betätigung Deutscher in einträglichen Stellen der lettischen Wirtschaft erblickt. Dieser Umstand wirkt sich stimmungsmäßig sehr negativ aus. Die Stimmung der lettischen Arbeiterschaft hat keine Besserung erfahren. Die Kürzungen der Lebensmittelrationen sind sehr ungünstig aufgenommen worden. Wiederholt sollen Arbeiter, die keine Möglichkeit einer zusätzlichen Lebensmittelbeschaffung hatten, infolge Schwäche zusammengebrochen sein und hätten dies durch lettische Ärzte bestätigen lassen. Stimmungsmäßig besonders belastend ist die Durchführung der Rekrutierung von Arbeitskräften für das Reich, zumal schon häufig von dem Prinzip der Freiwilligkeit abgegangen wurde. Die Dienstverpflichtung der Letten ins Reich wird von diesen immer wieder mit der Verschickung von Letten nach Sibirien verglichen, insbesondere nachdem bekanntgeworden ist, dass bei den letzten Transporten von Junglandwirten ins Reich viele davon nicht über Zweck und Ziel des Transportes unterrichtet waren und sich daher nicht mit den notwendigen Kleidungsstücken und Lebensmitteln versehen konnten. Weite Kreise glauben nicht, dass der Einsatz im Reich lediglich aus Gründen des Mangels an Arbeitskräften erfolgt, sondern halten dies für einen Vorwand, um das lettische Volkstum zu schwächen und das Land zur Eindeutschung reif zu machen, insbesondere da gleichzeitig mit der „Verschickung“ von Letten nach Deutschland sich in zunehmenden Maße Reichsdeutsche in Lettland niederlassen. Man erinnert hier daran, dass die Sowjets die gleiche Methode verfolgt hätten. Diese Version wird systematisch und erfolgreich durch illegale Propaganda verbreitet. Im Gegensatz zu Estland hat die Erstarkung des Nationalgefühls und der wachsende Widerstand gegen Deutschland in Lettland zu organisatorischen Zusammenschlüssen der Widerstandskreise, vor allem in der Vereinigung lettischer Nationalisten, geführt, die sich zum Teil erfolgreich mit der Organisation von Kundgebungen, Demonstrationen und systematischer Gegenpropaganda befassen. Litauen: Die Bekanntgabe der Anordnung zur Wiederherstellung der Besitzverhältnisse hat sich zunächst stimmungsmäßig günstig ausgewirkt. Jedoch haben sich aus Unklarheiten der Anordnung Probleme ergeben, die scharf diskutiert werden. So heisst es in der Anordnung, dass als Besitzer Personen nicht eingesetzt werden können, die gegen das Reich tätig gewesen oder politisch unzuverlässig sind. Von litauischer Seite wird hiernach befürchtet, dass vom deutschen Standpunkt aus die grosse Masse des litauischen Volkes – wenn die Zeit der litauischen Selbständigkeit als Grundlage genommen würde – hierunter gerechnet werden könne. Die Propaganda über den weiteren Ausbau der Selbstverwaltung soll in der Öffentlichkeit nicht überzeugend gewirkt haben. Auch in Litauen wird die Verkündung der Selbstverwaltung von der Gegenpropaganda als Betrug hingestellt. Bezeichnend ist, dass statt Selbstverwaltung im Volksmund häufig das Wort „Selbstmordverwaltung“ gebraucht wird. Wenn schon in den letzten Monaten die Stimmung der litauischen Bevölkerung immer mehr sank und einem Gefühl der Ablehnung gegenüber den Deutschen Platz machte, so trugen die Aushebungen von Arbeitskräften für das Reich und die Zwangsgestellung von Jugendlichen für Transportkolonnen hauptsächlich dazu bei, die Mißstim-

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mung wesentlich zu erhöhen und teilweise in Hass zu verwandeln. Schon die Anweisung des Generalrats für Arbeits- und Sozialwesen, dass sich junge Männer bestimmter Altersklassen zum Transportdienst zu melden hätten, führte zu einer erheblichen Beunruhigung der Bevölkerung. Als dann jedoch die jungen Männer zur Registrierung erschienen und vom Registrierungslokal sofort in eine Kaserne abgeführt und unter Bewachung gestellt wurden, bildeten sich vor dem Musterungslokal Aufläufe und Demonstrationen. Diese Beunruhigung entstand vor allem dadurch, dass man versäumt hatte, die Öffentlichkeit zu unterrichten, wohin und zu welchem Zweck diese Männer verschickt werden sollten. So nahm die Bevölkerung entsprechend den Erfahrungen mit den Bolschewisten allgemein an, dass es sich hierbei um eine Verschleppung von Litauern mit dem Ziel der Schwächung der litauischen Volkskraft handelte. Auch die Tatsache, dass einerseits litauische Arbeitskräfte in das Reich gebracht werden, andererseits litauische Volksdeutsche nach Litauen rückgesiedelt werden, wird von der gegnerischen Propaganda in der gleichen Richtung erfolgreich ausgewertet. In diesem Zusammenhang wird von maßgeblicher Seite darauf hingewiesen, dass bisher in den litauisch geschriebenen Zeitungen eine positive und psychologisch geschickte Propaganda im deutschen Sinne vollkommen fehlt. Im übrigen spielt die Ernährungs- und Versorgungslage sowie die Lohn- und Preisgestaltung hier stimmungsmäßig die gleiche negative Rolle wie in Estland und Lettland. […] D. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten Über das neutrale Ausland wird zur Lage in der Sowjetunion folgendes bekannt: Die türkische Grenze sei seit Wochen von regulären Truppen verhältnismäßig entblößt. Der Verkehr auf der Strecke von Kuibyschew über Astrachan und Tiflis nach der Türkei sei äusserst eingeschränkt worden. In den kaukasischen Gebieten würden Traktoren und Fahrzeuge jeder Art requiriert und an die Front gebracht. Selbst Ackergeräte sollen von militärischen Behörden zur kriegsmäßigen Verwendung eingezogen worden sein. Diese Lage erschwere äusserst die notwendige Bestellung und Bearbeitung der Felder. Zahlreiche Äcker seien schon jetzt verwahrlost. In diesem Zusammenhange wurden in der Bevölkerung Befürchtungen laut, daß eine Hungersnot bevorstehe und die Sowjetunion einen neuen Winter nur schwer überstehen könne. Die Meldungen, daß sich in sowjetischen Parteikreisen eine starke Skepsis gegenüber den versprochenen grossen Lieferungen der angelsächsischen Mächte bemerkbar macht, werden erneut bestätigt. Die Hilfe der USA gehe im wesentlichen jetzt über Murmansk und Archangelsk und sei völlig unzureichend. Basra sei in seiner Bedeutung als Einfuhrhafen bedeutend zurückgegangen. Die englische und amerikanische Propaganda werde auch bei den sowjetischen Massen immer mehr als Bluff erkannt. Die Spannungen zwischen Moskau und London-Washington seien im Steigen begriffen. BAB, R 58/697 1

Da es keinen KdS Gorlowka gab, kann damit nur das Territorium des SK 4b gemeint sein. Einheimisches Selbsthilfewerk Weißrutheniens. 3 Vgl. EdH, Bd. 1, S. 419 ff.; Anton Weiss-Wendt: Murder without Hatred. Estonians and the Holocaust, Syracuse 2009. 4 Vgl. Patrick Wagner: Volksgemeinschaft ohne Verbrecher. Konzeptionen und Praxis der Kriminalpolizei in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus, Hamburg 1996, S. 198 ff. 2

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

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Berlin, den 12. VI. 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 7 […] A. Gegner und Exekutivfragen Verhältnisse in dem Raum von Kertsch 1: Ein Teilkommando der Einsatzgruppe D rückte noch während der Kampfhandlungen mit der Truppe in die Stadt Kertsch ein und nahm sofort die Arbeit auf. Durch zwei weitere Teilkommandos wurden in laufenden Einsätzen die freigewordenen Ortschaften auf der Halbinsel Kertsch durchgekämmt sowie die s.Zt. geflüchtete und jetzt wieder zurückkehrende Bevölkerung überprüft. Die Feststellungen in Kertsch ergaben, daß die Sowjets in der Zeit der Wiederbesetzung mit grossem Aufwand allen Spuren deutscher Tätigkeit nachgingen. Zu diesem Zweck war ein riesiges Aufgebot von NKWD-Funktionären nach Kertsch gebracht worden, von denen allerdings im Januar durch einen Bombentreffer schwersten Kalibers im NKWD-Gebäude nach Angabe der Bevölkerung 60 umgekommen sind. Alle Personen, die mit den Deutschen zusammengearbeitet haben, wurden erschossen, wobei sich die NKWD-Leute überraschend gut informiert zeigten. Gegen die Angestellten des Teilkommandos 10b wurden Schauprozesse veranstaltet. Die besten Aktivisten und Propagandisten wurden eingesetzt, um die Bevölkerung, die sich beim ersten Einmarsch den Deutschen aufgeschlossen hatte, umzustimmen. Welche Bedeutung die Roten dem Gebiet von Kertsch als Ausgangspunkt der Wiedereroberung der Krim beimessen, geht daraus hervor, daß hier längere Zeit neben Budjonny2 auch der Leiter der politischen Abteilung der Roten Armee Mechlis und der Chef des NKWD weilten. Es sollen etwa 200 besonders ausgewählte und geschulte NKWD-Leute unter Führung eines Obersten mit Spezialaufträgen in Kertsch zurückgelassen worden sein. Ihnen soll ein Geheimkabel nach dem Kaukasus zur Verfügung stehen. Dieses soll kurz vor der Besetzung gelegt und die dabei beteiligten Ingenieure und Arbeiter erschossen worden sein. Partisanen und Fallschirmspringer, Terror und Sabotage: Die Partisanengefahr hat keineswegs nachgelassen, vielmehr ist in allen Gebieten eine ausserordentliche Aktivität auch stärkerer Partisanengruppen festzustellen. Grössere Verbände setzen sich z. T. aus regulären Truppen zusammen und verfügen über eine straffe militärische Führung. Die militärische Stärke der Partisanen hat es verschiedentlich erforderlich gemacht, schwere Waffen (Artillerie, Panzerkampfwagen) und auch die Luftwaffe einzusetzen, um den Kampf gegen die Partisanen erfolgreich bestehen zu können. Zahlreiche Zerstörungen von Brücken, Eisenbahngleisen, Telefonmasten, die zahllos aufgefundenen Minen und Sprengstoffe lassen eine einheitliche Zielsetzung erkennen. Die jetzige Aktivität der Partisanen ist darauf zurückzuführen, daß, wie in Gesprächen der Partisanen mit Landeseinwohnern bestätigt wurde, die Partisanen s.Zt. den Auftrag erhalten haben, sich grundsätzlich bis zum Eintritt der deutschen Offensive nicht auf Kampfhandlungen einzulassen und dann erst aktiv zu werden, wenn der Vormarsch beginnt. Die jetzige Sicherheitslage macht es erforderlich, daß mit aller Energie ein Grosseinsatz gegen die Partisanen erfolgte, damit vor allem die Nachschubwege der Wehrmacht gesichert bleiben und die wirtschaftliche Erschliessung des Landes in gewünschter Weise erfolgen kann. […]

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Die Juden in Lettland: Die Zahl der Juden in Lettland betrug 1935 93 479 – 4,79 v. H. der Gesamtbevölkerung. Während vor 1940, dem Jahre der Besetzung Lettlands durch die Sowjetunion, in der lettischen Zivilverwaltung keine Juden beschäftigt waren, hatten sie kurze Zeit danach bereits alle einflußreichen Stellen in ihren Händen. Beispielsweise waren etwa 50 % aller Richter Juden. In den höheren Justizinstanzen, insbes. im Tribunal, betrug der Anteil der Juden sogar bis zu 80 v. H. Entsprechendes gilt auch für die Wirtschaft und das kulturelle Leben. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen gab es in Lettland etwa noch 70 000 Juden, während die übrigen mit dem zurückweichenden bolschewistischen Heer geflüchtet waren. Die sich in Lettland kurz nach dem Einmarsch der deutschen Truppen zugetragenen Sabotagefälle und Brandstiftungen sind zum überwiegenden Teil von Juden veranlaßt oder unmittelbar durchgeführt worden. So wurden beispielsweise in Dünaburg von den Juden derartig viele Brände angelegt, daß dadurch ein grosser Teil der Stadt vernichtet wurde. Auch die Verschleppung der 33 038 Letten ist auf jüdischen Einfluss zurückzuführen. Gegenwärtig befinden sich in den Ghettos nur noch wenige Juden, die als Facharbeiter beschäftigt werden. Es handelt sich dabei um folgende Zahlen: in Riga rd. 2500, Dünaburg rd. 950, Libau rd. 300. Abgesehen von diesen Juden ist Lettland inzwischen judenfrei geworden. 3 B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung in der Ukraine: Die allgemeine Lage und Stimmung im ukrainischen Raum wird nach wie vor durch die Schwierigkeiten vor allem in der Ernährungslage bestimmt. Aus allen Meldungen geht gleichlautend hervor, dass die teilweise äusserst mangelnde Versorgung der einheimischen Bevölkerung mit den notwendigsten Verbrauchsgütern und das Missverhältnis zwischen Preis und Lohn eine gewisse Beunruhigung hervorrufen und sich auch auf die Einstellung der Bevölkerung zu den im Raume tätigen deutschen Menschen auswirken. So werden zum Beispiel die wenigen auf den Markt kommenden Lebensmittel für die einheimische Bevölkerung zu unerschwinglich hohen Preisen angeboten. Als Folge ist ein Schleich- und Tauschhandel im grössten Umfang nach wie vor festzustellen. Die Agrarreform wird vorwiegend in der Landbevölkerung weiterhin stark besprochen. Die anfängliche Begeisterung über die Einführung der neuen Agrarordnung hat allerdings bereits merklich abgenommen. Als Grund hierfür ist mit die uneinheitlich ausgerichtete Propaganda anzusehen. Die in einzelnen Gebieten bereits erfolgte Landzuteilung wurde von der ländlichen Bevölkerung mit einer gewissen Zurückhaltung aufgenommen. Das auch sonst häufig auftretende Misstrauen gegenüber der Agrarreform liegt teilweise in den schlechten Erfahrungen begründet, die mit ähnlichen Maßnahmen und Aktionen von Seiten der Bolschewisten gemacht worden sind. Die Aktivität der bolschewistischen Propaganda und die Flüsterpropaganda sind immer noch äusserst rege. In den ostukrainischen Gebieten lässt sich jedoch in der letzten Zeit feststellen, dass die zersetzende bolschewistische Propagandatätigkeit bei der Bevölkerung nicht mehr die bisherige Wirkung besitzt, zumal sich die Erwartungen auf eine Rückkehr der Roten nicht bestätigt haben. Auch Meldungen aus dem Raum Taganrog–Fedorowka–Melitopol besagen, dass die Stimmung in weiten Kreisen der Bevölkerung im allgemeinen als gut zu bezeichnen ist, wenn auch vereinzelt noch die Furcht vor einer Rückkehr der Roten vorherrscht. Besonders günstig hat sich hier die Zuteilung von Gartenland und Vieh an die Kolchosearbeiter ausgewirkt. Die Wiedereröffnung zahlreicher Schulen wurde – mit Ausnahme der Beschränkung der Schulzeit – vor allem in Kreisen der Intelligenz mit Genugtuung aufgenommen. Die Schwierigkeiten, die hinsichtlich der Arbeitsverpflichtung von Ukrainern ins Reichsgebiet bestanden haben, und die ablehnen-

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de Einstellung der Bevölkerung haben sich in der letzten Zeit merklich gebessert. Die von arbeitsverpflichteten Ukrainern aus dem Reich eingegangenen Briefe, in denen eine erhebliche Besserung der Bedingungen und der Behandlung geschildert wird, haben sich verhältnismäßig günstig ausgewirkt. Allgemeine Lage und Stimmung auf der Krim: Der Ablauf der Kriegsereignisse und die verbesserten Ernährungsmöglichkeiten haben die Lage auf der Krim weiter gefestigt und die Stimmung der Bevölkerung zunehmend günstig beeinflusst. Die grossen militärischen Erfolge auf der Halbinsel Kertsch haben überall ein Gefühl grösster Erleichterung ausgelöst. In Feodosia, wo die Stimmung bisher am schlechtesten war, bekennt sich der weitaus grösste Teil der Bevölkerung offen zu den Deutschen. Auch in den übrigen bisher gefährdeten Gebieten hat sich die Stimmung überall merklich gehoben. Mehrere sinnlose militärische Bombenangriffe auf tatarische Gebirgsdörfer, die nachweisbar auf Anweisung eines Partisanenführers erfolgten und bei denen eine Anzahl Tataren, darunter Frauen und Kinder, getötet wurden, haben in dem betreffenden Gebiet zu einer starken Erregung gegen die Roten geführt. Die Landzuteilung ist in einigen Gebieten schon stark fortgeschritten und hat das Vertrauen zur deutschen Führung weiter gefestigt. […] Arbeitseinsatz: Die Anwerbung ukrainischer Arbeitskräfte für das Reichsgebiet wurde verstärkt durchgeführt. Wenn auch freiwillige Meldungen zur Arbeitsaufnahme zurückgegangen sind, so kann im allgemeinen festgestellt werden, dass die Ukrainer nicht grundsätzlich gegen die Verschickung eingestellt sind. Es heisst vielfach, dass diese Maßnahme gerade für jüngere Leute gut sei, die so im Reich eine fachliche Ausbildung erfahren und gleichzeitig die deutsche Sprache erlernen können. Auf der anderen Seite wird aber gegen die Art der Verschickung Stellung genommen. So sind – einer vorliegenden Meldung zufolge – in Rowno in einigen Fällen Leute auf der Strasse aufgegriffen und abtransportiert worden. Darunter befanden sich Mütter, deren Kinder allein zu Hause gesessen haben und deren Männer im Dienst waren. In einem Dorfe des Generalbezirks Kiew hat ein Werber alle Einwohner zusammenrufen lassen und durch „3 Mann-Abzählen“ sein Soll erfüllt. Trotzdem kann im Generalbezirk Kiew die Stimmung für die Werbung als günstig bezeichnet werden. Die in der ersten Zeit infolge der hetzerischen Propaganda bestehende Unlust und Misstimmung kommt nur noch bei einem geringen Prozentsatz der Angeworbenen zum Ausdruck. Besonders die Gewissheit, nach Ankunft in Deutschland den Angehörigen schreiben zu können, trug viel zu diesem Stimmungsumschwung bei. Wie aus Kiew berichtet wird, freuen sich die meisten darüber, in das Land zu kommen, von dem sie von den deutschen Soldaten so viel Gutes gehört haben. Die angeführten Fehlgriffe werden von Gegnerseite selbstverständlich propagandistisch geschickt ausgenutzt. Die Bandera-Bewegung nimmt – wie aus Rowno berichtet wird – eine krasse Einstellung gegen die Verschickung ins Reich ein. Sie verbietet den Mitgliedern ausdrücklich, ins Reich zur Arbeit zu gehen und verlangt schärfste Aktivität gegen den Arbeitseinsatz ins Reich. Diese Propaganda der Bandera-Gruppe bleibt auf die Bevölkerung nicht ohne Wirkung; dabei werden auch Greuelmärchen verbreitet. So heisst es, dass die hübschesten und kräftigsten ukrainischen Mädchen ausgesucht werden, um sie deutschen Soldaten an der Front zuzuführen. Nach einer Meldung aus Kiew sabotieren die Hausverwalter vielfach die Anwerbung. So wurde festgestellt, dass die Hausverwalter, die die Pflicht haben, jeden in ihrem Hause wohnenden Arbeitslosen oder Arbeitsscheuen der Werbestelle zu melden, gegen Bestechungsgelder diese Meldung unterlassen. Spekulanten und Schieber werden gegen Lebensmittellieferungen nicht gemeldet. Ausserdem werden von den

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Hausverwaltern viele Kranke, arbeitsunfähige alte Leute, ja selbst Krüppel und alle ihnen unbequemen Personen dem Sammellager zugewiesen. Früher aktive Kommunisten, die sich von ihren Nachbarn bedroht fühlen, melden diese zur Arbeit nach Deutschland, um ihre kommunistische Tätigkeit ungehindert fortsetzen zu können. Unter den von Bolschewisten durch Mundpropaganda verbreiteten Gerüchten hielt sich eines bisher hartnäckig, nämlich, dass die nach Deutschland geschickten Arbeiter im Reich in Konzentrationslager kämen und wie Sklaven behandelt und dass die weiblichen Jugendlichen in Bordellen untergebracht wurden. Erst die Aufhebung der Postsperre und die einlaufenden Briefe liessen diese Gerüchte einigermaßen verstummen. Von Familien, die ins Reich zum Arbeitseinsatz gelangten, wird es als erwünscht angesehen, geschlossen an einer Arbeitsstelle eingesetzt zu werden. Im Zusammenhang mit der Tatsache, dass z. Zt. 14- bis 18-jährige zur Verschickung gelangen, werden von bolschewistischer Seite Gerüchte verbreitet, dass in absehbarer Zeit auch die Jugendlichen vom 12. Lebensjahr an im Reich zur Arbeit eingesetzt werden sollen. Die Nachrichten, die von bereits im Reich eingesetzten Ukrainern eintreffen, sprechen einmal von guten Arbeitsbedingungen und befriedigender Unterkunft, aber auch von Misständen und dem Bedauern, überhaupt der Werbung Folge geleistet zu haben. Propagandistisch geschickt aufgezogene Werbungen können hinsichtlich der Freiwilligenmeldung noch Erfolge zeitigen, so dass nicht ausschliesslich zur Zwangswerbung geschritten werden braucht. Wie aus dem Gebiet Shitomir berichtet wird, sind die Briefe von im Reich eingesetzten Ukrainern bis auf Ausnahmen durchweg gut. Es wird insbesondere auf eine befriedigende Unterbringung hingewiesen und auch die Verpflegung und Entlohnung wird gelobt. Verschiedene haben bereits ihren Angehörigen mitgeteilt, dass sie im Reich zu bleiben beabsichtigen. C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten Über das neutrale Ausland wurde hinsichtlich des Standes der Bewaffnung und des Rüstungspotentials bekannt, daß die sowjetische Flugzeugproduktion durch den bisherigen Verlauf des Krieges am wenigsten in Mitleidenschaft gezogen sei. Ebenso arbeiteten die Rüstungswerke längs der unteren Wolga und in dem Distrikt von Taschkent und Samarkand fast ungestört. Die in den Taschkenter und Samarkander Industriebezirk aus Westrussland überführten Rüstungsarbeiter werden auf etwa eine Viertelmillion geschätzt. Gewisse Schwierigkeiten seien infolge des Kriegsverlaufes durch erhebliche Umorganisationen auch in solchen Rüstungsbetrieben entstanden, die an und für sich durch die militärischen Ereignisse unberührt geblieben seien. Dem amerikanischen bezw. englischen Material wird nach den bisher erfolgten Lieferungen auch im Hinblick auf das gegenwärtige sowjetrussische Rüstungspotential in keiner Weise Bedeutung beigemessen. Der Rückgang der gesamten Rüstungsproduktion der Sowjetunion wird verschieden, von 20 % bis etwa 40 %, eingeschätzt. Aufmerksamkeit beanspruchten die Versorgungsschwierigkeiten in den Rüstungsbetrieben, die sich immer mehr bemerkbar machten, obwohl der sowjetische Arbeiter nur minimale Bedürfnisse habe. Zur Lage im Kaukasus wird in Ergänzung der schon gebrachten Meldungen weiter bekannt, daß eine blutige sowjetische Strafexpedition, vor allem gegen türkische Elemente, in Aserbaidschan im Gange sei und den Charakter einer Ausrottungsaktion angenommen habe. Die Bandenbewegung, die von Iranisch-Aserbaidschan ausging, habe sich auf weite Teile von Sowjetisch-Aserbaidschan ausgebreitet. Angeblich sei es im Zuge dieser Aktionen zu mehreren Sabotageakten an der Pit-Linie Baku–Batum gekommen, so daß die Ölverpumpung in Baku vorübergehend hätte eingestellt werden müssen und ein Teil der Raffinerien in

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Batum stillägen. Ferner sei auf den Ölfeldern von Baku ein Streik ausgebrochen, der Produktionseinschränkungen nach sich gezogen habe. BAB, R 58/697 1 Kertsch wurde am 15. 5. 1942 von der 11. Armee zurückerobert. Damit war nur noch Sewastopol im Südwesten der Halbinsel in sowjetischer Hand. 2 Semjon Michailowitsch Budjonny (1883–1973), Sowjetmarschall, 1943 OB der sowjetischen Kavallerie. 3 Vgl. Reichelt: Lettland unter deutscher Besatzung 1941–1944; im Überblick EdH Bd. 2, S. 854–857.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 19. Juni 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 8 […] A. Gegner- und Exekutivfragen Partisanen, Fallschirmspringer, Terror und Sabotage: […] Einsatzgruppe B: Im Mittelabschnitt der Ostfront sind in den letzten Wochen mehrfach größere Aktionen der Wehrmacht gegen Partisanen durchgeführt worden.1 Schon in der Zeit vom 1. bis 10. 6. wurden bei solchen Kämpfen über 2700 Gefangene gemacht. Auch die Materialbeute ist beträchtlich: 6 Panzer, 111 Geschütze aller Art, 331 Granatwerfer und Maschinengewehre sowie über 60 Kraftfahrzeuge wurden erbeutet oder vernichtet. Im Rayon Potschep (Nähe Brjansk) wurde eine Einzelaktion durch ein Ukrainer-Bataillon unter Führung deutscher Offiziere mit 4 Kampfflugzeugen und Artillerie am 2. 6. beendet. Der Gegner hatte 340 Tote, während die gleiche Anzahl in der Desna ertrunken ist. 11 MG und 200 Gewehre wurden hierbei erbeutet. Einsatzgruppe C: In diesem Bereich sammeln sich die verschiedensten Elemente in Gruppen, die partisanenmäßig Überfälle ausführen, Plünderungen vornehmen und Sabotageakte verüben. Sie sind in den verschiedensten Orten erfolgreich bekämpft worden. Die bereits gemeldete Explosion eines ungarischen Munitionslagers in Berditschew hat sich insofern geklärt, als Anhaltspunkte für eine Sabotage durch Partisanen nicht vorliegen. Es wurde dagegen ermittelt, daß 2 ungarische Soldaten sich kurz vor der Explosion in unmittelbarer Nähe des Lagers zu schaffen machten, die wahrscheinlich durch unvorsichtiges Hantieren mit Sprengkapseln sowjetischen Ursprungs die Ursache gaben. Beide wurden dabei getötet. In der Nacht zum 3. 6. wurde an der Bahnstrecke Lemberg–Kiew bei Krewyn an der gleichen Stelle, an der am 22. 5. das Sprengstoffattentat auf den Bahnkörper verübt wurde, bei welchem 10 Soldaten den Tod fanden und 25 weitere schwer verletzt wurden, erneut ein Sabotageversuch unternommen. Ein anrollender Urlauberzug konnte noch rechtzeitig vor der zur Sprengung vorbereiteten Stelle angehalten werden. Unter beiden Gleisen des einen Schienenstranges war je eine Dynamitpackung mit Trockenbatterie, Sprengkapsel und elektr. Leitung angebracht. Der Sprengstoff ist russischen Ursprungs. Umfangreiche Ermittlungen sind aufgenommen. Am 28. 5. sind im Raum Dubrowa–Pilatowka 30 Fallschirmspringer gelandet, die angeblich die bisherigen Kommandeure der Partisanenbanden ablösen sollen. Unter der neuen Führung soll die Eisenbahnlinie

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zwischen Muljarowka und Ptitsch zerstört werden. Auf Grund der Konzentrierung der Partisanen in dieser Gegend wurden die vorhandenen Wachen verstärkt und der Panzerzug Nr. 25 in Bereitschaft gestellt. Im Zuge der Ermittlungen gegen eine in Kamenez-Podolsk entstandene Aufstandsbewegung wurden 16 Personen festgenommen. Unter ihnen befinden sich der Bürgermeister, dessen Stellvertreter, der dortige Bankdirektor, 2 Sekretäre der Rayonverwaltung, der persönliche Dolmetscher bei der Außenstelle des Generalkommissariats und verschiedene ukrainische Schutzmänner. Diese Gruppe hatte die Absicht, nach Liquidierung aller Deutschen ein Vollzugskomitee zu bilden und den Bezirk bis zum Wiedereinrücken der Roten Armee zu verteidigen. Eine Nebengruppe dieser Organisation wurde in Schemerowze, etwa 50 km nordwestlich von Kamenez, und in den benachbarten Dörfern aufgedeckt. Hiervon wurden 10 Männer festgenommen. Einsatzgruppe D: Der Fall von Kertsch ist bei den Partisanen auf der Krim inzwischen bekannt geworden und hat direkt niederschmetternd gewirkt. Noch setzen sie ihre letzte Hoffnung auf Sewastopol, mit dem sie nach wie vor über See und zu Lande sowie durch die Luft Verbindung haben. Viele Gruppen werden nur noch durch den Terror der Kommissare und durch den Hinweis zusammengehalten, daß sie doch erschossen würden, wenn sie dem Feinde in die Hände fielen. Wegen der Kampfhandlungen vor Kertsch und der damit vorgenommenen Umgruppierung der Wehrmacht fanden keine grösseren Aktionen gegen die Partisanen statt. Bei einigen Unternehmen von seiten der TSKP 2 wurden insgesamt 92 Partisanen erschossen, 7 gefangengenommen, 6 Lager zerstört und größere Munitionsbestände erbeutet. Die Juden in Litauen: Nach einer im Jahre 1923 durchgeführten Volkszählung betrug die Zahl der in Litauen ansässigen Juden 153 743 = 7,58 v. H. der damaligen Gesamtbevölkerung. Während sich der Einfluß der Juden ursprünglich im wesentlichen auf die Wirtschaft beschränkt hatte, erlangten sie nach der Besetzung Litauens durch die Sowjetunion im Jahre 1940 alsbald auch beherrschenden Einfluß im gesamten öffentlichen Leben. Bezeichnenderweise waren vor allem Juden für das NKWD tätig. So ist auch der Abtransport von 40 000 Litauern nach Sibirien auf ihre Veranlassung durchgeführt worden. Wenn sich auch der Haß der litauischen Bevölkerung gegen die Juden verschiedentlich in Pogromen äußerte, mußte doch auch hier das Judenproblem durch die Sicherheitspolizei und den SD gelöst werden. Soweit die Juden Litauen nicht mit dem zurückweichenden bolschewistischen Heer verlassen hatten, wurden sie in Ghettos zusammengeschlossen, wobei vor allem auch die Gefängnisse auf das Vorhandensein von Juden überprüft wurden. Gegenwärtig befinden sich nur noch in Kauen, Wilna und Schaulen Ghettos. Die Besetzung der Ghettos ist folgende: Kauen rund 15 000 Juden, Wilna rund 15 000 Juden, Schaulen rund 4000 Juden. Diese Juden werden zur Zeit als Facharbeiter vorwiegend für wehrwichtige Arbeiten verwandt und zum Teil in 3 Schichten eingesetzt. Von diesen Juden abgesehen, ist Litauen bereits judenfrei. 3 […] B. Lebensgebiete Allgemeine Stimmung und Lage im Bereich der Heeresgruppe Mitte: Die Entwicklung der letzten Wochen ist durch die Verschlechterung der Ernährungslage und die trotz der Schlechtwetterperiode nicht gehemmte, sondern aktiver werdende Tätigkeit der Partisanen gekennzeichnet. Während Ernährungslage und Partisanengefahr die Stimmung der Bevölkerung weitestgehend niederdrücken, zeigte sich bei den Frühjahrsbestellungsarbeiten vielfach Arbeitsfreude und Aufbaubereitschaft. Die militärische Lage – die nach wie vor mit Zuversicht angesehen wird – spielte demgegenüber in Anbetracht des im Bereich

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der Heeresgruppe Mitte bisher nur langsamen Vorgehens deutscher Truppenteile für die Bevölkerung keine so wichtige Rolle. Tatsächlicher Verbrauch der Bestände und Transportschwierigkeiten haben zu einer weiteren Verschlechterung der Ernährungslage geführt (Witebsk, Orel, Sytschewka, Ordshonikidsegrad, Smolensk, Lepel, Newel, Polozk, Mogilew, Gomel, Borissow, Klinzy, Orscha). Auch die Zunahme des Schleich- und Tauschhandels entzieht in immer stärkerem Maße wichtige Lebensmittel der gleichmäßigen Versorgung, da sie einen entsprechenden Rückgang in der Beschickung der öffentlichen Märkte zur Folge hat (Sytschewka, Witebsk, Mogilew, Orel). Außer in der Verschlechterung der Stimmung wirkt sich diese Entwicklung der Ernährungslage in der Zunahme von durch Nahrungsmittelmangel bedingte Krankheiten (Orel, Sytschewka) und in einer Zunahme von Lebensmitteldiebstählen aus, die an dem Ansteigen der Kriminalität einen entscheidenden Anteil haben (Brjansk, Witebsk, Ordshonikidsegrad). Ernährungslage und damit Gesamtlage und Gesamtstimmung der Bevölkerung werden ferner durch die sehr aktiv werdende Tätigkeit der Partisanen mitbestimmt. Meldungen aus Smolensk, Ordshonikidsegrad, Orel, Bobruisk, Roslawl, Witebsk usw. lassen erkennen, daß die Partisanen die Versorgung durch laufend durchgeführte Plünderungen und Requirierungen teilweise in nächster Nähe der Städte erheblich gefährden. Auch sonst ist die Tätigkeit der Partisanen, die vor allem in den Räumen Witebsk, Lepel, Newel, Polozk, Gomel, Bobruisk, Orscha, Klinzy, Roslawl und Jelnja in großem Umfang in Erscheinung treten, weiterhin reger geworden. Brückensprengungen, Sprengungen von Bahnkörpern, Brandstiftungen, Ermordung von Bürgermeistern, Lehrern usw. werden mehrfach gemeldet (z. B. Borissow, Smolensk, Gomel, Bobruisk, Orscha, Klinzy). Da durch den Mangel an ausreichenden Sicherungstruppen nicht immer mit der notwendigen Schärfe gegen die Partisanen vorgegangen werden kann, wird das Vertrauen der Bevölkerung erschüttert und die Gerüchtebildung gefördert (Mogilew, Gomel, Bobruisk, Orscha, Klinzy, Witebsk usw.). So wird behauptet, die Partisanen hätten großen Zuzug erhalten, würden von der Roten Luftwaffe mit Munition und Lebensmitteln versehen, seien sehr gut bewaffnet, so daß den deutschen Truppen eine erfolgreiche Bekämpfung nicht möglich sei u. ä. m. Die Partisanen drohen ferner regelmäßig mit der Rückkehr der Roten, mit Vergeltungsmaßnahmen usw. (Mogilew). In den von den Partisanen beherrschten bzw. gefährdeten Gebieten ist daher kaum eine Bereitwilligkeit zur Zusammenarbeit mit den deutschen Dienststellen vorhanden. Dazu kommt, daß die Erschießung von Bürgermeistern, Lehrern usw. durch die Partisanen abschreckend wirkt. Lehrkräfte an Volksschulen der Dörfer legten ihre Ämter nieder, nachdem vier von ihnen von Partisanen ermordet worden waren (Mogilew). Die Stimmung der Bevölkerung in den in Frage kommenden und angrenzenden Gebieten ist daher äußerst schlecht und niedergedrückt. Trotzdem hat die rote Propaganda mit ihren Flugblättern und durch Flüsterpropaganda verbreiteten Aufforderungen zum Beitritt und zur Unterstützung der Partisanenbewegung relativ wenig Erfolg (Smolensk, Roslawl, Mogilew). Im allgemeinen schließt sich die Bevölkerung nur unter Zwang oder in der Hoffnung auf bessere Ernährung den Partisanen an (z. B. Mogilew). Auch die Durchführung der Frühjahrsbestellung wurde naturgemäß von der Tätigkeit der Partisanen erheblich beeinträchtigt oder ganz unmöglich gemacht. Das trifft besonders für einzelne Teile der Räume um Klinzy, Polozk, Newel, Bobruisk, Smolensk usw. zu. Trotz der grundsätzlich arbeitsfreudigen und aufbaubereiten Haltung der Landbevölkerung wirkte sich die erneute Pferdeablieferungspflicht zum 15. 5. 42 an die Wehrmacht ungünstig aus (Mogilew, Smolensk, Borissow). Zusammenfassend ist festzustellen, daß zwar die Haltung der Bevölkerung gegenüber dem Reich und der zukünftigen Entwick-

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lung zuversichtlich und vertrauensvoll ist, die Stimmung der Bevölkerung jedoch weitestgehend von der Verschlechterung der Ernährungslage und der Partisanengefahr bestimmt wird und daher in dem überwiegenden Teil des Raumes der Heeresgruppe Mitte niedergedrückt oder verängstigt ist. Alle aus dem Raum der Heeresgruppe Mitte eingegangenen Meldungen besagen eindeutig, daß die Haltung der Bevölkerung, vor allem im Hinblick auf die Zukunft, abhängig von der Lösung des Partisanenproblems ist. Nach Ansicht der Bevölkerung wäre mit der Lösung des Partisanenproblems zwangsläufig auch die Ernährungslage für die Zukunft sichergestellt. […] Frühjahrsbestellung und Ernährungslage im Bereich der Heeresgruppe Mitte: […] Die Ernährungslage in den Städten hat sich in letzter Zeit mit Ausnahme von Roslawl allgemein verschlechtert. Die Versuche der russischen Verwaltungsstellen, die Versorgungsgrundlage zu festigen, haben diese Entwicklung kaum aufhalten können (Witebsk, Orel, Sytschewka, Ordshonikidsegrad, Smolensk usw.). Die durch den Mangel an Ernährung bedingten Krankheiten nehmen zu (Orel, Sytschewka). Die Gründe für die Verschlechterung der Ernährungslage liegen einmal in der Ungunst der Witterung, die die Transporte sehr erschweren, zum andern im tatsächlichen Verbrauch der Bestände. Die Spanne von Frühjahr bis zur neuen Ernte bzw. bis zur Einbringung des ersten Gemüses und anderer Früchte wird eine Verbesserung der Ernährungslage jedoch auch in der nächsten Zeit verhindern, zumal nach wie vor die Tätigkeit der Partisanen, der Schleichund Tauschhandel, die Requirierungen durch die Wehrmacht usw. zur Verschlechterung der Versorgung beitragen. Trotzdem von den verantwortlichen Stellen alles getan wird, um die Transportschwierigkeiten zu überwinden, ist doch eine wesentliche Erleichterung nicht immer möglich. Neben dem Mangel an Lastkraftwagen tritt hierbei jetzt stärker der Pferdemangel in Erscheinung. Auch die weitere Zunahme des Schleich- und Tauschhandels, die einen entsprechenden Rückgang in der Beschickung der öffentlichen Märkte zur Folge hat, entzieht in immer stärkerem Maße wichtige Lebensmittel der planmäßigen Versorgung. Die Stadtbevölkerung vermutet noch versteckte Vorräte in den Dörfern und versucht dort im Tauschwege Lebensmittel einzukaufen. Die Nahrungsmittelnot wird weiter dadurch verschärft, daß die Umgebung der größeren Städte und selbst größere Landgebiete im unverminderten Umfang von Partisanen verseucht sind. Trotz hier und da energischen Eingreifens ist allgemein eine erhöhte Aktivität der Partisanen festzustellen (Newel, Borissow, Bobruisk, Gomel usw.). In diesen Gebieten ist die Zufuhr bzw. das Heranschaffen von Lebensmitteln entweder ganz unmöglich oder nur in geringem Maße durchführbar. Brjansk meldet hierzu, daß Personen, die sich zur Lebensmittelbeschaffung in die umliegenden Dörfer begeben, sehr oft nicht zurückkommen. C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten Aus übereinstimmenden Aussagen von Überläufern ist zu entnehmen, daß die Versorgungslage in den unbesetzten Teilen der Sowjetunion nach wie vor sehr stark angespannt ist und sich weiter verschärft. Während bisher diese Meldungen nur aus größeren Städten stammten, werden sie jetzt durch gleichlautende Berichte aus vorwiegend landwirtschaftlichen Gegenden bestätigt. Insbesondere scheint die sehr stark erhöhte Arbeitszeit, der geringe Lohn, eine verhältnismäßig starke steuerliche Belastung und die für Arbeiter unerschwinglichen Preise niederdrückend zu wirken. Die allgemeine Stimmung der Bevölkerung werde deshalb hoffnungsloser und wende sich, wenn auch unmerklich, gegen das Regime. Zweifellos liege die Macht aber fest in den Händen der Sowjets und der

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kommunistischen Partei, so daß an eine auch nur geringe Empörung nach außen hin in den zentralrussischen Gebieten auf keinen Fall zu denken sei. Über das neutrale Ausland wird bestätigt, daß in Sowjetrussland geringe oppositionelle Kreise existieren, die mit der Stalin’schen Politik unzufrieden sind. Stalin werde vorgeworfen, daß er sich durch den deutschen Angriff habe überraschen lassen und über die außenpolitische Lage nicht genügend informiert gewesen sei. Molotow wird als ein schwacher Politiker hingestellt, der nur wenig tatsächlichen Einfluß auf die Politik ausübe. Die Unzufriedenheit mit den anglo-amerikanischen Bundesgenossen sei weiter im Steigen. Molotow selbst habe sich gegenüber den Lieferungen von England und Amerika kritisch geäußert. Hinsichtlich der japanischen Außenpolitik scheinen die Sowjets vorläufig ein aktives Eingreifen der Japaner in den sowjetischen Krieg nicht zu befürchten, da Japan im Augenblick zu sehr in China und im pazifischen Raum gebunden sei. BAB, R 58/697 1 Zu den bis Juni 1942 organisierten Großunternehmen vgl. Pohl: Die Herrschaft der Wehrmacht, S. 285–289. 2 Tatarenselbstschutzkompanien. 3 Vgl. Dieckmann: Deutsche Besatzungspolitik in Litauen 1941–1944; im Überblick EdH, Bd. 2, S. 869–873.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 26. Juni 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 9 […] A. Gegner und Exekutivfragen Partisanenwesen in Weissruthenien: In Wehrmachtskreisen und in Kreisen der Zivilverwaltungen war im Spätherbst 1941 ziemlich allgemein angenommen worden, daß das Nachlassen der aggressiven Tätigkeit der Partisanen kennzeichnend sei für den ideologischen und materiellen Zusammenbruch der von der Gegnerpropaganda so groß angesagten Partisanenbewegung. Die Sicherheitspolizei wies damals schon darauf hin, daß diese eingeschränkte Tätigkeit noch kein Beweis für das Zurückgehen der Partisanenbewegung sei. Die Nachrichten über den Ausbau des Verpflegungsnetzes und der Nachrichtenstützpunkte liessen den Schluß zu, daß der Winter zur Werbung, Sammlung und Vorbereitung zu umfassenden Aktionen im Frühjahr 1942 benutzt würde. In den Monaten Dezember bis Februar liessen die Überfälle auf Truppen und Transportkolonnen, Sabotageakte und Sprengungen von Nachschubwegen immer mehr nach. Die Partisanengruppen, die z. T. beritten waren, mieden jedes Zusammentreffen auch mit kleineren deutschen Einheiten. Um so umfassender wurde ihre Propagandaarbeit und ihre Werbetätigkeit. Die Requirierungen von Lebensmitteln, Vieh usw. bei der einheimischen Bevölkerung wurden damals zumeist ohne Gewaltanwendung durchgeführt. Man arbeitete neben der ideellen Werbung zum Partisanenkampf gegen die Okkupanten in dieser Zeit zumeist nur mit Drohungen, die insofern ihren Einfluß auf die Bevölkerung nicht verfehlten, als den Requirierungen kein Widerstand entgegengesetzt wurde, bei Fehlen einer entsprechend umfassenden deutschen Gegenpropaganda die Partisanenpropaganda, die außerordentlich geschickt

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arbeitete, von Mund zu Mund weiter kolportiert wurde und die Bevölkerung fast keinerlei Anzeigen über die Partisanenbewegung und ihre Aktionen bei den deutschen Behörden abgab. Der durch die Sicherheitspolizei im Januar 1942 aufgedeckte, geplante Kriegsgefangenenaufstand in Minsk und die Werbe- und Ausbildungsarbeit der im April 1942 in Minsk zerschlagenen Widerstandsbewegung zeigten, daß der Winter durch die politischen Gegnerkreise ausgezeichnet ausgenutzt worden war. Nachrichtendienstlich wurde seit Beginn 1942 immer mehr festgestellt, daß die sowjetrussischen Widerstandsbewegungen sich mit der polnischen Widerstandsbewegung nicht nur ideologisch immer mehr trafen, sondern es auch zwischen ihnen zu organisatorischen Ansätzen eines gemeinsamen Kampfes kam, z. T. mit Hilfe des Judentums als Nachrichtenträger, Waffenschmuggler und Stimmungsmacher. Auch den Partisanengruppen selbst liefen immer mehr Juden zu.1 Bis zum Spätherbst 1941 war in den ehem. ostpolnischen Gebieten das Auftauchen von Heckenschützen partisanenmäßiger Natur eine Einzelerscheinung, während seit März 1942 aus diesen Gebieten ebenso viele Meldungen über Werbung, Aktionen und Erfolge der Partisanen einlaufen wie aus den altsowjetischen Gebieten. Die laufenden Meldungen des Kommandeurs der Sicherheitspolizei u.d. SD Weissruthenien in den vergangenen 2 Monaten, vor allem in den letzten 3 Wochen, lassen ersehen, daß das Partisanenunwesen in Weissruthenien besondere Formen angenommen hat. Dabei hat auch das Fehlen einer psychologisch richtig angesetzten deutschen Gegenpropaganda auf der einen Seite, andererseits die außerordentlich geschickt geleitete sowjetische Partisanenpropaganda, die jedes deutsche „Versagen“ und nicht eingelöste Versprechen verarbeitet, dazu geführt, daß die Bevölkerung so beeinflußt wurde, daß sie, auch wenn sie die Partisanen ablehnt, bei der nachrichtenmäßigen Erfassung und exekutiven Erledigung die deutschen Dienststellen fast nicht unterstützt. Die sehr spät gekommene Bekanntgabe der Agrarreform war trotz der Freude, die sie auslöste, nicht in der Lage, diese Einstellung und Beurteilung der Bevölkerung betr. Partisanen grundlegend zu ändern. Während bis zum Jahreswechsel sich Wehrmacht und Polizei fast ausschliesslich mit der Partisanenfrage beschäftigten, wurde seit Februar/März 1942 die Partisanenfrage auch in Kreisen der Zivilverwaltung von Tag zu Tag mehr erörtert, weil man am eigenen Leibe (Verwaltungsarbeit, Erfassung landwirtschaftlicher Güter usw.) die Aktivität der Partisanen spürte. Die Partisanenfrage in Weissruthenien ist z. Zt. keine Frage mehr, die nur den zu ihrer Zerschlagung angesetzten militärischen und polizeilichen Apparat interessiert, sondern bereits eine Frage, die die Zivilverwaltung insofern ideell und materiell berührt, als sie die stimmungsmäßigen Rückwirkungen bei der Zivilbevölkerung und die lagemäßigen Auswirkungen in einem Maße zu spüren bekommt, daß man von einer „Gefahr“ sprechen muss. Einige schlaglichtartige kleine Beispiele, die in Form von Meldungen täglich einlaufen, sollen die Situation kennzeichnen: 1. Ein Rayonbürgermeister wurde aus einer seiner Gemeinden von einer Partisanengruppe angerufen, die ihm mitteilte, daß sie eben im Begriff sei, den Gemeindeältesten zu liquidieren, weil er „im Dienst der Okkupanten steht“. Man teilte dem Rayonbürgermeister mit, dass es sinnlos sei, weitere Nachfolger zu schicken, da diese ebenfalls umgelegt würden. 2. In einer Gemeinde tauchten die Partisanen auf, liquidierten den Gemeindeältesten und seinen weissruthenischen Ordnungsdienst, hissten die rote Fahne und zogen eine eigene Gerichtsbarkeit auf, die alle diejenigen bestrafte, die sich in der letzten Zeit „im Dienst der Okkupanten befunden haben“. 3. In den Schulen der Partisanengebiete leeren sich die Klassen immer mehr, da die Eltern aus Furcht vor der Verwirklichung der Drohung der Partisanen, sie würden diejenigen Eltern zur Re-

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chenschaft ziehen, die ihre Kinder in die von den „Okkupanten“ eingerichteten Schulen schicken, ihre Kinder zu Hause halten. 4. In einer Gemeinde wird der gesamte weissruthenische Ordnungsdienst 1/12 umgelegt. Man belässt den Toten die Waffen und sagt zu den Bewohnern der Gemeinde, daß man auf diese Waffen verzichte, da man genug habe. 5. Zur Durchführung einer Judenaktion war das Kommando Baranowicze des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD für Weissruthenien in Stärke von 8 deutschen SS-Führern und -Unterführern, 2 Angehörigen des Gebietskommissariats Nowogrodek, 1 Leutnant und 1 Wachtmeister der Gendarmerie und 15 Litauern und Russen ausgerückt und traf am 9. 6. 42 gegen 17 Uhr bei Naliboki, nördlich Stolpce, ein. Naliboki liegt in einem großen Waldgebiet, vor dem sich eine weite Ebene ausbreitet. Als die Pkw und Lkw des Kommandos den Wald verlassen hatten und in das Dorf einfahren wollten, erhielten sie von zwei Seiten sMG-Feuer. Es wurde der Versuch unternommen, das Dorf zu stürmen, jedoch bot die Ebene keinerlei Deckungsmöglichkeiten. Ausserdem war das Kommando in der Feuerkraft den Partisanen unterlegen. In dem ungleichen Kampf fielen nach und nach alle Kommandoangehörigen außer 1 SS-Oberscharführer, 1 SS-Mann und 4 Dolmetschern bezw. Kraftfahrern, die sich, teils verwundet, zurückziehen konnten. Am 10. 6. rückte der Kommandeur der Sicherheitspolizei u.d. SD Weissruthenien mit fast allen Kräften seines Kommandos, unterstützt durch motorisierte Gendarmerie und einheimische Schutzmannschaften, nach Baranowicze ab. In Naliboki wurden 15 Kommandoangehörige des Vortages tot aufgefunden. Allen Gefallenen waren die Stiefel ausgezogen. Die SS-Männer waren bis auf die Unterwäsche entkleidet und sämtlicher Ausweise und Erkennungsmarken beraubt worden. Einem SS-Obersturmführer waren ein Hakenkreuz und ein Sowjetstern in die Brust eingebrannt. Durch Vernehmung der Dorfbewohner wurde festgestellt, daß vier Kommandoangehörige, wahrscheinlich 2 SS-Unterführer und die beiden Gendarmeriebeamten, gefangengenommen und durch Naliboki geführt worden waren. Man hatte ihnen in die zusammengebundenen Hände rote Fahnen gesteckt. Die Partisanen erklärten gegenüber der Bevölkerung höhnisch: „Seht an, das sind Eure Herren“. Durch weitere Vernehmungen wurde ermittelt, daß die vier Entführten noch am 9. 6. in einem Walde bei Naliboki erschossen worden waren.2 6. Am 15. 6. 42 wurde in Schklow, etwa 35 km nördlich Mogilew, eine Streife, bestehend aus 2 deutschen Soldaten und 13 russischen OD-Männern von Partisanen eingekreist. Eigene Verluste: 1 Soldat und 10 OD-Männer tot. Gegnerische Verluste unbekannt. Der deutsche Soldat wurde mit ausgestochenen Augen und abgeschnittenem Geschlechtsteil aufgefunden. 7. Am 16. 6. 42 wurden 2 Lkw des Polizeiregiments Mitte mit 18 Polizeibeamten sowie 1 Pkw eines Entstörungstrupps der Wehrmacht, Besatzung 3 Mann, auf der Hauptstraße Mogilew–Bobruisk von Partisanen überfallen. Es kam zu einem Gefecht, in dem 16 Polizeibeamte fielen. Beide Lkw und der Pkw wurden in Brand gesteckt. 2 Polizeibeamte und 3 Soldaten konnten sich retten. Bei einer von dem Einsatzkommando 8 eingeleiteten Bergungsaktion wurden die Leichen aufgefunden, die ihrer Kleider beraubt und sämtlich Kopfschüsse aufwiesen. Solche und ähnliche Meldungen laufen tagtäglich bei der Polizei, der Wehrmacht und der Zivilverwaltung ein. Sowohl in Kreisen der Wehrmacht als auch der Zivilverwaltung wies man in privaten und Dienstgesprächen immer wieder darauf hin, daß die Situation sehr ernst sei. Die Entwicklung der Partisanenbewegung in den letzten Wochen veranlasste den Kommandanten Weissruthenien, Generalmajor von Tschammer und Osten 3, am 13. Mai 1942 in Minsk eine Tagung einzuberufen. Neben dem Kommandanten Weissruthenien und den Offizieren seiner Sicherungsbrigade waren der Generalkommissar Weissruthenien, Gau-

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leiter Kube, mit maßgebenden Männern seiner Verwaltung, der SS- und Pol.-Führer Weissruthenien, SS-Brif. Zenner4, mit den Kommandeuren der Gendarmerie und der Ordnungspolizei wie auch der Kommandeur der Sicherheitspolizei erschienen. Der Kommandant Weissruthenien, Generalmajor von Tschammer und Osten, wies einleitend darauf hin, dass die Entwicklung der Partisanenbewegung eine noch engere Zusammenarbeit aller an ihrer Bekämpfung beteiligten Stellen dringend notwendig mache. Die Partisanenfrage dürfe nicht ernst genug betrachtet worden. Von Tschammer und Osten schloß sich ausdrücklich der Ansicht des Kommandeurs der Sipo u.d. SD an, daß die Bekämpfung der Partisanen zuerst eine Frage der nachrichtendienstlichen Erkundung und Aufklärung sei. Ein Einsatz militärischer und polizeilicher Kräfte sei ohne diese Vorarbeit nachrichtendienstlicher Art zwecklos, wie der bisherige Verlauf bewiesen hätte. Allgemein ist bei dem Auftauchen und den Aktionen der Partisanen folgendes festzustellen: 1. Es findet z. Zt. eine rückläufige Bewegung der Partisaneneinheiten vom Osten nach dem Westen statt (rückwärtiges Heeresgebiet – Zivilverwaltung). 2. Diese Bewegung setzt sich immer mehr in die ehemals ostpolnischen Gebiete (Westweissruthenien) fort. 3. Die Zahl der Angehörigen der einzelnen Gruppen ist schwer festzustellen, beläuft sich aber wahrscheinlich bis auf 4–500 Mann. 4. Innerhalb der Aktionsräume der genannten Gruppen findet eine dauernde Fluktuation kleinerer Untergruppen statt. Zur Frage des Einsatzes von Kräften auf deutscher Seite arbeitete von Tschammer und Osten heraus: 1. Eine völlige Beruhigung der Bevölkerung ist noch nicht möglich. Der militärische Vormarsch und der zivile Aufbau bleiben z. T. gelähmt. 2. Die Zusammenarbeit zwischen Wehrmacht und Polizei ist gut. 3. Da es sich bei dem Partisanenkampf – „wie ich mich von SS-O’Stubaf. Strauch habe überzeugen lassen“ – um einen Kleinkrieg z. T. bodenständiger Kräfte handelt, die dem Kampf nur dann nicht ausweichen, wenn sie im Vorteil sind oder nicht mehr ausweichen können, ist eine Zerschlagung durch Großeinsatz nicht möglich, da der Nachrichtendienst der anderen Seite deutsche Aufstellungen sofort erfasst. Das A und O der unbedingt notwendig gewordenen Zerschlagung der Partisanen in einem grösseren Umfange als bisher, ist eine eingehende Erkundung und Aufklärung (Anmerkung für Befehlshaber und Kommandeure der Sicherheitspolizei u.d. SD, Einsatzgruppenchefs und Einsatzkommandos: S. Einsatzbefehl Nr. 16 und Erlass IV A 1 b – B.Nr. 1925 B/41 g. vom 14. 2. 42). Von Tschammer und Osten teilte in diesem Zusammenhang mit, daß in den Bataillonsabschnitten seines Bereiches sogenannte Aufklärungs- und Erkundungsstäbe gebildet worden seien, die als Nachrichtenzentren zusammen mit der Gendarmerie, den La-Führern5, den deutschen Beamten des Forstapparates und dem SD die Vorarbeit für die operative Zerschlagung der Partisanentruppen leisten sollen. […] Die Juden in Weißruthenien: Der weissruthenische Raum war schon von jeher von allen Gebieten des Ostlandes am dichtesten mit Juden durchsetzt. Nach einer im Jahre 1926 durchgeführten Volkszählung lebten in der damaligen Weißruthenischen Sozialistischen Sowjetrepublik (RSSR) über 400 000 Juden. In den westlichen, zum ehemaligen Polen gehörigen Gebieten, die gleichfalls hauptsächlich von Weißruthenen besiedelt sind, lebten nach einer zuletzt im Jahre 1931 durchgeführten Volkszählung über 500 000 Juden. Da sich die Juden bei den Volkszählungen aus Tarnungsgründen erfahrungsgemäß nur teilweise zum Judentum bekannten, ist in den angeführten Zahlen also nur ein Teil der im weissruthenischen Siedlungsraum tatsächlich ansässigen Juden enthalten, so dass ihre Gesamtzahl in Wirklichkeit wesentlich höher liegt. Über die Hälfte der in Weissruthenien ansässigen Juden lebte bei Kriegsausbruch in den grösseren Städten, vor allem in Minsk, wo von

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rund 238 000 Einwohnern 100 bis 120 000 Juden waren. Wenn auch der überwiegende Teil der Juden Weißrutheniens vermögenslos war, hatten sie dennoch seit langem sowohl im ehemals polnischen als auch im ursprünglich sowjetrussischen Gebiet auf allen Lebensgebieten den maßgeblichen Einfluß in ihrer Hand vereinigt. Dabei ging der Einfluß der Juden im ehemals polnischen Gebiet hauptsächlich über ihre sehr starken wirtschaftlichen Positionen, während sie im sowjetrussischen Teil Weissrutheniens ihre Machtstellung unmittelbar im Staatsapparat und vor allem in der kommunistischen Partei, insbesondere deren eigentlichen Machtzentren, dem Zentralkomitee und den Politbüros, hatten. Die von der Sicherheitspolizei und dem SD getroffenen Maßnahmen haben auch in Weissruthenien auf dem Gebiet der Judenfrage grundlegenden Wandel geschaffen. Um die Juden unabhängig von später noch zu treffenden Maßnahmen zunächst unter eine wirksame Kontrolle zu bringen, wurden Judenältestenräte eingesetzt, die der Sicherheitspolizei und dem SD für die Haltung ihrer Rassegenossen verantwortlich sind. Darüber hinaus wurde mit der Registrierung der Juden und ihrem Zusammenschluss in Ghettos begonnen. Schließlich sind die Juden durch ein auf Brust und Rücken zu tragendes gelbes Abzeichen nach Art des im Reichsgebiet eingeführten Judensterns gekennzeichnet worden. Um das Arbeitspotential der Juden auszuwerten, werden sie allgemein zum geschlossenen Arbeitseinsatz und zu Aufräumungsarbeiten herangezogen. Mit diesen Maßnahmen sind die Grundlagen für die später beabsichtigte Endlösung der europäischen Judenfrage auch für das weissruthenische Gebiet geschaffen worden.6 […] B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung im Generalbezirk Estland: Nach den vorliegenden Meldungen wird in den Tagesgesprächen den Ereignissen an der Ostfront weiter Raum gegeben, wobei sich erklärlicherweise die Aufmerksamkeit auf das in der Nähe Estlands gelegene Kampfgebiet konzentriert. Im Hinblick auf das militärische Geschehen macht sich in den verschiedensten Teilen Estlands, wie u. a. auch aus Dorpat und Reval berichtet wird, eine zunehmende pessimistische Stimmung bemerkbar. Es verlautet, dass die deutschen Truppen sich im Nordraum der Ostfront lediglich auf Abwehrkämpfe beschränkten. Den ganzen Winter habe man sich vollkommen darauf eingestellt, dass im Frühjahr Operationen grösseren Stils zu erwarten seien. Nun sei der Sommer da und trotzdem wäre die Offensive noch nicht gestartet. Die Erfolge bei Kertsch und Charkow werden lediglich als Teilerfolge gewertet. Aus allen Äusserungen ist zu erkennen, dass diese Kritik sich hauptsächlich auf den Nordabschnitt der Ostfront bezieht. Man erwartet ungeduldig den Fall von Leningrad, weil man sich dadurch ein Ausbleiben der Luftangriffe auf estnisches Gebiet erhofft. Mit Vorliebe werden Nachrichten und Gerüchte über den Einsatz der estnischen Freiwilligen an der Front aufgenommen und behandelt. So wurde kürzlich durch estnische Fronturlauber das Gerücht verbreitet, dass die estnischen Freiwilligen immer nur dort eingesetzt würden, wo der Kampf am härtesten sei. Dabei seien die kleinen estnischen Einheiten nur sehr schlecht ausgerüstet und verfügten lediglich über russische Gewehre. Für besondere Verdienste an der Front erhielten die estnischen Freiwilligen nur das Verdienstabzeichen, während die Deutschen mit dem EK ausgezeichnet würden. Neben den Gerüchten über die Besetzung der Insel Nargen durch finnische Truppen kursieren nunmehr auch Gerüchte über die angebliche Inbesitznahme der Inseln Wulff, Wrangel und Worms durch die Finnen. In Fischerkreisen spricht man offen darüber, dass der Finnlandsender die Nachricht über einen Anschluss Estlands an Finnland verbreitet habe. Die in der letzten Zeit offensichtlich gezeigte Sympathie für Finnland

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zeigt sich in Narwa z. B. darin, dass kleine überkreuzte finnisch-estnische Flaggen als Abzeichen im Strassenbild auffällig in Erscheinung treten. Im allgemeinen sind jedoch betont deutschfeindliche Tendenzen noch auf verhältnismäßig wenige, vorwiegend städtische Kreise beschränkt. Die konkreteste Form hat der anwachsende estnische Nationalismus entsprechend der materiellen Einstellung des estnischen Volkes auf wirtschaftlichem Gebiete angenommen. Hier hat eine bewusste Auseinandersetzung zwischen estnischen Wirtschaftsstellen und deutschen Wirtschaftsstellen, wie z. B. den Monopolgesellschaften usw., begonnen. Auf diesem Gebiet fühlen sich die Esten erfahrener und dem Durchschnitt der deutschen Wirtschaftsführer überlegen, um so mehr, als man dies auch durch den Vergleich der Leistungen im zurückliegenden Winter praktisch erhärtet glaubt. Man fühlt sich berechtigt, den Anspruch auf eine Art „Wirtschaftsautonomie“ zu erheben, wobei man den notwendigen Beitrag Estlands zu den Erfordernissen der deutschen Kriegswirtschaft zu garantieren erklärt, ja sogar glaubt, ihn unter eigener Regie noch mehr steigern zu können. Der Grossfinnland-Gedanke ist nach wie vor immer noch sehr populär. In politisch aktiven Kreisen des Selbstschutzes und der Studentenschaft macht sich ein immer stärker werdender Gedanke an ein freies Estland mit Anlehnung oder sogar Angliederung an Finnland bemerkbar. Mit Deutschland will dieser Personenkreis dagegen nur eine nüchterne Freundschaft auf wirtschaftlicher Basis pflegen. Auch von der Front liegen Meldungen vor, dass unter den estnischen Freiwilligen Sympathien für ein Zusammengehen mit Finnland bestünden. Das Abhörverbot des Finnlandsenders wird nicht verstanden. Im Gegenteil hält man aus einer gewissen Opposition daran fest, die estnischen Nachrichten aus Finnland abzuhören. Der Besuch des Führers in Finnland hat anfangs bei der estnischen Bevölkerung allgemein starken Eindruck gemacht und zum Verstummen der umlaufenden Gerüchte über eine Verschlechterung der deutsch-finnischen Beziehungen beigetragen. In den letzten Tagen hat sich, anfänglich in mittleren Beamtenkreisen, später jedoch in allen Bevölkerungsschichten Revals, im Zusammenhang mit dem Führerbesuch in Finnland das Gerücht verbreitet, dass Finnland Deutschland ein Ultimatum gestellt habe. Dieses Gerücht tritt in den verschiedensten Variationen auf. Einmal erzählt man sich, dass Estland an Finnland angeschlossen werde oder dass Finnland mit der UdSSR einen Separatfrieden schliesse, zum anderen, dass der Führer eingewilligt hätte, dass Estland nach einer mehrwöchigen Frist an Finnland abgetreten werde. Auch würden finnische Truppen in Kürze in Estland eintreffen und den Grenzschutz an der estnisch-russischen Grenze übernehmen usw. Die zur Zeit in Estland durchgeführte Propaganda zur Werbung junger Esten für den Reichsarbeitsdienst bildet besonders in Reval ein viel erörtertes und teilweise gehässiges Gesprächsthema. Man betont in diesen Kreisen, dass bei dem Mangel an Arbeitskräften, der sogar eine Zwangsverschickung auf das Land notwendig mache, noch weitere Männer dem Land entzogen würden. Der Arbeitsdienst könne ebenso gut auch in Estland aufgezogen werden, damit die Arbeitskräfte den eigenen Bauern zugute kommen. Die Einladung der NSV, 2000 estnische Kinder zu Erholung im Altreichsgebiet aufzunehmen, wird im allgemeinen freudig aufgenommen. Vereinzelt treten jedoch hierbei gerade in der Elternschaft Zweifel auf, ob Deutschland bei seiner schweren Ernährungslage den Kindern genügend Erholung bieten könne. Teilweise wird auch von den Luftangriffen gesprochen, denen die Kinder im Altreichsgebiet ausgesetzt sein würden. Aus Dorpat wird gemeldet, dass die Kinderlandverschickung hier auf aktive Gegenströmungen gestossen sei. Dem Leiter der estnischen Volksgemeinschaftshilfe wurden beispielsweise

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folgende konkrete Gegengründe genannt: 1. Man wisse nicht, ob die Kinder ordentlich behandelt würden, 2. man sei überzeugt, dass sie germanisiert werden sollten und entweder überhaupt nicht oder germanisiert zurückkämen, 3. man befürchtet, dass die Kinder im Altreich zu schwerer körperlicher Arbeit angehalten und nicht ausreichend zu essen bekommen würden. In Arbeiterkreisen wirken sich die Ernährungslage und die schlechten Lohnverhältnisse nach wie vor sehr nachteilig auf die Stimmung aus. Einstellung der estnischen Bevölkerung zur Zivilverwaltung und Selbstverwaltung: Nach vorliegenden Meldungen hatte die Errichtung der Selbstverwaltung in der estnischen Bevölkerung zunächst keinen wesentlichen Widerhall gefunden, da man darin lediglich die Bestätigung eines praktisch schon bestehenden Zustandes erblickte. In Intelligenzkreisen wurde die Ansicht vertreten, dass die Errichtung der Selbstverwaltung lediglich als Geste gegenüber dem Ausland zu werten sei und über die tatsächliche Bedeutungslosigkeit der estnischen Verwaltungsstellen nicht hinwegtäuschen könne. Durch eine zum Teil auch noch nach Einführung der Selbstverwaltung einsetzende Verstärkung des deutschen Beamtenapparates (z. B. auf dem Gebiete des Zollwesens) und durch die Einstellung von Baltendeutschen in deutsche Behörden entstand auch in weiteren Kreisen der Bevölkerung die Meinung, dass nach und nach alle maßgeblichen Posten der Verwaltung mit Deutschen besetzt und die estnischen Verwaltungsstellen gänzlich „an die Wand gedrückt“ würden. Die Tätigkeit der landeseigenen Verwaltung wurde daher anfangs allgemein pessimistisch beurteilt. So wurde z. B. Dr. Mäe als der Hauptschuldige an der schlechten Versorgungslage bezeichnet, da er den deutschen Forderungen gegenüber keinen Widerstand leiste. Lediglich „der gute Wille des Generalkommissars Litzmann“ fand allgemein Anerkennung. Die neuerdings einsetzende Verringerung des Personalstandes der deutschen Behörden und insbesondere die Einberufung oder Versetzung von Baltendeutschen wurde nun in der estnischen Bevölkerung allgemein mit Zustimmung aufgenommen. Innerhalb der Landbevölkerung ist das anfängliche Mißtrauen gegenüber den leitenden Personen der Selbstverwaltung durch die von Dr. Mäe und Dr. Wendt in allen Teilen des Generalbezirks abgehaltenen Volksappelle einer zuversichtlichen, zur tatkräftigen Mitarbeit bereiten Einstellung gewichen. Die Reden der beiden Direktoren wurden meist mit Beifall aufgenommen und haben der Bevölkerung aus autoritativer Quelle einen Überblick über Ziele und Möglichkeiten der Selbstverwaltung vermittelt, so dass nunmehr ein von Vertrauen und Anerkennung getragener Kontakt zwischen Landbevölkerung und Selbstverwaltung hergestellt wurde. In Intelligenzkreisen der städtischen Bevölkerung sieht man in Dr. Mäe jedoch nach wie vor einen Mann, der den deutschen Forderungen keinen Widerstand entgegenzusetzen imstande sei. In diesen Kreisen besteht der Wunsch, eine aus der Zeit der estnischen Selbständigkeit bekannte Persönlichkeit an der Spitze der landeseigenen Verwaltung zu sehen. In diesem Zusammenhang werde der letzte estnische Ministerpräsident Prof. Dr. Uluots genannt, der entsprechendes Ansehen geniessen und angeblich über gute Beziehungen zu den deutschen Stellen verfügen solle. Ein Rundgang der Direktoren Dr. Mäe und Dr. Wendt in Revaler Geschäften zum Zwecke der Untersuchung eingegangener Beschwerden über Unhöflichkeit der Angestellten und ungerechtfertigte Zurückhaltung von Lebensmitteln hat jedoch auch Revaler Intelligenzkreise beeindruckt. Gegenüber den unteren deutschen Dienststellen nehme die Bevölkerung jedoch eine kritische Haltung ein. Gerüchte über angebliches Wohlleben der Zivilbeamten, über langsame und unfruchtbare Arbeitsweise der Dienststellen und über Unfreundlichkeit gegenüber der nicht deutschsprechenden Bevölkerung seien ständig im Umlauf. Bei den unteren landeseigenen Verwaltungsstellen zeige

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sich immer mehr das Bestreben, die Schuld an den bestehenden Verhältnissen auf deutsche Stellen abzuwälzen, denen Überorganisation, Aufblähung und Entschlusslosigkeit vorgeworfen werde. In Kreisen der estnischen Beamten laufe das Gerücht über eine bevorstehende Herabsetzung der Gehälter um, die von den deutschen Behörden gefordert worden sei, um dem Schleichhandel dadurch vorzubeugen. Die Einstellung des Postverkehrs zwischen Estland und Finnland habe zum Teil Unverständnis und Verwunderung ausgelöst und sei mit einem entsprechenden Verbot der Bolschewisten verglichen worden, die gleichfalls versucht hätten, die Beziehungen zwischen Estland und Finnland zu unterbinden. […] BAB, R 58/697 1 In der Darstellung zeigt sich der Versuch, eigene frühere Fehlbewertungen bezüglich der sowjetischen Partisanenbewegung zu leugnen u. auf Wehrmacht u. Zivilverwaltung abzuwälzen. Im Widerspruch dazu zeugt die Betonung des tatsächlich nur geringen Anteils von Juden in der Partisanenbewegung jedoch vom Unvermögen der Sicherheitspolizei, die eigene, ideologisch verzerrte Wahrnehmung aufzugeben u. zu einem angemessenen Urteil zu kommen. Zu der sich in dieser Zeit entwickelnden jüdischen Partisanenbewegung: Yitzhak Arad: The Partisan. From the Valley of Death to Mount Zion, New York 1979; Dov Levin: Fighting Back. Lithuanian Jewry’s Armed Resistance to the Nazis, 1941– 1945, New York 1985; Nechama Tec: Bewaffneter Widerstand. Jüdische Partisanen im Zweiten Weltkrieg, Gerlingen 1996. 2 Ausführlich BdS Ostland an RKO v. 16. 6. 1942: Partisanenüberfall in Baranowicze, BAB, R 6/354. 3 Eckart von Tschammer und Osten, Generalmajor, Kommandant in Weißruthenien ab Frühjahr 1942. 4 Carl Zenner, geb. 1899, Angestellter, 1925 NSDAP, 1932 MdR, 1935 Polizeipräsident von Aachen, Juli 1941 als Brif. SSPF für Weißruthenien, 1942 als Chef des Erfassungsamtes zum SS-HA, 1961 zu 15 Jahren Haft verurteilt, gest. 1969; Urteil LG Koblenz v. 12. 6. 1961, BAL, B 162/14121; BAL, ZK: Carl Zenner. 5 Landwirtschaftsführer. 6 Zur damals bereits weit fortgeschrittenen „Endlösung“ in der Region: Vgl. Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 503 ff.; im Überblick EdH, Bd. 3, S. 1567–1573.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 3. Juli 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 10 […] A. Gegner und Exekutivfragen […] Terror und Sabotage, Fallschirmspringer: In einem Zeitraum von vier Wochen ergaben sich in Weissruthenien im Einzelnen folgende Sabotageakte: 2 abgebrannte Brücken, 1 gesprengte Eisenbahnbrücke, 13 Sabotageakte gegen Anlagen der Eisenbahn (hierunter befanden sich 2 schwere Fälle: 1 Nachschubzug für die Front wurde vollständig zerstört und 1 deutscher Lazarettzug flog in die Luft, wobei eine grössere Anzahl deutscher verwundeter Soldaten den Tod fanden), 4 Telefonleitungen zerschnitten bezw. die Masten verschleppt, 1 Fernsprechkabel durchgeschlagen, 1 Terpentinfabrik, die für die Wehrmacht arbeitete, vollständig vernichtet, 1 Molkerei betriebsunfähig gemacht, Rollbahn einmal durch Minen gesprengt, 1 Sägewerk durch Brand vernichtet. Im Bereich der Einsatzgruppe B ist die Bahnlinie Smolensk–Minsk im Juni 1942 17-mal

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gesprengt worden. Durchschnittlich findet jeden Tag mindestens eine Sprengung an Eisenbahnen oder Rollbahnen statt. Im Bereich der Einsatzgruppe C erfolgte eine Reihe von Anschlägen auf Eisenbahnanlagen. Ein grösserer Schaden trat am 4. 6. 42 auf der Strecke Worhba–Putiskaja–Putiwl ein, wo ein Zug auf eine Mine fuhr, wobei 14 Wagen zertrümmert und vier Mann der Zugwache verletzt wurden. Im Hafen von Nikolajew explodierte im Kesselraum eines Dampfers ein Sprengkörper, Schaden gering. Täter ermittelt und festgenommen. In den letzten Wochen erhöhte sich der Einsatz von sowjetischen Fallschirmspringern in der Ukraine. Es traten auf und wurden z. T. unschädlich gemacht: Im Rayon Beloserka = 6, um Krementschug, Berislaw, Mischlin b. Kiew, Jakotin, Korotmar b. Teggern und Casky b. Smela je 4 = 24, bei Wassiljewitschi = 26, um Romny = 10, um Oster = 10, bei Jelsk = 8, um Wolosberkirki = 20, um Golowtschitschi = 5, bei Puschkarowka = 4, insges. 113. B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung im Reichskommissariat Ostland, Generalkommissariat Litauen: Die allgemeine Lage und Stimmung im Generalkommissariat Litauen ist im wesentlichen gekennzeichnet durch das immer häufigere Auftreten von Partisanengruppen und deren Terrormaßnahmen, die Schwierigkeiten in der Ernährungslage und eine allgemeine Unsicherheit bezüglich der künftigen politischen Entwicklung Litauens. Nach den vorliegenden Meldungen macht sich über die zunehmende Tätigkeit der Partisanen und Terrorgruppen, die durch flüchtige russische Kriegsgefangene lfd. verstärkt werden, und das Fehlen geeigneter Überwachungskräfte nach Meldungen aus Wilna, Kauen, Trakai, Utena, Ponewesch eine zunehmende pessimistische Stimmung bemerkbar. Die Bevölkerung der betroffenen Gebiete wird durch brutale Terrormaßnahmen gezwungen, flüchtigen Kriegsgefangenen Aufenthalt und Verpflegung zu gewähren. Meldungen seitens der terrorisierten Bevölkerung an die deutschen Sicherungsorgane unterbleiben zumeist aus Angst vor Racheakten, so dass die Bevölkerung ständig unter einem Druck lebt und nicht weiss, wie sie der Unsicherheit Herr werden soll. Die Schwierigkeiten in der Ernährungslage bestehen nach wie vor und werden von der Bevölkerung grundsätzlich negativ beurteilt. Die fortlaufenden Erfassungen zum Arbeitseinsatz nach Deutschland wirken sich stimmungsmäßig gleichfalls sehr ungünstig aus. Im Wilnaer Gebiet muss das Hauptkontingent an Arbeitseinsatzfähigen von den Polen gestellt werden, was innerhalb der polnischen Volksgruppe lebhafte Beunruhigung hervorgerufen hat. Diese Maßnahme dürfte in politischer Hinsicht bei dem Gegensatz Polen gegen Litauer wesentlich zu einer gewissen Beruhigung in diesem Gebiet beigetragen haben. Das teilweise chauvinistische Vorgehen der Litauer in den neuerworbenen weissruthenischen Gebieten hat die Stimmung unter der hier ansässigen weissruthenischen Bevölkerung und darüber hinaus auch im Generalkommissariat Weissruthenien merklich verschlechtert. Auch die in grossem Umfang durchgeführte Pferdemusterung und die Heranziehung der litauischen Jugend zum Transporthelferdienst bei der Wehrmacht hat in der litauischen Bevölkerung, geschürt durch kommunistische Elemente und hetzerische Moskauer Rundfunksendungen, erheblichen Unwillen erregt. Besonders eindringlich beschäftigt sich die litauische Öffentlichkeit mit den Generalräten, deren Tätigkeit als „Verräter und Knechte der Deutschen“ heftigsten Angriffen ausgesetzt und Gegenstand lebhaftester Diskussionen ist. Von der litauischen Öffentlichkeit und maßgeblichen Personen des litauischen öffentlichen Lebens wird in diesem Zusammenhang immer wieder die Frage aufgeworfen, warum man bezüglich der Zukunft Litauens von deutscher Seite keine offene Antwort erhält. Man äussert in diesem Zusammenhang, dass man es lieber sehen würde, wenn die deutschen

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Pläne der Öffentlichkeit bekanntgegeben würden, auch wenn Litauen restlos ein Bestandteil des Großdeutschen Reiches würde. Man könne sich dann zumindest auf die gegebenen Tatsachen einstellen und somit eine klare Trennung der Fronten erreichen. Man weise darauf hin, dass es grosse Teile des litauischen Volkes gebe, die sich mit einer völligen Eingliederung Litauens auch abfinden und unter diesem Gesichtspunkt ihren Beitrag leisten würden. Sehr oft wird in weiten Kreisen der litauischen Bevölkerung die Frage aufgeworfen: „Warum gibt man den Litauern, wenn man sie zu Deutschen machen will, nicht die gleichen Rechte, die man ihnen später als Deutsche ja sowieso gewähren muss?“ Die Verweigerung dieser Rechte liesse darauf schließen, dass Litauen doch eines Tages ein selbständiger Staat würde oder aber, dass es in Zukunft als Kolonialvolk – siehe unbefriedigende Lösung der Eigentumsfrage, Tätigkeit der Zentralhandelsgesellschaft Ost u. a. m. – behandelt werden solle. Litauische Gegenpropaganda: Die Flugblattätigkeit verschiedener litauischer illegaler Gruppen hatte in letzter Zeit so sehr zugenommen und zu einer dauernden Beunruhigung der Bevölkerung geführt, dass sicherheitspolizeiliche Maßnahmen ergriffen werden mussten. Die Träger dieser illegalen Gruppen, deren Hauptaufgabe auf dem Gebiet der Propaganda und Werbung lag, waren vorwiegend Studenten und Schüler. Sie verfassten zahlreiche mit Schreibmaschine geschriebene Aufrufe, die z. T. von Hand zu Hand wanderten, z. T. auch mit Hilfe von Hektographen vervielfältigt und in einigen Fällen gedruckt in die Bevölkerung gebracht wurden. Die Aufrufe fordern allgemein auf, für ein einiges und unabhängiges Litauen gegen die Deutschen und ihre Maßnahmen zu kämpfen. Den „Verrätern“ werden schwerste Strafen angedroht. Ihrem Inhalt nach sind sie im einzelnen abgestellt: 1.) Gegen den Verkehr litauischer Mädchen mit deutschen Soldaten („… An den Schandpfahl mit den sittlich verkommenen litauischen Mädchen! …“). 2.) Gegen die Metallsammlung („… Jetzt wollen die Deutschen unter dem Deckmantel der Metallsammlung die litauischen geschichtlichen Denkmäler vernichten …“). 3.) Gegen die Schliessung der Kulturstätten und den Raub von Kulturgütern („… Die Deutschen versuchen mit allen Mitteln unsere Kulturstätten, die Kauener und Wilnaer Universität, zu schliessen …“, „… Doch ein kulturell hochstehendes Volk ist schwer zu unterjochen …“, „… Es ist kein Geheimnis, dass die Deutschen gewohnt sind, Kulturgüter zu rauben …“). 4.) Gegen die „papierne“ Selbstverwaltung („… Ja, wir haben sehr viel erhalten. Heute kann die litauische Regierung weniger tun als vor der Erteilung der Selbstverwaltung …“. „… Der Unterschied besteht darin, dass uns die Deutschen früher selbst erwürgten, während dies jetzt die Litauer auf Befehl der Deutschen tun …“). 5.) Gegen die Generalräte und ihre nachgeordneten Organe („… Törichte Kurzsichtige! Das Volk appelliert heute noch einmal an Euer Gewissen; möge es aufwachen, ehe es zu spät ist …“, „… Das Urteil wird kurz und hart sein …“). 6.) Gegen die in der Ukraine eingesetzten litauischen Schutzmannschaften („… Wo sind unsere Freiheitskämpfer – Partisanen? Haben sie sich an Hitler verkauft für eine Flasche Schnaps und für das Vermögen der Juden? …“). 7.) Gegen eine Kolonisation und Aufteilung litauischen Bodens („… Der polnische Herr wird vom deutschen abgelöst …“, „… Der von den Bolschewisten nationalisierte Grundbesitz wird an die deutschen Generäle, Naziführer und Soldaten verteilt …“, „… Der litauische Bauer muss sein Land an den ‚fleissigeren‘ Deutschen abgeben und in die Steppe gehen …“). 8.) Gegen die mangelnde Ernährungslage („… Die Deutschen haben uns solche Lebensmittelnormen zugeteilt, von denen kein Mensch leben kann …“, „… Hitler zwingt uns zu hungern …“). 9.) Gegen den Reichsarbeitsdienst („… Gehe nicht in den Arbeitsdienst und wenn man Dich erschiesst …“). 10.) Gegen den Arbeitseinsatz im Reich („… man will

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einen Teil unseres Volkes zum Arbeitseinsatz nach Deutschland schaffen …“, „… Es ist Tatsache, dass unsere Arbeiter, die freiwillig zum Arbeitseinsatz nach Deutschland gefahren sind, dort als Kriegsgefangene behandelt werden. Sie müssen brutale Behandlung und Erniedrigung durch deutsche Aufseher erdulden …“, „… Frauen und Mädchen werden in Bordelle gebracht …“, „… Männer, die sich zur Registrierung begeben, kehren nicht mehr zurück …“). 11.) Für ein unabhängiges Litauen („… Deutsche! Gebt Litauen die Unabhängigkeit und lasst uns selbständig unser Land verwalten. Dann werden wir auch über die Mithilfe reden …“). 12.) Für einen Kampf gegen Deutschland („… Nehmt alle einmütig den Kampf auf, ohne Rücksicht auf die Opfer und Entbehrungen …“, „… Jetzt ist die Zeit gekommen, den Kampf gegen die Deutschen und ihre Mitläufer aufzunehmen …“, „… Ich rufe Dich, Litauer, Dich um die Litauer zu scharen …“). […] Anlage zu den „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ Nr. 10 vom 3. Juli 1942: Standorte und Nachrichtenverbindungen Die den „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ Nr. 9 vom 26. 6. 42 beigefügten Standortmeldungen sind wie folgt zu berichtigen: Sonderkommando 7a: (s. S.II) Feldpost-Nr. 85607 ist zu streichen und dafür zu setzen: Feldpost-Nr. 10811. Chef der Einsatzgruppe D: (s. Seite V) SS-Oberführer Ohlendorf ist zu streichen und dafür zu setzen: SS-Oberführer Oberst der Polizei Bierkamp1. BAB, R 58/698 1 Walter Bierkamp, geb. 1901, Jurastudium, 1924 Referendarexamen, 1928 Assessorexamen, 1932 NSDAP, 1933 SA u. Staatsanwalt, 1937 Chef Kripo-Leitstelle Hamburg, 1939 SS als Stubaf., 1940/41 stellv. IdS Hamburg, 1941 Staf. u. IdS Düsseldorf, 1942 Oberf., Juni 1942–Juni 1943 Bfh. EG D, dann BdS Krakau, 1945 stellv. HSSPF Südost, dann BdS Hamburg, Selbstmord 1945; BAB, BDC, SSO Walter Bierkamp; BAL, ZK: Walter Bierkamp.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 10. Juli 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 11 […] A. Gegner und Exekutivfragen Die polnische Widerstandsbewegung in Wolhynien: Wolhynien kam auf Grund des zwischen Polen und Sowjetrußland am 18. 3. 1921 in Riga abgeschlossenen Friedensvertrages zu Polen. Obwohl das Gebiet in überwiegender Zahl von Ukrainern und Weissruthenen besiedelt war, erfolgte sofort eine starke Polonisierung des zugefallenen Gebietes.1 Auf dem vom Grossgrundbesitz abgetretenen Grund und Boden und mitübernommenen Staats- und beschlagnahmten Privatgütern wurden polnische Bauern nach vorher genau erwogenen Plänen angesiedelt. Die Städte wiesen einen starken Zuzug der polnischen Intelligenz und Beamtenschaft auf, der noch durch die Angehörigen der polnischen Garnisonen und des poln. Grenzschutzkorps verstärkt wurde. In den Staatsdienst, in die Eisenbahn- und Postverwaltung wurden nur Polen aufgenommen. Der Einheimische konnte nur dann mit einer Aufnahme in den Staats- und Verwaltungsdienst rechnen, wenn er eine vom

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röm.-kath. Geistlichen ausgestellte Bescheinigung beibrachte, daß er Angehöriger der röm.-kath. Kirche sei. Die Unterdrückung der nationalen, kulturellen und wirtschaftlichen Organisationen der einheimischen Bevölkerung und deren Benachteiligung gegenüber den eingewanderten Polen rief eine Widerstandsbewegung hervor, die jedoch s.Zt. von der polnischen Polizei und dem Grenzschutzkorps brutal niedergehalten wurde. Aus dem im Juli 1941 in Luzk vorgefundenen NKWD-Aktenmaterial geht hervor, daß während der bolschewistischen Okkupation in Wolhynien eine Widerstandsgruppe bestand, die in dem ZWZ (Bewaffneter Kampfverband) unter Leitung des ehemaligen polnischen Obersten Kowalski in Kowel organisiert war. Diese Gruppe scheint in dieser Zeit die einzige Geheimorganisation gewesen zu sein. Gegenwärtig bestehen in diesem Gebiet mehrere Widerstandsgruppen, die entweder vom Generalgouvernement aus gesteuert werden bezw. selbst entstanden und tätig sind. Die noch ungenügende Grenzabschirmung kommt dem Wechselverkehr der Widerstandskreise vom Generalgouvernement nach Wolhynien und umgekehrt sehr zustatten. Daß sich die Mehrzahl der polnischen Widerstandsgruppen in Wolhynien bereits organisiert hat und nach einheitlichen Richtlinien arbeitet, hat eine Flugblattaktion in den Ostertagen 1942 gezeigt, in deren Verlauf polnische Flugblätter mit der Aufforderung zur blutigen Vernichtung aller Deutschen verbreitet wurden. Es ist festgestellt worden, daß die Polen nach folgenden Weisungen arbeiten: 1. Die Polen haben in die von der deutschen Verwaltung eingerichteten Dienststellen einzutreten, das Vertrauen ihrer Vorgesetzten zu gewinnen und unauffällig die Entscheidungen und Verfügungen der deutschen Dienststellen zu Gunsten der Polen zu beeinflussen. 2. Jeder bereits in Stellung befindliche Pole hat dafür zu sorgen, daß auch andere Polen in seiner oder einer anderen Dienststelle unterkommen. 3. Die deutschen Dienststellen sind gegen die Ukrainer mißtrauisch zu machen und zu Repressalien zu veranlassen, damit diese dann an der vorgesehenen Aufstandsbewegung teilnehmen. Eine besonders gefährliche Rolle spielen die in diesem Gebiet tätigen polnischen Dolmetscher, auf die die deutschen Dienststellen im Verkehr mit der einheimischen, insbesondere der ukrainischen Bevölkerung angewiesen sind. Die Dolmetscher sprechen mit der ukrainischen Partei nur polnisch und zwar schon deswegen, weil sie in den meisten Fällen die ukrainische Sprache selbst nicht beherrschen. Der Ukrainer verliert infolgedessen, da er die Entscheidungen der deutschen Stellen aus polnischem Munde mit polnischen Worten zu hören bekommt, das Vertrauen zur Objektivität und Vorurteilslosigkeit dieser Entscheidungen. Auf Grund der gemachten Erfahrungen ist es ausgeschlossen, die Polen als ehrliche Mitarbeiter zu gewinnen. Sie verstehen es sehr gut, sich durch geschmeidiges und höfliches Benehmen anzupassen und dadurch Vertrauen zu erwerben. Dabei hoffen sie aber immer darauf, daß Deutschland den Krieg verlieren und der grosspolnische Staat im Bund mit England den Sieg davontragen werde. Als innerer Kraftkern für das Polentum ist insbesondere die katholische Kirche zu bezeichnen, deren Pfarrer fast stets auch die geistigen Führer des polnischen Chauvinismus sind. Auch sind bereits Anzeichen dafür vorhanden, daß die Polen sich den Ukrainern um einer deutschfeindlichen Zusammenarbeit willen trotz des eingefleischten Nationalitätenhasses zu nähern versuchen. Die deutschfeindliche Aktivität des Polentums in Wolhynien zeigt sich darüber hinaus auch in zahlreichen Einzelfällen, in denen immer wieder Zugriffe gegen Polen erfolgen mußten. Teilnahme der polnischen Widerstandsbewegung am Partisanenkampf: Bereits Anfang dieses Jahres gingen Meldungen aus der polnischen Widerstandsbewegung ein, nach denen unter den Polen die Frage erörtert wurde, ob man sich im Rücken der deutschen Front dem illegalen Kampf der Sowjets anschliessen solle oder nicht. Nach gründlicher Beob-

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achtung und nach den neuesten Meldungen scheint in dieser Frage die Entscheidung bereits gefallen zu sein. Die Polen sind der Ansicht, daß zunächst eine Schädigung der deutschen Interessen um jeden Preis, auch unter vorläufigem Zusammengehen mit den Bolschewisten, erforderlich ist. Dabei vertreten sie weiterhin den Standpunkt, daß die Tätigkeit in den Städten gefährlicher ist als auf dem flachen Land. Im Ostland und in der Ukraine konnte tatsächlich in der letzten Zeit das erste Auftreten polnischer Banden, die mit bolschewistischen Partisanen Fühlung aufgenommen hatten, beobachtet werden. So wurden in Litauen polnische Partisanen, die bewaffnet waren und Verbindung mit sowjetischen Kriegsgefangenen unterhielten, aufgegriffen und erschossen. Obwohl in konkreten Fällen noch nicht bekannt geworden ist, daß feste organisatorische Verbindungen zwischen Partisanen und polnischer Widerstandsbewegung bestehen, ist es doch auffällig, daß bei Erschiessungen, Plünderungen usw. z. B. in den weissruthenischen Gebieten die sowjetrussischen Partisanengruppen die Polen (Bürgermeister, Bauern, Postbeamte, Schutzmannschaften) verschonen. Es ist weiterhin bezeichnend, daß die Partisanen Vieh, das sie bei Polen weggenommen haben, diesen wieder zurückgeben und sogar polnische katholische Geistliche mit Lebensmitteln versorgen. Der Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Rowno meldet in diesem Zusammenhang ein verstärktes Anwachsen der Aktivität zahlreicher Banden in Wolhynien und Podolien. Der Grossteil der dort auftretenden Banden ist aus dem Generalgouvernement herübergewechselt. Ihre Bewaffnung besteht einheitlich aus Gewehren mit abgesägtem Schaft und Lauf. Die Banden haben Verbindung zu sowjetischen Fallschirmspringern aufgenommen. Die Gefährlichkeit dieser polnischen Banden zeigt die Tätigkeit einer einzigen Gruppe, die im Kreisgebiet Kowel zwei deutsche Sonderführer überfiel, ermordete und der Waffen und Bekleidung beraubte. Die gleichen Banditen übten einen Überfall auf eine Oberforstmeisterei aus, setzten das Haus eines Bürgermeisters in Brand und zerstörten Telefonleitungen zu den Schutzmannschaftswachen. Sie vertrieben ferner eine Herde von 1300 Schafen, verletzten einen Schäfer und entführten einen zweiten. Ferner zersprengte sie auf dem Marsch nach Kowel befindliche und für das Reich bestimmte Arbeitertransporte. Aus dem Gesagten ergibt sich, daß die polnische Widerstandsbewegung die Tätigkeit in den ehemals russischen Gebieten im Rücken der deutschen Front als ungefährlicher und insbesondere als erfolgreicher ansieht als die Durchführung von Terror- und Sabotageakten im Generalgouvernement unter den Augen der deutschen Sicherheitspolizei und des SD. Bei der Verschlagenheit und konspirativen Begabung der Polen stellt das Auftreten polnischer Banden und deren Zusammengehen mit bolschewistischen Partisanen eine neue, ernsthafte Gefahr in dem unter deutscher Zivilverwaltung stehenden und für den Nachschub so ausserordentlich wichtigen Gebiet dar. Ukrainische Widerstandsbewegung: Durch den Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Rowno wurde illegales Material der OUN-Bandera-Gruppe sichergestellt, das wichtige programmatische Weisungen zur illegalen Taktik der Bandera-Bewegung enthält. So wird in einer Schrift ausgeführt, daß sich die OUN gegenüber anderen Völkern, also auch Deutschland gegenüber, nach deren Verhalten zur Frage des Selbständigkeitswillens der Ukrainer richte. Der Krieg bringe den Vorteil mit sich, daß Deutschland den alten Feind der Ukraine, Moskau, zerschlage, andererseits ergebe sich aber der Nachteil, daß das gleiche Deutschland sich feindlich gegenüber dem selbständigen ukrainischen Staat stelle. Besonders hervorzuheben sind folgende Weisungen: 1. Zur Vermeidung einer Kräftezersplitterung aktiver Kampf nur gegen Moskau. 2. Gegenüber Deutschland nur auf der Stelle treten, abwarten, die Kräfte schonen, keine unnötigen, unklugen Aktionen,

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aber innere und organisatorische Vorbereitung und Ausdehnung des Netzes der OUN, um schliesslich im geeigneten Zeitpunkt „das letzte Wort reden“ zu können. Weiter wird dann eingehend dargelegt, wie das Netz der OUN-Bandera-Gruppe ausgesponnen, die Stellung der OUN im Inneren, insbesondere durch Besetzung aller einflussreichen Posten (z. B. als Jugenderzieher usw.), gefestigt werden soll. Die Wahrnehmungen der letzten Monate ergaben, daß bereits systematisch nach diesen Richtlinien verfahren wird. […] B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung in Weißruthenien: Die allgemeine Lage und Stimmung in Weißruthenien ist nach wie vor stärkstens beeindruckt durch die Auswirkungen der Partisanenbewegung. In deutschen Kreisen in Weißruthenien ist z. Zt. die Partisanenfrage das „Gespräch Nr. 1“; hierbei muss, ohne die Erfolge ihrer Aktionen und ihrer Propaganda zu unterschätzen, von einer gewissen „Partisanenhysterie“ (Partisanitis) gesprochen werden. Maßgebende Fachleute des Forstwesens der Zivilverwaltung äußern beispielsweise im Hinblick auf die Partisanentätigkeit, daß bei Verschärfung und Anhalten der augenblicklichen Situation die Forstwirtschaft zusammenbricht, was für Front und rückwärtige Gebiete verheerende Auswirkungen zeitigen würde (z. B. Schwellenprogramm, Bauholz, Brennholz für Wintervorräte usw.). In den südöstlichen Gebieten des Generalbezirkes warten seit Wochen ca. 30 000 Schwellen auf Abfuhr, 10 000 Festmeter Holz auf Schnitt und Abtransport in die Frontgebiete, einschließlich des rückwärtigen Heeresgebietes. Das Personal der Forstverwaltung ist den Angriffen der Partisanen besonders ausgesetzt. Die Sägewerke, die mit großer Mühe wieder in Gang gebracht worden sind, werden eines nach dem anderen von den Partisanen abgebrannt. Die zwei einzigen Holzschleppzüge auf der Beresina wurden von den Partisanen versenkt. Aus dem gesamten weißruthenischen Raum laufen Meldungen ein, daß die Stützpunktleiter der Anwerbekommissionen für den Arbeitseinsatz fast keinerlei Werbeerfolge mehr haben. Transportzüge fallen aus und laufen z. T. nur halb besetzt. Die den Anwerbekommissionen in Westweißruthenien gegebenen Weisungen, vor allem Polen anzuwerben, führten zu Spannungen mit der Forstverwaltung, die in diesen Gebieten ausschließlich in polnischen Händen liegt. Obwohl auf der einen Seite auf den polnischen Hilfs-(Forst)Arbeiter nicht verzichtet werden kann, zeigt sich seine politische Unzuverlässigkeit – Zusammenarbeit mit Partisanen – von Tag zu Tag mehr. Selbst in den bisher ruhigen westweißruthenischen Gebieten (ehem. neusowjetisches Ostpolen) wird die Lage immer kritischer und die Meldungen über Partisanenaktionen und ihre Erfolge häufen sich ständig. Den Meldungen zufolge sollen Partisanenbewegung und polnische Widerstandsbewegung sich auch organisatorisch und aktionsmäßig immer mehr nähern (s. Meldungen unter A – Teilnahme der polnischen Widerstandsbewegung am Partisanenkampf). Die weißruthenische Bevölkerung dieser Gebiete wird durch den zunehmenden Polenterror noch zusätzlich verängstigt. Auch die Arbeit der Zivilverwaltung wird durch die Partisanentätigkeit immer mehr gehemmt. Bei den in deutschen Diensten stehenden Weißruthenen macht sich eine allgemeine „Rückzugsstimmung“ bemerkbar. Meldungen über „Fememorde“ der Partisanen an Verrätern werden immer zahlreicher. Um die Bevölkerung zu aktiver und passiver Sabotage zu verleiten, verbreiten die Partisanen, daß zuerst die Verräter bestraft und dann die Deutschen selbst, deren Zusammenbruch infolge des Scheiterns der Bemühungen zum Wiederangriff bevorsteht. Auf der anderen Seite wird die Bevölkerung bewußt geschont und nur zu nachrichtendienstlicher und ernährungsmäßiger Unterstützung zu bewegen versucht. Auch die gegnerische Propaganda wirkt sich stimmungsmäßig in der Be-

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völkerung sehr nachteilig aus. Sie läßt beispielsweise verbreiten, daß Stalin ebenfalls bereits eine Rekollektivierung durchführe und es den Bauern freistelle, die Kolchosen zu verlassen. Erstmalig taucht auch die Version auf, daß die Partisanen „nicht für Stalin, sondern im Namen einer neuen russischen Ordnung gegen die Okkupation kämpfen“. […] C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR Die Meldungen, daß sich die Stimmung der sowjetischen Bevölkerung durch lange Arbeitszeit, geringes Einkommen, schlechte Versorgung und unerschwingliche Preise im Schleichhandel weiterhin verschlechtert, werden erneut bestätigt. Vor allem treffe dies auf die Uralgebiete und Westsibirien zu. Die Arbeitszeit sei dort bis zu 14 Stunden heraufgeschraubt. Freie Tage gebe es überhaupt nicht mehr, nur 2 bis 3 mal im Monat sei normale Arbeitszeit erlaubt. Das Los der nach dem Osten evakuierten Arbeiterfamilien sei sehr schwer, da keine Unterbringungsmöglichkeiten vorhanden sind. Die Bahnhöfe seien auch jetzt noch mit Flüchtlingen, Evakuierten oder Umzusiedelnden verstopft. Die Verpflegungslage sei trotz einer verhältnismäßig hohen Brotration unzureichend, da die hochwertigeren Lebensmittel kaum zu erhalten seien. In den Industriestädten des Urals herrsche ein sehr starker Mangel an Kartoffeln. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung werde durch die unterschiedliche Behandlung in der Lebensmittelzuteilung der einzelnen Volksschichten erhöht. Zur Lage im Kaukasus wird bekannt, daß sich auch hier die Verhältnisse zuspitzen und insbesondere durch die Erwartung des deutschen Angriffs beeinflusst werden. Die Lebensmittellage im Transkaukasus sei sehr schlecht. Das Hauptnahrungsmittel für die Zivilbevölkerung sei gekochter und gesalzener Mais, da alles andere für die Armee requiriert werde. Die Felder lägen grösstenteils brach, da es keine Arbeitskräfte gibt. Selbst die Frauen werden für die militärischen Vorbereitungen eingesetzt. Im Ölgebiet von Baku herrsche ein furchtbarer Terror. Die Bevölkerung werde evakuiert, die strategisch und wirtschaftlich wichtigen Punkte würden fieberhaft befestigt. Die Strassen würden unterminiert und an allen wichtigen Stellen Sperren errichtet. In Eriwan sei eine armenische Miliz gebildet worden, die die Aufgabe habe, die Grenzwacht zu verstärken. Trotzdem sollen die Kaukasier und die Turkestaner nach wie vor das Vertrauen der sowjetischen Heerführung geniessen. Sie würden noch immer in der ersten Linie eingesetzt. Hinsichtlich der allgemeinen Kriegslage wirkt die Möglichkeit eines neuen deutschen Angriffs auf die Verbindungslinien des Kaukasus in der Bevölkerung und den sowjetischen Kreisen beunruhigend. Sogar Offiziere sollen der Ansicht sein, daß in diesem Falle die Sowjetunion nur schwer den Krieg fortführen könne. Das Vertrauen zu der sowjetischen Führung lasse ebenfalls nach, da die Bevölkerung der sowjetischen Propaganda, daß die deutsche Wehrmacht durch den Winterkrieg zerschlagen sei, keinen Glauben mehr schenke. Zwar versuche die Propaganda der Sowjets weiter die Stimmung der Truppe und der Bevölkerung zu heben, die Siegesmeldungen und die Nachrichten von den angeblichen deutschen Greueln würden jedoch recht oft angezweifelt. BAB, R 58/698 1 Zum wachsenden ukrainisch-polnischen Gegensatz: Tadeusz Piotrowski (Hrsg.): Genocide and Rescue in Wołyn´. Recollections of the Ukrainian Nationalist Ethnic Cleansing Campaign against the Poles during World War II, Jefferson-London 2000; Timothy Snyder: The Causes of Ukrainian-Polish Ethnic Cleansing 1943, in: Past and Present 179(2003), S. 197–235; Grzegorz Motyka: Der polnisch-ukrainische Gegensatz in Wolhynien und Ostgalizien, in: Bernhard Chiari (Hrsg.): Die polnische Heimatarmee. Geschichte und Mythos der Armia Krajowa seit dem Zweiten Weltkrieg, München 2003, S. 531–547.

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Berlin, den 17. Juli 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 12 […] A. Gegner und Exekutivfragen Ukrainische Widerstandsbewegung: Nach einer Mitteilung rumänischer Kreise gelang es im April 1942 der Czernowitzer Polizei, einer weitverzweigten Organisation der BanderaGruppe auf die Spur zu kommen. Es wurden zahlreiche Verhaftungen vorgenommen. Aus dem sichergestellten Aktenmaterial und an Hand von Schriften wurde festgestellt, daß die Mitglieder der Bandera-Organisation ein Attentat auf den Czernowitzer deutschen Ortskommandanten, Hauptmann Erich Reitzenstein, planten. Durch dieses Attentat sollte eine Trübung der deutsch-rumänischen Beziehungen hervorgerufen werden. Führer der Bandera-Gruppe in Nordbuchenland1 ist ein gewisser Kendzierski, der von der rumänischen Polizei nicht gefaßt worden konnte und nach Galizien flüchtete. Aus dem beschlagnahmten Aktenmaterial verdient ein Aufruf der Bandera-Organisation an die gesamte ukrainische Bevölkerung besondere Aufmerksamkeit. In diesem Aufruf heißt es u. a.: „Adolf Hitler wird nie eine selbständige Ukraine gründen, da er sonst seine Machtstellung in Südosteuropa verliert“. „Den Deutschen solle man, wo man kann, einen Dolch in den Rücken stossen“. Weiter wurde durch diesen Aufruf das gesamte ukrainische Volk zu einer allgemeinen Sabotageaktion gegen die Weiterführung des Krieges im Osten aufgefordert. Gegenwärtig bedient sich die Bandera-Organisation in ihrer konspirativ-subversiven Aktion der illegalen Zeitung „Metschen“ (Durch das Schwert). Die Czernowitzer Polizei will ausserdem festgestellt haben, daß die Bandera-Gruppe von England aus finanziert wird und zwar durch das in London von Makohin geführte ukrainische Büro, das, wie bekannt, ein Werkzeug des englischen Secret Service ist. Der Kurierdienst soll über Murmansk gehen. Hierzu ist zu bemerken, daß die Feststellungen der rumänischen Polizei nicht von [der] Hand zu weisen sind. Der erwähnte Makohin, auch Makohon Jakob, 27. 9. 80 Wien geboren, verheiratet mit Susanne geborene Fallow, 29. 5. 91 geboren, besitzt die USA-Staatsangehörigkeit und lebt auf grossem Fuße. Er ist mit einer reichen Amerikanerin verheiratet und hat seit 1937 seinen ständigen Wohnsitz in Alassio an der ligurischen Riviera/Villa Romana/Italien, wo er eine Luxusvilla besitzt. Das von Makohin in London unterhaltene ukrainische Büro hat Zweigstellen in Paris und Genf. Es besteht seit langem der Verdacht, daß M. für den englischen ND 2 arbeitet. M. tritt besonders immer dann in Erscheinung, wenn das ukrainische Problem irgendwie aktuell ist. So war es auch bei der Entstehung des kurzlebigen karp.-ukrainischen Staates. M. soll damals eine nicht unbedeutende Rolle gespielt und ein weitmaschiges Nachrichtennetz über die Milchverkaufsstellen und Trinkhallen einer Molkereigenossenschaft in der KarpathoUkraine unterhalten haben. In diesem Zusammenhang hat sich M. der Decknamen Prinz Razumowsky und Mokriwsky, auch Mao-Kohen, bedient. M. soll schon Millionen in die ukrainische Freiheitsbewegung gesteckt haben. Den rumänischen Behörden ist es ihrer Darstellung nach gelungen, in Nordbuchenland die illegale Tätigkeit der Bandera-Organisation zu unterbinden. Gegen den angeblich ins Generalgouvernement geflüchteten Leiter der illegalen Bandera-Gruppe Nordbuchenland, Kendzierski, der sich des Decknamens Jaworski bedienen soll, sind Fahndungsmaßnahmen eingeleitet. Nach einem Be-

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Nr. 16: Ghetto in Luzk nach der Räumung

richt des Bfh. dSPudSD im Generalgouvernement wurden zu Pfingsten vor allem in Lemberg Flugblätter anlässlich des Ablebens des Reichsführers der OUN, Semen Menda, im KZ-Lager Auschwitz verbreitet. M. ist dort am 19. 7. 41 an Bronchialkatarrh verstorben. Seine Einlieferung erfolgte wegen krimineller Delikte. […] Juden (Ukraine): Im Kreisgebiet Wladimir-Wolhynsk gelang es, eine Partisanengruppe unschädlich zu machen, die einen Aufstand in der Stadt und die Befreiung von 8000 gefangenen sowjetrussischen Offizieren aus dem dortigen Oflag 3 geplant hatte. Die Aktion sollte mit Hilfe des Ghettos (etwa 15 000 Juden) und mehrerer in der Stadt anwesender bolschewistischer Agenten durchgeführt werden. Der Großteil der gefangenen Offiziere hatte sich zu diesem Zweck bereits spitze Messer aus zerschlagenen Stahlhelmen angefertigt. Im Zuge der getroffenen sicherheitspolizeilichen Maßnahmen wurden 36 kommunistische Funktionäre sowie 76 jüdisch-bolschewistische Offiziere, darunter einige Politkommissare, als Rädelsführer ermittelt. Die kommunistischen Agenten sowie die 76 jüdischen Offiziere wurden der Sonderbehandlung unterzogen. Die Unschädlichmachung auch dieser Partisanengruppe hat sich auf die Haltung und Stimmung der Bevölkerung günstig ausgewirkt. In Uman wurde eine jüdische Ärztin in Haft genommen, die früher bei der Roten Armee tätig gewesen war und von deutschen Truppen gefangengenommen wurde. Nach ihrer Flucht aus dem Gefangenenlager hatte sie in einem Kinderheim in Uman unter falschem Namen Beschäftigung als Ärztin gefunden. Die Möglichkeit des gelegentlichen Zutritts zu einem Gefangenenlager hatte sie zu Spionagezwecken ausgenutzt. Im Gebiet um Schazk wurde wegen eines kürzlich erfolgten Überfalls auf ein Polizeikommando eine Vergeltungs- und Säuberungsaktion durchgeführt, in deren Ver-

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lauf 340 Juden und Kommunisten erschossen wurden. Bei Slatopol wurden 14 Juden/Jüdinnen erschossen, nachdem sie in einem Waldlager aufgestöbert worden waren und zu flüchten versuchten. B. Lebensgebiete Aufnahme rechtlicher Maßnahmen der Zivilverwaltung in der estnischen Bevölkerung: Das deutsche Sondergericht in Reval verurteilte einen bereits 14-mal vorbestraften Gewohnheitsverbrecher wegen Diebstahls von Krankenkleidern und Bettwäsche aus dem Marinelazarett in Reval zum Tode. Der Staatsanwalt wies in seiner Anklagerede darauf hin, dass skrupellose Elemente, die die Kriegslage zum Anlass nehmen, um ihrem verbrecherischen Wesen freien Lauf zu lassen, das Recht verwirkt hätten, Mitglieder einer Volksgemeinschaft zu sein. Das Urteil habe in der estnischen Bevölkerung Genugtuung ausgelöst, da in der bisherigen estnischen Rechtsprechung derartige Fälle nur mit Freiheitsstrafen geahndet werden konnten. Während die Bevölkerung der abschreckenden Bestrafung von Gewohnheitsverbrechern Verständnis entgegenbringe, würden die vom deutschen Sondergericht wegen Schleichhandels verhängten Freiheitsstrafen allgemein als zu hart empfunden. In estnischen Fachkreisen sei man der Ansicht, dass eine harte Bestrafung wohl für einige städtische Wucherer und gewerbsmäßige Schwarzhändler am Platze sei, dem Bauern gegenüber sei jedoch eine derartig strenge Handhabung der Bestimmungen nicht angebracht, zumal der Bauer ausschliesslich in der Lage wäre, bei der empfindlichen Not des Städters auf dem Ernährungssektor Abhilfe zu schaffen. Im Zusammenhang mit den Urteilen des Sondergerichts würden des öfteren Wünsche nach einer weitgehenden Aufklärung der estnischen Bevölkerung über die bestehende deutsche Rechtsordnung und insbesondere über die für die harten Strafen des Sondergerichts maßgeblichen Gesetze geäussert. In letzter Zeit erhielt eine Anzahl ehemaliger Hausbesitzer aus der Hand des Stadtkommissars in Reval die Bestallungsurkunden als Verwalter und Nutzniesser ihres früheren Eigentums. Der Stadtkommissar betonte in seinen Ausführungen, dass es sich hier nicht lediglich um einen formalen Rechtsakt handele, sondern dass die Wiedereinweisung in das ehemalige Eigentum auch die Wiedereinführung der alten, vom Bolschewismus verworfenen Kulturbegriffe bedeute. Wenn nach Ansicht der Bevölkerung den Hausbesitzern damit auch praktisch das Eigentum zurückgegeben worden sei, so werde doch die rechtliche Lösung der Eigentumsfrage vom juristischen Standpunkt für dringend erachtet, damit bestimmte Rechtsfragen des städtischen Hausbesitzes, z. B. die Frage der Behandlung von in der Bolschewistenzeit eingewiesenen Mietern, auf dem Klagewege zur Entscheidung gebracht werden können. […] Die schlechte Ernährungslage bildet einen bestimmten Faktor auf sozialpolitischem Gebiet. Wochenlang ist ein grosser Teil der Arbeiter ohne Fleisch geblieben, so dass Arbeitsverweigerungen, Abwanderungen auf das Land und unentschuldigtes Fernbleiben von der Arbeit eine gewohnheitsmäßige Erscheinung wurde. Die ungenügende Zuteilung von Lebensmitteln wirkt sich neben dem Fehlen von Schuhwerk und Kleidung weiterhin in der Arbeiterschaft stimmungsmäßig schlecht aus. Eine Ergänzung der abgetragenen Berufskleidung erscheint gegenwärtig praktisch unmöglich. Die Beschaffung von Lebensmitteln vom Lande wird, da die Zuteilung an Lebensmitteln durchweg als zu gering angesehen wird, ständig als Begründung für das unentschuldigte Fernbleiben von der Arbeit angegeben. Es kommt andererseits auch häufig vor, dass gerade Facharbeiter einige Tage der Arbeit fernbleiben, um in dieser Zeit verschiedene Gebrauchsgegenstände, wie beispielsweise Möbelstücke, anzufertigen, die dann auf dem Lande gegen Lebensmittel einge-

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tauscht werden, zumal der Arbeiter infolge seines geringen Lohnes nicht in der Lage ist, die allgemein geforderten hohen Preise für Lebensmittel im Schleichhandel zu zahlen. Zur Lage der Selbstverwaltung in Lettland: In der lettischen Bevölkerung sind hinsichtlich ihrer Einstellung zur Verwaltungsform im Generalbezirk Lettland zwei Richtungen zu unterscheiden. Der positivere Teil der lettischen Bevölkerung sieht ein, dass zunächst eine eigene Leistung vollbracht werden und durch diese Leistung erst Vertrauen und Anerkennung der deutschen Führung verdient werden muss. Andererseits stehen bestimmte Kreise auf dem Standpunkt, dass der Umfang der deutschen Führung genauer festgelegt werden müsse, und versuchen, die Bereitwilligkeit zur Mitarbeit am gemeinsamen Aufbauwerk von verschiedenen Zusicherungen abhängig zu machen. Als typischer Exponent dieser Richtung in der lettischen Selbstverwaltung ist der Generaldirektor für Justizwesen Valdmanis anzusprechen. Für die breite Masse der lettischen Bevölkerung ist eine grundlegende Wendung seit Verkündung der Selbstverwaltung noch nicht zu erkennen. In der Arbeit der deutschen Behörden sind vorläufig nur die ersten Ansätze zur Beschränkung auf eigentliche Führungsaufgaben festzustellen. So ist z. B. der bisher unter unmittelbarer deutscher Leitung stehende Arbeitseinsatz der lettischen landeseigenen Verwaltung übertragen worden. Das Landesarbeitsamt wird nunmehr von den Letten allein geführt und untersteht dem neugeschaffenen Departement für Arbeitsfragen, zu dessen Leiter der lettische Ingenieur Reinhardts ernannt wurde. Der Generalkommissar und insbesondere sein Stellvertreter arbeiten darauf hin, den Letten selbst die verwaltungstechnischen Aufgaben zu übertragen. Die Durchführung dieses Grundsatzes stösst allerdings noch in zahlreichen Arbeitsgebieten auf Schwierigkeiten. Um auf dem Wege über die Gebietskommissare eine stärkere Kontrolle über die lettische Selbstverwaltung zu erhalten und gleichzeitig das Entstehen einer Zentralgewalt der landeseigenen Verwaltung zu vermeiden, wird auf eine Verlagerung fast aller verwaltungsmäßigen Befugnisse auf die Kreisältesten hingezielt. Dies erscheint vor allem deshalb zweckmäßig, weil die ehemalige lettische Verwaltung so stark zentralisiert war, dass die Provinzen und Kreise nur eine völlig untergeordnete Bedeutung hatten und kein Eigenleben führten. Die künftige Gestaltung der Verwaltung der Stadt Riga wird sowohl in weiten Kreisen der Bevölkerung als [auch] in der lettischen Verwaltung viel besprochen. Seit bekannt wurde, daß die Stadt Riga nicht durch die lettischen Selbstverwaltungsorgane verwaltet werden soll, sondern dass eine noch nicht näher bekannte Sonderregelung vorstehe, ist die anfängliche Freude der Bevölkerung über die Zuerkennung der neuen Verwaltungsform verdrängt worden. Die Bevölkerung steht der Selbstverwaltung nunmehr sehr skeptisch gegenüber. Im Vorbehalt einer Sonderregelung für die lettische Hauptstadt erblickt man die Ankündigung einer rein deutschen Verwaltung. In der lettischen Selbstverwaltung befürchtet man in diesem Zusammenhang, dass die Übernahme des Steueraufkommens der Stadt Riga in die deutsche Verwaltung der landeseigenen Verwaltung die finanzielle Grundlage entziehe. C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR Die militärischen Ereignisse haben in der Berichtszeit die Stimmung der Bevölkerung in den unbesetzten sowjetischen Gebieten maßgeblich beeinflusst. Immer mehr wird sie durch starke Befürchtungen hinsichtlich der kommenden Entwicklung bestimmt. Die offizielle sowjetische Propaganda greift zu sehr starken Mitteln und ist gezwungen, den in letzter Zeit genährten künstlichen Optimismus abzubauen. Unter dem Eindruck der an der deutsch-russischen Front befindlichen Kampfhandlungen richtet u. a. die „Prawda“ einen leidenschaftlichen Appell an die gesamte Bevölkerung der Sowjetunion sowie an die Rote Armee und erklärt, daß in diesem entscheidenden Augenblick alle Kräfte einge-

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setzt werden müssten, da „die Gefahr sehr gross“ sei. „Die Front brauche mehr Waffen und die Heimat mehr Lebensmittel“. Stalin habe seinerzeit ausdrücklich erklärt, es gehe jetzt um den Bestand des Sowjetreiches. In den erfaßten Meldungen wird immer wieder auf die in allen Teilen der Sowjetunion und besonders in Mittelasien und dem Fernen Osten bestehende Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung hingewiesen. Teilweise sei dies auf den Zusammenbruch der sowjetischen Prophezeiungen, die tatsächlichen Mißerfolge an der Front und die in den Städten vorhandene schwere Lebensmittellage zurückzuführen. Es seien sogar Anzeichen vorhanden, daß bei der Truppe und bei der Bevölkerung Kräfte am Werke sind, die eine Verlängerung des Krieges durch vorsichtige Maßnahmen zu verhindern beabsichtigen (Verlangsamung der Transporte, Verbringung von Lebensmitteln, nachlässige Arbeit usw.). In den Gebieten westlich der Wolga sollen sich die Bauern geweigert haben, Lebensmittel für durchziehende Truppen zu stellen. Besonders in Gebieten, in denen Zwangsverschickte zum Arbeitseinsatz kommen, machen sich Gegenkräfte bemerkbar. Die Verkehrslage der Sowjetunion sei äusserst angespannt. Seit dem Beginn des Jahres würden aus dem Fernen Osten zahlreiche Lokomotiven und Waggons abgezogen, so daß der Verkehr stark abgesunken sei. In Mittelasien wäre eine starke Häufung abgestellter, beschädigter oder unbenutzter Lokomotiven und Waggons festzustellen. Besonders erschwerend habe sich der Mangel an Heizstoffen ausgewirkt. Überall seien starke Verzögerungen und verkehrstechnische Schwierigkeiten an der Tagesordnung. Zur Einbringung der Ernte seien in der Sowjetunion 1 1/2–2 Mill. Schulkinder mobilisiert worden. Mit grossen Schwierigkeiten sei hinsichtlich der Ernteeinbringung durch das Fehlen der Traktoren und den nicht genügenden Ersatz durch Zugtiere zu rechnen. Es wird jedoch betont, daß die Sowjetunion voraussichtlich riesige Getreidereserven aufgestapelt habe. BAB, R 58/698 1 2 3

Nordteil der Bukowina. Nachrichtendienst. Offizierslager.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 24. Juli 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 13 […] A. Gegner und Exekutivfragen Das Partisanenwesen: Die Annahme, daß der Beginn der deutschen Angriffsunternehmungen und das Vorrücken der Front (im südlichen Abschnitt) auf das Partisanenunwesen Auswirkungen zeitigen oder gar einen Rückgang der Partisanentätigkeit zur Folge haben würde, erscheint bisher nur teilweise zutreffend. Die Gründe sind verschiedene. Durch die Vernichtung der sowjetischen Armeen auf der Krim sind die im Jaila-Gebirge befindlichen Partisanengruppen fraglos ihres stärksten Rückhaltes verlustig gegangen. Ihre künftige Versorgung, auch durch Flugzeuge, ist in Frage gestellt. Irgendwelche Auflösungserscheinungen zeigen sich indessen noch nicht. Es darf unterstellt werden, daß einzelne versprengte Truppenteile der Roten Armee neu zu den Partisanengruppen ge-

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stoßen sind. In dem am schwersten durch Partisanen gefährdeten mittleren Frontabschnitt und dessen rückwärtigen Gebieten sind irgendwelche Anzeichen für ein Nachlassen der Partisanentätigkeit, die mit den Julierfolgen der deutschen Wehrmacht in Verbindung gebracht werden könnten, nicht feststellbar. Hier sind die Ursachen eng mit der Bewegung des Partisanentums verknüpft, welche sich insbesondere in Weissruthenien auf eine grosse Tradition stützen kann. Schon die Revolution im Jahre 1917 wurde vom Partisanenkampf getragen. 1919 und 1920 spielten sich in den östlichen und mittleren Teilen Weissrutheniens grosse Partisanenkämpfe gegen die polnischen Okkupanten ab. Nach dem Rückzug der Polen entwickelten sich in den gleichen Gebieten heftige Partisanenkämpfe gegen die Bolschewiken, die erst im Jahre 1924 durch grössere Aufgebote der GPU beendet werden konnten. Wenn auch heute die Ursachen des Partisanentums grundsätzlich anderer Natur sind, so begründen doch die Tradition und die Erfahrungen der Partisanenbewegung in bedeutendem Maße ihre jetzige Entwicklung. Der gegenwärtige Krieg Deutschlands gegen die Sowjets ist in erster Linie ein ideologischer, und daher haben alle zurückgebliebenen Elemente, die die internationale kommunistische Bewegung in dem durch die deutsche Wehrmacht befreiten Gebiet unterstützen, kein hinreichendes Betätigungsfeld mehr. Aus diesem Grunde gingen zum grössten Teil die Kommunisten und sowjetischen Aktivisten, ferner die Juden, denen es nicht gelang, mit den Bolschewisten zu fliehen, in die Wälder und stießen hier zu den Partisanen. Ein weiterer Grund für das Anwachsen des Partisanenwesens ist in der Ernährungslage zu suchen. Sie erzeugt Unzufriedenheit gegenüber der bestehenden Ordnung. Der Hunger und der allgemeine Mangel demoralisiert in hohem Grade die Bevölkerung, so daß ein Teil von ihr als sogen. Partisanen bewaffnet in den benachbarten Rayons auf Raub ausgeht. Nach ihrer Rückkehr lebt sie zunächst friedlich, flieht jedoch, sobald sie des Raubes verdächtigt wird, in die Wälder, um der gesetzlichen Bestrafung zu entgehen und schliesst sich hier den Partisanen an. Diese schwere materielle Lage der örtlichen Bevölkerung bildet weiterhin einen wichtigen Faktor, der der kommunistischen Propaganda überaus erfolgreich Vorschub leistet. Das bisher schon laufend gemeldete brutale Vorgehen der Partisanen gegen die aufbauwillige und deutschfreundliche Bevölkerung hat gerade in der letzten Zeit besondere Verstärkung erfahren. So treffen z. B. in Polozk täglich 50–60 Flüchtlinge aus dem Rayon ein, die sich den Partisanen nur durch Flucht entziehen konnten. In dem gleichen Rayon musste der Rayonordnungsdienst aufgelöst werden, da sich die OD-Männer in den Dörfern nicht mehr halten können. Bezeichnend ist auch folgender Vorfall: Ein Kommando der GFP führte in Wolodkowo eine Säuberungsaktion durch. Ein mit Partisanen besetztes Haus wurde in Brand gesteckt, wobei mehrfach Munition explodierte. Das rückwärtige Gelände war von der Hilfspolizei umstellt, die bei Beginn des Feuergefechts flüchtete. Dadurch gelang es den Partisanen zu entkommen. Die vom Kdr. dSPudSD Tschernigow eingeleiteten Ermittlungen ergaben, daß der Starost, der grösste Teil der Dorfbevölkerung und die Hilfspolizei von dem Vorhandensein der Partisanen und deren starker Bewaffnung unterrichtet waren, eine Meldung an die deutschen Dienststellen jedoch unterließen. Die erforderlichen Sühnemaßnahmen wurden durchgeführt und der Bevölkerung durch Plakatanschlag bekanntgegeben. Illegale kommunistische Bewegung: Im Rahmen der vom Kdr. dSPudSD in Kiew durchgeführten Aktion zur Aufrollung des illegalen Komsomol-Verbandes in Kiew (vergl. Meldung aus den besetzten Ostgebieten Nr. 5) wurden über 100 Angehörige des Verbandes festgenommen. Unter den Festgenommenen befindet sich der Leiter der Organisation und seine engste Mitarbeiterin sowie die Leiter der 7 Rayonkomitees, 15 Verbindungsper-

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sonen und 2 Beisitzer des Zentralkomitees. Bei den Festgenommenen handelt es sich durchweg um intelligente Jugendliche beiderlei Geschlechts, die studiert haben bezw. noch studieren. Sie hatten u. a. die Aufgabe, innerhalb ihrer Lehrveranstaltungen neue Mitglieder für die Organisation zu werben und antideutsche Propaganda zu betreiben. Einer der Festgenommenen ist bei der Dienststelle des Kdrs. dSPudSD als Installateur beschäftigt gewesen und hatte von der Organisation den Auftrag, die Beamten und Dolmetscher der Dienststelle namentlich zu erfassen und ihre Wohnungen festzustellen. Von den im Stadtgebiet Kiew gebildeten 9 Rayonkomitees waren zwei mit Leitern noch nicht besetzt. Mit dem Aufbau des illegalen Komsomol-Verbandes ist im Januar 1942 begonnen worden; er unterstand der KP in Kiew und erhielt von dort seine Weisungen. B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung in der Westukraine und im rückwärtigen Heeresgebiet: Lage und Stimmung in der Westukraine waren bis Anfang Juli erheblich beeindruckt durch die starke Banden- und Partisanentätigkeit, die vor allem im nordwestlichen Teil des Generalbezirkes Wolhynien/Podolien eine starke Unruhe in der Bevölkerung ausgelöst hatte. Den Meldungen zufolge hatte die Bevölkerung weniger aus kommunistischer Gesinnung als aus Furcht vor dem Terror der Partisanen diesen Hilfe gewährt. Die verstärkte Partisanen- und Sabotagetätigkeit, die ausgesprochen mit der Offensive bei Charkow zusammenfiel, war anscheinend ein Teil des sowjetrussischen Offensivplanes. Wenn auch die ersten größeren Siege der deutschen Wehrmacht bei Kertsch und Charkow sowie die Stärke und Ausrüstung der durchziehenden Wehrmachtstransporte einen starken Eindruck hinterließen, so wurde infolge der anhaltenden Banden- und Partisanentätigkeit die Stimmung der Bevölkerung hierdurch nicht erheblich verbessert. Die angespannte Wirtschaftslage, insbesondere die Herabsetzung der Löhne und die mangelhafte Zuteilung von Lebensmitteln, haben ebenfalls dazu beigetragen, eine Stimmungsverbesserung nicht aufkommen zu lassen, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, daß naturgemäß bei der Verschiedenheit des Landes und der Zusammensetzung der Bewohner die Stimmung ebenfalls unterschiedlich ist. Die in der Westukraine ansässige und von der Emigration im Reich beeinflußte Intelligenzschicht ist durch ihren schwindenden Einfluß bei den deutschen Dienststellen merklich beeindruckt und versucht nunmehr, den arbeitsfreudigen einheimischen Kräften einzureden, daß die nationalen und wirtschaftlichen Belange der Ukraine von den Deutschen bewußt unterdrückt werden. Immer wieder kann man die Feststellung treffen, daß im Volk selbst das ukrainische „Staats“-Bewußtsein in der Masse nicht vorhanden ist. Soweit es vorhanden war, ist es durch zaristische und bolschewistische Politik unterdrückt worden. Der Bolschewismus hat es als Teil seiner politischen Taktik versucht, in der Führungsschicht eine gewisse Schein-Ukraine herzustellen, die dann in dem Staatenbund der Sowjetunion ein Steinchen im politischen Spiel war. Nach Besetzung des ukrainischen Raumes durch die deutschen Truppen sind Emigranten aus dem Reich und den angrenzenden Ländern teilweise legal, zum größten Teil aber illegal mit ihren eigenen Wünschen in das Land hineingeströmt und haben alles versucht, um ihre Privatkämpfe und ihren Machthunger auf dem Rücken oder mit Gruppen dieser seelisch völlig gebrochenen Menschen auszutragen. Die Ablösung der zum Teil aus der Emigration stammenden Führungselemente und die ersten Ergebnisse der Agrarordnung zeigen heute bereits den Beginn des Erfolges einer Neuordnung auf. Ein kleiner Teil der in diesem Raum ansässigen Bevölkerung wünscht – den getroffenen Feststellungen zufolge – eine Entwicklung der Ukraine unter deutscher Führung bis zu dem Tage, an dem die Ukraine als selbständiger Staat lebensfähig ist. Diese Ukrainer rechnen hierbei auf eine

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Bereinigung ihrer Führungsschicht durch Deutschland, da sie davon überzeugt sind, daß der Parteihader der Ukrainer untereinander einen sofort gegründeten ukrainischen Staat zusammenbrechen lassen würde. Der weitaus größere Teil der Bevölkerung, der sich über die politische Gestaltung des Landes weniger Gedanken macht, ist lediglich darauf bedacht, wieder in den Besitz von Privateigentum zu gelangen und im übrigen in Ruhe und Frieden zu leben. […] Die wirtschaftliche Lage in der Ukraine: Versorgungslage: Die vorliegenden Meldungen lassen übereinstimmend erkennen, daß die ungünstige Ernährungslage in der Ukraine nach wie vor anhält. Lediglich die Zufuhr von Gemüse hat bisher eine geringe Besserung ergeben. Zur Entlastung der Ernährungslage hat vielfach der Abtransport von Ukrainern zur Arbeitsaufnahme im Reichsgebiet beigetragen. Das zur Versorgung der Stadtbevölkerung notwendige Brotgetreide muß sehr oft von Fall zu Fall beschafft werden. Dabei ist die Menge, die zur Verfügung gestellt werden kann, nicht nur gebietlich verschieden hoch, sondern sie kann auch nicht jeweils gleichmäßig auf die Stadtbevölkerung verteilt werden. Die Stadt Kramatorsk im Gebiet Gorlowka verfügte z. B. am 18. 5. 42 über 100 to Brotgetreide, das für 10 Tage reichen mußte. Versorgt wurden täglich 11 455 Arbeiter mit je 300 gr. Brot und 67599 Familienangehörige mit täglich je 100 gr. Brot. Es ist allerdings beabsichtigt, eine Brotausgabe für die gesamte Einwohnerschaft, also auch die nicht in Arbeit stehenden Personen, durchzuführen. Zu diesem Zwecke wird eine Registrierung der Arbeiterschaft vorgenommen, da von dieser die Zuteilung von Brot abhängig gemacht und gleichzeitig ein Überblick über die noch nicht in Arbeit stehenden Personen gewonnen werden soll. In der ebenfalls im Gebiet Gorlowka liegenden Stadt Konstantinowka war vorgesehen, auch an die nicht arbeitende Bevölkerung Brot auszugeben. Es wurde jedoch davon Abstand genommen, damit sich Arbeitsunwillige nicht dem Arbeitseinsatz entziehen. Man will hier bis zu einer allgemeinen Verteilung versuchen, möglichst viele Arbeitskräfte der Landwirtschaft zuzuführen. In Kramatorsk erhielten lediglich die Speisehäuser Fleisch, zu denen nur in Arbeit stehende Personen Zutritt haben. In Konstantinowka konnte Fleisch nicht verteilt werden. In dieser Stadt standen, abgesehen vom Brot, nur Lebensmittel wie Grütze, Sonnenblumen, Gemüse, Ölkuchen und Milch in kleinen Mengen zur Verfügung, die in Gemeinschaftsküchen als Speisen verabreicht wurden. Im Gebiet Charkow sind für die Versorgung der Bevölkerung Konsumgenossenschaften tätig, die über 170 Geschäfte mit annähernd 50 000 Mitgliedern verfügen. Die Konsumgenossenschaften, die in einem Verband zusammengeschlossen sind, verfügen über Waren, die das Wirtschaftskommando nicht für sich in Anspruch nahm, wie Papierwaren, Eisenwaren, Farben usw. Die Genossenschaften erheben ein einmaliges Beitrittsgeld von 120– 150 Rubel. Mit dem so gebildeten Kapital und den Vorschüssen der Mitglieder, wobei Kleider und Hausgerät als Zahlungsmittel angenommen werden, tätigen sie Lebensmittelankäufe, die allerdings jeweils die Genehmigung des Gebietslandwirtschaftsführers erfordern. Weitere Waren werden über die Stadtverwaltung von den Handwerkskartellen beschafft. Die Genossenschaften bevorzugen ihre Mitglieder nur bei der Verteilung von Lebensmitteln, während alle anderen Waren des täglichen Bedarfs in kleinen Mengen auch an die übrige Bevölkerung abgegeben werden. Zur Deckung der Unkosten werden 10–15 % auf die gezahlten Preise aufgeschlagen. Die Lebensmittelpreise sind allgemein nach wie vor so hoch, daß es einem großen Teil der Bevölkerung bei den festgesetzten Löhnen nach vorliegenden Meldungen unmöglich ist, die Lebenshaltungskosten aufzubringen. Im Gebiet Kiew wird z. B. für die Zeit von Ende Januar bis Anfang Mai eine

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Preissteigerung um mehr als 100 %, z. T. bis zu 180 % festgestellt. Der Preis für 1 kg Brot ist hier von 45 Rubel im Januar auf 160 Rubel Mitte Mai gestiegen. Roggenmehl kostete im Januar 44 Rubel, Anfang Mai 87 Rubel, ist allerdings in der letzten Maihälfte auf 67 Rubel im Preis zurückgegangen. Die Genossenschaften sind in der Lage, die Lebensmittel weit unter den Marktpreisen zu liefern. So kostet dort z. B. das Kilo Brot für Mitglieder 50 Rubel und für Nichtmitglieder 70 bis 80 Rubel, während auf dem Markt 100 bis 110 Rubel je kg gefordert werden. Eier werden von der Genossenschaft für das Mitglied mit 25 Rubel für 10 Stück, für Nichtmitglieder mit 70 Rubel je 10 Stück abgegeben, während auf dem Markt 130 Rubel je 10 Eier gefordert werden. Die Tätigkeit der Genossenschaften hat den Meldungen zufolge bereits eine fühlbare Beeinflussung der Marktpreise erbracht und man hofft, mit dem weiteren Ausbau der Genossenschaften eine allmähliche Preisregelung zu erzielen. […] Arbeitswesen: Für den Arbeitseinsatz im Reichsgebiet wurden bis Ende Mai über 100 000 Arbeitskräfte angeworben. Nach dem Plan des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz sollen aus der gesamten Ukraine 1,2 Millionen Arbeitskräfte dem Reich zugeführt werden. Diese Zahl verteilt sich je zur Hälfte auf das Gebiet des Reichskommissars Ukraine und auf das rückwärtige Heeresgebiet. Den Meldungen zufolge sind die verantwortlichen Dienststellen bemüht, den Forderungen des Reiches weitgehend gerecht zu werden. Es wird jedoch von diesen Stellen angenommen, daß das vorgeschriebene Soll bis Ende Juli nicht erfüllt werden kann. Dabei wird insbesondere auf technische Schwierigkeiten wie schlechte Verkehrsverhältnisse in ländlichen Gebieten hingewiesen. Die Einstellung der Bevölkerung zum Einsatz im Reich ist nach wie vor unterschiedlich. In einzelnen Gebieten der Ukraine hat die Werbung nach wie vor gute Ergebnisse, während sie in vielen Teilen von der Bevölkerung weitgehend sabotiert wird. So wird insbesondere im Stadtbezirk Kiew in den letzten Wochen ein erheblicher Rückgang der Meldungen festgestellt und auch aus dem Gebiet Rowno wird berichtet, dass die Bevölkerung in zunehmendem Maße der Werbung ablehnend gegenübersteht. Die ablehnende Haltung der Bevölkerung wird mit auf die ungenügende propagandistische Werbung für den Arbeitseinsatz im Reich zurückgeführt. Die Arbeitskräfte müssen daher durch die Anwerbekommission in diesen Gebieten meist unter Zwang aufgebracht werden. Die geringen Anwerbeerfolge erfordern in einigen Gebieten bereits den Einsatz von Polizeikräften, um das festgelegte Soll zu erfüllen. C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR Meldungen über die Stadt Leningrad besagen, daß die Sterblichkeit seit dem Eintritt der warmen Jahreszeit erheblich gesunken, aber trotzdem noch anormal hoch sei. Durch eine ganz energisch betriebene Säuberungsaktion sei das Umsichgreifen von Seuchen vermieden worden. Die Zahl der Zivileinwohner des Stadtgebietes wird mit 1,7 bis 2 Mill. angegeben. Frauen würden weitgehend zu öffentlichen Arbeiten, zum Wehr- und Werkdienst herangezogen. Die Unterbringung der Kinder im Alter von 3 bis 14 Jahren in Kinder- und Jugendheimen sei verfügt worden. Zum Unterhalt dieser Heime werde für kinderlose, berufstätige Frauen ein Lohnabzug von 50 % erhoben. Die Hauptaufgabe der Partei sei die Durchführung der Propaganda sowie die Organisation des allgemeinen Arbeitsdienstes zur Stadtsäuberung und zur Wiederherstellung bezw. Neueinrichtung von Verteidigungsanlagen. Wehrtaugliche Frauen und Mädchen der Jahrgänge 1912 bis 1925 erhielten, sofern sie nicht in der Kriegsindustrie beschäftigt seien, eine viermonatige militärische Ausbildung. Besonders geeignete Mädchen würden darüber hinaus für den Gaskrieg, Sa-

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nitätsdienst, Funk- und Telefondienst sowie Luftabwehr ausgebildet. Im wesentlichen dürfte es sich um Frauen zur Verwendung in den rückwärtigen Gebieten handeln. Von einem Fronteinsatz ist bisher nichts bekannt geworden. Die Versorgungslage sei unverändert schwer, aber erträglich. Eine grosszügig durchgeführte Kleingartenaktion soll zur Entlastung der Ernährungsschwierigkeiten beigetragen haben. Das Leningrader Geschäftsleben sei fast stillgelegt. Die Stromerzeugung reiche für die Versorgung der noch arbeitenden Industriebetriebe, der wichtigsten Behörden und zur Aufrechterhaltung einiger Straßenbahnlinien aus. Die Wasserversorgung der Stadt werde durch die Einwohner aus tiefgelegenen Zapfstellen sichergestellt. Der Postverkehr sei trotz starker Einschränkungen fast normal. Die Leningrader Ausgabe der „Prawda“ erscheine wieder täglich und sei auch im Gegensatz zu kleineren Zeitungen erhältlich. Die Sowjetpropaganda sei mit grossem Aufwand bemüht, die Stimmung nicht absinken zu lassen. Es sei ihr gelungen, die Bevölkerung fest in der Hand zu halten. Dabei wäre jedoch zu bedenken, daß die Sowjets in den Wintermonaten einen grossen Teil der Einwohnerschaft abgeschoben hätten und die Bevölkerung jetzt eine gewisse Auslese in bolschewistischem Sinne darstelle. Latente Kriegsmüdigkeit sei zwar vorhanden, könne aber den Glauben an die Sowjetmacht nicht erschüttern. Anlage 5: Deutschland und der Kaukasus Inhalt: I. Der Kaukasus: 1. Bedeutung und Charakter des Gebirges, 2. Bevölkerung, 3. Geschichte, 4. Der Zeitraum 1914–1924. II. Der Bolschewismus im Kaukasus: 1. Der Zeitraum 1924–1942, 2. Kampf gegen die Religion, 3. Wirtschaft, 4. Verkehr. III. Deutschland und der Kaukasus: 1. Neue Agrarordnung, 2. Selbstverwaltung, 3. Religiöse und kulturelle Freiheit. Erstellt von Obltn. Dr. Oberländer1. Anmerkung: Die kritische Einstellung des Reichssicherheitshauptamtes zur Person des Dr. Oberländer wird durch die Veröffentlichung dieser Ausarbeitung nicht berührt.2 […] Anlage zu den „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ Nr. 13 vom 24. 7.1942: Standorte und Nachrichtenverbindungen Die den „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ Nr. 9 v. 26. 6. 42 beigefügte Zusammenstellung ist wie folgt zu berichtigen: 1) Bei Sonderkommando 7b ist zu streichen: SS-O’Stubaf. Ott und dafür zu setzen: SSStubaf. RR Dr. Auinger 3. 2) Nach Kdr. dSPudSD f.d. Gen.Bez. Dnjepropetrowsk ist neu zu setzen: Kdr. dSPudSD f.d. Gen.Bez. Stalino: SS-O’Stubaf. Körting 4, Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino. Kdr. dSPudSD f.d. Gen.Bez. Taurien: SS-Stubaf. Zapp 5, Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol. 3) Bei Sonderkommando 4a ist zu streichen: SS-O’Stubaf. Dr. Weinmann und dafür zu setzen: SS-O’Stubaf. Steimle. 4) Bei Sonderkommando 4b ist zu streichen: SS-Stubaf. RR Dr. Haensch und dafür zu setzen: SS-O’Stubaf. Meier. 5) Bei Einsatzkommando 6 ist zu streichen: SS-Stubaf. RR Mohr und dafür zu setzen: SS-Stubaf. ORR Biberstein6.

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6) Bei Sonderkommando 10a ist zu streichen: SS-O’Stubaf. ORR Seetzen und dafür zu setzen: SS-Stubaf. RR Dr. Christmann7. 7) Einsatzkommando 11a ist ganz zu streichen 8. BAB, R 58/698 1 Dr. Theodor Oberländer (1905–1998), Diplomlandwirt, 1933 NSDAP u. SA, 1941 als VO der militärischen Abwehr zum Ukrainer-Btl. „Nachtigall“ in die Pogrome beim Einmarsch in Lemberg verwickelt, Vertreter der ukrainischen Unabhängigkeit, 1950 Bund der Heimatvertriebenen u. Entrechteten, 1953 MdB u. Bundesvertriebenenminister, 1956 CDU, 1960 in Ost-Berlin in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt, daraufhin Rücktritt; vgl. Philipp-Christian Wachs: Der Fall Oberländer (1905–1998). Ein Lehrstück deutscher Geschichte, Frankfurt/M. 2000. 2 Da der Autor der Abwehr, nicht dem RSHA angehörte, wird auf eine Wiedergabe des umfangreichen Textes verzichtet. 3 Josef Auinger, geb. 1897, 1915 Soldat, Kriegsgefangenschaft bis 1921, 1923 österreichische Polizei, daneben Jurastudium, 1929 Dr.jur., NSDAP 1933, SS 1934, 1938 zur Stapo-Leitstelle Wien, Chef Außenstelle St. Pölten, 1939 Stubaf., Juli 1942 Kdr. SK 7b, Dez. 1942 zum BdS Prag, 1944 Ostubaf. u. KdS Fünfkirchen (Pécs)/Ungarn, gest. 1961; BAB, BDC, SSO Dr. Josef Auinger; BAL, ZK: Dr. Josef Auinger, vgl. Gafke: Heydrichs Ostmärker, S. 273 f. 4 Erich Körting, geb. 1902, Baufabrikant, 1929 NSDAP u. SS, 1934 als Ustuf. Fhr. SD-UA Dresden, danach Hauptabt.leiter SD-OA Elbe, Fhr. SD-UA Dessau, 1941 Ostubaf., Sept./Okt. 1941 zunächst Kdr. VKM, danach Leiter II EG B, Juli 1942 KdS Stalino, Okt. 1943 KdS Kiew, Jan. 1944 Fhr. SD-Abschnitt Dessau; BAB, BDC, SSO Erich Körting; Vern. dess. v. 18. 1. 1967, BAL, B 162/5402; BAL, ZK: Erich Körting. 5 Paul Zapp, geb. 1904, kaufmännischer Angestellter, 1934 SS u. Generalsekretär der Deutschen Glaubensbewegung, 1936 SD-HA, 1937 NSDAP, 1938 zum SD-OA Südost, 1940 Stubaf. u. Lehrer für weltanschauliche Schulung der Anwärter des leitenden Dienstes, Mai 1941 Fhr. SD-Abschnitt Kassel, nach Teilung EK 11 im Juli 1941 Kdr. SK 11a, Juli 1942 KdS Taurien, Nov. 1942 Ostubaf., 1944 IdS Dresden, bis Verhaftung 1967 unter falschem Namen, 1970 zu lebenslanger Haft verurteilt, gest. 1999; BAB, BDC, SSO Paul Zapp; Vern. dess. v. 3., 4., 5., 8., 9. u. 11. 1. 1968, BAL, B 162/7054, Bl. 134 ff.; Urteil LG München I v. 26. 2. 1970, BAL, B 162/14401–14402; BAL, ZK: Paul Zapp; Konrad Kwiet: Paul Zapp – Vordenker und Vollstrecker der Judenvernichtung, in: Mallmann/Paul: Karrieren der Gewalt, S. 252–263; Jürgen Matthäus/Konrad Kwiet/Jürgen Förster/Richard Breitman: Ausbildungsziel Judenmord? „Weltanschauliche Erziehung“ von SS, Polizei und Waffen-SS im Rahmen der „Endlösung“, Frankfurt/M. 2003, S. 188 ff. 6 Ernst Szymanowski, geb. 1899, 1917 Soldat, Theologiestudium, 1924 Pastor, NSDAP 1926, SA 1933, 1935 ORR im Reichskirchenministerium, dort Verbindungsmann zum Gestapa, SS 1936, 1938 Kirchenaustritt, 1939 Stubaf., 1940 ins RSHA, Juni 1941 Leiter Stapo-Stelle Oppeln u. Namensumbenennung in Biberstein, Juli 1942–Juni 1943 Kdr. EK 6, Febr. 1944 zum Obersten Kommissar in Triest, 1948 im Nürnberger EG-Prozeß zum Tod verurteilt, 1958 Haftentlassung, Angestellter der evangelischen Kirche Nordelbiens, gest. 1986; BAB, BDC, SSO Ernst Biberstein; BAL, ZK: Ernst Biberstein; Stephan Linck: Ernst Szymanowski alias Biberstein – ein Theologe auf Abwegen, in: Mallmann/Paul: Karrieren der Gewalt, S. 219–230. 7 Kurt Christmann, geb. 1907, Jurastudium, 1931 Dr.jur., NSDAP u. SS 1933, 1934 Assessorexamen u. zur Bayrischen Politischen Polizei, 1938 Stubaf. u. zur Stapo-Leitstelle Wien, dann stellv. Leiter StapoStelle Innsbruck, 1939 Chef Stapo-Stelle Salzburg, Juli 1942–Aug. 1943 Kdr. SK 10a, danach Leiter StapoStelle Klagenfurt, 1944 dto. Stapo-Stelle Koblenz, 1948 nach Argentinien, 1956 zurück in die Bundesrepublik, 1980 zu 10 Jahren Haft verurteilt; BAB, BDC, SSO Dr. Kurt Christmann; BAL, ZK: Dr. Kurt Christmann; Urteil LG München I v. 19. 12.1980, BAL, B 162/14621; Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 677 ff., 706 f., 724 f. 8 Das EK 11a verwandelte sich in die erwähnte neue Dienststelle des KdS Taurien.

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

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Berlin, den 31. Juli 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 14 […] A. Gegner und Exekutivfragen Partisanentätigkeit: Die Aktivität der Banden im weissruthenischen Raum und in der Westukraine hält in unverminderter Stärke an. So wurde u. a. ein Überfall auf eine Transportkolonne von 14 Lkw’s verübt, die sich auf der Fahrt nach Beresino befand. Mit der 60 Mann starken Bande entwickelte sich ein etwa zweistündiges Feuergefecht. Drei Lkw’s brannten vollständig aus, einem Lkw wurde Motor und Bereifung zerschossen, ein weiterer Lkw hatte sich im Sumpf festgefahren. Bei Eintreffen von Verstärkung auf deutscher Seite zog sich die Bande zurück. Die bereits gemeldete Machtlosigkeit des örtlichen Ordnungsdienstes gegen die einzelnen Bandengruppen wird durch folgende Beispiele beleuchtet: 1. In Brakow bei Mogilew plünderten 40 Banditen das Dorf und töteten dabei 2 OD-Männer. 2. Im Rayon Witebsk wurde die Brückenwache in Dolcha überfallen und 1 OD-Mann getötet. 3. In Woroschily bei Witebsk wurden nach einem Überfall von Banden 2 OD-Männer verschleppt, von denen der eine erschossen und der andere in schwerverletztem Zustande aufgefunden werden konnten. In der Nacht darauf erschienen etwa 200 Banditen in dem Dorfe und plünderten die Wohnungen der beiden OD-Männer aus. 4. Bei Chodolowo wurde eine OD-Streife von Banditen beschossen. Ein Beispiel, daß bei der sicherheitspolizeilichen und SD-mäßigen Ermittlungstätigkeit allen Vorkommnissen besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist, auch wenn keine unmittelbaren Hinweise für die Teilnahme an einer Bandentätigkeit vorliegen, gibt die Aufrollung einer Gruppe in Krasnogwardeisk. Die eingehende Vernehmung einer wegen krimineller Verfehlungen festgenommenen Wera Woranzowa erbrachte Angaben über die Bildung eines Bandentrupps in Krasnogwardeisk. Die W. unterhielt ein Liebesverhältnis mit einem Sergej Stepanow und erfuhr von ihm, daß er in Krasnogwardeisk und Marienburg junge Männer zur Bildung einer Bandengruppe angeworben hätte mit der Absicht, Verbindung mit anderen Bandengruppen aufzunehmen oder zur Roten Armee überzulaufen. In diesen Plan waren 2 weitere Personen eingeweiht und verwickelt. Die genannten 3 Personen wurden sofort festgenommen und gaben nach längerem Leugnen zu, daß sie in Krasnogwardeisk 2 Bandengruppen gebildet hätten, die sich in südlicher Richtung zum Wolchow-Kessel durchschlagen bezw. einer Partisanengruppe anschliessen wollten. Die eine der Gruppen stand unter Führung des Stepanow. Er hatte 9 Personen für sein Unternehmen angeworben, die sämtlich festgenommen werden konnten. Die 2. Gruppe stand unter Führung einer Frau, deren Mann sich als Unterleutnant bei der Roten Armee befindet. Durch Ansetzen eines V-Mannes im Gefängnis konnten die von ihr geworbenen Personen in Erfahrung gebracht und ebenfalls festgenommen werden. Gleichzeitig wurde festgestellt, daß sie mit einer auf einer deutschen Fliegerhorstkommandantur beschäftigten Bolschewikin, von der sie wusste, daß sie mit Leningrad Verbindung habe, zusammenarbeitete. Durch eingehende Ermittlungen und Ansatz weiterer V-Männer wurde die Verbindung mit 8 sowjetischen Kriegsgefangenen nachgewiesen, die sich dem Unternehmen anschliessen wollten. Zwar bestand noch keine Verbindung zu Bandentrupps, jedoch war bekannt, daß sich südlich Wyriza noch Banden aufhalten

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sollten, und man hoffte, zu ihnen stossen zu können. Die Kriegsgefangenen beabsichtigten gleichzeitig, bei einer Wehrmachtseinheit, bei der sie beschäftigt waren, Waffen zu entwenden. Als Hauptmotiv für ihre Tat gaben die Gefangenen an, daß sie unter Ernährungsschwierigkeiten zu leiden hätten und auf Grund der abgeworfenen bolschewistischen Flugblätter zur Tat veranlaßt worden seien. Sämtliche Festgenommenen wurden erschossen und die Exekution durch Plakatanschlag öffentlich bekanntgegeben. Bei einer Aktion gegen den letzten Bandenstützpunkt im Raum ostwärts der Eisenbahnlinie Loknja-Nowosolniki konnten eine grössere, noch nicht genau festgestellte Zahl von Banditen und eine Vernichtungskompanie aufgerieben werden. Dabei wurden 12 Bunker gestürmt oder ausgeräuchert, 2 Granatwerfer, 3 MGs, 200 deutsche und 50 russ. Gewehre, 3 vollbeladene Munitionswagen, Minen, Handgranaten, Gewehrgranaten und eine vollständige Sendeanlage englischen Fabrikats erbeutet. Ukrainische Widerstandsbewegung: Nach Meldungen aus Rowno hat sich die seit längerer Zeit im Kreise Kobryn anhaltende Partisanentätigkeit nun auch in die übrigen nordwestlichen Kreisgebiete von Wolhynien/Podolien ausgedehnt. Die zahlreich auftretenden Banden sind vom Generalgouvernement über den Bug herübergewechselt. Die Bewaffnung der Männer besteht einheitlich aus Gewehren mit abgesägtem Schaft und Lauf, so daß die Waffen unter der Kleidung verborgen getragen werden können. So wurde im Kreise Wladimir-Wolhynsk ein Bauerngehöft von 5 Banditen überfallen, die mit verkürztem Gewehr ausgerüstet waren und aus dem Generalgouvernement stammten. Zu diesen Banden haben sich neuerdings sowjetische Fallschirmspringer gesellt. Ihre Angriffe zielten hauptsächlich auf die Störung des Fernsprechverkehrs ab. Verschiedentlich wurden Fernsprechleitungen zerschnitten und Fernsprechapparate zertrümmert. Ihre Arbeitsweise scheint aber vorerst darauf gerichtet zu sein, die Widerstandsbewegung auf eine breitere Grundlage zu stellen. Im Zuge der Ermittlungen gegen eine ukrainische Aufstandsbewegung in Kamenez-Podolsk wurden einige Lehrer festgenommen, von denen einer bei der Schulungsbesprechung erklärt hatte, es komme nicht darauf an, daß einzelne Partisanengruppen Teilerfolge erringen, sondern daß mit dem Partisanenkampf überhaupt begonnen werde; nur dann könne ein Gesamterfolg beschieden sein. Der Bolschewismus habe seine Macht auch nur durch Partisanen und Agenten errungen. Bei richtiger Organisation müsse es auch diesmal gelingen. Aus der Zielsetzung, der Bandenbewegung eine breitere Grundlage zu schaffen, ist offenbar der Überfall unternommen worden, der sich in einem Fall gegen eine Gruppe angeworbener ukrainischer Arbeitskräfte für das Reich richtete, die sich auf dem Wege zur Sammelstelle befand. Die Arbeitskräfte liefen sofort auseinander. In Wolodimierz wurde an mehreren Stellen ein Flugblatt angeschlagen, das zur Sabotierung der Arbeiteranwerbung für das Reich aufforderte. Der Leiter des Arbeitsamtes in Sarny, der den Täter beherbergt hatte, wurde festgenommen. Er war Sekretär der ukrainischen Widerstandsbewegung. Bei der Aushebung eines Bandentrupps in Tschemerowze wurden 15 Personen, darunter der stellvertretende Bürgermeister, der Leiter des Schul- und Bildungswesens, der Schuldirektor und einige Lehrer festgenommen, bei denen erstmals festgestellt werden konnte, daß sich Kommunisten und Mitglieder der ukrainischen Widerstandsbewegung – OUN-Bandera – zusammengefunden hatten. Der stellvertretende Bürgermeister und der Leiter des Schul- und Bildungswesens gehörten seit 1925 der kommunistischen Partei an, die übrigen Festgenommenen waren Angehörige der Bandera-Organisation „Proswita“. In Poddubze, Krs. Luzk, wurde der Kommandant der ukrainischen Schutzmannschaft in Haft genommen, weil er dringend verdächtig ist, einen festgenommenen Bandera-Mann aus dem Gefängnis befreit zu ha-

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ben. Nach den bisherigen Feststellungen steht die gesamte dortige Schutzmannschaft unter dem Einfluß der Bandera-Bewegung. […] Fallschirmspringer in Lettland: In der Zeit von September 1941 bis Juni 1942 sind in Lettland 122 Partisanen, Spionage- und Sabotageagenten mit Fallschirmen abgesprungen. Von diesen wurden 42 im Kampf erschossen und 48 festgenommen; 32 befinden sich auf freiem Fuß, d. h. sie sind entweder flüchtig oder haben sich freiwillig gestellt und sind als V-Leute eingesetzt worden. Hauptabsprunggebiet war das aus dichten Waldungen und umfangreichen Sümpfen bestehende Gelände in den Gebietskommissariaten Dünaburg, Wolmar und Riga. Eisenbahnsabotage im Bereiche der Einsatzgruppen B und C: Stetig ansteigende Zahlen über die von Partisanen auf Eisenbahnanlagen durchgeführten Sabotageakte beweisen, daß der Gegner mit allen Mitteln den deutschen Nachschub zu stören versucht. Es sind z. B. im Monat Juni 1942 im Bereich der Heeresgruppe Mitte 206 Anschläge auf Eisenbahnlinien erfolgt, die sich auf folgende Strecken verteilen: Strecke Brjansk–Lgow 25 Sprengungen, Brjansk–Gomel 15 Sprengungen, Brjansk–Roslawl 6 Sprengungen, Brjansk–Suchinitschi 4 Sprengungen, Unetscha–Kritschew 5 Sprengungen, Kritschew– Roslawl 3 Sprengungen, Roslawl–Kirowograd 8 Sprengungen, Gomel–Bachmatsch 2 Sprengungen, Gomel–Tschernigow 1 Sprengung, Gomel–Luniniec 9 Sprengungen, Gomel–Minsk 19 Sprengungen, Orscha–Shlobin 4 Sprengungen, Wjasma–Rshew 2 Sprengungen, Smolensk–Wjasma 14 Sprengungen, Smolensk–Orscha 10 Sprengungen, Smolensk–Witebsk 7 Sprengungen, Orscha–Borissow 17 Sprengungen, Orscha–Witebsk 2 Sprengungen, Witebsk–Newel 3 Sprengungen, Witebsk–Polozk 15 Sprengungen, Polozk–Newel–Welikije-Luki 16 Sprengungen, Polozk–Indra 11 Sprengungen, Polozk–Molodeczna 8 Sprengungen. Vom 1. bis 15. 7. 42 sind bereits 123 weitere Anschläge gemeldet. Angriffsobjekte waren Eisenbahnschienen, Brücken, Bahnhöfe, Signaleinrichtungen, Reparaturwerkstätten und das gesamte rollende Material. Unter den Arbeitsmethoden sticht die Anwendung von Minen und sonstigen Sprengmitteln hervor (etwa 2/3 aller Anschläge). Von den weiteren Sabotagearten sind die Blockierung der Schienenwege durch Baumstämme und Steine, die Lockerung der Schwellen und des Unterbaues, das Beschießen von Zügen mit Gewehr-, MG- und Granatwerferfeuer, die Verstopfung der Ölzuleitungen an den Achsen durch Putzwolle pp., die Einführung von Sand und Schmirgel in die Achsenlagerkästen, die Beschädigungen an Luftpumpen bei unter Dampf stehenden Lokomotiven, das Abbrechen von Stiftschrauben, Wasser- und Dampfhähnen, die Verstopfung von Lokspeisepumpen und Lokdampfzylindern, das Einschlagen von Armaturbrettern, der Diebstahl kleiner, aber unbedingt notwendiger Teile usw. erwähnenswert. Eine ihrer Einfachheit wegen in der letzten Zeit besonders häufig angewendete Sabotageart ist die Lockerung der Schrauben und Laschen an den Eisenbahnschienen. Diese Methode ist vielfach auch im Altreich sowie in den besetzten Gebieten zur Anwendung gelangt und entspricht den Moskauer Anweisungen. Neue Terrormittel: Nach einer Einzelmeldung der Einsatzgruppe B und einer Mitteilung des OKW werden in letzter Zeit von russischen Fliegern Drehbleistifte, Zigarrenetuis, Uhren und ähnliche Gebrauchsgegenstände abgeworfen, die mit Explosivstoff geladen sind und beim Aufheben oder Öffnen explodieren. Ferner wurden gleichfalls durch Flieger Patronenkästen mit nachgeahmter deutscher Infanteriemunition zum Abwurf gebracht. Jede Patrone enthält eine Sprengkapsel, die beim Schuß das Gewehr sprengen und den Schützen töten oder verletzen soll.

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B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung im rückwärtigen Heeresgebiet Mitte: Die vorliegenden Meldungen aus dem Raum der Heeresgruppe Mitte unterstreichen erneut die bereits in der Folge Nr. 8 der „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ aufgezeigte Lage und Stimmung in der Bevölkerung, die im wesentlichen nach wie vor stärkstens abhängig ist von der Lösung des Partisanenproblems. Auch die letzte Entwicklung hat gezeigt, daß mit einem Rückgang der Partisanengefahr nicht nur nicht gerechnet werden kann, sondern daß vielmehr der Partisanenterror im ständigen Anschwellen begriffen ist und immer weitere Räume des rückwärtigen Heeresgebietes ergreift. Die Zahlen der auf deutscher Seite im Kampf gegen die Partisanen Gefallenen und von den Partisanen Ermordeten sowie die laufend durchgeführten Überfälle auf Dörfer, Truppen und Angehörige deutscher Dienststellen, Eisenbahnsprengungen und Zerstörungen von lebenswichtigen Anlagen usw. zeigen ihre Auswirkungen im gesamten öffentlichen Leben der russischen Zivilbevölkerung und in der Verwaltung und Aufbauarbeit der deutschen Dienststellen. Da die Partisanen von Rayon zu Rayon im steten Vordrängen sind und diese Gebiete unter ihre Botmäßigkeit bringen, nimmt die Ernährungslage gerade in letzter Zeit bedenkliche Formen an, zumal die Partisanen planmäßig die landwirtschaftlichen Produkte und Versorgungsquellen weiter Gebiete dem deutschen Zugriff und der Versorgung der Zivilbevölkerung entziehen. Wenn auch die Versorgungslage der einheimischen Bevölkerung durch den erhöhten Gemüseanbau in gewisser Weise etwas gehoben werden könnte, so darf doch nicht verkannt werden, daß der weitaus grösste Teil des geernteten Gemüses den deutschen Einheiten und Dienststellen zur Verfügung gestellt werden muss. Auch diese an sich positive Erscheinung vermag daher nichts an der insgesamt als sehr ernst zu bezeichnenden Ernährungslage zu ändern. Darüber hinaus wird durch den Partisanenterror die Werbung von russischen Arbeitskräften für das Reich, schließlich überhaupt der gesamte Arbeitseinsatz im Raume des rückwärtigen Heeresgebietes gefährdet. Selbst in den von den Partisanen noch nicht beherrschten, sondern in den von ihnen nur berührten Gebieten veranlasst die Angst vor den Partisanen die Zivilbevölkerung zur grössten Zurückhaltung gegenüber allen deutschen Forderungen. Verstärkt wird diese Zurückhaltung noch durch die inzwischen bekannt gewordenen, von den Partisanen laufend durchgeführten Erschiessungen von Bürgermeistern, OD-Angehörigen (Ordnungsdienst) oder anderen Personen, die sich der deutschen Verwaltung zur Mitarbeit zur Verfügung gestellt hatten. Den Meldungen zufolge darf in diesem Zusammenhang die durch die Partisanen und die verängstigte Bevölkerung in immer grösserem Umfange betriebene Flüsterpropaganda und Gerüchtemacherei nicht unterschätzt werden. Sie ist geeignet, die Stimmung der Bevölkerung im gesamten Raum des rückwärtigen Heeresgebietes noch mehr zu gefährden und auch da Unruhe hervorzurufen, wo bisher der Partisanenterror noch nicht in Erscheinung getreten ist. Die deutsche Propaganda stehe hier einer ausserordentlich schwierigen Aufgabe gegenüber, da es ihr infolge der Gefährdung der Verkehrswege usw. nur selten möglich sei, diesen Gerüchten in geeigneter Form entgegenzuwirken. Die Gesamtsituation im Bereich der Heeresgruppe Mitte habe sich in den letzten Wochen infolge des ständigen Anschwellens des Partisanenterrors in ungewöhnlicher Weise verschärft. Zur Zeit könne die Haltung der Bevölkerung gegenüber dem Reich grundsätzlich noch als positiv bezeichnet werden; sollte jedoch eine wirksame Bekämpfung der Partisanen nicht durchführbar sein, müsse eine Änderung dieser Haltung in der Bevölkerung in den Bereich des Möglichen gezogen werden. Es stehe fest, daß die Stimmung der Bevölkerung von Monat zu Monat,

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nicht zuletzt auf Grund der von deutscher Seite durchgeführten ungenügenden Bekämpfung des Partisanenterrors, schlechter geworden sei. Es ist daher nach Ansicht aller deutschen Dienststellen unerlässlich notwendig, auch im Interesse des Nachschubs für die kämpfende Truppe, durch geeignete Sofortmaßnahmen eine wirksame Bekämpfung des Partisanenterrors in die Wege zu leiten. Die Versorgungslage im Bereich der Heeresgruppe Mitte: Die bereits in der Folge Nr. 8 der „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ aufgezeigte Entwicklung der immer schwieriger sich gestaltenden Versorgungslage im Bereich der Heeresgruppe Mitte wächst sich den vorliegenden Meldungen zufolge allmählich zu einer akuten Gefahr aus. Die Gründe dafür sind nach wie vor: Verbrauch der Lebensmittelvorräte, Transportschwierigkeiten, Zurückhaltung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen durch die Landbevölkerung, ein unkontrollierbarer Schleich- und Tauschhandel und vor allem die Partisanentätigkeit. Eine Bestandsaufnahme der noch vorhandenen Vorräte an Lebensmitteln ergibt den fast völligen Verbrauch der Vorräte, ohne daß, zumindest bis zur Einbringung der neuen Ernte, an eine Auffüllung der Bestände gedacht werden kann. Wie gemeldet wird, kommt erschwerend hinzu, daß die noch vorhandenen Vorräte von den russischen Verwaltungsstellen nicht gerecht verteilt werden. Diese Stellen würden bestimmten Volksschichten, insbesondere Angehörigen und Bekannten, höhere Lebensmittelrationen zukommen lassen. So wird aus verschiedenen Orten gleichlautend berichtet, daß die Mitglieder der Gemeindeverwaltung oder des Ordnungsdienstes mit Lebensmitteln ausreichend versorgt sind, während die übrige Bevölkerung notleidet. Der mehr und mehr um sich greifende Schleich- und Tauschhandel entzieht immer grössere Mengen einer geordneten Verteilung. Der Bauer nimmt Bargeld nicht oder nur ungern in Zahlung, weil er für Rubel Gebrauchsgegenstände und Genussmittel kaum erhalten kann. Soweit ein Tauschpartner nicht über Ware verfügt, sondern nur Geld anbieten kann, muss er Wucherpreise zahlen, gegen die bisher alle behördlichen Maßnahmen, insbesondere Preisfestsetzungen, zum Scheitern verurteilt waren. […] Allgemeine Lage und Stimmung auf der Halbinsel Krim: Die allgemeine Lage auf der Halbinsel Krim wurde bis Anfang Juli stärkstens durch die Kriegsereignisse auf der Halbinsel bestimmt. Im gesamten Raum löste der Fall der Festung Sewastopol1 Freude und Genugtuung aus, die ihren Ausdruck in Dankesbezeugungen der Bevölkerung, in erster Linie der Tataren, fanden. So spendete beispielsweise die Bevölkerung in Aluschta und im Rayon Albat spontan Obst und Vieh für die deutschen Truppen (die Bevölkerung des Ortes Aluschta spendete allein 400 Ztr. Kirschen). Den Meldungen zufolge wurden in verschiedenen Orten auch Feierstunden und Dankgottesdienste abgehalten. Wie sehr gerade die Tataren durch die Bezwingung Sewastopols beeindruckt waren, geht u. a. daraus hervor, daß in Aluschta eine Tatarenabordnung um die Erlaubnis nachsuchte, den 1. Juli als ständigen Feiertag zur Erinnerung an die endgültige Befreiung der Krim vom bolschewistischen Joch einführen zu dürfen. Auch die eingeleiteten Maßnahmen zur endgültigen Beseitigung der Partisanengefahr wurden von der Bevölkerung dankbar begrüsst. Neben der Beschäftigung mit den militärischen Ereignissen steht stimmungsmäßig die Sorge der Bevölkerung um die künftige Ernährung im Vordergrund. Die erforderlich gewordenen Maßnahmen zur Beschlagnahme von Rindvieh (die Gesamtzahl wird auf 12 000 Stück geschätzt) haben der Bevölkerung gezeigt, daß die Ernährungslage keineswegs als gesichert gelten kann, zumal nach den letzten Erfahrungen den Getreidebeschaffungskolonnen die Möglichkeit, zusätzliche Kontingente aus der Nordkrim nach dem Westen und

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Süden einzuführen, immer mehr beschnitten wird. Die arbeitende Bevölkerung lehnt daher in zunehmendem Maße eine Bezahlung in Rubel ab und erstrebt Entlohnung in Naturalien. Unter diesen Umständen haben die Tausch- und Schleichhandelsgeschäfte eine weitere Verstärkung erfahren. Die Stimmung der Bevölkerung im Raum von Kertsch ist durch das Verhalten der rumänischen Besatzungstruppen wesentlich beeinträchtigt, da die rumänischen Truppen vielfach für geringwertige Gebrauchsgegenstände unverhältnismäßig hohe Zahlung in Lebensmitteln leisten, was bei der Bevölkerung den Eindruck erweckt, daß bei den Besatzungstruppen Lebensmittel wie Mehl, Weizen usw. im Überfluss vorhanden sein müssen. In diesem Raum wirkt sich weiterhin das hemmungslose Verhalten der rumänischen Truppenteile beeinträchtigend aus, die auch hier zu Diebstahl, Plünderung, Raub und Vergewaltigung von Frauen und Mädchen übergegangen sind, an denen sich auch teilweise Offiziere beteiligten. Die Werbung von Arbeitskräften für das Reich stösst nach wie vor auf zunehmende Bereitwilligkeit. Es ist sogar ein gewisser Stimmungsaufschwung zu verzeichnen, der wesentlich auf immer häufiger eingehende Briefe von den im Reich eingesetzten russischen und tatarischen Arbeitskräften zurückzuführen ist, da die Briefschreiber durchweg begeistert von den Verhältnissen im Reich berichten. Teilweise ist hierdurch die Zahl der Meldungen stärker geworden als bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage auf der Krim gebilligt werden könnte. […] Nachtrag: Berichtigung zu den Standorten u. Nachrichtenverbindungen Der Standort des Chefs der Einsatzgruppe D ist nun Taganrog (Simferopol ist daher zu streichen). 2 BAB, R 58/698 1 Sewastopol wurde am 1. 7. 1942 von der 11. Armee eingenommen. Damit befand sich erstmals die gesamte Krim unter deutscher Herrschaft. 2 Dieser Standortwechsel reflektiert den Vormarsch der EG D Richtung Rostow u. Kaukasus.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 7. 8. 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 15 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandenunwesen, Überfälle durch Banditen und Bandenterror: Litauen: Die in den grossen Waldgebieten des nördlichen Teiles des Kreises Kedahnen und in den sich anschliessenden Gebieten der Kreise Ponewesch und Schaulen gemeldeten Banden in Stärke bis zu 100 Mann beunruhigten bis in die letzte Zeit durch Terrorakte die Bevölkerung und verübten ständige Überfälle auf kleinere Gruppen von Polizeikräften und Zivilpersonen. Den Hauptteil dieser Banden stellten sowjetruss. flüchtige Kriegsgefangene, die zusammen mit Juden, die sich der Unterbringung im Ghetto entzogen hatten, räubernd in dem fraglichen Gebiet umherzogen. Die Feststellung und Bekämpfung dieser Banden wurden dadurch erschwert, daß die schwachen, in dem gefährdeten Gebiet stationierten Polizeikräfte nicht mit der Unterstützung der einheimischen Bevölkerung rechnen konnten.1 Einsätze von Wehrmachts- und Polizeikräften blieben zunächst erfolglos, da die Bevölke-

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rung die verbrecherischen Elemente von den Aktionen der Polizeikräfte in Kenntnis setzte. Lettland: In Lettland nimmt das Banditenunwesen noch immer zu. Vorwiegend in kleineren Gruppen üben sie in den Kreisen Rositten, Ludsen und Dünaburg Terrorakte zur Sicherstellung ihrer eigenen Versorgung aus. Am 16. 7. 42 wurde im Kreis Abrene ein Personenzug von etwa 30–40 Banditen beschossen. Weitere Banditengruppen in Stärke von 15 Mann traten zwischen den Stationen Kuprawa und Ciguri auf. Am 24. 7. wurde ein Militärtransportzug an der Misa-Brücke – 15 km von Mitau entfernt –, der in Richtung Riga fuhr, mit MG beschossen und am 29. 7. 42 an der ehemaligen russischen Grenze bei Indra, Krs. Dünaburg, ein Transportzug in die Luft gesprengt. Nach den bisherigen Feststellungen sollen 68 Minen unter den Gleisen eingegraben gewesen sein. Ukraine: Ausser zahlreichen Anschlägen auf Eisenbahnzüge, die teilweise durch rechtzeitiges Auffinden der an den Gleisen angebrachten Sprengladungen verhindert werden konnten, in anderen Fällen aber zur Entgleisung von Zügen und zur Beschädigung von Lokomotiven und Waggons führten, läßt ein Überblick über die zahlreichen Einzelmeldungen erkennen, daß die Banden und Banditengruppen auf eine Erschwerung des wirtschaftlichen Wiederaufbaues und eine Zerstörung der hierfür notwendigen Einrichtungen zielen. […] Bekämpfung bewaffneter Banden und erfolgreiche Säuberungsaktionen: Litauen: Zur wirksamen Bekämpfung der Banditen wurde im Brennpunkt des gefährdeten Gebietes, dem Orte Baisogala, ein Kommando eingesetzt, dessen Aufgabe zunächst darin bestand, die Verbindung der Banditen mit der einheimischen Bevölkerung zu unterbrechen und sie von ihren Versorgungsquellen abzuschneiden. Die Beunruhigung der Banditen durch grössere Streifen und die ständige Überwachung der Bevölkerung zeitigte schon in kürzester Zeit Erfolge. Kleinere Banditengruppen konnten eingekreist, gestellt und aufgerieben werden. Bei der Durchkämmung zahlreicher Ortschaften wurde gleichzeitig eine grössere Anzahl von Ortsansässigen erfaßt, die den Banditen Unterstützung gewährt hatten. Die Wirksamkeit dieses Vorgehens ergibt sich auch aus den Tagebuchaufzeichnungen eines erschossenen Fallschirmspringers, der keinen Rückhalt mehr bei der einheimischen Bevölkerung fand und schliesslich gestellt werden konnte. Weissruthenien: Ausser zahlreichen Gefechtsberührungen mit Banditen und Bandengruppen bei der Abwehr von Überfällen wurden in einzelnen Bereichen verschiedene grössere Unternehmungen vorbereitet und durchgeführt, die mit der Vernichtung einer Anzahl Bandenmitglieder endeten. Nach umfangreichen und planmäßigen Erkundungen durch die Sipo und den SD wurde im Gebiet zwischen dem nördlichen Düna-Ufer und der Strasse Witebsk–Gorodok eine in 4 Gruppen operierende Wehrmachtseinheit unter dem Befehl des Generalmajors Poel mit Beteiligung von Unterführern der Sipo und OD-Männern angesetzt. Bei der Durchkämmung der im genannten Gebiet befindlichen Ortschaften kam es in einigen Fällen zu Gefechtsberührung mit Banden, bei denen insgesamt 318 Banditen sowie bandenverdächtige Personen festgenommen und erschossen wurden. Die von den Banditen angelegten Feldbefestigungen und Bunker wurden in allen Fällen gesprengt. Da die Feststellungen ergaben, daß in einer Reihe von Häusern Munition versteckt war und die Bewohner Kundschafterdienste geleistet hatten, wurden als Vergeltungsmaßnahme die Ortschaften niedergebrannt. An eigenen Verlusten waren 4 Tote (darunter ein Oberleutnant), 2 Schwer- und 2 Leichtverletzte zu beklagen. Einem weiteren Unternehmen lag die Aufgabe zu Grunde, die im Raum Bobruisk–Mogilew durch

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Sipo u. SD erkundeten Banden anzugreifen und zu vernichten. Die eingesetzten Kräfte betrugen rd. 1500 Mann einschl. des Kundschaftertrupps der Sipo. Zunächst wurde das Dorf Slobodka mit starkem Waffeneinsatz umstellt und angegriffen. Nach lebhaftem Schusswechsel wurde der Ort genommen und, soweit die Bandenangehörigen nicht vernichtet waren, mit den Dorfbewohnern in der Mitte des Dorfes zusammengetrieben [sic]. Nach eingehender Überprüfung wurden weitere 64 Männer als Bandenangehörige festgestellt sowie 26 Frauen, die mit den Banditen in Verbindung gestanden hatten. Wegen des bewaffneten Widerstandes der Einwohner wurde das Dorf als Vergeltungsmaßnahme in Brand gesetzt. Während des Brandes zeigten andauernde leichte und schwere Explosionen das Vorhandensein von Munition in den Häusern an. Das 5 km südwestlich gelegene Dorf Kosulitschi wurde anschliessend umstellt und genommen. Das Gesamtergebnis des Unternehmens bestand darin, daß zahlreiche Gewehre, ein lMG und Munition erbeutet, 46 Banditen im Kampf und 252 Personen wegen Beteiligung erschossen wurden. In Smolensk und Umgebung, insbes. in Krasny Bor, gelang es durch mühevolle SD-mäßige Erkundung unter Verwendung besonders ausgesuchter Angehöriger des russischen OD eine Bandenanwerbestelle in Smolensk beim Flughafen Nord, 1 Bandengruppe unter Führung eines politischen Kommissars in Smolensk und eine stärkere Bandengruppe unter Leitung eines Obersten in ihrem Arbeitsbereich Krasny Bor und Umgebung auszuheben. Der erfolgreiche Ansatz ging von der Festnahme eines Mädchens aus, das als Nachrichtenübermittlerin im Dienste der Banditen stand und das festgelegte Kennwort der Bandenorganisation preisgab. Das Kennwort gestattete dann, erkundungsmäßig in die Organisation einzudringen. Die Gruppe in Krasny Bor, die nach den vorgefundenen Aufzeichnungen 80 Personen umfaßt, hatte die Aufgabe, Feststellungen über die dort liegenden Wehrmachtsstäbe zu treffen und gegen diese Anschläge zu unternehmen. Ferner sollte sie Anwerbungen von Banditen durchführen und bewaffnete Aufstände organisieren. Im Kommandeurbereich Kiew wurde die begonnene Säuberungsaktion gegen einzelne erkundete Bandengruppen fortgesetzt. Als Vergeltungsmaßnahmen für Überfälle mussten nach durchgeführten Feststellungen Gehöfte, Ortsteile und einige Ortschaften wegen Unterstützung der Bandentätigkeit niedergebrannt werden. Während des Brandes explodierte in den Häusern die dort eingelagerte Munition. Insgesamt wurden mehrere Hundert Personen aus sicherheitspolizeilichen Gründen festgenommen. Darunter befanden sich eine Anzahl alter KP-Mitglieder und frühere Komsomolzen, die sich noch in letzter Zeit illegal und gegen deutsche Interessen betätigt hatten. Eingeliefert wurden ferner die Ukrainer Mirowski und Sakoschanski als Angehörige einer Bande, die sich in Stärke von etwa 30 Mann in Uman gebildet hatte; 11 weitere Angehörige der Bande stehen namentlich fest. Schon vor einigen Wochen hatten sie versucht, die Flugplatzwache in Uman zu überfallen und sich in den Besitz von Waffen zu bringen. Zu diesem Zweck sollte auch ein Angriff auf die Beutesammelstelle in Uman stattfinden. Zerstörung der Grosstankstelle in Uman und von Flugzeugen auf dem dortigen Flugplatz waren ihre weiteren Ziele. Im Kommandeurbereich Shitomir wurden nach Überfällen einer 300 Mann starken Bande auf den Gendarmerieposten Remesy im Gebiet Jelsk, bei dem 3 Gendarmeriebeamten getötet und 6 weitere verwundet wurden, Gegenmaßnahmen eingeleitet. Die Durchkämmung der Ortschaften Remesy, Sabolotje, Pawlowka, St. Wysokoje, Now. Wysokoje, Beljaki, Nikolajewka, Gnoye, Werchy, Sawodnyi-Ostrow, Ch. Poduwlj und Ch. Kraglyj zeigte, daß es sich bei diesen Gebieten um eine ausgesprochene Bandengegend handelte. Als Sofortmaßnahme wurden alle belasteten Personen der Sonderbehandlung zugeführt. Bei Niederbrennen der Gehöfte wurden zahlreiche Explosionen beobachtet. Anfang Juli wur-

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de im Gebiet Emiltschino von Gendarmerie und einem litauischen Batl. eine 200 Mann starke Bande bekämpft. 30 Banditen wurden erschossen, 50 festgenommen und mehrere MG’s erbeutet. Trotz der Unschädlichmachung des Banditenführers Schmuski nahmen die Überfälle und Plünderungen in Jarpowizi ihren Fortgang. Am 2. 7. 42 eingesetzten Schutzmännern gelang es, einen erneuten Überfall abzuwehren und eine Anzahl Banditen zu erschiessen. Im Kommandeurbereich Dnjepropetrowsk wurden am 23. 7. 9 Personen einer Terrorgruppe unter Führung eines Politruks und ehem. sowjetruss. Leutnants festgenommen, welche die Eisenbahnbrücke Uhsell sprengen wollten. 7 davon waren bei der Eisenbahn beschäftigt. Am 25. 7. 42 konnte der Leiter und Organisator der gesamten illegalen KP-Organisation des Gen.Bez. Dnjepropetrowsk in Pawlograd festgenommen werden. Es handelt sich bei ihm um den sowjetruss. Obersten Staschkow, der im August v. J. von Stalin persönlich die Anweisung erhalten hatte, als Organisator der illegalen KP-Organisation des Gebietes Dnjepropetrowsk zurückzubleiben. Im Bereich Charkow wurden die Säuberungsaktionen weiter durchgeführt und einige Hundert Personen der Sonderbehandlung zugeführt. Eine in der Stadt Korotscha durchgeführte Aktion gegen Kommunisten, Banditen und Juden führte zu keinem grösseren Ergebnis, da fast alle vorhandenen Juden und Kommunisten evakuiert waren. Es konnte festgestellt werden, daß sich in den südlich von Korotscha gelegenen Wäldern und Obstplantagen grössere Gruppen versprengter sowjetruss. Truppenteile aufhalten, denen sich einheimische Banditen angeschlossen haben. Zur Bekämpfung dieser Banden wird eine Sicherungsdivision angesetzt werden. Beim Vormarsch in Woronesh konnte im Gebäude des Gebietskomitees wichtiges aktuelles politisches Material erfaßt werden, welches der Auswertung zugeführt wird. […] B. Lebensgebiete […] Wirtschaftliche Lage im Generalbezirk Estland: […] Versorgung: Nach wie vor wird über die niedrigen Normen, die der Bevölkerung zur Ernährung zustehen, geklagt. Insbesondere herrscht unter der estnischen Bevölkerung nach wie vor große Unzufriedenheit über die unterschiedlichen Verpflegungssätze für Esten und Deutsche. So erhält z. B. ein Este 350 gr. Fleisch pro Woche, während ein Deutscher 800 gr. erhält. Bei der Butter ist das Verhältnis 1:3. Die Versorgungslage hat sich aber insofern gebessert, als die Bevölkerung das bekommen hat, was ihr rationsmäßig zusteht. Eine wesentliche Erleichterung hat die Ernährungslage durch die Fischzuteilung erfahren. Wenn auch die Fischnormen sehr niedrig sind, so bedeutet die Fischzuteilung doch eine starke Entlastung für die angespannte Ernährungslage. Die Bevölkerung ist allerdings der Meinung, daß die Fischzuteilung größer sein könnte, zumal immer wieder gute Fänge gemeldet werden. Besonders die Landbevölkerung beklagt sich, daß sie nicht genügend Strömlinge habe kaufen können, um sich gewohnterweise einen Wintervorrat einzusalzen. Durch Transportschwierigkeiten und Organisationsfehler sollen größere Fischmengen verdorben sein. Dadurch, daß Reval, Narwa und das Brennschiefergebiet bis zur neuen Ernte mit Brotgetreide von Riga aus versorgt werden, wird angenommen, daß die im Generalbezirk Estland vorhandenen Bestände und die Mengen, die bei der laufenden Sammelaktion von Brotgetreide zusammengekommen sind, bis zur neuen Ernte ausreichen. Aus allen Bezirken wird eine ständige Abnahme der Warenbestände gemeldet, die

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sich in der Hauptsache bei den Gebrauchsgütern ungünstig auszuwirken droht. Man befürchtet weitere Geschäftsschließungen, wenn in nächster Zeit nicht Leder-, Textil- und Eisenwaren angeliefert werden. Hartnäckig hält sich, besonders unter der Revaler Bevölkerung, das Gerücht, daß Erzeugnisse der estnischen Textilwarenindustrie zum größten Teil ins Reich ausgeführt werden. Die diesbezüglichen Bemerkungen sind recht scharf und gehässig. Die Bevölkerung macht sich wegen der Brennholzversorgung für den kommenden Herbst und Winter Sorgen. Sie kritisiere dabei die Bestimmungen, daß Brennholz während des Sommers nicht angeliefert werden darf. Die Mitteilung des Generalkommissars, wonach die in Reval eingesetzte RAD-Abteilung für die Holzbeschaffung herangezogen wird, hat sich stimmungsmäßig nicht wie erwartet ausgewirkt. Die Bemühungen des estnischen Wirtschaftsdirektoriums um die Versorgung der Zivilbevölkerung bis zur neuen Ernte habe der Landbevölkerung so ziemlich die letzten Reserven entzogen. Die Bauern lieferten gegen Fische, Tabakwaren und teilweise auch Schnaps die letzten Getreidereserven ab. Diese offizielle Tauschhandelsmethode dürfte sich trotz des augenblicklichen Notstandes auf die Dauer dahingehend auswirken, daß die Bauern zukünftig Abgaben nur gegen Gegenleistungen vornehmen. Da die Städter vielfach auf die Dörfer gehen, sich die Produkte selbst abholen und mehr als die Festpreise zahlen, bringe die Landbevölkerung nur noch in geringem Umfange ihre Produkte auf den Markt. Während im öffentlichen Handel wenig und dies nur auf Bezugscheine bzw. auf Einkaufsbücher zu haben sei, blühe der Schleichhandel nach wie vor. […] Arbeits- und Sozialwesen: Die Lage auf dem Arbeitsmarkt zeigt wenig Veränderung. Nach wie vor besteht ein Mangel an Arbeitskräften aller Art, vor allem an Facharbeitern und geeigneten Hilfskräften. Die Erfassung in Form von aufliegenden Hauslisten soll den Arbeitsämtern die noch nicht registrierten arbeitslosen Personen zugängig machen. Durch das Fehlen von genügenden Fachkräften gewinne die Frage der Ausbildung des Nachwuchses besondere Bedeutung. Gute Arbeit leiste auf diesem Gebiet die nach deutschem Vorbild aufgezogene estnische Eisenbahnwerkschule. Kurse für Lokomotivführer und Fahrdienstleiter würden die Lage auf diesem Gebiet wesentlich verbessern. Als hauptsächlichste Begründung vieler Arbeitsverweigerungen und unentschuldigten Fernbleibens von der Arbeitsstelle sowie der schlechten Arbeitsdisziplin überhaupt wird die angeblich ungenügende Ernährungslage angeführt. Im allgemeinen kann jedoch festgestellt werden, daß in der Ernährung der Arbeiterschaft eine leichte Besserung eingetreten ist, da die Beschaffung der Lebensmittel vom Lande infolge der günstigeren Verkehrslage und größeren Versorgungsmöglichkeit wesentlich erleichtert sei. Die in einigen Betrieben durchgeführte Verteilung zusätzlicher Lebensmittel hat unter der Arbeiterschaft anderer Betriebe, die diese Begünstigung nicht erhalten, Unzufriedenheit und die Forderung nach gleichen Vergünstigungen ausgelöst. Da die bisher angewandte Maßnahme der Verwarnung in Fällen des unentschuldigten Fernbleibens von der Arbeit nicht immer zum Ziele führte, ist die Errichtung von Arbeitserziehungslagern im Gange, wodurch eine weitgehende Besserung auf diesem Gebiet erwartet wird. In Narwa, wo eine besonders schlechte Arbeitsdisziplin herrscht, werden nunmehr nach einer Vereinbarung zwischen dem Arbeitsamt und der Sicherheitspolizei die Verwarnungen seit einiger Zeit auch ins Arbeitsbuch eingetragen. Meist konnte eine Verwarnung unter Strafandrohung zur Wiederaufnahme der Arbeit führen. In Krähnholm z. B. fehlten von früher 151 der Arbeit ferngebliebenen Gefolgschaftsangehörigen letzthin lediglich noch 4. Wochenendarrest wurde nur in wenigen Fällen verhängt. Die in Arbeiterkreisen seit längerer Zeit

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bestehende Mißstimmung über angeblich unkorrektes Vorgehen der Arbeitsämter hält an. So bezeichnet man u. a. das Arbeitsamt nur als Werbebüro für Deutschland. Komme ein Arbeitnehmer auf das Arbeitsamt, werde ihm immer zuerst Arbeit in Deutschland angeboten. Bei dem herrschenden Mangel an Arbeitskräften erscheint es den meisten Arbeitern unverständlich, daß man weiterhin versucht, Arbeitskräfte nach dem Reich zu schicken. Auch der Entzug junger Arbeitskräfte zum RAD wird dabei einer scharfen Kritik unterzogen. Alle diese Maßnahmen hätten nur den Zweck, das Land von estnischen Kräften zwecks Eindeutschung zu entblößen und andererseits Deutsche ins Land zu bringen, wie dies durch die bereits eingetroffenen Abteilungen des RAD geschehen sei. Diese durch Flüsterpropaganda verbreiteten Parolen rufen unter der Arbeiterschaft einen starken Unwillen gegen die Arbeitsaufnahme im Reich hervor. Obwohl die neue Lohngestaltung Altersstufen vorsieht, rief diese unter der Arbeiterschaft Unruhe hervor, da auf Art und Schwere der Arbeit kein Wert gelegt würde. Die entstandene Senkung der Löhne von jüngeren Arbeitern und Frauen wird widersprechend aufgenommen. Die vom Generalkommissar neu erlassenen Richtlinien zur Entlohnung der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft sollen gegenüber den früheren Verhältnissen ungenügende Löhne bringen. Auf Ösel sollen die grossen Fischfänge der letzten Zeit deshalb nicht verarbeitet werden können, da niemand für einen Stundenlohn von 0,25 bis 0,30 RM arbeiten wolle. Dazu komme, daß Arbeiter ihren Arbeitsplatz verließen und zum Zollschutz überwechselten, da sie dort verhältnismäßig viel Geld auf leichte Art verdienen könnten (RM 4,50 pro Tag und freie Verpflegung). Auf dem Gebiet der sozialen Fürsorge wird die Umorganisation der estnischen Volksgemeinschaftshilfe besonders in Beamten- und Kaufmannskreisen begrüßt. Man erhofft eine bessere Betreuung aller Notleidenden, da bisher viel Geld für Verwaltungszwecke verbraucht worden sei. Das Vertrauen des Volkes zur EVGH, das in der letzten Zeit stark gesunken war, gewinne damit wieder an Umfang. Die nunmehr fast abgeschlossene Aktion der Kinderlandverschickung soll sich nach anfänglich recht starkem Widerstand sowohl seitens der Elternschaft als auch der Landwirte gut durchgesetzt haben. Nach den eingelaufenen Berichten sollen die Kinder mit ihrem Landeinsatz zufrieden sein. C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR Auf Grund übereinstimmender Meldungen über die Lage in der Sowjetunion kann angenommen werden, daß sich die Stimmung in der sowjetischen Bevölkerung, insbesondere durch die Kriegslage bedingt, weiter verschlechtert. In weiten Kreisen mache sich immer mehr Mutlosigkeit bemerkbar. Auch die breite Masse der unteren Funktionäre der kommunistischen Partei werde davon angesteckt. Ebenso wirke sich die ungeheure Belastung, die die sowjetischen Behörden der Bevölkerung auf allen Gebieten zumute, stimmungsverschlechternd aus. Darüber hinaus sei festzustellen, daß die Sowjetunion zweifellos im Augenblick in jeder Beziehung grosse Belastungen auszuhalten habe. Die Geschlossenheit und Rücksichtslosigkeit des sowjetischen Behörden- und Führungsapparates aber habe bisher noch immer den Ausgleich herbeiführen können und werde zweifellos auch in Zukunft einen noch schwereren Druck ertragen können. Hinzu komme eine starke Gleichgültigkeit und Duldungsfähigkeit der sowjetischen Massen, die in einer völligen Bedürfnislosigkeit erzogen in der Lage seien, nach europäischen Begriffen kaum erträgliche Opfer zu bringen. Eine Besserung der Versorgungslage sei trotz der beginnenden Ernte in der Sowjetunion nicht eingetreten. Während in Landgegenden auf Grund gewisser Reserven und der Ernte ernährungsmäßig kaum Schwierigkeiten bestünden, verschärfe sich die Versorgungslage in den Industriegebieten und Städten. In den grossen Indus-

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triezentren werde teilweise sogar die bevorzugte Belieferung der Fabrikarbeiter abgebaut. Selbst in Kuibyschew seien die Versorgungsverhältnisse so schwierig, daß sogar die diplomatischen Kreise gezwungen seien, Lebensmittel aus dem Ausland zu beziehen. 2 BAB, R 58/698 1 Den Mangel eigener Kräfte im Kampf gegen die Partisanen hatte auch Himmler kurz zuvor betont, indem er in einer Vortragsnotiz für Hitler am 27. 7. 1942 notierte: „Unmöglichkeit d. Bandenbekämpfung, wenn keine Verbände herauskommen.“ Als Ergebnis der Besprechung sagte dann auch Hitler zu, verstärkt SS- u. Polizeiverbände für die „Partisanenbekämpfung“ zur Verfügung zu stellen; vgl. Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1941/42, S. 501. 2 Die sowjetische Regierung u. das diplomatische Korps waren dorthin im Spätherbst 1941, als die Wehrmacht Moskau bedrohte, ausgelagert worden.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 14. VIII. 42 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 16 […] A. Gegner und Exekutivfragen Tätigkeit der Sicherheitspolizei und des SD im Heeresgebiet Mitte: I. Allgemeine Sicherheitslage: Die Sicherheitslage ist allein bestimmt durch die noch ständig wachsende Tätigkeit der Banden. Wie aus den Berichten der Sonder- und Einsatzkommandos hervorgeht, lag deren Haupttätigkeit wieder auf dem Gebiet der Erkundung und Bekämpfung der Banden. Es musste immer wieder festgestellt werden, daß die Banden sich mehr und mehr an Hauptverkehrsstraßen, Eisenbahnen und Standorte heranschieben. Gebiete, die noch in den letzten Wochen ohne besondere Sicherungsmaßnahmen betreten werden konnten, stehen heute unter der Herrschaft, zumindest aber unter dem Einfluss der Banditen. Die Angriffe der Banditen und Franktireure auf Rollbahnen und Eisenbahnstrecken mehren sich täglich. Ein wirksamer Schutz der wichtigsten Rollbahn- und Eisenbahnstrecken konnte bislang bei der Weiträumigkeit des Landes und der Länge der Strecken nicht durchgeführt werden. Teilweise mussten sogar Hauptverkehrsstraßen wie Witebsk–Orscha mehrere Tage für jeden Verkehr gesperrt werden, während [unleserlich] doch wenigstens der [unleserlich] in Kolonnen oder Geleitzügen durchgeführt werden konnte. Aber nicht nur durch Sprengungen und durch Verminen von Rollbahnen und Eisenbahnen und durch Überfälle auf Einzelfahrzeuge und kleinere Kolonnen greifen die Banden mit der Waffe gegen die deutschen Besatzungstruppen und Dienststellen ein; sie gefährden vielmehr durch ihr Vorgehen gegen die Landbevölkerung auch die Versorgung der Wehrmacht und der Bevölkerung mit Lebensmitteln. Im deutschen Interesse eingesetzte Landeseinwohner können sich teilweise in den Gebieten, in denen sie bislang tätig waren, nicht mehr aufhalten, sondern müssen sich in weniger gefährdete Gebiete begeben. Die Zahl der Ermordungen von Personen, die von deutschen Dienststellen mit der Durchführung bestimmter Aufgaben beauftragt sind, wächst ständig. Dazu kommt, daß die Banditen die Landeseinwohner mit Mißhandlung und mit dem Tode bedrohen, wenn sie weiter Lebensmittel usw. an deutsche Dienststellen abführen. Aus verschiedenen Meldungen geht hervor, daß die Banden der Landbevölkerung gegenüber zum Ausdruck gebracht haben, sie würden ausser dem Teil der Landeserzeugnisse, den sie für ihren eigenen Be-

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darf benötigten, alles vernichten, auch ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der russischen Bevölkerung. Die Einwohner sehen daher mit Sorge der Erntezeit entgegen und hoffen auf den Beistand durch die deutschen Dienststellen. Gegenüber den auf die Tätigkeit der Banden zurückzuführenden Verhältnissen treten alle anderen Umstände, die die Sicherheitslage beeinflussen können, weit zurück. Insbesondere gibt der Stand der Kriminalität zu keinen Besorgnissen Anlaß. Welche Schwierigkeiten einer wirksamen Bekämpfung der Banden und damit der für einen nutzbringenden wirtschaftlichen Aufbau des Gebietes erforderlichen Befriedung entgegenstehen, ist in früheren Meldungen wiederholt dargelegt worden. Zu bemerken ist, daß die Schwierigkeiten bei der Bekämpfung der Banditen und Straßenräuber nicht zuletzt dadurch zugenommen haben, daß die Banden sehr beweglich sind. Dazu kommt, daß sie auf Grund ihres guten Nachrichtendienstes, der sich in gewissen Gebieten der immer mehr den Banden zuneigenden Stimmung der Bevölkerung bedient, in der Lage sind, den gegen sie angesetzten Unternehmen auszuweichen. Wenn auch Organisation und Stärke der Bandengruppen sowie die von ihnen besetzten Orte zum grössten Teil durch Erkundung festgestellt worden sind, so fehlt es im allgemeinen z. Zt. noch an den für erfolgreiche Unternehmen notwendigen Truppen. II. Lage der bolschewistischen Banden-, Franktireur- und Straßenräubertätigkeit und ihre Bekämpfung: Welches Ausmaß die Tätigkeit der Banden angenommen hat, geht aus der nachfolgenden Aufstellung, die jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat, hervor: Es wurden innerhalb eines Zeitraumes von 2 Wochen Straßen vermint in 17 Fällen, Eisenbahnstrecken vermint in 92 Fällen, Eisenbahnstrecken durch Sprengung, Lockerung der Schienen usw. unterbrochen in 45 Fällen, Straßenbrücken gesprengt oder verbrannt in 11 Fällen, Eisenbahnbrücken gesprengt in 9 Fällen. Die Verminung und Sprengung der Straßen- und Eisenbahnstrecken führte dazu, daß in mehr als der Hälfte der Fälle Fahrzeuge vernichtet wurden und Eisenbahnzüge entgleisten, wobei es Verluste an Toten und Verwundeten gab. Insgesamt sind bei Überfällen und Anschlägen getötet worden: 66 deutsche Soldaten (einschl. Wehrmachtsgefolge), 42 OD-Männer, 11 Bürgermeister, 19 Angehörige von OD-Männern, 42 Landeseinwohner, und verwundet: 44 deutsche Soldaten, 18 OD-Männer, 9 Landeseinwohner. Die Anschläge gegen die Bahnstrecke Minsk– Orscha sind so häufig, daß sie im einzelnen nicht mehr aufzuführen sind. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht einer oder mehrere Anschläge gemeldet werden. Das ständige Anwachsen der Anschläge hat dazu geführt, daß der Eisenbahnbetrieb nachts eingestellt werden musste. Man hat ferner versucht, die Bahnstrecke durch die einheimische Bevölkerung sichern zu lassen, die zusätzlich zu den militärischen Bewachern an der Bahnstrecke eingesetzt wurde. Diese Maßnahme hatte jedoch keinen Erfolg. Die Russen waren nicht bewaffnet. Sie mußten teilweise dem Vorgehen der Banden tatenlos zusehen. Die durch die Anschläge hervorgerufenen Schäden sind meistens verhältnismäßig geringfügiger Art, so daß der Bahnbetrieb in der Regel nach kurzen Unterbrechungen wieder aufgenommen werden kann. Die Erkundung der Banden und Bandengruppen wurde nachhaltig fortgesetzt. Die Ergebnisse der Erkundungstätigkeit wurden unmittelbar den zuständigen Einheiten der Wehrmacht übermittelt. Neben der Bandenerkundung waren Teile der Sonder- und Einsatzkommandos auch bei der Bekämpfung der Banden teils selbständig, teils bei Einheiten der Wehrmacht eingesetzt. Seit einiger Zeit befinden sich stärkere Polizeikräfte des Höheren SS- und Polizeiführers Russland-Mitte zusammen mit stärkeren Einheiten der Wehrmacht zur Bandenbekämpfung in dem Raume nördlich der Straße Mogilew–Bobruisk. In dem berüchtigten Bandengebiet um Klitschew haben sich bereits heftige Kämp-

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fe abgespielt, in deren Verlauf von beiden Seiten auch Panzerspähwagen und Pak eingesetzt wurden. Auf deutscher Seite sind bereits 9 Gefallene und zahlreiche Verwundete zu verzeichnen. Ausser der Beteiligung an grösseren Unternehmen haben die Sonder- und Einsatzkommandos wiederum eine Anzahl von Personen, die der Verbindung mit Banditen und Franktireuren oder sonstiger Hilfeleistungen überführt werden konnten, sonderbehandelt. Innerhalb eines Zeitraumes von 2 Wochen beträgt die Zahl 1936 Personen.1 Sowjetische Agententätigkeit: Der sowjetische Nachrichtendienst verwendet neuerdings vorwiegend Zivilpersonen mit verwandtschaftlichen Bindungen zu Zwecken der Erkundung auf deutscher Seite. Bevorzugt werden jüngere Frauen zum Ansatz gebracht, die ihre Kinder beim Rückzug der roten Truppen in deutschem Gebiet gelassen haben. So wurden vom NKWD Kuibyschew und Lyssogorka in kurzer Zeit 10 Agenten, darunter 7 Frauen, durchgeschleust. Die vom NKWD erteilten Erkundungsaufträge erstreckten sich auch auf Einheiten und Dienststellen der Sicherheitspolizei und des SD. Einem 22-jährigen Studenten war der Auftrag gegeben worden, mit einem „Gestapo-Offizier“ Verbindung aufzunehmen und sich zu Spionagediensten anzubieten, um die deutsche Agentenschulung genau zu erkunden. Nach ihren Angaben hatte eine 39-jährige Buchhalterin die Aufgabe, die Unterkunft des SD in Nogaisk festzustellen und Personen zu ermitteln, die Kommunisten und Komsomol-Mitglieder dem SD anzeigen. Zur Durchschleusung der Agenten durch die Kampflinie werden von den Sowjetrussen vorwiegend Gefechtsräume verbündeter Truppen, insbesondere der slowakischen Divisionen, ausgewählt, da den Sowjets deren Vertrauensseligkeit gegenüber der Zivilbevölkerung bekannt ist. Die Slowaken, die viel Überläufer haben, die, wie aus Sowjetgefangenenaussagen hervorgeht, sofort ein Bekenntnis zum Bolschewismus ablegen, sollen teilweise der Banditen- und Agententätigkeit Vorschub leisten. Die zunächst vertraulich bekannt gewordenen Meldungen über die Zusammenstellung neuer sowjetischer Luftlandetruppen scheinen sich zu bestätigen. Mehrere dieser Luftlandegruppen konnten bereits bei Tscherikow und in der Gegend von Wjasma– Dorogobusch beobachtet und dingfest gemacht werden. Diese Gruppen setzen sich ausschliesslich aus russischen Mädchen zusammen. Sie wurden in das rückwärtige Gebiet gebracht mit dem Auftrage, weder mit Banden noch mit der einheimischen Bevölkerung in Verbindung zu treten. Sie sollten sich vielmehr als harmlose Passanten bei den Deutschen ausgeben und dort Stärke, Stand und Verwendung deutscher Einheiten nach Moskau funken, da die Banden nicht mehr in der Lage seien, die Ermittlungen durchzuführen. Die Mädchen waren daher mit vollständigen Sende- und Empfangsgeräten, ferner mit Kompaß und Barmitteln in Reichskreditkassenscheinen und Rubeln ausgestattet. Sie hatten sich nach ihren Angaben für die Tätigkeit als Agentinnen nicht freiwillig gemeldet. Sie waren vielmehr in ihrer Heimatstadt vom Stadtkomitee der Komsomolzen einberufen und zur Ausbildung als Agentinnen nach Moskau gebracht worden. Illegale KP in der Ukraine: Von dem Bestehen illegaler kommunistischer Organisationen in der Ukraine machten sich im Januar 1942 die ersten Anzeichen bemerkbar. Bis zu dieser Zeit verhielten sich die ehemaligen Angehörigen der Partei passiv. Die durch den Krieg hervorgerufene Verwirrung der Verhältnisse und die in der ersten Zeit durchgeführte Säuberungsarbeit der Sicherheitspolizei innerhalb der kommunistischen Kreise ließen kaum Ansatzmöglichkeiten für eine illegale Betätigung zu. Hierzu kam noch die deprimierende Wirkung des schnellen deutschen Vormarsches. Erst bei Beginn des Winters, auf den die Sowjetregierung grosse Hoffnungen gesetzt hatte, hielt die illegale KP den Zeitpunkt für gekommen, durch Aktivierung ihrer Arbeit gegen die deutschen Besatzungs-

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truppen zur Niederlage Deutschlands beitragen zu können. Diese Beobachtung wurde nicht nur in Kiew, sondern auch in anderen Gegenden der Ukraine gemacht. Bei der Aufrollung der illegalen Organisation in Kiew wurde festgestellt, daß bereits vor Ausbruch des deutsch-russischen Krieges von der Partei Vorbereitungen getroffen waren, um bei einer Besetzung von Gebieten der Sowjetunion durch deutsche Truppen die Partei illegal wieder aufzubauen. Nach längeren Ermittlungen ist es dem Kdr. dSPudSD in Kiew gelungen, die illegale Partei sowie den illegalen Komsomol-Verband zu zerschlagen. An der Spitze der Organisation stand der I. Sekretär; ihm waren die Leiter der Stadtabteilungen sowie der Leiter der illegalen Eisenbahntransportabteilung unterstellt, ebenfalls der illegale Komsomol-Verband. Der Stadtbezirk Kiew war in 9 Rayons eingeteilt. Am 7. 6. 1942 ist es gelungen, den I. Sekretär, Iwkin, bei einem Treff festzunehmen. Die Organisation hat bei ihrer Arbeit die Erfahrungen angewandt, die die K.-Partei in den Ländern gesammelt haben, in denen sie sich in der Illegalität befanden. Mit welcher Vorsicht in Kiew gearbeitet wurde, geht daraus hervor, daß Iwkin bei dem Treff, den er am 7. 6. 42 hatte, durch 2 Angehörige der Organisation abgedeckt wurde, von denen einer als Strassenfeger getarnt war. Besonderer Wert wurde von der Organisation auf die Sabotierung des deutschen Transportwesens gelegt. Sie hatte erkannt, welche Schwierigkeiten den deutschen Truppen durch Sabotage zugefügt werden können, wenn der Nachschub gestört wird. In dem Bahnbetriebswerk Kasatin wurde infolge der kommunistischen Propaganda das Arbeitstempo verlangsamt; die in Reparatur befindlichen Lokomotiven wurden dem Betriebsdienst dadurch längere Zeit als vorgesehen entzogen. In Reparatur gewesene Lokomotiven wurden nach kurzer Inbetriebnahme wieder schadhaft, weil in die Achslager Sand und Schmirgel gestreut war. Neben der reinen Organisations- und Sabotagetätigkeit wurden von den Mitgliedern der illegalen KP beunruhigende Gerüchte über die Kriegslage verbreitet. Daneben wurde systematisch Propaganda gegen den Arbeitseinsatz ukrainischer Arbeiter im Reichsgebiet betrieben. Auf diese Weise sollte die Bevölkerung gegen die Maßnahmen der deutschen Behörden aufgeputscht werden. Durch das rechtzeitige scharfe Eingreifen und die Zerschlagung des illegalen Kreises konnte verhindert werden, daß es zur Bildung einer grösseren Organisation gekommen ist. Von der Einsatzgruppe C wurde Ende Juni ds. Js. ebenfalls eine illegale kommunistische Gruppe in Gr.Beloserka zerschlagen. Mit dem Aufbau wurde Anfang April 1942 begonnen. Die Mitglieder der Organisation hatten den Auftrag, Telefonverbindungen zu zerschneiden, die Feldgendarmerie zu überfallen und zu entwaffnen. Mit den erbeuteten Waffen sollte dann die ukrainische Hilfspolizei in Beloserka vernichtet werden. Falls die vorgesehenen Aktionen gegen die Polizei in dieser Form nicht durchführbar waren, sollte ein Einbruch in die Apotheke in Beloserka durchgeführt werden, um sich Gift zu verschaffen und damit die Angehörigen der Feldgendarmerie zu vergiften. Der Einbruch in die Apotheke wurde auch am 7. 6. 42 von einem weiblichen Mitglied der Organisation ausgeführt. Dabei wurden sämtliche vorhandenen Gifte gestohlen. Durch das rechtzeitige Aufrollen der Gruppe ist es zur Ausführung der geplanten Anschläge nicht mehr gekommen. In diesem Zusammenhang wurden 139 kommunistische Funktionäre erschossen. […] Einsatzgruppe D der Sicherheitspolizei und des SD: Die den Verbänden des Heeres angeschlossenen Sonder- und Einsatzkommandos der Einsatzgruppe D sind seit Beginn der Angriffsunternehmungen im Südabschnitt der Ostfront zur sofortigen Durchführung der sicherheitspolizeilichen Aufgaben mit der Truppe zum Vormarsch angetreten. Die sicherheitspolizeiliche Arbeit in den neugewonnenen Räumen hat daher in vollem Umfange

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eingesetzt. Die Zahl der in Rostow2 zurückgebliebenen Einwohner beträgt schätzungsweise noch 2–300000. Nahezu restlos wurde die grosse Zahl der Armenier, vor allem Männer zwischen 17 und 50 Jahren, von den Sowjetrussen evakuiert. Ebenso wurden die Volksdeutschen im gegenwärtigen Einsatzgebiet in das sowjetrussische Hinterland verbracht. Bei der verbliebenen Bevölkerung ist die Wirkung der sowjetischen Propaganda noch spürbar, die Furcht vor der Rückkehr der Sowjets schwindet indessen zunehmend. Nach Abzug der deutschen Truppen im November 1941 wurde die Verwaltung Rostows in die Hände des NKWD gelegt. Zur Durchführung einer grossen Säuberungsaktion wurde die Judenschaft Rostows mobilisiert und teilweise in den NKWD eingereiht. Einwohner, die engere Fühlung mit den Deutschen hatten, wurden erschossen. Die Zahl der Erschossenen beträgt etwa 800. Während des Winters und in der Folgezeit wurde nahezu die gesamte Bevölkerung zu Zwangsarbeiten an den Befestigungsanlagen um und in der Stadt herangezogen. Der Aufstandsversuch in einem Vorort wurde blutig unterdrückt. Ausserdem haben Erfrierungen, Erschöpfung und Bestrafungen viele Todesopfer gefordert. Bis November 1941 soll die Zahl der Juden in Rostow noch 50 000 betragen haben. Sie hatten sämtliche kaufmännischen Berufe inne. Ein hoher Prozentsatz bestand in der Ärzteschaft, unter den Apothekern und in den juristischen Berufen. Mehr als die Hälfte der Richter Rostows waren Juden. Durch das in Rostow eingesetzte Sonderkommando wurde am 1. 8. 42 ein jüdischer Ältestenrat konstituiert und bisher 2000 Juden festgestellt. Die weiteren erforderlichen Maßnahmen sind in Angriff genommen worden.3 Die für Rostow bestehende Seuchengefahr ist durch Eingreifen des Sonderkommandos wirksam bekämpft. Es wurden bereits 350 Ärzte registriert und zur Aufnahme ihrer Tätigkeit in enger Zusammenarbeit mit der Wehrmacht veranlaßt. B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung im Bereich der Heeresgruppe Mitte: Im Bereich der Heeresgruppe Mitte ist die äußerst schlechte Ernährungslage der für die Stimmung maßgebende Faktor. In weiten Kreisen, besonders aber unter der arbeitenden Jugend heißt es, daß die Hoffnung auf eine Besserung der allgemeinen Lebenslage unter deutscher Herrschaft enttäuscht worden sei. Viele Familien haben bereits alle ihre geringen Habseligkeiten restlos gegen Lebensmittel eingetauscht. Als Folge der katastrophalen Ernährungslage konnte in verschiedenen Gegenden ein Anwachsen dafür typischer Krankheiten wie Hungersgeschwülste, Krätze und Ausschlag festgestellt werden. Diese Grundstimmung wird auch dadurch nicht geändert, daß teilweise den militärischen Ereignissen ein erhöhtes Interesse entgegengebracht wird. In Orel drückte die rege russische Fliegertätigkeit erheblich auf die Stimmung. Eine Beruhigung trat erst ein, als die deutsche Fliegertätigkeit lebhafter wurde und die russischen Angriffe an Heftigkeit nachließen. Im rückwärtigen Heeresgebiet hörten die russischen Luftangriffe, die vor Beginn der deutschen Offensive regelmäßig stattfanden, fast völlig auf. Die deutschen Erfolge wurden dadurch wirksam unterstrichen und hatten ein erhebliches Abflauen der in der Bevölkerung kursierenden Gerüchte zur Folge. Die Angaben im deutschen Wehrmachtsbericht fanden größtenteils Glauben. Eine Rückkehr der Roten wird kaum mehr befürchtet. Eine Ausnahme bilden allerdings die stark bandenverseuchten Gebiete, z. B. der Bereich von Mogilew. Hier läßt die Bandentätigkeit eine wirkliche Befriedung des Gebietes nicht zu und zwingt die russische Bevölkerung vielfach zur Zurückhaltung den Deutschen gegenüber. Mangels entscheidender Gegenaktionen leidet das Vertrauen der Bevölkerung in die Schlagkraft der deutschen Wehrmacht und läßt, Berichten zufolge, die Hoffnung auf den endgültigen Sieg über den Bolschewismus nicht berechtigt erscheinen. Die Bevölkerung stellt hier die mög-

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liche Rückkehr der roten Machthaber mit in Rechnung und verschließt sich der bedingungslosen Zusammenarbeit mit den Deutschen. Einen weiteren stimmungsbildenden Faktor bildet die ständig wachsende Bedrohung von Straßen, Eisenbahnen und Standorten. Bereits die Vermutung, daß die täglich durch Orel in Richtung auf Shistra (Bandenzentrum) marschierenden Truppeneinheiten und die rege Fliegertätigkeit in der gleichen Richtung nunmehr ernstlich für eine planmäßige Vernichtung der im Brjansker Bezirk stehenden Bandeneinheiten vorgesehen sein könnte, löste große Freude aus. […] Wirtschaft: Die neue Agrarordnung, insbesondere in ihrer Bedeutung für den Einsatz der Landbevölkerung im Bereich der Heeresgruppe Mitte: Aus den hier vorliegenden Meldungen über die Frühjahrsbestellung im Bereich der Heeresgruppe Mitte geht hervor, daß der im Vergleich zur ehemaligen sowjetischen Kollektivwirtschaft stärkere Einsatz der Bauern bei der Feldbestellung wohl wesentlich durch die neue Agrarordnung bedingt ist. Da der weitere Einsatz der Landbevölkerung von der Durchführung der neuen Agrarordnung weitgehend abhängig sein wird, soll ein Überblick über die gegenwärtige Lage gegeben werden, um die künftigen Maßnahmen den gemachten Erfahrungen entsprechend ausrichten zu können. Die Tatsache, daß schon vor der Verkündung der Agrarordnung durch die deutschen Dienststellen die Landzuteilung und eine neue Landreform durch Aufrufe, Wort und Schrift angekündigt waren, ließ das Landvolk diese Entwicklung beobachten. Die Propagandaführung war auf die kommenden Maßnahmen abgestellt. Die Landbestellung war unter Einschaltung aller aufbauwilligen Kräfte im Herbst durchgeführt. Mit der Verkündung der Agrarordnung wurde die Grundlage einer weiteren Befriedung des Landes geschaffen und dem Landvolk der Weg gewiesen, den es in Zukunft zu gehen hat. Die erlassenen Durchführungsbestimmungen, verbunden mit einer aktiven Aufklärungsarbeit und Propagandatätigkeit, gaben dem Bauern die Gewißheit, daß die Agrarordnung ihm die Rückgabe des Eigenbesitzes unter gewissen Voraussetzungen zugesteht. Die Aufnahme war daher durchschlagend und gut. Der landeseigene Agrarapparat, der wieder aufgebaut war, übernahm neben den deutschen Landwirtschaftsführungsstellen einen Teil der technischen Durchführung des Gesetzes. Die Landvermessung und Landverteilung begann. Die erste Aktion der Neuordnung war die Vergrößerung der Hofparzellen. Die Bedenken und Schwierigkeiten, die sich mit der Verkündung der Agrarordnung einstellten, sind in verständiger Zusammenarbeit aller beteiligten Stellen soweit als möglich ausgeräumt worden. Die zurückhaltende wechselnde Stimmung ist durch das wiedergewonnene Vertrauen zu den deutschen Bemühungen um das Landvolk aufgelockert und eine günstigere Atmosphäre geschaffen worden. Sie fand ihren Ausdruck in der Mitarbeit und nicht zuletzt in der planmäßigen Fortführung der Bestellungsarbeiten. Der begriffliche Unterschied zwischen der Kolchoswirtschaft und der Gemeinwirtschaft ist dem Bauern allerdings noch nicht vollends klar geworden, da ihn jede Form, die dem Kolchossystem ähnelt, mißtrauisch macht (Smolensk, Roslawl, Witebsk, Gomel usw.). Die anhaltende Aufklärung durch Presse, Wort und Bild zerstreut zwar die Bedenken, trotzdem sieht der Bauer die Übergangsform als hemmend für die Rückgabe seines Grund und Bodens an (Mogilew, Smolensk, Klinzy). Der Hoffnung, daß er zum Herbst sein Land erhält und daß darüber hinaus die deutschen Behörden ihre weiteren Versprechungen an Landzuteilung verwirklichen, ist für ihn maßgebender Anlaß für seinen Einsatz bei der Feldbestellung (Orel, Sytschewka, Wjasma, Smolensk). Während der Bauer die Gemeinwirtschaft nicht als die erwünschte Landreform ansieht, so ist er doch der Landbaugenossenschaft gegenüber zuversichtlicher. In ihr sieht er einen gerechten Ausgleich und den

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Ausdruck einer endgültigen Landbesitzzuteilung. Der Gedanke der Gemeinschaftsarbeit unter dieser Voraussetzung wird bejaht. Wenn auch alle Diskussionen hierüber durch die Feldarbeit stark in den Hintergrund getreten sind, so wird doch von der Landbevölkerung die Entwicklung genauestens beobachtet. Die Frage, die die Haltung des Landvolkes zur Agrarordnung gegenwärtig bestimmt, ist „Was wird im kommenden Herbst?“ Die Landverteilung war durch die Durchführungsbestimmungen zur Agrarordnung grundsätzlich umrissen und festgelegt. Die verschiedenartige Güte des Bodens, die Eigenart der Gebiete, ferner das zur Verfügung stehende Material ließen bei Beginn der Verteilung die Meinungen über die Verteilungsquote auseinandergehen. Darüber hinaus stand deutscher- sowie russischerseits noch die Frage der Handhabung der Durchführungsbestimmungen offen. Ferner spielten technische Schwierigkeiten, wie die Landvermessung, eine erhebliche Rolle. Zudem mußte das Land für die Evakuierten und für die in der Roten Armee dienenden Bauern bis zu ihrer Rückkehr in die Heimat zurückbehalten werden. Unter Berücksichtigung aller dieser Schwierigkeiten kam es zwangsläufig zu einer unterschiedlichen Handhabung der Verteilung. Jedoch mußte gehandelt werden, wenn nicht die Frühjahrsbestellung gefährdet werden sollte. Allgemein wurde nach den gegebenen Anweisungen gearbeitet. In Zusammenarbeit zwischen den Landwirtschaftsführern und russischen Agronomen wurde der Weg gefunden und beschritten, der gebietlich gesehen für richtig gehalten wurde. So meldet Brjansk eine Zuteilung von 1–3 ha als Hofland. Orel teilte jedem arbeitenden Familienangehörigen je nach Güte des Bodens und durch Verlosung 1–2 ha zu. Smolensk meldet eine individuelle Verteilung nach den Vorschriften. Mogilew nahm als Norm die Zahl von 4 arbeitenden Familienangehörigen eines Bauernhofes an und setzte eine Zuteilungsquote von 6,7 ha fest. Lepel teilte 3–13 ha zu, während Sytschewka Nutzflächen von 1/2 bis zu 5 ha zur Verfügung stellte. In allen Gebieten wurde Land in Reserve gehalten, um etwaige spätere Ansprüche befriedigen zu können. Dagegen wurden Familien, deren Angehörige zu den Banden übergegangen sind, nicht berücksichtigt. Zwar sind Einzelfälle bekannt geworden, wo tatsächlich eine Zuteilung durchgeführt wurde, doch erfolgte dann Abstellung (Smolensk). Dagegen sind für aktive Bandenbekämpfung Landzuteilungen erfolgt (Orel). Die Vermessung war aufgrund der Wetter- und Wegeverhältnisse teilweise verhältnismäßig spät möglich. Die sich aus der überstürzten Durchführung ergebenden Unzulänglichkeiten müssen später durch Korrekturen bereinigt werden. Eine Landangleichung und Zusammenfassung je nach Lage der Nutzflächen wird angestrebt. Zudem wird eine Flurbereinigung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten notwendig werden. Die Stadtbevölkerung war anfangs gleichfalls stark durch die Agrarordnung beeindruckt. Der Ablauf der weiteren Entwicklung ist für sie nur insofern von Interesse, als sie sich eine Verbesserung der überaus schlechten Ernährungslage verspricht. Sie erwartet ein gutes Ernteergebnis. Allgemein ist der Städter und Arbeiter nur indirekt interessiert. Die Kreise der Intelligenz hingegen haben sich sofort wirtschaftlich sowie rechtlich mit der neuen Agrarordnung befaßt. Mit der Einsicht, daß ein derartiges Verwaltungswerk nicht übereilt durchgeführt werden kann, hat sich eine klare und nüchterne Haltung in diesen Kreisen gezeigt. Es wird von der Durchführung der Anordnungen abhängen, so wird betont, ob die zerrüttete Landwirtschaft wiederhergestellt wird und auf die Dauer bestehen kann. Eine weitgehendere und großzügige Planung wurde in diesen sowie in russischen Fachkreisen als absolut durchführbar und möglich gehalten. Schon mit dem Einmarsch der Truppen in den jetzigen Bereich der Heeresgruppe Mitte, der fast ausschließlich landwirtschaftlichen Charakter trägt, begann die deutsche Pro-

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paganda, deren Ziel vor allem die Wiederaufnahme der Arbeit in der Landwirtschaft war. Die Herbstbestellung mußte gesichert und die Vorbereitungsarbeit für die weitere Bestellung eingeleitet werden. Darüber hinaus wurde die Auflösung der Kolchoswirtschaft und die Landzuteilung als entscheidende Maßnahme angekündigt, wobei die Propaganda weit über die geplanten Maßnahmen hinaus ging. Der Bauer begegnete diesen Versprechungen sehr mißtrauisch, da er aufgrund seiner in früherer Zeit gemachten Erfahrungen alles mit einer gewissen Zurückhaltung aufnahm und die deutschen Ankündigungen als Propagandatrick wertete (Mogilew, Orel). Seine Auffassung schien berechtigt, da nur zögernd und in beschränktem Maße das Versprochene eingehalten wurde. Die weitere Tatsache, daß die Propagandaführung nicht die Eigenart des russischen Bauern bei der Beurteilung der Lage in Rechnung setzte, brachte bald eine verworrene und undurchsichtige Atmosphäre. Die Verkündung der Agrarordnung gegen Ende Februar d. J. ließ das Landvolk wieder aufhorchen. Endlich, so war zu hören, ist ein Gesetz geschaffen, das in seinen Grundlinien den Weg der künftigen Entwicklung weist. Dankadressen und Telegramme an den Führer und die mitverantwortlichen Stellen bekräftigten den Willen zur Mitarbeit des Landvolkes (Smolensk, Witebsk, Mogilew, Orel usw.). Der Propaganda fiel nunmehr die Aufgabe zu, durch eine geschickte Führung eine Aufklärungsarbeit einzuleiten und durchzuführen, deren Erfolg auch den kommenden Aufbau der Landwirtschaft sichern mußte. Versammlungen wurden aufgezogen, in denen Bürgermeistern und Rayonleitern vorerst der Sinn und das Ziel der Agrarordnung vor Augen geführt wurde. Die Presse vermittelte das Rahmengesetz, allerdings nur in beschränktem Umfange, da die Auflageziffer bei weitem nicht ausreichte. Erst mit dem Erlaß der Durchführungsbestimmungen begann die eigentliche Kleinarbeit. Mitte April, nachdem auch eine Erfassung der ländlichen Gebiete möglich war, setzte, unterstützt durch die Propagandakompanien, eine aktivere Propaganda ein. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die russischen Agronomen und Bürgermeister dem Landvolk Sinn und Zweck der Agrarordnung vermittelt. Durch Aufhängen von Plakaten und Auslegung von Broschüren in den Gemeinden wurde die Grundlage für das Verständnis der Verordnung geschaffen (Orel, Smolensk usw.). Trotz allem fand die Agrarordnung nicht die Würdigung, die man sich versprochen hatte, da die Zeit vom Einmarsch der deutschen Truppen bis zur Verkündung des Gesetzes und der Durchführungsbestimmungen nicht genügend ausgenutzt wurde. Die Tatsache, daß Banden weite Gebiete beherrschen bzw. beeinflussen, schränkt die deutsche Propaganda in ihrer Wirkungsmöglichkeit erheblich ein (Mogilew, Smolensk, Klinzy, Gomel, Bobruisk, Sytschewka, Witebsk, Polozk, Newel, Lepel usw.). Die gegnerische Propaganda übte scharfe Kritik an dem Gesetz, versprach aber trotzdem das Gleiche. Der Begriff „Heimat und Boden“ wurde stärker als zuvor herausgestellt und nach Rückkehr der Bolschewisten die Auflösung der Kolchoswirtschaft und die Einführung des Privateigentums zugesichert. Durch Flugblatt und Bild wurde versucht, der Landbevölkerung die Undurchführbarkeit der gegebenen deutschen Versprechungen klarzumachen und darüber hinaus die baldige Rückkehr der Bolschewisten bombastisch verkündet (Smolensk, Witebsk, Mogilew usw.). Die Unsicherheit auf dem flachen Lande nahm zu und die Möglichkeit einer Gegenpropaganda war, bedingt durch den Winter und schlechte Wegeverhältnisse und die Bandengefahr, nicht gegeben. Die Verlegung der deutschen Truppen in die Winter- und Abwehrstellung verstärkte das Gefühl einer baldigen Rückkehr der Roten Armee und die Wiederinbesitznahme weiter russischer Gebiete durch die Sowjets. BAB, R 58/698

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1 Der Bericht bezieht sich auf das Großunternehmen „Adler“, bei dem u. a. von zwei Sicherungsdivisionen der Wehrmacht, dem Polizeiregiment 2 sowie dem Sonderkommando Dirlewanger zwischen Mitte Juli u. Anfang August mehr als 1300 Personen, meist Zivilisten, erschossen u. eine große Menge an Vieh geraubt wurden; vgl. Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 899. 2 Rostow am Don, eine Großstadt mit etwa 500 000 Einwohnern, war am 21. 11. 1941 erstmals von der Wehrmacht besetzt, jedoch schon am 29. 11. von der Roten Armee zurückerobert worden. Daraufhin verließen die meisten der 27 000 Juden, die kurz vor dem Weltkrieg dort gelebt hatten, die Stadt. Am 27. 7. 1942 nahmen die Deutschen Rostow während ihrer Sommeroffensive erneut ein. 3 Am 11., 12. u. 13. 8. 1942 ermordeten Angehörige des SK 10a etwa 2000 zurückgebliebene Juden, meist Frauen, Kinder und Alte, in der Schlangenschlucht außerhalb der Stadt. Weder eine entsprechende Erwähnung noch Angaben dazu finden sich in den MbO; vgl. Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 561–565.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 20. VIII.1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 17 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandenunwesen1: In allen Teilen der besetzten Ostgebiete stehen die Raubüberfälle weiterhin an der Tagesordnung. Überwiegend werden diese Überfälle von Straßenräubern ausgeführt, denen es, ohne eine politische Zielsetzung, nur darauf ankommt, auf Kosten der übrigen Bevölkerung ihr Dasein zu fristen. Vielfach versuchen Einzelgänger zunächst bettelnd oder stehlend in den Besitz von Nahrungsmitteln zu gelangen. Haben sie sich aber zu Gruppen zusammengefunden und sich Waffen verschafft, drohen sie Gewalt an und schießen rücksichtslos über den Haufen, wer ihnen nicht willfährig ist oder gar Widerstand leistet. Aus Litauen werden Überfälle gemeldet, denen die Dörfer Steponischkiai, Jaschiuna und Piliaikaimiai zum Opfer fielen. In der Nacht zum 11. 8. 42 erschienen dort stärkere bewaffnete Banden, die nach gewaltsamer Aneignung von Lebensmitteln und Kleidungsstücken weiterzogen. In Weissruthenien und in der Ukraine häuft sich die Zahl derartiger Raubüberfälle besonders. Im Kommandeurbereich Rowno traten fünf etwa 30 Mann starke Banden auf, die ihr Unwesen trieben. U. a. geriet ein Gebietskommissar, der auf Dienstreisen von einer Polizeistreife begleitet war, mit einer 30 Mann starken Bande in ein Feuergefecht, wobei 4 Banditen getötet und 6 verletzt wurden. Weiter wurden das Anwesen eines Bürgermeisters und eines Bauern abgebrannt sowie ein ukrainischer Schutzmann bei einer Hochzeitsfeier erschossen. In Wolhynien zeigen die Beobachtungen über die Tätigkeit der Banditen eine Bewegung in nordöstlicher Richtung an. Die Anzahl der Überfälle in den westlichen Gebieten Brest-Litowsk, Luboml und Kowel hat dem entsprechend etwas nachgelassen, während in Kamen-Kaschirsk und Pinsk nunmehr stärkere Banden als bisher auftauchen. Nach einem schweren Gefecht im Kreisgebiet Kowel spaltete sich die etwa 200 Mann starke Bandengruppe Popow und zog teils nach Nordosten in Richtung Pinsk–Pripjet-Sümpfe ab. Eine Teilgruppe von 20 Mann mit Popow selbst zog sich in die Wälder nördlich Kopiniki zurück. Meldungen zufolge halten sich im Kreise Luboml neben dieser Bande von Popow noch kleinere Banden auf. Aus dem Bereich Rowno werden weitere 12 grössere Raubüberfälle gemeldet, die vorwiegend der eigenen Versorgung der Banditen mit Lebensmitteln dienten. Bei Zusammenstößen

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Nr. 17: Schlagbaum im Partisanengebiet des Bezirks Bialystok, auf dem Schild: „Achtung Kraftfahrer/Weiterfahren im Geleitzug“

mit Gendarmerie und OD-Angehörigen wurden eine Anzahl Banditen erschossen und eine grössere Anzahl von alten KP-Aktivisten und Bandenhelfern, die teilweise bewaffnet waren, festgenommen. Im Gebiet Kamen-Kaschirsk hat die Tätigkeit der Banden etwas nachgelassen. Dagegen hat sich die Zahl der Raubüberfälle im Bereich Shitomir in wenigen Tagen um 46 vermehrt, wobei u. a. deutsche Gendarmerie- und Polizeibeamte, slowakische Soldaten, ukrainische Schutzmänner und Waldheger, ukrainische Bürgermeister und Gemeindeschreiber getötet wurden. Eine gesteigerte Straßenräubertätigkeit macht sich besonders im Gebiet nördlich Owrutsch bemerkbar. Auf den dortigen Schlachthof wurde von 15 Räubern ein Überfall ausgeführt, und eine etwa 200 Mann starke Bande trat am 3. 8. 42 in Meidern auf, raubte Vieh und entführte 2 Personen. Im Bereich Tschernigow kam es am 3. 8. 1942 bei Tschepalowka zu einem Feuergefecht zwischen Gendarmerie und einer Räuberbande, in dessen Verlauf 16 Banditen erschossen und zahlreiche Waffen erbeutet wurden. Die Vernichtung der restlichen 30–40 Räuber, die in einem Sumpfgebiet umstellt sind, ist in Angriff genommen. Im gleichen Gebiet konnten weitere 34 Banditen, ein Fallschirmspringer und 5 Angehörige eines Vernichtungsbataillons festgenommen werden. Im Rayon Kulikowka drangen etwa 150 Straßenräuber in das Dorf Perechodowka ein und sammelten drei Stunden lang bei der Bevölkerung Lebensmittel ein, während etwa weitere 150 Räuber, die mit Maschinengewehren und automatischen Waffen ausgerüstet waren, das Dorf umstellt hatten. In Gelmjasow wurde eine Gruppe von 17 Frauen festgenommen, deren Männer sich aktiv bei einer Räuberbande betätigten. Alle diese Frauen trugen als Kennzeichen eine bestimmte Art von kleinen Messingohr-

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ringen. Alle Räuber dieses Gebietes konnten sich bei den auf diese Art gekennzeichneten Frauen melden und erhielten Lebensmittel und Auskünfte. Im Raum um Witebsk wurde eine Anzahl von Ortschaften täglich von Banden aufgesucht, aus denen diese u. a. 60 Schafe abtrieben. In anderen Ortschaften des dortigen Bereichs hält sich ständig eine grössere Zahl von Banditen auf, deren Stab sich in der 15 km westlich Surash gelegenen Ortschaft Rybaui befindet. Die Bandentätigkeit in den weiter östlich gelegenen Gebieten hat sich insbesondere nordwestlich von Wjasma wesentlich verschärft. Besonders in der Umgebung von Wladimirskoje sind starke Bandengruppen in Erscheinung getreten, die die Cholmer Straße besetzt halten und Überfälle auf die umliegenden Dörfer ausführen. Im Verlauf einer Woche wurden insgesamt 102 Überfälle ausgeführt. Der Hauptteil der Bandenangehörigen besteht hier aus versprengten roten Truppen, die in kleineren Gruppen unter Führung von Offizieren und Juden plündernd durch die Gegend ziehen, teilweise bei der eingeschüchterten Bevölkerung übernachten oder versuchen, sich zur russischen Front durchzuschlagen. Einzeln und in kleineren Gruppen ziehen auch zahlreiche entwichene Kriegsgefangene bettelnd durch die Gegend und finden bei den Banden Aufnahme. Allein in Kasatin wurden z. B. 300 ortsfremde Personen festgenommen, die sich bei der Nachprüfung zum grössten Teil als ehem. Rotarmisten herausstellten, welche durch kein Gefangenenlager gegangen waren und keine Entlassungsscheine besassen. Im Gebiet Krasnopolje zogen 10 sowjetische Kriegsgefangene, die im Dorf geheiratet und sich ansässig gemacht hatten, später mit Banditen ab, die einen La-Stützpunkt2 besetzt hatten. Beim Abzug wurden 30 Banditen gezählt. Fallschirmspringer, Saboteure usw.: Nach den bisher vorliegenden Meldungen aus den besetzten Ostgebieten sind wiederum Landungen von Fallschirmspringern festgestellt worden. Es wurden 11 festgenommen (hierunter ein 16-jähriger) und 1 bei Widerstand erschossen. Eine Gruppe war in der Spionageschule von Nowo-Tscherkask ausgebildet worden. Sabotageakte sind wiederum im gesamten Ostgebiet vorgenommen worden. Diese richteten sich vornehmlich gegen Eisenbahnen. Vorherrschend ist die Verwendung von Minen. So wurde bei Indra, Krs. Dünaburg, ein Transportzug in die Luft gesprengt. In Dnjepropetrowsk wurden am 23. 7. 42 9 Personen einer Gruppe unter Führung eines Politruks und ehem. russischen Leutnants festgenommen, welche die Eisenbahnbrücke bei Uhsell sprengen wollten. 7 Personen waren bei der Eisenbahn selbst beschäftigt. Auf die Bahnstrecke Pinsk–Janow wurde am 15. 7. 1942 ein Anschlag verübt. Ein Militärleerzug, der die zur Sprengung vorbereitete Stelle überfuhr, wurde durch die Explosion in der zweiten Hälfte aus dem Geleise geworfen und zum Teil schwer beschädigt. Das Gleis wurde auf einer Strecke von etwa 50 m aufgerissen. Es wurde festgestellt, daß im Abstand von ca. 20 m 2 Bomben in das Gleis eingebaut waren. Es handelte sich um eine etwa 100 Mann starke Bande, welche die Bahnwärter, die unbewaffnet waren, zwangen, sich mit dem Gesicht nach unten auf den Bahndamm zu legen, während sie den Anschlag vorbereiteten. Beim Herannahen des Zuges flüchteten die Banditen in den Wald. Ein Anschlag auf die Eisenbahnstrecke bei Kamenez-Podolsk konnte rechtzeitig verhindert werden. Zwischen 2 Schienen war eine Eisenbahnplatte eingetrieben. Das Hindernis wurde rechtzeitig durch eine Draisine bemerkt. Als Täter wurde ein 11-jähriger Ukrainer ermittelt, der von seinem Vater angestiftet worden war. Im Bezirk Shitomir haben unbekannte Täter auf der Bahnstrecke Remesk–Machnowitsche eine Eisenbahnschiene losgeschraubt und entfernt. Der Streckenläufer wurde mit einem Kopfschuss tot aufgefunden. An der Eisenbahnlinie Retschitza–Gomel explodierte eine Mine beim Anbringen noch in den Händen des Banditen. Die Strecke wurde nicht beschädigt. Im Kommandeurbereich

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Dnjepropetrowsk ist von einer Streckensicherung an der Eisenbahnstrecke bei Werchnedneprowsk eine Sprengladung mit Sprengkapseln und Taschenlampenbatterie russischen Ursprungs entfernt worden. Schaden ist nicht entstanden. Am 8. 8. 1942 wurde auf der Eisenbahnstrecke Wilna–Dünaburg von einer Wehrmachtsstreife Sprengmaterial aufgefunden. Die Sprengvorrichtung bestand aus einem 55 cm langen eisernen Rohr, das an der Innenseite eines Gleises so angebracht war, daß es durch die Räder eines vorüberfahrenden Zuges zur Explosion gebracht werden konnte. Ermittlungen sind eingeleitet. Im Kommandeurbereich Charkow wurden in Solizewska eine Jüdin und 1 Russe festgenommen, weil sie Gift mit sich führten, um vermutlich Brunnen zu vergiften. In der Sula wurde eine Flaschenpost gefunden, welche die Aufforderung enthielt, Ausweise von Eisenbahnern und ukrainischen Schutzmännern zu besorgen, sich entsprechend zu kleiden und die Sula-Brücke zu sprengen. Ferner wurden Zerstörungen von Fernsprechanlagen und -leitungen gemeldet. U. a. wurden Verteilerschränke zerstört, Fernsprechleitungen durchschnitten, Telefonmasten umgelegt und durch Entwendung eines Bleikabels von etwa 15 m Länge (Täter: 3 ukrainische Schutzmänner) der Fernsprechverkehr gestört. Die Verluste und Schäden durch Sabotagehandlungen und Terrorakte der bewaffneten Banden während der Monate April bis Juli 1942 im weissruthenischen Raum zeigt folgende Aufstellung: 1. Menschenverluste: a) Deutsche: 323 Tote, 242 Verwundete, 3 Vermißte, b) Einheimische: 179 Tote, 98 Verwundete. 2. Überfälle auf Wirtschaftsbetriebe, Verwaltungseinrichtungen, Eisenbahnzüge, Kraftfahrzeuge, Fernsprechverbindungen, Brücken usw.: 1316 Fälle. Hiervon entfallen 496 auf von der Wehrmacht verwaltete Betriebe (85 % führten zu einer restlosen Vernichtung des Betriebes) und 251 auf nicht von der Wehrmacht verwaltete Wirtschaftsbetriebe (hier wurden die Betriebe völlig zerstört). […] Ein nicht unbeachtlicher Teil des russischen Widerstandes im Hinterlande ist auch auf die immer wieder zum Einsatz gebrachten Fallschirmspringer zurückzuführen. Während ein Teil mit bestimmten Sonderaufträgen für Sabotage oder Ausspähzwecke versehen ist und nach Erledigung seiner Aufträge in das bolschewistische Russland zurückzukehren versucht, sind andere Gruppen bemüht, den russischen Widerstand im Hinterlande im Rahmen der Bandenbewegung zu organisieren. Die bisherige Erfahrung über die Vorbereitung und den Einsatz dieser Fallschirmspringer zeigt, daß man auf bolschewistischer Seite diesem Kampfmittel nach wie vor erhebliche Bedeutung beimißt und ihren Einsatz auch dementsprechend sorgfältig vorbereitet. Es sind bisher vorwiegend Personen im Alter von 18 bis 35 Jahren, die von Beauftragten der Roten Armee, des Komsomol oder der KP ausgesucht wurden, an bestimmten Punkten zu ihrer weiteren Ausbildung zusammengezogen worden. Die Zentralstelle ist Moskau, Karl-Marx-Str. 17. Die den Anforderungen entsprechenden Personen werden alsdann in eine Schule in Shodnja, einem Vorort von Moskau, überführt. Hier müssen sie sich einem 3-monatigen Lehrgang unterziehen und werden ihrem Verwendungszweck entsprechend geschult. Die Lehrgänge setzen sich aus 4 Gruppen, je nach Verwendungszweck, zusammen. In der 1. Gruppe werden die Einsatzführer, in der 2. Gruppe die Funker und Funkerinnen, in der 3. die Nachrichtenagenten und in der 4. die eigentlichen Saboteure geschult. Die Lehrthemen umfassen folgende Gebiete: 1. Organisation und Gliederung der deutschen Wehrmacht, 2. Taktik und Strategie der deutschen Heeresführung in Angriff und Verteidigung, 3. deutsche Sprache, 4. Verhalten in den von Deutschen besetzten Gebieten, Spionage und Nachrichtenübermittlung, 5. Klärung und Bedeutung der in der deutschen Wehrmacht verwandten taktischen Zeichen, 6. Funknachricht, 7. Geschichte der kommunistisch-bolschewistischen Par-

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tei. Während des Lehrganges dürfen die eingeteilten Gruppen 1–4 untereinander keinen Verkehr pflegen. Auch die Namen der Lehrkräfte werden vor den Lehrgangsteilnehmern geheimgehalten. Nach Beendigung des Lehrganges wird nur von den Gruppen 1 bis 2 eine Prüfung verlangt. Nach erfolgreichem Bestehen des Lehrgangs erfolgt die Aufstellung der zum Einsatz kommenden Gruppen. Die einzelnen Gruppen werden in Privatwohnungen nach Moskau überführt und erhalten hier Einsatzbefehl und Ausrüstung. Die Ausrüstung wird allgemein als für russische Verhältnisse besonders sorgfältig ausgewählt bezeichnet. Für gewöhnlich ist eine Einsatzgruppe 5 Mann stark. Sie wird mit Pistolen, Handgranaten, Sende- und Empfangsgerät, Taschenlampen, Taschenuhren, Dolchen, Geländekarten, Lebensmitteln und Geld ausgerüstet. Der Einsatz erfolgt in der Regel überraschend. Seit Beginn dieses Jahres hat man auch in verstärktem Maße damit begonnen, Offiziere der Roten Armee über die Kriegsakademie als Führer von Fallschirmgruppen auszubilden und einzusetzen. Die entsprechende Bildungsanstalt ist der nach Kasan verlegten Moskauer Kriegsakademie angegliedert und soll von Generalmajor Krylow geleitet werden. Sie befindet sich im Gebäude der Philharmonie in Kasan, Bullerowskaja. Die hier stattfindenden Lehrgänge werden nach den entsprechenden Einsatzländern aufgegliedert. […] Sowjetrussische Flugblattpropaganda: Die sowjetrussische Flugblattpropaganda hat in letzter Zeit an Umfang zugenommen. Die Verbreitung erfolgt nach wie vor ausschliesslich durch Flugzeugabwurf im Operationsgebiet im Osten. Abwürfe von Flugblattmaterial über dem Reichsgebiet erfolgten nur in einzelnen Fällen. Ein Zunehmen ist besonders bei den Flugblättern zu verzeichnen, die in laufender Folge erscheinen, wie „Auslandsnachrichten“, „Frontnachrichten“, „Was geht in Deutschland vor“, „Nachrichten aus der Sowjetheimat“ und die im Zeitungsformat gehaltenen Schriften „Frontillustrierte“, „Soldatenwahrheit“, „Soldatenzeitung“, „Die Wahrheit“ usw. Ebenso wie die Zunahme der einzelnen Flugblattarten hat sich auch die Auflageziffer der einzelnen Flugblätter erhöht. So ist z. B. in Litauen das Flugblatt „Hitlers Kreuzzug“ in einer Stückzahl von etwa 100 000 abgeworfen worden. Es wurden auch weiterhin wiederholt im Reichsgebiet sowjetrussische Flugblätter erfaßt, die entweder von Soldaten von der Ostfront mitgebracht oder durch Feldpostbriefe ins Reich gesandt worden sind. Der Inhalt der Schriften ist fast ausschliesslich auf die Zersetzung der deutschen Wehrmacht gerichtet. Die Zersetzungsversuche richten sich vorwiegend gegen die moralische Widerstandskraft der Soldaten. So wurden in den Bildern oft Fotomontagen gebracht, in denen die verstümmelten Leichen deutscher Soldaten abgebildet sind. Hinzu kommen Meldungen über angeblich grosse Verluste der deutschen Wehrmacht unter Anführung der einzeln betroffenen Truppenteile. Auch erscheinen Bilder von Familienangehörigen, besonders Frauen und Kindern deutscher Soldaten, mit dem Hinweis, daß die baldige Heimkehr nur über die russische Gefangenschaft oder durch den Sturz des Hitlerregimes möglich ist. Die Parole zum Sturz Hitlers ist in letzter Zeit in den Flugblättern besonders häufig erschienen. Es ist in dieser Beziehung eine Angleichung an die Methode der englischen Feindflugblattpropaganda festzustellen. Auch durch die Wiedergabe von angeblich erbeuteten Feldpostbriefen aus der Heimat und durch Greuelberichte aus dem Reich soll sich die Sorge der Soldaten um ihre Angehörigen verstärken. Zur Beseitigung von Vorstellungen über die sowjetrussische Kriegsgefangenschaft und zur Verleitung zur Fahnenflucht erschienen immer wieder Aufrufe und „freiwillige Mitteilungen“ deutscher Kriegsgefangener in der Sowjetunion, in denen die angeblich gute körperliche und geistige Behandlung der Gefangenen geschildert wird. Durch eine besondere Hetze gegen die SS soll auf eine Spaltung zwischen Wehr-

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macht und SS hingewirkt werden. Aufrufe und Befehle Stalins an die Rote Armee sind in verschiedensten Ausführungen und sowohl in deutscher wie auch in russischer und ukrainischer Sprache erschienen. Von den emigrierten kommunistischen Reichstagsabgeordneten Pieck, Florin, Ulbricht usw. sind mehrere Aufrufe an die deutsche Bevölkerung erschienen, in denen zum Sturz Hitlers aufgefordert wird. Weitere Beeinflussungen sollen durch Darlegungen über die englisch-amerikanische Hilfe und die noch im Jahre 1942 zu erwartende Zweite Front sowie durch Schilderungen über die Rüstungskraft der Alliierten erwirkt werden. Die ebenfalls in grosser Anzahl abgeworfenen Flugblätter in russischer und ukrainischer Sprache wenden sich an die Bevölkerung der besetzten Gebiete und fordern zur Begehung von Sabotage- und Terrorakten im rückwärtigen Heeresgebiet auf. […] B. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR Hinsichtlich der aussenpolitischen Lage der Sowjetunion ist die im Augenblick in Moskau stattfindende politische Tagung der „Alliierten“ bemerkenswert. 3 Die Wichtigkeit, die man dieser Tagung von seiten der Westmächte beimißt, ist durch die Anwesenheit des englischen Ministerpräsidenten unterstrichen. Aus den eingegangenen Meldungen ist zu entnehmen, daß die Forderungen der Sowjetunion zur Errichtung weiterer Fronten an die Westmächte einen ultimativen Charakter angenommen haben. Den in der Weltpresse z. Zt. auftauchenden Gerüchten eines evtl. zu schliessenden Separatfriedens zwischen der Sowjetunion und dem Reich ist jedoch danach keine Bedeutung beizumessen. Aller Voraussicht nach werden die Vertreter der Westmächte versuchen, die Sowjets mit weiteren Versprechungen hinzuhalten und den Widerstand der Sowjetunion durch verstärkte Materiallieferung zu stärken. Wie weit die Sowjetunion auf Grund der jetzt durchgeführten Besprechungen zu eigenen Entschlüssen kommt, ist vorerst nicht abzusehen. Die skeptische und misstrauische Haltung der unteren sowjetischen Organe und der Masse der Funktionäre gegenüber der Hilfe und dem Einsatz der Engländer und Amerikaner ist durch die Tagung abschwächend beeinflusst worden. Zur innerpolitischen Lage in der Sowjetunion ist festzustellen, daß durch den Ernst der Lage an der Südfront, die übrigens von der sowjetischen Presse in ungeschminkter Form geschildert wird, eine äusserst starke Aktivität der verschiedenen sowjetischen Arbeiterorgane in den Rüstungsbetrieben und sonstiger Verbände ausgelöst wurde. Die absinkende Stimmung und die sich durch die ungeheuren Belastungen immer mehr verbreiternde Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung wird durch Versammlungen, Vortragsabende, Gruppenzusammenkünfte und Aufmärsche abzustoppen versucht. Die Bevölkerung wird auf die Schwierigkeit der Lage hingewiesen und durch die Aussicht des vollständigen Zusammenbruchs zu weiterem Mitkämpfen und erhöhten Arbeitsleistungen aufgefordert. Im ganzen scheint die Einstellung und Haltung der sowjetischen Bevölkerung ruhig zu sein. Während sie in den vorwiegend russischen Gebieten als fest angesehen werden kann, ist sie in den südöstlichen Gebieten und im Kaukasus gleichgültig, kritisch oder sogar feindselig gegen die sowjetischen Organe. Stimmungsmäßig ist die augenblickliche Lage der Sowjetunion vergleichbar mit der Stimmung der sowjetischen Bevölkerung während des drohenden Angriffs der deutschen Armeen auf Moskau im Herbst des vorigen Jahres. Der Verlust Stalingrads, der im allgemeinen mit einem Verlust Moskaus gleichgesetzt wird, würde wahrscheinlich nicht unerhebliche stimmungsmäßige Auswirkungen auf die sowjetische Bevölkerung haben. In den sowjetischen Gebieten geht das Gerücht, Stalin selbst habe bei Stalingrad den Widerstand organisiert und werde verhindern, daß die Deutschen diese entscheidende Stadt besetzen. 4

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In wirtschaftlicher Beziehung wirkt sich bereits jetzt der Verlust des Don-Beckens hinsichtlich der Kraft- und Heizstoffversorgung für die Industrie aus. Die Sowjetunion ist gezwungen, der Torfgewinnung erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen und propagiert eine weitgehende selbständige Heizstoffversorgung der Betriebe durch Erhöhung des örtlichen Torfabstichs. Daneben werden mit einer erstaunlichen Energie die noch verbliebenen Kohlenlager im Kuznetsk-Gebiet und in Sibirien abgebaut. Noch schwieriger wird sich in wirtschaftlicher und militärischer Beziehung der Verlust oder die Abschneidung der zentralsowjetischen Gebiete von den kaukasischen Ölvorräten auswirken. Trotz fieberhafter Versuche, die Ölförderung der neuen uralischen und turkestanischen sowie fernöstlichen Ölgebiete zu steigern, wird die hierdurch gewonnene Gesamtförderung nicht ausreichen, den Ölbedarf der Sowjetunion zu decken, denn nach wie vor ist die Rote Armee und sowjetische Industrie in der Hauptsache auf das Öl des Kaukasus angewiesen. Zweifellos haben aber die Sowjets umfangreiche Vorräte an Erdöl angelegt, die ohne weiteres ausreichen, den Krieg bis auf weiteres in gleicher Intensität zu führen und wie bisher der Industrie und der Landwirtschaft die erforderlichen Ölmengen zur Verfügung zu stellen. Die gesamte Ölwirtschaft der Sowjetunion wird von der Hauptverwaltung für die Naphtaindustrie geleitet. Diese untersteht dem Volkskommissariat für Schwerindustrie. Ausserdem sind u. a. noch folgende Hauptverwaltungen vorhanden: Hauptverwaltung für Kohlenindustrie, Hauptverwaltung für Maschinenbau, Hauptverwaltung für Metallurgie. Der Hauptverwaltung für die Naphtaindustrie sind unmittelbar unterstellt das „Asneftekombinat“ in Baku, „Grosneftekombinat“ in Grosny, „Maineftekombinat“ in Krasnodar, „Ufakombinat“ in Ufa, „Embakombinat“ (Sitz noch unbekannt). Die Kombinate sind der Hauptverwaltung unmittelbar unterstellt. Zwischeninstanzen sind nicht mehr vorhanden. Die Anweisungen gehen unmittelbar von der Hauptverwaltung an die einzelnen Kombinate. Durch verschiedene eingehende sicherheitspolizeiliche Vernehmungen wurde bekannt, daß sich in der Nähe von Baku das geheime Zentralbetriebsstofflager des Volkskommissariats der Verteidigung der Sowjetunion befindet. Das Lager liegt nordöstlich von Baku und wird im Süden durch die Straße Baku–Balachanskaja, im Osten durch den Salzsee (Ssoljonoje Osero) und im Westen durch die Schmalspurbahn Baku–Sabundschi begrenzt. Es ist unterirdisch angelegt, besteht aus 2 Behältern, die aus Eisenbeton hergestellt sind. Es handelt sich hier nicht um Tanks üblicher Bauart aus Stahlblech. Das Gelände, auf dem sich das Geheimlager befindet, ist etwa 4 qkm gross. Nach Schätzungen Ortskundiger sind hier 5 bis 6 Millionen Pud Öl und Benzin, 1 Pud = 16 kg, untergebracht. Es handelt sich danach um eine Menge von rd. 100 Millionen Liter Benzin und Öl. Ein Ortskundiger hat von dem Gelände eine Skizze ohne jegliche Unterlagen angefertigt. Eine Nachprüfung seiner Zeichnungen an Hand von Fliegeraufnahmen erbrachte den Beweis, daß seine Angaben richtig sind. Auf dem beschriebenen Gelände, etwa 3 km östlich, stehen noch 40 Benzintanks, von denen 30 je 500 Tonnen und 10 je 100 Tonnen Benzin bezw. Öl fassen. Die gefertigten Skizzen über Tanklager, Raffinerien, Betriebe usw. sind der Technischen Brigade – Mineralöl – übergeben worden. BAB, R 58/698 1 In seiner Weisung Nr. 46 „Richtlinien für die verstärkte Bekämpfung des Bandenunwesens im Osten“ v. 18. 8. 1942 hatte Hitler SS u. Polizei die Zuständigkeit für die Partisanenbekämpfung im Zivilverwaltungsbereich übertragen. Als Zielvorgabe wurde ausgegeben, daß die Partisanen „bis zum Beginn des Winters […] ausgerottet“ werden müßten; vgl. Walther Hubatsch (Hrsg.): Hitlers Weisungen für die

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Kriegsführung 1939–1945. Dokumente des Oberkommandos der Wehrmacht, Koblenz 19832, S. 232–237. Das konnte auch nicht ansatzweise erreicht werden. 2 Sitz eines Kreislandwirtschaftsführers. 3 Vgl. Overy: Russlands Krieg 1941–1945, S. 259 ff. 4 Zum quasi-religiösen Glauben an Stalin im beginnenden Ringen um die Stadt an der Wolga vgl. Jochen Hellbeck: Die Stalingrad-Protokolle. Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht, Frankfurt/M. 2012.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 28. VIII.1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 18 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandenunwesen: Litauen: Bei Alytus (Kauen) wurde mit Erfolg eine Aktion gegen eine etwa 50 Mann starke Terrorgruppe durchgeführt, die unter Führung eines noch flüchtigen, von den Bolschewisten in Alytus eingesetzten Kreischefs stand. Dieser frühere Kreischef, der sich seit dem Einmarsch der deutschen Truppen verborgen hielt, hatte in Alytus und den umliegenden Dörfern eine Organisation aufgezogen, die unter Führung eines 7-köpfigen Komitees stand und ortsansässige Litauer, Polen und sowjetrussische Kriegsgefangene, die aus dem Kriegsgefangenenlager Stallupönen entwichen waren, umfaßte. Als die Terrorgruppe gestellt wurde, konnten einige der Terroristen erschossen und 25 weitere festgenommen werden. Eine Anzahl Waffen und erhebliche Mengen Munition wurden sichergestellt. Die Festnahme von 19 weiteren Angehörigen der Terrorgruppe steht bevor. Im Kreise Schwenciany wurden am 15. 8. 42 11 Personen wegen Zugehörigkeit zur Terrorgruppe Markov festgenommen, die u. a. am 19. 5. 1942 den Offizier und die beiden Sonderführer der Pferdemusterungskommission ermordet hatte. Meldungen zufolge hatte die Bande Markov in dem Dorf Reduta gehaust und war in nordöstlicher Richtung abgezogen. Bei Annäherung an das Dorf Bielaviska versuchten einige der Banditen, auf freies Gelände zu entkommen. Sie wurden gestellt und erschossen, darunter ein langgesuchter Bandit. Die weitere Verfolgung der Bande wurde fortgesetzt. Weißruthenien 1: Eine rege Bandentätigkeit zeigte sich vor allem im Rayon Smolensk. Banden, die zunächst die Bewohner des Dorfes Perejesd weggeführt hatten, beschossen die Ortschaft Krasnoje-Selo. Offenbar zu ihrer Unterstützung wurde das Gebiet der Gemeinde Spasswalipezk von einem Sowjetflugzeug überflogen, das die Dörfer mit MGFeuer beschoss und die Orte Terechi und Dewica mit Bomben bewarf. Mit weiteren 30 Bomben wurde – scheinbar aus Versehen – auch das von den Banden besetzt gehaltene Gebiet belegt. Nach der Bombardierung griffen die Banden mit Granatwerfer- und Maschinengewehrfeuer die Dörfer Krasnoje-Selo, Kasalzewow und Auschinow an. Verluste traten nicht ein. In Skrjabow wurde das Haus eines OD-Mannes von unbekannten Tätern angezündet und beschossen. In Gredino konnten Banditen beobachtet werden, in deren Besitz sich 4 kleine, durch Gebüsch getarnte Panzerwagen befanden. Nach dem Gottesdienst in Ljubowitschi, Rayon Rudnja, schleppten Banditen den Priester, seine Tochter und eine Lehrerin aus der Kirche fort. Stärkere Banden zeigten sich in der Umgebung von Tscherwen. Verschiedene Ortschaften wurden umstellt und geplündert. Das Dorf

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Otschisha wurde am 14. 8. 42 von einer Bande in Stärke von über 100 Mann mit Granatwerfern und MG-Feuer beschossen, die nach der Besetzung 35 Häuser abbrannte und eine Anzahl Einwohner erschlug. In den Ortschaften Gorki und Maisnerowo kam es zu mehreren Feuergefechten zwischen OD-Gruppen und Banden. Die in den Rayons Klitschew und Belynitschi zerschlagene Bande hat sich nun in kleine Gruppen von je 30–50 Mann aufgeteilt, mit denen zur Erkundung angesetzte Kräfte weiterhin Berührung halten. Verschiedene Dörfer in der Umgebung von Nowo-Dugino wurden von einer Bandengruppe unter Führung eines Politruks und eines ehemaligen Dolmetschers in deutscher Feldwebeluniform überfallen und ausgeraubt. In der Nacht zum 15. 8. 42 wurde das Dorf Potklonje von etwa 200 Banditen umstellt und sämtliches Getreide und Mehl geplündert. Ein freigelassener Kriegsgefangener erschoss in Wjadskaja-Seliba 5 schlafende Banditen. Die gefundenen Waffen, Munition und ein Fernglas wurden sichergestellt. Im Raum um Wjasma traten zahlreiche kleinere Banden auf, die vor allem darauf aus gingen, Lebensmittel zu plündern und Vieh wegzutreiben. Zur Abwehr einer dieser Banden wurde mit Unterstützung einer Bauschutzkompanie und des Instandsetzungstrupps des Sägewerkes Wladimirskoje eine Aktion unternommen, deren sich die Banditen entziehen konnten. Als Helfer wurden jedoch der Vater des Bandenführers und ein Verbindungsmann ergriffen und als abschreckendes Beispiel nach einem Aufruf an die Bevölkerung erschossen. Sieben Pferde der Banditen wurden sichergestellt. Später wurde in dem 10 km entfernten Dorf Kleschino ein Kosakensäbel mit folgender Erklärung vorgefunden: „Die 7 Pferde könnt Ihr ruhig haben, aber das Blut der beiden Erschossenen wird mit Eurem Blut gerächt werden!“ Auf Grund einer Mitteilung eines OD-Mannes gelang es, in Mogilew eine Widerstandsbewegung aufzudecken, die von 3 ehemaligen NKWD-Agenten aufgezogen war. Von einem der Agenten war eine Russin zur Mitarbeit gewonnen worden, die ihre Wohnung als Anlaufstelle zur Verfügung stellte. Während der Agent im Hintergrund blieb und nur durch schriftliche Anweisungen an die Russin tätig war, sollte der mit ihr in wilder Ehe lebende Wassili Morosow durch Gründung eines Sportklubs der illegalen Tätigkeit des Widerstandskreises einen harmlosen Anstrich verleihen. Morosow verstand es, unter Ausnutzung seiner früheren Beziehungen zu Sportkreisen eine Anzahl Personen für seine Pläne zu gewinnen. Es konnten insgesamt 23 Personen festgenommen werden, die ihre Zusammenkünfte in der Wohnung der Russin abzuhalten pflegten. Unter den Festgenommenen befinden sich entlassene Kriegsgefangene, darunter zwei Leutnante, ein Oberleutnant und ein Hauptmann der Roten Armee. Das Ziel ihrer Arbeit war, vor allem Verbindung mit anderen Banden aufzunehmen. Ukraine: Im Kommandeurbereich Tschernigow wurden mehrere Bandenüberfälle durchgeführt. Bei ihrer Abwehr konnten 26 Banditen und deren Verbindungsmänner, ferner mehrere KP-Aktivisten und 186 Kriegsgefangene wegen dringenden Verdachts der Bandenzugehörigkeit festgenommen werden. Eine Bande, die abends in die Ortschaft Klussy mit mehreren Pferdegespannen zum Einsammeln von Lebensmitteln einfuhr, stieß mit einem aus drei Gendarmeriebeamten und 20 Schutzmännern bestehenden Kommando zusammen. Ein entstehendes kurzes Feuergefecht musste der Dunkelheit wegen zunächst von beiden Seiten abgebrochen werden. Als das Kommando seinen im Dorf abgestellten Lastkraftwagen besteigen wollte, wurde es von den Räubern erneut beschossen. In dem sich nunmehr entwickelnden mehrstündigen Kampf fielen alle drei deutschen Gendarmeriebeamten und vier Schutzmänner. Die Banditen hatten starke Verluste. Die gefallenen Gendarmeriebeamten wurden ihrer Uniformen beraubt; ausserdem fielen den Räubern ein Maschinengewehr, mehrere Maschinenpistolen und Gewehre in die Hände. In unver-

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züglich eingeleiteten Gegenmaßnahmen wurden die Dörfer Klussy und Rakowka vernichtet sowie 136 Personen erschossen. Im Kommandeurbereich Rowno sind in der Berichtszeit 25 Bandenüberfälle ausgeführt worden. U. a. wurden eine Reiterschwadron, mehrere Gendarmerie- und Schutzmannschaftsstreifen sowie eine Straßenmeisterei überfallen, mehrere Eisenbahnanschläge verübt, eine Straßenbrücke verbrannt, Dorfschulzen, Pfarrer und Priester mit ihren Angehörigen ermordet oder verschleppt, Häuser von Bürgermeistern, Agronomen und Bauern verbrannt. Allein im Dorf Michalki fielen den Banditen 19 Wohnhäuser, 8 Scheunen und sämtliche Vorräte zum Opfer. Darüber hinaus werden aus den nördlichen Teilen Wolhyniens laufend zahlreiche Überfälle gemeldet, die lediglich der eigenen Versorgung der Banditen mit Lebensmitteln und Kleidung dienten. Bei der Bekämpfung dieser Banden sind ein Gendarmeriewachtmeister und zwei ukrainische Schutzmänner gefallen, zwei Gendarmeriewachtmeister und ein ukrainischer Schutzmann verletzt worden; 45 Banditen wurden festgenommen oder erschossen, 7 Anwesen vernichtet. Im Kommandeurbereich Shitomir werden weitere 27 Fälle des Auftretens von Banden gemeldet. Überfälle richteten sich vor allem gegen die Eisenbahnanlagen an der Strecke Pinsk–Gomel. Bei den Bekämpfungsmaßnahmen sind ein Gendarmeriewachtmeister, ein ukrainischer Schutzmann und ein Waldhüter gefallen. 166 Banditen bezw. Bandenangehörige wurden der Sonderbehandlung zugeführt. Im Kommandeurbereich Nikolajew wurden 11 Bandenangehörige, 3 KP-Aktivisten, 2 NKWD-Angehörige und ein Flugblattverteiler festgenommen. Zwei Parteisekretäre des NKWD, ein Politruk und ein Fallschirmspringer wurden erschossen. In den neu besetzten Gebieten 2 wurden die Orte Woroschilowgrad, Milerowo, Nikolajewka, Konstantinowskaja und Martinewskoje sicherheitspolizeilich überholt. Bei Durchsuchung der NKWD-Gebäude in diesen Orten konnte Schriftenmaterial, darunter ein Geheimbefehl Stalins an die Kommandeure der Roten Armee vom 28. 7. 42, sichergestellt werden. In Nowo-Tscherkask konnte eine Anzahl alter KP-Aktivisten und NKWD-Spitzel, ferner ein Parteisekretär als führendes Mitglied eines Vernichtungsbataillons festgenommen werden. Nordkaukasien: In den Bereichen Krasnodar, Maikop, Armavir, Woroschilowsk und südöstlich davon bis Essentuki schreitet die sicherheitspolizeiliche Tätigkeit weiter voran. Fast alle öffentlichen Gebäude in Krasnodar sind unterminiert und mit Sprengladungen bis zu 1000 kg versehen. Bisher sind fünf Gebäude in die Luft geflogen. Im Bereich Armavir–Maikop zeigt sich die Bevölkerung, die sich vorwiegend aus Russen und Ukrainern, zum geringen Teil aus Tscherkessen zusammensetzt, deutschfreundlich eingestellt. Südlich Armavir konnte die Bildung von Banden in Gruppenstärken bis zu 150 Mann festgestellt werden. Ihre Lager und Stützpunkte sind teilweise erkundet. In dem südwestlich Maikop grösstenteils in deutscher Hand befindlichen Ölgebiet sind die Ölanlagen zumeist gesprengt. Die Ölleitung dagegen ist kaum beschädigt. Im Bereich Pjatigorsk wurde das NKWD- und Parteigebäude sichergestellt und Listen von Geheimagenten des NKWD und Parteimitgliedern erfaßt. Die lebenswichtigen Betriebe arbeiten, die Straßenbahnen sind seit dem 18. August d. J. wieder in Betrieb. In Essentuki konnte ebenfalls das Gebäude des NKWD und [der] Miliz sichergestellt werden. Die Inneneinrichtung war vollkommen zerstört. In dem unversehrt vorgefundenen Parteikomiteehaus konnte sämtliches Aktenmaterial sichergestellt werden, dessen Auswertung in Angriff genommen wurde. Weiter konnte in Essentuki das geologische Büro für den nördlichen Kaukasus zur Erforschung sämtlicher Gesteinsarten auf irgendwelche Vorkommen (ausser Erdölforschung),

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der Rest des Archivmaterials, gesammeltes Arbeitsmaterial der Pläne- und Rapportabteilung, ein betriebsfertiges chemisches Laboratorium, eine gute technische Bibliothek und ein Gesteinsmuseum sichergestellt werden. In Essentuki, der Hauptquelle für Herz-, Nerven-, Magen- und Nierenleiden, Gicht und Rheuma, die mit insgesamt 20 Sanatorien und Badehäusern in Betrieb ist, befindet sich ausserdem ein kleines geologisches Kontor zur Erforschung von Mineralwasser. Die erneute Durchsuchung des NKWD-Gebäudes in Woroschilowsk erbrachte wichtiges Fahndungsmaterial, die Listen sämtlicher Funktionäre und führenden Beamten. […] Kommunistische Bewegung in den Ostgebieten: Nach einem Bericht aus Weissruthenien wurden in letzter Zeit vom Komitee der KP Weissrutheniens hektographierte Flugblätter herausgebracht, in denen die Bevölkerung zum Widerstand gegen die deutsche Verwaltung aufgefordert wird. Durch sicherheitspolizeiliche Tätigkeit konnten in Mogilew u. a. 54 Kommunisten, Funktionäre, NKWD-Agenten und Saboteure unschädlich gemacht werden. Der Bfh. dSPudSD in der Ukraine berichtet, daß sich nach wie vor zahlreiche frühere Angehörige der kommunistischen Partei in der Ukraine aufhalten. Neue organisatorische Zusammenschlüsse konnten jedoch nach der Zerschlagung der ersten grösseren Ansätze illegaler kommunistischer Organisationen in Charkow und Kiew nicht mehr beobachtet werden. Ein erheblicher Teil der früheren Kommunisten hat sich den Banden angeschlossen. Es stellt sich immer wieder heraus, daß die führenden Köpfe der Banden zum erheblichen Teil aus den Reihen alter Kommunisten stammen. Die Banden werden auch sonst in jeder Weise durch die früheren Mitglieder der KP-Organisationen unterstützt. In den letzten Monaten konnte die Feststellung getroffen werden, daß die Bevölkerung der Ukraine durch offenbar auf kommunistische Flüsterpropaganda zurückzuführende Gerüchte beunruhigt wird, die sich namentlich mit der künftigen Ernährungslage befassen. Man versucht, die Bevölkerung durch die Behauptung zum Aufruhr anzustiften, daß die Deutschen die Ukrainer verhungern lassen wollen. Im Bereich des Kdrs. dSPudSD in Kiew wurden wegen kommunistischer Betätigung 196 Personen, davon allein 86 in Kiew, festgenommen. Es handelt sich z. T. um Bandenmitglieder. Unter den Festgenommenen befindet sich auch die ukrainische Bandenführerin Milanja Krauschenko, die in ihrer Wohnung gefälschte Ausweise und kommunistische Flugblätter hergestellt hatte, sowie ein früherer kommunistischer Aktivist, der unter Vorlage einer gefälschten Bescheinigung versucht hatte, in die ukrainische Schutzmannschaft aufgenommen zu werden. Ausserdem konnte in Kiew der Ingenieur Wassil Zwetlow festgenommen werden. Z. gehörte einer unter Führung des früheren NKWD-Leutnants Kondratschuk stehenden Organisation an und war beauftragt, in Kiew ein Vertrauensmännernetz innerhalb wichtiger Betriebe und Dienststellen auszubauen. In Rostow wurden 49 Personen als aktive Kommunisten, 10 weitere als militärische und NKWD-Agenten und 23 Bandenmitglieder festgenommen. In Ingermanland (Estland) wurden verschiedene Kommunisten und NKWD-Agenten festgenommen, deren aktive kommunistische Betätigung im vergangenen Jahr erst jetzt bekannt geworden ist. B. Lebensgebiete Entwicklung und Lage des Rechtswesens in Estland: Im früheren Freistaat Estland war die Gerichtsbarkeit wie folgt aufgebaut: Friedensgericht (Einzelrichter), Bezirksgericht als 1. Instanz und als Berufungsgericht, Gerichtshof als Berufungsinstanz für Urteile der Bezirksgerichte, Staatsgericht als Kassationsgericht, als Revisionsgericht in Verwaltungssachen bei Beschlüssen der höheren Staatsbehörden und als ausschließliche Instanz für

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die gerichtliche Belangung des Staatspräsidenten als Oberbefehlshaber des Heeres und der Regierungsmitglieder. Diese Gerichte waren nicht nur für Straf- und Zivilsachen, sondern mit Ausnahme des Gerichtshofes auch für Verwaltungssachen zuständig. Das Laienelement fehlte bei sämtlichen Gerichten. Das fachliche und allgemeine Bildungsniveau der estnischen Richter war für die Verhältnisse eines kleinen Agrarstaates befriedigend; die estnischen Gerichte waren im allgemeinen bei der Bevölkerung gut angesehen. Das bolschewistische Regime beseitigte im Dezember 1940 das estnische Gerichtssystem und führte sowjetische Gerichte ein. Die 1. Instanz bildete das aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzenden bestehende Volksgericht, dem das Bezirksgericht und diesem wieder der Oberste Gerichtshof als Kassationsgericht übergeordnet waren. Die Volksrichter sollten nach der Verfassung der UdSSR vom Volk in allgemeiner Abstimmung gewählt werden; sie wurden jedoch in Wirklichkeit aufgrund einer vom Personalamt beim Justizvolkskommissariat erstellten Liste von den Exekutivkomitees der Städte und Kreise ernannt. Die Bezirksrichter, die nach der Verfassung von den Räten der Deputierten der Werktätigen der Städte und Kreise zu wählen waren, wurden vom Präsidium des Obersten Rates der Estnischen Sowjetrepublik ernannt. Im Frühjahr 1941 wurden die noch im Amt befindlichen Berufsrichter größtenteils durch Laienrichter ersetzt, die lediglich einen dreimonatigen juristischen Kurs besucht hatten. In „konterrevolutionären Sachen“ und bei „staatlichen Verbrechen“ urteilten besondere Kriegstribunale und Gerichte des Volkskommissariats für innere Angelegenheiten unter vollständigem Ausschluß der Öffentlichkeit, wobei die Angeklagten weder geladen wurden, noch eine Möglichkeit der Verteidigung hatten. Die praktische Durchführung der kommunistischen Rechtslehre hat sich auf das estnische Volk in jeder Weise ungünstig ausgewirkt. Die Abschaffung des Privateigentums (Nationalisierung des städtischen und ländlichen Grundbesitzes und der Handels- und Handwerksbetriebe, Einziehung der Bankguthaben) hatte für die Bevölkerung schwerwiegende Folgen. Auf dem Gebiete des Familienrechts führte die Erleichterung der Eheschließungs- und Ehescheidungsbestimmungen zu bedenklichen Zuständen. Das bolschewistische System sah in der Gerichtsbarkeit nur ein klassenkämpferisches Druckmittel zur Festigung des „Proletariats“ und zur Liquidierung der „Klassenfeinde“. Dementsprechend war die kommunistische Partei bestrebt, die Gerichte zu politischen Behörden zu machen, bei denen auch in unpolitischen Sachen in erster Linie politische Erwägungen maßgeblich waren. Heute besteht in der breiten Masse der Bevölkerung der Wunsch nach einer vollständigen Beseitigung der durch die Bolschewisierung auf dem Gebiete der Rechtspflege geschaffenen Zustände. Die Bevölkerung erwartet die vollständige Wiedereinsetzung der estnischen Gerichte im gleichen Umfange wie zur Zeit der Selbständigkeit. An deutschen Gerichtsbehörden bestehen im Generalbezirk Estland lediglich das deutsche Gericht und das Sondergericht in Reval. Berufungen und Beschwerden gegen Entscheidungen des deutschen Gerichts gehen an das deutsche Obergericht in Riga. Das mit einem Richter besetzte deutsche Gericht ist zuständig a) in allen Strafsachen, soweit diese nicht einem anderen Gericht zugewiesen sind, b) in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, wenn ein Reichsdeutscher oder deutscher Volkszugehöriger am Verfahren beteiligt ist, c) in allen sonstigen Rechtssachen, wenn seine Zuständigkeit durch Verordnung ausdrücklich begründet wird. Das Sondergericht ist mit einem Richter als Vorsitzenden und zwei Beisitzenden besetzt, die die Befähigung zum Richteramt haben sollen und aus den Reihen der im Bezirk des Sondergerichts wohnenden Reichsdeutschen oder deutschen

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Volkszugehörigen auf ein Jahr bestellt werden. Das Sondergericht ist zuständig, soweit seine Zuständigkeit ausdrücklich bestimmt ist und sobald die Staatsanwaltschaft beim Sondergericht Anklage erhebt. Zur Anwendung deutschen Rechtes gegenüber der estnischen Bevölkerung wird immer darauf hingewiesen, daß die deutschen Strafbestimmungen weder im Wortlaut noch dem Sinn nach bekannt seien. Zur Förderung des Vertrauens gegenüber den deutschen Gerichten sei eine auf die Fachkreise und auf die übrige Bevölkerung abgestimmte Unterrichtung erforderlich. Die Urteile des Sondergerichts haben, soweit sie zur Ausmerzung von Volksschädlingen und Gewohnheitsverbrechern führten, in der estnischen Bevölkerung Zustimmung gefunden. Die vom Sondergericht wegen Schleichhandels verhängten Freiheitsstrafen wurden dagegen allgemein als zu hart empfunden. Volkstum und Volksgesundheit: Auswirkungen des täglichen Zusammenlebens mit der russischen Bevölkerung: Nach den bisher im besetzten russischen Raum getroffenen Feststellungen haben die Einquartierungen deutscher Soldaten bei der Zivilbevölkerung, das Zusammenwohnen unter einem Dach und die Dienstleistungen von Einheimischen bei Wehrmachtseinheiten zu einer engeren Fühlungnahme und in vielen Fällen zu festen Verhältnissen zwischen deutschen Soldaten und russischen Frauen und Mädchen geführt. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, daß Soldaten mancher Einheiten seit 12 Monaten und länger keinen Urlaub gehabt haben. Verschiedentlich von Wehrmachtseinheiten herausgegebene Befehle, die jeden Geschlechtsverkehr mit russischen Frauen und Mädchen untersagen, blieben bisher ohne nennenswerten Einfluß. Bezeichnend ist die Äußerung von Soldaten: „Lieber 3 Tage im Bau als auf das Vergnügen verzichten!“ Die vorliegenden Meldungen, u. a. Mogilew, Orel, Wjasma, Rshew, lassen erkennen, daß eine Bereitwilligkeit seitens der weiblichen russischen Bevölkerung, sich deutschen Soldaten hinzugeben, vorhanden ist. Sehr oft scheint hierbei die Hoffnung auf eine allgemeine Besserstellung, insbesondere die Erlangung von Nahrungsmitteln u. ä. m., ausschlaggebend zu sein. Das russische Mädchen sieht in dem Verhalten des deutschen Soldaten, seinem Auftreten, seiner Ordnungsliebe und Sauberkeit das „Ideal“ des Mannes gegenüber Angehörigen des eigenen Volkes. Auch aus dieser Einstellung heraus wird die Bereitwilligkeit zu einem Geschlechtsverkehr, unabhängig von der Frage des Entgeltes, gefördert. Für die Rationalisierung des Geschlechtsverkehrs, wie sie echte Prostitution mit sich bringt, ist die Russin im allgemeinen nicht zu haben. Das bolschewistische Regime hat seinerzeit bereits mit Einführung der bolschewistischen Lebensordnung die Auflösung der in zaristischer Zeit bestehenden Freudenhäuser durchgeführt. Die Gründe für das Vorgehen gegen die Prostitution lagen allgemein in der bolschewistischen Auffassung über Lebensordnung und Moral. Der bolschewistische Staat überließ die mit den Beziehungen der Geschlechter zusammenhängenden Fragen der Ehe und Familie einerseits, sowie des unehelichen Kindes und der Prostitution andererseits – zumindest in der Theorie – weitgehend dem Ermessen jedes einzelnen. 3 Das neue bolschewistische Eherecht, das am 1. 1. 1927 wirksam wurde, brachte die Gleichstellung der registrierten, d. h. vor einer staatlichen Stelle geschlossenen Ehe mit der faktischen Ehe (wilde Ehe oder Konkubinat im bürgerlichen Sinne) und die Leugnung eines rechtlichen Unterschiedes zwischen ehelicher und unehelicher Geburt. Diese Auffassung ließ eine irgendwie scharfe Grenzziehung zwischen Prostitution, Verhältnis und „faktischer Ehe“ nicht mehr zu. Die Prostitution ist nach der bolschewistischen Theorie ein Beweis für die Brüchigkeit der bürgerlichen Lebensordnung und die Verlogenheit der bürgerlichen Moralbegriffe. Die Tatsache des bloßen Geschlechtsverkehrs stand nicht zur Debatte, son-

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dern ausschließlich die Beseitigung einer Schicht von Frauen und Mädchen, die sich dem Berufsleben und damit dem „Aufbau des sozialistischen Staates“ entzogen. Im Zuge der gegen die Prostitution durchgeführten Maßnahmen wurden die Dirnen von den Behörden der inneren Verwaltung, insbesondere dem NKWD, in Lagern zusammengefaßt und zur Arbeit herangezogen. Sie stellten einen nicht unwesentlichen Anteil der Insassen von Zwangsarbeitslagern. Von den Lagern aus wurden die Dirnen, falls sie geschlechtskrank waren, – nach ihrer Ausheilung – in Arbeit vermittelt, wobei sie jedoch unter der Kontrolle der Behörden blieben. Da die für die Prostituierten ausgesuchten Arbeitsstellen zumeist sozial tiefstehend und schlecht bezahlt waren, gaben sich die Frauen in vielen Fällen für die gelegentliche oder nebenberufliche Prostitution hin. Diese nebenberufliche Prostitution war für den Bolschewismus entsprechend seiner Auffassung über Moral ohne jedes Interesse. Trotz der planmäßigen Zerstörung der Begriffe Ehe, Moral und Sittlichkeit kann von einer Verwahrlosung nur bei einem Teil der Bevölkerung und hier wieder besonders in den Städten gesprochen werden. Bei der Landbevölkerung ist größtenteils eine solide kinderreiche Ehe geblieben. Ein Zeichen dafür ist auch, daß die Zahl der Geschlechtskranken nach den Aussagen russischer Ärzte nicht außergewöhnlich hoch war. Die neuerlich von den russischen Gesundheitsämtern getroffenen Feststellungen lassen erkennen, daß in letzter Zeit die Geschlechtskrankheiten, besonders bei Frauen, erheblich zugenommen haben. Beispielsweise hat die venerologische Beratungsstelle der Stadt Smolensk in den letzten 6 Monaten folgende Zugänge gehabt: Gonorrhöe: Januar 29, Februar 35, März 28, April 44, Mai 40, Juni 67; Syphilis: Januar 6, Februar 7, März 2, April –, Mai 6, Juni 6. Eine ähnliche Entwicklung zeigen auch die Behandlungsziffern in Witebsk, Mogilew, Brjansk u. a. Von russischen Fachkreisen wird das Anwachsen der Geschlechtskrankheiten darauf zurückgeführt, daß die Frauen in den meisten Fällen durch deutsche Soldaten angesteckt würden. Dies wird von vielen Wehrmachtsärzten bestätigt. Es würden tatsächlich Geschlechtskrankheiten durch deutsche Soldaten nach Rußland eingeschleppt. Als Ansteckungszentrum sei in vielen Fällen einwandfrei Warschau festgestellt worden. Vereinzelt hätten Soldaten auch aus dem Reich Geschlechtskrankheiten mitgebracht. Das vorstehend geschilderte Anwachsen der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten sowie die sich ergebenden Möglichkeiten gegnerischer Agententätigkeit im täglichen Zusammenleben deutscher Menschen mit russischen Menschen und das damit bedingte Zunichtemachen des erforderlichen Abstandes zu den Menschen des russischen Raumes zeitigen erhebliche Gefahrenmomente. Diesen zu begegnen, ist in verschiedenen Städten die Errichtung von Bordellen für die Wehrmacht in Aussicht genommen. In Mogilew und Gomel sind die Vorbereitungen hierzu fast abgeschlossen. Über die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit gehen allerdings die Meinungen stark auseinander. Vielfach wird bezweifelt, daß öffentliche Häuser und die Unterstellung einer Anzahl von Mädchen unter behördliche Kontrolle einer etwa getarnten Prostitution wirksam Abbruch tun könnten. Hinzu kommt, daß Russinnen, abgesehen von politischen Erwägungen (gegnerische Propaganda) schon aus psychologischen Gründen für Bordelle wenig geeignet erscheinen. Bezeichnend für diese Einstellung sind bekanntgewordene Äußerungen russischer Mädchen, „sie würden sich eher umbringen als in ein Bordell gehen.“ In Anbetracht dieser Sachlage wird mehrfach die Ansicht vertreten, bei Schaffung von Bordellen die Insassen hierfür aus der polnischen Bevölkerung des Generalgouvernements zu holen. C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR Die s.Zt. von der Sicherheitspolizei gegründete Zentralstelle zur Erfassung der verschleppten und mobilisierten Esten hat durch die Angehörigen Angaben über die Anzahl

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der Verschleppten und der Verschleppungsorte feststellen lassen. Auf Grund dieser Daten und auf Grund von Nachrichten aus der Sowjetunion ergibt sich nachfolgender Überblick: Insgesamt sind aus Estland 61168 Personen verschleppt worden. Wenn man die bisher zurückgekehrten Verhafteten, Wehrmachtsangehörigen und Mobilisierten mit etwa 11000 Personen berechnet und hierzu die in Estland Ermordeten 1500 in Betracht zieht, so müssen sich augenblicklich in der Sowjetunion etwa 48 000 Esten aus Estland befinden. Zahlenmäßig befinden sich die meisten Esten im Gebiet des Ural (Swerdlowsk, Irbit, Magnitogorsk, Udmursk, Tscheljabinsk), in Nordrussland (Kirowograd, Kotlas, Petschora, Ust-Ussa), in Südrussland in Starobielsk und in Mittelsibirien in Nowosibirsk und in der Gegend des Baikal-Sees. Diese Daten beruhen grösstenteils auf Angaben, welche vor dem 1.1. 42 zurückliegen. […] Anlage zu den „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ Nr. 18 v. 28. VIII.1942: Standorte und Nachrichtenverbindungen Die den „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ Nr. 15 vom 7. 8. 1942 beigefügte Zusammenstellung ist wie folgt zu berichtigen: 1) Bei Sonderkommando 7a ist das Teilkommando Rshew zu streichen und dafür zu setzen „Olenino und Nikitjo“. 2) Bei Einsatzgruppe D ist der Standort Taganrog zu streichen und dafür zu setzen „Woroschilowsk“, N-Verbindungen: Woroschilowsk. 3) Bei Sonderkommando 10a ist der Standort „Krasnodar“ einzusetzen, N-Verbindungen: Krasnodar. 4) Bei Sonderkommando 10b ist der Standort Feodosia zu streichen und dafür zu setzen „auf dem Marsch“. 5) Bei Einsatzkommando 114 ist der Standort „Maikop“ einzusetzen, N-Verbindungen: Maikop. 6) Bei Einsatzkommando 12 ist der Standort Nowo-Tscherkask zu streichen und dafür zu setzen „Pjatigorsk“, N-Verbindungen: Pjatigorsk. 5 BAB, R 58/698 1 Die geographische Angabe ist falsch. Alle genannten Orte lagen im rückwärtigen Heeresgebiet Mitte und nicht im Generalkommissariat Weißruthenien. 2 Gemeint ist das Kaukasusvorland. 3 Vgl. Wendy Z. Goldman: Women, the State and Revolution. Soviet Family Policy and Social Life 1917–1936, Cambridge 1993; Hildermeier: Geschichte der Sowjetunion 1917–1991, S. 550–553. 4 Mit der Umwidmung des bisherigen SK 11b zum neuen KdS Taurien verwandelte sich das bisherige SK 11a in das neue EK 11. 5 Damit war die EG D mit all ihren Kdos. unterwegs in Richtung Kaukasus.

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

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Berlin, den 4. IX. 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 19 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandenunwesen: Litauen: Am 25. 8. 1942 überfiel eine mehrköpfige bewaffnete Bande den litauischen Polizeiposten Kluczany und ermordete zwei auf Streife befindliche litauische Polizisten. Darauf zündeten die Banditen das Polizeigebäude an. Zum Tatort wurden sofort das in Schwenciany eingesetzte Sonderkommando und ein motorisierter Gendarmeriezug in Marsch gesetzt. Die Fahndung nach den Tätern, die offenbar auch die 5 km nördlich von Kluczany gelegene Eisenbahnbrücke in Brand gesetzt und den litauischen Posten erschossen hatten, ist mit allen Mitteln aufgenommen. Weissruthenien: Auf Grund sicherheitspolizeilicher Erkundungsmeldungen aus Baranowicze wurde am 22. 8. nordwestlich Slonim von Kräften der Ordnungspolizei eine Teilaktion zur Bandenbekämpfung durchgeführt.1 Die sicherheitspolizeilichen Kräfte führten während der Aktion die Erkundung fort und hatten mehrfach Feindberührung. Es gelang ihnen u. a., Teile bewaffneter Judentrupps gefangenzunehmen. Die sofortige Vernehmung ergab wichtige Aufklärung über Stärke, Bewaffnung und Bewegung der Banden. In einem Gefecht von etwa 6 Stunden Dauer sind nach bisherigen Feststellungen 200 Banditen, davon die Hälfte Juden, erschossen worden. Ausser einigen Verwundeten sind auf deutscher Seite 4 Gendarmeriebeamte und 1 Angehöriger der lettischen Schutzmannschaft gefallen. Zwei grössere, gut getarnte Bandenlager, gegen die der Angriff durch die günstige Lage sehr erschwert war, wurden ausgehoben. Im mittleren Frontabschnitt 2 wurden verschiedentlich Überfälle von Banden durchgeführt, bei denen es auch zu Gefechtsberührungen kam. So wurde das in der Gemeinde Machowo liegende Dorf Kajasowka am 19. 8. abends von Banden umstellt und bis zum anderen Morgen beschossen. 2 OD-Männer und 1 Agronom wurden erschossen. 1 Gruppe von 30 Mann und 5 Anführern überfiel das in derselben Gemeinde liegende Dorf Kostenka. Dort wurden der Dorfälteste und 2 Landeseinwohner umgebracht. Offenbar die gleiche Gruppe durchzog plündernd das Dorf Dubinka. Am 15. 8. 1942 überfielen 7 Banditen das Dorf Machowo, töteten einen OD-Angehörigen und brannten mehrere Häuser und Scheunen von OD-Angehörigen nieder. Am 18. 8. 1942 zeigte sich im Dorf Beresowka eine mit automatischen Waffen und Fahrrädern ausgerüstete Bande, die in der Ortschaft Propaganda trieb. Sie erinnerte an die Rede Stalins vom 1. Mai und forderte zum Widerstand auf, da die deutsche Armee schwer verwundet und bald tot, die Rote Armee im Angriff sei. Berittene Banden überfielen in der Nacht zum 16. 8. 1942 das Dorf Fedotzowo und erpressten unter Waffengewalt Brot, Kartoffeln und Kleidungsstücke. Nach Meldungen aus Gamarnja drangen dort etwa 100 gut bewaffnete Banditen aus der Gegend von Tschingerinki in den Ort ein, raubten Pferde, Kühe, Schweine und Schafe und entfernten sich in der gleichen Richtung. Ukraine: In Dymer, Kdr.-Bereich Kiew, wurden 3 weitere Personen festgenommen, die zu einer von der Gendarmerie bereits zerschlagenen und aufgeriebenen Bande gehörten. Sie hatten die Absicht, sich durch die Front zur Roten Armee durchzuschlagen. Nach Berichten aus Luboml ist die Bandentätigkeit nur noch gering. Es waren lediglich einige kleinere

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Überfälle, die der eigenen Versorgung mit Lebensmitteln und Kleidung dienten, zu verzeichnen. 15 Banditen konnten festgenommen oder erschossen werden. Aus dem Kdr.-Bereich Shitomir werden in der Berichtszeit 35 Fälle des Auftretens von Banden gemeldet. U. a. wurden Gendarmerie-, Polizeistreifen und Kurierwachen, 1 OTBautrupp, 1 Flugplatz bei Kosinki, deutsche, slowakische und litauische Posten und Feldwachen überfallen, hölzerne Eisenbahnbrücken verbrannt, 2 Fernsprechleitungen durchschnitten, Pferde, Gespanne und Lebensmittel geraubt. Am 10. 8. 1942 wurde westlich von Olewsk ein 30 Mann starker, in einem Eisenbahnzug untergebrachter OT-Bautrupp überfallen. 17 OT-Männer und 3 Ukrainerinnen wurden getötet. Am 11. 8. 1942 wurde eine Streife bei Balajki (Geb. Jelsk) überfallen und 4 Wachtmeister erschossen. Am 13. 8. 1942 kam es bei Rudnja-Walawskaja zu einem Gefecht mit einer 150–200 Mann starken Bande. Ein Oberleutnant der Schutzpolizei fiel im Kampf; die Bande hatte 18–20 Tote und eine Anzahl Verletzte. Sie wurde restlos gesprengt. Am 6. 8. 1942 entstand auf dem Flugplatz Süd in Shitomir ein Feuerwechsel zwischen einer slowakischen Wache und 5–7 Banditen. 2 Tage später überfielen Banditen den Flugplatz Kosinki. Slowakische Wehrmachtsteile sichteten am 5. 8. 1942 eine 600–1000-köpfige Bande bei Karowotitschi. Bei ihrer Bekämpfung wurden 56 Banditen und ein Fallschirmspringer erschossen oder festgenommen. Im Kdr.-Bereich Tschernigow wurde in 6 Fällen das Auftreten von Banden festgestellt. 9 Banditen sowie 125 Personen, die verdächtig waren, mit Banden in Verbindung zu stehen (darunter 9 Juden und 7 Zigeuner) wurden gestellt. Das Dorf Berjoska wurde wegen Beherbergung von Räuberbanden durch ungarische Truppen niedergebrannt und die Bevölkerung sonderbehandelt. In dem Gebiet nördlich von Nowo-Rord–Siewersk, in dem Banden eine Ortschaft mehrere Tage besetzt hielten, haben deutsche und ungarische Truppen zu einer Säuberungsaktion angesetzt. In Griewka nahm eine Räuberbande 3 Angehörige der Hilfspolizei gefangen, von denen einer flüchten konnte. Die beiden anderen wurden 10 Tage später mit abgehackten Händen und Köpfen in der Nähe von Kulikowka aufgefunden. In den Rayons Cholmy, Korjukowka und Ponorniza wurden mehrere Ortschaften von Räuberbanden in Stärke von mehr als 1000 Mann besetzt und zerstört, die Bewohner umgebracht. Gegenwärtig finden Kämpfe statt, deren Ergebnis noch aussteht. Der Rayon Konotop, der benachbarte Bezirk von Gluchowo sowie das Gebiet Putiwl werden fast vollständig von Räuberbanden beherrscht. Im Waldgebiet von Dubowitschi und Tuligolowa wurde eine 800 Mann starke Räuberbande, darunter Juden, Frauen und Kinder, festgestellt. Die Räuber verfügten über Maschinengewehre und Granatwerfer. Mit einem bei Dubowitschi angesetzten, aus Angehörigen der Wehrmacht, GFP und Miliz bestehenden Stosstrupp kam es zu einem längeren Gefecht, in dessen Verlauf sich die deutschen Kräfte als zu schwach erwiesen und der Kampf abgebrochen werden musste. Die eigenen Verluste betragen 45 Tote und 12 Verwundete. In dem südwestlichen Teil des Kreises Gluchowoo, der noch vollständig von Räubern besetzt ist, wurde jegliche landwirtschaftliche Arbeit unmöglich gemacht. Es kam zu zahlreichen Erntesabotagefällen, die beträchtliche Ausfälle hervorriefen. Zur Überprüfung der Bevölkerung in dem bandenverseuchten Gebiet um Ratno wurde nm 11. 8. 42 eine als Bande getarnte Sicherheitsschutzmannschaft, die vornehmlich sowjetrussische Uniformen trug und mit den verschiedensten Waffen ausgestattet war, zu „Überfällen“ auf die Dörfer Staroseim und Konisze angesetzt. Die Bevölkerung zeigte der „Bande“ gegenüber ein unterwürfiges Verhalten, sprach ihren Anführer mit „Genosse Leutnant“ an und fragte besorgt, ob auch Wachen ausgestellt seien. Ein Ukrainer bot sich bereitwilligst als Helfer an, machte Angaben über die Stärke der Polizeikräfte und stellte

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sich insbesondere für künftige Nachrichtenübermittlung zur Verfügung. Eine Frau gab an, daß ihre Leute durch die Mitarbeit von 2 Milizmännern in Ratno über die dortigen Vorgänge auf dem Laufenden seien. Der Bürgermeister erklärte, er habe schon öfter Banden beherbergt. 3 Personen, die angeführte Frau sowie 7 Juden wurden der Sonderbehandlung zugeführt. Nach Abschluss der Aktion wurde in propagandistisch geeigneter Weise die Bevölkerung zur Widerstandsleistung gegen die Banden aufgerufen. Die psychologische und propagandistische Wirkung dieser Aktion war offensichtlich stark. […] B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung in Lettland: Die allgemeine Lage und Stimmung in Lettland war in den letzten Wochen stärkstens abhängig von vorwiegend wirtschaftlichen Fragen, während die politischen und militärischen Geschehnisse etwas in den Hintergrund traten. Im Vordergrund des Interesses standen Fragen der Landwirtschaft (zumal die landwirtschaftlichen Arbeiten vor Erntebeginn durch die ungünstigen Witterungsverhältnisse stark beeinträchtigt waren) sowie der allgemeine Mangel an Arbeitskräften und behördliche Maßnahmen der Zivilverwaltung. Den Berichten zufolge ist die Arbeitslust der lettischen Bauern in letzter Zeit stark zurückgegangen. Die Ursache hierfür liegt hauptsächlich in den unbefriedigenden Preisverhältnissen. Infolge der allzu niedrig festgesetzten Preise für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse hat der Bauer, dessen Selbstkosten in der letzten Zeit sich bedeutend gesteigert haben, kaum mehr die Möglichkeit, seinen Betrieb rentabel zu gestalten. Seinerzeit wurden durch die Abteilung Landwirtschaft des Generalkommissars die Preise für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse in Lettland auf 60 % der im Reich geltenden Preise festgelegt. Zur Erhaltung der landwirtschaftlichen Erzeugungskraft wird eine gewisse Erhöhung der Preise für die Ernteerzeugnisse von seiten der Bauern für unbedingt notwendig gehalten. Die bei den Bauern in letzter Zeit durchgeführten Nachprüfungen, ob sie ihrer Belieferungsfrist ordnungsgemäß nachgekommen sind, haben ebenfalls in der bäuerlichen Bevölkerung eine sich stetig verstärkende Ablehnung gegenüber deutschen Dienststellen hervorgerufen. Besonders die Tätigkeit der Kreislandwirte hat Unzufriedenheit erregt, weil sie häufig selbst die Hausdurchsuchungen leiten und auch Strafen verhängen, ohne zu berücksichtigen, ob der Bauer, bei dem Lebensmittel und Getreide gefunden wurden, sein Abgabekontingent bereits erfüllt hat. Ein weiterer Umstand, der sich in der Landbevölkerung stimmungsmäßig äußerst schlecht auswirkt, ist der in letzter Zeit einsetzende Abzug von Kriegsgefangenen. So sind aus dem Gebiet Wolmar 4200 Kriegsgefangene herausgezogen worden. Aus dem Kreis Jakobstadt sind sämtliche Kriegsgefangenen abgezogen worden. Diese Maßnahme hat in der Bevölkerung lebhaften Unwillen hervorgerufen, zumal die Bauern die Kriegsgefangenen so lange durchgefüttert haben und ihnen teilweise sogar ihre eigenen Kleider gegeben haben, nur um bei der Ernte einsatzfähige Arbeitskräfte zu haben. Hinzu kommt noch, daß von den verschiedensten Dienststellen Leute aus den Gemeinden zu Arbeiten herangezogen wurden ohne Rücksicht darauf, ob sie tatsächlich entbehrlich sind. In der Bevölkerung wurden häufig Äußerungen laut, wie z. B.: „Jetzt nehmen sie uns auch noch die letzten Arbeitskräfte weg, aber im Herbst kommen sie wieder und wollen von uns die Ernte haben.“ Neben den Sorgen und Nöten der Landwirte treten die Sorgen der Arbeiter und Arbeitsämter verstärkt in den Vordergrund. Da der Arbeitermangel überall in Lettland geradezu katastrophal geworden ist, hat das lettische Direktorium des Innern und der Wirtschaft die Arbeitspflicht für die Brennstoffversorgung der Städte verfügt. Gemäß dieser Ver-

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fügung werden seit Mitte Juli durch die Organe der lettischen Selbstverwaltung lettische Gefolgschaftsmitglieder aus verschiedenen Betrieben, Kontoren und Behörden für die Zeit von 6 Wochen für den Holzschlag verpflichtet. Die Auswirkung dieser Maßnahme könne im allgemeinen als positiv bezeichnet werden. Weiter wirkt sich günstig aus, daß – im Gegensatz zu den Dienstverpflichtungen des Arbeitsamtes – Ausgleichsgehälter gezahlt werden. Die neuerliche Werbungsaktion des RAD 3 muß den Berichten zufolge infolge des Arbeitermangels als gescheitert angesehen werden und hat darüber hinaus auf dem Lande starke Unruhe hervorgerufen. Bei der Bevölkerung entstand vielfach der Eindruck, daß eine Zwangswerbung bevorstehe. Zum zweiten Aufruf des RAD meldeten sich in ganz Lettland knapp 500 Jugendliche. Der Mißerfolg der RAD-Werbung wird z. T. darauf zurückgeführt, daß die augenblicklich in Deutschland weilenden Notdienstverpflichteten immer wieder über ihre Lage und Behandlung Klage führten. Als ein sehr brennendes Problem in der Arbeiterfrage wird die noch immer ungelöste Frage der Urlaubsberechtigung der notdienstverpflichteten lettischen Arbeiter bezeichnet. So sind z. B. in Libau seit August des vergangenen Jahres bei Wehrmachtsdienststellen zahlreiche Arbeiter beschäftigt, die seinerzeit für 6 bis 8 Wochen verpflichtet worden sind. Durch die Weiterführung und Vergrößerung der Bauaufgaben wurden diese Arbeiter weiter verpflichtet und stehen bis zum heutigen Tage im gleichen Arbeitsverhältnis: Bisher ist ihnen immer nur von Fall zu Fall Urlaub zum Besuch der Familie gewährt worden. Eine zusätzliche Regelung des Urlaubsanspruchs besteht z. Zt. nicht. Die auf Urlaub geschickten Arbeiter haben daher vielfach ihren Urlaub eigenmächtig verlängert, so daß als Folge unerfreuliche Auseinandersetzungen bei den Beschäftigungsstellen stattfanden. In Kreisen der lettischen Intelligenz wird die politische Zukunftsgestaltung des Landes nach wie vor in den verschiedensten Richtungen erörtert, ohne daß man sich klare Vorstellungen machen kann. Nach den hier vorliegenden Meldungen hat auch die kürzlich vom Führer gestiftete „Tapferkeits- und Verdienstauszeichnung für Angehörige der Ostvölker“ neuen Anlaß zur Unzufriedenheit gegeben. Die Letten folgern daraus, daß sie jetzt nicht mehr die deutschen Kriegsauszeichnungen erhalten sollen, nachdem zuvor in einigen wenigen Fällen lettischen Freiwilligen das EK II verliehen worden ist. Man behauptet, daß damit ein Strich gezogen werden soll zwischen den Deutschen einerseits und den übrigen Völkern Europas andererseits. Die anderen Völker können, ähnlich wie früher die Farbigen für Frankreich und England, ihr Blut vergießen, können aber nicht die gleichen Auszeichnungen erhalten wie der deutsche Soldat. Ohne Unterlaß werden immer wieder Stimmen des Protestes hörbar über die ungleichen Lebensmittelrationen, die der einheimischen Bevölkerung einerseits und der deutschen Bevölkerung andererseits zugeteilt werden (Die Fleischration für die Deutschen beträgt 800 gr, für die Letten 250 gr in der Woche). Den Gerüchten zufolge soll auf Grund eines schwedischen Vorschlages die Gründung eines „Nordischen Staatenbundes“, bestehend aus Schweden, Norwegen, Finnland, Dänemark, Estland, Lettland, Litauen und Holland, erwogen werden. Diesen und ähnlichen Gerüchten wird in der Bevölkerung vielfach Glauben geschenkt. […] Allgemeine Lage und Stimmung in Estland: In der allgemeinen Situation war bis Mitte Monat August keine Verbesserung der Einstellung der estnischen Bevölkerung gegenüber den Deutschen festzustellen. Klagen und Kritik über eine angeblich ungerechte Behandlung der Esten hielten an. Namentlich auf dem wirtschaftlichen Gebiet beschwerte man sich über eine ständige Übervorteilung durch deutsche Institutionen, z. B. Monopolgesellschaften, deren Tätigkeit im Widerspruch zu der auf politischem Gebiet eingehalte-

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nen Linie stehe. Immer wieder tauchten Gerüchte auf, daß sämtliche Bedarfsgüter und Waren in das Reich verschleppt würden. Auf der Insel Ösel kursierte beispielsweise folgender Spottvers: „Deutschland, Deutschland nimm nicht alles, lass’ uns noch ein Stückchen Brot!“ In städtischen Intelligenzkreisen war, bedingt durch politische Erwägungen, die Stimmung sehr niedergeschlagen. Die Erkenntnis, daß Estland mit einer Selbständigkeit nicht mehr zu rechnen habe, greift immer weiter um sich. Zum Teil ist man in diesen Kreisen anglophil eingestellt und erhofft, entgegen der sonst recht verbreiteten Ablehnung der angelsächsischen Mächte, von seiten Englands die Wiederherstellung des alten Freistaates. Deutschfreundliche estnische Kreise sind der Ansicht, daß etwa 80 % des Volkes z. Zt. dem deutschen Volk gleichgültig gegenüberstünden. Eine teilweise günstige Beeinflussung der Stimmung haben die Aussichten auf eine gute Ernte und damit auf eine Verbesserung der Lebensbedingungen ausgelöst. Obwohl Mangel an menschlichen und tierischen Arbeitskräften sowie an Treibstoff hier gewisse Schwierigkeiten mit sich zu bringen droht, gibt der gute Stand der Felder Anlaß zu entsprechenden Hoffnungen. Sehr belebend wirkten die großen Erfolge der deutschen Truppen auf allen Kriegsschauplätzen, besonders im Kaukasus, auf die Stimmung ein. Die in aneinanderschließender Folge laufend abgehaltenen Befreiungsfeiern, die z. Zt. hauptsächlich in Mittel- und Nordostestland stattfinden, haben wesentlich zur Steigerung der Einsatzfreudigkeit der Bevölkerung beigetragen. Der am 28. 8. 42 durchgeführte Befreiungstag von Reval, verbunden mit Festgottesdiensten und Kranzniederlegungen an den Gräbern der Gefallenen, sowie eine Großkundgebung auf dem Freiheitsplatz haben nach estnischen Aussagen eine ungemein rege Beteiligung erlebt und in weiten Kreisen der estnischen Bevölkerung positiven Anklang gefunden. Immer wieder waren im Volke Äußerungen zu hören, die diese Veranstaltung mit ähnlichen Feiern aus der bolschewistischen Zeit vergleichen. So wurde z. B. die rege Beteiligung auf die Freiwilligkeit der Teilnahme zurückgeführt. Die Rede des Generalkommissars hat stärksten Widerhall in der Bevölkerung gefunden. Sein Stand inmitten der Volksmenge ohne weiteren Schutz wurde hierbei allgemein lebhaft und günstig besprochen. Besonderen Eindruck hat die Ankündigung der Aufstellung einer estnischen Legion 4 gemacht. Schon während des Auseinandergehens nach der Versammlung waren Bemerkungen zu hören, die mit Stolz darauf hinwiesen, daß Estland das erste der baltischen Länder sei, dem diese Auszeichnung zuteil werde. Auch die Angliederung an die Waffen-SS wird als Ausdruck der Anerkennung der rassischen Qualität des Volkes angesehen. Die überaus günstigen Auswirkungen der Kundgebung ließen sich noch später an der aufgeschlossenen Haltung der Bevölkerung feststellen. […] Propagandawesen und Führungsmittel in Ingermanland: Der Einfluss der deutschen Propaganda in Ingermanland durch Ausstellungen, Filmveranstaltungen, Rundfunkübertragungen, Lautsprecherwageneinsatz, Vertrieb von Zeitungen sowie die Verbreitung zahlreichen anderen Propagandamaterials hat der sowjetischen Propaganda viel Abbruch getan. Flüster- und Bandenparolen haben fast ganz aufgehört. Die Veranstaltungen der Propagandastaffel werden zu 90 % von Frauen und Kindern besucht. Diese Tatsache dürfte auch die Art der Propaganda dahingehend bestimmen, dass diese sich vorwiegend an die Frauen wendet. Recht ungünstig wurde ein angeblicher Befehl deutscher Führungsstellen aufgenommen, wonach die Bevölkerung alle Offiziere der deutschen Wehrmacht ausserhalb der Stadtgrenzen zu grüssen habe, die Männer durch Entblössen und die Frauen durch Neigen des Kopfes. Die Bevölkerung will hierin die Herausstellung des deutschen Herrentums erblicken, die die These „Der deutsche Soldat kommt als Befreier

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und Freund des russischen Volkes“ illusorisch mache. Die Versorgung der Bevölkerung mit Zeitungen ist bisher noch nicht befriedigend. In weit entlegenen Dörfern kommen meist nur vereinzelte und schon alte Zeitungen zur Verteilung, um die sich die Einwohner buchstäblich reissen. In einigen Gebieten, z. B. in Chredjino haben die Ortskommandanturen sich dieser Frage angenommen. In Chredjino werden wöchentlich 4000 Zeitungen bezw. Zeitschriften verteilt; ausserdem halten die Dorfältesten auf jeder Versammlung einen Vortrag über die Bedeutung dieses Krieges und über die neuesten militärischen Erfolge der Achsenstreitkräfte. In den Bezirken mit eigenen Stromquellen wurden Rundfunknetzanschlußgeräte ausgegeben. Die Sendezeiten der deutschen Nachrichten in russischer Sprache um 12–12.15 Uhr und 17.45–18 Uhr liegen jedoch sehr ungünstig, da die Bevölkerung zu dieser Zeit noch beschäftigt ist und auch die Betriebe erst um 18 Uhr Feierabend machen. Deutsche Propaganda: Durch die rege Tätigkeit der Propagandastaffel hat die deutsche Propaganda in Ingermanland einen Auftrieb erfahren. In vielen Fällen lässt die Propaganda noch eine gewisse Uneinheitlichkeit erkennen. Am sichtbarsten zeigt sich dies in der Presse- und Plakatpropaganda. Die in Berlin gedruckte Zeitung „Nowoje Slowo“ entwickelt des öfteren eine Tendenz, die von der ingermanländischen russischen Bevölkerung nicht vorbehaltlos zur Kenntnis genommen wird. In dieser Zeitung wird alles verworfen, was mit dem Leben Russlands seit 1917 in Zusammenhang gebracht werden kann. Aus verschiedenen Artikeln der letzten Nummern geht hervor, dass man nur wünschen könne, dass einmal wieder eine zaristische Zeit für Russland anbreche. Ferner werden von der Presse häufig Redewendungen gebraucht wie z. B.: „Die deutschen Truppen besetzten nach verbissenem Kampf die Stadt X, und sogleich begann das freudvolle und glückliche Leben der Bevölkerung, die über ihre Befreiung vom Bolschewismus aufjubelte und das Glück kaum fassen konnte.“ Von den örtlichen Russen wird diese Darstellung als zu optimistisch kritisiert, da sie die schweren und harten Lebensbedingungen in den zerschossenen Städten während und nach den Kampfhandlungen aus eigener Erfahrung kennen. Die Bevölkerung spricht diesen Zeitungen auf die Dauer jegliche Objektivität ab und betrachtet sie lediglich als Propagandamittel. Die Plakatpropaganda weist ebenfalls Mängel auf, die ihre Wirksamkeit stark beeinträchtigten. Z. B. wird auf einem gut gelungenen Plakat das Leben des deutschen Arbeiters in Wort und Bild ausführlich behandelt: Sonnige Arbeitsstätten, Freizeitgestaltung, Eigenheim usw. Genau die gleiche Darstellung wurde aber von den Bolschewisten immer wieder mit besonderer Sorgfalt herausgestellt. Da die Bevölkerung aber selbst Gelegenheit hatte, sich von den gegebenen Tatsachen zu überzeugen, wurden sowohl die bolschewistischen als auch nunmehr die deutschen Plakate mit Gleichgültigkeit betrachtet und als Bluff bezeichnet. In Arbeiterkreisen findet diese Propagandaform etwa die Entgegnung: „Was nützen uns alle diese phantastischen Schilderungen des deutschen Arbeiters oder Bauern, wenn wir hier verhungern müssen!“ Aus Gegnerkreisen wird zu dieser Propagandaart geäussert, dass der russische Arbeiter mit seiner Arbeitskraft dazu ausersehen sei, dem deutschen Arbeiter, der heute in seiner Mehrzahl an den Fronten stehe, nach Beendigung des Krieges das auf den Plakaten gezeigte Leben zu ermöglichen. Die Briefe der im Reich beschäftigten Russen haben durchweg eine positive Wirkung erzielt. In den Briefen äussern sich die russischen Arbeiter sehr anerkennend über ihre Behandlung und Unterbringung im Reich. Die Veröffentlichung dieser Briefe zusammen mit guten Bildern von den deutschen Arbeitsstätten usw. wird als ein gutes Hilfsmittel gegen die kommunistische Propaganda bezeichnet. BAB, R 58/222

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1 Damit findet ein erster Einsatz im Rahmen des Großunternehmens „Sumpffieber“ Erwähnung, das zwischen dem 22. 8. u. dem 21. 9. in mehreren Teilunternehmen im Generalkommissariat Weißruthenien gegen die kontinuierlich stärker auftretende Partisanenbewegung organisiert wurde. Eingesetzt wurden dabei unter der Leitung von HSSPF Jeckeln neben zwei Batl. der Ordnungspolizei auch die 1. SSInf.Brig., insgesamt 7 Schutzmannschaftsbatl. sowie umfangreiche Kräfte der Sicherheitspolizei, die damit intensiv in die „Partisanenbekämpfung“ eingebunden war; vgl. Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 899; Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 252–256; Wolfgang Curilla: Die deutsche Ordnungspolizei und der Holocaust im Baltikum und in Weißrußland 1941–1944, Paderborn u. a. 2006, S. 712. 2 Also das der EG B unterstehende Territorium. 3 Reichsarbeitsdienst. 4 Daraus entstand 1944 die 20. Waffen-Grenadier-Division (estnische Nr. 1) der Waffen-SS; vgl. Müller: An der Seite der Wehrmacht, S. 156–166.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 11. IX. 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 20 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandenunwesen: Litauen: Eine interessante Feststellung konnte nach einem Gefecht gegen Banden bei Nowosokolaiki getroffen werden. Aus der Vernehmung von Gefangenen ergab sich, daß sogar Bandenverbände aus Rotspanien aufgestellt und unter rotspanischer Führung im dortigen Gebiet eingesetzt sind. Tatsächlich wurden auch gefallene Spanier aufgefunden.1 Weissruthenien: Eine besondere Aktivität der Banden ist nach wie vor im weissruthenischen Raum festzustellen. Aus allen Teilen dieses Gebietes liegen Meldungen über Bandenüberfälle vor, bei denen vereinzelt OD-Männer, Bürgermeister, Förster und deutsche Wehrmachtsangehörige erschossen und Lebensmittel, Viehherden und Bekleidungsstücke geraubt wurden. Vielfach wurden die geplünderten Gehöfte in Brand gesetzt, wobei gegenüber der zurückgebliebenen Bevölkerung erklärt wurde, „daß der Feind zurückgehe und die Bevölkerung mithelfen müsse, den Feind zu schlagen“. Nördlich Witebsk wurde eine Bande festgestellt, deren Aufgabe hauptsächlich in der Störung der Ernteeinbringung liegt. Am 11. 8. 1942 wurde der Wehrmachtsstützpunkt Saronowo bei Witebsk von OD-Angehörigen überfallen, wobei zwei Soldaten getötet wurden. Der Stützpunkt war mit 4 Wehrmachtsangehörigen und 21 OD-Männern besetzt. Diese hatten sich freiwillig gemeldet und waren von der Wehrmacht unter Führung des Russen Grigoriew ausgebildet worden. Der Überfall setzte gegen 22 Uhr schlagartig unter Anführung des G. ein, der mit einem kleinen Kreis der OD-Männer den Anschlag vorbereitet hatte. Der Aufenthaltsraum der deutschen Stützpunktbesatzung wurde mit MG- und Gewehrfeuer belegt und die restlichen OD-Männer mit Gewehren in Schach gehalten. G. ist mit seinen Anhängern unter Mitnahme sämtlicher Waffen und Ausrüstungsgegenstände zu einer Bande übergelaufen. Ein Teil der zwangsweise verschleppten OD-Männer ist nach gelungener Flucht wieder zurückgekehrt. Bei verschiedenen Aktionen gegen Banden fand die bereits mehrfach gemachte Feststellung ihre Bestätigung, daß die Banden bevorzugt halbwüchsige Burschen und Mädchen zu Erkundungszwecken einsetzen. Zur Tarnung führen dieselben regelmäßig einen Korb mit Kleidungsstücken oder Tabak bei sich, um bei evtl. Kon-

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trollen beweiskräftig angeben zu können, diese Gegenstände gegen Lebensmittel eintauschen zu wollen. Ukraine: Stärkere Aktivität der Banden wird auch aus der Ukraine gemeldet. Im Kdr.Bereich Stalino hatten die Banden sogar während eines Gefechtes mit einem Polizeibataillon drei Flugzeuge eingesetzt. Im gleichen Gebiet hatte ein aus der deutschen Kriegsgefangenschaft entflohener sowjetischer Leutnant der Luftwaffe eine Bande angeworben und hierbei auch Frauen zu Erkundungszwecken eingesetzt. In einem Fall wurde einfliegenden russischen Flugzeugen von einer Frau durch Leuchtzeichen die Lage eines deutschen Feldflughafens angegeben. Im Rahmen einer Erkundungsaktion drangen 10 als Banditen verkleidete Schutzmänner in Alexandrowka ein und wurden von einem polnischen Landwirt äusserst herzlich aufgenommen. Er erklärte, daß er dafür sorge, daß die Deutschen aus seinem Dorf keine Lebensmittel erhalten. Er wollte der vermeintlichen Bande den deutschen Bürgermeister heranholen, damit sie ihn „totschlagen“ könne. Der Pole wurde sonderbehandelt. Auch in diesem Gebiet erwiesen sich die Milizmänner vereinzelt als unzuverlässig. So mussten in Korosten 4 Milizmänner wegen Zugehörigkeit zu einer Bandengruppe festgenommen werden.2 Im Kdr.-Bereich Shitomir ist die Bandentätigkeit auch weiterhin sehr stark. Insgesamt wurden in der letzten Woche 61 Bandenüberfälle gemeldet, wobei 8 Polizeibeamte, 15 Schutzmänner, 1 Bürgermeister und seine Ehefrau, ein Starost und 6 Zivilpersonen getötet sowie 1 Soldat, 6 Schutzmänner, 1 Bürgermeister und 1 Starost verwundet wurden. 121 Banditen und Bandenverdächtige wurden sonderbehandelt. Ferner wurden 2 Eisenbahnanschläge durch Herausreissen der Schienen und Minenlegung verübt, drei Holzbrücken verbrannt, zwei Brückenposten und Wachen, eine Polizeistreife, zwei Staatsgüter und 4 Ortschaften überfallen, wobei in einem Falle die gesamte deutschfreundliche Bevölkerung erschossen wurde. Zwei Molkereien wurden zerstört, ein Sägewerk und eine Schule niedergebrannt, eine Gemeindekasse beraubt und 28 weitere Überfälle zur Versorgung der Banden mit Lebensmitteln und Kleidung ausgeführt. Bei diesen Überfällen sind zwei Bürgermeister, 1 Lehrer sowie die Ehefrau und 5 Kinder eines Starosten ermordet, 1 Bürgermeister, 1 Gemeindesekretär und 1 Förster verschleppt worden. Bei der Bekämpfung dieser Banden konnten 103 Banditen und 3 Fallschirmspringer erschossen, zwei weitere festgenommen werden. Eine Bande von etwa 100 Mann überfiel bei Borschewka-Oberok die dortige Schutzmannschaft, wobei 12 Schutzmänner und 3 Zivilpersonen fielen. 4 Schutzmänner wurden verwundet und 4 Banditen im Kampf getötet. Bei Kopzewicze wurde der Stab eines slowakischen Infanterieregiments überfallen; Verluste sind nicht entstanden. Am selben Tage landete in der gleichen Gegend ein Sowjetflugzeug 8 Fallschirmspringer. In der Nähe der Landungsstelle wurden 10 Personen, die Waffen und Radiogeräte im Besitz hatten und mit den Banden in Verbindung standen, sonderbehandelt. Bei Jelsk wurde von einer etwa 300 Mann starken Bande ein Ort umstellt, die sieben ukrainischen Schutzmänner nach Abnahme der Waffen und Armbinden sowie deren Angehörige erschossen. Aus dem Kdr.-Bereich Tschernigow werden 5 Fälle des Auftretens von Banden gemeldet. 50 Räuber und Banditen wurden festgenommen. Der Bürgermeister von Chibalow und mehrere seiner Mitarbeiter standen mit einer Bande in Verbindung und hatten im vergangenen Winter in Chibalow eine Küche und Verpflegungsstelle eingerichtet, um durchziehende Banden zu beherbergen und zu verpflegen. Drei der Festgenommenen wurden als frühere Angehörige eines Vernichtungsbatl. festgestellt. Von Krementschug 3 aus wurden die bandenverdächtigen Rayons Chilschitschijapol und Seredina-Buda sicherheitspolizei-

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lich überholt. Dabei wurden 3 Politruks, 36 alte Parteifunktionäre und 28 NKWD-Mitarbeiter festgenommen und sonderbehandelt. Im Kdr.-Bereich Simferopol sind im Monat August bei verschiedenen Aktionen rumänischer Einheiten gegen Bandengruppen im Jaila-Gebirge 342 Banditen erschossen und 80 gefangengenommen worden. Mehrere Bandenführer haben Ende Juli die Krim in Richtung Kaukasus verlassen. Der Lebensmittelmangel veranlasste die Banden einerseits zu Überfällen auf Gebirgsdörfer, andererseits zur Organisation der Abwanderung in das Flachland, um hier Verbindung mit anderen Gruppen aufnehmen zu können. Nördlicher Kaukasus: Im Gebiet des nördlichen Kaukasus ist eine besondere Aktivität der Banden bisher noch nicht festzustellen. Jedoch konnten bereits 1 Gruppe von etwa 70 Mann in Kingora und zwei Gruppen mit 80 bezw. 140 Mann bei Kislowodsk ermittelt werden. Das Einsatzkommando der Sicherheitspolizei und des SD ist dazu übergegangen, in den Gebirgsorten wehrfähige Männer zur Abwehr der Bandengefahr zu bewaffnen. […] B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung im weißruthenischen Raum: Nach den vorliegenden Meldungen ist es bezeichnend für die vollkommen indifferente furchtsame Haltung und Stimmung der breiteren Bevölkerungsschichten, daß die jüngsten Erfolge der deutschen Wehrmacht im Südabschnitt der Ostfront auch nicht die geringste Stimmungsverbesserung haben herbeiführen können. Außer der Partisanenfrage steht die breite Masse der weißruthenischen Bevölkerung allen politischen Geschehnissen außerhalb ihres Lebensbereiches völlig apathisch gegenüber. Man lebt von Tag zu Tag nur seine eigenen persönlichen Sorgen. Die Gedanken kreisen mit einer unverständlichen Sturheit lediglich um Partisanen, Lebensmittel und Sachgüter unter der Devise: „Nach keiner Seite hin auffallen“. Die eine gewisse Zeit nach der Besetzung des weißruthenischen Raumes in der Bevölkerung noch sehr häufig vorgefundene Überzeugung, daß Deutschland, wenn auch unter schwierigen Verhältnissen, doch den Endsieg erringen werde, ist heute, abgesehen von wenigen Ausnahmen, nicht mehr vorhanden. Zudem war die deutsche Propaganda wiederum nicht in der Lage, die großen Siege an der Südfront4 in Breite und Tiefe entsprechend auszuwerten, ganz abgesehen davon, daß die Propaganda gegen die vorhandene Partisanen-„Macht“ keine besondere Wirkung zeitigte. Diesem gegenüber steht überlegen die raffiniert arbeitende gegnerische Propaganda, die es gerade bis in die letzte Zeit hinein verstanden hat, die Bevölkerung weitgehend mit einer außerordentlich intensiven und geschickten Flüsterpropaganda zu beeinflussen. Kennzeichnend für die Stimmungslabilität der breiten Masse ist auch die Tatsache einer allgemeinen Geldhortung, und zwar sammelt die Bevölkerung das Geld zur Hälfte in Sowjetrubelscheinen und zur Hälfte in Reichskreditkassennoten, denn „wer weiß, ob und wann die Kommunisten zurückkommen!“ Verstärkt wird die pessimistisch-fatalistische Grundstimmung noch obendrein durch eine örtlich herrschende besorgniserregende Brotgetreideknappheit. Die Urteile zuständiger deutscher Stellen über die diesjährigen Ernteerträge sind uneinheitlich. Die Bevölkerung befürchtet, daß die Partisanen zu gegebener Zeit eine umfassende Vernichtung der Ernte durchführen werden, zumal diesbezügliche Drohungen seitens der Partisanen häufig genug verbreitet worden sind. Zur Lage der Verwaltung im Generalbezirk Litauen: Wie in den Generalbezirken Lettland und Estland wurde auch im Generalbezirk Litauen der Erlaß des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete über die Errichtung der Selbstverwaltung mit großer Befriedigung aufgenommen. Man sah darin vorwiegend den ersten Schritt zu größerer Selbstän-

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digkeit auf dem kulturellen und wirtschaftlichen Sektor. Die deutschen Dienststellen beschränken sich nun auch nach dem Inkrafttreten des Organisationserlasses nicht auf eine Aufsichtstätigkeit, sondern befassen sich auf den meisten Verwaltungsgebieten auch mit der Regelung von Einzelfragen. Ein selbständiger Arbeitsbereich der landeseigenen Verwaltung besteht lediglich auf dem Gebiet des Justizwesens. Die Abteilung Recht des Generalkommissariats überwacht die Tätigkeit des Generalrates für Justiz und gibt Anweisungen, ohne sich in Kleinarbeit einzumischen. Die Veröffentlichung materiell-rechtlicher Vorschriften erfolgt zwar durch deutsche Dienststellen, doch wird der Selbstverwaltung auf dem Gebiete der Rechtsetzung nach Möglichkeit die Initiative eingeräumt. Die Staatsanwaltschaft beim deutschen Gericht läßt sich von den Staatsanwaltschaften der 5 litauischen Bezirksgerichte die Anklageschriften ausgearbeitet vorlegen und überprüft lediglich, ob ein vorliegendes Reichsinteresse die Übernahme des Verfahrens auf das deutsche Gericht erforderlich macht. Auf den übrigen Verwaltungsgebieten ist jedoch der Zuständigkeitsbereich der landeseigenen Verwaltung stark eingeschränkt. Dies gilt vor allem für den Wirtschaftssektor. Die Erfassung und Verteilung der Produkte wird unmittelbar von der Wirtschaftsabteilung des Generalkommissars kontrolliert; die größeren Betriebe stehen unter treuhänderischer Verwaltung der verschiedenen Ostgesellschaften. Die landeseigene Verwaltung hat daher keine Möglichkeit, sich praktisch auf wirtschaftlichem Gebiet zu betätigen und ihre bessere Kenntnis der litauischen Verhältnisse für eine Steigerung der Produktionsleistung zu verwerten. Ebenso ist der Generalrat für Arbeits- und Sozialfragen auf dem Gebiete der Arbeitslenkung und des Arbeitseinsatzes durch die Tätigkeit der deutschen Arbeitsämter und Arbeitsamtsnebenstellen praktisch ausgeschaltet. Die deutsche Arbeitseinsatzverwaltung habe bisher von 30 000 für das Reich zu stellenden Arbeitskräften erst etwa 10 000 erfassen können. Wie von seiten der Litauer behauptet wird, liegt der Grund darin, daß die deutschen Arbeitsämter nicht über die erforderliche Kenntnis des litauischen Arbeitsmarktes verfügen. Die Finanzfragen sollen für das gesamte Reichskommissariat einheitlich geregelt werden; Anträge und Anfragen des litauischen Generalrates für Finanzen werden daher vom Generalkommissar an den Reichskommissar in Riga weitergeleitet und benötigen entsprechend lange Zeit zur Erledigung. Ein im Februar eingebrachter Antrag des Generalrates für Finanzen auf Festsetzung des Bodensteuerbetrages für den Haushaltsplan 1942/43 war z. B. im Juli noch nicht beantwortet. Von dem im Organisationserlaß vorgesehenen Anordnungsrecht des Generalrates zur Einhebung eigener Abgaben des Generalbezirks konnte bisher nicht Gebrauch gemacht werden. Von seiten der landeseigenen Verwaltung wird über Eingriffe der deutschen Verwaltung in das litauische Steuerwesen Klage geführt, in verschiedenen Fällen seien die Steuersätze ohne ersichtlichen Grund wesentlich herabgesetzt und dadurch das Gesamtsteueraufkommen erheblich vermindert worden. Besonders der Kreisselbstverwaltung sei durch Einschränkungen der eigenen Steuern und durch Übernahme gewinnabwerfender Unternehmen durch Ostgesellschaften ein großer Teil der Einnahmequellen verlorengegangen. Auf dem kulturellen Sektor beschränkt sich die deutsche Verwaltung nicht, wie von der Selbstverwaltung angestrebt wird, auf die kulturpolitische Führung, sondern befaßt sich u. a. weitgehend mit Personalfragen, wie z. B. mit der Abänderung der Stellenpläne und der Festsetzung des Personalstandes von Schul- und Lehranstalten und der personellen Besetzung von Kunstinstituten. Die Landkreise und kreisfreien Städte sollen nach den Richtlinien des Organisationserlasses unter Aufsicht der Gebietskommissare von landeseigenen Kräften verwaltet werden. Die Kreisältesten und Bürgermeister verwalten jedoch

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nicht nach allgemeinen Richtlinien, sondern müssen auch in unwichtigen Angelegenheiten von Fall zu Fall die Genehmigung des Gebietskommissars einholen und können praktisch keine Maßnahmen ohne Rückfrage beim Gebietskommissar treffen. Dementsprechend ist auch der Personalstand der Gebietskommissare nicht auf eine Aufsichtstätigkeit, sondern auf eine intensivere Verwaltungsform abgestellt. Von leitenden Beamten der landeseigenen Verwaltung werden die Bestimmungen des Organisationserlasses dahingehend aufgefaßt, daß die Selbstverwaltung unter deutscher Führung in eigenverantwortlicher Tätigkeit eingesetzt werden soll; dazu müßten jedoch nach litauischer Ansicht vor allem die Befugnisse der Selbstverwaltung klar festgelegt werden. Eine erfolgreiche Betätigung der Selbstverwaltung sei ausgeschlossen, solange die deutsche Verwaltung jederzeit ihre Zuständigkeit nach ihrem Ermessen bestimmen und in Einzelheiten eingreifen könne. Es wird dabei für selbstverständlich erachtet, daß der deutschen Verwaltung ein Aufsichtsrecht und, sobald es die deutschen Belange notwendig machen, jederzeit ein Eingriffsrecht zustehen muß. Von seiten der Selbstverwaltung fehlt es nicht an Versuchen, ihre Zuständigkeit zu erweitern. So hat sich z. B. der Generalrat für Arbeits- und Sozialwesen bereiterklärt, innerhalb eines Monats die fehlenden 20 000 Arbeitskräfte für das Reich zu mobilisieren, wenn ihm freie Hand gelassen würde. Ein Versuch, die Erfassung von Arbeitskräften durch die litauische Selbstverwaltung durchführen zu lassen, scheiterte daran, daß den litauischen Stellen von den deutschen Arbeitsämtern nicht die geforderte Bewegungsfreiheit eingeräumt wurde. Der erste Generalrat hat bereits im April d. J. dem Generalkommissar einen Entwurf über „Grundlagen der litauischen Verwaltung“ überreicht, in dem u. a. der Zuständigkeitsbereich der litauischen Generalräte derart festgelegt ist, daß den deutschen Stellen lediglich ein oberstes Aufsichtsrecht verbleibt. […] C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR Die Mobilisierung kann nach Gefangenenaussagen der 17–50-jährigen Männer in der Sowjetunion als abgeschlossen angesehen werden. Der Prozentsatz der Einberufungen soll jetzt auf 80 % der männlichen Bevölkerung gestiegen sein. Aus verschiedenen Gegenden Russlands, insbesondere dem Kasan- und Uralgebiet, kommen Nachrichten, daß darüber hinaus die 50- bis 55-jährige männliche Bevölkerung mobilisiert und zu Arbeitsbataillonen zusammengestellt wurde. In den Fabriken, vor allem in der Rüstungsindustrie, seien nur noch wenige qualifizierte männliche Arbeitskräfte anzutreffen. Auch hier gehe das Bestreben der Sowjets dahin, die männliche Arbeitskraft durch Frauen zu ersetzen. Die Stimmung der Bevölkerung im sowjetischen Hinterland wird im wesentlichen als schlecht bezeichnet. Dies sei durch die nichtausreichende und in manchen Gegenden schwierige Ernährung sowie durch die grossen Anforderungen seitens der Sowjets an die Arbeitskraft der Bevölkerung bedingt. Nachdem schon die Kriegsentwicklung von der Bevölkerung ungünstig aufgenommen worden sei, habe sich jetzt die Gesamteinstellung zu einer Gleichgültigkeit gegenüber den Ereignissen des Krieges und grossen Sorgen hinsichtlich der Folgen dieser Kriegsentwicklung und der Ernährungslage entwickelt. Besonders die Lage an der Südfront wird von weiten Bevölkerungskreisen und auch in Kreisen der unteren Funktionäre mit grosser Besorgnis verfolgt. Es hat den Anschein, als ob die Sowjets nicht mehr in der Lage seien, den im letzten Winter genährten Optimismus der Bevölkerung auf der gleichen Höhe zu erhalten. Zweifellos wird in weiten Kreisen der Sowjetunion erkannt, daß nach dem Fall von Stalingrad und dem dadurch bedingten Verlust der kaukasischen Gebiete nur ein Rumpfgebiet übrig bleibt und die Weiterführung

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des Krieges zu einem ernsten Problem wird. 5 Durch die Mobilisierung fast sämtlicher Männer und durch den Ausfall wichtiger Rohstoffgebiete, vor allem Kohle, ist mit einem bedeutenden Abfall des Rüstungspotentials zu rechnen. Dies wird von den Sowjets eindeutig erkannt. Man versucht mit allen Mitteln, die Versorgung, insbesondere der Rüstungsindustrie, auf einem gewissen Stand zu halten. Die Bestrebungen gehen dahin, die wenige vorhandene Kohle vor allem der Kriegsindustrie zuzuleiten, wobei die übrigen Industriewerke auf das örtlich vorhandene Heizmaterial hingewiesen werden. Die Parteiorganisationen wurden u. a. aufgefordert, die Torfstiche nicht mehr als Unternehmungen 2. Ranges anzusehen, sondern mit allen Mitteln bestrebt zu sein, durch entsprechende Betreuung der Torfwerke eine grosse Leistungssteigerung zu erzielen. Die sowjetische Propaganda hat in der letzten Zeit unter dem Zeichen der „Stillhalteaktion“ gestanden, die vor allem bezweckte, den deutschen Vormarsch aufzuhalten. Es wird auf die ungeheure Gefahr hingewiesen, in der die „Sowjetheimat“ schwebt. Im Hinblick auf den Verlust der Ernährungsgrundlagen wird die Versicherung gegeben, daß es den Sowjets durch Heranziehen von Reserven und Zusammenballung der Kräfte doch gelingen werde, die deutschen Truppen aus den neubesetzten Gebieten wieder zu entfernen. Auffallend ist der konsequente Ansatz nationalrussischer Parolen, der durch die erneute Stiftung dreier sowjetischer Orden, die nach zaristischen Feldherren benannt sind, zum Ausdruck kommt. 6 Auslandsmeldungen sowie die Propaganda über die Bildung der 2. Front stehen z. Zt. im Hintergrund. Anlage zu den „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ Nr. 20 vom 11. IX. 1942: Standorte und Nachrichtenverbindungen Die den „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ Nr. 19 vom 4. IX.1942 beigefügte Zusammenstellung ist wie folgt zu berichtigen: 1) Beim Bfh. dSPudSD Ukraine ist hinzuzusetzen: Standort d. EG C: Starobjelsk 7, N-Verbindungen: FT Kiew. 2) Beim Kdr. dSPudSD Charkow ist „FS Charkow“ zu streichen und dafür zu setzen: N-Verbindungen: FT Charkow. 3) Beim Sonderkommando 4a ist „Charkow“ zu streichen und dafür zu setzen: Standort: im Vormarsch, N-Verbindungen: FT Kiew. 4) Beim Sonderkommando 4b ist „Gorlowka“ zu streichen und dafür zu setzen: Standort: im Vormarsch, N-Verbindungen: FT Kiew. 5) Beim Einsatzkommando 6 ist „Stalino“ zu streichen und dafür zu setzen: Standort: Rostow, N-Verbindungen: FT Kiew. 8 6) Beim Kdr. dSPudSD Tschernigow ist „FS Kiew v. d. Kurier od. FT Orpo“ zu streichen und dafür zu setzen: N-Verbindungen: FT Kiew. 7) Beim Kdr. dSPudSD Wolhynien ist „FT Kiew“ zu streichen und dafür zu setzen: N-Verbindungen: FS Kiew Nvst. Rowno. 8) Beim Kommando des Beauftragten des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD beim Kommandierenden General der Sicherungstruppen und dem Befehlshaber des Heeresgebietes ist „Süd“ zu streichen und dafür zu setzen „B“ 9 und weiter hinzuzufügen: (SSH’Stuf. Plath), N-Verbindungen: FT Kiew. BAB, R 58/222 1 Für diese Meldung liegen keine weiteren Bestätigungen vor. Eher scheint es sich hier um ein Fortwuchern der vielfältigen Mystifizierungen des Spanischen Bürgerkriegs zu handeln; vgl. Thomas Kleinspehn/Gottfried Mergner (Hrsg.): Mythen des Spanischen Bürgerkriegs, Grafenau 1989.

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2 Hier geht es geographisch durcheinander. Korosten liegt nördlich von Shitomir u. nicht im KdS-Bereich Stalino. 3 Krementschug lag ebenfalls nicht im angegebenen KdS-Bereich Tschernigow. 4 Gemeint ist das Vorrücken der neuen HGr. A u. B seit Sommer 1942. 5 Dies war natürlich keine Tatsachenbeschreibung, sondern eine Wunschfeststellung. 6 Vgl. Overy: Russlands Krieg 1941–1945, S. 252 ff. 7 Damit wurde der Standort der EG C weit vorverlegt in das militärisch verwaltete Gebiet östlich des Donez. 8 Damit rückten alle Kdos. der EG C in den bisher von der EG D gehaltenen Raum vor bzw. in das neu eroberte Territorium östlich von Donez u. Don. 9 Diese Umbenennung reflektierte die Teilung der bisherigen HGr. Süd in A u. B.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 18. IX. 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 21 […] A. Gegner und Exekutivfragen […] Kommunistische Bewegung in den Ostgebieten: In Litauen wurden 72 zurückgebliebene Frauen von sowjetrussischen Offizieren und Beamten mit ihren Kindern zum Arbeitseinsatz in einem bewachten Lager untergebracht, weil sie mit russischen Kriegsgefangenen in Verbindung getreten waren und ihre Wohnungen als Anlaufstellen für flüchtige Gefangene und kommunistische Elemente zur Verfügung gestellt hatten. Ausserdem sind verschiedene frühere kommunistische Aktivisten und Banditen unschädlich gemacht worden. In letzter Zeit gelangten in Litauen grössere Mengen von mit „Freiheitskämpfer Litauens“ unterzeichneten Flugblättern zur Verteilung, in denen die Bevölkerung unter der Behauptung, daß das Reich beabsichtige, die Litauer zu enteignen, zum Widerstand aufgefordert wird. Durch das Einsatzkommando 7c wurde in Orel eine Widerstandsbewegung aufgedeckt, deren Mitglieder wiederholt Hetzblätter angeschlagen haben, die sich sowohl gegen Stalin als auch gegen die deutsche Besatzung richten. Diese Organisation strebte die Schaffung einer freien russischen unabhängigen Republik ohne Hitler und Stalin an. Bisher wurden 11 Personen festgenommen, unter denen sich der Rayonbürgermeister von Orel sowie der frühere Leiter des 1. Pol.Reviers in Orel befinden. Mit weiteren Festnahmen ist zu rechnen. In Orel konnten ausserdem einige als frühere Aktivisten bekannt gewordene Personen festgenommen werden, die versucht hatten, die Bevölkerung durch hetzerische Äusserungen über die deutsche Wehrmacht zu beunruhigen. Im Bereich des Bfh. dSPudSD Ukraine wurde eine sich auf verschiedene Rayons im Gebiet Poltawa erstreckende illegale kommunistische Organisation aufgedeckt, die mit einer grösseren Bande in Verbindung stand. In diese Angelegenheit sind 2 Rayonchefs und örtliche Schutzmannschaften verwickelt. Eine weitere grosse illegale kommunistische Organisation konnte in Snowsk aufgedeckt werden. Diese Organisation unterstützte eine grössere Bande, die am 23. 8. 1942 das Dorf Gorsk im Kdr.-Bereich Tschernigow überfiel. Im Kdr.-Bereich Simferopol wurden u. a. 6 politische Funktionäre festgenommen, von denen sich zwei als Bandenführer betätigt hatten. Es konnte beobachtet werden, daß die

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wegen Lebensmittelmangels zum Verlassen des Jaila-Gebirges gezwungenen Banden das Flachland aufsuchen, um dort Verbindung mit illegalen kommunistischen Gruppen aufzunehmen. Der Kommandeur dSPudSD Nikolajew nahm einen Inspekteur der NKWD fest, der u. a. Volksdeutsche grausam misshandelt hatte. In Charkow wurden bei einer am 26. 8. 1942 schlagartig durchgeführten Grossaktion gegen die illegale KP 36 Personen festgenommen und umfangreiches Belastungsmaterial sichergestellt. Das Sonderkommando Krementschug nahm zwei kommunistische Aktivisten fest, von denen einer in Bessarabien 10–20000 Menschen dem NKWD ausgeliefert hatte. In Nikopol, Kdr.-Bereich Dnjepropetrowsk, sind in den Nächten vom 18.–20. 8. 1942 Maueranschläge einer illegalen kommunistischen Gruppe festgestellt worden, in denen zur Bewaffnung und zum baldigen Kampf gegen den Faschismus unter den roten Fahnen aufgerufen wurde. In Berditschew (Ukraine) konnten 15 Personen festgenommen werden, die einer unter Führung eines Juden stehenden illegalen kommunistischen Organisation angehörten und neben der Betreibung kommunistischer Propaganda die Getreideernte durch Feuer vernichten und Eisenbahnzüge zur Entgleisung bringen wollten. In Winniza (Ukraine) wurden 4 Personen wegen kommunistischer Betätigung festgenommen. Bandera-Bewegung: Gegenüber dem Vormonat haben sich wesentliche Änderungen hinsichtlich der Tätigkeit der ukrainischen Widerstandsbewegung nicht ergeben. Es ist allgemein zu beobachten, daß die Aktivität der Bandera-Gruppe zur Erfassung auch des letzten Ukrainers ständig im Wachsen begriffen ist. Die Bandera-Gruppe ist nach wie vor als die radikalste ukrainische Selbständigkeitsbewegung anzusprechen. Während in früheren Monaten in erster Linie die West- und Mittelukraine propagandistisch bearbeitet wurde, verbreitete sich diese Arbeit allmählich auch nach den übrigen ukrainischen Gebietsteilen. Besonders ausgeprägt ist bei der Bandera-Bewegung die Feindschaft gegenüber den Deutschen. Es wird schon vielfach von der Notwendigkeit gesprochen, auch die Deutschen aus dem Lande zu werfen. Gelegentlich der Bereinigung eines Aufstandsversuches in Kamenez-Podolsk und Umgebung wurde festgestellt, daß zu den illegalen Gruppen der Widerstandsbewegung nicht nur Mitglieder der Bandera-Gruppe gehören, sondern auch kommunistische Funktionäre, die im Rahmen des ukrainischen Bildungsvereins „Proswita“ getarnt arbeiteten. Bezeichnend ist ein Ausspruch des Landesführers der OUN für Wolhynien, Ostap, der gesprächsweise äußerte: „Die ukrainischen Nationalisten müssen sich jetzt wieder mehr nach Sowjetrussland orientieren und den Sowjetrussen mit allen Mitteln zu helfen trachten, denn von den Deutschen hat das ukrainische Volk nichts zu erwarten; man wird die Ukrainer nach Beendigung des Krieges doch nur als Sklaven behandeln, da jeder deutsche Soldat in der Ukraine 40 bis 50 Hektar Boden zu eigen erhalten soll, den die eingesessene Bevölkerung dann bearbeiten muss.“ Mitte August wurde in Kamenskoje Propagandamaterial der ukrainischen Widerstandsbewegung, hinter der sich vermutlich die Bandera-Gruppe verbirgt, erfaßt. Bisher erfolgten 3 Festnahmen. Unter den Festgenommenen befindet sich der Theaterdirektor von Kamenskoje. Am 24. und 25. 8. 1942 wurden in der Nähe von Schankow, Bez. Rowno, einige Flugblätter mit der Überschrift „Wort der ukrainischen Nationalisten am 1. Jahrestage der Proklamation des selbständigen ukrainischen Staates in Lemberg am 30. 6. 41“ gefunden. In diesen Flugblättern heisst es u. a.: „Viele Jahre sind vergangen, seit unsere Urgrossväter dieses Land, wo wir heute leben, mit Schwert, Pflug und Ruhm erobert haben. Jahrelang haben sie mit ihrem Körper die sonnige und reiche Ukraine vor wilden Eindringlingen und Räubern verteidigt. Die Besten sind im Kampfe gefallen, in der Gefangenschaft vor Hunger und Kälte gestorben, aber niemals legten sie die Waffen nieder und immer wieder kam die

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Nr. 18: Gebietskommissariat Dubno 1942

Zeit, wo sie den Sieg feierten. So war es gestern, ist es heute, und so wird es auch morgen sein. Niemals handeln wir unsere Freiheit für ein schönes Stück Brot eines fremden Eindringlings, für die ‚neue hohe Kultur‘ oder für die ‚unmenschliche Idee‘ ein. Wir wollen unsere eigene Kultur, unser eigenes Brot und wollen frei und glücklich sein. Du eroberst den ukrainischen Staat oder stirbst im Kampf für ihn. Die Ukraine lebt und wird leben. Was in der Ukraine auch vorgehen mag, ganz gleich was für Horden durch unser Land ziehen werden, was für Ideen und Theorien uns die Fremdlinge anhängen werden, das ukrainische Volk wird nicht vom richtigen Weg abgelenkt. Die Ukraine ist noch nicht gestorben.“ In Nikolajew wurden nach längerer Beobachtung 4 Bandenangehörige festgenommen, die sich aktiv deutschfeindlich betätigt und verschiedenes Schriftmaterial im Besitz hatten. Die Festgenommenen gehörten zum Teil dem Ordnungsdienst der ukrainischen Stadtverwaltung an. In Kiew wurden 5 Angehörige der ukrainischen Schutzmannschaft festgenommen, weil sie dringend verdächtig sind, Aktivisten der Bandera-Bewegung zu sein. Bei einem Festgenommenen wurden illegale Schriften sowie ein Trommelrevolver gefunden. In Worotsch wurden 2 Bandera-Anhänger festgenommen. In Cherson ist verstärktes Arbeiten von Bandera-Anhängern, die sich in einflussreichen Stellungen befinden, beobachtet worden. In Kiew wurden am 12. 8. 1942 8 Personen wegen des Verdachts, sich an der ukrainischen Widerstandsbewegung zu beteiligen, festgenommen. Unter ihnen befindet sich der Ukrainer Jaroslaw Grebenjuk, der vermutl. für den auf der Flucht erschossenen Bandera-Funktionär „Pip“ Stempel und falsche Ausweise angefertigt hat. Melnik-Bewegung: Ebenso wie die Bandera-Gruppe entfaltet auch die Melnik-Bewegung

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im Reichskommissariat Ukraine eine verstärkte Aktivität. Gegenüber den Bandera-Anhängern verhalten sich jedoch die Mitglieder der Melnik-Gruppe vorsichtiger. Die Melnik-Bewegung hat es verstanden, ukrainische kirchliche Kreise in ihre Arbeit einzuspannen. Die Melnik-Anhänger waren in Kiew in dem sogen. Nationalrat zusammengefaßt. Diese Gruppe übt auch heute noch einen gewissen politischen Einfluss aus, obwohl der Nationalrat inzwischen aufgehoben wurde. Bewegung des Hetmans Skoropadski1: Neben der Bandera- und Melnik-Gruppe verfügt auch die Bewegung des Hetmans Skoropadski in Kiew über eine Reihe Anhänger. Es handelt sich zumeist um Intelligenzler und Vertreter der älteren Generation. Von ihnen wird im allgemeinen eine gemäßigte und deutschfreundliche Politik betrieben. B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung im Reichskommissariat Ukraine: Die vorliegenden Meldungen aus dem Raum des Reichskommissariats Ukraine betonen übereinstimmend, daß die Stimmung der Bevölkerung in erster Linie durch die weitere Verschärfung der Lebensmittelknappheit beeinflußt wird (Gorlowka, Kramatorsk, Tschernigow, Kiew, Stalino). Aus Gorlowka wird beispielsweise berichtet, daß man als symptomatisch die Tatsache ansehen könne, daß die in den Werken von Kramatorsk beschäftigten Arbeiter seit Monaten unentgeltlich gearbeitet haben, ohne zu murren, da sie vom Werk aus verpflegt werden. Als vor einiger Zeit diese zusätzliche Ernährung zeitweilig eingestellt werden mußte, wurde die Arbeit von einem Teil der Arbeiterschaft niedergelegt. Diese Arbeitsniederlegung war nicht auf Agitation zurückzuführen, sondern ein Teil der Arbeiterschaft war tatsächlich so geschwächt, daß er nicht in der Lage war, weiterhin tätig zu sein. Diese Ernährungsschwierigkeiten und die damit in Zusammenhang stehende Stimmungsbeeinflussung treffen vorwiegend auf die Städte zu. Die ständig lebhafter werdende Flüsterpropaganda richtet sich mehr und mehr auf die Ernährungslage aus und wird von gegnerischer Seite stärkstens gefördert. Reichen Nährboden für diese Gerüchtebildung und Hetzereien bilden besonders die Märkte, wo lebhafter Tauschhandel herrscht. Die Märkte selbst sind sowohl in der Stadt als auch auf dem Lande täglich überfüllt. So wird beispielsweise der Markt in Belaja Zerkow, obgleich er 90 km von Kiew entfernt liegt, von der städtischen Bevölkerung Kiews sehr stark besucht. Schleich- und Tauschhandel erhalten naturgemäß durch die schlechte Ernährungslage in den Städten einen lebhaften Auftrieb. Aus Charkow wird gemeldet, daß die Bevölkerung z. Zt. den Verkauf aller nur entbehrlichen Gegenstände und Bekleidungsstücke vornimmt. Die Meldungen besagen übereinstimmend, daß die auf den Märkten noch zu erhaltenden Lebensmittel im Preis sehr hoch und in keinem Verhältnis zum Einkommen stünden. So kosten im Bereich Tschernigow z. B. 10 Kartoffeln mittlerer Größe 8 Rubel und 1 Liter Vollmilch 25 Rubel (bzw. den gleichen Wert in der jetzt gültigen Währung). Politische Ereignisse erfahren demgegenüber z. Zt. wenig Beachtung. So hat der Besuch von Reichsminister Rosenberg in der breiten Masse der Bevölkerung keineswegs besonderes Aufsehen erregt. Auch die Ereignisse an der Front werden im allgemeinen wenig diskutiert. Die Arbeiterverschickung ins Reich wird dagegen innerhalb der Bevölkerung stärker besprochen und spielt eine gewisse Rolle. Die Werbung von Arbeitskräften für das Reichsgebiet gestaltet sich den Meldungen zufolge immer schwieriger. Das Soll an Freiwilligen ist ständig im Sinken begriffen. Neben der bewußten Ablehnung, zum Arbeitseinsatz nach dem Reich zu gehen, ist festzustellen, daß in vielen Gebieten die Aufbringung des festgesetzten Solls deshalb nicht möglich sein wird, weil die Menschen fehlen. Die Arbeitseinsatzdienststellen sind deshalb gezwungen, vor allem in größeren Städten,

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wie beispielsweise Kiew, auch auf die bereits in Arbeit stehenden Kräfte zurückzugreifen. Durch Auskämmungsaktionen sollen alle Kräfte abgezogen werden; selbst Betriebsschliessungen werden erwogen. Trotz der im allgemeinen günstig lautenden ersten Nachrichten der im Reich eingesetzten Arbeiter, sind noch immer wilde Gerüchte über die Behandlung im Reich im Umlauf. Bemängelt wird auch noch unter den Eltern und Verwandten der im Reich zur Arbeit angeworbenen Personen, daß sie keine Postverbindung zu ihren Angehörigen haben. Die Angehörigen der im Reich eingesetzten Arbeiter sind naturgemäß um das Schicksal ihrer Verwandten besorgt. Soweit Briefe eingetroffen sind, konnte festgestellt werden, daß sie allgemein eine positive Wirkung gehabt haben. Die Arbeitsbedingungen werden gelobt und das Leben des deutschen Menschen wird bewundert. Das Essen im Reich wird dagegen als mittelmäßig bezeichnet. Allgemein kommt jedoch auch die Sehnsucht nach der Heimat zum Ausdruck. Aus Charkow wird berichtet, daß die erstmalig ausgezahlten Unterstützungssätze an die Angehörigen der im Reich eingesetzten Arbeitskräfte die Stimmung in der Bevölkerung wesentlich gehoben haben. Etwas dämpfend wirkte jedoch die geringe Höhe der Unterstützungssumme (130 Rubel monatlich je Familie, unabhängig von der Kopfzahl). Jedoch ist die Auszahlung der Beträge z. Zt. die stärkste positive Propaganda hinsichtlich des Arbeitseinsatzes. Die Einführung der Karbowanez-Währung anstelle des Rubels im Gebiet des Reichskommissariats Ukraine wurde den bisher eingegangenen Meldungen zufolge von der Bevölkerung mit Zurückhaltung und Mißtrauen aufgenommen (s. Teilbericht über die wirtschaftliche Lage in der Ukraine). Von großer Bedeutung für die allgemeine Lage im Gebiet des Reichskommissariats Ukraine ist das Bandenunwesen. Alle vorliegenden Meldungen betonen übereinstimmend, daß die Bandentätigkeit besonders in den nördlichen Gebieten des Generalkommissariats Wolhynien und Podolien ständig im Zunehmen begriffen ist. Der Verkehr in diesen Gebieten sei nur bei Tage und unter starker Bedeckung möglich. Die Zahl der Banden scheine größer geworden zu sein, anscheinend in dem Bestreben, statt wie früher mit zahlenmäßig größeren Banden, jetzt mit kleineren Gruppen, dafür aber in größeren Teilen der Gebiete zu arbeiten. Gerade auf die Landbevölkerung wirkt sich die Bandentätigkeit, die sich nicht nur auf Überfälle, Sabotageakte, Beschädigungen von Nachrichtenmitteln beschränkt, sondern auch eine äußerst rege Flüsterpropaganda entfaltet, sehr stark stimmungsbeeinträchtigend aus. […] Propagandawesen und Führungsmittel in der Ukraine: Die Feindagitation in der Ukraine arbeitet mit einer sich ständig steigernden Intensität und entfaltet z. Zt. eine höchst aktive Tätigkeit. Hierzu bedient sich der Gegner in erster Linie der Flüsterpropaganda auf den Märkten, in den Wohnungen und unter Bekannten. Laufend entstehen Gerüchte. Bemerkungen wie „Wir sollen verhungern, damit Platz für die Deutschen geschaffen wird“ oder „Lieber einen Aufruhr als langsam verhungern“ sind Kennzeichen dafür, daß gegnerische Elemente bewußt am Werke sind, um Unzufriedenheit in der Bevölkerung hervorzurufen. Auch aus Charkow wird von lebhafter Gerüchtebildung berichtet. So wird z. B. dort erzählt, daß die in der Ukraine lebenden Russen von den Ukrainern getötet werden würden. Außerdem sei unter der deutschen Verwaltung in der Ukraine eine Hungersnot zu erwarten. Ebenso meldet Stalino, daß laufend neue Flüsterparolen ausgegeben werden. So werde u. a. verbreitet, daß die Tätigkeit der Kirche im roten Gebiet wieder unterstützt werde. Das Land solle restlos an die Bauern verteilt werden, die Industriearbeiter in Zukunft eine wesentlich bessere Lebenshaltung bekommen. Auch Falschnachrichten über die

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Front wurden durch Flüsterpropaganda systematisch unter die Bevölkerung gebracht. So werden z. B. die Zahlen der deutschen Gefangenen maßlos übertrieben, Städte, die schon seit langem im Besitz der deutschen Wehrmacht sind, als wiedererobert bezeichnet. Auch die Tatsache, daß tatsächliche Vorkommnisse nach kürzester Frist über Hunderte von Kilometern bekannt sind, muß, wie aus Stalino ebenfalls gemeldet wird, auf die Flüsterpropaganda zurückgeführt werden. Die Arbeiterverschickungen nach Deutschland werden ebenfalls immer wieder zum Anlaß zu Ausstreuungen bösartiger Gerüchte genommen. So wurde bei einem Arbeitertransport von Zwiahel ins Reich das Gerücht laut, daß die Arbeiter in Deutschland sofort erschossen und zu Seife verarbeitet werden sollen. Eine andere Version besagt, daß die Arbeiter in Afrika verwendet werden sollen. Dieses Gerücht ist auf ein Flugblatt mit folgendem Text zurückzuführen: „Genossen, gefangene Rotarmisten! Die Deutschen wollen Euch abstellen auf schwere Arbeit. Die, welche noch bleiben, werden nach Nordafrika in den Krieg geschickt. Lauft sofort aus der Gefangenschaft in Gruppen oder allein. Schlagt Euch durch zur Roten Armee, welche vorwärts geht und die Deutschen auf allen Fronten zurücktreibt. Wir empfangen Euch wie unsere Brüder.“ Bei der Flüsterpropaganda ist zu bedenken, daß sich die unter sowjetischer Herrschaft lebende Bevölkerung im Laufe der Jahre daran gewöhnt hat, daß man gerade durch Gerüchte der Wahrheit näher kommt; denn die Sowjetpropaganda log oder entstellte wenigstens die Tatsachen unbedingt und meisterhaft. Daher wird auch jetzt der illegalen Agitation, der Flüsterpropaganda und den Mitteilungen von „Augenzeugen“ vielfach mehr Glauben geschenkt als der offiziellen Propaganda. So üben auch z. B. die bolschewistischen Flugblätter eine geringere Wirkung aus als verschiedene Gerüchte. Die deutsche Propaganda dagegen wird immer noch als unzureichend betrachtet. So muß z. B. in Kiew die Feststellung getroffen werden, daß hier die Presse, die die Hauptmöglichkeit zur propagandistischen Beeinflussung bietet, im Gegensatz zur Zeit der sowjetischen Herrschaft als nichtssagend und inhaltslos bezeichnet wird. Besonders bemängelt wird das Fehlen geopolitischer und kultureller Aufsätze. Es wird dies damit begründet, daß die Zeitungen nur auf die amtlichen deutschen Nachrichtenquellen angewiesen sind. Letztere wiesen jedoch Lücken auf und müßten für die wirksame propagandistische Betreuung als unzureichend bezeichnet werden. Die den ukrainischen Zeitungen zur Verfügung stehenden Nachrichtenquellen sind Radiomitteilungen aus Berlin, Informationen des Ostraumartikeldienstes, das DNB-Material 2 sowie deutsche Zeitungen. Ein großer Nachteil fast aller aus Berlin oder Rowno einlaufenden Mitteilungen sei die mangelnde Kenntnis der Verfasser über die wirkliche Lage in der Ukraine. Schrifttum, das ohne umfassende Kenntnis über die derzeitige Situation von Land und Mensch abgefaßt wird, sei wirkungslos. Ein weiterer Nachteil dieses aus den Zentralstellen einlaufenden Materials sei die Vorstellung ihrer Verfasser, daß die ehemalige Sowjetbevölkerung rückständig und beschränkt sei und aus halben Analphabeten bestünde. Als Auswirkung dieser falschen Vorstellung zeige sich, daß die Propaganda von den Lesern oft nicht ernst, ja mit Ironie und Spott aufgenommen werde. Aus Stalino wird berichtet, daß man bemängelt, daß in den ukrainisch oder russisch geschriebenen Zeitungen zu wenig auf Zukunftsprobleme eingegangen wird und man lediglich Nachrichten bringt. Man interessiert sich, wie die deutsche Verwaltung die verschiedenen Probleme lösen wird, z. B. ob das Verkehrswesen auch für die Einheimischen ausgebaut wird, ob die Industrie wieder aufgebaut wird, ob Handwerker einen selbständigen Betrieb bekommen werden, ob der Bauer später eigenen Grund und Boden haben wird, ob das Kolchosesystem unter deutscher Führung beibehalten wird (Die Zuweisung

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von Privatland an die Kolchosarbeiter wurde teilweise nur als Provisorium angesehen). Auf dem Lande ist besonders ein erheblicher Mangel an Propagandamitteln vorhanden. Radiogeräte gibt es kaum oder sie sind beschlagnahmt. Zeitungen kommen, wie aus Stalino, Charkow und Rowno z. B. gemeldet wird, nur selten auf das flache Land. Rowno berichtet darüber hinaus, daß es gerade in den bandengefährdeten Gebieten zweckmäßig wäre, stärker die deutsche Propaganda einzusetzen, um den Landbewohnern Mut und Ansporn zur Mithilfe bei der Bandenbekämpfung geben zu können. Auch über die Kriegslage kenne die Bevölkerung nur die von den Banden verbreiteten Nachrichten. Deutsche Meldungen seien unbekannt. Auch die Nachrichtensendungen des Rundfunks werden, wie u. a. aus Kiew berichtet wird, bemängelt. So bringe der Sender Weichsel/ Warschau die wichtigsten militärischen Mitteilungen in russischer und ukrainischer Sprache im Vergleich zu den Berliner Mitteilungen in deutscher Sprache mit einer Durchschnittsverspätung von 24 Stunden. Die Rundschau, die in der Bevölkerung besonders interessiert und einen viel größeren Eindruck macht als die kurzen Meldungen, hat nicht die gleiche Qualität wie die in deutscher Sprache durch den Rundfunk gegebene. Beliebt sind auch Analysen sowjetischer Zeitungen. Die Beleuchtung dieser Artikel und eine entsprechende Antwort darauf seien eine viel wirksamere Agitation als die Wiederholung abgedroschener Phrasen wie: „So kämpfen Churchill und Roosevelt bis zum letzten Blutstropfen des letzten Rotarmisten.“ Als besonderer Mangel wird das Fehlen der mündlichen Propaganda angesehen, an die die sowjetische Bevölkerung sehr gewöhnt war. Trotzdem es, in Kiew beispielsweise, eine Menge Organisationen und Lehranstalten gibt, werden nirgends Vorträge oder Berichte über die Lage an der Front und im Hinterland, über Maßnahmen der deutschen Verwaltung, über örtliche Angelegenheiten, über Organisationen und Einrichtungen des Reiches, über Kultur und Arbeit des deutschen Volkes usw. gehalten. Den Berichten zufolge wird es für zweckmäßig gehalten, geeignete Ukrainer aus dem Arbeitsprozeß im Reich herauszuziehen und auf den Dörfern über die Verhältnisse im Reich und ihre Erfahrungen sprechen zu lassen. Das gesprochene Wort eines Mitmenschen wirke viel intensiver und glaubwürdiger. Auf Flugblätter oder ähnliches würde die Bevölkerung, die die bolschewistische Propaganda kennengelernt habe, nicht mehr viel geben. Schriftliche Äußerungen ihrer Landsleute würden sie, selbst wenn sie in Briefform gehalten wären, doch zum Teil nicht ganz glauben, sondern auch sie als evtl. Propagandamache ansehen. Die in Rowno in deutscher und ukrainischer Sprache erscheinenden Materialien des DNB werden als qualitativ schlecht bezeichnet. Dies bezieht sich auf eine nachlässige Bearbeitung des Materials und auf die oberflächliche ukrainische Übersetzung der deutschen Texte. Es müsse doch als Selbstverständlichkeit verlangt werden, daß das offizielle Material dem Original zu entsprechen hat. So konnte eine Anzahl Fehler in einzelnen DNB-Meldungen, wie Mitteilungen des OKW, Reden von Dr. Goebbels, festgestellt werden. Die in ukrainischer Sprache herausgegebenen Informationen seien für den ostukrainischen Raum unbrauchbar, da sie im westukrainischen Dialekt gehalten werden. […] Fragen des Arbeitseinsatzes von Ukrainern im Reichsgebiet: Die vorliegenden Meldungen geben fast übereinstimmend zu erkennen, daß der Bestand an Personen, die für einen Arbeitseinsatz ins Reich in Frage kommen, immer kleiner wird. Wie aus dem Generalbezirk Kiew bekannt wird, erklären die Leiter der 7 Werbebezirke übereinstimmend, daß trotz Steigerung der Werbung, Wegführung von Vieh oder selbst Androhung der Erschiessung die restliche Bevölkerung nicht gewillt ist, den Gestellungsbefehlen nachzukommen.

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Diese offene Weigerung gegenüber den amtlichen deutschen und ukrainischen Dienststellen liegt der Meldung aus dem Gebiet Kiew zufolge nicht allein in der überall im Land aufflammenden Bandentätigkeit begründet, sondern vielmehr in der Tatsache, daß bereits bei der ersten Durchkämmung der Rayons sehr scharf durchgegriffen worden ist. Die Freiwilligenmeldungen im Generalbezirk Kiew wurden mit 10–20 % des Gesamtaufkommens veranschlagt. Während die Landgebiete dieses Generalbezirks laufend größere Kontingente an Arbeitskräften, ohne allerdings bisher die Auflage zu erfüllen, bereitstellen, fällt das Aufkommen der Stadt Kiew im Monat Juni gegenüber den beiden Vormonaten ganz erheblich ab. Alle bisher ergriffenen Maßnahmen verliefen unbefriedigend. Von dem auf die Stadt Kiew entfallenen Auflagesoll von 44 800 konnten bisher erst ca. 28 000 Arbeitskräfte gestellt werden. Neuerdings kommt noch hinzu, daß dem Generalbezirk eine erneute Auflage von 30 000 Personen vom Reichskommissariat zudiktiert wurde, wovon die Stadt Kiew mit 20 000, die übrigen Städte des Bezirks mit 10 000 Personen belastet werden sollen, während das Land verschont bleibt. Die Stadt Kiew hat also nach neuerem Stand noch ein Soll von etwa 37 000 Personen zu erfüllen. Nach Ansicht aller maßgebenden Kreise ist die Stadt nicht in der Lage, dieser Forderung nachzukommen, selbst wenn alle Möglichkeiten erschöpft werden. Es könnten nur noch Maßnahmen wie das Ausschöpfen des Reservoirs der vom Arbeitsamt noch nicht registrierten Personen und Eingriffe in die Betriebe in Frage kommen. Nach dem Stand vom 1.7. 1942 hat die Stadt Kiew eine Einwohnerzahl von 293 000 Personen, wovon etwa 75 000 Kinder im Alter bis zu 15 Jahren sind. Zur Arbeit eingesetzt und mit Arbeitskarten versehen sind nach Angaben des Arbeitsamtes etwa 96 000, von denen etwa 10 000 bereits ins Reich zum Arbeitseinsatz abgegeben sein dürften. Von den verbleibenden 86 000 Personen werden etwa 60 000 als Schlüsselkräfte, d. h. für die deutsche Rüstung, die Wehrmacht und für lebenswichtige Betriebe unentbehrlich bezeichnet. Es verbleiben also für die weitere Erfassung etwa 26 000 Personen, während noch 37 000 angefordert werden. Die zuständigen Stellen sind deshalb vor die Entscheidung gestellt, die Betriebe auszukämmen bzw. sogar zur Schliessung von Betrieben zu schreiten. Mit der Durchkämmung der Betriebe ist bereits begonnen worden, obgleich vielfach Bedenken dagegen erhoben werden. Von seiten der Abteilung Arbeit des Generalbezirks sollen bei dem Reichskommissar Schritte unternommen werden, um die Genehmigung zur Schliessung von Betrieben zu erhalten. Das Aufbringen der Kräfte aus dem Reservoir der nicht Erfaßten wird mit höchstens 3000–4000 Kräften veranschlagt. In einem Stadtviertel Kiews wurde eine Großaktion durchgeführt, um alle nicht in Arbeit stehenden Personen zu erfassen und, soweit geeignet, dem Reichseinsatz zuzuführen. Die Aktion hat jedoch nicht den erwarteten Erfolg erbracht, denn von 1645 festgehaltenen Personen konnten nur 614 zur endgültigen Überprüfung den zuständigen Dienststellen überstellt werden. Nach der karteimäßigen Überprüfung wurden dann dem Durchgangslager insgesamt 476 Personen zugeführt, von denen wegen Krankheit wiederum 76 und auf Anforderung verschiedener deutscher Dienststellen 145 ausscheiden bzw. entlassen werden mußten. Als Erfolg der Aktion konnten also dem Arbeitseinsatz für das Reich 255 Personen, davon 200 Frauen und 55 Männer zur Verfügung gestellt werden. Auch aus Gorlowka (Donez-Becken) wird berichtet, daß das Reservoir an freien Arbeitskräften erschöpft ist. Die Werbung von Arbeitern für das Reich ist von den Arbeitsbehörden eingestellt worden, da der Eigenbedarf eine weitere Abgabe nicht mehr zuließ. Es ist lediglich eine Aushebung weiblicher Arbeitskräfte für das Reich, für die vorläufig im eigenen Gebiet noch keine Arbeitsmöglichkeit besteht, insbesondere solche Arbeitskräf-

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te aus kaufmännischen Berufen, noch möglich. Aus Charkow wird berichtet, daß die verantwortlichen Stellen der erwarteten neuen Werbung mit ernster Sorge entgegensehen, zumal sich in letzter Zeit eine energische Ablehnung der Arbeitsvermittlung ins Reich in der Bevölkerung bemerkbar gemacht hat. Die Lage ist zur Zeit so, daß mit allen Mitteln versucht wird (Krankstellen, Flucht in die Wälder, Flucht in deutsche Dienststellen, Bestechung usw.), einer Erfassung auszuweichen. In einer überaus intensiven, überall hindringenden Mundpropaganda wird die Bevölkerung aufgehetzt. Soweit es sich um ausgesprochen böswillige Verleumdungen handelt (Mädchen würden in Freudenhäuser gebracht und derartige Gerüchte), kann exekutiv eingeschritten und noch mit positiver Propaganda entgegengetreten werden. Hinsichtlich verschiedener, an sich richtiger und überzeugender Gründe der Gegenagitation ist der deutschen Propaganda die Wirksamkeit genommen, weil die Bevölkerung Unterlagen in der Form von Briefen der Vermittelten besitzt, die illegal in die Ukraine befördert werden. In diesen aus Deutschland berichteten Klagen 3 tauchen immer wieder folgende Angaben auf: Schlechte Behandlung (Schlagen, abfällige Äußerungen und verächtliches Verhalten Deutscher, mangelnde Rücksichtnahme auf die durch die neuartigen Lebensverhältnisse bedingte Unbeholfenheit der Ostarbeiter), erhebliche Abzüge, zum Teil keinerlei Lohnauszahlung, ohne daß den Angehörigen die versprochene Unterstützung ausgezahlt wurde (wenigstens erfuhren die Arbeitenden nichts davon), der von der Außenwelt streng abgeschlossene Aufenthalt in Lagern, nur gemeinsamer Ausgang unter deutscher Führung nach besonderer Bewährung. Hier werden Vergleiche mit den Erleichterungen der französischen Kriegsgefangenen gezogen, die in der Freizeit nach ihrem Belieben unter eigener Führung ausgehen können. Auch wird noch immer von dem Stacheldrahtzaun um das Lager gesprochen, von der Trennung von Familien, trotzdem ausdrücklich ein gemeinsamer Einsatz zugesichert worden ist. Eine der bedeutsamsten Klagen ist der praktisch versagende Postverkehr; obwohl zwei Briefe zugesichert wurden, durfte aber nur einer im Monat geschrieben werden. Diese Behandlung der Postfrage wird von verantwortungsbewußten Stellen als überaus leichtfertig bezeichnet, denn die legalen, leicht überwachbaren, zum Teil sehr positiven Nachrichten gelangen nicht an die Empfänger und werden allmählich ganz zurücktreten gegenüber dem ständig anwachsenden illegalen Briefverkehr, in dem dann keinerlei Rücksicht auf eine Zensur genommen wird und die Verhältnisse in den schwärzesten Farben geschildert werden. Der Hauptschub illegaler Mitteilungen geht über deutsche Wehrmachtsangehörige in den besetzten Gebieten, die in einem Schriftwechsel mit eingesetzten Mädchen stehen und denen diese Mädchen eigene und vermittelte Briefe den Soldatenbriefen beilegen mit der Bitte um persönliche Aushändigung. Zur Kennzeichnung werden einige Zitate aus Briefen im Reich Eingesetzter angeführt: „Meine Lebensverhältnisse sind sehr schlecht. Ich arbeite schon 2 Monate und habe nur 6,– RM bekommen. Zum Spazierengehen läßt man uns nicht und verspricht auch nicht, uns herauszulassen. Ich habe es sehr schwer, so daß Ihr auf mich keine Hoffnung setzen dürft.“ „Viel schreiben kann ich Dir nicht, denn es gibt absolut nichts Lebenswertes. Ich erinnere mich nur an Deine Worte. Wir befinden uns in der gleichen Lage wie die Kriegsgefangenen. Ich beneide Euch, daß Ihr zu Haus seid!“ „Ich bin unterwegs sehr mager geworden und weiß nicht, ob ich meine Gesundheit wiederherstellen kann, denn augenblicklich arbeiten wir 12 Stunden am Tag. Ich bin vollständig verrückt gewesen, daß ich fortgefahren bin. Mein dummer Kopf hat mich betrogen. Ich weiß nicht, ob Du den Brief bekommst oder nicht. Natürlich werde ich im fremden Lande klüger werden. Ich weiß nicht, ob wir uns jemals wiedersehen werden. Wir wohnen in einer schlechten Baracke

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zu 57 Mann. Man erlaubt uns nicht auszugehen.“ „Vorläufig müssen wir umsonst arbeiten, wir bekommen kein Geld. Tanja, teile mir mit, was Du für eine Hilfe vom Kommando bekommst.“ „Wir bekommen keinen Lohn; man erklärt uns, daß das Geld die Frau zuhause bekäme. Ich habe schon 2 Briefe geschrieben, weiß jedoch nicht, ob Ihr sie erhalten habt, denn bis jetzt habe ich keine Antwort bekommen.“ „Für 6 Tage bekomme ich nur 5,– RM; das übrige Geld, so sagt man, bekämen die Frauen zuhause. Aber ich weiß, Du bekommst es auch nicht, darum schicke ich Dir die Lohnrechnung; geh mit dieser in die Arbeitsbehörde und erkundige Dich, warum Du kein Geld bekommst.“ „Ich schreibe den dritten Brief nach Hause und bekomme keine Antwort, warum, weiß ich nicht. Ich bin gesund und munter und lebe nicht schlecht.“ Nach Berichten aus Kiew ist festzustellen, daß trotz der Untersuchungen, die in den Durchgangslagern durchgeführt werden, sich die Transporte von arbeitsunfähigen ukrainischen und andersvölkischen Arbeitern aus dem Reich mehren. So trafen in kurzer Folge in Kiew 3 größere Transporte mit Kranken in Stärke von insgesamt etwa 1300 Personen ein. Fast alle Rücktransportierten, deren größter Teil bereits im Reich eingesetzt war und auf Grund einer Nachuntersuchung ausscheiden mußte, sind mit erblichen oder solchen Krankheiten behaftet, die auf eine lange zurückliegende Krankheitsdauer schließen lassen. So wurden Krankheiten wie Tuberkulose aller Art, Herzleiden, Rheuma und Ischias, Malaria und andere festgestellt. Bei einem der letzten Transporte wurden auffallend viele Epileptiker und sogar einige Geisteskranke ermittelt. Außerdem befanden sich unter den Rückgeführten eine ganze Anzahl Personen im Alter von 65 bis 70 Jahren, die kaum noch laufen konnten. Da diese Fälle nicht vereinzelt dastehen, wird es nach den vorliegenden Meldungen als dringend notwendig bezeichnet, daß zur Vermeidung einer unnötigen Belastung der Bahn, wie auch der Arbeitseinsatzdienststellen die ärztliche Untersuchung bei der Anwerbung in Zukunft sorgfältiger durchgeführt wird. Es wird in den Meldungen darauf hingewiesen, daß es keineswegs im Interesse der Durchführung der Aktion liegen dürfte, wenn untergeordnete Stellen, nur um ihr Soll zu erfüllen, es an Sorgfalt bei der Auswahl der zuzuführenden Kräfte fehlen lassen. Andererseits wird der Rücktransport der arbeitsunfähigen Personen aus dem Reich nach Meldungen aus dem Bereich Kiew oft in unzulänglicher Weise durchgeführt. So wurde danach u. a. festgestellt, daß die Arbeitsunfähigen ohne Einzelentlassungsscheine zurückgeschickt werden. Arbeitsunwillige hätten also die Möglichkeit, ohne Schwierigkeit die Krankenrücktransporte zu benutzen, zumal die Arbeitsunfähigen auf vielen Eisenbahnstationen ohne jede Überwachung oder Kontrolle auf den Weitertransport warten. Weiter erscheint es fraglich, ob sich die rücktransportierten Personen tatsächlich bei ihrem zuständigen Arbeitsamt oder Bürgermeister zurückmelden. Es ist bereits mehrfach vorgekommen, daß die Leute vor ihrem Heimatort aussteigen und an einem anderen Ort Wohnung nehmen, um weiterhin in dem Genuß der Familienunterstützung zu verbleiben. Durch das Fehlen dieser Einzelentlassungsbescheinigungen, aus denen vor allem der Wohnort hervorgehen muß, und auch durch das Nichtvorhandensein von Transportlisten ist eine Kontrolle schwer möglich. Darüber hinaus entstehe der Eindruck, daß einige für die Rücktransporte verantwortliche Personen nicht in jedem Fall über die geographische Lage der Bestimmungsorte unterrichtet sind. So befanden sich auch bei einem der Transporte, die in Kiew ankamen, etwa 200 Personen aus den nördlichen und nordöstlichen Bezirken der besetzten Ostgebiete wie Leningrad, Minsk, Kursk, Witebsk, Gomel und Smolensk. Durch diese Fehlleitungen wird der Transportraum der Eisenbahn unnötig belastet und die zurückgeführten Personen müßten mitunter tagelang ohne Verpflegung in für Kranke eingerichteten Durch-

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gangslagern auf den Weitertransport warten. In den führenden und beteiligten Stellen ist man der Ansicht, daß die kommende neue Einsatzwerbung nicht zufriedenstellend verlaufen wird, wenn nicht die grundsätzlich im Altreichsansatz vorgenommenen Erleichterungen im Werbungsgebiet bekannt werden. C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR Meldungen über die Lage in der Stadt Leningrad besagen, daß die Evakuierung der Zivilbevölkerung auf Grund eines Evakuierungsbefehls des Stadtsowjets in verstärktem Maße durchgeführt worden ist. Der Befehl sieht für die Evakuierung Mütter von Säuglingen, Mütter von Kindern bis 14 Jahre, Invaliden, politische Sträflinge, alle Personen, die aus den von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten stammen, und die Angehörigen der an der Leningrader Front eingesetzten Offiziere vor. Die Angaben über die Anzahl der täglich evakuierten Personen schwanken zwischen 800–4000. Die Evakuierung der Juden dürfte im wesentlichen durch die 2 Evakuierungsaktionen im Winter und im Frühjahr als abgeschlossen gelten. Die noch in der Stadt verbliebenen Juden sind vorwiegend als Parteifunktionäre tätig und haben ferner leitende Posten in Speisehäusern, Brotfabriken und Magazinen inne. Die Zahl der jetzt noch in Leningrad verbliebenen Juden wird auf ungefähr 20 000 geschätzt. Die Versorgungslage in der Stadt ist, abgesehen von einer kleinen Erhöhung der Butterration, unverändert. Die tägliche Zuteilung von Brot beträgt für Arbeiter 500 gr., für Angestellte 400 gr. und für Kinder 300 gr. Die in den Werkküchen der einzelnen Rüstungsbetriebe an die Arbeiter ausgegebenen Verpflegungsnormen weichen kaum von den Rationen der übrigen Zivilbevölkerung ab. Ein in der Stadt verbreitetes Gerücht besagt, daß in Kürze die Lebensmittelrationen durch Verbesserung der Nachschubwege erhöht werden sollen. Die Versorgung der Stadt mit Strom wird gegenwärtig durch 2 Werke sichergestellt, die die Strassenbahnen, Rüstungsbetriebe und Behörden versorgen. Ausser mehreren Kinos spielen in Leningrad einige Theater. Die öffentliche Bibliothek, die 9 1/2 Mill. Bände zählt und als die grösste der Sowjetunion gilt, ist seit dem Frühjahr wieder eröffnet. Ausser der Ausstellung „Oretschestwennaja Weina“ (Vaterländischer Krieg), die Kriegsbeutedarstellungen von Siegen der Roten Armee usw. zeigt, sind sämtliche Museen geschlossen. In Rahmen der von den Sowjets gemachten Zugeständnisse wurden 4 orthodoxe Kirchen für den Besuch freigegeben. Für die Rotarmisten besteht allerdings ein allgemeines Verbot zum Besuch der Kirchen. Die allgemeine Stimmungslage kann dahingehend charakterisiert werden, daß durch das Misslingen der grossangekündigten Entlastungsoffensive der 2. Stossarmee und durch die 10 Monate währende Belagerung der Stadt wieder eine allgemeine Depression um sich gegriffen hat. Bisher war es der Sowjetpropaganda immer wieder gelungen, die allgemein sinkende Stimmung der Bevölkerung, hervorgerufen durch das Fehlschlagen des Entsatzes der Stadt und durch die schon 10 Monate währende Belagerung, mit dem Hinweis der Errichtung einer 2. Front einzudämmen. Nach den neuesten militärischen und politischen Ereignissen kann aber als sicher angenommen werden, daß die Stimmung der Bevölkerung als Reaktion auf die immer wieder gemachten Hoffnungen weiter sinken wird. BAB, R 58/222 1 Pawlo Skoropadskyj, 1918 als ukrainischer Hetman Regierungschef in Kiew, bot den Deutschen 1941 die Aufstellung einer 2 Millionen Mann starken Nationalarmee zum Kampf gegen den Stalinismus an; vgl. Müller: An der Seite der Wehrmacht, S. 196 ff. 2 Deutsches Nachrichtenbüro. 3 Vgl. Ulrich Herbert: Fremdarbeiter. Politik und Praxis des „Ausländer-Einsatzes“ in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches, Berlin-Bonn 1985.

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 25. Sept. 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 22 […] A. Gegner und Exekutivfragen1 Bandenlage im Bereich der Einsatzgruppe B: Zur Bekämpfung des Bandenunwesens und zum besseren Schutz der Eisenbahnstrecken werden nunmehr umfangreiche Abholzungen entlang der Strecken in einer Tiefe von 100 bis 150 m vorgenommen und das Gebiet rechts und links der Strecken als „Niemandsland“ erklärt. Diese Anordnung wird von der Bevölkerung als hart, aber auch als notwendig angesehen. Es zeigt sich immer wieder, daß eine propagandistische Aufklärung der Bevölkerung über die wirkliche militärische Lage und über die in Zukunft beabsichtigte agrarpolitische Gestaltung des Raumes einen nicht zu unterschätzenden Faktor in der Unschädlichmachung der Räuberbanden darstellt. Die Aktivität der Bandengruppen hat nach den eingelaufenen Meldungen eine weitere Steigerung erfahren. Tägliche Überfälle auf Transportmittel aller Art, auf Dörfer und Unterkünfte der OD-Leute sowie Zusammenstösse zwischen militärisch organisierten Banden und OD- oder Wehrmachtsstreifen, bei denen die Banden infolge Überzahl und z. T. besserer Ausrüstung im Vorteil sind, sind nicht mehr wegzudenken. Sie fühlen sich sogar so stark, daß sie auch stärkere Kolonnen und Stützpunkte angreifen. Hierfür einige Beispiele: Am 22. 8. 1942 wurde eine von Witebsk nach Lepel fahrende Kolonne von 8 Lkws im Walde westlich Ostrowno gegen 16.00 Uhr von beiden Seiten der Strasse durch Granatwerfer, MG, MP und Gewehre beschossen. Sämtliche 8 Fahrzeuge, darunter ein mit Marketenderwaren beladener Lkw, der sodann von der Bande mitgenommen wurde, gingen verloren. Auf deutscher Seite wurden 14 Mann getötet, Der Feuerüberfall setzte in dem Augenblick ein, wo der erste Wagen auf eine Mine lief und die Begleitmannschaften der übrigen Wagen ihren Kameraden Hilfe leisten wollten. In der Nacht zum 29. 8. 42 griffen stärkere Banden die beiden Stützpunkte des NSKK 2 und der Polizei in Nikonowitschi (15 km südostw. Stary-Bychow) und in Pribor (11 km südostw. Stary-Bychow) an, wobei 9 Männer getötet und 6 verwundet wurden. Die Banden waren mit schweren Infanteriewaffen, Paks und schweren Granatwerfern ausgerüstet. Sie sollen in einer Stärke von etwa 300 Mann aufgetreten sein. Eine Abteilung der Luftwaffe wurde am Tage etwa 2 km nördlich Ossinowka im Rayon Boguschowskoje an der PKStrasse Orscha–Witebsk überfallen, wobei deutscherseits 13 Tote und 6 Verwundete zu beklagen waren. Das Schwergewicht der sicherheitspolizeilichen Aufgabe im Zuständigkeitsbereich der Einsatzgruppe B liegt daher nach wie vor fast ausschliesslich auf dem Gebiete der Erkundung und Erfassung der Bandengruppen. Stärkere Kommandos wurden zu jeder Säuberungsaktion, die von der Wehrmacht bzw. vom Höheren SS- und Polizeiführer angesetzt wurde, abgestellt. Beim Einsatzkommando 8 wurden bisher weit über 130 Erkundungsergebnisse erzielt, die schon jetzt ein verhältnismäßig gutes Bild der Bandentätigkeit im Raume von Mogilew für ein z. Zt. laufendes Unternehmen geben. Die Führung der Bandengruppen hat es sich zum Ziele gesetzt, die Einbringung der Ernte zu stören, um Schwierigkeiten auf dem Gebiet der Versorgung der Wehrmacht und der deutschen Dienststellen hervorzurufen. Es werden besondere Trupps und Kavallerieabteilungen mit der Aberntung des Getreides beauftragt, die die Vorräte in Läger der

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Banden zu bringen haben. So wurde beobachtet, wie eine grössere Bande am 17. 8. 1942 in der Nähe des Dorfes Shukowo – 24 km südwestl. Newel – mit der Aberntung von Roggen beschäftigt war, worauf Feldgendarmerie, Wehrmacht und OD-Leute von Newel und Jeseritsche entsandt wurden. Die Spitze der Truppe stiess auch bei Shukowo auf etwa 70 bewaffnete Banditen, die bereits einen Teil der Felder abgeerntet hatten. Da eine Umzingelung der Bande misslang, konnte sie sich in den nahegelegenen Wald zurückziehen. Bei allen Dorfüberfällen wird die Bevölkerung unter Drohungen mit Erschiessungen aufgefordert, Getreide und Heu für die Deutschen nicht abzustellen. Die Erfassung der Erntevorräte und sonstiger Lebensmittel wird daher immer schwieriger. So stehen in Newel und Umgebung z. B. 32 000 Hektar Nutzfläche unter dem Einfluss der Banden, die für die Sicherstellung der Ernährung vollständig ausfallen. Die bei dem Abernten von Getreideflächen beigegebenen Wachen von OD-Leuten werden von der Bande beschossen, wodurch eine merkliche Störung der Arbeit hervorgerufen wird. Von anderen Gebieten wird gemeldet, daß die Banden der Bevölkerung in deutschfreundlichen Gebieten sämtliche landwirtschaftlichen Geräte zur Einbringung der Ernte abnehmen, die sie dann in von ihnen besetzt gehaltene Dörfer bringen. Mit Hilfe der dortigen Kräfte werden dann die Äcker abgeerntet, das Getreide wird gedroschen und auch sogleich fortgeschafft (Rayon Pogar). Neuerdings liegen aus verschiedenen Gebieten Meldungen vor, daß grössere Bandengruppen Versorgungsstäbe mit Schlächtereien, Schustereien, Getreidesammelstellen usw. gebildet haben (Rayon Jeseritsche und Stary-Bychow). Grössere Gruppen sind sogar dazu übergegangen, eine Art von Truppenbetreuung in Form von Kinodarbietungen, Kameradschaftsabenden und weltanschaulichen Vorträgen durchzuführen (Rayon Surash). Neben den ständig zu beobachtenden Zwangsrekrutierungen unter der männlichen Bevölkerung zur Auffüllung und Verstärkung der Banden werden auch Mobilisierungsscheine in den Dörfern verteilt, wonach sich die männliche Bevölkerung im Zentrum der Siedlung einzufinden habe. Auf den Scheinen ist vermerkt, daß bei Nichterscheinen die Wehrpflichtigen zu Deserteuren erklärt und nach den Gesetzen des Krieges bestraft würden. Alle Männer würden durch die Front zur Roten Armee gebracht. Befreiungsgründe gäbe es keine. Zum letzten Male würde die Bevölkerung gewarnt; bei Nichterscheinen zu der angegebenen Zeit würden das vorhandene Vermögen konfisziert und die Gebäude niedergebrannt werden (Rayon Witebsk). Erheblich scheinen die Verstärkungen zu sein, die die Banden durch Fallschirmspringer in der letzten Zeit erhalten haben. So sollen in der Nacht zum 21. 8. 1942 nordwestlich von Brissow an der Westseite der Beresina etwa 200 russische Fallschirmjäger abgesetzt worden sein. Im Rayon Jarzewo wurden in einer Nacht etwa 50 Fallschirmspringer bei der Ortschaft Shotonowa abgesetzt, die bereits einen Sprengstoffanschlag auf die Bahnanlagen bei Miloschowo versucht haben. Der Anschlag konnte jedoch von einer Wehrmachtsstreife verhindert werden. Die Bandengruppe bei Nawlja wird auf 6 bis 7000 Mann geschätzt. Die Versorgung erfolgt durch Flugzeuge, die regelmäßig im Bezirk landen; durch sie werden auch Propagandamaterial, Zeitschriften und Post überbracht. Ausserdem werden Betriebsstoff für die Fahrzeuge der Banden, Gewehre, MG, Pak, Munition und angeblich sogar Flakgeschütze und leichte Panzer ausgeladen. In der Nacht vom 13. zum 14. 8. 42 kreiste ein Flugzeug über der Gegend von Okop (18 km südostwärts von Klinzy). Als von der Erde aus Blink- und Leuchtsignale gegeben wurden, wurden diese vom Flugzeuge aus erwidert. Im gleichen Augenblick sprangen 7 Fallschirmjäger ab, deren Verbleib nicht festgestellt werden konnte. Eine neuerliche Beobachtung geht dahin, daß verschiedene Bandengruppen von Per-

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sonen geführt werden, die deutsche Uniform tragen (Rayon Unetscha). Es sollen sogar ganze Truppen in deutscher Uniform auftreten. So berichtet ein Agent über seinen Erkundungsgang im Rayon Wladimirskoje, daß er im Dorfe Kusinino eine Bande in Stärke von 10 Mann in deutscher Uniform festgestellt habe, deren Anführer angeblich ein deutscher Soldat sei. Zu seiner deutschen Uniform trägt er einen russischen Offiziersriemen und ist mit einer Nagan bewaffnet (nach der Beschreibung kann es sich um einen Gefreiten „Fritz“ handeln, der verschiedentlich schon aufgetaucht ist). Diese Bande trägt den Namen „Tod dem Faschismus“, soll etwa 400 Mann stark sein und ihren festen Wohnsitz im Dorfe Kurbatowo haben. Nach einer weiteren Meldung wurde im Dorfe Witnetschki desselben Rayons eine Gruppe von Banditen in Stärke von 30 Mann festgestellt, die ebenfalls deutsche Uniformen trugen. Der Führer, der beritten ist, soll die Rangabzeichen eines Obersturmführers tragen. Ob es sich um einen Deutschen handelt, konnte bisher nicht ermittelt werden. Ausgerüstet soll die Bande ausschliesslich mit deutschen Maschinenpistolen sein. Zu der Frage, wie sich die Banden in den Besitz deutscher Uniformen setzen können, mag folgende Feststellung eine Erklärung abgeben: Im Dorfe Kukujewa im Rayon Kwaschkowo konnte der ehemalige Kolchosvorsitzende Iwan Schochlow festgenommen werden. Er hatte eine Bande organisiert und die Gräber zweier deutscher abgestürzter Flieger öffnen und deren Bekleidung rauben lassen. Um was für eine Bestie es sich bei diesem Bandenführer handelt, wird beleuchtet durch die Tatsache, daß er im Winter zwei deutschen Verwundeten, die in die Hände der Roten gefallen waren und auf Schlitten zurückgebracht werden sollten, mit den Fingern die Augen ausgestossen hat. K. wurde sonderbehandelt. Auffallend ist auch die jetzt zu beobachtende Tatsache, daß sich bei den Banden Frauen aufhalten, die die Raubzüge mitmachen, während sie früher nur zur Nachrichtenübermittlung und zur Ausspähung verwandt wurden. Während im allgemeinen der OD seine ihm übertragenen Pflichten erfüllt und auch einsatzbereit ist, kommen immer wieder Fälle vor, wo er zum Verräter wird. Auch eingesetzte Russen in verantwortlichen Stellen erweisen sich in vielen Fällen als unzuverlässig. So konnte der Bürgermeister der Gemeinde Kutowo – Ereschow – entlarvt und festgenommen werden, weil er Bandenmitgliedern Unterkunft in dem Staatsgut Wymno ermöglichte (Surash). In einem anderen Falle ging ein einer Wehrmachtseinheit entlaufener Dolmetscher zu den Banden über, um deren Führung zu übernehmen. Während bei den Plünderungszügen durch die Banden bisher nur Lebensmittel aller Art mitgenommen wurden, konnte jetzt jedoch festgestellt werden, daß sie darüber hinaus Wert auf die Erlangung von Bekleidungsstücken, Wäsche und Stiefeln legen. Überläufer erzählen, daß bei den Banden grösster Mangel an Unterwäsche usw. herrsche (Rayon Wigonitschi). Bei einem Überfall auf das Dorf Sintscha im Rayon Gorka wurde nach der Ausraubung der Bevölkerung auf dem Gemeindebüro ein Flugblatt mit folgendem Inhalt hinterlassen: „Bauern! Erwartet nicht von den Deutschen, den Bluthunden, Eure Freiheit, sondern erwartet von Euren Brüdern der Roten Armee Eure Freiheit. Hitler hat seinen Plan verloren, bald verliert er auch den Verstand. Erwartet nicht, daß die Deutschen zurückgehen. Der Tod der Bluthunde wird auf unserer heimatlichen Erde stattfinden. Freiwillige und Polizisten finden den Tod durch unsere russische bäuerliche Rote Armee und durch die Partisanen. Wir werden brennen und hängen, nicht nur sie, sondern auch ihre Eltern. Wollt ihr den Deutschen noch hören?!“ Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Überfälle auf Transportmittel jeglicher Art, auf deutsche Stützpunkte sowie die Verminung der Strassen und Eisenbahnstrecken zugenommen haben; auch hat sich die Zahl der getöteten und verwundeten russischen

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Bürgermeister und OD-Männer erhöht. Die Überfälle auf die Dörfer werden mit einer grossen Brutalität durchgeführt, die Bevölkerung dem Verhungern preisgegeben. In der Ortschaft Shastkow (Rayon Surash) brannten die Banditen 110 Häuser nieder und trieben 300 Schafe, 40 Pferde und 60 Kühe ab. Ein Augenmerk muss auch auf die Evakuierten geworfen werden, die aus den Frontgebieten der Landbevölkerung im Bezirk Karatschew zugewiesen werden bzw. worden sind. Diese bilden überhaupt einen ständigen Unruheherd, fallen den ortsansässigen Bauern zur Last, verzehren ihre Lebensmittel, ohne ihnen bei den Erntearbeiten zu helfen. Um die Unzufriedenheit zu steuern und die Gefahr des Überlaufens zu den Banden zu verringern, ist man dazu übergegangen, den Evakuierten unter militärischem Schutz die Einbringung ihrer Ernte wenigstens teilweise zu ermöglichen. Diese grosszügige Maßnahme hat auch zu einer Verbesserung des Verhältnisses zwischen ortsansässiger Bevölkerung und Evakuierten geführt. Im Gebiet Jeseritsche sollen nach vertraulichen Meldungen die Banden in einigen Dörfern und Gemeinden die Sowjetverwaltung wieder hergestellt und Kommissare eingesetzt haben. Der Bevölkerung wurde eröffnet, daß sich die Deutschen auf dem Rückzuge befänden. Als Verwaltungspersonal wurden ehemalige Lehrer, Kommunisten, politische Leiter und sonstige vertrauenswürdige Personen eingestellt; die sich neutral verhaltende Bevölkerung wird terrorisiert. Etwa 2/3 der Bevölkerung soll zwar noch auf der Seite der Deutschen stehen, aber unter dem Druck der Banden für diese arbeiten. Auch im Raume um Smolensk konnte eine besondere Aktivität der Banden festgestellt werden. Die bisher durchgeführten militärischen Aktionen waren nicht umfassend genug, um in den durchgekämmten Gebieten die Banden grundsätzlich auszurotten. So ist besonders in den nördlichen Gebieten von Smolensk beobachtet worden, daß nach Abzug der deutschen Truppen die Banden sich erneut formierten und in verstärktem Maße ihr Unwesen weiter trieben. 3 In der Berichtszeit konnten vom Trupp Smolensk wieder illegale Gruppen schlagartig ausgehoben und zahlreiche Waffen und Sprengstoffe sichergestellt werden. So wurden an einer Stelle erbeutet: 26 Granaten für leichte Granatwerfer, 2 Maschinengewehre, 1 Gewehr, 2 Nagan, 1 Fotoapparat. An anderer Stelle wurden sichergestellt: 159 Zündkapseln, 39 Schachteln mit deutschen Sprengkapseln, 70 Schachteln mit russischen Sprengkapseln, 4 Gewehre, 810 Schuss MG-Munition, 750 Schuss Gewehrmunition sowie 1 grosse Kabelrolle mit Zündschnur. Ein Kundschafter, der eine konspirative Abteilung in Smolensk anlief und von einer Bande mit wichtigen Aufträgen versehen war, konnte festgenommen werden. Hierdurch konnte gleichzeitig eine Fälscherzentrale für Dokumente im Dulag 126 in Smolensk ausgehoben werden. Der Kundschafter sollte in Smolensk den Standort der einzelnen Wehrmachtseinheiten, deren Stäbe und deren Läger ausfindig machen; weiter sollte er bestimmte Personen, u. a. einen OD-Mann, werben, ein Verzeichnis der OD-Abteilung IV und ihrer Stützpunkte anfertigen und ausserdem eine Liste der von der Sicherheitspolizei bereits festgenommenen Banditen aufstellen. Der Kundschafter hatte bereits Aufzeichnungen u. a. über die Gebäude der Sicherheitspolizei, der Abwehr III und der Stadtverwaltung gemacht. Die Zeichnungen wurden im Stiefelschaft gefunden. Er war ferner im Besitz von Ausweisen, auf denen Stempel und Unterschrift gefälscht waren; die Ausweise selbst stammten aus dem Dulag 126. Aus dem Kriegsgefangenenlager aus Roslawl versuchten 9 Kriegsgefangene einen Ausbruch. Die sicherheitspolizeilichen Erhebungen ergaben folgenden Sachverhalt: Es war geplant, den Wachraum des Lagers zu überfallen, die dort befindlichen Waffen und Ausrüstungsgegenstände an sich zu nehmen, dann die Mitgefangenen zu befreien und mit

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ihnen geschlossen zu den Banden überzugehen. Bei einigen der Kriegsgefangenen wurden im Bett Handgranaten versteckt aufgefunden. Unter dem Fussboden befand sich ein Brecheisen. Über die Herkunft der Handgranaten liess sich einwandfrei ermitteln, daß diese von einem Banditen, einem Kriegsgefangenen, der im Lager grösste Freiheit genoss und sogar ohne Begleitung in das angrenzende Dorf gehen durfte, übergeben worden waren. Die Vermittlung hatte der im Dorf wohnhafte 15-jährige Bruder des Banditen übernommen, der auch nach geglückter Flucht die Kriegsgefangenen seinem Bruder zuführen sollte. B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung im Bereich der Heeresgruppe Mitte: Die allgemeine Lage und Stimmung der Bevölkerung im Bereich der Heeresgruppe Mitte ist den Meldungen zufolge je nach der Entwicklung der stimmungsbildenden Hauptfaktoren, der Bandentätigkeit und der Ernährungslage teils zuversichtlich, teils aber erheblichen Stimmungsschwankungen unterworfen. Während die Ernährungslage sich besonders in den südlich der Rollbahn gelegenen Gebieten durch die einsetzende Gemüse- und Kartoffelernte gebessert hat, wird aus dem Raum um Witebsk, Wjasma und Rshew eine weitere Verschlechterung auf dem Ernährungssektor gemeldet, so dass nicht nur eine erhebliche Kürzung der Lebensmittelzuteilung bei der Bevölkerung, sondern auch der Angestellten bei deutschen und russischen Dienststellen durchgeführt werden musste. Diese schwierige Lage wird in erster Linie auf die überaus starke Bandentätigkeit zurückgeführt, die Städte und ganze Gebiete mehr und mehr abschliesst und jede Verbindungsmöglichkeit unmöglich macht. In ganzen Bezirken wird das Getreide von den Banden ungestört ausgedroschen und zur eigenen Front in Richtung Welish gebracht. Die Meldungen betonen übereinstimmend, dass die Bevölkerung durch die nach wie vor stärkstens anhaltende Bandentätigkeit – ungeachtet der ihr bekanntgewordenen deutschen Erfolge an der Südfront – äusserst beunruhigt ist. Darüber hinaus ist jedoch festzustellen, dass jede Besserung der Ernährungslage, jede Abnahme und wirksame Bekämpfung der Bandentätigkeit das Gefühl der Beruhigung und Sicherheit in der Bevölkerung vertieft und verbreitert und für eine zuversichtliche prodeutsche Stimmung sorgt. […] Wirtschaftsbericht aus dem Bereich der Heeresgruppe Mitte: Die Viehwirtschaft: Die Viehwirtschaft im Bereich der Heeresgruppe Mitte wird – nach vorliegenden Meldungen – durch Requirierungen, durch die durchschnittlich schlechte Futtermittellage und durch die Tätigkeit der Banden in erheblicher Weise nachteilig beeinflußt. Die Fleisch- und Fettversorgung der russischen Bevölkerung ist nicht mehr gewährleistet, weil tatsächlich der Bestand an Schlachtvieh derartig zurückgegangen ist, daß heute selbst trächtige Rinder zum Schlachthof gebracht werden (Mogilew, Smolensk). Des weiteren entzieht die Landbevölkerung das Jungvieh dem Zugriff der deutschen Behörden durch wahllose Ab- und Schwarzschlachtungen (Klinzy, Bobruisk, Gomel). Dazu kommen noch die laufenden Anforderungen der Wehrmacht. Der Bauer hat sich bisher der Notwendigkeit nicht verschlossen, daß er für die kämpfende Truppe die Verpflegung und Versorgung zu sichern hat. Trotz allem wird ihm tagtäglich vor Augen geführt, daß sein Abgabesoll sich stetig erhöht und er seinen Verpflichtungen nur noch unter Abgabe seines letzten Stücks Vieh nachkommen kann. Beim Einmarsch hatte man ihm eine freie Viehhaltung und Viehzucht deutscherseits versprochen, aber andererseits jede Grundlage durch fortlaufenden Abzug von Vieh zerstört. Die Kuh (Stalin-Kuh), die einzige Ernährungsgrundlage größter Teile der russischen Bauernschaft, wurde vielerorts aus

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dem Stall geholt. Diese Tatsache führte zu einer Entleerung des Raumes von Vieh und darüber hinaus zu einer erheblichen Verstimmung des Landvolkes. Der Bauer bringt heute für derartige Beschlagnahmen kein Verständnis mehr auf. Zwar ist durch die deutschen Stellen alles unternommen worden, um den Auswirkungen dieses Entzuges von Vieh entgegenzutreten. So wurde die Ablieferung von Zuchtvieh und Nachwuchsvieh soweit als möglich gestoppt. Trotzdem haben die bisher getroffenen Maßnahmen keine Befriedigung in der Bauernschaft hervorgerufen. Laufend werden aus den einzelnen Bereichen immer wieder Klagen laut, die die ungerechtfertigte Beschlagnahme und Aushebung von weiterem Vieh zum Gegenstand haben (Borissow, Smolensk, Gomel, Witebsk usw.). Eine weitere Schwierigkeit ist die Futtermittelfrage. Während des vergangenen Winters ist es auf Grund der Futtermittellage unmöglich gewesen, den Viehbestand in seiner Höhe zu halten. Die restlose Ausschöpfung aller Futterquellen und die Beschlagnahme der Stroh- und Heuvorräte zwangen die Viehhalter zur Abgabe und Aufgabe eines Teilbestandes ihres Viehes. Darüber hinaus war das Vieh derartig abgemagert, daß es krankheitsanfällig wurde (Lungenkrankheiten) und geschlachtet werden mußte. Diese Mangellage an Futtermitteln ist jetzt teilweise überwunden, da das Vieh während der Sommermonate geweidet werden kann. In Fachkreisen wird mit einer durchschnittlichen Heuernte gerechnet und die Futtermittellage für den kommenden Winter (außer Kraftfutter) günstiger gesehen. Die Lage wurde weiter durch den Bandenterror verschärft; denn außer der dauernden Beunruhigung der Gebiete führen die Banditen laufend Plünderungen durch, die sich in der Hauptsache auf Lebensmittel und Vieh erstrecken. Eine Zusammenstellung der Rinder- und Kälberbestände nach statistischen Angaben aus einzelnen Gebieten zeigt folgendes Bild: Rayons Sytschewka Orel Karatschew Mogilew Bobruisk Witebsk Lepel Polozk Surash Smolensk Kaspija Rudnja Monastyrischtsche Krassnyj Potschinok Kardonowa Roslawl insgesamt = 48,3 % des früheren Bestandes.

Sowjetzeit 18 000 14 409 15 226 19 432 24 350 16 885 20 000 – 9139 24 683 15 547 13 670 20 391 14 570 18 768 16 167 30 000 291 247

1942 420 9605 4417 12 773 6000 8712 9231 9779 2323 9532 6202 6879 12 237 8414 6814 2810 24 620 140 768

Diese Zahlen zeigen den katastrophalen Rückgang des Nutzviehs aus nur einzelnen Kreislandwirtschaften und Rayons, wobei festzustellen ist, daß in anderen Gebieten der Viehbestand so gut wie verschwunden ist (Wjasma, Sytschewka). Die Ergänzung und Auf-

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füllung aus diesen Viehbeständen ist kaum möglich, da das Vieh zur Nachzucht nicht brauchbar und nicht widerstandsfähig genug erscheint. Des weiteren fehlen zugleich die zur Auf- und Nachzucht erforderlichen Decktiere. Fachkreise beurteilen die augenblickliche Lage dahingehend, daß eine weitgehende Auffüllung aus Beständen des Reiches notwendig wäre. Darüber hinaus sind zur Schonung des noch vorhandenen Viehbestandes nach Ansicht der verantwortlichen Stellen auf längere Dauer die Schlachtungen weitestgehend einzuschränken. Noch erheblich ungünstiger liegt das Verhältnis bei dem Schweine-, Schaf- und Ziegenbestand. Hier ist durch wahlloses Abschlachten ein Engpaß entstanden, der vorerst nicht aufholbar ist, da in großem Umfange die Futtermittel und Nachzuchtvoraussetzungen fehlen. Die Angaben von einzelnen Kreislandwirtschaften und Rayons veranschaulichen die bestehende Lage: Ort Smolensk Witebsk Surash Mogilew Bobruisk Orel Karatschew Roslawl

Schweine Gesamtzahl Sowjetzeit Sowjetzeit 1942 71111 16 664 4472 2651 2422 390 20 173 6047 3500 316 1404 13 4123 265 28 000 4630 135 205 30 976 = 22,9 %

Schafe Gesamtzahl Gesamtzahl Sowjetzeit 1942 150 836 41 297 15 395 9640 – – 22 710 13 304 – – 34 666 8145 16 822 4408 47 000 12 153 387429 88 947 = 22,9 %

Der Prozentsatz von 22,9 % unter Zugrundelegung der statistischen Angaben zeigt, welche Aufgaben noch zu bewältigen sind, um auch nur annähernd den Bedarfsbestand herzustellen. Wenn auch der Pferdebestand durch den Krieg ebenfalls erhebliche Einbuße erlitt, so ist das Verhältnis zu den früheren Angaben wesentlich günstiger. Die Schwierigkeiten, die durch laufende Aushebungen entstanden, wurden teilweise dadurch überwunden, daß bei den erforderlichen Landarbeiten wie Ernte- und Frühjahrsbestellung Wehrmachtspferde zur Verfügung gestellt wurden. […] Die Ernährungslage: Die schlechte Ernährungslage mit ihren Folgen hat sich auch, den vorliegenden Meldungen zufolge, nur in sehr beschränktem Umfange geändert. Eine leichte Auflockerung, die jedoch keineswegs eine fühlbare Entlastung bedeutet, bringt der derzeitige Gemüseanfall. Die allgemeine Versorgungslage wird hierdurch allerdings nur in geringem Umfange beeinflusst. Der Mangel an wichtigsten Lebens-, Nahrungs- und Genussmitteln ist nach wie vor fühlbar vorhanden. Daher ist auch die Zuteilung jeglicher Nahrungsmittel in den einzelnen Versorgungsgebieten weiterhin begrenzt und gebietsweise sogar unmöglich. Die Zufuhr von Lebensmitteln aus den ländlichen Bezirken und die Beschickung der Stadtmärkte sind, soweit überhaupt noch Lebensmittel auf dem Lande vorhanden sind, normalerweise nur aus bandenfreien Gebieten möglich. Der stetig wachsende Bandenterror verhindert die Ausschöpfung der von Banden beherrschten Gebiete entweder ganz oder doch in erheblichem Umfange. Die Meldungen über laufende

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Plünderungen reissen nicht ab. Landwirtschaftliche Betriebe wie Mühlen, Molkereien usw. sind nach wie vor von Banditen in erster Linie angegriffene Objekte (Gorodok, Newel, Witebsk, Brjansk, Karatschew). Wie sehr die ländlichen Gebiete unter diesem Terror leiden, zeigt die vollkommene Ausplünderung einzelner Bezirke, wo heute schon von einer Hungersnot gesprochen werden kann (Dünagebiet–Nowka usw.). Diese äusserst schwierige Versorgungslage wird noch durch eine weitere Belastung einzelner Gebiete verschärft. Die Flüchtlinge und Evakuierten aus den Front- und frontnahen Räumen müssen von den Stadtverwaltungen miternährt werden, ohne dass zusätzliche Lebensmittel zur Verfügung stehen. Diese Tatsache wirkt sich zwangsläufig negativ auf die Lebenshaltung der Stadtbevölkerung aus. So wird berichtet, dass die in Surash befindlichen Flüchtlinge tatsächlich Hunger leiden. Brjansk meldet, dass beispielsweise in einem Dorf des Rayons Orel mit 230 Häusern nicht weniger als 900 Evakuierte untergebracht sind, die aber auch zugleich die beschränkten Vorräte der Bauern mit verzehren helfen. Dazu treffen noch täglich neue Flüchtlinge ein (Polozk, Brjansk, Orel, Roslawl usw.) Die Gemüseernte wird in einzelnen Bereichen schon als eine leichte Entlastung des Nahrungsmittelmarktes angesprochen (Orel, Brjansk, Roslawl, Sytschewka, Wjasma und Rshew), während in anderen Bereichen (Smolensk, Witebsk, Mogilew, Lepel) die Aussichten auf eine allgemeine wirksame Behebung und Entlastung der Versorgungslage als wenig günstig angesehen werden. Grundsätzlich wird jedoch ein guter Stand der Kulturen gemeldet. Nach Ansicht von Fachkreisen wäre daher eine Teillösung der schwierigen Lage mit einer guten Gemüse- und Kartoffelernte zu erreichen. Der Tausch- und Schleichhandel, der einen erheblichen Teil der Lebensmittel einer geregelten Versorgung entzieht, geht nach wie vor ungehindert weiter. Die angebotenen Erzeugnisse sind nur im Tauschhandel oder gegen unerschwingliche Preise zu erstehen. Bestimmt durch Angebot und Nachfrage ist die Preisbildung auf den öffentlichen Märkten zur Zeit erheblichen Schwankungen ausgesetzt. Allgemein ist durch das Angebot von Kartoffeln eine günstigere und ruhigere Marktentwicklung feststellbar. Mit der weiteren Einbringung der Gemüse- und darüber hinaus der Getreideernte erhofft man ein Absinken und eine Stabilisierung der Preise. BAB, R 58/222 1 In dieser u. den folgenden Meldungen fehlt jeglicher Bericht über den weiteren Verlauf u. den Abschluß des Unternehmens „Sumpffieber“, das auf Anweisung Himmlers von Jeckeln am 21. 9. beendet worden war u. bei dem Sicherheitspolizei und SD maßgeblich beteiligt waren. Gemäß Jeckelns Abschlußbericht waren im Verlauf der 9 Teilunternehmen mehr als 10 000 Personen getötet worden. Die meisten Opfer waren jedoch keine Partisanen, sondern Juden, deren Opferzahl mit 8350 angegeben wurde; vgl. HSSPF Ostland: Abschlußbericht „Sumpffieber“ v. 6. 11. 1942, VUA, Kdostab/K 19, A 133; vgl. Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 254 ff. 2 Nationalsozialistisches Kraftfahrerkorps. 3 Das entspricht einem angemessenen Urteil über den Erfolg der deutschen Großunternehmen gegen die Partisanen. Beim Erscheinen der deutschen Kräfte teilten sich deren Verbände in der Regel auf u. wichen aus. Sobald dann einer der deutschen Großeinsätze beendet war, formierten sich die Partisanengruppen neu u. operierten in ihrem bisherigen Einsatzgebiet weiter. Diese Abwehrstrategie gegen die Partisanenbewegung war somit weitgehend ineffektiv; faktisch richteten sich die deutschen Bekämpfungsmaßnahmen v. a. gegen die Zivilbevölkerung; vgl. Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 257–260.

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Berlin, den 2. Oktober 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 23 […] A. Gegner und Exekutivfragen Vernichtung von Bandenorganisationen in Smolensk, Krasny Bor und Umgebung: Die Einsatzgruppe B hat ein grösseres Unternehmen gegen eine Bandengruppe in Smolensk, Krasny Bor und Umgebung zum Abschluss gebracht, in dessen Verlauf 165 Personen festgenommen wurden. Die aufgerollte Bande war gut getarnt und geschickt aufgebaut. Mit der Aufdeckung und Zerschlagung der Gruppe gelang es, den nördlich Demidow stehenden sowjetischen Truppen eine wichtige und gut eingespielte Nachrichtenquelle über militärische Vorgänge in Smolensk zu verschliessen. Im Verlauf einer vorangegangenen Aktion gegen sowjetische Banden im Raum Smolensk war u. a. ein Russe festgenommen worden, der Angaben über zwei seiner Auftraggeber machen konnte. Beide Auftraggeber wurden ermittelt, wobei sich herausstellte, daß der eine von ihnen, ein gewisser Witerski, der Führer einer äusserst gefährlichen Bande war. Witerski wurde durch einen Mittelsmann mit dem Führer einer Bandengruppe in Cholm, einem politischen Kommissar Saposchnikow, bekanntgemacht und erhielt bereits im April von ihm den Auftrag, nach Smolensk zurückzukehren und dort folgende Aufgaben durchzuführen: 1. Anwerbung von Personen für Bandengruppen und deren Organisierung, 2. Durchschleusen der angeworbenen Gruppen in den Raum um Cholm, 3. Einsetzen von Vertrauensleuten bei Wehrmachtsstäben, Sicherheitspolizei, Eisenbahn, Stadtverwaltungen und Ordnungsdienst, 4. Durchführung von Sabotageakten im Elektrizitätswerk, 5. Anlage von Lichtsignalleitungen im Gebäude des Befehlshabers des Heeresgebiets Mitte und dem Gebäude der Sicherheitspolizei und des SD, um diese Gebäude einfliegenden sowjetischen Fliegern durch Lichtsignale kenntlich zu machen, 6. Suche nach vergrabenen Waffen, 7. Zusammenstellung einer Spionagegruppe, 8. Vorbereitung der Sprengung der Dnjepr-Brücke, 9. Aufstellung von Posten zur Kontrolle von Eisenbahntransporten und des Verkehrs auf der Autobahn, 10. Aufstellung von Listen derjenigen Russen, die bei deutschen Dienststellen beschäftigt sind. Witerski ging sofort an die Durchführung seiner Aufgaben heran und warb zunächst 12 Personen, die z. T. die ihnen übertragenen Aufträge unmittelbar ausführten oder hierzu weitere Personen einsetzten. Es gelang ihm, einen Russen ausfindig zu machen, der sich zur Durchführung eines Sabotageaktes im Elektrizitätswerk und zur Legung von Lichtsignalleitungen in den Dienstgebäuden des Heeresgebietes Mitte und der Sicherheitspolizei und des SD bereiterklärte. Die Leitungen sollten durch die Kamine geführt werden, auf denen die Anbringung von Lichtkörpern beabsichtigt war, die bei sowjetischen Luftangriffen eingeschaltet werden sollten. Weiterhin gelang die Festnahme von Personen, die den bei Cholm stehenden Banden laufend Nachrichten überbrachten. Neuangeworbene Sowjetrussen wurden nach Cholm in Marsch gesetzt, um dort zu den Banden zu stossen. Ein Teil der Angeworbenen konnte noch auf dem Marsch festgenommen werden. Ein Bandenmitglied, das den Auftrag, Standorte militärischer Einheiten, Waffenlager und Materiallager festzustellen, bereits teilweise ausgeführt hatte und als Nachrichtenübermittler mit den Banden in Cholm in Verbindung stand, konnte gleichfalls gefaßt werden. Durch andere festgenommene Kuriere war der Cholmer

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Bandengruppe die Festnahmeaktion in Smolensk bereits gemeldet worden. Als besonders wichtige Aufgabe war die Zerstörung der Telegrafenstation in Angriff genommen worden. Einer der Angeworbenen hatte bereits Schlüssel gefertigt, die ihm die Möglichkeit gaben, Transformatorenkästen zu öffnen und zu zerstören. Mehrere Angehörige des Ordnungsdienstes konnten als Bandenmitglieder ermittelt und unschädlich gemacht werden. Von einem OD-Mann war ein Verzeichnis sämtl. OD-Angehöriger in Smolensk gefertigt und der Bande übergeben worden. Neben der Werbung männlicher Personen für den Bandeneinsatz wurden auch Mädchen zur Krankenpflege herangezogen. Diese Personen erhielten gleichzeitig den Auftrag, Heilmittel und Verbandszeug zu beschaffen. Unabhängig von der Vernichtung dieser Bandengruppe war bei dem selbständigen Trupp der Sicherheitspolizei und des SD in Smolensk bekannt geworden, daß auch in Kolodnja (4 km ostwärts Smolensk) eine illegale Organisation bestand, die Verbindungen zur sowjetischen Front unterhielt. Nachdem vor längerer Zeit in diese Gruppe Vertrauenspersonen eingebaut wurden, konnte nach gründlicher Vorbereitung mit entsprechender Sicherung schlagartig zugegriffen und die gesamte Bandengruppe ausgehoben worden. 53 Personen wurden festgenommen sowie Waffen und Munition erbeutet. Aus den Vernehmungen ergibt sich, daß die Gruppe die üblichen Sabotage- und Spionageaufträge hatte und darüber hinaus damit rechnete, daß sich die Banden Ende August, „wenn sich die Angriffe der Sowjetflieger verstärken würden“, erheben und offen zum Angriff übergehen würden. Diese Auffassung ist im übrigen bei verschiedenen Vernehmungen in der letzten Zeit häufiger aufgetreten. Kommunistische Bewegung: In Estland wurde beobachtet, daß die Kommunisten versuchen, wieder Zellen aufzubauen. In Ingermanland konnten in diesem Zusammenhang mehrere Personen festgenommen werden. Am 8. 8. 1942 fand in Vana-Kariste (Estland) eine von jüngeren Personen einberufene öffentliche kommunistische Zusammenkunft zur Jahresfeier des Todestages der erschossenen Kommunisten statt. Durch die Einsatzgruppe B wurde in Ordshonikidsegrad eine Widerstandsbewegung aufgedeckt. Es konnten bisher 20 Personen beiderlei Geschlechts festgenommen werden. In ihren Wohnungen wurden einige Handfeuerwaffen mit Munition, eine deutsche Handgranate, Ampullen mit Schwefelsäure, davon eine in Gummibehältern, Sprengkapseln und Zündhütchen sichergestellt. Die Widerstandsbewegung hatte sich eine Beunruhigung der Wehrmacht durch Anschläge gegen das dortige Soldatenheim und Vergiftung der im Heim ausgegebenen Speisen, durch die Verminung eines Schießstandes sowie die Unterbrechung des Eisenbahnverkehrs durch Auslegung von Minen zum Ziel gesetzt. Ausserdem war beabsichtigt, den Bürgermeister und andere führende Persönlichkeiten von Ordshonikidsegrad zu vergiften. Ein Verbindungsmann dieser Gruppe, die sich auch mit der Ausrüstung und Bewaffnung von Banditen sowie mit der Beschaffung von Nachrichten befassen wollte, war beauftragt, Zersetzungspropaganda innerhalb eines ukrainischen Freiwilligenbataillons zu treiben. Bei einer deutschen Wehrmachtseinheit stellte sich ein russischer Topograph, der sich unten Druck bereiterklärt hatte, für das NKWD zu arbeiten. Er war nach Moskau gebracht und dort beauftragt worden, sich nach Smolensk zu begeben, um sich dort mit einem früheren NKWD-Agenten in Verbindung zu setzen. Für den Fall, daß diese Verbindung nicht zustande komme, sollte er sich deutschen Dienststellen unter Anbietung seiner Dienste stellen, um so ungestört arbeiten und wichtige Nachrichten für das NKWD beschaffen zu können. Der Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in der Ukraine berichtet, daß im Generalbezirk Kiew erneut zahlreiche Personen wegen kommunistischer Betätigung fest-

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genommen wurden. Es konnte dort in letzter Zeit auch wiederholt beobachtet werden, daß alte KP-Mitglieder, um ihrer Festnahme zu entgehen, ihre sowjetrussischen Pässe fälschen und sich unter falschem Namen registrieren lassen. Wie inzwischen ermittelt werden konnte, hat der als Leiter der vor kurzem in den Rayons Nowo-Bassan, Brobowitza und Lasinowka ausgehobenen illegalen kommunistischen Organisation festgenommene Rayonchef Djetschenko über seinen Stiefbruder, der als Leiter der ukrainischen Schutzmannschaft in Nowo-Bassan tätig war, Waffen für die Ausrüstung von Bandenmitgliedern bezogen. Es war ihm auch gelungen, verschiedene seiner Leute als Dolmetscher und Kraftfahrer bei deutschen Dienststellen unterzubringen. Er wurde so immer rechtzeitig über gegen ihn vorgebrachte Verdächtigungen und gegen seine Bande geplante Aktionen unterrichtet. Ukrainische Widerstandsbewegung: Bandera-Bewegung: Die illegale Bandera-Gruppe hat die propagandistische Beeinflussung der einheimischen Bevölkerung durch Verbreitung deutschfeindlicher Schriften fortgesetzt. In Kiew wurden weitere Personen wegen des dringenden Verdachts der Zugehörigkeit zur Bandera-Gruppe festgenommen. Sie sind zumeist aus der Gegend von Rowno zugereist und behaupteten, die Absicht zu haben, in Kiew zu studieren. Zwei im Gefängnis in Snamenka (Bereich Nikolajew) einsitzende Bandera-Anhänger wurden in der Nacht zum 25. 8. 1942 von dem Wachthabenden und einem weiteren ukrainischen Schutzmann befreit. Alle 4 flüchteten unter Mitnahme eines Gewehrs mit Munition. Die Fahndungsmaßnahmen laufen. Melnik-Bewegung: Nach längeren Ermittlungen gelang es in Kiew, einen gut getarnten und vorsichtig arbeitenden Personenkreis von Melnik-Anhängern festzustellen, der sich seit Monaten mit der Verbreitung illegaler Druckschriften und mit dem Aufbau einer geheimen Organisation befaßt. Dabei ist auch die Druckerei der illegalen Melnik-Organisation in Kiew ermittelt worden. Erfaßt wurde die Schrift „Die Geburt eines neuen Ukrainers“. Sie enthält Darlegungen über die früheren Freiheitskämpfe der Ukrainer. Bei der gleichen Gelegenheit wurden der Propagandaleiter Wasil Kusmyk, 18. 1. 16 geboren, der sich des Decknamens Petronko bediente und sich unangemeldet in Kiew aufhielt, sowie 8 weitere Aktivisten der Melnik-Gruppe festgenommen. Der Vorgesetzte des Kusmyk, eine Person mit dem Decknamen Stapowejo, die sich ebenfalls in Kiew aufhalten sollte, konnte bisher nicht ergriffen werden. B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung im Generalbezirk Estland: Die letzten Meldungen betonen, daß sich in letzter Zeit in der estnischen Bevölkerung ein Ansteigen der Unzufriedenheit wegen Ernährungsschwierigkeiten bemerkbar macht. Immer wieder werden seitens der Bevölkerung über das Fehlen von Butter, Zucker, Fleisch oder anderen Nahrungsmitteln, die der Bevölkerung kartenmäßig zustehen, Klagen laut. Allgemein herrscht in breiten Kreisen der Bevölkerung eine spannungsvolle Erwartung im Hinblick auf zu erwartende militärische Aktionen. Dabei tauchen öfters Befürchtungen auf, daß die Schlagkraft der deutschen Truppen nicht mehr stark genug sei, um noch in diesem Herbst einen Angriff auf Leningrad durchzuführen. Die Gerüchte sprechen im Gegenteil von erfolgreichen Angriffen der Sowjets. Dabei wird z. B. im Zusammenhang mit der Sperrung der Eisenbahnstrecke Taps–Narwa für die Zivilbevölkerung behauptet, daß diese Verbindung durch gelandete Sowjettruppen unterbrochen worden sei. Angebliche Äußerungen von Wehrmachtsangehörigen über einen evtl. zu erwartenden monatelangen Kampf um die Stadt Leningrad werden mit gewisser Besorgnis besprochen, zumal man durch die Verzögerung der Einnahme von Stalingrad ungünstige Rückwirkungen auf den

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Nordabschnitt der Ostfront befürchtet. Die Stimmung der Landbevölkerung ist im allgemeinen betrachtet als stabil zu bezeichnen. Obwohl die Abgabenormen von Getreide nicht allzu hoch empfunden werden, wird doch über den zu geringen Preis, der für die abgelieferten Mengen gezahlt werde, geklagt. Estnische Bauern behaupten immer wieder, daß die Rentabilität der Landwirtschaft im Vergleich zu früheren Jahren bedeutend gesunken, ja sogar in Frage gestellt sei. Man führt hierzu an, daß beispielsweise ein Arbeiter z. Zt. RM 2,50 an Tageslohn erhält, während das Kilogramm Roggen 9,5 Pfg. kostet. Der Bauer muß also, um den Tageslohn eines Arbeiters auszuzahlen, 25 kg Roggen verkaufen, während er früher nur 15 kg Roggen verkaufen brauchte. Mit gewissem Mißtrauen wird seitens der Landbevölkerung die Registrierung der Schweine beobachtet. Wenn auch amtlicherseits ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, daß es sich lediglich um eine Bestandsaufnahme handle, ist bei den Bauern doch die Meinung vorherrschend, daß es letzten Endes doch auf eine Ablieferung herauskommen werde. Wirtschaftliche Lage im Generalbezirk Estland: Landwirtschaft: Nachdem der Bedarf an Arbeitskräften in der Landwirtschaft gleichbleibend hoch blieb, sind es z. Zt. zwei Probleme, die den Antrieb zu deutschfeindlichen Tendenzen bilden, einmal die Ablieferungsnormen, zum anderen die Preisgestaltung landwirtschaftlicher Produkte. Die Ablieferungsnormen für Brotgetreide wurden im Gegensatz zum Futtergetreide bereits festgesetzt, aber zum Zeitpunkt der Meldung noch nicht veröffentlicht. Vielfach hört man unter der Landbevölkerung die Äußerung, daß die Ablieferungsnormen, ganz gleich wie hoch sie sind, keine Rolle spielten, da die Deutschen doch soviel nehmen würden, als sie eben benötigten. Als Ablieferungsnormen für Brotgetreide wurden folgende Mengen je ha bestimmt: Bei einer mittelguten Ernte 50 kg je Hektar Ackerland, bei einer guten Ernte 65 kg je Hektar Ackerland, bei einer sehr guten Ernte 105 kg je Hektar Ackerland. Diese Normen sind nach dem Bedarf der Zivilbevölkerung und den Forderungen der Wehrmacht berechnet worden. Wie von zuständiger deutscher Stelle berichtet wird, ist das Wehrmachtssoll so hoch, daß es in keinem Fall mehr erhöht, im Gegenteil das Soll von Heu, Butter und Fleisch nicht erfüllt werden kann. Die Erfassung der Normenmengen soll so geschehen, daß die Kreis- und Gemeindeverwaltungen Anweisung bekommen, über das zu liefernde Soll mit den Bauern Kaufverträge abzuschließen, um dadurch das Getreide bei den Bauern sicherzustellen. Es sei nicht möglich, schlagartig die gesamten Ablieferungsnormen zusammenzuführen. Wenn ein Bauer über seine Normen hinaus abliefere, solle er dafür Prämien erhalten. Das zweite, vielleicht noch wesentlichere Problem, welches insbesondere die Erfassung der Getreidenormen erheblich zu erschweren droht, ist nach Ansicht deutscher Stellen die Preisgestaltung landwirtschaftlicher Produkte. Von deutschen und estnischen Verwaltungsstellen werden die festgesetzten Preise als viel zu gering angesprochen, und dieselben Stellen äußern, daß bei einer derartigen Preisgestaltung die Produktionsfähigkeit der Landwirtschaft stark herabgesetzt werde. Die Preise sind einheitlich für die ganzen Ostgebiete festgesetzt worden, aus welchem Grund sowohl die zuständigen Abteilungen des Generalkommissariats als auch estnische Wirtschaftsstellen nichts dagegen unternehmen können. Folgende Preise wurden fixiert: Roggen 9,5 Pfg. pro kg, Weizen 13,5 Pfg. pro kg, Gerste und Hafer 9,04 Pfg. pro kg. Die Preise sollten 60 % der ostpreußischen ausmachen; sie liegen aber wesentlich niedriger und wirken deshalb stimmungsmäßig sehr ungünstig. Sie werden von den Bauern immer wieder mit den Preisen verglichen, die zur estnischen Zeit gezahlt wurden, wobei die estnischen Preise in Kronen ziemlich die gleichen waren, wie die der Festpreise im Reich. Die Bauern fragen mit Erstaunen, warum die Preise so niedrig seien, wo doch immer wieder in Zei-

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tungen und Reden von einer Gleichberechtigung Deutscher und Esten gesprochen wird. Es scheint tatsächlich unmöglich, bei den so niedrig festgesetzten Preisen eine Rentabilität in der Landwirtschaft zu erzielen und der Erfolg dürfte sein, wie von Fachleuten geäußert wurde, daß die Anbauflächen im nächsten Jahr noch geringer sein werden, als es in diesem der Fall war. Aus dem ganzen Land wird im Zusammenhang mit den festgesetzten Preisen für Getreide sehr über den Ferkelmangel geklagt. Durch diesen Mangel sind der Schleichhandel und das Zahlen von Wucherpreisen für Ferkel an der Tagesordnung. Ein Ferkel zum Preise von 200,– RM ist keine Seltenheit. […] Arbeits- und Sozialwesen: Der Hauptverband der estnischen Berufsgruppen, dessen Mitgliedszahl inzwischen auf rund 150 000 angewachsen ist, kann dieser Tage auf ein einjähriges Bestehen zurückblicken. Im Rahmen der weiteren Aufbauarbeit ist die Berufsausbildung und Berufserziehung in den Betrieben als Ziel der künftigen Arbeit gesetzt worden. Daneben wird im Hinblick auf die im Reich gemachten Erfahrungen die Wiederbeschäftigung älterer und bereits pensionierter Arbeitskräfte zur Erfassung auch der letzten Arbeitsreserven propagiert. Die Landwirtschaft benötigt gerade jetzt noch mehr Arbeitskräfte als zuvor für die Einbringung der Hackfrüchte und zum Dreschen der Getreideernte. Der dringende Bedarf an Arbeitskräften während der Erntezeit wurde durch die Aktion der estnischen Selbstverwaltung „Städter aufs Land“ nicht allzu wesentlich befriedigt. In den Kreisen der Landwirtschaft wird ständig darauf hingewiesen, daß die aus der Stadt herbeigeführten Arbeitskräfte wenig Erfahrungen mitbringen und auch wenig Interesse an einem schnellen und harten Zugreifen, wie es der Landwirt zu dieser Zeit gewöhnt ist, haben. In der Brennschieferindustrie wirkt sich der Mangel an Arbeitskräften besonders schwerwiegend aus, aber auch in den sonstigen Meldungen wird immer wieder in allen Wirtschaftsgebieten auf den Mangel an Arbeitskräften hingewiesen, und es werden des öfteren Stimmen laut, daß aus dem estnischen Gebiete bereits zuviel Arbeitskräfte nach dem Reich abgezogen worden seien. Obwohl die Errichtung der SS-Legion Estland in weiten Kreisen der Bevölkerung große Zustimmung erfährt, fragt man sich, inwieweit dadurch noch eine weitere Anspannung der Arbeitseinsatzlage eintreten könne, denn gerade bei jüngeren Kräften liege der Wunsch vor, lieber als Soldat ein „interessanteres“ Leben zu führen, als die oft schwere Arbeit in der Industrie bei nicht allzu guter Ernährung verrichten zu müssen. Des weiteren werden immer noch Klagen, allerdings nicht mehr im früheren Umfang, über die niedrigen Löhne geführt, besonders in Hinsicht auf die Schwierigkeiten der Lebensmittelbeschaffung. Man glaubt darauf angewiesen zu sein, als Ergänzung der vorgesehenen Lebensmittelration einen großen Teil der Lebensmittel auf dem Schleichhandelswege zu Wucherpreisen beschaffen zu müssen, so daß mit den gezahlten Löhnen keinesfalls auszukommen sei. In diesem Zusammenhang treten immer wieder Arbeitsversäumnisse auf, die dadurch bedingt sind, daß Arbeiter, oft auch ohne vorherige Entschuldigung, aufs Land fahren, um sich mit Lebensmitteln zu versorgen. Obwohl mit den verschiedensten Mitteln versucht worden ist, dieser Lockerung der Arbeitsdisziplin entgegenzutreten, ist es bis jetzt noch nicht gelungen, ihrer Herr zu werden. Der Abzug eines Tageslohnes als Strafmaßnahme hat keinerlei abschreckende Wirkung, da die Lebensmittelbeschaffung auf dem Lande immer noch vorteilhafter ist als auf dem Schwarzhandelswege in der Stadt. Durch eine kürzlich erlassene Verordnung von Gauleiter Sauckel wird gegen diejenigen, die sich Arbeitsversäumnisse zuschulden kommen lassen, mit der gleichen Strenge vorgegangen wie im Reich. Allgemeine Lage und Stimmung im Generalbezirk Lettland: Die allgemeine Lage in Lett-

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land wird nach den vorliegenden Meldungen gekennzeichnet durch das in verstärktem Maße zunehmende Interesse der Bevölkerung an Ernährungs- und Wirtschaftsfragen. In weiten Kreisen der Bevölkerung, insbesondere der Arbeiterschaft, wird in ständig zunehmendem Maße die mangelnde Versorgung mit Lebensmitteln und den Bedarfsartikeln des täglichen Lebens erörtert. Die immer noch nicht zufriedenstellende Regelung der Lohntarife für den Arbeiter verstärkt die Unzufriedenheit. Es häufen sich mehr und mehr die Fälle, daß Arbeiter von ihren Arbeitsstellen fernbleiben mit der Begründung, sie seien wegen unzureichender Ernährungsmöglichkeit nicht mehr in der Lage, ihre Arbeit zu leisten. Die Beschaffung warmer Winterbekleidung bereitet wegen der Schwierigkeiten gerade in Arbeiterkreisen besondere Sorge. Nachdem die Hoffnung auf Einführung einer Kleiderkarte, ähnlich wie im Reich, gesunken ist und obendrein Bezugsscheine für Bekleidungsstücke fast gar nicht mehr ausgestellt werden, hat sich eine merkliche Mißstimmung unter der Arbeiterschaft breitgemacht und zeigt Gefahrenmomente einer gewissen Empfänglichkeit für kommunistische Propaganda auf. Hinzukommt, daß der Arbeiter die im Schleichhandel zu Wucherpreisen erhältlichen Kleidungsstücke infolge seines geringen Lohnes nicht erwerben kann. In Kreisen der lettischen Intelligenz, besonders den nationalistisch-chauvinistischen Gruppen, wird die Frage der politischen künftigen Gestaltung Lettlands nach wie vor lebhaft erörtert. Als auffallende Erscheinung macht sich in letzter Zeit eine zunehmende Mundpropaganda bemerkbar, die sich anscheinend zum Ziel gesetzt hat, durch Verbreitung von Gerüchten, wie beispielsweise Ablösung des Reichskommissariats, des Generalkommissars und der Gebietskommissare, verfehlte Wirtschaftspolitik der Zivildienststellen u. ä. m., Mißtrauen gegen die Organe der Zivilverwaltung hervorzurufen. Starke Beachtung hat auch der in der „Deutschen Zeitung im Ostland“ vom 9. 8. 42 veröffentlichte Artikel „Öffentliche Beschimpfung geahndet“ gefunden. In dem Artikel wurde bekanntgemacht, daß ein Lette wegen Beleidigung eines deutschen Feldwebels zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, und darauf aufmerksam gemacht, daß in Zukunft das Gericht bei ähnlichen Vorkommnissen weit strenger durchgreifen und, falls erforderlich, auch vor der Todesstrafe nicht zurückschrecken würde. Diese Ausführungen haben in der breiten Öffentlichkeit stärkstes Mißfallen und eine allgemeine Diskussion ausgelöst. […] C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR Wie Meldungen aus den unbesetzten Gebieten besagen, wurde nach abgeschlossener Mobilisierung der 17- bis 55-jährigen daran gegangen, die bisher als wenig zuverlässig geltenden kleineren Nationalitäten der Sowjetunion zur Roten Armee und zum Arbeitsdienst heranzuziehen. So seien in den Sommermonaten des Jahres 1942 alle Jahrgänge der Kasachen eingezogen worden, die vorher nicht aktiv gedient hätten. Die Kasachen erhielten in Stärke von etwa 25 bis 30 000 Mann in der Nähe von Saratow eine kurzfristige Ausbildung und seien von hier aus zur Auffüllung der Ersatztruppen zumeist an die mittleren und nördlichen Frontabschnitte geschickt worden. Ebenso seien im Sommer 1942 alle noch ungedienten Jahrgänge in Turkestan für die Rote Armee erfaßt worden. Die noch in letzter Zeit durchgeführten schweren Bestrafungen von Angehörigen der Roten Armee durch die „Besondere Abteilung des NKWD“ bei der Roten Armee wegen verschiedener disziplineller Vergehen sollen jetzt nur noch in beschränktem Maße angewendet werden, z. B. bei erwiesener Absicht des Überlaufens usw. Vielfach würden die betreffenden Rotarmisten jetzt zu KZ-Strafen verurteilt oder zur Bewährung in besonderen Bataillonen in die vorderste Linie geschickt. Die Lage der arbeitsunfähigen und verwundeten Rotarmis-

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ten, die keine Unterstützung erhielten und den Angehörigen zur Last fielen, sei sehr schwer. Die Stimmung bei Ersatztruppenteilen im Hinterland wird schlechter beurteilt als die Stimmung der Frontverbände. Durch das unaufhaltsame Vordringen der Wehrmacht im Süden, durch das Ausbleiben einer tatkräftigen Unterstützung von seiten der Alliierten, die propagandistisch noch immer eine gewisse Rolle spielt und vor allem durch eine gewisse Skepsis den eigenen Meldungen gegenüber würden besonders bei den Ersatztruppenteilen Zweifel über den Ausgang des Krieges laut, die angeblich durch Äusserungen von seiten der Offiziere und auch Kommissare über England und Amerika genährt würden. Der Befehl Stalins über die Errichtung von Sperrkommandos1 sei bei der Fronttruppe lebhaft besprochen worden und habe sich nicht stimmungsverbessernd ausgewirkt, obwohl er sehr geschickt durchgeführt worden sei. Die in vorderster Linie eingesetzten Truppen hätten kaum Kenntnis davon gehabt; erst nach erfolgten Angriffen sei festgestellt worden, daß ein Teil der Offiziere und Kommissare sowie ein Teil der Rotarmisten zurückgeblieben seien und erst in grösserem Abstand folgten. Die Stimmung bei der Zivilbevölkerung wird nach wie vor im allgemeinen als wenig hoffnungsfreudig geschildert. Als Grund wurden meistens Ernährungsschwierigkeiten und grosse Arbeitsanforderungen angegeben. Besonders unter den heimatlos gewordenen Evakuierten, die zur Arbeit in der Rüstungsindustrie und in der Landwirtschaft eingesetzt werden, herrsche grosse Mutlosigkeit, da sie ausschliesslich in primitiven Unterkünften untergebracht seien. Die bevorzugte Behandlung von Mitgliedern der kommunistischen Partei und z. T. auch Juden werde von der Bevölkerung mit Mißmut beobachtet. Die sowjetische Propaganda verlagert im Augenblick den Schwerpunkt wieder auf Zeitung, Flugblatt und Rundfunk. Versammlungen und Parteiveranstaltungen werden im Gegensatz zu früher nur noch vereinzelt abgehalten. Sie ist bemüht, der sowjetischen Bevölkerung durch verhältnismäßig ungeschminkte Berichte die äusserst schwierige Lage der „Sowjetheimat“ zu schildern und dadurch den Kriegs- und Arbeitswillen zu steigern. Unter der Parole „Sowjetische Patrioten treten in die Reihen der Partei ein“ wird z. Zt. in der Sowjetunion eine umfangreiche Propagandaaktion für die kommunistische Partei durchgeführt. Zweifellos ist dies ein grossangelegter Versuch, die breite Masse der Sowjetbevölkerung und der Roten Armee, aber auch ihre Kommandeure unter dem Eindruck des kommenden Winters absolut fest an die kommunistische Partei und damit an das sowjetische System zu binden. BAB, R 58/222 1 Gemeint ist der Befehl Nr. 227 („Keinen Schritt zurück“), vgl. Overy: Russlands Krieg 1941–1945, S. 249 ff.

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

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Berlin, den 9. Oktober 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 24 […] A. Gegner und Exekutivfragen Kommunistische Bewegung: Im Kdr.-Bereich Lettland war eine erhöhte Aktivität unter den Kommunisten festzustellen. Verschiedentlich fanden politische Besprechungen statt, an denen sich besonders die Jugend beteiligte. Die Zusammenkünfte wurden unter dem Deckmantel gesellschaftlicher Treffen einberufen. Es gelang, die Namen der einzelnen Teilnehmer festzustellen. Diese Gruppen betreiben eine rege Mundpropaganda und werben Mitglieder für die Bandentätigkeit. Von einzelnen Funktionären wurden ausländische Sender gehört und mit Hilfe eines Abziehapparates illegale Hetzschriften hergestellt, die zur Verbreitung gelangen sollten. Bisher wurden 22 Personen festgenommen; sie standen mit der kommunistischen Organisation in Riga in Verbindung und waren bereits für die Bandentätigkeit angeworben. Als Bandenmitglieder hatten sie die Anweisung, den Nachschub der deutschen Wehrmacht durch Sprengstoffattentate und Überfälle auf Lkw-Kolonnen zu stören. Um die weitere Aufrollung nicht zu gefährden, wurde vorläufig von weiteren Festnahmen Abstand genommen und der Personenkreis unter Beobachtung gehalten. In der Ukraine wurde weiterhin eine Anzahl ehem. besonders aktiver Kommunisten ausgemittelt und festgenommen. Ausserdem wurde eine illegale Organisation der KP in Charkow festgestellt, wo unter Führung des früheren Oberbürgermeisters Kublitzky ehemalige Kommunisten und NKWD-Agenten im Auftrage des NKWD tätig waren. K. leitete die Personalabteilung der ukrainischen Schutzmannschaft in Charkow und hatte fast ausschliesslich die ihm von früher bekannten Elemente als Hilfspolizisten angestellt, um dadurch die Maßnahmen der Sicherheitspolizei und des SD ständig kontrollieren und beobachten zu können. Überall baute er seine Leute ein und schaffte sich damit ein weit verzweigtes Spitzelsystem. Seine Tätigkeit hatte schon Schwierigkeiten bei der Durchführung einzelner Maßnahmen der deutschen Militärverwaltung zur Folge. Kublitzky war bereits lange Zeit vor dem Einmarsch der deutschen Truppen bei einer Spezialabteilung des NKWD in Charkow tätig und mit besonderen Spionageaufträgen betraut. Im Verlauf der geführten Ermittlungen konnten 41 Personen festgenommen werden, unter denen sich ein weiterer früherer Oberbürgermeistervertreter und 7 ukrainische Hilfspolizisten befinden. Durch Haussuchungen wurde belastendes Material sichergestellt. Im Kdr.-Bereich Kiew erfolgte die Festnahme von 82 Personen. Unter diesen befanden sich ein wegen kommunistischer Betätigung bekannter Gemeindeschreiber, der versucht hatte, für die Banden ein Pferdegespann zu requirieren, und weiterhin eine Anzahl übler Hetzer, die in der Öffentlichkeit den Sieg der Bolschewisten propagierten und die Bevölkerung auf eine baldige Rückkehr der Roten Armee vorzubereiten suchten. Bandentätigkeit: Die Aktivität der Banden hält in allen Teilen der besetzten Ostgebiete in unverminderter Stärke an. Allein im Kdr.-Bereich Rowno wurden in einer Woche 120 Fälle des Auftretens von Banden zahlenmäßig erfaßt. In 95 Fällen erfolgten Überfälle auf Staatsgüter, Ortschaften, Gehöfte und Oberförstereien, wobei in den meisten Fällen die Gebäude, die Stallungen mit Vieh, die Scheunen mit Erntevorräten, zahlreiche Ge-

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treide-, Heu- und Strohdiemen sowie die landwirtschaftlichen Maschinen und Geräte verbrannt wurden. Z. T. wurden Getreidevorräte auch durch Übergiessen mit Petroleum unbrauchbar gemacht. Vieh, das nicht weggeschleppt werden konnte, wurde erschossen. Darüber hinaus sind noch 21 Wohnhäuser in verschiedenen Ortschaften sowie eine Brücke durch Brand vernichtet, ferner 2 Molkereien zerstört worden und zwar mit der gesamten Maschineneinrichtung. Ein Lkw mit einer Terpentinladung ging durch MG-Feuer in Flammen auf und brannte vollständig aus. Ein weiterer Lkw wurde überfallen und ausgeraubt. In 16 Fällen sind weitere räuberische Überfälle erfolgt, wobei Pferde und Wagen, Vieh und Geflügel aller Art, Lebensmittelvorräte, Kleidungsstücke und Geld geraubt wurden. In 2 Fällen wurden Polizeistreifen bezw. -wachen durch Banditen in Feuergefechte verwickelt. 7 Zivilpersonen sind bei den Überfällen ermordet worden. Bei den Bekämpfungsmaßnahmen wurden 158 Banditen erschossen. Eine weitere Anzahl ist verletzt. 37 Personen sind wegen Bandenbegünstigung festgenommen worden. Eigene Verluste: 2 Sonderführer, 3 Schutzpolizeibeamte, 2 Hilfsschutzleute und 1 ukrainischer Förster gefallen, 1 Schutzpolizeibeamter und 3 Hilfsschutzleute verwundet. 3 bandenverseuchte Dörfer und 3 Gehöfte von Bandenangehörigen wurden im Zuge sicherheitspolizeilicher Befriedungsaktionen bereinigt. Ähnlich gelagert sind die Verhältnisse im Kdr.-Bereich Shitomir, wo – ebenfalls in einer Woche – 126 Fälle des Auftretens von Banden festzustellen waren. In 21 Fällen erfolgten Eisenbahnanschläge, darunter 13 Minenexplosionen unter Transport-, Güter- und Leerzügen. 3 Getreidespeicher, 10 Getreideschober, 2 Getreide- und 1 Ölmühle, ferner 3 Häuser und 3 Schuppen wurden durch Banditen niedergebrannt, eine Kolchose, eine Butterfabrik, 3 Molkereien und 2 Bürgermeistereien beraubt und zerstört. In 2 Fällen entstanden Waldbrände, bei denen Flächen von 7 bezw. 150 ha abbrannten. Weiter ereigneten sich 48 räuberische Überfälle auf Dörfer, Gehöfte und Einzelpersonen, wobei Gespanne, Vieh, Lebensmittel, Kleidung und Geld geraubt wurden. 30 Polizeistreifen, Brücken- und Bahnwachen sowie Posten der ukrainischen Schutzmannschaft wurden durch Banditen angegriffen und in Feuergefechte verwickelt. 5 ukrainische Schutzmänner, 1 Bürgermeister, 1 Starost, 1 Molkereipächter und 4 Angestellte einer Rayonverwaltung sind bei den Überfällen ermordet, 4 Bürgermeister und 4 ukrainische Schutzmänner verschleppt worden. Bei den Bekämpfungsmaßnahmen wurden 40 Banditen getötet oder verletzt. 28 Personen wurden wegen Bandenbegünstigung festgenommen. Eigene Verluste: 28 ukrainische Schutzmänner und 3 ukrainische Zivilpersonen getötet, [unleserlich] deutsche Arbeiter, 12 ukrainische Schutzmänner und 2 Zivilpersonen verwundet. In 18 Fällen sind zur Nachtzeit sowjetische Flugzeuge gesichtet worden, die mit Banden in Verbindung traten. […] Ukrainische Widerstandsbewegung: Anfang September 1942 wurden in Charkow illegale Flugblätter der Bandera-Gruppe erfaßt. Sie sind herausgegeben von der „Gebietsabteilung der OUN in den ostukrainischen Gebieten“. Es handelt sich um 4 verschiedene Flugblätter mit folgenden Überschriften: a) Ukrainisches Volk, Landleute, Arbeiter und Intelligenz! b) Wie ein entsetzliches Gespenst steht vor uns das Jahr 1943, ein Jahr des Hungers und Todes. c) Ein Wort an die OUN! d) Ukrainer! Die Deutschen haben durch ihre rohe Kolonialpolitik in der Ukraine einen gerechten Unwillen in unserem Volke hervorgerufen! Diese Flugblätter geben zum ersten Mal Kunde davon, daß die Bandera-Gruppe eine eigene Abteilung für die Ostukraine hat und propagandistisch an die ostukrainische Bevölkerung herangeht. Die Ermittlungen nach dem Herausgeber und Verbreiter der Flugschriften sind eingeleitet worden.

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Im Kdr.-Bereich Dnjepropetrowsk wurden in der Nacht zum 6. 9. 42 15 Personen wegen geheimer Tätigkeit in der verbotenen Organisation „Proswita“ festgenommen. Zumeist Sonntags in den Abendstunden fanden in der Wohnung des „Proswita“-Sekretärs Drain getarnte Versammlungen statt. Die Versuche der Organisation „Proswita“, ihren Einfluss auf das gesamte öffentliche Leben in der Ukraine auszubauen, werden fortgesetzt. Immer deutlicher kommt dabei zum Ausdruck, daß „Proswita“ gewillt ist, alle fremden Einflüsse – auch den deutschen – auszuschalten und mit allen Mitteln auf das Ziel „Errichtung einer selbständigen Ukraine“ hinzuarbeiten. Der Metropolit Theophil wird nach wie vor angegangen, einen Vertrauensmann der „Proswita“ zum Priester zu weihen und in eine Charkower Kirche einzusetzen. Das Haupt der gesamten „Proswita“-Organisation ist ein Ukrainer namens Dolenko, Leiter der „Proswita“ in Charkow ein gewisser Dubrowski. Die Bildung von Ortsgruppen in Charkow und Umgebung wurde bisher untersagt. Nach einer vertraulichen Mitteilung hat Dolenko anlässlich einer Besprechung erstmalig als Ziel der „Proswita“ den Kampf gegen den Bolschewismus und die Unterstützung der deutschen Wehrmacht bis zur Niederringung des Sowjetregimes, dann aber den Kampf gegen die Deutschen mit dem Ziel der Ausschaltung des deutschen Einflusses bezeichnet. Er soll auch schon von der Notwendigkeit der Anlegung von Waffen- und Munitionslagern gesprochen haben. […] B. Lebensgebiete Allgemeine Stimmung und Lage der Bevölkerung im Reichskommissariat Ukraine: Das Gesamtbild der allgemeinen Stimmung in der Ukraine wird vorwiegend von der Ernährungslage bestimmt, die auch weiterhin im Vordergrund der Betrachtungen der Bevölkerung steht. So melden sowohl Charkow wie Kiew, Kursk1, Tschernigow, Shitomir und Rowno, daß die Klagen über die unzureichende Lebensmittelversorgung weiter anhalten. In Kiew ist eine gewisse Entspannung der Lage durch die Erhöhung der Brotration und weitgehende Durchführung der Werkverpflegung erreicht, doch ist dies im gesamten noch nicht ausreichend, und die Versorgung Kiews erscheint nach wie vor ungenügend. Die durch die Ernährungssorgen und Ernährungsschwierigkeiten hervorgerufene Lage bedingt naturgemäß, daß die Bevölkerung versucht, sich im Schleichhandel zusätzliche Lebensmittel und Waren zu verschaffen. So wird aus Charkow berichtet, daß die Bevölkerung durch wildes Organisieren mit Hilfe von Tauschobjekten versucht, sich vom Lande Lebensmittel zu besorgen. Die schwierige Ernährungslage bietet auch der Gerüchtebildung einen beachtlichen Vorschub. So wird aus Shitomir berichtet, daß die Bevölkerung auf das Hungerjahr 1932/33 2 hinweist und ein solches in diesem Jahr wieder erwartet. Einen stimmungsbeeinträchtigenden Einfluß üben nach wie vor die Methoden der Anwerbung der Arbeiterverschickungen nach dem Reich aus, obwohl die inzwischen bekanntgewordenen Berichte von im Arbeitseinsatz im Reich befindlichen Ukrainern an ihre Angehörigen einen gewissen Stimmungsaufschwung hervorgerufen haben. So wird sowohl aus Tschernigow wie auch aus Kiew berichtet, daß die aus Deutschland von den ukrainischen Arbeitskräften kommenden Briefe und Berichte im allgemeinen positiv gehalten sind und einen gewissen Eindruck nicht verfehlen. Die Empfänger der Briefe sorgen für schnellste Verbreitung der ihnen zugegangenen Nachrichten. Getrübt wird dieses Bild auch hier durch die Methoden der Arbeitererfassung. So wurden in Kiew mit starken Kommandos die Märkte, die Kinos, der Badestrand usw. abgesperrt und ausgekämmt, um die befohlenen Transporte aufzufüllen. Bisher abseits stehende ukrainische Intelligenzkreise sehen jetzt z. T. ein, daß die gleich-

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mäßige Bedrohung der deutschen und ukrainischen Bevölkerung durch die Bandentätigkeit eine gemeinsame Abwehr erfordert. Diese Ukrainer, die bisher aus nationaler Opposition eine Zusammenarbeit mit den deutschen Stellen ablehnten, treten jetzt aus der Besorgnis um die Verpflegungslage im Winter zum Teil an die deutschen Stellen mit verschiedenen Vorschlägen heran, um ihre Kräfte für eine gemeinsame Aktion zur Verfügung zu stellen. Die im Nordteil Wolhyniens aufgetretene stärkere Bandentätigkeit hat vielfach auch kommunistisch gesinnte Personen, die bisher nicht besonders in Erscheinung getreten waren, nunmehr wieder dazu gebracht, eine regere Tätigkeit zu entfalten, indem sie die Bevölkerung aufwiegeln, den Banden Hilfsdienste leisten oder sich selbst als Bandenangehörige betätigen. Die im Laufe der Einführung der neuen Währung entstandene Unruhe hat sich den Meldungen zufolge merklich gelegt. Aus Shitomir wird dazu berichtet, daß unter der arbeitenden Bevölkerung, die sowieso über keine großen Gelder verfügt hat, man bereits eine gewisse Genugtuung feststellen kann und zwar in der Richtung, daß die von den Kommunisten und ihrem Anhang aus der bolschewistischen Zeit aufgesparten Gelder nun endgültig verlorengegangen seien. Allgemeine Lage und Stimmung in den Operationsgebieten (Rostow, Schachty, NowoTscherkask, Woronesh): Die Meldungen aus den Operationsgebieten lassen erkennen, daß die deutschen Truppen bei ihrem Vormarsch bzw. Einrücken im allgemeinen nicht feindlich aufgenommen wurden. Lediglich eine gewisse Zurückhaltung machte sich in der ersten Zeit bemerkbar. Meldungen aus Rostow besagen, daß weite Bevölkerungskreise anfangs noch vollkommen unter dem Eindruck der deutschen Bombardements standen und allen weiteren Geschehnissen teilnahmslos oder gleichgültig entgegensahen. Von einer ausgesprochen deutschfeindlichen oder deutschfreundlichen Stimmung der Bevölkerung könne nicht gesprochen werden, da die Bevölkerung in erster Linie darauf bedacht ist, für ihr eigenes Wohl zu sorgen. In den Städten Schachty und Nowo-Tscherkask zeigte sich zuerst ebenfalls eine gewisse Zurückhaltung der Bevölkerung, die besonders neben dem Eindruck der Kampfeinwirkungen aus der im Winter erfolgten starken bolschewistischen Verhetzung resultiert. Dem absolut korrekten Auftreten der deutschen Wehrmacht in Rostow ist es zu verdanken, daß viele Einwohner, besonders aber Kosaken, die Stadt nicht verlassen haben und nach der allmählich weichenden Zurückhaltung eine außerordentliche Initiative an der Wiederbildung und an dem Aufbau geordneter Verhältnisse entwickelten. Aus vielen Kreisen der Bevölkerung sind deutschen Soldaten und auch Angehörigen der Sipo und des SD Dankesbezeugungen und Bereitschaftserklärungen jeder Art zugegangen. Berichte aus dem Raum Petrowka und Woronesh geben ebenfalls Ausdruck, daß die deutschen Truppen keineswegs feindlich, jedoch zunächst noch mit etwas Zurückhaltung betrachtet worden seien. Freude kam jedoch unbedingt über die Befreiung vom bolschewistischen Joch und insbesondere den Juden zum Ausdruck. Ob und wann der Krieg beendet sein wird und die eingezogenen Männer wieder heimkommen werden, bewegt die Bevölkerung in erster Linie neben den materiellen Schwierigkeiten und Sorgen. An die Stelle der Angst und Furcht ist mehr und mehr die Sorge um Arbeit und Brot in den Vordergrund getreten, da die Ernährung der Bevölkerung im letzten Winter äußerst schlecht war. Butter und Zucker waren in Rostow z. B. schon seit 1938 seltene Lebensmittel, Mehl dagegen war stets ausreichend vorhanden. Nach zwei Monaten Kriegsdauer trat jedoch ebenfalls eine Verknappung ein. Auf die im Winter eingeführten Brotkarten erhielt die Bevölkerung pro Kopf 400 Gramm Brot. Die den kinderreichen Familien zugewiesenen Milchkarten konnten nur in geringem Maße in Anspruch genommen werden,

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Nr. 19: Erhängung von Zivilisten bei Minsk

da Milch in seltenen Fällen ausgegeben wurde. Diese schwierige Ernährungslage führte dazu, daß für Lebensmittel eine außerordentliche Preissteigerung einsetzte. Zu dieser schwierigen Ernährungslage kam nach dem Rückzug der Deutschen aus Rostow im Herbst des vergangenen Jahres noch der Terror des NKWD, der rücksichtslos und brutal gegen alle diejenigen vorging, die mit den Deutschen irgendwie in Berührung gekommen waren. So seien junge Mädchen, die mit deutschen Soldaten gesprochen hatten, zu 10–15 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden. Immer wieder seien Aufrufe erschienen, in denen die Bevölkerung aufgefordert wurde, in jeder Weise die Leistungsfähigkeit zu steigern, „damit im Winter die Hitler-Faschisten zerschlagen werden könnten“. Ähnliche Berichte liegen aus anderen Orten der neu besetzten Gebiete vor. Die Kirchen sind nach der Befreiung des Don-Gebietes vielerorts wieder spontan geöffnet worden, soweit die Gebäude noch erhalten waren und Geistliche vorhanden sind. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß alle notwendigen Kirchengeräte, wie Heiligenbilder und Priestergewänder, von der Bevölkerung in großer Anzahl zur Verfügung gestellt wurden. Wenn auch die grundsätzliche Einstellung der vornehmlich kosakischen Bevölkerung antibolschewistisch und kirchlich gewesen ist, wie aus vielen Heiligenbildern zu ersehen ist, die besonders auf dem Lande in fast jeder Familie noch erhalten geblieben sind, so werden die Kirchen doch hauptsächlich nur von der älteren Generation, besonders von den Frauen und von kleinen Kindern besucht. Neben Messen und Dankes-

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gottesdiensten werden in großer Anzahl Taufen durchgeführt. Kirchenpolitische Strömungen waren bisher nicht festzustellen. Propagandawesen in der Ukraine: Immer wieder wird darüber geklagt, daß die propagandistische Betreuung des flachen Landes keinesfalls in ausreichendem Maße geschieht. So wird aus Rowno berichtet, daß die Belieferung der Dörfer mit Zeitungen praktisch überhaupt nicht erfolgt; nur dann, wenn der eine oder andere Dorfeinwohner von der gelegentlichen Fahrt zur Stadt eine Zeitung mitbringt, wird das Dorf über die Geschehnisse unterrichtet, wobei bedacht werden muss, daß die Zeitung das wichtigste deutsche Propagandamittel für das flache Land ist, da es Rundfunkempfänger dort fast nicht gibt. Die Bevölkerung ist daher besonders in den bandenverseuchten Gebieten in den meisten Fällen über die Geschehnisse an der Front und auf anderen Gebieten nur im Sinne der feindlichen Propaganda unterrichtet. Gerüchte stehen nach wie vor hoch im Kurs. Im Gebiet von Berditschew wurde das Gerücht verbreitet, daß nach den Juden alle Polen in Lager untergebracht bezw. erschossen würden. Eine andere Flüsterparole in derselben Gegend besagt, daß alle Ukrainer und Polen ein bestimmtes Abzeichen in Form einer Armbinde in Zukunft zu tragen hätten. Hartnäckig hält sich dort auch das Gerücht, daß in Deutschland eine große Hungersnot sei. Dies trägt zweifellos mit dazu bei, daß die Ukrainer aus dem dortigen Bezirk ungern zum Arbeitseinsatz nach Deutschland gehen. In derselben Gegend wurde verbreitet, daß Hitler den Krieg bald gewinnen würde und dann von Stalin die Herausgabe der deutschen Kriegsgefangenen verlange. Da Stalin dieses aber nicht tun würde, vielleicht auch nicht könne, weil er sie vorher umgebracht habe, würde Hitler dann als Gegenmaßnahme alle Russen – wozu dann auch die Ukrainer im Reich gerechnet würden – ebenfalls umbringen lassen. Auch dieses Gerücht ist dem Arbeitseinsatz im Reich äußerst abträglich. Die Auswirkung verschiedener derartiger Gerüchte war so stark, daß ein Teil der Arbeitskräfte der Lederfabrik Berditschew die Arbeit niederlegte mit der Begründung, daß das Arbeiten keinen Sinn mehr habe. Noch übertriebenere Gerüchte tauchten im Rownoer Bereich auf. Hier fragten die Bauern eines Dorfes mit Besorgnis, ob es stimme, daß Shitomir von der Roten Armee zurückerobert sei. Es zeigt sich also, daß die früher schon von den Bolschewisten mit besonderem Eifer und Erfolg durchgeführte Flüsterpropaganda heute namentlich in den bandenverseuchten Gebieten mit besonderer Intensität wieder zur Anwendung gebracht wird. Die Wandzeitung für ukrainische Bauern krankt daran, daß sie in zu wenig Exemplaren zur Verteilung kommt. Im Rownoer Bereich z. B. wurde die Wandzeitung in je 170 Exemplaren an die Gebietskommissare zur Verteilung abgegeben. Die Anzahl der Dörfer jedoch ist durchweg größer als diese Zahl, so daß nicht einmal jedes Dorf auch nur eine Wandzeitung erhalten würde. Das Aushängen dieser Wandzeitungen in Städten, wie es z. B. in Rowno geschieht, dürfte nach den vorliegenden Meldungen jedoch nicht den beabsichtigten Zweck erfüllen, da es sich um eine Bauernzeitung handelt, durch die gerade auf dem flachen Lande das Fehlen anderer Zeitungen ersetzt werden soll. Anklang findet immer wieder die Plakatpropaganda, wie aus Tschernigow und Rowno berichtet wird. Demzufolge wurden die Plakattafeln von der ukrainischen Bevölkerung stets dicht umdrängt und lebhaft besprochen. Einer Meldung aus Rowno zufolge hat ein Plakat für die Werbung zum freiwilligen Arbeitseinsatz – das Plakat zeigt 2 junge Ukrainer, die sich mit strahlenden Gesichtern freiwillig zur Arbeit ins Reich melden – keineswegs Anklang gefunden, da die Methoden der Arbeiterwerbung in der Bevölkerung hinlänglich bekannt geworden sind. 3 Zur Haltung der Nationalitäten in Wolhynien und Podolien: Die Ukrainer in Wolhynien einerseits und in Podolien andererseits werden in ihrer Mentalität und Einstellung als sehr

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unterschiedlich bezeichnet. Die heute nicht mehr bestehende Grenze aus der Zeit bis 1939, welche diese Gebiete 20 Jahre lang getrennt hatte, ist heute noch deutlich zu erkennen. So ist beispielsweise die kommunistische Tätigkeit in den beiden Gebieten ganz verschieden. In Wolhynien greift die Bandentätigkeit um sich und das kommunistische Element ist aktiv daran beteiligt, während in Podolien wiederholt Verschwörungen aufgedeckt worden sind, durch die in aller Heimlichkeit Aufstände vorbereitet wurden. Das Ziel war dabei nicht, eine andauernde Bandentätigkeit auszuüben, sondern die nächtliche Vernichtung aller Deutschen innerhalb des Aktionsbereichs mit einem einzigen Schlag. Wenn das auch zu einem Teil darauf zurückzuführen ist, daß Wolhynien durch die weiten Wälder und Sümpfe für die Bandentätigkeit besonders geeignet ist, so zeigt sich auf der anderen Seite in Podolien doch auch die Mentalität des bolschewistisch erzogenen Menschen, der zum Verschwörertum neigt und dabei erstaunliche Verstellungskunst zeigt. Auch hinsichtlich der ukrainisch-nationalen Widerstandsbewegung ist die Einstellung der Ukrainer in Podolien und derjenigen in Wolhynien verschieden. Man kann feststellen, daß in den altbolschewistischen Gebieten das Nationalbewußtsein sehr stark in den Hintergrund getreten ist bezw. gänzlich im Schatten des kommunistischen Ideengutes steht. Wenn es in Podolien bisher jedes Mal gelungen ist, die vorbereiteten Aufstandsversuche aufzudecken, im Gegensatz dazu aber in Wolhynien die nationalen Widerstandsbewegungen bis heute noch nicht restlos aufgedeckt werden konnten, so spricht das dafür, daß der Ukrainer in Wolhynien einen viel stärkeren politischen Lebenswillen hat und daß sich auch immer wieder genügend Kräfte finden, die bereit sind, sich für ihre Arbeit und Idee mit ihrem Leben einzusetzen. Nach den getroffenen Feststellungen scheint die Melnik-Organisation nicht mehr in ihrer früheren Form, dafür aber in neuen Abarten in Erscheinung zu treten. So heißt es, daß der Stab in Lemberg aufgelöst sei und daß schon seit Monaten keine neuen Direktiven für die Arbeit der Organisation ergangen seien. Es hat sich aber inzwischen eine neue Gruppe bezw. Organisation gebildet, über die zurzeit nur wenige Einzelheiten bekannt sind. Einmal soll es sich dabei um die örtliche Melnik-Organisation handeln, die sich selbständig gemacht hätte, dann soll es wiederum eine Organisation sein, die als Melnik-Bewegung getarnt ist. Zum Dritten aber wird angegeben, daß es sich um ein sogenanntes „Ukrainisches Revolutionskomitee“ handele, das sich hauptsächlich aus früheren Melnik-Anhängern zusammensetze, aber auch viele frühere Bandera-Anhänger in seinen Reihen zähle. Über die politische Zielsetzung des sogenannten „Ukrainischen Revolutionskomitees“ ist folgendes bisher bekannt geworden: Die tragende Idee dieser Organisation soll die eines russischen Imperialismus mit dem Hauptgewicht in der Ukraine nach dem Vorbild des „Kiewer Staates“ sein. Als Hauptstadt soll Charkow vorgesehen sein. Staatssprache soll das Russische sein. Als Parolen werden folgende Schlagworte genannt: „Alles Land den Bauern“, „Freie private Initiative in der Wirtschaft“, „Völlige Kirchenfreiheit“. Einer der führenden Männer dieser Organisation hat den Meldungen zufolge zu der Arbeit und den Plänen dieser Organisation etwa folgendes ausgeführt: „Es wäre im Interesse der Ukrainer, daß die deutschen Truppen den endgültigen Sieg über den Bolschewismus erringen. Jedoch wäre es zu hoffen, daß gleichzeitig die deutsche Wehrmacht bei diesem Kampfe erheblich geschwächt würde. Da die Ukrainer allein zu schwach seien, um nach Beendigung des Krieges durch einen Aufstand gegen die deutsche Besatzung die Selbständigkeit zu erringen, so müßten sie mit den Russen zusammengehen, die die gleiche Zielsetzung hätten. Es gäbe auch bereits ein russisches Revolutionskomitee, das in den besetzten russischen Gebieten tätig sein soll und mit dem das ‚Ukrainische Revolutions-

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komitee‘ eine Verbindung aufgenommen habe. Um auch später dem deutschen Druck aus dem Westen einen Widerstand entgegensetzen zu können, sei eine staatliche Vereinigung der Ukraine mit Rußland notwendig, wobei die Ukrainer hoffen könnten, das Übergewicht über die Russen zu behalten und damit auf die Gestaltung des zukünftigen Staates entscheidenden Einfluß zu nehmen.“ Die Haltung der Polen ist nach wie vor durch zwei Momente besonders gekennzeichnet: Einerseits durch eine große Dienstbeflissenheit, die insbesondere bei den vielen Angestellten der deutschen Dienststellen zum Ausdruck gelangt, andererseits durch das Festhalten an der Idee des kommenden großpolnischen Staates nach Abschluß des Krieges. In vertraulichen Gesprächen zwischen Ukrainern und Polen ist dies immer wieder zum Ausdruck gekommen, wobei die Polen sich durch keinerlei Argumente davon abbringen lassen, daß im Falle eines bolschewistischen Sieges die Bolschewisten auch eine Neubildung des polnischen Staates dulden würden. Als Helfer der Banden konnte die polnische Landbevölkerung immer wieder beobachtet werden. Sie bestätigte damit die grundsätzlich deutschfeindliche Einstellung des Polentums. Bei den im Generalbezirk verhältnismäßig wenigen Russen konnte immer wieder das Festhalten an dem Gedanken eines großrussischen Staates festgestellt werden und zwar sowohl in bolschewistischen wie auch in den nationalen Kreisen der Emigranten. Teilbericht über die wirtschaftliche Lage in der Ukraine: Einführung der KarbowanezWährung (Ergänzend zu den Ausführungen in Nr. 21): Nach Meldung aus dem Bezirk Stalino, in dessen Bereich noch die Rubelnoten in Kraft sind, bewirkten die Einführung der Karbowanez-Währung und die Umtauschbestimmungen in der Westukraine auch hier bereits ein bedeutendes Absinken der Spareinlagen. Infolge der Sperrung der Sparguthaben und angesichts des übersteigerten Wertes von Waren gegenüber der geringen Kaufkraft aller Zahlungsmittel horte die Bevölkerung Bargeld. Aus der westlichen Ukraine kommen trotz aller Überwachungsmaßnahmen noch laufend Rubelbeträge, um auf dem schwarzen Markt veräußert bzw. gegen Reichskreditkassenscheine umgetauscht zu werden, zumal Banken nur kleine Beträge und nur gegen eine Bescheinigung der Truppeneinheit annehmen. Im übrigen sei – wie gemeldet – festgestellt worden, daß Wehrmachtseinheiten Rubelnoten in dieses Gebiet gebracht hätten, um sie gegen Kreditkassenscheine umzutauschen. Die Kaufkraft des Rubels habe sich auch dadurch laufend verschlechtert. […] Landwirtschaft: Nach Meldungen aus dem Bezirk Charkow sei die notwendige Erfassung, Bearbeitung, Sicherung und Verteilung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen infolge Treibstoff- und Pferdemangels stark gefährdet, obwohl Transportraum in Form von Lastkraftwagen und Fuhrwerken ausreichend zur Verfügung stehe. So sei festzustellen, daß in einer Stadt oder in einem bestimmten Gebiet starker Mangel an landwirtschaftlichen Erzeugnissen herrscht, während der Überschuß anderenorts wegen der bezeichneten Transportschwierigkeiten nicht abgeführt werden kann. Die Lagerungs- und Konservierungsmöglichkeiten für die an so vielen Stellen notgedrungen gestapelten Erzeugnisse sind unzureichend, so daß ein erheblicher Prozentsatz des Aufkommens an landwirtschaftlichen Produktionsgütern dem Verderb anheimfällt. Besondere Auswirkungen ergeben sich dort, wo infolge Treibstoff- und Pferdemangels die landwirtschaftlichen Produkte den ständigen Verarbeitungsstätten (wie Molkereien, Marmeladefabriken, Konservenfabriken usw.) nicht zugeführt werden können. Für eine Bewahrung und Sicherung der so dem Verderb ausgesetzten Erzeugnisse fehlen einmal zweckmäßige Lagerstätten in genügender Zahl sowie die notwendigen Verpackungsmittel (wie Fässer und Gläser für

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Butter, Honig, Gurken usw.; Butter füllte man bereits in leere Benzintonnen), andererseits aber Salz und Essig zur Konservierung. Von seiten der Landwirtschaftsführer werde darauf hingewiesen, daß die den Molkereien wegen der Transportschwierigkeiten nicht zuführbare Milch gewonnen werden könnte, wenn man den Landorten Zentrifugen zur Entrahmung und Verbutterung zur Verfügung stellen würde. Diese Möglichkeit sei nach Äußerungen der La-Führer zu verwirklichen, wenn man in Betracht ziehe, daß jeder Bauernhof in Deutschland über eine eigene Zentrifuge verfügt habe, bis diese im Zuge der Zentralisierung der Milchaufbereitung in den Reichsnährstandsbetrieben über den Ortsbauernführer eingezogen und sichergestellt worden sei. […] BAB, R58/222 1

Wie das nicht zur Ukraine gehörende Kursk in diesen Kontext geriet, bleibt rätselhaft. Hintergrund bildete die Zwangskollektivierung; vgl. Hildermeier: Geschichte der Sowjetunion 1917–1991, S. 398 ff. 3 Vgl. Herwig Baum: Varianten des Terrors. Ein Vergleich der deutschen und rumänischen Besatzungsverwaltung in der Sowjetunion 1941–1944, Berlin 2011, S. 187 ff. 2

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 16. Oktober 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 25 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandentätigkeit: In Litauen überfiel am 1.10. 42 eine grössere bewaffnete Bande das Städtchen Kasenai, etwa 100 km nordöstlich von Wilna gelegen, und raubte Lebensmittel und Kleidungsstücke. Die Bande hatte zu ihrer Sicherung Wachen und MG-Posten ausgestellt. Kasenai war bereits am 9. und 13. 9. 1942 der Schauplatz von Überfällen sowjetischer Banden. Ein Trupp bewaffneter Banditen, von Weissruthenien kommend, hat am 29. 9. 42 versucht, das Dorf Vasunai zu überfallen. Der Angriff konnte rechtzeitig erkannt und von der lettischen Polizei nach einem Feuergefecht abgeschlagen werden. Bei verschiedenen Aktionen, die im Gebiet von Eischiskis gegen bewaffnete Banden durchgeführt wurden, sind 4 Dörfer und mehrere Wald- und Sumpfgebiete durchkämmt worden. 9 Bandenangehörige, darunter 6 Polen, wurden erschossen, 9 weitere Polen, die in dringendem Verdacht stehen, Verbindungen zu den Banditengruppen zu haben, festgenommen. Aufschlussreich sind die Feststellungen in Weissruthenien1 über einen Überfall am 16. 9. 1942 auf das Dorf Gorodischtsche (an der Bahnstrecke Mogilew–Ossipowitschi). Den Banden, die sehr gut ausgerüstet waren, standen 6 Lkw und ein Panzerspähwagen zur Verfügung. 32 OD-Leute, die nur z. T. bewaffnet waren, wurden von den Banden erschossen und ihrer Waffen beraubt. 35 Häuser, Eigentum von OD-Leuten und Bauern, die die Deutschen unterstützten, wurden niedergebrannt. Sämtliches Vieh der OD-Leute und dieser Bauern ist von den Bandenangehörigen abgetrieben worden. Ungefähr 400 Ztr. gedroschenes Getreide, das zur Ablieferung an die deutsche Wehrmacht bestimmt war, ist von den Banden auf Panjewagen verladen und weggeführt, alles übrige, auch das

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nichtgedroschene Getreide, zum grössten Teil angezündet worden. Bevor die Bande, die auf 300–400 Mann geschätzt wird, den Ort überfiel, verminte sie die Zufahrtsstraßen und die Bahngleise. Die Bandenangehörigen trugen gut erhaltene russische Uniformen. Einige waren mit deutschen Wehrmachtsuniformen bekleidet und hatten das Feldgendarmerieschild umgehängt. Unter den Banden in der Ukraine ist eine Aufspaltung in kleine und kleinste Gruppen und eine Unterstützung der Banden durch sowjetische Fallschirmspringer und durch Materialabwurf in grösserem Umfange beobachtet worden. Gemäß den Anweisungen der Sowjets bewegt sich auch hier die Bandentätigkeit hauptsächlich in 2 Richtungen: 1. Vernichtung der Ernte, Zerstörung der Vorräte und Saatmittel, der Ernte- und sonstigen für die Ernährung wichtigen Maschinen, 2. Sabotageakte gegen das Verkehrsnetz. Allein im Kdr.-Bereich Rowno sind innerhalb weniger Tage weit über 1000 Ztr. Getreide durch Brandlegung vernichtet worden. Landwirtschaftliche Maschinen wurden durch Entfernen von wichtigen Teilen unbrauchbar gemacht. Laufend erfolgen Überfälle auf Förstereien, ukrainische Bürgermeister, deutsche Polizei- und Wehrmachtsangehörige und andere Vertreter deutscher Dienststellen. Die Banden werden taktisch gut geführt. Bei zentralen Bekämpfungsaktionen oder grösserem Einsatz polizeilicher Kräfte zerteilen sie sich schlagartig in kleine Trupps, um eine Verfolgung unmöglich zu machen und die eingesetzten Kräfte dadurch auseinanderzuziehen und sie einzeln zu vernichten. Die Bekämpfung der Banden erfolgt z. Zt. unter Einsatz aller Kräfte. Im Kdr.-Bereich Rowno wurden u. a. im Laufe einer Woche 36 Banditen sowie 263 Bandenhelfer und Bandenangehörige erschossen, 42 weitere Banditen festgenommen. Im Kdr.-Bereich Shitomir wurden in der gleichen Zeit 60 Banditen und 4 Bandenhelfer erschossen und 11 festgenommen. Im Kdr.Bereich Tschernigow wurden 249 Banditen und Bandenverdächtige festgenommen. Eine 13 Mann starke Bande, die von einem 17-jährigen geführt wurde, ist in Cherson, Kdr.-Bereich Nikolajew, unschädlich gemacht worden. Der Anführer hatte die Bandenmitglieder einzeln mit folgender Formel vereidigt: „Ich, Bolschewik der Ukraine, gebe mein Ehrenwort, bis zum letzten Atemzuge das ukrainische Land zu verteidigen und zu kämpfen gegen die deutschen Okkupanten.“ Im Zuge der Aktion gegen die führenden Mitglieder der Terroristengruppen in Kiew (vergl. Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 24 vom 9. 10. 42) konnte die Geliebte des Falkow, die Georgierin Tatjana Makusidse, 21. 9. 21 in Tiflis geb., festgenommen werden. Sie war mit Falkow und einem weiteren Bandenmitglied auf dem Wasserwege aus Kiew geflüchtet. Die Gesamtzahl der Festgenommenen dieser Gruppe ist auf 70 gestiegen. Unter den in Kiew festgenommenen 21 Personen befinden sich solche, die langjährige Mitglieder der KP bezw. Angehörige des NKWD waren. Z. T. gehörten sie Vernichtungsbataillonen an und haben vor dem Einmarsch der deutschen Truppen Getreide, Vieh und Fabrikanlagen vernichtet. Besonders zahlreiche und gefährliche Unternehmungen von Bandengruppen, z. T. auch von roten aktiven Truppen, sind im Bereich der Einsatzgruppe D ostwärts der Linie Stepnoje–Newokumskoje festgestellt, weitere im Sumpfgebiet nördlich Welitschaijewskoje und im Hügelgelände bei Lysagorkaja. Ihre Bekämpfung ist nur mit stärkeren Kräften möglich. Auch in diesen Gebieten bedrohen die Banden die von deutscher Seite eingesetzten Starosten und Kolchosvorsteher sowie die Zivilbevölkerung und führen gewaltsame Lebensmittel- und Viehrequirierungen sowie Überfälle auf kleinere deutsche Einheiten durch. […]

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Ukrainische Widerstandsbewegung: Der Bfh. dSPudSD in Krakau hat ein im Abzugsverfahren hergestelltes Flugblatt der Bandera-Bewegung erfaßt, in dem zu den von den Sowjets und Polen organisierten Bandenkämpfen Stellung genommen wird. Das Flugblatt ist überschrieben: „Der Partisanenkampf und unsere Einstellung demselben gegenüber“. In ihm heisst es u. a.: „Das ukrainische Volk überzeugte sich noch einmal, daß das Ziel derjenigen, die die Ukraine ‚befreien‘ wollen, immer dasselbe ist, gleichgültig ob ihre Losung die Verteidigung des russischen Vaterlandes, das neue Europa oder eine andere ist. Denn unter dem Deckmantel der Losungen wollen sie einen Teil der Ukrainer an ihren Wagen spannen und wie eigene Sklaven in den Dienst einstellen, die Unfügsamen aber möglichst schnell liquidieren, um sich nach dem eigenen Siege in den reichen ukrainischen Landen sicher zu fühlen. Der Partisanenkampf der Polen oder Bolschewisten möchte uns nicht interessieren, und sie könnten denselben nach ihren Kräften führen, wenn die Schneide desselben nicht gegen uns gerichtet wäre. Stalin und Sikorski wollten mit einem Schuss 2 Hasen erlegen: den Deutschen schaden und mit deutschen Banden die Ukrainer schlagen. Die Ukrainer nahmen und nehmen keinen Anteil am Partisanenkampf. Alle Anstrengungen Stalins, in der Ukraine einen Partisanenkampf zu inszenieren, haben seit Beginn des Einmarsches der Deutschen keinen Erfolg gehabt. Die Deutschen kennen die tatsächliche Lage; sie nützen jedoch den bolschewistischen Partisanenkampf aus, um bei dieser Gelegenheit auch uns zu vernichten. Wir betrachten den Partisanenkampf weder vom Gesichtspunkt der kommunistischen Weltrevolution (Moskauer Imperialismus) noch vom Gesichtspunkt des ‚Neuen Europa‘ (Deutscher Imperialismus), sondern vom Gesichtspunkt der Interessen der Ukraine. Wir kämpfen für den selbständigen ukrainischen Staat und nicht für fremde Imperialismen. Wir müssen unsere Kräfte schonen, denn wir glauben, daß der Krieg in seinem Endstadium uns die Möglichkeit eines Kampfes und des Aufbaues des eigenen ukrainischen Staates bringen wird. Nicht der Partisanenkampf von Hunderten oder Tausenden, sondern die nationale Freiheitsrevolution von Millionen der ukrainischen Massen ist unser Weg.“ […] B. Lebensgebiete Allgemeine Stimmung und Lage der Bevölkerung im Reichskommissariat Ukraine: Nach den vorliegenden Meldungen zeigt sich in der allgemeinen Stimmung der Bevölkerung ein uneinheitliches Bild. Während verschiedentlich von einer Stimmungsverschlechterung oder dem Anhalten der allgemein schlechten Stimmung berichtet wird, so melden doch einzelne Bereiche, daß sich eine leichte Stimmungsverbesserung nicht verkennen lasse, z. B. Charkow, Winniza und Rowno. Sie ist jedoch als Dauerzustand bzw. genereller Stimmungsaufschwung keineswegs anzusehen, da sie lediglich durch die vorübergehende verhältnismäßig bessere Versorgungslage bedingt ist. Immer wieder kommt zum Ausdruck, daß die Ernährungslage ausschlaggebend ist und die Stimmung der Bevölkerung wesentlich davon abhängt. So hat die Übernahme der Versorgung der Bevölkerung durch das Ernährungsamt in Charkow mit der gleichzeitig einsetzenden Verteilung der vorgesehenen Rationen stimmungshebend gewirkt. Im Winnizaer Bereich sind Betriebe zur Einrichtung und Eröffnung von Werkküchen übergegangen, wodurch den Betriebsangehörigen die wesentliche Sorge um die Sicherung des täglichen Lebensunterhaltes genommen ist. Diese Maßnahme wirkte sich ebenfalls positiv auf die Stimmung aus. Auch die gut liegenden Ernteerträge und die Tatsache, daß die Ernte gut eingebracht werden konnte, haben eine gewisse Stimmungsverbesserung herbeigeführt (Rowno). Im Zusammenhang mit der schwierigen Ernährungslage steht das

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Bestreben des Einzelnen, sich im Tausch- oder Schleichhandel etwas zu beschaffen. So berichtet Nikolajew, daß praktisch der größte Teil der Bevölkerung darauf eingestellt ist, wo und wie man sich zusätzlich im Schleichhandel Lebensmittel beschaffen könne. Auch aus dem Winnizaer Bezirk wird berichtet, daß der Tausch- und Schleichhandel immer größeren Umfang annehme. Im Charkower Bezirk ist man zu scharfen Maßnahmen gegenüber jeglichem Schwarzhandel, dem Kauf oder Bezug oder irgendwelchem anderen Beschaffen von Nahrungsmitteln gekommen. Bis zu welchen Preisen man im Tausch- und Schleichhandel geht, zeigt eine Meldung aus Tschernigow, die besagt, daß für ein Glas Salz stellenweise der Betrag von 100 Rubel bezahlt wurde und das Schenken eines Feuersteines beispielsweise als eine große Wohltat angesehen wird. Auch die scharfe Spanne zwischen Löhnen und Preisen trägt immer wieder dazu bei, Unzufriedenheit in die Bevölkerung zu bringen. So wird in allen Bezirken über das Mißverhältnis zwischen Löhnen und Preisen geklagt. Wie aus Charkow berichtet wird, ist es praktisch niemandem möglich, außer Lebensmitteln sich noch andere Dinge des täglichen Bedarfs zu kaufen. Nikolajew meldet, daß die bisher betriebene Lohnpolitik, die der arbeitenden Bevölkerung kaum existenzfähige Löhne bewillige, Gegenstand heftiger Kritik ist. Die Löhne stünden überhaupt in keinem Verhältnis zu den Preisen, die die Bevölkerung zur Beschaffung ihres Lebensunterhaltes aufbringen müsse. Eine laufend negative Beeinflussung erfährt die Stimmung der Bevölkerung nach wie vor durch die außerordentlich rege feindliche Flüsterpropaganda. Die Flüsterparolen bemächtigen sich sofort aller auftretenden allgemeinen und örtlichen Schwierigkeiten, wie Arbeiterverschickung, Höhe der Preise, Ernährungsschwierigkeiten usw. Darüber hinaus werden jedoch laufend Gerüchte in die Welt gesetzt, die sich mit der Lage an der Front befassen. Im übrigen spielen die Kriegs- und politischen Ereignisse bei dem größten Teil der Bevölkerung eine durchaus geringe Rolle. Die Gespräche, soweit sie die Gegenwart wie auch die Zukunft berühren, drehen sich mehr um das rein Materielle und Wirtschaftliche. Die letzten Berichte lassen erkennen, daß in Kiew und Dnjepropetrowsk mehr und mehr Stimmen allgemein werden, die eine deutschfeindliche Einstellung erkennen lassen. Insbesondere gelte dies für die städtische Intelligenz und Halbintelligenz. Der Kreis derjenigen, der an die Möglichkeit einer offenen Zusammenarbeit der Ukrainer und Deutschen zum Aufbau des Landes glaube, verringere sich ununterbrochen. Dazu kommt, daß in steigendem Maße festgestellt werden kann, daß die Gegnergruppen zu einem Zusammenschluß neigen und diesen auch tatsächlich verschiedentlich schon vollzogen haben. Bemerkenswert sei z. B., daß kürzlich in der Stadt Kiew das Gerücht verbreitet wurde, die deutsche Garnison werde Kiew verlassen und Kiew werde von Rumänen belegt und in rumänische Verwaltung übergehen. Dieses Gerücht sei in breitesten Kreisen lebhaft begrüßt worden, da man sich von den Rumänen bessere Lebensverhältnisse – Beispiel Odessa – verspreche. Auch aus Winniza wird ein Gerücht gleichen Inhalts gemeldet. Die Ernte im Gebiet der Ukraine ist weitgehendst durchgeführt. Wenn man in den einzelnen Generalbezirken und Wirtschaftskommandos die Ergebnisse der diesjährigen Ernte auch unterschiedlich einschätzt, so nimmt man doch im allgemeinen relativ günstige Erträge an. Die Bandentätigkeit hat den Meldungen zufolge bisher nicht nachgelassen. Besonders im nördlichen Teil der Ukraine ist es zu Bandenaktionen gekommen, wobei sich die Tätigkeit der Banden hauptsächlich auf die Vernichtung der Ernte, Zerstörung der Erntemaschinen und für die Ernährung wichtigen Gerätschaften sowie auf Sabotageakte gegen das Verkehrsnetz erstreckte. In der kommunistischen Zersetzungsarbeit ist die Absicht erkenn-

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bar, auf einer breiteren Basis zu arbeiten, besonders in die Verwaltungsstellen einzudringen, um dadurch über ein gutes Meldewesen zu verfügen bzw. die in diesen Stellen tätigen Personen mit kommunistischem Gedankengut zu infizieren. Auch die kommunistischen Gegnergruppen versuchen, propagandistisch durch Flüsterparolen Einfluß auf die Bevölkerung zu nehmen und Gerüchte und Falschmeldungen zu verbreiten. In der Schriftpropaganda wird eine nationale Tendenz weiter aufrechterhalten, um so den in der Ukraine vorhandenen nationalen Bestrebungen entgegenzukommen. Allgemeine Stimmung und Lage in den Operationsgebieten (Rostow–Nowo-Tscherkask– Kursk–Woronesh): In der Stimmung der Bevölkerung kann den Meldungen zufolge von einer weiteren Beruhigung gesprochen werden. So wird aus Rostow berichtet, daß die weiteren Erfolge der deutschen Wehrmacht, die zunehmende Aufklärung der Bevölkerung und die anlaufende Ordnung des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens zu einer merklichen Beruhigung beigetragen haben. Auch aus Kursk wird gemeldet, daß die geordneten wirtschaftlichen Verhältnisse beruhigend gewirkt haben, wenn auch noch eine starke gegnerische Flüsterpropaganda sich bemerkbar machte. Die Flüsterpropaganda spielt nach wie vor eine bedeutsame Rolle. Gerüchte über einen bevorstehenden Friedensvertrag mit der Sowjetunion werden dabei recht laut. Bezüglich des Arbeitseinsatzes in Deutschland machte sich in Kursk eine Gegenpropaganda bemerkbar, die besagt, daß russische Mädchen in Deutschland schlecht behandelt würden; „eine Tracht Prügel und 300 Gramm Brot sei der Lohn für die Arbeit!“ Die Stimmung der Bevölkerung im Bereich von Kursk war weiter beeinflußt von der inzwischen erfolgten Preisfestsetzung und der erstmalig nach der Besatzung begonnenen Verkäufe von Brot im freien Handel außer der üblichen Zuteilung. Während die erste Maßnahme zu unfreundlicher Kritik führte, wurde die zweite allgemein begrüßt, da die verbilligte Ausgabe von Brot im freien Handel eine ständige Senkung aller Lebensmittelpreise nach sich zieht. Die geplante Wiedereröffnung von Schulen hat sich auf die Stimmung, insbesondere unter der Intelligenz, ebenfalls positiv ausgewirkt. Auch die laufende Vorführung deutscher Filme in Kursk wurde von der Bevölkerung mit Begeisterung aufgenommen. Meldungen aus Rostow lassen erkennen, daß die Gerüchte über eine Rückkehr der Bolschewisten verstummt sind; in allen Kreisen gewinnt die Überzeugung Oberhand, daß die Zusammenarbeit mit der deutschen Wehrmacht das Vernünftigste ist. Auf Grund der zufriedenstellenden Ernteergebnisse und Ernteaussichten sieht man die Lebensbedingungen für den Winter als gesichert an. Der Aufbau der russischen Kommunalverwaltung im Bereich von Rostow ist inzwischen zum Abschluß gelangt, bedarf naturgemäß jedoch ständig Veränderungen und Verbesserungen. Die fehlenden Richtlinien über die Durchführung dieser Verwaltung, insbesondere auch über die Behandlung und Berücksichtigung des kosakischen Volkstums, haben ein teilweise buntes Bild in diesem Verwaltungsaufbau hervorgerufen. In einigen Dörfern sind, entsprechend der Praxis in den bisher besetzten Gebieten, Starosten eingesetzt worden, in anderen Gegenden wieder Dorfatamanen in Anlehnung an die alte kosakische Tradition. Dann wieder sind in rein kosakischen Dörfern Russen oder Ukrainer und nicht Kosaken als Bürgermeister bestimmt worden. Die feierliche Einsetzung von Bürgermeistern als Dorfatamanen und die Eröffnung von Kirchen in Anwesenheit deutscher Dienststellen haben in der kosakischen Bevölkerung teilweise Hoffnungen erweckt, daß sie in Bälde wieder eine gewisse staatsrechtliche Selbständigkeit erlangen würden. Bestrebungen der Kosaken, Organisationen des Kosakentums zu gründen, konnten mehrfach festgestellt werden. Von einer Gruppe Kosaken wurde auch der Antrag eingereicht, Ergebenheitskundgebungen veranstalten zu

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dürfen, auf denen u. a. auch Briefe an den Führer und RFSS verlesen werden sollen. Ebenso wurde bereits eine Abordnung der Karatschaier und Balkaren (Bergvölker) vorstellig und bekundete ihre positive Einstellung zum Reich und Wunsch auf Vernichtung des Bolschewismus. Die Eröffnung der Kirchen ruft nach wie vor größte Freude unter der Bevölkerung hervor. In Nowo-Tscherkask wurde unlängst eine Kathedrale wieder eröffnet. Diese Wiedereröffnung wurde von der einheimischen Bevölkerung unter Teilnahme der Ortskommandantur und der Stadtverwaltung mit besonders großer Feierlichkeit durchgeführt. Nach der Beendigung des Gottesdienstes erfolgte ein Umzug durch die Stadt, an dem Tausende von Einwohnern teilnahmen. Aus Nowo-Tscherkask wird gemeldet, daß bereits sechs Kirchen wieder eröffnet sind. Der Besuch ist verhältnismäßig stark, doch besteht die überwiegende Mehrheit der Besucher aus älteren Leuten und Kindern. Das Ansehen der Geistlichkeit ist ebenfalls im Steigen begriffen, Wenn z. B. früher ein Pope verachtet und angeschrieen wurde, so wird er jetzt von der Bevölkerung ehrerbietig gegrüßt. Der Andrang der Mütter mit ihren Kindern zur Taufe ist sehr groß. Es werden nicht nur kleine Kinder getauft, sondern das Taufalter ist bis auf 16 Jahre erhöht. Die Freude der Bevölkerung über die Wiedereröffnung der Kirchen ist so groß, daß des öfteren deutsche Soldaten von den Müttern als Taufpate geladen werden. Mit Genugtuung erfuhren auch die Bewohner Rostows von der Wiedereröffnung der Kirchen. Dankgebete in Kirchen und unter freiem Himmel auf öffentlichen Plätzen waren die Antwort auf die Nachricht von der Religionsfreiheit. Kirchen und Gebetshäuser werden spontan nicht nur in größeren Städten eröffnet, sondern auch in den entlegensten Dörfern sind die Pfarrer eifrig damit beschäftigt, die Kirchen wieder instandzusetzen und den Gottesdienst wieder aufzunehmen. Propagandawesen und Führungsmittel in der Ukraine: Propaganda: Das Bild der Propagandalage hat sich nicht geändert. Wie seit Monaten ist die Feindpropaganda immer noch sehr aktiv und bedient sich insbesondere auch weiterhin der Flüsterparolen und Gerüchtemacherei. So befinden sich in Dnjepropetrowsk folgende Gerüchte im Umlauf: Charkow befindet sich wieder in den Händen der Russen. Die Russen setzen viele Fallschirmspringer ab, um Banden zu bilden, die die Nachschublinien zu stören hätten. England hätte die zweite Front gegen Deutschland gebildet und bereits mehrere deutsche Städte in Besitz genommen. Die deutsche Front befände sich auf dem Rückzuge, da sie nur von 17- und 18-jährigen gehalten würde. Im Zusammenhang damit wurde verbreitet, daß Gefolgschaftsmitglieder eines Betriebes, die diese Gerüchte gehört hätten, bereits ihre Sachen gepackt hätten, um zur Flucht gerüstet zu sein. Weitere Propagandaobjekte der Feindpropaganda sind nach wie vor das Problem des Arbeitseinsatzes, die Frage des Preisanstieges der Lebensmittel, die Diskrepanz zwischen Löhnen und Lebenshaltungskosten, das völlige Fehlen von Hausbrand für den Winter. Wenn der Gegner sich also immer und in steigendem Maße der Mundpropaganda und der Flüsterparolen bedient, so wird es als besonders nachteilig in Bezug auf die deutsche Propaganda empfunden, daß die mündliche Propaganda von deutscher Seite nicht stärker forciert wird, zumal noch die ukrainische Bevölkerung aus der Sowjetzeit her sehr daran gewöhnt ist. Trotzdem es z. B. in Kiew eine Menge von Organisationen und Lehranstalten gibt, werden nirgends Vorträge und Berichte über die Lage an der Front und im Hinterland, über Maßnahmen der deutschen Verwaltung, über Organisationen und Einrichtungen des Reiches, über Kultur und Arbeit des deutschen Volkes gehalten. Das Fehlen einer mündlichen Propaganda ist umsomehr als wichtiger Anteil der Gesamtpropagandaarbeit anzusehen, als die geringen Zeitungsauflagen einer Ergänzung bedürfen. Man darf nicht

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vergessen, daß die Sowjets die Bevölkerung daran gewöhnt hatten, jede wichtige Frage auf Versammlungen und mit Hilfe von Vorträgen zu beleuchten. Da die Sowjetzeitungen zu viel Agitationsmaterial brachten, hat die Bevölkerung sich daran gewöhnt, Gerüchten und mündlichen Mitteilungen mehr Aufmerksamkeit und Glauben zu schenken als offiziellen schriftlichen Verlautbarungen. So wird aus Kiew vorgeschlagen, daß periodische Vorträge über die vorstehend genannten Themen gehalten werden möchten, insbesondere auch vor den Jugendlichen, höheren Schülern und Studenten. Auch aus Dnjepropetrowsk wird berichtet, daß die deutsche Gegenpropaganda besonders auf dem Gebiet der mündlichen Propaganda aktiver sein müsse, z. B. durch Betriebsappelle, öffentliche Versammlungen usw. Den vorliegenden Meldungen zufolge reiche die lokale Presse nicht aus, um die Bevölkerung propagandistisch stark genug zu beeinflussen. So erscheint in Dnjepropetrowsk ein einziges Organ, die „Dnjepropetrowsker Zeitung“, in ukrainischer Sprache. Die publizistischen Möglichkeiten dieser Zeitung sind infolge Papiermangels sehr beschränkt. Dasselbe wird aus Kiew berichtet, wo die Zeitungen „Nowo Ukrainske Slowo“ und „Proslednije Nowosti“ in Bezug auf ihren Umfang äußerst eingeschränkt sind. Demzufolge kann naturgemäß an den Inhalt kein allzu großer Anspruch gestellt werden. Die ukrainische Presse müßte es nach Ansicht sachkundiger Kreise als eine ihrer Aufgaben betrachten, genaue und wahrheitsgetreue Nachrichten von der Front und der Politik zu geben, um damit gleich alle Gerüchte und propagandistischen Parolen, die von den Feinden verbreitet werden, Lügen zu strafen. Darüber hinaus müßten die ukrainischen Zeitungen aber auch die Enthüllungen der negativen Erscheinungen der bolschewistischen Theorie und Praxis der Vergangenheit bringen. Unbedingt wichtig ist aber weiterhin auch, daß die Zeitungen die Teile erweitern und vertiefen, die das Leben und die Arbeit in Deutschland behandeln. Auch die Unterdrückung und Ausbeutung der Ukraine in den Jahren des bolschewistischen Regimes bedürfe einer immer wiederkehrenden Hervorhebung. So werde weiter von verschiedenen Seiten angeregt, gerade diese Frage auch in der Plakatpropaganda zu beachten. Hier sollten die schmerzvollen Seiten aus der Vergangenheit der Ukraine gebracht werden, z. B. die künstlich erzeugten Hungerperioden, die Enteignung der wohlhabenden Bauern, die zwangsweise Kollektivierung, die Massenrepressalien von 1937/38 usw., um damit den Ukrainern immer wieder vor Augen zu führen, wie schlecht es ihnen ergangen ist und wie froh sie sein können, diesem Joch entronnen zu sein. Bei der Plakatpropaganda werde bemängelt, daß diese zu geringe Verbreitung aufweise (Dnjepropetrowsk). Die Belieferung der Dörfer mit Plakaten bleibe, wie Kiew berichtet, oftmals völlig aus. Sowohl aus Kiew wie aus Charkow wird berichtet, daß mehr Broschüren verbreitet werden müßten, da förmlich ein gewisser Hunger nach Broschürenmaterial vorhanden sei. Hierbei ist zu bedenken, daß es sich bei beiden Meldungen um die beiden größten Städte der Ukraine handelt, diese Meinung also lediglich als auf die Großstadt bezogen gelten kann. Bezüglich des Inhalts werde gewünscht, daß die Broschüren über das gegenwärtige Deutschland, über deutsche Kultur und Technik, hervorragende deutsche Männer der Jetztzeit u. ä. etwas bringen müßten und darüber hinaus sich der Feindparolen annehmen sollten, um diese zu widerlegen. In Einschätzung der Mängel der bisherigen Propaganda wie auch auf Grund der Notwendigkeit einer wirksamen Bekämpfung der gegnerischen Propaganda ist die Propagandaabteilung des Generalkommissariats Dnjepropetrowsk kürzlich zur Aufstellung einer ukrainischen Hilfspropagandaorganisation geschritten. Nunmehr sollen Propagandaabteilungen errichtet werden, die mit ehrenamtlich tätigen

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ukrainischen Kräften zu besetzen sind. Sie sollen ihren Sitz bei den ukrainischen Hilfsverwaltungen haben und den deutschen Propagandaabteilungen bei den Stadt- und Gebietskommissaren unterstellt werden. Die Aufgaben dieses ukrainischen Hilfspropagandaapparates werden genau begrenzt. Rundfunk: Die Rundfunksendungen werden im ganzen als zufriedenstellend bezeichnet. Kiew berichtet, daß die Durchgabe der wichtigsten Mitteilungen jetzt zeitgemäß schneller vorübergehe als früher. Sowohl Kiew wie auch Dnjepropetrowsk bemängeln jedoch, daß der Rundfunk nicht genügend zu Propagandazwecken ausgenutzt werde. Außer dem Wehrmachtsbericht in ukrainischer Sprache und einem 10 Minuten dauernden zweimaligen wöchentlichen Kurzbericht „Blick in die Zukunft“ werde in ukrainischer Sprache nichts geboten bis auf gelegentliche landwirtschaftliche Vorträge. Es werde daher sowohl aus Kiew wie auch aus Dnjepropetrowsk angeregt, im Rundfunk mehr aktuelle Themen in ukrainischer Sprache zu bringen. Als Inhalt könne man dabei systematisch Mitteilungen über die politische und wirtschaftliche Lage der Sowjets jenseits der Front machen. Man könne mit Zahlen und Tatsachenunterlagen die Schwierigkeiten und Nöte der vergangenen Jahre herausstellen und demgegenüber darauf hinweisen, daß dies durch das Zerschlagen des Bolschewismus durch die deutsche Wehrmacht nie wieder käme. Man könne über die Zahl der im Gefängnis Umgebrachten, über den Prozentsatz der Juden im Verwaltungsapparat, an Hochschulen usw. sprechen. Darüber hinaus könne man alle positiven Momente des jetzigen ukrainischen Lebens bringen und die auftretenden Schwierigkeiten in der richtigen Form beleuchten. Film: Auf fruchtbaren Boden fallen die der ukrainischen Bevölkerung gezeigten deutschen Filme. Besonders sind es die Wochenschauen, die von der Bevölkerung mit großem Interesse betrachtet werden. Die deutsche Wochenschau sei gegenwärtig eine der eindrucksvollsten Formen der deutschen Propaganda. Auch aus Shitomir wird gemeldet, daß die Filmtheater, die für die ukrainische Bevölkerung eröffnet wurden und freigegeben sind, einen sehr starken Zustrom zu verzeichnen haben. Hierbei ist zu beachten, daß im sowjetischen Filmwesen die sogenannte Chronik – gleich unserer Wochenschau – das schwächste Kapitel war. Der Zuschauer sah in ihr ein notwendiges Übel, das man sich mit ansehen mußte. Viele Zuschauer waren bemüht, erst nach der Vorführung der Chronik ins Kino zu kommen, da diese häufig recht eintönig war. […] Werbung von Ukrainern für den Arbeitseinsatz im Reich: Die Werbung der Arbeitskräfte vollzieht sich verstärkt unter den schwierigsten Verhältnissen. Dabei macht sich das Fehlen von Arbeitsämtern oder das Nochnichtfunktionieren dieser Stellen – weil diese noch im Zustand des Aufbauens begriffen sind – bemerkbar. Die Werber waren in ihren Funktionen vielfach gehemmt, da sie weder mit Waffen noch mit wetterfester Kleidung versehen wurden. Der anfängliche Werbungserfolg kehrte sich immer mehr ins Gegenteil, so daß in letzter Zeit vielfach nur unter Anwendung von Gewalt ein Teilergebnis gegenüber einem wünschenswerten Ziel erreicht werden konnte. Einen erheblichen Teil der auf die Werbung wirkenden ungünstigen Einflüsse bedeutet derzeit auch die Bandentätigkeit. So sei es deren propagandistischem Einwirken zuzuschreiben, daß bei einem der letzten Transporte von 2600 Geworbenen aus Shitomir allein 1000 Mann entsprangen. Nach einem Bericht aus Shitomir sollte im Gebiet Berditschew am 3. 8. 1942 ein Transport von 1500 Personen zum Arbeitseinsatz kommen. Da die Werbung nur einen Teil der Arbeitskräfte zusammenbrachte, wurde der restliche Teil mit Hilfe der ukrainischen Miliz in der Nacht zum 2. 8. 1942 aus den Häusern geholt. Hierbei wurden auch Mütter aufgegriffen,

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die ihre unversorgten Kinder zurücklassen mußten. Die Mütter wurden nach Klärung des Sachverhalts wieder nach ihren Wohnungen entlassen. Im Zusammenhang mit dieser Aktion ereignete sich am 2. 8. 42 im Stadttheater Berditschew ein Zwischenfall. Kurz vor Schluß der Vorstellung wurde durch einen Zuschauer ausgerufen, die Schutzpolizei habe das Theater umstellt. Alle Arbeitsfähigen würden jetzt festgenommen und am 3. 8. 42 mit dem Transport ins Reich gebracht. Die Vorstellung mußte durch den entstehenden Tumult unterbrochen werden. Die Stimmung der Bevölkerung wird aber auch wesentlich durch Nachrichten der krankheitshalber oder aus anderen Gründen zurückgeschickten ukrainischen Arbeiter beeinflußt. Nachstehend werden 2 übersetzte Briefe von ukrainischen Arbeitern auszugsweise zur Kenntnis gebracht: „Betreffs Arbeit und Verpflegung sehr gut. Entschuldigt, weil ich so wenig schrieb und zwar deswegen, weil man es nicht darf. Wenn ich nach Hause komme, dann kann man besser sprechen. Ich komme erst nach Beendigung des Krieges nach Hause. Nun auf Wiedersehen! Auf Wiedersehen! Kann sein auf nimmer.“ „Willkommen, meine teuren Eltern! Ich übergebe auch meinen Arbeitsgruß!“ Jetzt kommt die Beschreibung der Fahrt und Eintreffen an Ort und Stelle, wobei der Ausdruck „Sehr, sehr gut“ in Anführungsstriche und „Wir wurden ins Lager getrieben“ sehr oft angegeben wird. Weiter kommt: „Ich arbeite mit 4 anderen Ukrainern in einer Fabrik, von 1 Uhr bis 10 Uhr abends. Später werden wir in Schichten arbeiten. Wir werden hier ‚sehr gut‘ verpflegt. Nur schade, daß ich von zu Hause sehr wenig Lebensmittel mitnahm. Ich bitte auch sehr, schickt mir ein Päckchen – 1 kg Zwieback – mehr kann man nicht schicken. Aber das muß bestimmt sein, sonst wird mit mir … Gegenwärtig haben wir immer gute Stimmung, wo man nicht hinkommt, überall Kontrolle. Endige mein Schreiben, es gibt noch viel zu schreiben, aber dies ist nicht erlaubt zu schreiben. Am Ende des Briefes schreibt man: Bleibt gesund und laßt es euch gut gehen. Vergeßt meiner nicht. Warum bin ich hierher gekommen. Der Teufel weiß, wann ich wieder nach Hause komme. Vielleicht nach 4 Monaten, vielleicht nach 2 Jahren, wenn ich noch am Leben bleibe.“ C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten (UdSSR) Über die Entwicklung der Verhältnisse in Leningrad ergibt nachstehende Jahresübersicht in Umrissen folgendes Bild: 2 1. Bevölkerung: Nach den amtlichen sowjetischen Feststellungen von 1939 betrug die Bevölkerung Leningrads damals 3,2 Millionen. Der jüdische Anteil war hoch und wird mit mindestens 1/2 Million angegeben. Die Zahl der Volksdeutschen soll zuletzt noch über 20 000 betragen haben (sie traten jedoch äusserlich nirgends in Erscheinung). Nicht unerheblich war auch die Zahl der in L. lebenden Finnen, die jedoch ebenso wie die Deutschen u. a. Nationalitäten seit Ausbruch des Krieges unter verschärfter Aufsicht des NKWD standen. Beim Vormarsch der deutschen Truppen auf Leningrad strömten neben den Resten der zerschlagenen Divisionen, die hier seit Beginn der Einschliessung neu formiert wurden, eine grosse Zahl Flüchtlinge in die Stadt. Es handelte sich dabei teils um harmlose Zivilbevölkerung, die, den strengen Evakuierungsbefehlen folgend, sich dem Rückzug der roten Truppen angeschlossen hatte, vor allem aber auch um die für ihr Leben fürchtende Parteiprominenz und die Juden des ganzen Leningrader Gebiets ab Kingisepp und Luga, die nunmehr in der Stadt zusammengedrängt wurden. Die Bevölkerung Leningrads wuchs nunmehr auf 4 bis 4,5 Millionen Menschen einschliesslich Militär. Der Prozentsatz der Juden stieg. Es werden Zahlen von 600 000–800 000 angegeben. Sowjetischerseits bemühte man sich um einen planmäßigen Abschub der überschüssigen Menschenmassen. Während bereits im Juli 1941 begonnen worden war, einen Teil der

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wehrwichtigen Industrie, d. h. die Maschinen mit den dazugehörigen Spezialarbeitern sowie vor allem die Planungsinstitute mit ihrem Archivmaterial, nach dem Osten der Sowjetunion zu evakuieren, erfolgte seit dem 14. 8. 41 eine Evakuierungsaktion grösseren Umfanges mit dem Ziel, vor allem Frauen und Kinder in Sicherheit zu bringen. Die Aktion war schlecht organisiert, der Auffang der Flüchtlingstransporte fast nirgends vorbereitet, ein Teil der Züge blieb tagelang unterwegs liegen; zum Teil kamen die Kindertransporte sogar erkrankt und halb verhungert wieder zurück, da niemand deren Weiterleitung in die Hand genommen hatte. Der Umfang dieser ersten Evakuierungswelle, die etwa einen Monat in Anspruch nahm, ist nicht genau bekannt. Ihre planlose und überstürzte Durchführung erregte jedoch eine schwere Mißstimmung. Es kam verschiedentlich zu Aufläufen und wüsten Szenen vor den Evakuierungspunkten, die z. T. antisemitischen Charakter annahmen, da die Juden bei dieser, von einem Juden Steinberg geleiteten Aktion in aufreizender Weise bevorzugt worden waren. Am 17. 9. 41 wurde der letzte Evakuierungstransport nach Moskau abgefertigt. Eine Reihe weiterer Züge stand noch tagelang auf Leningrader Abstellgleisen herum, musste dann aber wieder geleert werden. Innerhalb der Stadt erfolgten ebenfalls Umsiedlungsmaßnahmen, die in gleicher Weise von organisatorischem Unvermögen zeugten. Die südlichen Bezirke bis etwa zur Linie Narwa-Tor/ Werk „Elektrossila“ mussten geräumt werden; die Einwohner wurden als Zwangssiedler auf die Newa-Inseln Wassiljewskij Ostrow, Petrogradskaja Storana gelegt, teils in Schulen und Barackenlagern untergebracht, soweit diese nicht schon von Flüchtlingen belegt waren. Unter den zusammengepferchten Menschen herrschte ein unvorstellbares Elend, zumal gleichzeitig die ersten grossen Verpflegungsschwierigkeiten hinzutraten. Im Januar 1942 wurde übrigens den Bewohnern der geräumten Bezirke die Wiederinbesitznahme ihrer Wohnungen auf eigene Gefahr wieder freigestellt, so daß die ganze Maßnahme sich im Ergebnis als überflüssig erwies. Bereits Ende Oktober 1941 begann die Sterblichkeitskurve erschreckend anzusteigen. Noch war es weniger der Hunger als Erkältungs- und Unterleibskrankheiten, die vor allem Frauen und Säuglinge dahinrafften. Typhus und Ruhr traten hinzu. Die Verknappung der Rationen, die Ende November ein Minimum erreichten, schwächte die Widerstandskraft soweit, daß Fälle, wo Personen auf der Straße vor Schwäche umsanken und in kurzer Zeit im Schnee erstarrten, ohne daß sich die teilnahmslosen Passanten ihrer annahmen, immer häufiger wurden. In den ungeheizten Wohnungen starben ganze Familien den Hungertod, was fast regelmäßig eintrat, wenn der Mann in der Fabrik kaserniert war und die Frau erkrankte, ohne daß ältere Kinder vorhanden waren, die an ihrer Stelle imstande waren, stundenlang vor den Lebensmittelverteilungsstellen anzustehen. Obwohl zu Weihnachten die Brotrationen etwas erhöht werden konnten, setzte im Januar ein Massensterben ein. Leichensammelkommandos fuhren täglich die Stadtbezirke ab, um die auf der Straße Zusammengebrochenen wegzuschaffen. Auf den Hinterhöfen der Krankenhäuser, auf den Friedhöfen und anderen Plätzen türmten sich Stapel steifgefrorener Leichen von mehreren Metern Höhe und 20–30 m Länge, da die Kräfte nicht ausreichten, in dem hartgefrorenen Boden Grabstätten herzurichten. Die Zahl der täglichen Todesfälle stieg von 200 auf 600 und darüber. Die Todesopfer vom Oktober bis Januar wurden damals mit 200 000 angegeben. Im Februar und März wurden auf dem Wolkowo-Friedhof 4 Gruben mit einem Fassungsvermögen von je 30 000 Leichen in den gefrorenen Boden gesprengt, die auch im Luftbild deutlich sichtbar sind. Auch auf anderen Friedhöfen mussten Massengräber grössten Ausmaßes hergerichtet werden. Im Moskauer Bezirk (einem von 15) wurden während des Januar 250 Leichen am Tage auf den Strassen geborgen. Die apa-

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thisch gewordene Bevölkerung kümmerte sich vielfach überhaupt nicht mehr um die Beerdigung, wenn es nicht die engsten Angehörigen betraf. Ganz allgemein war, daß die Anmeldung eines Todesfalles verschwiegen wurde, um die Lebensmittelkarten weiter auszunutzen. Die Sterblichkeit hielt im Februar und in vermindertem Umfange noch im März an. In der ersten Hälfte des April zählte man immer noch täglich ca. 1000 Todesfälle durch Hunger oder Entkräftung. Insgesamt sind während des Hungerwinters über 1 Million Menschen in L. zugrunde gegangen. Die Todesopfer durch Artillerie- und Bombeneinwirkung spielten demgegenüber keine wesentliche Rolle und betrugen etwa knappe 10 v. H. Nach Herstellung der Eisstrasse über den Ladoga-See waren bereits Anfang Dezember 1941 erneute Evakuierungstransporte aus Leningrad abgefertigt worden. Munitions- und Versorgungskolonnen nahmen auf der Leerfahrt Flüchtlinge mit. Diese Evakuierung war nicht planmäßig organisiert; die Zahl der Todesopfer, die unterwegs an Erfrierung zugrunde gingen, war daher hoch, zumal unter denjenigen, die den Fußmarsch über den Ladoga-See wagten. Am 17. 2. 42 nahm der Stadtsowjet jedoch eine zweite planmäßige Evakuierungsaktion in Angriff, die bis zum 17. 4. 42 dauerte. Die Zahl der in dieser Zeit Evakuierten betrug in jedem der 34 Evakuierungspunkte im Durchschnitt 12 000–15 000; einer der am dünnsten besiedelten Stadtrandbezirke zählte über 8600 Evakuierte. Allein am 7. und 8. 3. wurden insgesamt 65 000 Personen in Marsch gesetzt. Die Gesamtzahl der durch diese zweite Evakuierungswelle erfassten Personen betrug 400 000–500 000. Die Ausfälle unterwegs sollen etwa 10 v. H. betragen haben. Eine sowjetamtliche Registrierung der zivilen Lebensmittelkartenempfänger zählte nach Abschluss der zweiten Evakuierungsperiode am 26. April 1700 000 Einwohner in der Stadt. Vom 27. Mai ab ist der Wasserweg über den Ladoga-See wieder frei. Erneut nehmen die Leertransporte auf dem Rückwege Flüchtlinge mit. Am 2. Juni sind es 300, am 3. Juni 600 Personen. Am 15. 6. beginnt die letzte grosse Evakuierungsaktion, die bis zum 15. August andauert. Hatte man im Winter vor allem Mütter und Kinder aus der Stadt zu schaffen gesucht sowie die im sowjetischen Sinne unzuverlässigsten Bevölkerungsschichten abgeschoben, d. h. vor allem die noch verbliebenen Volksdeutschen und zum Teil die Finnen, so erfasst der neue Evakuierungsbefehl sämtliche Mütter mit 2 und mehr Kindern unter 14 Jahren, alle arbeitsunfähigen und invaliden Personen, die aus dem besetzten Gebiet, der Ukraine und dem Ostland stammen, Sträflinge bzw. Angehörige von politisch Belasteten sowie die Familien der an der Leningrader Front stehenden Offiziere. Auch Juden, soweit sie nicht bereits während des März und April abgeströmt waren, evakuieren in hellen Scharen. Zugestanden werden 10 kg Handgepäck und 50 kg Transportgepäck, das am Ostufer des Ladoga-Sees in Empfang genommen werden muss. Der Umfang der täglichen Transporte schwankt zwischen 800 und 4000 Personen, zum Teil auch darüber. Die meisten Evakuierten werden ins Gebiet von Jaroslawl geleitet. Insgesamt soll diese dritte Aktion 120 000 Personen erfasst haben. Seit dem 15. August werden keine ins Gewicht fallenden Flüchtlingstransporte aus L. mehr gemeldet. Die letzte Evakuierung scheint mit einer verhältnismäßig grossen Umsicht durchgeführt zu sein. Ihr Ziel ist eindeutig die Entlastung der Stadt von allen Elementen, die nicht als Träger der Verteidigung im weitesten Sinne in Frage kommen, d. h. Rüstungsarbeiter und -arbeiterinnen, Angehörige der Arbeiterwehren, eine Reserve an Arbeitskräften für die Holzfällaktion und für Schanzarbeiten. Die Schaffung einer Zuverlässigkeitsauslese im sowjetischen Sinne wird angestrebt, natürlich nicht voll erreicht. Der derzeitige Bevölkerungsstand der Stadt (ohne Militär) wird mit rd. 1 Million bis 1 1/4

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Millionen anzunehmen sein (obschon die meisten Schätzungen von Überläufern sich unterhalb der Millionengrenze halten). Die derzeitige Zusammensetzung der Bevölkerung, die sich im wesentlichen auf die arbeitsfähigen Jahrgänge beschränkt, wozu noch Kinder und nur in verschwindendem Umfange Alte kommen, ist geeignet, die Sowjets einen zweiten Einschliessungswinter leichter überstehen zu lassen. 2. Stimmung und Propaganda: Die Stimmungslage in den ersten Septembertagen 1941 zeigte eine tiefe Depression. Der rasche Vormarsch der deutschen Truppen, die mangelnde Verteidigungsbereitschaft der Stadt liess ihren Fall in den nächsten Tagen erwarten. Auch das Verhalten der Sowjetbehörden, die überstürzte Evakuierung wehrwichtiger Betriebe, die Vernichtung verschiedener NKWD- und politischer Archive in den Öfen der Elektrizitätswerke rechtfertigte diese allgemein verbreitete Erwartung. Auch als der Einmarsch der Deutschen nicht gleich erfolgte, änderte sich die Stimmung nicht. Das Chaos der Flüchtlingsunterkünfte, das Versagen der Evakuierungsmaßnahmen, das Durcheinander in der Lebensmittelversorgung erregte allgemeine Verbitterung und darüber hinaus einen Zweifel an der Autorität des Sowjetregimes. Da zu jener Zeit die Front noch vielfach offen war, so drangen auch verschiedentlich Nachrichten aus dem besetzten Gebiet in die Stadt, die der sowjetischen Greuelpropaganda widersprachen und von einem disziplinierten Verhalten der Deutschen gegenüber der Zivilbevölkerung berichteten. Als zu gleicher Zeit der von den Sowjets vorausgesagte und mit grosser Furcht erwartete Gasbeschuss ausblieb, begann man dem Einmarsch der Deutschen zum Teil geradezu mit Ungeduld entgegenzusehen. Man erwartete von einem raschen Fall Leningrads die Wiederkehr geordneter Zustände, da die Sowjets der Lage offensichtlich nicht mehr Herr zu werden vermochten. Eine Abrechnung mit dem Sowjetregime und vor allem mit dem in der Arbeiterschaft weitgehend still verhassten Judentum mag auch vielen als willkommenes Ziel vorgeschwebt haben. Diese erste Stimmungsphase währte bis in den Oktober v. J. hinein. Eines der kennzeichnendsten Dokumente jener Zeit ist ein Artikel der Leningrader „Prawda“ über das korrekte Verhalten der deutschen Wehrmacht gegenüber der Zivilbevölkerung, welches keineswegs abgestritten, aber dafür als Ausfluss einer besonders hinterhältig teuflischen Berechnung bezeichnet wird. Es kann kein Zweifel herrschen, daß damals die Mehrzahl der Bevölkerung den Einmarsch der Deutschen teils erhoffte, teils sich in Gedanken damit abgefunden hatte. Wenn es auch im Oktober den Sowjets gelang, die durcheinandergeratene Lebensmittelversorgung wieder zu ordnen, so löste doch die Senkung der Rationen eine erhebliche Mißstimmung aus. Über die offizielle Siegespropaganda wurde offen gehöhnt. Die Stillegung der Betriebe führte zu einer weitgehenden Arbeitslosigkeit und diese wieder zu einer Senkung der Lebensmittelzuteilungen für die Betroffenen. Die zusätzliche Wehrausbildung der Arbeiterschaft in der „Narodnoje Opoltschenije“ (Volkswehren) erfreute sich ebenfalls keiner Beliebtheit. Da die Waffen nicht ausreichten, vielfach mit Holzgewehren und Kleinkaliberbüchsen geübt wurde, erschien das ganze als sinnlos. Auch der überstürzte Einsatz von Arbeiterwehrbataillonen (etwa am 30. 9. 41 bei Pawlowsk), welche mangelhaft ausgerüstet und zum Teil unbewaffnet zum Angriff getrieben wurden und furchtbare Verluste erlitten, vertiefte die Mißstimmung. Es kam in mehreren grösseren Werken zur offenen Abstimmung über die Übergabe der Stadt, eine, angesichts der allgemeinen Spitzelfurcht, beachtliche Erscheinung, jedoch bis auf einen Einzelfall zu keinerlei Ausschreitungen. Der Judenhass macht sich in offenen Anpöbelungen Luft. Das Gesamtbild zeigt, daß die Bevölkerung der Sowjetmacht weitgehend entglitten war. Während des gleichen Monats setzten jedoch seitens der Sowjets alle An-

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strengungen ein, die wankende Autorität des Regimes zu festigen. Die Lebensmittelversorgung war, wenn auch auf der Basis knapperer Zuteilung, geordnet worden. Die Propaganda wurde intensiviert. Gleichzeitig erhielt die Frontberichterstattung eine grössere Wirklichkeitsnähe. Miliz und NKWD gingen gegen defaitistische Elemente vor. Nachtstreifen und Dokumentenkontrollen halten die Bevölkerung psychologisch unter Druck. Im November und Dezember 1941 setzt das grosse Hungern ein. Langsam wird die Bevölkerung apathisch. Die Ernährung ist das einzige Problem, um das die Gedanken kreisen. Es zeigen sich Einzelfälle sinnloser Auflehnung. Schüsse in eine marschierende Kolonne, eine Handgranate detoniert in einem Schanklokal, bei der Feier des 7. Nov. ertönen Aufrufe: „Erhebt euch zum Aufstand!“ Doch die Zusammenrottungen werden sogleich blutig zerstreut. In den Nächten werden bei deutschen Fliegerangriffen Licht- und Raketensignale abgegeben, die in den meisten Fällen von den Fliegern gar nicht bemerkt wurden. Alle diese Erscheinungen zeigen keinen Zusammenhang und tragen in ihrer Sinnlosigkeit typisch russischen Charakter. Typisch russisch ist auch das Bemühen der öffentlichen Propaganda, die Agentenpsychose zu vertiefen; eine ganze Luftschutzorganisation wird gegen die Raketenschiesser auf die Beine gebracht, das Jagdfieber soll die Müdigkeit und Depression zurückdrängen. In der öffentlichen Propaganda stehen daneben Schauerberichte aus den deutschen Gefangenenlagern im Vordergrund. Entflohene Rotarmisten suchen als Redner Luftschutzkeller und Betriebsversammlungen auf, um über ihre Erlebnisse in Gefangenschaft zu berichten. Die Aktion bleibt nicht erfolglos. Ein eigentlicher Kampfwille wird jedoch auch nicht erzielt. Unter Hunger und Kälte versinkt die Bevölkerung in eine willenlose Apathie. Ende Dezember erreicht die Not den Höhepunkt. Eine Erhöhung der Lebensmittelnormen hat zunächst nur ein völliges Versagen der gesamten Versorgungsorganisation zur Folge, so daß grosse Teile der Bevölkerung 3 Tage und länger ohne ein Stück Brot bleiben. Unter der Einwirkung deutscher Flugblätter kommt es zu Ausschreitungen gegen Juden und Jüdinnen, die jedoch sichtlich den Charakter einzelner Verzweiflungstaten tragen. Der Hass richtet sich jetzt aber auch vielfach gegen die deutschen Belagerer, die bequem und satt in ihren warmen Bunkern sässen und absichtlich die Stadt dem Hunger und der Verzweiflung überliessen. Der Beschuss durch deutsche Artillerie, der in den Vormonaten noch Schrecken einflösste, vermag jetzt nicht einmal die langen Reihen der Anstehenden vor den Lebensmittelläden zu zerstreuen. Der Hunger und die Gier nach Brot beherrscht allein das Denken. Im Herbst war die Bevölkerung in grossem Ausmaße zum Bau von Verteidigungsanlagen und zu Schanzarbeiten mobilisiert worden. Mehrere Verteidigungslinien, bestehend aus Panzerabwehrgräben, Barrikadensperren, MG-Nestern und Bunkern, waren errichtet worden. Die Arbeiten hatten dazu beigetragen, psychologisch die Verteidigungsbereitschaft zu festigen. Nunmehr werden diese Arbeiten aufgegeben, der Schnee deckt Strassen und Anlagen zu; kaum die wichtigsten Verkehrswege werden freigeschaufelt. Am 25. 1. und am 15. 2. 42 erfolgen erneut Erhöhungen der Lebensmittelrationen, die durch die erheblichen Ladoga-Transporte ermöglicht werden. Trotzdem ist die allgemeine Lage in der Stadt bis Ende Februar so, dass der Verkehr sowie der Postverkehr zwischen der Fronttruppe und ihren Angehörigen in der Stadt unterbunden wird, um den Geist der Truppe nicht noch weiter zu senken. Bei den vor L. kämpfenden Einheiten geht um diese Zeit die sogen. „Verschleißtheorie“ um: Die Machthaber Leningrads seien bestrebt, durch sinnlose Angriffe auf die deutschen Stellungen die Zahl der Verteidiger soweit zu schwächen, daß mangels ausreichender Truppen die Stadt dem Feinde übergeben und dieser Schritt zugleich guten Gewissens vor den Moskauer Machthabern verantwortet werden kann.

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Erst der März bringt ein gewisses Ansteigen der Stimmungskurve. Das Nachlassen der strengsten Fröste, die Frühlingshoffnungen und eine neu einsetzende Propagandatätigkeit (infolge der stillgelegten Druckereien waren im Januar und Februar die gebräuchlichen Propagandaplakate nicht mehr erneuert worden, die Leningrader „Prawda“ erschien zweiseitig in Folioformat), die vor allem eine baldige Entsetzung der Stadt durch die Wolchow-Armee zum Gegenstand hat, lenken zum ersten Mal seit Monaten von den Ernährungssorgen ab. Zugleich greift freilich die Sorge vor den Seuchen um sich, deren Auftreten mit Sicherheit bei Auftauen des Schnees und der unter ihm begrabenen zahllosen Leichname erwartet wird. Im April wird seitens des Stadtsowjets bzw. des Vollzugsausschusses (treibende Persönlichkeit ist wahrscheinlich der Vorsitzende des letzteren, Popkow) unter gewaltigem Aufwand an Energie die Ordnung in der Stadt wieder hergestellt. Die Strombelieferung läuft erneut an, desgleichen die Wasserversorgung. Eine Reihe von Industriebetrieben nimmt die Arbeit auf. Die Zivilbevölkerung wurde in einem allgemeinen Arbeitsdienst zu Aufräumungsarbeiten angesetzt. Bis zu 3 Stunden zusätzliche Arbeiten müssen abgeleistet werden. Die sanitären Verhältnisse werden in Ordnung gebracht. Diese Aktion, so gross auch die arbeitsmäßige Beanspruchung der Zivilbevölkerung ist, hinterlässt einen wesentlichen stimmungsmäßigen Widerhall. Die Autorität der Sowjetgewalt ist wiederhergestellt. Eine einschneidende Maßnahme bedeutete die Verordnung über eine Gemeinschaftserziehung aller Kinder über 3 Jahren in Kinderheimen, welche gleichzeitig die Verpflegung übernehmen, sowie die bereits im März verkündete Frauenmobilisation, für die nunmehr bei den einzelnen Wehrbezirkskommandos die Musterungen beginnen. Der Mai ist durch eine weitere Normalisierung der Verhältnisse gekennzeichnet. Die Post funktioniert nunmehr wieder täglich. Die Schulen haben ihre Arbeit aufgenommen. Die Miliz, während des Winters stark mit Frauen durchsetzt und in der Notzeit unentschlossen und schlaff geworden, wird mit zuverlässigen Moskauer Milizbeamten aufgefüllt. Besonders aktiv ist die Propaganda. Zahlreiche Vertreter aus den verschiedensten Sowjetgebieten sowie einer Reihe bekannterer Partisanenverbände treten öffentlich in der Stadt auf und überbringen den Verteidigern Glückwünsche und Geschenke. Rüstungsarbeiter und Betriebe werden feierlich ausgezeichnet. Es wird die (tatsächlich unbegründete) Parole verbreitet, die Produktionsziffern der Leningrader Werke hätten nahezu den Stand des Juni 1941 erreicht. Zur Härtung des Widerstandswillens wird in zunehmendem Maße auf den nationalen Gedanken zurückgegriffen sowie ein neuer Anlauf der antideutschen Greuelpropaganda gestartet. Stimmungsmäßig besonders wesentlich ist die grosse Gemüselandaktion, an der sich die gesamte Bevölkerung beteiligt, ferner die Ausgabe von relativ reichlichen Sonderzuteilungen zum 1. Mai. Auch in den beiden folgenden Sommermonaten zeigt das Bild Leningrads ein überraschend normales Leben. An den Krieg erinnern zwar Frauenbataillone, die durch die Strassen marschieren, sowie die Kinderleere der meisten Haushalte. Auf der anderen Seite arbeiten mehrere Theater, die öffentliche Bibliothek sowie 27 Lichtspielhäuser mit einer Besucherzahl von 750 000 Personen im Juli. Stark besucht ist die Ausstellung „Der Vaterländische Krieg“, welche Beutewaffen, Reliefdarstellungen und zahlreiche Greuelbilder zeigt. Überhaupt nimmt im Juni und Juli die Greuelpropaganda grossen Umfang an. Eine Gaskriegspsychose wird entfacht; jede Zeitungsnummer bringt angebliche Aktenauszüge, Gefangenenaussagen, Erlebnisberichte und Briefe aus dem besetzten Gebiet über Verstümmelungen von Kriegsgefangenen, Marterung von Zivilisten und vor allem Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen. Die angebliche Mobilisierung der Mädchen

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von Jalta (Krim) für deutsche Soldatenbordelle macht merklichen Eindruck, wie überhaupt die Greuelpropaganda keineswegs ohne Wirkung bleibt. Auf der anderen Seite zeigt die Zerschlagung der 2. Stossarmee im Wolchow-Kessel einen fühlbaren Stimmungsrückschlag, der in der Folgezeit zu einer neuen Depressionswelle führt. August und September 1942 sind von energischen Wintervorbereitungen beherrscht. Die dritte Evakuierungsperiode findet ihren Abschluss. Wer zurückbleibt, weiss, dass ihm nun erneut die Schrecken eines Belagerungswinters bevorstehen. Zwar werden alle Häuser auf gut isolierte Wasserröhren, auf Tauglichkeit der Öfen und Frostschutz überprüft, doch lösen diese Vorbereitungen mehr die Entmutigung als Willen zum Durchhalten aus. Eine weitverbreitete Redensart spricht davon, daß die Sowjetgewalt sich, trotz aller Zähigkeit im Hinnehmen von Niederlagen, zwar stark genug erweise, den Krieg noch endlos fortzusetzen, jedoch unter Opferung des Sowjetvolkes und seines letzten Wohlstandes. Man rechnet mit dem Fall Leningrads, wagt aber keinen Termin mehr zu setzen. Man ersehnt ein Ende des Kampfes und fürchtet doch den deutschen Sieger. Wenn auch nicht alle Greuellügen geglaubt werden, so herrscht doch die Überzeugung, eine Niederlage mit der Knechtung des sowjetischen Landvolkes unter deutsche Grossgrundbesitzer und mit einer Zwangsarbeit der sowjetischen Industriebevölkerung bezahlen zu müssen. Das gegenwärtige Stimmungsbild zeigt eine erhebliche Labilität, die durch planmäßigen Masseneinsatz einer deutschen Flugblattpropaganda zweifellos stark beeindruckt werden könnte. Diese Propaganda hätte, möglichst unter Verwendung bekannterer russischer Namen aus dem besetzten Gebiet, die Greuellügen zu widerlegen, auf die Schonung von Politruks und Parteimitgliedern durch die deutsche Wehrmacht hinzuweisen und Angaben über die Betreuung der Zivilbevölkerung im besetzten Gebiet zu machen (Agrarordnung, Lebensmittelversorgung, Schulwesen, russische Selbstverwaltungsorgane u. ä.). Sie hätte vor allem auf die verderblichen Folgen einer Zerstörung von Produktionsstätten für die Arbeiterschaft hinzuweisen und vor dem Strassenkampf zu warnen. Psychologisch geschickt wäre bei Beginn von Aktionen gegen die Stadt die Herausgabe aufeinanderfolgender Verhaltensmaßregeln an die Bevölkerung in Flugblattform, die von vornherein das Gefühl einer neuen Ordnung suggerieren würden. 3. Versorgung: Trotz der bolschewistischen Propagandaparolen, daß Leningrad genügend Vorräte besitze, um für Jahre hinaus eingedeckt zu sein, erwies sich, daß die Lebensmittelbestände rapide zurückgingen. Ohne den Nachschub der Ladoga-Transporte wäre die Stadt spätestens im Januar oder Februar 1942 vollkommen entblösst gewesen. Zwar waren ungeheuere Massen an Flüchtlingsvieh zusammengetrieben worden (allein der Stadtrandbezirk Puschkin zählte vor dem Kriege 38 000 Stück Rindvieh und 12 000 Schweine, die bis auf einige hundert Stück sämtlich nach L. abgetrieben waren). Doch waren gleich zu Beginn der Einschliessung einige der wichtigsten Lebensmittelgroßlager (Badajew-Speicher, die Lager No 1 und 10) dem Beschuss zum Opfer gefallen und ausgebrannt. Anfang September 1941 hörte der freie Handel mit Lebensmitteln auf. Die Normen waren zunächst erträglich. Sie betrugen: Arbeiterrationen im September 1941: Brot 600 gr täglich, Grütze 2000 gr monatlich, Zucker 1200 gr monatlich, Fleisch 2200 gr monatlich, Fisch 1000 gr monatlich, Butter 500 gr monatlich, Kartoffeln 10 kg monatlich. Angestellte und Angehörige erhielten 400 resp. 300 gr Brot und entsprechend verringerte Rationen an übrigen Lebensmitteln. Ende September geriet die gesamte Verteilungsorganisation in ein völliges Durcheinander. Ein Teil der Bevölkerung blieb tagelang ohne Zuteilung, weil die Bestände nicht reichten. Im Oktober kehrte eine gewisse Ordnung ein. Dort wurden die Brotrationen

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bereits auf 400 gr für Arbeiter (einschliesslich Schanzarbeiter) und 200 gr für Angestellte und Angehörige gesenkt. Die Monatszuteilungen an Grütze sanken auf 1500 resp. 600 gr, an Fleisch auf 1500 gr resp. 750 gr. Um eine erneute Verwirrung in das Zuteilungswesen zu bringen, wurden deutscherseits nunmehr nachgedruckte Lebensmittelkarten von Flugzeugen abgeworfen, die zwar eine erhebliche propagandistische, jedoch nicht die erwartete wirtschaftliche Auswirkung zeitigten, da durch die Neuregistrierung der gesamten Karten am 28. Oktober 1941 die Sowjets rasch wieder Herr der Lage waren. Am 11. November sahen sie sich jedoch genötigt, die Brotnormen erneut auf 300 resp. 150 gr herabzusetzen, um bereits am 21. Nov. die Senkung auf 250 gr für Arbeiter und 125 gr für Angehörige durchzuführen. Die monatlichen Grützrationen betragen 900 resp. 450 gr, Fleisch 900 resp. 450 gr monatlich, Zucker und Konditorwaren 1500 resp. 450 gr und Butter resp. Öl 1050 resp. 300 gr monatlich. In Wirklichkeit waren jedoch diese Zuteilungen nur jenem Teil der Bevölkerung zugänglich, der die Zeit aufbrachte, ohne zu verspäten, da infolge allgemeiner Unordnung und Durchstechereien die gleichmäßige Versorgung nicht durchzuführen war. Die Zuteilungen wurden jeweils für 10 Tage angekündigt und ausgegeben (Dekade). Bei Anbruch der nächsten Dekade verloren die nicht ausgenutzten Kartenabschnitte ihre Gültigkeit. In Wirklichkeit bedeuteten diese Maßnahmen, daß jeweils einem erheblichen Teil der Bevölkerung die ihm theoretisch zustehenden schmalen Rationen vorenthalten blieben. Seit Anfang November setzt in L. der Hunger ein. Ein kg Brot, das im Schwarzhandel im Oktober noch 50,– Rubel gekostet hatte (der offizielle Brotpreis betrug und beträgt z. Zt. noch 1,10 Rub. d.kg) stieg rasch auf 300,– – 400,– Rubel, in der schlimmsten Hungerperiode sogar auf 700,– – 800,– Rubel. Eine Katze kostete 100,– – 250,– Rubel, ein mittlerer Hund 300,– Rubel. Das ausgegebene Brot ist zudem mit allen möglichen Zusatzmitteln gestreckt, meist mit Ölpressrückständen, wodurch das Brot klebrig und schwer verdaulich wird, während des Dezembers auch mit einem Gemenge von Torf und Papier, das in einer ehemaligen Zellulosefabrik hergestellt wird. Zu der Lebensmittelkatastrophe kam der Ausfall der Stromversorgung, teils durch Beschuss, teils durch Brennstoffmangel bedingt. Seit dem 6. Dez. gibt es keinen Strom mehr für Private. Auch Petroleum ist nicht erhältlich. Es verkehren nunmehr vier Strassenbahnlinien. Am 1. 1. 42 setzt die Stromversorgung vollkommen aus. Auch die Pumpstationen der Wasserwerke werden nicht beliefert, so daß die Bevölkerung ihr Trinkwasser aus Eislöchern der Newa oder der Kanäle schöpfen muss. Die Behörden sind auf Ölbeleuchtung übergegangen; die Zivilbevölkerung sitzt nach Dunkelwerden um die mühsam erheizten Sparöfen, für notwendige Hantierungen muss Kienspanbeleuchtung ausreichen. Die Weihnachtstage stellen etwa den Tiefpunkt dar. Zwar werden aufgrund des in starkem Umfange eingesetzten Nachschubs über den Ladoga-See die Normen wieder auf 350 resp. 200 gr erhöht, doch gerät gleichzeitig die Verteilungsorganisation so durcheinander, daß bis in die ersten Januartage hinein die Hälfte der Bevölkerung überhaupt kein Brot fassen kann. Der Kannibalismus beginnt. Leichen mit abgeschnittenen Weichteilen (Waden, Gesässpartien) werden am Morgen auf der Strasse gefunden; abends bieten verdächtige Subjekte eine Sülze aus Leim, Menschenfleisch u. ä. Zutaten an. Die Miliz muss eine grosse Aktion gegen die Sülzhändler unternehmen. Im Januar 42 liegt nahezu die gesamte Industrie still. Einige Abteilungen der wichtigsten Rüstungsbetriebe werden stundenweise mit Strom versorgt; hier und da geht man mit verbissener Energie auf Göpelantrieb mit Menschenkraft über. Zu allen übrigen Nöten ist der Mangel an Heizmaterial hinzugetreten. Die Bevölkerung trägt zerschossene Ge-

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bäude ab, reisst Zäune ein und schleppt die Grabkreuze von den Kirchhöfen. Die eigenmächtige Brennholzbeschaffung wird von der Miliz zuerst untersagt, doch begnügt sie sich später mit einer beaufsichtigenden Kontrolle der Abtragungsarbeiten. Am 25. 1. 42 können die Brotrationen erneut auf 400 gr für Arbeiter, 300 für Angestellte und 250 gr für Familienangehörige erhöht werden. Am 15. Febr. erfolgt eine weitere Erhöhung auf 500 resp. 400 und 300 gr. Anfang März zeigen die Rationen folgendes Bild: Leningrader sämtliche Lebensmittelrationen im März 1942 Arbeiter Angestellte Angehörige Brot 500 gr 400 gr 300 gr täg. Grütze bzw. Sojaschrot 1950 gr 1500 gr 1050 gr monatl. Fleisch bzw. Fischkonserven 1500 gr ? ? monatl. Zucker bzw. Konditorwaren 1500 gr 1050 gr 900 gr monatl. Butter bzw. Öl 1500 gr 1050 gr 900 gr monatl. In Wirklichkeit gelangten diese amtlich bekanntgegebenen Rationen nicht voll zur Ausgabe. Nach einer vorübergehenden Senkung Ende März wurden die Lebensmittelrationen zum 1. Mai erneut etwa auf der Ebene der Märzzuteilungen stabilisiert, wozu anlässlich des Feiertages noch einige Sonderzuwendungen (Schnaps, Käse und Schokolade) kamen. Um die gleiche Zeit kann auch von einer weitgehenden Wiederherstellung normaler Verhältnisse in der Stadt gesprochen werden. Nicht nur, daß seit Ende Februar ein Industriewerk nach dem anderen die Arbeit wieder aufgenommen hat; die Stromversorgung reicht jetzt auch zur Wiederinbetriebnahme der Strassenbahnen, der städtischen und teilweise sogar zu Beleuchtungszwecken aus. Eine erhebliche Bedeutung für die Vitaminversorgung der allgemein unter Mangelkrankheiten leidenden Bevölkerung kam der Gemüselandaktion zu, die zu Beginn des Frühjahrs vom Leningrader Stadtsowjet eingeleitet wurde. Jeder Bürger wurde verpflichtet 0,15 ha Gartenland zu bearbeiten, das ihm in den Parkanlagen, Vorstädten usw. zugewiesen wurde. Grössere Betriebe übernahmen gemeinsam zu bearbeitende Gemüseflächen. Insgesamt wurden 500 Betriebsgemeinschaften und 270 000 Einzelgärtner von der Gemüselandaktion erfasst. Saatgut (Kohl, Rüben, Radieschen, Salat, Gurken) wurde von den Stadtsowchosen gestellt oder auf dem Luftwege herangeführt. Nur Kartoffeln gelangten so gut wie gar nicht zur Aussaat, da in der Stadt seit Oktober 41 praktisch keine Kartoffeln mehr zu sehen waren. Die derzeitige Versorgungslage zeigt etwa folgendes Bild: Die Lebensmittelrationen haben (vielleicht unter Berücksichtigung der zur Zeit anfallenden Gemüseernte) im September eine Senkung gegenüber den vom Mai bis August ziemlich gleichbleibend stabilen Zuwendungen erfahren. Sie betragen z. Zt. für den Arbeiter: Amtliche Arbeiterrationen im September 1942: Brot 500 gr täglich, Grütze 900 gr monatlich, Fleisch 900 gr monatlich, Zucker 750 gr monatlich, Butter resp. Öl 600 gr monatlich. Gemüse ist in der Stadt vorhanden, die Preise angesichts der allgemeinen Geldentwertung naturgemäß hoch (1 Rettich 10,– Rubel, 5 Mohrrüben 20,– Rubel u. ä.). Gegen entsprechende Preise, vor allem aber gegen andere Tauschmittel, etwa Tabak, Edelmetall usw., sind die meisten Lebensmittel in kleinen Mengen im Schwarzhandel erhältlich. Es kostet: Brot 300,– – 400,– Rub., 1 kg Butter 1500,– Rub., Fleisch 1800,– Rub., Zucker 500,– Rub., Schnaps 1/4 Ltr. 1000,– Rub. u. ä. Der Tauschhandel auf den Märkten ist nach mehrfachen Verboten nunmehr endgültig gestattet, hat sich jedoch auf dem umfriedeten Marktplatz zu vollziehen. Barverkauf wird als Spekulation bestraft, da offiziell immer noch mit gering-

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fügigen Veränderungen die Vorkriegspreise gelten, die von der allgemeinen Inflation längst ad absurdum geführt worden sind (Brot 1,10 Rub., das kg Butter 25,– Rub., Fleisch 6,– – 15,– Rub. je kg usw.). Bedarfsgüter, Kleidung, Schuhwerk ist praktisch nur im Tauschhandel zu haben. Kurzfristig wurden im Sommer einige Artikel durch das Leningrader Kaufhaus gegen Kleiderkarten zu Vorkriegspreisen verkauft, doch waren sie begreiflicherweise sofort vergriffen. Die Stromversorgung ist zur Zeit in Ordnung, die Strassenbahn verkehrt; auch die Wasserleitung funktioniert, wenngleich die obersten Stockwerke nicht bedient werden und viele Häuser daher bereits in Frühjahr Zapfstellen zu ebener Erde angebracht hatten. Die Brennholzversorgung dürfte im Winter erneut Sorgen bereiten, obwohl mit grosser Energie an die Bereitstellung umfangreicher Vorräte für die Industrie und öffentlichen Zwecke gegangen worden ist. Das Holz wurde von zahlreichen Holzkommandos in den Wäldern im Norden der Stadt geschlagen und aufgearbeitet. Die tägliche Durchschnittsnorm soll im August 5 cbm erreicht haben. Insgesamt ist die Stadt zweifellos besser auf den kommenden Winter vorbereitet wie im vergangenen Jahr. Die überflüssigen und belastenden Teile sind abgeschoben, der Rest organisatorisch gut erfasst und fest in der Hand der Sowjetbehörden. Über den Umfang der im Laufe des Sommers herangeschafften Lebensmittelbestände gibt es keine zuverlässigen Angaben. Doch dürften sie angesichts der auf 1/4 reduzierten Bevölkerung und der auf allen übrigen Gebieten zu beobachtenden Umsicht in den Wintervorbereitungen für eine bessere Versorgung der Bevölkerung als im vergangenen Herbst ausreichen. Daß bei der Planung des kommenden Winters der Nachschub über die Ladoga-Strasse einen erheblichen Raum einnimmt, ist mit Sicherheit anzunehmen. 4. Verteidigungsmaßnahmen der Stadt: Zu Beginn der Einschliessung lag die Verteidigung im wesentlichen auf den seit Durchbrechung der Luga-Stellung auf Leningrad zurückgetriebenen Trümmern der zerschlagenen Divisionen, die hier in allem neu formiert wurden. Ihre Vervollständigung sollten die überstürzt gebildeten Arbeiterbataillone der Leningrader Volkswehr bilden. Die Arbeiterschaft der einzelnen Werke wurde in dieser „Narodnoje Opoltschenije“ bataillonsweise zusammengefasst und abends nach Werkschluss notdürftig, zum Teil mit Holzgewehren und Kleinkaliberbüchsen ausgebildet. Einzig Handgranaten standen in genügender Anzahl zur Verfügung. Unter der Arbeiterschaft war der Dienst bei der Arbeiterwehr sehr unbeliebt, weil ihr militärischer Wert im Ernstfalle gering geschätzt wurde, auf der anderen Seite der zusätzliche Dienst und das kasernierte Leben auf Ablehnung stiessen. Die Arbeiterwehr wurde in einer Reihe von Fällen auch bei Angriffsunternehmungen an der Front eingesetzt und hatte hierbei, ungenügend ausgebildet und bewaffnet, die schwersten Verluste. Im Laufe des Herbstes wurde die Leningrader Arbeiterwehr zur Verstärkung der Fronttruppe allmählich verbraucht. Auch die auf den Werken Verbliebenen hatten eine zusätzliche militärische Ausbildung durchzumachen. In grossem Umfange war die Bevölkerung der Stadt sowie ihrer Vororte bereits im August zu Schanzarbeiten an der Linie Krasnoje-Selo–Puschkin, bei Kolpino, Schuschary und anderen Orten eingesetzt worden. Die Mobilisierung war dabei über die einzelnen Hausverwaltungen erfolgt, Frauen und Kinder jeden Alters wurden herangezogen, die Unterbringung war gewöhnlich die dürftigste. Innerhalb der Stadt begannen die ersten Barrikaden- und Bunkerbauten am 4. September 1941 und sind bis in den Winter hinein fortgesetzt worden. Zum Teil waren sie freilich so dürftig errichtet, daß sie im nächsten Frühjahr abgetragen werden mussten bzw. aufgrund eines neuen Verteidigungsplanes neu gebaut werden mussten. Auch Sprengvorbereitungen an den wichtigsten Brücken, Gebäuden und Industriewerken wurden im September und Oktober getroffen, doch

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ruhten diese Arbeiten den Winter über. Erst im Sommer 1942 verlautet gerüchtweise erneut von Sprengvorbereitungen bzw. wird die Verminung bestimmter Ausfallstraßen bekannt. Bereits im September 1941, zunehmend in den folgenden Monaten, erfolgte der Einsatz von Leningrader Zivilisten mit Erkundungsaufträgen hinter den deutschen Linien auf breitester Grundlage. Erst bei der endgültigen Erstarrung der Front ebbte die Zahl dieser Zivilüberläufer ab; dafür erfolgte seit Dezember die Absetzung von Agenten mit Fallschirmen. Der erste Agenteneinsatz stellte die geringsten Ansprüche an das Menschenmaterial. Frauen und Kinder bis zu 12 Jahren wurden durch die Linien geschickt, mangelhaft oder kaum ausgebildet. Obschon es einer nicht geringen Zahl gelang, ihren Ausspähauftrag durchzuführen, waren nachweislich die Erfolge wegen mangelnder Intelligenz dieser Agenten gering. In der Folgezeit erfolgte zwar keine sorgfältigere Auswahl (unter Ausnutzung der Flüchtlingsnot, des Hungers, eines Dienstverhältnisses erfolgte die Rekrutierung dieser Agenten), wohl aber eine sich meist mehrere Wochen hinziehende Ausbildung in Kartenkunde und Orientierung, Sprengwesen und Waffengebrauch. Seit dem Frühjahr 1942 erfolgte der Einsatz von Partisanengruppen mittels Fallschirm hinter der deutschen Front, die einen Funker mit sich führten und zugleich nachrichtendienstlich tätig waren. Da die Auswahl häufig nur von der Beheimatung der Betreffenden im besetzten Gebiet abhing, so lässt sich auch von diesen sagen, was für einen nennenswerten Teil der Leningrader Agenten galt: Nicht wenige waren darunter, die den Auftrag nur annahmen, um aus der hungernden Stadt heraus oder zu den Angehörigen zurückzukommen. Manche stellten sich freiwillig den deutschen Dienststellen; wahrscheinlich der grösste Teil dieser Leute dürfte stillschweigend in der Zivilbevölkerung untergegangen sein. Erst bei Überprüfung der Sicherheitspolizei stellte sich zuweilen ein solcher nicht durchgeführter Agentenauftrag heraus. Ende März erfolgte die Mobilisierung der Frauen und Mädchen der Jahrgänge 1912–1924. Die Musterung fand im April und Mai statt. Die Zahl der tatsächlich der Roten Armee eingegliederten Frauen hielt sich im ganzen relativ gering. Die Verwendung erfolgte hauptsächlich als Telefonistin, Funkerin, Köchin, Lagerverwalterin usw. im rückwärtigen Dienst; jedoch ist auch der aktive Einsatz von Frauen bei der Artillerie und der Flak sowie die Abhaltung von Scharfschützen- und MG-Kursen bekannt. Die zweite Aushebung der bisher zurückgestellten Männer der Jahrgänge 1892 und darunter erfolgte im Juli 1942. Der Umfang dieser Aushebung ist nicht bekannt; die Ausbildung wurde als scharf und rücksichtslos bezeichnet. BAB, R 58/222 1 In der Berichterstattung findet das im Raum Orscha–Witebsk von SS- u. Polizeikräften seit dem 11. 10. durchgeführte Antipartisanenunternehmen „Karlsbad“ keinerlei Erwähnung; vgl. Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 900. 2 Vgl. Jörg Ganzenmüller: Das belagerte Leningrad 1941–1944. Die Stadt in den Strategien von Angreifern und Verteidigern, Paderborn u. a. 2005; Richard Bidlack/Nikita Lomagin: The Leningrad Blockade, 1941–1944: A New Documentary History from the Soviet Archives, New Haven 2012.

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 23. Oktober 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 26 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandenunwesen1: Im Ingermanland (Bereich des Einsatzkommandos 1a) hält die Aktivität der Banden weiter an. Überfälle und Bahnsprengungen auf der Strecke Luga–Pleskau sind an der Tagesordnung; es ist nur noch im Geleit möglich, die Strasse zu passieren. In der ersten Septemberhälfte wurden auf der genannten Bahnstrecke 24 Sprengungen festgestellt. Bei diesen Sprengungen sind einige Male auch Transportzüge betroffen worden, es hat Tote und Verwundete gegeben und der Materialschaden ist erheblich. Neuerdings treten grössere Banden auf; es sind Zusammenrottungen bis zu 400 Mann festgestellt worden. Kleinere Banden werden immer seltener. Die Bewaffnung der grossen Banden ist ausgezeichnet (Granatwerfer, lMG, sMG usw.). Die Banden, die zum grössten Teil im letzten Monat durch die Front gekommen sind, werden ständig durch Fallschirmspringer unterstützt. Auf diesem Wege werden die Banden mit Führern, Waffen und Lebensmitteln versorgt. In erhöhtem Maße wurde in letzter Zeit der Einsatz von weiblichen Fallschirmspringern in Männerkleidern beobachtet. Durch die Banden sind viele Angehörige der Einwohnerkampfabteilungen, Zivilisten, Dorfälteste und Bürgermeister ermordet worden. Infolge des Bandenterrors war eine planmäßige Einbringung der Ernte nicht möglich. In der Bandenbekämpfung im Bereich des Kommandeurs Litauen, die in guter Zusammenarbeit mit den militärischen Dienststellen erfolgt, ist als Mangel wiederholt das Fehlen technischer Einrichtungen zur Nachrichtenübermittlung festgestellt worden. Es sind oft mehrere Tage vergangen, bis Meldungen über das Auftreten von Banden zu den für ihre Bekämpfung zuständigen Stellen gelangt sind. Weiter hat sich bei der Bekämpfung der besonders im südöstlichen Litauen und an der mittleren Grenze vermehrt auftretenden Banden die mangelhafte Bewaffnung der Angehörigen der litauischen Sicherheitspolizei als nachteilig herausgestellt. Die Ausschüttung von Belohnungen hat sich sehr bewährt. Eine Reihe brauchbarer Meldungen über Stärke und Aufenthalt der Banden sind von der Bevölkerung abgegeben worden. Im Bereich der Einsatzgruppe B sind im September in verschiedenen Gebieten Säuberungsaktionen unterschiedlichen Ausmaßes erfolgreich durchgeführt worden. Kommandos der Einsatzgruppe waren an allen Unternehmungen zur Durchführung der erforderlichen Erkundungstätigkeit und Auswertungsarbeit beteiligt. Verschiedene Räume konnten bandenfrei gemacht werden. Im Laufe der Aktionen konnte auch umfangreiches Sprengmaterial erbeutet bzw. vernichtet werden. So wurden z. B. bei der Durchführung eines Unternehmens „Eule“ im Raume nördlich Mogilew zwischen der Rollbahn Minsk– Smolensk und Schklow in der Zeit von 3. 9.–7. 9. drei verschiedene Lager der Banden ausgehoben und Waffen und Munition vorgefunden: 1. Lager: 20 schwere Minen, 10 Kisten Gewehrmunition, 50 russ. Handgranaten, davon 30 geschärft, 80 bis 100 Wurfminen (scharf), ca. 2000 Einzelmunition, 50 Leuchtspurmunition. 2. Lager: 2 sMG, 2 lMG, Pakund MG-Munition, Handgranaten, Minen, grössere Mengen Sprengstoff sowie grosse Mengen Verbandsstoff, Getreide usw., 1 Lkw und mehrere Panjewagen. 3. Lager: 180 bis

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200 schwere Minen, 40 bis 50 Zentner Sprengstoff in Kisten, 300 russ. Handgranaten, 300 Wurfminen, grosse Mengen Gewehrmunition, Verbandsstoff, Medikamente. Die Aktion wurde ausgelöst durch die Angaben eines Ortsfremden, der vom Bürgermeister in Propoisk dem dort tätigen Trupp der Sicherheitspolizei und des SD übergeben wurde. Bei der eingehenden Vernehmung stellte es sich heraus, dass dieser Mann von den Banden zwangsrekrutiert worden war und ca. 10 Tage einer Bandengruppe angehört hatte. Bei dem allgemeinen Rückzug der Banden in das unzugängliche Wald- und Sumpfgelände konnte er flüchten. Er machte glaubwürdige Angaben über die Lage der sehr gut versteckten Lager und erklärte sich auch bereit, diese zu zeigen. Mit nur geringer militärischer Unterstützung führte der fragliche Trupp das Unternehmen der Aushebung der Lager ohne eigene Verluste durch. Die nur zur Bewachung von den Banden zurückgelassenen Posten konnten überraschend überwältigt und erledigt werden. Es konnte bei den Aktionen auch verschiedentlich die Feststellung gemacht werden, daß die Stimmung bei den Banditen im ständigen Absinken begriffen ist und daß in der letzten Zeit sehr viele kriminelle und asoziale Elemente zu den Banden gestossen sind. Als Neuerscheinung ist bei den Banden im Abschnitt einer Sicherungsdivision der Heeresgruppe Mitte eine Trennung in aktive Bandengruppen (Aufgabe: Überfälle, Sabotage in bestimmten Räumen) und inaktive Bandengruppen (Werbung neuer Bandenmitglieder) festgestellt worden. Neu ist auch die straffe Zusammenfassung zuverlässiger Kommunisten in kleinen Trupps, deren besondere Gefährlichkeit nicht zuletzt in ihrer Zersetzungsarbeit liegt. Die Sollstärke jedes Trupps ist auf 11 Personen festgesetzt; der Trupp selbst ist folgendermaßen untergliedert: 1 Truppführer, 1 Feldscher (auch Frauen), 2 Sprengspezialisten, 2 Funker, 5 Erkundungs- und Verbindungsagenten, von ihnen unbedingt 2 Frauen, nach Möglichkeit mit deutschen, ungarischen oder italienischen Sprachkenntnissen. Die Ausrüstung besteht aus Maschinenpistolen, Handgranaten, Pistolen, Leuchtpistolen mit Munition, Sprengstoffen, Empfangs- und Sendegerät sowie Lebensmitteln für 15 bis 20 Tage. Nach Möglichkeit sollen die einzelnen Angehörigen dieser Trupps echte deutsche Ausweise und Passierscheine sowie getarnte Aufzeichnungen der Bandenstützpunkte und Orte, an denen beim Abzug der Roten Waffen und Kriegsgerät vergraben worden waren, bei sich führen. Zu den Aufgaben dieser Trupps zählen Sprengstoffanschläge auf Eisenbahnen, Munitions- und Brennstoffzüge sowie Nachschublager aller Art, Werbung und Ausbildung der Leute an Ort und Stelle zur Durchführung solcher Sabotagehandlungen; ausserdem haben sie sich das Vertrauen der Deutschen zu erwerben, sich als Mitarbeiter in den Polizeidienststellen und Gemeindeämtern einzuschleichen oder sich als Starosten, Dorfschreiber, Kolchosleiter usw. einsetzen zu lassen. Ihre Stellung sollen sie dann systematisch dazu benutzen, die Aufbauarbeit der Besatzungsbehörde zu sabotieren, aufrichtige Mitarbeiter an der deutschen Sache zu kompromittieren und unmöglich zu machen und die Bevölkerung stimmungsmäßig gegen Deutschland aufzuhetzen. Ausbildung und Einsatz sowjetrussischer Fallschirmspringer: Im Bereich des Befehlshabers der Sicherheitspolizei und des SD in Kiew wurden verschiedentlich Fallschirmspringergruppen festgestellt, die auf einer Schule in Shodnja, einem Vorort von Moskau, für ihren Einsatz unterrichtet worden waren. Es handelt sich vorwiegend um Personen von 18–35 Jahren, die von Beauftragten der Roten Armee, des Komsomol und der KP aufgefordert worden waren, sich für einen besonderen Zweck zur Verfügung zu stellen. Weigerungen wurden mit härtesten Strafen geahndet. Die Transporte der erfassten Personen werden nach Moskau geführt, wo zunächst eine Säuberung und Auslese stattfindet.

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Erst dann wird der Unterricht in der Fallschirmspringerschule in Shodnja aufgenommen. Die Aufteilung der Lehrgangsteilnehmer erfolgt in 4 Gruppen und zwar: 1. Gruppenführer, 2. Funker und Funkerinnen, 3. Nachrichtenagenten, 4. Saboteure. Der Lehrgang erstreckt sich in allen Gruppen auf die Dauer von 3 Monaten. Besonders Gruppenführer und Funker werden eingehend geschult. Behandelt werden folgende Gebiete: 1) Organisation und Gliederung der deutschen Wehrmacht, 2) Taktik und Strategie der deutschen Heerführung im Angriff und in der Verteidigung, 3) die deutsche Sprache, 4) Verhalten in den von Deutschen besetzten Gebieten, Spionage und Nachrichtenübermittlung, 5) das Erkennen und die Bedeutung der von der deutschen Wehrmacht verwandten taktischen Zeichen, 6) Funktechnik, 7) Geschichte der kommunistischen Partei. Die Namen der Lehrkräfte werden den Lehrgangsteilnehmern gegenüber geheimgehalten, wie auch die einzelnen Gruppen unter sich keinen Verkehr pflegen dürfen. Eine Prüfung wird nach Abschluss des Lehrganges nur von den Gruppenführern und Funkern verlangt. Erst dann setzt die Aufstellung der zum Einsatz kommenden Gruppen ein. Sie werden nach Moskau überführt, in Privatwohnungen untergebracht und erhalten hier ihre Ausrüstung und den Einsatzbefehl für das Operationsgebiet. Die Ausrüstung ist nach sowjetischen Verhältnissen als gut zu bezeichnen. Sie besteht aus folgenden Gegenständen (Gruppenstärke 5 Mann): 1) Fünf Pistolen mit je 20–25 Schuss Munition, 2) 10 Eierhandgranaten, 3) eine vollständige Kurzwellensende- und Empfangsstation mit Ersatzteilen, 4) 5 Dolche – finnische Messer, 5) 2 Karten im Maßstab 1: 100 000 für das betr. Operationsgebiet, 6) 5 Taschenlampen, 7) 3 Taschenuhren, 8) Lebensmittel für 5 Tage, 9) Geldmittel in Rubel und Reichskreditscheinen. Der Einsatz erfolgt für die Teilnehmer überraschend. Der Start erfolgt von dem an der Leningrader Landstrasse – Rollbahn – gelegenen Flughafen aus. Das Transportflugzeug fasst vier Gruppen in einer Stärke von zusammen 20 Mann und das Aufsichts- und Flugpersonal. Im Laufe des Jahres 1942 ist die Kommandostelle für Fallschirmspringer dazu übergegangen, Offiziere der Roten Armee über die Kriegsakademie als Führer von Fallschirmgruppen auszubilden und zum Einsatz zu bringen. Die Schule ist der nach Kasan verlegten Moskauer Kriegsakademie angegliedert und wird von Generalmajor Krilow geleitet. Sie befindet sich in dem ehemaligen Gebäude der Philharmonie in Kasan, Butlerowskaja. Nachrichtenschule und Kriegsakademie – ausser der Schule für Gruppenführer für Fallschirmspringer – stehen unter der gemeinsamen Führung und Leitung von Generalmajor Krilow und Oberst Hlebow. Jeder Lehrgang für Gruppenführer wird unterteilt in: 1) Die deutsche Gruppe – stets die grösste, 2) die japanische Gruppe und 3) die englische Gruppe – meist nur etwa 4–10 Mann. Diese Gruppen kommen in den unter der Oberhoheit Deutschlands, Englands und Japans stehenden Ländern zum Einsatz. Über die Ausbildung und Schulung der japanischen und englischen Gruppen konnte Näheres nicht festgestellt werden, weil ein Verkehr und Austausch zwischen den Gruppen nicht geduldet wird. Folgende Lehrkräfte sind von der Nachrichtenschule und Kriegsakademie für die Schule der deutschen Gruppe der Fallschirmspringer abgestellt: 1) Oberst Hlebow – Fachgebiet: Deutsche Wehrmacht, 2) Oberst (Name nicht bekannt) – Fachgebiet: Deutsche Heerführung, 3) die Jüdin Mendhowitsch – Fachgebiet: Deutsche Sprache, 4) Batl.-Kommissar Dobrowinsky – Fachgebiet: Verhalten in den von Deutschen besetzten Gebieten, 5) Reg.Komm. Bernikow – Fachgebiet: Geschichte der kommunistischen Partei, politische Schulung, 6) Major Konowalow – Fachgebiet: Taktische Zeichen der deutschen Wehrmacht. Gleichzeitig unterrichtet Major Konowalow die Gruppenführer in einer Geheimschrift. Er bringt auch die einzelnen Gruppen zum Einsatz; von ihm erhalten sie alle

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Anweisungen im Verhalten. Nach den Anweisungen werden dem Gruppenführer ein oder zwei Anlaufstellen mitgeteilt. In dem Operationsgebiet trennen sich die Gruppenangehörigen und müssen zu einem bestimmten Zeitpunkt dem Gruppenführer ihre Wohnung mitteilen, während sie selbst den Aufenthalt des Gruppenführers nicht erfahren. Die Verbindungen werden nur durch Treffs aufrechterhalten. Die einlaufenden Nachrichten werden von dem Gruppenführer ausgewertet, verschlüsselt und an die Funkstelle persönlich weitergegeben. Eine Zusammenkunft der Gruppe in dem Operationsgebiet ist nur bei unmittelbarer Gefahr zulässig. Ferner ist es streng untersagt, mit einer anderen Gruppe in Verbindung zu treten, es sei denn, daß die Moskauer Zentrale den Befehl dazu erteilt. Ukrainische Widerstandsbewegung: Die Bandera-Bewegung ist in letzter Zeit mehr und mehr zu einer aktiven Kampfführung übergegangen. Bereits im Mai konnte festgestellt werden, daß sich die Bandera-Bewegung ernsthaft mit der Organisierung von Bandengruppen, namentlich im westlichen Teil der Ukraine, befasst. Im Juli 1942 wurde im Gebiet Kamenez-Podolsk eine Bandenbewegung festgestellt, in der Anhänger der BanderaGruppe und bolschewistische Elemente vertreten waren. Neuerdings wurde im Gebiet Sarny abermals eine grössere Bande festgestellt, die unter der Führung des BanderaFunktionärs Borowez steht. Festgestellt wurde weiter, daß die Bandera-Bewegung dazu übergeht, ihre Mitglieder militärisch zu schulen und sie von Zeit zu Zeit zu Felddienstübungen zusammenzieht, die im Rahmen nationaler Banden abgeleistet werden. Gegenüber den bolschewistischen Banden wird wohlwollende Neutralität geübt. In der Propaganda verschwindet die Kampfansage gegen den Bolschewismus immer mehr; sie ist fast ausschliesslich gegen die deutschen Behörden bzw. deutschen Okkupanten gerichtet. Diese Einstellung der Bandera-Bewegung deckt sich im wesentlichen mit der Ansicht führender Bandera-Funktionäre, die nach der Annäherung Englands und Amerikas an die Sowjetunion auch eine Annäherung der nationalistischen ukrainischen Bewegung an die Bolschewisten für notwendig erachten. Diese Wendung zeigt, daß die Bandera-Bewegung eine klare Frontstellung gegen Deutschland eingenommen hat und gewillt ist, mit allen Mitteln, sogar durch bewaffneten Kampf, die Selbständigkeit der Ukraine zu erzwingen. Ausserdem betreibt die Bandera-Gruppe nach wie vor eine rege Werbung unter der einheimischen Bevölkerung und bemüht sich auch um den Ausbau der Organisation auf breitester Basis. Die Schulung der Frauen und Jugendlichen, die Durchdringung der Wirtschaft wird durch Bildung besonderer Referate bei den einzelnen Stützpunkten der Bandera-Bewegung gefördert. Daneben wird versucht, kulturelle, wissenschaftliche und andere unpolitische Organisationen mit Bandera-Anhängern zu durchsetzen und in nationalistischem Sinne auszurichten. Besonderes Augenmerk wird hierbei von der BanderaBewegung dem ukrainischen Kulturverein „Proswita“ geschenkt. Auch die Melnik-Gruppe ist in letzter Zeit aktiver geworden. Ihre Schriftpropaganda ist äusserst rege und übertrifft teilweise die der Bandera-Bewegung. B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung aus dem Bereich der Heeresgruppe Mitte: Die Meldungen aus dem Bereich der Heeresgruppe Mitte bekunden übereinstimmend, dass die allgemeine Lage und Stimmung der Bevölkerung vorherrschend von dem militärischen Geschehen, der Ernährungslage und dem Bandenterror bestimmt werden. So sind in vielen Teilen des Raumes die militärischen Ereignisse in den letzten Wochen mehr als bisher diskutiert worden. Dabei werden die deutschen Erfolge im Süden der Ostfront lebhaft erörtert und geben sehr oft Anlass zu Prophezeiungen über ein baldiges Kriegsende. Die

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Überzeugung von einem deutschen Endsieg im Russlandfeldzug setzt sich immer weiter durch. Nur in den unmittelbaren Frontgebieten ist die Angst vor einer Rückkehr der Bolschewisten noch immer nicht geschwunden. Das Kampfgeschehen und die zahlreichen feindlichen Fliegerangriffe haben hier zu einer Beunruhigung in der Bevölkerung geführt. Die Ernährungslage hat in den letzten Wochen durch die Einbringung der Ernte und den reichlicheren Gemüseanfall weiterhin eine geringe Auflockerung erfahren. Wenn auch noch in keiner Weise von einer Sicherung der Gesamternährungslage gesprochen werden kann, so hat sich doch der früher unter dem Eindruck der ständig wachsenden Versorgungsschwierigkeiten eingetretene Depressionszustand innerhalb der Bevölkerung weitgehend gelegt und einer hoffnungsvolleren Stimmung Platz gemacht. Die Bevölkerung ist für die kleinste Erhöhung der Zuteilungen dankbar und bereit, die hierin zum Ausdruck kommende deutsche Hilfsbereitschaft anzuerkennen. Stimmungsverschlechternd wirken sich auch nach wie vor die Spekulationspreise auf den Märkten aus. Die Bevölkerung ist vielfach gezwungen, ihr letztes Hab und Gut, besonders Kleidungsstücke, zu verhandeln, da das geringe Einkommen nicht ausreicht, den Lebensbedarf zu decken. Hinzu kommt, dass russisches Geld nur ungern angenommen oder nur mit Verlust eingetauscht wird. Der Bandenterror hält den Meldungen zufolge noch immer unvermindert an. Aus einzelnen Gebieten wird sogar ein weiteres Anwachsen gemeldet. Überfälle auf Transportmittel, Strassen-, Brücken- und Eisenbahnsprengungen sowie Überfälle und Plünderungen von Dörfern durch bewaffnete Banditen finden noch laufend statt. Die Sicherheitslage wird vielfach als besorgniserregend gekennzeichnet. Immerhin haben aber die Bekämpfungsaktionen der letzten Zeit dazu beigetragen, innerhalb der Bevölkerung das Gefühl zu vertiefen, dass etwas geschieht und dass die verantwortlichen deutschen Stellen gewillt sind, den inneren Frieden herzustellen und zu sichern. Insgesamt betrachtet ist eine leichte Besserung der Stimmung innerhalb der Bevölkerung festzustellen. Besonders die Auflockerung der Ernährungslage hat dazu geführt, dass sich die Bevölkerung auch mit anderen Fragen befasst und ein erhöhtes Interesse am politischen und militärischen Geschehen zeigt. Dabei steht die Frage der Beendigung des Krieges und nicht die der staatlichen Zukunft Russlands im Vordergrund. Man ist bereit, den deutschen Sieg als Ergebnis des Krieges anzuerkennen und erwartet ein baldiges Kriegsende, um mit deutscher Hilfe an die Aufbauarbeiten gehen zu können. […] Wirtschaftsbericht aus dem Bereich der Heeresgruppe Mitte: Ernährungslage: Für die in den „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ Nr. 22 geschilderte schlechte Ernährungslage brachte die Gemüse- und Getreideernte eine allmähliche Auflockerung. Die Lebensmittelrationen konnten teilweise wieder erhöht werden. Die Verteilung selbst erfolgt nach dem Grundsatz, dass nur derjenige Lebensmittel erhält, der arbeitet oder unverschuldet nicht arbeiten kann. Der Nachweis für die Arbeitsfähigkeit bezw. die unverschuldete Arbeitsunfähigkeit wird durch die von den Arbeitsämtern ausgegebenen Meldekarten geführt, aufgrund deren die Lebensmittelkarten ausgegeben werden. Die Berechtigten haben aber keinen Anspruch auf Zuteilung bestimmter Rationen. Die Zuteilung erfolgt zwar unter Berücksichtigung der festgelegten Höchstsätze, muss sich aber nach den vorhandenen Lebensmittelmengen richten. Die in den Höchstsätzen festgesetzten Rationen sind daher in den Bezugskarten nicht verzeichnet. Die Bezugsberechtigten werden in 5 Gruppen eingeteilt, für die wöchentlich folgende Höchstsätze festgelegt sind: Gruppe I (Kinder unter 14 Jahren): Roggen 553 gr, Hirse, Buchweizen oder Graupen 88 gr, Kartoffeln 1250 gr. Gruppe II (Nichtarbeitende): Roggen 1105 gr, Hirse, Buch-

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Nr. 20: Deutsche auf der Entenjagd

weizen oder Graupen 175 gr, Kartoffeln 2500 gr, Fleisch, Fett, Magermilch, Gemüse für Gruppen I und II je nach Anfall und Freigabe durch die Wehrmacht sowie unter Berücksichtigung der Werktätigen. Gruppe III (Arbeiter, z. B. weibl. Personen, die leichte Hausarbeit zu verrichten haben): Roggen 1300 gr, Hirse und Buchweizen 200 gr, Kartoffeln 3000 gr, Fleisch, Fett und Gemüse je nach Anfall und Freigabe durch die Wehrmacht. Gruppe IV (Schwerarbeiter, z. B. für Männer im Wehrmachtsgefolge, Fabrikarbeiter usw.): Roggen 1400 gr, Buchweizen und Hirse 225 gr, Kartoffeln 3500 gr, Fleisch 75 gr, Fett 60 gr, Magermilch 0,5 Ltr. Gruppe V (Schwerstarbeiter für aussergewöhnlich harte Arbeit): Roggen 1580 gr, Buchweizen oder Hirse 250 gr, Kartoffeln 4000 gr, Fleisch 100 gr, Fett 60 gr, Magermilch 0,5 Ltr. Die Belieferung der Märkte wurde in den letzten Wochen wesentlich reichhaltiger. Neben Gemüse und Kartoffeln stehen Eier, Brot, Milch, manchmal auch Mehl, zum Teil sogar in ausreichender Menge, zum Verkauf (Brjansk, Ordshonikidsegrad, Mogilew). Trotz des erhöhten Angebotes und trotz Festsetzung von Höchstpreisen ist aber eine merkliche Senkung des Preisniveaus nicht eingetreten. Nach wie vor werden Wucherpreise verlangt, so dass die Erzeugnisse nur für einen kleinen Teil der Stadtbevölkerung erschwinglich sind. 1 Kilo Brot kostet z. B. 45,– – 50,– Rubel, 1/2 Ltr. Butterschmalz 300,– Rubel. Ein städtischer Angestellter, der durchschnittlich 300,– Rubel verdient, kann sich also für sein Gehalt nur 6 kg Brot oder 1/2 Ltr. Butterschmalz kaufen. Die Ernte lässt nach den vorliegenden Meldungen auf einen guten Ertrag schliessen. Nach den bisherigen Schätzungen ist die Ernte in den bandenfreien Gebieten trotz aller technischen Schwierigkeiten (Mangel an Geräten, Zugvieh, Treibstoff usw.) zu einem erheblichen Prozentsatz des Solls eingebracht. Bedeutende Ausfälle treten den vorliegenden Meldungen zufolge jedoch in den

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von Banden verseuchten Gebieten ein. So wurden in der Nähe von Klinzy den Bewohnern der Dörfer Chaussy, Sabitschi und Slutschewsk von einer Bandengruppe sämtliche zur Einbringung der Ernte erforderlichen landwirtschaftlichen Maschinen und Geräte abgenommen. Die Banditen schleppten die Maschinen in die von ihnen besetzten Dörfer, wo sie unter Mitwirkung der Dorfbevölkerung das von diesen abgeerntete Getreide dreschen und in ihre Lager abschleppen. Im Rayon Newel konnte die für Ende August geplante Aberntung der in den Bandengebieten gelegenen Felder wegen zu geringen militärischen Schutzes nicht durchgeführt werden. Besonders bezeichnend ist die Lage im Rayon Surash. Nach einer vorsichtigen Schätzung soll die gesamte Ernte dort mindestens 8000 to erbringen, wovon die Bevölkerung rund 3000 to abliefern sollte. Infolge der Bandentätigkeit wurden insgesamt 600 to, also weniger als 1/12 der Schätzung eingebracht. […] C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten (UdSSR) Im Zusammenhang mit der Umorganisation in der Roten Armee und der Ausschaltung der politischen Kommandostellen ist nachträglich eine Mitteilung interessant, nach der die deutschen Erfolge an der Front und die Bedrängung Stalingrads das Vertrauen auf den sowjetischen Sieg auch in den Frontverbänden erschüttert haben. Verschiedentlich seien Disziplinmangel aufgetreten sowie Spannungen zwischen Offizieren und Kommissaren sowie Parteimitgliedern und militärischen Führern, die nicht der kommunistischen Partei angehörten. Die vermuteten Meinungsverschiedenheiten zwischen den militärischen und politischen Kommandostellen haben sich damit bestätigt. Auch hinter der Front vernehme man häufig Stimmen, die auf ein baldiges Kriegsende hofften. Die Regierung sei sehr bemüht, die Stimmung in der Armee hoch zu halten und habe kürzlich sogar Kalinin und Manulewski auf Frontreisen zur Truppe sprechen lassen. Ausserdem seien die Agitationsgruppen in der Armee verstärkt worden. Die militärischen Niederlagen würden in steigendem Maße auf den Mangel einer richtigen Offiziersausbildung zurückgeführt. Hoffnungen würden auf die Partisanengruppen hinter der deutschen Front gesetzt, für die besondere Auszeichnungen geschaffen worden seien. Die Bevölkerung setze grosse Erwartungen auf die Bildung einer Entlastungsfront im Westen. Obwohl die Stimmung des Volkes gedrückt sei, wäre die Machtstellung Stalins noch ungebrochen. Die Herstellung von Munition, Flugzeugen und Panzerwagen sei angeblich bisher in ausreichendem Maße fortgeführt worden, der Plan für den letzten Monat zum Teil überschritten worden. Auch habe man Fortschritte in der Neuorganisation der Rüstungsindustrie erzielt und z. B. die Waffenherstellung in Molotowsk vereinfachen können. Die Panzerwagenherstellung in Kirowograd habe angeblich 700 % der Produktion im August vorigen Jahres erreicht. Mit Sorgen verfolge die Regierung die Stimmung der Bevölkerung im Kaukasus. In Tiflis und Ordshonikidse seien besondere Propagandazellen zur Bekämpfung separatistischer Tendenzen gebildet worden. In Aserbaidschan seien die Sowjets über das Verhalten der muselmanischen Bevölkerung beunruhigt. Diese sei durchweg antirussisch eingestellt. Die Bevölkerung befürchtet, dass die Sowjets rigorose Vernichtungsmethoden im Falle der Ausdehnung des Krieges auf Aserbaidschan durchführen werden und damit die Wirtschaft des Landes, die durch die Ölproduktion Weltbedeutung habe, ruiniert würde. Die Bevölkerung lege allergrössten Wert darauf, Zerstörungen zu vermeiden. Um hier einen Ausgleich zu schaffen und die Bevölkerung zu beruhigen, seien Engländer und Amerikaner in Aserbaidschan eingetroffen. In Georgien herrsche teilweise die gleiche Stimmung wie in Aserbaidschan; dort seien die führenden sowjetischen Persönlichkeiten ebenfalls beunruhigt über die Auswirkungen bevorstehender Kampfhandlungen. Die dritte in Transkauka-

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sien befindliche Volksgruppe der Armenier sei durchweg dagegen prorussisch eingestellt. Diese Einstellung beruhe jedoch nicht auf einer Freundschaft zu den Sowjets, sondern auf der Furcht vor dem türkischen Gegner. Da sehr viele wohlhabende armenische Emigranten in England und USA lebten, verfolgten die Armenier das Auftreten der Engländer und Amerikaner in Transkaukasien mit grosser Sympathie und erwarteten, daß sie dadurch Vorteile gegenüber den anderen Volksgruppen des Kaukasus erreichen werden.2 Anlage zu den „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ Nr. 26 vom 23. X. 1942: Standorte und Nachrichtenverbindungen Höherer SS- und Polizeiführer Nord (101): (SS-O’Gruf. Jeckeln), Standort: Riga. Befehlshaber dSPudSD Ostland: (SS-Staf. Dr. Achamer-Pifrader 3), Standort d. Bfh.: Riga, Kalpakstr. 4, N-Verbindungen: FS, FT Riga, Standort d. EG A: Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: FT, FS Riga, FT Krasnogwardeisk, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Estland: (SS-Stubaf. RR Dr. Sandberger), Standort: Reval, Antoniusberg 16, Dienststellen in Dorpat, Pernau, Arensburg, N-Verbindungen: FT, FS Reval, FS Dorpat, Fernspr. HV Pernau, Arensburg. Feldpost-Nr. 23007. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Lettland: (SS-Stubaf. RR Dr. Lange), Standort: Riga, Moltkestr. 1, Aussendienststellen in Libau, Wolmar, Dünaburg und Mitau, N-Verbindungen: FT Riga, FS Riga, Libau, Wolmar, Dünaburg, Feldpost-Nr. 15437. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Litauen: (SS-Staf. Jäger), Standort: Kauen, Dienststellen in Wilna, Schaulen und Ponewesch, N-Verbindungen: FS Kauen und Wilna, Feldpost-Nr. 15641. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Weißruthenien: (SS-O’Stubaf. RR Strauch), Standort: Minsk, Dienststellen in Wilejka und Baranowicze, N-Verbindungen: FT, FS Minsk, FT Baranowicze und Wilejka, Feldpost-Nr. 15641. Einsatzkommando 1a 4: (SS-Stubaf. RR Dr. Sandberger), Dienststellen in Narwa, Kingisepp, Wolossowo, Pleskau u. Luga, N-Verbindungen: FT Narwa, Pleskau, Luga, FeldpostNr. 23007. Einsatzkommando 1b: (SS-H’Stuf. Hubig 5), Standort: Loknja, N-Verbindungen: FT Loknja, Feldpost-Nr. 14700 S. Einsatzkommando 1c: (SS-Stubaf. Graaf 6), Standort: Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: FT Krasnogwardeisk, Feldpost-Nr. 33888. Höherer SS- und Polizeiführer Mitte (102): (SS-O’Gruf. v. d. Bach), Standort: Mogilew. Einsatzgruppe B: (SS-Oberf. Naumann), Standort: Smolensk, Falkenhaus, N-Verbindungen: FT Smolensk, Kurierverbindung über Warschau und Fernspr. über VD Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando 7a: (SS-O’Stubaf. Rapp), Standort: Sytschewka, Trupps in Wjasma, Ssuchinino, Andrejewskoje, Dorogobusch, Wladimirskoje, N-Verbindungen: FT Sytschewka, Feldpost-Nr. 10811. Sonderkommando 7b: (SS-Stubaf. RR Dr. Auinger), Standort: Orel, Trupps in Brjansk und Karatschew, N-Verbindungen: FT Orel, Feldpost-Nr. 18555. Sonderkommando 7c 7: (SS-O’Stuf. Schmu¯cker 8), Standort: Roslawl, Trupp in Jelnja. Einsatzkommando 8: (SS-O’Stubaf. ORR Dr. Isselhorst9), Standort: Mogilew, Trupps in Bobruisk, Orscha, Gomel, Klinzy, Kritschew, N-Verbindungen: FT Smolensk, FeldpostNr. 37857. Einsatzkommando 9: (SS-O’Stubaf. Wiebens), Standort: Witebsk, Trupps in Newel, Polozk, Lepel, Surash, Smolensk, Borissow, N-Verbindungen: FT Witebsk, FeldpostNr. 37857.

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Höherer SS- und Polizeiführer Süd (103): (SS-O’Gruf. Prützmann), Standort: Kiew, Jungfernstieg 10. Befehlshaber dSPudSD Ukraine: (SS-Brif. Dr. Thomas), Standort d. Bfh.: Kiew, N-Verbindungen: FT, FS Kiew, Standort d. EG C: Starobjelsk, N-Verbindungen: FT Kiew, Feldpost-Nr. 32704. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Wolhynien: (SS-Stubaf. RR Dr. Pütz), Standort: Rowno, N-Verbindungen: FS Kiew, NVst. Rowno. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Shitomir: (SS-Stubaf. RR Dr. Razesberger), Standort: Shitomir, N-Verbindungen: FS Shitomir. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Kiew: (SS-O’Stubaf. Ehrlinger), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew üb. Bfh. dSPudSD Kiew und FS Kiew üb. Bfh. dSPudSD Kiew, Feldpost-Nr. 35102. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Tschernigow: (SS-Stubaf. Christensen), Standort: Tschernigow, N-Verbindungen: FT Kiew. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Nikolajew: (SS-Stubaf. RR Dr. Spann), Standort: Nikolajew, N-Verbindungen: FT Nikolajew. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Charkow: (SS-Stubaf. RR Dr. Kranebitter), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Dnjepropetrowsk: (SS-Stubaf. Mulde), Standort: Dnjepropetrowsk, N-Verbindungen: FT Dnjepropetrowsk. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Stalino: (SS-O’Stubaf. Körting), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Taurien: (SS-Stubaf. Zapp), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol. Sonderkommando 4a: (SS-O’Stubaf. Steimle), Standort: im Vormarsch, N-Verbindungen: FT Kiew, Feldpost-Nr. 22789. Sonderkommando 4b: (SS-O’Stubaf. Meier), Standort: im Vormarsch, N-Verbindungen: FT Kiew, Feldpost-Nr. 34310. Einsatzkommando 6: (SS-O’Stubaf. ORR Biberstein), Standort: Rostow, N-Verbindungen: FT Kiew, Feldpost-Nr. 35979. Kommando des Beauftragten des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD beim kommandierenden General der Sicherungstruppen und dem Befehlshaber des Heeresgebietes B: (SS-H’Stuf. Plath), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Kiew. Höherer SS- und Polizeiführer Kaukasien 10: (SS-Gruf. Korsemann), Standort: Woroschilowsk. Einsatzgruppe D: (SS-Oberf. Bierkamp), Standort: Woroschilowsk, N-Verbindungen: FT Woroschilowsk, Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10a: (SS-Stubaf. ORR Dr. Christmann), Standort: Krasnodar, Teilkdos. Krasnodar, Noworossijsk, Jelsk, Anape, Temrjuk, Warenikowskaja, Werchne-Bakanskaja, N-Verbindungen: FT Krasnodar, Feldpost-Nr. 35583. Sonderkommando 10b: (SS-Stubaf. Persterer), Standort: Prochladny, Teilkdos. NowoPawlowskaja, Atschikulak, Mosdok, Werk Akbasch, N-Verbindungen: FeldpostNr. 47540. Einsatzkommando 11: (SS-Stubaf. Schultz 11), Standort: Maikop, Teilkdos. Maikop, Bielaja-Glina, Krapotkin, Armawir, Tscherkassk, Labinskaja, Chadychenskaja, N-Verbindungen: FT Maikop, Feldpost-Nr. 46640.

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Einsatzkommando 12: Standort: Pjatigorsk, Teilkdos. Pjatigorsk, Ssalsk, Woroschilowsk, Kislowodsk, Budjennowsk, Stepnowsko, N-Verbindungen: FT Pjatigorsk, FeldpostNr. 42942. Sonderkommando Astrachan: Standort: Elista, N-Verbindungen: FT Elista. BAT, R 58/222 1 Mit Wirkung v. 23. 10. 1942 war Erich von dem Bach-Zelewski von Himmler zu seinem „Bevollmächtigten des Reichsführers-SS für Bandenbekämpfung“ ernannt worden. Dazu wurden ihm umfangreiche SS- u. Polizeiverbände wie die 1. SS-Infanteriebrigade, das „Freikorps Danmark“ sowie die PR 13 u. 14 unterstellt. Ein erster Auftrag bestand in der „Befriedung“ von Weißruthenien. Seine bisherige Funktion als HSSPF Rußland-Mitte behielt Bach-Zelewski vorerst noch bei; vgl. Befehl RFSS v. 23. 10. 1942, VUA, Kdostab/K 4, A 19; dto. bzgl. Unterstellung Einsatzkräfte, ebd.; Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 248 f.; Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1941/42, S. 597. 2 Zu den Muslimen der Kaukasus-Region vgl. Rudolf Mark: Die Völker der Sowjetunion. Ein Lexikon, Opladen 1989; Neulen: An deutscher Seite, S. 322–334. 3 Dr. Humbert Achamer-Pifrader, geb. 1900, 1915 Kriegsfreiwilliger im k. u. k. Heer, danach Grenzschutz, 1926 zur österreichischen Polizei, daneben Jurastudium, 1931 NSDAP, 1934 Dr.jur., 1935 Flucht nach Deutschland, seitdem Österreich-Referent der Bayrischen Politischen Polizei, 1936 dto. Gestapa, 1938 Ostubaf., 1940 Leiter Stapo-Stelle Darmstadt, 1941 Staf., Juli 1942 IdS Wiesbaden, Sept. 1942 BdS Ostland, Sept. 1943 IdS Stettin, März/April 1944 Kdr. EG F u. BdS Ungarn, danach Gruppenleiter IV B im RSHA, 1945 gest. bei Bombenangriff; BAB, BDC, SSO Dr. Humbert Achamer-Pifrader; BAL, ZK: Dr. Humbert Achamer-Pifrader; vgl. Gafke: Heydrichs Ostmärker, S. 105–146, 272 f. 4 Die hier erstmals aufgeführten EK 1a, 1b u. 1c waren soeben speziell für den sicherheitspolizeilichen Einsatz im rückwärtigen Heeresgebiet Nord geschaffen worden. 5 Dr. Hermann Hubig, geb. 1912, Jurastudium, 1936 zum SD-HA, 1939 zum SD-LA Prag, 1941 Lehrer Führerschule der Polizei Berlin-Charlottenburg, Sept. 1941 zur EG A, Leiter des Kdo. in Tosno, dann Kdr. EK 1b in Loknja, 1944 zum Unternehmen „Zeppelin“; BAL, ZK: Dr. Hermann Hubig. 6 Kurt Graaf, geb. 1909, Kaufmännischer Angestellter, 1929 SA, 1931 NSDAP, 1932 SS, Stabsfhr. SDUA Wiesbaden, 1941 Stubaf., Aug. 1942 Kdr. EK 1c, Nov. 1942 zum KdS Minsk, 1943 Leiter SD-Hauptaußenstelle Schwerin, 1944 Stabsfhr. Einwandererzentralstelle Litzmannstadt, gest. 1972; BAB, BDC, SSO Kurt Graaf; BAL, ZK: Kurt Graaf. 7 Das SK 7c entstand aus einer Umbenennung des VKM; vgl. Abschlußbericht ZSL v. 10. 1. 1964, BAL, B 162/4126. 8 Rudolf Schmücker, geb. 1915, 1933–1938 HJ, 1939 SS u. NSDAP, als KK u. Ostuf. Mitte 1942 zum VKM, dann Kdr. SK 7c, 1944 als Hstuf. zur Stapo-Leitstelle Posen; BAB, BDC, SSO Rudolf Schmücker; BAL, ZK: Rudolf Schmücker. 9 Dr. Erich Isselhorst, geb. 1906, Jurastudium, 1930 Referendarexamen, 1931 Dr.jur., 1932 NSDAP, 1933 SA, 1934 Assessorexamen u. SS, 1934/35 SD-OA West, dann Gestapa, 1935 Leiter Stapo-Stelle Erfurt, 1936 dto. Köln, 1938 Stubaf. u. Leiter Stapo-Stelle Klagenfurt, 1939–1941 dto. Stapo-Leitstelle München, 1941 Ostubaf., Febr. 1942 Leiter I/II EG B, Herbst 1942 Chef EK 8, dann bis Sommer 1943 dto. EK 1 in Krasnogwardeisk, dann bis Okt. 1943 KdS Weißruthenien, dann Ic beim Bevollmächtigten des RFSS für die Bandenbekämpfung, 1944 BdS Straßburg u. IdS Stuttgart, 1948 hingerichtet; BAB, BDC, SSO Dr. Erich Isselhorst; BAL, ZK: Dr. Erich Isselhorst. 10 Diese neue HSSPF-Dienststelle war erst im Aug. 1942 errichtet worden u. existierte nur bis zum Rückzug Ende Dez., vgl. Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 566–570, 669 ff. 11 Paul Schultz, geb. 1907, Kaufmännischer Angestellter, 1930 NSDAP, 1931 SS, 1936 zum SD-HA, 1937 Stabsfhr. SD-UA Mainfranken, dann Fhr. SD-Abschnitt Bremen, 1939 Stubaf., Nov. 1941 zur EG D, Sept. 1942 Kdr. EK 11 bis Dez. 1942, 1944 zum IdS Danzig, gest. 1945; BAB, BDC, SSO Paul Schultz; BAL, ZK: Paul Schultz; vgl. Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 418, 556, 584, 672, 725.

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 30. X. 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 27 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandenunwesen: In Lettland sind in letzter Zeit gute Erfolge bei der Bandenbekämpfung durch Einrichtung eines sich über das ganze Gebiet erstreckenden Streifendienstes der Schutzmannschaft (Streifen von 6–8 Mann) erzielt worden. Diese Maßnahme hat zu einer Beunruhigung der Banditen geführt, die teilweise kampfmüde geworden sind. Diese Stimmung wird nun durch Verteilung von Flugblättern in den Dörfern und durch Abwurf von Flugblättern aus Flugzeugen über den Waldgebieten, in denen sich Banditen aufhalten, ausgenützt. Bei der Erkundungstätigkeit gegen die Banden in Lettland waren mehrere Wochen hindurch stärkere Kräfte der Sicherheitspolizei eingesetzt, die insbesondere im Grenzgebiet längs der weissruthenischen Grenze Beobachtungsposten bezogen und mit gutem Erfolg Erkundungsaktionen durchgeführt haben. Seit Monaten wurden in der Gemeinde Kaunata, Krs. Rositten, bewaffnete Heckenschützen beobachtet und am 4. 7. 42 drei Personen festgenommen, die mit russischen Gewehren bewaffnet waren. Da anzunehmen war, daß die Festgenommenen mit den Heckenschützen in Verbindung stehen, wurden in den Haftzellen V-Leute eingesetzt, denen es gelang, genauere Angaben über die Organisation der Heckenschützen zu erhalten. Zur selben Zeit wurde auch ein V-Mann in der Gemeinde Kaunata angesetzt. Am 20. 9. 42 waren bereits 60 Heckenschützen namentlich bekannt. Es handelt sich ausschliesslich um Letten, die sämtlich im Besitz einer Mitgliedskarte (blauer Zettel 5 1/2  4 cm) mit der Aufschrift „LPO“ (Lett. Partisanenorganisation) in russischer Sprache waren. Jede Mitgliedskarte trug auf der Rückseite die Mitgliedsnummer. Die Gesamtstärke dieser Heckenschützenbande soll 80 Mann betragen. Die Führung hat ein entflohener Kriegsgefangener mit dem Spitznamen „Wanka“, der angeblich russischer Offizier ist. Zur Bandenführung sollen insgesamt 9 Mann gehören, die sich seit Monaten in den Wäldern der Gemeinde Kaunata umhertreiben und zur Nachtzeit mit den Banditen ständige Verbindung aufrecht erhalten. Am 21. 9. 42 konnte deren Aufenthalt festgestellt werden. Durch Hinzuziehung von 180 lettischen Schutzmännern und motorisierter Gendarmerie wurde zunächst der Wald nördlich Balteni umstellt und durchstreift, jedoch ohne Erfolg. Die Bandenführung konnte ergriffen werden. In den Dörfern Poludni, Sprukti, Strovsja, Rasicki, Ruszisi, Lielie-Visi, Madzi, Dilani, Rusvjati und Lielie-Kukuli wurden in den darauffolgenden Tagen 60 Banditen festgenommen, darunter 2 Frauen. Unter den Festgenommenen befindet sich auch der Organisator dieser Banditen, Dimitrij Tkaue, Spitzname „Dzimka“, der dem Bandenführer „Wanka“ direkt unterstellt war. Er hatte die Aufgabe, mit Dünaburg, Riga und Petersburg in Verbindung zu bleiben. Die Waffenlager der Bande konnten zunächst noch nicht ermittelt werden. Im Laufe der Vernehmungen wurden die Aufenthaltsorte weiterer Banditen bekannt. Mit der restlosen Zerschlagung der Bande kann in Kürze gerechnet werden. Im Bereich der Einsatzgruppe B ist der Raum Beresino–Belynitschi (im Süden)–OslikFluss (im Osten)–Eisenbahn Orscha–Borissow (im Norden)–Bobr-Fluss–Beresina-Fluss (im Westen) in der Zeit vom 30. 9.–7.10. 1942 von Trupps der Sicherheitspolizei und des SD durch russische Agenten, V-Leute und Einwohner pp. erkundet worden. Zahlreiche

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grosse Sümpfe und ausgedehnte Waldungen mit wenig Dörfern sind das Hauptkennzeichen des Gebietes. Straßen und Wege sind nur wenige vorhanden, durchweg schlecht und bei Regenwetter fast nicht befahrbar. Fast sämtliche Brücken sind abgebrannt oder abgetragen. Die Banden im genannten Raum sind militärisch organisiert und stehen unter dem Befehl des Oberst Nitschipurowitsche. Die einzelnen Banden werden von Offizieren und Kommissaren der Roten Armee geführt; die Mannschaften setzen sich zusammen aus ehemaligen Kriegsgefangenen, Kriminellen, Juden und vor allem aus Einwohnern des vom Feind besetzten Gebietes. Die männliche Bevölkerung (teils auch mit Familien) ist unter Terror und Bedrohungen zum Waffendienst gepreßt worden. In einzelnen Gegenden hat man regelrechte Mobilisierungen und Rekrutierungen durchgeführt. Befehle und Anordnungen erhalten die Banden durch Funk und Flugzeug aus Moskau. Der allgemeine Auftrag ist, die Rollbahnen Mogilew–Tscherwen und Orscha–Borissow zu stören, vor allem aber den Eisenbahnverkehr auf der Strecke Orscha–Borissow durch ständige Sabotageakte lahmzulegen. Weiterhin soll die Nutzbarmachung des Raumes durch die Deutschen verhindert werden. Die Gesamtstärke der im Raum operierenden Banden wird stark unterschiedlich angegeben. Nach vorsichtiger Schätzung dürfte es sich um 2000 bis 4000 Banditen handeln. Die einzelnen Banden bezw. Gruppen sind 50–400 Mann stark; im allgemeinen ist die Stärke mit 100 Personen anzunehmen. Die Bewaffnung der Banden ist gut, einige schwere Infanteriewaffen (leichte Feldgeschütze, Pak, schwere und leichte Granatwerfer, sMG), zahlreiche lMG, MPi., automatische Gewehre, Gewehre und Handgranaten. Ausserdem sind Sprengstoffe, zahlreiche Minen und ausreichend Munition vorhanden. Nachschub erfolgt durch die Luft. Die Bekleidung der Offiziere und einiger Männer besteht aus russischen Uniformen; ansonsten wird Zivil getragen. Einige Banditen sollen von Überfällen stammende deutsche Uniformstücke besitzen. Der Raum wird von den Banden nach militärischen Gesichtspunkten durch Posten und Feldwachen gesichert. Im Osten verläuft eine vorgeschobene Postenkette zwischen Oslik- und Drut-Fluss. Die Südsicherung steht etwa 8–10 km nördlich der Rollbahn Belynitschi–Beresino. Nach Westen sind die Banden hauptsächlich durch den Beresina-Fluss gegen Überraschungen geschützt; hier sind bisher nur wenige Posten festgestellt worden. Die Sicherung nach Norden verläuft etwa auf der Linie 10 km südl. der Eisenbahnstrecke. Das ganze Bandengebiet ist für jedermann hermetisch abgesperrt. Bauern und Ortsfremde werden von den Posten angehalten, kontrolliert und oft völlig ausgezogen zurückgeschickt oder sogar erschossen. Nur mit Ausweis eines Bandenführers ist das Passieren möglich. In dem Raum sind bisher 12 Bandenlager festgestellt worden. Die Lager sind allseits durch Posten oder Feldwachen stark gesichert; ausserdem existiert meist eine äussere Sicherungslinie, die die Annäherung Unberufener verhindern soll. Die Lager werden für den Winter durch Bau von Hütten und Bunkern hergerichtet. Grössere Vorräte an Getreide und Munition werden gestapelt. Raubzüge werden meist über Schepelewitschi nach Osten sowie über die Rollbahn Beresino–Belynitschi bei Koritniza nach Gatez nach Süden in Richtung Dulebo ausgeführt. Im Bereich des Bfh. dSPudSD Ukraine hat die Aktivität der Banden infolge des verstärkten Einsatzes von Polizeikräften und des Eintretens schlechter Witterung etwas nachgelassen.1 Die Banditen versuchen sich durch Diebstahl warmer Kleidung für den Winter einzudecken. Die Bekämpfung der Bandengruppen ist neuerdings insofern erschwert, daß sich die Banditen vielfach dadurch tarnen, daß sie am Tage scheinbar geregelter Arbeit nachgehen und sich erst bei Eintritt der Dunkelheit zu ihren Raubzügen zusammenfinden. Gut bewährt hat sich der Einsatz ukrainischer Bauern bei der Bandenbekämpfung. Nach entsprechender propagandistischer Beeinflussung wurden einzelne von ihnen auch

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mit Waffen ausgerüstet. Durch umfangreiche sicherheitspolizeiliche Aktionen hat sich die Zahl der Häftlinge in einer Woche um nahezu 1000 Personen höhergestellt als in der Woche vorher. Bei der Bandenbekämpfung im Kdr.-Bereich Rowno wurde die Beobachtung gemacht, daß der Kern der Banden im allgemeinen klein ist und daß ein grösserer Teil der als Bandenüberfälle gemeldeten Plünderungen ausschliesslich das Werk von Kriminellen ist. Die im Kdr.-Bereich Shitomir im Laufe der Berichtswoche festgestellten 30 Bandenüberfälle dienten in erster Linie der Versorgung der Banden mit Lebensmitteln. Einige Orte im Kdr.-Bereich Nikolajew stehen unter besonders starkem Druck grösserer Bandengruppen. Die Banditen, die sich nachts durch Leuchtraketen verständigen, plündern bei ihren Überfällen und nehmen dabei Speck, sonstige Lebensmittel und Winterbekleidung mit und treiben die Schafe weg. Im Kdr.-Bereich Charkow sind besonders die südlichen Rayons Unruhegebiete. Bei den festgestellten Banden handelt es sich um kleinere Gruppen, die sich entweder selbständig zusammengetan haben oder aus versprengten Teilen grösserer Banden entstanden sind. Die Bevölkerung in diesen Bezirken wurde verschiedentlich durch handschriftlich gefertigte und durch Pause vervielfältigte Flugblätter zum Widerstand gegen die deutsche Besetzung, insbesondere durch Zerstörung der Bahnstrecken, aufgefordert. In den Flugblättern wird auch behauptet, daß sich u. a. Odessa, Shitomir, Woronesh, Kursk und Orel – auch Estland, Lettland und Litauen wurden teilweise erwähnt – in der Hand der Banden befänden. Weiterhin wird darin berichtet, daß Stalin den Oberbefehl über die sowjetischen, englischen, amerikanischen, kanadischen und türkischen Kriegsstreitkräfte in der SU übernommen habe. Auch im Bereich der Einsatzgruppe D ist eine stärkere Bandentätigkeit festzustellen. Die Banditen requirieren Lebensmittel und Bekleidungsstücke. Die Bolschewiken sollen 1200 geschulte Funktionäre aus der Gegend von Tiflis in Richtung deutsche Front zur Spionage und zum Aufbau des Bandenwesens in Marsch gesetzt haben. […] B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung der Bevölkerung im Generalbezirk Estland: Obwohl im grossen und ganzen eine Konsolidierung der allgemeinen Stimmung im Sinne einer Einordnung in die gegebenen politischen Verhältnisse festzustellen ist, ist sie doch gewissen Schwankungen unterworfen. Während zu Beginn des Monats September die Stimmung der Bevölkerung im wesentlichen als gut bezeichnet werden konnte, ist seit den letzten Wochen wieder eine spürbare Tendenz zum Absinken zu verzeichnen, die vor allem mit den wirtschaftlichen Sorgen des Herbstes zusammenhängt. Die Klagen über die sich verschlechternde Ernährungslage sowie über Bekleidungs- und Beheizungsmangel aus fast allen Städten des Landes mehren sich. Es wird beanstandet, dass die Fleisch-, Butter- und Brotversorgung der städtischen Bevölkerung immer wieder Stockungen unterworfen sei. Die anfangs gehegten Hoffnungen der Bevölkerung auf einen ernährungswirtschaftlich leichteren Winter sind im Absinken. Die militärischen Ereignisse, die noch im Monat September recht lebhaft besprochen und optimistisch beurteilt wurden, sind in der letzten Zeit in den Hintergrund getreten. Die grosse Bedeutung, die anfänglich den Kämpfen bei Stalingrad und dem Fall dieser Stadt auch für den Nordabschnitt beigemessen wurde, hat infolge der sich hinziehenden Kämpfe einer gewissen Gleichgültigkeit Platz gemacht. Mit leichter Resignation stellt man sich auf einen zweiten Kriegswinter ein, der das Verbleiben der Front vor Estlands Grenzen mit sich bringen werde. In den Kreisen der bäuerlichen Bevölkerung hat die Bekanntgabe der abzuliefernden Getreidenormen eine Stimmungsverschlechterung herbeigeführt. Ob-

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wohl in vielen Gegenden des Landes die Abgaben selbst als nicht zu hoch empfunden werden und man lediglich die gewährten Preise als zu niedrig bezeichnet, wird doch, besonders in den Gegenden mit sohlechtem Boden, fast allgemein über die Abgaben geklagt. Immer bedenklichere Formen nimmt der Mangel an Schuhwerk an, der besonders von der Landbevölkerung hart empfunden wird. Die in den letzten Tagen von führenden Persönlichkeiten des Reiches gehaltenen Reden, aus denen eine grosse Siegeszuversicht sprach und in denen die grössten Schwierigkeiten in diesem Kriege als bereits überwunden herausgestellt wurden, haben auch auf die estnische Bevölkerung ihre Wirkung nicht verfehlt. Aus der Rede des Reichsmarschalls Göring will man gerade von Mittelstandskreisen herausgehört haben, dass die Ernährung des deutschen Volkes auch auf Kosten der ehemaligen baltischen Randstaaten erfolge; daraus wird für die Zukunft eine weitere Verschlechterung der Ernährungslage in Estland abgeleitet. Die Aufstellung der SS-Legion Estland hat das Selbstgefühl weiterer Kreise des estnischen Volkes recht stark gehoben, indem das noch im August recht verbreitete Empfinden, von den Deutschen als zweitrangig behandelt zu werden, im Schwinden begriffen ist. 2 Während zu Beginn der Werbung nur geringe Anmeldungen zu verzeichnen waren, ist mittlerweile die Zahl der Anmeldungen dank weitreichender Aufklärung im Steigen begriffen. Vielfach aus der Bevölkerung hierzu gegebene Erklärungen weisen darauf hin, dass an sich im Volke die Einsicht für die Notwendigkeit, sich die Zukunft selbst erkämpfen zu müssen, besteht und dass der Gedanke der Legion Estland nach Überwindung der ersten zersetzenden Gerüchtewellen in steigendem Maße populär wird. Besonderes Interesse zeigen für die Legion Abiturienten und Studenten. Unter ihnen wird besprochen, dass nach Bestimmungen der Dorpater Universität und der Revaler Technischen Hochschule diejenigen, die wenigstens ein Jahr im Dienst der estnischen Legion gestanden hätten, verschiedene Vergünstigungen erhielten. […] Propagandawesen und Führungsmittel im Generalbezirk Estland: Propagandalage: Die Voraussetzungen für tiefere Einwirkungen jeglicher Propaganda waren in der breiten Masse der ländlichen Bevölkerung durch die laufenden Erntearbeiten beschränkt. Das Interesse für ausländische Sender war mit Ausnahme des Finnland-Senders wie bisher gering. Die Sendungen des Finnland-Senders standen in der letzten Zeit im Zeichen der in Schweden stattgefundenen Kommunalwahlen und einer intensiven Behandlung der mannigfaltigsten mit dem Wiederaufbau Ost-Kareliens im Zusammenhang stehenden Fragen und der Stammverwandtschaftsarbeit. Die bolschewistische Propaganda, besonders die Funkpropaganda, findet nach wie vor keinen Anklang. Namentlich die im Rundfunk ausgesprochenen Drohungen gegen die Legion Estland werden allgemein als lächerlich empfunden. Die Gegenpropaganda nationaler Kreise beschränkte sich in der Berichtszeit ausschliesslich auf Flüsterpropaganda. Die Zeitungszustellung auf dem flachen Lande leidet nach wie vor unter der Unregelmäßigkeit der Verkehrsverhältnisse, da infolge verspäteter Zustellung die Berichterstattung wesentlich an Aktualität verliert. Deutschfreundlich eingestellte Intelligenzkreise weisen immer wieder auf die Notwendigkeit hin, eine populäre estnische Illustrierte herauszugeben. Die Wirkung der zur Zeit verwendeten Bildplakate gehe im wesentlichen dadurch verloren, dass sie auf den Strassen nur von einem geringen Teil des Publikums beachtet und wegen der kleinen Schrift selten gelesen würden. Dagegen könnten die gleichen Bilder mit dem gleichen Text in einer Zeitschrift zusammengefasst eine gute propagandistische Auswirkung haben. Deutsche Propaganda: Die vom Generalkommissar, SA-Obergruppenführer Litzmann,

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am 29. 9. 1942 anlässlich der Einführung des neuen Gebietskommissars von Petschur gehaltene Rede, in der er erwähnte, dass das estnische Volk den gleichen Anteil der Schwierigkeiten und Pflichten des Krieges wie Grossdeutschland zu tragen habe, fand bei der Bevölkerung regen Anteil. Da viele Esten der Meinung waren, dass Estland im Verhältnis schwerere Verpflichtungen auferlegt seien, hat die Ansprache des Generalkommissars Mißverständnisse in dieser Richtung aufgeklärt. Die in der Rede des Generalkommissars bei der Kundgebung der EVGH (Estnische Volksgemeinschaftshilfe) am 20. 9. 1942 im „Estienia-Konzertsaal“ bekanntgegebenen Pläne zur Betreuung der Notleidenden und der kinderreichen Mütter haben grosses Aufsehen erregt. Auch die Rede des Generalkommissars in Anzen, in der er vor allem landwirtschaftliche Tagessorgen behandelte, wurde von der örtlichen Bevölkerung mit positivem Interesse aufgenommen. Allgemein wird berichtet, dass die Reden des Generalkommissars, die mit nüchterner und klarer Überlegung über alle Fragen Aufschluss gäben, die beste deutsche Propaganda seien. Die Anwerbung Freiwilliger für die estnische Legion zeigte zu Beginn der Werbung nur geringe Erfolge. Es wird hierzu gemeldet, dass besonders die Provinzblätter die notwendige Aktivität für diese Aktion vermissen lassen. In letzter Zeit konnte eine Wende zum Besseren in der Propaganda für die Legion Estland festgestellt werden. Besonderer Aufmerksamkeit erfreute sich die Rede des Präsidenten der EVGH, Dr. Leesment, am 19. 9. 1942. Mit wenigen Ausnahmen wurde diese Ansprache von der Bevölkerung mit Stolz und Selbstbewusstsein aufgenommen. Mit Freude wurde darüber diskutiert, dass den Esten als dem ersten Volk, das unter der Sowjetherrschaft stand, die Möglichkeit gegeben worden sei, eine eigene Legion aufzustellen, die unter den estnischen Nationalfarben gegen den Kommunismus kämpfen werde. Den Esten, die sich immer den Litauern und den Letten rassisch wie auch in soldatischer Tapferkeit überlegen fühlten, sei nach Meinung der Bevölkerung nun auch von deutscher Seite Anerkennung zuteil geworden. Verschiedentlich wird in Bezug auf die Propagandaarbeit für die Legion die Meinung geäussert, dass sich durch zweckentsprechende Gestaltung der „Estnischen Soldatenstunde“ im Rundfunk eine weitere Verbesserung der propagandistischen Wirkung erreichen liesse. Die Führerrede am 30. 9. 1942 anlässlich der Eröffnung des 3. Kriegswinterhilfswerkes wurde von der estnischen Bevölkerung mit grossem Interesse aufgenommen. Besonders die Darlegungen des Führers zur Lage hinterliessen tiefen Eindruck. Besten Anklang fand die ironische Abfertigung der Feindmächte und die unbedingte Siegeszuversicht. Die Darstellung der Lage an der Ostfront fand stärkste Beachtung. Teile der Bevölkerung schliessen nach den Meldungen aus der Führerrede, dass in diesem Jahre mit der Eroberung Leningrads nicht mehr zu rechnen sei. Soweit die bisherigen Feststellungen erkennen lassen, hat die Rede des Reichsmarschalls zum Erntedankfest in weiten Kreisen eine gewisse Enttäuschung hervorgerufen. Man betont, dass offensichtlich dem deutschen Volke in der so wichtigen Ernährungsfrage der Vorrang eingeräumt würde, da in der Rede hervorgehoben sei, dass das deutsche Volk auch dann nicht Hunger zu fürchten brauche, wenn in den besetzten und verbündeten Ländern die Lebensmittel knapp würden. Deutschfreundlich eingestellte estnische Kreise halten es für notwendig, der Bevölkerung klarzumachen, dass sie sich die Rede falsch ausgelegt habe. Gerüchtebildungen über eine Schwächung der Position der Achsenmächte und über Unruhen in den von deutschen Truppen besetzten Gebieten u. ä. m. halten an. […]

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Allgemeine Lage und Stimmung der Bevölkerung in Ingermanland (Raum Pleskau–Luga–Wolossowo): Ähnlich wie in Estland hat sich die Stimmung in Ingermanland zu Ende September verschlechtert. Dies trifft besonders für das Gebiet Pleskau zu. Auch in Ingermanland steht an erster Stelle der die Stimmung beeinflussenden Momente die Ernährungslage und die Versorgung mit Kleidung, Schuhwerk und Brennholz. Die während der Sommermonate mehr oder weniger reichliche Beschickung des Marktes mit Lebensmitteln hat jetzt stark nachgelassen. Dementsprechend sind die Preise merklich gestiegen und der Schwarzhandel steht in voller Blüte. Die Bauern wollen ihre Produkte vielfach nicht für Geld, sondern nur im Tauschhandel abgeben. Am begehrtesten sind Kleidungsstücke aller Art, Wäsche und Schuhwerk. Unter diesen Verhältnissen leidet am stärksten die Arbeiterschaft. Vielfach empfinden die Arbeiter die allgemeine Lage in diesem Jahr als sehr viel schlechter als im Vorjahr zu Winteranfang. Man hat, um das tägliche Leben zu fristen, fast alle Gebrauchsgegenstände verkauft und steht nun buchstäblich vor dem Nichts. In den Bezirken Luga und Wolossowo liegen die Ernährungsverhältnisse günstiger. Durch die recht gute Ernte ist die Stimmung gestiegen, und die Getreidenormen werden ohne Widerspruch abgeliefert. Der zähe Widerstand der Roten Armee an allen Fronten, insbesondere die Lage bei Stalingrad und die im wesentlichen unveränderte Lage vor Leningrad, sowie die verstärkte Bandentätigkeit haben zahlreichen Gerüchten Nahrung gegeben und lassen die Furcht vor einer evtl. Rückkehr der Bolschewisten zum Teil wieder aufleben. Propagandawesen und Führungsmittel in Ingermanland: Die Propagandalage in SüdwestIngermanland hat sich nach den vorliegenden Meldungen verbessert. Dagegen nehmen die Möglichkeiten für eine planmäßige Propagandaarbeit im übrigen Ingermanland mit grösserer Frontnähe in östlicher Richtung ständig ab. In einigen Gebieten ist die Verteilung von Zeitungen an die russische Zivilbevölkerung fast völlig ausgeblieben. In der Umgebung von Kingisepp habe die Propaganda in den letzten zwei Monaten merklich nachgelassen und mit zur allgemeinen Verschlechterung der Stimmung unter der Bevölkerung beigetragen. Infolge der grossen Durchschleusung von Truppen auf der Strasse und der Bahn in Richtung Leningrad hat die gegnerische Flüsterpropaganda Anfang September bedeutend an Einfluss eingebüsst. Die Bevölkerung sah den Beginn der erwarteten Kampfhandlungen vor Leningrad als unmittelbar bevorstehend an und wurde häufig durch Gespräche mit deutschen Soldaten in ihrer Meinung bekräftigt. In Gerüchten wurde verbreitet, dass die schweren deutschen Belagerungsgeschütze die Festung Kronstadt bereits kampfunfähig geschossen hätten. Feindliche Gegenpropaganda, die sich in der Hauptsache mit der Vernichtung dieser Artillerieeinheiten beschäftigte, wurde nur stellenweise verbreitet. Trotz Ausbleibens der erwarteten grossen Ereignisse hatte die gegnerische Propaganda keinen wesentlich grösseren Einfluss gewonnen. Es macht sich nach den Meldungen vielmehr eine gewisse Gleichgültigkeit bemerkbar, zumal der herannahende Winter die Sorgen um das tägliche Brot, die Bekleidung und die Brennholzbeschaffung in den Vordergrund treten lässt. Mit grosser Genugtuung wurde die Mitarbeit der deutschen Verwaltungsstellen begrüsst, die sich alle Mühe gaben, der Versorgungsschwierigkeiten Herr zu werden. Deutsche Propaganda: Neben der Versorgung der Bevölkerung mit Flugblättern, Zeitungen und Bildmaterial aller Art nimmt die Propaganda mit Lautsprecherwagen, vereinzelten Filmvorführungen und kulturellen Veranstaltungen ihren gewohnten Fortgang. Das Fehlen eines eigenen Kinos für die Zivilbevölkerung macht sich immer mehr bemerkbar. Die regelmäßigen Vorführungen der deutschen Wochenschauen, wenn auch vorerst nur in

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internen Kreisen, haben sich bewährt und erfüllen ihren Zweck, eine eifrige Mundpropaganda zu entfachen, vollkommen. Entgegen der Erfahrung in den ersten Tagen ihres Erscheinens findet die neue Tageszeitung „Sa Rodinu“ (Fürs Vaterland) eine immer günstigere Aufnahme. Nach der Beseitigung der aufgetretenen Verteilerschwierigkeiten wird diese inhaltlich sehr gute und reichhaltige Tageszeitung auch regelmäßig der Landbevölkerung zugestellt und findet dort immer mehr Anklang. In Luga wird die Zeitung scherzhaft mit der sowjetischen Propagandaparole „Sa Rodinu, Sa Stalina“ betitelt. Starke Beachtung findet ein neues Plakat, das Stalin als Brandstifter zeigt, der von dem starken Arm der deutschen Wehrmacht gepackt wird. Immer wieder kann man vor diesen Anschlägen kleine Gruppen debattieren sehen. Der Name Stalin wird oft in sehr verächtlichem Tonfall ausgesprochen. Der Postverkehr zwischen den im Altreich eingesetzten russischen Arbeitskräften mit ihren Heimatgebieten beginnt sich einzuspielen. Die propagandistische Auswertung aus diesem Postverkehr erfasster Karten erfolgt in der Hauptsache durch den Pleskauer Drahtfunk, durch den ein Personenkreis von rund 10 000 bis 12 000 Menschen erfasst wird. Die nach genauer Sichtung verwertbaren Karten werden dann im Rahmen der regelmäßigen russischen Sendungen, die sich bereits grosser Beliebtheit erfreuen, verwendet. Darüber hinaus erfolgt eine weitere intensive Auswertung in Wort, Bild und Schrift. Wirtschaftliche Lage in Ingermanland: Landwirtschaft: Die diesjährige Ernte hat den vorliegenden Meldungen zufolge ein zufriedenstellendes Ergebnis. Die Ablieferungsnorm für Brotgetreide wurde mit 300 bis 374 kg pro ha festgelegt. Zur Erreichung einer 100 %igen Abgabe wurde teilweise den Gemeindeältesten die Auflage gemacht, von den Bauern die Abgabe je nach der geernteten Menge festzusetzen und zu verlangen. Dadurch wurde erreicht, daß Bauern mit kleineren Erträgen nicht so viel abzugeben brauchten wie Bauern mit grossen Erträgen. Diese Regelung soll günstiger als erwartet ausgefallen sein. Das mit 385 Ltr. je Kuh für 1 Jahr festgesetzte Milchabgabesoll wird stark kritisiert, da die meisten Bauern nur eine Kuh haben, Milch und Brot aber das Hauptnahrungsmittel der ländlichen Bevölkerung ist. Selbst in der Bolschewistenzeit habe das Ablieferungssoll nur 180 bis 240 Ltr. betragen. Der Terror der Banden wird in bäuerlichen Kreisen, vor allem im Osten und Südosten des Ingermanlandes, geradezu als unerträglich empfunden. In der Gegend von Ostrow und Porchow sei es häufig vorgekommen, dass Starosten der Gemeinden, die die Anordnungen der Wirtschaftsinspektion Nord persönlich in Pleskau abholen und dann ihren Bauern vermitteln, unterwegs abgeschossen wurden, so dass ganze Gemeinden oft nicht darüber unterrichtet sind, was auf landwirtschaftlichem Gebiet zu geschehen habe. Versorgung: Die Lebensmittelversorgung der Stadtbevölkerung habe sich durch Anfall von Gemüse und Kartoffeln besser gestaltet, sei aber immer noch als ungenügend zu bezeichnen. Die reichlichere Beschickung der Märkte habe fühlbar nachgelassen, da der Bauer durch Feldarbeiten in Anspruch genommen sei und ihm darüber hinaus die niedrigen Richtpreise des Marktes keinen Anreiz böten. Die Folge seien Verteuerung der vorhandenen Waren und Belebung des Tauschhandels. Der bäuerliche Erzeuger gebe offen zu, dass ihm an Bargeld nichts liege, da er sich dafür doch nichts kaufen könne, und der hohe Bargeldpreis sei lediglich ein abschreckendes Mittel, den Käufer zu Tauschangeboten anzuregen. Einige Beispiele, berechnet nach Rubel, je kg:

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Richtpreis: geforderter Preis: Brot 2,– 80,– Weizenmehl 2,50 bis 250,– Butter 28,– bis 400,– Salz 1,– 60,– Weisskohl 0,60 10,– Der russischen Bevölkerung sei infolge des bisherigen Mißverhältnisses zwischen Einkommen und Kosten des primitivsten Lebensunterhaltes jeglicher Wertsinn für Arbeit, Geld und Ware verlorengegangen. […] Allgemeine Lage und Stimmung der Bevölkerung im Generalbezirk Lettland: Den Meldungen zufolge hat sich das Interesse der lettischen Bevölkerung mehr den politischen Entwicklungen im Ostraum zugewandt. Im Mittelpunkt der Erörterungen stand der anlässlich des Befreiungstages Estlands bekanntgegebene Befehl des Führers zur Aufstellung einer estnischen Legion der Waffen-SS. 3 In allen Kreisen der Bevölkerung kursieren die verschiedensten Vermutungen über die Entstehung der Legion. Da in Lettland schon seit geraumer Zeit Gerüchte über die Aufstellung einer lettischen Legion im Umlauf sind, bisher aber in dieser Richtung noch nichts geschehen ist, hat die Bekanntgabe gerade in den Reihen der lettischen Freiwilligen eine erhebliche Verbitterung hervorgerufen, deren Folgen, wie man im „Lettischen Freiwilligenklub“ äusserte, sich an der Front noch bemerkbar machen würde. Besonders in lettischen Offizierskreisen wird darüber heftig diskutiert. Selbst in den Kreisen, die bisher in dieser Frage zurückhaltend waren, äussert man, dass, obgleich Estland viel später durch die Deutschen besetzt worden ist und auch lettische Freiwillige bei der Befreiung Estlands mitgekämpft haben, die Esten zuerst eine selbständige Kampftruppe erhalten haben. Ähnlich verlaufe die Entwicklung hinsichtlich der Aufstellung der Jugendorganisation. Die schon vor Monaten begonnene Aufstellung einer lettischen Jugendorganisation sei im Sande verlaufen. Während die estnischen Jugendführer sich in München und Nürnberg aufhalten, seien die baltendeutschen Kreise in Lettland bestrebt, die Schaffung einer lettischen Jugendorganisation zu unterbinden. Nach wie vor hält in der gesamten lettischen Bevölkerung, besonders aber in Arbeiterkreisen, die Unzufriedenheit über die Lohnverhältnisse und die Lebensmittelrationen an. In der Bevölkerung wird damit Mundpropaganda getrieben, dass die Lebensmittelerhöhung im Reich nur erfolgen konnte, weil die landwirtschaftlichen Produkte aus den besetzten Gebieten Lettland, Estland und Litauen nach Deutschland gebracht werden. Ferner steht die Brennholzfrage ebenso wie die Lebensmittelversorgung im Vordergrund der Erörterungen. Im Hinblick auf die Transportschwierigkeiten hegt man die Befürchtung, dass der Abtransport von Holz für den Winter zu spät komme und man daher werde frieren müssen. Propagandawesen und Führungsmittel im Generalbezirk Lettland: Gegnerische Propaganda: Die sowjetische Flugblattpropaganda beschränkte sich im wesentlichen darauf, von Flugzeugen aus Flugblätter abzuwerfen. In der Bevölkerung wird damit Mundpropaganda getrieben, dass die Lebensmittelerhöhungen im Reich nur erfolgen konnten, weil landwirtschaftliche Produkte aus den besetzten Gebieten, Lettland, Estland und Litauen nach Deutschland gebracht wurden. Daneben taucht in der gegnerischen Propaganda immer wieder das Argument auf, dass die Esten besser als die Letten behandelt würden. Als konkrete Beispiele werden zur Zeit die Aufstellung der estnischen Legion und die Entwicklung der Aufstellung einer Jugendorganisation genannt. Aber auch in der allgemei-

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nen Zusammenarbeit mit der deutschen Verwaltung überträfen die Esten die Letten bei weitem. Gelegentlich des Fussballspieles Königsberg–Riga am 20. 9. 1942 haben nach vorliegenden Meldungen die lettischen Zuschauer offenbar unter dem Einfluss chauvinistischer Hetzer eine eindeutige Haltung gegen die deutsche Mannschaft bezogen. Es wird darüber hinaus von einer besonderen Hetztätigkeit unter der Landbevölkerung gesprochen. Die Meldungen besagen, dass nicht zu überschätzende Kräfte am Werke seien, die systematisch gegen alles Deutsche arbeiteten. Der Haupterfolg dieser systematischen Hetze sei zunächst, dass man jetzt auch auf dem Lande nicht mehr an einen deutschen Endsieg glaube und der Überzeugung sei, dass doch England den Frieden diktieren werde, wobei natürlich Lettland nicht vergessen und in alter Herrlichkeit wiedererstehen werde. Deutsche Propaganda: In den Meldungen wird zum Ausdruck gebracht, dass die für den Generalbezirk Lettland zur Verfügung gehaltenen technischen und organisatorischen Hilfsmittel für die Propaganda noch mangelhaft und unzureichend seien. Auch die Vorbereitungen für die Abhaltung der für den Herbst beabsichtigten Versammlungen mit Rednereinsatz stiessen auf Schwierigkeiten, weil die Transportfrage noch einer Lösung bedarf. Die lettische Wochenschau werde propagandistisch ungünstig zusammengeschnitten und weise mitunter textliche Fehler und Schwächen auf. Wenn keine Abhilfe geschaffen werden könne, sei es besser, die innerdeutsche Wochenschau für die lettische Bevölkerung freizugeben, weil ein grosser Teil der Letten der deutschen Sprache mächtig sei. In der Presse werde weiterhin zu grosser Wert auf wirtschaftliche Fragen gelegt und weniger eine einheitlich ausgerichtete aufklärende, auf lettische Verhältnisse und Tagesereignisse abgestimmte Linienführung in propagandistisch-politischer Hinsicht eingehalten. Es wird in den Meldungen immer wieder angeregt, Presse, Rundfunk und Film in viel grösserem Umfang als bisher einzusetzen, um der Feindpropaganda energisch entgegenzuwirken. Eine geschickt ausgearbeitete und auf lettische Verhältnisse zugeschnittene fortlaufende Vortragsfolge im Rundfunk und das Eingehen auf die sozialen Errungenschaften und Verbesserungen im nationalsozialistischen Deutschland in Wirtschaft und Kultur seien notwendig. Auch eine häufigere Belieferung der lettischen Betriebe mit guten Propagandafilmen sei dringend notwendig. Es werde z. B. Klage darüber geführt, dass sich die Berufsverbände allzu wenig um die Betreuung der Arbeiterschaft in politischer und sozialer Hinsicht kümmerten. Versammlungen innerhalb der Betriebe mit guten Rednern, die zu den Tagesproblemen Stellung nehmen müssten, seien unbedingt erforderlich. Ebenso sei ein rasches Eingehen auf die Feindpropaganda z. B. durch Glossierung feindlicher Flugblätter in Presse, Rundfunk und Film erwünscht. […] Arbeits- und Sozialwesen: In der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Arbeitsämtern bestehen noch immer grosse Unklarheiten, so dass noch des öfteren zugleich von verschiedenen Dienststellen Anordnungen in derselben Sache erteilt werden. Insbesondere die Arbeitsämter auf dem Lande geben wiederholt Anlass zu Klagen und Beanstandungen. Die selbständige Entfernung von den Arbeitsplätzen hat an Umfang zugenommen, so dass jetzt schon fast von einer Massenflucht gesprochen werden kann. Hervorzuheben ist der Vertragsbruch von 200 Angehörigen eines Bauzuges der Baugruppe Giessler in Dünaburg. Nach Ablauf eines Urlaubs waren die beteiligten Personen, von denen 150 aus Riga stammen, nicht zur Arbeitsstelle zurückgekehrt. Neben der Arbeitsunlust ist aber ohne Zweifel eine heimtückische Propaganda gewisser Elemente die Hauptursache für diese Arbeitsflucht. Im Zuge der sechswöchentlichen Arbeitspflicht konnten für die vordringlichsten Arbeiten, wie Torfgewinnung, Hafenarbeiten, bei Waldarbeiten und in der Land-

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wirtschaft, etwa 4000 Arbeitskräfte eingesetzt werden. Die Zahl der eingewiesenen Arbeitspflichtigen wird in der nächsten Zeit noch etwas ansteigen. Die Stimmung bei den Verpflichteten ist nach wie vor im grossen und ganzen gut. Allgemeine Lage und Stimmung der Bevölkerung im Generalbezirk Litauen: In grundsätzlicher Hinsicht ist die allgemeine Stimmung der Bevölkerung unverändert, wenn auch in letzter Zeit eine gewisse Inaktivität der politischen Gruppen auffällt. Aus litauischen Kreisen verlautet hierzu, man sei in den politischen Gruppen apathischer geworden, zumal die Kriegsereignisse eine Änderung vorerst doch nicht zulassen und das Volk andererseits zu stumpf sei, um durch eine Gegenpropaganda, die sich in ihren wesentlichen Punkten immer wieder wiederholt, beeinflusst zu werden. Neben den üblichen Anschuldigungen gegen die deutsche Führung im Hinblick auf die Reprivatisierung steht zur Zeit die Frage der Umsiedlung im Vordergrund. Hier erfolgt von allen litauischen Seiten eine ganz klare Ablehnung, da sich mehr oder weniger jeder Litauer persönlich durch diese Umsiedlung bedroht fühlt; die Bauernschaft durch eine frühere oder spätere Enteignung ihres Besitzes an deutsche Umsiedler, und die städtische Bevölkerung belegt anhand verschiedenster Beispiele, dass sie dazu vorgesehen sei, in den schlechten Vorstadtwohnungen zu hausen, während die Deutschen nach und nach alle einigermaßen guten Wohnungen im Stadtzentrum besetzen. Die Reprivatisierung kleinerer Gewerbebetriebe kann den Meldungen zufolge schon aus dem Grunde nicht merklich zu einem Aufschwung der Stimmung beitragen, da sich von vornherein sämtliche Wirtschaftsstellen darüber im klaren sind, dass diese Betriebe nicht in der Lage sein werden, sich ohne Staatszuschüsse zu erhalten und, wenn diese Zuschüsse fehlen, früher oder später gezwungen sind, einen Teil ihrer Erzeugnisse illegal im Schleichhandel abzusetzen, um wenigstens das Existenzminimum zu erreichen. Besonders bedauerlich sei es hierbei, dass verantwortliche deutsche Stellen heute bereits damit rechnen, dass die volksdeutschen bäuerlichen Rücksiedler nicht in der Lage sein werden, ihre Erzeugnisse zu den ordentlichen Preisen zu verkaufen, wenn sie bestehen bleiben wollen, sondern dass sie einen gewissen Prozentsatz im Schleichhandel absetzen müssen, um die überhöhten Preise für bestimmte Handwerksgegenstände und Hofinventar usw. zu bestreiten. In Kreisen der Umsiedler und auch in Kreisen der übrigen deutschen Bevölkerung stehe man dieser Lage sehr kritisch und unsicher gegenüber, da damit nicht nur eine erhebliche moralische Gefährdung der Rücksiedler eintritt, sondern auch gleichzeitig eine allgemeine Rechtsunsicherheit auf dem Gebiet der Bekämpfung des Schleichhandels. Die Erhöhung der Lebensmittelrationen im Reich wurde ebenfalls kritisiert, da die Versorgungslage im litauischen Generalbezirk weiterhin als schlecht bezeichnet wird und die Rationen als zu niedrig angesehen werden. Propagandawesen und Führungsmittel im Generalbezirk Litauen: Gegnerpropaganda: Mit dem Aufkommen einer gewissen Inaktivität der politischen Gruppen hat auch die gegnerische Flugblattätigkeit ganz allgemein etwas nachgelassen. Von litauischen Kreisen wird dafür die Begründung gegeben, dass man in den politischen Gruppen apathisch geworden sei und eine Flugblattätigkeit für mehr oder weniger zwecklos halte, da eine Änderung vorerst doch nicht erzielt werden könne und das Volk andererseits zu stumpf sei, um durch eine derartige Propaganda, die sich in ihren wesentlichen Punkten immer wieder wiederholt, beeinflusst zu werden. Neben den üblichen Anschuldigungen gegen die deutsche Führung im Hinblick auf die Reprivatisierung steht zur Zeit in der gegnerischen Propaganda die Frage der Umsiedlung im Vordergrund. Deutsche Propaganda: In den Meldungen wird hervorgehoben, dass das litauische Volk

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zwar weitgehendst gegen eine kommunistische Propaganda immun sei, jedoch der Propaganda der westlichen Demokratien sehr aufgeschlossen gegenüberstehe. Die deutsche Propaganda sei als nahezu wirkungslos zu bezeichnen und nicht in der Lage, auf die Öffentlichkeit besonders einzuwirken, da sie sich nach wie vor mit Kleinigkeiten beschäftige, aber nicht mit den grossen Fragen, die die Öffentlichkeit stark interessieren. Nach Meldungen aus litauischen Kreisen wird besonders kritisiert, dass man offensichtlich Mißstände durch Propagandatünche verdecken will und nicht den Mut fände, die Dinge klar beim Namen zu nennen. Die Meldungen weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die stark besuchten Wochenschauen und Spielfilme grosse Möglichkeiten einer propagandistischen Einwirkung bieten können. Besonders notwendig sei es, geeignete Propagandafilme in litauischer Sprache zu drehen, namentlich solche über den Arbeitseinsatz im Reich, über den Reichsarbeitsdienst sowie über das Leben der litauischen Schutzmannschaften an der Front. Ausserdem interessierten in der Öffentlichkeit alle Fragen, die mit den übrigen von Deutschland besetzten Ländern zusammenhingen. Filme, die die deutsche Aufbautätigkeit in diesen Ländern entsprechend herausstellen würden, würden auch in Litauen propagandistisch gute Wirkungen erzielen. […] Arbeits- und Sozialwesen: Den Meldungen zufolge sollen im Zuge der weiteren Erfassung von Arbeitskräften in Litauen für den Arbeitseinsatz ins Reich Bestrebungen laufen, alle irgendwie einsatzfähigen Arbeitskräfte notfalls durch rücksichtslose Gewaltmaßnahmen, wie z. B. durch Umstellung ganzer Häuserblocks, zu erfassen. Es wird in diesen Meldungen darauf hingewiesen, dass mit derartigen Gewaltmaßnahmen gepresste Arbeitskräfte politisch mindestens ebenso gefährlich sind wie sowjetische Kriegsgefangene. Die Klagen der Arbeiter über zu geringe Löhne und über ungenügende Versorgung mit Lebensmitteln halten weiterhin an. Fingierte Krankheitsfälle, unentschuldigtes Fernbleiben von der Arbeit und in steigendem Maße auch Diebstahlsfälle in Wirtschaftsbetrieben sind an der Tagesordnung. Geldstrafen sind in dieser Hinsicht vollkommen wirkungslos; Freiheitsstrafen können ebenfalls nur in geringem Umfange ausgesprochen werden, da die betreffenden Betriebe zwar gern eine Bestrafung dieser Arbeiter sehen würden, auf der anderen Seite aber auch die Arbeitskraft in keinem Falle entbehren wollen. C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR Im Zusammenhang mit den Kämpfen um Stalingrad 4 und der Bedrohung des unteren Wolga-Laufes verdienen hier eingelaufene Meldungen Beachtung, die den Beginn der Evakuierung Kuibyschews melden. Die Sowjets sollen mit der Evakuierung der Stadt Kuibyschew begonnen haben und sämtliche Lebensmitteltransporte für diese Stadt nach Molotowsk umdirigieren, das, wie es scheint, als neuer Sitz der Sowjetregierung ausersehen ist. In Kuibyschew soll Lebensmittelmangel herrschen. Zur Lage in Kuibyschew ist ferner zu melden, daß die Teuerung ausserordentlich stark zugenommen hat. So kostet ein Huhn 400 Rubel, ein Hammel 2000 Rubel usw. Über die Moral der sowjetischen Truppen gehen die Berichte auseinander, doch ist ein wesentliches Nachlassen der Kampfmoral nicht anzunehmen, da eine ausserordentlich starke und geschickte Propaganda die Truppen in ihrer Siegeszuversicht bestärkt und Rückzüge als geordnete Zurückverlegung der Fronten erklärt. Es gelingt der Propaganda, dem einfachen Mann klarzumachen, daß sein Schicksal bei Besetzung des Landes durch die Deutschen entschieden verschlechtert wird. Zur Frage der Rüstungskapazität ist nachzutragen, daß die Sowjets alle Textilfabriken in Turkestan auf Erzeugung von Kriegsgerät umbauen. Die Lage in Ostsibirien soll sich nach einlaufenden Meldungen für die Sowjets ungünstig

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gestalten. Die ersten Anzeichen einer bedrohlichen Lebensmittelknappheit, die fraglos auf die Wegnahme von Überschussgebieten durch unsere Truppen zurückzuführen ist, machen sich bemerkbar. Folgende Einzelheiten seien erwähnt: Blagowetschensk, das früher zusammen mit Wladiwostok, Chabarowsk und Chita Kultur- und Wirtschaftszentrale Ostsibiriens gewesen sei, sei zu einem armseligen verödeten Dorf herabgesunken, in dem nach glaubhaften Aussagen nur noch Greise und Kinder zurückgeblieben sind, während alle jungen Männer an die Westfront geschickt seien. Die Sowjetunion habe keine Siedlungs- und Arbeitskräfte für dieses Gebiet mehr zur Verfügung. Blagowetschensk, wie ganz Ostsibirien, litte an akuter Nahrungsmittelnot. Die Schwarzbrotration pro Tag entspreche der früheren Brotration pro Mahlzeit. Selbst nach der Durchführung des zweiten Fünfjahresplanes habe sich Ostsibirien nur zu 56 % aus eigener Scholle ernähren können und sei weiterhin von der Kornkammer Mandschukuos abhängig geblieben. Die Nahrungsmittelnot sei nach dem Ausfall der Zufuhr aus dem europäischen Russland in ein bedrohliches Stadium getreten. Im Gesamtgebiet herrscht ein akuter Arbeitermangel. Für landwirtschaftliche Arbeiten würden deshalb Studenten und Truppen eingesetzt. Da aber Traktoren vielfach in Panzerwagen umgewandelt worden seien, sei der Arbeitermangel kaum zu beheben. Lt. einlaufenden Meldungen sollen sich im Ural sehr viel flüchtige Juden aufhalten. Auch im Ural ist eine Verschlechterung der Lebensmittel bemerkbar. So sollen im Ural nur täglich 400 gr Brot ausgegeben werden. Kranke und nicht körperlich Arbeitende sollen 250 gr pro Person erhalten. Fleisch, Kartoffeln, Zucker und Tabak sollen gänzlich fehlen. Die Verpflegung des Militärs soll besser sein. Die entsprechenden Sätze werden wie folgt angegeben: 700 gr Brot, zu Mittag: Mehl-, Graupen- oder Gemüsesuppe, ausserdem im Monat 2 Päckchen Machorka, jedoch fast nie Fleisch. BAB, R58/222 1 Ein Beispiel für die vordergründige Rechtfertigung der Judenvernichtung durch Attacken der sowjetischen Partisanen stellt die Vernichtung des Ghettos in Pinsk dar. Himmler hatte wegen Anschlägen auf die Bahnstrecke Brest-Litowsk–Gomel am 27. 10. 1942 Hans-Adolf Prützmann, dem HSSPF Ukraine, den Befehl zur Liquidierung des Ghettos gegeben. In der Folge wurden von Kräften der Sicherheits- u. Ordnungspolizei bis zum 1. 11. etwa 16 000 Pinsker Juden ermordet. Die Partisanenaktivitäten stellten jedoch nur einen Vorwand für das mehrtägige Massaker dar. Denn bereits im Sept. war die Mordaktion von Erich Koch, dem Reichskommissar Ukraine, angeregt worden u. auch die Massengräber selbst waren bereits vor den besagten Aktionen der Partisanen ausgehoben worden; vgl. Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1941/42, S. 600. 2 Mit Wirkung v. 1. 10. 1942 hatte Hitler die Bildung einer „Estnischen SS-Legion“ befohlen, die in den Monaten darauf auf dem SS-Truppenübungsplatz Debica im Distrikt Krakau des Generalgouvernements aufgestellt u. trainiert wurde; vgl. Befehl Chef SS-FHA v. 29. 9. 1942, BAB, NS 33/233; Müller: An der Seite der Wehrmacht, S. 162 ff.; Neulen: An deutscher Seite, S. 282 ff. Aus der Legion wurde wegen der Vielzahl der estnischen Freiwilligen ab Mai 1943 eine Brigade gebildet. Im Jan. 1944 befahl Himmler dann die sofortige Umbildung zur Division, die die Bezeichnung „20. Waffen-Grenadier-Division der SS (estnische Nr. 1)“ erhielt; vgl. Klietmann: Die Waffen-SS, S. 223–228. 3 Vgl. Befehl Chef SS-FHA v. 29. 9. 1942, BAB, NS 33/233. 4 Zur strategischen Situation vor Stalingrad im Herbst 1942 vgl. Bernd Ulrich: Stalingrad, München 2005, S. 53–73; Gerd R. Ueberschär: Stalingrad – eine Schlacht des Zweiten Weltkrieges, in: Wolfram Wette/Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Stalingrad. Mythos und Wirklichkeit einer Schlacht, Frankfurt/M. 1992, S. 18–42, hier S. 19–23.

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 6. XI. 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 28 […] A. Gegner und Exekutivfragen Kommunistische Bewegung: Im Bereich des Kdrs. dSPudSD Estland wurden im September insgesamt 151 Personen wegen kommunistischer Betätigung festgenommen. Im Bereich des Kdrs. dSPudSD Litauen wurden keine organisierten kommunistischen Gruppen festgestellt. Es wurden lediglich einzelne Kommunisten erfaßt, die es verstanden hatten, bei deutschen und litauischen Behörden Beschäftigung zu finden. Seit September wird der Aufbau eines kommunistischen Jugendverbandes in Lettland beobachtet, dessen Zentrale sich in Riga befindet. Die Organisation ist bestrebt, Verbindungen mit den wichtigsten Provinzstädten aufzunehmen und hat sich zur Aufgabe gestellt, Sabotageakte durchzuführen, Brücken, Eisenbahnen und andere kriegswichtige Bauten zu sprengen sowie Waffen zu beschaffen. Die herausgebrachten Flugblätter sind bisher nur an Mitglieder verteilt worden. In Kürze sollen diese Flugblätter in grösserem Umfange hergestellt und in der Bevölkerung verbreitet werden. Der ledige Arbeiter Albert Sprogis, 29. 10. 19 in Frauenburg geboren und dort wohnhaft, hat im Herbst 1941 versucht, eine politische Partei aufzuziehen, und ihr den Namen „Heimatbund“ gegeben. Sprogis hat ein Parteiprogramm aufgestellt, das er nach seinem Eingeständnis der kommunistischen Lehre entnommen hat. Der „Heimatbund“ war erst 3 Mitglieder stark, die festgenommen sind. Am Abend des 21. 10. klebten unbekannte Elemente im ganzen Stadtgebiet von Minsk (Kdr.-Bereich Weissruthenien) an etwa 300 Stellen Plakate an, die im Abzugsverfahren und im Steindruck hergestellt waren. Sie enthielten die üblichen Bedrohungen gegen die Faschisten sowie einem Aufruf an das weissruthenische Volk, die Partisanen zu unterstützen und Sabotageakte zu verüben. Durch sofortigen Grosseinsatz der Schutzmannschaft konnten die angeklebten Plakate noch am gleichen Tage restlos entfernt werden. Vom Kdr. dSPudSD Kiew wurde ein Jude, der deutsche Wehrmachtsuniform trug, festgenommen. Er war sowjetischer Kriegsgefangener und ist nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft bei einer deutschen militärischen Einheit als Fahrer verwendet worden. Die Ermittlungen ergaben, daß er Sekretär im Komsomol und NKWD-Agent war. Die Aufrollung der in Kiew festgestellten kommunistischen Terrororganisation (vergl. Nr. 24 v. 9. 10. 42, S. 3 und vom 16. 10., S. 2) hat bisher zu 91 Festnahmen geführt und eine weitverzweigte und umfangreiche Tätigkeit dieser Organisation aufgedeckt. Die Tätigkeit bestand darin, die Bevölkerung durch Terrorakte und illegale Propaganda einzuschüchtern und zu beunruhigen sowie durch besonders gebildete Banden Personen, die sich dem deutschen Aufbau zur Verfügung stellten, beiseite zu schaffen. Die erforderlichen Geldmittel sollten durch Beraubung von Personen sowie Ausplünderung von Wohnungen beschafft werden. Die Organisation hatte es weiter unternommen, eine Werkstatt zur Herstellung von Falschgeld einzurichten. In Cherson wurde am 5. 10. 42 ein mit der Maschine geschriebenes kommunistisches Flugblatt verteilt. In Kirowograd sind am 3. 10. Hetzplakate mit roter Blockschrift, die zur Verweigerung der Arbeitsaufnahme im Reich aufforderten, sichergestellt worden. Im Kdr.-Bereich Dnjepropetrowsk sind 30 KP-Aktivisten

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und 2 Personen wegen Verbreitung von Hetzschriften festgenommen worden. Unter den KP-Aktivisten befinden sich mehrere Träger hoher Orden der Sowjetunion sowie ein Henker des NKWD. Im Kdr.-Bereich Tschernigow befanden sich unter den Festgenommenen 23 KP-Aktivisten. In der Wohnung eines Ukrainers wurde eine grössere Menge kommunistischer Flugblätter gefunden, die vermutlich aus Kiew stammen. […] B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung im Operationsgebiet Nordkaukasus: In den „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ Folge 24/25 wurde bereits über die allgemeine Lage und Stimmung im Operationsgebiet ostwärts und nördlich Rostow berichtet. Auch die neuesten Meldungen aus den Gebieten Woroschilowsk, Maikop, Krasnodar, Pjatigorsk, Elista usw. lassen erkennen und bestätigen erneut, dass die Bevölkerung den deutschen Truppen gegenüber nach anfänglicher Zurückhaltung ungemein aufgeschlossen entgegenkommt. Den bei dem Abzug der Roten gegebenen Sabotage- und Zerstörungsbefehlen ist die Bevölkerung in den allermeisten Fällen nicht gefolgt, obwohl ihr angedroht worden war, dass im Falle der Rückkehr der Bolschewisten alle Befehlsverweigerer umgebracht würden. Während die russisch-ukrainische Bevölkerung scheu und verschüchtert den Einzug der deutschen Truppen hinnahm, später jedoch in zunehmendem Maße Fühlung und Zutrauen gewann, waren die deutschen Truppen vom ersten Augenblick an vollster und freudigster Unterstützung der Bergstämme sicher. Während bei den Tscherkessen in den ehemals autonomen Gebieten Adyge und Tscherkessien zunächst nur die spontane Bereitschaft zum Selbstschutz gegen die Banden beobachtet werden konnte, lassen sich bei den sehr aktiven Karatschaiern bereits politische Zielsetzungen erkennen. Als die deutsche Wehrmacht in das Karatschaiergebiet einrückte, wurde sie allgemein mit Jubel begrüsst. Man überbot sich förmlich in der Bereitwilligkeit zur Unterstützung der Deutschen.1 So wurde z. B. ein Einsatzkommando der Sicherheitspolizei und des SD, das Anfang September in ein südlich Kislowodsk gelegenes Karatschaier-Dorf einrückte, mit einer Begeisterung empfangen, die mit den Tagen der Angliederung des Sudetengaues verglichen werden konnte. Die Kommandoangehörigen wurden umarmt und auf die Schultern gehoben. Geschenke wurden angeboten und Ansprachen gewechselt, die immer wieder in Hochrufe auf den Führer ausklangen. In mehreren Kundgebungen versicherten die Karatschaier durch Beauftragte ihre unbedingte Ergebenheit gegenüber Adolf Hitler und ihr unbegrenztes Vertrauen zu den örtlichen deutschen Stellen. Sie übergaben eine an den Führer gerichtete Dankadresse. In all diesen Äusserungen wird der Hass gegen das bolschewistische Regime und der Freiheitswille der Karatschaier schärfstens betont. Darüber hinaus wurden fest umrissene Wünsche nach einer gewissen Selbstverwaltung, nach Auflösung der Kollektive und nach einer den Eigenarten des Stammes entsprechenden Jugenderziehung geäussert. Diesen Vorschlägen haben sich auch Vertreter der Balkaren angeschlossen, die aus der bisherigen verwaltungsmäßigen Zusammenfassung mit den Kabardinern herausstreben und sich mit den Karatschaiern zu vereinigen trachten. Aus den bisherigen Beobachtungen geht somit ein verschiedenes Verhalten der russisch-ukrainischen Bevölkerung und der Bergstämme hervor. Die feststellbare und in verschiedenen Graden ausgeprägte allgemein positive Grundstimmung unterlag naturgemäß verschiedenen stimmungsbeeinflussenden Faktoren. Die Ernährungslage spielt dabei im allgemeinen – jahreszeitlich bedingt – stimmungsmäßig nicht die Rolle wie in den Räumen nördlich des Don. Der Bevölkerung des flachen

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Landes stehen die Feld- und Gartenfrüchte, besonders auch Obst, verhältnismäßig reichlich zur Verfügung. Der eilige Abzug der roten Truppen verschonte das Land weitgehend von den üblichen Kriegseinwirkungen, so dass Getreide, Grossvieh und Geflügel in genügenden Mengen zurückblieben. Die Bevölkerung entnahm den Kolchosen in sehr vielen Fällen Getreide und Vieh und verbesserte somit ihre Ernährungslage gegenüber der Lebenshaltung in bolschewistischer Zeit. Auch die städtische Bevölkerung ist im allgemeinen für die nächsten Monate ausreichend versorgt. Eine Ausnahme bildet lediglich die Stadt Maikop mit Umgebung, wo die Sowjets fast nichts zurückgelassen und alles zerstört haben. Die Versorgungsschwierigkeiten waren so erheblich, dass sie bisher nur mit grössten Anstrengungen beseitigt werden konnten. Den Meldungen zufolge ist die Bevölkerung in den frontnahen Räumen zeitweiligen Stimmungskrisen unterworfen, besonders seitdem der Vormarsch der deutschen Truppen infolge des verstärkten Widerstandes der roten Truppen am Nordwestkaukasus und am Terek langsamer vor sich geht. Befürchtungen über eine etwaige Rückkehr der Sowjets und vor einem dann zu erwartenden Schreckensregime werden hier häufiger geäussert. Nicht selten kann man in diesem Zusammenhang Stimmen hören, die sich dahin aussprechen, dass man bei einem etwaigen deutschen Rückzug mit zurückgehen werde. Immer wieder werden seitens der Bevölkerung Klagen laut über die ungenügende Aufklärung über das allgemeine Geschehen. Daraus folgt eine deutlich zu bemerkende Unsicherheit in der Bevölkerung, die der Gerüchtebildung Vorschub leistet und eine gewisse Unsicherheit hervorruft. Das allgemein korrekte Verhalten der deutschen Soldaten hat überall wesentlich dazu beigetragen, das Vertrauen in die Deutschen zu stärken, zumal es völlig den durch die bolschewistische Propaganda eingehämmerten Vorstellungen widersprach. Bewunderung und Achtung löste hauptsächlich die freundliche Haltung der Deutschen gegenüber Kindern aus. Gelegentlich auftretende Einzelfälle von Übergriffen einzelner Wehrmachtsangehöriger werden von den Einheimischen stärkstens beachtet. Da die deutschen Führungsstellen in solchen Fällen scharf durchzugreifen pflegen, empfindet die Bevölkerung solche durchgreifenden Maßnahmen mit besonderer Genugtuung, so dass das gelegentlich drohende Abgleiten der Stimmung sich nicht nachhaltig auswirken dürfte. Stimmungsbeeinträchtigend wirkt sich besonders bei den Bergstämmen die Differenz zwischen den durch Flugblätter usw. gegebenen Propagandaparolen und der dann eintretenden Wirklichkeit aus. Ganz besonders gilt dies für die Auflösung der Kolchoswirtschaft. Die Bevölkerung hat häufig in der Zeit zwischen dem Abmarsch der Sowjets und dem Einzug der deutschen Truppen von sich aus Kolchosen aufgelöst. Die später einrückenden La-Führer versuchten nun, z. B. bei den Karatschaiern, diese Aufhebung der Kolchosen wieder rückgängig zu machen und drohten der Bevölkerung bei Nichtbefolgung Strafmaßnahmen an. Wenn auch in einigen Fällen Abhilfe geschaffen werden konnte, tragen solche und ähnliche Maßnahmen keineswegs zur Erhaltung der bereitwilligen Stimmung bei. Besonders ungünstig wirkt sich den Meldungen zufolge auch das Herausgeben verschiedener Anordnungen auf dem Gebiet der Selbstverwaltung durch deutsche Führungsstellen in der einheimischen Bevölkerung aus. Die Bewohner werden als scharfe Beobachter solcher Verschiedenheiten geschildert, die das Fehlen einer einheitlichen Linie bald erkennen und somit das Vertrauen in die absolute Folgerichtigkeit der deutschen Anordnungen schwinden würde. Wie rasch ungeschicktes Verhalten die zunächst vorhandene positive Einstellung zunichte machen kann, zeigen die Erfahrungen, die eine rumänische Division in einem von Kabardinern besiedelten Ort Baksan machen musste. Die

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Rumänen waren bei ihrem Einzug freundlich empfangen und reichlich mit Lebensmitteln beschenkt worden. Das dann folgende Verhalten der Soldaten führte jedoch innerhalb weniger Tage dazu, dass die Einwohner sich immer stärker von den Rumänen zurückzogen und schliesslich mit den Feindkräften gemeinsame Sache machten. Im Laufe der letzten Wochen sind auch in verschiedenen Teilen des Operationsgebietes Bandengruppen aufgetreten, die die ländliche Bevölkerung durch Mißhandlungen, Erschiessungen und gewaltsame Beschlagnahme von Lebensmitteln terrorisieren. Die Bevölkerung fühlt sich in ihrem Leben, ihrem Eigentum, ihrer Sicherheit bedroht und in ihrem Verhältnis zu den deutschen Truppen unsicher gemacht. Andererseits wirkt die Bandengefahr sich auch dahin aus, dass der Hass der Einheimischen gegen die Bolschewisten verstärkt wird. Der in den Städten teilweise rasch erfolgende Wiederaufbau lebenswichtiger Betriebe hat dazu beigetragen, dass das normale Leben wieder eingekehrt ist. Fast unberührt vom Kriege mutet das Leben in den kaukasischen Kurorten Pjatigorsk, Kislowodsk und Essentuki an. Fast alle Geschäfte und Gaststätten sind wieder geöffnet, und ein lebhafter Kauf und Verkauf ist zu beobachten. In Kislowodsk finden Orchesterkonzerte, in Pjatigorsk Schauspiel- und Operettenaufführungen statt, die gut besucht sind. Auch Zeitungen erscheinen in vielen Orten wieder, die ihre Auflageziffer infolge stärkerer Nachfrage bereits vergrössern mussten (Elista: von 1500 auf 5000 Stück). Der Wunsch nach sprachlicher Verständigung zwischen Einheimischen und Deutschen führte dazu, dass in vielen Städten deutsche Sprachkurse eingerichtet wurden, die sich z. Zt. eines regen Zuspruchs erfreuen. Die Meldungen aus den Einsatzgebieten lassen übereinstimmend erkennen, dass die Abneigung gegen die Juden allgemein ist. Die Bevölkerung hat es selbst erlebt, dass die Juden, zumeist in wichtigen Stellungen sitzend, den Krieg und die dadurch entstandene Notlage durch Preistreiberei und Schwarzhandel auszunutzen verstanden haben. Die gegen die Juden durchgeführten Maßnahmen, wie Entfernungen aus allen Ämtern, Kennzeichnung und Zwangsarbeit, finden in der Bevölkerung volles Verständnis und haben eine lebhafte Befriedigung ausgelöst. Maßgebliche Stimmen aus Bevölkerungskreisen bezeichnen die bisher durchgeführten Maßnahmen gegen die Juden als ungenügend und fordern ein schärferes Vorgehen. Nationalitäten im Operationsgebiet Nordkaukasus: Mit dem Überschreiten der KubanTerek-Linie wurden die Gebiete der nordkaukasischen Bergstämme erreicht. 2 Bisher handelt es sich um die Siedlungsgebiete der Tscherkessen, Karatschaier, Balkaren und Kabardiner. Hierbei ist hervorzuheben, dass die positive Einstellung dieser Bergstämme zu Deutschland einen wesentlichen Faktor für die politische und militärische Arbeit darstellt, andererseits aber auch bei der Frage nach dem künftigen Schicksal dieser Gebiete entsprechend zu berücksichtigen wäre. Die allgemeine Propaganda aller deutschen Stellen ist einheitlich auf den Grundgedanken abgestimmt, dass es sich hier nicht um Feindesland, sondern um Verbündete handelt. Mit den entsprechenden Propagandamitteln wurde diese Auffassung sowohl den Angehörigen der Bergstämme als auch den deutschen Soldaten nahegebracht. Dieses Vorgehen hat nach den vorliegenden Meldungen bisher gute Erfolge gebracht, während die feindliche Gegenpropaganda vorerst keinen Eindruck bei den Angehörigen der Bergstämme hinterlassen hat. Andererseits werden entgegengesetzte Anordnungen verschiedener Dienststellen, insbesondere in Fragen einer Selbstverwaltung, von den Einheimischen stark beachtet. Man weist darauf hin, dass ebenso durch das unkluge Verhalten volkstumspolitisch ungeschulter deutscher Personen das geschaffene Vertrauensverhältnis getrübt oder gar zerstört werden kann. Der geschichtlich

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bedingte Gegensatz der Bevölkerung zu Russland, der Hass gegen den Bolschewismus, das stark entwickelte Freiheitsbewusstsein und die Verwurzelung im Mohammedanismus sind Anknüpfungspunkte für eine dauerhafte Befriedung des Nordkaukasus unter weitgehender verantwortlicher Mithilfe der Bergstämme. Die Heeresgruppe hat dem durch einen Befehl Rechnung getragen, in dem folgende Punkte besonders herausgestellt sind: 1.) Die kaukasischen Völker sind als Freunde des deutschen Volkes zu behandeln, 2.) der Aufhebung des Kollektivsystems durch die Bergstämme sind keine Hindernisse in den Weg zu legen, 3.) freie Religionsübung wird zugestanden, 4.) das Eigentum der Bergbevölkerung ist zu achten; Entnahmen dürfen nur gegen Bezahlung erfolgen, 5.) alle kriegsbedingten Maßnahmen, die die Bergbevölkerung betreffen, sind zu begründen, 6.) die Ehre der kaukasischen Frau ist zu achten. 3 Ergänzend wird dazu die Meinung vertreten, dass die Kolchosen in der Weise aufgelöst werden sollen, dass jeder wieder in den Besitz des Landes und Viehes kommen soll, das er vor Einführung des Kollektivsystems besaß. Eine darüber hinausgehende Aufteilung weiterer Land- und Viehbestände ist untersagt. Bemerkenswert ist das Bestreben der etwa 60 000 Balkaren, aus der Verbindung mit den Kabardinern gelöst zu werden und sich den etwa 120 000 Einwohner zählenden Karatschaiern anzuschließen. Beide Stammesgruppen haben in mehreren Veranstaltungen durch Abordnungen ihre Verbundenheit mit dem Grossdeutschen Reich zum Ausdruck gebracht. Im Raum der Kalmücken-Steppe konnte im Laufe der letzten Wochen eine immer freundlichere Stimmung der Bevölkerung beobachtet werden. Die Kalmücken, rassisch Mongolen, sollen aus Nordchina stammen und sich beim Mongolensturm Dschingis Chans (1237) in den heutigen russischen Gebieten niedergelassen haben. Häufig sei es zu sehr heftigen Kämpfen der zahlreichen kleinen Stämme untereinander gekommen. 1368 sei ein nationaler Kalmücken-Staat mit dem Ziel der Bekämpfung Chinas entstanden. Ein grosses Heer wurde aufgestellt, das in der Folgezeit beachtliche Erfolge errang. Nach einer empfindlichen Niederlage 1455 schieden die Kalmücken als politischer Faktor aus. Im 17. Jahrhundert zogen 50 000 Familien mit etwa 300 000 Köpfen über die Wolga in die südostrussische Steppe. Hier wurde der Anschluss an das Zarenreich vollzogen, jedoch zunächst mit einer Betonung der Selbständigkeit. Allmählich wurden die Freiheiten der Kalmücken eingeschränkt, wobei Russland die inneren Gegensätze geschickt ausnutzte. Während der Februarrevolution 1917 tauchte der Gedanke an eine Wiedervereinigung aller Kalmücken auf, wurde aber durch die Oktoberrevolution 1917 wieder zunichte gemacht. Die Kalmücken widersetzten sich der Agitation der jüdisch-bolschewistischen Kommissare. Daraufhin wurden einflussreiche und intelligente Kalmücken verhaftet und des Landes verwiesen. Nur den in die Steppe abgewanderten Kalmücken gelang es, ihre Viehherden bis zur Kollektivierung 1929 zu erhalten. Die Ausrufung einer autonomen Kalmücken-Republik wurde nur als Form empfunden. 1937 gründete der Vorsitzende des republikanischen Komitees der Kalmücken-Republik Pürbejew eine geheime soziale Bewegung auf nationaler Grundlage. Die Bolschewisten erhielten jedoch Kenntnis davon, verhafteten Pürbejew mit seinen Anhängern und beseitigten sie. Diese Erlebnisse haben nun auch die Kalmücken dazu gebracht, nach anfänglicher Zurückhaltung sich der korrekt auftretenden deutschen Truppe anzuvertrauen und von ihr die Erfüllung ihrer Hoffnung an das Wiederaufleben gewisser nationaler Belange unter dem Schutze Deutschlands zu erwarten.4 […] Wirtschaftliche Lage im Operationsgebiet Nordkaukasus: Landwirtschaft: Mit der Besetzung der vorkaukasischen Getreidesteppe ist eins der wichtigsten landwirtschaftlichen

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Überschussgebiete Russlands in die deutsche Machtsphäre einbezogen worden. Besonders das Gebiet zwischen Manytsch und Kuban ist eine wichtige Versorgungsquelle der Sowjetunion gewesen. Im nördlichen Teil werden fast ausschliesslich Getreide, Mais, Sonnenblumen angebaut. In den südlichen Gebieten auf die Nordhänge des Kaukasus zu tritt neben den Getreideanbau der Anbau von Gemüse, Flachs, Ölpflanzen, Tabak und technischen Kulturen. Auch die Viehzucht hat in diesem Gebiet erhebliche Bedeutung. An den Nordhängen des Kaukasus macht sich Obst- und teilweise auch Weinbau stärker bemerkbar. Trotz der günstigen Vegetationslage ist eine für deutsche Verhältnisse erhebliche Verwahrlosung und Vernachlässigung des Bodens festzustellen. Die diesjährigen Ernteaussichten müssen infolge der Kriegseinwirkung und infolge des Rückgangs der Arbeitsleistung, durch die die Ernteergebnisse von 1939 bis 1942 um 50 % zurückgingen, als schlecht bezeichnet werden. Bei der Besetzung des Gebietes war in den seltensten Fällen mehr als 50 % der Ernte eingebracht. Infolge der unzureichenden Gespann- und Maschinenkräfte war die Einbringung des auf den Feldern liegenden Getreides sehr schwierig. Bei der Maschinen- und Brennstoffknappheit wurden auch mehr Arbeitskräfte als in normalen Zeiten benötigt. Aus einzelnen Gebieten, wie z. B. aus dem Rayon Krapotkin, wird gemeldet, dass der Ernteertrag um 1/3 unter dem vorjährigen Ertrag liegt. In den östlichen Gebieten um Elista ist mit einem Ernteertrag zu rechnen, der ca. 10–15 % unter den Ergebnissen der Sowjetzeit liegt. Im Rayon Simowniki unweit des Don-Laufes wird mit einem Ernteergebnis gerechnet, das um 50 % hinter den früheren Jahren zurückbleibt. In einzelnen Gebieten machen sich auch sehr starke Auswinterungsschäden bemerkbar, so z. B. in dem Gebiet um Bielaja-Glina. Trotz dieser teilweise nicht sehr günstigen Ernteaussichten kann nach übereinstimmenden Meldungen die Versorgung der Wehrmacht und auch bis zu einem gewissen Grade die der Bevölkerung als gesichert angesehen werden. Die Versorgung der Bevölkerung in den Städten wird lediglich von den Transportmöglichkeiten abhängen. Bei der Herbstbestellung, die zum Teil noch nicht beendet ist, macht sich der völlige Brennstoffmangel äusserst unliebsam bemerkbar. Aus allen Gebieten mit Ausnahme des Gebietes Georgijewsk wird gemeldet, dass die Traktoren, mit denen zur Sowjetzeit ausschliesslich die Herbstbestellung durchgeführt wurde, wegen Brennstoffmangels nicht in Betrieb genommen werden können. Nur das Gebiet Georgijewsk verfügt über genügend Treibstoff, so dass hier sowohl die Ernte fast restlos eingebracht werden konnte, als auch die Herbstbestellung gesichert ist. In den übrigen Gebieten wird man bei der diesjährigen Bestellung ganz im Gegensatz zu den früheren Jahren auf Pferdegespanne zurückgreifen müssen, die besonders in den Pferdezuchtgebieten des Kuban in ausreichender Zahl vorhanden sind. Da 70 % des im Gebiet zwischen Kuban und Manytsch angebauten Getreides Wintersaat ist, spielt die Herbstbestellung im Gesamtanbauplan die Hauptrolle. Normalerweise fällt die Herbstaussaat in die Zeit zwischen Mitte September bis Mitte Oktober. Dies setzt voraus, dass die Bereitung des Saatbeetes mit der Einbringung der Ernte zusammenfällt, was für dieses Jahr infolge der geschilderten Schwierigkeiten nicht zutrifft. Große Schläge sind zur Zeit noch ungepflügt, so dass die Herbstbestellung sich bis in den November hineinziehen dürfte. Saatgut für die neue Aussaat steht mit wenigen Ausnahmen ausreichend zur Verfügung. Das Gebiet Maikop stellt landwirtschaftlich eines der wertvollsten Gebiete des Kaukasus dar. Der Viehbestand ist reichlich und vollzählig. Angebaut werden Weizen, Gerste, Hafer, Hirse, Mais, Sonnenblumen und Baumwolle. Nördlich von Maikop am Unterlauf des Leba-Flusses liegt das Siedlungsgebiet der Adygen mit einer Gesamtfläche von etwa

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449 000 ha. Für das Klima im Siedlungsgebiet der Adygen liegen genaue Berechnungen vor, die auf die übrigen Gebiete des besetzten Nordkaukasus mit wenigen Ausnahmen übertragen werden können. Die Temperaturschwankungen sind ausserordentlich hoch; für die Minimal- und Maximaltemperatur ergibt sich z. B. eine Differenz von: im Januar ca. 52, von plus 18,6 bis minus 34,3, im Februar ca. 55, von plus 25,2 bis minus 30,4. Die Sommermonate weisen verhältnismäßig beständige Temperaturen auf, während von September ab wieder Schwankungen bis zu 40 zu verzeichnen sind. Diese starken Temperaturschwankungen wirken sich naturgemäß sehr schädlich auf den Saatenstand, besonders bei den frostempfindlichen Pflanzen wie Tabak und Gemüse, aus. Die frostlose Periode des Jahres dauert durchschnittlich nur 200 Tage. So wurden z. B. im Jahre 1941 durch frühe Nachtfröste 40–45 % der Tabakernte und bis zu 25 % der Frühgemüse vernichtet. Im Siedlungsgebiet der Adygen bestanden bis zum 1. 8. 1942 13 MTS (Maschinen- und Traktorenstationen) mit 612 Traktoren und 266 Mähdreschern. Die MTS wurden von den angeschlossenen Kolchosen finanziert. Für die Feldbestellung erhielten sie pro ha 3,5–4 Ztr. und für die Ernte 8 % des gedroschenen Getreides. Im Gebiet Maikop ist Saatgut infolge der Kriegsauswirkungen nur zu 33 % vorhanden. Zu einem sehr wesentlichen Teil ist an dieser Mangelerscheinung auch das Auftreten eines sehr gefährlichen Getreideschädlings schuld, eines Käfers, der aus Amerika eingeschleppt worden sein soll und unter der Bezeichnung Schildkröte bekannt ist. Seit 1939 haben die Frühjahrssaaten unter diesem Schädling ausserordentlich gelitten. Die Keimung betrug nur 50–80 %. Man ist dann im Gebiet Maikop dazu übergegangen, einen besonderen Parasiten des Schildkrötenkäfers, den Telemonus, zu züchten, der millionenweise ausgesetzt wurde. Trotz dieser Maßnahme betrug die Keimung der Winteraussaat 1941 wieder nur 60–80 %. Im Jahre 1942 soll der Schädling – wahrscheinlich eine Folge des kalten Winters – in viel geringerem Maße aufgetreten sein. Im Gebiet Elista macht sich ausser dem bereits erwähnten Treibstoffmangel auch das Fehlen von Futtermitteln bemerkbar, da in der wüstenähnlichen Steppe jeglicher Graswuchs fehlt. In früheren Jahren wurde das Vieh mit Einsetzen des Frostes in die Wolga-Niederung getrieben, was in diesem Jahre nicht möglich ist. Im Rayon Diwnoje rechnet man damit, die dort vorhandenen 60 000 Schafe wegen Futtermangels abschlachten zu müssen. Auch lagert ein sehr grosser Teil der von den Sowjets eingebrachten Getreideernte von 1941 noch ungedroschen in Feldschobern. Die Herbstbestellung geht im Bezirk Elista ausschliesslich mit Zugtieren vor sich. Versorgung: Die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln kann als ausreichend bezeichnet werden. Eine Ausnahme bilden das Erdölgebiet bei Maikop, die Stadt Maikop selbst und die Stadt Armawir. Auch im Gebiet von Elista bestehen hinsichtlich der Versorgung der Bevölkerung gewisse Besorgnisse. Was das Erdölgebiet anbetrifft, so wird aber von allen Seiten darauf hingewiesen, dass die ausreichende Versorgung der Zivilbevölkerung zu den wichtigsten Aufgaben überhaupt gehört, wenn die Erdölproduktion nicht entscheidend beeinflusst werden soll. Der Marktbetrieb in den grösseren Orten hat sich in den letzten Wochen stark entwickelt. Die Märkte sind durchweg mit Lebensmitteln gut beschickt, insbesondere mit Gemüse. Die Preise halten sich im grossen und ganzen auf dem Niveau der Sowjetzeit, sind aber nach deutschen Begriffen unerschwinglich hoch. Folgende Preise sind in verschiedenen Städten festgestellt worden (Armawir, Krapotkin, Bielaja-Gebiet, Woroschilowsk): 1 kg Butter 180–200 Rubel, 1 kg Fleisch 30–40 Rubel, 1 kg Mehl 20–30 Rubel, 10 Eier 30–50 Rubel, 1 Melone 45 Rubel, 10 Walnüsse 10 Rubel, 1 kl. Huhn 80 Rubel, 1 Stück Seife 200 Rubel, 1 alte Hose 800 Rubel, 1 Paar abgetragene

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Schuhe 2–3000 Rubel (Vergl. Aufstellung über Löhne und Gehälter im folgenden Absatz über Arbeits- und Sozialwesen). Arbeits- und Sozialwesen: Einen Einblick in die soziale Struktur des Gebietes bis zur deutschen Besetzung vermittelt ein Bericht aus der Stadt Krasnodar. Von den 1939 vorhandenen rund 200 000 Einwohnern der Stadt waren rund 76 000 Personen berufstätig: Arbeiter 35 000, Angestellte 11000, freie Berufe 500, Frauen (16–50 Jahre) 30 000. Von den 35 000 in der Industrie Beschäftigten entfielen auf Metallindustrie 9000, Holzindustrie 2000, Lebensmittelindustrie 6000, Naphtabetriebe 2000, Mehlmühlen, Bäckereien 2500, Lederindustrie 2000, Brauereien, Schnapsbrennereien 1500 und in Kleinbetrieben Beschäftigte 10 000. Von diesen 35 000 Werktätigen waren 90 % Männer und 10 % Frauen. Die Angestellten verteilten sich auf Partei, Staats- und Stadtverwaltung 5000, Truste 3000, Fabriken 1500, Magazine 1500. Die rund 30 000 berufstätigen Frauen waren in allen Zweigen der Wirtschaft, der Verwaltung, in landwirtschaftlichen Betrieben, kulturellen Einrichtungen usw. noch zusätzlich tätig. Arbeitslose Männer gab es nicht. Die gehobenen Posten wurden ausschliesslich mit Juden und bewährten Parteimännern besetzt. Die Einkommensverhältnisse waren für die Werktätigen schlecht. Vom Lohn blieben etwa 60 % für den Lebensunterhalt übrig. Lohnerhöhungen wurden in den letzten Jahren im Maschinenbau, in den Naphtabetrieben, bei dem NKWD und in der Finanzverwaltung durchgeführt. So wurden z. B. in der Maschinenindustrie folgende Löhne und Gehälter gezahlt:

Arbeiter Angestellte Techniker Direktoren

vor der Lohnerhöhung Rubel 275–300 250–275 450–500 1000–1100

nach der Lohnerhöhung Rubel 450–500 400–500 700–750 1700–1800

Die Ausgaben des Werktätigen verteilten sich in der letzten Zeit wie folgt: Staatsanleihe 10 %, Kriegssteuer 10 %, Miete 8–15 %, Licht 1–2 %, Wassergeld 1–2 %, Radio, Lotterie, Verschiedenes 4 %, so dass für den sonstigen Lebensunterhalt 57–60 % des Gehaltes übrigblieben. Die Marktpreise für die wichtigsten Lebensmittel waren so hoch, dass die Werktätigen sich in den letzten Jahren nur Brot, ab und zu noch etwas Öl und Grütze kaufen konnten. Der Besuch von kulturellen Veranstaltungen war kaum noch möglich. Bei grösserer Kinderzahl wurden von den Sowjets staatliche Beihilfen gezahlt, die allerdings nur eine geringe Verbesserung des Lebensstandards ermöglichten. Für das 7. und jedes weitere Kind erhielt die Familie 2000 Rubel jährlich. […] BAB, R 58/699 1 Zur ethnischen Zusammensetzung der Kaukasus-Region u. zu Beispielen von Kollaboration vgl. Müller: An der Seite der Wehrmacht, S. 228–241; Neulen: An deutscher Seite, S. 322–334. 2 Vgl. Patrik von zur Mühlen: Zwischen Hakenkreuz und Sowjetstern. Der Nationalismus der sowjetischen Orientvölker im Zweiten Weltkrieg, Düsseldorf 1971; Joachim Hoffmann: Kaukasien 1942/43. Das deutsche Heer und die Orientvölker der Sowjetunion, Freiburg 1991. 3 Vgl. Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 590 ff. 4 Vgl. Joachim Hoffmann: Deutsche und Kalmyken 1942 bis 1945, Freiburg 1974.

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD 1 – Kommandostab –

Berlin, den 13. XI. 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 29 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandentätigkeit im Raum von Kirkenes: Über das Auftauchen sowjetischer Banden in Nordnorwegen wird vom Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Tromsö folgendes berichtet: Die Tätigkeit sowjetrussischer Banditen lässt darauf schließen, dass besonderer Wert auf Erkundungen im Raume der Festung Kirkenes gelegt wird. Aber auch auf norwegischem Gebiet, vor allem im Pasvikdal, sind die Banditen tätig. So wurden vor kurzer Zeit von der Wehrmacht an der Eismeerstrasse 2 Banditen festgenommen, die ein Funkgerät bei sich führten und den gesamten Verkehr an dieser Stelle der Feindseite mitteilten. In der Nähe von Nautsi wurde ein Wachtposten der Wehrmacht angeschossen. Einige Tage später traten bei Petsamo und Parkkina stärkere Gruppen von Banditen auf, die neben ihrer Zerstörungstätigkeit auch Zivilpersonen um militärische Nachrichten erpressten. Zwischen Hetecja und Nautsi versuchte man die Hochspannungsmasten zu sprengen. Am 20. September wurden an der Brücke bei Salmijaervi von einer grösseren Gruppe 3 Wehrmachtsposten beschossen. Während sich diese Banditentätigkeit also hauptsächlich auf finnischen Boden an der norwegischen Grenze von Nautsi bis zur Küste beschränkt, werden nunmehr auch von russischen Flugzeugen auf norwegischem Gebiet, südlich Kirkenes, in Gefangenschaft geratene deutsche Wehrmachtsangehörige mittels Fallschirm abgesetzt, mit dem Auftrag, nach genauen Skizzen bezeichnete Brücken oder andere militärisch wichtige Anlagen zu zerstören. Die Betreffenden sind mit Höllenmaschinen und anderen hochexplosiven Sprengstoffen, Marschkompaß und Skizzen sowie mit grösseren Geldbeträgen ausgestattet und schwer bewaffnet. Wie bereits berichtet, wurden zur Bekämpfung der Banditentätigkeit folgende Maßnahmen ergriffen: Der gesamte zivile Grenzverkehr zwischen Norwegen und Finnland, von der Küste bis nach Grenzfoss, mit Ausnahme des Überganges bei Elvenes, wurde gesperrt. Die finnische Staatspolizei 2 hat ihrerseits ebenfalls den Grenzverkehr im gleichen Sinne gesperrt. Für den Durchgangsverkehr bleibt lediglich der Grenzpolizeiposten bei Elvenes geöffnet. Die Wehrmacht gab ihrem Posten Anweisung, auf jede Zivilperson, welche die Grenze in dem bezeichneten Gebiet zu überschreiten versucht, zu schiessen. Diese Maßnahmen wurden auf finnische Veranlassung in der finnischen Tageszeitung „Petsamo“ veröffentlicht. Ebenso wurde die norwegische Grenzbevölkerung durch die Presse unterrichtet. Bandentätigkeit im Bereich der Einsatzgruppe D: Im Laufe der letzten Wochen begannen in verschiedenen Teilen des Einsatzgebietes Bandengruppen in grösserer Zahl aufzutreten. Die Tatsache, dass sie die ländliche Bevölkerung durch gewaltsame Beschlagnahme von Lebensmitteln terrorisieren, bedrückt diese und macht sie zum Teil unsicher. Infolge verschiedentlich vorgekommener Misshandlungen und sogar Erschießungen fühlen sich die Einwohner in ihrem Leben, ihrem Eigentum und ihrer Sicherheit bedroht. Die Stimmung leidet insbesondere dann, wenn deutsche Hilfe nicht gleich möglich ist oder Selbstschutzmaßnahmen infolge vorhandener Schwierigkeiten nicht sofort organisiert werden können. Andererseits bewirkt diese Bandengefahr, dass der Hass gegen die Bolschewisten verstärkt wird. Am 3. 10. erfolgte eine Aktion gegen eine erkundete 60 Mann starke Ban-

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de bei Gladkowskaja. Es wurde festgestellt, dass sich die Bande inzwischen selbst aufgelöst und sich die Mitglieder in die umliegenden Ortschaften verzogen hatten, wo ihre Festnahme erfolgen konnte. Am 22. 10. wurden bei Elista 2 Banditen festgenommen, die wichtige Angaben über eine in Astrachan befindliche Partisanenschule und in Astrachan aufgestellte Banden machen konnten. Am 25. 10. wurden dort weitere 18 Banditen festgenommen und einer erschossen. Am 24. 10. gegen 23.00 Uhr wurden 4 Angehörige des Sonderkommandos in Elista beschossen. Sofort eingeleitete Fahndungen nach den Tätern blieben jedoch erfolglos. Unter Beteiligung des EK 10a wurde ein fünftägiges Unternehmen gegen Bande zwischen Noworossijsk und Snapa durchgeführt. Der Gegner verlor 15 Tote, 2 Lebensmittellager, 2 Wohnzelte, Waffen und Geräte. Eigene Verluste: 5 Rumänen gefallen und 5 schwer verwundet, 1 Rumäne wurde verschleppt und ermordet. In Nähe Gostagajewskaja wurden ohne Gefechtsberührung 2 Lebensmittellager und 1 Granatwerfer sichergestellt. […] Bandera-Gruppe: In den Gebieten Sarny und Kostopol wurde ein Flugblatt, betitelt „Partisanen“, verbreitet. Das Flugblatt wendet sich inhaltlich gegen den deutschen und sowjetischen Imperialismus. Es ist festgestellt worden, dass die politische Jugenderziehung der OUN in den Händen der ukrainischen Vereinigungen „Bojtur“, „Junactwo“ und „Proswita“ liegt. Die ukrainische Jugend, Jungen und Mädchen, werden bei regelmäßigen abendlichen Zusammenkünften sportlich geschult und auf die politische Linie der BanderaGruppe ausgerichtet. Die Jugendlichen werden nach einer kurzen Bewährungsfrist auf die 10 Gebote der OUN vereidigt. Um den Organisationen nach aussen einen legalen Charakter zu geben, werden die Zusammenkünfte als sportliche Übungsstunden gekennzeichnet und auch stets mit einem sportlichen Training eingeleitet. Weiter konnte beobachtet werden, dass in Verbindung mit dem sportlichen Training militärische Übungen durchgeführt werden, für die die militärischen Ausbildungsvorschriften der OUN „Der innere Dienst“, „Der Felddienst“ und „Das Schützenstatut“ dienen. Nach einer Bewährungsfrist werden die örtlichen Jugendmannschaften dem Landesverband der OUN angeschlossen. In allen ukrainischen Jugendverbänden wird der Gedanke des selbständigen ukrainischen Staates als oberstes politisches Ziel propagiert. Im Zusammenhang mit der Aufrollung einer illegalen kommunistischen Gruppe in Charkow wurde festgestellt, dass diese Gruppe auch versucht hatte, nationale Ukrainer für ihre Zwecke einzuspannen. Hierbei wandte man sich an das Nationalgefühl der Ukrainer. Als Verbindungsmann der Bandera-Gruppe zu der kommunistischen Gruppe konnte ein Roman Prozinskij festgestellt werden. Dieser kam mit deutschen Truppen aus Lemberg nach Charkow und ist z. Zt. unbekannten Aufenthalts. In seiner Wohnung fanden Besprechungen von Bandera-Anhängern statt. Die Bandera-Anhänger dieser Gruppe arbeiten nach dem Fünfersystem und beabsichtigen angeblich, Sabotage- und Terrorakte durchzuführen. Im Verlauf der Ermittlungen gegen diese Gruppe gelang es in Charkow in der Nacht zum 17. 10. 42 eine illegale Druckerei der Bandera-Gruppe auszuheben. Hierbei entwickelte sich ein lebhaftes Feuergefecht. Es endete mit der Festnahme von 11 BanderaAgenten. In der Druckerei wurden umfangreiches Propagandamaterial und 14 Kisten mit Matrizen beschlagnahmt. In Belaja Zerkow bei Kiew wurden 4 Personen, darunter 1 Lehrer, wegen Betätigung für die Bandera-Gruppe festgenommen. In Luzk wurde ein Bandera-Mann bei einem Fluchtversuch erschossen. In Cherson wurde 1 Bandera-Anhänger wegen des Verdachts, bei einem Einbruch RM 6000,– gestohlen zu haben, festgenommen. In Nikolajew wurde erneut Propagandamaterial der Bandera-Gruppe erfasst. In Kiew

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wurde der Ukrainer Iwan Spak festgenommen, der einen Pass auf den Namen Sabtroschets bei sich führte. Spak ist seit 1936 Mitglied der OUN und im Auftrage des BanderaSpitzenfunktionärs Legenda von Lemberg nach Kiew gekommen. Festgenommen wurde weiter ein Dimitri Marko, der einen Pass auf den Namen Krauschenko besass. Melnik-Gruppe: Unter dem bei dem Melnik-Anhänger Kusmyk sichergestellten Schriftmaterial befand sich auch ein Flugblatt „Ein Teil – zwei Methoden“. Das Flugblatt ist insofern beachtlich, als es wie folgt schliesst: „Wir hassen das bolschewistische Joch tödlich, aber ebenso tödlich hassen wir auch jedes andere Joch. Herr auf ukrainischem Boden kann nur ein Ukrainer sein.“ Bei Kusmyk wurde noch ein Brief des Propagandaleiters Konstantin Horskyj gefunden, der grundsätzliche Anweisungen für die Propaganda enthält. Nationalukrainische Partei: In Popelnja bei Shitomir wurden 15 Personen, darunter ein Geistlicher, bei dem Versuch der Gründung einer nationalukrainischen Partei festgenommen. B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung im Generalbezirk Litauen: Stimmen aus der litauischen Bevölkerung bringen zum Ausdruck, dass die allgemeine Stimmung in Litauen hauptsächlich von wirtschaftlichen Faktoren bestimmt wird. Wohnungs- und Heizungsfragen, Einstellung der Fleischzuweisung, ungleichmäßige und ungenügende Verteilung verschiedener Erzeugnisse u. ä. m. wirken besonders stimmungsbeeinträchtigend. Gerade die Schwierigkeiten auf dem Gebiete des Wohnungswesens sind z. Zt. besonders aktuell. Man verweist darauf, dass der Aufruf des ersten Generalrates über die Wohnungsfrage sowie der Artikel des Stadtkommissars in der „I Laisve“ Nr. 227 unter der städtischen Bevölkerung grosse Besorgnis hervorgerufen haben. Die Stadtbewohner erklären, dass sie bereit sind, die Wohnungen im Stadtzentrum den Deutschen zu überlassen, wenn sie menschenwürdige Wohnungen anderweitig zugewiesen erhalten würden. Durch die allgemein herrschende Wohnungsknappheit und die fehlende Verbindung mit den Vororten entstünden bei einem Wohnungswechsel ganz besonders grosse Schwierigkeiten. Das Fehlen von Brennmaterial bereitet der Bevölkerung grösste Sorge, zumal Holzvorräte so gut wie nicht vorhanden sind. Auch auf Brennholzkarten erhält die Zivilbevölkerung z. Zt. fast überhaupt kein Holz zugewiesen. Die Anordnung über die Einstellung der Fleischversorgung hat unter der Stadtbevölkerung ernste Besorgnis hervorgerufen. Es wird darauf hingewiesen, dass diese Anordnung nur den Schleichhandel beleben wird. Grosse Unzufriedenheit schafft auch die Versorgung mit Spinnstoffwaren. Es sei allgemein bekannt, dass die Verwandten und Bekannten der Leiter der Verteilungsstellen voll und ganz mit allem versorgt seien. Auch die Verteilung der Bezugspunkte für Spinnstoff und Schuhwaren wird beanstandet. Obgleich von der Zentralstelle eine grössere Punktzahl bewilligt werde, erhalten die Provinzstellen nur etwa den dritten Teil davon. So wurden z. B. für die Stadt Panovezys für Spinnstoffe und Schuhwaren für das Jahr 1942 insgesamt 74 000 Punkte bewilligt. Die Verteilungsstellen hätten aber nur 14 000 Punkte erhalten. Grosse Schwierigkeiten bestehen nach wie vor in der Versorgung der Städter mit Gemüse. Die Versorgung mit Gemüse durch die „Sodyba“ stünde nur auf dem Papier, denn in Wirklichkeit erhielte die Bevölkerung fast nichts. Aus Wirtschaftskreisen verlautet, dass z. Zt. in den Lagern der „Pienocentras“, ja selbst in ungeeigneten Elevatoren, grosse Mengen Butter eingelagert seien, die bereits zu verderben beginnen. Der litauischen Bevölkerung fällt immer mehr der merkliche Unterschied in der Versorgung zwischen Deutschen und Litauern auf. Die Litauer wünschen, dass dieser grosse

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Kontrast irgendwie beseitigt werde. Viel beanstandet wird auch die ungleiche Behandlung auf sozialem Gebiet. Es wird darauf hingewiesen, dass in Betrieben, wo Deutsche und Litauer die gleiche Arbeit verrichten, die deutschen Arbeiter doppelt so hoch bezahlt werden wie die einheimischen. In den Kreisen der Arbeiter und Angestellten wird über die soziale Behandlung lebhaft Klage geführt. Obgleich die Versicherungskassen über grosse Einnahmen verfügen, erhalten die in Not geratenen Werktätigen nur den halben Lohn. Noch schlimmer sei es, wenn der Werktätige sich in Krankenhausbehandlung begeben muss. In diesem Falle bleibe die Familie ohne jede nennenswerte Unterstützung. Ungenügende ärztliche Hilfe und Arzneimittel sowie zu hohe Arzthonorare geben immer wieder zu Klagen Anlass. In Kreisen der ländlichen Bevölkerung herrscht Unzufriedenheit und Unruhe wegen der Aufforderung zur Ablieferung des gesamten Brotgetreides. Oft wird die Meinung laut, dass die Ablieferungspflicht an Produkten einer Kontribution gleichkommt, da das erhaltene Geld ja doch in irgendeiner Form an die Regierung zurückgezahlt werden muss. Die Bauern beklagen sich ferner, dass für den Drusch des Getreides kein Betriebsstoff zu erhalten sei. Pferdedreschsätze findet man häufig; man könnte sie auch benutzen, aber es seien hierzu grössere Reparaturen erforderlich, und die Schmieden erhalten kein Eisen und keine Kohle. Schnapsprämien für die Erfüllung der Ablieferungskontingente erregen sehr oft den Unwillen der bäuerlichen Bevölkerung. Diese wünscht, dass ihr bei Ablieferung der gesamten Menge der Kauf von Maschinen, Eggen, Sensen, Nägeln usw. ermöglicht wird.

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Bei der Betrachtung der politischen Lage werden sehr häufig Vorwürfe über die Generalräte laut, dass sie wankelmütig sind, das Bestreben des Volkes nicht verstehen und zu viel den Wünschen der Deutschen nachgeben. Die Zivilverwaltung wird als eine Okkupationsverwaltung betrachtet, die sich bemüht, die hergestellten Gegenstände für eigene Angelegenheiten zu benutzen und auf die Interessen der Einwohner keine Rücksicht nimmt. Allgemeine Lage und Stimmung im Generalkommissariat Lettland: In der lettischen Bevölkerung wird in letzter Zeit das militärische Geschehen wieder häufiger erörtert. Im Vordergrund stehen die Kampfhandlungen bei Stalingrad und die Belagerung Leningrads. Es wird auch von einer kritischen Lage der deutschen Kriegswirtschaft gesprochen. Als Beweis führt man die beabsichtigte Verschickung von 30 000 lettischen Arbeitskräften ins Reich an. Die Letten glauben, dass im Reich ein so starker Mangel an Arbeitskräften herrscht, dass sogar auf ein so dünn besiedeltes Land wie Lettland zurückgegriffen werden müsse. Dies hinge mit dem Truppenmangel an der Front zusammen, wo sehr grosse Verluste eingetreten seien. In lettischen Intelligenzkreisen geht augenblicklich das Gerücht um, dass die baltischen Staaten in nächster Zeit dem Deutschen Reich einverleibt würden. Die zunächst nur in den Intelligenzkreisen erörterten Gesprächsthemen über den „Nordischen Staatenblock“ unter der Führung Schwedens werden mehr und mehr auch in der Bevölkerung besprochen. In Arbeiterkreisen nehmen die Klagen über die geringe Zuteilung von Lebensmitteln, Schuhwerk und Kleidern weiterhin zu. In verschiedenen Betrieben sind Arbeiter nicht zur Arbeit erschienen, weil ihnen bei dem jetzigen schlechten Wetter das geeignete Schuhwerk fehlt. Man denkt jetzt schon mit Besorgnis an den kommenden Winter und hofft, dass eine Erhöhung der Lebensmittelrationen, wie sie im Reich für den 19. 10. d. Js. erfolgt ist, durchgeführt wird. Die vom Generalkommissariat kürzlich durchgeführte Versammlungswelle in fast allen Rigaer Betrieben hat bei der Arbeiterschaft keinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Man äusserte, dass diese Versammlungen genau dasselbe seien wie die Agitation in der Bolschewistenzeit, nur mit dem Unterschied, dass damals für die Arbeiterschaft der Lebensstandard wesentlich besser gewesen sei. In den Augen der einheimischen Bevölkerung hat das Rigaer Arbeitsamt bereits die Stelle des jüdischen NKWD eingenommen. So wird diese Behörde im Volksmund nur mehr als Tscheka bezeichnet. Man sagt: Die Juden (Kommunisten) verschickten uns nach Russland, die Deutschen ins Reich; die Russen haben auch das von den Deutschen angenommene Wortspiel „freiwillige Verschickung“ ebenso verwendet. Propagandistisch sehr ungünstig wirkt sich die vom Rigaer Arbeitsamt erfolgte Verschickung der 107 Arbeiter nach den estnischen Kukkast-Brennschieferbrüchen aus. Der nächste Transport von weiteren 100 Mann konnte nicht zusammengebracht werden, da ein Grossteil der Arbeiter flüchtig geworden ist. Wirtschaftliche Lage im Generalbezirk Lettland: Landwirtschaft: Die Unzufriedenheit der Landwirte mit den bestehenden Marktpreisen für landwirtschaftliche Erzeugnisse wird nach den vorliegenden Meldungen immer grösser, da die Landwirte gehofft hatten, dass der Preis für die in diesem Jahr abzuliefernde Ernte höher und es dadurch leichter sein würde, die auferlegten Steuern zu entrichten. In diesem Zusammenhang macht sich in der letzten Zeit folgende Propaganda bemerkbar, die bei den Bauern auch Gehör findet: Die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse seien absichtlich niedrig gehalten worden, damit die Bauern nicht in der Lage seien, die ihnen auferlegten Steuern zu bezahlen. Diejenigen, die die Steuern bezahlen wollten, müssten sich mit Spekulationen befassen bzw. Schwarzhandel treiben, doch seien die Aussichten für beide Gruppen die gleichen.

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Diejenigen, die ihre Steuern nicht bezahlen, wie auch diejenigen, die bei Spekulationen erfasst würden, hätten keinerlei Gewinn, da sie aus ihren Gehöften herausgesetzt würden. In diese würden dann als neue Wirte Reichsdeutsche eingewiesen. Dass dieses tatsächlich bezweckt werde, beweise schon allein der Umstand, dass bis zum heutigen Tage keinem Landwirt der ihm während der Bolschewistenzeit enteignete Besitz zurückgegeben worden sei und die Landwirte auf ihren eigenen Höfen nur Verwalter seien. Auch mit der Ablieferungsauflage von Vieh ist man unzufrieden und erwartet, dass die zur Zeit geltenden Auflagen geändert werden. Infolge Treibstoffmangels haben die Druscharbeiten eine starke Verzögerung erlitten. Obwohl eine Anzahl von Ackerschleppern auf den Betrieb mit Holzgas umgestellt worden ist (bisher sind etwa 700 Schlepper mit Gasgeneratoren versehen worden), liegt eine ganze Reihe von Schleppern, die bisher noch nicht umgestellt werden konnten und für die Treibstoff fehlt, still. Dampflokomobile, die in Lettland allerdings nur im geringen Maße vorhanden sind, können wegen Mangels an Schmieröl nur in geringem Umfange eingesetzt werden. Die zur Verfügung gestellten Schmierölmengen sind für neue Lokomobile errechnet worden. Da in Lettland jedoch ausschliesslich ältere Maschinen vorhanden sind, die einen viel höheren Verbrauch haben, genügt die zugewiesene Menge nicht. Auch die Belieferung der Landwirtschaft mit Ersatzteilen für landwirtschaftliche Geräte stösst auf grosse Schwierigkeiten und macht sich sowohl bei den Boden- wie auch Erntearbeiten störend bemerkbar. Durch die neue Regelung der Eisenscheine hat die Belieferung eine grosse Verzögerung erfahren. Die Bezugscheine auf Eisenwaren sind bei den Genossenschaften auf dem Lande mit einer grossen Verspätung eingetroffen, obgleich bei den Werken, die für den landwirtschaftlichen Bedarf arbeiten, kein Mangel an Ersatzteilen bestehen soll. Besondere Schwierigkeiten entstehen aus Mangel an Hufeisen und Stollen für den Hufbeschlag. Schon seit längerer Zeit sind auf dem Lande weder Hufeisen noch Stollen oder Hufnägel zu bekommen, obgleich die Fabrik „Vairogs“ dieselben herstellt und auch besondere Hufnägel aus dem Reich eingeführt wurden. Bei der Veterinärverwaltung Riga sind in der letzten Zeit in verstärktem Umfange Pferde eingeliefert worden, die infolge Mangels an Beschlag an verschiedenen Hufkrankheiten leiden und darum nicht einsatzfähig sind. Eine weitere Verschlechterung der Lage wird in nächster Zeit auch dadurch eintreten, dass für den landwirtschaftlichen Bedarf keine Treibriemen mehr freigegeben werden. Soweit Lieferungsscheine schon ausgestellt worden sind, dürfen die Hersteller von Treibriemen auch diese Aufträge nicht mehr durchführen. Versorgung: Die Erhöhung der Brotrationen im Reich hat sich in Lettland stimmungsmäßig ungünstig ausgewirkt und unter der Bevölkerung Unzufriedenheit hervorgerufen. Ein stimmungsmäßiger Erfolg würde jedoch nach den vorliegenden Meldungen nur eintreten, wenn eine entsprechende Erhöhung sofort vorgenommen würde. Sollte letzteres erst nach einigen Monaten geschehen, so würden die Letten diese Erhöhung nicht auf den guten Willen der deutschen Verwaltung zurückführen, sondern ihn als einen Erfolg ihrer eigenen Bemühungen um die Erhöhung der Lebensmittelrationen betrachten und auswerten. Nach wie vor bemüht sich die Wirtschaftskammer Lettland, eine Erhöhung der Verdienstspanne beim Einzelhandel herbeizuführen. Es wird darauf hingewiesen, dass die Handelsunternehmen bei der zur Zeit zulässigen Verdienstspanne ihre Geschäftsunkosten und Steuerzahlungen nur auf Kosten ihrer Reserven oder sogar mit ihrem Grundkapital decken könnten und somit einer Zahlungseinstellung entgegensehen würden. Die Mehrzahl der Privatunternehmen habe keine Reserven, sondern wohl eher Bankschulden für die bei der Privatisierung übernommenen Waren. Sollten nun die Geschäfte auf die Dauer

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nur Verluste bringen, so muss mit einer Kündigung der Bankkredite gerechnet werden, was zur Arbeitseinstellung dieser Handelsunternehmen führen würde. In einer verhältnismäßig besseren Lage dürften sich die Staatshandelsunternehmen befinden, da sie über grössere Reserven verfügen. Die Versorgung der Zivilbevölkerung mit Bekleidung und Schuhwerk wird als sehr ernst bezeichnet. Falls in nächster Zeit keine Abhilfe geschaffen werden könnte, müsste mit einem weiteren starken Absinken der Stimmung und erhöhter Unzufriedenheit – insbesondere in Kreisen der Arbeiterschaft – gerechnet werden. […] Arbeits- und Sozialwesen: Die Überleitung des Arbeitseinsatzes auf die lettische Selbstverwaltung kann als abgeschlossen bezeichnet werden. Letztere wird damit immer mehr zur selbständigen Durchführung der Arbeitseinsatzfragen herangezogen. In besonders dringenden Fällen wird ihr das Recht der Dienstverpflichtung eingeräumt. Bisher habe es sich nach den vorliegenden Meldungen herausgestellt, dass die lettischen Beamten die meisten Probleme einseitig lettisch sehen und zu lösen versuchen. Sowohl seitens der lettischen Bevölkerung als auch der deutschen Betriebsführung werden immer wieder Klagen über die Tätigkeit des Arbeitsamtes laut. Diese richten sich jedoch nicht so sehr gegen die deutsche Leitung, sondern mehr gegen die untergeordneten lettischen Stellen. Man ist der Meinung, dass die lettischen Beamten nicht immer im Sinne ihrer deutschen Vorgesetzten handeln und die ihnen übertragenen Aufgaben zu selbständig lösen wie auch eigenmächtige Entscheidungen treffen. Besonders die Arbeitsämter in Windau, Goldingen und Talsen sollen weder über die Zahl der Arbeitskräfte noch über Erfordernisse und Saisonschwankungen eine Übersicht besitzen. Als Beispiel wird folgender Vorfall gemeldet: In einem Windauer Holzsägewerk verringerte sich die Zahl der Arbeiter im Laufe eines knappen Jahres von 320 auf 70, weil allmählich 250 Personen ihren Arbeitsplatz eigenwillig verlassen haben. Trotz der Bemühungen des Arbeitsamtes konnten dem Markt die erforderlichen Arbeitskräfte nicht wieder zugeführt werden. Ferner ist es im Windauer Kreis mehrfach vorgekommen, dass mitten in der Herbstarbeit den Bauern Arbeitskräfte weggenommen wurden. Die Bauern beklagen sich darüber, dass sie die Arbeiter, die sie bisher die ganze Zeit verpflegt haben, gerade zu dem Zeitpunkt verlieren, zu dem sie sie am dringendsten brauchen. Die geringe Arbeitsdisziplin gibt immer mehr zu Klagen Anlass. So werden Krankheiten vorgeschützt und angeblich auch von den Ärzten ohne gründliche Untersuchung bescheinigt oder die Arbeit oftmals ohne Grund für kürzere oder längere Zeit unterbrochen. Zahlreiche Betriebe gingen dazu über, nicht unbeträchtliche „Bummelreserven“ zu halten, um eine annähernd gleichbleibende Leistung des Betriebes zu sichern. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass nicht immer böser Wille oder mangelnde Einsicht der Grund der Arbeitsunlust ist, sondern auch das Fehlen von Kleidern und Schuhwerk sich mit dem Eintreten der feuchten Witterung immer stärker bemerkbar macht. Die Klagen über ungenügende Verpflegung, die die Leistungsfähigkeit in starkem Maße herabsetzt, nehmen zu, während in gleichem Maße die Arbeitsfähigkeit abnimmt. Bei der Landbevölkerung hat sich der Einsatz der deutschen Erntehelfer (Wehrmacht und Arbeitsdienst) sehr gut ausgewirkt. In gutwilligen lettischen Kreisen ist man stolz darauf, dass ein Teil der Söhne im Reich im Arbeitsdienst ausgebildet werde. Für den Bedarf der reichsdeutschen Zivildienststellen müssen in Riga laufend weitere Häuser von der einheimischen Bevölkerung geräumt werden. Die von dieser Aktion betroffenen Bewohner erhalten vom Wohnungsamt andere Wohnungen gewiesen, die aber gewöhnlich an der Peripherie der Stadt liegen und kaum bewohnbar sind. Besonders die

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Art und Weise, wie derartige Aktionen durchgeführt werden, rufe in der Bevölkerung grosse Unzufriedenheit hervor. Allgemeine Lage und Stimmung der Bevölkerung im Generalbezirk Weißruthenien: Im Vordergrund der die Bevölkerung Weissrutheniens interessierenden Fragen steht weiterhin die Bandenfrage und die damit eng zusammenhängende Frage auf dem Gebiete der Ernährungswirtschaft. Dabei ist das Interesse der Bevölkerung kein waches, anteilnehmendes, sondern mehr ein labil-apathisches. Stimmen aus den Reihen der deutschen Bevölkerung lassen verlauten, dass man die Schwierigkeiten, die einer wirksamen Bandenbekämpfung noch entgegenstehen, durchaus erkenne. Ohne die Bedeutung der gewissen Gefahren der Bandentätigkeit zu unterschätzen, muss jedoch festgestellt werden, dass diese Gefahren durch Gerüchtemacherei in deutschen Kreisen in einer z. T. unverantwortlichen Weise grösser gemacht werden, als sie augenblicklich sind. Von deutschfreundlicher und aktivistischer weissruthenisch-russischer Seite wird in diesem Zusammenhang immer wieder darauf hingewiesen, dass man in der Bandenbekämpfung in einem grösseren Umfang als bisher auch „Russen gegen Russen“ einsetzen müsse, zumal der Gedanke des „weissruthenischen Selbstschutzes“ gegen das Bandenunwesen tatsächlich einen relativ breiten Resonanzboden bei Teilen der einheimischen Bevölkerung gefunden habe. Hinsichtlich der Ernährungslage wird die Lage als unverändert bezeichnet. In maßgebenden Kreisen der Verwaltung (Minsk) verlautet, dass die Ernährungslage für die städtische Bevölkerung im kommenden Winter katastrophal werde, wenn die Entwicklung so weitergehe wie bisher. Dies träfe z. T. auch für die ländliche Bevölkerung zu. Dagegen liegen aus den westweissruthenischen Gebieten Meldungen vor, die örtlich von einer guten gesicherten Ernte, die den Durchschnitt der letzten Jahre überragt, sprechen. Die kürzlich in der Presse erfolgte Verkündung über die Einführung der Lebensmittelkarten hat in den Kreisen der deutschen Bevölkerung lebhafte Erörterungen ausgelöst. Oft wird zum Ausdruck gebracht, dass man es unverständlich finde, den im Osten eingesetzten Deutschen so systematisch alle Vergünstigungen genommen zu haben, die bisher ihren Aufenthalt ein wenig angenehm machten. In diesem Zusammenhang wird auf die Kürzung der Tagegelder hingewiesen und erklärt, dass man es unverständlich finde, dass gerade der Osten als erster von dieser Härte betroffen werde. Es wird auf Grund der sich bei der Einführung der Lebensmittelmarken ergebenden Schwierigkeiten offen darauf hingewiesen, dass die Einführung der Lebensmittelmarken für Reichsdeutsche verfrüht sei, denn organisatorisch bedeute diese Neuregelung eine erhebliche Belastung der Zivilverwaltung. Ausserdem meint man, dass diese Neuregelung politisch gesehen sich keineswegs günstig auswirken könne, da man sich in einem ausgesprochenen Agrarland befinde und man die wenigen Deutschen doch ohne diesen komplizierten Apparat ernähren könne. Ausserdem wurde bekannt, dass einige Gebietskommissare die Einführung der Lebensmittelkarten in ihren Gebieten mit der Begründung abgelehnt haben, dass es sich arbeitsmäßig gar nicht lohne, für die wenigen Reichsdeutschen ihres Gebietes den notwendigen Apparat aufzubauen, weil sie einfach die dafür erforderlichen Menschen nicht hätten. Wirtschaftliche Lage im Generalbezirk Weissruthenien: Landwirtschaft: Die Ernte, die von der Witterung sehr begünstigt war, hat nach den vorliegenden Meldungen ein verhältnismäßig günstiges Ergebnis. Ihre Sicherstellung für das Reich ist lediglich eine Machtfrage gegenüber den Banden. Die Ablieferungswilligkeit der Bauern wird als nicht schlecht bezeichnet, da sie trotz des hohen Ablieferungssolls, das allerdings an der Grenze einer ordentlichen Vorrats- und Saatgutwirtschaft liegt, mehr behalten als zur Sowjetzeit und zudem einen festen Preis bekommen, der ebenfalls höher als früher liegt. Diese po-

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sitive Einstellung der Bauern wird auch mit auf die Gestaltung der Agrarreform zurückgeführt. Insbesondere die Überspringung der ersten Stufe der Agrarreform, der Gemeinwirtschaft, durch Bildung von Landbaugenossenschaften habe den Bauern gezeigt, dass die deutsche Führung nicht lediglich die sowjetische Form der Kolchose nur anders benennt, und habe dadurch stimmungsmäßig ausserordentlich belebend gewirkt, da die Bauern sich hervorgehoben und ausgezeichnet sahen. Soweit von ihnen eine eigene Stellungnahme erfolgte, geschah dies in der Richtung, dass sie sich durch das ihnen erwiesene Vertrauen und die Hervorhebung ihrerseits verpflichtet sahen, eine besondere Arbeitsleistung zu vollbringen. So wurde ein Einzelfall bekannt, in dem ein junger Bauer anlässlich einer Feldbesichtigung zur Rede gestellt wurde, weil er einen Schlag nicht restlos mit Kartoffeln bestellt, sondern eine Ecke des Feldes mit Buchweizen besät hatte. Der Bauer erklärte daraufhin, dass seine Familie den ganzen Winter kaum Kartoffeln gegessen habe, um genügend Saatgut zu haben. Trotzdem habe es nicht gereicht. Er habe sich daher aus Weissruthenien von einem Verwandten für 350 Rubel Buchweizen besorgt, denn er habe doch dem Führer das schriftliche Versprechen abgegeben, dass er keinen Flecken Landes unbestellt lasse. Bei den Bauern ist ein starker Hang zum Einzelhof festzustellen. So macht man vielfach die Beobachtung, dass auf seit Jahren aufgelassenen Hofstellen die früheren Eigentümer in den Trümmern in einer Erdhütte hausen und ihre Wohnung im Dorf aufgegeben haben. Die Landwirtschaftsführer sind der Ansicht, dass mindestens 75 % der in der Landwirtschaft beschäftigten Landwirte als Bauern in Frage kommen; etwa 25 % werden als Bauern im deutschen Sinne bezeichnet. Als Ablieferungssoll wurden im laufenden Jahr 1 dz Getreide und 2 dz Kartoffeln auf den Hektar der zugeteilten Fläche einschliesslich Weiden festgesetzt. Für die Ablieferung besteht eine Kollektivhaftung der Landbaugenossenschaft, so dass jeder Genosse auch an der Arbeitsleistung seines Nachbarn interessiert ist. Die dabei von den Bauern selbst vorgebrachten Erfahrungen über die Arbeitsleistung des einzelnen Bauern bilden mit eine Grundlage bei der späteren Zuteilung des Landes an Einzelhöfe. Der Bestand des Viehes ist als ausserordentlich schlecht zu bezeichnen. So beträgt der Pferdebestand 35 % des normalen Sowjetbestandes vor der Motorisierung. Das Ablieferungssoll für Vieh beträgt 20 kg Lebendgewicht pro Hektar der zugeteilten Landfläche. Besonders in Westweissruthenien macht sich die Grossviehhaltung als Härte für den Bauern bemerkbar, da er zur Erfüllung eines Solls von z. B. 100 kg die einzige Kuh mit 200 kg abgeben muss. In Ostweissruthenien mit starker Kleinvieh- oder Geflügelzucht liegen die Verhältnisse günstiger. Arbeits- und Sozialwesen: Die Arbeit der Werbekommissionen wurde durch von den Banden erfolgte Verbote, sich nicht anwerben zu lassen, sowie durch Gegenpropaganda über angeblich schlechte Zustände im Reich und in den Arbeitslagern stark gehemmt. Das Kontingent der freiwilligen Arbeiter erscheint als erschöpft. Zur Erreichung der vorgeschriebenen Arbeiterzahlen ist bereits Zwangsaushebung notwendig gewesen. Die festgesetzten Sollzahlen entsprechen in keiner Weise dem vorhandenen Menschenbestand und lassen vor allem auch die örtliche kriegswichtige Industrie und ihren Bedarf unberücksichtigt. Es stellte sich heraus, dass sich erhebliche Unterschiede bei der Anwerbung in den alten und den neuen Sowjetgebieten ergaben. Durchweg war im altsowjetischen Gebiet und unter der weissruthenischen Bevölkerung eine grössere Freiwilligkeit festzustellen. Dazu kommt, dass die Bevölkerung des neuen Sowjetgebietes landwirtschaftlich erheblich besser gestellt ist und daher befürchtet, im Reich nicht soviel Lebensmittel zu bekommen. Die bekanntgegebene Menge der Lebensmittelrationen der fremdvölki-

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schen Arbeiter im Reich, die sich nicht wesentlich von denen der deutschen Bevölkerung unterscheide, wirkte im Altsowjetgebiet für die Werbung günstig. Zurückgekehrte Arbeiterinnen konnten erfasst und über ihre Eindrücke im Reich gehört werden. So gaben z. B. zwei 17-jährige Arbeiterinnen aus dem Gebiet Newel an, dass sie sich mit 19 anderen Personen ihres Dorfes anwerben liessen. Der Grund dazu sei die Erschwerung des Landlebens durch die Banditen gewesen. Ein Verwandter sei schon mehrere Monate vorher ins Reich gefahren und habe günstig geschrieben. Im Arbeitslager Auschwitz bei Krakau seien sie anständig untergebracht worden, hatten ein eigenes Bett und reichliche, wenn auch wenig schmackhafte Verpflegung gehabt. Das Ausgehverbot, die mangelnde Unterhaltung und ein schlechtes Verhältnis zu den dort beschäftigten Ukrainern wurden beanstandet. Im neuen Sowjetgebiet drohen die Banden der Bevölkerung im Falle einer Anwerbung die Wohnungen niederzubrennen. Diese Drohung wird auch von der Bevölkerung durchaus ernst genommen. Andere, an sich willige Arbeitskräfte lehnen die Anwerbung ab, da sie auf Grund von Briefen oder Erzählungen von Rückkehrern befürchten, dass die Verpflegung im Reich mangelhaft sei, während in ihrem landwirtschaftlichen und von den Sowjets nur kurz beherrschten Gebiet ausreichend Lebensmittel vorhanden seien. Vereinzelt wurde auch unzureichende soziale Betreuung (Rücksendung von Kranken) befürchtet. Von den für die Anwerbung zuständigen Stellen wurde zunächst versucht, durch Appell an das Ehrgefühl der Weissruthenen (Dank für die Befreiung) Menschen anzuwerben. Danach wurden sämtliche erfassbaren Zwangsarbeiter und entlassenen sowjetischen Kriegsgefangenen erfasst. Auch bei Zwangswerbung wirkte die gleichzeitige Veröffentlichung positiver Äusserungen aus dem Reich beschäftigter Arbeiter günstig. Bezeichnend ist, dass Arbeitskräfte des polnischen Volksteiles eine feindseligere Haltung an den Tag legen. Die Auswahl der Arbeitskräfte durch die Bürgermeister erfolgte vielfach nicht in passender Form und ohne hinreichende Überprüfung der Familienverhältnisse und der wirtschaftlichen Lage, so dass die Aushebung fast der sowjetischen Zwangsverschickung ähnlich war und eine in entsprechender Stimmung sich zeigende Auswirkung in diesen Gebieten hatte. Die Behandlung in den Lagern und auf den Transporten wird im allgemeinen als gut bezeichnet. Die laufende allgemeine Propagandaaktion zur Bekämpfung der Banden wird möglicherweise auch für den Arbeitseinsatz eine Auflockerung bringen. Die dabei herauszustellenden Punkte müssen sich in erster Linie mit Aufklärung über die Arbeitsbedingungen im Reich (Unterbringung in Lagern ohne Stacheldraht, Einzeleinsatz in der Landwirtschaft, Einsatz geschlossener Familien auch mit einem Kleinkind ebenfalls in der Landwirtschaft, ausreichende Verpflegung und gesundheitliche Betreuung, Behandlung im Krankheitsfalle, uneingeschränkter Postverkehr mit Angehörigen) befassen. C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR Eine Reihe von Meldungen befasst sich mit dem Ablauf des Wirtschaftsprozesses im sowjetrussischen Gebiet. Bezeichnend für diese Meldung ist, dass alle in der Grundtendenz die sowjetische Wirtschaft in ihrem Rüstungssektor günstig werten. Hiergegen fallen aber die Urteile über die Produktion aller übrigen Sektoren meist ab. In den verbliebenen Rüstungsindustrien ist im grossen und ganzen eine Produktionssteigerung zu vermerken. Die Arbeitsintensität wird durch alle möglichen Maßnahmen gefördert. Der Druck der Aufsichtsbehörden scheint zugenommen zu haben. So liegen Meldungen vor, dass eine ganze Reihe Fabrikdirektoren verhaftet worden ist, da sie nicht mit genügender Härte gegen sabotierende Arbeiter vorgegangen sind. Es wurden Urteile über Zwangsarbeit und Gefängnisstrafen verhängt. Aber nicht nur durch diese Maßnahmen wird die Arbeits-

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willigkeit gesteigert. Gleichzeitig versucht die sowjetische Propaganda nicht ungewandt über den Rundfunk die Arbeiter zu beeinflussen. Neuerdings gibt der sowjetische Rundfunk einen täglichen Aufruf an alle in der Rüstungsindustrie Tätigen durch und fordert zur Produktionssteigerung auf. Die Evakuation und Wiedererrichtung von Sowjetfabriken wird verschärft durchgeführt. Eine Reihe von Meldungen offizieller sowjetischer Stellen behauptet die Wiederinbetriebnahme seinerzeit aus dem besetzten Gebiet evakuierter Betriebe. Dennoch scheint durch das Vorgehen der deutschen Truppen in die Industrie der Sowjetunion eine empfindliche Lücke geschlagen zu sein. Aus dem Auslande häufen sich die Meldungen, dass ganze Fabrikanlagen aus Amerika nach der UdSSR verschifft werden sollen. So z. B. eine Autoreifenfabrik von Ford aus Detroit, die eine der modernsten ihrer Art sein soll. Das gleiche hört man über Erdölraffinerien u. a. m. Wesentlich schlechter scheint es mit dem Transportwesen bestellt zu sein. Über Transportmängel sind bisher immer wieder Klagen eingelaufen, die darauf schliessen lassen, dass in der sowjetischen Wirtschaft das Transportwesen eine der verwundbarsten Stellen ist. Neuerdings sehen sich auch Moskauer offizielle Stellen genötigt, zu diesem Problem Stellung zu nehmen. Die Moskauer „Prawda“ greift die „unglaublichen Zustände“ im Uralgebiet an, die auf Nachlässigkeiten im Transportwesen zurückzuführen seien. Russland seien die wichtigsten Eisenbahnen und das kostbare Zubehör verlustig gegangen. Mit jedem Rückzug wird eine neue Last auf die äusserst überbürdeten Eisenbahnen geworfen. Die vollkommene Unterbindung des Flussverkehrs auf der Wolga könne das Transportwesen zu einem vollständigen Zusammenbruch bringen. BAB, R 58/699 1 Designierter neuer CdS war in Folge einer entsprechenden Genehmigung Hitlers seit 10. 12.1942 der bisherige HSSPF Donau, Ernst Kaltenbrunner. Damit gab Himmler die seit dem Tod Heydrichs bestehende eigene kommissarische Leitung des RSHA ab; vgl. Wildt: Generation des Unbedingten, S. 693– 696; Black: Kaltenbrunner, S. 143–148; zur Person ders.: Ernst Kaltenbrunner. Der Nachfolger Heydrichs, in: Smelser/Syring: Die SS: Elite unter dem Totenkopf, S. 289–304; Gafke: Heydrichs Ostmärker, S. 227–250. Bruno Streckenbach, Amtschef I u. zudem Stellvertreter Himmlers als Gerichtsherr im RSHA, der sich seinerseits Hoffnungen auf die Leitung gemacht hatte, bat Himmler am 14. 12. um eine Entbindung von seinen bisherigen Aufgaben u. eine Frontverwendung bei der Waffen-SS. Der Bitte entsprach Himmler, u. Streckenbach kam bald darauf zur SS-Kavalleriedivision, bei der er es in kurzer Zeit bis zum Regiments- u. vorübergehend auch zum Divisionskdr. brachte. 1944 war er im Rang eines SS-Gruf. Kdr. der 19. SS-Division „Lettland“; vgl. Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1941/42, S. 644; Wildt: Generation des Unbedingten, S. 696 f. 2 Vgl. Oula Silvennoinen: Geheime Waffenbrüderschaft. Die sicherheitspolizeiliche Zusammenarbeit zwischen Finnland und Deutschland 1933–1944, Darmstadt 2010.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 20. XI. 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 30 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandenbekämpfung: Der RF-SS und Chef der Deutschen Polizei hat SS-Obergruppenführer v. d. Bach mit der intensiven Bekämpfung des Bandenunwesens im weissruthenischen Raum beauftragt.1 Die neue Aktion ist in Vorbereitung; vereinzelt durchgeführte

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Teilunternehmungen brachten bereits grössere Erfolge. So konnten im Raum südlich Tscherwen bei einer Aktion 176 Feindtote, darunter 11 Flintenweiber, bei nur 3 eigenen Verlusten festgestellt werden. Südlich Borissow sind von einer auf 300 Mann geschätzten Bande 136, darunter der Bandenführer, gefallen. Ausserdem wurden 10 Gefangene gemacht. 3 Feindlager wurden vernichtet und grosse Beute eingebracht, darunter an Versorgungsgütern etwa 4000 to Kartoffeln, 3000 to Getreide, 1500 Rinder, 800 Schafe, 700 Schweine. Bei einem Unternehmen nordwestlich Sluzk hatten die Banden ebenfalls stärkere Verluste. Unter den Toten befand sich ein hoher Bandenführer in Generalsuniform. In letzter Zeit wurde festgestellt, dass sich die Banden immer mehr an die litauische Grenze heranschieben. Es fand auf weißruthenischem Gebiet in der Nähe des litauischen Ortes Vasiunai ein heftiges Feuergefecht zwischen einer auf etwa 1000 Mann geschätzten Bande und einer weissruthenischen Kompanie statt. Auf beiden Seiten traten starke Verluste ein. Die weissruthenische Kompanie musste sich unter dem Druck der Bande auf litauisches Gebiet zurückziehen. Der litauische Posten Vasiunai konnte nach vorübergehender Räumung wieder bezogen werden. In einem Dorf bei Lentubys erschienen 30 bewaffnete Banditen, ermordeten einen Einwohner und plünderten dessen Wohnung vollkommen aus. Am gleichen Tage wurde ein Waldwächter ermordet. Bei der Aushebung einer Bande kam es zu Feuergefechten, in deren Verlauf ein Bandit erschossen und zwei bewaffnete Banditen festgenommen werden konnten. Durch sicherheitspolizeiliche Erkundungstätigkeit wurde bei Koziany eine Bande in Stärke eines Bataillons, südlich Gierwiacy eine Bandengruppe in Stärke von 200 Mann und bei Dombrowlany eine Gruppe von 60 Mann festgestellt. Das in Zarasai eingesetzte Sonderkommando der Sicherheitspolizei und des SD musste zurückgezogen werden. Die zur Bekämpfung der erkundeten Banditengruppen in Weissruthenien vorgesehene Aktion konnte zunächst nicht durchgeführt werden, da die Banditen in der Nacht zum 3. 11. sämtliche Verbindungsstrassen durch Sprengungen und Zerstörungen von Brücken unbenutzbar gemacht haben. Es wurde festgestellt, dass sich das Hauptquartier der Bande in Bohim in Weissruthenien befindet. In 6 Orten sind von den Bandenmitgliedern Stützpunkte bezogen worden. Zur Sicherung der litauischen Grenze sind an besonders gefährdeten Stellen Sonderkommandos der Sicherheitspolizei und des SD eingesetzt worden. Am 7. 11. wurden in Maisegala der Anführer einer Terroristengruppe, ein 35-jähriger Pole, und sein Stellvertreter, ein Litauer, festgenommen. Auf Grund ihrer Aussagen konnten im Verlauf einer ausgedehnten Fahndungsaktion weitere 3 Terroristen und eine Frau, die sich verborgen hielt, ergriffen werden. Die Fahndung nach den übrigen Bandenmitgliedern, die namentlich bekannt sind, ist eingeleitet. Bandenunwesen im Bereich der Einsatzgruppe D: In Elista wurde von einer Kalmückenschwadron der Führer einer Bandengruppe festgenommen. Bei Woronzowo und Sowchose Bores wurde das Auftreten berittener Banditen, die versuchten, Vieh abzutreiben, festgestellt. Sie wurden durch Miliz und Angehörige der Division „Wiking“ an ihrem Vorhaben gehindert. An der Eisenbahnstrecke Newinnomyskaja–Pjatigorsk wurde ein mittels elektrischer Mine geplanter Anschlag rechtzeitig entdeckt und durch Entfernen der Mine verhindert. Die Einsatzgruppe D hat die Aufstellung verstärkter Schutzmannschaften und den weiteren Ausbau eines zuverlässigen V-Mann-Netzes in Angriff genommen. Kommunistische Bewegung in den Ostgebieten: Dem Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Reval ist es gelungen, eine kommunistische Organisation aufzudecken. Drei aus Sowjetrussland als Fallschirmspringer gesandte Funktionäre hatten im Kreise Petschur eine illegale kommunistische Gruppe aufgezogen. Bei einer Komiteesitzung

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wurde die Gruppe überrascht, und es konnten 14 Personen festgenommen werden. Die 3 Sowjetrussen wehrten sich mit der Waffe in der Hand und wurden erschossen. Die Verhaftung von weiteren 15 Personen steht bevor. Beim Ausheben der Gruppe konnte ein Sitzungsprotokoll sichergestellt werden, das folgende Punkte enthielt: 1. Aufnahme in die KP, 2. Wahlen zum Parteibüro und Parteikomitee, 3. Vortrag: Arbeit der Partei im Rücken des Feindes, 4. Ernennung von Parteimitgliedern in das Kriegsrevolutionskomitee, 5. Aussprache. In den anderen Gebieten Estlands konnten organisierte kommunistische Gruppen nicht festgestellt werden. Der kommunistische Jugendverband in Lettland ist weiterhin beobachtet worden; Änderungen in der Zusammensetzung der Zentrale sind nicht eingetreten. Es wurde jedoch festgestellt, daß sich ausserhalb Rigas ebenfalls kleine illegale Gruppen befinden, die mit der Zentrale zusammenarbeiten. Die Gruppe in Walk an der estnischen Grenze hat ebenfalls Anschluss an Riga erhalten. Es handelt sich hier um einen Personenkreis von etwa 10–15 jungen Leuten beiderlei Geschlechts. Unter den in Kiew wegen kommunistischer Betätigung festgenommenen Personen befanden sich Aktivisten, die ihre hetzerische Tätigkeit bis in die letzte Zeit fortgesetzt haben. Einer der Festgenommenen hatte zur Sowjetzeit politische Gegner derart roh misshandelt, dass 12 Personen an den Folgen der Misshandlungen verstorben sind. Im Bereich der Einsatzgruppe D wurde eine grössere organisierte kommunistische Tätigkeit nicht festgestellt. Soweit eine solche bestand, erstreckte sie sich auf die Zeit vor dem Einmarsch der deutschen Truppen. Es hat sich weiterhin bestätigt, dass die führenden Parteimitglieder, Aktivisten und Funktionäre fast ausnahmslos mit den abgezogenen roten Truppen geflüchtet sind oder sich zu den Banden geschlagen haben. In wenigen Fällen halten sich Funktionäre auf dem Lande versteckt und versuchen, vereinzelt in ihre Wohnorte zurückzukehren. In Maikop gelang es, 6 frühere politische Führer von Fabriken zu ermitteln und festzunehmen. Bei den Vernehmungen gaben sie sämtliche Parteimitglieder ihrer Betriebe an, die grösstenteils schon in den Jahren 1920–1923 der KP beigetreten waren und Mitgliedsnummern unter 25 000 hatten. Bisher konnten durch die Vernehmungen weitere 250 KP-Mitglieder festgestellt werden. Ein Teil von ihnen ist bereits festgenommen. Fallschirmspringer, Sabotage usw.: Nach Angaben eines in Lettland festgenommenen Fallschirmspringers hat dieser vor seinem Abflug von Moskau den Auftrag erhalten, Namen, Dienstgrad sowie Wohnungsanschriften von leitenden deutschen und lettischen Militär-, Polizei- und Zivilpersonen in Riga festzustellen. Die gesammelten Nachrichten sollten nach Moskau durch Funk weitergegeben werden. Dadurch sollte die sowjetrussische Propaganda in der Lage sein, Nachrichten über leitende Militär- und Zivilpersonen in Lettland durch Presse und Rundfunk zu verbreiten, um durch irreführende Gerüchte die lettische Bevölkerung aufzuhetzen und zu einem Aufstand gegen die deutschen Behörden aufzureizen. Eine im August von Moskau kommende, in der Nähe von Riga abgesetzte Fallschirmspringergruppe in Stärke von 5 Mann hat bei der Durchkämmung der Wälder ihre Sprengkörper und Waffen weggeworfen. Der Aufenthaltsort der Gruppe ist bekannt und steht unter dauernder Beobachtung. Im Bereich der Einsatzgruppe A war ein verstärkter Einsatz von Fallschirmspringern festzustellen. Die Aufträge lauteten vor allem auf Störung deutscher Aufmarschbewegungen durch Sabotageakte und Sprengungen. Auch der Abwurf sogenannter Propagandatrupps wurde gemeldet. An grösseren Einheiten wurde eine 56 Mann starke Bande nördlich Kingisepp in Uniform abgesetzt. Nach Vernichtung zweier Wehrmachts-Lkw’s zog sie sich ohne grössere Unternehmungen in Richtung zur Front zurück. Eine Abteilung wurde hier abgefangen und zum grössten Teil vernichtet.

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Sabotagehandlungen durch Verwendung von Minen erfolgten auf den Strecken Roni–Rositten, Rositten–Sebesh, Karsawa–Sangall, Wilna–Kauen, Lentvaris–Varena, Shlobin– Mogilew, Shitomir–Fastow. Die Eisenbahnbrücke zwischen Bahnhof Toschtschiza und Rogatschew der Strecke Mogilew–Shlobin wurde gesprengt. Der Bahnkörper wurde beschädigt. Eine weitere Sprengung erfolgte bei der Eisenbahnbrücke in der Nähe des Bahnhofs Talka. Am 14. 10. 42 entgleiste im Rayon Monastyrischtsche ein Kohlenzug. Ursache war die Entfernung von Schwellennägeln an einer Schienenseite. Nach langen Ermittlungen konnte ein geplanter Anschlag auf das Dienstgebäude eines höheren Stabes in Woroschilowsk durch Festnahme der Täter vereitelt werden. Die Täter beabsichtigten, durch besonders konstruierte Leuchtraketen russischen Bombern einen gezielten Bombenabwurf zu ermöglichen. In Klinzy wurde in der Nacht zum 3. 11. 42 in einer Tuchfabrik von unbekannten Tätern dadurch Sabotage verübt, dass an 17 Webstühlen die Kettenbänder zerstört und die Tuche zerschnitten wurden. Die Fernsprechleitung der Luftwaffe im Gebiet Kursk wurde durch Zersägen von 5 Telefonmasten gestört. Bei der darauffolgenden Durchkämmung des Waldgeländes wurde die gesamte, aus 9 Banditen bestehende Sabotagegruppe im Feuergefecht erschossen. Im Bereich Jalta, Kommandeurbereich Simferopol, sind mehrfach Wehrmachtskabel der Hafenkommandantur zerstört bezw. beschädigt worden. Am 2. 10. 42 wurde vergeblich versucht, ein Geschütz einer Küstenbatterie bei Eupatoria zu sprengen. Bei den in Lettland festgenommenen Fallschirmspringern wurden total gefälschte lettische Pässe gefunden. Der Passumschlag, die Paßseite und die in den Pässen befindlichen Stempelabdrücke sind in Moskau hergestellt worden. Diese Pässe sind auf Seite 12 und 13 mit einem Stempel und der angeblichen Wohnungsanschrift des Passinhabers versehen, da in der UdSSR bekannt ist, dass die lettische Bevölkerung die Pässe bei den zuständigen Polizeibehörden zur Registrierung vorzulegen hat. Widerstandsgruppen: a) Bandera-Gruppe: Nach der im September v. J. durchgeführten Aktion gegen die illegale Bandera-Gruppe, bei der neben dem Leiter, Stefan Bandera, nahezu alle maßgeblichen Funktionäre dieser Organisation festgenommen wurden, war die Tätigkeit der Bandera-Gruppe im Reichsgebiet nahezu zum Stillstand gekommen. Während der letzten Monate haben sich jedoch die führerlos gewordenen Bandera-Anhänger im Reich wieder langsam gesammelt und fingen an, sich neu zu organisieren. Als sich die Meldungen der einzelnen Staatspolizei(leit)stellen über ein erneutes Tätigwerden der Bandera-Anhänger im Reich vermehrten, wurden im September d. J. zunächst die Stapo Braunschweig und im Monat Oktober die Stapoleitstelle Dresden angewiesen, die in ihrem Bezirk ermittelte illegale Bandera-Gruppe aufzurollen. Diese beiden Staatspolizeistellen wurden in erster Linie mit dieser Aufgabe betraut, weil nach ihren Meldungen die Kenntnis über die Tätigkeit dieser Gruppe und der Personen, die zu ihr gehörten, am eingehendsten war. Im Zuge der schlagartig durchgeführten Aktion wurden in Braunschweig 48 und in Dresden 10 Funktionäre und vereidigte Mitglieder der illegalen Bandera-Gruppe festgenommen. Durch die Vernehmungen ergab sich unzweideutig, dass Verbindungen zu einer Zentrale in Berlin unterhalten wurden. Durch Wahrnehmung in Erfahrung gebrachter Treffs und Besetzung von Anlaufstellen gelang es, den Organisationsleiter der illegalen Bandera-Gruppe für das Reichsgebiet namens Klim in Berlin festzunehmen. Durch Entschlüsselung von Notizen, die er in einem Buch vermerkt hatte, gelang es weiter, den Aufbau der gesamten Bandera-Organisation im Reich in Erfahrung zu bringen. Nach diesen Notizen gliedert sich die Organisation im Reich in 10 Gebiete, diese wiederum in Rayons und diese in Fünfergruppen. Die in Frage kommenden Stapostellen wurden daraufhin zur sofortigen Festnahme der nament-

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lich erfassten Personen und zu deren weiteren Vernehmung angewiesen. Es wurden bisher über 210 Personen in Leipzig, Berlin, Hannover, Hamburg, Hildesheim und Potsdam festgenommen. Weitere Festnahmen in den Bereichen der Stapo(leit)stellen Hamburg, Hannover, München, Wien, Prag, Breslau, Posen, Danzig, Frankfurt/Oder, Frankfurt/Main, Bremen, Chemnitz, Düsseldorf, Kassel, Köln, Königsberg, Karlsruhe, Nürnberg, Magdeburg, Oppeln, Reichenberg, Stuttgart, Weimar und Würzburg stehen bevor. In den in Berlin durch Beamte der Sicherheitspolizei besetzten Wohnungen (Anlaufstellen) sind bisher 4 Kuriere aus dem Distrikt Galizien festgenommen worden. Sie waren im Besitz umfangreichen Materials. Neben einer grossen Zahl von hetzerischen Druckschriften führte u. a. ein Kurier eine grössere Anzahl gefälschter Durchlaßscheine mit sich, als deren Aussteller der Polizeipräsident in Berlin und der Landrat in Goslar angegeben sind. Weiter sind gefälschte Blankoformulare mit dem Kopf „Deutsches Institut für Ausländer an der Universität Berlin“ im Besitz eines aus Lemberg gekommenen Kuriers gefunden worden. Sie stellen Bescheinigungen darüber dar, dass der Inhaber an einem Sprachkursus dieses Instituts teilgenommen hat und sollten offenbar neben dem Durchlaßschein den fehlenden Urlaubsschein bei der Grenzkontrolle ersetzen. Ein anderer Kurier war im Besitz zweifelsfrei gefälschter Brotmarken für 100 Brote. Weiter verdient die Tatsache Erwähnung, dass im Besitz einiger Kuriere Ausweise der Ukrainischen Vertrauensstelle in Berlin gefunden wurden, die mit gefälschtem Stempel der Vertrauensstelle versehen waren. Die Ausweisformulare sind vermutlich echt und in den Räumen der Vertrauensstelle entwendet worden. Aus dem Material der hier angelaufenen Kuriere und den bisherigen Vernehmungen ergibt sich, dass die Zentrale der Bandera-Gruppe ihren Sitz in Lemberg oder Umgebung haben muss. In Berlin befindet sich lediglich eine Nebenstelle zur Betreuung der im Reich eingesetzten Bandera-Anhänger. Die Ermittlungen dauern zur Zeit noch an. Durch das Grenzpolizeikommissariat ist das Bestehen einer illegalen Bandera-Gruppe im Kreise Neu-Sandez festgestellt worden. Es gelang, bisher einen Funktionär und drei Bandera-Anhänger festzunehmen. Mit weiteren Festnahmen ist zu rechnen. Bei den Durchsuchungen konnten folgende Flugschriften neueren Datums erfasst werden: „Befehl des Landesführers der OUN-ZUZ“, „Nachrichtenzeitung des ukrainischen Informationsdienstes“, „Material für das Feiern des Tages der ukrainischen Waffen“ und „Von Haus zu Haus, von Hand zu Hand“. Das erfasste Propagandamaterial ist vornehmlich deutschfeindlichen Inhalts. Die Organisation im Kreise Neu-Sandez soll von dem Bruder des Stefan Bandera aufgezogen worden sein. Als Kreisleiter war der Leiter des ukrainischen Schülerheims in Krynica, Myroslaw Katowycz, eingesetzt, der zur Zeit flüchtig ist. b) Melnik-Gruppe: Bei der Festnahme des Propagandaleiters der Melnik-Gruppe für die Ostukraine, Wasyl Kusmyk, in Kiew wurde ein Brief des Gesamtpropagandaleiters, Konstantin Horskyj, gefunden. Dieser Brief enthält grundsätzliche Anweisungen für die Propaganda. Weiter wurde bei Kusmyk eine Ausarbeitung des Leiters der Melnik-Gruppe für den Bereich Wolhynien, Tschygrin, Deckname Barda, gefunden, die gehässige Angriffe gegen die deutschen Besatzungstruppen enthält. In dieser Ausarbeitung wird u. a. betont, dass die deutsche Befreiung sich von der bolschewistischen in nichts unterscheide. c) Republikaner-Gruppe: In Orel konnte eine Gruppe von Personen festgenommen werden, die an der Herstellung und Verbreitung von Flugblättern beteiligt war, in denen für eine unabhängige russische Republik Propaganda gemacht wurde. Die handschriftlich abgesetzten Flugblätter wurden hauptsächlich in der Stadt an Häusern angeklebt. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen.

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B. Lebensgebiete […] Fragen des Arbeitseinsatzes und Vermittlung von Arbeitskräften für das Reich: Entwicklung und Durchführung des Arbeitseinsatzes: Die Registrierung der der Arbeitspflicht unterliegenden Personen konnte weiter vorangetrieben werden, doch ist in manchen Städten des Bereichs die Erfassung immer noch sehr mangelhaft. Die Unzulänglichkeit der vorhandenen Register zeigt nachstehendes Beispiel: Bei der Erfassung der Jugendlichen für den Arbeitseinsatz in der Stadt Orel gingen 623 Meldungen ein. Im Melderegister der russischen Polizei (OD) waren für diesen Stadtteil insgesamt nur 16 Jugendliche eingetragen. In den Randbezirken steht einer planmäßigen Erfassung der Arbeitspflichtigen in nahezu sämtlichen Rayons die Bandengefahr im Wege. Witebsk meldet, dass die Landbevölkerung zur Zeit wegen der Bandenumtriebe so gut wie nicht erfassbar sei. Aus einem Bericht des Arbeitsamtes Smolensk: „… Die Hoffnungen, die berechtigt auf die Ergiebigkeit der neu hinzugekommenen Rayons gesetzt wurden, haben sich infolge des rapiden Anwachsens der Bandengefahr zerschlagen!“ Viele Rayonstädte sind nur unter starker bewaffneter Bedeckung durch die Arbeitseinsatzbehörden zu erreichen. Die Heranziehung der Landbevölkerung konnte aus diesem Grunde bis jetzt nur in geringem Umfange durchgeführt werden (Witebsk, Smolensk und andere). Die Lage auf dem Arbeitsmarkt hat inzwischen – wie aus den eingegangenen Meldungen hervorgeht – eine weitere wesentliche Verschlechterung erfahren (Roslawl, Orel, Witebsk, Smolensk). Die von den verschiedenen Bedarfsträgern, bei denen es sich in der Hauptsache um Wehrmachtsdienststellen, OT und Reichsbahn handelt, angeforderten Kontingente konnten meist nicht mehr gestellt werden. Der Mangel an Facharbeitern, insbesondere an Bauhandwerkern, ist jetzt überall vorhanden. Nur in ganz wenigen Fällen war der Bedarf an Facharbeitern bisher noch zu decken (Witebsk, Smolensk, Bobruisk, Brjansk). Im Bobruisker Bezirk kann ein der Forstwirtschaft gegebener Sonderauftrag zur Herstellung von mehreren Millionen Eisenbahnschwellen infolge des Fehlens von Schwellenhauern nur sehr schleppend ausgeführt werden. In Borissow fehlen Bauhandwerker, besonders Maurer und Zimmerleute. Für die in Smolensk befindlichen drei Ziegeleien und zwei Kiesgruben liegen kleinere Anforderungen vor, die örtlich gedeckt werden können. Allerdings müssen ungelernte Arbeiter zugewiesen werden, da die verlangten früheren russischen Facharbeiter nicht mehr vorhanden sind. Die Sägewerke fordern gelernte Sägewerksarbeiter in geringem Umfange an. Auch hier müssen Anlernmaßnahmen durchgeführt werden, da die Russen die Facharbeiter mitgenommen haben. Das Baugewerbe wird hier von den Heeresbaudienststellen und von der OT vertreten, die alle Bauhandwerker an sich gezogen haben. Einen Teil der fehlenden Kräfte hofft man aus den noch nicht registrierten Bezirken herausziehen zu können. Die bisher in dieser Richtung unternommenen Versuche sind wenig erfolgreich gewesen. Zu berücksichtigen ist hierbei allerdings der Umstand, dass die Landgebiete selbst danach trachten mussten, zur Sicherung der Ernte ihren Bestand an Arbeitskräften nach Möglichkeit zu halten. Arbeitsmoral und Arbeitsleistung: Die Arbeitsfreudigkeit hat nach übereinstimmenden Meldungen nachgelassen (Orel, Smolensk, Witebsk). Als Grund wird in erster Linie die unterschiedliche Behandlung in ernährungsmäßiger Hinsicht durch die deutschen Dienststellen genannt. Aus Orscha wird z. B. gemeldet, dass der Fortfall der bisher von den Wehrmachtsdienststellen ausgegebenen zusätzlichen Verpflegung einen starken Rückgang der Arbeitsleistung zur Folge hatte. Unter den bei der OT und sonstigen Einheiten beschäftigten Russen seien Anzeichen von Mißstimmung und Arbeitsunlust festzustellen.

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Vor allem würden sich auch die Fälle von eigenmächtigem Verlassen des Arbeitsplatzes mehren. Zur Sicherung der Arbeitsdisziplin erwies sich in Bobruisk die Einführung der vertrauensärztlichen Untersuchung erkrankter Arbeitskräfte als zweckmäßig, da die Drückebergerei schon stark um sich gegriffen hatte. Ferner wird bei Nichtannahme zugewiesener Arbeit wegen angeblicher Krankheit – diese Fälle häuften sich in letzter Zeit – durch das Arbeitsamt sofortige ärztliche Untersuchung verfügt. Die Untersuchung wird von einem russischen Arzt vorgenommen; die Kosten trägt das Arbeitsamt. Vermittlung von Arbeitskräften in das Reich: Die Vermittlung von Arbeitskräften für den Einsatz im Reich stösst auf immer grössere Schwierigkeiten. Dabei zwingt ein Vergleich der Zahlen der bisher in einzelnen Gebieten für den Einsatz im Reich geworbenen Arbeitskräfte mit den Einwohnerzahlen der betreffenden Bezirke zu der Annahme, dass weitere Arbeitskräfte in erheblicher Zahl noch zu beschaffen sein müssten. Soweit wegen des überaus starken Bandenterrors überhaupt eine Werbetätigkeit durchgeführt werden konnte, war das Ergebnis der Werbung sehr gering (Mogilew, Witebsk). Die Propaganda zur Anwerbung russischer Arbeitskräfte für das Reich: Die gegnerische Propaganda zur Störung des Arbeitseinsatzes von Russen in Deutschland bedient sich den Meldungen zufolge keiner neuen Mittel. Wo eine Propaganda festzustellen ist, wird mit den bisher üblichen Gerüchten gearbeitet: Verbringung der russischen Mädchen in Bordelle, Einlieferung der Männer in Konzentrationslager u. ä. m. (Orel). Zu einer aktiven Maßnahme gegen die deutsche Propaganda für den Arbeitseinsatz im Reich ist es in Lepel gekommen. Dort wurde die Absicht der zuständigen Arbeitsbehörde, die Anwerbung auf dem Lande durch Verteilung von Briefen von bereits im Reich arbeitenden Russen wirksamer zu gestalten, durch Bandenangehörige vereitelt, indem diese die mit dem Werbematerial ausgesandten Boten gefangennahmen. Eine oft angewandte Methode der Banden ist es, die Arbeitsfreiwilligen durch die Drohungen, den Angeworbenen ihr Eigentum wegzunehmen oder an ihren zurückbleibenden Angehörigen Repressalien zu ergreifen, einzuschüchtern. Für die deutsche Propaganda stellten bisher die bekannt gewordenen Briefe von russischen Arbeitskräften im Reich eines der besten Mittel dar, da sie nur lobende Ausführungen über die Verhältnisse in Deutschland enthielten. Nach neueren Meldungen werde in der Bevölkerung jetzt aber öfter davon gesprochen, dass die Behandlung, die Unterbringung und die Freizeit der in Deutschland arbeitenden Russen nicht überall gut sei (Orel, Mogilew). Es wird über unzureichende Verpflegung und über die Schwere der Arbeit geklagt, hauptsächlich in den Sammellagern, die sich in den Industriestädten befinden. Ein vom Arbeitseinsatz aus Deutschland zurückgekehrter Russe Michael Jeltschaninow macht über seinen Aufenthalt in Deutschland u. a. folgende Angaben: J. hatte sich mit seiner Frau freiwillig zum Arbeitseinsatz nach Deutschland gemeldet. Er kam zunächst in das Lager Oberspree bei Berlin und hat in den Pertrix-Werken als Schlosser gearbeitet. Da er herzkrank, seine Frau schwanger war, wurden sie wieder nach Russland in Marsch gesetzt. J. berichtet, dass sie pro Tag 8 Stunden arbeiten mussten, nur einmal in der Woche Ausgang hatten, und zwar unter Bewachung, und dass die Lagerinsassen wegen des geringsten Vergehens im Kellerraum des Lagers geprügelt wurden. Die Ernährung war unzureichend; sie bestand aus 250 gr Brot, morgens und abends Kaffee. Zu Mittag wurde ihnen ein halber Liter Mehlsuppe verabfolgt; ausserdem erhielten sie wöchentlich 100 gr Butter. Sie hatten eine bessere Behandlung in Deutschland erwartet, und die Flüsterpropaganda fand einen fruchtbaren Boden. In den Sammellagern sollen, nach Berichten russischer Arbeiter, Streiks wegen der unzureichenden Verpflegung ausgebrochen sein, die

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von den Deutschen sofort im Keime erstickt worden seien, indem man die Urheber öffentlich erhängt oder erschossen habe (Orel). Aus Mogilew wird gemeldet, dass die Kennzeichnung der russischen Arbeitskräfte mit „Ost“ in der heimischen Bevölkerung bekannt geworden sei und zu Vergleichen mit der Kennzeichnung von Juden geführt habe. Vor allem habe natürlich die Flüsterpropaganda diesen Sachverhalt aufgegriffen. Auch die Unterbringung hinter Stacheldraht (die inzwischen deutscherseits getroffenen Maßnahmen zur Verbesserung der Unterbringung und Verpflegung der russischen Arbeitskräfte im Reich seien dort noch nicht überall bekanntgeworden) zeitigte propagandistisch ungünstige Auswirkungen, vor allem nachdem zuvor den russischen Arbeitskräften durch Propaganda in Wort und Bild die gleiche Behandlung, Entlohnung, Verpflegung, Unterbringung und Betreuung wie allen anderen ausländischen Arbeitern in Deutschland versprochen worden sei. BAB, R 58/699 1 Mit dieser Beauftragung kündigte sich die spätere Ernennung von dem Bachs zum Chef der Bandenkampfverbände an; vgl. Befehl RFSS v. 23.10. 1942, VUA, Kdostab/K 4, A 19; SS-Befehl RFSS v. 21. 6. 1943, BAB, NS 19/1706; Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 247 ff.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 27. 11. 42 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 31 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandentätigkeit: Ein starker Einsatz von Banditen und Fallschirmspringern ist im Bereich der Einsatzgruppe A festzustellen. Bei Rjabowo und im Bereich Tosno tauchte eine Bande von [unleserlich] Mann auf, welche in mehreren Dörfern Vieh abtrieb. Eine Aktion wurde eingeleitet. Bei einer anderen Wehrmachtsaktion wurden in der Gegend von Ljuban 30 Banditen unschädlich gemacht. Über eine eigenartige Note der antideutschen Propaganda treffen neuerdings vereinzelte Meldungen ein. Danach rechnet man mit einer Umwälzung im bolschewistischen Russland. Stalin werde abgesetzt werden, die Judenherrschaft beseitigt und eine nationalrussische Regierung erstehen, die den Kampf gegen die Deutschen mit neuer Kraft in die Hand nehmen werde. Als Beginn dieser Entwicklung wird die den Sowjets angeblich abgenötigte Religionsfreiheit betrachtet. Ähnlich lauten die Sagen, die sich um eine Bandenabteilung im Gebiet Gdow ranken. Diese führe keine gewaltsamen Requisitionen durch; im Gegenteil habe der Führer die Bauern stets aufgefordert, das Auftreten der Bande unverzüglich den Deutschen zu melden, damit diese keine Repressalien durchführten. Fangen könnten ihn die Deutschen ohnehin nicht. Russische Jagdkommandos würden von dieser Bande möglichst geschont: „Sie sind Idioten und tun uns leid, in 1–2 Jahren werden sie ohnehin mit uns zusammen gegen die Deutschen kämpfen.“ Auch diese Bande soll einen kommenden Umbruch in Russland vertreten, wobei viele Fehler des Kommunismus wiedergutgemacht werden sollen. Die Einsatzgruppe B meldet die Landung eines russischen Segelflugzeuges, das sichergestellt werden konnte. An Bord befanden sich 25 Kisten Infanteriemunition, 1 Trommel

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für MP, 1 Fallschirm, 1 Leuchtpistole mit Munition, 1 Packtasche mit russ. Zeitungen und 1 Schriftstück für einen russ. Bandenmajor. Im Bereich der Einsatzgruppe C wird in letzter Zeit ein stärkeres Anwachsen der Banden auch im Kommandeurbereich Tschernigow beobachtet. Dort wurden Bandengruppen in Stärke von mehreren Hundert Mann festgestellt, die z. Zt. mit schweren Waffen ausgerüstet sind. Als Ursache für die trotz Beginn der kalten Jahreszeit anhaltende Bandentätigkeit ist der verstärkte Einsatz von sowjetischen Fallschirmspringern anzusehen, die bereits versprengte Gruppen zusammenschliessen und deren Führung übernehmen. Am 5. 11. wurde der Bahnhof in Bobrowitsche an der Strecke Kiew–Neshin von 20 bis 30 Banditen überfallen. Der Bahnhofsvorsteher wurde verletzt. Im Kommandeurbereich Rowno hält die Bandentätigkeit an. Die Mehrzahl der Überfälle dient zur Versorgung der Banden mit Lebensmitteln und Bekleidungsstücken. In der Berichtszeit wurden im dortigen Bereich insgesamt 74 derartige Bandenüberfälle gemeldet. Bei Michalin, Gebiet Kostopol, wurde ein deutscher Soldat von Banditen erschossen und ein Meister der Schutzpolizei verletzt. Im Dorfe wurden Vergeltungsmaßnahmen durchgeführt. In dem bandenverseuchten Gebiet Pinsk erfolgten in der Umgebung von Luniniec zu gleicher Zeit Überfälle auf zwei Unterkünfte der Wehrmacht in Sinkowitsche, ein Sägewerk, eine OT-Unterkunft und eine Eisenbahnbrückenwache und zwei Dienstgebäude der ukrainischen Schutzmannschaft in Nokorowo und auf einen beim Bahnhof Sinkowitsche haltenden Munitionszug. Bei den Feuergefechten sind 5 deutsche Soldaten der Brückenwache und 1 OT-Mann gefallen und 2 Mann vom Zugbegleitkommando schwer verletzt worden. An der Eisenbahnbrücke wurden die Gleise zerstört, das Sägewerk und die genannten Gebäude der Wehrmacht und der ukrainischen Schutzmannschaft völlig vernichtet. Vom Munitionszug, der in Brand gesteckt worden war, konnten 12 beladene Waggons durch rechtzeitiges Abkoppeln in Sicherheit gebracht werden. Im Kommandeurbereich Shitomir haben sich 43 Bandenüberfälle ereignet, die auch hauptsächlich Plünderungszwecken dienten. Im Bereich des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD Tschernigow wurde eine Streife von 40 Gendarmen von Banden eingeschlossen. Nur ein Schwerverwundeter konnte sich zu seiner Einheit durchschlagen. Die Bande soll über etwa 800 Panjewagen, 300 Reiter, 20 MG, 4 Granatwerfer und 1 Geschütz verfügen. In der Nacht zum 30. 10. drangen etwa 50 bewaffnete Banditen in die Dienststelle des Gebietslandwirtes in Caditsche, Rayon Bobrowitsche, ein und raubten 7 Pferde, 6 Schweine, 4 Wagen und mehrere Zentner Getreide und Zucker. Die zur Verfolgung eingesetzten ungarischen Einheiten mussten sich vor dem starken Feuer der Banditen zurückziehen. Bei Chelmy, das von mit schweren Waffen ausgerüsteten Banden umstellt war, und bei Awdejewka sind bei Feuergefechten 8 Polizeibeamte und 8 ungarische Soldaten gefallen. Nördlich Piliptscha wurden von den Banditen die 40 Meter lange Strassenbrücke gesprengt und auf einer Strecke 300 Meter die Telefonmasten umgelegt. Es kam hierbei am 6. 11. 42 zu einem längeren Feuergefecht, bei dem den Banditen grössere Verluste zugefügt wurden und auf deutscher Seite 4 Wachtmeister der Schutzpolizei gefallen und 2 Angehörige der Sicherheitspolizei verwundet worden sind. In Snamenka, Kommandeurbereich Nikolajew, wurde ein deutscher Soldat durch Pistolenschuss verletzt und einige Tage darauf ein ukrainischer Schutzmann mit einem verkürzten Gewehr erschossen. Dem Schutzmann wurde nach Entkleidung der Leib aufgeschlitzt. Ukrainische Widerstandsbewegung: Im Bereich des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD Shitomir wurden im Druckverfahren hergestellte Flugblätter deutschfeindlicher Tendenz gefunden. In dem Flugblatt heisst es u. a.: „Partisanen, Ihr habt Eure Häu-

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ser und Familien verlassen und seid in den Kampf gezogen. Wald und Feld sind Eure Unterkunft, Kälte und Hunger Euer täglicher Gast. Von Überfall und Kampf sind Eure Wege stets bedroht. Ihr habt Ruhe und Bequemlichkeit verlassen und seid in den harten Kampf eingetreten. Nicht für persönliche Reichtümer seid Ihr diese Wege gegangen. Das eigene Leben riskierend, kämpft Ihr gegen die Eindringlinge für die allgemeine Sache. Und was die deutschen Eindringlinge mit unserem Volke machen, schreit nach Rache und ruft zur Gegenwehr. Die ausgeplünderte Heimat, Hunger und Arbeitslosigkeit, die Nichtachtung unseres Volkes, Zwang und Ausweisung Tausender der Zivilbevölkerung sind das, was der Eindringling bisher in unserem Lande geschafft hat. Dagegen ankämpfen ist eine grosse und heilige Sache, und es ist wert, sein Blut und Leben dafür zu opfern. Was wollen wir anstelle der deutschen Okkupationsbewegung setzen? Soll die alte Sowjetregierung zurückkehren? War denn das Moskauer Regime weit von dem deutschen entfernt? Sie sind einander ähnlich wie ein Tropfen Wasser dem anderen. Das eine und das andere Regime sind Diktaturen gegen unser Volk. Heute ist der hitlerische und russische Imperialismus zusammengestoßen, und beide kämpfen für die Vernichtung und Versklavung der Völker. Unlängst hatten sie sich zum Kampf gegen die Völker vereinigt und gemeinsam die Beute geteilt. Im September 1939 haben Stalin und Hitler-Deutschland einen Bund geschlossen und sich einander geholfen, die westeuropäischen Staaten zu vernichten. Mit unserem Brot haben sie die deutschen Armeen versorgt, mit unserem Benzin deutsche Tanks und Flugzeuge. Ist es recht, für das eine oder andere Regime zu kämpfen? Nein, unsere Sache ist gegen beide Regime für den Aufbau einer neuen Zeit. Diese kann nur aufgebaut werden, wenn beide Regime fallen. Dann kann sich jedes Volk seine Zukunft nach den eigenen Wünschen aufbauen. Ein selbständiger Staat, ein freies Volk und freies Arbeitertum, das ist die neue Zeit, für welche wir kämpfen müssen. Partisanen, lasst Euch nicht in den Dienst der bolschewistischen und deutschen Imperialisten hineinziehen. Weckt die nationalrevolutionäre Bewegung, organisiert den selbständigen politischen Kampf. Kämpft gegen die Eindringlinge, aber nicht einzeln, sondern kämpft in den Reihen der nationalen Massenorganisation für die volle Freiheit und die selbständigen Staaten der versklavten Völker. Dann wird unser Kampf mit dem Siege gekrönt sein. Fort mit Hitler und Stalin! Es leben die selbständigen nationalen Staaten der versklavten Völker!“ Durch die in Lemberg geführten Ermittlungen gelang zunächst die Festnahme von drei ukrainischen Studenten, die als Funktionäre der Bandera-Gruppe anzusprechen sind. Sie besassen in einem Lemberger Gebäude, das zur dortigen Kathedrale gehört, ein Quartier. In dieser Wohnung wurde umfangreiches, versandfertiges, illegales Druckschriftenmaterial gefunden. Auf dem Boden desselben Hauses wurden zwei Abziehapparate zum Vervielfältigen von Druckschriften sichergestellt. Die drei festgenommenen Studenten haben bisher geleugnet, mit den sichergestellten Schriften und Abziehapparaten etwas zu tun zu haben. Einer der Studenten hat lediglich zugegeben, durch zwei ukrainische Polizeibeamte in Uniform verpflichtet worden zu sein, zu niemandem über das Vorhandensein dieses Druckmaterials zu sprechen. Im vorliegenden Fall handelt es sich vermutlich um die Verteilungsstelle des illegalen Druckschriftenmaterials, wo offenbar Kuriere anliefen, um die Schriften abzuholen. Im weiteren Verlauf der Ermittlungen konnten Anhaltspunkte dafür erbracht werden, dass sich die Druckerei und Gravieranstalt, in der die falschen Durchlaßscheine, die gefälschten Papiere, Stempel usw. hergestellt wurden, ebenfalls in Lemberg befinden. Inzwischen gelang es, den stellvertretenden Leiter der Organisationsabteilung der Hauptzentrale Lemberg, Wladimir Lobaj, geb. am 27. 10. 11, in Lemberg festzunehmen. Lobaj war gleichzeitig Leiter des gesamten Kurierdienstes. Er arbeitete hauptamt-

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lich für die Bandera-Gruppe und übte einen anderen Beruf nicht aus. Seine Wohnung, die gleichzeitig als Anlaufstelle diente, wurde besetzt, und es konnten 6 weitere Personen, darunter ein ukrainischer Polizeibeamter als Kurier von auswärts, festgenommen werden. Nach den Vernehmungen befindet sich der Sitz der Hauptzentrale der Bandera-Gruppe in Lemberg. Ihr sind Landesleitungen unterstellt. Es gibt Landesleitungen für das Gebiet Ostukraine in Kiew, das Gebiet Westukraine in Lemberg, das Gebiet Wolhynien und für Polesien in Rowno oder Luzk, das Gebiet Ungarn und Rumänien in Czernowitz oder Odessa und das Gebiet des Deutschen Reiches in Berlin. Umfangreiches Adressenmaterial wurde erfasst. Bei einer am 21.11. 42 in den späten Nachmittagsstunden durchgeführten Aktion gegen führende Funktionäre der Bandera-Gruppe in Lemberg wurde durch einen Anhänger dieser Organisation der SS-Sturmscharführer und Krim.Sekretär Gerhard Scharff vom Reichssicherheitshauptamt durch Kopfschuss tödlich getroffen. Ein weiterer Krim.Beamter, der zur Staatspolizeistelle Braunschweig gehört, wurde durch einen Hüftschuss und einen Oberarmschuss verletzt. Die Beamten hatten eine ermittelte Anlaufstelle besetzt und bereits 5 Bandera-Funktionäre bei ihrem Eintreffen in der fraglichen Wohnung festgenommen. Eine weitere Person, die die Wohnung anlief, zog unvermittelt eine Pistole, verletzte den Braunschweiger Beamten und traf Scharff tödlich. Der Täter konnte, obwohl er ebenfalls von zwei Schüssen getroffen wurde, infolge der herrschenden Dunkelheit flüchten. Die Aktion ist noch im Gange. B. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR Transportwesen: Aus der UdSSR wird über die schwierige Lage des russischen Transportwesens berichtet: Flugblätter, die die Überschrift „Eisenbahner, seid bereit, den Winter zu bekämpfen“ führen, wurden erfaßt. Der Inhalt dieser Flugblätter gibt offen zu, daß der Winter des vergangenen Jahres den Eisenbahnverkehr äusserst schwer belastete. Eine große Anzahl von Strecken war unregelmäßig und mit Unterbrechungen im Betrieb. Die Mehrzahl der verantwortlichen Leiter und der politischen Transportkommissare haben die auftretenden Schwierigkeiten nicht vorausgesehen und keinerlei Vorbereitungen für den Winter getroffen. „Die im vergangenen Jahr aufgetretenen Irrtümer sind uns teuer zu stehen gekommen; sie zu wiederholen hieße, für das Transportwesen zusätzliche Schwierigkeiten schaffen und es dem Zusammenbruch auszuliefern.“ Über die Arbeiten im vergangenen Jahr finden sich im selben Flugblatt bemerkenswerte Einzelheiten. Sehr oft war man gezwungen, die Lokomotiven wegen Schäden an der Heizung in die Werkstätten zu führen und die Züge ihrem Schicksal zu überlassen. Manchmal mußten die Züge anhalten, da die Trockenvorrichtungen der Lokomotiven, die mit feuchtem Kohlenstaub geheizt wurden, nicht funktionierten. Es ist nicht selten, daß Lokomotiven, weil die Wasserhähne und Kohlenlager in vernachläßigtem Zustande sind, Verspätungen haben. Im vergangenen Jahr war der Betrieb der Bahnen durch den Mangel an Heizmaterial erheblich behindert. Dieses Jahr, fährt das Flugblatt fort, ist im Hinblick auf den Verlust der Donez-Kohle die Frage der Bereitstellung ausreichender Vorräte von Heizmaterial und ihre sparsamste Bewirtschaftung von ausschlaggebender Bedeutung. Daher müssen jetzt die Eisenbahnen auf das sparsamste mit dem Feuerungsmaterial umgehen, gegen eine Überheizung ankämpfen, einheimische Kohle, Holz, Sägespäne und anderen Abfall verwenden. Bezüglich der Lage der Armee und in welcher Weise diese die Lehren der Vergangenheit berücksichtigt hat, wird berichtet, daß ein beträchtlicher Teil der Leiter der Eisenbahnen noch keinen zweckmäßigen Bahnverkehr eingerichtet habe. Die sowjetische Propaganda fordert daher die Überwachung der Tätigkeit der Leiter und Maßgebenden des Transport-

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wesens. Eine Überwachung, die die Aufgabe der „Obkom“ und „Garkom“, politischen Verwaltungsstellen und Ortsausschüsse der kommunistischen Partei wäre. Sonderbericht über das kulturelle Leben der russischen Bevölkerung der Sowjetzeit 1 (Erörterungsergebnisse aus dem Bereich der Heeresgruppe Mitte) […] I. Die kulturelle Betreuung der Bevölkerung zur Sowjetzeit: 1. Die kulturellen Einrichtungen: […] a) Theater: 1. Der administrative Aufbau: […] Beim Rat der Volkskommissare der UdSSR wurde ein Bundeskomitee für Kunst geschaffen, dem einzelne Komitees in den Republiken und Gebieten entsprachen. Sie verkörperten den administrativen Aufbau der Theater und garantierten deren strenge Zentralisation. Darüber hinaus gab es bei den einzelnen Komitees der Partei Theaterabteilungen, deren sich die Partei zur Ausrichtung der Theater bediente. Diese Theaterabteilungen bestimmten das gesamte örtliche Theaterleben. Sie gaben den Theatern allgemeine Weisungen, hatten in allgemeinen Angelegenheiten des Theaterlebens ein Einspruchsrecht, arbeiteten den wirtschaftlichen Voranschlag aus und bestimmten den Spielplan. Die Theater der Sowjetunion waren nach der politischen und künstlerischen Bedeutung der Theater in vier sogenannte Gürtel eingeteilt. Die Mehrzahl der Moskauer und Leningrader Theater gehörte dem 1. Gürtel an. Der grösste Teil der Theater gehörte dem 2. Gürtel an und zwar alle Republik- und Gebietstheater. Zum 3. Gürtel gehörten die Rayontheater und zum 4. Gürtel die fahrenden Kolchos- und Sowchostheater. Ausserdem gab es „Theater der UdSSR“, die ausserhalb der Gürtel standen und besondere Aufgaben (Aufführungen vor Ausländern) zu erfüllen hatten. Die Einteilung nach Gürteln wurde nicht immer nach der künstlerischen Bedeutung der Theater durchgeführt. Es wurden vielmehr kleinere Theater, denen aus kulturpolitischen Gründen erhöhte Bedeutung zukam, in höhere Gürtel gezählt, um durch die hierdurch bedingten besseren Gehaltsklassen gute Schauspieler gewinnen zu können. 2. Der Spielplan: Die grösste Aufmerksamkeit wurde dem Spielplan gewidmet. Theaterstücke mussten grundsätzlich die Ordnung verherrlichen und propagandistisch wirksam sein. Den Schriftstellern wurden bestimmte Themen zur Bearbeitung gegeben, z. B.: „Die Industrialisierung“, „Die Kollektivierung“, „Der Aufbau der Luftwaffe“ oder „Der Kampf gegen Saboteure und Spione“. Einige Schriftsteller versuchten gelegentlich, eigene Gedanken zu bringen und etwas künstlerisch Wertvolles zu schaffen; ihre Stücke wurden aber vom Bundeskomitee nicht zugelassen. Häufig wurde ihnen sogar jede weitere schriftstellerische Tätigkeit verboten. 80–90 % der aufgeführten Stücke waren daher lediglich Agitationsstücke. Nach 1931 wurde jedoch auch mit der Aufführung klassischer Werke begonnen. Die Stücke der Klassiker übten jedoch zu wenig Kritik an den Zuständen ihrer Zeit und zeigen nicht in ausreichendem Maße die Dekadenz der Vergangenheit. Sie wurden daher teilweise umgestaltet, um dadurch realistischer zu werden. So wurde z. B. ein Werk des bekannten russischen Dramatikers Ostrowski „Bespridannitza“, um die Minderwertigkeit der Vergangenheit zu unterstreichen, dahingehend ergänzt, dass die in dem Stück vorkommenden Personen sich gegenseitig mit Syphilis ansteckten. Erst in den letzten Jahren wurden einige Klassiker mit wenigen Streichungen zugelassen (Schiller, Shakespeare, Goethe). Schauspiele (ausser von sowjetischen Autoren von Schiller, Goethe, Shakespeare, Hauptmann und Shaw) und Komödien (z. B. Molière) wurden

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allgemein von den Sowjettheatern bevorzugt. Tragödien führte man selten auf. Opern (z. B. Rigoletto, Carmen, Barbier von Sevilla) bekam man nur in wenigen Städten zu sehen. Es wurden zwar Versuche gemacht, Operntrupps in die Provinzstädte zu schicken. Sie scheiterten aber an den mangelhaften Dekorationen. Operettenaufführungen gab es fast nur an den Sommertheatern. Neben ausländischen Operetten zeigte man russische Schöpfungen (Tendenzstücke), z. B. „Das goldene Tal“, „Hochzeit auf Kalinowka“. Revuetheater waren unbekannt. In jeder grösseren Stadt, u. a. auch in Smolensk, gab es eine Philharmonie, deren Theaterveranstaltungen mit Gesang- und Tanzdarbietungen verbunden waren. 3. Die Aufgaben des Schauspielers: Dem Schauspieler war eine Reihe kommunistisch-ideeller Aufgaben gestellt wie z. B.: 1) Bildung positiver Gestalten der sozialistischen Epoche der Sowjets, 2) Darstellung des wirklichen Lebens, der Arbeit und des inneren Erlebens eines Menschen der Jetztzeit, 3) heldische Darstellung (heldisch im kommunistischen Sinne) der Hauptperson mit den hervorstehenden Charaktereigenschaften wie Kühnheit, Unbeugsamkeit, Begeisterung und Rechtschaffenheit. Zu den Hauptaufgaben gehörte somit die Darstellung der grossen Kommunisten. Sie hatten den Typ zu idealisieren und ihn auf alle Parteimitglieder auszubreiten und diese in den Augen der Bürger zu Übermenschen zu machen, die berufen sind, ein neues Leben mit all seinen Herrlichkeiten herbeizuführen. Für diese Heldenrollen wurden Schauspieler bestimmt, die eine grosse Anziehungskraft bei der Bevölkerung hatten. b) Film: Mehr noch als das Theater stand der Film im Dienste der Sowjetpropaganda. Die oberste Leitung des Filmwesens und ihre Ausrichtung oblag dem Komitee für Kinomatographie in Moskau. Unter diesem stand als Spitze der Filmproduktion das Sojuskino (Filmunion). Diesem waren die Filmproduktionsstätten u. a. in Moskau, Leningrad, Charkow, Kiew, Odessa und Minsk unterstellt. Leiter des Sojuskino war der Jude Schumjatzky. Unter diesem wurde die sowjetische Filmproduktion vorwiegend eine Domäne jüdischer Sänger und Schauspieler. Russen wurden meist nur zu unbedeutenderen Rollen herangezogen. Die Organisation des Filmwesens in den Gebieten war das Filmbeschaffungsamt (Obl. Kinosnab) und das Amt für Filmtheater (Kinotrust). Beide unterstanden dem Komitee für Kinomatographie in Moskau. Die Filmtheater in den Städten und Rayons sowie die Kolchos- und Wanderkinos waren in der Mehrzahl der Fälle den Gebietsinstanzen untergeordnet. Die Filmschauspieler hatten die gleichen Aufgaben wie die Schauspieler im Theatersektor zu erfüllen. Auch dem filmischen Spielplan wurde grösste Aufmerksamkeit gewidmet. Die Filme mussten grundsätzlich propagandistisch wirksam sein und das Sowjetregime als das Ideal verherrlichen. Immer wiederkehrende Themen waren Kolchosaufbau, Industrieaufbau, das Leben der Parteiführer, Kampf gegen Volksfeinde usw. Das Programm bestand in der Regel aus einer Wochenschau und einem Hauptfilm. Kulturfilme wurden nur wenige gezeigt. Die Wochenschau war allgemein ziemlich eintönig gehalten. Sie zeigte Bilder von Konferenzen mit oder ohne Stalin, Stachanow-Arbeiter 2, Kollektivwirtschaften usw. Bilder aus dem Ausland wurden nicht gebracht. In den ersten Jahren nach der Revolution war man wegen Fehlens einer eigenen Produktion gezwungen, ausländische, vor allem amerikanische Filme zu zeigen. Von deutschen Filmen wurden beispielsweise gezeigt: „Der Mann in der Livrée“ mit Emil Jannings, „Don Juan“ mit Elisabeth Bergner (Jüdin), „Drei Freunde“ mit Heinrich George. Von österreichischen Filmen wurden aufgeführt: „Peter“, „Kleine Mutter“ und „Katharina“, sämtlich mit Franziska Gaal (Jüdin). Amerikanische Sensationsfilme wurden weitaus häufiger gezeigt.

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Die Filme der Eigenproduktion waren durchweg der bolschewistischen Agitation und Untermauerung sowjetischer Begriffe gewidmet. Zu dieser Kategorie gehören fast 80 % der Produktion. Sie sind aufzuteilen in: 1) Filme aus der russischen Geschichte, 2) Filme aus der bolschewistischen Geschichte, 3) Hetzfilme gegen das nationalsozialistische Deutschland. Die Filme aus der russischen Geschichte waren keineswegs neutral gehalten. Auch in ihnen wurde das Problem des Klassenkampfes stark herausgestellt, z. B. u. a. in dem Film „Peter der Grosse“, in welchem die reichere Bevölkerungsschicht in bewusstem Gegensatz zum Volk gebracht wird. Andere Filme dieser Art hatten einzelne Episoden aus dem Weltkrieg zum Gegenstand. Die letzteren reichen jedoch schon teilweise in den Bürgerkrieg hinein, z. B.: „Auf wichtigem Wege“, „Mut“, „Die Tochter des Partisanen“, „Tschapajew“, Geschichte der Heldentaten der Banditengruppe Tschapajew während des Bürgerkriegs. Einen breiten Raum nehmen die Filme ein, welche die Partei selbst und Helden der Partei herauskehrten. Zu den Hetzfilmen gegen das nationalsozialistische Deutschland gehörten: „Professor Mamlok“, Schilderung der Judenverfolgung in Deutschland, „Miss Ment“, Karikatur der NSDAP vor der Machtübernahme. In den letzten Jahren wurde auch eine Reihe patriotischer Filme gedreht, so u. a. vom Leben der Roten Armee, vom Kampf der Roten Armee (Besetzung Bessarabiens), vom Zukunftskrieg usw. Im Zuge des Ausbaues der Propagandamittel war auf die Schaffung von Filmtheatern allergrösster Wert gelegt worden, so dass es schliesslich keinen Ort mehr gab, der nicht bespielt werden konnte. Wo keine Dauerkinos vorhanden waren, wurden Wanderkinos eingesetzt, die einmal im Monat, z. B. in den Gemeinschaftshäusern der Kolchosen, Filmvorführungen brachten. Hochschulen, Institute, Klubs, Garnisonen hatten eigene Kinos. c) Musikleben: Zugleich mit dem Ausbau des Theater- und Filmwesens gingen die Sowjets an die Bereinigung und die Ausrichtung des Musiklebens. Auch die Musik sollte zum Künder der bolschewistischen Idee werden. Die klassische Musik blieb zwar die Grundlage, aber sie wurde mit den Jahren mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt, um der eigenen Sowjetmusik (Dunajewski, Pakras u. a.) Platz zu machen. Was der Bolschewismus als Sowjetmusik propagierte und als den Gipfel der musikalischen Kunst darstellte, war leichte, lustige, man kann sagen flache Musik. Nach Ansicht älterer russischer Musikerkreise sei sie nicht viel mehr als „Jahrmarktsmusik“ gewesen. In der Regel habe es sich um Schlager gehandelt, die heute populär und morgen vergessen waren. Eine Bevölkerungsschicht, die für wahre Musikkultur Interesse aufgebracht hätte, habe es zur Sowjetzeit nicht gegeben. Als Tanzmusik waren zahlreiche englische und amerikanische Schlager bekannt. In der ersten Zeit der Sowjetherrschaft sei das Tanzen allgemein nicht gern gesehen worden, später aber, als die Forderung nach Kultur auf allen Gebieten gestellt worden sei, wollte man auch auf diesem Gebiet Europa einholen. Offiziere und Beamte – auch Soldaten – mussten nach den neuesten Schlagern tanzen lernen, um als ganze Kulturmenschen dazustehen. Die Volksmusik, die früher auf hoher Stufe gestanden hatte, verflachte immer mehr. Einem grossen Teil alter Lieder wurden neue politische Texte unterlegt. Zur Heranbildung eines jungen Musikernachwuchses richteten die Sowjets in vielen Orten Musikschulen ein. Um aus der Bevölkerung die Begabten herauszufinden und durch Schulbesuch usw. zu fördern, veranstaltete man vielerorts sogenannte Liebhaberkünstlerwettbewerbe. In den Städten der Gebiete wurden zuerst örtliche Wettbewerbe angesetzt. Die Besten wurden zu einem grossen musikalischen Wettbewerb in der Gebietshauptstadt zusammengerufen. Dieses Auslesesystem hätte manchen jungen fähigen Künstler heraus-

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stellen können, doch zeigte es sich bald, dass die Organisation dieser Wettstreite sowie die Abstimmung vollständig in den Händen von Juden lag, so dass es nicht verwunderlich war, wenn 80 % der als Beste aus den Wettbewerben hervorgegangenen Künstler Juden waren. Ein reges musikalisches Leben spielte sich in den schon eingangs erwähnten Klubs ab. d) Bibliotheken: Der Bedeutung zufolge, die man sowjetischerseits dem gedruckten Wort allgemein in der Beeinflussung der Massen zusprach, baute man in Stadt und Land, in Betrieben, Schulen, Sanatorien, Kolchosen usw. ein umfangreiches Leihbüchereiwesen aus. In den letzten Jahren gab es kaum einen Ort, eine Gemeinde, einen Flecken, in dem nicht eine Bücherei vorhanden war. In den Städten waren es zumeist mehrere. So hatte u. a. z. B. Smolensk (Einwohnerzahl ca. 170 000) eine Volksbücherei mit 700 000 Bänden, Fundamentalbibliothek im pädagogischen Institut mit 600 000 Bänden, Bibliothek im medizinischen Institut mit 200 000 Bänden, Bibliothek im landwirtschaftlichen Institut mit 70 000 Bänden. In Roslawl (Einwohnerschaft ca. 55 000) waren vorhanden: 1 Stadtbibliothek, 6 Werksbibliotheken, 17 Schulbibliotheken. Dem Zweck entsprechend nahm die politische Literatur einen grossen Teil, meist ca. 30 % des Gesamtbuchbestandes der Bibliotheken ein. Für das Schrifttum in der Sowjetunion waren überaus schwere Bedingungen gestellt. Die literarischen Werke mussten nicht nur mit der Ideologie der Bolschewiken, sondern auch mit der Taktik der kommunistischen Partei, die jeweils von ihr angewendet wurde, übereinstimmen. In seinen Werken musste der Schriftsteller seinen Helden nach dem Sinne des Zentralkomitees beschreiben. e) Rundfunk: Mehr noch als Theater und Film war der Rundfunk ein ausgesprochenes Propagandainstrument der Sowjets. Nach Einrichtung der ersten radiotelefonischen Station in Moskau im Jahre 1922 widmete man sowjetischerseits, nachdem man die Bedeutung des Rundfunks für die propagandistische Erfassung der Bevölkerung auch der entferntesten Gebiete erkannt hatte, dem Auf- und Ausbau eines umfangreichen Sendenetzes die grösste Aufmerksamkeit (Aussprüche Lenins: „Radio ist die Tribüne für das Meeting mit Millionen“, „Radio ist eine Zeitung ohne Papier und Entfernung“). Bis zum 1. Januar 1941 hatte man 86 Sender in allen Teilen der Sowjetunion errichtet. Die Stärke der Sender schwankte zwischen 1–500 Kilowatt. Die stärkste Station war RW 1 (Komintern) etwa 40 km von Moskau. Die meisten Stationen sandten auf Mittelwelle. Das Programm eines Teiles dieser Sender auf mittlerer Welle dauerte nur 2–4 Stunden täglich. Starke Sender arbeiteten täglich 16–18 Stunden. Verschiedene örtliche Sender wiederholten teilweise das Programm der Zentralsender, besonders Nachrichten. Eine Aufteilung in Gruppen mit gleichem Programm war unbekannt. Rundfunkbenutzung war allgemein gestattet mit Ausnahme in den Grenzgebieten. Inhaber von Apparaten mussten die Geräte registrieren lassen und bezahlten an Steuern jährlich 72 Rubel. Das Abhören ausländischer Sender war offiziell nicht verboten, aber Nachrichtensendungen aus dem Ausland einzustellen wagte niemand, weil er Schwierigkeiten mit dem NKWD befürchtete. Ausländische Musiksendungen wurden eingestellt. Im letzten Vorkriegsjahr 1940/41 versuchte man in dem Typ „Moskau“ eine Einrichtung einzubauen, die es unmöglich machte, ausländische Sendungen abzuhören. Man hat auch hiermit Erfolge gehabt. Am 1. Juli 1940 waren in der Sowjetunion ca. 760 000 Radioapparate vorhanden. Eine grosse Anzahl von ihnen war aber ausser Betrieb, weil es keine Reparaturmöglichkeiten gab. Die grosse Masse der russischen Bevölkerung war auf den Drahtfunk angewiesen und konnte deshalb nur ein bestimmtes, vorgesetztes Programm hören. Am 1. Juli 1940 gab es in der Sowjetunion 5 300 000 Lautsprecheranschlüsse. Die grösste Drahtfunkstation befand sich in Moskau; sie hatte 454 000 angeschlossene Lautsprecher. Neben dem Draht-

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funk waren vor allem in den Städten Einrichtungen zum Gemeinschaftsempfang vorhanden. Das waren einmal Lautsprecheranlagen, die an Strassen, Plätzen, Gärten, öffentlichen Gebäuden usw. errichtet waren, zum anderen mit Kopfhörern oder Lautsprechern ausgerüstete Räume. Diese waren für den Empfang von politischen Schulungsvorträgen, z. B. über Marxismus, Geschichte der Partei, Verfassung der UdSSR usw., bestimmt. Die interessierten Hörer fanden Tische mit Schreibzeug vor, an denen sie sich niederlassen und die Vorträge mitschreiben konnten. Ende 1940 gab es auch 500 000 dieser Hörräume. Sie befanden sich vorwiegend in den Gebäuden der Parteikomitees. Zentrale für den Rundfunk war das Radiokomitee beim Rat der Volkskommissare. Aufgabe dieses Komitees war die Organisation und Planung der Rundfunksendungen. In den Gebieten und Kreisen bestanden Gebiets- und Kreisradiokomitees. Insgesamt gab es 141 solcher Komitees. In einem Teil der Rayons (ca. 1/3) sassen ausserdem Beauftragte für Rundfunksendungen. Diese planten und redigierten örtliche Sendungen (1500 Rayondrahtfunkstationen gaben tägliche Sendungen von 1/2–2 Stunden Dauer). Alle Sendungen standen unter scharfer Kontrolle, die von örtlichen Zensurstellen durchgeführt wurde. Technische Führung, Aufbau und Bedienung der Sender und des Drahtfunks unterstanden der Radioverwaltung beim Kommissariat für Nachrichtenwesen. In den Gebieten und Kreisen bestanden Radioabteilungen. Entsprechend der Hauptaufgabe, die die Sowjets dem Rundfunk zugedacht hatten, nahm die Propaganda den grössten Teil der Sendungen ein. Die Propagandaarbeit bestand aus: Letzte Nachrichten, Vorträge über die Geschichte der Partei und das Parteiprogramm, Sendungen über Maßnahmen und die Politik der Sowjetmacht, über laufende wirtschaftliche und politische Maßnahmen bzw. Aufgaben, militärische Sendungen, künstlerische Sendungen mit Agitationscharakter usw. In Zeiten von Wahlvorbereitungen, z. B. Ende 1939 zur Wahl für den Obersten Sowjet, nahmen die Propagandasendungen das gesamte Programm ein. So sprachen 1939 über 20 000 Stachanow-Arbeiter, Agitatoren, führende Sowjet- und Parteiangehörige. Neben den politischpropagandistischen Sendungen nahmen wissenschaftliche, technische und wirtschaftliche, vor allem landwirtschaftliche Vorträge im Rundfunk einen breiten Raum ein. Rein künstlerische Sendungen, die zunächst nur selten gebracht wurden, wurden in den letzten Jahren zahlreicher. Neben klassischer Musik, sowohl russischer wie ausländischer, fanden sich häufig Volksmusiksendungen im Programm. An dritter Stelle stand die leichte Unterhaltungsmusik (Tanzmusik). Die Sendungen der Sowjets wurden in 80 Sprachen der Völker der Sowjetunion und in den meisten Fremdsprachen gebracht. Einzelne Rundfunkstationen in den Nationalrepubliken sandten fast das ganze Programm in der örtlichen Sprache. f) Vortragswesen: Als wirkungsvollstes Propagandamittel wurde von den Sowjets neben dem gedruckten das gesprochene Wort angesehen. Rein propagandistische Vortragsveranstaltungen waren an der Tagesordnung. In der Hauptsache handelte es sich um Partei-, Komsomolzen-, Gewerkschafts- und Kolchosenversammlungen. Auf der Tagesordnung stand jeweils ein dem Zweck der Versammlung angepasstes Thema, z. B. „Staatsanleihe“, „Internationale Lage“, „Arbeitsdisziplin“, „Parteiprogramm“ usw. Neben diesen rein politischen Veranstaltungen trat das Vortragswesen über rein kulturell bezw. technische Dinge in den Hintergrund. g) Museen: Als reine Anschauungsmittel fanden die Museen nicht die Beachtung wie die übrigen Propagandamittel auf dem kulturellen Sektor. Sie wurden im Laufe der Jahre aber doch zu einem maßgeblichen Propagandafaktor ausgebaut, z. B. [Smolensk]: 1 Gemäldemuseum, 1 Geschichtsmuseum, 1 historisch-revolutionäres Museum, 1 antireligiö-

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ses Museum, 1 Museum der sozialistischen Baukunst, 1 naturwissenschaftlich-historisches Museum. Historische bezw. naturgeschichtliche Museen ohne besondere Bedeutung befanden sich ferner z. B. in Witebsk, Brjansk, Roslawl, Bobruisk, Gomel, Wjasma, Rshew, Sytschewka. 2. Anteilnahme der Bevölkerung: Die Sowjets wiesen immer mit grossem Stolz auf die hohen Besucherzahlen ihrer kulturellen Veranstaltungen hin. Dabei wird das Füllen der Theater nach einem bestimmten System durchgeführt. Diese Arbeit oblag den Berufsorganisationen, die den Theaterbesuch innerhalb der Fabriken oder Behörden organisierten. Dabei wurde folgendermaßen verfahren: 1. Durch den Betrieb oder die Behörde wurde eine bestimmte Anzahl von Plätzen für die ganze Saison angekauft. 2. Von den Arbeitsstätten wurden sogenannte Kulturgänge durchgeführt. Wenn z. B. ein Stück mit einem aktuellen politischen Thema gegeben wurde, kaufte eine Arbeitsstätte sämtliche Plätze für einen bestimmten Tag auf und gab der gesamten Belegschaft die Möglichkeit des Theaterbesuches. Meist stand einem solchen Kulturgang eine Propagandaarbeit von Seiten der Partei- oder Berufsorganisation des Werkes während der Mittagspause bevor. Also kam der Arbeiter schon vorbereitet ins Theater. 3. Jeder Arbeiter konnte sich ein Abonnement mit einem prozentualen Abzug vom normalen Preis kaufen. Außerdem wurden noch Vergünstigungskarten an einen Teil der Allgemeinheit verteilt. An StachanowArbeiter und Stoßbrigadiers wurden Karten zur Belohung ihrer Arbeitsleistung kostenlos abgegeben. Die Berufsorganisationen und auch Betriebe selbst mussten aus dafür geschaffenen Fonds die Differenzen zum tatsächlichen Preis zahlen. Als im Jahre 1938 diese Ordnung aufgehoben wurde und Karten nur noch an den Theaterkassen gekauft werden konnten, gingen die Besucherzahlen stark zurück. Häufig mussten Vorstellungen wegen zu geringer Besucherzahl abgesagt werden. Die Folge war, dass die Theater gewaltige Unterschüsse hatten, die durch für das Budget für Schulen und Sanitätswesen vorgesehene Gelder gedeckt wurden. Insbesondere waren Stücke mit rein politischer Färbung schwach besucht. Um eine Schliessung der Theater zu vermeiden, wurde 1939 der Spielplan etwas abwechslungsreicher gestaltet und mehr klassische Werke und Komödien zugelassen (Schiller: „Maria Stuart“, „Die Räuber“, Ostrowski, Gogol, Tolstoi u. a.). Die Filmveranstaltungen fanden bei der Bevölkerung mehr Anklang als die Theaterveranstaltungen. Dementsprechend waren auch die Kinos stets gut besucht, vor allem von der breiten Masse, die sich den Theaterbesuch aus finanziellen Gründen nicht erlauben konnte. Die Preise für die Filmvorführungen lagen allgemein zwischen 1,50 und 3,00 Rubel. Von den in den Städten vorhandenen Kinos stand nur ein Teil der Stadtbevölkerung allgemein offen. Der grösste Teil war für Militär, Arbeiter bestimmter Betriebe usw. bestimmt. Entsprechend der Vorliebe des Russen für Musik war die Anteilnahme der Bevölkerung an den musikalischen Darbietungen sehr stark. Die musikalischen Veranstaltungen vor allem zogen auch die interessierten Kreise in die Klubs. Ernste klassische Musik fand allerdings in der Bevölkerung wenig Anklang. Überhaupt hat es eine Bevölkerungsschicht, die für wahre Musikkultur Interesse zeigte, in den letzten Jahren nicht mehr gegeben. Bezeichnend für die Einstellung sogenannter gebildeter Kreise ist eine Mitteilung eines ehemaligen Kapellmeisters des Musikzuges eines Smolensker Flakregiments. Während der vor Offizieren und ihren Damen gegebenen Konzerte habe er immer wieder feststellen können, dass für gute, sogar leichtere klassische Musik jedes Verständnis gefehlt habe. Bei den Ouvertüren zu „Carmen“ oder „Faust“ habe man sich erheblich gelangweilt. Erst wenn er wunschgemäß die neuesten Schlager gespielt habe, sei allgemein

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Anteil genommen worden. Selbst musikalisch gute russische Eigenschöpfungen, z. B. auf dem Gebiete der Operette „Das goldene Tal“ oder die „Hochzeit auf Malinowka“, stiessen z. T. auf Ablehnung, da u. a. die Texte rein politischer Natur waren. Bei der Landbevölkerung hatte sich vor allem das bodenständige Liedgut erhalten. Musik- und Tanzabende waren hier sehr beliebt. Der Lesehunger der russischen Bevölkerung war von jeher gross. Er äusserte sich vor allem in der starken Inanspruchnahme der Bibliotheken. Die Bestände der häufig sehr umfangreichen Stadt- und Betriebsbüchereien reichten kaum aus, alle Wünsche der Leser zu befriedigen. Die rein politische Literatur wurde vornehmlich von den Agitatoren der Partei aus freien Stücken entliehen. Die Studenten, die eine Prüfung abzulegen hatten, sowie die öffentlichen Bediensteten, deren politische Kenntnisse in Zirkeln zur Erlernung der Geschichte der Partei und der Tagespolitik überprüft wurden, griffen zwangsläufig vor den Überprüfungen zu der politischen Literatur. Darüber hinaus fanden die politischen Werke kaum Leser. Um die politische Literatur populär zu machen, wurden in der Regel vor den Sowjetfesten von der Partei Referenten bestimmt, die Vorträge in den Bibliotheken zu halten hatten. Diese Referenten erhielten Vordrucke und Listen über die Literatur, die den Lesern zu empfehlen war. Die in jedem Sjel-Sowjet eingerichtete Bibliothek, bestehend aus 2–300 Bänden politischen Inhalts und einigen Lehrbüchern, wurde fast ausschliesslich von Komsomolzen und Schülern benutzt. Über die Zusammensetzung der Besucher der Stadtbibliothek Karatschew liegt folgender Bericht vor: Die Zahl der Besucher belief sich auf etwa 1850 Erwachsene und 2000 Kinder monatlich. Eine Aufteilung der Abonnenten nach Berufen ergab nachstehendes Bild: Arbeiter 10 %, Militär 12 %, Schüler und Studenten 29 %, Angestellte 40 %, übrige Berufe 9 %. Dem Alter nach war die Zusammensetzung: 13–18-jährige etwa 12 %, 18–35-jährige 48 %, über 35-jährige 40 %. Von der belletristischen Literatur seien am häufigsten die Werke von Maxim Gorki, Korolenko, Gontscharew, Lermontow, L. Tolstoi, Turgenjew, Tschechow u. a. gelesen worden. Von der ausländischen Literatur habe man am meisten verlangt: V. Hugo: „Das 93. Jahr“, „Kathedrale Notre Dame de Paris“, Zola: „Falle“, Dumas: „Drei Musketiere“, Kellermann: „Der Tunnel“ und „Lüder Schellenberg“. Stärker als beim Theater- und Filmsektor war die Anteilnahme der Bevölkerung an den Rundfunkdarbietungen, vor allem an den Nachrichtensendungen. Die ausgesprochenen Propagandasendungen wurden wegen ihrer Gleichförmigkeit und der sich dauernd in mehr oder weniger umgeänderter Form wiederholenden Themenstellungen nicht gern gehört. Diese Haltung fand man teilweise auch in staatsbejahenden Kreisen. Die Sendungen über die Geschichte der Partei usw. fanden viele Zuhörer, da für grosse Teile der Bevölkerung die Kenntnis der Parteigeschichte und des Programms Voraussetzung für die Beibehaltung der beruflichen Stellung war. Die Sendungen wissenschaftlicher, technischer und wirtschaftlicher, vor allem landwirtschaftlicher Art begrüsste man in den interessierten Fachkreisen, die Masse der Bevölkerung nahm jedoch keinen Anteil daran. Am beliebtesten waren, wie an anderer Stelle bereits erwähnt, die musikalischen Darbietungen. Vor allem die Volksmusik und die leichte Unterhaltungsmusik fanden allgemeinen Beifall. Über die Rundfunkteilnehmerzahlen liegen folgende Meldungen vor: Am 1. Juli 1940 gab es in der Sowjetunion 760 000 Radioapparate und 10 000 Drahtfunkstationen mit 5 300 000 Lautsprecheranschlüssen. Auf den Dörfern gab es fast nur den Drahtfunk. Die Anteilnahme der Bevölkerung an den Vortragsveranstaltungen war unterschiedlich. Die Teilnahme an den politischen Vorträgen war für alle Parteimitglieder und Partei-

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anwärter, die Teilnahme an den Fachversammlungen für die davon betroffenen Personenkreise Pflicht. Zum Zwecke der Kontrolle mussten sich alle Anwesenden in eine Liste eintragen. Dennoch war der Besuch schwach. Dichterlesungen, Rezitationsabende usw., die vornehmlich in den Städten, z. B. Smolensk, angesetzt wurden, fanden eine rege Anteilnahme, vor allem in den interessierten Kreisen. Den Museen wurde allgemein keine grosse Beachtung geschenkt. Um die breite Masse jedoch hineinzubringen, wurden allerorts Führungen veranstaltet und zwar für bestimmte Betriebe, Schulen usw.; vor allem sei dies bei den antireligiösen Museen der Fall gewesen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Sowjets in Stadt und Land ein dichtes Netz von kulturellen Einrichtungen zur Betreuung und Erfassung sämtlicher Bevölkerungskreise aufgebaut hatten. Bei diesen Maßnahmen war es ihnen jedoch nicht um eine kulturelle Betreuung schlechthin zu tun, sondern man nützte jede sich bietende Gelegenheit aus, um das bolschewistische Ideengut in die Massen hineinzutragen. Hiermit haben sie teilweise gute Erfolge gehabt. An einem Teil der Darbietungen bzw. Veranstaltungen nahm die Bevölkerung aus freien Stücken regen Anteil. Das war allgemein bei den Darbietungen der Fall, die ohne merklichen politisch-propagandistischen Einschlag waren, wie unterhaltende Film-, Theater- und Musikveranstaltungen. An den übrigen Einrichtungen des kulturellen Sektors nahm der Russe mehr oder weniger gezwungen teil oder aber aus der Befürchtung heraus, bei Nichtteilnahme Nachteile beruflicher Art usw. zu haben. Die kulturelle Betreuung der russischen Bevölkerung nach dem Einmarsch der deutschen Truppen steckt im grossen und ganzen noch in den Anfängen. Sie ist wie zur Sowjetzeit nicht Selbstzweck, sondern ein wesentlicher Teil der deutschen Propaganda zur Gewinnung des russischen Menschen. An dem auf dem kulturellen Sektor bisher Gebotenen nimmt die Bevölkerung regen Anteil. Dies gilt in besonderem Maße für die Filmvorführungen. Die z. B. an vielen Orten des Bereiches erfolgte Wiedereröffnung der Kinos wird seitens der russischen Bevölkerung als Beweis dafür angesehen, dass die deutsche Wehrmacht auch auf kulturellem Gebiete nach Kräften für die Bevölkerung sorgt. Man wünscht allgemein einen weiteren Ausbau der kulturellen Einrichtungen, vor allem auch auf dem flachen Lande. Bezüglich des Filmprogramms gehen die Wünsche der Bevölkerung dahin, dass die Filme häufiger gewechselt werden, ferner dass vor allem Wochenschauen, Kulturfilme aus dem deutschen Leben und deutschen Landen sowie gute Spielfilme gezeigt werden. Im Theatersektor ist die Beseitigung vor allem der technischen Mängel Voraussetzung für eine reibungslose Durchführung der vorgesehenen Veranstaltungen. Beim Drahtfunk sind die Einrichtung weiterer Anlagen und die Ausdehnung des Programms auf weitere Stunden des Tages angebracht. Die Wiedereröffnung der Bibliotheken kommt einem allgemeinen Wunsche der Bevölkerung entgegen. Anlage zu den „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ Nr. 31 vom 27. XI. 1942: Standorte und Nachrichtenverbindungen3 Höherer SS- und Polizeiführer Nord (101): (SS-O’Gruf. Jeckeln), Standort: Riga. Befehlshaber dSPudSD Ostland: (SS-Staf. Dr. Pifrader), Standort d. Bfh.: Riga, Kalpakstr. 4, N-Verbindungen: FS, FT Riga, Standort d. EG A: Nataljewka, N-Verbindungen: FT, FS Riga, FT Nataljewka, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Estland: (SS-O’Stubaf. ORR Dr. Sandberger), Standort: Reval, Antoniusberg 16, Dienststellen in Dorpat, Pernau, Arensburg, N-Verbindungen: FT, FS Reval, FS Dorpat, Fernspr. HV Pernau, Arensburg, Feldpost-Nr. 23007. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Lettland: (SS-Stubaf. RR Dr. Lange), Standort:

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Riga, Moltkestr. 1, Außendienststellen in Libau, Wolmar, Dünaburg und Mitau, N-Verbindungen: FT Riga, FS Riga, Libau, Wolmar, Dünaburg, Feldpost-Nr. 15437. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Litauen: (SS-Staf. Jäger), Standort: Kauen, Dienststellen in Wilna, Schaulen und Ponewesch, N-Verbindungen: FS Kauen und Wilna Feldpost-Nr. 15641. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Weißruthenien: (SS-O’Stubaf. RR Strauch), Standort: Minsk, Dienststellen in Wilejka und Baranowicze, N-Verbindungen: FT, FS Minsk, FT Baranowicze und Wilejka, Feldpost-Nr. 15641. Einsatzkommando 1a: (SS-O’Stubaf. ORR Dr. Sandberger), Dienststellen in Narwa, Kingisepp, Wolossowo, Pleskau u. Luga, N-Verbindungen: FT Narwa, Pleskau, Luga, Feldpost-Nr. 23007. Einsatzkommando 1b: (SS-Stubaf. Pechau 4), Standort: Loknja, N-Verbindungen: FT Loknja, Feldpost-Nr. 14700 S. Einsatzkommando 1c: (SS-Stubaf. Graaf), Standort: Nataljewka, N-Verbindungen: FT Nataljewka, Feldpost-Nr. 33888. Höherer SS- und Polizeiführer Mitte (102): (SS-O’Gruf. v. d. Bach), Standort: Mogilew. Einsatzgruppe B: (SS-Brif. Naumann), Standort: Smolensk, Falkenhaus, N-Verbindungen: FT Smolensk, Kurierverbindung über Warschau und Fernspr. über VD Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando 7a: (SS-O’Stubaf. Rapp), Standort: Sytschewka, Trupps in Wjasma, Ssuchinino, Andrejewskoje, Dorogobusch, Wladimirskoje, N-Verbindungen: FT Sytschewka, Feldpost-Nr. 10811. Sonderkommando 7b: Standort: Orel, Trupps in Orel, Brjansk, Karatschew, Lokot, Trubtschewsk, N-Verbindungen: FT Orel, Feldpost-Nr. 18555. Sonderkommando 7c: (SS-O’Stuf. Schmu¯cker), Standort: Roslawl, Trupp in Jelnja. Einsatzkommando 8: (SS-Stubaf. RR Schindhelm 5), Standort: Mogilew, Trupps in Bobruisk, Orscha, Gomel, Klinzy, Kritschew, N-Verbindungen: FT Smolensk, FeldpostNr. 37857. Einsatzkommando 9: (SS-O’Stubaf. Wiebens), Standort: Witebsk, Trupps in Newel, Polozk, Lepel, Surash, Smolensk, Borissow, N-Verbindungen: FT Witebsk, FeldpostNr. 37857. Höherer SS- und Polizeiführer Süd (103): (SS-O’Gruf. Prützmann), Standort: Kiew, Jungfernstieg 10. Befehlshaber dSPudSD Ukraine: (SS-Gruf. Dr. Thomas), Standort d. Bfh.: Kiew, N-Verbindungen: FT, FS Kiew, Standort d. EG C: Starobjelsk, N-Verbindungen: FT Kiew, Feldpost-Nr. 32704. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Wolhynien: (SS-Stubaf. RR Dr. Pütz), Standort: Rowno, N-Verbindungen: FS Kiew, Nvst. Rowno. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Shitomir: (SS-Stubaf. RR Dr. Razesberger), Standort: Shitomir, N-Verbindungen: FS Shitomir, Feldpost-Nr. 48840. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Kiew: (SS-O’Stubaf. Ehrlinger), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew üb. Bfh. dSPudSD Kiew und FS Kiew üb. Bfh. dSPudSD Kiew, Feldpost-Nr. 35102. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Tschernigow: (SS-Stubaf. Christensen), Standort: Tschernigow, N-Verbindungen: FT Kiew. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Nikolajew: (SS-Stubaf. RR Dr. Spann), Standort: Nikolajew, N-Verbindungen: FT Nikolajew.

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Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Charkow: (SS-Stubaf. RR Dr. Kranebitter), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Dnjepropetrowsk: (SS-Stubaf. Mulde), Standort: Dnjepropetrowsk, N-Verbindungen: FT Dnjepropetrowsk. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Stalino: (SS-O’Stubaf. Körting), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Taurien: (SS-Stubaf. Zapp), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol. Sonderkommando 4a: (SS-O’Stubaf. Steimle), Standort: Kursk, N-Verbindungen: FT Kursk, Feldpost-Nr. 22789. Sonderkommando 4b: (SS-Stubaf. Suhr6), Standort: [fehlt], N-Verbindungen: FT Kiew, Feldpost-Nr. 34310. Einsatzkommando 6: (SS-O’Stubaf. ORR Biberstein), Standort: Rostow, N-Verbindungen: FT Rostow, Feldpost-Nr. 35979. Kommando des Beauftragten des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD beim kommandierenden General der Sicherungstruppen und dem Befehlshaber des Heeresgebietes B: (SS-H’Stuf. Plath), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Kiew. BAB, R 58/699 1 Vgl. Andrej Sinjawskij: Der Traum vom neuen Menschen oder Die Sowjetzivilisation, Frankfurt/M. 1989; Hans Günther: Der sozialistische Übermensch. Maksim Gorkij und der sowjetische Heldenmythos, Stuttgart-Weimar 1993; Stefan Plaggenborg: Revolutionskultur. Menschenbilder und kulturelle Praxis in Sowjetrussland zwischen Oktoberrevolution und Stalinismus, Köln 1996; Stephen Kotkin: Magnetic Mountain. Stalinism as a Civilization, Berkeley 1997; Jeffrey Brooks: Thank you, comrade Stalin! Soviet Public Culture from Revolution to Cold War, Princeton 1999; Karen Petrone: Life has become more joyous, Comrades. Celebrations in the Time of Stalin, Bloomington 2000; Igal Halfin: From Darkness to Light. Class, Consciousness, and Salvation; Pittsburgh 2000; Brigitte Studer/Berthold Unfried: Der stalinistische Parteikader. Identifikationsstiftende Praktiken und Diskurse in der Sowjetunion der dreißiger Jahre, Köln 2001; David Brandenberger: National Bolshevism. Stalinist Mass Culture and the Formation of Modern Russian Identity, 1931–1956, Cambridge 2002; David L. Hoffmann: Stalinist Values. The Cultural Norms of Soviet Modernity (1917–1941), Ithaca-London 2003; Michail Ryklin: Kommunismus als Religion. Die Intellektuellen und die Oktoberrevolution, Frankfurt/M. 2008; Thomas Tetzner: Der kollektive Gott. Zur Ideengeschichte des ‚Neuen Menschen‘ in Russland, Göttingen 2013. 2 Rekordkampagne zur Steigerung der Arbeitsleistungen, benannt nach Alexej Stachanow, der 1935 in einer Kohlengrube im Donez-Becken die Arbeitsnorm um 1457 % übererfüllte; Robert Maier: Die Stachanov-Bewegung 1935–1938. Der Stachanovismus als tragendes und verschärfendes Moment der Stalinisierung der sowjetischen Gesellschaft, Stuttgart 1990. 3 Meldungen bezüglich der EG D fehlen in dieser Aufstellung. 4 Dr. Manfred Pechau, geb. 1909, Studium der Geschichte, der Philosophie u. des Sports, 1931 SA, 1932 NSDAP, 1934 Dr.phil., 1937 Assessorexamen, 1940 Schulungsreferent beim IdS Berlin u. Hstuf., dann Referent I B 3 (Lehrplangestaltung der Schulen) im RSHA, 1942 Stubaf. u. Kdr. SK 1b, 1950 Selbstmord; BAB, BDC, SSO Dr. Manfred Pechau; BAL, ZK: Dr. Manfred Pechau. 5 Hans-Gerhard Schindhelm, geb. 1908, Jurastudium, 1932 Referendarexamen, 1933 NSDAP, 1936 Assessorexamen, 1937 zur Stapo-Stelle Leipzig, 1938 SS, 1939 stellv. Chef Stapo-Stelle Leipzig, 1940 Stubaf., Nov. 1942–Okt. 1943 Kdr. EK 8, danach Leiter IV beim BdS Krakau, 1944 Ostubaf., 1945 Chef Stapo-Stelle Frankfurt/Oder; BAB, BDC, SSO Hans-Gerhard Schindhelm; BAL, ZK: Hans-Gerhard Schindhelm. 6 Friedrich Suhr, geb. 1907, Jurastudium, 1933 NSDAP u. SS, 1936 Assessorexamen u. zur Gestapo, 1938 Hstuf. u. zum Gestapa, 1939 Stubaf., Mai 1940 stellv. Amtschef II, dann VII im RSHA, Juli 1941 Referent IV B 4 b „für Endlösung der europäischen Judenfrage, insbesondere Ausland“ im RSHA, Nov. 1942 als Kdr. SK 4b vorgesehen, statt dessen zur Bewährung zum ‚Bandenkampf‘ bei EG C, Nov. 1943 KdS Toulouse, 1944 Ostubaf., Sept. 1944 BdS Frankreich, Dez. 1944 SSPF Elsaß, 1946 Selbstmord; BAB,

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Nr. 22: Ukrainische Frauen und Mädchen vor dem gewaltsamen Abtransport ins Reich 1942

BDC, SSO Friedrich Suhr; BAL, ZK: Friedrich Suhr; vgl. Yaacov Lozowick: Hitlers Bürokraten. Eichmann, seine willigen Vollstrecker und die Banalität des Bösen, Zürich-München 2000, S. 74, 107 ff., 114 f., 122 ff., 129, 131, 141 f., 147 f., 172.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 4. XII. 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 32 […] A. Gegner und Exekutivfragen Kommunistische Bewegung in den Ostgebieten: In Mikojan-Schachar wurden im Zuge einer Aktion bisher 42 Personen wegen kommunistischer Betätigung festgenommen. Unter den Festgenommenen befindet sich eine grössere Anzahl früherer Funktionäre der KP und Banditen. Nach Aussagen eines in Naltschik festgenommenen Parteimitgliedes sollte auf Generaloberst von Kleist 1 ein Attentat durch 4 Frauen verübt werden. Zwei von den Frauen sind bereits festgenommen, die Fahndung nach den beiden anderen ist im Gange. In Lokot wurde festgestellt, daß sich dort Gruppen auf der Grundlage des kommunistischen Programms bilden. Drei dieser Gruppen wurden bisher aufgerollt und 34 Personen festgenommen, die erhängt bezw. erschossen wurden. In Mosyr, im Bereich des Bfh. dSPudSD Ukraine, ist am 27. 10. 42 mit der Zerschlagung einer kommunistischen Organi-

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sation begonnen worden. Bisher wurden 43 Personen festgenommen. Der Führer war ein Lehrer. In Kursk ist es gelungen, Einblick in eine illegale KP-Organisation zu erhalten. Die Organisation setzt sich aus Fünfergruppen zusammen, die jeweils durch einen Kommissar geführt werden. Dieser allein unterhält die Verbindung zu der nächsten Gruppe. Die neu aufzunehmenden Mitglieder werden äusserst sorgfältig ausgewählt und vor ihrer Annahme besonders überprüft. Durch die Ermittlungen wurde weiter festgestellt, daß einige deutsche Wehrmachtsangehörige mit der illegalen Organisation in Verbindung stehen und mit einzelnen Angehörigen finanzielle Schiebergeschäfte betreiben. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß die Organisation über 2 grössere Waffenlager verfügt. Von einem Einschreiten gegen die Organisation wurde bisher aus taktischen Gründen Abstand genommen. Durch die Einsatzgruppe D konnte ein geplanter Anschlag auf das Dienstgebäude eines höheren Stabes in Woroschilowsk durch die Festnahme der Täter verhindert werden. Die Täter sollten durch besonders konstruierte Leuchtraketen sowjetischen Bombern einen gezielten Bombenabwurf auf das Dienstgebäude ermöglichen. Bandenunwesen: In Lettland sind im Kreise Walk Bandengruppen in Stärke von 2–5 Mann aufgetreten. Sie haben von den Bauern Lebensmittel und Kleidung verlangt und – allerdings nur unter Druck – auch erhalten. Die Banditen waren mit Handgranaten, Gewehren und Pistolen bewaffnet. Zum Teil trugen sie Zivilkleider. Die mitgenommenen Lebensmittel und Bekleidungsstücke wurden mit Beträgen bis zu RM 50,– bezahlt. Es hat sich aber gezeigt, daß das von den Banditen in Zahlung gegebene Geld z. T. falsch war. Es handelt sich hierbei um 5-Markscheine, die sehr gut gefälscht und schwer als Fälschungen erkennbar sind. Die falschen 5-Markscheine wurden eingezogen. Aus dem Kreise Illuxt laufen in der letzten Zeit wiederholt Meldungen ein, die von einer aktiveren Tätigkeit der jenseits der Grenze in Weissruthenien befindlichen Banden melden. Von der Grenzpolizei Illuxt würden mehrere grosse Banden im Grenzgebiet beobachtet. Bis Mitte Oktober hat sich die Bandentätigkeit auf das weissruthenische und litauische Grenzgebiet beschränkt; jedoch scheinen einzelne Trupps auch in lettisches Gebiet hineingekommen zu sein. So sind z. B. auf der Bahnstrecke Zemgale–Richtung Kurzum – ungefähr 8 km von Zemgale – durch eine Mine 1 Lokomotive und 1 Waggon eines Transportzuges in die Luft gesprengt worden. Einen Tag darauf ist von unbekannten Banditen in der Gemeinde Silene die Poststelle Kumbuli und eine Molkerei angegriffen und ausgeplündert worden. Die Frau des Botenmeisters wurde durch einen Schuß verwundet. Es sollen ungefähr 24 Banditen mit automatischen Gewehren bewaffnet gesehen worden sein. Eine Meldung vom 3. 11. 42 besagt, dass am 2. 11. um 6 Uhr einem Grenzbeamten des III. Polizeibezirks sämtliche Häuser abgebrannt worden sind. Auch diese Tat ist von den in Weissruthenien herumstreichenden Banditen verübt worden. Der Stab der lettischen Banden erließ am 19. 10. eine Warnung an die Bevölkerung, die von einem Buschwächter im Kreise Walk gefunden wurde. Die Warnung wurde durch handgeschriebene Zettel verbreitet; sie hat folgenden Inhalt: „Allen im Kreise Walk sich befindenden Hüter der Heimat oder den sogen. Pastaljantschi, welche sich beim Berauben unserer Heimat dienend der deutschen Macht zur Verfügung stellen, legen wir ans Herz, diese verbrecherische Tätigkeit bis zum 15. Oktober aufzugeben. Wer die Warnung nicht befolgt, mit dem werden wir abrechnen und ihn samt den Gebäuden in die Luft sprengen und sie wie Hasen erschiessen. Stellt Euch bei den lettischen Partisanen ein. Kommt zum Walde, noch ist es Zeit zur Umkehr. Tod den deutschen Okkupanten.“ Anlässlich einer Sonderaktion der Aussenstelle Dünaburg wurden mehrere Gestellungsbefehle, die die Banden an der lettisch-russischen Grenze an die Bauern verschickten,

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gefunden. Der Gestellungsbefehl lautete: „Dem Kriegsverpflichteten … Sie sind verpflichtet, sich am 25. 9. 42, um 2 Uhr mittags, zur Militäreinstellung im Dorfe Seledzowo in der Gemeinde Saddescheno zu stellen. Mitzunehmen sind: Dokumente, Schuhwerk und Verpflegung für 10 Tage. Im Falle des Nichterscheinens tragen Sie die Verantwortung. Befehlsstelle RKKA“. In der Ukraine hat die Aktivität der Banden nicht nachgelassen. Allein in den Kommandeurbereichen Rowno und Shitomir haben sich innerhalb der letzten 8 Tage etwa 150 Bandenüberfälle, die hauptsächlich der Versorgung der Banden dienten, ereignet. Aber auch Sprengungen und Entgleisungen von Eisenbahnen sind noch sehr zahlreich. Ein anschauliches Bild über die Auswirkung der Bandenbekämpfung gibt das bisherige Ergebnis der Getreideerfassungsaktion im Kdr.-Bereich Rowno. In allen, auch in den im Sommer noch bandenverseucht gewesenen Gebieten konnte die Aktion zu 70 bis 100 % durchgeführt werden. Dagegen stehen die Gebiete Pinsk, Kostopol und Sarny wegen der starken Bandentätigkeit in der Erfassung weit zurück: Pinsk 28 %, Kostopol 32–35 % und Sarny 25– 30 %. Die im Rahmen der Bandenbekämpfung eingeleitete Propagandaaktion hat bereits zu Erfolgen geführt. Verschiedentlich melden sich Bandenmitglieder daraufhin freiwillig bei deutschen Dienststellen. In der Berichtszeit wurden im Bereich des Kdrs. dSPudSD Rowno etwa 100 Bandenüberfälle gemeldet, die in erster Linie der Versorgung der Banden mit Lebensmitteln dienten. 4 Staatsgüter, mehrere Bürgermeistereien und Molkereien sind z. T. vollständig vernichtet worden. Mehrere 100 Zentner Getreide, grössere Mengen Vieh wurden geraubt. Bei Feuergefechten im Rahmen der Bandenbekämpfung sind 594 Banditen erschossen worden; 2 Erdbunker und 13 Bandenlager wurden gesprengt bezw. zerstört. Auf deutscher Seite sind 3 Schutzpolizeiangehörige und 10 ukrainische Schutzmänner gefallen. In Gebieten, wo eine Unterstützung der Banden durch die Bevölkerung festgestellt wurde, sind Vergeltungsmaßnahmen durchgeführt worden. Nördlich von Lenin bei Luniniec ist eine Kompanie Schutzpolizei vorübergehend von einer starken Bande eingeschlossen worden. Der Gebietskommissar von Kamen-Kaschirsk wurde am 3. 11. 42 von einem Banditen überfallen und mit dem Rasiermesser schwer verletzt. In der Nacht zum 4. 11. 42 versuchten Banditen den Wasserturm bei Powursk zu sprengen. Infolge einer zu schwachen Sprengladung ist kein grösserer Schaden entstanden. Am 5. 11. wurde der Zug auf der Kleinbahnstrecke Mochoro-Janow von etwa 20 Banditen, unter denen sich auch 2 Frauen befanden, angehalten. Das Zugpersonal wurde gezwungen, den Zug bis zum Kanal nach Kuschilischtschi zu fahren. Dort wurde die Lokomotive zur Entgleisung gebracht und in den Kanal gestürzt. Am gleichen Tage wurden in fast alle Fenster eines Bauerngehöftes bei Uhorsk, Rayon Schumsk, Stielhandgranaten geworfen. Anschl. wurde das Haus mit Maschinenpistolen beschossen und die Scheune niedergebrannt. Südlich Kleben wurde am selben Tage die Mühle von etwa 15 Banditen überfallen. Die anwesenden Personen wurden in einem Raum zusammengetrieben und mit Pistolen bedroht. Währenddessen raubten die Banditen 12 Zentner Mehl, zerstörten die Wasserturbine und entfernten alle Treibriemen. Die geraubten Sachen wurden auf einem Panjewagen fortgefahren. In der Nacht zum 7. 11. wurde in Karasin bei Manewitsche von einer Bande eine rote Fahne gehißt. Als am nächsten Tage ein Bauer die Fahne entfernen wollte, erfolgte eine Explosion, durch die ihm ein Fuß abgerissen wurde. Bei der Ausräumung einer Banditenwohnung in Brest-Litowsk wurden 4 Eierhandgranaten und 30 Schuss Gewehrmunition gefunden, die in einem aufgespalteten Holzklotz geschickt eingelassen waren. Am 11. 1. 42 [sic] drangen 6 mit einer MP, automatischen Gewehren und Handgranaten bewaffnete Banditen in die Wohnung eines Bau-

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ern in Hai, Geb. Kremenez, ein und raubten Kleidung und Lebensmittel sowie 1 Fuhrwerk. Nach den bisherigen Feststellungen handelt es sich um eine Bande, die über die nahe Generalgouvernementsgrenze kommt und nach Überfällen wieder über die Grenze zurückgeht. In der Nacht zum 18. 11. 42 erschien eine stark bewaffnete Bande an der Bahnstation nördlich Mokwin, zerstörte den Bahnhof und setzte das Postgebäude in Brand. Im Kdr.-Bereich Shitomir ereigneten sich in der Berichtszeit 49 Bandenüberfälle, die vor allem Plünderungszwecken dienten. Im Rayon Gorodnitza treten seit dem 29. 10. 42 Banden in Stärke von 10–15 Mann unter Führung von sowjetischen Offizieren auf, die Vieh und Lebensmittel rauben und einzelne Einheimische verschleppten. Am 8. 11. 42 fand ein Feuergefecht zwischen einer etwa 100 Mann starken Bande und einer slowakischen Einheit statt. Die Slowaken hatten 27 Tote. Von einem ebenfalls eingesetzten Gendarmerieeinsatzkommando wurden 1 Leutnant und 2 Wachtmeister vermisst. In Selenotsch, nordwestlich Wassiljewitschi, plünderte eine starke Bande und ermordete den Amtsvorsteher und den Schuldirektor. Am 24. 11. 42 wurde südwestlich Darschew der Kurier eines Sonderführers von Banditen überfallen und seiner Post beraubt. In das Empfangsbuch trugen die Banditen ein: „Kurierpost haben Banditen in Empfang genommen.“ Bei Owrutsch, Retschitza und Olewsk wurden wiederholt sowjetische Flugzeuge beobachtet. In den genannten Gebieten sind Fallschirmspringer abgesetzt und Ausrüstungsgegenstände für Banden abgeworfen worden. Ein Fallschirmspringer meldete sich freiwillig bei einer Dorfverwaltung, ein zweiter konnte festgenommen werden. Am 16. 11. 42 wurde auf das Kino in Makaschewicze ein Bombenanschlag durchgeführt, bei dem 8 Tote, 50 Schwerund Leichtverletzte zu beklagen sind. Am 10. 11. 42 drangen 17 mit einem sMG und mehreren lMG ausgerüstete Banditen in das Dorf Berkoff, Rayon Koseletz, Kdr.-Bereich Tschernigow, ein, die sich als Schutzmänner ausgaben und auch die für die Schutzmannschaft üblichen Armbinden trugen. Die Banditen zertrümmerten die Unterkunft der Schutzmannschaft und verschleppten 6 Schutzmänner, die später bis auf einen, dem die Flucht gelang, erschossen wurden. Am 12. 11. 42 wurde die Schutzmannschaftsstation in Branitza von Banditen in deutscher Reichsbahnuniform überfallen. Bei einer Bandenbekämpfungsaktion bei Nikolajewka, Kdr.-Bereich Charkow, wurde eine durch Polizei verstärkte Pionierkompanie gegen eine mit sMG und Granatwerfern ausgerüstete Bande angesetzt. Auf deutscher Seite sind 2 Tote, 3 Vermißte und 12 Verletzte zu beklagen. Im Waldgebiet am Schwarzenberg bei Aluschta, Kdr.-Bereich Simferopol, wurden 2000 ha Eichen- und Buchenwald von Banditen in Brand gesetzt und vernichtet. Am 14. 11. 42 beschossen Banditen aus der Höhle Adshin-Uschkai bei Kertsch einen rumänischen Posten. Nach Sprengung der Höhle konnten 20 Banditen, darunter ihr Stabschef, ein sowjetischer Oberleutnant, gefangengenommen werden. Mehrere Maschinengewehre und Munition wurden erbeutet. Im Gelände zwischen Bandsan und Kurtluk erfolgten in den Abend- und Nachtstunden vielfach Landungen von sowjetischen Flugzeugen, die dort den Nachschub für die Banditen aufrechterhalten. Im Bereich der Einsatzgruppe D wurde im Raume nördlich Werchne Bakanskaja – EK 10a – in der Nacht zum 17. 11. vom EK im Zusammenwirken mit Gendarmerie ein Bandenunternehmen durchgeführt. 2 verlassene Bandenlager wurden vernichtet. Keine Verluste. Weiter erfolgte am 19. und 20. 11. unter Beteiligung EK 10a ein grösseres Bandenunternehmen der Wehrmacht im Raume Gestagejeskaja. Dabei wurden 6 stark ausgebaute Winterlager zerstört und grosse Vorräte an Lebensmitteln und Munition erbeutet. Der Gegner verlor 18 Tote und eine nicht feststellbare Zahl Verwundeter. Eigene Verluste: 5 Tote und 4 Verwundete.

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[…] B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung im Reichskommissariat Ukraine: Als stimmungsbeeinträchtigende Faktoren stehen den Meldungen zufolge nach wie vor die Ernährungslage, die Versorgung der Bevölkerung mit Brennmaterialien für die Wintermonate und das Problem des Arbeitseinsatzes im Reich im Vordergrund weiter Bevölkerungskreise. Wegen der Ernährung und Lebensmittelversorgung im Winter ist die Bevölkerung im allgemeinen stark in Besorgnis. Während die vorübergehend verbesserte Versorgungslage die Sorgen vor dem kommenden Winter zeitweilig zurückdrängte, treten sie mit dem Abflauen der Zufuhr zusätzlicher Nahrungsmittel wie Gemüse usw. wieder stärker in Erscheinung (Kiew, Rowno, Tschernigow, Dnjepropetrowsk). Die Ernährungssorgen der Bevölkerung gelten insbesondere für die Städte, während dies auf dem Lande nicht in demselben Maße der Fall ist. So wird aus den landwirtschaftlichen Bezirken der Generalbezirke Rowno und Kiew berichtet, dass der günstigere Verlauf und gute Ertrag der diesjährigen Ernte sich stimmungsmäßig in Kreisen der Landbevölkerung gut ausgewirkt habe und diese dem kommenden Winter mit einer gewissen Ruhe entgegensehe. Neben der die Stimmung herabdrückenden schwierigen Ernährungslage und den mit dem Arbeitseinsatz im Reich zusammenhängenden Fragen ist es insbesondere die Sorge um ausreichendes Brennmaterial, die die Bevölkerung mit Befürchtungen in den beginnenden Winter gehen lässt. Aus Charkow wird gemeldet, dass sich die Sorge um Heizmaterial bis zur offenen Angst verstärkt hat. Während in dem letzten Winter noch Vorräte vorhanden gewesen seien und die Möglichkeit bestanden hätte, aus den zerstörten Häusern Holz zu beschaffen, stünde die Bevölkerung jetzt vor dem Nichts. Auch in Kiew und Dnjepropetrowsk spielt die Frage des fehlenden Brennmaterials in der Bevölkerung eine wesentliche Rolle. Nach wie vor blüht im Zusammenhang mit den Versorgungsschwierigkeiten der Tauschund Schleichhandel. Die Meldungen aus dem Shitomirer Bereich lassen erkennen, dass ein Teil der Bevölkerung sich für den kommenden Winter auf allen möglichen Wegen Nahrungsmittel zu beschaffen versucht. Auch in Kiew und Rowno versorgen sich breite Bevölkerungskreise weitgehendst durch den Schleichhandel. Diese allgemein schwierige Versorgungslage wird von Spekulanten aller Schichten durch Forderungen geradezu unsinniger Preise ausgenutzt. Wenn schon bei den täglichen Bedarfsartikeln hohe Preise gefordert werden, so gilt das in einem noch höheren Maße für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse. In den judenfreien Orten machte sich den Berichten zufolge ein rapides Sinken der Preise im Schleichhandel bemerkbar. In der in gleicher Stärke auch weiterhin auftretenden Gerüchtebildung nehmen die Lebensmittelversorgung, die militärische und politische Lage einen breiten Raum ein. So wurden in Dnjepropetrowsk zahlreiche Gerüchte in Bezug auf die Ernährungslage verbreitet, z. B.: Die Brotration würde auf 200 Gramm herabgesetzt, den Invaliden und Arbeitslosen würde das Brot überhaupt gestrichen, die hierfür verantwortliche Abteilung der ukrainischen Hilfsverwaltung habe Wichtigeres zu tun, als sich der Versorgung der Bevölkerung anzunehmen, nämlich ihre „Selbstversorgung“ sicherzustellen. Weiterhin laufen über die militärische und politische Lage in allen Bereichen die verschiedensten Gerüchte, u. Stimmen aus der Bevölkerung in Dnjepropetrowsk behaupten, die militärische Macht der Sowjets sei weitaus grösser als die deutsche. Das deutsche Heer befinde sich in den „letzten Atemzügen“ und verfüge über keine Menschen und Waffen mehr zur Kriegführung. Ebenso stehen Gerüchte über einen bevorstehenden Waffenstillstand an der Ostfront im Mittelpunkt. Sie verbreiteten sich in den verschiedensten Variationen wie ein Lauffeuer innerhalb der gesamten Bevölkerung.

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Eine Quelle laufender Mißstimmung ist die Werbung für den Arbeitseinsatz im Reich und alle damit zusammenhängenden Fragen. Freiwillige Meldungen zum Arbeitseinsatz sind so gut wie gar nicht zu verzeichnen. Neuerdings wird seitens der Bevölkerung, wie aus Kiew, Dnjepropetrowsk, Rowno, Tschernigow gemeldet wird, immer auf die angeblich schlechte Behandlung der Arbeiter im Reich und die ungenügende Verpflegung hingewiesen. Die Ostarbeiter im Reich würden, wie durch Briefe und zurückgekehrte arbeitsunfähige Kräfte bekannt wird, nicht einmal den Polen gleichgestellt (Kiew). Aus dem Bereich Tschernigow wird gemeldet, dass zurückgekehrte Arbeiter die Lage in der Ukraine in Deutschland sehr schlecht beurteilen. Obgleich diese Rückkehrer wohl kaum zu den positiven Kräften gewertet werden können, lässt sich nicht vermeiden, dass allen diesen mündlichen Berichten gern geglaubt wird. Es wird deshalb von aufbauwilligen ukrainischen Lehrkräften geäussert, dass man positive Briefe von Angehörigen, die in Deutschland beim Arbeitseinsatz sind, nicht nur faksimiliert zu Plakaten verwenden, sondern dass man sie vom Bürgermeister während einer Dorfversammlung vorlesen lassen solle. Auch aus Dnjepropetrowsk liegen Meldungen vor, dass in der Bevölkerung über die schlechte Behandlung der Arbeiter im Reich und die ungenügende Verpflegung geklagt wird. Z. T. wird in der Bevölkerung die Behauptung aufgestellt, dass sich die Aushebungen für den Arbeitseinsatz im Reich in keiner Weise von den gefürchteten Verschleppungen zu Zeiten der Sowjets unterscheiden. Allgemeine Lage und Stimmung in den Operationsgebieten: Eine starke Beunruhigung in der gesamten Stadt Kursk sowie auch der ostwärts Kursk liegenden Landbevölkerung haben die in letzter Zeit durchgeführten Befestigungsarbeiten hervorgerufen. Eine Reihe von Gerüchten, die vorsätzlich durch die bolschewistische Flüster- und Schriftpropaganda hervorgerufen wurden, war im Umlauf. Zu der Stimmungsverschlechterung trug vor allem auch die schlechte wirtschaftliche Lage bei; u. a. hat die letzte behördliche Maßnahme zur Beschlagnahme sämtlicher Lebensmittel, die durch die Landbevölkerung nach Kursk zum Markt gebracht wurden, grosse Unzufriedenheit hervorgerufen. Die zur gleichen Zeit durchgeführte Erfassungsaktion der Volksdeutschen gab ebenso den Anlass zu weiteren Gerüchten. Das Schicksal der aus Woronesh Evakuierten, die massenweise in Kursk und Umgebung auftauchten, begünstigte weithin die Arbeit der feindlichen Propaganda. In den letzten Wochen sind diese Gerüchte jedoch verstummt, und die Nervosität der Bevölkerung hat nachgelassen. Die verhältnismäßig gute Belohnung der bei den Befestigungsanlagen Beschäftigten (15 Rubel und 500 gr Brot pro Tag) haben dazu wesentlich beigetragen. Wesentlich schlechter als bei der übrigen Bevölkerung ist die Stimmung in Kreisen der russischen Intelligenz, vor allem unter Lehrern und Studenten. Diese Kreise sprechen die Vermutung aus, dass sie die Schule gegen eine Arbeitswerkstätte eintauschen müssen. Auch bei den Personen, die stets feindlich gegenüber dem Kommunismus eingestellt waren, macht sich eine starke Unzufriedenheit bemerkbar. Die Anordnung, dass nur Volksund Fachschulen zugelassen werden, trägt weiterhin zur Verschlechterung der Stimmung dieser Kreise bei. Vor allem lässt sich eine starke Abneigung gegen den Arbeitseinsatz im Reich feststellen. Die Gerüchte über das Schicksal der russischen Arbeiter im Reich sind verschieden; überwiegend aber sind sie negativ. Die deutsche Propaganda wird auf diesem Gebiet gegenüber der feindlichen als stark unterlegen bezeichnet, obwohl sie mit vielem Schrift- und Bildmaterial arbeitet. Man weist darauf hin, dass eine aus dem Altreich durchsickernde Nachricht eines Kursker Arbeiters stärker wirkt als Hunderte von Plakaten. Von der Intelligenz haben sich bisher die Ärzte am besten bewährt. 80 Ärzte haben

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z. B. unentgeltlich ihre Arbeit zur Betreuung der Zivilkrankenhäuser zur Verfügung gestellt. Bedeutend besser stellt sich die Stimmung der Landbevölkerung dar; jedoch ist sie in Gegenden, in denen im vergangenen Winter die Kampfoperationen andauerten und so auf dem Gebiete der Landwirtschaft noch verhältnismäßig wenig geschafft wurde, schlechter als in den übrigen Teilen des Kursker Gebietes. Die Hoffnung auf zukünftiges, z. T. auch schon realisiertes Privatrecht ist der wichtigste Stimmungsfaktor bei der Landbevölkerung. Propagandawesen in der Ukraine: Für das Gebiet der Propaganda gilt im wesentlichen auch jetzt noch die in den vorhergegangenen Meldungen Nr. 24 und 25 ausführlich dargelegte Situation. So wird aus Rowno berichtet, dass die feindliche Flüsterpropaganda nach wie vor sehr aktiv sei und einen grossen Teil der Bevölkerung in starkem Maße beeinflusse. Dabei werde das langsamer werdende Vordringen der deutschen Truppen im Südabschnitt der Front in besonderem Maße herausgestellt und in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die deutschen Armeen am Ende ihrer Kräfte seien. Auch im Shitomirer Bereich ist den Meldungen zufolge die gegnerische Flüsterpropaganda, die im wesentlichen von den Banden ausgeht, noch ganz erheblich im Gange. Mit Rücksicht auf die wenig vorhandenen Zeitungen, die auf das Land kommen, dort aber mit Interesse gelesen werden, wird aus dem Shitomirer Bereich der Vorschlag gemacht, wenigstens an den Markttagen die neuesten Ereignisse durch Lautsprecher in ukrainischer Sprache bekanntzugeben, zumal Versuche deutscher Dienststellen, die deutschen Wehrmachtsberichte zu übersetzen und der Bevölkerung mittels Rundfunkgerät bekanntzugeben, gezeigt hätten, dass die Bevölkerung mit grossem Interesse daran Anteil nähme. Die deutschen Dienststellen sind nach vorliegenden Meldungen sogar bemüht, trotz der entgegenstehenden technischen und organisatorischen Schwierigkeiten und Hemmnisse immer wieder Neuerungen zu finden, um die Bevölkerung propagandistisch zu beeinflussen. So stellten die ausgehängten Wehrmachtsberichte in grösseren Städten im Rownoer Bereich eine Neuerung dar, die Interesse bei der einheimischen Bevölkerung finde. Besonders gelte dies auch für die mit Fähnchen besteckten Karten über die Frontlage. Vom Generalkommissar in Rowno ist ferner als neues Propagandamittel ein Informationsdienst geplant, der die Behandlung aller Fragen des täglichen Lebens, Darlegung der geplanten und getroffenen Maßnahmen usw. vorsieht und in etwa 10 000 Exemplaren erscheinen soll. Auch aus Charkow wird berichtet, dass die Propagandastellen lebhaft bemüht sind, der Bevölkerung über das Maß des allgemein Propagandistischen hinaus Neues zu bieten. So ist im Oktober eine Ausstellung „Nieder mit dem Bolschewismus“ eröffnet worden, die in Gemeinschaftsarbeit von der Propagandastaffel mit dem Bildungsamt der Stadt Charkow und der Gesellschaft „Proswita“ erstellt wurde. In der Ausstellung waren Abteilungen für Kunstbolschewismus, volkswirtschaftliche Fragen, Fragen des Gesundheitswesens und der Jugenderziehung zu sehen. Die Grundtendenz der Ausstellung war, die sowjetische Entartung, Scheinfortschritte und Agitationsmittel gesunden und erstrebenswerten Verhältnissen gegenüberzustellen. Auswirkungen deutscher Spielfilme in der Ukraine: Die deutschen Spielfilme werden von der Bevölkerung gern gesehen und auch als Beispiel deutscher Leistung und deutschen Könnens anerkannt. Die Meldungen heben jedoch hervor, dass sie zum grössten Teil nicht die deutsche Wirklichkeit und eine Schilderung des deutschen Gemeinschaftslebens erkennen lassen. Die Filme seien grösstenteils zu eintönig, zu flach und zu gleichartig. So seien, wie aus Kiew berichtet wird, im Laufe eines halben Jahres nur drei bessere Filme, nämlich „Trenck, der Pandur“, „Robert Koch“ und „Der Postmeister“ gezeigt worden.

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Sonst hätten fast immer Liebeskomödien oder Gesellschaftsstücke auf dem Programm gestanden. Die Bar- und Hotelscenen, elegante Wohnungseinrichtungen, feudale Landsitze, teure Autos, vornehme Kleider, wie sie in den meisten Filmen vorkommen, vermögen dem Ukrainer kaum ein Bild deutschen Lebens zu vermitteln, schienen vielmehr der sowjetischen Agitation Recht zu geben, dass in Deutschland tatsächlich eine kapitalistische Lebensweise herrsche. Auch werde es für taktisch falsch gehalten, durch solche Filme der Bevölkerung einen übertriebenen Lebensstandard vor Augen zu führen (Rowno, Charkow). Einem Bericht aus Charkow zufolge gehen die Wünsche der ukrainischen Bevölkerung dahin, zu wissen, wie sich das alltägliche Leben eines deutschen Volksgenossen wirklich abspielt, um feststellen zu können, ob und wie sich die von der deutschen Propaganda verbreiteten Grundsätze nationalsozialistischer Lebensführung im Dasein des deutschen Durchschnittsmenschen tatsächlich auswirken. Auch in einer Meldung aus Kiew wird darauf hingewiesen, dass bei der Auswahl der Filme eine grössere Sorgfalt schon in Deutschland vorgenommen werden müsste. Nachdem zur Zeit der bolschewistischen Herrschaft die Filme zu einem hohen Prozentsatz irgendeinen propagandistischen oder tendenziösen Hintergrund hatten, würden heute Filme gezeigt, die inhaltlich irgendeine belanglose Liebesgeschichte aufwiesen. Wie aus Kiew noch berichtet wird, hätten die ersten deutschen Filme die Zuschauer dadurch verblüfft, dass ihnen jede Agitation fehlte. Auch aus Charkow wird ähnliches gemeldet. Z. B. sei man erstaunt, dass der Gruss „Heil Hitler“ fast überhaupt nicht in deutschen Filmen vorkomme. […] Wirtschaftliche Lage in der Ukraine: Die Herbstbestellung wurde nach den vorliegenden Berichten in der Ukraine wie vorgesehen durchgeführt. Die anhaltende Trockenheit hat aber die Keimfähigkeit des Saatgutes sehr beeinträchtigt. Die frühbestellten Herbstsaaten auf guten Brachen zeigen einen günstigen Stand, während die Saat auf Stoppel sehr abfällt und bei einem strengen Winter nicht ohne Ausfälle bleiben dürfte. Im Generalbezirk Kiew wird von einem schlechten Saatenstand gesprochen. Grosse Teile der Aussaat sind entweder noch nicht aufgegangen oder weisen grosse Lücken auf. Auch im Gebiet Poltawa ist ein schlechter Stand der Wintersaaten festzustellen. Über 30 % der bestellten Flächen haben einen ungünstigen Stand. Die äusserst angespannte Transport- und Verkehrslage tritt besonders auf dem Ernährungssektor nachteilig in Erscheinung. Nach den vorliegenden Meldungen könnten die landwirtschaftlichen Erzeugnisse in weit grösserem Umfange erfasst werden, wenn genügend Transportmittel wie Kraftfahrzeuge und Panjewagen zur Verfügung stünden. Da die vorhandenen Kraftfahrzeuge und Panjewagen zur Bewältigung der Transporte keineswegs ausreichen, müssen die verantwortlichen Stellen immer so disponieren, dass die Transportkolonnen dort zum Einsatz gelangen, wo die Abfuhr bestimmter Güter besonders vordringlich erscheint. Letzteres traf in den vergangenen Monaten für die Getreideabfuhr zu. Dadurch mussten andere ernährungsmäßig gesehen auch wichtige Fahrten unterbleiben. Die Folge davon war, dass grosse Mengen an Eiern, Gemüse, Obst, Butter usw. dem Verderb anheimgefallen sind. Nicht nur der Mangel der Kraftfahrzeuge wirkt sich nachteilig aus, sondern auch die Tatsache, dass die vorhandenen Fahrzeuge sehr oft verbraucht und reparaturbedürftig sind und den täglichen Einsatz bei den schlechten Wegeverhältnissen nicht aushalten. […] Auch in anderen Gebieten der Ukraine ist durch die ungünstige Transportlage die Abfuhr der Erzeugnisse erst nach Wochen möglich gewesen. So haben beispielsweise an einem der heissen Sommermonate in einer Stadt des Generalbezirks Tschernigow wochenlang

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viele Tonnen Butter gelagert, die aus Mangel an Lastkraftfahrzeugen nicht abgefahren werden konnten. Auch die Verladung mit der Eisenbahn ist durch die Erteilung der Fahrtnummern gerade bei leichtverderblichen Gütern der Ernährungswirtschaft mit Schwierigkeiten verbunden. Anträge auf Erteilung von Fahrtnummern laufen im Durchschnitt 5–14 Tage, wobei nicht feststeht, ob Anträge genehmigt zurückkommen. Dem zuständigen LaFührer ist es in vielen Fällen gelungen, durch Beziehungen zu den örtlichen Dienststellen der Eisenbahn unter Umgehung der Antragstellung die Verladung leicht verderblicher Güter innergebietlich zu bewirken. Allgemein ist festzustellen, dass das Viehablieferungssoll nur durch einschneidende Maßnahmen erfüllt werden kann. Die Wegnahme der letzten Kuh bei den Bauern ist in vielen Fällen eine zwingende Notwendigkeit. Die Stimmung der Bevölkerung wird dadurch selbstverständlich nachteilig beeinflusst. Aus dem Berichtsgebiet Stalino wird in diesem Zusammenhang bekannt, dass sich dort die Ablieferung besonders hart bemerkbar macht. Die Kuh bedeutet sehr oft die einzige Nahrungsgrundlage der Familie. Hinzu kommt, dass der vergütete Satz für die abgelieferte Kuh etwa 2 % des jetzigen Marktwertes beträgt. So werden beispielsweise dem Ablieferer 400,– – 600,– Rubel für eine erstklassige Milchkuh vergütet. Will der Betreffende jedoch eine Kuh gleicher Güte kaufen, muss er bis zu 25 000,– Rubel dafür bezahlen. Die Werbung von Arbeitskräften für den Reichseinsatz ist durch die vom Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz erteilte weitere Auflage in ein neues Stadium getreten. Es sollen demnach bis Ende März 1943 weitere rund 600 000 Arbeitskräfte aus dem Gebiet des Reichskommissariats Ukraine dem Reich zugeführt werden. Von Seiten der Arbeitseinsatzdienststellen aus der Ukraine wird jedoch allgemein die Ansicht vertreten, dass dieses neue Soll nicht erreicht werden kann. Freiwillige Meldungen erfolgen nur in Ausnahmefällen. Die Werbepropaganda wird nach den vorliegenden Meldungen als nicht ausreichend und zweckentsprechend bezeichnet. Der durchgeführte Versuch, bereits im Reich eingesetzte Ukrainer als Werberedner auftreten zu lassen, habe bisher lediglich in Nikolajew einigen Erfolg gebracht. In den übrigen Bezirken begegne man den Rednern mit Misstrauen. Die sowjetische Gegnerpropaganda wirke sich nach wie vor ungünstig auf die Werbung aus. Die ablehnende Haltung der Bevölkerung zum Reichseinsatz ist zum Teil auch darin begründet, dass die Unterstützung für die Angehörigen der im Reich Eingesetzten im Vergleich zu den Lebenshaltungskosten zu niedrig ist. Hinzu kommt, dass in den Gebieten, in denen die Arbeitseinsatzdienststellen grössere Kontingente an Arbeitskräften für den Reichseinsatz herausholen wollten, durch die Bandentätigkeit die Werbung – soweit nicht eingestellt – nur in engen Grenzen möglich ist. Gerade aus dem wolhynischen Teil der Ukraine sollten bei der vorgesehenen Aktion rund 90 000 Kräfte herausgeholt werden. Die zuständigen Stellen rechnen aber mit einem Misserfolg. Die Maßnahmen der Arbeitseinsatzdienststellen der Ukraine zur Erfüllung des auferlegten Solls bedingten schärfste Eingriffe auch in die in der Ukraine bereits wieder aufgebaute oder noch im Aufbau begriffene Industrie. Besonders aus dem Generalbezirk Dnjepropetrowsk werden in diesem Zusammenhang Stimmen laut, die besagen, dass die Inbetriebnahme bzw. der Ausbau der Industrie in dem von den Reichsstellen angeordneten Maße nicht durchgeführt werden kann, wenn das dem Generalbezirk auferlegte Abgabesoll bestehen bleibt. Die im Generalbezirk vorhandenen Arbeitskräfte können, so stellt man heraus, nur der einen oder der anderen Aufgabe zugeteilt werden. Aus dem Bezirk Tschernigow wird bekannt, dass sich der Widerstand der Bevölkerung bei der zur Zeit in Gang befindlichen Werbung von 12 000 weiblichen Arbeitskräften wesentlich gesteigert hat. Besonders in den bandengefährdeten Rayons führte die feindliche Flüster-

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propaganda dazu, dass sich nur ein geringer Prozentsatz der aufgeforderten Frauen und Mädchen an dem Gestellungsplatz einfand. Die zum Arbeitseinsatz vorgesehenen Frauen und Mädchen verstecken sich und laufen vielfach auch zu den Banden über. Dazu kommt, dass auch männliche Familienangehörige aus Furcht vor Repressalien infolge Arbeitsaufnahmeverweigerung eines Familienmitgliedes sich den Banden anschliessen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich ein Mißerfolg in der Werbung in einem Ort sofort in den umliegenden Dörfern auswirkt und ebenfalls zu schlechten Ergebnissen führt. Aus dem Bezirk Tschernigow wird bekannt, dass die dort in der letzten Zeit durchgeführten Werbungen nicht gerade zweckmäßig aufgezogen worden sind. So sollten aus dem Rayon Tschernigow 3000 weibliche Arbeitskräfte gestellt werden; das sind etwas weniger als 25 % der vorhandenen arbeitsfähigen Frauen und Mädchen, also ein Prozentsatz, der nach Meldung der zuständigen Stellen bei geeigneter Werbung durchaus zu erfüllen sein müsste. Anfang Oktober wurden von zuständiger Seite die notwendigen Anordnungen an die einzelnen Dörfer herausgegeben. Die für die einzelnen Ortschaften festgelegten Zahlen hielten sich aber nicht annäherungsweise an den Satz von 25 %. So wurden aus dem Dorf Brussilow 60 % der vorhandenen Arbeitskräfte verlangt, von anderen Orten wieder nur 2 % oder 3 %. Nachstehende Zahlen beleuchten diese unterschiedlichen Anforderungen: Brussilow Klotzschnow Ssednew Kobiljanka Piski Terechowna Janowka Chaljawin

Zahl der tatsächlich arbeitsf. Frauen: angeforderte Zahl: 398 248 401 239 596 471 109 54 440 25 461 5 598 20 672 33

Diese unterschiedlichen Auflagen haben dazu geführt, dass die Bevölkerung in Aufregung versetzt wurde und die Verärgerung weiter um sich gegriffen hat. In Dobrianka beispielsweise liefen die Freuen und Mädchen bei Erscheinen der Werber über die Grenze des Oblastes in Richtung Gomel. Der Rayon Tschernigow sollte am 7. 10. aus seinem Überschuss von 3000 Personen mindestens den für den 10. 10. 1942 vorgesehenen Transport von 2000 weiblichen Arbeitskräften stellen. Am 9. 10. 1942 waren im Sammellager jedoch nur insgesamt 237 Frauen und Mädchen eingetroffen, von denen 176 als tauglich ermittelt wurden. Der Transport konnte daher nicht abgefertigt werden. Zum nächsten festgelegten Transport am 14. 10. waren bis zum 12. 10. ebenfalls nur 781 Kräfte beisammen. BAB, R 58/699 1 Ewald von Kleist, geb. 1881, 1940 Generaloberst, Nov. 1942 OB HGr. A, 1943 Generalfeldmarschall, gest. 1952; vgl. Hürter: Hitlers Heerführer, S. 636 f.

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Der Chef der Einsatzgruppen und des SD – Kommandostab –

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Berlin, den 11. XII. 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 33 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandenunwesen: Lettland: Aufgrund eingehender nachrichtendienstlicher Tätigkeit konnte in Erfahrung gebracht werden, daß Juden beabsichtigen, zusammen mit entwichenen Kriegsgefangenen aus Riga zu fliehen, um sich mit den Banditen in Lettgallen zu vereinigen. Durch zuverlässige Gewährspersonen wurde bekannt, daß in einer Privatwohnung diesbezügliche Besprechungen abgehalten wurden. Bei dieser Zusammenkunft wurden alle Einzelheiten hinsichtlich der Bewaffnung, des Fluchtweges und des Zusammentreffens mit den Banden festgelegt. In der Nacht versammelten sich in einer leerstehenden Wohnung 9 aus dem Ghetto geflüchtete Juden sowie ein aus dem Stalag geflüchteter sowjetrussischer Leutnant Pismanow, genannt „Borka“. Pismanow ist Jude und flüchtete am 5. 9. aus dem Gefangenenlager in Riga. Er war der Leiter und Organisator der flüchtigen Juden und Kriegsgefangenen. Pismanow hielt sich seit seiner Flucht illegal in Riga auf und nahm die Verbindung mit dem Ghetto durch den jüdischen Kolonnenführer Sandel auf. Durch einen Gewährsmann, der mit den Juden Verbindung hielt, wurde den Beteiligten ein Lkw mit einem Kraftfahrer zur Verfügung gestellt. Der Lkw sollte die flüchtigen Juden nach Auspils in das Bandengebiet bringen. Hier sollten sie von einem Verbindungsmann der Banden in Empfang genommen werden. Der Lkw wurde von einem Kommando der Sicherheitspolizei auf der Strasse Riga–Modohn angehalten. Sämtliche Wageninsassen eröffneten sofort das Feuer. Bei dem Feuergefecht, das etwa 1 1/2 Stunden dauerte, wurden 7 Juden erschossen und zwei festgenommen. Auf Seiten der Sicherheitspolizei wurde 1 Mann verwundet. An Waffen führten die Juden mit sich: zwei deutsche Armeepistolen 08, 5 Trommelrevolver und eine russ. MP mit zwei Magazinen. Die Juden waren mit Wintersachen – wattierten Hosen und Jacken – bekleidet. Im Zuge dieser Aktion konnten der Leiter der Organisation sowie weitere 16 Personen, darunter 5 sowjetrussische Offiziere, festgenommen werden. Es war beabsichtigt, falls die erste Fahrt geglückt wäre, weitere Transporte in das Bandengebiet zu bringen.1 Litauen: In der Nacht vom 27. zum 28. 11. 42 überfielen etwa 20 bewaffnete Banditen den litauischen Polizeiposten in Rudnikai. Z. Zt. des Überfalles befanden sich 4 Polizisten im Dienstgebäude, die von den Banditen zur Ablieferung ihrer Waffen aufgefordert wurden. Die Polizisten setzten sich zur Wehr. Im Verlauf eines viertelstündigen Feuergefechts wurde ein litauischer Polizeibeamter schwer verletzt und von den Banditen das Dienstgebäude und drei anliegende Häuser durch Brandmunition in Brand gesetzt. Als Dorfeinwohner zur Unterstützung der Polizei in den Kampf eingriffen, zogen sich die Banditen zurück. Die Verfolgung der Banditen wurde aufgenommen. Weissruthenien: Aufgrund von Erkundungen von Kommandos der Sicherheitspolizei und des SD wurden durch Kräfte des Beauftragten für die Bandenbekämpfung ReichsführerSS bekämpft: a) Ein Bandenlager bei Gorilez (ostwärts Sluzk). Ergebnis: 125 Feindtote, keine eigenen Verluste. b) Ein Lager bei Kolodino (nördlich Schazk). Ergebnis: 127 Feindtote, keine eigenen Verluste. In beiden Fällen Munition und Lebensmittel erbeutet. Die Lager wurden zerstört. c) Ein Lager bei Stariza (nördlich Kopyl). Ergebnis: 157 Feind-

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tote, 10 Gefangene, eigene Verluste: 18 Tote, 17 Verwundete, 6 Panzer, die von zahlreichen von den Banditen eingesetzten Pakgeschützen ausser Gefecht gesetzt wurden. Auf Grund von sicherheitspolizeilichen Erkundungen wurde weiterhin vom Pol.-Reg. 14 mit unterstellten Verbänden ein Unternehmen im Raum nordwestlich Minsk durchgeführt. Ergebnis: 63 Feindtote, 6 Gefangene, Beute an Pferden und Munition, 11 Sommer- und 3 Winterlager zerstört. Eigene Verluste: Keine. Ukraine: Im ganzen Norden Wolhyniens hält die Bandentätigkeit unvermindert an. Überfälle auf Staatsgüter, Bürgermeisterämter und Förstereien sowie Minenanschläge auf Eisenbahnstrecken ereignen sich täglich. Erstmalig ist auf eine ausschliesslich von Deutschen besuchte Veranstaltung ein Bombenanschlag zur Durchführung gekommen. Durch den Anschlag auf ein Soldatenkino im Gebiet Pinsk wurden [unleserlich] Kinobesucher, die sich aus Wehrmachts-, Polizei- und Reichsbahnangehörigen zusammensetzten, getötet und 43 z. T. schwer verletzt. Mehrfach sind in letzter Zeit Fälle bekanntgeworden, daß von Angehörigen der illegalen KP rote Fahnen gehißt worden sind, die mit Sprengladungen verbunden waren und Personen, welche die Fahnen entfernen wollten, töteten. Im Kdr.Bereich Rowno werden, insbesondere aus den Gebieten Sarny und Kostopol, laufend Raubüberfälle und Eisenbahnattentate gemeldet. Bandengruppen in Stärke von 10–20 Mann kommen aus nördlicher Richtung über den Pripjet, plündern in Dörfern und entfernen sich wieder in gleicher Richtung, wo sie in den grossen Wäldern oberhalb des Pripjet untertauchen. In der Berichtszeit wurden 40 Bandenüberfälle gemeldet. 8 Staatsgüter, Oberförstereien und Bürgermeisterämter wurden zerstört bezw. abgebrannt. 33 Rinder und 4 Getreidemieten sind ebenfalls durch Feuer vernichtet worden. 10 Personen der einheimischen Bevölkerung wurden von den Banditen getötet und eine Person verschleppt. Bei Sonderaktionen und Feuergefechten wurden mehrere Bandenlager zerstört und 300 Banditen und Banditenhelfer erschossen. Die Bandentätigkeit im Norden des Kdr.-Bereichs Shitomir ist unvermindert stark. Besonders die Gebiete Retschitza, Bragin, Wassiljewitschi, Kalinkowitschi und Jelsk sind stark bandenverseucht. Etwa 60 Banditen drangen in Kotschtsche-Jelsk ein, erschossen den Bürgermeister und 2 weitere Einheimische, raubten Lebensmittel und fuhren mit 2 Gespannen davon. Die Bürgermeister in Nogotwerscht und Wjasowiza bei Wassiljewitschi wurden von Banditen ermordet. 2 Schutzmänner sind im Feuergefecht gefallen. Bei der 2 Tage darauf folgenden Beerdigung der beiden Schutzmänner wurden die Teilnehmer von Banditen mit MG beschossen. In Kriwoj-Rog, Kdr.-Bereich Dnjepropetrowsk, wurden 6 Bandenangehörige festgenommen, bei denen 29 leichte Granatwerfer, 4 Gewehre, 39 Pakgeschosse und 1000 Schuss Infanteriemunition gefunden wurden. In Alexandria, Kdr.-Bereich Nikolajew, wurde eine 24-köpfige Bande festgenommen, welche die in letzter Zeit erfolgten Überfälle auf Kolchosen und Eisenbahnsprengungen ausgeführt hatte. Einsatzgruppe D: An verschiedenen Stellen der bewaldeten Berggebiete des Nordkaukasus ist eine Zunahme der Bandenumtriebe zu verzeichnen. Wenn auch die Erkundung und Festlegung der Bandengruppen in der Regel erfolgreich verläuft, zeigen sich bei der militärischen Bekämpfung und Vernichtung erhebliche Schwierigkeiten. Mangel an eigenen geeigneten Kräften und die Unwegsamkeit des Geländes sowie geschickte Ausweichmanöver der Banden sind die Hauptgründe, die bei angesetzten Aktionen nicht immer den angestrebten Erfolg eintreten lassen. Eine grössere Anzahl von Bandengruppen zeigte sich vor allem besonders aktiv in der Gebirgsgegend von Kislowodsk, im Gebiet ostwärts Budjennowsk, im Raum um Newinnomyskaja und um Maikop. Immer wieder werden von diesen Gruppen erfolgreiche Überfälle auf Angehörige der Wehrmacht, La-Führer, Miliz-

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angehörige und Starosten sowie Anschläge auf Eisenbahnstrecken unternommen, wobei Todesopfer und Sachschäden eintreten. Wenn auch bei den eingeleiteten Gegenmaßnahmen verschiedentlich Teilerfolge eintraten und kleinere Gruppen aufgerieben bezw. vernichtet werden konnten, so muss doch gegenüber der Gesamtlage festgestellt werden, daß von dieser Seite her nach wie vor nicht zu unterschätzende Gefahren drohen. Die Bandenbildung wird namentlich in Frontnähe wesentlich begünstigt, zumal die Banditen vielfach noch in Verbindung mit den roten Truppen stehen und daher ihre Schlagkraft Unterstützung erfährt. Die Führung dieser Banden sowie der grösste Teil der Banditen bestehen aus geflüchteten Parteifunktionären und anderen kommunistischen Elementen, teilweise aber auch aus versprengten regulären Truppen. Die Ausrüstung an Waffen, Munition und Lebensmitteln ist nach den bisherigen Feststellungen vorerst noch gut und ausreichend. Ukrainische Widerstandsbewegung: Im Zuge der Aktion gegen die illegale BanderaGruppe konnten in Lemberg weitere 18 Personen festgenommen werden. Es handelt sich hauptsächlich um Funktionäre, die führend in der Militärabteilung, der Propagandaabteilung und der Organisationsabteilung der Bandera-Gruppe tätig waren. Es wurde wesentliches Propagandamaterial sichergestellt, ferner Listen und Adressen sowie Hinweise darüber, die auf eine Zusammenarbeit mit dem NKWD schließen lassen. Weiter wurde auf Grund der Ermittlungen eine Nebenstelle der Lemberger Hauptzentrale der BanderaGruppe mit dem Sitz in Cholm festgestellt. Diese Nebenstelle arbeitet nur für die Hauptzentrale. 8 Personen, die bei dieser Nebenzentrale tätig sind, sind namentlich bekannt; ihre Festnahme ist veranlaßt worden. In den Abendstunden des 4. 12. 1942 gelang es, in Lemberg den Propagandaleiter der Hauptzentrale der Bandera-Gruppe, Staruch (genannt Synij), festzunehmen. Sein richtiger Name steht noch nicht fest. Staruch ist derjenige, der für die Organisation das gesamte illegale Material ausgearbeitet hat und allein die Hetzschriften verfertigte. Er hatte bei seiner Festnahme mehrere auf Zigarettenpapier geschriebene Briefchen in seinen Kleidungsstücken versteckt, die wichtige Nachrichten für die noch nicht festgenommenen Bandera-Funktionäre enthielten. Am selben Tage gelang es in Lemberg, den stellvertretenden Führer der illegalen Bandera-Gruppe, Legenda, auch Semen Sudba genannt, richtiger Name Iwan Klimiw, festzunehmen. Klimiw ist als der geistige Kopf der ganzen Bandera-Organisation anzusprechen. Im Zusammenhang mit den Ermittlungen in Lemberg konnten bei dem dritten Kommissariat der ukrainischen Polizei in Lemberg in einem besonderen Raum, hinter einem Schrank versteckt, Waffen gefunden werden. Es wurden u. a. sichergestellt 10 Gewehre, die sich in einem tadellosen Zustand befinden, Gewehrläufe, Gewehrschlösser, 2 Pistolen, Munition, russische Handgranaten, 1 Sprenggranate, 1 Flugmine, Säbel, 100 neue Sensenblätter, die zweifellos als Waffen Verwendung finden sollten, 6 Stahlhelme mit ukrainischem Abzeichen und eine Menge sonstiges Kriegsgerät. Auf Grund dieses Vorfalls wurde in den Nachtstunden schlagartig eine Überholung sämtlicher Revierwachen und Posten, auf denen ukrainische Polizeibeamte eingesetzt sind, vorgenommen. Auch an diesen Stellen wurden in geringerem Umfange Waffen und Munition gefunden. Es ist bemerkenswert, daß die ukrainische Polizei über derartiges Waffenmaterial verfügte, obwohl die ukrainische Polizei erst vor kurzer Zeit seitens der Schutzpolizei überholt und ausserdem aufgefordert wurde, sämtliche vorhandenen Waffen, mit Ausnahme der besonders gelieferten Pistolen, abzugeben. Nach den bisherigen Feststellungen ist die ukrainische Polizei in Lemberg mit Bandera-Anhängern durchsetzt. Bisher sind insgesamt 5 ukrainische Polizeibeamte festgenommen worden. Die Aktion ist noch im Gange.

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Im Reichsgebiet sind in der Zwischenzeit acht weitere Funktionäre der illegalen BanderaGruppe festgenommen worden. Es handelt sich um: Kosma Kaczmar, geb. 16. 11. 17, Wasyl Sachnowytsch, geb. 9. 11. 16 (durch Stapoleit. Reichenberg), Wasyl Maniak, geb. 10. 8. 20 (durch Stapoleit. Dresden), Iwan Komarynskyj, geb. 7. 11. 10 (durch Stapo Nürnberg) (K. ist aus dem Ger.Gef. Neustadt/Saale geflüchtet), Theodor Sohpilkin, geb. 9. 6. 12, Theodor Kobelnik, geb. 21. 2. 21 (durch Stapo Oppeln), Johann Dutko, geb. 31. 5. 20, Nikolaus Soloninka, geb. (?) (durch Stapoleit. München). Nachgetragen werden die Personalien des Fahrlehrers Sikorskyj, der bei der Berliner Fahrschule Himmel tätig war und die Schulung der Bandera-Kuriere besorgte: Anton Sikorskyj, geb. 7. 4. 92 in Huczko. Anfang November wurden in Kiew ein SS-Bewerber und ein ukrainischer Hilfspolizist, beide Angehörige der Dienststelle des Kdrs. dSPudSD in Kiew, niedergeschossen. Der Mord wurde durch zwei Personen in deutscher Gendarmerieuniform begangen. Es handelt sich zweifellos um Mitglieder der Bandera-Gruppe, die auf Befehl ihres Leiters Mohilla gehandelt haben. Die beiden Ermordeten haben seit Wochen erfolgreich bei der Aufrollung der illegalen Bandera-Gruppe in Kiew mitgewirkt und waren dem Anführer Mohilla auf der Spur. Die Zahl der bisher in Kiew festgenommenen Bandera-Anhänger ist auf 29 gestiegen. Im Bereich Rowno wurden ebenfalls 13 Personen wegen Propaganda für die Bandera-Gruppe festgenommen. In der Nacht zum 3. 10. 42 wurde an den Wohnungen zweier SD-Angehöriger in Stanislau je ein Todesurteil in ukrainischer Schrift angeklebt. Der Text lautete: „Volk und Vaterland unterschreiben Deinen Tod!“ Unterschrift OUN. Näheres über die Täter ließ sich bisher nicht feststellen. Im Bereich Kiew sind in grösserer Zahl Briefe verbreitet worden, die einen Brief des Metropoliten Scheptizki 2 an Andrè Melnik vom 7. 7. 41 zum Inhalt haben. Der besagte Brief lautet: „Hoch geehrter Herr Oberst! Die ganze ukrainische Öffentlichkeit verlangt als unbedingt notwendige Vorbedingung Ihr Einvernehmen mit Bandera und die Aufhebung dieses für die ukrainische Sache so furchtbaren und schädlichen Streites. Es ist undenkbar, daß die OUN uns nach der bolschewistischen Herrschaft einen Bruderkrieg mit allem sich daraus ergebenden Unglück bringen sollte. Wir anerkennen Jaroslaw Stetzko 3 als Ihren und Stefan Banderas Untergebenen, ohne uns in Ihre inneren Streitigkeiten einzumischen. Bitte dieses zur Kenntnis zu nehmen. Ich erwarte Ihre Antwort über Ihr vollstes Einvernehmen. Wünsche Gottes Segen! Mit herzlichem Gruß gez. Andrej, Metropolit“. Die Ermittlungen darüber, ob der Brief authentisch ist, sind eingeleitet. B. Lebensgebiete Wirtschaftliche Lage im Generalbezirk Estland: Landwirtschaft: Nach den vorliegenden Meldungen konnten die Druscharbeiten infolge des fehlenden Treibstoffes nicht vollauf bewältigt werden, so dass erhebliche Mengen von Getreide auf den Feldern auswuchsen und verfaulten. Der Ausfall wird auf 20 % geschätzt. Der für Estland wiederholt angeforderte Treibstoff konnte nur ungefähr zur Hälfte angeliefert werden. Obwohl die Bauern die Ablieferungsnormen als zu hoch empfinden, läuft trotzdem die Ablieferung befriedigend, wobei das Kartoffelsoll bereits 100 %ig erfüllt ist und zusätzlich noch 7000 Tonnen für Finnland abgestellt werden konnten. Die Pflugarbeit ist im Gange. Hier macht sich allerdings insbesondere der Entzug von rund 11000 Kriegsgefangenen aus der Landwirtschaft bemerkbar. So wurden Betrieben der Ostlandbewirtschaftungsgesellschaft bisher 1300 Kriegsgefangene entzogen, was bei der Bearbeitung von 50 000 ha stark ins Gewicht fällt. Die landwirtschaftlichen Arbeiten werden auch ausserordentlich erschwert durch das Fehlen wichtigster Bedarfsartikel wie Eisen, Leder, Schmiedekohle, Ersatzteile aller Art, Düngemittel und besonders Petroleum. Da die meisten Bauernhöfe ohne Elek-

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trizität sind, Petroleum aber fehlt, wirkt sich dies auf die Bewirtschaftung in Stallungen und Scheunen in den Wintermonaten besonders auf die Milchleistung und Schweinemast nachteilig aus. Versorgung: Infolge der grossen Lieferungen für die Wehrmacht konnte die Zivilbevölkerung mit Fleisch und Butter nur unzureichend und zum Teil auf Wochen gar nicht versorgt werden. Die Belieferung mit Fisch reicht nicht aus, um einen Ausgleich zu schaffen. Zur Butterauslieferung weist die Bevölkerung darauf hin, dass vor Monaten beim Tausch Butter gegen Brot zu viel Butter ausgegeben worden sei und es daher jetzt keine mehr gäbe. Allgemein wird aber die Ansicht geäussert, dass in diesem Winter die Verpflegung besser werde als im vergangenen, zumal die Bevölkerung sich in grösseren Mengen Kartoffeln und Gemüse beschafft habe. Der Warenmangel spitzt sich immer mehr zu. Es fehlen Bedarfsartikel, insbesondere Haushaltsgerät, Bekleidung, Seife und in verstärktem Maße Schuhwerk. Die Bevölkerung ist insbesondere darüber erbittert, dass die deutschen Geschäfte vor allem an Textilwaren und Schuhwerk bester Qualität reichlich versorgt seien, während das für die estnische Bevölkerung vorgesehene Kontingent völlig unzureichend und qualitätsmäßig minderwertig sei. Um die Ungerechtigkeiten wenigstens auf dem Textilsektor auszuschalten, wünscht die Bevölkerung die Einführung der Kleiderkarte nach dem Punktsystem. Der Schleichhandel konnte bisher nicht nennenswert abgedämmt werden. Maßnahmen zur Bekämpfung des Schleichhandels und Tauschhandels stossen allgemein auf Unverständnis und Ablehnung. Da z. B. die Bauern, nach eigenen Angaben, nur auf diesem Wege zu Petroleum, Zucker und Seifenstein sowie anderen Gebrauchsartikeln kommen können, suchen sie von Wehrmachtsangehörigen diese Dinge zu erhalten. Es hat sich den Meldungen zufolge bei der Bevölkerung herumgesprochen, dass die Soldaten Seifenstein, Petroleum, Benzin, Seidenstrümpfe, Sacharin u. a. Artikel zum Tausch anbieten. Die Bevölkerung wundere sich, dass bei der Wehrmacht die begehrte Mangelware in so reichlichem Maße vorhanden sei, während die Zivilbevölkerung sich auf rechtmäßigem Wege nichts beschaffen könne. […] Arbeits- und Sozialwesen: In der stark angespannten Lage im Arbeitseinsatz ist bisher keine Besserung zu verzeichnen. Der durch die Ernte hervorgerufene Spitzenbedarf in der Landwirtschaft hatte die Lage sehr verschlechtert. Die Beschaffung von Brennstoff bindet sehr viele Arbeitskräfte, die vorwiegend bei Torfarbeiten und der Gewinnung von Brennholz Verwendung finden. Für die Rüstungsindustrie und kriegsentscheidende Baumaßnahmen gingen dadurch Arbeitskräfte verloren, wodurch eine besonders angespannte Lage entstand. Die Erfassung der Arbeitskräfte und die Ausstellung der Arbeitsausweise wurden infolgedessen von den Arbeitsämtern beschleunigt vorwärtsgetrieben. In Estland sind bisher rund 140 000 Personen erfasst worden, wobei ausserdem noch rund 50 000 Arbeitsausweise ausgestellt wurden. Die Zahl der arbeitslosen Frauen konnte infolge verstärkter Heranziehung auf ungefähr 900 gesenkt werden. […] Mit Eintritt der schlechten Jahreszeit häufen sich die Klagen, dass sich die Arbeitsdisziplin und die Stimmung unter der Arbeiterschaft in allen Teilen des Landes zusehends verschlechtere. Ein rapides Ansteigen der Fälle des unerlaubten Fernbleibens von der Arbeit ist in vielen Betrieben festzustellen. In einigen dieser Betriebe soll die Zahl der von der Arbeit Ferngebliebenen bis zu 25 % der Belegschaft erreicht haben, wobei besonders gegen Wochenende eine Erhöhung zu verzeichnen sei. Als Entschuldigung des Fernbleibens wird von den Arbeitern grösstenteils die schlechte Ernährungslage angegeben, die den

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Arbeiter zwinge, sich zusätzlich Lebensmittel vom Lande zu beschaffen. Seit Wochen gebe es weder Butter noch Fleisch und die Brotrationen seien gering. Als weiterer Grund wird die Verrichtung von Feldarbeit angegeben. Wie aus Narwa berichtet wird, haben sich die neu eingesetzten Betriebssprecher als äusserst nützlich erwiesen und konnten bei den in dortigen Betrieben immer wieder aufflackernden Unruhen in wiederholten Fällen die Arbeiter mit Erfolg zur Ruhe und Disziplin bringen. Weiter wird berichtet, dass sich die erstmals in Kiviöli eingesetzten ukrainischen Werkschutzmänner, die bereits schon im Generalgouvernement eingesetzt waren, bestens bewährt hätten. Die kleineren und grösseren Diebstähle, die bisher an der Tagesordnung gewesen seien, hätten schlagartig aufgehört und die schwunghaften Tausch- und Schmuggelgeschäfte mit Leichtöl, Benzin und Seifenstein seien erheblich eingedämmt worden. Wirtschaftliche Lage im Generalbezirk Lettland: Landwirtschaft: Die Landbevölkerung bringt wiederholt zum Ausdruck, dass die Ablieferungsauflagen für landwirtschaftliche Erzeugnisse mit Ausnahme der Flachsauflage zu hoch bemessen seien und die Durchführung sich zum Schaden der zukünftigen Erzeugung auswirken würde. So sei z. B. der Kartoffelauflage ein Ertrag von 12–13 to pro ha zugrundegelegt worden, während im Durchschnitt wohl nur mit einer Höchsternte von etwa 10 to pro ha zu rechnen sei. Auch die Roggenerträgnisse erfüllten nicht die Erwartungen und lägen unter dem Durchschnitt. Da die Abgabe von Vieh nach der Stückzahl und nicht nach Gewicht bemessen wird, liefert der Bauer – wie gemeldet wird – in erster Linie seine minderwertigen Kühe ab. Es wird auch beobachtet, dass viele Bauern, ungeachtet der hohen Preise, sich magere Kühe vorübergehend anschaffen und – ohne ihren eigenen Viehbestand zu vermindern – die Umlage erfüllen. Nach wie vor macht sich die ungünstige Preisgestaltung für landwirtschaftliche Erzeugnisse bemerkbar, welche gegenüber den Preisen für andere Wirtschaftsgüter als zu niedrig bezeichnet werden. Auf die Dauer kann nach den vorliegenden Meldungen ein derartiger Unterschied in der Preisgestaltung sich nur nachteilig auf die weitere Erzeugung und Ablieferung auswirken. Anfang November fand in Riga eine Tagung der Kreis- und Gemeindeältesten der Kreise Riga und Wenden statt, an der etwa 300 Personen teilnahmen und auf der die akuten Probleme der Landwirtschaft zur Sprache kamen. Von der deutschen Verwaltung wurden Richtlinien für die künftige Gestaltung der Landwirtschaft gegeben. U. a. wurde darauf hingewiesen, dass die Umlagen in diesem Jahre im Vergleich zum vorigen Jahre um etwa 50–80 % erhöht worden sind. Ferner würde auch für die Landbevölkerung eine Lebensmittelrationierung eingeführt werden, die bisher nicht bestanden hat. Zur Reprivatisierung des ländlichen Besitzes wurde ausgeführt, dass dieses Problem während des Krieges nicht gelöst werden könne, denn die Durchführung desselben setze eine grosse organisatorische Arbeit voraus, die mangels Arbeitskräften während des Krieges nicht bewältigt werden könne. Bei einer künftigen Reprivatisierung würde jedoch auch das Verhalten der Bauern während des Krieges Berücksichtigung finden, und nur der Bauer, der die ihm während des Krieges erteilten Auflagen auch tatsächlich erfüllt haben wird, könne damit rechnen, seinen Besitz einmal wieder zurück zu bekommen. Es sei schon jetzt beim Generalkommissar bekannt, welche Bauern ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sind. Diese Bauern dürften auch nicht mit einer Rückgabe ihres Besitzes rechnen. Ferner müssten diejenigen, die ihre Auflage nicht erfüllen, mit grösseren Geldstrafen rechnen, die bis 10 000 RM betragen können. Auch Haftstrafen müssten notfalls angewandt werden. Diese Ansprache hat bei den Vertretern des Landvolkes vor allem hinsichtlich der Ausführungen über die Reprivatisierung grosse Unruhe hervorgerufen. Es wurde geäussert,

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dass mit einer allgemeinen Rückgabe demnach nicht mehr gerechnet werden könne, sondern dass nur diejenigen Bauern ihren Besitz zurückerhalten würden, die in der Lage wären, sämtliche Auflagen zu erfüllen. Da dieses unter Berücksichtigung der hohen Umlagen nur bei einem Teil der Fall sein dürfte, würde ein grosser Teil der lettischen Bauern ihren Besitz wohl niemals zurückbekommen. Dabei sei es besonders ungerecht, dass die Umlage nicht die unterschiedlichen Böden der einzelnen Betriebe berücksichtige. Jedenfalls lohne es sich unter diesen Voraussetzungen auch gar nicht mehr, all die kriegsbedingten Schwierigkeiten auf sich zu nehmen. Auch die angeführten Strafen wurden als zu hoch empfunden, denn praktisch könne heute kein einziger Bauer eine Geldstrafe in der Höhe von 10 000 RM entrichten, ja eine ganze Gemeinde wäre dazu nicht in der Lage. Auch die Verordnung über die militärische Pferdevormusterung im Generalbezirk Lettland vom 27. Oktober d. J. hat unter der Landbevölkerung erneut Unruhe hervorgerufen. Wenngleich in der VO gesagt ist, dass eine Aushebung von Pferden mit dieser Vormusterung nicht verbunden sei, so wird dieser Versicherung kein Glauben geschenkt und allgemein die Ansicht vertreten, dass die Vormusterung nur der Auftakt zu einer weiteren Ablieferung von Pferden darstelle, die zu einer erneuten Verringerung des schon jetzt stark dezimierten Pferdebestandes führen würde. Versorgung: Eine Abnahme des Schleichhandels konnte nach den vorliegenden Meldungen nicht festgestellt werden. Insbesondere blüht der Schleichhandel mit Seifenstein, Brennstoff, Brot, Fett und Fleisch. Wie die Preisbehörde festgestellt hat, sind in der letzten Zeit grössere Mengen von Seifenstein aus dem Altreich nach Lettland eingeschmuggelt worden. Seifenstein kostet im Altreich ca. 0,45 RM pro kg, wogegen in Lettland der Schleichhandelspreis 130,– RM bis 140,– RM pro kg beträgt. Auch als Tauschmittel gegen Fleisch und Fett ist Seifenstein sehr beliebt. Dass eine Unterbindung oder Verringerung des Schleichhandels trotz aller Maßnahmen der Preisbehörden bisher nicht erzielt werden konnte, ist auch daraus zu ersehen, dass gegen Abgabe von Lebensmitteln Waren, die auf legalem Wege nicht erhältlich sind (z. B. Hufeisen, Nägel, Eimer usw.), im Schleichhandel zu haben sind. Die Arbeiten an der Fertigstellung eines Planes für die künftige Gestaltung des Einzelhandels werden fortgeführt. Von den Letten sind bisher etwa 450 Anträge zur Eröffnung neuer Einzelhandelsgeschäfte eingelaufen, die jedoch erst nach Fertigstellung des Planes entschieden werden können. Wie verlautet, ist entgegen den anfänglichen Absichten auch die Zulassung eines lettischen Grosshandels in einem gewissen Rahmen geplant. Die von der Treuhandverwaltung beim Generalkommissar ausgearbeiteten und nunmehr den zuständigen lettischen Wirtschaftsstellen zugestellten neuen Durchführungsbestimmungen für die Reprivatisierung werden lettischerseits mit Zurückhaltung aufgenommen, da sie im Vergleich zu den früheren Bestimmungen wesentlich verschärft sind und eine Rückgabe der Betriebe erst nach Berücksichtigung der verschiedensten Gesichtspunkte möglich ist. Andererseits ist das Interesse der Letten an der Reprivatisierung des Einzelhandels in Anbetracht der kleinen Verdienstspanne und des Warenmangels im Vergleich zu früher wesentlich geringer geworden. Nachdem eine Reihe von Handwerksbetrieben durch Entziehung der Arbeitskräfte geschlossen worden ist und einige einträgliche Handwerkszweige in die Hände deutscher Unternehmer übergegangen sind, kann auch in Handwerkerkreisen ein Nachlassen der Stimmung festgestellt werden. […] Wirtschaftliche Lage im Generalbezirk Litauen: Landwirtschaft: Nach den vorliegenden Meldungen ist die Verteilung der Ablieferungskontingente auf die einzelnen Wirtschaften trotz mancher Mängel der Hofkarte in diesem Jahre eine bessere als im Vorjahre. Einige

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Ablieferungskontingente sind höher als die Bauern annahmen, und es wird damit gerechnet, dass nicht alle Kontingente in voller Höhe zur Ablieferung kommen, so mit Sicherheit nicht das Kartoffel- und Brotgetreidekontingent. Bei Brotgetreide wird nach den Meldungen mit einer Höchstablieferung von 185 000 to gerechnet. Bei Kartoffeln hat sich ergeben, dass der ursprünglich angenommene Durchschnittsertrag von 108 Dz pro ha nur etwa 88 Dz beträgt, was ein Minus von 400 000 Dz ergibt. In den besten Jahren führte Litauen nicht über 30 000 to Getreide aus; alles andere kam zur Verfütterung. Die Ablieferungspflicht von Getreide und Kartoffeln bleibt deshalb nicht ohne Auswirkung auf die Viehzucht. So wird voraussichtlich die Erfüllung des Schweinefleischkontingents auf die grössten Schwierigkeiten stossen. Aufgrund der Erhebungen vom Mai des Jahres rechnete man litauischerseits mit einer Lieferung von 300 000 Schweinen, deutscherseits wurde das Kontingent auf 400 000 Stck. heraufgesetzt, wobei man die Produktion früherer Jahre mit anderen Fütterungsmöglichkeiten zugrundelegte. In diesem Sommer ist aber infolge Krankheiten, wie Rotlauf, in einzelnen Amtsbezirken der Bestand um 1000 Stck. zurückgegangen. Dazu kommt, dass jetzt ein Ferkel zur Aufzucht 10–11 Monate gegen früher 6– 8 verlangt. Von litauischer Fachseite rechnet man daher mit einem Auftrieb von nur etwa 200 000 Schweinen. Auch das Butterkontingent von 14 000 to wird, wie gemeldet, kaum erreicht werden und wird mit etwa 10 000 to vorausbestimmt und zwar vorausgesetzt, dass die Landwirte nicht gezwungen sind, Milchkühe zu schlachten, um das fehlende Schweinefleischkontingent aufzufüllen. Eine Erleichterung bedeutet es, dass neuerdings durch erhöhte Milchablieferung die Schweinefleischablieferung teilweise ersetzt werden kann. Versorgung: Wegen der zu kleinen Brotrationen ist das Ernährungsproblem nach wie vor aktuell, obwohl die Belieferung auf Karten sich gebessert hat. Eine fühlbare Erleichterung ist durch eine erhöhte Zuweisung von Kartoffeln eingetreten. Unter der Lebensmittelknappheit leidet indessen nur die städtische Bevölkerung und hier auch nur der Teil, der keine verwandtschaftlichen Beziehungen zum Lande hat. Im ganzen werden nur etwa 10 % der Gesamtbevölkerung davon betroffen und wenn es gelänge, für diese, insbesondere für die städtische Arbeiterschaft, wenigstens eine Erhöhung der Brotrationen zu erreichen, wäre – nach den vorliegenden Meldungen – ein Herd der Unzufriedenheit beseitigt. Augenblicklich bleiben etwa 20–25 % der Belegschaften der Unternehmen im Turnus der Arbeit fern, um sich im Schleichhandel zusätzlich Lebensmittel zu beschaffen. Eine Kauener grosse Druckerei richtete deshalb eine Werksküche ein, in der Angestellte und Arbeiter täglich einen Teller Suppe und 100 gr Brot zusätzlich erhalten. Das Ergebnis ist, dass der Prozentsatz der Fehlenden von 20 % auf 5 % zurückgegangen ist. Eine bevorzugte Stellung nehmen landwirtschaftliche Arbeiter ein, die Lebensmittelkarten erhalten und in den meisten Fällen vom Bauern Naturalentlohnung verlangen. Trotz des Verbotes der Naturallöhnung zahlt ein grosser Teil der Bauern in Naturalien, nur um sein Land bestellen und den Ablieferungspflichten nachkommen zu können und weil bei Geldentlöhnung 15–20 RM Tagelohn verlangt werden. Von führenden Personen des litauischen Wirtschaftslebens wird in letzter Zeit in steigendem Maße auf die Einführung einer Punktkarte für Textilien gedrängt und darauf hingewiesen, dass die Bevölkerung seit dem Einmarsch der Sowjets im Sommer 1940 fast gar keine Textilien mehr gekauft habe. Das trifft indessen nach den Meldungen in dem Ausmaß nicht zu, denn unmittelbar nach dem Einmarsch der Deutschen kaufte insbesondere die städtische Bevölkerung vorübergehend stark Textilien, so dass sie heute verhältnismäßig noch gut eingedeckt ist. Dagegen besteht Mangel an Arbeitskleidung und warmer Unterwäsche. Die Bestandsaufnahme im Sommer d. Js. ergab rd. 9 Mill. Punkte, von de-

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nen allerdings 2/3 aus wenig angeforderten Textilien, Möbelbezug, Bresent, Tischtüchern usw. bestehen. Die Ostlandfaser GmbH gibt Bauern bei Ablieferung von Wolle und Flachs bestimmte Punktwertscheine, zu deren Deckung aber nur 1/3 Meterware und 2/3 Trikotagen, für die der Bauer nur beschränkte Verwendung hat. Die Brennstoffrage hat eine befriedigende Lösung nicht gefunden. Für die Bevölkerung aller Städte stehen nur gegen 200 000 Festmeter Brennholz zur Verfügung, während Kauen allein infolge der unzureichenden Versorgung mit Kohle etwa 400 000 Festmeter braucht, von denen gegenwärtig nur etwa 50 000 vorhanden sind. Es waren deshalb zum Einschlag alle Männer von 15 bis 50 Jahren verpflichtet. Dabei fiel auf, dass die Belegschaften von Unternehmen mit deutschen Treuhändern meist nicht an dieser Arbeit teilnahmen, obwohl es sich um die Unternehmen mit den grössten Belegschaften handelt. Der Schleichhandel besteht in gleichem Umfang weiter. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Preise aber um 100 und mehr Prozente gestiegen. Dies wird – nach den vorliegenden Meldungen – nicht so sehr mit einer weiteren Verknappung an Waren erklärt, vielmehr auf die wachsende Geldmenge zurückgeführt, insofern die diesjährige Ernte zum grossen Teil verkauft sei und laufend durch die durchreisenden Wehrmachtsangehörigen und Beamten der Zivilverwaltung, die sich zu Schleichhandelspreisen mit Lebensmitteln eindecken, neue Gelder ins Land kämen. Solange daher eine Kontrolle des Geldumlaufes nicht möglich sei, könne auch nicht an eine wirksame Bekämpfung des Schleichhandels gedacht werden. Weiterhin komme hinzu, dass die Bevölkerung zur gegenwärtigen Währung kein Vertrauen habe und unter allen Umständen versuche, Geld in Warenwerte einzutauschen. Zum Schleichhandel trage auch wesentlich bei, dass noch keine endgültige Klarheit bestehe, welche Warenmengen im einzelnen vorhanden sind und die Waren nicht über die Verkaufsstellen zu den amtlichen Preisen an den Verbraucher gelangen, sondern auf dem Wege von der Versorgungsverteilungsstelle zur ländlichen Verkaufsstelle versickern würden. Diese Mißstände bei dem litauischen Verteilerapparat werden von Litauern selbst zugegeben, was aber nichts daran ändert, dass die breite Masse den Deutschen die Schuld zuschiebt. […] Arbeits- und Sozialwesen: Von den ursprünglich angeforderten 37500 Arbeitern für den Einsatz im Reich sind erst gegen 13 000 gestellt worden. Die weitere Erfassung stösst auf grosse Schwierigkeiten, da sich einsatzfähige Leute auf alle nur denkbare Weise der Erfassung entziehen oder dem Gestellungsbefehl nicht nachkommen. So haben sich z. B. in einem Falle von 327 Personen, die die Aufforderung erhalten hatten, nur gegen 60 gestellt. Da solche Personen nachts aus den Wohnungen geholt werden, ist es dazu gekommen, dass diese nicht zu Hause nächtigen und ein unstetes wanderndes Bevölkerungselement darstellen. Es wird darauf hingewiesen, dass es nicht die richtige Methode sei, die Leute nachts aus den Wohnungen abholen zu lassen. Praktischer wäre es danach, wenn jedem, der sich zu stellen hat, von dem Zeitpunkt der Mitteilung bis zur Gestellung der Personenausweis abgenommen würde, was nach der Mentalität des östlichen Menschen ein ausserordentlich wirksames Mittel sei. C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR Mobilisationsfragen und Stimmung: Während lt. früheren Meldungen bisher die Mobilisierung der Jahrgänge 1886–1925 bekannt war, wurde lt. Meldungen aus Rjasan und UfaWestsibirien auch die Mobilisierung des Jahrganges 1885 auf Grund der letzten Gefangenen- und Überläuferaussagen ermittelt. Der Jahrgang 1925 wurde im gesamten Gebiet der Sowjetunion im Mai 1942 einberufen. Der Jahrgang 1926 wird weitgehend zu einer vor-

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militärischen Ausbildung herangezogen. Besonders die Angehörigen dieses Jahrganges in den grossen Industriezentren werden, soweit sie in der Industrie tätig sind, in den einzelnen Werken gemeinsam vormilitärisch ausgebildet und sind bereits uniformiert. Die seitens der Sowjets durchgeführte totale Mobilisierung für die Rote Armee wird durch nachstehende Meldungen beleuchtet. In einem Dorf mit 56 männlichen Dorfbewohnern verblieben nur 5 Greise. Die Arbeit in der leichten und mittleren Industrie wird fast ausschliesslich von Frauen durchgeführt. Selbst in der für die russische Kriegsführung wichtigen Rüstungsindustrie wird der Anteil nach den Geschlechtern einheitlich wie folgt beurteilt: 20 % Männer, 50 % Frauen, 30 % Jugendliche. Die Heizer auf den Lokomotiven wurden bereits im letzten Frühjahr durch Frauen ersetzt. Im Laufe des Sommers ging man auch dazu über, für die einberufenen Männer weibliche Lokomotivführer einzusetzen. Über die Mobilisierung weiterer Jahrgänge von Frauen und Mädchen ist bisher nichts bekannt geworden. Der Ersatz der bisherigen männlichen Funker und Telefonisten sowie Bedienungsmannschaften der Flak u. a. scheint weitgehend durchgeführt zu sein, was von den ersetzten Rotarmisten unwillig aufgenommen wird, da sie dann meist in der vordersten Linie eingesetzt werden. Wie bereits früher berichtet, erhalten die Angehörigen der Mobilisierten keine Unterstützung. Lediglich an die Hinterbliebenen werden pro Kind im Monat 50,– Rubel bezahlt. Die Stimmung der Zivilbevölkerung wird allgemein als kriegsmüde bezeichnet. Der Respekt gegenüber der machthabenden Schicht ist weiterhin sehr gross, so daß man keineswegs aus der Stimmung der Bevölkerung Rückschlüsse für die Zukunft schliessen kann. Man ist überzeugt, dass es der Regierung der Sowjets gelingt, auch weiterhin die Durchführung der erforderlichen Maßnahmen und Forderungen durchzusetzen. Nur aus Archangelsk wird berichtet, daß hier unter den Verschickten eine sowjetfeindliche Stimmung Platz greift, die sich jedoch aktiv nur in Gelagen bei deutschen Erfolgen äussert. Bei den bisherigen Erfahrungen muss jedoch auch diese Schilderung mit einer entsprechenden Vorsicht aufgenommen werden. Im wesentlichen muss lt. bestätigten Aussagen festgestellt werden, daß die Strenge der sowjetischen Behörden, u. a. auch des NKWD, etwas gelockert wurde. So wird in Molotowsk und wahrscheinlich auch in den anderen Gebieten der Arbeiter höflicher behandelt als früher. Ebenso wird, wie schon früher berichtet, der Schwarzhandel allgemein geduldet. Die seit dem letzten Winter durchgeführten Sammlungen von Wollsachen, Metallen und Stiefeln usw. hatten nicht den gewünschten Erfolg und mußten z. T. unter Druck durchgeführt werden. BAB, R 58/699 1

Vgl. Angrick/Klein: Die „Endlösung“ in Riga, S. 361–377. Graf Roman Andreas Szepticky, geb. 1865, entstammte einem ehemals ukrainischen Adelsgeschlecht, das im 19. Jahrhundert zum Katholizismus übertrat u. polnisch wurde. Sich der eigenen Familientradition bewußt werdend, konvertierte er während seiner Studienzeit zur unierten Kirche u. wurde 1899 Bischof in Stanislau, 1900 Metropolit der griechisch-katholischen Kirche in Lemberg. Als seine Lebensmission sah er an, alle Ukrainer, auch die weit im Osten lebenden, unter einer Kirche zu vereinigen. Als jahrzehntelanger Parteigänger der ukrainischen Nationalbewegung unterstützte er die Unabhängigkeitserklärung am 30. 6. 1941. Obwohl er Hunderte von Juden das Leben rettete, blieb er Propagandist des Dritten Reiches bis zum Einmarsch der Sowjets 1944. Er starb im selben Jahr; biographisch: Seidler: Die Kollaboration 1939–1945, S. 484–487; vgl. Gregor Prokoptschuk: Der Metropolit, München 1967; Hansjakob Stehle: Der Lemberger Metropolit Sˇeptycky und die nationalsozialistische Politik in der Ukraine, in: VfZ 34(1986), S. 407–425; Shimon Redlich: Metropolitan Andrii Sheptyts’kyi and the Complexities of Ukrainian-Jewish-Relations, in: Zwi Gittelman (Hrsg.): Bitter Legacy. Confronting the Holocaust in USSR, Bloomington-Indianapolis 1997, S. 61–76. 2

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3 Jaroslaw Stezko, geb. 1912, gehörte bereits seit 1932 zum Führungskader der OUN. Zunächst Anhänger Melniks, wechselte er nach dem deutschen Überfall auf Polen, der das deutsch-sowjetische Arrangement deutlich zutage treten ließ, auf die Seite Banderas. Trotzdem gehörte er zu dem ausgewählten OUN-Kampfgruppenpersonal, das zusammen mit Einheiten der Abwehr in Ostgalizien eindrang. Bei der Siegesfeier nach der Eroberung Lembergs proklamierte eine improvisierte Nationalversammlung die Gründung der Unabhängigen Ukraine. Sie wählte Stezko zu deren ersten Ministerpräsidenten, der mit der Regierungsbildung beauftragt wurde. Von diesen Vorgängen völlig überrascht, reagierte die Sipo erst am 11. 7. 1941, als sie Stezko verhaftete u. als privilegierten Häftling ins KL Sachsenhausen verschleppte. Zusammen mit Bandera betrat er – ohne Erfolg – in der Endphase des Dritten Reiches wieder die politische Bühne. 1945 wurde er von der Exil-OUN in das Führungsgremium gewählt u. stand seit 1946 dem „Antibolschewistischen Block der Nationen“, der im Zuge des Kalten Krieges beträchtlichen Einfluß erlangte, als dessen Präsident vor. Stezko starb 1986 in München; biographisch: Seidler: Die Kollaboration 1939–1945, S. 508–511.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 18. XII. 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 34 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandenunwesen: Bei der Bandenbekämpfung in Litauen sind durch den Einsatz von Erkundern beachtliche Erfolge erzielt worden. In den Grenzdörfern des Kreises Eischiskis wurden die Bauern in der letzten Zeit laufend von Banden in Stärke von 10–15 Mann, die aus weissruthenischem Gebiet kamen, beraubt. Die Suchaktionen blieben zunächst ohne Erfolg, bis zum Einsatz des Frostes und Schneewetters Angehörige des litauischen Selbstschutzbatl. Wilna als Erkunder in das gefährdete Grenzgebiet geschickt wurden. Am 4. 12. konnte ein Erkunder einen befestigten Bunker im Wald ermitteln. Kurzentschlossen organisierte der Selbstschutzmann, der in der Gegend beheimatet ist, einen kleinen Stoßtrupp, mit dem er am 5. 12. den Bunker angriff. Der Stoßtrupp war mit 5 Gewehren und 6 Handgranaten bewaffnet. Im Wald, etwa 300 mtr. vom Bunker entfernt, stießen sie auf einen mit einer MP bewaffneten Banditen, der sofort erledigt wurde. Daraufhin arbeitete sich der Stoßtrupp an den Bunker heran und überwältigte 3 in der Nähe stehende Banditen. 3 weitere Männer und 2 Frauen, die sich zur Wehr setzten, wurden mit einer Handgranate unschädlich gemacht. Einem Banditen gelang es zu entfliehen. Er konnte später in einem Dorf in der Nähe gestellt und ebenfalls erledigt werden. Bei den Banditen handelt es sich vorwiegend um Juden, die aus dem Raduner Ghetto entflohen waren.1 Am 8. 12. gelang es dem gleichen Erkunder mit einem selbst zusammengestellten Stoßtrupp in Stärke von 5 Mann im gleichen Waldstück einen weiteren Bunker auszuheben und 13 Banditen, darunter 3 Frauen, unschädlich zu machen. In dem bezeichneten Waldstück befinden sich noch etwa 10–12 Bunker mit einer Besatzung von etwa 120 Banditen, deren Aufräumung in die Wege geleitet ist. Dem Erkunder und seinen Männern wurden vom Kommandeur dSPudSD Kauen angemessene Belohnungen zugestanden. Illegale kommunistische Bewegung: Im Zuge der illegalen kommunistischen Partei wurden am 3. 12. 1942 durch den Kommandeur dSPudSD Litauen 21 Personen festgenommen. Durch Beobachtungen war festgestellt worden, daß die Beschuldigten seit Monaten unter Beachtung der konspirativen Regeln der kommunistischen Partei Straßentreffs und ande-

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re Zusammenkünfte wahrnahmen sowie illegale Besprechungen in Privatwohnungen abhielten. Anfang September 1942 erhielten auch zwei deutsche Deserteure in Riga Anschluss an die illegale kommunistische Organisation und erklärten sich zur aktiven Mitarbeit bereit. Sie beschafften sowjetrussischen Kriegsgefangenen sowie Fallschirmspringern Quartiere, versorgten sie mit Lebensmitteln und halfen ihnen zur Flucht nach der UdSSR. Die Deserteure haben auch an mehreren Treffs mit Funktionären der Organisation teilgenommen, wobei nähere Einzelheiten hinsichtlich des organisatorischen Aufbaus der kommunistischen Organisation besprochen wurden. Sie versuchten ferner, gemeinsam mit den sowjetrussischen Fallschirmspringern eine Funkverbindung mit Moskau herzustellen, um von dort Propagandamaterial, Waffen, Munition und Sprengstoff zu erhalten. Da eine Funkverbindung nicht zustandekam, begaben sich die Deserteure mit zwei sowjetrussischen Fallschirmspringern und dem Leiter der illegalen kommunistischen Partei Rendnieks nach Staraja-Russa, um von dort durch die deutsche Kampflinie nach Moskau zu gelangen. Kurz vor dem Passieren der deutschen Kampflinie wurden sie festgenommen und nach Riga überführt. Bei Durchsuchung ihrer Schlupfwinkel wurden 500 Marschbefehle, 500 Wehrmachtsfahrscheine, Kriegsurlaubsscheine, Soldbücher, Ahnenpässe sowie eine grössere Anzahl von Stempeln mit Feldpostnummern, Dienstgradstempel mit dem Aufdruck „Major und Regimentskommandeur“, „Oberst und Regimentskommandeur“, „Stabszahlmeister“ usw. vorgefunden. Die Deserteure haben im Oktober und November ds.Js. unter Benutzung dieser gefälschten Marschbefehle und Fahrscheine Fahrten nach Paris unternommen. Auch an 8 Juden, die aus dem Ghetto in Riga geflüchtet waren, haben sie Marschbefehle nach Frankreich ausgestellt und ihnen so zur Flucht ins Ausland verholfen. Die 8 Juden, die in Begleitung eines deutschen Deserteurs waren, wurden in Paris festgenommen. Weiter wurden bereits hergestellte illegale Hetzschriften, die kurz vor dem Weihnachtsfest zur Verbreitung gelangen sollten, ein Abziehapparat, ein Funkgerät sowie anderes Material sichergestellt. Im Laufe der Festnahmen anlässlich dieser Aktion wurden 2 sowjetrussische Fallschirmspringer in einer leerstehenden Wohnung von Männern der Sicherheitspolizei angetroffen. Die Fallschirmspringer eröffneten sofort das Feuer, wurden aber im Verlaufe des Feuergefechtes beide erschossen. Der Leiter der illegalen kommunistischen Organisation Rendnieks gab an, daß die erschossenen Fallschirmspringer im Sommer ds.Js. von Moskau kommend in Lettland abgesetzt worden und beim Aufbau der illegalen kommunistischen Organisation in Riga mit tätig gewesen seien. Unter den Festgenommenen befindet sich auch der Rechtsanwalt Rekschans aus Riga. Er hatte seine Privatwohnung dem Leiter der kommunistischen Organisation Rendnieks zu Besprechungen zur Verfügung gestellt, an denen auch die genannten Deserteure und Fallschirmspringer teilgenommen hatten. Die Tochter des Rekschans, Legita, Studentin der Chemie, war ebenfalls bei diesen Besprechungen zugegen und hat anlässlich des 1. Mai kommunistisches Propagandamaterial verbreitet. Durch die Aushebung der leitenden kommunistischen Funktionäre ist die Organisation zerschlagen und eine weitere Tätigkeit vorläufig unterbunden. Fallschirmspringer, Sabotage usw.: Im Gebiet der Straße Luga–Laskowo–Tjemoje Worota war eine etwa 130 Mann starke aktive Fallschirmspringergruppe gemeldet worden, die, in kleinere Einheiten aufgeteilt, Bahnsprengungen, Überfälle auf einzelne Kraftfahrzeuge usw. verübt. Diese Gruppe ist gut bewaffnet und ausgerüstet und steht unter der Führung eines spanischen Rotarmistenhauptmanns. In mehreren Zusammenstössen mit dieser Gruppe wurden verschiedene Mitglieder erschossen und gefangengenommen. Im Gebiet

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von Jamburg setzen die Sowjets Fallschirmspringergruppen von 3 bis 4 Mann ein, welche zur Aufgabe haben, Erkundungen an ihre Leitstelle durch Funk durchzugeben. 14 Fallschirmspringer konnten festgenommen werden. Bei Owrutsch, Retschitza und Olewsk wurden wiederholt sowjetische Flugzeuge beobachtet, die Fallschirmspringer absetzten und Ausrüstungsgegenstände für Banden abwarfen. Ein Fallschirmspringer meldete sich freiwillig; ein zweiter konnte festgenommen werden. In Nikolajew wurde ein 15-jähriger Fallschirmspringer festgenommen, der im Juli 1941 in Moskau ausgebildet und zusammen mit einer Gleichaltrigen abgesetzt worden war. Am 14. 11. 1942 sind im Waldgebict nordostwärts Emiltschino etwa 10 und nach einer vertraulichen Mitteilung Anfang November 1942 in der Nähe des Dorfes Borowe-Rokitno 27 sowjetische Fallschirmspringer abgesetzt worden. […] Zur kirchlichen Lage im nordkaukasischen Abschnitt: In der Berichtszeit konnte eine zunehmende Festigung, Ausweitung und Intensivierung des kirchlichen Lebens in den meisten grösseren Ortschaften und Städten des nordkaukasischen Gebietes festgestellt werden. Die russisch-orthodoxe Kirche ist seit 1923 in zwei Lager gespalten. Die Anhänger des Patriarchen Tychon „Tychonowsze“ kämpften gegen die Erneuerer „Obnowlenze“, die sich von der alten Kirche lossagten und aus materiellen Gründen im bolschewistischen Sinne gearbeitet haben sollen. Im Nordkaukasus ist die Kirche der Erneuerer infolge bolschewistischer Unterstützung tatsächlich in vielen Fällen herrschend gewesen. Allerdings richteten sich seit 1937 die bolschewistischen Maßnahmen (z. B. Schliessung von Kirchen) auch gegen die neue Richtung. Ihre Geistlichen bestreiten allerdings z. T., dass sie bolschewistische Unterstützung erhalten hätten. Sie seien denselben Anfeindungen ausgesetzt gewesen wie alle übrigen Bekenntnisse. Die zugesagte Unterstützung sei eine leere Propagandaphrase der Sowjets gewesen. Der Pope in Labinskaja, Anhänger der Erneuerer-Bewegung, habe z. B. seit Juli 1936 1000 Rubel Steuern und im letzten Jahr ausserdem 5000 Rubel Kriegssteuern zahlen müssen. Mit dem Wiederaufleben kirchlicher Betätigung haben sich die Spannungen zwischen diesen beiden stärksten konfessionellen Richtungen innerhalb der russischen Orthodoxie wieder verschärft. In Krasnodar als das religiöse Zentrum des Kubangebietes stießen Tychonowsze und Obnowlenze heftig aufeinander. Beide wollten sich der Kontrolle durch die Stadtverwaltung entziehen und eine eigene zentralistisch geleitete Kirchenverwaltung ins Leben rufen. Indirekt wurden diese Bestrebungen dadurch gefördert, dass sowohl der abgelöste wie auch der neue erste Bürgermeister überzeugte Anhänger der beiden Glaubensrichtungen sind. Jeder versuchte, die gegnerische Richtung nach Möglichkeit auszuschalten. In letzter Zeit ging der Streit hauptsächlich um die freigegebenen drei Kirchen, wobei der Jekaterinen-Dom, die grösste Kirche der Stadt, von beiden Parteien beansprucht wurde. Im Einvernehmen mit der Ortskommandantur wurde der Dom vorläufig der alten Kirche überlassen, weil sie die meisten Anhänger hat. In Prochladny verfügten die Erneuerer über die Kathedrale, während die Tychonowsze nur eine kleine Kirche besaßen. Die Kathedrale musste 1937 geschlossen werden. Trotz dieser Tatsache dürfte das Erneuerertum in Beziehung zum Bolschewismus gestanden haben. Die Geistlichen der Obnowlenze werden auch hier von der Bevölkerung im allgemeinen als Bolschewistenfreunde angeprangert. In Pjatigorsk ist erwiesen, daß ein Priester dieser Richtung seine Amtshandlungen benutzte, um Spitzeldienste für das NKWD zu leisten. Auch der vor einigen Monaten aus Prochladny geflüchtete Pope Sergius Pantschentschenko, der seit der Schliessung seiner Kirche (1937) in einem Privathaus Gottesdienste abhielt, war

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NKWD-Agent. Die Ablehnung der Erneuerer durch die übrigen Popen ist ganz allgemein, und entsprechende Streitigkeiten zwischen den Geistlichen konnten häufig beobachtet werden (z. B. in Anstasjewskaja, Krasnodar). Man wird also bei der Wiedereröffnung der orthodoxen Kirche den dort zutage tretenden Richtungen jeweils grösste Aufmerksamkeit schenken müssen, wenn nicht die erneuerte Kirche ihre Tätigkeit unter dem Druck der öffentlichen Meinung (z. B. Georgijewsk) oder durch ein entsprechendes Verbot (Pjatigorsk) bereits hat einstellen müssen. Allerdings dürfte auch in diesem Falle die Beobachtung der gegebenenfalls illegal weiter bestehenden erneuerten Richtung notwendig sein. Die Frage, ob ein Pope der alten oder erneuerten Kirche angehört, ist oft nicht leicht zu entscheiden, da nach Meinung z. B. des Erzbischofs von Pjatigorsk oft rein persönliche Auseinandersetzungen bei gegebenenfalls vorgebrachten Beschuldigungen eine Rolle spielen. Die Teilnahme der Bevölkerung an den Gottesdiensten ist nach wie vor sehr stark und nimmt nach hier vorliegenden Beobachtungen sogar laufend zu. Vorwiegend erscheinen Angehörige der älteren Generation, die sich ihren Kirchenglauben über die bolschewistische Zeit hinweg bewahrt haben, in den Gottesdiensten. Die Jugend steht vorläufig den kirchlichen Bestrebungen im allgemeinen noch ferner. Dies soll aber nicht heißen, daß das bolschewistische Gottlosentum hier Wurzel geschlagen hätte. Das religiöse Bedürfnis der Frauen wiederum scheint grösser zu sein als das der Männer. Diese stellen etwa 20 %, jene – mit ihren Kindern – etwa 80 % der Besucher. In den Gottesdiensten kommt immer wieder die grosse Dankbarkeit gegenüber der deutschen Wehrmacht zum Ausdruck, durch die die freie Betätigung in Glaubensdingen und die Benutzung der Kirchen erst wieder ermöglicht wurden. In Kislowodsk wurden der Ortskommandant und der dortige Teilkommandoführer des SD vom Bürgermeister gebeten, aus den Händen der russisch-orthodoxen Gemeinde Brot und Salz zu empfangen. Im Umkreis der Kirche waren etwa 2000 Menschen versammelt. Der Pope und die Ältesten der Kirchen empfingen die Deutschen und übergaben die symbolischen Geschenke Brot, Salz und Blumen. Dann wurden sie etwa 100 m über Teppiche zu einem aufgebauten Altar geführt. Dieser Weg wurde von der Bevölkerung dicht mit Blumen bestreut. Die Ansprache des Popen hatte etwa folgenden Inhalt: „Die Bevölkerung hatte zur Zeit des Bolschewismus bereits den Glauben und die Hoffnung auf die Befreiung vom Joch aufgegeben. Sie hat schon zu Gott gebetet, die Berge des Kaukasus mögen auf sie stürzen und damit dem Elend und der Not ein Ende bereiten (Bei dieser Stelle grosse Tränenausbrüche). In letzter Stunde schlug das deutsche Reich und seine siegreiche Wehrmacht den bolschewistischen Feind zu Boden. Dadurch wurden wir befreit. Wir danken dem Führer (wiederum grosse Szenen der Rührung und Bekreuzigung) und bringen mit dem Geschenk von Salz und Brot unsere Ergebenheit dar.“ Die Ansprache des Popen wurde vom Ortskommandanten kurz, aber mit nur schwacher Wirkung erwidert. Seine Worte trugen der augenblicklichen Stimmung der Bevölkerung keineswegs Rechnung. Nach den Reden wurde eine Messe gelesen, die von ausgezeichneten Chordarbietungen umrahmt war. Zum Schluss des Gottesdienstes waren die Teilnehmer vollkommen aufgelöst. Die Frauen weinten, fielen vor den beiden Deutschen zu Boden und küßten ihnen Hände und Füße. Solche und ähnliche Beobachtungen zeigen, daß bei einer psychologisch geschickten Lenkung der religiösen Gefühle eine starke Beeinflussung der Bevölkerung im deutschen Sinne möglich ist, von der aus die Befriedung des Raumes vorwärts getrieben werden kann. Ein besonders reges Kirchenleben hat sich in den Kosakenstanizen zwischen Manytsch

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und Don entwickelt, an dem auch die Jugend schon stärker teilnimmt. Ähnlich ist es im Raum um Bjelaja-Glina, während die Landgebiete südostwärts des Manytsch noch nicht so aktiv wurden, obwohl auch hier ein entsprechendes Bedürfnis in der Bevölkerung vorhanden ist. Bestrebungen, grössere Kirchenverbände zu bilden, oder politische Tendenzen unter religiösem Deckmantel sind bisher noch nicht festzustellen gewesen. Bei den mohammedanischen Bergvölkern wird die freie Religionsbetätigung mit derselben Dankbarkeit empfunden. Die Heeresgruppe A ordnete an, daß im geschlossenen mohammedanischen Siedlungsgebiet auf dem Lande und in den kleineren Städten der Freitag – unter Fortfall des Sonntags – als Feiertag zugelassen sei. Nur in grösseren Städten mit überwiegend russischer Bevölkerung soll der Sonntag als Feiertag erhalten bleiben. Auf das islamitische Ramasan-Fest am 9. und 10. Oktober sei weitgehend Rücksicht zu nehmen. Soweit die mohammedanische Bevölkerung den Wunsch hat, dieses seit langen Jahren erstmals wieder begangene Fest mit Befreiungsfeiern zu verbinden, sei dem Rechnung zu tragen. B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung im Operationsgebiet Nordkaukasus: Nach den letzten vorliegenden Meldungen (Oktober–November) hat sich die allgemeine Lage und entsprechend auch die Stimmung der städtischen und ländlichen Bevölkerung im Nordkaukasus weiterhin beruhigt und gebessert. Die Stabilisierung der Verhältnisse schreitet fort. Die Aufbauarbeit geht im Hinblick auf die im Nordkaukasusgebiet nicht übermäßig angetroffenen Zerstörungen – abgesehen von einigen besonders betroffenen Städten – gut voran. Das Fehlen von Facharbeitern für gewisse Vorhaben sowie von Handwerkzeugen, Maschinen und Ausrüstungsgegenständen für diverse Aufbauarbeiten macht sich bemerkbar. Auf dem Sektor Verkehrswesen sind die vorhandenen Transportmittel völlig unzureichend. Durch die Einrichtung von Kreislandwirtschaftsstellen, Arbeitsämtern und Aussenstellen der Gruppe Wirtschaft ist ein Überblick über die Bevölkerungsverhältnisse gewährleistet, der das Bild von der Wirtschafts- und Arbeitsmarktstruktur abrückt und damit die Voraussetzung für die Ausarbeitung grösserer Planungen schafft. Die deutsche Propaganda sei noch immer nicht mit befriedigendem Ergebnis eingesetzt. Durch das Fehlen zuverlässiger Nachrichten entsteht in der einheimischen Bevölkerung eine grössere Bereitschaft zur Aufnahme von Feindgerüchten. Dies wird als umso bedauerlicher empfunden, als der Wunsch nach deutschen Meldungen äusserst rege ist und diese auch unbedingt geglaubt werden. Die Sorgen um die Beschaffung von Heizmaterial nehmen in der Bevölkerung in wachsendem Maße zu. Es wird nach den vorliegenden Meldungen im Kaukasusvorland und besonders in der Steppe kaum möglich sein, eine auch nur einigermaßen ausreichende Versorgung der Einheimischen mit Heizmaterial zu gewährleisten. Die geringen Vorräte an Kohlen und Holz werden für die Wehrmacht bezw. für die lebenswichtigen Betriebe und für die Landwirtschaft dringend benötigt. Auch hier sind die Städte am ungünstigsten gestellt, da man sich in den ländlichen Gebieten häufig mit getrocknetem Stallmist als Brennstoff behilft. Im Gebirge liegen zum Teil reichliche Vorräte an geschlagenem Holz in den Wäldern, deren Abfuhr jedoch infolge Fehlens von Transportmitteln äusserst schwierig ist. Darunter leidet auch das bedeutende einzige grössere Kohlenbergwerk in Mikojan-Schachar. Hier liegen grössere Vorräte, und man arbeitet bereits wieder in 3 Schichten. Aber auch hier ist die Frage des Abtransportes bisher noch ungelöst. In der bäuerlichen Bevölkerung wurde seit der Besetzung die Frage der Landzuteilung lebhaft erörtert und eine entsprechende Lösung oft mit Ungeduld erwartet. Teilweise

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wurde gehofft, daß bereits nach dem Einbringen der diesjährigen Ernte Landverteilungen vorgenommen werden würden und die Herbst- und Frühjahrsbestellung bereits von „freien Bauern“ erfolgen könne. Die Belohnung solcher Einheimischen mit Land, die sich Verdienste in der Bandenbekämpfung erworben haben, wirkt sich stimmungsmäßig sehr günstig aus, so daß die Mitarbeit der bäuerlichen Bevölkerung im allgemeinen gesichert ist. Nach den neuesten Meldungen wurde nunmehr am 6. 12. in Woroschilowsk auf einer Kundgebung in feierlicher Form auch für Kaukasien die bekannte neue Agrarordnung für die besetzten Ostgebiete in Anwesenheit zahlreicher Vertreter aller deutschen Dienststellen sowie von Abordnungen der Bauern Nordkaukasiens und der Bergvölker verkündet. Der Bevölkerung wurden hierbei in einer Ansprache die agrarpolitischen Ziele der deutschen Militärverwaltung unter Aufforderung zur tatkräftigen Mitarbeit dargelegt. Als Vertreter der russischen Bauern sprach ein Kolchosenagronom des Woroschilowsker Bezirkes, der in seiner Rede den Dank an die deutsche Wehrmacht und ihren Führer Adolf Hitler für die Befreiung zum Ausdruck brachte und tatkräftige Mitarbeit aller Bauern gelobte. Volksdeutsche im Operationsgebiet Nordkaukasus: Die Einsatzkommandos des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD haben mit Aufnahme ihrer Tätigkeit im Operationsgebiet Nordkaukasus gleichzeitig umfassende vorläufige Betreuungsmaßnahmen für die in diesem Gebiet ansässigen Volksdeutschen eingeleitet. Zunächst wurde eine genaue Registrierung der Volksdeutschen durchgeführt. Die geringe Zahl, die allzu grosse Streuung und die ungünstigen sozialen Verhältnisse sowie die bei den kleineren Gruppen nur in ungenügendem Maße mögliche soziale und kulturelle Betreuung lassen die Gefahr der fortschreitenden Russifizierung immer noch bedenklich erscheinen. Auch das Volkstumsbewusstsein hat stark gelitten. Eine ausgesprochene Intelligenzschicht ist nicht mehr vorhanden. Die wirklich vollwertigen Deutschen sind im allgemeinen nicht mehr im Lande. Sie wurden, vor allem seit 1936, nach Mittelasien evakuiert. Ein grosser Prozentsatz der im Nordkaukasus angetroffenen Volksdeutschen war nicht dort ansässig, sondern stammt von der Krim und will wieder in die Heimat zurück. Der allgemeine Eindruck geht dahin, dass für die mit vorläufigen Volkstumsausweisen versehenen Volksdeutschen eine Umsiedlung in deutsche Siedlungszonen erforderlich erscheint. Die Maßnahmen zur Betreuung betrafen insbesondere die Versorgung mit Kleidung, die aus angefallenen Judenbeständen gedeckt werden konnte. 2 Die bevorzugte Belieferung mit Lebensmitteln wurde in Zusammenarbeit mit den Wiko- und La-Führern erwirkt. Die Möglichkeit, wieder Arbeit zu finden, ist bei den Volksdeutschen, soweit sie beide Sprachen sprechen, rasch gegeben. Aber auch die übrigen werden bevorzugt eingestellt, so dass nach Möglichkeit eine soziale und wirtschaftliche Besserstellung erreicht werden konnte. Die Zuweisung von besseren Wohnungen schuf günstigere hygienische Verhältnisse. Auf kulturellem Gebiet lagen die Betreuungsmaßnahmen vor allem bei der Eröffnung von Schulen und Kindergärten. In Kislowodsk wurde die deutsche Schule am 21. 9. 1942 eröffnet. Sie steht unter der Leitung des Sprachwissenschaftlers Prof. Dr. Sorgenfrey, der s.Zt. vom Leningrader Pädagogischen Institut evakuiert wurde. Daneben sind weitere 5 Lehrkräfte an dieser Schule tätig. Die Schule wird zur Zeit von 71 Kindern besucht, von denen nur 10 % die deutsche Sprache beherrschen. Das Schulgebäude wurde von der Stadt zur Verfügung gestellt. Die Räume sind sauber hergerichtet und vermitteln infolge ihrer schlichten, aber schönen Ausgestaltung den Eindruck einer deutschen Schule. Bei der festlichen Eröffnung übergab der Führer des zuständigen SD-Teilkommandos im Namen des Reichsführers-SS als Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums die Schule

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ihrer Bestimmung. In anderen Städten konnten gleichfalls deutsche Schulen, wenn auch z. T. in bescheidenerem Maße eingerichtet werden. So in Pjatigorsk, wo über 70 Kinder den Unterricht in 4 Gruppen besuchen. Auch in Maikop hat die deutsche Schule ihre Arbeit aufgenommen. Kindergärten befinden sich gleichfalls schon in mehreren grösseren Ortschaften. Der Kindergarten in Woroschilowsk (Stawropol) beschäftigt 6 Kindergärtnerinnen, die von dem ehemaligen sowjetischen Kindergarten übernommen wurden. Der Mangel an geeigneten volksdeutschen Lehrkräften machte diese Einstellung von Russinnen, die zum Teil die deutsche Sprache beherrschen, notwendig. Die Instandhaltung der Gebäude, die Verpflegung der Kinder werden durch entsprechende Beiträge der Eltern aufgebracht. Es sollen etwa 100 volksdeutsche Kinder im Alter von 3–7 Jahren untergebracht, unterrichtet und verpflegt werden. Schränkchen, Kindermöbel, Ruhebetten und Spielzeug stehen zur Verfügung. Der Tagesplan ist den gemachten Erfahrungen angepasst. Auch in Maikop hat der volksdeutsche Kindergarten seine Arbeit aufgenommen. Im Laufe der letzten Wochen konnten zahlreiche Briefe von evakuierten Volksdeutschen erfasst werden, aus denen der Leidensweg der im Oktober–November 1941 von den Bolschewisten verschleppten Volksgenossen hervorgeht. Die meisten Verschleppungen erfolgten nach Kasachstan und Sibirien. Die Briefe lassen eindeutig erkennen, dass die Deutschen dort ein fürchterliches und vollkommen unmenschliches Dasein fristen müssen. Sie sind dem allmählichen Hungertode preisgegeben. Schon auf der etwa 3 Monate dauernden Reise starben viele an den Folgen der Entbehrungen und Strapazen. Am Ziel wurden die Verschleppten zu Strassen- und Kolchosarbeiten, zu Flussregulierungen usw. verwendet. Die Wohnungen sind meist denkbar primitiv: Lehmhütten oder Erdhöhlen. Anfänglich konnten sich die Verschickten noch selbst Brot beschaffen, indem sie mitgebrachte Kleidungsstücke eintauschten. Gelegentlich erhielten sie auch Lebensmittelpakete von ihren Angehörigen, die allerdings nur selten kamen. 3 Die Briefe lassen im einzelnen auszugsweise folgendes erkennen: Die Barbara Steiner aus Georgijewsk schrieb aus Sibirien, dass sie schon seit Monaten kein Brot bekommen habe und sich nur von Brennesseln und Wurzeln nähre. Viele ihrer Leidensgenossinnen seien schon hungers gestorben; vielen seien so schwach, dass sie nicht mehr arbeiten könnten. Die Maria Grauberger schrieb am 15. 2. 1942 ihrer Tochter: „Wir sind drei Monate unterwegs gewesen, davon 26 Tage in einem Schiff auf dem Kaspischen Meer. Während dieser Überfahrt sind 775 Menschen gestorben und ins Meer geworfen worden. Viele sind erfroren.“ Die Volksdeutsche Weber aus Neslobnaja schrieb am 26. 4. 1942 aus Kasachstan, sie sei in den ersten Monaten auf ihre eigenen Sachen angewiesen gewesen. Nunmehr bekomme sie alle 13 Tage 500 gr Weizen. Die Arbeit sei schwer. Sie müsse Erde in Säcke gefüllt aufs Land hinaustragen, um dort den Humusstand zu erhöhen. Ähnlich berichtet die Berta Frick am 25. 6. 1942, dass sie 5 Monate nur vom Erlös oder Tausch ihrer Kleider gelebt habe. Einen Monat lang sei sie an Fieber erkrankt gewesen; im übrigen sei sie vor Hunger „ganz geschwollen“ gewesen. Sie müsse in den Kornfeldern die sog. Feldwanzen von den Ähren lesen und in Säcke sammeln. Eine andere Volksdeutsche schreibt ihren Eltern: „Lang sind wir gefahren, bis wir auf den Platz kamen. Vieles haben wir gesehen und durchgemacht. Viele Kinder und viele Männer und Frauen starben auf dem Wege. Der Weg ging von Ssalsk nach Baku, dann nach Krasnowodsk über das Kaspische Meer, dann nach Aschelabad, Taschkent, Alma-Ata, Semipalatinsk, Nowosibirsk, Tatarsk, Omsk und Petropawlowsk nach Sochotin in Sibirien. Zu kaufen gibt es hier nichts, so dass wir hier unsere Kleider vertauschen mussten, um leben zu können. Dabei wurden uns noch Steuern aufgelegt, und wir wissen nicht, wovon wir sie bezahlen sollen.“

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Ähnlich heisst es in einem anderen Brief: „Wir müssen 120–280 Rubel Kriegssteuern bezahlen. Die Kleider sind alle schon verkauft und verhandelt für ein Stückchen Brot. Wenn wir das Leben bis zum Frühjahr durchhalten, ist es gut. Wir hungern hier so wie 1933, als die grosse Hungersnot war.“ Eine andere Volksdeutsche schreibt: „Wir werden wie das Vieh behandelt. Wir wurden in Viehwagen verladen. Auf dem Wege starben sehr viele. Aber dennoch lassen wir den Mut nicht sinken und stehen eisern. Das Leben ist sehr schlecht, alles teuer und man kann nichts kaufen. Dazu noch der harte Winter. Alles das drückt auf unsere Schultern. Aber dennoch verlieren wir die Hoffnung nicht. Wir werden leben und wieder unsere Heimat sehen.“ Ein anderer Volksdeutscher schrieb an einen Russen: „Wir fuhren von Estokan im Regen und Schmutz nach Stalingrad, von dort nach Ssalsk, dann nach Baku, von hier aus über das Kaspische Meer nach Petropawlowsk. Auf dem Wege in Schnee und Regen durchnäßt, wurden wir in Waggons verladen, bekamen 200 gr Brot auf den Tag, und Suppe bekamen wir für einen Tag. Es starben von Estokan 400 Kinder und alte Leute. Als wir auf dem Platz ankamen, wurden die Männer von 17–50 Jahren in die Arbeitsarmee genommen. Ins Kollektiv wurden wir nicht übernommen, und warm zu essen vom Kollektiv bekamen wir auch nicht. Die letzten Kleider sind schon für Brot verhandelt, so dass wir in nächster Zeit vor Hunger zu Grunde gehen müssen. Ich verabschiede mich von Dir, wir werden uns weiter nicht mehr sehen.“ Zur Lage der Verwaltung im Operationsgebiet Nordkaukasus: Der Aufbau der landeseigenen Gemeindeverwaltungen und Rayonverwaltungen ist, den vorliegenden Meldungen zufolge, in den neubesetzten kaukasischen Gebieten im grossen und ganzen durchgeführt. Die für die Amtsstellen vorgesehenen Personen wurden von den Orts- und Feldkommandanturen eingesetzt. Wegen des Fortfalls verschiedener Verwaltungsangelegenheiten sind die landeseigenen Behörden wesentlich kleiner gehalten als zur Zeit der sowjetrussischen Verwaltung. Da die eingearbeiteten und fachlich vorgebildeten Verwaltungskräfte zum Großteil von den Sowjets verschleppt worden waren, entsprechen die in den landeseigenen Verwaltungsstellen eingesetzten Personen in fachlicher Hinsicht nicht den Voraussetzungen. Nach den vorliegenden Meldungen beklagt sich die Bevölkerung wiederholt über die Unzulänglichkeit der Hilfsverwaltung und bringt den deutschen Dienststellen mehr Vertrauen entgegen als der landeseigenen Verwaltung. Mehrfach wurden Fälle bekannt, in denen Bürgermeister oder Polizeichefs wegen politischer Unzuverlässigkeit aus ihren Ämtern wieder entfernt werden mussten. Zum Teil handelte es sich dabei um NKWD-Agenten, die bestimmte Aufträge hatten und auch mit Banden in Verbindung standen. Die Stellen der deutschen Militärverwaltung haben ihre Tätigkeit in vollem Umfang aufgenommen. Von allen deutschen Verwaltungsstellen wird den Meldungen zufolge lebhaft über die Tätigkeit der von den Berliner Zentralstellen eingesetzten Sonderbeauftragten Klage geführt, von deren Entsendung die örtlichen Stellen in den meisten Fällen überhaupt nicht in Kenntnis gesetzt wurden. Es werde immer darauf hingewiesen, dass die Tätigkeit der Sonderbeauftragten sachlich nicht von Erfolg sein könne, da sie, ohne die örtlichen Verhältnisse ausreichend zu kennen, nach bestimmten Weisungen der Zentralstellen arbeiteten. Auswirkung deutscher kultureller Veranstaltungen im Operationsgebiet Nordkaukasus: Film: Neben der Wehrmachtsbetreuung wird auf die Versorgung der einheimischen Bevölkerung mit Filmen ein besonderes Augenmerk gerichtet. Der Film steht dank seines verhältnismäßig einfachen Einsatzes und dem von der Bevölkerung entgegengebrachten starken Interesse an der Spitze aller Einwirkungsmöglichkeiten. Die Schwierigkeiten, die einem vollen Einsatz dieses Mittels im Wege stehen, sind verschiedener Art. In vielen

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Nr. 23: Durch Partisanen gesprengte Bahnstrecke Brest-Litowsk–Bobruisk

Fällen wurden in den größeren Filmtheatern der Städte die Vorführapparaturen von den Sowjets weggebracht oder unbrauchbar gemacht. Häufig sind Lichtspielhäuser durch Kriegseinwirkungen zerstört worden. Einige Filmtheater fallen wegen Truppenbelegung aus. Schwierigkeiten entstehen ferner infolge Strommangels, einem vorübergehenden Fehlen oder Versagen des Stromes oder in unerwünschten Spannungsschwankungen, die die Bildbetrachtung erschweren. Die Programmgestaltung war von dem vorgefundenen Filmmaterial und von den momentan zur Verfügung stehenden Filmen abhängig. Die vorhandenen sowjetischen Filme waren in den meisten Fällen ungeeignet. In Maikop wurden die russischen Filme „Peter der Grosse“, „Wolga-Wolga“ und „Maskerade“ eingesetzt. Ferner wurden die aufgefundenen ausländischen, meistens amerikanischen Filmstreifen (z. B. „Hundert Mann und ein Mädchen“) vorgeführt. Die Meldungen von Oktober–November heben immer wieder hervor, dass der Einsatz von Spielstreifen deutscher Herkunft bisher ungenügend war und eine ausgezeichnete Möglichkeit deutscher Kulturpropaganda – auf dem Lande völlig – damit brachliegt. Man habe sich mit deutschsprachigen Filmbändern, die im Austausch mit den Soldatenkinos gezeigt werden, beholfen. Dieser Zustand befriedige aber nicht, da die Zuschauer in den meisten Fällen der deutschen Sprache nicht mächtig seien und so die Vorgänge auf der Leinwand nur ungenügend verstünden. Zum anderen erscheint es überhaupt problematisch, der russischen Bevölkerung Spielfilme zu zeigen, die nach Inhalt und Gestaltung Ausdruck deutschen Wesens sind, wie z. B. „Der grosse König“, „Zwischen Himmel und Erde“, „Kadetten“, „… reitet für Deutschland“. Der ersteren Schwierigkeit habe man hier und da durch kurze Schilderung des Handlungsverlaufes vor Spielbeginn oder durch ausgeteilte Handzettel Herr zu werden versucht. Es wurde in diesem Zusammenhang von verschiedenen Seiten wiederholt der Wunsch ausgedrückt, synchronisierte Filme vor-

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zuführen oder wenigstens russische Textzeilen im Filmbild anzubringen. Es wird berichtet, dass das Interesse an deutschen historischen Filmen, wie z. B. „Der grosse König“, mangels der notwendigen Kenntnisse der deutschen Geschichte nicht besonders gross sei. Auch Filme aus dem 19. Jahrhundert und um die Jahrhundertwende (z. B. „Zwischen Himmel und Erde“ und „Wir bitten zum Tanz“) hätten keinen besonderen Eindruck hervorgerufen, weil der sowjetische Film bis auf wenige Ausnahmen ausgesprochen zeitnahe gestaltet sei. Den besten Anklang hätten noch reine Unterhaltungs- und Operettenfilme wie „Viel Lärm um Nixi“, „Eine Nacht in Venedig“ gefunden. Größte Wirkung und lebhafteste Bewunderung lösten überall und immer wieder die deutschen Wochenschauen aus, die regelmäßig vor den Spielfilmen laufen. Die Bevölkerung bewundere vor allem die Zahl und Güte der deutschen Waffen und werde dadurch stimmungsmäßig sehr günstig beeinflusst. Stellenweise (z. B. Woroschilowsk) sei man zur Vorführung von Ufa-Wochenschauen mit russischem Begleittext übergegangen, die neben dem militärischen Geschehen die europäische Aufbauarbeit sowie deutsches Land und Volk zeigen. Diesen Bildern werde größte Aufmerksamkeit geschenkt. Ein Ausbau dieser Art Wochenschau sei erwünscht, zumal sie den stark vorhandenen Bedürfnissen entgegenkommt, über die Verhältnisse in Deutschland eingehend aufgeklärt zu werden. Aus dem gleichen Grunde seien auch deutsche Kulturfilme beliebt. Der Besuch aller Vorführungen sei bei dem Filmhunger der Bevölkerung ausserordentlich rege. Fast sämtliche Vorstellungen seien bei einem durchschnittlichen Eintrittspreis von 2–3 Rubel, die in der Regel an die Stadtverwaltung abgeführt werden, völlig ausverkauft. Theater: Nach den vorliegenden Meldungen beginnt sich das Theaterleben in den nordkaukasischen Städten allmählich wieder zu regen. So spiele das Stadttheater in Jeijsk neuerdings jeden Sonnabend und Sonntag. In Armawir, wo das Theater abgebrannt ist, bereiten zurückgebliebene Schauspieler unter grössten äusseren Schwierigkeiten (Fehlen von Requisiten und Kostümen) Theateraufführungen im Konferenzsaal des Rathauses vor. In Krapotkin wurde das russische Theater Anfang September mit dem Lustspiel „Mein Baby“ eröffnet. Das Stück hat grossen Anklang gefunden, weil es in bürgerlichen Kreisen des Auslandes spielt und von dem bolschewistischen Regime verboten war. In Maikop stehe ein kleines, aber recht gut ausgestattetes Theater mit einer festen Spielgemeinschaft zur Verfügung, in dem Dreyers „Liebe mit 17 Jahren“ ins Russische übersetzt mit grossem Erfolg aufgeführt worden sei. Mit gleichem Erfolg wurde dieses Theater zur Truppenbetreuung verwendet. Hier und da seien in letzter Zeit verschiedentlich einheimische Spiel- und Tanzgruppen stärker in den Vordergrund getreten, die sich zwar mit einfachen Mitteln behelfen, aber in ihren Vorführungen grossen Erfolg unter der russischen Bevölkerung aufzuweisen hätten. Musik: Ebenso als Folge der Stimmungsauflockerung sei auf dem Gebiet der Musik eine Belebung zu beobachten. Dies gelte ebenso für Orchester- und Chormusik wie für die Gebiete des ernsten und leichteren Musikschaffens. Auch die Volksmusik wird in Form von Liederchören und Balalaika-Orchestern wieder gepflegt. Wie aus Kislowodsk, Armawir, Labinskaja, Bjelaja-Glina, Woroschilowsk und anderen Städten berichtet wird, ist der Besuch aller derartiger Veranstaltungen, die von den deutschen Dienststellen unterstützt werden, ausserordentlich rege. In Armawir seien z. B. bei jedem Konzert etwa 1000 Personen anwesend. Die großzügige Gestaltung bzw. Unterstützung des russisch-ukrainischen Theater- und Musiklebens wirkt sich den Meldungen zufolge recht günstig aus. Bei der Bevölkerung wird dadurch das Gefühl der Sicherheit im Schutze der deutschen Waffen verstärkt und der Eindruck hervorgerufen, dass Deutschland die vorgefundene

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Volkskultur respektiert und entgegen den Behauptungen der bolschewistischen Propaganda nicht beabsichtigt, sie auszurotten. Es entstehe ferner aus dem Wiederaufblühen des Kulturlebens der Vorteil, dass der Truppe Stunden der Aufheiterung und Entspannung vermittelt würden, in denen der Soldat gleichzeitig Gelegenheit habe, den Volkscharakter kennenzulernen. Beispielsweise wären von deutschen Soldaten besonders die bodenständigen Lieder und Tänze mit Begeisterung aufgenommen worden. Schulwesen im Operationsgebiet Nordkaukasus: Der Neuaufbau des russischen Schulwesens im Nordkaukasus ist in vollem Gange. Zunächst würden die 4-klassigen Volksschulen (Elementarschulen) wieder eröffnet, wobei laufend Schwierigkeiten infolge Mangel an Schulräumen und durch Fehlen von Lehrkräften und Lehrmitteln entstehen. Als Lehrkräfte kommen vornehmlich Personen in Frage, die entweder in bolschewistischer Zeit wegen ihrer politischen Einstellung verfolgt bzw. unterdrückt wurden oder bereits vor 1918 als Lehrer tätig waren. Zu Lernzwecken können nur in Ausnahmefällen die alten Schulbücher verwendet werden, die jedoch nicht mit nach Hause genommen werden dürfen. Als Lesestoff für höhere Klassen werden die Werke alter russischer Erzähler, z. B. Puschkin, herangezogen. In der Bevölkerung, noch stärker in der Lehrerschaft wird immer wieder der Wunsch laut, auch die übrigen Schultypen wieder einzuführen. Diesem Wunsch wird jedoch mit grösster Zurückhaltung begegnet. Lediglich aus Kislowodsk wird die Neueinrichtung von 7 7-klassigen Schulen und 4 8-klassigen Gymnasien berichtet und dazu ausgeführt, dass die 7-klassige Mittelschule eine allgemeine Bildung vermitteln und für die mittleren Fachschulen und Techniken vorbereiten soll, während die Gymnasien die Verbindung zu den Hochschulen darstellen sollen. Der Unterricht soll für Knaben und Mädchen gemeinsam erteilt werden. Er ist für 3 der 7-klassigen Schulen unentgeltlich gedacht, während das Schulgeld für die restlichen 7-klassigen Schulen jährlich 150 Rubel und für die Gymnasien 300 Rubel betragen soll. Der Lehrplan der 7-klassigen Schulen soll die russische Sprache und Literatur, die naturwissenschaftlichen Fächer (Arithmetik, Algebra, Geometrie, Physik, Geographie, Botanik und Zoologie), Geschichte, deutsche Sprache, Schreiben, Zeichnen, Musik und Turnen umfassen, während für das Gymnasium zu den üblichen Fächern der Mittelschule Latein und wahlfrei Französisch oder Englisch dazu kommt. Aus Mangel an Lehrbüchern soll nach Konzepten zuverlässiger und gut qualifizierter Lehrer unterrichtet werden. Als Direktoren und Inspektoren sollen nur Personen mit Hochschulbildung und mindestens 10-jähriger Dienstzeit bestellt werden, die innerhalb der Lehrerschaft über die erforderliche Autorität verfügen. Sämtlichen Lehrkräften der Schulen in Kislowodsk sind bereits Richtlinien für ihre Arbeit gegeben worden. Wirtschaftliche Lage im Operationsgebiet Nordkaukasus (Den Ausführungen liegen Meldungen zugrunde, die die Verhältnisse Anfang bis Mitte Oktober behandeln): Versorgungslage: Zur Versorgungslage im Operationsgebiet Nordkaukasus wurde in den „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ Nr. 28 vom 6. 11. 1942 ausgeführt, dass nach übereinstimmenden Meldungen die Versorgung der Wehrmacht und auch bis zu einem gewissen Grade die der Bevölkerung als gesichert angesehen werden kann. Aufgrund eingehender Erhebungen wurde nun – wie gemeldet wird – festgestellt, dass die gesamte Versorgung der Wehrmacht nur unter restloser Ausnutzung aller vorhandenen Möglichkeiten 100-prozentig zu erreichen ist. In einzelnen Rayons sollen die von der Bevölkerung angelegten und einer zentralen Bewirtschaftung entzogenen schwarzen Bestände so erheblich sein, dass sie für 1 bis 2 Jahre ausreichen. Die von der Bevölkerung aufgestapelten Getreidevorräte sollen nun durch eine grosse zentral gesteuerte Aktion erfasst werden. Zunächst ist eine aufklärende Propaganda unter Beteiligung aller Propagandaeinheiten

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vorgesehen, durch die der Bevölkerung die Notwendigkeit dieser Maßnahme klargemacht werden soll. Bei Nichteinhaltung des Ablieferungstermins will man jedoch vor Zwangsmaßnahmen nicht zurückschrecken, wobei diese Maßnahmen zu allererst den Teil der Bevölkerung treffen sollen, der den deutschen Truppen gegenüber weniger positiv eingestellt ist. Man erwartet davon, dass daraufhin der übrige, zuverlässige Teil der Bevölkerung die schwarzen Bestände freiwillig abliefern wird. Die Schwierigkeiten in der Lebensmittelversorgung des Gebietes von Maikop, insbesondere der Erdölgebiete von Apscheronskaja und Chadychenskaja, sind bisher nicht behoben. Infolge der ungenügenden Ernährungsmöglichkeiten in diesen Gebieten zeigen sich schon jetzt in der Bevölkerung stärkere Abmagerungserscheinungen und allgemeine Körperschwäche. In Maikop selbst findet immer noch keine Lebensmittel- und Brotabgabe statt. Zur Zeit soll genügend Brotgetreide vorhanden sein, jedoch kann es infolge Beschlagnahme der arbeitsfähigen Mühlen durch die Wehrmacht nicht vermahlen werden. Es wird jedoch an der Instandsetzung einer Mühle gearbeitet, die dann ausschliesslich für die Versorgung der Zivilbevölkerung arbeiten soll. In den meisten übrigen grösseren Orten des Einsatzgebietes (Woroschilowsk, Pjatigorsk, Armawir, Krapotkin, Labinskaja) findet eine regelmäßige Lebensmittelzuteilung an die Bevölkerung statt, die sich allerdings bisher vorwiegend auf die Ausgabe von Brot und Fett beschränkt. Die Gemeinden gehen aber allmählich dazu über, alle wichtigen Lebensmittel zu rationieren und selbst zu verteilen. […] Die Preise sind in der Berichtszeit sowohl für Lebensmittel als auch für Gebrauchsgegenstände rapide gestiegen. Man beobachtet von Tag zu Tag, insbesondere bei den Marktpreisen für Lebensmittel, eine erhebliche Steigerung. Die Gründe für diese Entwicklung sind nicht in der Verknappung der Waren zu finden, denn im allgemeinen ist die Nachfrage besonders bei Lebensmitteln nicht gross, zumindest reicht die angebotene Ware zur Deckung des Bedarfs voll aus. Der Hauptgrund für die Preisentwicklung dürfte darin zu suchen sein, dass viele Personen infolge des Fortfalls einer eigenen Erwerbstätigkeit, aber auch wegen der geringen Lohnzahlungen, gezwungen sind, Gebrauchsgegenstände u. Kleidungsstücke usw. zu möglichst hohen Preisen zu verkaufen, um Geld für den Lebensunterhalt zu erhalten. Solche Verkäufe stehen im Mittelpunkt des Wirtschaftsverkehrs der Bevölkerung. Ein weiterer Grund ist die spekulative Einstellung der Bevölkerung, insbesondere aber der Händler. Auch der Schwarz- und Schleichhandel spielt eine besondere Rolle. Er gewinnt immer mehr an Bedeutung, zumal die Bevölkerung schon während der Sowjetzeit sich seiner infolge der Verknappung der auf den Märkten befindlichen Waren in grossem Umfange bedienen musste. Diese Entwicklung gibt zu ernsten Besorgnissen Anlass. Abgesehen davon, dass sie auf die Stimmung der Bevölkerung in hohem Maße negativ einwirkt, muss sie erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten zur Folge haben. Sie wird zwangsläufig auch zu einer Änderung der Lohnpolitik führen müssen, wenn vermieden werden soll, dass die Bevölkerung demnächst nicht mehr ihren Lebensunterhalt decken kann. Bisher haben sich die Löhne gegenüber der Sowjetzeit, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht geändert. […] Aus Bjelaja-Glina liegen folgende Preisangaben für landwirtschaftliche Produkte vor:

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Weizenmehl Weizen Gerste Mais Kartoffeln Tomaten Kohl Fleisch Schweinefett Butter Öl Eier Honig Geflügel (Hühner) (Gänse) (Enten) (Truthahn) Wassermelonen Milch Weisskäse

1 Pud 1 Pud 1 Pud 1 Pud 1 Pud 1 kg 1 kg 1 kg 1 kg 1 kg 1 kg 10 Stck. 1 kg

Mitte 1941 35–65 Rbl. 25–40 Rbl. 15–18 Rbl. 17–23 Rbl. 25–30 Rbl. 0,5–1 Rbl. 0,35–0,7 Rbl. 7–12 Rbl. 20–25 Rbl. 18–22 Rbl. 9–12 Rbl. 2–3 Rbl. 15–20 Rbl.

28. 9. 1942 500 Rbl. 320 Rbl. 120 Rbl. 130 Rbl. 160 Rbl. 3,6 Rbl. 10–15 Rbl. 40–50 Rbl. 280 Rbl. 240 Rbl. 190 Rbl. 35 Rbl. 250 Rbl.

1 Stck. 1 Stck. 1 Stck. 1 Stck. 1 Stck. 1 Ltr. 1 kg

5–8 Rbl. 23–35 Rbl. 12–17 Rbl. 20–28 Rbl. 1–3 Rbl. 0,50–1 Rbl. 1–1,50 Rbl.

45–60 Rbl. 140–160 Rbl. 80–90 Rbl. 130–150 Rbl. 40 Rbl. 8 Rbl. 13 Rbl.

Nach den vorliegenden Meldungen muss die Preisentwicklung, wenn ihr nicht Einhalt geboten wird, im Winter zu einer Preiskatastrophe führen. Die hierdurch entstehenden Gefahren werden von den deutschen Dienststellen durchaus erkannt. Mehrere Ortskommandanturen und Bürgermeister haben versucht, durch Festsetzung von Höchstpreisen für die wichtigsten Lebensmittel der Entwicklung entgegenzuarbeiten. So sind z. B. in Maikop vom Bürgermeister durch eine Verordnung folgende Höchstpreise für Lebensmittel festgesetzt worden (die von der Bevölkerung tatsächlich gezahlten Preise sind mit angeführt): Weizenmehl 72 % Weizenmehl 85 % Gerstenmehl Maismehl Mais Öl Butter Speck Schmalz Rindfleisch Schweinefleisch Huhn Gans rohe Milch Buttermilch

Pud Pud Pud Pud Pud Ltr. kg kg kg kg kg Stck. Stck. Ltr. Glas

Festpreis: 200 Rbl. 180 Rbl. 150 Rbl. 80 Rbl. 60 Rbl. 35 Rbl. 100 Rbl. 100 Rbl. 100 Rbl. 20 Rbl. 25 Rbl. 20–25 Rbl. 50 Rbl. 8 Rbl. 1,50 Rbl.

tats. Preise: 400 Rbl. 225–250 Rbl. 200–210 Rbl. 160 Rbl. 180 Rbl. bis 150 Rbl. 225–300 Rbl. bis 225 Rbl. 250–280 Rbl. 50 Rbl. 80–90 Rbl. 60–70 Rbl. 200 Rbl. 25 Rbl. 2 Rbl.

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Eier Kartoffeln Zwiebeln Tomaten und Kohl Äpfel und Birnen Pflaumen

10 Stck. kg kg kg kg kg

15 Rbl. 6 Rbl. 3 Rbl. 2 Rbl. 3 Rbl. 2 Rbl.

36–70 Rbl. 10 Rbl. 10 Rbl. 10–12 Rbl. 10–12 Rbl. 10–12 Rbl.

Die bisher getroffenen Maßnahmen haben sich jedoch, wie vorstehendes Beispiel aufzeigt, in der Praxis als wirkungslos erwiesen. Der seither rege Marktverkehr schrumpfte auf ein Minimum zusammen; gleichzeitig setzte eine stärkere Abwanderung zum Tauschund Schleichhandel ein, wodurch die Preise nur noch schneller hochgetrieben wurden. Es ist beabsichtigt, die gesamte Preisgestaltung allmählich unter behördlichen Zwang zu stellen. Da man glaubt, das Preisniveau nur ganz vorsichtig beeinflussen zu können, sollen zunächst nur für solche Güter Höchstpreise festgesetzt werden, die unter den gegebenen Umständen nicht zu den unbedingt lebensnotwendigen gehören (z. B. Strompreise). Von entscheidendem Einfluss wird sein, daß die Gemeinden dazu übergehen werden, alle wichtigen Lebensmittel zu rationieren und unter eigener Kontrolle zu verteilen. Bei einer behördlich vorgenommenen gleichmäßigen Verteilung wird man zum mindesten die Lebensmittelpreise leichter regulieren können. Voraussetzung wird allerdings hierbei sein, daß die zur Verteilung gelangenden Rationen einigermaßen ausreichend sind, so dass die Bevölkerung von dem Schwarzhandel abgezogen wird. Im übrigen wird es kaum möglich sein, den schon zu Sowjetzeiten sehr starken Schwarz- und Schleichhandel durch Zwangsmaßnahmen zu unterbinden. Dagegen könnte versucht werden, durch Regelung und Beschränkung der Handelstätigkeit Einfluss auf den schwarzen Markt auszuüben. Zu diesem Zweck müsste, wie in den Meldungen vorgeschlagen wird, jeder, der mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen handeln will, registriert werden und mit einem Ausweis versehen werden. Die registrierten Händler müssten durch Androhung schärfster Strafen und der Entziehung ihrer Zulassung gezwungen werden, regelmäßig ihre Waren auf dem Markt zum Verkauf zu bringen. […] C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR Lage in Russisch-Turkestan: Mit dem Ausbruch des Krieges mit Polen sind in Turkestan die Männer zwischen 16 und 45 Jahren zum Militär und die Frauen zwischen 26 und 42 Jahren zum Hilfsdienst ausgehoben worden. Seit 1941 werden die Aushebungen bedeutend rigoroser gehandhabt und auch über die erwähnte Altersgrenze hinaus Männer und Frauen zum Militär- und Hilfsdienst eingezogen. Alle wichtigen staatlichen Posten sind von Parteiangehörigen besetzt worden. Um die Bevölkerung über die wahre Kriegslage im Unklaren zu halten, sind alle Radioapparate eingezogen worden und ist schon seit Monaten keine Feldpost mehr von der Front nach Turkestan gekommen. Trotzdem ist die Bevölkerung im allgemeinen über das militärische Geschehen im Bilde. Die turkestanische Bevölkerung ist weitgehend für Kriegszwecke eingespannt worden. Neben der Umstellung der bestehenden Fabriken (insbesondere der Textilfabriken) auf die Herstellung von Kriegsgeräten sind aus den gefährdeten – in der Nähe der Front liegenden – Gebieten die Maschinen der Rüstungsfabriken abtransportiert und z. T. in Turkestan wieder aufgebaut worden. Die Bevölkerung Turkestans weigerte sich aber an verschiedenen Orten, in die Fabriken zu gehen. Daraufhin sind in Taschkent 300 Männer erschossen worden. Um einen Ausgleich für die verlorengegangenen Getreidegebiete zu schaffen,

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haben die Sowjets die Anbaufläche von Baumwolle weitgehend zu Gunsten des Anbaues von Getreide zurückgedrängt. Die Ergebnisse sollen recht gut sein. Die Stimmung der Bevölkerung ist – wie auch in den anderen Gebieten der Sowjetunion – in erster Linie durch die angespannte Lage auf dem Ernährungs- und Wirtschaftssektor bestimmt. Im grossen und ganzen soll die Bevölkerung antibolschewistisch eingestellt sein. Mit grösseren Aufständen von innen heraus kann jedoch einstweilen nicht gerechnet werden. Es liegen unklare Nachrichten über Revolten in der Gegend des Kaspischen Meeres vor. Die GPU ist zahlenmäßig nicht schlechter geworden, befindet sich aber qualitativ auf einem tieferen Stand. Die Verschlechterung der Versorgungslage Turkestans ist z. T. auch auf die grosse Anzahl von Flüchtlingen aus den besetzten und gefährdeten Gebieten zurückzuführen, die sich zur Zeit dort aufhalten. Von den Russen sind u. a. auch etwa 280 000 Polen, die während des Feldzuges in Polen als Gefangene eingebracht worden sind, nach Turkestan gebracht worden. Sie sollen jetzt dort bewaffnet und abtransportiert worden sein. Die Zahl der in Afghanistan befindlichen turkestanischen Emigranten wird auf zwei Millionen geschätzt. Hiervon sind etwa 50 % Turkmenen, 30 % Kosaken und 20 % gehören den übrigen Stämmen an. Sie sind von der afghanischen Regierung zum grossen Teil in Nordafghanistan angesiedelt worden und werden auf Zucker- und Baumwollplantagen beschäftigt. Nach einem Telegramm des afghanischen Botschafters in Moskau sind in nächster Zeit grössere Flüchtlingsströme zu erwarten. Die afghanische Regierung hat bereits entsprechende Maßnahmen getroffen. Gerüchte über sowjetrussische Truppenkonzentrationen an der afghanischen Grenze haben sich nicht bestätigt. Nach Schätzungen von März 1942 belaufen sich die Grenztruppen auf 4–4000 [sic] Mann. Die in Kabul befindlichen Japaner zeigen sich an Turkestan, das sie als ihre Interessenssphäre betrachten, stark interessiert. In Afghanistan besteht eine antibolschewistische Emigrantenorganisation, die etwa 80 000 Mitglieder hat, deren Leitung sich in Kabul befindet. Die Angehörigen dieser Organisation sind strenge Mohammedaner und zum Teil mit Waffen ausgerüstet. Von dieser Organisation sind noch etwa 60 000 Turkmenen in Turkestan erfaßt worden, von denen aber fast alle wehrfähigen Männer eingezogen werden sollen. Auch sind in Turkestan nur noch kleine Waffenlager aus der Basmaschikenzeit vorhanden. BAB, R 58/699 1 Vgl.: Shalom Cholawsky: The Jews of Bielorussia during World War II, Amsterdam 1998, S. 216 f.; Zeev Barmatz: Heroism in the Forest. The Jewish Partisans of Belarus, o. O. 2013, S. 89–92. 2 Himmler hatte bereits am 14. 10. 1942 Oswald Pohl, den Chef des SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamtes, angewiesen, zu Weihnachten Kleidung u. Gebrauchsgegenstände ermordeter Juden aus Lublin u. Auschwitz den Volksdeutschen aus der Ukraine sowie des Distrikts Lublin zukommen zu lassen; vgl. Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1941/42, S. 591. 3 Zu den von Stalin verfügten Deportationen der Rußlanddeutschen vgl. die Quellenedition von Viktor Herdt/Alfred Eisfeld (Hrsg.): Deportation, Sondersiedlung, Arbeitsarmee, Köln 1996.

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 23. XII. 1942 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 35 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandenunwesen: In Lettland hat die Aktivität der Banden im Gebiet Wolmar nachgelassen. Es muss angenommen werden, daß sie sich z. T. aufgelöst haben. Dies wird durch eine bisher noch unbestätigte, vertrauliche Meldung erhärtet, wonach der „Bandenstab“ beschlossen hat, die Gruppe aufzulösen, um sie bei der Bevölkerung unterzubringen. Entsprechende Gegenmaßnahmen sind eingeleitet. Andererseits läßt der Absprung eines Banditen bei der Gemeinde Anna, der mit Sendegerät ausgerüstet war, jedoch vermuten, daß der „Bandenstab“ immer noch in Verbindung mit den Sowjets steht. Eine lebhafte Banditentätigkeit herrscht in den an der lettisch-russischen Grenze gelegenen Kreisen Lettgallens. In einzelnen Dörfern befinden sich immer noch Elemente, die schon früher mit den Kommunisten sympathisierten und heute die Banden unterstützen. Aus der Art des Auftretens und der Auswahl des Raubgutes ist zu folgern, daß sich an den Raubzügen auch einzelne Ortseinwohner beteiligen. Die Banditen sind fast immer mit Gewehren, Maschinenpistolen und Handgranaten ausgerüstet. Die Vernichtung der Räuber erschwert der Umstand, daß die Nachrichten erst 8–12 Stunden nach dem Geschehen bekannt werden, da die Beraubten die Banditen fürchten und erst dann die Meldung erstatten, wenn sie sich vor ihnen sicher glauben. Auch die schlechte Telefonverbindung in Lettgallen wirkt sich in der Banditenbekämpfung nachteilig aus. Die Bandengefahr in Weissruthenien ist weiterhin akut. Der Winter hat zwar örtlich eine gewisse Verminderung der Aktivität der Banden in Aktionen gebracht, was sich vor allem in der Zahl der Verluste auf deutscher Seite zeigt (Oktober: 175 Tote, 126 Verwundete, 42 Vermißte – November: 86 tot, 99 verwundet), aber keinen zahlenmäßigen Schwund in den Banden selbst. Die Sorge um die Ernährung und eine relativ gesicherte Unterkunft zwingt die Banden, einen Teil ihrer Aktivität zur Lösung dieser Schwierigkeiten zu opfern. Die Entwicklung, daß die Banden sich ab Spätherbst zu straffer organisierten Truppenkörpern zusammenschlossen, hat durch den Winter keine Unterbrechung gefunden. Nach den Meldungen über Bandenbewegungen herrschen Bandengruppen in Stärken von 70 bis 200 Mann weiterhin vor. Die kleineren Banden sind fast ausschliesslich zur Nahrungssuche oder als Vergeltungskommandos angetreten, führen aber auch Kämpfe und Terroraufträge im Zuge dieser Aktionen mit durch. Trotz zahlenmäßiger Abnahme der Bandenanschläge (Oktober 612, November 445 Anschläge) sind die Auswirkungen auf das Verkehrswesen noch immer besorgniserregend. Die in dem besonders bandenverseuchten Gebiet nach eingehender Erkundungstätigkeit angesetzten Unternehmungen nehmen trotz Regens, Schnees und unglaublicher Grundlosigkeit des Bodens einen erfolgreichen Verlauf. Es konnten zahlreiche Bandenlager erstürmt und unübersehbare Mengen an Getreide und Vieh sowie Waffen und Munition in grosser Zahl erbeutet werden. An einem Tag wurden allein zwei Panzerwagen, 2 7,62 cm-Kanonen und 4,7 cm-Flakgeschütze erbeutet. Innerhalb von 5 Tagen wurden 1383 Feindtote gezählt; die eigenen Verluste betrugen 7 Tote und 10 Verwundete. In der Ukraine wurde im Kdr.-Bereich Shitomir der auf der Eisenbahn zwischen Jelsk und

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Beuniwitschi befindliche Kurierdienst des Gendarmeriepostens Jelsk, bestehend aus zwei Gendarmeriewachtmeistern, 10 Letten und 22 ukrainischen Schutzmännern, von Banditen überfallen. Bei dem Überfall wurden die beiden Gendarmeriewachtmeister, 9 lettische Schutzmänner, 7 ukrainische Schutzmänner und 9 im Zug mitfahrende Zivilpersonen getötet. Den Banden ist bekannt, daß regelmäßig mittwochs und sonnabends die Waldbahn mit dem Kurierdienst zwischen den Gebieten Jelsk und Leltschitzy verkehrt. An der Überfallstelle grenzt der Wald etwa 15–20 m an das Bahngleis. Dort hatte die etwa 100 Mann starke Bandengruppe gut getarnte Feldstellungen ausgehoben. Die Banditen hatten an den Schienen ein Seil befestigt, an dem vorher die Laschen gelockert waren und ausserdem eine Mine angebracht war. Kurz vor Eintreffen des Zuges wurden die Schienen mit den Seilen auseinandergezogen, so daß der Zug entgleisen musste und ausserdem noch durch die Explosion der Minen beschädigt wurde. Vor der Lokomotive liefen zwei mit Holz verschalte Plattenwagen, die zur Verteidigung etwaiger Angriffe durch die darauf befindlichen 2 Gendarmeriewachtmeister und 32 Schutzmänner vorgesehen waren. Im Moment der Entgleisungen wurde der ganze Zug von den Banditen unter ein derartig starkes MG-, MP- und Gewehrfeuer genommen, dass die Aufnahme der Verteidigung nicht möglich war. Ausserdem wurden von den Banditen mehrere Handgranaten geworfen. Die meisten Männer sind während dieses Feuerüberfalls bereits gefallen. Die beiden Gendarmeriewachtmeister wurden mit mehreren Kopfschüssen und ihrer Uniform beraubt vorgefunden. Den Banditen fielen sämtliche im Zug befindliche Waffen in die Hände und zwar: 1 sMG, 3 lMG, 21 Gewehre, 2 Pistolen und Munition. Ausserdem nahmen die Banditen sämtliche Dienstausweise sowie die Armbinden der Schutzmänner mit. Ukrainische Widerstandsbewegung: In Berlin gelang es, den ukrainischen Studenten Wasyl Bezchlibnyk, geb. 27. 2. 1913 in Sikoliw, wohnhaft Berlin, Fischerstr. 25, Deckname: Burkut, festzunehmen. Er führte das Gebiet Deutschland der illegalen Bandera-Gruppe und stand unmittelbar mit der Bandera-Zentrale in Lemberg in Verbindung. Nach vertraulicher Mitteilung sind Anfang November in den Rokitno-Sümpfen eine Anzahl sowjetische Fallschirmspringer abgesetzt worden. Diese Fallschirmspringer sind angeblich mit einer Bandera-Bande aneinandergeraten, die sich gegenseitig im Gelände nicht dulden wollten. Bei dem sich entwickelnden Gefecht sollen eine Reihe Fallschirmspringer erschossen und andere verwundet worden sein. Die Bandera-Bande hat angeblich einige moderne sowjetrussische Waffen erbeutet. Bei der Festnahme eines Bandera-Anhängers in Poltawa wurden folgende gefälschte Stempel gefunden: Der Bürgermeister der Stadt Poltawa, Abteilung für Volksbildung – SS-Ukrainischer Ordnungsdienst der Stadt Poltawa – Gemeldet am … bei Kommandantur Poltawa. Im Bezirk Nikolajew wurden 10 Personen wegen Verdachts der Zugehörigkeit zur Organisation Ukrainischer Nationalisten festgenommen. Unter ihnen befanden sich ein Schuldirektor sowie ein Starost. Während der letzten Zeit sind in der Ukraine wieder eine grössere Anzahl Flugblätter der illegalen Bandera-Gruppe erfaßt worden. Ein Flugblatt trägt die Überschrift „Hunger“ und hat folgenden Wortlaut: „Ukrainer! Habt ihr schon etwas über die Hungersnot von 1932–33 gehört, wisst ihr, wie eure Brüder aus der Ostukraine zu Millionen umkamen als Folge des durch die roten Banditen hervorgerufenen Hungers? Es nähert sich der Winter und mit ihm die kritische Spanne zwischen den Ernten. Die deutsche Verwaltung hat euch eurer Vorräte beraubt und wird euch ohne Hilfe vor dem drohenden Hunger lassen. Tausende und Millionen werden täglich umkommen. Bauern, gebt kein lebendes Vieh ab; wenn es euch fortgenommen wird, schlachtet es und gebt es nicht dem Feinde, der euer Vieh nach Deutschland, Holland und Dänemark ausführt und das von euch Erarbeitete

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den dortigen verdeutschten Bauern verteilt, die jetzt schon 8- bis 10-mal mehr Vieh besitzen. Die deutsche Wirtschaftspolitik will aus unseren Landbesitzern Bettler machen, indem sie sie beraubt und aus jedem deutschen Gesinnungslumpen einen reichen Herrn. Wir werden das nicht zulassen. Wir lassen uns nicht berauben. Wir werden alles verbergen!“ Im Kdr.-Bereich Charkow wurden eine Anzahl Flugblätter sichergestellt, die von der Bezirksleitung der OUN für die Ostukraine unterzeichnet waren. Diese Flugblätter wenden sich an die national gesinnte ukrainische Bevölkerung mit der Aufforderung, sich der Bewegung Banderas bedingungslos anzuschliessen zum gemeinsamen Kampf gegen die deutschen Okkupanten. In einem dieser Flugblätter heißt es: „Ukrainer! Durch ihre grobe Kolonialpolitik in der Ukraine haben die Deutschen eine gerechte Empörung unter allen Schichten unseres Volkes hervorgerufen. Die verblendeten und sich überhebenden Sieger vergessen, daß sie den leichten Sieg über die Bolschewisten im Jahre 1941 zum grossen Teil den Ukrainern verdanken. Unser Volk hat geholfen, das Moskauer Regime zu stürzen, indem es auf eine gesunde Vernunft der deutschen Staatsführung und auf die Anerkennung eines ukrainischen Staates rechnete. In der kurzen Zeit der deutschen Herrschaft ist von diesen Hoffnungen nur ein Rauch geblieben. Jetzt muss jeder Ukrainer begreifen, daß in uns der einzige Weg zum menschlichen freien Staatsleben ist – das ist der Weg eines organisierten Revolutionskampfes grosser Volksmassen für die selbständige Ukraine. Unsere Stunde naht. Die Welt befindet sich in einem Riesenkrieg. Unser stärkster Feind – der Moskauer Imperialismus – verblutet. Je weiter, desto mehr versiegen die Reserven, desto mehr ist Deutschland erschöpft. Auch England strengt seine Kräfte bis zum äussersten an. Mit der Kriegsdauer wachsen unsere Chancen. Wir dürfen den günstigen Augenblick nicht verpassen. Unser Erfolg hängt von unserem festen Bunde und von unserer Kraft im gemeinsamen Kampf ab. Deshalb seid weise und organisiert euch. Gebt euern Gefühlen keinen freien Lauf.“ In einem anderen Flugblatt heißt es: „Das Moskauer Gefängnis stürzt zusammen. Und obgleich der blutgierige Stalin in seinem Todeskampf durch seine Agenten uns ein neues Paradies versprach, sagen wir voller Zorn, die alle Schrecknisse des Alten noch nicht vergessen haben: Tod dem ganzen Moskau. Die besten Söhne der Ukraine haben mit ihrem Blut an den Wänden des Moskauer Gefängnisses die flammenden Worte des Urteils geschrieben: Freiheit der Ukraine, Tod Moskau! Die Ukraine ist von Moskau für immer durch die Berge von Leichen und einem Blutmeer getrennt. Wir wollen allen denen die Hände abhauen, die ihre Hände nach Moskau strecken oder bei fremden Herren um Hilfe bitten. Wer seinem Volk das beste Los wünscht, soll in die organisierten Reihen der Kämpfer für einen selbständigen ukrainischen Staat eintreten. Es lebe die OUN unter Führung Stefan Banderas!“ Im Kdr.-Bereich Rowno konnte wiederholt festgestellt werden, daß von Banditen durch Stempelaufdruck gekennzeichnete Karbowanez-Scheine in Umlauf gebracht worden waren. Es handelte sich um zwei verschiedene Stempel. Ein Stempel lautete „Heil Ukraine, Heil den Helden!“ und der andere „Heil Bandera!“ B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung im Bereich der Heeresgruppe Mitte: Nach den bis Mitte November vorliegenden Meldungen hat die allgemeine Lage und Stimmung in der Bevölkerung keine wesentliche Änderung erfahren. Während der Bandenterror und die Ernährungslage allgemein als die hauptsächlichsten stimmungsbildenden Faktoren in Erscheinung treten, hat der starke Mangel an Heizmaterial und Bekleidung, z. T. auch die Wohnungsfrage, in der Stadtbevölkerung zu einer gewissen Stimmungsverschlechterung

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geführt. Dass diese Momente augenblicklich besonders stark in Erscheinung treten, ist teils jahreszeitlich durch den eingetretenen Winter und teils durch erhebliche Truppenverschiebungen bedingt. Trotz dieser, die Stimmung ohne Zweifel ungünstig beeinflussenden Lage war die Haltung der Bevölkerung bisher Schwankungen bedeutsamerer Art im allgemeinen nicht oder nur örtlich unterworfen. Immerhin aber tragen die in der Lebenshaltung der Bevölkerung eingetretenen und noch zu erwartenden Schwierigkeiten bei Verschärfung des Winters und einer damit notwendig verbundenen weiteren Erschwerung der allgemeinen Lebensverhältnisse die Möglichkeit auch einer Wandlung der Haltung der Bevölkerung in sich. Im Vordergrund der begründeten Sorgen der Stadtbevölkerung steht die Frage ausreichender Beschaffung von Heizmaterial, während dieses Problem auf dem Lande infolge natürlicher Versorgungsmöglichkeiten und der verkürzten Anfahrt keine oder nur örtliche Bedeutung hat. Obwohl auch der Stadtbevölkerung im allgemeinen in ausreichendem Maße Brennholz zugeteilt worden ist, fehlt es einerseits doch an Transportmitteln für die Heranschaffung, zum anderen liegt das Material in bandenverseuchten Gebieten, so dass es ohne militärischen Schutz nicht eingebracht werden kann. Die bisherigen Vorräte aus zerstörten Gebäuden sind restlos verbraucht; anderes Heizmaterial ist zumeist nicht vorhanden. Die begründete Sorge, frieren zu müssen, ist daher in allen Kreisen der städtischen Bevölkerung vorhanden, zumal nur die wenigsten noch mit einer ausreichenden Kleidung versorgt sind. Sämtliche irgendwie entbehrlichen Kleidungsstücke sind in den zurückliegenden Monaten an die Bauern gegen Lebensmittel eingetauscht worden. Vorräte an neuen Sachen sind kaum oder nur in völlig unzureichendem Maße vorhanden. Die vereinzelt geplante Einführung von Bezugsscheinen nach deutschem Muster, die eine gerechte Verteilung der wenigen vorhandenen Spinnstoffe gewährleisten soll, dürfte trotzdem nicht dazu beitragen, die auf diesem Gebiet herrschende Not zu lindern. Während sich die Bevölkerung aufgrund der ihr eigenen Mentalität zunächst im Hinblick auf die zahlreichen augenfälligen Schwierigkeiten auf dem Gebiet des allgemeinen Gesundheitswesen und die aus den ungünstigen Lebensverhältnissen resultierenden symptomatischen Krankheitserscheinungen keine ernsthaften Sorgen macht, hegt sie diese jedoch gegenüber der Wohnungsfrage. Die vielfach neuen Truppenverlegungen haben in verschiedenen Städten zu der Befürchtung geführt, daß der an sich noch verbliebene geringe Wohnraum zugunsten der Truppen weiter eingeschränkt oder ganz geräumt werden muß. Nach wie vor ist die Stimmung weiter Kreise der Bevölkerung, insbesondere in Kreisen der Arbeiterschaft in den Städten, stärkstens durch die Ernährungslage beeinflußt. Die russische Bevölkerung ist nicht anspruchsvoll; bezeichnend dafür ist die häufig gehörte Äußerung „Wenn wir Brot und Kartoffeln haben, dann werden wir satt und alles wird gut“, aber sie will diese Hauptnahrungsmittel in ausreichender Menge haben. In den Landgebieten spielt die Ernährungsfrage naturgemäß nicht die Rolle wie in der Stadt, soweit es sich nicht um bandenverseuchte oder durch Banden ausgeplünderte Gebiete handelt. Hier ist es im Augenblick das Ablieferungssoll, das verschiedentlich durch nachträgliche Erhöhungen, die im Verhältnis zur Ernte als zu hoch angesehen wird, Mißstimmung hervorgerufen hat. Der Bandenterror hat den Meldungen zufolge wiederum zugenommen. Allein die Überfälle auf Dörfer sind um ein Drittel gestiegen. Auf der anderen Seite wurde die Bekämpfung der Banden durch die schlechte Witterung stark beeinträchtigt. Diese Entwicklung hat die Bevölkerung stimmungsmäßig erheblich beeindruckt. Die Aufgabe von einigen deutschen Stützpunkten und laufende Überfälle gaben zu allerlei Mutmaßungen und Ge-

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rüchten Anlaß, die durch Mundpropaganda rasch die Runde machten und Angst und Schrecken hervorriefen. Die Bevölkerung ist überwiegend auch heute noch der Überzeugung, daß sie unter deutschem Schutz besser fährt, kann aber nach wie vor nicht verstehen, daß es der deutschen Wehrmacht nicht gelingt, sie entsprechend zu schützen. Von russischer Seite wird daher häufig die Ansicht vertreten, daß man den Bauern zur Organisation eines Selbstschutzes Waffen geben müsse. Für das militärische Geschehen zeigte die Bevölkerung im allgemeinen wenig Interesse. Lediglich der Wunsch nach einem schnellen Kriegsende wird übereinstimmend aus dem ganzen Gebiet gemeldet. In Verbindung mit diesem Wunsch ist in weitesten Kreisen der Bevölkerung der Glaube an den deutschen Endsieg als Ausdruck eigener Hoffnungen vorhanden. Charakteristisch dafür ist folgender Vorfall: Als vor einiger Zeit eine deutsche Militärkapelle mit klingendem Spiel durch den Ort Komschatka zog, glaubten die Ortseinwohner fest, daß der Krieg beendet sei. Auf der gleichen Linie bewegen sich auch die umlaufenden Gerüchte wie: Friedensverhandlungen zwischen Deutschland und Rußland, Erkrankung Stalins, Stalin und Molotow ermordet usw. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Bevölkerung in ihrer überwiegenden Mehrzahl trotz aller Sorgen, Nöte und Schwierigkeiten eine deutschfreundliche Haltung bewahrt. Stimmungsmäßig örtlich auftretende Schwankungen je nach der Entwicklung der Ernährungslage, des Bandenterrors usw. haben bisher die Grundhaltung der Bevölkerung feststellbar nicht beeinflussen können. Wirtschaftliche Lage im Bereich der Heeresgruppe Mitte: Nach den vorliegenden Meldungen ist die Herbstbestellung – begünstigt durch gutes Wetter – trotz zahlreicher agrartechnischer Schwierigkeiten überall rechtzeitig zum Abschluß gebracht worden, soweit nicht in einzelnen, flächenmäßig z. T. allerdings bedeutenden Gebieten eine Bestellung infolge unmittelbarer oder mittelbarer Einwirkung durch die Bandentätigkeit gestört oder völlig unmöglich gemacht wurde. Weite Gebiete sind der deutschen La-Führung überhaupt verschlossen; andere werden zeitweise von Banden heimgesucht, die eine planmäßige Aufbauarbeit unmöglich machen. So sind beispielsweise von den 33 Gemeinden des Rayons Lepel 6 vollständig in Händen der Banden, 7 weitere Gemeinden werden zeitweise heimgesucht; die Bevölkerung wird terrorisiert und beraubt, so daß sich auch in diesen Gemeinden die Bestellungsarbeiten nicht wie vorgesehen abwickeln konnten. Im Rayon Polozk waren Gebiete mit 21800 ha Ackerland von den Banden beherrscht. Diese Gebiete können in keiner Weise erfaßt werden; es ist dort sogar die Kolchoswirtschaft wieder eingeführt worden. Von der anbaufähigen Fläche des Rayons Surash sind etwa 40 % in den Händen der Banden, so daß die Herbstbestellung in diesen Gebieten – wenn überhaupt – nur sehr mangelhaft durchgeführt werden konnte. Demgegenüber konnten in den Gebieten, die unter deutscher Herrschaft stehen, die Anbauflächen im Vergleich zum Vorjahre und z. T. schon im Verhältnis zur Größe der Anbaufläche z. Zt. der Sowjetherrschaft vielfach erweitert werden. So gelang es im Rayon Witebsk, eine um 6 % größere Fläche als im Vorjahr zu bestellen. Dieser Erfolg wird in deutschen und russischen Fachkreisen nicht zuletzt auch darauf zurückgeführt, daß in diesem Rayon bereits 130 russische Bauern mit einem durchschnittlichen Eigenbesitz von 12 ha je Hof begeben wurden. Im Rayon Newel wurde sogar eine um 20 % größere Ackerfläche mit Winterroggen bestellt als im Vorjahr. Auch im Rayon Surash konnte die Anbaufläche gegenüber dem Vorjahr um 30 % vergrößert werden, ein Erfolg, der ebenfalls wesentlich auf die Begebung mit Eigenland und die hierdurch gehobene Arbeitsfreudigkeit der Landbevölkerung zurückgeführt wird. Im Rayon Orel wurden in diesem

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Herbst 35 000 ha bestellt gegenüber 22 500 ha im Vorjahr und 30 000 ha zur Sowjetzeit. In Wjasma, Dorogobusch und Ssafonowo wurde gleichfalls eine gesteigerte Arbeitsfreudigkeit der Landbevölkerung verzeichnet. Nach den vorliegenden Schätzungen sind dort etwa 25 % mehr Ackerfläche bestellt worden als im vergangenen Jahr. Diesen Erfolgen steht die Tatsache gegenüber, daß unabhängig von den äußeren Einflüssen des Bandenunwesens und selbst in bandenfreien Gebieten aus kriegsbedingten, rein agrartechnischen Gründen die Herbstbestellung in verschiedenen Rayons und Bezirken z. T. wesentlich hinter der Planung zurückblieb. So wurden z. B. in Mogilew 16 858 ha mit Winterroggen bestellt gegenüber einer Planung von 18 000 ha; für Winterweizen waren 50 ha vorgesehen, es konnten jedoch nur 10 ha bestellt werden. Im Bezirk Orel waren von 1 264 000 ha vorhandener Ackerfläche ein Drittel für die Herbstbestellung vorgesehen, doch konnten nur 260 000 ha mit Roggen und eine kleine Fläche mit Winterweizen bestellt werden. Die Ursachen dieser negativen Entwicklung sind in erster Linie auf einen ausgesprochenen Mangel an Zugtieren und Traktoren sowie an Treibstoff für die wenigen vorhandenen Traktoren zurückzuführen. Er konnte teilweise dadurch behoben werden, daß Wehrmachtseinheiten den Bauern Pferde zur Verfügung stellten (Witebsk). So wären, um die Bestellungsarbeiten im Gebiet Orel reibungslos durchzuführen, schätzungsweise zusätzlich 60 000 bis 70 000 Zugtiere erforderlich gewesen. Zurzeit liegen die Verhältnisse aber so, daß ein Pferd auf je 4 Bauernhöfe entfällt. Soweit Traktoren noch von früher vorhanden sind oder aus dem Reich geliefert wurden, wurde dafür wiederum zu wenig Treibstoff zugeteilt. In Smolensk z. B. konnten aus diesem Grunde nicht einmal die vorhandenen Traktoren zur Herbstbestellung voll ausgenutzt werden. An landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten bestand und besteht noch vielfach Mangel. Wesentlicher jedoch ist die Tatsache, daß sich ein Teil der aus dem Reich gelieferten Maschinen als für hiesige Verhältnisse ungeeignet erwiesen hat. So wird im Bezirk Mogilew immer noch über den Mangel an landwirtschaftlichen Maschinen geklagt. Zwar wurden in diesem Bezirk etwa 2000 Pflüge abgegeben, doch wurden noch weitere 8000 benötigt. Die anfänglichen Bedenken gegen den zweischärigen Pflug sind im allgemeinen verschwunden. Der Preis von 140,– Rubel ist sehr günstig. Die gelieferten Eggen jedoch – 600 Stück – sind nach Ansicht von Fachleuten für hiesige Verhältnisse nicht geeignet. Sie sind zu schwer, und zu ihrer Benutzung sind 3 Pferde erforderlich, während der Bauer im allergünstigsten Fall eines besitzt. Auch die gelieferten Dreschmaschinen sind zu groß. Von der Landbevölkerung werden kleinere Dreschmaschinen und Maschinen für Handbetrieb zum Reinigen des Getreides von der Spreu benötigt. Im Gebiet Witebsk waren Pflüge zwar in ausreichender Menge vorhanden; dagegen fehlte es an Eggen. Die aus Deutschland gelieferten Kultivatoren konnten nicht benutzt werden, da sie für die russischen Pferde zu schwer gebaut sind. Über die Zahl der aus dem Reich eingeführten landwirtschaftlichen Maschinen und Geräte liegen aus Orel genaue Angaben vor. Dieser Bezirk hat bisher 2057 Grubber, 4586 Pflüge, 20 Dreschmaschinen, 21 Traktorenpflüge und 18 Ableger erhalten. Die vorhandenen Saatgutmengen waren im allgemeinen ausreichend; lediglich in Mogilew machte sich Mangel an Saatgut bemerkbar und beeinträchtigte die Bestellungsarbeiten. Auch in den zeitweilig von Banden heimgesuchten Gemeinden des Rayons Newel reichten die vorhandenen Saatgutmengen zur Herbstbestellung nicht aus, da ein Teil der Bestände geplündert worden war. Im einzelnen wird berichtet: Saatgut ist im allgemeinen reichlich vorhanden, stellenweise mehr als zur Sowjetzeit, so daß die Bestrebungen, die Anbauflächen in diesem Jahr zu vergrößern, zum Erfolg führten (Witebsk). Das Saatgut

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für die Herbstaussaat und für die Frühjahrsbestellung im nächsten Jahr konnte zum größten Teil aus der diesjährigen Ernte bereitgestellt werden. Es ist als qualitativ gut zu bezeichnen. Lediglich für die Bezirke, in denen Requirierungen durch die Banden stattgefunden hatten, mußte Saatgut durch die Sammelstelle in Minsk bezogen werden (Orel). Ein empfindlicher Mangel besteht überall an Kunstdünger. Da der Stalldünger der Bauern ausschließlich für die Düngung der Hofparzellen Verwendung fand und auch der von Wehrmachtseinheiten zur Verfügung gestellte Stalldünger mengenmäßig nicht ausreichte, wurden verschiedentlich Befürchtungen geäußert, daß das vorgesehene Abgabesoll im kommenden Jahr nicht erreicht werden könne. Im Gebiet Witebsk machte sich überall das Fehlen von Stall- und Kunstdünger bemerkbar, obwohl die Wehrmacht verschiedentlich Dünger aus den eigenen Stallungen zur Verfügung gestellt und sogar abgefahren hatte. In den Bezirk Orel konnten wegen der Transportschwierigkeiten Düngemittel nicht herangeschafft werden, doch rechnet man in dortigen landwirtschaftlichen Kreisen damit, daß dieser Mangel bis zur Frühjahrsbestellung behoben sein wird. In deutschen und russischen Fachkreisen befürchtet man, daß das Abgabesoll nicht erreicht wird, obwohl die Witterungsverhältnisse für die Bestellungsarbeiten sehr günstig waren. Auch in Wjasma machte sich der Mangel an Kunstdünger hemmend bemerkbar; man ist dort der Ansicht, daß die Ernte erheblich besser ausfallen würde, wenn es gelungen wäre, genügend Kunstdünger heranzubringen. Immerhin hofft man in Kreisen der deutschen Landwirtschaftsführung, den Mangel an Kunstdünger bis zur Frühjahrsbestellung beheben und damit die Erträge steigern zu können. Allgemeiner Gesundheitszustand der russischen Bevölkerung im Heeresgebiet Mitte: Der Gesundheitszustand der Zivilbevölkerung konnte im Verlaufe der letzten Monate trotz der angespannten Ernährungslage und der immer noch stark begrenzten Möglichkeiten auf dem Gebiet sanitärer Hilfsmittel und Einrichtungen im allgemeinen den besonderen Verhältnissen des Bereiches entsprechend als zufriedenstellend betrachtet werden. Als ein Beispiel für zahlreiche andere ist z. B. in dieser Richtung symptomatisch, daß die Ansehung der günstigen Entwicklung der Gesundheitslage in Lepel dort die Prophylaxe unterbrochen werden konnte [sic]. Absolut und im einzelnen gesehen bedingen demgegenüber naturgemäß die augenblicklichen besonderen Lebensverhältnisse der Bevölkerung und Mängel des allgemeinen Gesundheitswesens zahlreiche negative Erscheinungen, denen als nicht zu unterschätzender Gefahrenträger für Bevölkerung und Truppe ständige Beobachtung geschenkt werden muss. So ist durch die Mangelerscheinungen in der Ernährungslage weiterhin eine Anfälligkeit für Infektionskrankheiten – neuerdings auch Tuberkulose (Borissow) – zu verzeichnen, von der insbesondere Kleinkinder betroffen werden. Fälle von Blutarmut und Unterernährung werden häufiger. Durch das Fehlen von Fleisch und Fett sind auch zahlreiche Mangelerkrankungen aufgetreten (Sytschewka). Wenn auch der Mangel an Lebensmitteln spezifische Krankheiten über einen erträglichen Umfang hinaus nicht hervorgerufen hat, so wurden doch manche Krankheiten infolge von Hungerzuständen aktiviert. Da das russische Volk jedoch gegenüber einer einseitigen Ernährung oder einer Nahrungsmittelknappheit aufgrund jahrzehntelanger organischbiologischer Anpassung an harte Lebensbedingungen physiologisch sehr widerstandsfähig ist, sind bei der arbeitenden erwachsenen Bevölkerung umfangreiche Erkrankungen als Auswirkung schlechter Ernährung bisher nicht aufgetreten. Auswirkungen des Mangels an Seife und sonstigen Reinigungsmitteln sowie Reinigungsmöglichkeiten auf die Volksgesundheit: Aus allen Rayons wird übereinstimmend über den anhaltenden und überaus empfindlichen Mangel an Seife und sonstigen Reinigungsmit-

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teln berichtet. Als unmittelbare Auswirkung ist allgemein ein Ansteigen der Hautkrankheiten, insbesondere der Krätze, gemeldet worden. Wladimirskoje meldet 55 % der Erkrankungen als Hautkrankheiten, vornehmlich Krätzeerscheinungen. In Newel ist die Zahl der an Krätze Erkrankten seit dem 25. 9. 1942 von 84 auf 204 Fälle gestiegen. Polozk besass im Zeitraum vom 20. 8. bis 20. 9. 1942 152 Krätzefälle. Im hautvenerologischen Krankenhaus in Smolensk waren von 126 Zugängen allein 89 Hautkranke, die durchweg mit Krätze behaftet waren. Die Krätze tritt auch in Orel in stärkerem Maße auf. Es wurden Fälle berichtet, wonach ganze Familien davon befallen sind. Häufig ist auch die Furunkolose zu beobachten. Um den Seifenmangel zu überwinden, ist die Bevölkerung teilweise dazu übergegangen, die Fette von Hunden und Katzen zum Kochen von Seife zu benutzen (Borissow). Neben dem Fehlen von Reinigungsmitteln wird die Verbreitung von Hautkrankheiten vielerorts durch den Mangel an Badestuben begünstigt. So stehen beispielsweise im Rayon Wjasma bei 44 000 Bewohnern nur 83 Badestuben zur Verfügung, von denen nur eine in der Stadt selbst ist. Ebenso sind in Polozk Badestuben nur in völlig unzureichender Anzahl vorhanden. Auch die in Newel an drei Tagen der Woche geöffnete Badestube wird den Bedürfnissen der Bevölkerung bei weitem nicht gerecht. Das Stadtbad in Neu-Borissow ist durch die Wehrmacht besetzt. Das Bad in Alt-Borissow ist nur an 2 Wochentagen geöffnet. Pro Tag können sich dort etwa 100 bis 120 Personen waschen; Badewannen sind nicht vorhanden. Fälle, in denen es den zuständigen Stellen inzwischen gelang, eine ausreichende Zahl von Badestuben zu schaffen (z. B. Witebsk), gehören z. Zt. noch zu den Ausnahmen. Infektionskrankheiten: Die Erkrankungen an Fleckfieber gingen im allgemeinen etwas zurück. Während in früheren Jahren jedoch das Fieber spätestens im Juni zum Stillstand kam, wird jetzt unabhängig von der Jahreszeit dort von einem Ansteigen der Fleckfiebererkrankungen berichtet, wo eine Einschleppung durch verlauste Flüchtlinge aus den Frontgebieten erfolgt. So meldet z. B. Sytschewka, daß die starke Verlausung der russischen Bevölkerung eine zunehmende Ausdehnung des Fleckfiebers zur Folge hatte, das insbesondere durch Flüchtlinge aus dem Frontgebiet eingeschleppt werde. Ebenso wird aus Polozk in allerletzter Zeit ein stärkerer Zugang an Flecktyphus- und Bauchkranken aus dem Flüchtlingslager Bigossowo berichtet. Seuchenartige Erkrankungen sind in größerem Umfange bisher nicht aufgetreten. Geschlechtskrankheiten sind im allgemeinen nur vereinzelt festgestellt worden und hielten sich nach Ansicht deutscher und russischer Fachkreise in Grenzen, die z. Zt. zur Besorgnis keinen Anlaß geben. Eine Zunahme konnte allerdings in dem Gebiet von Brjansk verzeichnet werden. Auch in Smolensk ist ein Ansteigen von Geschlechtskrankheiten feststellbar (Nach Aussagen des Stadtarztes von Smolensk habe es Geschlechtskrankheiten früher nur ganz vereinzelt gegeben). Andere Infektionskrankheiten sind bisher auf Einzelfälle beschränkt geblieben. Arzneimittelversorgung: Die Klagen über den Mangel an Arzneimitteln und Impfstoffen halten weiterhin an. Nach den vorliegenden Meldungen fehlt es besonders an Diphterieserum, an Lymphen für Pocken- und Typhusschutzimpfungen sowie an Salben gegen Hautkrankheiten. Ebenso wird immer wieder auf den Mangel an Verbandsstoffen hingewiesen. Newel: Arzneimittel stehen bei weitem nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung. Herz- und Lungenmittel und solche gegen Erkältungskrankheiten fehlen vollständig. Besonders stark bemerkbar macht sich der Mangel an Schutzimpfstoffen. Die Angehörigen der deutschen Einheiten und Dienststellen konnten zwar durchgehend gegen Typhus, Cholera und Ruhr, zum Teil auch gegen Fleckfieber geimpft werden. Ebenso

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wurden die bei den deutschen Stellen arbeitenden russischen Zivilarbeiter laufend geimpft. Dagegen konnte prophylaktisch nicht gegen Pocken geimpft werden, da keine Lymphe vorhanden war und trotz mehrfacher Anforderungen auch nicht geliefert wurde. Die Durchführung einer Pockenprophylaxe ist aber erforderlich, da im Falle einer Epidemie nur schwer Gegenmaßnahmen getroffen werden können. Eine Typhusschutzimpfung war für die 40 000 Köpfe zählende Bevölkerung des Rayons in Aussicht genommen, ist aber aus Mangel an Impfstoff nicht durchgeführt worden. Cholm: Dem russischen Krankenhaus stehen wöchentlich nur 100 gr Krätzesalbe zur Verfügung, während 15 kg zur erfolgreichen Bekämpfung bei den an Krätze erkrankten Personen benötigt werden. Ärztliche Betreuung der Zivilbevölkerung: Mit wenigen Ausnahmen stehen für die städtische Zivilbevölkerung nach wie vor Ärzte in ausreichender Zahl zur Verfügung (Witebsk, Polozk, Borissow, Newel, Smolensk). Schwierigkeiten bestehen allerdings vielfach bei der Betreuung der Landbevölkerung. Die fachlichen Leistungen der russischen Ärzte können an russischen Verhältnissen gemessen als zufriedenstellend gelten (Polozk). Nach Ansicht deutscher Militärärzte (u. a. Lepel) sind ihre tatsächlichen Leistungen jedoch als sehr gering zu bewerten. Darüber hinaus mangele es den russischen Ärzten vielfach an dem notwendigen Verantwortungsbewußtsein, basierend auf grober Unkenntnis und Oberflächlichkeit. Erschwerend für die Arbeit der russischen Ärzte wirkt sich allerdings der anhaltende Mangel an Medikamenten, Instrumenten, Impfstoffen und Verbandszeug aus. Hinzu kommen der teilweise Mangel an Krankenhäusern und deren primitive Einrichtungen. In Wjasma konnten keinerlei Schutzimpfungen gegen Typhus, Scharlach, Cholera, Pocken, Diphterie oder Tollwut wegen Fehlens dieser Impfstoffe durchgeführt werden. In Dorogobusch stehen für Operationen in Krankenhäusern teilweise nur Militärbestecke zur Verfügung. Sowohl in der Stadt als auch im Rayon Mogilew fehlt es besonders an chirurgischen Instrumenten. Die vorhandenen können jederzeit unbrauchbar werden. Ähnlich ist es hinsichtlich der Röntgeneinrichtung der Stadt. Hier ist nur eine Röntgenröhre vorhanden, die auch jederzeit unbrauchbar werden kann. Der Röntgenarzt arbeitet ohne jeglichen Schutz. Im Interesse der Bevölkerung werden mehr Patienten behandelt als überhaupt zulässig ist. Die in den Krankenhäusern vorhandene Wäsche dürfte tatsächlich nur noch als Lappen dienen; es ist keine Seife vorhanden, um die Wäsche zu waschen. Polozk: Die für den Bedarf der Bevölkerung freigegebene chirurgische Abteilung und die Abteilung für Entbindungen sowie die Unterbringung von Infektionskranken in einem kleinen Haus sind völlig unzureichend. Geeignete Räume sind zwar vorhanden, doch fehlt es an Glas und Einrichtungsgegenständen. In den Behelfskrankenhäusern in Sytschewka fehlt es an Betten und Wäsche. Aus Platzmangel sind keine Isolierungsmöglichkeiten vorhanden. Die Ärzte sind überlastet, da sich die Kranken notgedrungen in die Rayonstadt begeben. Die Errichtung wenigstens einiger medizinischer Punkte ist erforderlich. Der Zustand des Krankenhauses ist in Bolchow in jeder Hinsicht unzureichend. Es fehlen die primitivsten Einrichtungsgegenstände. Orel: Der heutige Zustand des Krankenhauses ist in jeder Hinsicht unzureichend. Es fehlen die primitivsten Einrichtungsgegenstände wie Stühle, Tische, Bänke, Bettwäsche, Handtücher, Waschschüsseln, Töpfe und Geschirr. Seife ist überhaupt nicht vorhanden. Medikamente können nur in beschränktem Maße abgegeben werden. Die sanitären Einrichtungen des Ambulatoriums und der Abteilung für Geschlechtskrankheiten sind von den Sowjets beim Rückzug zum Teil zerstört oder mitgenommen worden. In der Apotheke

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fehlt es an Medizinen, Medikamenten und Verbandszeug. Außerdem ist eine vollkommene zahntechnische Einrichtung notwendig. […] BAB, R 58/699

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 8. Januar 1943 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 36 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandentätigkeit: Aufgrund einer angeblichen Weisung aus Moskau soll die Zivilbevölkerung von den Bandenangehörigen nunmehr schonend behandelt werden. Bürgermeister und Rayonchefs sowie Angehörige der einheimischen Schutzmannschaften sollen nicht mehr erschossen, sondern zwecks Vernehmung und Überprüfung zunächst in die Bandenlager mitgenommen werden. In den Lagern soll versucht werden, die Festgenommenen für die Mitarbeit zu gewinnen. Sie sollen dann mit entsprechenden Aufträgen wieder an ihren Wohnort entlassen werden. Eine im Raum von Weißruthenien durchgeführte Grossaktion1 führte zu folgendem Ergebnis: 6172 Banditen bezw. Bandenanhänger wurden unschädlich gemacht, über 10 gut ausgebaute Winterlager zerstört, darunter eines mit einem Fassungsvermögen für 1000 Mann mit modernsten wirtschaftlichen Einrichtungen, 4 Panzerkampfwagen, 4 Artilleriegeschütze, 3 Pak, eine grosse Menge von Maschinen- und Handfeuerwaffen. Grosse Mengen Artillerie- und Infanteriemunition wurden vernichtet oder erbeutet; erhebliche Mengen an landwirtschaftlichen Produkten und eine grosse Anzahl von Vieh wurde sichergestellt. An eigenen Verlusten waren 7 Tote und 17 Verwundete zu verzeichnen. Bei dieser Aktion erwies sich erneut, daß ein erfolgreicher Kampf gegen die Winterlager nur aufgrund von vorher durchgeführten Erkundungen möglich ist. Die Tarnung der Lager, insbesondere des vorerwähnten grossen Lagers, war so vollkommen, daß beim Durchstreifen des Geländes die Lager nicht entdeckt worden konnten und es erst durch nachrichtendienstliche Arbeit gelang, zum Erfolg zu kommen. Kommunistische Bewegung in den Ostgebieten: Vom Kdr. dSPudSD in Lettland wurden im Zuge der Aufrollung einer illegalen kommunistischen Gruppe 15 Personen festgenommen, die sich zur Begehung von Terror- und Sabotageakten zusammengeschlossen hatten. Diese Gruppe beabsichtigte anlässlich des „Tages der Oktoberrevolution“ die Eisenbahnstrecke Sassenhof/Terensberg zu sprengen. Durch die Festnahme mehrerer Mitglieder der Organisation konnte das Vorhaben vereitelt werden. Der Leiter dieser Gruppe, der unter dem Decknamen „Viktor“ bekannt war, wurde festgenommen. Er stand mit mehreren Arbeitern der Waffenwerkstatt in Riga in Verbindung, die auf seine Weisung Waffen und Munition entwendeten und durch Verbindungsleute an die Terrororganisation weiterleiteten. Die entwendeten Waffen wurden sichergestellt. Der Organisation konnten ausserdem 2 Morde nachgewiesen werden. Die Gruppe unterhielt auch Verbindungen zu sowjetischen Fallschirmspringern, die in Lettland abgesetzt worden waren und sich in Riga

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aufhielten. Es wurde auch ein deutscher Deserteur festgenommen, der von der Gruppe Wohnung und Verpflegung erhielt. Die organisierte Tätigkeit kommunistischer Elemente ist im Bereich der Einsatzgruppe D immer mehr im Rückgang begriffen; in vielen Gebieten des Einsatzraumes war bisher überhaupt davon nichts zu bemerken, zumal fast alle kommunistischen Aktivisten aus Furcht vor deutschen Gegenmaßnahmen oder mit der Weisung, im Gebirge Bandengruppen zu bilden, geflohen waren. Im Vertrauen auf die korrekte Behandlung der Bevölkerung durch die deutsche Wehrmacht lassen sich viele von den Geflüchteten bewegen, aus ihren Schlupfwinkeln zu den früheren Wohnstätten zurückzukehren. So sind z. B. in letzter Zeit im Raum von Krasnodar eine Reihe geflüchteter GUGB-Agenten [sic] zurückgekehrt. Sie äussern heute, daß es ihnen gleichgültig sei, was man mit ihnen mache. Sie wüssten nicht, wem sie noch Glauben schenken sollten, der roten Propaganda, die behauptete, sie würden alle erschossen werden und es gehe der Zivilbevölkerung bei den Deutschen schlecht, oder dem, was sie über die gute Behandlung gehört hätten. Im Bereich des Einsatzkommandos 10a – Krasnodar – war das Ergebnis durchgeführter Razzien gering. Hierzu ist zu sagen, dass der Kommunismus in diesem Gebiet nicht so sehr in Erscheinung tritt wie in anderen besetzten Gebieten, da hier die Bevölkerung von jeher gegen den Kommunismus eingestellt war. Dieser ablehnenden Haltung wurde von den Sowjets durch Verschickungen und Durchsetzung mit zuverlässigen Kommunisten entgegengearbeitet. Andererseits hat die KP mit ihrer Arbeit eine grosse Duldsamkeit an den Tag gelegt. So war beispielsweise nur ein ganz geringer Teil der in den dortigen Instituten Studierenden Mitglied der Partei oder des Komsomol. Ein Zwang zum Eintritt wurde nicht ausgeübt. Diese Feststellung steht im Gegensatz zu den Erfahrungen in anderen Einsatzgebieten. Durch Vernehmungen wurde festgestellt, daß nur ein geringer Prozentsatz der Bevölkerung der Partei angehörte. Hinzu kommt noch, daß die Partei selbst durch die Besetzung mit weniger zuverlässigen Funktionären stark gelitten hatte, da alle führenden Kommunisten zur Roten Armee eingezogen waren. Es ergibt sich daher der Eindruck, daß die Gegnerschaft zum Kommunismus in diesem Einsatzbereich einen Faktor darstellte, der den Bolschewisten stets Schwierigkeiten bereitete, zumal der Kampf stets die Parole „Freiheit der Kaukasier“ trug. Im Bereich des Einsatzkommandos 11b – Maikop – hatten sich fast alle führenden kommunistischen Persönlichkeiten und Aktivisten in den umliegenden Wäldern versteckt. Auf Grund von Zeugenaussagen, V-Mann-Meldungen und sichergestelltem Material konnten die Geflüchteten karteimäßig erfaßt und so zurückkehrende kommunistische Elemente festgenommen und unschädlich gemacht werden. Eingesetzten Streifen gelang es darüber hinaus, bei der Durchkämmung eines Waldgebietes am Kuban eine Reihe führender Parteimitglieder aus dem Rayon in Verstecken aufzuspüren und festzunehmen. Es handelt sich um Fabrikdirektoren und Parteiangestellte, die sich z. T. an der Sprengung der Lokomotivwerkstätte und der Ölfabrik aktiv beteiligt hatten. In der Stadt Maikop selbst wurden 35 Kommunisten festgenommen. Es waren dies meistens langjährige Angehörige der Partei, die leitende Stellen des Staates und der Wirtschaft innehatten und ihre Machtbefugnisse zum Nachteil der Bevölkerung ausgenutzt hatten. 60 weitere Personen wurden nach Überprüfung wieder aus der Haft entlassen, da ihnen eine besondere politische Aktivität nicht nachgewiesen worden konnte. […] B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung der Bevölkerung im Generalbezirk Estland: Die Stimmung der Bevölkerung wird den Meldungen zufolge immer mehr von der saisonbedingten

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Verschärfung der Ernährungs- und Versorgungsschwierigkeiten negativ beeinflusst. Obwohl die offizielle Propaganda bemüht ist, in wachsendem Maße den Blick der Massen auf die Erkenntnis der allgemein gültigen Kriegsnotwendigkeiten zu lenken, ist dieser noch sehr stark auf den eigenen Lebensraum begrenzt. Es werden laufend Klagen über eine angeblich benachteiligende Behandlung der Esten gegenüber den Deutschen laut, wobei z. B. auf dem Gebiet der Verwaltung starke Kritik an dem Nebeneinander von deutschen und estnischen Behörden geübt wird. Dort seien in den meisten Fällen die Zuständigkeiten keineswegs geklärt, was nicht nur Verzögerungen in der Abwicklung der Geschäfte, sondern auch eine stetige Verengung des estnischen Tätigkeitsbereichs und der Auswirkungsmöglichkeiten der aktiven estnischen Kräfte zur Folge habe. Damit sei ein Absinken der Verantwortungsfreudigkeit der estnischen Amtsträger und der allgemeinen Leistung verknüpft. Es zeige sich immer mehr das Streben, die Verantwortung den deutschen zentralen Stellen zuzuschieben und dadurch sich den Vorwürfen der eigenen Volksgenossen gegenüber zu decken. In den breiten Massen wird bei der Diskussion darüber, wer die Schuld an den erörterten Schwierigkeiten und missliebigen Erscheinungen trage, diese abwechselnd deutschen und estnischen Stellen zugesprochen, wobei auch hier die Neigung auftritt, den deutschen Behörden als den mit grösserer Machtvollkommenheit ausgestatteten auch das grössere Maß zuzuerkennen. Besonders stark sind die Klagen über Benachteiligung auf wirtschaftlichem Gebiet. Fälle, wie die Übertragung der estnischen Grosshandelsfirma „Ephag“ an eine reichsdeutsche Privatfirma, regen Betrachtungen darüber an, dass trotz der deutscherseits erklärten Notwendigkeit, im Interesse der Kriegsproduktion Menschenmaterial zu sparen, immer wieder deutsche Kräfte angesetzt würden, um eine Arbeit zu verrichten, die bisher ebenso gut von Esten habe getan werden können. Die Ereignisse an den Fronten werden in der estnischen Bevölkerung mit wachsender Besorgnis verfolgt. In den Ereignissen in Afrika und in der Lage in Stalingrad sieht man deutsche Misserfolge, deren Auswirkung auf die gesamte Kriegsführung überschätzt wird. Im allgemeinen scheint es, dass wenn auch im grossen Ganzen die Verbundenheit des eigenen Schicksals mit dem Erfolg der deutschen Waffen nach wie vor innerlich empfunden wird, gewisse Zweifel an der deutschen Schlagkraft aufgetreten sind. Wirtschaftliche Lage im Generalbezirk Estland: Landwirtschaft: Vorliegenden Meldungen zufolge verzögerte der Mangel an Treibstoff den Drusch des Getreides, und es ist damit zu rechnen, dass zu Beginn des Jahres 1943 die Druscharbeiten noch nicht beendet sein werden. Vom Wintergetreide waren Ende November noch ca. 20 % und vom Sommergetreide noch ca. 50 % ungedroschen. In bäuerlichen Kreisen herrscht über die mangelnde Zuteilung an Betriebsstoff grösste Unzufriedenheit; die estnische Selbstverwaltung und die deutschen Dienststellen werden starker Kritik unterzogen, da diese es nicht ermöglichen würden, grössere Betriebsstoffmengen der Landwirtschaft zur Verfügung zu stellen. Es seien doch davon genügend vorhanden, da Öl, Petroleum und sonstige Betriebsmittel in grösseren Mengen im Schleichhandel zu haben seien. Es wird gefragt, warum die Mengen nur „unter der Hand“ zu haben sind und warum sie nicht auf legalem Wege ohne Vermittlung von Spekulanten auf den Markt gebracht werden könnten. Zu diesem Betriebsstoffmangel kommt noch dazu, dass die Besitzer vieler Druschgarnituren diese nicht zweckmäßig einsetzen und auch gar kein Interesse zeigen würden, die Arbeit irgendwie beschleunigt durchzuführen. Infolge der niedrigen Löhne, die von der Preisbildungsstelle festgesetzt worden sind, sei ein weiteres Absinken des Interesses festzustellen. Besonders schwierig sei die Lage im Kreise Dorpat und Werro.

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Wenn auch diesmal 1 Monat länger offenes Wetter herrschte als im vergangenen Jahr, so hat sich die Pflugarbeit verzögert, einmal wegen schlechter Witterungsverhältnisse, zum anderen wegen Überlastung der Bauern durch sonstige Arbeiten. Dazu kam noch Mangel an Zug- und Arbeitskräften. Im Gebiet von Narwa wurde mit Hilfe der Wehrmacht, die in grossem Maße Pferde zur Verfügung stellte, fast alles gepflügt. Eine grössere Sorge ist in letzter Zeit der Landwirtschaft durch die in Lettland aufgetretene Maul- u. Klauenseuche entstanden. Man befürchtet allgemein, dass die Maul- und Klauenseuche auch in Estland ausbrechen könne, da durch die L.O. grössere Viehtransporte aus Lettland importiert worden seien. Auf einigen Betrieben war angeblich Maul- und Klauenseuche vorhanden, doch stellte sich heraus, dass es sich nicht um diese Krankheit, sondern um eine Folgeerscheinung des Seetransportes handelte, die sich beim Vieh in einer der Seuche ähnlichen Form äusserte. Stimmungsmäßig ist festzustellen, dass die Ablieferungsnormen nach wie vor viel besprochen, kritisiert und als zu hoch empfunden werden; zum Teil wird sogar von einer ungerechten Verteilung der Normen gesprochen. Besondere Schwierigkeiten bereitete den Bauern die Ablieferung der Fleisch- und Butternormen. Im letzten Monat sei die Butterlieferung um 19 % zurückgegangen. Den Bauern sei es versprochen worden, für Übernormmilch ein gewisses Quantum an Fett zurückerstattet zu bekommen. Dieses Versprechen sei aber nicht gehalten worden. Da diese Übernormmilch auf die Winterperiode nicht angerechnet werde, seien viele Bauern in eine äusserst schwierige Lage gekommen. Vielfach wird von den Bauern die Art des Empfanges der Normen kritisiert und sie meinen, dass die Verwaltungsstellen nicht immer zweckmäßig mit den empfangenen Beständen umgehen. So soll z. B. in der Gemeinde Imawere das empfangene Getreide schlecht untergebracht worden sein, so dass grössere Mengen davon verdorben seien. Ähnliche Klagen hört man vielerorts hinsichtlich der Einmietung von Kartoffeln. Im Zusammenhang mit den Normen und den Festpreisen wird vielfach auf dem Lande über die Steuerbelastung geklagt. Die Steuerbelastung wird mit der zur Zeit des estnischen Freistaates gültigen verglichen. Früher betrug die Höhe der Steuern 34 Cent pro Steuereinheit, wobei 1 kg Roggen 17 Cent kostete. Jetzt jedoch beträgt die Steuer pro Steuereinheit 1,– RM, und ein kg Roggen kostet 9,5 Pfg. Die Anordnung über den Holzeinschlag im Bauernwald wird stark kritisiert. Die Bauern klagen vielfach, dass sie zur Erfüllung des Solls stark ihren Jungwald angreifen und sogar Zierbaumbestände abholzen müssten. Zusätzlich zu den Arbeiten auf dem eigenen Hof sind im eigenen Walde und auch im Staatswald noch gewisse Quanten aufzuarbeiten. […] Verkehr: Auf dem Gebiete des Verkehrswesens ist die Lage nach wie vor äusserst angespannt. Der erhebliche Mangel an Waggons, Brennstoffen, Öl, Bereifungen und Futtermitteln für Pferde konnte in keiner Weise gemildert werden. Schnee- und Eisverhältnisse wirken sich erschwerend aus. Der Arbeit der Transportabteilung des estnischen Direktoriums für Wirtschaft sei es gelungen, trotz der eben herausgestellten Schwierigkeiten einem unerwünschten Stillstand von Lkw’s vorzubeugen, ja sogar noch eine kleine Steigerung der Transportleistung zu erzielen. Zur Einsparung von Benzin habe die estnische Transportabteilung der Umstellung auf Holzgasgeneratoren weitere Beachtung geschenkt. Zur Vermeidung von Ausfällen bei auftretenden Reparaturarbeiten seien Ersatzteile für Imbert-Generatoren im Werte von RM 30000,– aufgegeben und für das nächste Jahr bereits 300 weitere Generatoren bestellt worden. Zur gründlichen Kenntnis der Imbert-Generatoren stehe den Fahrern ein entsprechendes Handbuch zur Verfügung, wie

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auch der aus dem Reich bezogene Lehrfilm „Imbert“ verschiedentlich zur Vorführung gelangt. Mit Einführung der deutschen Strassenverkehrsordnung und der neuen Kennzeichen der Kraftfahrzeuge soll eine weitere Drosselung des während der Dauer des Krieges nicht unbedingt notwendigen Kraftfahrzeugverkehrs erreicht werden. Während die Anzahl der unter strenger Kontrolle stehenden Lkw’s nicht eingeschränkt werden soll, ist bei den Pkw’s eine Verminderung bis 50 % vorgesehen. Vor allem sollen Firmen, die bis 4 und mehr Pkw’s im Besitz hatten, nur noch einen Wagen behalten, damit die Reifen anderen kriegswichtigen Fahrzeugen zugeteilt werden können. Die Schwierigkeiten im Fuhrentransport, der für Estland eine wichtige Rolle spielt, habe man dadurch zu beheben versucht, dass man für alle Pferde der städtischen Transportämter durch die Marktversorgungsverwaltungen Futter zur Verfügung stellen lasse. Bis zur Festlegung der Getreideeinkäufe wurden zunächst bis 1. 1. 1943 folgende Normen verausgabt: Hafer Heu Stroh

f. Pferde d. Gruppe I 2 kg 8 kg 2 kg

d. Gruppe II u. III 3 kg 10 kg 2 kg

Da nur auf dem Gebiete des städtischen Fuhrtransportes eingesetzte Pferde versorgt werden können, kämen für Reval 770, Dorpat 290, Pernau 172 und in Narwa 170 Pferde für diese Betreuung in Frage. Ferner seien für die gleichen Pferde 10 000 Hufeisen und in beschränktem Maße Pferdegerätschaften ausgeteilt worden, so dass man glaube, die dringlichste Not beseitigt zu haben. Im Revaler Hafen war auch im November ein reger Überseeverkehr zu verzeichnen. Die Kapitäne der deutschen Dampfer führen Klage, dass die Ent- und Beladung der Schiffe zu viel Zeit in Anspruch nehme, weshalb es ihnen nicht möglich sei, den gewünschten Tonnageumsatz zu erzielen. Während in Friedenszeiten hier ein 1500 to-Schiff in 8 Tagen entund beladen werden konnte, würde heute diese Zeit allein für die Entladung benötigt. Die Gründe sieht man in einer uneinheitlichen Leitung der verschiedensten Hafenbehörden, ferner in dem Mangel an Transportfahrzeugen, in der verkürzten Tageszeit im Winter (Verdunkelung) und in der schlechten Arbeitsleistung der russischen Gefangenen. Die Bewachung der Russen durch die estnischen Wachmannschaften liesse insofern zu wünschen übrig, als die Wache die Gefangenen wohl an- und abführte, sich im übrigen aber wenig um sie kümmerte und auch nicht Diebstähle und ähnliche Ausschreitungen verhinderte. Die Schiffsoffiziere müssten wiederholt zur Selbsthilfe greifen, wobei die auf frischer Tat ertappten Gefangenen nur handgreiflich zurechtgewiesen werden könnten. Da man sich im Reich bei derartigem Einschreiten strafbar mache, sehe man auf die Dauer keine Veranlassung, sich gegebenenfalls auch hier dieser Gefahr auszusetzen. Würde andererseits nicht in dieser Form vorgegangen, würden die Beraubungen sehr schnell unverantwortliche Formen annehmen. So seien die Gefangenen z. B. dabei ertappt worden, wie sie Griessäcke anbohrten und den Griess in grösseren Mengen in Kochgeschirre abfüllten. Ein andermal hatten sie aus den Fässern Butterschmalz händevoll herausgeholt und aufgegessen, Milch und andere Nahrungsmittel gestohlen. Arbeits- und Sozialwesen: Der Mangel an Arbeitskräften hielt unverändert an und kennzeichnet die Lage des Arbeitsmarktes. Namentlich auf dem Lande machte sich wiederum ein Anwachsen der Nachfrage geltend, da die Arbeiten noch nicht zum endgültigen Abschluss gelangt seien und zusätzliche Hilfskräfte, wie durch den Einsatz der Stadtbevölke-

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rung, nicht mehr zur Verfügung standen. Darüber hinaus tritt der durchgeführte Abzug von russischen Kriegsgefangenen aus den landwirtschaftlichen Betrieben merklich hemmend in Erscheinung. Der Bedarf an Arbeitskräften in den kriegswichtigen Betrieben, so vor allen Dingen in der Brennschieferindustrie, bereitet den verantwortlichen Stellen ernste Sorge, da gerade auf diesem Gebiete eine grössere Anzahl von Fällen der Arbeitsverweigerung ständig zu verzeichnen ist. Obwohl der Einsatz in den Betrieben der kriegswichtigen Industrie meist eine Erhöhung des Lohnes mit sich bringt, ziehen es die Arbeiter, die nach auswärtigen Arbeitsplätzen geschickt werden sollen, vor, sich einer solchen Verschickung zu entziehen bezw. aus gesundheitlichen Gründen eine Entlassung zu erreichen. Als hauptsächlicher Grund wird hierbei die Furcht vor einer Verschlechterung der Verpflegungslage angeführt, daneben allerdings die sich ständig verschlechternde Lage auf dem Gebiete der Versorgung mit Berufskleidung. In der Frage der Beschaffung von Fussbekleidung scheint eine teilweise leichte Besserung eingetreten zu sein; eine zufriedenstellende Lösung der Bekleidungsfrage glaubt man für die absehbare Zukunft allerdings noch nicht erblicken zu können. Dieses Problem rückt umso gewichtiger in den Vordergrund, da es der Bevölkerung nun schon zwei Jahre in wesentlichem Ausmaß nicht möglich war, die eigene Bekleidung zu ergänzen. Besonders hart sind in dieser Beziehung die Arbeiter betroffen, die schmutzige Arbeit verrichten oder deren Tätigkeit im Freien vor sich geht. Die Verpflegung der Arbeiter in den Betrieben konnte in letzter Zeit in grösserem Umfange durchgeführt werden. In kleineren Betrieben, bei denen die Schaffung eigener Küchen auf Schwierigkeiten stösst, konnte vielfach Suppe von der Estnischen Volksgemeinschaftshilfe zur Verfügung gestellt werden. Wenn auch teilweise über Wert und Menge des Essens Klage geführt wird, so wird insgesamt die betriebliche Verpflegung von der Arbeiterschaft dankbar begrüsst, doch wird mit Unwillen darauf hingewiesen, dass russische Kriegsgefangene in den Betrieben bessere und grössere Nahrungszuteilungen erhalten als die einheimischen Arbeiter. Die Gegenüberstellung der wöchentlichen durchschnittlichen Verpflegungssätze zeigte folgendes Bild, wobei noch hervorzuheben ist, dass Fleisch und Butter praktisch an die Zivilbevölkerung größtenteils nicht zur Verteilung gelangten. Wöchentliche Verpflegungssätze für Brot Fleisch oder Fisch Butter Käse Quark Marmelade Trockennährmittel Gemüse Kartoffeln

Esten 1700 gr 250 gr (tatsächl. 0) 500 gr 180 gr – – – 150 gr – ca. 2000 gr

Kriegsgefangene 2300 gr 350 gr 700 gr 130 gr 32 gr 32 gr 100 gr 150 gr 500 gr 8500 gr

Im Brennschiefergebiet macht sich eine auffällige Minderung der Arbeitsfreudigkeit bemerkbar, was z. T. auf die schlechte Behandlung der Arbeiter zurückgeführt werden kann. Die estnischen Arbeiter führen Klage über das leitende Personal und die Behandlung durch Vorgesetzte russischer Nationalität. So sollen Kriegsgefangene auf Vertrauensposten eingesetzt worden sein, ferner in Kanzleien und sonstigen leichteren Posten Arbeit

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verrichten. Es sollen ferner Fälle vorgekommen sein, dass aus Ukrainern bestehende Schutzmannschaften estnische Arbeiter mit Gewehrkolben geschlagen und mit Füssen getreten haben. Propagandawesen und Führungsmittel im Generalbezirk Estland: Gegnerpropaganda: In den vorliegenden Berichten kommt zum Ausdruck, dass die grossangelegten Offensiven der Alliierten sowohl an der Ostfront als auch im afrikanischen Raum die Neigung der Bevölkerung, feindliche Rundfunksendungen abzuhören, verstärkt haben. Gerüchte, die sich mit einer militärischen Krise Deutschlands einerseits und mit der Rückkehr ehemals führender estnischer Politiker aus England andererseits befassen, lassen erkennen, dass die Einwirkung der feindlichen Propaganda wieder einen besseren Nährboden gefunden hat. Unterstützt wird diese Einwirkung durch die zur Zeit sehr kritische Versorgungslage, deren Ursache in der estnischen Bevölkerung darin gesucht wird, dass grosse Mengen Bedarfsgüter ausser an die Front angeblich auch in das deutsche Reich transportiert würden. Sehr viele Gerüchte haben auch im Zusammenhang mit der kürzlich erfolgten, völlig privaten Reise des 1. Landesdirektors Dr. Mäe ins Reich die verschiedensten Betrachtungen über angebliche Veränderungen in der staatlichen Stellung Estlands zum Inhalt. In den östlichen Gebieten Estlands wurden wiederholt Flugblätter der Sowjets aufgefunden, in denen die Bevölkerung zur Durchführung von Sabotageakten aufgefordert wurde. […] Deutsche Propaganda: Die deutsche Propaganda ist in letzter Zeit durch eine steigende Aktivität gekennzeichnet. Sie findet in der Öffentlichkeit den Meldungen zufolge entsprechend immer stärkere Kritik. Jede grössere Propagandaaktion wie beispielsweise der Aushang von Wandplakaten, deren Parolen gleichzeitig sowohl in der Presse als auch durch Diapositive in den Lichtspielhäusern jeweils propagiert werden, würden immer wieder mit der bolschewistischen Propagandaarbeit verglichen. Trotz dieser Kritik und auch trotz des gelegentlichen Abreissens der Plakate von den Anschlagstellen werde dieser Propaganda auf die Dauer doch ein psychologischer Erfolg beschieden sein. Stärker als bisher müsse jedoch der Inhalt dieser Parolen und Plakate aktuelle Probleme behandeln. Bei der augenblicklich schwierigen Lage auf den einzelnen Lebensgebieten müssten der Bevölkerung vor allem die kriegsbedingten Schwierigkeiten in geeigneter Form verständlich gemacht werden. Nach wie vor geschehe eine diesbezügliche Aufklärung meist durch den Generalkommissar selbst, der in seinen Reden auf die einzelnen Schwierigkeiten und Probleme eingehe. Diese Reden müssten aber von den Führungsmitteln stärker aufgegriffen und behandelt werden, da deren positive Auswirkung dadurch beträchtlich erhöht würde. Propaganda in der estnischen Verwaltung: Die Propagandaarbeit in der estnischen Selbstverwaltung hat eine grundlegende Intensivierung dadurch erfahren, dass die Volkserziehungsbüros nunmehr zur aktiven Propaganda herangezogen werden. In allen Orten des Landes wurden, soweit nicht schon vorhanden, Volkserziehungsbüros errichtet, deren Aufgabe es ist, bestimmte Informationen, die von der Selbstverwaltung ausgegeben werden, in der Bevölkerung zu kolportieren. Wie berichtet wird, ist durch die Herabsetzung des Papierkontingents für die Presse die wirksame Ausnutzung dieses Propagandamittels für die estnische Selbstverwaltung erheblich erschwert worden. Die grösste estnische Tageszeitung „Eesti Söna“ kann nur noch 4-seitig herausgebracht werden. Der weitaus grösste Teil ihres Raumes wird für die Meldungen über die Kriegsereignisse, Veröffentlichungen von amtlichen Verordnungen, für Anzeigen und Inserate benötigt. Für feuilletonistische Beiträge bleibt praktisch kein Raum mehr. Einige Zeitungen hielten ihren

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Umfang auf Kosten der Auflageziffer bei, so z. B. „Postimees“ von 31000 auf 25 000, „Wiruma Teataja“ von 6600 auf 5500. Obwohl der „Postimees“ beispielsweise seine Auflageziffer um rund 6000 verringerte, hat er darüber hinaus noch wöchentlich 8 Seiten eingebüßt. Die Zeitungsversorgung ist dadurch sehr erschwert. Die „Revaler Zeitung“ erscheint noch in ihrem alten Umfang. Diese Tatsache wird von der Bevölkerung allgemein heftig kritisiert. Die „Revaler Zeitung“ sei verhältnismäßig weniger verbreitet, da der grösste Teil der Bevölkerung doch nicht genügend deutsch lesen könne. So würden beispielsweise im Kreise Werro täglich 5500 Exemplare „Wörumaa Teataja“, ca. 800 „Eesti Söna“, ca. 400 „Postimees“, aber nur rund 40 Exemplare „Revaler Zeitung“ abgesetzt. Auswirkung kultureller Veranstaltungen: Das kulturelle Leben Estlands wurde während der Berichtszeit durch verschiedene Gastspiele deutscher Frontbühnen und einzelner hervorragender Künstler wirkungsvoll ergänzt. Vor allem die Darbietungen der Frontbühnen in kleineren Ortschaften wurden mit dankbarer Freude aufgenommen. Auch das russische Theater aus Riga gab am 21.11. 42 in Narwa ein gelungenes Gastspiel, welches vom estnischen und russischen Publikum beifällig aufgenommen wurde. Der Theaterhunger der estnischen Bevölkerung hält unvermindert an. Fast jede Theatervorstellung ist ausverkauft. Auf dem Lande sind weitere Theaterspielgruppen ins Leben gerufen worden, die von der Bevölkerung eifrig gefördert werden. In Reval wurde nach einer Renovierung auch das Varietétheater „Plaza“ wieder eröffnet, dessen mäßige Leistungen jedoch das Publikum auf die primitiveren Bevölkerungskreise begrenzen. Die diesjährigen Kunstausstellungen in Reval und Dorpat weisen gegenüber den Ausstellungen der vorigen Saison qualitativ eine spürbare Besserung auf, wobei innerhalb der Künstlerschaft vor allem das Streben auffällt, sich von den jüdisch-kulturbolschewistischen Einflüssen der Vergangenheit, wie sie z. Zt. der Selbständigkeit namentlich die estnische Malerei beherrschten, wieder freizumachen. Während auf dem Lande weiterhin der Wunsch besteht, möglichst in jedem kleineren Ort ein Lichtspieltheater zu errichten, ist Filmbetreuung nach den vorliegenden Meldungen in den grösseren Städten unverändert geblieben. Nach wie vor sei jedoch die Versorgung mit aktuellen Wochenschauen sehr schlecht. Als hervorragendster Film wurde in Reval während der Berichtszeit „Der grosse König“ im Soldatenkino gezeigt. Der Film sei von sehr vielen Esten besucht worden. Der Rundfunk wird infolge der Abschaltezeit von 19.15 Uhr in den vorliegenden Meldungen als ein kaum wirksames Propagandamittel bezeichnet. Ausserdem sei durch die ungünstige Wellenlänge des Revaler Senders ein Abhören nach Eintritt der Dunkelheit bereits ab 15.15 Uhr kaum mehr möglich, da er dann von anderen Stationen vollkommen überlagert sei. Diese Mangellage leistet zwangsläufig dem Abhören feindlicher Sender Vorschub. Es wird in diesem Zusammenhang in den Berichten angeregt, durch Zuteilung einer anderen Wellenlänge diesem Übelstand abzuhelfen. Allgemeine Lage und Stimmung in der Bevölkerung im Generalbezirk Lettland: Durch die aussenpolitischen Ereignisse und kriegsbedingten Schwierigkeiten der wirtschaftlichen Versorgung für den Winter sind die Erörterungen der innenpolitischen Probleme in der breiten Masse der lettischen Bevölkerung in den Hintergrund getreten. Dagegen ist in den politisierenden Kreisen der lettischen Intelligenz ein Wiederaufleben des Interesses für die nationalen Belange zu beobachten. Man hofft, infolge der aussenpolitischen Ereignisse und der derzeitigen militärischen Lage Zugeständnisse in Bezug auf die ersehnte lettische Selbständigkeit zu erhalten. Mit Erbitterung wird in der lettischen Bevölkerung darauf hingewiesen, dass die meisten europäischen Völker als „Soldaten“ gegen den Bolschewismus kämpfen können, während das Reich die Letten lediglich als „Schutzmann-

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schaften“ gelten lässt. Dabei wird gesagt: „Seht doch, wie die Engländer es verstehen, andere Völker für sich einzuspannen; weshalb könnt ihr Deutschen das nicht?“ Nach den vorliegenden Meldungen nimmt die deutschfeindliche Stimmung unter den Einwohnern in den Provinzstädten immer mehr zu. In einem an die deutsche Verwaltung gerichteten anonymen Schreiben heisst es u. a.: „Sie wissen doch auch, was für feine Geschäfte die Deutschen jetzt überall machen? Sie verstehen das noch besser als die Juden. Für Speck, Butter, Eier und fabelhafte Preise kann man alles kaufen, was der Lette braucht, aber nicht im Laden kaufen kann. Vielleicht ist es mit Absicht so eingerichtet, damit die Herren Deutschen mehr Speck, Butter und Geld von uns ausziehen können. Wo sind unsere Kleiderstoffe, Strümpfe, Leder usw. geblieben? Das wissen wir zu gut. Jeder Deutsche hat sich 5–6 Anzüge, Mäntel, Wäsche, Schuhe usw. machen lassen. Nur nicht für sich selbst, sondern auch für die Verwandten in Deutschland. Ebenso ist das mit Lebensmitteln und anderen Sachen. Wir können die süssen Worte von bitteren Taten unterscheiden und verstehen zu gut, wozu Sie uns und den Reichtum unseres Landes brauchen. Aber treiben Sie es nicht zu weit; es könnte das neue Europa frühzeitig zusammenstürzen und Ihnen auf den Kopf fallen, denn Zwang, Hass und Hunger sind keine festen Baumaterialien.“ Auch die Klagen auf wirtschaftlichem Gebiet halten nach wie vor an. Neben der unzureichenden Versorgung der Zivilbevölkerung mit Lebensmitteln und Textilwaren, vor allem mit Wintersachen, löst der starke Mangel an Heizmaterial grosse Unzufriedenheit aus. Mit Befremden wird beobachtet, dass neben den Wehrmachts- und anderen deutschen Dienststellen, für deren hinreichende Beheizung allgemein Verständnis aufgebracht wird, auch diejenigen Häuser, die ausser lettischen Zivilisten einige Wehrmachtsangehörige beherbergen, gut geheizt werden. Dagegen erhalten die ausschliesslich mit Letten bewohnten Häuser nicht genügend Heizmaterial zur Verfügung gestellt. Die lettische Bevölkerung ist daher bestrebt, deutsche Untermieter zu bekommen, um auch mit dem nötigen Heizmaterial versorgt zu werden. […] Propagandawesen und Führungsmittel im Generalbezirk Lettland: Deutsche Propaganda: Die Meldungen besagen, dass die Ende November in den verschiedensten Industriebetrieben Rigas veranstalteten Betriebsappelle, bei denen teils deutsche Redner vom Generalkommissar, teils lettische Redner vom Zentralverband der Berufsverbände sprachen, nicht die gewünschte Wirkung erzielt hätten. Die Arbeiter seien den Ausführungen ohne Interesse gefolgt und hätten am Ende nur pflichtschuldigen Beifall gezollt. Zu irgendwelchen Zwischenfällen während der Appelle ist es nicht gekommen. Erst später hätten sich viele Arbeiter in kleinem Kreise geäussert, dass die Deutschen sowjetische Methoden anwendeten. Die Arbeiter würden zusammengerufen, die Zukunft würde in einem rosigen Licht geschildert, Versprechungen würden gemacht usw. Die Deutschen sollten dafür lieber die Gehälter erhöhen. Diese Äusserungen seien bezeichnend für die Stimmung in der Arbeiterbevölkerung. Die für den 28. und 29. 11. 42 geplante Propagandawelle musste in letzter Minute wegen der von Holland eingeschleppten Maul- und Klauenseuche abgesagt werden. Auswirkung der kulturellen Veranstaltungen: Theater: Das lettische Fronttheater entfaltet den Meldungen zufolge eine rege Tätigkeit. Unter Leitung des Direktors Kanbrats ist ein aus 22 Personen bestehendes lettisches Fronttheater an der gesamten Ostfront unterwegs. Dieses Theater bietet lettische Volkslieder und ein Kabarettprogramm und besteht zum grössten Teil aus jungen lettischen Kräften. Es sei nicht nur bei den lettischen Freiwilligen, sondern auch bei den deutschen Soldaten beliebt und schaffe eine deutsch-lettische

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Annäherung. Bei den deutschen Soldaten fänden vor allem die lettischen Volkslieder des Männerchors „Tewija“ Anklang. Die anlässlich des 80. Geburtstages von Gerhart Hauptmann im Dailes-Theater in Riga zur Aufführung gelangten Schauspiele „Elga“ und „Goldene Harfe“ sind von höchsten lettischen Kreisen besucht worden und haben guten Anklang gefunden. Einen grossen Erfolg habe beim lettischen Publikum die Erstaufführung des geschichtlichen Schauspiels von Arwid Schwabe „Die Weber aus Piebalg“ in lettischer Sprache im vorgenannten Theater gehabt. Über die Tätigkeit des von der deutschen Gemeinschaft „Erholung und Lebensfreude“ aufgezogenen Rigaer Varietétheaters „Bunte Bühne“, eines Vorstadttheaters, wird in einer zeitlich etwas zurückliegenden Meldung berichtet, dass sich dessen Niveau zwar etwas gebessert habe, jedoch von weiten Kreisen immer noch als bedauerliche Erscheinung deutschen Kulturausdrucks bezeichnet und auf die Dauer als unbrauchbar angesehen werde, wenn die Niveauverbesserung nicht weiterhin ansteige. Konzerte: An deutschen Konzerten ist nur das gut gelungene 3. Sinfoniekonzert im Rigaer Opernhaus Ende November unter der ausgezeichneten Stabsführung von Helmut Tierfelder zu erwähnen, während unter den lettischen Konzerten die Feiertagsstunde am 18. 11. 42, dem lettischen Unabhängigkeitstag, zugunsten der lettischen Freiwilligen in der überfüllten evangelischen St. Johannis-Kirche zu Riga hervorragte. Die bekannten Solisten des Rigaer Opernhauses M. Vetra und A. Kaktinsch sangen volksliedmäßige Lieder. Alle Lieder hatten nur ein Thema: die lettische Vaterlandsliebe. Durch die Bedeutung des 18. November für die Letten erhielten alle diese Lieder eine besondere Note. Obgleich die lettische Hymne nicht auf dem Programmzettel stand, wurde von der Orgel nach Schluss des Programms nach minutenlangem, schweigendem Verweilen aller Anwesenden in der Kirche die ehemalige lettische Staatshymne intoniert, die alle Anwesenden teils unter Tränen mitsangen. Die Veranstaltung war ein klares Bekenntnis zum Lettentum. Während die Besprechung in der deutschen Zeitung „Im Ostland“ den Schluss der Feierstunde durch das Lettlandlied verschwieg, hat die lettische Tageszeitung „Tewija“ offen auf den Gesang der lettischen Hymne hingewiesen. Film: Die Wochenschau „Ostland-Woche“ hat sich den Meldungen zufolge in ihrem Inhalt weiterhin gebessert und daher auch guten Widerhall in der Bevölkerung gefunden. Die Bildstreifen, die u. a. den U-Boot-Krieg und die Kriegsmarine im Norden zeigten, wurden von einem grossen Teil der Besucher als zu harmlos empfunden. Die Bildstreifen von der Rigaer Keramikfabrik, in denen grosse Mengen schönen Geschirrs gezeigt wurden, hätten bei den Zuschauern die Frage nach dem Verbleib dieser Gegenstände im Handel erwirkt. Besondere Begeisterung hätten die Sportbildstreifen unter der lettischen Bevölkerung ausgelöst. Der Film „Die grosse Liebe“ habe guten Anklang gefunden und wiederum gezeigt, dass gute deutsche Filme von den Letten gern gesehen würden und solche Filme so ebenfalls eine gute Propaganda für Deutschland darstellen könnten. Presse: In Journalistenkreisen herrscht den Meldungen zufolge augenblickliche grosse Unzufriedenheit über eine geplante Verminderung der Auflage lettischer Zeitungen. So sollen z. B. von der „Tewija“ 30 000 Exemplare weniger gedruckt werden. Ausserdem sei der Papierverbrauch pro Exemplar um 25 v. H. vermindert worden. Ähnlich sei es bei den übrigen Zeitungen. Eine solche Maßnahme werde zwar z. T. als notwendige Kriegsmaßnahme verstanden, jedoch auch als absichtliche Schmälerung der lettischen Presse gewertet. Die örtliche Presse richte sich im grossen und ganzen an die von deutscher Seite gegebenen Weisungen. Lage des Schulwesens: Zu Beginn des Schuljahres war allgemein unter der halbgebildeten

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Nr. 24: Transportzug mit vorgespannten Leerwagen zum Schutz vor Minen

arbeitenden Jugend das Bestreben festzustellen, das bisherige Arbeitsverhältnis zu lösen und irgendwie in einer Schule, in Kursen usw. unterzuschlüpfen. Es liegen viele Meldungen darüber vor, dass z. B. Hausgehilfinnen neuerdings irgendwelche Kurse, Fachschulen oder dgl. besuchen wollen. Diese Erscheinung sei nicht nur mit dem allgemeinen lettischen „Bildungshunger“ zu erklären, sondern zeige, wie die Meldungen hervorheben, das Bestreben der lettischen Jugend, sich von der physischen Arbeit zu befreien. Vermutlich sei auch von der lettischen Führung eine Weisung in der Art herausgegangen, dass die lettische Jugend in ihrer Gesamtheit den Beweis ihrer hohen Kultur erbringen solle. Die Unterbringung der Rigaer Schulen bereitet nach wie vor grosse Schwierigkeiten, da viele Räume von der Wehrmacht belegt wurden. In den meisten Schulen wird in 3 Abschnitten gearbeitet, so dass von 7 bis 18 Uhr unterrichtet wird. Wirtschaftliche Lage im Generalbezirk Lettland: Landwirtschaft: Nach den vorliegenden Meldungen konnte die Aussaat des Wintergetreides trotz vieler Schwierigkeiten im Rahmen des Anbauplanes eingehalten werden. Aus Mangel an Brennstoff und Schmieröl verzögern sich die Druscharbeiten, so dass in vielen Gemeinden mit dem Abschluss der Arbeiten erst Anfang 1943 gerechnet werden kann. Grosse Schwierigkeiten bereitete der Abtransport der Kartoffeln und Zuckerrüben von den Bahnhöfen zu den Sammelstellen bezw. Fabriken. An mehreren Bahnhöfen lagen die abgelieferten Kartoffeln seit Wochen im Freien und waren den Witterungseinflüssen preisgegeben. Durch Nachtfröste im Monat November ist ein Teil der im Freien lagernden Kartoffeln verdorben. In vielen Fällen hat auch die unzweckmäßige Errichtung der Kartoffelsammelstellen Unzufriedenheit un-

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ter den Bauern hervorgerufen. So sind z. B. die Kartoffeln der Gemeinden Vecpils auf dem Bahnhof Jlmaja abzuliefern, der von mehreren Gesinden der Gemeinde 18 km entfernt ist. Obgleich sich andere Bahnhöfe von diesen Gemeinden nur etwa 5 km entfernt befinden, müssen die Kartoffeln laut Anweisung zu dem weiter entfernten Bahnhof hingeschafft werden. Auch andere landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Heu, Stroh usw. müssen von den Bauern an einem bestimmten Termin zur Bahn geschafft werden, dort jedoch mangels eines sofortigen Bahnanschlusses längere Zeit im Freien liegen bleiben. Aus gleichem Grunde sind schon im vorigen Jahre Kartoffeln und Heumengen verdorben. Nach dem Stand der Ablieferung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen kann damit gerechnet werden, dass die vorgesehenen Auflagen – die von den Landwirten allgemein als zu hoch empfunden werden – nicht ganz zu erfüllen sind. In diesem Zusammenhang werden auf dem Lande Gerüchte laut, dass die diesjährigen erhöhten Auflagen mit Absicht von den deutschen Behörden angesetzt worden sind, damit die Bauern diese nicht erfüllen könnten und dadurch eine Handhabe geschaffen würde, um der lettischen Landbevölkerung Sabotageabsichten zu unterschieben und sie mit dieser Begründung von ihren Betrieben entfernen zu können. Unter den verschiedenen Schwierigkeiten und Sorgen, mit denen die lettische Landwirtschaft zu kämpfen hat, ist die Beleuchtungsfrage das Problem, welches am ernstesten und ausschlaggebend die wirtschaftliche Lage auf dem Lande beeinflusst. Da Petroleum nicht vorhanden ist, kommt für die Beleuchtung der Stallgebäude nur Karbid in Frage. Die Bemühungen, aus dem Reich Karbidlampen zu beschaffen, haben zu einem Erfolg geführt. Es werden ca. 50 000 gebrauchsfertige Karbidlampen eintreffen, die auf die in Lettland vorhandenen etwa 200 000 ländlichen Betriebe zur Verteilung kommen. Dadurch würde somit durchschnittlich jeder vierte Betrieb eine Karbidlampe erhalten. Um den für das Reich äusserst wichtigen Anbau von Kleesamen zu fördern, besteht nunmehr die Aussicht, aus dem Reich für diese Anbauflächen als Düngemittel Thomasmehl zu erhalten. Ferner soll das Interesse an der Kleesaatbestellung auch dadurch gefördert werden, dass durch Kleesaatablieferung die Ablieferung von Getreide im Verhältnis von 1 zu 2,5 ermässigt wird. Falls der Mangel an Hufeisen und Hufnägeln, die eben nur für ca. 30 % des allerdringendsten Bedarfes vorhanden sind, nicht behoben werden kann, wird, wie gemeldet, mit katastrophalen Auswirkungen gerechnet. Es ist zu befürchten, dass erhebliche Schwierigkeiten bei dem Abtransport landwirtschaftlicher Erzeugnisse auftreten. So konnten Ablieferungstermine teilweise schon nicht eingehalten werden, weil die Pferde fusskrank und infolgedessen nicht einsatzfähig waren. Um die dezimierten Zuchtviehbestände im Ostland wieder aufzufüllen, werden aus Holland Zuchtviehrinder, die dort aus Mangel an Kraftfutter nicht erhalten werden können, nach dem Ostland eingeführt, mit der Bedingung, dass 50 % der eingeführten Menge dem Reich als Schlachtvieh wieder abgeliefert wird. Bisher sind 1000 Stück Rinder in Estland und 450 Stück in Lettland eingetroffen und auf die Betriebe verteilt worden. Obgleich die Rinder beim Eintreffen in Riga keinerlei Merkmale einer Seuchenbehaftung vorwiesen, sind Anfang November eine Anzahl an der Maul- und Klauenseuche erkrankt. Um eine weitere Verschleppung dieser Seuche zu verhindern, wurden schärfste Gegenmaßnahmen getroffen und die betroffenen Gesinde vollständig isoliert und einer strengen Quarantäne unterzogen. Bis Ende November sind an dieser Seuche 1600 Stück Grossvieh, 667 Schweine, 653 Schafe und 354 Pferde erkrankt. Es besteht die Absicht, sämtliche eingeführten

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Rinder notzuschlachten. Eine weitere Ausbreitung der Seuche dürfte eine starke Verminderung des derzeitigen Viehbestandes zur Folge haben. […] Industrie: Die Lenkung der hiesigen Industrie ist nunmehr so gut wie ganz in deutsche Hände übergegangen. Auch frühere Zweige der lettischen Selbstverwaltung sind durch deutsche Treuhänder übernommen worden. Die Industrieunternehmen, die bisher von lettischen Direktoren geleitet wurden, erhalten laufend deutsche Treuhänder, die nicht nur die technische, sondern auch die kaufmännische und damit die Gesamtleitung des Betriebes übernehmen. Dadurch wird bei den lettischen Betriebsführern, die oftmals die früheren Begründer und Eigentümer der Betriebe sind, eine Verbitterung hervorgerufen. Sie glauben nunmehr den Beweis für ihre bisherige Vermutung erhalten zu haben, dass eine Rückgabe der industriellen Betriebe an die früheren Eigentümer niemals erfolgen wird. Es wird geplant, in Lettland eine Fabrik zur Herstellung von Torfbriketts zu errichten. Da Torf im Lande genügend vorhanden ist und auch der Abbau keine grossen Schwierigkeiten bereitet, dürfte – unter der Voraussetzung, dass die Produktionskapazität genügend gross ist – einerseits eine Entspannung des Brennstoffproblems eintreten und andererseits Holz für andere kriegswichtige Zwecke freigemacht werden können. Mit dem Anlaufen der Produktion kann jedoch nicht früher als Anfang 1944 gerechnet werden. Arbeits- und Sozialwesen: Bei der Arbeiterschaft machen sich immer mehr Ermüdungserscheinungen und Anzeichen von Gleichgültigkeit bei der Arbeit bemerkbar, die auch in einer erhöhten Zahl der Unglücksfälle zum Ausdruck kommt. Schuld an diesen Erscheinungen ist hauptsächlich die zu geringe Lebensmittelzuteilung. Infolge der ungünstigen Arbeitsbedingungen und des geringen Stundenlohnes macht sich bei den Arbeitern der Textilindustrie immer mehr das Bestreben bemerkbar, in einen anderen lohnstärkeren Industriezweig umzuwechseln. Das unterschiedliche Entlohnungsverhältnis zwischen den Reichsdeutschen und Letten erzeugt immer wieder Unzufriedenheit und ist stets der Anlass zu der Behauptung, dass die Letten als ein den Deutschen nicht gleichgestelltes Volk angesehen werden, von denen man die gleichen Pflichten fordert, denen man aber nicht dieselben Rechte zugesteht. Um weitere Arbeitskräfte für den kriegswichtigen Arbeitseinsatz freizubekommen, soll im Auftrage des Reichskommissars, Abteilung Arbeitsund Sozialpolitik, durch die Wirtschaftskammer Lettland eine Durchkämmung sämtlicher Betriebe stattfinden. Schätzungsweise hofft man, durch diese Aktion etwa 1500 bis 2000 Handwerker freizubekommen. Somit würden anstelle der z. B. im Juni d. J. in 40 000 Betrieben beschäftigten 70 000 Handwerker nur in ca. 2000 Betrieben etwa 30 000 Handwerker verbleiben, die dann vorwiegend für den Bedarf der Wehrmacht, der Landwirtschaft und Versorgung des Zivilbedarfs arbeiten werden. Ferner besteht die Absicht, die zur Zeit etwa 10 000 im Handel Tätigen um weitere 20 % zu kürzen. Im Zuge dieser Überprüfung sollen sämtliche Beschäftigte nach einer Dringlichkeitsskala eingestuft werden. Allgemeine Lage und Stimmung der Bevölkerung im Generalbezirk Litauen: Die allgemeine Lage und Stimmung in der litauischen Bevölkerung wird nach wie vor stärkstens beeindruckt durch die Ernährungsfragen, Arbeiterverschickung ins Reich, Fragen der Ablieferungspflicht für Bauern und die militärischen und politischen Ereignisse. Im Hinblick auf die allgemeinen Ernährungsschwierigkeiten wird immer wieder auf die Unzulänglichkeit der Ernährung der Bevölkerung aufmerksam gemacht. Es müsse zugegeben werden, dass die Rationen zu klein seien, eine Erhöhung aber kaum zu erwarten sei, da von höchster Stelle erklärt worden sei, dass, solange ein kleines tapferes Volk (gemeint sind offensichtlich die Finnen) im Kampf stehe und mit den gleichen Rationen auskom-

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men müsse, eine Erhöhung in Litauen nicht vorgenommen werden könne. Hierzu wird von verschiedenen Stellen die Ansicht vertreten, dass diese Auffassung zwar bekannt sei, dass es sich jedoch hier nicht um eine Gesamterhöhung der Rationen handele, sondern nur um die Erhöhung der Rationen für etwa 10 % der Gesamtbevölkerung. Praktisch handele es sich hier nur um die Arbeiterschaft und einen Teil der Angestellten, die zum überwiegenden Teil ausserdem noch in wehrwirtschaftlichen Betrieben oder bei Reichsbehörden tätig sind. In diesem Zusammenhang wurde bekannt, dass an verschiedenen Tagen etwa 50 % der Eisenbahnangestellten durch mangelhafte Versorgung mit Schuhwerk oder Lebensmitteln dem Dienste fernbleiben. Eine Versorgung der Bahnarbeiter mit deutschen Lebensmittelkarten wird angestrebt. Auch das Problem der Arbeiterverschickung ins Reich bereitet den zuständigen Stellen erhebliche Sorgen. Da das Ostland bis zum Mai 1943 weitere 50 000 Arbeitskräfte zum Einsatz ins Reich zu stellen habe und Estland von Arbeitskräften bereits stark entblösst sei, obliege die Gestellung der Arbeitskräfte praktisch Lettland und Litauen. Der Bedarf der verschiedenen Wehrmachtsstellen, der OT, Wehrwirtschaftsbetriebe usw. könne im Lande selbst jedoch nicht mehr gedeckt werden. Man stehe vor einem Problem, dessen Lösung als äusserst schwierig bezeichnet wird. Um die Ablieferungsfreudigkeit der Bauern zu heben, wurden z. T. Anordnungen der Gebietskommissare herausgegeben, die sich stimmungsmäßig äusserst schlecht auswirken. So erhielt beispielsweise die städtische Bevölkerung in Nordwestlitauen (Krottingen) wochenlang kein Fleisch zugeteilt, da die Bauern ihr Kontingent nicht abgeliefert hätten und infolgedessen der städtischen Bevölkerung kein Fleisch zur Verfügung gestellt werden könne. Die Entwicklung der militärischen Lage an der Ostfront, vor allem in Nordafrika beschäftigt einen grossen Teil der litauischen Intelligenz. Verschiedentlich wurden besorgte Äusserungen laut, dass der Abzug vieler deutscher Kräfte aus den Ostgebieten den Russen einen Durchbruch nach Westen ermöglichen könnte. Die Angst vor dem Bolschewismus lässt in den meisten Fällen die Litauer keine tatsächlich wirksame Gegenarbeit in Bezug auf direkte oder indirekte Sabotage unternehmen. Propagandawesen und Führungsmittel im Generalbezirk Litauen: Propagandalage: Die Propagandalage war am Ende des Jahres nach den vorliegenden Berichten durch eine intensive Propaganda litauischer Widerstandskreise gekennzeichnet. Die zur Verteilung gelangten Flugblätter befassen sich vorwiegend mit Arbeitseinsatzfragen, mit der Wiedergabe englischer Propagandaparolen zur Kriegslage und mit Umsiedlungsangelegenheiten. Die england- und amerikafreundliche Tendenz tritt in der Gegnerpropaganda immer klarer zutage. Neu in dieser Propaganda war in letzter Zeit der Hinweis in Flugblättern auf eine Zusammenarbeit mit Polen. Jedoch fänden derartige Propagandaparolen, die bisher in der litauischen Öffentlichkeit überhaupt keinen Anklang gefunden hätten, neuerdings allmählich auch in ehemals polenfeindlichen Kreisen Interesse. Für Rundfunkpropaganda und Flugblätter der Sowjets zeigten die Litauer nach wie vor keine Aufmerksamkeit. Die deutsche Propaganda erziele nach wie vor wenig Wirkung, da sie noch zu wenig der Mentalität der Litauer gerecht werde. Man sehe den Presseartikeln beispielsweise mehr oder weniger die litauische Übersetzung eines deutschen Artikels an. Sowohl von deutscher als auch von positiv eingestellter litauischer Seite wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass genügend litauische Journalisten vorhanden seien, die gegen entsprechend gute Honorierung Artikel und Hörspiele schreiben würden, die der Psychologie des Litauers besser entsprächen als ins Litauische übersetzte deutsche Berichte. Vermisst werde in der deutschen Propaganda eine gewisse Offenheit, die die Probleme kalt

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und nüchtern beim Namen nenne und über Dinge, die den Litauern als Mängel erscheinen, klaren Aufschluss gebe. Das Schrifttum beschränke sich im wesentlichen auf einige Bücher antikommunistischen Inhalts, während sich der Film vorwiegend in mehr oder weniger guten Spielfilmen erschöpft. Es werden in diesem Zusammenhang immer noch Kulturfilme und Filme, die das Leben in Deutschland und anderen besetzten Gebieten zeigen, vermisst. Gerade auch von solchen Filmen verspreche man sich eine gute Aufnahme unter der litauischen Bevölkerung. Die Ostland-Wochenschau wird nach übereinstimmenden Meldungen aus Litauen immer noch sehr kritisiert. Neben teilweise ungeschickter Zusammenstellung der Wochenschau werden das zeitliche Zurückliegen der gezeigten Ereignisse und das Bringen von Bildern, die für die Litauer wenig Interesse haben, wie z. B. die Feierlichkeiten anlässlich des 6. Jahrestages der Ausrufung General Francos zum Caudillo, der Besuch König Michaels in Konstanz, der Besuch des Vizeadmirals Nomura in Rumänien, als besondere Mängel bezeichnet. Wenn Ereignisse aus dem Leben des Generalbezirks gebracht würden, so geschehe dies nicht immer in einer geschickten Form. Beispielsweise wurde in der Ostland-Wochenschau Nr. 21 der Prozess der Zuckergewinnung einer bekannten Zuckerfabrik gebracht. Während der Vorführung dieses Bildstreifens wurden im Publikum Stimmen laut wie: Den Zucker bekommen wir ja doch nicht zu sehen usw. Es wird in diesem Zusammenhang in den Meldungen angeregt, alle auf derselben Ebene liegenden Vorgänge, wie auch die unzeitgemäße und propagandistisch wertlose Anpreisung von Waren, die die litauische Bevölkerung fast nur im Schleichhandel oder nur zu horrenden Preisen erhält, in Bildvorführungen nicht zu bringen. Allgemein ist der Wunsch verbreitet, deutsche Wochenschauen mit litauischem Text anstelle der Ostland-Wochenschauen zu sehen. Die Meldungen darüber enthalten die Anregung, diesem Wunsch der Bevölkerung Rechnung zu tragen und anstelle der Ostland-Wochenschau dann einen besonderen Kulturfilm in litauischer Sprache zu bringen, der von Zeit zu Zeit auch eine Zusammenstellung politischer Ereignisse aus aller Welt enthalten könnte. Gelegentlich der im Bildteil „Aus aller Welt“ gezeigten Ordensverleihung an deutsche und rumänische Seeleute sei von den Litauern darauf hingewiesen, dass die Rumänen deutsche Orden bekämen, während die Litauer an der Front das EK nicht verliehen erhielten. Auswirkung deutscher kultureller Veranstaltungen: Die Veranstaltungen der Wehrmacht, die gelegentlich der Truppenbetreuung stattfinden, z. B. Konzertreisen von Solisten, Theateraufführungen usw., werden, wie berichtet wird, überall dort, wo die einheimische Bevölkerung zu diesen Veranstaltungen zugelassen wird, gerne besucht und bieten weitgehende Möglichkeiten als Ansatzpunkte für eine gute Propaganda. Wissenschafts- und Hochschulsektor: Bei der Überprüfung der Personalien der im neuen akademischen Lehrjahr immatrikulierten Abiturienten hat sich herausgestellt, dass mindestens 50 % der arbeitsdienstpflichtigen Abiturienten der Jahrgänge 1921–24 ihre Aufnahme dadurch bewerkstelligt haben, dass sie sich von litauischen Firmen und Behörden Beschäftigungsausweise ausstellen liessen. Der grösste Teil dieser Studenten stammt aus der Provinz und liess sich auch bei Provinzfirmen einstellen. Von diesen Firmen erhielten sie Bescheinigungen, wonach sie 40 und mehr Arbeitsstunden in der Woche beschäftigt seien. Es sei aber offensichtlich, dass ein Student, der in Kauen studiert, nicht gleichzeitig auch in der Provinz seinen 48-stündigen Dienst verrichten kann. Wirtschaftliche Lage im Generalbezirk Litauen: Landwirtschaft: Trotzdem sich die gesamte Ernte im letzten Jahr um ungefähr 3 Wochen verspätet hatte, konnten den vorliegenden Meldungen zufolge bis zum 25. 11. 1942 von dem Kartoffelkontingent in Höhe von

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325 000 to bereits 131 216 to abgeliefert werden, d. h. soviel als von der gesamten Ernte des Vorjahres (132000 to). Wo Aufkaufstellen die Erfassung organisierten, sind bis 70 % des für diese Zeit bestimmten Solls abgeliefert worden, andererseits allerdings nur 10 bis 20 %. Von erfahrener litauischer Seite wird immer wieder betont, dass der Ablieferungswille der Bauern da sei, die Ablieferung selbst aber, insbesondere infolge Mangels von Eisenstollen für den Winterhufbeschlag, ausserordentlich erschwert werde. In der ersten Dekade des November wurden 5000 to, in der zweiten 7000 to Getreide abgeliefert (das Ergebnis der letzten Dekade liegt noch nicht vor), so dass man damit rechnen kann, dass aus der Ernte 1942 bis Anfang Dezember 50 000 to abgeliefert würden. Von dem Gesamtablieferungssoll in Höhe von 245 000 to sollten bis 15. 12. 60 % abgeliefert sein. Dieses Soll dürfte jedoch in keinem Fall erreicht werden; man rechnet höchstens mit 185 000 to, die aufgebracht werden können. Die Ablieferungsfristen sind nicht einzuhalten, da der Drusch, wo er mit maschineller Kraft durchgeführt wird, unter Brennstoffmangel leidet und im Wilnaer Gebiet, wo vielfach noch mit der Hand gedroschen wird, kein Petroleum da ist und deshalb nur während der kurzen Wintertage gedroschen werden kann. Bei der gegenwärtigen Brennstoffversorgung rechnet man damit, dass z. B. im Kreis Schaulen der Drusch sich auf 7 Monate erstrecken wird. Unterschiedlich ist er bis jetzt zu 35–43 %, im Mittel zu 40 % durchgeführt. Dem so gewonnenen Getreide musste aber auch das Saatgut für die Herbstbestellung entnommen werden. Durch ein Abkommen mit der Wehrmacht sollen der Zivilverwaltung gegen 500 deutsche Soldaten zur raschen Durchführung des Drusches und der Getreideablieferung auf ca. 8 Wochen gestellt werden. Die grösste Schwierigkeit bietet die Erfüllung des Schweinefleischkontingentes. Für die Monate September und Oktober war das Kontingent auf 2700 to festgesetzt, wovon 35 % erfüllt wurden. Von den 1700 to der ersten Novemberhälfte sind nur 27 % erfüllt. Wenn jetzt auch die Schlachtzeit beginnt, so ist mit Sicherheit damit zu rechnen, dass die Ablieferung weit hinter dem auferlegten Soll, das für 1942 auf 42 500 to (diese Menge entspricht 420 000 Schweinen) festgesetzt ist, zurückbleiben wird. In den besten Jahren der litauischen Schweinezucht, als das gesamte überschüssige Getreide und Kartoffeln, die heute abgeliefert werden müssen, zur Verfütterung gelangten, betrug die Jahresproduktion 92 % des Bestandes. Bei der letzten Zählung wurden im Generalbezirk Litauen 817 000 Schweine gezählt, was bei 92 % 742 000 Schweine ausmachen würde. Die Aufzucht ist aber in diesem Jahr bedeutend geringer; ebenfalls sind die Schweine infolge der schlechten Fütterung erst 2 Monate später als normal schlachtreif. In einzelnen Kreisen erreichte in der Zeit vom 1. September bis 1. November die Ablieferung nicht einmal ein Prozent des Solls (Kreis Aschmenen 0,8 %, Eischiskis 0,6 %, Zwyriai 0,9 %, Wilna 0,8 %); andere Kreise, die gleichfalls nur sehr schwach abgeliefert haben, konnten dafür das Ablieferungssoll in anderen Produkten gut erfüllen. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass der Kreislandwirtschaftsführer von Wilkowischken am 29. 11. unerwartet eine Schweinezählung für seinen Kreis anordnete, was die Bauern in grossen Schreck versetzte, so dass nach Schätzung ortskundiger Fachleute in diesem Gebiet in wenigen Tagen etwa 10 000 Schweine schwarzgeschlachtet sein sollen. In Rindfleisch ist die Ablieferung recht gut. Bis jetzt sind 87 % der Norm erfüllt worden, in einer ganzen Reihe von Kreisen über 100 % (Kreis Rokischkis 180 %). Das Ablieferungskontingent ist auf das ganze Jahr verteilt. Die Bauern äusserten vielfach den Wunsch, dass das von der Sommerweide her gut genährte Vieh auch zur Füllung des späteren Ablieferungssolls schon jetzt abgenommen wird, da sie Schwierigkeiten befürchten, wenn das

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Vieh infolge der schlechten Winterfütterung an Gewicht abnimmt. Die Ablieferung von Pferden liegt mit 126 % über dem Durchschnitt. Versorgung: Die Versorgungslage ist den Meldungen zufolge nach wie vor unverändert. Die Brotversorgung in Wilna ist wegen des geringen Mahlvermögens der Mühlen immer nur kurzfristig und für wenige Tage ausreichend. Nachdem vor kurzem die Stadt Wilna aus ihren Beständen 300 to Butter an die Wehrmacht abliefern musste, verblieben ihr nur 100 to als Lagerbestand, die bis zum Februar ausreichen müssen. Es besteht kaum Aussicht, dass die Stadt weitere Fettmengen erhält, und an zuständiger Stelle rechnet man bereits heute damit, dass die ohnehin schwierige Versorgung gerade in dieser Stadt ab Februar durch das Ausbleiben von Fett katastrophal werden wird. Fleisch bekommt die Bevölkerung schon seit langem nicht mehr. Mit Kartoffeln sind etwa 65 % der Bevölkerung versorgt. Etwa 10 % dieser Kartoffelmenge wurden allerdings in erfrorenem Zustand angeliefert. Die Versorgung der restlichen 35 % stösst auf sehr grosse Schwierigkeiten. Zu einem grossen Teil handelt es sich um städtische Arbeiter, die schon seit längerer Zeit belegschaftsweise die Kartoffeln bezahlt haben, sie aber wegen Transportschwierigkeiten nicht erhalten. Die Versorgung mit Textilien und Leder ist gleichfalls gänzlich unzureichend. Für Textilien entfallen pro Kopf und Jahr etwa 5 Punkte, wovon der grösste Teil in nicht gefragten Textilartikeln lieferbar ist. Auch in der Brennstoffversorgung ist eine Besserung nicht eingetreten. Arbeits- und Sozialwesen: Von den 13 000 Personen, die im Rahmen der Gesamtaktion des Generalbezirks Litauen seit Mai bis Ende November zum Arbeitseinsatz nach Deutschland brachte [sic], hat das Arbeitsamt Wilna etwa 8500, das übrige Litauen nur rund 3600 Personen gestellt. Es bestehen den Meldungen zufolge keine Aussichten, in der nächsten Zeit grössere Kontingente aufzubringen, so dass weder die Zahl von 37500, noch das neue Soll auch nur annähernd erreicht werden kann. Ohne Anwendung von ganz rigorosen Zwangsrazzien durch die Stadt, diesmal aber auch ganz besonders durch die Dörfer, werden sich auch nicht ein paar Tausend aufbringen lassen. Die Arbeitseinsatzdienststellen glauben aus den Dörfern noch zahlreiche Kräfte abziehen zu können. In vielen Wirtschaften sitzen Familien mit mehreren Köpfen, die wegen der geringen Ertragsfähigkeit der Betriebe fehl am Platze sind. Allerdings wäre eine solche Aktion, wie bereits erwähnt, nur unter Anwendung scharfer Gewaltmaßnahmen, die an bolschewistische Methoden erinnern würden, erfolgreich. Durch scharfe Maßnahmen, die das Arbeitsamt beim Einsatz bereits anwenden musste – Gestellungspflichtige wurden nachts von der Polizei abgeholt und bis zum Tage des Abtransportes im Lukischkigefängnis behalten –, ist in all die Kreise, die sich von der Erfassung in den Arbeitseinsatz bedroht fühlen, ein starkes Unruheelement hineingetragen, das zur Folge hat, dass bedeutende Teile sich aufs Land begeben haben oder in der Stadt keinen ständigen Wohnsitz besitzen. Wie gross die Angst vor dem Arbeitsamt ist, beweist auch folgender Umstand: Das Arbeitsamt hat, ähnlich wie in Deutschland, Arbeitsbücher für die arbeitende Bevölkerung ausgestellt und zwar 12 000 Stück. Die Arbeitsbücher abzuholen sind bis jetzt nur 2000 Personen nachgekommen. Die Arbeitseinsatzdienststellen sind der Auffassung, dass die anderen die Arbeitsbücher nicht abholen werden, weil sie Angst haben, an Ort und Stelle in den Arbeitseinsatz erfasst zu werden. Das Ergebnis der ärztlichen Untersuchungen der Gestellungspflichtigen hat erbracht, dass gegen 50 % wegen organischer Krankheiten nicht einsatzfähig sind. An der Spitze stehen Tuberkulose und Trachom. BAB, R 58/223

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1 Dabei handelte es sich um das Unternehmen „Hamburg“ im Raum Slonim im Dez. 1942; vgl. Kampfgruppe Gottberg: Einsatzbefehl Unternehmen „Hamburg“ v. 7. 12.1942, BAL, B 162/766. Etwa die Hälfte der Todesopfer waren Juden, darunter die letzten 500 aus dem Ghetto Slonim; vgl. Meldungen RFSS an den Führer über Bandenbekämpfung Nr. 48 v. 23. 12.1942, BAB, NS 19/2566; Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 900, 905, 913.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 15. Jan. 1943 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 37 […] Berichtigung der Standorte und Nachrichtenverbindungen: Anstelle SS-O’Stubaf. Wiebens (Einsatzkommando 9 auf S. 3) ist zu setzen: SS-Stubaf. Dr. Buchardt1. A. Gegner und Exekutivfragen Bandentätigkeit: In Wjasma (Bereich der Einsatzgruppe B) wurde eine Diversantengruppe gefaßt, die aus kommunistischen Funktionären bestand. Unter ihnen befand sich der ehemalige Sekretär des Parteirayonkomitees von Wjasma, der Direktor des MDS von Kassnia und andere Kommunisten, die dem NKWD und der Miliz angehört haben. Bisher wurden 7 Personen festgenommen. Die Festnahme weiterer Mitglieder ist in Vorbereitung. Im Ganzen handelt es sich um ungefähr 15 Personen, die im Mai von Moskau in den Bereich Wjasma entsandt worden sind, um Banden zu organisieren, Bahnsprengungen vorzunehmen und Spionage zu treiben. Weiter ist es der Einsatzgruppe B gelungen, in Smolensk eine illegale Organisation auszuheben und 31 Mitglieder festzunehmen. Die Organisation stand im wesentlichen in den Rayons Rudnja und Demidow; einzelne Angehörige befanden sich in Smolensk. Führer der Organisation war der 1920 geborene Ukrainer Peter Nowatschenkow, wohnhaft in Demidow, bis zu seiner Festnahme beschäftigt als Dolmetscher bei einer Wehrmachtseinheit mit der Feldpostnummer 46 790 in Demidow. Die Organisation arbeitete teils unmittelbar im Auftrage der 4. russischen Stoßarmee, teils mittelbar über die Bandenstäbe „Grischin“ und „Sadtschenkow“. Der Organisation war zur Aufgabe gestellt: Erfassung der Standorte und Stärken deutscher Truppen, Angaben über durchziehende Truppen und Transportbewegungen auf der Eisenbahn, Angaben über Lage von deutschen Stäben und Lazaretten, Angaben über Flakstellungen und Munitionslager, Angaben über das Milchwerk Demidow und die dort lagernden Lebensmittelmengen, Nachrichten über Stimmung in der russischen Bevölkerung und in der deutschen Truppe, Herstellung von falschen Dokumenten, Mitteilung über Stärke und Personalien des OD, Beschaffung bezw. Fälschung von Papieren, Beschaffung von Medikamenten, Beschaffung von Benzin für die Banden. Mit Ausnahme von 3 Angehörigen, die sich z. Zt. der Festnahmen jenseits der deutschen Linien befanden, konnten alle Angehörigen der Organisation festgenommen werden. Die Vernehmungen weisen darauf hin, daß in Smolensk selbst eine weitere Organisation besteht; die Ermittlungen in dieser Richtung laufen z. Zt. mit Aussicht auf baldigen Erfolg. Durch geschicktes Ansetzen von V-Personen konnte im Kdr.-Bereich Kiew eine illegale Organisation aufgerollt worden, die sich fast ausschliesslich aus NKWD-Leuten zusammensetzte. Im Zuge der Aktion wurden 22 Personen festgenommen. Bei dem Führer der illegalen Organisation handelt es sich um einen berüchtigten, von Wehrmacht, GFP und

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Gendarmerie monatelang gesuchten Bandenführer, der mehrere Kreisgebiete unsicher gemacht und zu dessen Ergreifung wiederholt grössere Einheiten der Wehrmacht angesetzt worden waren. Wassil Warakow, geb. 23. 1. 1900 in Osmeritzi bei Jaroslawl, der auf Grund seiner Parteizugehörigkeit seit 1924 die GPU-Schule in Moskau besuchte, wurde von den Sowjets als Chef der Rayonverwaltung in Obuchow, Swenigorodka und Perejaslaw (Gebiet Kiew) eingesetzt. Wegen besonderer Leistungen wurde er noch in Obuchow zum Oberleutnant des Staatssicherheitsdienstes des NKWD befördert und im März 1941 nach Moskau berufen, wo er zum stellvertretenden Chef der Bauabteilung des NKWD für Flugplätze im Bezirk Kiew ernannt wurde. Bei Ausbruch des Krieges wurde er als stellvertretender Reg.-Kommandeur im Range eines Majors eingezogen. Dieses Regiment wurde bei Ostjor zerschlagen. Sein Versuch, die russische Front zu erreichen, mißlang, und er geriet bei Jagotin in deutsche Gefangenschaft. Auf dem Transport von Shitomir nach Schepetowka flüchtete er und fand in Obuchow bei gleichgesinnten Genossen Unterkunft. Diese Gelegenheit ausnützend, sammelte er einen Mitarbeiterstab um sich, dem er den Auftrag gab, sich für sämtliche KP-Mitglieder, kommunistische Aktivisten und gleichgesinnte Elemente zu interessieren und sie zu Banden zusammenzustellen. Warakow selbst begab sich Ende Januar 1942 nach Kiew, um eine Verbindung mit illegal arbeitenden Organisationen herzustellen, die ihm jedoch nicht gelang. Er kehrte abermals nach Obuchow zurück, wo er sich mit der Aufstellung von Banden befaßte. Mit diesen führte er im Mai 1942 verschiedene räuberische Überfälle durch und versuchte u. a., auch aus dem Polizeigefängnis Tripolje dort einsitzende Bandenmitglieder mit Gewalt zu befreien. Bei dieser Gelegenheit warfen die Banditen in die dortige Gendarmeriestation 3 Handgranaten und entwaffneten einen Milizmann, verschleppten ihn und marterten ihn später auf Befehl Warakows bestialisch zu Tode. Die Banden wurden Anfang Juni 1942 durch ein stärkeres Polizeibataillon gestellt und zerschlagen. Warakow jedoch gelang es zu entkommen. Er flüchtete nach Kiew und fand dort Anschluss an eine kleine illegale Aktivistengruppe, die bereits seit Dezember 1941 bestand. Auf Betreiben von Warakow wurden Flugblätter hergestellt und verbreitet, in denen der Bevölkerung glaubhaft gemacht werden sollte, daß die Rote Armee der deutschen überlegen sei und die Verluste der deutschen Truppen weit höher seien als diejenigen der Roten Armee. Zu einer rechten Entfaltung der illegalen Arbeit ist es wegen Fehlens technischer Einrichtungen jedoch nicht gekommen. Warakow fühlte sich durch die Gegenarbeit der Sicherheitspolizei bedroht und unsicher und wollte Kiew verlassen, um sich durch die Front zu schlagen. Durch die Festnahme wurde er daran gehindert und die ganze illegale Organisation ausgehoben. Nach einem aufgefundenen Befehl legt die NKWD-Verwaltung Moskau Wert auf die Beschaffung folgender Dokumente: 1. Sowjetpässe mit Registration und Vermerken der Deutschen als Älteste, Bürgermeister usw. 2. Personalausweise, ausgehändigt an Personen, die nicht im Besitz von Sowjetpässen sind. 3. Dienstausweise und allerartige Bescheinigungen und Passierscheine, die an ortsansässige Bewohner ausgehändigt wurden, welche in Diensten deutscher Okkupationsbehörden stehen. Das heißt: Deutsche Kommandanturen bei militärischen Einheiten, in der Hilfspolizei, Gendarmerie, Bewachungseinheiten, auf der Eisenbahn, bei der Eisenbahnpolizei und Wache, bei der Organisation Todt (Bauorganisation der deutschen Wehrmacht), bei der Organisation Major Schuh (Deutsche Organisation zur Sammlung von Altmaterial), in Behörden, die die Wirtschaftsleitung innehaben usw. 4. Verschiedenartige Ausweise und Passierscheine für Fahrten, die von deutschen Kommandanturen, örtlichen Selbstverwaltungen, militärischen Or-

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ganisationen als Genehmigung zur Benutzung der Eisenbahnen wie auch von Strecken zu Fuß ausgestellt werden. 5. Sämtliche Befehle, Rundschreiben, Mitteilungen, die sich auf Umorganisation in den z. Zt. besetzten Gebieten beziehen, Dokumentationen, die Anordnungen über Umsiedlung, Wohnsitz und Kontrollen, die von der Gestapo, Gendarmerie, Polizei und den örtlichen Besatzungsverwaltungen herausgegeben sind [sic]. Ebenfalls alle Armbinden, Brustzeichen, Nummern, Koppelschlösser und die numerierten Holzbrettchen, die an die ortsansässige Bevölkerung ausgehändigt werden. 6. Sämtliche Beutedokumente der Okkupanten (der Deutschen, Rumänen, Italiener, Ungarn und Legionäre, die von den Deutschen aus den verschiedenen, ihnen untergeordneten Staaten gesammelt wurden). Ferner Wehrpässe allerartiger Bescheinigungen, Soldbücher, Marschbefehle, Urlaubsscheine, Brustzeichen, Orden, Erkennungsmarken, Fahrtdokumente, persönliche Dokumente, Befehle usw. Fallschirmspringer, Sabotage usw.: In Kaluga wurde u. a. ein sowjetrussischer Fallschirmspringer festgenommen, der im Besitze einer Mauserpistole sowie gefälschter Ausweispapiere war. Er gehörte zu einer Gruppe, die am 17.7. 1942 in Welkisalki abgesetzt wurde. Die Fallschirmspringer hatten die Aufgabe, mit der Zivilbevölkerung in Verbindung zu treten und diese über politische und militärische Dinge (Truppenbewegungen und Transporte) auszufragen. Der am 8. 11. 42 in der Gemeinde Anna im Kreise Walk festgenommene Fallschirmspringer will in der Zeit vom 12. 8. bis 15. 9. 1942 in der sogen. Blauen Villa im Fischerort Lisij/Noss ausgebildet worden sein. Im vergangenen Monat wurden in Estland 5 Fallschirmspringer, darunter eine Frau, festgenommen. Sie hatten die Aufgabe, 1. den Schiffsverkehr, 2. die Landung der Schiffe, 3. die Namen der Schiffe, 4. den Schiffsverkehr zwischen Reval und Baltischport, 5. die Truppentransportbewegungen durch Eisenbahn und Lastkraftwagen, 6. die Stimmung in der Bevölkerung, welche Zeitungen erscheinen usw. und welche Zahlungsmittel in Reval in Umlauf sind, auszukundschaften und zu melden. Am 7. 11. 1942 kam der Fallschirmspringer Reni zum Einsatz. Er trug deutsche Wehrmachtsuniform und das Eiserne Kreuz II. Klasse und sollte versuchen, als Polizeibeamter bei einer Polizeitruppe in Wesenberg unterzukommen. Die am 27. 11. 42 in Petschur eingesetzte 5-köpfige Fallschirmspringergruppe hatte den Auftrag, die Eisenbahnstation Liiwa zu sprengen. Die Fallschirmspringerin Billajowa konnte am 28. 10. 42 im Dorfe Stefanowka festgenommen werden. Die B. meldete sich bei Ausbruch des russisch-polnischen Krieges freiwillig zu einem bolschewistischen Frauenbataillon und kämpfte bis Oktober 1941 aktiv als Leutnant an der Front. Sie liess sich später als Fallschirmspringerin ausbilden. Im Januar 1942 sprang sie bei Nowograd im Generalgouvernement ab. Mit ihr wurden noch 2 weibliche und 2 männliche Fallschirmspringer abgesetzt. Diese Gruppe hat im Generalgouvernement Sprengungen von Eisenbahngleisen, Brücken und Gebäuden durchgeführt sowie Brunnen-, Vieh- und Milchvergiftungen verübt. In Stebschitzsche wurde der Fallschirmspringer Sarokin festgenommen. Er gab an, daß Mitte August 1942 im Waldgebiet Schemerniki, etwa 50 km von Ostrow (Generalgouvernement) entfernt, 11 Fallschirmspringergruppen gelandet sind, die unter Führung des sowjetischen Majors Majora stehen. Die Gruppen hatten den Auftrag, wichtige Brücken, Eisenbahnanlagen und andere Verkehrseinrichtungen unter Verwendung von Minen zu sprengen. Weiter waren die Gruppen angewiesen, die Bevölkerung aufzuhetzen und zur Mithilfe heranzuziehen sowie Verbindungen mit Bandengruppen herzustellen. Der Abflug dieser Gruppen erfolgte vom Flugplatz Silescheijewa mit sowjetischen Maschinen, die mit deutschen Hoheitszeichen versehen waren. Bei einer Aktion in Choiniki wurden 56 Personen festgenommen, deren Anführer ein

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ehem. sowjetischer Oberleutnant, ein Lehrer und ein Schuhmacher waren. Diese 3 Personen hatten selbständig in allen Ortschaften des Rayons Choiniki Gruppen von kommunistisch gesinnten Einheimischen gebildet, mit dem Ziel, die Bevölkerung zu verhetzen, Sabotage zu betreiben und eine grössere Bande zu organisieren. Der Oberleutnant erklärte, daß er die Absicht gehabt habe, den Bürgermeister, die Schutzmänner und alle anderen Personen, die mit deutschen Behörden zusammenarbeiteten, zu vernichten. Unter den weiteren Mitgliedern der Gruppe befanden sich 14 ehem. Rotarmisten, die im Herbst 1941 einen Kursus an der Spionageschule in Belga-Bergera im Gebiet Brjansk besucht hatten und im Oktober 1941 durch die deutsche Front geschleust wurden, um im rückwärtigen Gebiet Sabotage zu betreiben. Sabotagehandlungen durch Verwendung von Minen erfolgten auf den Strecken Dsirwani– Semgallen, Indra–Idriza, Indra–Skaiska, Indra–Robeschnicki, Dünaburg–Wilna, Wilna– Minsk, Wilna–Kauen, Lentvaris–Varena, Podbrodzie–Postawy, Wilna–Dünaburg, Tschernigowskaja–Apscherowskaja und Pscherowskaja–Ssamurskaja. Die Telefonverbindung zwischen dem Ort Sillamägi und dem Bergwerk Wiiwikanna wurde durch Zusammenbinden der Telefondrähte unterbrochen. In der Nacht zum 18. 11. 1942 wurde die Telefonverbindung zwischen der Insel Worms und Hapsal unterbrochen. Es wurde festgestellt, daß die Täter auf Worms das Seekabel von der Landlinie abgeschraubt hatten. Im Bereich eines AOK wurden silbergraue Leichtmetallphielen mit der Aufschrift „Marschgetränk“, wie sie im Sommer an die Truppe ausgegeben worden waren, gefunden. Nach Öffnung des Deckels, der leicht abzuheben war, erfolgte eine Explosion, die zur Handverletzung führte. Im Raum nördlich Ljuban fanden Kinder 2 Taschenuhren. Beim Spielen mit diesen Uhren explodierten diese und verursachten Brandwunden durch eine phosphorhaltige Substanz. Von russischen Flugzeugen sollen Salzstreuer abgeworfen worden sein, die bei Benutzung explodieren. Minen, die bei Sabotagehandlungen Verwendung finden sollten, wurden für den Transport in Brot eingebacken. Ein im Bereich des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD Lettland festgenommener Fallschirmspringer war im Besitze gefälschter Dienstausweise der Aussenstelle Libau. Es handelt sich um Totalfälschungen, die in den Fallschirmspringerschulen in Moskau und Petersburg hergestellt worden sind. Ukrainische Widerstandsbewegung: Im Reichskommissariat Ukraine sowie im Generalgouvernement konnten eine Anzahl im Druckverfahren hergestellte Broschüren der illegalen Bandera-Gruppe erfaßt werden, die sich inhaltlich mit der Person des vor kurzem in Kiew erschossenen Bandera-Funktionärs Dmitro Miron befassen. Die Broschüren, die ein Lichtbild des Miron enthalten, haben vor allem den Zweck, den erschossenen Parteiführer zu einem ukrainischen Nationalhelden zu stempeln. In den Broschüren heisst es unter anderem: „Das polnische Gefängnis hat Miron nicht bezwungen. Das NKWD konnte ihn in seinen Schlingen nicht fangen; er fiel im Kampfe gegen den deutschen Imperialismus, den grausamen Okkupanten der Ukraine. Deutschland, das sich als Verbündeter und Befreier ausgibt, will die Ukraine nicht selbständig und vereinigt sehen; es will nicht, daß der ukrainische Staat existiert; es will die Ukraine zu seiner Kolonie und das ukrainische Volk zu leibeigenen Sklaven machen. Es ist jedoch noch niemandem gelungen, das freiheitsliebende ukrainische Volk in Fesseln zu legen. Es hat immer gekämpft, und es wird weiter gegen jeden kämpfen, der es knechten will. Das ukrainische Volk wird im Kampf den selbständigen ukrainischen Staat erobern gegen den Willen aller Imperialisten, die die reichen ukrainischen Länder an sich reissen wollen. Möge der deutsche Okkupant sich heute an den Erfolgen des Mordes ergötzen. Betäubt vom Siege an allen

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Fronten sieht er nicht, daß er durch seine törichte Politik der Unterdrückung, der Gewalttaten und Morde seine eigene Katastrophe herbeiführt. Der Kampf, den wir jetzt führen, ist der Kampf des ganzen ukrainischen Volkes für den ukrainischen Staat, für die Ehre der Nation, für die Würde und das bessere Leben der Menschen.“ Unter der ukrainischen Bevölkerung des Kreises Jaslo hat ein an Bäumen, Zäunen, Telegrafenmasten usw. angeheftetes Flugblatt der illegalen Bandera-Gruppe erhebliches Aufsehen hervorgerufen. Das Flugblatt nimmt zu der Bandenfrage Stellung. In ihm wird unter anderem ausgeführt: „Polen und Bolschewisten können Partisanen spielen, soviel sie wollen; es würde uns nicht interessieren, wenn sich die Schärfe des Partisanenkampfes nicht auch gegen uns richtete. Das Gebiet bolschewistischer Partisanentätigkeit ist teilweise ukrainischer Boden. Weder im Moskowiterland noch in Kernpolen gibt es Partisanen. Stalin und Sikorski haben absichtlich für diese Zwecke unsere Gebiete ausgewählt. Sie haben vorausgesehen, daß die Deutschen die Bevölkerung dieser Gebiete pazifizieren werden. Stalin und Sikorski wollten die russische und polnische Bevölkerung vor den deutschen Vergeltungsmaßnahmen behüten. Sie wollten, daß wir Ukrainer die Rechnung für die Ausschreitungen ihrer Parteigänger bezahlen. Alle Bemühungen Stalins, gleich nach dem Einmarsch der Deutschen den Partisanenkampf auszulösen, haben keinen Erfolg gehabt. Dies ist dem Einsatz der OUN zu verdanken, die nur das Volk im Kampf für einen selbständigen Staat führt. Das alles hält aber die deutschen Strafexpeditionen vor neuen Repressalien, dem Anzünden der Dörfer und dem Erschiessen waffenloser Ukrainer nicht ab. Sie wollen uns bei dieser Gelegenheit vernichten. Welche Stellung nehmen wir zum Partisanenkampf ein? Wir haben lediglich ukrainische Interessen im Auge. Wir kämpfen für einen ukrainischen Staat und nicht für einen fremden Imperialismus. Wir müssen unsere Kräfte schonen, da wir daran glauben, daß der Krieg in seiner Endphase uns die Gelegenheit zum Kampf und Aufbau des ukrainischen Staates geben wird. Für uns ist jeder Mann zu schade, der für die Interessen Moskaus oder Berlins stirbt. Wir sind den Partisanen gegenüber feindlich eingestellt und bekämpfen sie deshalb. Unsere Zeit ist noch nicht gekommen. Sie muß uns unter den Fahnen der OUN und unter einer politischen Führung geeint vorfinden. Nicht der Tausch einer Okkupationsmacht gegen eine andere, sondern die Selbständigkeit ist das Ziel, nicht der Partisanenkampf, sondern die nationale Befreiungsrevolution der ukrainischen Massen.“ […] B. Lebensgebiete Das Hochschulwesen und die Wissenschaft in der Sowjetunion2 (Erörterungsergebnisse aus dem Bereich der Heeresgruppe Mitte): Notwendige Voraussetzung für eine absolute und dauerhafte Herrschaft des Bolschewismus war die Schaffung einer eindeutig bolschewistisch ausgerichteten und – in diesem Sinne – kulturtragenden Intelligenzschicht, die das öffentliche Leben beherrschen und das Privatleben beeinflussen und gestalten konnte. Die Sowjetunion machte daher alle Anstrengungen, um eine politisch verläßliche und gleichzeitig leistungsmäßig wertvolle Intelligenz heranzuziehen. Das Studium geeignet erscheinender junger Leute wurde in grosszügigster Weise gefördert. Die Entwicklung des Hochschulwesens: Einschneidende Reformen bezweckten, im Sinne revolutionär marxistisch-leninistischer Forderungen eine eigene proletarische Intelligenzschicht zu schaffen. Die Autonomie der Hochschulen – eine Einrichtung der KerenskiRevolution – blieb zwar in den ersten Jahren offiziell noch bestehen; praktisch war sie aber durch die Institution der Politischen Kommissare aufgehoben, die den Fakultäten beigegeben waren und deren Aufgabe es war, Professoren und Studenten im Sinne der

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marxistischen Lehre zu schulen und gegnerische Elemente und Bestrebungen auszuschalten. Kolleggelder und Taxen wurden abgeschafft und das Studium für alle Sowjetbürger kostenfrei gestaltet. Das Recht zum Besuch einer Hochschule wurde an keine weiteren Voraussetzungen als die Erreichung des 16. Lebensjahres gebunden. Die Zahl der Prüfungen wurde eingeschränkt; soweit sie noch abgehalten wurden, geschah dies in Form der Gruppenprüfung, die keine genaue Beurteilung des Wissens der einzelnen Kandidaten ermöglichte und die Dauer des Studiums verkürzte. Da es sich jedoch bald als unmöglich erwies, Arbeiter und Bauern ohne jede Vorbildung auf die Hochschule zu schicken, wurden im Jahre 1919 die ersten sogenannten Arbeiterfakultäten (Rabfaki) gegründet, Schulen, die ursprünglich meist Universitäten angegliedert, in denen dem angehenden proletarischen Hochschüler in drei bis 4 Jahren die Kenntnisse eines Abiturienten beigebracht werden sollten. Zum Rabfak-Studium wurden nur von Partei-, Jugend- oder Gewerkschaftsorganisationen empfohlene Personen von einwandfreier proletarischer Abstammung zugelassen. Die Zahl der Arbeiterfakultäten stieg bis zum Jahre 1929 allmählich an. Mit der um das Jahr 1930 einsetzenden Industrialisierung stieg der Bedarf der Sowjetunion an „Spezialisten“ jedoch sprunghaft an. Die Zahl der Rabfaks wurde stark vermehrt; sie wird für das Jahr 1932 mit 1025 mit 339 500 Schülern angegeben. Gleichzeitig wurde aber auch der Ausbau des Mittelschulnetzes vorwärtsgetrieben, da man sich über die Unzulänglichkeit des Rabfak-Studiums infolge mangelnder Bildungsvoraussetzungen nicht im Zweifel war. Die Zahl der Rabfaks sank dann auch vom Jahre 1935 bis zum Jahre 1938 rapide ab, und schon 1939/40 hat es praktisch keine Rabfaks mehr gegeben. Obwohl die Rabfaks in fachlicher Hinsicht nicht das gehalten haben, was von ihnen erwartet wurde, haben sie aber wesentlich dazu beigetragen, dass innerhalb weniger Jahre eine neue Sowjetintelligenz als wesentliche Voraussetzung für die Durchführung des Industrialisierungs- und Rüstungsprogramms entstehen konnte. Um den einzelnen Volkskommissariaten selbst die Möglichkeit zu geben, für die Auffüllung ihrer „Spezialistenkader“ zu sorgen, wurden die Hochschulen den fachlich zuständigen Volkskommissariaten unterstellt; auch eine Anzahl von Universitäten wurde aufgelöst und in fachlich ausgerichtete Institute verwandelt. Die Forderung, fachlich baldmöglichst ausgebildete Kräfte für die Aufgaben der Fünfjahrpläne einsetzen zu können, führte zur Aufgabe eines Teils der Reformen der Revolutionszeit. Der angehende Student musste wieder den Nachweis entsprechender Kenntnisse erbringen, die Dauer des Studiums, die vielfach verkürzt worden war, wurde verlängert, Examen eingeführt, die in Form der Einzelprüfung abgehalten wurden, und Bestimmungen über die Ausbildung des Hochschullehrernachwuchses erlassen. Auf Grund dieser Maßnahmen hob sich das Niveau der sowjetischen Hochschulen, das infolge der Fehler und Mißgriffe der Revolutionszeit stark abgesunken war. Die Verhältnisse auf wissenschaftlichem Gebiet strebten, wie sich ein russischer Universitätsprofessor ausdrückte, sichtlich der Konsolidierung zu. Die letzte einschneidende Änderung auf dem Gebiet des Hochschulwesens trat im Jahre 1940 ein: An Mittel- und Hochschulen wurden Schultaxen eingeführt und damit auf eine grundlegende kulturelle marxistische Forderung – freie Bildungsmöglichkeit für jedermann – Verzicht geleistet. Gleichzeitig wurden die Stipendien, die bis dahin mit jedem Studienplatz verbunden waren, gestrichen; sie wurden künftig nur mehr in Ausnahmefällen verliehen. 1941 kehrte man auch wieder zum System der einheitlichen Universität zurück und gab denjenigen Universitäten, die 1930 in verschiedene Institute aufgelöst worden waren, ihren ursprünglichen Charakter wieder. Der Aufbau der Hochschulen in der Sowjetunion: Die Hochschulautonomie wurde in der

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ersten Zeit der bolschewistischen Herrschaft dahingehend ausgebaut, dass ausser Professoren und Dozenten auch die Studenten, das wissenschaftliche und das sonstige Personal das aktive und passive Wahlrecht in die akademischen Behörden erhielten, deren Befugnisse allerdings durch die gleichzeitig eingeführte Institution der Politischen Kommissare weitgehend eingeschränkt wurde. Mit einer Verordnung des Rates der Volkskommissare vom 3. 7. 1922 wurde die praktisch nie bestandene Hochschulautonomie auch de jure aufgehoben, und die Hochschulen wurden unmittelbar der staatlichen Aufsicht unterstellt. Mit ihrem internen Aufbau erfuhren vor allem die Universitäten nach der bolschewistischen Revolution eine weitgehende Umgestaltung: Die juristischen Fakultäten wurden aufgelöst, die historisch-philologischen zu „sozialwissenschaftlichen“ Fakultäten umgestaltet, die Lehrstühle für Philosophie teils belassen, teils in solche für Politische Wissenschaften – Marxismus, Dialektischer Materialismus usw. – umgewandelt. Spätere Reformen brachten die Wiedereinführung juristischer Fakultäten, die allerdings keine grosse Bedeutung erlangten. Im Jahre 1934 betrug die Zahl der Juristen nur 1,1 % aller Hochschüler, denn das Rechtsstudium war nicht Voraussetzung für die Ausübung ausgesprochen juristischer Berufe – Gericht, Prokurator, Advokatur –, deren Angehörige vielmehr ohne Rücksicht auf ihre Vorbildung ernannt wurden. Aus den ehemaligen historisch-philologischen („sozialwissenschaftlichen“) und naturwissenschaftlichen („physikalisch-mathematischen“) Fakultäten wurden pädagogische Fakultäten geschaffen, denen die Ausbildung der Mittelschullehrer übertragen wurde. Als es im Jahre 1930 zugleich mit der Unterstellung der einzelnen Fachhochschulen unter die fachlich zuständigen Volkskommissariate zur Auflösung und Umwandlung einer Anzahl von Universitäten in Fachinstitute kam, blieben andere – z. B. die Universitäten Leningrad, Moskau, Gorki, Kasan, Woronesh – zwar bestehen, doch wurden die medizinischen und 1931 auch die juristischen Fakultäten herausgenommen und in selbständige Institute umgewandelt. Den verbliebenen Rumpfuniversitäten wurde die Aufgabe gestellt, wissenschaftlichen Nachwuchs heranzubilden, künftige Hochschullehrer in den allgemeinen theoretischen Disziplinen zu unterrichten und darüber hinaus wissenschaftliche, betriebstechnische und politische Erkenntnisse in den Massen der Werktätigen zu verbreiten. Die Universitäten gliederten sich in eine grosse Zahl von verschiedenen Fakultäten; es gab z. B. [eine] biologische, chemische, physikalische, physikalisch-mathematische, mechanisch-mathematische, geologisch-bodenkundlich-geographische, historische und eine orientalische Fakultät. Im Jahre 1941 war beabsichtigt, wieder zum System der einheitlichen Universitäten zurückzukehren und die 1930/31 selbständig gewordenen pädagogischen, medizinischen und juristischen Institute zu geschlossenen Universitäten zu vereinigen; der Ausbruch des Krieges hat die Durchführung dieser Pläne verhindert. Die bei weitem grösste Verbreitung in der Sowjetunion hatten die industriellen Hochschulen, die sogenannten Ingenieurinstitute sowie die landwirtschaftlichen Hochschulen gefunden, in denen mehr als die Hälfte aller Hochschüler studierte. Auch die Ingenieurinstitute waren stark spezialisiert; es gab z. B. Institute für Autobau, Flugmotorenbau, für Telegrafenwesen, für Radio und drahtlose Telegrafie usw. Die industriellen Institute hielten enge Verbindung mit der Praxis; die Studenten hatten während der letzten Jahre ihres Studiums einige Monate praktisch tätig zu sein. Neben den beiden allgemeinen Typen der sowjetischen Hochschule, dem Institut und der Universität, gab es eine grosse Zahl von Spezialhochschulen aller Art: Partei- und Gewerkschaftshochschulen, Schulen der Roten Armee und des NKWD. Sowohl die Universitäten als auch eigene Fernunterrichtsinstitute veranstalteten Fernkurse, von denen besonders die Sprachkurse des Zentralen Fernunter-

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richtsinstitutes für Fremdsprachen des Volkskommissariats für Bildungswesen weiteste Verbreitung gefunden haben, da die Teilnahme an diesen Kursen für alle Lehrer einer Fremdsprache an den Mittelschulen Pflicht war. Die Dauer des Studiums an den Universitäten und Instituten betrug zuletzt 5 Jahre; an den Spezialhochschulen war sie vielfach geringer. Die Voraussetzungen zum Besuch einer Hochschule: Die erste Voraussetzung zum Besuch einer Hochschule der Sowjetunion war in den letzten Jahren der Nachweis der erfolgreichen Absolvierung einer 10-klassigen Mittelschule bzw. der einer 7-klassigen Mittelschule und eines 3-jährigen beliebigen Technikums. Die Rabfaks waren – wie bereits dargelegt – in den letzten Jahren fast völlig verschwunden und auch die Erwachsenenabendschulen, die an ihre Stelle hätten treten sollen, hatten sich aus Mangel an Schülern nicht halten können. Nachdem einmal ein bestimmter Bildungsgrad zum Besuch einer Hochschule verlangt wurde, wurde als weitere Voraussetzung die erfolgreiche Ablegung einer Aufnahmeprüfung an der betreffenden Hochschule selbst verlangt. Diese Prüfung, von der nur jene Bewerber ausgenommen waren, die ihre Mittelschule mit dem Prädikat „ausgezeichnet“ absolviert hatten, war aus sämtlichen Lehrfächern der 10-klassigen Mittelschule abzulegen und zwar aus russischer Sprache, Literatur, Arithmetik, Algebra, Geometrie, Trigonometrie, Naturkunde, Geschichte, Verfassung der Sowjetunion, Geographie, Physik, Chemie, Geologie, Mineralogie, Astronomie, Militärwesen und einer Fremdsprache. Da das Studium bis Oktober 1940 kostenlos und mit einem Stipendium verbunden war, musste bei der Aufnahme streng gesiebt werden, da der Andrang naturgemäß sehr gross war und in einem sehr ungünstigen Verhältnis zu den verfügbaren Studienplätzen stand. So konnten z. B. von 1242 Kandidaten, die sich 1938 um Aufnahme in das Medizinische Institut in Smolensk bewarben, nur 600 berücksichtigt werden. An den Moskauer Hochschulen sind die Verhältnisse nach Angabe der befragten Fachkreise noch schlimmer gewesen; dort hätten regelmäßig 3/4 der Bewerber aus Mangel an Studienplätzen abgelehnt werden müssen. Hier habe es sich gezeigt, dass die Absolventen der Moskauer Mittelschulen den Mittelschülern aus der Provinz wissensmäßig überlegen waren. Vom Besuch der Mittel- und Hochschulen waren alle Personen ausgeschlossen, die als politisch unverläßlich [sic] galten. Der Studienbetrieb: Der Unterrichtsbetrieb an einer sowjetischen Hochschule unterschied sich wenig von dem einer deutschen Oberschule. Die einzelnen Jahrgänge waren zu Klassen („Kurse“) zusammengefasst, Besuch der Vorlesungen und vorgeschriebenen Übungen war Pflicht, Versäumnisse mussten durch ärztliche Krankheitsbescheinigungen entschuldigt und belegt werden. Die Aufsicht über die Einhaltung dieser Vorschriften und die Führung einer Art „Klassenbuch“ war den „Jahrgangsältesten“ übertragen, die von ihren Kameraden gewählt wurden. Als im Oktober 1940 den meisten Studenten die Stipendien entzogen und gleichzeitig Schulgeld eingeführt wurde, entfiel die Pflicht zum Besuch der Vorlesungen, da sich viele Studenten ihren Unterhalt in Halbtagsbeschäftigungen verdienen mussten. Der Versorgungsplan gestattete in der Regel keine individuellen Wünsche; es mussten, zusammen mit dem ganzen Kurs, die Vorlesungen gehört werden, die der Stundenplan vorsah. Der Unterricht schied sich in einen theoretischen und einen praktischen Teil, die sich gegenseitig ergänzten. Die Lehrpläne der sowjetischen Hochschulen zeigen, neben den üblichen Lehrfächern, folgende Besonderheiten: Die Studenten aller Fachrichtungen hatten Pflichtvorlesungen über die Grundlagen des Marxismus-Leninismus, Politische Ökonomie, Dialektischen Materialismus, über Militärwesen und Militärwissenschaften zu hören; ferner musste eine Fremdsprache – Deutsch,

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Französisch oder Englisch – gehört werden und für einige Fachrichtungen war auch noch die lateinische Sprache Pflichtfach, so für Mediziner, Pharmazeuten und Juristen. Auch Turnen („Fiskultur“) zählte zu den Pflichtfächern. Der Student einer Hochschule der Sowjetunion erhielt bei seiner Aufnahme ein Legitimationsbüchlein mit Lichtbild, dessen Gültigkeit alljährlich verlängert wurde, und an Stelle des Meldungsbuches der deutschen Hochschulen ein sogenanntes Prüfungsbuch, in dem die abgelegten Prüfungen mit Klassifikation eingetragen wurden. Alljährlich zweimal, am Ende eines jeden Halbjahres, mussten aus sämtlichen jeweiligen Unterrichtsfächern Prüfungen abgelegt werden; auch die Leistungen in den praktischen Übungen und im Turnen wurden bewertet. Den Abschluss des Studiums bildete ein Staatsexamen vor einer Kommission. An technischen Instituten bestand das Staatsexamen in einer grösseren selbständigen Arbeit, die rechnerisch und konstruktiv durchzuführen war. Diese Arbeit wurde der Staatsprüfungskommission vorgelegt; der Professor, der die Aufgabe gestellt und die Ausführung überwacht hatte, referierte darüber. Dem Kandidaten wurden sodann von Seiten der Kommissionsmitglieder noch eine Reihe von Fragen gestellt, meist die Arbeit selbst betreffend, mit deren Beantwortung das Diplom der Hochschule erworben war. Das Diplom selbst wurde dem Absolventen nach bestandenem Staatsexamen jedoch nicht ausgefolgt; dies geschah erst nach längerer Tätigkeit an dem ihm zugewiesenen Dienstort durch seine dortige vorgesetzte Stelle. Die männlichen Hochschulabsolventen, soweit sie noch nicht in der Roten Armee gedient haben, wurden gleich nach Abschluss ihrer Studien zur Wehrdienstleistung einberufen und in der Regel einem ihrer fachlichen Ausbildung entsprechenden Truppenteil zugewiesen. Altersmäßiger Aufbau und herkunftsmäßige Zusammensetzung der Studentenschaft, Frauenstudium: Der altersmäßige Aufbau der Studentenschaft hat mit dem Verschwinden der Rabfak-Studenten von den Hochschulen eine Veränderung erfahren, da die Mittelschulabsolventen, die nunmehr an die Stelle der Rabfak-Studenten traten, im Durchschnitt wesentlich jünger waren. Die 10-klassige Mittelschule entliess ihre Absolventen im Alter von 17–18 Jahren; anschliessend genügte ein Teil der männlichen Absolventen seiner Wehrpflicht, während der Rest, der das wehrpflichtige Alter von 18 Jahren noch nicht erreicht hatte, sich bis nach Beendigung des Studiums zurückstellen liess. Das Durchschnittsalter der Studenten und Studentinnen im ersten Studienjahr hat zwischen 19 und 20 Jahren gelegen. Über die herkunftsmäßige Zusammensetzung der Studentenschaft hat sich auch zur Sowjetzeit kein klares Bild gewinnen lassen, da nach den Beobachtungen der befragten ehemaligen Sowjetprofessoren jeder Student bestrebt gewesen sei, seine etwaige nichtproletarische Herkunft zu verbergen. Die Zahl der Studenten bäuerlicher Abkunft scheint, auch nach amtlichen Statistiken, zurückgegangen zu sein: Ihre Zahl wird für 1926 mit 22,2 %, für das Jahr 1932 aber nur mehr mit 16,3 % angegeben. Das Verhältnis zwischen Professoren und Studenten sei im allgemeinen gut und kameradschaftlich gewesen. Das Frauenstudium war in der Sowjetunion stark verbreitet. Nach einer amtlichen Statistik aus dem Jahre 1938 betrug der Anteil der Frauen 43,1 % aller Hochschulstudenten. Die Frauen studierten vor allem an den pädagogischen und medizinischen Instituten und nur in viel geringerer Zahl auch an den industriellen und landwirtschaftlichen Hochschulen. An den pädagogischen Instituten seien sie in manchen Fakultäten so zahlreich gewesen, dass man, nach den Worten eines russischen Professors, den Eindruck eines Mädchenpensionats gehabt habe. Der Hundertsatz der Frauen an den Ingenieurinstituten wird mit etwa 15 bis 20 angegeben; an den pädagogischen Instituten habe er 50 und mehr und an den medizinischen Instituten 60 bis 65 betragen.

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Prüfungserfolge und Leistungen der Studenten: Der Wissensstand der Studenten, der nach der bolschewistischen Revolution katastrophal abgesunken war, hatte sich in den letzten Jahren mit der Verschärfung der Prüfungsordnung und dem Verschwinden der Rabfak-Studenten von den Hochschulen wieder gehoben. Noch in den Jahren 1928–30, als die Mehrzahl der Studenten über die Rabfak auf die Hochschule kam, war das Niveau ein sehr tiefes. Die meisten dieser Studenten bestanden, trotz der damals noch sehr leichten Examen, ihre Prüfungen erst nach einigen Mißerfolgen und auch dann weniger auf Grund ihrer Kenntnisse, als um ihrer „Ausdauer“ willen. Nach Angaben der befragten Fachkreise ist jedoch auch das Wissen, das später die Absolventen der 10-klassigen Mittelschule auf die Hochschule mitbrachten, vielfach zu gering gewesen; es habe vor allem keinen Vergleich mit den Kenntnissen ausgehalten, die ein Gymnasium der Vorrevolutionszeit vermittelte. Die Ursachen dafür hatten nicht im Aufbau und Lehrplan der sowjetischen Mittelschule gelegen, die beide geschickt und zweckentsprechend gemacht gewesen waren, sondern vielmehr in der Unfähigkeit der Lehrer und der mangelnden Disziplin der Schüler. Wegen ungenügender Wissensgrundlagen blieb ein verhältnismäßig grosser Teil der Studenten im 1. und 2. Studienjahr zurück. Bei der Abschlussprüfung – dem Staatsexamen – sei allerdings praktisch niemand mehr durchgefallen, auch wenn die Kenntnisse einzelner Kandidaten nicht voll entsprachen, da alle angehenden „Spezialisten“ auf den ihnen zugewiesenen Arbeitsstellen erwartet und benötigt wurden. Übereinstimmend wird von russischen Hochschullehrern hervorgehoben, dass der Mangel an selbständiger Arbeit unter den Studenten auffällig gewesen sei. Die Organisation von Studenten und Dozenten: Die Studentenschaft war straff organisiert und zwar sowohl in fachlicher als auch in politischer Beziehung. Daneben gab es noch zahlreiche sportliche, wehrpolitische und kulturelle Organisationen. Fachlich war der Student in der Gewerkschaft jenes Volkskommissariats organisiert, dem sein Institut oder seine Fakultät unterstellt war, angehende Lehrer also z. B. in der Gewerkschaft der Bildungsarbeiter, Studenten der Institute für Bauingenieure in der Gewerkschaft der Bauarbeiter usw. An politischen Organisationen gab es die Hochschulorganisationen der kommunistischen Partei und des kommunistischen Jugendverbandes (Komsomol), ferner die Rote Hilfe, bei denen die Mitgliedschaft mehr oder weniger freiwillig war – ebenso wie bei den sportlichen und kulturellen Organisationen –, während es moralische Pflicht eines jeden Studenten war, Mitglied der Gewerkschaft zu sein. Diese Mitgliedschaft brachte, mit Ausnahme eines monatlichen Beitrages, keine weitere Belastung mit sich. Die Studenten gehörten jedoch zum überwiegenden Teil dem Komsomol an. Amtliche Statistiken darüber liegen hier nicht vor; von Professoren und Studenten wird die Zahl der Komsomolmitglieder auf etwa 70–80 % der Hörerschaft geschätzt. Von dieser Seite wird auch betont, dass die Zugehörigkeit zum kommunistischen Jugendverband noch kein weltanschauliches Bekenntnis bedeutet habe, da es in der Regel reine Zweckmäßigkeitsgründe waren, die den Eintritt veranlassten; vielfach seien die Studenten schon in der Mittelschule dem Komsomol beigetreten, um bei der Aufnahmeprüfung für die Hochschule grössere Chancen zu haben. Aber auch die Nichtmitglieder seien nur zum geringsten Teil aus weltanschaulichen Gründen nicht beigetreten: Manche von ihnen wären wegen ihrer nichtproletarischen Abstammung abgelehnt worden, andere wegen mangelnder politischer Aktivität und Einsatzfreudigkeit; bei vielen seien es Bequemlichkeitsgründe gewesen. Die organisatorische Arbeit wurde von Komsomolbüros erledigt, die an den einzelnen Jahrgängen oder Abteilungen (Fakultäten) der Hochschule bestanden. Von diesen Büros wurden in der Regel auch die Wandzeitungen redigiert. Für die ganze Schule bestand ein

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Komitee, das dem Rayonkomsomolkomitee unterstellt war. Die im Komsomolkomitee und in den Büros tätigen Studenten blieben wegen ihrer starken politischen Arbeitsüberlastung in der Regel im Studium zurück; sie genossen jedoch alle Vorteile jener Studenten, die ihre Prüfungen mit Auszeichnung ablegten („Otlitschni“). Die wenigen Parteimitglieder unter den Studenten hatten eine eigene Hochschulparteiorganisation mit einem Parteibüro. Die praktische politische Arbeit an der Hochschule spielte sich in den sogenannten „Akademischen Gruppen“ ab. Die Jahrgänge waren in Gruppen von etwa 30 Personen unterteilt – zahlenmäßig schwache Lehrgänge blieben ungeteilt –, an deren Spitze ein Dreierkomitee stand. Diesem Komitee gehörten der Komsomolorganisator, der Starost (Jahrgangsältester) und der Gewerkschaftsfunktionär an. Der Komsomolorganisator, der gleichzeitig Mitglied des Komsomolkomitees der Hochschule war, hatte die politische Arbeit in der Gruppe zu leiten. Der von der Gruppe gewählte Starost war sein Gehilfe, dem ferner die Aufgabe oblag, für die Disziplin in der Gruppe zu sorgen, die Anwesenheitslisten im Unterricht zu führen und sich um den studienmäßigen Fortschritt der Gruppenangehörigen zu kümmern. Aufgabe des Dreierkomitees war es, für die Planerfüllung zu sorgen, darauf zu achten, dass kein Student im Studium zurückblieb und dass die Anordnungen und Richtlinien des Obersten Sowjets und der Volkskommissariate vollständig und genau befolgt wurden. Der Komsomol und seine Mitglieder hatten aktiven Einfluss auf die Nichtkomsomolzen nach den Richtlinien der Staats- und Parteiführung zu nehmen. Die Dozentenschaft verfügte über keine eigene Organisation; sie war ebenfalls in der Gewerkschaft organisiert. Die Komsomolmitglieder unter den jüngeren Lehrern, Assistenten und Dozenten waren dem Komsomolkomitee unterstellt, die Parteimitglieder unter den Professoren der Parteiorganisation. Trotz mancher Vorteile, die den Parteimitgliedern geboten wurden, war ihre Zahl auch unter den Professoren nicht gross. Abgesehen von den Inhabern der ausgesprochen politischen Lehrstühle – Grundlagen des Marxismus-Leninismus, Politische Ökonomie, Dialektischer Materialismus, Geschichte der UdSSR, der kommunistischen Partei und des Bürgerkrieges – hat es nach Bekundung ehemals sowjetischer Professoren und Dozenten unter ihnen wenig überzeugte Kommunisten gegeben, da die Mehrzahl der Professoren ihre Ausbildung noch in der Vorrevolutionszeit erfahren hatte und weltanschaulich nicht auf marxistischem Boden stand. Professoren, die sich als „parteilose Nichtkommunisten“ bezeichneten und in ihren Vorlesungen und Veröffentlichungen entsprechend vorsichtig waren, haben nach den gleichen Angaben im allgemeinen keine Schwierigkeiten gehabt. Man habe sie wohl als unverläßlich [sic] angesehen; da es aber nicht möglich gewesen sei, sie durch kommunistische Fachleute zu ersetzen, habe man sie auf den Lehrstühlen belassen. Die Parteilinie habe jedoch immer eingehalten werden müssen, und der harmloseste Verstoss in dieser Richtung konnte zur Entziehung der Lehrbefugnisse führen. Der ehemalige Althistoriker an der Moskauer Universität, Professor Suschalski, hatte in einer Vorlesung über die Wirtschaftsverfassung Athens zur solonischen Zeit eine Feststellung getroffen, die im Widerspruch zu einer Behauptung von Engels stand. Nach der Vorlesung wurde Professor S. von einem Studenten, der seinen Engels genau kannte, auf diesen Widerspruch hingewiesen und um Aufklärung gebeten. Unvorsichtigerweise blieb der Professor bei seiner Ansicht, die er durch das Ergebnis neuester Forschung stützen konnte, und bemerkte im Laufe des Gespräches, dass diese neuen Forschungsergebnisse Engels noch nicht zur Verfügung gestanden seien. Der Student machte von dem Vorfall der Universitätsbehörde Meldung und Professor S. wurde wegen Verletzung der Parteilinie – er hatte eine Behauptung von Engels für veraltet erklärt – die Professur entzogen.

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Für die Einhaltung der Parteilinie sorgten in erster Linie die Aktivisten unter den Komsomolzen, und es sei öfters vorgekommen, dass, vor allem bei politischen Fächern, dem vortragenden Lehrer von dieser Seite während des Unterrichtes widersprochen wurde. Hauptsächlich Juden hätten sich auf diese Weise hervorgetan und mit ihrer Rabulistik den Lehrer nicht selten in Verlegenheit gebracht. Auch von Einmischungen der politischen Organisationen in reine Unterrichts- und Verwaltungsangelegenheiten der Hochschulen wird berichtet: Ein Professor am Institut für Radiotechnik in Moskau wurde von der Parteiorganisation dieses Instituts vorgeladen und ihm Vorhalte darüber gemacht, dass er in der Beurteilung der Leistungen seiner Studenten zu streng sei. Eine offizielle Verbindung zwischen dem Komsomolkomitee oder der Parteiorganisation an den Hochschulen zum NKWD scheint nicht bestanden zu haben; dagegen wird es von den Gewährsleuten als sicher angenommen, dass es unter den Studenten und Professoren je eine grössere Zahl von Geheimagenten des NKWD gegeben habe. Die Studien- und Begabtenförderung in der Sowjetunion: Der Besuch von Volks- und Mittelschulen, Technika, Rabfaks und Hochschulen war ursprünglich kostenlos. RabfakStudenten und Hochschüler erhielten überdies regelmäßig ein Stipendium, falls das Einkommen der Eltern nicht eine gewisse, verhältnismäßig hoch gezogene Grenze überschritt. Die Höhe des Stipendiums war an den einzelnen Hochschulen verschieden, in Moskau im allgemeinen höher als in den Provinzstädten; regelmäßig war es nach der Zahl der Studienjahre gestaffelt. Am medizinischen Institut in Smolensk betrug die Höhe des Stipendiums z. B. im ersten Studienjahr 125,– Rubel monatlich, im zweiten und dritten 150,– Rubel monatlich, im vierten 175,– und im fünften Studienjahr 200,– Rubel monatlich. An einem Moskauer Ingenieurinstitut lagen die Sätze zwischen 145,– und 210,– Rubel. Für verdiente Partei-, Komsomol- und Gewerkschaftsfunktionäre waren eine geringe Zahl sogenannter „Stalinstipendien“ vorgesehen, die etwa 500,– Rubel monatlich betrugen. Studenten, deren Eltern nicht am Studienort wohnten, konnten in Gemeinschaftshäusern kostenlos oder gegen geringes Entgelt – es wurden Beträge von 5,– bis 15,– Rubel monatlich genannt – Quartier finden. Diese Studentenheime seien im allgemeinen gut und mit einigem Komfort ausgestattet gewesen, die Unterbringung erfolgte in Zimmern zu 4 bis 8 Personen. An den Hochschulen gab es regelmäßig eigene Studentenvolksküchen, in denen die Studenten ihre Mahlzeiten verhältnismäßig billig einnehmen konnten. Mit dem Stipendium habe man auch ohne elterlichen Zuschuss ein Auskommen finden können, wenn man seine Ansprüche auf das allergeringste Maß herunterschraubte und auf jedes Vergnügen verzichtete. Die meisten Studenten hätten jedoch noch Zuwendungen von zu Hause erhalten, manche in Geld, die meisten in Form von Lebensmittelsendungen. Von seinem Stipendium hatte der Student Staatsobligationen zu zeichnen – es war üblich, ein Monatseinkommen dafür zur Verfügung zu stellen – und die Beiträge für Gewerkschaft, Komsomol und sonstige Organisationen zu leisten. Darüber hinaus entstanden keine Auslagen; ambulatorische ärztliche Behandlung und Spitalaufenthalt waren für jedermann kostenlos. Im Oktober 1940 trat dann die bereits erwähnte einschneidende Änderung der bisherigen Hochschulpolitik ein: An den oberen drei Klassen der Mittelschule wurde Schulgeld eingeführt; die Rabfaks waren zu diesem Zeitpunkt fast restlos verschwunden. Gleichzeitig wurden die Stipendien an den Hochschulen generell gestrichen und nur in Ausnahmefällen belassen: Studenten, die ihre Prüfungen mit der Klassifikation „ausgezeichnet“ abgelegt hatten, die diesen gleichgestellten Aktivisten unter den Komsomol- und Parteimit-

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gliedern und die Kinder von Invaliden. Die Höhe des Schulgeldes – an den Hochschulen 300,– bis 400,– Rubel jährlich – und mehr noch der Fortfall des Stipendiums machte es vielen Hochschülern unmöglich, ihr Studium fortzusetzen. Anderen gelang es, Halbtagsbeschäftigungen – z. B. als Rechnungsführer, Buchhalter, Zeichner oder Hilfsarbeiter – zu finden und mit diesem Verdienst und einem Zuschuss von den Eltern das Studium abzuschliessen. Die Abschaffung des kostenlosen Studiums wurde propagandistisch damit gerechtfertigt, dass die Verdienstmöglichkeiten in der Sowjetunion so gut wären und der allgemeine Lebensstandard so hoch, dass die fernere generelle Gewährung von Stipendien unberechtigt sei und dass auch die Bezahlung des Schulgeldes für niemand ein Opfer bedeuten könne. Die tatsächlichen Ursachen dieser Maßnahmen werden darin gesehen, dass ein Teil der bisher für Schulzwecke vorgesehenen Mittel nunmehr für Rüstungszwecke Verwendung fand. Der grosse Andrang zum Studium habe es ausserdem wahrscheinlich gemacht, dass sich auch eine ausreichende Zahl von Studenten aus den Reihen der neuen, finanziell gut gestellten Sowjetintelligenz finden würde und schliesslich sei im gleichen Jahr – 1940 – ein neuer Schultyp, die Gewerbeschule, eingeführt worden, auf die ein Teil des Zustromes an Studenten habe abgelenkt werden sollen. Obwohl die Stimmung unter Studenten und Professoren über diese plötzliche einschneidende Maßnahme, die auch vielen Studenten im letzten Studienjahr die Möglichkeit nahm, das Studium abzuschliessen, erregt war und die offizielle Begründung als unwahr erkannt wurde, wagte es niemand, sich um eine Milderung der Bestimmung – z. B. die Belassung des bisherigen Zustandes für die letzten Jahrgänge – zu bemühen, da über Anordnungen der Regierung nicht diskutiert werden durfte. Die Ausbildung der Dozenten: Die sowjetischen Hochschulen waren als Lehr- und Forschungsanstalten gedacht. Von den Dozenten wurde daher wieder der Nachweis selbständiger wissenschaftlicher Arbeit gefordert, als die Zeit des Kriegskommunismus überwunden war: Während der ersten Jahre nach der bolschewistischen Revolution war nämlich Hochschullehrer geworden, wer weltanschaulich geeignet erschien, ohne Rücksicht auf fachliche Qualifikation. Als sich die Folgen dieser wahllosen Professorenernennungen auch in einem starken Rückgang der wissenschaftlichen Arbeit bemerkbar machten, wurde die Verleihung einer Dozentur wiederum von der Vorlage einer wissenschaftlichen Arbeit, die von einer staatlichen Kommission geprüft wurde, abhängig gemacht. 1940, mit der Unterstellung der Hochschulen unter die sachlich zuständigen Volkskommissariate, wurde von jedem Volkskommissariat eine derartige Kommission eingesetzt, die jedoch fachlich nicht befriedigend gearbeitet haben, da die Kommissionsmitglieder in ihrer Mehrzahl keine Wissenschaftler, sondern Partei- oder Verwaltungsleute waren. Einige Jahre später wurden diese Kommissionen aufgelöst und die Aufsicht über die Ausbildung des Hochschullehrernachwuchses einer neu gegründeten Akademie der Wissenschaften übertragen. Auf Grund der von der Akademie der Wissenschaften ausgearbeiteten Richtlinien war der Ausbildungsgang der Hochschullehrer folgender: Nach Ablegung der Diplomprüfung an einer Hochschule hatte der angehende Dozent die sogenannte Aspirantur zu durchlaufen, d. h. durch mehrere Jahre als Assistent eines Professors wissenschaftlich zu arbeiten. Während dieser Zeit war eine Prüfung – das sogenannte „Kandidatsminimum“ – abzulegen, die sich auf politische Fächer (Marxismus-Leninismus, Dialektischer Materialismus, Politische Ökonomie) und das gewählte spezielle Fach erstreckte. Nach 3- bis 4-jähriger Tätigkeit als Assistent konnte eine „Kandidatsdissertation“ eingereicht werden,

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mit deren Annahme und erfolgreichen Verteidigung vor einem wissenschaftlichen Forum der Magistertitel und die Bezeichnung „Kandidat der (medizinischen, chemischen, volkswirtschaftlichen usw.) Wissenschaft“ erworben war. Erhielt der nunmehrige Kandidat einen Lehrauftrag, so führte er die Berufsbezeichnung „Dozent“. Zur Erlangung des Doktorgrades war eine zweite, grössere wissenschaftliche Arbeit vorzulegen und zu verteidigen. Ein Doktor konnte ohne weitere Habilitationsarbeit auf einen Lehrstuhl berufen werden und führte dann die Bezeichnung Professor. Die Hochschullehrer der alten Schule konnten sich in der Regel nicht aus innerer Überzeugung zur marxistisch-leninistischen Lehre bekennen. Diesem Umstand wurde auch meist Rechnung getragen: Man liess die parteilosen Wissenschaftler in ihrer Arbeit unbehelligt, soweit sie sich einzufügen bemühten und die Parteilinie nicht verletzten, und übertrug die ausgesprochen politischen Fächer, wie Grundlagen des Marxismus-Leninismus, Dialektischer Materialismus, Politische Ökonomie usw., sowie die Vorlesungen, deren Stoff politisch-weltanschaulich gefärbt gebracht werden musste – z. B. Geschichte vom Beginn der französischen Revolution bis zur Gegenwart, Biologie, Psychologie usw. – den jüngeren „politischen“ Wissenschaftlern, zu deren Ausbildung einige zeitlang in Moskau ein „Institut der Roten Professoren“ bestanden hatte. Das wissenschaftliche Niveau der sowjetischen Hochschulen hat sich nach Angaben von Fachleuten nach dem Tiefstand der Nachrevolutionszeit wesentlich gehoben, vor allem in den letzten Jahren. Die grösseren Institute und Universitäten hätten durchaus europäischen Verhältnissen entsprochen. Unter den älteren Professoren habe es eine ganze Anzahl bedeutender Persönlichkeiten gegeben. Der jüngere Hochschullehrernachwuchs wird allerdings weniger günstig geschildert: Etwa die Hälfte der Assistenten und jüngeren Dozenten seien ihren Leistungen nach als ungeeignet für die Laufbahn eines Hochschullehrers erschienen. Die Steuerung der Wissenschaft: Die Sowjetunion besass in der Akademie der Wissenschaften ein oberstes, zentrales Forschungsamt, das auf die wissenschaftliche Forschungsarbeit der Universitäten und Hochschulen Einfluss nahm. Dies geschah einerseits durch die Kontrolle der Themenstellung: Jedes Vorhaben einer wissenschaftlichen Arbeit musste dem Fakultätsrat vorgelegt werden, der die Aufgabenstellung aufgrund von Weisungen der Akademie genehmigte oder ablehnte bzw. abänderte. Diese Weisungen gingen, ebenso wie die direkten Forschungsaufträge der Akademie und anderer Stellen, z. B. des Verteidigungsrates, über die zuständigen Volkskommissariate den Hochschulen zu. Die Akademie hatte ferner die Möglichkeit, Forschungsaufträge im Rahmen der Ausbildung des Hochschullehrernachwuchses zu vergeben. In den Hochschullaboratorien arbeiteten auch Studenten während ihrer praktischen Laboratoriumstätigkeit an Teilaufgaben grösserer Forschungsaufträge mit, die dem Leiter des betreffenden Laboratoriums zugewiesen worden waren. Auch die Diplomarbeiten an den Ingenieurinstituten waren nur zum Teil theoretische Aufgaben: Sehr oft waren es Pläne und Berechnungen tatsächlich projektierter Anlagen bzw. Details derselben, die von der staatlichen Planungsstelle oder dem Volkskommissariat selbst benötigt wurden. Das NKWD hat nach vorliegenden Angaben keinen unmittelbaren Einfluss auf die Lenkung der Wissenschaft genommen. Doch wird auch hier als sicher angenommen, dass sowohl bei den Volkskommissariaten als auch in der Akademie der Wissenschaften „Fachleute“ als Vertrauensmänner des NKWD eingebaut waren, die über die im Wissenschaftsbereich tätigen Personen berichteten. Aus allen Erörterungen geht zusammenfassend hervor, dass die Entwicklung des Schulwesens und besonders der Hochschuleinrichtungen der Sowjetunion gegenüber der zaristischen Zeit ohne Zweifel einen erheblichen Fortschritt darstellte und auch im Vergleich

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zu den europäischen Kulturnationen als eine Leistung gewertet werden muss. Diese Fortschritte gegenüber der Zarenzeit traten der russischen Bevölkerung so handgreiflich vor die Augen, dass auch ohne die ausgiebige Propaganda, die die Bolschewisten mit den Erfolgen ihrer Kulturpolitik getrieben haben, Anerkennung und sogar ein gewisser Stolz der russischen Bevölkerung natürliche Folge war. Mit diesem Fragenkomplex vertraute Personen bezeichnen es daher als nicht verwunderlich, dass der deutsche Fragesteller auf seine Frage, was der Bolschewismus dem russischen Volk denn an Positivem gegeben hätte, immer wieder und meist ausschliesslich auf das Bildungswesen verwiesen wird. Selbst Russen, die dem Bolschewismus absolut ablehnend und feindlich gegenüberstehen, äussern gelegentlich einen gewissen Stolz über die heute allgemein verbreitete „Bildung“ des russischen Volkes, die dem sowjetischen Schulwesen zu verdanken ist. A. Standorte und Nachrichtenverbindungen3 […] BAB, R 58/223 1 Dr. Friedrich Buchardt, geb. 1909, Jurastudium, 1933 Dr.jur., führend in NS-Bewegung in Lettland, 1934 nach Deutschland, seit 1936 im SD tätig, Abt.leiter für Nordostfragen im Wannsee-Institut, 1938 SS u. Ustuf., 1940 NSDAP u. SD-Referent KdS Lublin als Hstuf., 1941 Fhr. SD-Abschnitt Litzmannstadt u. Stubaf., Jan. 1943 Kdr. EK 9, Okt. 1943 Ic-Offizier Kampfgruppe Gottberg, Jan. 1944 Referent III B 4 (Fremdes Volkstum) im RSHA, Sommer 1944 Ostubaf. u. als Fhr. Sonderkdo. Ost Verbindungsoffizier der SS zur Wlassow-Armee; BAB, BDC, SSO Dr. Friedrich Buchardt; BAL, ZK: Dr. Friedrich Buchardt; vgl. Matthias Schröder: Deutschbaltische SS-Führer und Andrej Vlasov 1942–1945. „Rußland kann nur von Russen besiegt werden“: Erhard Kroeger, Friedrich Buchardt und die „Russische Befreiungsarmee“, Paderborn u. a. 2001. 2 Vgl. Kendall E. Bailes: Technology and Society under Lenin and Stalin. Origins of the Soviet Technical Intelligentsia, 1917–1941, Princeton 1978; Nicolas Lampert: The Technical Intelligentsia and the Soviet State. A Study of Soviet Managers and Technicians, 1928–1935, New York 1979; Sheila Fitzpatrick: Stalin and the Making of a New Elite 1928–1939, in: Slavic Revue 39(1979), S. 377–402; Dietrich Beyrau: Intelligenz und Dissens. Die russischen Bildungsschichten in der Sowjetunion 1917–1985, Göttingen 1993; Hildermeier: Geschichte der Sowjetunion 1917–1991, S. 547 ff. 3 Dieses Verzeichnis ist völlig veraltet u. spiegelt noch den Stand vom Mai 1942; es scheint sich um eine Verwechslung zu handeln.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 22. Januar 1943 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 38 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandenlage im Bereich des Kommandeurs dSPudSD Weissruthenien: Das Bandenunwesen ist nach wie vor das Problem des weißruthenischen Raumes. Zwar hat im Monat Dezember die Tätigkeit der Banden und Terrorgruppen merklich nachgelassen; die Zahl der Überfälle auf Stützpunkte, Betriebe, Brücken, Fahrzeuge usw. ist geringer als im Vormonat. Auch die Verluste an Menschen und Material auf deutscher Seite sind niedriger als bisher. Es liegt also nicht an der Schwäche der Banden, wenn die Statistiken der letzten Zeit geringere Verluste zeigen, sondern nur an der geringeren Angriffsfläche, welche den Banden geboten wurde. Eine gewisse Rolle spielten auch die Wetterverhältnisse. Frost

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und Schnee zwangen die Banden zu einer erhöhten Aufmerksamkeit. Um ihre Wintervorräte nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen, vermeiden sie, abgesehen von ihren eigenen Angriffsoperationen, Zusammenstösse mit grösseren Einheiten. Andererseits werden Angriffe selbst schon auf Rayonstädte immer häufiger, wobei z. T. lebenswichtigste und wehrwirtschaftliche Gebäude und Einrichtungen lahmgelegt oder vollkommen vernichtet werden (z. B. Elektrizitätswerke, Mühlen, Unterkünfte usw.). Am offensichtlichsten sind die Bandenerfolge bei den Staatsgütern, den ehemaligen Sowchosen. Von den rd. 800 Staatsgütern, die bis zum Monat Mai 1942 in Eigenbewirtschaftung der LO waren, sind Ende Dezember 1942 noch knapp 1/3 fest in deutscher Hand. In der letzten Zeit häuft sich das Überlaufen von einheimischen Schutzmannschaftsangehörigen zu den Banden; auch die einheimische Intelligenz beginnt „abzubröckeln“. So liefen z. B. im Rayon Kojdanow bei Minsk in der 2. Dezemberhälfte allein 23 Intelligenzler zu den Banden über (Rayonagronom, Schulinspektor, Landmesser, Arzt usw., alles Angehörige des Weissruthenischen Einheimischen Selbsthilfewerkes ESW). Der Umfang der Bandentätigkeit im Dezember ergibt sich aus folgenden Zahlen: 1. Überfälle auf Wirtschaftseinrichtungen bezw. -betriebe, Verwaltungseinrichtungen usw. 146 Fälle. 2. Eisenbahnsabotageakte (95 % der Fälle Sprengungen, der Rest Zerstörung von Eisenbahneinrichtungen) 147 Fälle. Davon erfolgten in 17 Fällen nach der Sprengung Kampfhandlungen mit angreifenden Bandengruppen. Durch Polizei, Wehrmacht und Bahnschutz konnten insgesamt 55 Eisenbahnsabotageakte verhütet werden. 3. Brückensprengungen bezw. Abbrennen von Brücken 17 Fälle. 4. Überfälle auf Fahrzeuge 17 Fälle. 5. Zerstörungen von Nachrichtenverbindungen 39 Fälle. 6. Gefechtsberührungen zwischen Wehrmacht, Polizeiverbänden aller Art und Banden – die 4 nachfolgend erwähnten Grossaktionen nicht gerechnet – 88 Fälle. Diese Gefechtsberührungen fanden meistens statt bei Geleitzugssicherungen, Brückenwachen, Schienenkontrollen usw. 7. Verluste auf deutscher Seite, nicht eingerechnet die Verluste bei den Grossaktionen für die Wehrmacht 140 Tote, 130 Verwundete, Polizei (Deutsche) 15 Tote, 11 Verwundete, polizeil. Hilfskräfte 70 Tote, 16 Verwundete, Zollgrenzschutz, OT u. a. 22 Tote, 7 Verwundete, insgesamt 247 Tote, 164 Verwundete. Demgegenüber stehen nachgewiesene 385 tote Banditen. In den letzten Wochen wurden im weissruthenischen Raum insgesamt 4 Grossaktionen unter Einsatz aktiver SS- bezw. Polizeiregimenter gestartet. Die Erkundungen zu diesen Unternehmungen wurden von Kommandos der SPudSD durchgeführt: 1. Unternehmen „München“ 1 im Raum nördlich von Radoschkowitschi: Die Banden hatten während der Gefechtsberührung insgesamt 63 Tote; 6 Gefangene konnten gemacht werden. Eigene Verluste sind nicht eingetreten. Die Beute an Vieh, Getreide, Lebensmitteln, Waffen und Munition war beträchtlich. Insgesamt wurden 14 Bandenlager zerstört. 2. Unternehmen „Nürnberg“2 im Raum ostwärts des Bonin-Sees: Die Banditen verloren während der Gefechtsberührungen 168 Tote. Eigene Verluste: 1 Toter und 1 Verwundeter. Auch hier ist die Beute an Ausrüstungsgegenständen und Verpflegungsvorräten gross gewesen. 3. Unternehmen „Hamburg“ 3 im Raum von Slonim: Es ist der bisher grösste Erfolg im weissruthenischen Raum. Die Angaben der Erkundungskommandos dSPudSD waren so genau, daß jedes Lager aufgefunden wurde. In zahlreichen Gefechten wurden 1676 Banditen getötet. Ferner wurden 1510 bandenverdächtige Personen erschossen. Unter der sehr grossen Beute befanden sich 4 Panzerkampfwagen und 8 Geschütze bezw. Pakgeschütze. Die Vieh- und Getreidemengen sind fast unschätzbar. In den Gemeinden, die in dem Aktionsbereich lagen, wurden ausserdem 2658 Juden sowie 30 Zigeuner gestellt. Eigene Verluste 7 Tote und 18 Verwundete. 4. Unternehmen „Altona“ 4 im Raum Kos-

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sow–Byten: Diese Aktion galt einer während des Unternehmens „Hamburg“ nach Süden durchgebrochenen grösseren Bandengruppe. Die Erkundung wurde während des Ablaufs des Unternehmens durch die sicherheitspolizeilichen Kommandos durchgeführt. Die Bande verlor in Gefechtsberührung 97 Tote. Ferner wurden in diesem Raum 785 bandenverdächtige Personen erschossen und 126 Juden und 24 Zigeuner gestellt. Die Beute an Vieh und Lebensmitteln war beträchtlich, die an Waffen und Munition nicht sehr gross. Eigene Verluste sind nicht eingetreten. An diesen 4 Aktionen haben insgesamt 14 Kommandos der Sicherheitspolizei und des SD entweder als Erkundungskommandos vor und während derselben teilgenommen oder aber sie waren als Sonderkommandos der kämpfenden Truppe zugeteilt und nahmen dann aktiv an der Bandenbekämpfung teil. Die Gesamtzahl der eingesetzten Männer betrug zeitweilig bis zu 450 Mann. Während des Unternehmens „Hamburg“ waren sämtliche eingesetzten Kommandos an der aktiven Bekämpfung beteiligt. Z. Zt. sind zur Vorbereitung weiterer Unternehmen drei Hauptkommandos für die Räume Sluzk, Kojdanow–Uzda, Naliboki-Wald eingesetzt. Von diesen Hauptkommandos aus sind die betreffenden Räume durch 10 Teilkommandos belegt. Die Gesamtstärke der drei Hauptkommandos beträgt rd. 250 Mann. Ein kleineres Kommando ist in dem Raum Rudensk–Schazk eingesetzt. Hier soll vor allem der Wechsel zwischen dem rückwärtigen Heeresgebiet und dem weissruthenischen Raum beobachtet werden. Zu diesen Sonderkommandos kommt noch die Erkundungsarbeit der Hauptaussenstellen Wilejka, Baranowicze und Hansewitsche. Bandenlage im Bereich des Befehlshabers dSPudSD Ukraine: Über die Bandentätigkeit in den besonders gefährdeten Gebieten Wolhynien-Podolien und Shitomir liegen neuerdings folgende Zahlen vor: Gefechte: Wolhynien-Podolien 47, Shitomir 29, Überfälle auf Ortschaften: Wolhynien-Podolien 42, Shitomir 36, Anschläge auf Eisenbahn und sonstige Verkehrsanlagen: Wolhynien-Podolien 26, Shitomir 13. Anschläge auf Eisenbahnen haben durchschnittlich jeden Tag stattgefunden. In den letzten Wochen wurden 3 Bahnhöfe vollkommen zerstört. Recht erheblicher Schaden entstand durch die teilweise oder vollkommene Zerstörung von 6 Staatsgütern. Von Truppenpolizei und Einheiten der Wehrmacht wurden im nordwestlichen Teil des Generalbezirks Shitomir Operationen durchgeführt mit dem Ziel der Einkesselung starker Banden im Raum mit Mittelpunkt Salizowka im Süden und Toniez im Norden. Es gelang, die Masse der Banden in Nordostrichtung abzudrängen sowie den Zuzug weiterer Banden aus Nordrichtung abzustoppen. Bisherige Feindverluste 354 Tote und 12 Gefangene. Eine mittelstarke Bandengruppe, die aus dem Kampfraum in das Pripjet-Sumpfgebiet entkommen konnte, soll über 100 Tote und weit mehr Verletzte mit sich geführt haben. Eine weitere Gruppe, der es gelang, sich nach Süden zurückzuziehen, versucht anscheinend in das Gebiet Sarny (Generalbezirk Rowno) auszuweichen. Eine Bandengruppe, die infolge Nebels ebenfalls frühzeitig der Einkesselung entging, wurde inzwischen gestellt und verlor 20 Tote, darunter 4 sowjetische Offiziere. Im Generalbezirk Shitomir sind noch 2 grössere Banden in Stärke von 1000 und 2000 Mann festgestellt. Eine starke Bande sammelt sich nördlich von Rowno. Einen beachtlichen Erfolg erzielten örtliche Gendarmeriekräfte unterstützt von Schutzmannschaften, die im Raum Shitomir– Sankow–Boruska eine nach Norden abziehende Bande angriffen und dabei 33 Bandenangehörige erschossen. Im Raum Owrutsch wurde ein Kommando Slowaken von Banditen überfallen. Von den 17 in Gefangenschaft geratenen Slowaken wurde ein Verwundeter zu seiner Einheit zurückgeschickt. Er erhielt von dem Führer der Bande einen Passierschein durch das bandengefährdete Gebiet. Wie der Zurückgeschickte angibt, hat

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man ihn und seine Kameraden gut behandelt und beabsichtigt, wie er aus den Gesprächen der Banditen entnommen haben will, die Gefangenen nach Moskau zu schaffen, wo sie über den Rundfunk zu ihren Landsleuten sprechen sollen. Nach Aussage einer Banditin, die im Kommandeurbereich Charkow vor einiger Zeit festgenommen wurde, befanden sich bei ihrer Gruppe 12 Ungarn. Sie waren von den Banditen gefangengenommen worden und werden nun als Kundschafter benutzt. Nach Angaben dieser Banditin sollen in den Monaten Oktober und November über 400 Männer und 100 Mädchen in dem gleichen Gebiet wie sie mit Flugzeugen abgesetzt worden sein. Die Mädchen sollen alle als Minenlegerinnen ausgebildet sein. Die Verstärkung der Banden durch Flugzeuglandungen ist in zunehmendem Maße festzustellen. Auf diesem Wege erhielt allein eine Bande 100 Mann Zuzug. Es häufen sich die Fälle, daß Ortsbewohner regelrecht gemustert und zur Verstärkung mitgenommen werden. Auch die Fälle, daß grössere Banden in deutschen oder in Uniformen der Verbündeten auftraten, haben in letzter Zeit ausserordentlich zugenommen. Es wurden z. B. in Tschernigow von Banditen, die in ungarischen Uniformen mit einem Lkw auf einem Staatsgut vorgefahren waren, u. a. 11 Schweine mitgenommen. Ein Überfall auf 3 Pkw’s auf der Rollbahn Rowno–Kiew zwischen Rowno und Korzec bestätigt die bereits seit längerer Zeit befürchtete Gefährdung dieser wichtigen Rollbahn. Bei der Besetzung der Ortschaft Ludwipol (20 km nördlich der Rollbahn zwischen Rowno und Korzec) wurden durch Banden die 70 Insassen eines Erziehungslagers befreit. Auf der Krim hat sich die Bandentätigkeit verstärkt. Es erfolgte eine Reihe von Überfällen von Banden aus dem Jaila-Gebirge. Einige Unternehmen von Schutzmannschaften sowie grössere Aktionen einer rumänischen Einheit waren erfolgreich. B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung der Bevölkerung im Generalkommissariat Weißruthenien: Im wesentlichen wird die allgemeine Stimmung und Haltung der Bevölkerung Weißrutheniens durch die Bandenfrage bei der Landbevölkerung, durch Ernährungs- und Sachgüterschwierigkeiten bei der städtischen Bevölkerung bestimmt. Nach wie vor ist das Bandenwesen eines der Hauptprobleme des weißruthenischen Raums. Es ist allerdings festzustellen, daß die Tätigkeit der Banden und Terrorgruppen merklich nachgelassen hat und die Zahl der Überfälle auf Stützpunkte, Brücken, Fahrzeuge usw. sich gegenüber dem Vormonat vermindert und auch die Verluste an Menschen und Material auf deutscher Seite geringer waren als bisher. Zurzeit sind allerdings größere Gebiete nicht mehr unter deutschem Einfluß, ja z. T. wurden sie sogar vollkommen aufgegeben. Vor allem die militärischen Stützpunkte sind seit November 1942 immer mehr geräumt worden, um dort liegende Einheiten in die Nähe der Hauptverkehrswege aus Sicherungsgründen „zurückzuziehen“. Es kann geschlossen werden, daß die in der letzten Zeit geringeren Verluste z. T. nicht an der Schwäche der Banden liegen, sondern nur an der geringeren Angriffsfläche, die den Banden geboten wurde. Dazu kam der Hereinbruch der winterlichen Kälte. Wie umfassend der Bandenterror weiter ist, trotz der z. T. örtlich äußerst erfolgreichen Aktionen der SS 5 und Polizei gegen das Bandenunwesen (v. d. Bach-, v. Gottberg- 6, v. Bassewitz 7-Aktionen), beweist die Mitteilung der Abt. Landwirtschaft des GK, daß der „im Augenblick unbefriedete Teil Weißrutheniens, der für die landwirtschaftliche Erfassung vollkommen ausgefallen ist, 60 % der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche“ ausmacht. Von Seiten der Verwaltungsführung werden die für die Verwaltung fast und vollkommen entglittenen Gebiete ebenfalls mit 50–60 % des Gesamtbereiches GK Weißruthenien genannt.

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Diese Entwicklung ist umso betrüblicher, als die an sich gute Ernte einschließlich der Hackfrüchte im großen gesehen restlos eingebracht werden, nur nicht erfaßt werden konnte. Die Herbstbestellung ist ebenfalls im Vergleich zu normalen Jahren 100 %ig durchgeführt worden. Dies beweist, daß die Bevölkerung trotz Bandenterror gesät, geerntet und bestellt hat. Bei der Landbevölkerung sind deshalb keinerlei nennenswerte Ernährungsschwierigkeiten aufgetaucht. Von Seiten Einheimischer (Rayonbürgermeister) wird in diesem Zusammenhang gefolgert, daß z. B. die Werbung für den Arbeitseinsatz im Reich bei der einheimischen Bevölkerung größere Erfolge aufzuweisen hätte, wenn Hungersnot herrschte. Der sichtbare Genuß der Agrarreform, deren zweite Stufe (Landbaugenossenschaft) im GK Weißruthenien 100 %ig durchgeführt wurde, unterstützt den „Hang zur Scholle“. Die Landbevölkerung zeigt unter dem anhaltenden umfassenden materiellen und ideellen Bandenterror auch keinerlei Anzeichen, ihren Dank für die neue Agrarordnung in nachrichtendienstlicher und aktionsmäßiger Unterstützung der Bandenbekämpfung abzustatten. Für diese Bevölkerung verkörpert das Bandenunwesen noch das bolschewistische System, dem sie sich restlos unterwirft. Deshalb ist auch jede deutsche Propaganda, ob gegen die Banden oder z. B. für den Arbeitseinsatz ohne Macht, die Drohungen wahrmacht und Versprechungen einlöst, von vornherein zum Scheitern verurteilt, umsomehr als das breite Land fast nur der Gegenpropaganda offensteht. Die von deutscher Seite geäußerte Annahme, daß durch die Auflösung der Kolchosen die „freigewordenen“ Landproletariermassen den organisierten Banden zwangsläufig wieder zugetrieben würden, ist nach den gemachten Erfahrungen ein Fehlschluß. Von deutschfreundlicher einheimischer Seite wurde dazu festgestellt, daß die deutsche Macht sich in der Annahme getäuscht hat, daß die vollkommen verbolschewisierte Landbevölkerung durch die Agrarreform, Verkündung der Religionsfreiheit usw. „von heute auf morgen antibolschewistisch geworden ist“. Die Bandenbewegung sei schon ein Gegenbeweis gegen diese Annahme. „Die Bevölkerung, vor allem die Jugend, um die sich niemand gekümmert hat, ist trotz aller Freiheiten und Geschenke bolschewistisch geblieben, ob sie will oder nicht“ (ein Rayonbürgermeister). Sie beugt sich widerspruchslos der Macht und „hat immer Angst, daß die Rote Armee wieder zurückkommt“. Auf der anderen Seite machen La-Führung, Verwaltung gleich wie die Polizei die Erfahrung, daß die Bevölkerung „einigermaßen spurt und mitzieht, wo das Land befriedet ist“. Bei dieser Mentalität der Bevölkerung und der Bandenmacht ist es verständlich, daß z. B. die Werbung für den Arbeitseinsatz im Reich, freiwillig oder zwangsweise durchgeführt, fast keine Erfolge mehr zeigt. In deutschen interessierten Kreisen wird in der letzten Zeit aufgrund der augenblicklichen Sicherheitslage in Weißruthenien einer „rücksichtslosen Brutalität“ das Wort geredet, während andererseits aber „GPU-Methoden“ auch wieder vollkommen abgelehnt werden. Diese ungleiche Auffassung in verschiedenen Schattierungen in maßgeblichen politischen und militärischen Kreisen über die „Behandlung der Einheimischen“ und „Befriedung des Landes“ zeigen die Unsicherheit in der Beurteilung der Lage. Zusammengefaßt muß festgestellt werden, daß die Stimmung in der Bevölkerung mehr und mehr absinkt und daß die Bevölkerung, durch die Propaganda der Banden entsprechend ausgerichtet und beeindruckt, zum gr. Teil annimmt, daß Deutschland den Krieg gegen die Sowjetunion verliert. In der Stadtbevölkerung ist die Stimmung nicht besser. Verschlechternd wirkt sich hier immer wieder die schwierige Ernährungslage – und z. T. Heizfrage – aus, obwohl es nirgends zu „Hungersnöten gekommen ist“. Die Sachgüterfrage ist vollkommen ungelöst. Die markt- und preispolitischen Zustände sind unübersichtlich und nicht lenkbar.

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Stellungnahme der Bevölkerung zum Weißruthenischen Einheimischen Selbsthilfewerk: Von Seiten der derzeit bestehenden Organisation der weißruthenischen Bevölkerung des Weißruthenischen Einheimischen Selbsthilfewerkes (ESW) wurde auch in der Berichtszeit immer wieder darauf verwiesen, daß 80 % der weißruth. Bevölkerung hinter dem Selbsthilfewerk stünden. Rechenschaftsberichte dieser Organisation besagen aber, daß laut Statistik zur Zeit nur rund 20 000 Mitglieder erfaßt wurden, so daß von vornherein festgestellt werden muß, daß das ESW in keiner Weise im Begriff ist, eine Volksorganisation der breiten Masse zu werden. Eigene Rechenschaftsberichte der ESW-Kreise selbst sprechen davon, die Anteilnahme der Mitglieder lasse immer mehr zu wünschen übrig, es würden keine Beiträge gezahlt, Streitigkeiten zwischen den Mitgliedern stünden auf der Tagesordnung, Trunkenheit und Bestechlichkeit nähmen überhand usw. Demgegenüber steht aber der praktisch doch vorhandene Totalitätsanspruch des ESW, zumindest aber seiner Führung. Jedenfalls wird die Stimmung der breiten Masse in Weißruthenien, wie schon ausgeführt, nicht etwa durch die „politische Führung“, das ESW, beeinflußt, sondern lediglich durch die Bandenfrage auf dem Lande bzw. die Ernährungs- und Sachgüterschwierigkeiten in den Städten. Die Stimmung der unmittelbar an deutsche Dienststellen gebundenen bzw. unter deutschem Einfluß stehenden einheimischen Intelligenzkreise ist lediglich eine Oberflächenerscheinung und hat von vornherein keine Auswirkung auf die breite Masse der Bevölkerung, da die Oberschicht und Führung des ESW bei der weißruthenischen Bevölkerung kein Gehör findet. Innerhalb der Führung des Selbsthilfewerkes macht sich auch eine zunehmende Unsicherheit bemerkbar. Man beginnt sich gegenseitig zu mißtrauen und wirft sich gegenseitig politische Verantwortungslosigkeit vor. Besonders die sich „weißruth. Nationalsozialisten“ nennenden Kreise und beide weißruthenischen Zeitungen in Minsk rücken bereits sichtlich vom ESW und seiner Führung ab. Von dieser Seite wird angeführt, das ESW stünde mit „seiner linken Grenze bereits im Walde“. Man beweist dies damit, daß in der zweiten Dezemberhälfte allein im Rayon Kojdanow (Gebiet Minsk) 23 Mann zu den Banden überliefen. Sämtliche Überläufer waren Mitglieder des ESW und standen teilweise sogar bei deutschen Dienststellen in Arbeit. Diese 25 Mann waren ausschließlich Intelligenzler, darunter u. a. der Rayonschulinspektor, der Rayonagronom, der Rayonlandmesser, der Bankdirektor der einheimischen Bank, der Buchhalter der Finanzabteilung und der erste Steuerinspektor sowie der Leiter der einheimischen Schutzmannschaft, ausgebildet im „weißruthenischen Offizierskursus“ in Minsk. Dieser nahm noch 12 weißruthenische Selbstschutzmänner mit ihren Waffen mit. Aus anderen Gebieten werden „ähnliche Zerfallserscheinungen“ gemeldet. Die Gründe für die Erscheinung – so wird gemeldet –, daß jetzt schon die Intelligenz, die seit Monaten zum Teil sehr gute Arbeit in deutschen Diensten verrichtete, zu den Banden überläuft, liegen wohl auch außerhalb des ESW, sind aber auch mit darin zu suchen, daß das ESW die Bevölkerung propagandistisch überhaupt nicht betreute und Hunderte von Mitgliedern ohne jede Überprüfung aufnahm. Die breite Bevölkerung ist in diese politischen Auseinandersetzungen innerhalb noch kleinerer Kreise noch nicht hereingezogen, beginnt sich aber dort mit ihnen zu beschäftigen, wo sie im ESW organisiert tätig zu werden versuchen. Besonders wird der Führung des ESW von seiten weißruthenischer Kreise vorgeworfen, daß diese sich um den einfachen Mann kaum kümmere bzw. sich nicht praktisch mit der Bevölkerung auf dem Lande beschäftige. Von deutscher Seite dagegen wird immer wieder angeführt, daß die verschiedensten Auffassungen hinsichtlich des Verhältnisses der Deutschen zu den Weißruthenen im einzelnen ebenso wie in der Gesamtheit

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bestünden. So wird darauf verwiesen, daß offiziell kein Verbot ergangen wäre, das einen intimen Verkehr zwischen Deutschen und Weißruthenen nicht zulasse oder unter Strafe stelle. Auf der anderen Seite finde man aber bei weißruth. Gaststätten und Märkten die vom volkspolitischen Standpunkt aus wohl nicht ganz richtige Aufschrift „Für Deutsche verboten“. Von seiten der in der Emigration im politischen Kräftespiel geschulten Leute des ESW würde das volkspolitische Schwanken der deutschen Stellen erkannt und für eigene Zwecke ausgenutzt. Besonders komme dabei dieser Emigration „die Schulung vor 1939 in Prag oder Warschau“ in jeder Weise zustatten. Propagandalage in Weißruthenien: Propaganda allgemein: Für die allgemeine Propagandalage ist kennzeichnend, daß der im Augenblick unbefriedete Teil Weißrutheniens, der für landwirtschaftliche Erfassung und verwaltungsmäßige Durchdringung ausfällt, 60 % der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche und des verwaltungsmäßig zu bearbeitenden Raumes umfaßt. Diese Räume sind also mehr oder weniger auch ohne jede deutsche Propaganda und vollkommen der gegnerischen Mund- und Flugblattagitation ausgesetzt, daß die gegnerische Propaganda – fast ausschließlich durch die Banden gesteuert und durchgeführt – erstmalig mit Batterielautsprecheranlagen arbeitete. Wie breit diese gegnerische Propaganda ist, welche Mengen von Flugblättern vom Boden aus verteilt oder mittels Flugzeug abgeworfen werden, ist genau nicht festzustellen, da über die unbefriedeten Gebiete zum Teil jeglicher genaue Überblick über die Lage fehlt und die Bevölkerung von sich aus nur in Einzelfällen gegnerische Propagandamittel abliefert oder darüber sonstige Meldungen macht. Eine umfassende Wirkung dieser gegnerischen Propaganda ist unverkennbar vorhanden. Die feindliche Agitation hat der deutschen Gegenpropaganda, denn diese befindet sich in der Abwehr, voraus, daß die Macht der Banden das Flugblatt oder die ausgedehnte Mund- und Flüsterpropaganda, vor allem im Hinblick auf die Verwirklichung der darin angekündigten Drohungen, entsprechend wirksam unterstreicht. In der Berichtszeit haben sich alle mit Propagandafragen beschäftigten Stellen des zivilen und militärischen Apparates in Weißruthenien noch mehr zu der Erkenntnis durchringen müssen, daß jede Propaganda, soweit sie unmittelbar oder mittelbar Antibandenpropaganda ist, fast vollkommen verpufft, wenn dabei nicht gleichzeitig die bearbeiteten Räume tatsächlich und umfassend befriedet werden können. Trotz dieser Erkenntnis, daß die Bandenbewegung in Weißruthenien und den weiteren besetzten Ostgebieten primär nur durch polizeiliche und militärische Machtmittel zerschlagen werden kann, sind dennoch auch bei den in Weißruthenien vorhandenen unzureichenden Voraussetzungen für eine umfassende führungsmittelmäßige Betreuung der Zivilbevölkerung noch Wirkungs- und Einflußmöglichkeiten – wenn auch in sehr geringem Umfange – vorhanden, diesen Kampf gegen das Bandenunwesen, das weiterhin das Problem des weißruthenischen Raumes geblieben ist, propagandistisch etwas vorzubereiten und zu unterstützen. Wie schon im allgemeinen Teil ausgeführt, hat die Ausweitung der Banden sich in der Berichtszeit vermindert. Der Schluß auf eine Verminderung der Tätigkeit oder Zahl der Banden wäre fehl am Platze, da diesen lediglich die Angriffsmöglichkeiten wenigstens zum Teil entzogen wurden. Diese Situation zwingt der Propaganda ihren Stempel auf und macht ihre teilweise vollkommene Erfolglosigkeit verständlich. Der Inhalt der feindlichen Propaganda befaßt sich vorwiegend mit den Erfolgen der Roten Armee und denen der Partisanen, erörtert den Arbeitseinsatz entsprechend mit Hilfe der „Erfahrungen“, die Rückkehrer in Deutschland gemacht haben, streicht die angloamerikanischen Räume im Mittelmeerraum und Afrika besonders heraus, spricht von

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politischen Spannungen und Ernährungsschwierigkeiten in Deutschland und wird dabei immer „vaterländischer“ mit Schlagworten von Heimat, Vaterland und „weißruthenischem Volk“, wobei man schon jetzt das „weißruthenische Volk“ in der „weißruthenischen“ Sprache anzusprechen versucht. Vereinzelt taucht – vor allem in der gegnerischen Mundpropaganda – immer wieder die These auf, daß die Sowjetregierung die Auflösung des Kolchossystems verfügen wird und eine neue Verfassung in Bearbeitung sei, die große Freiheiten bringen würde. Diese gesamte gegnerische Propaganda zeigt insofern Wirkungen, als die Bevölkerung selbst die zuletzt genannten Parolen weitergibt, die ihr im Angesicht der Bandenmacht glaubwürdiger erscheinen als die deutschen Nachrichten, die spärlich und oft veraltet zu ihr dringen. Deutsche Propaganda: Die in Weißruthenien herrschende Lage und die dadurch bedingten organisatorischen transportmäßigen Schwierigkeiten bei der Verteilung des Propagandamaterials sind nur sehr schwache Voraussetzungen, daß sich die an sich schon fast nur durchschnittliche Substanz des Propagandaapparates der Zivilverwaltung nach der organisatorischen und inhaltlichen Seite hin positiv und erfolgreich entwickeln könnte. Von seiten der Sicherheitspolizei ist im Rahmen der Aktion Antibandenpropaganda versucht worden, die in Weißruthenien überhaupt noch vorhandenen Möglichkeiten der Organisation eines umfassenden Verteilerapparates bis zum letzten auszunutzen. Die – übrigens inhaltlich durchschnittlichen und im Vergleich zu einheimischen Presseerzeugnissen im Heeresgebiet Nord und Mitte stärker abfallenden – in Weißruthenien erscheinenden drei weißruthenischen Zeitungen (Gesamtauflage rund 100 000) kommen genau so wenig an die breitere Bevölkerung heran wie die sonstige Propaganda (Zivilverwaltung, Wehrmacht). Schon in der nächsten Umgebung der Gebietsstädte des noch relativ ruhigen und befriedeten Bereichs Weißrutheniens hört zumeist der Verteilerapparat auf. Insgesamt ist das Generalkommissariat Weißruthenien führungsmittelmäßig nicht betreut. Das flache Land – die Bandengegenden und auch befriedete Gebiete – liegen außerhalb jeglicher Betreuung, nun schon zum Teil seit Monaten. Der Film ist auf Gebiets-, höchstens noch einige Rayonstädte beschränkt, der Rundfunk ebenfalls. Von „Schrifttum“ (außerhalb der Presse) ist überhaupt nichts zu merken. Die durch die Wehrmacht (z. B. Propagandastaffel Weißruthenien) und Zivilverwaltung verteilten Plakate, Broschüren usw. sind fast wirkungslos, da sie auf die Gesamtbevölkerung gerechnet zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallen. Im Laufe der Antibandenpropagandaaktion der Sicherheitspolizei wurden bisher seit Mitte Oktober bis Ende Dezember mit Hilfe des dafür organisierten Verteilerapparates herausgebracht: 1.) Eine Wandzeitung „Das Resultat von 25 Jahren jüdisch-bolschewistischer Herrschaft“ bebildert 100 000, 2.) eine Wandzeitung „Partisanen, hört die Wahrheit“ bebildert 100 000, 3.) ein Flugblatt „Weißruthenische Bauern und Arbeiter“ (nur auf Minsk beschränkt) 20 000, 4.) ein Flugblatt „Die Banditen werden geschlagen“ 80 000, 5.) ein Flugblatt „Die deutsche Polizei steht auf der Wacht“ 80 000, 6.) ein Flugblatt „Es wird aufgeräumt“ 80 000, 7.) ein Flugblatt „Partisanen und Partisaninnen“ 150 000, zusammen 610 000 Stück. 1. und 2. wandten sich an die Gesamtbevölkerung (Bevölkerung und Banden), 3. war eine Sonderaktion in Minsk als Antwort auf eine rechtzeitig abgeschlagene Propagandaaktion kommunistischer Widerstandskreise in Minsk (300 feindliche Flugblätter waren angeklebt worden), 4. und 5. wandten sich ebenfalls an die Gesamtbevölkerung mit konkreten Unterlagen über Bandenverbrechen und erfolgreiche Bekämpfung der Banden, 6. brachte eine Mitteilung über die Zerschlagung des Minsker Bandenkomitees durch die Sicherheitspolizei, 7. ist ein von dem im Zuge der Aktion 6. erfaßten

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Führer des Minsker Bandenkomitees und ehemaligen Sekretär der KP in Sasslabel verfaßtes Flugblatt, nur an Partisanen gerichtet, aber ebenfalls für die Gesamtbevölkerung bestimmt. Nach den bisher eingegangenen Meldungen über die Auswirkung dieser Sonderaktion, der Zivilverwaltung, Wehrmacht und Reichsbahn volle Unterstützung angedeihen lassen, sind die stimmungsmäßigen Erfolge vorerst gering. Dies kommt vor allem darin zum Ausdruck, daß bisher weder eine örtliche Auflösung der Banden noch eine stärker gewordene nachrichtendienstliche oder sonstige Unterstützung bei der aktiven Bandenbekämpfung durch die Bevölkerung erfolgte. Kennzeichnend für das auch durch Angst verursachte Desinteresse der Bevölkerung an dieser Propaganda, aber auch für ihre zum Teil antideutsche Haltung ist, daß in einem von einem Jagdkommando der Sicherheitspolizei überholten Dorf, in dem Flugblätter und Machorka verteilt wurden, beides von der Bevölkerung unbeachtet blieb, ja zerstreut wurde. Diese Feststellung der zum Teil direkt feindlichen Einstellung der Bevölkerung, die vor Monaten eine nach außenhin vollkommen deutschfreundliche Haltung einnahm, ist kein Gegenbeweis für die Behauptung, daß die Bevölkerung keinen Nachrichtenhunger habe. Dafür ist allein wieder Beweis, daß die feindliche Propaganda umfassend kolportiert wird, gleich, ob es sich um Mund- oder Schriftpropaganda handelt. Die Bandenmacht und ihre Propaganda ist überzeugender als die geringe deutsche Propaganda mit zum Teil nur vorübergehender „Macht“ in den bandengefährdeten Gebieten. Mit Hilfe des obengenannten ehemaligen Sekretärs der KP in Sasslabel und Führers des Minsker Bandenkomitees Kowalow und seines Propagandachefs soll in den nächsten zwei Monaten zunächst in Minsk und dann darüber hinaus eine Sonderprop-Aktion durchgeführt werden. K. hat sich selbst für eine solche „Bewährung“ zur Verfügung gestellt und bereits ein Flugblatt an die Banden (siehe 6.) verfaßt. In Zusammenarbeit mit dem Landessender Minsk, dem Stadtkommissar und der Prop-Staffel Weißruthenien wird Kowalow in einigen der Minsker Großbetriebe sprechen. Er wird ferner über den Rundfunk sprechen und auch im weißruthenischen Theater, wo aus taktischen Überlegungen die Schriftleitung der weißruthenischen Zeitungen in Minsk die „öffentliche Versammlung“ mit freiem Eintritt aufziehen wird. Ein Einsatz mittels Lautsprecherwagen auf den Märkten und bei sicherheitspolizeilichen Aktionen ist ebenfalls geplant. Eine bereits in der weißruthenischen Presse gebrachte Notiz über die Zerschlagung des Komitees mit Namen der Festgenommenen (auch Kowalow) hat Aufsehen erregt und war Stadtgespräch. Die weiterhin abgefaßten Flugschriften im Zuge der Antibandenpropaganda werden in Zukunft den einheimischen Zeitungen und auch der deutschen „Minsker Zeitung“ beigelegt, um auch den letzten vorhandenen Verteilerapparat auszunutzen. Im Rahmen des Unternehmens „Jakob“ 8 gegen die Banden im Raum von Kojdanow (40 km südwestlich Minsk) erfolgte am 10. und 11. Januar 1943 der Einsatz einer Kampfmaschine Ju 88, die seitens der Luftwaffe der Sipo und dem SD in Minsk für dieses Unternehmen zur Verfügung gestellt worden war, mit dem Auftrag, erkannte Ziele mit Bomben und Bordwaffen anzugreifen und Propagandamaterial abzusetzen. Dem Einsatz der Kampfmaschine lagen folgende Überlegungen zugrunde: 1.) Das Erscheinen und Eingreifen einer Kampfmaschine während des Unternehmens spart deutsches Blut und ist geeignet, die Zwangsrekrutierten und Mitläufer der Bande in ihrem Widerstandswillen zu erschüttern, 2.) wurde der Bevölkerung, in deren Augen das deutsche Ansehen wegen der bisherigen deutschen Machtlosigkeit gegen das Bandenwesen schwer gelitten hat, gezeigt, daß die Deutschen wohl in der Lage sind, auch Kampfmaschinen gegen Banden einzuset-

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Nr. 25: Russische Miliz in deutschen Diensten

zen, von denen die feindliche Propaganda behauptet, daß sie dringend an der Front benötigt werden, 3.) kann der eigenen Flugblattpropaganda durch den Flugzeugeinsatz der nötige Nachdruck gegeben werden, wodurch sie erst richtig zur Wirkung zu kommen vermag. Zum Abwurf kam der Aufruf des Führers des Minsker Bandenkomitees, des Iwan Kowalow, ehemaliger Sekretär der KP in Sasslabel, der die Banden zum Überlaufen und zur Aufgabe ihres nutzlosen Widerstandes auffordert. Während des Einsatzes am 10. Januar 1943 kamen im Kampfraum ungefähr 35 000 Flugblätter zum Abwurf. Der zweite Einsatz erfolgte am 11. Januar 1943. Das Ziel des Einsatzes war, den Kampfraum des Unternehmens „Jakob“ zu überfliegen und die nähere und weitere Umgebung der Bandenlager mit Propagandamaterial zu versehen. Während des zweiten Einsatzes kamen ungefähr 40 000 Flugblätter zum Abwurf. Zur Demonstrierung der deutschen Macht wurden die Bandenlager mit Bomben und Bordwaffen wirksam angegriffen und dann nach dem Angriff über den Lagern Propagandamaterial abgeworfen. Nach den bisherigen Erfahrungen erscheint ein derartig kombinierter Einsatz von Kampfmaschinen mit Propagandamaterial, Bomben und Bordwaffen am ehesten den gewünschten Erfolg zu versprechen. In Zukunft sollen bei größeren Unternehmungen weiterhin Kampfmaschinen zu solch kombiniertem Einsatz gebracht werden. […] Wirtschaftliche Lage im Generalbezirk Weißruthenien: Landwirtschaft: Die Lage der Landwirtschaft wird im Berichtsgebiet, vorliegenden Meldungen zufolge, durch die starke

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Bandentätigkeit nachteilig beeinflußt. Der unbefriedete Teil Weißrutheniens, der für die landwirtschaftliche Erfassung ausfällt, wird mit 60 % der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche veranschlagt. Das Verlustkonto auf dem Sektor Landwirtschaft wird durch nachstehende Beispiele besonders herausgestellt: Von 800 Staatsgütern (ehem. Sowchosen), die bis Mai 1942 in Eigenbewirtschaftung der LO waren, sind heute nur noch knapp 1/3 fest in deutscher Hand. 180 Staatsgüter wurden durch Brandstiftung vollkommen vernichtet. Bis zum 31. Oktober vorigen Jahres sind 175 Traktoren, 174 Dreschmaschinen, 65 Reinigungsanlagen, 62 Mähmaschinen, 18 Drillmaschinen u. a. m. vernichtet worden. Diese Zahlen dürften tatsächlich aber noch höher liegen, da die Verluste in manchen Gebieten nicht mehr registriert werden können. Auch das im Berichtsgebiet aufgebaute Molkereiwesen ist durch die Bandentätigkeit wieder erheblich zerschlagen worden. Abgesehen davon muß jedoch festgestellt werden, daß die überraschend gute Ernte einschließlich der Hackfruchternte im großen gesehen restlos eingebracht werden konnte, mit Ausnahme der Ernte einer Großzahl der Staatsgüter. Die Ernteergebnisse werden, einer Meldung zufolge, als äußerst günstig herausgestellt und liegen bei Getreide (Winterung und Sommerung) im Schnitt gesehen durchschnittlich um 2 dz pro ha und bei Kartoffeln um 10 bis 20 dz pro ha höher als 1941. Dieses günstige Ergebnis sieht man als Folge der Agrarreform, die in Weißruthenien in der zweiten Stufe, die der „Landbaugenossenschaft“, restlos durchgeführt werden konnte. Auch die Herbstbestellung wurde trotz umfassender Bandentätigkeit durchgeführt. Der Erfolg dieser Arbeitsleistung kommt der deutschen Landwirtschaftsführung jedoch nur prozentual zu Gute. Im Laufe des vergangenen Jahres hat es sich herausgestellt, daß mit Rücksicht auf die Durchführung der Agrarordnung eine Umstellung des Landmaschinenprogramms dringend erforderlich ist. Abgesehen von größeren Maschinen und Geräten für die LO werden für die bäuerliche Bevölkerung eine große Anzahl Kleingeräte aller Art benötigt. So wurden schon im Sommer 1942 45 000 Schwingpflüge bestellt, die jedoch bis zum Jahresende noch nicht eingetroffen waren. Für die Druscharbeit sind die kleinen Stiftendrescher bzw. die sogenannten Rauhdrescher und die dazu notwendigen leichten Göpel von besonderer Bedeutung. Mit Rücksicht darauf, daß außer Göpel in fast allen Gebieten die erforderlichen Antriebsmöglichkeiten fehlen und wahrscheinlich auch für die nächsten Jahre fehlen werden, ist der Bau der vorstehend angeführten Drescher und Göpel für alle Drescharbeiten in den bäuerlichen Wirtschaften mitentscheidend. Als Sofortprogramm für 1943 wären 8 bis 10 000 Stiftendrescher bzw. Rauhdrescher erforderlich. Arbeitseinsatzlage: Die Gesamtzahl der in Weißruthenien angeworbenen zivilen Arbeitskräfte betrug, vorliegenden Meldungen zufolge, bis einschließlich November 1942 31808 Kräfte. Im November konnten nur noch 378 Arbeitskräfte für das Reich erfaßt werden. Diese Zahl ist kennzeichnend für die Schwierigkeiten, die der Erfassung gegenüberstehen. Die fortbestehende Unsicherheit im Berichtsgebiet durch die Banden beeinflußte die Aufbringung der Kräfte besonders nachteilig. Die Wirkung der Bandenpropaganda und die Auswirkungen der in der Bevölkerung bekanntgewordenen Mißstände beim Einsatz der Ostarbeiter im Reich haben dazu geführt, daß bei einer letzten Musterung im Rayon Kojdanow von 2981 geladenen Einheimischen nur 16 freiwillig erschienen; 12 konnten bei einer Polizeiaktion erfaßt werden, sodaß am Schluß 28 für den Arbeitseinsatz im Reich zur Verfügung standen. Die Ausmusterungskommission mußte von diesen noch einige zurückstellen, sodaß der Rayon Kojdanow mit 2981 Aufgerufenen 17 Personen „freigeben“ konnte. Ähnlich war das Ergebnis im Rayon Rudensk. Im Gebiet Baranowicze ist in einem Kreis von 30 vorgeladenen Jugendlichen kein einziger erschienen. Polizeiliche

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Nachforschungen in den Wohnungen blieben erfolglos. Die bisher von einigen Gebietskommissaren organisierten Musterungen einsatzfähiger Kräfte bis zu 35 Jahren in bandengefährdeten Gebieten blieben zumeist erfolglos. Da diese Gebiete mit starken Polizeiaufgeboten aufgesucht werden mußten, sprach sich diese Werbung in den umliegenden Gegenden sofort herum und wurde von den Banden propagandistisch entsprechend ausgenutzt. Der Erfolg war, daß die Banden ihre „Werbekommissionen“ vorher in die Dörfer schickten und daß die geeigneten Jugendlichen und Männer von sich aus zu den Banden überliefen. Die Aktion der Erfassung von Hausgehilfinnen ist im Berichtsgebiet gleichfalls wenig erfolgreich verlaufen. Für Weißruthenien sind 30 000 Hausgehilfinnen genannt; einige 100 konnten bis Ende November 1942 erst erfaßt werden. Anläßlich einer Tagung der Abteilung beim Reichskommissar für das Ostland wurde durch den Leiter der Abteilung Arbeit beim Generalkommissar Minsk zu den Schwierigkeiten bei der Werbung von Arbeitskräften für das Reich Stellung genommen. U. a. wurde dabei herausgestellt, daß, um die Sollzahlen überhaupt zu erfüllen, der Vorschlag geprüft werden müsse, mehrere Jugendlichenjahrgänge zwangsweise für das Reich auszuheben. Die Aushebung und Musterung dieser Jahrgänge müßte von der Polizei durchgeführt werden, da ohne Kollektivmaßnahmen mit machtmäßigem Hintergrund keine Erfolge mehr erzielt werden könnten. Die durch diese Aktion erfaßten Jugendlichen müßten besondere Ausbildungslager durchlaufen, in denen sie in zwei bis drei Monaten auf ihre praktischen Fähigkeiten geprüft und in Form von beruflichen Einfachstlehrgängen für ihren Arbeitseinsatz in Deutschland vorbereitet würden. Der Einsatz im Reich soll gruppenweise in größeren deutschen Betrieben erfolgen, um günstige Betreuungsvoraussetzungen zu schaffen. Für diese Aushebungen kämen in erster Linie die Jahrgänge der 15bis 18-jährigen in Frage. Die Stärke dieser Jahrgänge innerhalb Weißrutheniens wird auf 25 000 geschätzt. Der Vortragende hielt bei einer gut funktionierenden Erfassung und sorgfältigen Auslese die Aushebung von 7–8000 Jugendlichen aus jedem Jahrgang für den Arbeitseinsatz im Reich für durchaus möglich. Die Abgabe dieser Kräfte könnte im übrigen, so wurde weiter herausgestellt, ohne Gefährdung der örtlichen Wirtschaftsführung erfolgen, da diese Kräfte zum großen Teil keine ordnungsgemäße Ausbildung erhalten hätten und nur höchst unvollkommen in den wirtschaftlichen Produktionsprozeß bisher eingegliedert waren. Dem freiwilligen Zulauf zu den Banden gerade aus Kreisen dieser Jugendlichen würde dadurch vielleicht ebenfalls Abbruch getan werden. Mit der Durchführung dieser Aushebung müßte nach Ansicht der zuständigen Stellen im März schlagartig begonnen werden, um die gegnerische Propaganda nicht erst zur Auswirkung kommen zu lassen. Nach den gemachten Beobachtungen kamen die Rückkehrer überraschend oft verdreckt, zerlumpt und verhungert in Weißruthenien an. Zum Teil seien sie drei Monate im Auffanglager Brest-Litowsk ohne Betreuung gewesen. Ihre Stimmung war deshalb verständlicherweise sehr schlecht, was sich in unkontrollierbaren, ungünstigen Erzählungen über Deutschland Luft machte. Das Eintreffen dieser Rückkehrer erfolgte immer noch zum Teil ohne vorherige Ankündigung bei den örtlichen Dienststellen. Weiterhin ging aus den Transportlisten oder sonstigen Unterlagen nicht hervor, weshalb die Kräfte zurückgeschickt worden waren. Es laufen auch immer wieder Mitteilungen der Arbeitsämter im Reich bei den örtlichen Dienststellen über Einstellung der Familienunterstützung ein, in denen nur die Tatsache der Erkrankung, aber nicht der Krankheitsbefund angegeben ist. Dadurch notwendig gewordene Rückfragen erschweren die schnelle Abwicklung des Neueinsatzes und verstimmen die davon Betroffenen.

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Nachteilig für die Abwicklung ist auch die Tatsache, daß die Mitteilung der Arbeitsämter oft den Heimatsort bzw. den letzten Wohnort des Ostarbeiters nicht enthalten, Rückfragen danach erforderlich sind bzw. der Wohnort überhaupt nicht festgestellt werden kann und die Zuleitung der Mitteilungen an die zuständige Stelle unmöglich ist. In diesen Fällen drückt sich also der Rückkehrer in seiner Heimat herum, ohne daß die zuständigen Dienststellen etwas erfahren. Über die örtliche Zuständigkeit der Arbeitsämter (Weißruthenien) herrscht im Reiche weitgehendst Unklarheit. Es kam mehrfach vor, daß für Weißruthenien bestimmte Mitteilungen, in denen ausdrücklich der Name Minsk genannt war, in die Ukraine geschickt wurden. Ferner fehlt sehr oft die Angabe der zuständigen Gebiete, so daß es schwer ist, das richtige Arbeitsamt bei den in Weißruthenien oft mehrfach vorkommenden gleichen Namen aufzufinden. Die Bandenpropaganda hat Erzählungen und Gerüchte solcher Zurückgekehrten entsprechend zurechtgestutzt sofort aufgegriffen und damit bei der einheimischen Bevölkerung zum Teil beachtliche Erfolge erzielt. In der Zustellung der Ostarbeiterpost herrscht, Meldungen aus Weißruthenien zufolge, ein ziemliches Durcheinander. Obwohl in den Anschriften klar als Bestimmungsort z. B. Melitopol, Smolensk, Witebsk, Rowno, Shitomir, Rostow, Stalingrad, Taganrog usw. angegeben war, wurden solche Postsendungen Minsk zugeleitet. Bei einer Sendung Anfang Dezember wurde Post vom Mai, Juni, Juli und August 1942 noch festgestellt. In einem anderen Fall kam aus Kiew ein großer Teil Post, die für die Ukraine bestimmt war, nach Minsk und mußte dann zurückgeschickt werden. Weiter wurde festgestellt, daß sich in der Ostarbeiterpost Briefe deutscher Zivilpersonen an Deutsche im Ostland, Feldpostbriefe an deutsche Dienststellen und sogar Dienstpost amtlicher Stellen befand. Die Ostarbeiterpost enthält ferner zuweilen weiter nichts als die Angabe eines Dorfes und den Zusatz Ostland oder Weißruthenien ohne nähere Angaben eines Kreises und Gebietes. Ein Teil dieser Post konnte seinem Bestimmungsort nie zugeführt werden, da es sehr oft mehrere Empfangsorte des gleichen Namens gibt, ganz abgesehen davon, daß kleinere Dörfer und Gemeinden bei dem Nichtvorhandensein von Ortsnachschlagwerken nicht gefunden werden. Viele Postsachen der Ostarbeiterpost tragen nur russische Aufschriften. Diese Mängel wirkten sich vor allem bei der Aktion Ostarbeiterbekleidung sehr negativ aus, da diese Post den Empfängern nicht mehr fristgemäß ausgeliefert werden konnte. Zur Abstellung dieser Mängel erscheint es zweckmäßig, daß den zuständigen Poststellen als auch den Arbeitsämtern im Reich genaue Verzeichnisse der Arbeitsämter im Osten mit den von ihnen erfaßten Kreisen zugeleitet werden. Im Reich müßte ferner dafür gesorgt werden, daß jeder Ostarbeiter die Postanschrift im Osten auf jeden Fall Deutsch schreibt und daß er auf Grund der in seinen Händen befindlichen Unterlagen (Transportbescheinigung, Personalausweis) auf alle Fälle das jeweilige Gebiet bzw. das Arbeitsamt mitnennt, in dem er geworben worden ist. Ein Gebietskommissar hat jedem Ostarbeiter seines Gebietes eine vorgedruckte Karte mitgegeben, auf der die ganze Anschrift stand. Weisungsgemäß muß die Ostarbeiterpost vor der Aushändigung an die Familienangehörigen vom Gebietskommissar nochmals überprüft werden, insbesondere zur Feststellung, ob der Inhalt geeignet ist, propagandistisch ausgewertet zu werden. Da die Ostarbeiterpost vor der Absendung nach dem Osten von der militärischen Zensur schon überwacht wird, wäre es empfehlenswert, wenn Briefe, die für die Propaganda bei den Gebietskommissaren ausgewertet werden können, schon bei der militärischen Zensur einen besonderen Vermerk bekommen, aus dem für den Gebietskommissar sofort das besondere propagandistische Merkmal hervorginge. Damit wäre der Gebietskommissar entlastet,

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sämtliche Post noch einmal zu lesen, und Doppelarbeit wäre vermieden. Auf Grund dieser bei der einheimischen Bevölkerung bekannt gewordenen Mißstände im Zuge des Arbeitseinsatzes findet die geschickt geführte „Stacheldrahtpropaganda“ der Gegenseite große Resonanz. Die ersten Rückkehrer berichteten über ihre Erfahrungen fast ausschließlich negativ, so daß für die einheimische Bevölkerung kein Grund vorhanden ist, entsprechend durch die gegnerische Propaganda ausgerichtet, der deutschen Propaganda Glauben zu schenken. BAB, R 58/223 1

Vgl. Hesse: Der sowjetrussische Partisanenkrieg 1941–1944, S. 280. Die Zahl getöteter Juden u. unbeteiligter Zivilisten wird hier unterschlagen. Laut Meldung RFSS an den Führer über Bandenbekämpfung Nr. 46 v. 1. 12.1942, BAB, NS 19/2566, wurden dabei 798 „Feindtote“ sowie 1833 „Bandenhelfer“ u. 353 „Bandenverdächtige“ erschossen; vgl. Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 900, 904 f. 3 Diese Angaben differieren mit denen in MbO 36, wo von 6172 getöteten „Banditen bzw. Bandenanhängern“ die Rede ist. 4 Vgl. Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 900, 905. 5 Damit ist die neue Strategie der Großunternehmen gemeint, die in den Jahren 1942 u. 1943 die deutschen Maßnahmen gegen die Partisanenbewegung prägte; vgl. Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 884– 921; Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 252–260; Pohl: Herrschaft der Wehrmacht, S. 285–291. 6 Curt von Gottberg, geb. 1896, 1931 SA, 1932 NSDAP u. SS, 1939/40 Chef des Siedlungsamtes des RuSHA, Okt. 1942 als Brif. zum HSSPF Rußland-Nord, April 1943 SSPF Minsk, Juni 1944 HSSPF Rußland-Mitte u. Weißruthenien, 1945 Selbstmord; BAB, BDC, SSO Curt von Gottberg; BAL, ZK: Curt von Gottberg; Peter Klein: Curt von Gottberg – Siedlungsfunktionär und Massenmörder, in: Mallmann/Paul: Karrieren der Gewalt, S. 95–103. 7 Georg-Henning Graf von Bassewitz-Behr, geb. 1900, 1941 SSPF Dnjepropetrowsk, 1942 als Brif. stellv. HSSPF Rußland-Mitte, gest. 1949 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft; BAL, ZK: Georg-Henning Graf von Bassewitz-Behr. 8 Vgl. Hesse: Der sowjetrussische Partisanenkrieg, S. 280. 2

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 29. Januar 1943 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 39 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandenlage im Bereich der Einsatzgruppe B: Die Banden haben alle Mittel aufgewendet, ihre Kampfkraft weiter zu heben, indem sie ihre rücksichtslosen Zwangsrekrutierungen fortsetzen, Frauen zum Hilfsdienst heranzogen, ihre Bunker und Stellungen ausbauten und sich vor allem Wintervorräte verschafften. Im Raum von Polozk wurden zugefrorene Seen durch Fallschirmspringer zu Landeplätzen für russische Flugzeuge hergerichtet. Auch haben verschiedene Banden weiterhin Verstärkung aus Moskau erhalten. Andere Banden haben sich mit versprengten Truppeneinheiten der Roten Armee vereinigt. Kleinere Lücken in der Front im Bereich nördlich und ostwärts von Surash haben den dortigen Banden das Heranschaffen von Munition und Ausrüstungsgegenständen erleichtert. Vereinzelt war festzustellen, daß Bandenangehörige den Wunsch haben, aus den Banden auszuscheiden. Hauptsächlich der eingetretene Winter und die Ernährungslage der Banditen verstärken dieses Bestreben. Auch die vernünftige Behandlung der Kriegsgefangenen, die

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sich bei den Bandenangehörigen herumspricht, verfehlt ihre propagandistische Wirkung nicht. Der Grundstock der Banditen, der noch unentwegt dem Bolschewismus anhängt, setzt sich vorwiegend aus Fallschirmspringern, KP-Funktionären, Offizieren und Juden zusammen und sorgt durch sein eigenes System dafür, daß alle Befehle unbedingt durchgeführt und jede Wankelmütigkeit beseitigt wird. Dieses System macht es der Masse der Bandenangehörigen schwer, aus eigener Initiative die Banden zu verlassen. Es wird versucht, diese Tatsache propagandistisch auszunutzen und durch Flugblätter einen Keil zwischen Bandenführung und ihre Anhänger zu treiben. In den Flugblättern wird insbesondere auch darauf hingewiesen, daß das Bandenunwesen in erster Linie die Not der an und für sich schon armen Zivilbevölkerung nur vergrössert und das russische Volk nur noch tiefer ins Elend stürzt. Das Nachlassen der Bandentätigkeit in den Bereichen der Sonderkommandos 7a (Billnou) und 7c (Roslawl) hat auch im Dezember angehalten. Insbesondere hat sich bei 7c keine Gleis- oder Brückensprengung ereignet. Die Gründe dafür liegen in den letzten erfolgreichen Aktionen gegen die Banden, die teils zu ihrer Vernichtung oder doch zu ihrer Versprengung geführt haben.1 Auch beim Sonderkommando 7a waren kaum Gewalt- oder Sabotageakte zu verzeichnen. Lediglich im nördlichen Teil des Gebietes von Wladimirskoje traten mit gewisser Regelmäßigkeit Banden auf, die sich aber hauptsächlich mit der Beschaffung von Lebensmitteln und Kleidung befaßten. Eine Verschärfung der Bandenlage wird aus dem Bereich des Einsatzkommandos 8 in Mogilew berichtet. Die einzigen Verkehrswege, die dort noch mit einer gewissen Sicherheit zu befahren sind, sind die Rollbahn und die Eisenbahn Orscha–Mogilew–Gomel und die Rollbahn Bobruisk–Dowsk–Kritschew. Hingegen kann diese Rollbahn von Bobruisk aus in westlicher Richtung nach Sluzk nur mehr im Geleitzugverfahren befahren wurden. Die Banditen fühlen sich in letzter Zeit stark genug, um auch auf solche Geleitzüge Feuerüberfälle zu verüben. Ferner ist auch die Rollbahn Mogilew–Bobruisk trotz wiederholter Säuberungsaktionen bei Tschetschewitschi immer wieder gefährdet worden. Im Bereiche des Einsatzkommandos 8 ereigneten sich auch die meisten Gleissprengungen. Beispielsweise wurde die wichtige Nachschublinie Minsk–Bobruisk–Gomel in der 2. Dezemberhälfte auf dem kleinen Streckenabschnitt zwischen Marina-Gorka und Bobruisk 14 mal gesprengt, während 7 weitere vorbereitete Sprengungen rechtzeitig bemerkt und beseitigt werden konnten. Überfälle durch grössere Bandeneinheiten fanden hauptsächlich nur im Bereich des EK 8 statt. Hieran waren wiederum die Banden westlich von Mogilew und im Süden von Bobruisk maßgeblich beteiligt. Der Rayon Jerschitschi ist so stark von Banden durchsetzt, daß sämtliche Wehrmachts- und OD-Stützpunkte aufgegeben und in die Rayonstadt selbst zurückgenommen werden mussten. Bei Lapytschi im Rayon Klinzy wurde eine deutsche Wache von 250 Banditen überfallen und niedergemacht. Die Banditen sprengten 3 Geschütze, nahmen den Verschluss eines weiteren mit sich und steckten beim Abziehen ein Stallgebäude in Brand. Von den verschiedenen im Dezember 1942 durchgeführten Unternehmungen zur Bandenbekämpfung sind folgende besonders zu erwähnen: Vom Höheren SS- und Polizeiführer Russland-Mitte war dem Polizeiregiment 14 die Befriedung des stark von Banden verseuchten Raumes Sluzk im Unternehmen „Albert“ befohlen worden. Dem Regiment wurden drei Trupps der Sicherheitspolizei und des SD des Einsatzkommandos 8 zugeteilt. Das Unternehmen zerfiel in Teilaktionen und zwar im Raum Stariza und im Raume Ssegrejewsker-See. Während der Kampfhandlungen im Raum von Stariza wurden vier Bandenlager festgestellt, von denen die Hälfte zu Winterlagern ausgebaut war. Ein solches

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Winterlager war sogar für etwa 800 Mann eingerichtet. In den Lagern wurden Lebensmittel, Vieh, Befehle, Namenslisten, Personalausweise, Flugblätter und ein Traktor gefunden. Die Führer der Banditen hatten Decknamen. Das Lager der Garnison Stariza wurde völlig zerstört; die Bande verlor an Toten 196 Mann. Die Verwundeten konnten von den sich zurückziehenden Banditen geborgen und mitgenommen werden. Im Verlauf des Gefechts stellte sich heraus, daß die Bande neuartige, panzerbrechende Geschosse benutzte. In den Kampfhandlungen im Raume Ssegrejewsker-See wurden insgesamt neun Lager aufgefunden und vernichtet. Es handelte sich dabei um z. T. gut ausgebaute Winterlager. Erbeutet wurden Waffen, Lebensmittel, Vieh, Reit- und Zugpferde mit Panjewagen, Elektroaggregate und zwei Fallschirme. Die Verluste der Banditen bei dieser Aktion sind nicht bekannt. Die bei den Kampfhandlungen eingesetzten Trupps der Sicherheitspolizei und des SD machten während der Aktion wiederum die Erfahrung, daß die Russen zutraulich werden, sobald sie bemerken, daß ihnen kein Leid geschieht und ihnen nichts weggenommen wird. Im Grunde sind die Bewohner der Dörfer den Deutschen zugetan; ihre Angst aber, zwischen zwei Feuer zu geraten, ist die Ursache der oft zweideutigen Haltung. Im Rayon Jerschitschi, südlich Roslawl, wurde von Angehörigen einer OD-Unterführerschule unter deutscher Führung der Worga-Wald nach versprengten Banditen durchkämmt. An dieser Aktion nahm auch das Kommando 7c teil. Im Dorf Worga konnten unter den Fußbodendielen und in Stollengängen verborgen 43 Banditen ergriffen und sonderbehandelt werden. Eine Bandengruppe, die im Wald südlich Jerschitschi von Einheiten der Div. z. b. V. 442 gestellt wurde, leistete hartnäckigen Widerstand und zog sich sodann in das Gebiet der 2. Pz.Div. zurück. Am 11. 12. 42 wurde bei Krassnaja Sloboda im SVB 2 Lokot eine etwa 140 Mann starke Bande von deutschen Einheiten bekämpft. Die Banditen konnten sich nach einem Verlust von 40 Toten zurückziehen. Im Rayon Michailowka/SVB Lokot fanden Kampfhandlungen grösseren Ausmaßes statt. Die dort operierenden Banden verfügen über sehr gute Ausrüstung und verwendeten Explosivgeschosse und Gewehre mit starker Schalldämpfung. Ein im Raume Dumtscha–Vaki durchgeführtes Unternehmen der Wehrmacht musste wegen starker eigener Verluste abgebrochen werden. Südlich Dumtscha wurde ein ungarisches Bataillon von Banden eingeschlossen und konnte sich nur unter schweren Verlusten aus der Umklammerung befreien und zurückziehen. Am 7.12. 42 kam es bei Scheki, 23 km NO Orscha, zu einem Gefecht zwischen sowjetischen Fallschirmtruppen und Einheiten des Graukopf-Verbandes3 (Osttruppe z. b. V. 700). Die Feindverluste werden mit 70 angegeben, die der Osttruppe mit 10. Das Gebiet zwischen Belynitschi und dem Mündungsgebiet des Wabitsch wurde im Unternehmen „Sonnenwende 1“ vom 21. 12.–23. 12. 42 durch die Kampfgruppe Kutschera 4 befriedet. 5 Das EK 8 war mit 4 SD-Trupps beteiligt, die 7 Sonderbehandlungen vornahmen. Die Zahl der im Kampf gefallenen Banditen wird mit 103, die Gesamtzahl der während der Aktion erschossenen Banditen und Bandenhelfer mit 263 angegeben. Während der Kampfhandlungen wurden mehrere Bandendörfer und Bandenlager vernichtet. Am 14. 12. 42 griff die verstärkte Abteilung IV des OD aus Klimowitschi ein Bandenlager bei Ossow an und stürmte es. Die Banditen liessen 8 Tote zurück; der Rest von etwa 60 bis 70 Mann konnte entkommen. Der OD hatte 6 Tote und 12 Verletzte. Die Bunker und Kampfstände des Lagers wurden gesprengt. Die Banditendörfer Karpilowka, Rudobelka und Dertke (etwa 43 km südlich Paritschi) wurden am 12. 12. 42 durch deutsche Flugzeuge bombardiert. Die Wirkung konnte nicht festgestellt werden, da zu diesem Zweck angesetzte Streifen auf starke Bandenkräfte stiessen und sich zurückziehen mussten. Wegen Bandenbegünstigung durch Beherbergen, Beköstigen, Ausrüsten und Bewaffnen von Banditen und

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durch Kundschafterdienste für sie sind rd. 150 Personen, je etwa zur Hälfte Männer und Frauen, gestellt worden. Unter ihnen war der Leiter des russischen Krankenhauses in Krassnyj und seine Frau, die den Banditen Medikamente und Gift geliefert hatten, mit dem Brunnen und Lebensmittel vergiftet werden sollten, der Rayonleiter von Beschenkowitschi, der mit Hilfe eines bei ihm tätigen Dolmetschers den Banditen Waffen und Munition aus den Beständen des OD lieferte, und zwei Starosten, die entwichenen Kriegsgefangenen falsche Ausweispapiere ausstellten, damit sie zu einer Bandengruppe stossen konnten. Die Bandenbegünstigung geschah tatsächlich in den Rayonen Newel, Surash, Beschenkowitschi und Polozk, wo die Bandentätigkeit besonders rege ist und die Bevölkerung besonders stark unter ihrem Druck steht. Bandenlage im Bereich des Befehlshabers der Sicherheitspolizei und des SD Ukraine: Die Bandentätigkeit hat weiterhin zugenommen. Vor allem wurden verschiedentlich wieder Flugzeuglandungen und Fallschirmspringer gemeldet. Besondere Bedeutung kommt der Landung grösserer Kräfte von Fallschirmspringern im sogen. „Nassen Dreieck“ 6, nördlich von Bragin, zu, da sich im gleichen Raume ein starkes Bandenlager befindet. In diesem Zusammenhang sind die Aussagen von Gefangenen beachtlich, wonach z. Zt. in Moskau grössere Fallschirmjägereinheiten aufgestellt und ausgebildet werden, die zum Einsatz im Dnjepr-Gebiet bestimmt sein sollen. Die einheitliche Lenkung der grösseren organisierten Banden und ihre ständige Verbindung mit Führungsstellen wird erneut durch die Aussagen von Bandenangehörigen bestätigt. Aufschlußreich hierfür ist vor allem auch der nachstehend wiedergegebene Bandeneinsatzbefehl, der gleichzeitig die Ziele der Bandeneinsätze präzis aufführt: „Einsatzbefehl an die Organisationsgruppe des ukrainischen Stabes der Partisanenbewegung des Gebietes Sumy, Chineler Wälder, 20. 11. 42. Im Zusammenhang mit dem Beginn der Offensive unserer ruhmreichen Roten Armee an der Stalingrader Front und dem erfolgreichen Vorgehen in nordwestlicher und südlicher Richtung von Stalingrad, ferner zur Durchführung einer sorgfältigen militärischen, politischen und wirtschaftlichen Erkundung der Rayons des Gebietes Sumy, zur Zerstörung der Lager des Gegners, der für die Deutschen arbeitenden Betriebe, zur Organisierung von Eisenbahnunglücken von militärischen Zügen des Gegners und zur Herstellung der Verbindung mit den im Gebiet Sumy selbständig operierenden Partisanenabteilungen befehle ich: An die Diversions- und Aufklärungsgruppe unter dem Kommando des Leutnants Iwan Markowitsch Nedelko, bestehend aus 2 Schützengruppen und den Diversionsgruppen der Partisanenabteilungen ‚Fürs Vaterland‘ und ‚Roter Rayon‘ : Am 28. 11. 1942 um 14 Uhr von der Ortsunterkunft der Part.Abt. zur Ausgangsstellung, dem Dorf Lemeschewka, marschieren und am 29. 11. 42 gemeinsam mit der Partisanenabteilung Kotowski auszurücken und nach Marschroute bis zum Dorf Bunjakino zu marschieren. Vom Dorf Bunjakino ist selbständig vorzugehen. Während des Unternehmens sind alle uns interessierenden Erkundungstatsachen politischen, militärischen und wirtschaftlichen Charakters gemäß den besonderen Kampfbefehlen der Genossen Babenko und Nedelko aufzunehmen. Bei der Einnahme besiedelter Orte sind Verpflegungs- und Rohstofflager, die zur Abtransportierung an die Front oder nach Deutschland vorbereitet sind, an die Bevölkerung zu verteilen oder zu vernichten. In dem Dorf Wasiljewka, Rayon Schepetowka, ist die Spritfabrik zu zerstören und andere kleine Betriebe, die auf dem Marschwege liegen. Bei der Berührung der Eisenbahnmagistrale Konotop–Woroshba–Lgow und Woroshba–Sumy auf dem Hin- und Rückwege hat die Diversionsgruppe Rudenko und Kornienko unter dem Schutz der Kampfgruppe nicht weniger als je 3 Militärzüge des Gegners in die Luft zu sprengen und das Ergebnis hiervon

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festzustellen. Während der Unternehmung hat die Aufklärungskampfgruppe kleine Polizeigarnisonen zu vernichten und die Bewaffnungs- und Munitionsvorräte mitzunehmen. Die Gruppe ist aufzufüllen mit sowjetischen Patrioten, die gemeinsam mit den Partisanen den aktiven Kampf gegen die deutschen Okkupanten führen wollen. Nach Rückkehr von der Unternehmung ist über die Erkundungsergebnisse und die während der Unternehmung ausgeführten Diversionsarbeiten Meldung zu machen. Die Front zur Erfüllung des Befehls setze ich auf die Zeit vom 29. 11.42–25. 12. 1942 fest. Der Chef der Operationsgruppe, Kriegskommissar, Kriegsjurist 3. Ranges Melnik. Stellvertr. Chef der Operationsgruppe, Regimentskommissar Kumanek. Nachrichtenabteilung, Sergeant des NKWD Ussatschew.“ Trotz der Verstärkung der Banden im „Nassen Dreieck“ durch Fallschirmspringer lag zu Beginn des Monats der Schwerpunkt der Bandentätigkeit im Raume nördlich der Bahnlinie Pinsk–Mikasewitsche–Kocewitsche im Mittelpunkt Lenin und den ostwärts gelegenen Ortschaften am Weissen See. Starke Bandengruppen traten erneut bis Nähe Pinsk durch Überfälle in Erscheinung. Im Ganzen gesehen haben die Überfälle auf Bahnlinien in der 1. Januarhälfte nachgelassen. Einige Bedeutung hatte der Überfall auf den Bahnhof Drowjanoj-Post (ostwärts Olewsk an Bahnlinie Sarny–Korosten), wobei 3 deutsche Eisenbahner und 2 Unteroffiziere der Wehrmacht getötet wurden. Hierbei fiel den Banditen die Parole für Januar 1943 in die Hände. Wie jetzt durch Agenten festgestellt werden konnte, werden die Banden in den Kreisgebieten Sarny–Kostopol von dem sowj. Oberst der ehem. 5. Armee mit Namen Klimow, der mehrere Offiziere der gleichen Armee in seinem Stab hat, geleitet. Nach weiteren Aussagen der Agenten haben die Banden erneut den Befehl erhalten, alle Deutschen sowie die in deutschen Diensten Stehenden zu erschiessen. Polen sowie bewährte Juden sollen in die Banden aufgenommen werden. Im Raume Santage – Kommandeurbereich Dnjepropetrowsk – wurde eine Bandengruppe von 21 Mann festgenommen. Waffen und Munition wurden sichergestellt. Mit der Festnahme weiterer Bandenangehöriger ist zu rechnen. Erhöhte Bandentätigkeit herrscht weiterhin im Kommandeurbereich Tschernigow. Vor allem macht sich die eifrige Flugblattpropaganda der Banditen innerhalb der Bevölkerung und offensichtlich auch unter den Schutzmannschaftsangehörigen bemerkbar. Bei Säuberungsaktionen im Rayon Nowo-Bassan wurden in sehr vielen Dörfern, vor allem in Burik und Krassnyj, Munitionsbestände vorgefunden. In Burik ging u. a. ein grösseres Munitionslager in die Luft. Im Haus des Bürgermeisters von Krassnyj sind allein 500 Schuss Infanteriemunition und 24 Handgranaten gefunden worden. Lettische Widerstandsbewegung LNS: Die Aktion gegen die Hersteller der von der Vereinigung Lettischer Nationalisten herausgegebenen Hetzschrift „Tautas Balss“ führte zur restlosen Festnahme des Redaktionskollegiums, an dessen Spitze der ehem. Theologiestudent Kaminski stand. Als geistiger Urheber dieser Zeitung ist der Bibliothekar der Universitätszentralbibliothek Caupals ermittelt worden. Bisher wurden aus diesem Kreis insgesamt 20 Festnahmen durchgeführt und das gesamte technische Material zur Herstellung der Zeitung sichergestellt. Die für die Nr. 10 der „Tautas Balss“ bereits geschriebenen Matrizen wurden von dem Schutzmann Rutkis, der die technische Leitung der Herstellung hatte, kurz vor seiner Festnahme verbrannt. Über den Rahmen der Zeitungshersteller hinaus konnten verschiedene Gruppen der Lettischen Nationalen Widerstandsbewegung aufgerollt werden. Dieser Vereinigung liegt folgende Vorgeschichte zugrunde: Die Gründung der bisher erfaßten 5 Gruppen geht auf die Bolschewistenzeit zurück. Die Führer sind durchweg an

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den Partisanenkämpfen gegen die Russen beteiligt gewesen und kommen größtenteils aus dem Lager der Perkonkrustler. Als vordringliche Aufgabe schwebte allen Beteiligten eine propagandistische Bearbeitung des lettischen Volkes und seine moralische Stärkung vor. Besonders die lettische Frau versuchte man durch Aufsätze und durch Veröffentlichung von schwarzen Listen von einem Verkehr mit den Deutschen abzuhalten. Auf dieser Grundlage näherten sich die zunächst unabhängigen Gruppen einander immer mehr. Die im Mai 1942 durchgeführten 17 Festnahmen, die aber nicht den Kopf der Organisation erfaßten, haben ihre Aktivität in keiner Weise berührt. Ein merkliches Absinken erfolgte erst im August. Dies kann auf die damals erfolgte Festnahme des Hauptexpedienten Arnold Bersinsch zurückgeführt werden. Eine Aktivierung der Tätigkeit trat erst wieder im Herbst ein. Gleichzeitig kam es aber zu Spannungen zwischen den Gruppenleitern Barkans und Caupals auf der einen Seite und dem Korporal Dullis auf der anderen Seite. Während die beiden ersten weiter an der propagandistischen Arbeit festhalten wollten, trat Dullis für eine rein militärische Ausrichtung ein. Vor allen Dingen schlug er die Beschaffung von Waffen vor, die in erster Linie gegen die Russen verwendet werden sollten, wenn die Deutschen das Land einmal räumen müßten. Dullis vertrat aber auch den Standpunkt, daß man die Waffen gegen die Deutschen gebrauchen müsste, falls die Repressalien zu gross würden. 50 illegal arbeitende Mitglieder der LNS konnten inzwischen festgenommen werden. Es handelt sich hierbei hauptsächlich um lettische Behördenangestellte sowie Offiziere und Mannschaften der Schutzmannschaft. Von den 9 festgenommenen Akademikern ist Baudsinsch Aes, geb. 14. 11. 10 in Charbin/Mandschuko, Hauptabteilungsleiter im Sozialdepartement, Tschaupals Arnold, geb. 25. 2. 13 im Kr. Windau, Bibliothekar der Universitätsbibliothek, Birgers Ieva-Sofia, geb. 17.11. 16 in Moskau, Angestellte der Staatsdruckerei, und Zellitis Artur, geb. 6. 1. 11 in Gem. Rausa, Kr. Walk, Pfarrer. Unter den 16 festgenommenen Angehörigen von militärischen Formationen sind 6 Offiziere der Schutzmannschaft, 8 Schutzmänner, 1 Angehöriger der lettischen politischen Abteilung und 1 Angehöriger des lettischen Sicherungskommandos. Für weitere 40 Festnahmen liegt bereits genügend Material vor. Nach den bisherigen Feststellungen ist mit weit über 100 Festnahmen zu rechnen, da die LNS in einer Reihe von Provinzstädten ebenfalls illegale Gruppen aufgezogen hat, die aber teilweise mit der Zentrale Riga nur lose in Verbindung stehen. Es ist nun gelungen, auch des Leiters der militärischen Gruppe Dullis Albert, geb. 16. 7.11 in der Gem. Zleki, habhaft zu werden. Die Wichtigkeit seiner Stellung war schon lange bekannt; er konnte aber, da er in der Infektionsabteilung des zweiten Rigaer Krankenhauses lag, zunächst nicht in Haft genommen werden. Von dort war er mit Hilfe des Architekten Landsmanis Olgerts-Verners, geb. 23. 7.15 in Riga, anscheinend auch unterstützt vom lettischen Pflegepersonal, am Abend des 11. 12. 42 geflohen, konnte aber nach einer Schiesserei, bei der er 4 Beindurchschüsse und einen Kopfstreifschuss erhielt, in der Nacht vom 20. zum 21. 12. 42 festgenommen werden. Dullis ist ein sehr intelligenter und redebegabter Mann, dem es Kraft seiner Persönlichkeit gelungen ist, die seiner Gruppe angehörenden Offiziere seinem Kommando zu unterstellen. Er ist alter Perkonkrustler und Verbindungsmann zu Gustav Celmins. Er hat sich kaum einen freien Abend gegönnt und jede freie Minute zur Werbung weiterer Mitglieder benutzt. In einer grossen Anzahl Rigaer Betriebe sind Zellen entstanden oder im Aufbau. Einige der Festgenommenen erklären, daß sie nicht Politiker, sondern Kämpfer seien. Dullis hat in seine Gruppe auch nur militärisch ausgebildete Männer aufgenommen, bevorzugt Angehörige der Frontbataillo-

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ne. Sein Ziel war die Zersetzung der Kampfmoral der unter den Waffen stehenden Letten. Er hatte die Parole herausgegeben, Waffen zu sammeln, um sie unter Umständen auch gegen die Deutschen zu gebrauchen. Ausserdem hat er Aufträge zur Feststellung und Stärke und Stand der deutschen Wehrmachtseinheiten in Riga gegeben. Es bedarf noch der Klärung, wem er diese Nachrichten weitergegeben hat. Bei seiner politischen Einstellung liegt jedoch die Vermutung nahe, daß er im Auftrage des englischen Nachrichtendienstes gearbeitet hat. Die noch festzunehmenden und bereits bekannten Angehörigen der Gruppe Dullis sind fast ausnahmslos Angehörige der Schutzmannschaften, weshalb z. Zt. Ermittlungen durchgeführt werden, wie weit in den Schutzmannschaftsbataillonen Zellen bestehen. B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung der Bevölkerung im Gebiet des Generalkommissariats Litauen: Die Stimmung der litauischen Bevölkerung hat im Gegensatz zur Lage, die im wesentlichen unverändert blieb, eine weitere Verschlechterung erfahren. Nach wie vor sind Nahrungsmittelsorgen das alles beherrschende Problem. Solange auf diesem Gebiete keine Besserung eintritt, ist auch auf fast allen übrigen Lebensgebieten mit einer Entwicklung im günstigen Sinne nicht zu rechnen. Weiterhin wird die Stimmung durch die Brennstoffrage und für die Landwirtschaft durch die Versorgung mit dem notwendigsten landwirtschaftlichen Bedarf, besonders an Eisen, stark beeinflusst. Der Wille des litauischen Volkes, seinen Beitrag zur Kriegsführung zu leisten, ist nach den vorliegenden Meldungen unverkennbar. Es ist jedoch anzunehmen, dass auch bei bestem Willen die festgesetzten Kontingente nicht aufgebracht werden können. Im allgemeinen scheinen die Lieferungen während der letzten Monate höher als zur gleichen Zeit des Vorjahres zu liegen und dürften sich auch gegebenenfalls in den nächsten Monaten verbessern. Weite Kreise der Landwirtschaft befürchten aber, dass die nicht 100 %ige Erfüllung ihrer Ablieferungspflichten als böser Wille dargelegt und sie deshalb von ihren Höfen vertrieben werden könnten. Dies unterstreicht folgender, aus litauischen deutschfreundlichen Kreisen vorliegender Stimmungsbericht: „Zur Zeit herrscht in allen Kreisen der litauischen Bevölkerung die feste Überzeugung, dass in Litauen die Kolonisation in breitem Maße durchgeführt werde, obgleich man auch versuche, dieses unter dem Vorwande der Säuberung Litauens von fremden Volkszugehörigen, der Rücksiedlung der Umsiedler usw. zu verschleiern. Die in letzter Zeit von der Zivilverwaltung angedrohten strengeren Maßnahmen gegen säumige Landwirte verstärken die Vermutungen, dass man dadurch die beste Handhabe schaffe, um die unbequemen Landwirte von ihren Grundstücken zu entfernen. Da der weitaus grösste Teil der Landwirte nicht 100 %ig ihren Ablieferungspflichten nachkommen könnte, sind fast alle Landwirte von banger Sorge um ihre Zukunft erfüllt. Tatsächlich sind auch die Amtsvorsteher bereits angewiesen worden, Listen der säumigen Landwirte aufzustellen. Den Bauern ist es bekannt, dass ihnen hierfür die Einlieferung in Zwangsarbeitslager oder schliesslich die Entfernung vom Grundbesitz droht. Einige Landwirte erklären, dass sie nicht in der Lage seien, ihren Ablieferungspflichten nachzukommen, während die anderen deshalb nicht alles abliefern, weil sie selbst überhaupt nichts erhalten. Sie müssten einen Teil der landwirtschaftlichen Produkte notgedrungen zum Eintausch für unbedingt erforderliche Gegenstände wie Eisen, Salz, Petroleum, Treibstoff, Hufeisen, Hufnägel usw. zurückbehalten, weil sie seit Ausbruch des Krieges auf legalem Wege überhaupt nichts erhalten haben. Die einen wie auch die anderen Landwirte erklären, dass sie ihre eventuelle Bestrafung oder sogar die Entfernung von Fremdbesitz als ungerecht betrachten würden. Alle diese

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Maßnahmen seien nur dazu da, um die Kolonisation zu verschleiern. Man kann deshalb mit Bestimmtheit behaupten, dass unter den Landwirten die feste Überzeugung herrscht, dass man bestrebt sei, die besseren polnischen sowie litauischen Grundstücke für die Kolonisation zu sichern. Bei der Betrachtung der entstandenen Lage durch die Rücksiedlung der Umsiedler muss festgestellt werden, dass ihre offene Bevorzugung, Befreiung von verschiedenen Ablieferungen, Versorgung mit Wehrmachtslebensmittelkarten sowie andere Erleichterungen immer mehr die örtlichen Einwohner gegen die Rücksiedler einstellt. Hier sei auf ein Beispiel hingewiesen, wobei ein Rücksiedler in Kalvarija den Leiter einer Bäckerei öffentlich beschimpfte und mit Entlassung drohte, weil das Brot bereits ausverkauft war. Zusammenfassend – so wird von litauischer Seite berichtet – kann gesagt werden, dass das ganze Gebiet deutlich fühlt, dass die Kolonisation durchgeführt wird. Die Kolonisation sowie die Rücksiedler machen die Einwohner immer nervöser und vergrössern die Antipathie gegen die Deutschen. Wenn für die weitere Kriegführung die Einstellung der Bewohner von irgendwelcher Bedeutung ist, so müssten Mittel und Wege gesucht werden, um die Stimmung zu heben, da die dauernd sinkende Stimmung zu unliebsamen Folgen führen könnte.“ Viel böses Blut machte auch die zwangsweise Ausmietung von Litauern aus ihren Wohnungen, die für Deutsche der Zivilverwaltung oder Rücksiedler freigemacht werden sollen. Zu diesen die Stimmung negativ beeinflussenden Umständen kommt die pessimistische Beurteilung der militärischen Lage an der Front. Mit einer gewissen beklemmenden Besorgnis verfolgt die Bevölkerung die OKW-Berichte über die schweren Abwehrkämpfe im Osten, und immer wieder hört man verwundert die Frage, woher die Russen diese Massen an Menschen und Material nähmen. Man glaubt, dass sie trotz der grossen Erfolge der deutschen U-Boot-Waffe immer noch hinreichend englisch-amerikanisches Nachschubmaterial erhalten müssen. Auch die Ereignisse in Nordafrika sind mitbestimmend für die pessimistische Stimmung der Bevölkerung. Heute ist in weiten Kreisen die Überzeugung verbreitet, dass Deutschland den Krieg nicht mehr gewinnen könne. Die grosse Masse der Landbevölkerung und auch einsichtsvolle ältere intelligente Kreise wünschen den deutschen Sieg, während das jüngere nationale Element in weiterem Umfang bereits den englisch-amerikanischen Endsieg voraussieht und erhofft. Von litauischer Seite liegt dazu folgender Bericht vor: „Mit der grössten Unruhe werden die angeblichen bolschewistischen Erfolge an der Ostfront aufgenommen. Daraus kann man schliessen, dass das einjährige bolschewistische Regime die Sympathien für den Bolschewismus endgültig ausgelöscht hat. Grössere Beachtung finden die Nachrichten über die Lage in Afrika. Obgleich diese Front weit entfernt ist, so finden die Kämpfe doch auch in Litauen ihren Widerhall. Viele sind der Ansicht, dass die dortige Lage für die Deutschen, ganz besonders aber für die italienischen Bundesgenossen, schwierig sei. Für Deutschland gäbe es nur den einen Ausweg – seine Politik den besetzten Gebieten gegenüber zu ändern, indem den befreundeten Völkern mehr Freiheit gewährt wird, damit diese alle ihre Kräfte dem Kampf gegen den Bolschewismus zur Verfügung stellen können. Obgleich die kommunistischen Elemente keine organisierte Tätigkeit entfalten, so macht sich ihre Schädlingsarbeit doch hier und dort bemerkbar. Ganz besonders schwer und aufreibend ist der Kampf gegen die Bandentätigkeit. Die Banden terrorisieren die friedlichen Einwohner und führen gleichzeitig auch Sabotageakte durch. Besonders gefährlich ist der Kampf gegen die aus Russland gesandten Terroristen, denn diese sind zu diesem Zwecke besonders geschult. Sie sind zum grössten Teil in den Gegenden tätig, die von Polen und Russen bewohnt werden.

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Es ist erfreulich, dass es bisher in den meisten Fällen gelungen ist, die Ziele der Banditen aufzudecken und sie selbst zu liquidieren. Die Nachrichten von der Ostfront und aus Afrika haben die Stimmung der Kommunisten und ihrer Anhänger etwas gebessert. Diese tritt aber nur durch eine intensivere Verbreitung von Gerüchten zutage. Die Nachrichten von den Fronten haben auch die Stimmung der Polen und Russen etwas gehoben. Sie sind der Ansicht, dass sich dadurch ihre Lage etwas bessern werde. Die Polen versuchen auf verschiedenste Weise, ihre litauische Volkszugehörigkeit nachzuweisen, was ihnen zum Teil auch gelingt, denn in den meisten Fällen handelt es sich um polonisierte Litauer. Die Russen dagegen sind auf alles vorbereitet. Viele erklären, daß sie ihr Haus und ihren Hof freiwillig nicht verlassen werden.“ Die illegale Flugblattätigkeit bewegte sich im gleichen Rahmen wie in den Vormonaten. Sie wies auch mehr oder weniger den gleichen Inhalt auf: Vorwürfe und Drohungen an die Adresse von führenden Beamten der landeseigenen Verwaltung, aber auch der deutschen Verwaltung, insbesondere im Zusammenhang mit der Rückführung der volksdeutschen Umsiedler nach Litauen. Es ist ersichtlich, daß die Flugblattätigkeit immer die gleichen Urheber besitzt. Die Flugblätter werden von einsichtigen Litauern durchweg abgelehnt und von der breiten Masse vielleicht gelesen, aber weniger als früher beachtet: die Sorgen des Alltags lasten zu sehr auf der Allgemeinheit. Allgemeine Lage und Stimmung der Bevölkerung im Wilnaer Gebiet: Die Stimmung der Bewohner des Wilna-Gebietes ist auch weiterhin sehr gedrückt. Dies ist auch hier besonders durch die Ernährungssorgen begründet. Politischen Fragen gegenüber ist eine gewisse Gleichgültigkeit bei der breiten Masse der Bevölkerung festzustellen. Trotz dieser Abgestumpftheit in politischen Dingen blüht natürlich die Gerüchtemacherei, die leider auch vereinzelt dadurch neuen Stoff erhält, dass Wehrmachtsangehörige in der Eisenbahn und in Lokalen, besonders nach Alkoholgenuss, mit Deutsch radebrechenden Zivilisten über Vorgänge an der Front, Verlustzahlen usw. sprechen. Einzelne missmutige Äusserungen Deutscher werden von der Bevölkerung zu Ungunsten Deutschlands ausgewertet, vergrössert und verallgemeinert. Den Gerüchten gegenüber ist die amtliche deutsche Propaganda wenig wirkungsvoll, wobei z. B. auf dem Gebiet der Filmpropaganda in Wilna besonders das späte Herausbringen der Wochenschauen beanstandet wird, die z. T. bereits ein Vierteljahr alt sind. Auch bezüglich der Spielfilme wird bemängelt, daß sie nach Wilna oft erst ein Jahr später als nach Kauen kommen, daß fast keine deutschen Spitzenfilme gezeigt werden und dass die einzelnen Filme sehr lange laufen, was den Eindruck stiefmütterlicher Behandlung des hiesigen Gebietes erweckt. Die z. Zt. in Wilna stattfindende Ausstellung „Europas Schicksalskampf im Osten“ findet wenig Beachtung, was auch z. T. auf zu geringe Werbung durch die zuständigen Propagandastellen zurückzuführen ist. Die Besucher sind im übrigen recht zurückhaltend in ihren Äusserungen über die Exponate. Starke, materielle Belastung erfährt die Bevölkerung durch die notwendige Hereinbringung des zugeteilten Brennholzes für den Winter, da die Bauern für die Anfuhr eines Raummeters RM 5,– und mehr fordern, ohne daß die Preisüberwachung dagegen irgendwie energisch vorgeht. In Wilna mehren sich die Fälle, daß die Bevölkerung nach stundenlangem Schlangestehen vor den Brotausgabestellen ohne Brot nach Hause gehen muss, da keine Ware herangeliefert wird. Die Fleischversorgung der einheimischen Bevölkerung Wilnas besteht zur Zeit zum Teil in der Belieferung mit Pferdefleisch. Fett ist in den letzten beiden Monaten fast gar nicht mehr ausgegeben worden. […]

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Propagandalage im Bereich der 18. Armee: Feindpropaganda: Feindpropaganda in Form von Flugblättern ist in der letzten Zeit in den Frontbereichen ausser Flugblättern zum 25. Jahrestag der Oktoberrevolution kaum in Erscheinung getreten. Im wesentlichen wird in den wenigen abgeworfenen Flugblättern versucht, die nationalrussischen Gefühle zu wecken. Die Bevölkerung gehe auf diese Feindpropaganda nicht ein, beschäftige sich aber hin und wieder mit Flüsterparolen, die zweifellos ihren Ursprung bei Kriegsgefangenen hätten. Die Flüsterparolen würden hauptsächlich deshalb aufgenommen, weil sie um das Leben von Angehörigen, die sich noch hinter den sowjetischen Linien befinden, bange. Es befänden sich aber auch unter den Flüsterparolen solche, die Verbreitung durch deutsche Soldaten fänden. Deutsche Propaganda: Meldungen, die vom Ende des vergangenen Jahres datieren, heben hervor, dass die deutsche Propaganda im Bereich der 18. Armee gemessen an der bolschewistischen Propaganda vor dem Kriege nicht als zufriedenstellend angesehen werden könne. Die bolschewistische Propaganda, die vor dem Kriege durch ihre Tätigkeit in den Arbeiterclubs, Unterrichts- und Bildungsstätten eine grosse Breitenarbeit entfaltete, sei durch die deutsche Propaganda noch nicht in allen Teilen abgelöst. Die deutsche Propaganda befasse sich im wesentlichen mit der Herausgabe von Zeitungen, Flugblättern, Plakaten und einigen Filmvorführungen. Die bolschewistische Propaganda hätte ausländische Nachrichtenquellen absolut ausschalten können, während die deutsche Propaganda heute immer noch mit den Nachwehen früherer bolschewistischer Propaganda zu rechnen habe. Der Hunger nach propagandistischem Lesestoff sei nach wie vor in der Bevölkerung sehr gross. Es wäre geradezu überraschend, wie schwer der Lesehunger der russischen Bevölkerung zu befriedigen sei. Dabei werde grösster Wert auf sachliche Berichterstattung und Illustrierung gelegt. Übertreibungen oder falsche Darstellungen sowjetischer Verhältnisse erregen Zweifel über die Richtigkeit der gesamten Berichterstattung. Der Bewohner des Bereiches sei ein genauer und aufmerksamer Beobachter und Kritiker. Selbst ein Anzeigenteil, der z. B. bei der „Prawda“ nicht vorhanden ist, interessiere ihn. Fehler der deutschen Propaganda würden stark kritisiert. Als Fehler in der deutschen Propaganda werden folgende bezeichnet: 1. Eine Herabwürdigung des sowjetischen Soldaten sei unmöglich, da ein grosser Teil der Zivilbevölkerung noch Angehörige bei der sowjetischen Armee hat. Nachrichten aus dem sowjetischen Hinterland über die Geldentwertung, schmale Lebensmittelrationen, Hungersnot sowie über die Zwangsmobilisierung von Arbeitskräften dürften nicht abgegeben werden, weil dabei die Bevölkerung Rückschlüsse auf die eigene nicht zufriedenstellende Lage vornehme. 2. Übertriebene Schilderungen der Versorgungslage im Reich seien unzweckmäßig, weil die Bevölkerung dabei auf den Gedanken komme, dass von dem geschilderten Überfluss an sie abgegeben werden könne. Das gleiche gelte bezüglich einer allzu starken Betonung der sozialen Verhältnisse im Reich, denn auch in der UdSSR gab es Frauen- und Kindererholungsheime sowie Erholungsurlaub für die Arbeiter auf der Krim. 3. Oft träten Nachrichten über frühere bolschewistische Zustände auf, die falsch und entstellt seien. Taufen von Kindern wären z. B. auch im sowjetischen Staate möglich gewesen. Die stark herausgestellten Nachrichten von der Ausgabe warmen Mittagessens an den Pleskauer Schulen seien sofort verallgemeinert worden. Der mitunter schlechte Stil in den Übersetzungen rufe in der Bevölkerung Urteile über die Sprachfähigkeit und sonstigen Qualitäten der in deutschen Diensten stehenden Dolmetscher hervor. Es werde der Anschein erweckt, als ob diese russischen Mitarbeiter bei deutschen Propagandastellen weniger an

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der Wirkung der deutschen Propaganda als an der Betonung ihrer antibolschewistischen Einstellung interessiert seien. Das Bildmaterial wirke am stärksten auf die russische Zivilbevölkerung. Zeitungen mit Bildern und Karikaturen werden immer bevorzugt. Dieses Moment müsse in der deutschen Propaganda viel stärker beachtet und herausgestellt werden. Der inzwischen regelmäßig erscheinende Wehrmachtsbericht in russischer Sprache finde überall die beste Aufnahme, zumal die Zeitungen vielfach unregelmäßig und verspätet einträfen. Der Wehrmachtsbericht komme meistens schon am nächsten Tage, spätestens aber zwei Tage später in allen Ortschaften des Bereiches zum Aushang. Das Land werde immer noch schlecht mit Zeitungen versorgt. Das Zeitungsmaterial bleibe oft bei den einzelnen Dienststellen zu lange liegen und werde mitunter, wie z. B. die „Prawda“, für andere Zwecke verwertet. Vielfach sei das Zeitungsmaterial durch Liegenlassen zu alt geworden. Acht Tage alte Zeitungen fänden aber schon kein Interesse mehr. Über den Wirkungsgrad der Zeitungen und Broschüren bzw. ihre Aufnahme in der Bevölkerung liegen folgende Meldungen vor: „Severnoje Slowo“, Erscheinungsort Reval, wird besonders gelobt und als die beste Zeitung bezeichnet. Sie sei ohne Übertreibungen und mit gutem Bildmaterial ausgestattet. Die wenigen zur Verfügung stehenden Exemplare fänden äußerst rasche Abnahme. Im Zusammenhang mit dieser Zeitung werde häufig der Wunsch zum Ausdruck gebracht, darin Suchanzeigen aufzunehmen. „Prawda“, Erscheinungsort Riga, sei deshalb begehrt, weil sie umsonst verteilt werde. Bei der „Prawda“ werde allerdings die „plumpe und durchsichtige“ Propaganda gerügt. „Za Rodinu“, Erscheinungsort Pleskau, sei im Bereich nicht allzu stark verbreitet, werde jedoch wegen des lokalen Teils gern gelesen. „Mirovoje echo“, Erscheinungsort Krasnogwardeisk, sei unbeliebt. Der Ausbau der Lokalberichterstattung werde von der Bevölkerung als mangelhaft bezeichnet und sei nur schwer zu verkaufen. „Trud i odtych“, Erscheinungsort Luga, erfülle nicht seinen Zweck. Der Stil dieses Unterhaltungsblattes sei nicht gut; die Übersetzungen seien mangelhaft. Die Zeitung habe keine „imponierende“ Aufmachung und sei aus diesem Grunde nicht sonderlich begehrt. „Novy Put“ fände als einzige illustrierte Zeitschrift einen ungeheuren Zuspruch. Die vorhandenen Exemplare würden trotz des hohen Preises von 3 Rbl. äusserst schnell verkauft. Grosses Interesse fänden auch deutsche illustrierte Zeitungen, die der Bevölkerung durch deutsche Soldaten zugängig sind. Ein Teil der Bevölkerung sei in der Lage, die lateinische Schrift zu lesen; die Bilder interessierten aber auch ohne Kenntnis der Unterschriften. Es könne dabei beobachtet werden, wie die Bevölkerung vergleiche, ob sich die deutschsprachige Presse auf gleicher Basis bewege. Von den Propagandabroschüren hätten folgende Anklang gefunden: „Was wird später?“, „Wer ist der Urheber des Krieges?“, „Dein Kamerad in Deutschland!“, „Adolf Hitler und die Kinder“, „Adolf Hitler und die Arbeiter“, „In den Kellern der GPU“. Hingegen hatten die Broschüren „Adolf Hitler als Befreier“ und „Was wir sahen in Deutschland“ keinen durchschlagenden propagandistischen Erfolg gehabt. Der russische Kalender „Neues Europa“ erfreue sich nach wie vor grösster Beliebtheit. Propaganda in Ingermanland: Feindpropaganda: Die Propagandalage hat sich zum Schluss des Jahres 1942 den Meldungen zufolge insofern verändert, als Gerüchte über Friedensverhandlungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion inzwischen als unwahr erkannt wurden und nunmehr verstummt sind. Das Ausbleiben des Angriffs auf Leningrad habe allgemein sehr deprimierend gewirkt. Durch Flüsterpropaganda wird verbreitet, dass die militärische Lage Deutschlands derart kritisch geworden sei, dass in Kür-

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ze mit der Wiedereroberung Ingermanlands durch die Sowjets zu rechnen sei. Weitere Gerüchte über Durchbruchserfolge der Bolschewisten am Ilmen-See usw. verstärken die Depression der Bevölkerung z. T. derart, dass beispielsweise in Luga auf Grund eines solchen Gerüchtes eine panikartige Stimmung eingetreten sei. Der Abwurf und die Verbreitung sowjetischer Flugblätter waren am Jahresende besonders stark. Es handelt sich jedoch vorwiegend um für die deutsche Wehrmacht bestimmtes Zersetzungsmaterial. Nur wenige Flugblätter wandten sich an die Bevölkerung Ingermanlands. Deutsche Propaganda: Die Umtriebe der Banden wie die Weite des Raumes machen es der deutschen Propaganda schwer, sich wirkungsvoll durchzusetzen. Den militärischen Gerüchten wurde wirksam entgegengetreten. Neben der ständigen Auseinandersetzung mit fast allen bekanntwerdenden Gerüchten im örtlichen Drahtfunk werden täglich die Wehrmachtsberichte in russischer Sprache in zahlreichen öffentlichen Gebäuden angeschlagen. Als wirksamste und beste deutsche Propaganda habe sich jedoch nach den vorliegenden Meldungen die Entsendung von geeigneten Bauern und Arbeitern ins Reich erwiesen. Die ersten Rückkehrer hätten auf ihren Dienststellen von ihren Eindrücken im Reich erzählt und z. T. mit ungeheuchelter Bewunderung die Ordnung und Reinlichkeit gerühmt, die ihnen in Deutschland allerorts aufgefallen sei. Auch gelegentlich durchgeführte Vortragsabende dieser Rückkehrer in Verbindung mit Gesangsdarbietungen hätten sich propagandistisch äusserst günstig ausgewirkt. Am 22. 11. 42 wurde in Pleskau der Ausstellungszug „Deutschland“ für die Zivilbevölkerung freigegeben, nachdem bereits am Vortage die Eröffnungsfeierlichkeiten vor Vertretern der deutschen Dienststellen und Truppeneinheiten stattgefunden hatten. Das Interesse an dieser Ausstellung sei äusserst gross. Bereits während der drei ersten Ausstellungstage sei eine Besucherzahl von rund 11 500 Menschen registriert worden. Der Vertrieb von Zeitungen in Ingermanland weise weiterhin eine steigende Tendenz auf. So erfuhr allein die Wochenausgabe der „Za Rodinu“ eine Erhöhung von 5000 Exemplaren und hat somit eine Auflageziffer von 150 000 erreicht. Der Pressevertrieb hat sich gut eingespielt. Von seiten der Leser werde immer wieder der Wunsch geäussert, für den Druck der Zeitung grössere Buchstaben zu verwenden. Auch werde von seiten der Leserschaft darauf aufmerksam gemacht, dass die Zahl der grammatischen, stilistischen und historischen Fehler recht gross sei. Auf Veranlassung der Chefgruppe Betriebsförderung und Berufserziehung wird für den Nordabschnitt der Ostfront seit November die Zeitschrift „Wiedergeburt im Osten“ herausgegeben. Das Blatt macht den Versuch, eine ausgesprochene Betriebszeitung für die russischen Arbeitskräfte zu werden. Die erste Nummer brachte einen Leitartikel von Oberst Becker, Kommandeur der Wi-In 7 Nord, unter der Überschrift „Aufruf an die Werktätigen“ sowie weitere Artikel „Die gemeinsame Wiederaufbauarbeit“, „Errichtung des freien Europas“, „Schlepper oder Zugtiere“, „Landwirtschaftliche Berufe in Deutschland“ u. a. m. Diese Zeitung wird in Pleskau herausgegeben und soll nach Überwindung einiger technischer Schwierigkeiten eine Auflage von 100 000 Exemplaren erhalten. Der Einsatz von Lautsprecherwagen war infolge technischer Schwierigkeiten nur begrenzt möglich. Wirtschaftliche Lage im Generalbezirk Litauen: Landwirtschaft: Die Ablieferung hat den Meldungen zufolge im Berichtsgebiet in der ersten Hälfte des Monats Dezember 1942 weitere Fortschritte gemacht. So wurden bis 10. 2. [wohl 12.] 1942 an Brotgetreide 26 %, Hafer 22 % und Kartoffeln gegen 50 % des Gesamtkontingents zur Ablieferung gebracht. Man erwartet, dass in den ersten beiden Monaten dieses Jahres eine weitere Steigerung erfolgt, wenn es auch als sicher angesehen wird, dass in Brotgetreide, Schweinefleisch und

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Milch (Butter) die Jahreskontingente nicht erreicht werden können. Obgleich an Brotgetreide bisher nur ein Teil zur Ablieferung gekommen ist, musste in einigen Kreisen seitens der Kreischefs die Getreideanfuhr gestoppt werden. Die vorhandenen Lager waren überfüllt, und für den Abtransport stand nicht genügend Transportraum zur Verfügung. Zu diesem Zusammenhang muss herausgestellt werden, dass die Lager vielfach für eine längere Lagerung nicht geeignet sind. Das Kontingent an Rindern ist zu über 100 % erfüllt worden, und die Schweineablieferung übertrifft trotz der schwierigen Lage den Stand zur gleichen Zeit des Vorjahres. Ausgesprochen schlecht steht es mit der Milchablieferung und somit der Butterversorgung. Der Generalkommissar sah sich deshalb gezwungen, die Butterlieferung an die Bevölkerung vom 14. 12. bis 10. 1.1943, also gerade zu einer empfindlichen Zeit zu sperren und durch Verfügung vom 17. 12. 1942 die Bauern und Kuhhalter zu verpflichten, die gesamte Milch bis auf die für den eigenen Haushalt unbedingt notwendige Menge abzuliefern. Die Molkereien, Amtsvorsteher und Dorfschulzen haben darüber hinaus die Milchzustellung zu organisieren. Von litauischer Seite wird darauf hingewiesen, dass gerade die Milchzustellung Schwierigkeiten bereite, da es an dem notwendigen Huf- und Radbeschlag fehlt. Eine Art von Prämiensystem wie bei der Schweineablieferung in der Sondersalzzuteilung wäre, so wird herausgestellt, notwendig und zwar in diesem Falle in Form von Eisenwaren. In einzelnen Kreisen sind von den Kreislandwirtschaftsführern Rücksiedler und Soldaten mit der Ablieferungskontrolle beauftragt worden. In einem Schreiben vom 12. 12. 42 an den Generalkommissar nimmt der Generalrat für Landwirtschaft und Ernährung dazu Stellung und äussert schwere Bedenken gegen eine solche Art von Kontrolle. Das Vertrauen der Landwirte zu den örtlichen landeseigenen Dienststellen leide darunter, und allerlei Mißverständnisse und Unzufriedenheiten seien unausbleiblich. Von erfahrener litauischer Seite wird auch behauptet, dass die immer wieder durchgeführten Viehbestandsaufnahmen sich ungünstig auswirken. Der Bauer werde immer wieder versuchen, etwas auch illegal für den eigenen Bedarf heranzuziehen, und habe das Gefühl, dass die wiederholten Viehzählungen nur den Zweck haben, dieses zu verhindern. Er werde sich dann in der Viehhaltung auf ein Minimum beschränken. Im allgemeinen aber ist, so besagen die Meldungen, der Ablieferungswille der Bauern vorhanden. Ein Beweis dafür wird auch in der neuerlichen freiwilligen Lieferung von etwa 51000 Schaffellen für die Wehrmacht gesehen. Versorgung: Auf dem Gebiete der Versorgung haben das Lebensmittelproblem und die Brennstoffrage an Aktualität nicht verloren. In der Brennstoffrage schaffte das milde Wetter, das den ganzen Dezember anhielt und der Stadtbevölkerung es vielfach ermöglichte, nur mit Küchenheizung auszukommen, eine wesentliche Erleichterung, so dass man vielfach über die noch verbleibenden strengeren Wintermonate hinwegkommen wird. Die Lebensmittelrationen werden aber nach wie vor als zu gering bezeichnet, und man sieht als Folge davon das Anhalten des umfangreichen Schleichhandels. Doch glaubt man festzustellen, dass die Bevölkerung, in der Masse genommen und im Vergleich zum Vorjahre, sich mehr einschränkt. Die Vorräte sind meist aufgebraucht und die Neubeschaffung bei den Einkommensverhältnissen meist nicht möglich. In der Versorgung der Bevölkerung mit anderen Gütern sind verschiedentlich Verfehlungen litauischer Stellen aufgedeckt worden, die nur den Eindruck verstärken, dass der litauische Verteilerapparat einer schärferen Kontrolle bedarf. Wirtschaftliche Lage im Generalbezirk Lettland: Landwirtschaft: Nachdem die Erfassung von Getreide und Butter versagt hat, erfolgte, vorliegenden Meldungen zufolge, die Er-

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nennung eines Sonderbevollmächtigten für die landwirtschaftliche Erfassung; gleichzeitig wurden die deutschen und lettischen Landwirtschaftsverwaltungsbehörden zusammengelegt und unter deutsche Führung bis zur unteren Instanz gestellt. Die Gründe dieses Versagens wurden in Ansprachen und in der Presse als Schuld des Apparates der landeseigenen Verwaltung dargestellt; so schrieb die „D.Z.“ am 11. 12. 1942 in einem Artikel „Brot und Butter“ u. a.: „Beim Bauern musste, trotz im einzelnen vorzüglicher Leistungen, vielfach die notwendige Bereitschaft vermißt werden, die Erzeugnisse abzuliefern und damit die kriegswirtschaftliche notwendige Pflicht zu erfüllen. Infolgedessen hat sich die bedauerliche Lage ergeben, dass der Städter heute vielfach nicht die Lebensmittel erhalten kann, auf die er auf Grund seiner Lebensmittelkarten berechtigten Anspruch hat. Es muss eindeutig festgestellt werden, dass die Schuld an dieser Lage den einheimischen Apparat trifft.“ Die Abwälzung der ganzen Verantwortung auf die landeseigene Verwaltung, die durch diesen Artikel auch offiziell erfolgt ist, hat sich in lettischen Kreisen äusserst ungünstig ausgewirkt. Es wurde darauf hingewiesen, dass die landeseigene Verwaltung nur sehr beschränkte Bewegungsfreiheit hat und ausschliesslich nach den Weisungen der ihr übergeordneten deutschen Verwaltung, in diesem Falle der Abteilung III E des Generalkommissars, arbeitet. Es fällt den Letten auf, dass bei dieser Erfassungsspanne, die doch längere Zeit vorauszusehen gewesen war, kein Schuldiger gefunden wurde. Die mangelhafte Erfassung der Butter ist den Meldungen zufolge u. a. auch darauf zurückzuführen, dass die Lebensmittel- und besonders die Fettrationen, die bisher 200 gr pro Woche betrugen, äusserst gering sind. Die Bevölkerung hatte sich daher an ihre Verwandten und Bekannten auf dem Lande gewandt und sich von dort zusätzlich Butter beschafft. Teils wird diese wohl aus dem ersparten, dem Bauern zustehenden Kontingent geliefert, zum grössten Teil jedoch aus nicht abgelieferten Butter- und Milchmengen. Wie gross die auf diesem Wege für die Erfassung verlorengehenden Mengen sind, geht beispielsweise daraus hervor, dass im Rahmen der Möglichkeit, bis zu 15 kg Pakete zu verschicken, in Riga täglich etwa 1800 Pakete vom Lande ankommen; davon enthält annehmbar ein grosser Teil bewirtschaftete Lebensmittel. Auch die Vieherfassung ist nicht in dem erwarteten Maße durchgeführt worden. Es wurde die Anweisung erteilt, das aus der Oktoberablieferung rückständige Vieh sämtlich im November nachzuliefern. Dadurch entstand auf der Bahn ein so grosser Andrang, dass das Vieh infolge der schwierigen Verkehrsverhältnisse bis zu 14 Tage unterwegs war. Weiter waren durch den plötzlichen Andrang der Schlachthof in Riga und die Fleischfabriken nicht in der Lage, das eintreffende Vieh sofort zu schlachten. Durch den langen Abtransport und den Andrang in Riga gingen nicht unerhebliche Mengen ein bzw. waren Gewichtsverluste die Folge. Der Einschlag der Forstwirtschaft ist für das laufende Jahr auf 5 Millionen fm festgesetzt worden; davon sollen 1,5 Millionen durch die örtliche Bevölkerung eingeschlagen werden und dem Eigenbedarf der Landbevölkerung dienen. Der Rest von 3,5 Millionen fm muss von der lettischen Forstverwaltung für den Bedarf der Wehrmacht, der Industrie und der Städte aufgebracht werden. Die Durchführung der Waldarbeiten gibt infolge des Fehlens der Arbeitskräfte zu grossen Besorgnissen Anlass. Auch die Landbevölkerung, die stärker als bisher zum Einschlag und Abtransport des Holzes hinzugezogen werden soll, ist so stark mit anderen Leistungen belastet, dass sie die Umlagen nur teilweise wird erfüllen können. Es fehlen ausserdem Arbeitsgerät und Feilen zum Schärfen der Sägen. Somit muss die Lage auf dem Gebiet des Holzeinschlags für die Zukunft als sehr ernst bezeichnet werden. Falls es nicht gelingen sollte, die Monate Dezember, Januar und Februar voll für den Holzeinschlag und den Holztransport auszunutzen, rechnet man mit erheblichen

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Störungen bei der holzverarbeitenden Industrie. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Forstwirtschaft infolge der äusserst vielseitigen Verwendung von Holz für die Kriegsindustrie in der Dringlichkeit im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen mit an vorderster Stelle steht. Die Flössung konnte in der letzten Zeit gleichfalls nicht vollständig durchgeführt werden. Durch den Entzug von Arbeitern im allgemeinen und Bindung der früheren Flössungsarbeiter an landwirtschaftliche Betriebe ist es dazu gekommen, dass erhebliche Holzmengen in den Flüssen stecken geblieben und eingefroren sind. Sie stellen eine grosse Gefahr für die Brücken im Unterlauf der Flüsse dar. Versorgung: Im Zusammenhang mit der Einstellung der Butterbelieferungen vor den Weihnachtstagen hatte der Schleichhandel mit Lebensmitteln zugenommen. Die Maßnahmen gegen den Schleich- und Schwarzhandel wurden verschärft. Seitens der Preisüberwachung wurden auf den Zufuhrstrassen nach Riga verstärkte Kontrollen durchgeführt. Auch die einlaufenden Postpakete wurden auf ihren Inhalt geprüft und soweit sie bewirtschaftete Lebensmittel enthielten, eingezogen. Diese Maßnahme hat in der städtischen Bevölkerung eine starke Mißstimmung hervorgerufen, besonders auch deshalb, weil viele Sendungen Lebensmittel enthielten, die der Erzeuger von dem ihm zustehenden Kontingent erspart hatte. Im Zusammenhang mit den Feiertagen hatte auch der Tauschhandel auf dem Lande zugenommen. Der Mangel an Brennstoffen wurde insbesondere von Wehrmachtsangehörigen dahingehend ausgenutzt, gegen Benzin und Petroleum Lebensmittel einzutauschen. […] Industrie: Die Energieversorgung ist seit einiger Zeit grösseren Schwierigkeiten unterworfen. Seit Ende November ist der Wasserstand der Düna stark gefallen. Das Kraftwerk Kegum ist daher wegen Wassermangel nicht in der Lage, die benötigte Strommenge zu erzeugen. Als zusätzliche Energiequelle musste das Rigaer Dampfkraftwerk eingeschaltet werden. Das Rigaer Dampfkraftwerk wird mit Kohle geheizt. Die Anlieferung der Kohle stösst infolge fehlender Arbeitskräfte auf Schwierigkeiten. Von der für das Rigaer Kraftwerk zur Sicherung des Winterbedarfs während der Frostzeit beantragten Kohlenmenge von 20 000 to sind bisher nur etwa 3000 to geliefert worden. Mit der Zufuhr der ganzen fehlenden Menge kann kaum gerechnet werden. Zur Überwindung der bevorstehenden Schwierigkeiten sind seitens des Reichskommissars einschneidende Maßnahmen vorgesehen, die eine Drosselung des Stromverbrauches herbeiführen sollen. Durch diese Maßnahmen sollen täglich etwa 150 to Kohle eingespart werden. Die Arbeitsdisziplin hat vorliegenden Meldungen zufolge weiterhin nachgelassen. In einzelnen Betrieben konnte festgestellt werden, dass von den Arbeitern 30–40 % grösstenteils unentschuldigt nicht zur Arbeit erscheinen. Während in der Textil- und Fleischwarenindustrie infolge der günstigeren Arbeitsbedingungen (warme Arbeitsräume, teilweise Zuteilung von Bekleidung, gute Verpflegung) der Prozentsatz niedriger ist, liegt er im Baugewerbe, in der Holzindustrie und in der chemischen Industrie u. a. wesentlich höher. Die Hauptursache der geringen Arbeitsdisziplin ist die unzureichende Versorgung der einheimischen Bevölkerung mit Lebensmitteln, Textilien und Schuhwerk, die steigenden Schleichhandelspreise und das niedrige Lohn- und Gehaltsniveau. Diese Umstände bewirken ein stetes Absinken der Stimmung und Nachlassen der Arbeitsfreudigkeit. Eine tatsächliche Aufbesserung dürfte, wie die Meldungen besagen, nur dann erreicht werden, wenn in kürzester Zeit eine bessere Versorgung der einheimischen Bevölkerung mit den lebensnotwendigen Gütern sowie eine beschleunigte Verbesserung der zur Zeit bestehenden Lohn- und Arbeitsbedingungen durchgeführt wird. Darüber hinaus muss festgestellt

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werden, dass auch in Kreisen der Arbeitgeber die Arbeitsdisziplin nachgelassen hat. Auch eingesetzte deutsche Betriebe bilden hier vielfach keine Ausnahme. Man gewinnt oft den Eindruck, dass Betriebsführer nach dem Ostland gekommen sind, nicht um zu arbeiten, sondern sich ein bequemes Leben zu verschaffen, den Herren zu spielen und Tauschgeschäfte zu tätigen. Während die einheimischen Betriebe sich im grossen und ganzen an die zur Zeit bestehenden Lohnbedingungen halten, bereitet die Durchführung derselben bei den deutschen Betrieben und Dienststellen Schwierigkeiten. Diese setzen sich vielfach darüber hinweg und stören damit das Lohngefüge. Der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz, Gauleiter Sauckel, hatte dem Generalbezirk Lettland die Aufgabe erteilt, im Rahmen der zweiten Reichswerbeaktion für den Einsatz im Reich bis Ende 1942 500 Hausgehilfinnen zu stellen. Bis Mitte Dezember sind nur 70 Hausgehilfinnen gestellt worden. In der Bevölkerung ist dieses Projekt bekannt geworden und hat zu den verschiedensten Gerüchten Anlass gegeben. So wird erzählt, dass alle jungen Mädchen im Alter von 18 bis 20 Jahren aus ihren Arbeitsstellen und Schulen entfernt und vor die Wahl gestellt werden sollen, entweder als Dienstmädchen ins Reich zu fahren oder in Kriegsheilstätten als Krankenhelferinnen bei der Betreuung von Schwerverwundeten Dienst zu tun. BAB, R 58/223 1 Die Formulierung stellt eines der zahlreichen Beispiele allzu optimistischer Lageeinschätzungen von Sicherheitspolizei u. SD bezüglich der eigenen Bekämpfungsstrategie gegen die sowjetischen Partisanen dar; vgl. dazu die Darstellung in MbO 41 u. 43. 2 Selbstverwaltungsbezirk. 3 Eine dem Berück Mitte unterstehende Truppe russischer Hiwis. 4 Franz Kutschera, geb. 1904, als Brif. SSPF Mogilew bis Sept. 1943, seit Anfang 1944 SSPF Warschau, 1944 dort getötet; BAL, ZK: Franz Kutschera. 5 Am Unternehmen „Sonnenwende“ nahm auch die Staffel Gomel der „Propaganda-Abteilung Weißruthenien“ teil; vgl. Babette Quinkert: Propaganda und Terror in Weißrußland 1941–1944. Die deutsche „geistige“ Kriegsführung gegen Zivilbevölkerung und Partisanen, Paderborn u. a. 2009, S. 324. 6 Das „Nasse Dreieck“ liegt im südöstlichen Bereich der Pripjet-Sümpfe u. wird von den Flüssen Dnjepr u. Pripjet begrenzt. Bereits im Sommer 1941 zogen sich versprengte Truppenteile der Roten Armee dorthin zurück. 1943 entwickelte sich die Region dann zu einem Zentrum der sowjetischen Partisanenbewegung, gegen das die deutsche Besatzungsverwaltung wiederholt, letztlich aber weitgehend erfolglos großangelegte Bekämpfungsmaßnahmen startete; vgl. Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 1018– 1021; Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 261–269. 7 Wirtschaftsinspektion.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 5. Februar 1943 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 40 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandentätigkeit im Bereich des Kommandeurs dSPudSD Litauen: Eine etwa 200 Mann starke Bande, die südöstlich des Narocz-Sees ein grösseres Winterlager unterhält, hat ihre Streifzüge bis in die Gegend zwischen dem Swir- und Narocz-See ausgedehnt und ist dabei bis in den Kreis Lentubys vorgedrungen. Die Zerstörung von Telefonleitungen und die

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Errichtung von Straßensperren sowie ein Überfall auf die Brückenwachen von Kansioganiei kommen u. a. auf das Konto dieser Bande. Am 14. 1. 1943 wurde ein Erkundungskommando in Stärke von 22 Mann im Dorfe Rudupla an der weissruthenischen Grenze von einer etwa 50 Mann starken Bande mit heftigem Feuer empfangen. Infolge des starken Frostes waren auf Seiten der Polizei fast sämtliche Maschinenwaffen eingefroren, so daß der Gegner nur mit Gewehrfeuer bekämpft werden konnte. Es gelang, den Ort zu nehmen und die Bauerngehöfte von den Banditen zu säubern. Die Verfolgung der Banditen wurde nach Verstärkung der Sicherungskräfte aufgenommen. Das litauisch-weissruthenische Grenzgebiet zwischen dem Swir- und Narocz-See wurde in der Zeit zwischen dem 16. und 18. 1. 1943 zum grössten Teil gesäubert. An dieser Aktion nahmen teil: 1 mot. Gendarmeriezug, 1 Sonderkommando der Sicherheitspolizei und 1 Gruppe der Luftwaffe. In dem Ort Mokrzyce kam es zum ersten Zusammenstoss mit grösseren Spähtrupps der Banditen, bei deren Verfolgung im Dorfe Kolodzi heftiger Beschuss aus Häusern erfolgte. Kolodzi wurde daraufhin in Brand geschossen und genommen. Im Verlauf des Kampfes wurden 23 Banditen erschossen, 1 Angehöriger der Einsatzkräfte verletzt. Durch Angriffe kleiner, mit Schneehemden getarnter Trupps hatten die Banditen versucht, den in Kolodzi Eingeschlossenen zu Hilfe zu kommen. Auch diese Angriffe konnten mit Verlusten für den Gegner abgewiesen werden. Das Gros der Banditen hält sich in der weiteren Umgebung von Czeremszyce (weissruthenisches Gebiet) auf und hat den Ort zu einem befestigten Winterlager ausgebaut. Eine grössere Aktion gegen dieses Bandenlager ist in Vorbereitung.1 Nach vorliegenden Meldungen sollen die Banditen den Zivilverkehr an der lit.weissruth. Grenze gesperrt haben und jeden Versuch einer Ausreise mit Erschiessen bedrohen. Bandentätigkeit im Bereich des Befehlshabers dSPudSD Ukraine: In den letzten Wochen kristallisierten sich trotz reger Bandentätigkeit in fast allen Kreisgebieten nördlich der Rollbahn Rowno–Shitomir 2 Bandenzentren heraus und zwar einmal im sogen. „Nassen Dreieck“, gegrenzt im Westen und Nordwesten durch den Pripjet, im Osten und Nordosten durch den Dnjepr und im Norden durch die Bahnlinie Pinsk–Gomel zwischen den Städten Karlinkowitschi–Retschitza und zum anderen der Raum nördlich der Bahnlinie Luniniec–Ptitsch mit den Mittelpunkten Lenin–Weisser See. 2 Da infolge der Absetzung von grösseren Kräften von Fallschirmspringern die Gefahr im „Nassen Dreieck“ besonders akut wurde, erhielt WBU 3 vom Höheren SS- und Polizeiführer Auftrag 4, gemeinsam mit Polizeikräften diesen Raum zu befrieden. Durch Zuzug starker Banden aus dem Raum nördlich der Bahnlinie Luniniec–Ptitsch nach Süden entstand Mitte Januar ein neuer Gefahrenherd im Kreisgebiet Stolin im östlichen Teil des Generalbezirks Wolhynien-Podolien. U. a. wurde in der Nacht zum 16. 1. 1943 die Stadt Stolin, Sitz des Gebietskommissars, von starken Banden angegriffen und hierbei Schloss, Post, Möbelfabrik und Schuma-Kaserne in Brand gesteckt. Weiterhin wurden in der Nähe gelegene Ortschaften angegriffen und teils besetzt. Die bisher gemeldeten Verluste innerhalb der Schutzmannschaften sind verhältnismäßig hoch. Desgleichen wurden in der Ortschaft Kolky 11 OTMänner in ihrer Unterkunft ermordet. Bei dem Angriff auf Stolin handelt es sich erstmalig um einen direkten Angriff auf eine grössere Stadt, die als Sitz des Gebietskommissars über verhältnismäßig starke deutsche Kräfte verfügt. Nach bis jetzt noch nicht überprüften Meldungen wird die Bande im Kreisgebiet Stolin auf 13 Abteilungen geschätzt. Im südwestlichen Teil des Generalbezirks Tschernigow hat die Bandentätigkeit ebenfalls zugenommen. In einem Fall konnten 3 Banditen in deutschen Reichsbahnuniformen und mit deutschen Ausweisen versehen gestellt werden. U. a. wurde in der Gegend

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von Oster ein Harzwerk in Brand gesteckt, wobei grössere Mengen von Terpentin und Harz vernichtet wurden. Weiterer Sachschaden entstand durch Überfälle auf Staatsgüter. Auf der Krim fand eine Anzahl von Überfällen kleinerer Bandengruppen statt, die grösstenteils der eigenen Versorgung dienten. Fallschirmspringer, Sabotage: Bei Anapa wurde eine 19-jährige russische Fallschirmspringerin festgenommen, die ihre Ausbildung in Rostow erhalten hatte. Mit 7 weiteren Angehörigen ihrer Gruppe sollte sie militärische Objekte ausspähen und Dienststellen der Sicherheitspolizei ihrer Lage nach so genau ausfindig machen, daß sie durch russische Flugzeuge bombardiert bezw. unter Artilleriefeuer genommen werden konnten. In der Nähe von Mineralnyje-Wody wurden 2 Fallschirmspringer festgenommen, die mit einem Geheimsender, Handgranaten und grösseren Mengen Sprengmunition ausgestattet waren. Sie gehören zu einer 9-köpfigen Fallschirmspringergruppe, von denen 8 Personen festgenommen werden konnten, während der 9. beim Absprung angeblich tödlich verunglückte. In Melitopol, Kommandeurbereich Simferopol, wurden 30 Personen einer Fallschirmgruppe festgenommen und 3 betriebsfertige Funkgeräte sichergestellt. Die weiteren Ermittlungen führten in Akimowka zur Festnahme von 95 Personen und zur Auffindung zahlreicher Waffen und Munition. Im November des Vorjahres erfolgte in Saporoshje, Kommandeurbereich Dnjepropetrowsk, die Festnahme von 29 Personen, unter denen sich mehrere Angehörige einer bereits vor Monaten abgesetzten Fallschirmspringergruppe befanden. Bei den Durchsuchungen wurden 5 Sende- und Empfangsgeräte sichergestellt. Bei der Aufrollung einer Sabotagegruppe in Usel, Kommandeurbereich Dnjepropetrowsk, wurden 11 Personen, vornehmlich ukrainische Eisenbahnbeamte, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, eine für den Nachschub höchst wichtige Eisenbahnbrücke über die Samara zu zerstören, festgenommen. Die Täter des Bombenanschlages auf das deutsche Kino in Mikasewitsche – vergl. „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ Nr. 33 vom 11. XII. 1942 – konnten inzwischen festgenommen werden. Insgesamt wurden 10 Personen erschossen. Auf dem Gelände einer chemischen Färberei in Kiew wurden 2 Kisten zu je 50 kg Sprengstoff, die von einem Vernichtungstrupp dort vergraben waren, aufgefunden. Zahlreiche, vor allem in den Monaten Oktober und November 1941 auf der Bahnstrecke Kiew–Neshin durch eine organisierte Bandengruppe durchgeführte Sprengungen führten zu einer gross angelegten sicherheitspolizeilichen Aktion, die mit der völligen Aushebung dieser Bande endete. 108 Personen, die an 56 Sabotageakten auf diese Bahnstrecke beteiligt waren, wurden festgenommen. In verschiedenen Lichtspieltheatern Wilnas explodierten während der Vorstellung von unbekannten Tätern gelegte Brandsätze mit Knallwirkung. Abgesehen von einigen leichten Verletzungen ist ein grösserer Personen- und Sachschaden nicht eingetreten. Eine Frau, die in einem Nachschublager Minen gelegt hatte, um das Öllager in die Luft zu sprengen, gab an, daß sie ausserdem den Auftrag hatte, den Brotteig in einer Wehrmachtsbäckerei zu vergiften. Zusammenfassender Bericht über das sowjetische Widerstandsnest in den Steinbrüchen von Adschim-Uschkai (Krim): Durch das rasche Vordringen der deutschen Truppen im Frühjahr 1942 auf Stadt und Hafen Kertsch wurde der grösste Teil der hier eingesetzten russischen 44., 51. und 47. Armeen vernichtet oder geriet in Gefangenschaft. Reste der geschlagenen Armeen, die nicht zum Kuban übersetzen konnten und sich nicht in Gefangenschaft begeben wollten, setzten sich in den Steinbrüchen von Adschim-Uschkai fest. Vorher hatte schon ein Teil der Zivilbevölkerung dort Schutz gesucht. 5 Diese Steinbrüche wurden von den Bolschewisten nun zu starken Widerstandsnestern ausgebaut. Lage und Ausdehnung der Steinbrüche (genannt Katakomben): Die Höhlen von Ad-

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schim-Uschkai, die sich in einer Länge von etwa 3 km nordostwärts des Stadtrandes von Kertsch ausdehnen, sind alte Steinbrüche unter Tage. Gewonnen wurde dort der Baustein (Muschelkalk) für Kertsch und Umgebung. Es sind vorhanden 2 voneinander getrennte Abteilungen, die Zentralkatakombe mit etwa 43 bis 45 Räumen und die sogen. Judenkatakombe mit etwa 200 kleineren Räumen (etwa in der Grösse eines normalen Zimmers). Die Räume sind rechtwinklig ausgehauen und haben die durchschnittliche Höhe eines niedrigen Zimmers. Der Stein- und Erdbelag beträgt 10–12 m. Eingänge, bis zu einer Durchlasshöhe auch für grösste Fahrzeuge, waren reichlich vorhanden. Das Gelände ist nach Norden hin leicht ansteigend und wellig. Für den Nichteingeweihten ist das Vorhandensein dieser ausgedehnten Räumlichkeiten nicht ohne weiteres zu erkennen. Organisation und Führung der beiden Widerstandsnester: In den Zentralkatakomben wurde die militärische und politische Organisation unter Leitung von Oberstltn. Jagunow durchgeführt. Es wurden 3 Batl. gebildet, zugeteilt je ein politischer Führer (Politruk oder Kommissar) und ein NKWD-Mitarbeiter. Das NKWD war mit insgesamt 6 Mitgliedern vertreten. Ihnen oblag die Verfolgung und Aburteilung von Desertion und sonstigen Verbrechen und Vergehen. Erschiessungen wegen Desertion haben die Bataillonskommandeure aus eigener Machtbefugnis durchgeführt. Sämtliche Ausgänge wurden von Posten mit automatischen Waffen besetzt. Passierscheinzwang wurde eingeführt. Jagunow hatte vom Befehlshaber der russischen Krim-Front – Generalleutnant Koslow – den Befehl erhalten, auszuhalten, bis die Rote Armee zurückkehre. Dieser Befehl wurde auch strikte ausgeführt. Wer sich Disziplinwidrigkeiten zuschulden kommen ließ, wurde rücksichtslos erschossen. An Waffen waren vorhanden: 1700 Gewehre, 6 MP, 5 Maxim-MG, 30 automatische Gewehre und etwa 8 Granatwerfer, 800 000 Schuss Infanteriemunition. Für die 400 Verwundeten und Kranken wurden 3 Hospitäler eingerichtet. Ärzte und Krankenschwestern waren vorhanden, jedoch fehlte es an Arzneien und Verbandsmitteln. Die einzige Verbindung mit der Aussenwelt war durch eine Radiosende- und Empfangsanlage hergestellt. Sendungen konnten nur die ersten 5 Tage hinausgegeben werden. Bis Mitte Oktober wurden Nachrichten empfangen und zwar nur der russische Nachrichtendienst zur Orientierung über den Frontverlauf, der bei Versammlungen bekanntgegeben wurde. Das Gerät wurde unter Verschluss gehalten. Die Propaganda lag in den Händen der Politruks und Kommissare. Sie lief darauf hinaus, die Insassen zum äussersten Widerstand aufzustacheln durch Verbreitung der Behauptung, dass es keinen Zweck habe, sich in Gefangenschaft zu begeben, da Gefangene von den Deutschen gequält und erschossen würden. Parteiangehörigen würden die Nasen und Ohren abgeschnitten und ihnen ein Sowjetstern auf der Stirne eingebrannt. Diese Lügen wurden von sämtlichen Insassen als Wahrheit entgegengenommen. Am 14. 5. 1942 waren in den Zentralkatakomben anwesend: 3000 Offiziere, Politruks, Kommissare und 500 Soldaten (darunter insgesamt 400 Verwundete und Kranke) und 1000 Zivilpersonen. In den Judenkatakomben waren von dem Oberstltn. Jermakow 4 Bataillone aufgestellt worden. Die Bataillonskommandeure hatten ausserordentliche Machtbefugnisse. Die Besatzung betrug am 16. 5. 1942 2011 Offiziere, Politruks, Kommissare und Soldaten und 7 Zivilpersonen. Die Bewaffnung bestand aus Gewehren, 6 Granatwerfern, 4 Maxim-MG, 8 MP und 25 automatischen Gewehren. Munition war reichlich vorhanden, doch infolge der Feuchtigkeit unbrauchbar. Die Hauptausgänge wurden mit Posten besetzt, Passierscheinzwang wurde eingeführt. Die Verbindung mit der Aussenwelt war durch eine Radioempfangsanlage hergestellt und konnte bis Mitte September aufrechterhalten werden. Verbindung mit der Zentralkatakombe war nicht vorhanden. Die Propaganda wurde auch

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hier von Politruks und Kommissaren geleitet. Hier wurden dieselben Methoden angewendet wie in der Zentralkatakombe. Ein NKWD-Kommando war hier nicht tätig. Verpflegung, Wasserversorgung und Unterbringung: In der Zentralkatakombe waren anfänglich Tagesrationen pro Kopf ausgegeben: 50 gr Brot, 150 gr Hering, 40 gr Fett, 20 gr Käse, 20 gr Speck, 100 gr Zucker und 50 gr Bonbon. Tabak war reichlich vorhanden. Die Rationen mußten von Woche zu Woche gekürzt werden. Brot war schon Mitte Juli nicht mehr vorhanden. In den letzten 1 1/2 Monaten (September und Oktober) konnten nur noch 150 gr Zucker und 20 gr Suppenware täglich ausgegeben werden. Zur Stillung des Hungers gruben die Insassen die Knochen und Eingeweide der geschlachteten Pferde aus, kochten und verzehrten sie. Als auch davon nichts mehr vorhanden war, wurden Ratten eingefangen und verspeist. Ob man sich an Leichen vergriffen hat, konnte nicht festgestellt werden. Wasser war am Anfang nicht vorhanden. Durch Techniker wurden nach einigen Tagen 2 Brunnen erbohrt und eine Quelle gefunden, so daß Wasser stets reichlich vorhanden war. An Sitz- und Schlafgelegenheit war eine geringe Anzahl von Stühlen und Bänken und Betten vorhanden. Die Beleuchtung war am Anfang elektrisch (Benzin mit Dynamo). Als Benzin nicht mehr vorhanden war, wurden die vorhandenen Öle (aus Kraftfahrzeuggetrieben und Motoren) zur Beleuchtung verwendet. In den letzten beiden Monaten wurden die Autoreifen von den vorhandenen Kraftfahrzeugen in Streifen geschnitten und als Fackeln verwendet. In der Judenkatakombe wurden an täglichen Rationen ausgegeben bis einschließlich Juni: 30 gr Brot, 15 gr Fett und 70 gr Pferdefleisch. Wöchentlich wurden [unleserlich] Zucker verabfolgt. Reis und Nudeln waren vorhanden, konnten aber wegen Wassermangels nicht zubereitet werden. Die Bohrversuche nach Wasser waren ergebnislos; es stand nur das von Wänden und Decken tropfende Wasser zur Verfügung. Die Unterbringung war primitiv. Betten waren nur z. T. im Hospital vorhanden. Die Beleuchtung bestand aus Öllampen, später aus geschnittenen Autoreifen. Verbindung zu Banditen: Verbindung mit Banditen konnte nicht einwandfrei festgestellt werden. In der Zentralkatakombe befanden sich am Anfang nach glaubhaften Angaben etwa 10 Banditen aus Kertsch. Der grösste Teil war bei der Sicherheitspolizei namentlich bekannt und ist in den Steinbrüchen verstorben. Verbindung mit der Zivilbevölkerung wurde durch die Aushebung eines Geheimsenders in Kertsch im Juli 1942 durch das Sonderkommando 10b festgestellt. In diesem Zusammenhang wurden damals 14 Personen wegen Spionage erschossen. Eine Frau (Lehrerin), die sich freiwillig für Spionagezwecke zur Verfügung gestellt hatte, hatte die Nachrichten von den Steinbrüchen zur illegalen Funkstelle gebracht. Gegenmaßnahmen durch deutsche und rumänische Einheiten und ihre Auswirkungen auf den Gegner: Zunächst wurden die Widerstandsnester nach genauer Festlegung ihrer räumlichen Ausdehnung durch einen Stacheldrahtverhau und eine Postenkette gesichert. Von einer deutschen Pioniereinheit wurden die Ausgänge verschüttet und zahlreiche Sprengungen mit dem Ziele der Zusammendrängung des Gegners auf engstem Raum vorgenommen. Am 21. 5. 1942 wurde von der deutschen Bewachungseinheit ein Vorstoss mit Rauchbomben unternommen, mit dem Erfolg, daß sich aus der Zentralkatakombe etwa 1000 Soldaten und etwa 800 Zivilpersonen in Gefangenschaft begaben. Durch die ständigen Sprengungen, die stets von deutschen Einheiten durchgeführt wurden, sind in der Zentralkatakombe von Mai bis Oktober 1942 etwa 200 Personen getötet worden. Durch die vollkommene Abschnürung von der Außenwelt war es nicht möglich, Lebensmittel in die Höhlen zu bringen. Zwar wurden von der Zentralkatakombe etwa 1000 Personen truppweise nach Lebensmitteln und zur Erkundung der militärischen Lage aus-

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geschickt; von ihnen ist jedoch keiner zurückgekehrt. Der grösste Teil geriet in deutsche Hände; der Rest hatte kein Interesse daran, wieder in den Steinbruch zu gehen. Durch den Lebensmittelmangel wurde grosse Unzufriedenheit ausgelöst, gegen die aber die Kommandeure mit den strengsten Mitteln einschritten. Die aufgestellten Horchposten benutzten indessen oft die günstige Gelegenheit, sich in Gefangenschaft zu begeben. Auf diese Weise sind aus der Zentralkatakombe etwa über 200 Soldaten, Politruks und Kommissare desertiert. Gegen Überläufer und solche Personen, die nur im Verdacht standen, überlaufen zu wollen, wurden strengste Maßnahmen ergriffen. In der Zentralkatakombe wurden aus diesem Grunde etwa 20 Offiziere, Politruks und Kommissare usw. erschossen; 5 Mann wurden wegen Diebstahls mit dem Tode bestraft. In der Zentralkatakombe starben wegen Mangel an Lebensmitteln etwa 450 Personen, darunter 50 Zivilpersonen. Ende Oktober war der Bestand auf etwa 20 Personen (einschl. Zivilpersonen) zusammengeschmolzen. Die zuletzt ausgeschickten 7 Frauen und Mädchen, die den Auftrag hatten, Lebensmittel zu beschaffen, wurden sämtlich von der Sicherheitspolizei erfaßt (Ein Teil wurde schon beim Verlassen des Steinbruchs bemerkt und festgenommen, die übrigen ermittelt). Durch ständige Fühlungnahme, gute Zusammenarbeit mit den beteiligten Stellen und umfangreiche Vernehmungen von Gefangenen war die Sicherheitspolizei über die Verhältnisse und vor allem über die Namen der führenden Personen und ihrer Funktionen bestens unterrichtet. Die Verhältnisse in der Judenkatakombe lagen etwas anders. Der verantwortliche Kommandeur (Powaschni) schickte schon in den Monaten Mai und Juni bei Nacht laufend grössere Trupps seiner Leute, so daß für den Restbestand von 8 Personen noch bei der Räumung Lebensmittel vorhanden waren. Durch eine Sprengung im Mai wurde das gesamte 3. Batl. verschüttet. Durch Sprengungen wurden insgesamt etwa 200 Personen getötet, 100 Mann erlagen ihren Verwundungen, 10 Mann wurden wegen Disziplinwidrigkeit erschossen und 10 Personen starben Hungers. Ein Kommissar (Manikalow) verübte Selbstmord. Säuberungsaktion am 28., 29. und 31. 10. 1942: Nachdem Ende Oktober durch Vernehmungen festgestellt war, daß die Restbesatzung der Zentralkatakombe für die nächsten Tage einen gewaltsamen Ausbruch plant, wurden in Unternehmungen am 28., 29. und 31. 10. 1942 die Restbesatzungen herausgeholt und die Katakomben endgültig gesäubert. Dabei wurden 2 Deutsche und 18 Rumänen verwundet. Feststellungen über den Verbleib der Besatzungen der Katakomben: Nach Schätzungen anhand von Gefangenenaussagen (runde Zahlen): Tod durch Hunger und Verletzungen 600, Tod durch Sprengungen 350, Tod durch Erschiessungen wegen Disziplinlosigkeit 100, Desertionen 1200, Gefangene 1800, angebl. mit Wissen der Kommandeure desertiert 3500, insges. 7550. Kommunistische Bewegung: In Estland ist im Verfolg der Festnahme von 7 Personen wegen unbefugten Waffenbesitzes eine kommunistische Organisation aufgedeckt worden. Im Kreise Petschur hielten sich – angeblich bereits seit September 1941 – zwei Sowjetrussen mit wechselndem Familiennamen auf, denen sich im September 1942 ein weiterer Russe anschloss, die die Bevölkerung zum Eintritt in die kommunistische Partei und zur Bandenbildung aufforderten. Durch Einbau eines V-Mannes gelang es, 12 Personen bei einer am 27.10. 42 stattgefundenen Versammlung zu überraschen. Während die 3 Sowjetrussen bei dem sich entwickelnden Feuergefecht erschossen wurden, konnten die übrigen 9 Teilnehmer festgenommen werden. Die Russen hatten beim Erscheinen der Polizei sofort alle Dokumente bis auf das Sitzungsprotokoll verbrannt. Durch Vernehmungen und ein aufgefundenes Verzeichnis wurde festgestellt, daß diese kommunistische Organisation bereits 251 Mitglieder umfaßte. Da in der Liste nur die Anzahl der Personen aus jeder

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Ortschaft und die Ortschaft selbst chiffriert angegeben war, konnte bisher erst die Festnahme von 64 Personen erfolgen. In letzter Zeit hat sich in Lettland die sowjetrussische Propaganda durch Abwerfen von Flugblättern erheblich verstärkt. Im Kreise Walk sind die Flugblätter von Hand zu Hand weitergegeben worden. In den Flugschriften werden die Letten zum aktiven Widerstand gegen die Deutschen, zur Bandenbildung und zur Verübung von Sabotage- und Terrorakten aufgefordert. Auch in Litauen hat während der letzten Zeit die sowjetrussische Flugblattpropaganda wieder an Umfang zugenommen. Zum Abwurf gelangten u. a. die Flugblätter „Die deutschen Okkupanten bringen den litauischen Landwirten Sklaverei, Hunger und Vernichtung“ und „Tod den deutschen Okkupanten“. Ausserdem haben kommunistische Elemente die verschiedensten Gerüchte verbreitet und behauptet, daß sich die Lage der deutschen Armee durch die Ereignisse an der Ostfront und in Afrika so sehr verschlechtert hätte, daß mit einem baldigen Wiedereinmarsch der Roten Armee zu rechnen sei. Diese Gerüchte erhalten besonderen Auftrieb durch den sowjetrussischen Rundfunk. In Schaulen konnte durch die Festnahme des Litauers Jonas Liubauskau Klarheit über den Aufbau und die Ziele einer im Juli 1942 aufgedeckten Terrororganisation geschafft werden. L. war während der Bolschewistenzeit Sekretär der KP-Gruppe in einem Werk in Schaulen und hielt sich seit dem Einmarsch der deutschen Truppen in der näheren Umgebung von Schaulen verborgen. Ende des Jahres 1941 gründete er eine Terrororganisation und bildete mit 5 Gesinnungsgenossen „den führenden Stab der Partei“, als dessen Sekretär er fungierte. Diesem Stab übertrug er alle wichtigen Entscheidungen hinsichtlich der Beschaffung von Geldmitteln, Ausrüstung und Anwerbung von neuen Mitgliedern. Um sich jedoch vor Verrat zu schützen, teilte L. die Mitglieder in Dreiergruppen ein und verkehrte nur mit den jeweiligen Gruppenführern. Die Organisation bestand aus 2 Gruppen, von denen die eine beim Näherrücken der Front die Rote Armee mit allen Mitteln unterstützen und durch Propaganda die Bevölkerung auf die Rückkehr der Russen vorbereiten sollte. Der zweiten Gruppe, die mit ausgesprochen terroristischen Aufgaben betraut war, konnten zahlreiche Überfälle und Räubereien nachgewiesen werden. Im Bereich des Kommandeurs dSPudSD Weissruthenien hat die gegnerische Propaganda durch Abwerfen sowjetrussischer Flugschriften und selbsthergestellter Flugzettel sowie durch Ausstreuung von Flüsterparolen stark zugenommen. Die Aufrufe richten sich insbesondere an die weissruthenischen, ukrainischen und anderen fremdvölkischen Schutzmannschaften und Wehreinheiten sowie an die einheimischen Mitarbeiter der deutschen Verwaltung und fordern sie unter Drohung auf, die deutschen Belange zu sabotieren und sich den Banden anzuschließen. Trotz der z. T. noch primitiven Ausführung der Flugblätter wird es ausserordentlich gut verstanden, die z. Zt. herrschende labile Stimmung der Bevölkerung geschickt zugunsten des Bolschewismus auszunutzen. B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung der Bevölkerung im Generalkommissariat Lettland: Während der vergangenen zwei Monate ist ein weiteres Absinken der Stimmung der lettischen Bevölkerung feststellbar. Nach wie vor sind die gleichen Ursachen maßgeblich: Die zunehmenden Schwierigkeiten in der wirtschaftlichen Versorgung einerseits, Maßnahmen deutscher Behörden, die von der Bevölkerung als politische Ungeschicklichkeiten und Fehler angesehen werden, andererseits. Trotz der immerhin die Stimmung stark beschäftigenden militärischen Ereignisse stehen beim größten Teil der Bevölkerung die wirtschaftlichen Schwierigkeiten weitgehend im Vordergrund. Es beginne der Bevölke-

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rung an dem Allernotwendigsten zu fehlen. Die militärische Lage wird von den Letten als für Deutschland außerordentlich ungünstig beurteilt. Die Kämpfe um Welikije-Luki sind bereits seit längerer Zeit allgemein bekannt geworden, ehe sie noch Gegenstand des deutschen Wehrmachtsberichtes geworden waren, und wurden als ein Durchbruch der Bolschewisten durch die deutschen Linien und praktisch als eine Gefährdung Lettlands gewertet. So hat das Näherrücken der Front an die Grenze in kommunistisch verseuchten Arbeiterkreisen Hoffnungen auf einen Sieg Russlands besonders stark belebt und zweifelsohne deren Aktivität erheblich beeinflußt. Im übrigen Lettentum dagegen hat die antibolschewistische Einstellung eine erneute Verstärkung erfahren. In Intelligenzkreisen fand die angeblich ungünstige militärische Lage des Reiches dadurch ihre Auswirkung, daß man hofft, von deutscher Seite aus Zugeständnisse zu erhalten unter dem Drucke der gegenwärtigen Lage. Im Zusammenhang mit einer Denkschrift der Generaldirektoren, in der der Versuch gemacht wurde, gegen die Mobilisierung einer größeren Anzahl lettischer Jahrgänge eine politische Gestaltung Lettlands einzuhandeln, die etwa dem Status der Slowakei entspräche, wurde davon gesprochen, der ehemalige lettische Gesandte in Deutschland Woits würde den bisherigen Generaldirektor des Innern ablösen. Diese jeder Grundlage entbehrenden Gerüchte fanden mit der Frage der Mobilisierung übrigens innerhalb der lettischen Intelligenz keine einheitlichen Beurteilungen, zumal man teilweise befürchtete, das lettische Volk würde durch Einziehung einer größeren Anzahl junger Männer einen zu starken Blutsverlust erleiden. Im Zusammenhang hiermit ist die Haltung der lettischen Freiwilligen, deren Dienstverpflichtung am 31. 12. ablief, interessant. Ein erheblicher Teil ist nicht geneigt, eine weitere Dienstverpflichtung einzugehen. Da man deutscherseits dazu übergegangen ist, diese Freiwilligen jetzt aufgrund des Arbeitspflichtgesetzes durch das Arbeitsamt zum weiteren Dienst zu verpflichten, geht das – natürlich unbegründete – Gerücht, daß sie demnächst als Arbeitskräfte ins Reich vermittelt werden sollen. Nachdem ein Teil der Schutzmannschaften aus Lettland aus dem allgemeinen Polizeidienst herausgezogen worden ist und in den Grenzgebieten eingestellt worden ist, ist in ihren Reihen die Frage ihres Verhältnisses zu den deutschen Soldaten und die Frage des Sinnes ihres Einsatzes im nationallettischen Interesse verstärkt akut geworden. Es herrscht das Gefühl vor, dass ihr Einsatz nicht die genügende Anerkennung finde und sie verpflegungs- und ausrüstungsmäßig schlechter gestellt seien als die Deutschen. Ebenso wird immer wieder darauf hingewiesen, daß sie keine deutschen Auszeichnungen erwerben könnten. Sie wollen nicht als „Kriegsknechte“ für deutsche Interessen dienen, während gleichzeitig deutscherseits die nationallettischen Belange nicht anerkannt werden. Der Glaube, daß dem lettischen Volk eine gewisse politische Selbständigkeit bewilligt wird, der oft wesentlicher Grund zu ihrem Einsatz gewesen ist, herrscht nicht mehr vor. Hinsichtlich der weiteren politischen und militärischen Entwicklung wird sehr viel von einem Eingreifen Englands und Schwedens im baltischen Raum gesprochen. Die Russen sollen sich auf Veranlassung Englands verpflichtet haben, auf den baltischen Raum zugunsten Schwedens zu verzichten. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer bevorstehenden Landung schwedischer Truppen bei Danzig. Gleichzeitig werden die Gerüchte über einen Nordischen Staatenblock wieder laut, wonach Deutschland aufgrund seiner schwierigen Situation bereit sein soll, gegen Zuweisung des gesamten schwedischen Erzes und Bereitstellung von 75 % der Transportflotte den Schweden den baltischen Raum zu überlassen. Die Möglichkeit, unter schwedische Herrschaft zu kommen, findet in lettischen Kreisen weitestgehenden Anklang. Die feindselige Einstellung weiter lettischer

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Kreise hat in der Berichtszeit immer mehr zu Reibungen geführt. Es sind verschiedentlich Schlägereien zwischen lettischen Zivilisten und deutschen Wehrmachtsangehörigen und z. T. Überfälle auf deutsche Soldaten vorgekommen. Die vom Kommandanten des Sicherungsgebietes Lettland daraufhin angeordneten Sicherheitsmaßnahmen (Soldaten dürfen bei Dunkelheit nur noch zu Zweien auf der Straße gehen und sollen von der Schußwaffe bei Angriffen sofort Gebrauch machen) sind der lettischen Bevölkerung durch Erzählungen von Soldaten bekannt geworden und haben dazu geführt, daß in den nationalistischen Kreisen die Befürchtung besteht, deutscherseits könnten in Zukunft bei weiteren derartigen Vorfällen schärfste Maßnahmen ergriffen werden, die sich für die Aussichten auf eine größere Selbständigkeit Lettlands äußerst negativ auswirken müßten. Allgemeine Lage und Stimmung innerhalb der Bevölkerung im Generalkommissariat Estland: Ähnlich wie in Lettland war auch in Estland die Stimmung der einheimischen Bevölkerung beeinflußt durch die Kriegslage, in erster Linie aber durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Hier hat sich als besonders stimmungsverschlechternder Faktor die ungenügende Versorgungslage in Bezug auf die Ernährung, Bekleidung, Heizung und tägliche Gebrauchsartikel erwiesen. Im Zusammenhang mit der Kriegslage dagegen wurde geäußert, Deutschland werde wohl gezwungen sein, im Interesse des Endsieges gewisse Gebiete zeitweilig zu räumen, ja man verstieg sich sogar zu der Meinung, daß mit einem Rückzug der deutschen Verwaltung und auch der Wehrmacht aus Estland zu rechnen sei. Unter diesen Umständen findet die sich ständig intensivierende feindliche Propaganda einen durchaus günstigen Nährboden. Von der geschickten Feindpropaganda beeinflußt, beginnen Betrachtungen über die politische Zukunft in einzelnen Kreisen sich bereits um die Möglichkeit eines Zusammengehens mit den angelsächsischen Mächten zu drehen, wobei zu Beginn des Jahres Finnland als angeblicher Wortführer der kleinen Mächte erneut in den Vordergrund trat. Weitverbreitet sind auch die Klagen über angebliche Benachteiligung des Einzelnen im Rahmen seines persönlichen Lebensbereiches den Deutschen gegenüber. Erneut treten dabei die bekannten Fragen auf, warum deutsche Zivilpersonen höhere Lebensmittelrationen erhalten würden als Einheimische und warum gemachte Versprechungen in Bezug auf die Versorgung nicht eingehalten würden. Kritisch äußerte man sich zu letzterem, es wäre besser gewesen, entweder der Bevölkerung reinen Wein einzuschenken oder von Versprechungen abzusehen, deren Durchführung nicht einwandfrei gesichert wäre. Beim Nichteintreffen von Versprechungen würde sich die Enttäuschung letzten Endes immer wieder nachteilig auf das Vertrauen zur deutschen Führung auswirken. Allgemeine Lage und Stimmung der Bevölkerung im Rostower Bereich: Nach einem Bericht aus der ersten Januarhälfte hat das weitere Vordringen der bolschewistischen Truppen und der Vorstoß einzelner Panzerspähwagen bis an den Don nordöstlich NowoTscherkask in der Bevölkerung allgemeine Panik hervorgerufen. Man rechnet damit, daß Rostow evakuiert wird, und ein Großteil der Bevölkerung hat bereits die notwendigsten Habseligkeiten zur Abreise gepackt. Die Standortkommandantur wird ständig von ungezählten Menschen besucht zwecks Ausstellung von Passierscheinen nach den rückwärtigen Gebieten. Die Spannung in der Stadt Rostow ist ähnlich wie im vergangenen Jahre gemischt mit einer ungeheuren Angst vor der Rache der Bolschewisten. Im Zusammenhang mit den bisher geräumten Städten und Ortschaften spricht man daher von einem grossen Blutbad der roten Truppen. Stalin habe den Befehl gegeben, alle Kosaken, die gesamte Bevölkerung des Dongebietes ausser Gesetz zu setzen, d. h. wie vogelfreie Menschen vom Erdboden zu vertilgen. Zu diesem Zweck seien besonders asiatische Truppen

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für den jetzigen Durchbruch eingesetzt. Ebenso habe Stalin den Befehl gegeben, alle zurückgebliebenen alten KP-Mitglieder zu liquidieren. Nach den bisherigen Erfahrungen wurden alle diese angstvollen Gerüchte, die das Fortschreiten der bolschewistischen Offensive betreffen, vornehmlich aus Frauenkreisen kolportiert. Wenn sich bisher auch noch keine Sabotagefälle, Unruhen oder Zusammenrottungen ergeben haben, so ist doch in einigen Kreisen der Bevölkerung entweder aus Angst oder gegnerischer Einstellung eine stärkere Zurückhaltung der deutschen Wehrmacht gegenüber festzustellen. Die vor kurzem noch ständig ausverkauften Vorstellungen in dem russischen Zivilkino, das jetzt mit deutschen Filmen bespielt wird, sind zur Zeit weniger gut besucht. Das Gleiche gilt für das russische Ziviltheater. Ebenso wurde festgestellt, dass die Jahreskalender, die zweisprachig gedruckt sind, jetzt nicht mehr so gefragt sind wie in den letzten Tagen des Jahres 1942. Wenn bisher auch nur als Einzelfall, so ist es doch typisch für die Ereignisse, dass sich eine Frau auf dem Markte weigerte, deutsches Geld anzunehmen, umso erstaunlicher deswegen, weil seither das deutsche Geld im Kurs mehrfach höher stand als der amtliche Umrechnungswert. Aus gut unterrichteten Kreisen wurde gemeldet, dass viele Familien die früher so begehrten Führerbilder bereits wieder abnehmen und verstecken. Ebenso wurde – auch nur als Einzelfall – bekannt, dass verschiedene Personen, die heute mit den deutschen Dienststellen zusammenarbeiten, Drohbriefe erhalten haben. Die Nervosität und Erwartung der Bevölkerung ist so groß, daß die russische Zeitung täglich umlagert ist, um die weitere Entwicklung der Lage zu erfahren. Alle verbreiteten Gerüchte beschäftigen sich entweder mit den bereits von den Bolschewisten besetzten Ortschaften, dem Rückzug der Rumänen oder dem Schicksal der Bevölkerung. Es handelt sich dabei vornehmlich um folgende Gerüchte: Die eingeschlossenen Truppen in Stalingrad (mehrere Hunderttausend) hätten sich ergeben.6 Milerowo sei von den rückwärtigen Verbindungen abgeschlossen. Im Raum um Schachty-Kamensk seien heftige Abwehrkämpfe im Gange, da die Bolschewisten dort einen Durchbruch zu erreichen versuchen, um Rostow von Nordwesten einzuschließen. Teilweise spricht man bereits von der Einnahme der Staniza Konstantinowskaja westlich Schachty oder aber von der Evakuierung, desgleichen von Zimlansaja nördlich davon, wo 110 000 deutsche Soldaten gefangengenommen sein sollen. In diesem Gebiet seien auch bereits größere Sabotageakte und Brände von Kommunisten durchgeführt worden. In Bezug auf die Kaukasus-Front spricht man von der Aufgabe der Städte Tosdok, Naltschik, Prochladnoje. Bei Tuadse seien die deutschen Truppen zurückgegangen. Eine Gebirgsdivision sei zerschlagen worden und kehre zur Auffrischung nach Deutschland zurück. Von verschiedenen Flüchtlingen wurde berichtet, in Kuban habe man das Gerücht verbreitet, Rostow sei bereits von den Bolschewisten eingenommen. Diese Gerüchte sind offensichtlich auf Veröffentlichungen der Zeitung „Arbeiter von Baku“ zurückzuführen, in denen es heißen soll, daß Rostow völlig zerstört sei mit Ausnahme des Soldatenheimes und des Arbeitsamtes. Die Rückmarschstraße nach Taganrog sei mit Zehntausenden von Leichen bedeckt und an den Straßenbäumen viele Menschen von den Deutschen aufgehängt. Vereinzelt wurde auch von der Einnahme Proletarskajas, Ssalsk, Kislowodsk und Jessentucki gesprochen. Die Stimmung und Haltung der Bevölkerung gegenüber den Rumänen hat sich täglich verschärft, so daß es in Einzelfällen schon zu Übergriffen, auch von deutschen Soldaten, gekommen ist, da die rumänischen Soldaten auf dem Rückzug alles rücksichtslos plündern und stehlen. Im Zusammenhang damit sind, vermutlich auch von gegnerischer Seite genährt, viele Zweckgerüchte entstanden, die das Verhältnis der rumänischen Armee zu den

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deutschen Truppen verschlechtern sollen. Zwischen Deutschland und Rumänien sei seinerzeit ein Abkommen getroffen, aufgrund dessen sich Antonescu verpflichtet habe, bis zum Jahre 1943 an der Seite Deutschlands zu kämpfen und zwar nur bis zur Krim und nicht weiter. Der rumänische König habe darum seine Truppen in die Heimat zurückbefohlen, die jetzt ohne Rücksicht auf die Notwendigkeit und Situation an allen Fronten die Waffen strecken. Eine andere Version spricht von der Zersetzung der rumänischen Armee durch englische Agenten, um die beiden befreundeten Mächte zu entfremden oder um die Heimat wegen einer bevorstehenden Kriegserklärung der Türkei an Rumänien zu schützen. Die Gerüchte über eine baldige entscheidende Stellungnahme der Türkei zu den derzeitigen Ereignissen, die entweder zu Gunsten Deutschlands, Englands oder im Sinne einer Nichteinmischung ausfallen wird, beschäftigt die Gemüter der Bevölkerung stark.7 Im Zusammenhang mit dem Rückzug der Rumänen werden auch Zahlen von Gefangenen erwähnt, die die Bolschewisten gemacht haben sollen, z. B. 170 000 im Dongebiet; außerdem seien 40 000 freiwillig übergelaufen, so daß die Städte Kamensk und Lichaja in die Hände des Feindes gefallen sind und die feste Front auf 150 km an Rostow herangetragen werden konnte. Durch die panikartige Flucht der Rumänen habe die kosakische Bevölkerung die Verteidigung einzelner Stanizen zum Teil selbst in die Hand genommen, mit Hilfe rumänischer Waffen, und seien mancherorts bis zum letzten Mann heldenhaft gestorben oder hätten bis zum Entsatz durch deutsche Truppen ausgehalten. Die Bevölkerung betrachtet die Verteidigung ihrer Heimat als ihre große Stunde und erwartet einen allgemeinen Aufruf zur Mobilisation aller wehrfähigen kosakischen und russischen Männer und die restlose Entfernung der zigeunerischen Rumänen. Weitergehende Gerüchte sprechen sogar schon von heftigen Auseinandersetzungen der kosakischen Bevölkerung mit flüchtenden Rumänen, die ihre Heimat verraten und dem Feinde preisgegeben haben. Vereinzelt wurde erzählt, daß die geschlagenen rumänischen Armeen nach Frankreich gebracht und dort aufgefrischt werden sollen, um der rumänischen Heimat den Anblick dieser kümmerlichen Überreste zu ersparen, wie seinerzeit Napoleon aus Russland fliehen mußte. Mit dem Rückzug der Rumänen sind alle Verkehrswege stark überansprucht und auch die Eisenbahn überlastet, so daß für die Zivilbevölkerung angeblich aus diesem Grunde kein Transportraum zur Verfügung steht. Dadurch ist die Erbitterung der Bevölkerung gegen die Rumänen noch wesentlich gesteigert worden. Wenn sich das Leben der Zivilbevölkerung auch noch in ziemlich geordneten Bahnen vollzieht, so werden doch alle, auch kleinste Maßnahmen und Ereignisse genauestens beobachtet und ausgewertet hinsichtlich ihrer Bedeutung und Tragweite in Bezug auf die jeweilige Lage. Die bisherigen Anzeichen sprächen nach der Meinung der Bevölkerung dafür, daß doch mit einer ernstlichen Bedrohung der Stadt Rostow gerechnet werde; das bewiese z. B. die angebliche Entfernung aller deutschen Frauen, die Aushebung der Splittergräben, die seinerzeit zugeschüttet wurden, die verstärkten Arbeiten an den Aussenbefestigungsanlagen, die angebliche Alarmbereitschaft aller wichtigen Befehlsstellen in Rostow, u. a. die Rückverlegung des Luftgaukommandos Rostow nach Dnjepropetrowsk, die Evakuierung von 3 Lazaretten usw. Ferner habe das Baubataillon „Asphaltstraße“ die Stadt bereits verlassen und den russischen Angestellten die Pässe zurückgegeben; auch das Wiko habe Vorbereitungen für den Fall der Evakuierung getroffen. Die meisten Menschen beabsichtigen, im Fall einer weiteren Verschärfung der Lage nach Taganrog zu evakuieren, da man glaubt, daß die dortigen Verteidigungsanlagen in Anbetracht der Winterkämpfe 1941/42 auch jetzt günstiger seien als Rostow. Zur Unterstützung der jetzi-

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Nr. 26: Erschießung durch die Wehrmacht 1942

gen Offensive seien die Engländer im Kaukasus angetreten und zwecks Rückendeckung im Fernen Osten Japan das Gebiet bis zum Amur im Falle einer weiteren Nichteinmischung zugesagt worden. Ein Grossteil aller Gerüchte über die Ereignisse an der Front ist auf die Aussagen der Flüchtlinge zurückzuführen. Hinzu kommt die teilweise schlechte Verständigungsmöglichkeit mit der einheimischen Bevölkerung, die zu Übertreibungen und besonders bei Angabe von Ortsnamen vielfach zu Verwechslungen Anlaß gibt. Wenn auch daneben eine stärkere Feindpropaganda mit Ausnahme der Gerüchteverbreitung, die zum Teil aus gegnerischer Quelle oder dem ausländischen Rundfunk stammt, noch nicht zu verspüren ist, so erwartet die Bevölkerung doch eine stärkere deutsche Gegenpropaganda zur Beruhigung über die wahre Sachlage und Festigung des Widerstandswillens der Bevölkerung, da die deutsche Propaganda in diesem Gebiet bisher versagt habe und auch den amtlichen Presseveröffentlichungen, insbesondere den Wehrmachtsberichten, wenig Glauben geschenkt werde. Feindpropaganda im Generalkommissariat Estland: Bereits in den Meldungen Nr. 36 vom 8. 1.1943 war über die verstärkt auftretende Neigung der estnischen Bevölkerung zum Abhören feindlicher Sender berichtet und hingewiesen worden, dass die Feindpropaganda infolge der Entwicklung an den Fronten einen günstigen Nährboden vorfinde. Daneben sind die ungünstige Versorgungslage, wirtschaftliche Maßnahmen – z. B. Einrichtung und Tätigkeit der Monopolgesellschaften –, die Einengung der estnischen Be-

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tätigung allgemein und Klagen über eine vermeintliche Benachteiligung des Einzelnen im Rahmen seines persönlichen Lebensbereiches dem Deutschen gegenüber bestimmende Faktoren, denen den Meldungen zufolge noch keine genügend wirksame deutsche Propaganda gegenüberstehe. Rein äusserlich trage jedoch auch zur Zunahme der Feindhörer der Umstand bei, dass die örtliche Funkversorgung durch den Landessender Reval wegen zu frühem Sendeschluss (19 Uhr) und mangelnder Sendestärke schlecht sei. Von estnischer Seite wird nach den Berichten bemerkt, dass eine Behebung dieses Übelstandes und eine Milderung der allgemeinen Mißstimmung allein mit einer Propaganda in Wort, Schrift oder Bild schwerlich zu erreichen sei, wohl aber durch Einleitung konkreter Maßnahmen, wie Zuteilung von notwendigen Bedarfsartikeln, gekoppelt mit einer entsprechenden Propaganda. Eine Bekämpfung des z. B. in der Bevölkerung bereits fest verwurzelten Grundsatzes, der Schleichhandel sei zwar ein Übel, aber notwendig, sei erst dann möglich, wenn die zugeteilten Lebensmittelrationen auch tatsächlich dem Verbraucher sichergestellt sein würden. In diesem Fall liesse sich, wie man von estnischer Seite anregt, auch wenn die Rationen sich in bescheidenen Grenzen hielten, eine Propagandaaktion gegen das Spekulantentum einleiten, wobei diesem die Schuld an vielleicht in Zukunft eintretenden Verknappungen zugemessen werden könnte. Ferner könnte man bei dieser Propagandaaktion, wenn die Rationen ungefähr denen im Reich entsprächen und auch die Reichsdeutschen im Land keine besseren Zuwendungen erhielten, erneut mit dem heute bereits stark angezweifelten Grundsatz der gleichen Zuteilung der Lasten argumentieren. Neuerdings wird berichtet, dass das zunehmende Interesse für Feindsender sich auch auf die Sendungen des Moskauer Rundfunks auszudehnen beginne, nachdem dieser eine neue Taktik eingeschlagen habe. Es würden seit einiger Zeit im Gegensatz zu den in Estland verbreiteten bolschewistischen Flugblättern plumpe Verherrlichungen des Bolschewismus vermieden. Man gehe lediglich anerkennend auf die Errungenschaften und positiven Eigenschaften der Esten ein, behandele anscheinend wohlmeinend die heutigen Alltagsschwierigkeiten und erinnere besonders gern an die historischen Gegensätze zwischen Esten und Baltendeutschen. Auch im englischen Rundfunk sei in letzter Zeit wiederholt das Problem der baltischen Länder behandelt worden. Die Bevölkerung bezeichne die englischen Sendungen als geistreich und ansprechend. So sei z. B. in einer Sendung die Lebensmittelzuteilung an die Zivilbevölkerung im Ostland behandelt worden, in der der Sprecher anschliessend hinzugefügt habe, das könne nur ein schlechter Witz sein, da in so ausgesprochenen Agrarländern wie in den drei baltischen Ländern derartig niedrige Lebensmittelrationen unmöglich seien. Durch Sendungen dieser Art werde ein gewisses Nachlassen der Überzeugung, die Zukunft Europas könne nur gemeinsam mit Deutschland gestaltet werden, ausgelöst. So wird in Gerüchten immer wieder davon gesprochen, dass Finnland zu einem Frieden mit den angelsächsischen Mächten neige, da diese ihm Garantien gegen die UdSSR zu geben bereit seien. Auf Island zusammengezogene englisch-amerikanische Truppen würden im Falle eines Übereinkommens einen Schutzwall zwischen Finnland und der UdSSR bilden und gleichzeitig gegen die deutschen Truppen in Finnland vorgehen. Auf ähnliche Art würde England auch Estland in der Gestaltung des Verhältnisses zur UdSSR beistehen. Hierbei würde den von den Bolschewisten im Sommer 1941 mobilisierten estnischen Verbänden unter dem Oberbefehl des ehemaligen estnischen Generalstabschefs Laidoner8, der von früher her gute Beziehungen zu England hatte, Bedeutung zufallen. Ohne dass es bisher gelungen ist, Personen zu ermitteln, die Aufrufe Laidoners im englischen Rund-

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funk gehört haben, heben die Meldungen hervor, dass den Gerüchten um die Person des Genannten in weiten Kreisen Glauben geschenkt werde. Laidoner richte durch den Londoner Rundfunk Ansprachen an das estnische Volk. Er habe versichert, dass die Esten nichts zu befürchten brauchten. Ihr Geschick liege in guten Händen. Das estnische Volk solle sich nicht zu früh zu Unbedachtsamkeiten gegenüber den Deutschen hinreissen lassen. Wenn die Zeit reif sei, würde schlagartig vorgegangen werden, so dass weder Deutsche noch mit ihnen sympathisierende Esten aus dem Land herauskämen. Daneben halten sich Gerüchte über das „Abziehen der Deutschen“ aus Estland. Vor allem würden die Familien der Zivilangestellten und Offiziere ins Reich zurückgeschickt. Auch der Generalkommissar hätte sich schon bei seiner letzten Dienstreise ins Reich in Litauen einen neuen Sitz für seine Behörde ausgesucht, da die Deutschen eine Einkreisung Estlands befürchteten usw. Nach vorliegenden Meldungen greife in einfachen Bevölkerungskreisen immer mehr die Auffassung um sich, dass von den Bolschewisten bei ihrer Rückkehr nichts zu befürchten sei. Die Sowjets würden auf jede Gewalttat verzichten. Von Finnland kommende Einflüsse – vgl. Bericht über die Tätigkeit des Finnlandsenders in den Meldungen Nr. 36 vom 8. 1. 43 – haben nach den vorliegenden Berichten in den letzten Wochen den Gedanken des „Aufeinanderangewiesenseins der kleinen Völker inmitten der egoistischen Auseinandersetzungen der Großmächte“ stark wiederaufleben lassen. Diese Tendenz zur Pflege des Gedankens von den „Rechten der kleinen Völker“ spiegle sich ausser in der Wiedergabe der Pressestimmen aus Finnland und Schweden zur Rede Rytis 9 am 25. Jahrestag der finnischen Republik durch den Finnlandsender auch in seinen sonstigen Sendungen wieder. In der fraglichen Rede habe Ryti sich zum Wortführer der kleinen Völker gemacht, in dem er die Selbständigkeit der kleinen Völker und ihre unabhängige Existenz als in jeder Weise berechtigt bezeichnet habe. In gleicher Richtung liegend brachte der Finnlandsender u. a. am 16. 1. 43 folgende Meldung: „Helsinki: Der ehemalige norwegische Politiker Hambro (?) erwähnte in seiner Ansprache über die Politik der Kleinstaaten: In ihren Reden bezüglich der Zukunft behielten die Großstaaten nur ihre eigenen Interessen im Auge; es müssten jedoch auch die Interessen der Kleinstaaten – wenigstens ihr Selbstbestimmungsrecht – in Betracht gezogen werden. Infolge der imperialistischen Politik der Großstaaten hätten die ihnen benachbarten Kleinstaaten in ewiger Angst gelebt, und infolge dieser Politik sei auch der Krieg ausgebrochen. Nur einige glückliche Staaten hätten in diesem Kampf bisher ihre Neutralität bewahren können, denn auch die kleinen Staaten kämpften als Verbündete neben den grossen, jedoch nur um ihre Rechte zu sichern. Was die Versprechungen seitens der Großstaaten anbelange, so seien diese natürlich sofort, nachdem der letzte Schuss gefallen sei, vergessen, denn wie der Verlauf der Geschichte gezeigt habe, würden die sich feindlich gegenüberstehenden Großstaaten über Nacht zu guten Freunden, und die Kleinstaaten gerieten in Vergessenheit. Das Kriegsziel der Kleinstaaten sei, die anderen von der Gerechtigkeit ihres Kampfes zu überzeugen. Nur so habe sich Finnland im Weltkrieg die Sympathien der ganzen Welt erobern können, die es ihm ermöglicht hätten, tapfer standzuhalten. Die Politik der Großstaaten sei von der der Kleinstaaten verschieden, und diesen Umstand müssten die führenden Männer der Kleinstaaten immer im Auge behalten.“ […] Einstellung der Bevölkerung zur Verwaltungslage im Generalkommissariat Estland: Aus Anlass des ersten Jahrestages der deutschen Zivilverwaltung im Generalbezirk Estland (5. 12. 42) befasste sich die einheimische Bevölkerung erneut in kritischer Weise mit der deutschen Verwaltung. In allen Schichten der Bevölkerung, namentlich in Intelligenzkrei-

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sen, wurde wiederum die Auffassung laut, dass die deutschen Stellen teils überflüssig seien, teils über den Rahmen der ihnen zustehenden Verwaltungsführung hinausgingen. Wenn der Krieg zwar auch grundsätzlich eine zentralisierte Verwaltung verlange, so könne doch die ständig anhaltende Durchdringung aller Zweige der einheimischen Verwaltung durch das deutsche Element nicht immer als kriegsbedingt betrachtet werden. Die tatsächliche Lage auf dem Gebiet der Verwaltung zeige, dass Estland entweder wie eine Kolonie ausgebeutet oder dem Deutschen Reich einverleibt werden solle. Die deutsche Führung spreche wohl ständig von dem Vertrauen, das sie dem estnischen Volk entgegenbringe. In Wirklichkeit würden jedoch alle leitenden und wichtigen Stellen von Deutschen geführt. Das estnische Beamtentum spiele nur eine untergeordnete Rolle. Die deutsche Post, die Reichsbahn, die zahlreichen deutschen Monopolgesellschaften, die alle die Verwaltung auf den entsprechenden einheimischen Verwaltungsgebieten übernommen hätten (Energiewirtschaft, Verkehr, Staatsdomänen, Banken usw.), beschnitten das estnische öffentliche Leben in solch eingreifendem Maße, dass von einer estnischen Selbstverwaltung überhaupt nicht mehr gesprochen werden könne. Allgemein wird die Ansicht vertreten, dass es nicht genüge, die Erledigung von bedeutungslosen Verwaltungsfragen auf die estnischen Stellen zu übertragen. Wenn von einer wirklichen Selbstverwaltung die Rede sein solle, dann müsse eine weitergehende verwaltungsmäßige Autonomie gewährt werden. Vereinzelt werden der deutschen Zivilverwaltung Erfolge nicht abgesprochen. Allgemein jedoch wird behauptet, dass das Nebeneinander der deutschen und estnischen Verwaltungsstellen häufig zu einander entgegengesetzten Entscheidungen und zu Missverständnissen führe. Auf diese Weise werde den estnischen Stellen Selbstvertrauen und Arbeitslust genommen. Man verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass im Dezember im Kreise Pernau ein Kontingent an Hufeisen an die einzelnen Gemeinden verteilt worden sei, um bald darauf auf Grund einer Anordnung des Gebietskommissars Pernau zum Zweck der Belieferung von Staatsgütern wieder eingesammelt zu werden. Die Verwaltungsinstanz der Gebietskommissare wird namentlich von Intelligenzkreisen als überflüssig bezeichnet. Das Generalkommissariat in Reval mit seinem Personalbestande von etwa 300 Beamten und Angestellten müsse ausreichen, um das ganze Land führungsmäßig zu verwalten. Die Gebietskommissare seien eine unnötige Zwischeninstanz, die, weil mit den örtlichen Verhältnissen nicht vertraut, doch in grossem Maße verwaltungsmäßig von den landeseigenen Stellen abhängig seien. Anordnungen der zentralen Verwaltungsstellen könnten unmittelbar und direkt von den landeseigenen Verwaltungsbehörden befolgt werden, ohne dass der Umweg über den Gebietskommissar nötig sei. […] Anlage zu den „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ Nr. 40 vom 5. II.1943. Standorte und Nachrichtenverbindungen Höherer SS- und Polizeiführer Nord: (SS-O’Gruf. Jeckeln), Standort: Riga. Befehlshaber dSPudSD Ostland: (SS-Oberf. Dr. Pifrader), Standort d. Bfh.: Riga, Kalpakstr. 4, N-Verbindungen: FS, FT Riga, Standort d. EG A: Nataljewka, N-Verbindungen: FT, FS Riga, FT Nataljewka, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Estland: (SS-O’Stubaf. ORR Dr. Sandberger), Standort: Reval, Antoniusberg 16, Dienststellen in Dorpat, Pernau, Arensburg, N-Verbindungen: FT, FS Reval, FS Dorpat, Feldpost-Nr. 23007. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Lettland: (SS-Stubaf. RR Dr. Lange), Standort: Riga, Moltkestr. 1, Aussendienststellen in Libau, Wolmar, Dünaburg, Mitau, N-Verbindungen: FT Riga, FS Riga, Libau, Wolmar, Dünaburg, Feldpost-Nr. 15437.

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Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Litauen: (SS-Staf. Jäger), Standort: Kauen, Dienststellen in Wilna, Schaulen, Ponewesch, N-Verbindungcn: FS Kauen und Wilna, FeldpostNr. 15641. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Weißruthenien: (SS-O’Stubaf. RR Strauch), Standort: Minsk, Dienststellen in Wilejka und Baranowicze, N-Verbindungen: FT, FS Minsk, FT Baranowicze und Wilejka, Feldpost-Nr. 15641. Einsatzkommando 110: (SS-O’Stubaf. Dr. Isselhorst11), Standort: Gatschina. Einsatzkommando 2 12: Standort: Loknja, Aussenstelle Nasswa, N-Verbindungen: FT Loknja. Einsatzkommando 3 13: (SS-O’Stubaf. Traut 14), Standort: Pleskau, N-Verbindungen: FT Pleskau. Höherer SS- und Polizeiführer Mitte: (SS-O’Gruf. v. d. Bach), Standort: Mogilew. Einsatzgruppe B: (SS-Brif. Naumann), Standort: Smolensk, Falkenhaus, N-Verbindungen: FT Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando 7a: (SS-O’Stubaf. Rapp), Standort: Orefino, N-Verbindungen: FT Orefino, Feldpost-Nr. 10811. Sonderkommando 7b: (SS-O’Stubaf. Rabe 15), Standort: Orel, N-Verbindungen: FT Orel, Feldpost-Nr. 18555. Einsatzkommando 8: (SS-Stubaf. RR Schindhelm), Standort: Mogilew, N-Verbindungen: FT Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Einsatzkommando 9: (SS-Stubaf. Dr. Buchardt), Standort: Witebsk, N-Verbindungen: FT Witebsk, Feldpost-Nr. 37857. Höherer SS- und Polizeiführer Süd: (SS-O’Gruf. Prützmann), Standort: Kiew, Jungfernstieg 10. Befehlshaber dSPudSD Ukraine: (SS-Gruf. Dr. Thomas), Standort d. Bfh.: Kiew, N-Verbindungen: FT, FS Kiew, Standort d. EG C: Poltawa, N-Verbindungen: FT Poltawa, Feldpost-Nr. 32704. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Wolhynien: (SS-Stubaf. RR Dr. Pütz), Standort: Rowno, N-Verbindungen: FS Kiew. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Shitomir: (SS-Stubaf. Dr. Ernst Kaussmann16), Standort: Shitomir, N-Verbindungen: FS Shitomir, Feldpost-Nr. 48840. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Kiew: (SS-O’Stubaf. Ehrlinger), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FT Kiew üb. Bfh. dSPudSD Kiew und FS Kiew üb. Bfh. dSPudSD Kiew, Feldpost-Nr. 35102. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Tschernigow: (SS-Stubaf. Christensen), Standort: Tschernigow, N-Verbindungen: FT Kiew. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Nikolajew: (SS-Stubaf. RR Dr. Spann), Standort: Nikolajew, N-Verbindungen: FT Nikolajew. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Charkow: (SS-Stubaf. RR Dr. Kranebitter), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Dnjepropetrowsk: (SS-Stubaf. Mulde), Standort: Dnjepropetrowsk, N-Verbindungen: FT Dnjepropetrowsk. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Stalino: (SS-O’Stubaf. Körting), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Taurien: (SS-Stubaf. Zapp), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol.

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Sonderkommando 4a: (SS-O’Stubaf. Steimle), Standort: Kursk, N-Verbindungen: FT Kursk, Feldpost-Nr. 22789. Sonderkommando 4b: (SS-Stubaf. Suhr17), Standort: Rostow, N-Verbindungen: FT Rostow, Feldpost-Nr. 34310. Einsatzkommando 6: (SS-O’Stubaf. ORR Biberstein), Standort: Rostow, N-Verbindungen: FT Rostow, Feldpost-Nr. 35979. Höherer SS- und Polizeiführer Kaukasien: (SS-Gruf. Korsemann), Standort: Simferopol. Einsatzgruppe D: (SS-Oberf. Bierkamp), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol, Feldpost-Nr. 47540. Sonderkommando 10a: (SS-Stubaf. ORR Dr. Christmann), Standort: a. d. Marsch, Feldpost-Nr. 35583. Sonderkommando 10b: (SS-Stubaf. Persterer), Standort: a. d. Marsch. Einsatzkommando 11a: (SS-Stubaf. Hersmann 18), Standort: a. d. Marsch. Einsatzkommando 11b: (SS-O’Stubaf. Schultz 19), Standort: a. d. Marsch. Einsatzkommando 12: (SS-O’Stubaf. Günther Herrmann20), Standort: a. d. Marsch, Feldpost-Nr. 42942. BAB, R 58/223 1

Vgl. Angrick/Mallmann/Matthäus/Cüppers: Deutsche Besatzungspolitik in der UdSSR, S. 503, 525. Monate später operierten in eben diesen Gebieten die SS-Kav.div., die noch als Brigade im Sommer 1941 in jener Gegend zahlreiche jüdische Gemeinden vernichtet hatte, sowie die verbliebenen Reste der umgegliederten EG D. Dabei kam es im Verlauf der Einsätze erneut zu zahlreichen Verbrechen; vgl. Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 261–269; Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 689–711. 3 Wehrmachtsbefehlshaber Ukraine. 4 In dieser Formulierung versteckte sich eine Interpretation, denn der HSSPF Ukraine war gegenüber dem WBU keineswegs weisungsberechtigt. 5 Zu den dortigen Umständen vgl. Kunz: Die Krim unter deutscher Herrschaft, S. 115; Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 526. 6 Die mangelnde Aktualität der MbO spiegelt sich einmal mehr in einer solchen Formulierung wieder, die mit Datum vom 5. 2. noch von „Gerüchten“ um eine Aufgabe der 6. Armee in Stalingrad spricht, nachdem die Kapitulation bereits zwei Tage zuvor im „Großdeutschen Rundfunk“ gemeldet worden war. 7 Zur Haltung der Türkei vgl. Corry Guttstadt: Die Türkei, die Juden und der Holocaust, Berlin 2008, S. 161–167. 8 Johan Laidoner, geb. 1884, im Anschluß an die estnische Unabhängigkeit seit 1918 OB der estnischen Streitkräfte, Parlamentsabgeordneter, außerdem als Kommissionsvorsitzender im Völkerbund tätig. Im März 1934 führend am Staatsstreich von Konstantin Päts beteiligt. Nach der Besetzung Estlands durch sowjetische Truppen durch den NKWD verhaftet. Gest. 1953 nach langjähriger Haft im Gefängnis. 9 Risto Ryti, finnischer Ministerpräsident während des Winterkrieges 1939/40 u. Präsident 1940–1944. 10 Die hier erstmals auftauchende Numerierung 1–3 ersetzte die bisherigen Bezeichnungen 1a–1c. 11 Isselhorst hatte bis Herbst 1942 das EK 8 kommandiert. 12 Das neue EK 2 löste das bisherige EK 1b ab. 13 Das neue EK 3 löste das bisherige EK 1a ab. 14 Karl Traut, geb. 1906, 1928 SA, 1931 NSDAP, 1936–1938 Stabsfhr. SD-UA Pfalz, 1938 SS, 1938/39 Fhr. SD-UA Saar, 1939 Ostubaf., 1939/40 Fhr. SD-UA Mannheim, 1940–1942 Fhr. SD-Abschnitt Hohensalza, 1942/43 Leiter III beim KdS Estland, dann Kdr. EK 3, 1943 zurück nach Hohensalza, 1944 Fhr. SD-Abschnitt Salzburg; BAB, BDC, SSO Karl Traut; BAL, ZK: Karl Traut. 15 Karl Rabe, geb. 1905, Kaufmann, 1930 NSDAP, 1932 SS, 1933 Hilfspolizei, 1934 Ustuf., Abt.leiter I/ 212 im SD-HA, Aug. 1939 Personalreferent SD-LA Prag, 1941 Kdr. Reichsschule der Sipo u. des SD Prag, Jan. 1943 Kdr. SK 7b, Nov. 1944 Kdr. Kdo. z. b. V. 27 der EG H, gest. 1989; BAB, BDC, SSO Karl Rabe; BAL, ZK: Karl Rabe; Sˇindelárˇová: Finale der Vernichtung, S. 198 ff. 16 Dr. Ernst Kaussmann, geb. 1905, Studium der Philologie u. Literaturgeschichte, 1930 Dr.phil., 1933 2

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SS, 1934 Angestellter Stapo-Leitstelle Dresden, 1937 NSDAP, 1939 Leiter Stapo-Stelle Leipzig, 1940 Stubaf., Dez. 1942 KdS Shitomir, 1943 Ostubaf., Jan. 1944 Lehrer an Sipo-Schule Fürstenberg; BAB, BDC, SSO Dr. Ernst Kaussmann; BAL, ZK: Dr. Ernst Kaussmann. 17 Statt dessen wurde Suhr zur Bewährung bei verschiedenen Kdos. der EG C herumgereicht. 18 Werner Hersmann, geb. 1904, Ingenieur, 1930 NSDAP, 1931 SS, 1936 Ustuf. u. Stabsfhr. SD-UA Thüringen-Erfurt, 1939 Fhr. SD-Abschnitt Weimar, 1940 Stubaf., März 1941 Fhr. SD-Abschnitt Tilsit, Dez. 1942–Okt. 1943 Kdr. SK 11a, Okt. 1944 Kdr. Kdo. z. b. V. 15 der EG H, 1948 vom LG Traunstein zu 8 Jahren Haft verurteilt, 1958 vom LG Ulm zu 15 Jahren Haft verurteilt, gest. 1972; BAB, BDC, SSO Werner Hersmann; BAL, ZK: Werner Hersmann; Urteil LG Ulm v. 29. 8. 1958, BAL, B 162/2615; Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 672 f., 726; Sˇindelárˇová: Finale der Vernichtung, S. 186 ff. 19 Paul Schultz, geb. 1907, Kaufmann, 1930 NSDAP, 1931 SS, 1935 Ustuf., Stabsfhr. SD-UA Mainfranken, dann Fhr. SD-Abschnitt Bremen, dann Referent I A 5 im RSHA, Sept. 1942 als Ostubaf. zur EG D, dort stellv., dann Kdr. EK 11b, dann zum BdS Krakau, März 1944 zum IdS Danzig als Kdr. UWZ-Lager Lebrechtsdorf; BAB, BDC, SSO Paul Schultz; BAL, ZK: Paul Schultz; Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 418, 555 f., 584, 589 f., 672, 725. 20 Günther Herrmann, geb. 1908, Jurastudium, 1930 Referendarexamen, 1933 NSDAP u. SA, 1934 Assessorexamen, Febr. 1935 Gestapa, Mai 1935 stellv. Leiter Stapo-Stelle Kiel, Juni 1935 SS, Dez.1935 Leiter Stapo-Stelle Kassel, Nov. 1937 zudem Leiter SD-UA Kassel, 1938 Hstuf., 1938 beteiligt am Einmarsch in Österreich u. ins Sudetenland, März 1939 Kdr. EK II Prag, Sommer 1939 Leiter Stapo-Stelle Brünn, 1940 Stubaf., Anfang 1941 ins Amt I des RSHA als Leiter der Lehrgänge für die Anwärter des leitenden Dienstes, Kdr. SK 4b bis Ende Sept. 1941, dann zurück ins RSHA, 1942 Ostubaf., Dez. 1942 in Vertretung Leiter EG D, dann Kdr. EK 12 bis Febr. 1943, Aug. 1943 Chef EG E in Kroatien bis Kriegsende, 1945 Staf., 1973 zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren verurteilt; BAB, BDC, SSO Günther Herrmann; Vern. dess. v. 25. u. 26. 9. 1962, BAL, B 162/3773, Bl. 10 ff., 13 ff.; Anklage ZSD v. 10. 2. 1970, BAL, B 162/18184; Urteil LG Düsseldorf v. 12. 1. 1973, BAL, B 162/14472; Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 672 f., 676.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 12. Februar 1943 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 41 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandentätigkeit im Bereich des Kommandeurs dSPudSD f.d. Gen.Bez. Litauen: Durch Erkundung wurde festgestellt, daß sich drei Banditengruppen in Stärke von 500 Personen im weissruth./lit. Grenzgebiet aufhalten. Die Banditen haben sich in dem Dreieck Czeremszyce–Bruzy–Luze zusammengezogen, wo sich auch ihre Lager, Bunker und die Führung befinden sollen. Sie sollen den Angriff der Deutschen erwarten und haben die Bewohner aus den genannten Dörfern evakuiert. Am 27. 1. 43 gegen 22 Uhr erschienen bewaffnete Banditen in dem Dorfe Budcicie und misshandelten einige Bauern, die angeblich die Polizei vom Auftreten und Verborgenhalten der Banditen unterrichtet haben sollten. Am 24. 1. 43 kamen etwa 30 bewaffnete russ. Banditen in die Dörfer Holodiszki, Rudizinski und Dobra und beraubten die Einwohner. Sie verschwanden dann wieder in Richtung Pasziszki. Die sofort eingeleitete Verfolgung war ergebnislos. Am gleichen Tag haben mit russ. MPi bewaffnete Banditen die Dörfer Roszia, Budai und Pauzule überfallen und an die Einwohner schriftliche Befehle verteilt des Inhalts, daß jeder Einwohner, der die Banditen irgendwie schädige, verbrannt würde. Am 25. 1. 43 gegen 4 Uhr drangen 10 Banditen mit vier Schlitten in das Dorf Grombinentai, Krs. Swir, ein und raubten ein Pferd mit Schlitten. Am selben Tage wurden im Dorfe Domuti 25 Banditen beobachtet,

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die auf Schlitten in Richtung Didieji-Miskai sich entfernten. Am 26. 1. 43 um 13 Uhr wurden 8 km nördlich Poluknia zwei bewaffnete Banditen beobachtet. Von der eingesetzten Pol.-Streife wurde ein Bandit erschossen und der andere schwer verletzt. Bei einer Aktion in Rokischkis gegen Mitglieder einer Banditengruppe, die im September 1942 nach Besuch einer Agentenschule in Moskau westlich Kalinin durch die Front geschleust wurde und den Auftrag hatte, Sabotage- und Terrorakte durchzuführen, wurden 16 Personen festgenommen, darunter 7 Frauen. Die Festgenommenen wurden nach Kauen überstellt. Der Führer der Bande – Juozas Eisvydis – hat sich vor seiner Festnahme erschossen. Bei den Festgenommenen handelt es sich meistens um Personen, die Banditen unterstützt und ihnen Waffen geliefert hatten. Am 31.1. 43 überfielen 15 bewaffnete Banditen gegen 19.00 Uhr das Dorf Palckai, Amtsbezirk Lentubys, und hielten sich dort bis Mitternacht auf. Bei mehreren Bauern raubten sie Lebensmittel, Kleidungsstücke und bespannte Schlitten. Von zwei Einwohnern forderten sie Waffen. Die Bauern konnten dieser Aufforderung nicht nachkommen und wurden darauf von den Banditen erschossen. Die Banditen zogen sich dann auf weissruthenisches Gebiet zurück. Die Verfolgung ist aufgenommen. Am 1. 2. 43 gegen 22.00 Uhr erschienen bewaffnete Banditen, deren Anzahl nicht festgestellt werden konnte, im Dorfe Ockocicze und ermordeten einen Bauern und dessen Schwägerin; die Ehefrau des Bauern wurde durch einen Schuss schwer verletzt. Die Banditen sind in unbekannter Richtung entkommen. Am 2. 2. 43 überfielen mehrere bewaffnete Banditen in der Ortschaft Jouiskis mehrere Einwohner und raubten ihnen Kleidungsstücke und Wertgegenstände, nachdem sie die Überfallenen gefesselt und schwer misshandelt hatten. Nach ihrem Abzug aus dem Dorf in Richtung Südosten überfielen sie auf der Landstrasse mehrere Schlittenfuhrwerke und töteten dabei zwei Bauern. Die Verfolgung ist aufgenommen. Am gleichen Tage wurde mit 57 Angehörigen der Sicherheitspolizei und 8 Mann des Forstschutzkommandos Wilna eine Suchaktion nach Banditen im Gebiet Schilany durchgeführt. In den Ortschaften Swilischkis, Mazurischkis, Schilany, Michalischkis und Wasiluki wurden hierbei fünf Banditen festgenommen, ein Bandit auf der Flucht erschossen und einer auf der Flucht verletzt. Der Letztere ist entkommen. Ausserdem wurden in den genannten Orten 14 Personen, die einwandfrei überführt waren, Banditen beherbergt und bewirtet zu haben, festgenommen und erschossen. Bei dieser Aktion wurde das Abbrennen von zwei Wohnhäusern und einer Scheune in Swilischkis notwendig. In einem dieser Gebäude war Munition verborgen, die beim Verbrennen explodierte. Weiter wurden drei im Walde gelegene Bunker festgestellt und zerstört, die bis in die jüngste Zeit von Banditen bewohnt waren. Bandenbekämpfung im Bereich des Kommandeurs dSPudSD Weissruthenien: Zu dem Unternehmen „Erntefest I“ 1 liegt folgender Abschlussbericht vor: „Unternehmen ‚Erntefest I‘ westlich Tscherwen–Ossipowitschi an Nahtstelle rückwärtiges Heeresgebiet und Weissruthenien beendet. Eingesetzt an eigenen Kräften: 11 Polizei- und Schutzmannschaftsbataillone und 3 SD-Kommandos. Gesamtergebnis: 805 bewaffnete Feindtote, darunter 2 Offiziere und 2 Kommissare. 1165 Personen wurden wegen Bandenbegünstigung sonderbehandelt, 34 Gefangene wurden eingebracht. Beute: 1 Granatwerfer, 78 kg Sprengstoff, 15 lMGs, 2 Ferngläser, 295 Gewehre, 1 Kompass, 5 MPs, 274 Schlitten, 9 Pistolen, 265 Häute, 1 autom. Gewehr, 10 Ztr. Leinsamen, 141 Handgranaten, 10 Ztr. Hanf, 46 000 Schuss Inf.-Munition, 265 cbm Holz, ferner grosse Mengen an Heu und Stroh. Ein Lager sowie 18 Bunker zerstört. Zum Arbeitseinsatz für das Reich wurden 1308 Personen erfasst. Sichergestellt wurden: 395 Pferde, 1560 Schafe, 2803 Rinder, 459 to Getreide,

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572 Schweine. Eigene Verluste: 6 Tote, 17 Verwundete. Für hervorragenden Einsatz wurde 4 Angehörigen der Sicherheitspolizei das EK 2 verliehen.“ Bandenlage im Bereich des BdS Ukraine: Der Sowjetsender Ukraine hat am 26. 1. 43 in ukrainischer Sprache folgenden „Appell an die Partisanen und Partisaninnen“ durchgegeben: „Partisanen, Partisaninnen! Die Rote Armee ist im Vormarsch und bringt für die Deutschen den Tod. Die Rote Armee hat schon eine Reihe von ukrainischen Ortschaften vom deutschen Joch befreit. Die Deutschen bleiben als schwarze Leichen an der 1000 km langen Front zurück. In seinem Tagesbefehl an die Truppen sagte der oberste Befehlshaber Stalin: ‚Vorwärts zur Vernichtung der deutschen Okkupanten und zu ihrer Vertreibung aus unserer Heimat‘. Die Rote Armee schlägt mit immer grösser werdender Wucht zu. Die Sonne des glückhaften Sieges geht bereits auf. Völker der Ukraine, steht auf zum erbarmungslosen Kampf gegen die deutschen Eindringlinge. Vorwärts, Genossen Partisanen, gönnt den Deutschen keine Ruhepause. Vernichtet sie, sprengt ihre Munitionslager in die Luft, zerstört Brücken und Eisenbahngeleise, gestattet dem Gegner nicht, Verstärkungen an die Front zu bringen. Vorwärts, Genossen, zur Zerschlagung der deutschen Okkupanten und zu ihrer Vertreibung aus unserer Heimat. Unter der Fahne Lenins und Stalins in den Kampf bis zum Siege!“ Die ausserordentlich grosse Aktivität starker Banden in den verschiedensten Räumen zeigt eindeutig, welchen Wert die sowjetischen Führungsstellen auf die Störung der Aufbauarbeit in den besetzten Gebieten sowie vor allem auf die Unterbrechung der Verkehrsanlagen und damit Einschränkung des Nachschubs legen. Trotzdem konnte die Zahl der Eisenbahnanschläge in letzter Zeit etwas verringert werden, was einmal auf die Zerschlagung einer stärkeren Bande, die sich hauptsächlich mit Eisenbahnanschlägen befasste und zum anderen auf stärkeren Ausbau der Bahnsicherungsmaßnahmen zurückzuführen ist. Verschiedentlich haben auch Bahnanschläge infolge der geringen Wirkung der Sprengmittel keine grösseren Schäden verursacht. Die Unterstützung der Banden durch Abwurf von Nachschub und Absetzen von Fallschirmspringern hat in der letzten Zeit seinen Höchststand erreicht. Desgleichen erfolgten in den letzten Tagen wiederholt Bombenangriffe im Generalbezirk Wolhynien-Podolien, und zwar wurden die Flugzeuge durch von Banden abgegebene Leuchtzeichen gelenkt. Neuerdings versuchen grössere Banden deutsche Polizei- und Wehrmachtskräfte kleinerer Städte zur Übergabe zu veranlassen. So wurde eine grössere Ortschaft südlich Olewsk von starker Bande umstellt und die Polizeikräfte aufgefordert, die Ortschaft zu übergeben. Der Angriff auf das Gendarmeriegebäude konnte abgeschlagen werden, jedoch wurden die in einem Nachbarhause befindlichen 3 La-Führer und 5 Volksdeutsche ermordet und der Gendarmeriepostenführer und einige weitere Volksdeutsche mitgeschleppt. Offensichtlich wollte die Bande die 2000 in dem Ort untergebrachten Gefangenen befreien. In verstärktem Maße gehen die Banden jetzt auch gegen Familienmitglieder von Schutzmannschaftsangehörigen vor. Allein in einer Woche wurden rd. 120 Personen, bei denen es sich um die nächsten Angehörigen der Schutzmannschaftsangehörigen handelt, ermordet oder verschleppt. Auf diese Weise wird versucht, die Schutzmannschaft zur Aufgabe ihres Dienstes bei den deutschen Polizeistellen zu zwingen. Flugzettel mit dem Inhalt: „Allen, die gegen die slawischen Völker gehen, die dem deutschen Feind helfen, denen wird die Familie erschossen“ zeigen die einheitliche Lenkung dieser Maßnahme. Durch die verstärkte Flugblattpropaganda ist es den Banden gelungen, die Zahl der Überläufer aus den Schutzmannschaftsbataillonen sowie in letzter Zeit auch aus den Reihen der bis dahin als zuverlässig angesehenen Kosakenbataillone zu vermehren. So ist in einem Fall

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der gesamte Stab eines Kosakenregiments zu den Banden übergetreten. 4 der zurückgebliebenen Offiziere wurden wegen Fluchtverdacht erschossen, 88 Mann wurden wegen Unzuverlässigkeit einem Stalag zugeführt. Ein Schutzmannschaftsangehöriger, der zu einer Bande geflüchtet war, wandte sich von dort schriftlich an seine frühere Einheit und forderte die ehem. Kameraden auf, mit allen Waffen geschlossen zu den Banden überzutreten, da auf Grund der Frontlage mit der restlosen Vernichtung der Deutschen noch in diesem Winter zu rechnen sei. Zu den zwei Hauptzentren der Bandenansammlung „Nasses Dreieck“ und Raum nördlich der Bahnlinie Luniniec–Ptitsch ist als drittes Aufmarschgebiet starker Banden der Raum zwischen Stolin–Sarny–Olewsk hinzugetreten. Während vor wenigen Tagen der Schwerpunkt im Gebiet Stolin und zwar in Nähe der Kreisstadt Stolin selbst lag, sind die Banden grösstenteils nach Zusammenziehung deutscher Kräfte in diesem Gebiet nach Süden ausgewichen. […] Wegen der erhöhten Bandentätigkeit im Südwestteil des Generalbezirks Tschernigow vor allem im Rayon Nowo-Bassan wurden die Ortschaften dieses Rayons systematisch überholt. Hierbei stellte sich heraus, dass es sich bei dem grössten Teil der Bewohner um Bandenhelfer handelt. Fast von jeder Familie war ein Angehöriger aktiver Bandit. Es wurden 2746 Personen festgenommen. Nach Zerschlagung der Kolpak-Bande2 und der anschliessend durchgeführten Befriedung des Nordwestteiles des Generalbezirks Shitomir wurde durch den Führungsstab für Bandenbekämpfung beim Höheren SS- und Polizeiführer ein Abschlussbericht über das Unternehmen herausgegeben, der im wesentlichen folgendes feststellt: „Unternehmen musste trotz zu schwacher und waffenmäßig unterlegener Kräfte durchgeführt werden, da weiteres Vordringen der Banden nach Süden und starke Bedrohung der Bahnlinien Pinsk–Gomel und Sarny–Korosten beendet werden musste. Ortschaften im Raum stark befestigt. Besetzte Bunker (Stalinlinie) mussten niedergekämpft werden. Lange Dauer der Unternehmung bedingt durch Wetterverhältnisse: schwerer Schneefall und Nebel, später Tauwetter. Restlose Vernichtung der Bande ist wegen zu schwacher Kräfte, Waffenunterlegenheit und Wetterverhältnisse nicht gelungen. Erreicht ist: Starke Schwächung der Banden, Ausweichen der Reste über die Bahn Pinsk–Gomel nach Norden. Bandengebiet um Salizowka und Toniez befriedet. Bunker der Stalinlinie, die laufend Stützpunkte der Banden waren, gesprengt. Nachrichtenzentrale der Banden für Westukraine in Rudnja-Nowaja ausgehoben. Aufgefangene Feindfunksprüche und Entlastung der Bahnstrecken bestätigen starke Schwächung der Banden in freigekämpftem Raum. Funkspruch der Banden meldet hohe Verluste.“ Ukrainische Widerstandsbewegung: Im Zuge der Maßnahmen gegen die Organisation Ukrainischer Nationalisten-Bandera-Gruppe hat die Staatspolizeileitstelle Berlin in letzter Zeit 136 Personen wegen illegaler Betätigung festgenommen. Weitere Festnahmen sind im Gange. Die Vernehmungen haben über die Organisation im Reichsmaßstabe wesentliche Angaben zutagegebracht. Als Spitzenfunktionäre sind festgestellt: 1. Beschibnik, Wasyl, Deckname Burkhut, geb. am 27. 2. 13 in Sokoniw; er war der oberste Führer der OUN- Bandera-Gruppe in Deutschland. Ihm unterstanden sämtliche Gebietsführer sowie ein Schulungs-, Kontroll-, Finanz- und Verbindungsreferent. 2. Pauk, Michael, Deckname Sahir; war Schulungsreferent. Er ist flüchtig und konnte bisher nicht festgenommen werden. 3. Korduba, Damian, Deckname Romko, geb. am 11. 4. 15 in Wistky; war Kontrollreferent. 4. Pernerowskyj, Nikolaus, Deckname Kowal, geb. am 4. 3. 12; war Finanzreferent. 5. Rumezak, Michael, Deckname Klim, geb. am 21. 4. 21; fungierte als Verbindungsreferent. Mit Ausnahme von Pauk sind sämtliche festgenommen worden. Ferner

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wurde die Berliner Frauenorganisation der Bandera-Gruppe aufgedeckt und folgende führende Personen festgenommen: 1. Wityk, Helene, Deckname Darka-Chmara, geb. am 8. 5. 21 in Mikalewitschi; sie gibt an, Führerin einer Frauengruppe in der Bandera-Bewegung gewesen zu sein. 2. Ukarma, Lydia, geb. am 1. 4. 20 in Bartademiza; sie war Unterrayonführerin und übte gleichzeitig das Amt einer Finanzreferentin aus. 3. Bilyk, Helene, geb. am 31. 8. 21 in Stryj; sie war Rayonführerin der unter 2. Genannten. Durch den BdS für die Ukraine in Kiew wurde eine rege illegale Flugblattpropaganda der OUN-Bandera-Gruppe festgestellt. Folgende Flugschriften sind erfasst worden: 1. „Für eine selbständige Ukraine“ („Die Nationalfeier des ukrainischen Volkes“, Blatt 3 und 4 d. Jahrganges 42); 2. „Ukrainisches Volk, Landsleute, Bauern, Intellektuelle“; 3. „Tod den deutschen Okkupanten! Freiheitsliebende Ukrainer!“ 4. „Tod den deutschen Besatzungstruppen! An alle Polizisten, Ältesten, Bürgermeister und an alle übrigen, die im Dienst der deutschen Besatzungstruppen stehen“. Unterzeichnet mit: Ausgabe der politischen Frontverwaltung; 5. „Für den ukrainischen Staat. Wer die ukrainische Staatlichkeit aufbaut und wer sie gefährdet“; 6. „Wir folgen dem grossen Propheten nach“ (Prolom, März 42/1); 7. „Ukraine, wie sie war, wie sie ist und wie sie sein wird“; 8. An die Zeitschrift „Jugend“: „Es siegt derjenige, der kämpft!“ 9. „Ukrainische Bauern!“ Unterzeichnet mit: Gebietsleitung der OUN in der Westukraine; 10. „Heil der Ukraine! Heil den Helden!“ (Das Banner der Jugend – wird von der Ukrainischen Nationalistischen Jugend der Ostukraine veröffentlicht, Nr. vom 1. 7. 42); 11. An die Zeitschrift „Jugend“: „Für die bewaffnete ukrainische Macht“; 12. „Ukrainer!“ Unterzeichnet mit: Ortsleitung der OUN in den ostukrainischen Ländern; 13. „Die Ukraine für Ukrainer. Für die selbständige Ukraine“, Juni 1942, Ausgabe: OUN im ostukrainischen Gebiet, Jg. 1, Nr. 3; 14. „Aufruf der Organisation Ukrainischer Nationalisten am 1. Jahrestag der Verkündung des selbständigen ukrainischen Staates in Lemberg am 30. 6. 42“. Unterzeichnet mit: Organisation der Ukrainischen Nationalisten; 15. „Freiheit den Völkern und Menschen!“ (Bulletin v. 4. 4. 42). Bei der Festnahme von weiteren 38 Personen aus den Intelligenzkreisen der OUN-Bandera-Gruppe durch den BdS in Kiew ergab sich u. a., dass die Organisation über erhebliche Geldmittel verfügt. Vertraulichen Meldungen zufolge ist in letzter Zeit eine starke Annäherung zwischen Bandera- und Melnik-Anhängern erfolgt. Als gemeinsames Ziel wird eine unabhängige Ukraine angestrebt. Im allgemeinen ist eine weitere starke Radikalisierung der OUN-Bewegung zu beobachten. B. Lebensgebiete Allgemeine Stimmung im Generalkommissariat Estland im Zusammenhang mit der militärischen Lage: Im Zusammenhang mit der gegenwärtigen militärischen Lage wird in estnischen Mittelstandskreisen vielfach die Frage diskutiert, wie man es erreichen könnte, dass die Deutschen Estland verlassen, ohne dass aber die Bolschewisten dabei nach Estland zurückkehrten. Mit dieser Fragestellung tauchen in diesen Kreisen Gerüchte auf, dass mit Hilfe von bei Murmansk und Archangelsk gelandeten anglo-amerikanischen Truppen die Besetzung des Landes vor sich gehen würde. Es sei geplant, mit diesen Truppen Finnland zu besetzen, so dass die Truppen dort sich plötzlich englischen und amerikanischen Truppen gegenübersähen. Nach Schliessung eines Separatfriedens würde dann Estland von Finnland aus besetzt werden. Man erhofft sich dadurch auch eine Behebung der derzeitigen wirtschaftlichen Notlage des estnischen Volkes. Diese Hoffnung ist umso mehr darin begründet, dass man zu wissen glaubt, dass angeblich bereits heute Hilfsaktionen, wie sie ähnlich nach dem Ersten Weltkrieg von Hoover ins Leben gerufen wur-

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den, eingeleitet würden. So ist es im kleinen Kreise englisch orientierter Personen angeblich mit Bestimmtheit bekannt, der ehemalige finnische Minister Paasikivi 3 sei nach Amerika gefahren, um mit Roosevelt Rücksprache zu halten. Garantiere nun Amerika die Selbständigkeit Finnlands, würde es sich bereit erklären, einen Separatfrieden mit Russland abzuschliessen, aus dem man sich auch entsprechende Folgerungen für Estland erhofft. In letzter Zeit tauchen, wie aus Reval, Hapsal und Pernau berichtet wird, in Intelligenzkreisen erneut Gerüchte über geplante Invasionsversuche alliierter Streitkräfte auf. Angeblich im März würden in Skandinavien grössere amerikanische und englische Truppeneinheiten landen und zwar in einer Stärke von ca. 1 1/2 Millionen Mann. Sie würden beabsichtigen, nach der Säuberung Norwegens von deutschen Truppen die Befreiung der baltischen Staaten vorzunehmen bezw. über Finnland längs der Murman-Bahn vorstossen. Finnland würde, so wird erklärt, da es ihm an einem guten Verhältnis zu Amerika liege, sich als von der Invasion nicht betroffen erklären. Im Zusammenhang damit wird erzählt, der USA-Gesandte in Finnland sei bereits mit wichtigen Vollmachten aus Washington zurückgekehrt. Auch der Führer habe sich aus Besorgnis wegen der z. Zt. von Finnland verfolgten Außenpolitik kürzlich dort aufgehalten. Meldungen aus neuester Zeit besagen, dass in der Stimmung der estnischen Bevölkerung ohne Zweifel eine leichte Stabilisierung eingetreten ist. Man spricht schon davon, dass die deutsche Heeresführung grössere Reserven herangeführt hätte. Es würde also bald gelingen, die Bolschewisten in ihrem Vordringen aufzuhalten. Im Kaukasus würden bereits erfolgreiche Gegenangriffe durchgeführt, aber auch Schlüsselburg sei von den Sowjets wieder geräumt worden, und Welikije-Luki wäre von deutschen Truppen eingeschlossen. Zum Endkampf in Stalingrad wird geäussert, es wäre den Bolschewisten unter allergrössten Verlusten gelungen, die deutschen Truppen zu überwältigen. Dort habe jeder deutsche Soldat sein Leben teuer verkauft. Freilich wird allerdings immer noch von Esten berichtet, die Anstalten träfen, aus dem Lande zu fliehen. Man packe Koffer, und reichere Leute würden sich schon heute Motorund Fischerboote chartern, die für eine rasche Abfahrt nach Finnland oder Schweden vorbereitet würden. In Reval ist in der Bevölkerung deutlich ein gewisser Umschwung in der Haltung gegenüber den Deutschen feststellbar. Stärker als in den letzten Monaten werde, nach den vorliegenden Berichten, der deutsche Soldat als Helfer und Beschützer empfunden. Dementsprechend lässt sich auch eine grössere Einsatz- und Hilfsbereitschaft in den verschiedensten Bevölkerungskreisen feststellen, die auch viele der üblichen Meckereien zum Schweigen gebracht hat. So wird z. B. angeführt, ein Bauer habe in der Bahn versichert, er sei bereit, sein letztes Hemd vom Leibe dem Landser zu geben, oder es wird erzählt, dass ein Zivilist, der deutsche Soldaten anpöbelte, von umstehenden Esten verprügelt worden wäre, falls er nicht freiwillig den Rückzug angetreten hätte. Von anderer Seite wird wiederum gemeldet, dass sich in der Öffentlichkeit bereits vielfach Stimmen gegen Gerüchtemacher wenden. Zusammengefasst kann gesagt werden, dass allgemein der Eindruck besteht, dass sich eine positivere Einstellung weiter Kreise der estnischen Bevölkerung ohne Zweifel anzubahnen scheint. Stimmungsmäßige Auswirkungen von Nachrichten über das Überlaufen von Esten bei Welikije-Luki: Bereits seit längerer Zeit waren in der estnischen Bevölkerung Gerüchte verbreitet, mehrere 1000 Esten, die seinerzeit von den Bolschewisten verschleppt und in Regimenter der Sowjets gepresst worden wären, seien bei Welikije-Luki übergelaufen. Dieses Gerücht hat sich, da es immer wieder neue Nahrung fand, ausserordentlich ver-

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stärkt und grösste Anteilnahme innerhalb der Bevölkerung hervorgerufen. Die stimmungmäßigen Auswirkungen waren ausserordentlich stark, da gleichzeitig damit verbreitet wurde, die betreffenden Esten wären bereits vor Weihnachten zu den Deutschen übergelaufen. Man beschäftigte sich insbesondere mit der Rückkehr der Überläufer nach Estland und behauptete, von deutscher Seite wäre die Meldung deshalb nicht weitergegeben worden, da man nicht beabsichtige, diese Überläufer zu entlassen. Es bestünde vielmehr von deutscher Seite der Plan, die seinerzeit von den Bolschewisten zum Heeresdienst gepressten Esten sofort zur Arbeit ins Altreich zu verschicken, ja in einigen Fällen wäre dies bereits erfolgt. Später wurde dann das Gerücht durch tatsächliche Nachrichten unterstrichen, wobei Zahlen bis zu 3000 Mann genannt wurden, die in der Gegend von Welikije-Luki und bei Toropez übergelaufen sind. Die Anteilnahme der Bevölkerung an dem Schicksal ihrer Volksgenossen war dementsprechend besonders gross. So wurde am 24. 1. 43 aus Reval ein Omnibus und ein Lkw mit einer beträchtlichen Menge von Lebensmitteln und Kleidungsstücken nach Polozk geschickt, um den dort untergebrachten Esten Hilfe zu bringen. Die Anteilnahme wird unterstrichen durch die grosse Menge an Spenden, die täglich in der Zwischenzeit noch eingelaufen sind. Insbesondere die landeseigene estnische Verwaltung wie vor allem auch die Bevölkerung Estlands hat erhebliches Interesse daran, eine möglichst baldige Rückkehr der übergelaufenen Esten, die z. Zt. noch sämtlich in Kriegsgefangenenlagern bei Polozk und Newel untergebracht sind, von der Wehrmacht freizuerhalten. In estnischen Kreisen wird verbreitet, die Wehrmacht und insbesondere die 3. Panzerarmee beabsichtige, aus diesen Männern im eigenen Verband Einheiten aufzustellen und ihre Rückkehr nach Estland vorläufig nicht zuzulassen. Besonders von deutschfreundlicher estnischer Seite wird auf die grosse propagandistische Wirkung hingewiesen, die durch die Berichte dieser Überläufer erzielt werden könnte. Voraussetzung sei allerdings ein möglichst rascher und reibungsloser Abtransport aus den Gefangenenlagern und die richtige Behandlung in der Heimat. Die Rückkehr dieser Esten würde sich auch auf die Mobilisierung weiterer Freiwilliger für die SS-Legion Estland durchaus positiv auswirken. […] Einstellung der estnischen Bevölkerung zur Verwaltungslage im Generalbezirk Estland: Den Meldungen zufolge konzentriert sich das Interesse weiter Kreise der estnischen Bevölkerung nach wie vor auf die Doppelspurigkeit der deutschen und der landeseigenen Verwaltung. Die Auffassung einheimischer Kreise, dass eine weitgehende, jedoch vermeidbare Parallelität der zweifachen Behördenapparate bestehe, hat sich bereits zu der Überzeugung verdichtet, dass in nächster Zeit mit einer Reform der landeseigenen Verwaltung zu rechnen sei, mit dem Ziele, unter weitgehender Ausschaltung doppelter und unnötiger Funktionen eine Vereinheitlichung zu erreichen. Hierbei wird gleichzeitig befürchtet, dass die leitenden Amtsstellungen den Deutschen zufallen würden, während die Esten sich mit den untergeordneten Positionen begnügen müssten. Auch sei mit der gänzlichen Auflösung verschiedener estnischer Behörden zu rechnen; ein Teil der freiwerdenden estnischen Beamten und Angestellten im Alter von 18–45 Jahren würde gewiss ausserhalb der Grenzen Estlands zum Einsatz gelangen. In diesem Zusammenhang wird von einheimischen Verwaltungskreisen immer wieder die Frage aufgeworfen, aus welchen Gründen die Institution der Gebietskommissare noch beibehalten werde. Die verwaltungsmäßige Praxis habe doch schon längst bewiesen, dass der schon zur estnischen Zeit gut funktionierende Verwaltungsapparat eher geeignet sei, den gesteigerten Anforderungen einer kriegsmäßigen Verwaltung und der Kriegswirtschaft zu genügen. Die deutschen

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Stellen seien in Unkenntnis der Verhältnisse des estnischen Raumes doch immer wieder auf die praktische Unterstützung der einheimischen Verwaltung angewiesen. Eine Zusammenarbeit zwischen Gebietskommissar und landeseigener Verwaltung sei in der Regel von der Person des Gebietskommissars abhängig. Da klare Bestimmungen über die Zuständigkeitsbegrenzung anscheinend nicht vorhanden seien, bleibe es dem Gebietskommissar überlassen, ob er sich selbst mit der praktischen Verwaltungsarbeit befassen oder sich nur auf eine Verwaltungsführung beschränken wolle. So sei es nicht verwunderlich, dass Doppelarbeit und einander widersprechende Anordnungen namentlich auf wirtschaftlichem Gebiet verzeichnet werden müssten. Von der landeseigenen Verwaltung werden den Meldungen zufolge hierfür u. a. folgende Beispiele genannt: Die Verantwortung für die rechtzeitige Ablieferung der vorgeschriebenen Normen sowie für alle anderen wirtschaftlichen Aufgaben laste auf den Schultern der Kreisverwaltung; die Ausgabe von landwirtschaftlichen Geräten, Reparaturmaterialien und Maschinenöl sei dagegen den deutschen Kreislandwirten übertragen. Im Kreise Wierland z. B. werde Maschinenöl und Petroleum zum Erntedrusch gleichzeitig vom Gebietskommissar und von der Kreisverwaltung verteilt. Viele Bauern, die keinen Anspruch auf Zuteilung von Maschinenöl besässen, hätten dennoch vom Gebietskommissar Benzin erhalten. Statistisches Material werde von der Kreisverwaltung gesammelt und verarbeitet und dem Kreislandwirt übersandt. Dasselbe Material gehe von der Kreisverwaltung über die landeseigene Zentralverwaltung in Reval dem Generalkommissar zu. Auch verlange der Kreislandwirt laufend eine Übersicht über die Erfüllung der Normenpflicht, um sie an das Generalkommissariat weiterzuleiten. Dasselbe Material gehe aber auch über die Marktregelungsverwaltung dem Generalkommissariat zu. BAB, R 58/223 1

Vgl. Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 900, 905. Sydir Kovpak (1887–1967), sowjetischer Partisanenführer. Anders als in dem Bericht behauptet, war Kolpaks Partisaneneinheit keineswegs zerschlagen, sondern lediglich vor den Deutschen ausgewichen. Kurze Zeit später mußten auch Sicherheitspolizei u. SD diesen Sachverhalt anerkennen; vgl. MbO 43. 3 Juho Kusti Paasikivi, finnischer Ministerpräsident 1918 u. 1944–1946, Staatspräsident 1946–1956. 2

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 19. II.1943 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 42 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandentätigkeit im Bereich des Kommandeurs dSPudSD f.d. Generalbezirk Litauen: Aus dem östlichen Teil des Kreises Pabrade und dem nördlichen Gebiet des Kreises Swir liegen über das Auftreten grösserer Banditengruppen folgende Meldungen vor: Am 3. 2. 1943 gegen 23 Uhr erschienen etwa 150 bewaffnete Banditen mit 30 Schlitten in dem Dorfe Orgirdenai und verlangten Lebensmittel, Pferdefutter und Unterkunft. In dem Dorfe hielten sie sich mehrere Stunden auf, stellten verstärkte Wachen aus und verboten, den Bauern ihre Häuser zu verlassen. In den frühen Morgenstunden entfernten sich die Banditen in Richtung Kemeliskis. Die Banditen wurden von den Einwohnern für junge

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Rotarmisten gehalten. Sie waren mit Handgranaten, Gewehren und Maschinengewehren russischer und finnischer Herkunft bewaffnet. Unter den Banditen befanden sich vier Frauen in Männerkleidung. Am 3. 2. 1943 gegen 18 Uhr drangen 120 schwerbewaffnete Banditen, unter denen sich sieben Frauen befanden, in Damuciai ein, forderten Lebensmittel und verlangten vom Dorfältesten die Entfernung der Eisenbahnbrückenwache. Die Banditen zogen sich ebenfalls in Richtung Kemeliskis zurück. In den Abendstunden des 4. 2. 1943 kam es in dem Waldgebiet 10 km südlich des Bahnhofs Zulovo zu einem Feuergefecht zwischen dem litauischen Selbstschutzkommando, das aus etwa 50 Männern bestand, und einer etwa 120 bis 150 Mann starken Banditengruppe. Das Selbstschutzkommando wurde umzingelt, konnte jedoch später durch Polizeikräfte befreit werden. Am 7. 2. 1943 wurde im litauisch-weissruthenischen Grenzgebiet eine Pol-Streife, die in dem betreffenden Gebiet Arbeitskräfte sicherstellen wollte, von Banditen überfallen. Im Laufe des Feuergefechts wurden 6 litauische Polizisten und zwei Bauern, die die Polizisten auf Schlitten beförderten, erschossen. Zwei Banditen wurden getötet und einer verletzt. Der Rest der Banditengruppe flüchtete auf weissruthenisches Gebiet. Am 9. 2. 1943 sind deutsche Polizeikräfte und ein litauisches Selbstschutzkommando zur Bekämpfung einer grösseren Banditengruppe auf weissruthenisches Gebiet vorgegangen. Im Dorfe Ceremcicia kam es zu einem Zusammenstoss mit einer Banditengruppe von etwa 200 Personen. Es entwickelte sich ein Feuergefecht, das sich von 12 bis 16 Uhr hinzog. Die Banditen flohen schliesslich aus dem Dorf in die umliegenden Wälder und beschossen aus sicheren Stellungen mit heftigem Feuer die im Dorf zurückgebliebenen Sicherungskräfte. Bei ihrer Flucht liessen die Banditen im Dorf ein Rundfunksendegerät, Sprengstoff, Munition, eine sowjetische Fahne und andere Ausrüstungsgegenstände zurück, die sichergestellt wurden. Da die Banditen ihre Toten und Verwundeten bei ihrer Flucht mit sich genommen haben, konnten die Verluste der Banditen nicht genau festgestellt werden. Es wird angenommen, daß 10 bis 15 Banditen erschossen worden sind. Auf Seiten der Polizei wurde ein Gendarmeriebeamter erschossen und einer verwundet. Das litauische Selbstschutzkommando hatte die gleichen Verluste. Das sichergestellte Material ist nach Swir gebracht worden, wo es gesichtet wird. Auf Grund von Vernehmungsergebnissen wurde am 11. 2. 1943 eine weitere Aktion mit 20 Angehörigen der Sicherheitspolizei im Gebiet von Schelany durchgeführt. Dabei wurde ein in der Nähe des Dorfes Kapliczniki in einer Talsenke gelegener Bunker ausgeräumt und die Besatzung in Stärke von drei Männern und zwei Frauen festgenommen. Die Banditen konnten infolge des schlagartigen Überfalls keinen Gebrauch von ihren Waffen machen. An Waffen und Ausrüstungsgegenständen wurden sichergestellt: Eine russische MPi mit gefüllter Trommel, zwei automatische und ein Infanteriegewehr mit Munition, eine Pistole Kaliber 6,35, zwei Marschkompasse und ein Fernglas. Ausserdem wurden in dem Bunker noch grössere Mengen geraubter Kleidungsstücke und Werkzeuge gefunden. Bei den festgenommenen Banditen handelt es sich um verbrecherische Elemente, die durch zahlreiche Raubzüge das Gebiet dauernd beunruhigt hatten. Ein in der Nähe des Bunkers wohnender Pole und seine Ehefrau, die die Banditen laufend unterstützt und das Diebesgut veräussert hatten, wurden an Ort und Stelle erschossen. Im Laufe der Aktion wurden der Bunker und das Gehöft des Polen durch Feuer vernichtet. Bandenlage im Bereich der Einsatzgruppe B: Nach Aussagen gefangener Banditen befindet sich in Meshno – 10 km südl. Polozk – ein Bandenstab mit einer Schutzabteilung von 300 Banditen. In einem Waldlager – 2 km nordwestl. von Dechnary – befindet sich eine Bande in Stärke von 38 Mann. Sie steht unter Führung des ehemaligen sowjetischen Ma-

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jors Alexejew. Ihre Bewaffnung besteht aus 8 lMG und automatischen Gewehren. Eine weitere Bande befindet sich in einem Waldlager 2 km nordwestlich Selenij–Gorodok. Sie steht unter Führung des Politruk Pawlowski und ist mit 7 lMG und autom. Gewehren bewaffnet. Eine 300 Mann starke Bande unter Führung des Polit. Kommissars Tischkanow befindet sich zwischen den Dörfern Sekalisch und Sewoschina. In Stanowo – westl. der Düna bei Kurino – befindet sich ein Bandenflugplatz. Es landen dort alle 8–10 Tage 2– 6 Flugzeuge und bringen Munition. Auf dem Rückfluge werden Verwundete zurückgebracht. Die Landung wird durch Funk bekanntgegeben. Der Landeplatz wird mit 4 Lampen gekennzeichnet. In der Nähe dieses Flugplatzes befindet sich die Bandenbrigade Alexejew. In dem 500 m südl. der Ortschaft Robst (25 km nördl. von Borissow) auf einer Anhöhe gelegenen Friedhof haben die Banden einen Stützpunkt eingerichtet, der mit einer Pak und 3 sMG ausgerüstet ist. Die Zufahrtsstrassen sind durch Baumhindernisse gesperrt. Die bis jetzt von den Banden verschont gebliebene Rollbahn Borissow– Minsk wird in letzter Zeit durch Banden unsicher gemacht. Die Angriffe wurden unweit Borissow durchgeführt. Nach neueren Meldungen ziehen Bandenkräfte unter Führung eines sowjetischen Generalmajors nach Westen, wo ein Grossangriff auf Borissow vorbereitet werden soll. Der Stab sämtlicher Banden der Gegend des Pelik-Sees soll sich noch in Postreshoe – 14 km nördl. des Pelik-Sees – befinden. Neue Lager wurden festgestellt zwischen dem Krassnoje- und [unleserlich]-See. Im Walde westlich von Schebelewitsche soll ein weiteres neues Lager mit etwa 300 Mann errichtet worden sein. Diese Bande soll ausser 6 Granatwerfern zahlreiche MGs und MPis zur Verfügung haben. Nach Angaben eines Banditen befindet sich seit einigen Tagen in Glipotschka – 8 km nördlich Uschatschi – eine 300 Mann starke Bande unter Führung eines gewissen Menikow. Die Bande ist mit MGs und MPis bewaffnet. In der Nacht zum 16. 1. 1943 haben Banden die Ortschaft Werebki – 8 km südlich Lepel – geplündert. Bandentätigkeit im Bereich des Befehlshabers dSPudSD Ukraine: Zu dem in den „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ Nr. 41 bereits erwähnten Bandenüberfall auf das Gefängnis in Pinsk wird ergänzend berichtet: Der Überfall erfolgte auf das Justizgefängnis und bezweckte die Befreiung von Funktionären der polnischen Widerstandsbewegung unter Führung von Przysieki. Vor Ausführung des Überfalles wurde die Telefonverbindung Pinsk–Brest-Litowsk unterbrochen. P. trug die Uniform eines SS-Scharführers mit SD-Raute und fuhr mit dem Pkw Pol.–17346 am Gefängnis vor und verlangte Einlass. Der ukrainische Wächter wurde von den ihm folgenden 2 Zivilisten erschossen. Gemeinsam mit weiteren Bandenangehörigen, die sich schon in der Nähe des Gefängnisses aufgehalten hatten, drang P. darauf mittels Strickleiter über einen Wachturm in den inneren Gefängnishof, in dem dann noch 2 Wächter erschossen wurden. Hierauf erfolgte die Befreiung der Komplizen; die Befreiung der Maria Snopek, die mit zur Widerstandsbewegung gehört und unter allen Umständen mitbefreit werden sollte, gelang mangels Zeit nicht mehr. Die beiden hinzukommenden reichsdeutschen Justizwachtmeister wurden von den sich zurückziehenden Banditen erschossen. Diese Vorgänge wurden von einer Anzahl weiterer Häftlinge dazu benutzt, ebenfalls zu fliehen. Bis auf 4 konnten dieselben inzwischen wieder gefaßt werden. Der Pkw wurde auf der Straße Pinsk–Brest-Litowsk quer über die Straße gestellt und verbrannt. Die Straße selbst war an mehreren Stellen mit Nägeln übersät; hierdurch sowie durch Anbringung mehrerer Autofallen sollten die Verfolger aufgehalten werden. Fallschirmspringer, Sabotage: In Perwonaika, Kommandeurbereich Stalino, konnte eine Sabotageorganisation aufgedeckt werden, die unter Leitung eines bolschewistischen Fall-

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schirmspringers stand. In dem sich entwickelnden Feuergefecht wurde der Anführer der Bande erschossen. Bisher konnten 13 Mitglieder der Organisation festgenommen und 30 kg Sprengstoff sichergestellt werden. In der Umgegend von Artemowsk wurden 15 Fallschirmspringer in Schneehemden gestellt, von denen 2 im Feuergefecht getötet wurden. Die übrigen konnten entkommen. In Kriwoj-Rog, Kommandeurbereich Dnjepropetrowsk, wurden seit einiger Zeit des öfteren Sabotagehandlungen an schweren Feldkabeln verübt. Als Täter konnten nunmehr 10 ehemalige kommunistische Funktionäre verhaftet werden. Bei einem sowjetischen Eisenbahnarbeiter in Blusha, Rayon MarinaGorka, wurde eine Mine sichergestellt, die dieser von sowjetischen Banditen mit dem Auftrage erhalten hatte, sie an einem in Richtung Front fahrenden Eisenbahnbenzintankwagen anzubringen und zu entsichern. Bei der Magnetmine handelt es sich um bekanntes britisches Sabotagematerial. In Kremno, Kommandeurbereich Shitomir, wurden 15 Personen einer Sabotagegruppe festgenommen, die insgesamt 7 Eisenbahnattentate zur Durchführung gebracht hatten. Unter den Festgenommenen befinden sich ein Lehrer, ein Bürgermeister und ein Dorfsowjet. In Nikolajew wurden in der Südwerft eine Anzahl Bremsschläuche von Eisenbahnwagen abgeschnitten. 7 polnische Terroristen, die als ziviler Bahnschutz auf der Strecke Kowel–Sarny eingesetzt waren und laufend Eisenbahnanschläge verübt hatten, wurden in Davidgrodek, Kommandeurbereich Rowno, festgenommen. Waffen und Sprengstoff konnten sichergestellt werden. Auf der Eisenbahnstrecke Kertsch–Kolay, Kommandeurbereich Simferopol, wurde von unbekannten Tätern eine Sprengladung, bestehend aus 40 Paketen Dynamit zu je 500 gr angebracht. Infolge rechtzeitiger Entdeckung ist Personen- und Sachschaden nicht entstanden. In der Flachsfabrik Moischuk wurde beim Einschalten einer Maschine bemerkt, daß sich in ihr ein Stück Eisen befand. Durch sofortiges Abstellen der Maschine konnte grösserer Schaden verhütet werden. Auf der Strecke Walk–Pleskau in der Nähe der Station Piusa waren an mehreren Stellen die Laschen von den Eisenbahnschienen gelöst worden. Da der Sabotageanschlag rechtzeitig entdeckt wurde, entstand keinerlei Schaden. Auf dem Bahnhof Gerro wurden an 5 Güterwagen die Bremsschläuche abgeschnitten und gestohlen. In der Umgegnd von Siwerskaja brannten mehrere Gebäude nieder; als Ursache kommt Brandstiftung in Frage. So wurde auf dem Flugplatz von Siwerskaja eine modern eingerichtete Kraftfahrzeughalle durch Brand vernichtet. Drei Pkw und ein Lkw fielen dem Feuer zum Opfer. In Wyriza brannte ein Gebäude nieder, in dem bis vor kurzem die Ortskommandantur untergebracht war. In Narwa und Pawlowsk wurde Küchenbetrieben der Wehrmacht von Landeseinwohnern ein angebliches Essigpulver zum Kauf angeboten, bei dem es sich in Wirklichkeit um Bariumazetat handelte, das absichtlich zu Vergiftungszwecken hergestellt war. Als Verbreiter des Giftes wurden die sowjetischen Staatsangehörigen Wassily Jerschow und Maria Galkina ermittelt und festgenommen. B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung in der Bevölkerung im Generalkommissariat Estland: In der Berichtszeit ist ein weiteres Absinken der Stimmung der Bevölkerung auf ein seit dem Sommer 1941 nicht erreichtes Tief festzustellen. Unabhängig von leichten Stimmungsbesserungen, wie sie z. B. dank den von Dr. Mäe in seiner Rede vom 16. 1. angekündigten Maßnahmen zur Lösung des Versorgungsproblems oder durch zuversichtlichere Wendungen des sorgsam beobachteten Wehrmachtsberichts (besonders in bezug auf die Kämpfe um Welikije-Luki) hervorgerufen worden sind, versinken die weitesten Bevölkerungskreise in eine ausgesprochen abwartende Haltung. Die Behinderung der amtlichen Propaganda durch vorzeitigen Sendeschluss des Landessenders, Papiermangel auf dem Ge-

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biet der Presse und sonstiger Mittel der Aktivpropaganda wie Flugblätter, Plakate usw. leisten dem Abhören von Feindsendern und missgünstigen neutralen Sendern weitgehend Vorschub. An einem Sieg Deutschlands über die Sowjetunion wird offensichtlich zwar noch nicht allgemein gezweifelt – wenn auch zeitweilige Frontverschiebungen bis nach Estland hinein befürchtet werden –, man beginnt aber immer mehr und mehr die alliierten Mächte als die Endsieger des Krieges überhaupt anzusehen. An diese Kombinationen knüpfen sich Betrachtungen, die auf die Entwicklung des Jahres 1918 zurückgreifen und auf eine Restaurierung der estnischen Selbständigkeit mit englisch-amerikanischer Hilfe hoffen. Damit verbindet sich eine weitgehende innerliche Distanzierung von der deutschestnischen Zusammenarbeit, die namentlich in Intelligenzkreisen bereits als belastend für den Fall angeblicher Eventualitäten angesehen wird. In den breiten Massen machen sich Nervosität und, daraus entspringend, Kritik und Nörgelei in weitgehendem Umfange bemerkbar. Unter dem Eindruck der ungeschminkten Darstellung der Lage, wie sie in den Reden des Reichsmarschalls Hermann Göring und des Reichsministers Dr. Goebbels sowie in der von ihm verlesenen Führerproklamation zutage trat, ist gegen Ende Januar 1943 eine gewisse Festigung der Stimmung festzustellen. Trotzdem sind aber die breiten Massen nach wie vor jeglichen Gerüchten zugänglich. Besonders viel wird über eine angeblich geplante Mobilisierung der wehrfähigen estnischen Jahrgänge gesprochen. In diesem und ähnlichem Zusammenhange wird geäussert, die Deutschen hätten ihre Misserfolge in Russland ihrer mangelnden Fähigkeit, die befreiten Völker innerlich und damit ihre Kräfte rechtzeitig für sich zu gewinnen, zu verdanken. Andererseits ist wieder ein Anwachsen der Sympathien deutschen Wehrmachtsangehörigen gegenüber festzustellen, wohl aus einem gewissen Anlehnungsbedürfnis heraus, das auf die Gerüchte zurückgeht, die sich mit einem angeblichen taktischen Rückzug der Deutschen aus Estland befassen. Wie stark zur Zeit mit einem solchen gerechnet wird, zeigt die Aufmerksamkeit, mit welcher jegliches angebliche Anzeichen dafür beobachtet und besprochen wird. So wird z. B. eine Reise der Gattin des Adjutanten des Generalkommissars in das Reich in der Intelligenz als Vorbote einer durch die kritische Situation bedingten Evakuierung der deutschen Familienangehörigen erörtert. Zu der Frage der Mobilisation der wehrfähigen Esten werden nunmehr Stimmen laut, die eine Mobilisation insoweit begrüssen, als sie der Entschlusslosigkeit des Einzelnen, sich freiwillig zum Kampf gegen den Bolschewismus zu melden, entgegenkäme; andererseits wären die Angehörigen der Mobilisierten durch die Möglichkeit zur Berufung auf deutschen Zwang gedeckt, falls der Bolschewismus in das Land einbräche. Mit gefühlsmäßig sehr starker Anteilnahme wurden zu Beginn der Berichtszeit Nachrichten von der Front bei Welikije-Luki und Polozk aufgenommen, die sich um das Schicksal der dort während der Kämpfe auf die deutsche Seite übergelaufenen etwa 800 (entgegen den 1. Gerüchten, die von mehreren Tausend sprachen) Esten drehten. Es handelt sich um Teile der von den Bolschewisten an diesem Abschnitt eingesetzten zwei Divisionen mobilisierter Esten. Obwohl das Interesse der Massen zur Zeit von der Entwicklung des weiteren Schicksals der Übergelaufenen durch die Ereignisse an der Südfront abgelenkt ist, so dürfte jegliche Verzögerung des Rücktransports der Überläufer in ihre Heimat stimmungsmäßig ungünstige Folgen haben und als ein weiteres Zeichen des mangelnden Verständnisses deutscher Stellen als berechtigt empfundenen estnischen Wünschen gegenüber gewertet werden. Esten im Generalkommissariat Estland: Bei der in der Berichtszeit festgestellten ausserordentlich starken Beeinflussung der Stimmung der Bevölkerung durch Feindpropaganda und Rückschläge an den Fronten hat sich nicht zuletzt die völlig bürgerliche, nur auf das

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eigene Ich bedachte Haltung der estnischen Führungs- und Intelligenzschicht ausgewirkt. Es zeigt sich in diesen Kreisen, namentlich dort, wo die führende Stellung im privaten oder gesellschaftlichen Sektor wurzelt, zur Zeit eine ausgesprochene Furcht davor, sich durch allzu aktives Einsetzen in der deutsch-estnischen Zusammenarbeit zu exponieren, umsomehr, als von Autoritäten der einstigen republikanischen Führungsschicht, namentlich älteren Offizieren, die es vorgezogen haben, ihrer Tätigkeit auf einem Posten im Hinterlande nachzugehen, ein spürbarer gesellschaftlicher Terror gegen solche Esten ausgeht, die eine eindeutig positive Haltung zur deutsch-estnischen Zusammenarbeit einnehmen. Dieser Terror wurzelt in einem vorgetäuschten Nationalismus, der als das Gebot der Stunde die Wahrung angeblicher estnischer Interessen hinstellt. Die erste Forderung in dieser Hinsicht sei es, alle verfügbaren Kräfte dem Lande zu erhalten für den Fall, dass die Zukunft eine Entwicklung ohne Deutschland bringen sollte. Die Parole, dem Lande durch freiwilligen Einsatz ausserhalb Estlands keine Kräfte zu entziehen, kursiert auch in gewissen Kreisen der estnischen Verwaltung. Seitens junger Freiwilliger, u. a. auch estnischer Legionsoffiziere, wird beanstandet, dass innerhalb der estnischen Intelligenz der Soldat bei weitem nicht das Ansehen geniesse, wie z. B. der deutsche Wehrmachtsangehörige es in seiner Heimat für sich verzeichnen könne. Der kriegsfreiwillige Este werde von seinen Volksgenossen aus der Intelligenzschicht mehr als eine Art von Landsknecht behandelt, der im Grunde nur zeitweilig eine andere Kleidung als die „normale“ Zivilkleidung trage. In den einfachen Volksschichten ist die Einstellung zum kriegsfreiwilligen Angehörigen, Freunde oder Bekannten eine wesentlich positivere, wenn sich auch hier die von den Intelligenzkreisen ausgehende und durch die Feindpropaganda genährte negative Beeinflussung bemerkbar macht. In der Ungewissheit der heutigen Situation können innerhalb des estnischen Volkes zur Zeit folgende Gruppen umrissen werden: 1) Sehr verbreitet ist zur Zeit das Streben nach einer Wiedererlangung der staatlichen Selbständigkeit nach dem Kriege, wobei a) die Angehörigen der ehemaligen Führungsschicht um Päts eine restlose Restauration des Freistaates zu Ende der dreissiger Jahre ersehnen, b) die ehemaligen Freiheitskämpfer loyal zu einer deutsch-estnischen Zusammenarbeit stehen (allerdings in einem eigenen autoritären Freistaat mit einer deutschfreundlichen Aussenpolitik), c) die ehemalige Sozialdemokratie den Freistaat in der Form, wie er vor der Ära Päts bestand, wieder hergestellt sehen will. In diesem Kreise finden sich die meisten Gruppen mit anglophilen und fennophilen Tendenzen. Hier besteht auch die stärkste Neigung dazu, angeregt durch den Finnlandsender, Kombinationen über das angebliche Eintreten der USA für die Rechte der kleinen Völker Glauben zu schenken und eine Gegenpropaganda in diesem Sinne weiter zu tragen. 2) Im Gegensatz zu den genannten Gruppen, die mehr oder weniger stark in den breiteren Massen Wurzel geschlagen haben, ist die zweite Gruppierung zahlenmäßig beschränkt. Zu ihr gehören Angehörige der örtlichen Kommunisten und sonstige probolschewistisch eingestellte Personen. Durch die Erfolge der Bolschewisten an der Ostfront ist hier eine gewisse Aktivität zu verzeichnen, die besonders in Rachegelüsten für den Fall einer Rückkehr der Sowjets ihren Ausdruck findet. […] Die Entwicklung des Gesundheitswesens in den ersten Wintermonaten im Bereiche der Heeresgruppe Mitte (Berichtsschluss 15. 1. 1943): Der im Lagebericht Nr. 35 vom 23. 12. 1942 gegebene Übersichtsbericht über die Entwicklung der Gesundheitslage während des Sommers enthielt die Feststellung, dass die Gesundheitslage unbedenklich und der Gesundheitszustand der Zivilbevölkerung unter Berücksichtigung der angespannten

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Ernährungslage und der stark begrenzten Möglichkeiten auf dem Gebiete sanitärer Hilfsmittel und Einrichtungen im allgemeinen zufriedenstellend ist. Nach den vorliegenden Meldungen hat sich dieses Bild auch in den ersten Wintermonaten nicht wesentlich verändert. Der rasche Wechsel zwischen Sommer und Winter mit einer nur wenige Tage währenden Schlammperiode hat die in dieser Jahreszeit üblichen Erkältungskrankheiten wenig begünstigt. Die Ernährungslage, die nach der Ernte eine leichte Entspannung erfahren hat und die unter Einführung von Lebensmittelkarten im Heeresgebiet Mitte für jeden Einwohner mit einer zwar immer noch knappen, aber wenigstens regelmäßigen Nahrungsmittelzuteilung gesichert werden konnte, hat zu einer Hebung der Widerstandskraft gegen Krankheiten beigetragen. Nur bei den Flüchtlingen und in den frontnahen Gebieten ist die Versorgung auch heute noch so schlecht, dass jede Erkrankung infolge der allgemeinen Entkräftung einen prozentual hohen tödlichen Verlauf nimmt und dass reine Hungererkrankungen und -todesfälle noch ständig zunehmen. So meldet z. B. Rshew, dass täglich durchschnittlich 10 Personen den Hungertod sterben. Mogilew berichtet bei den Flüchtlingen über typische Unterernährungserscheinungen, die besonders bei den Kindern zu rachitischen Erkrankungen, Blutarmut und Tuberkulose führen. Wie alljährlich hat die kalte Jahreszeit ein Anwachsen der Infektionskrankheiten mit sich gebracht, hauptsächlich bedingt durch das im Winter noch engere Beisammenwohnen und durch den Mangel an Reinigungsmitteln und -möglichkeiten. An erster Stelle steht bei den Infektionskrankheiten das Fleckfieber, das in verschiedenen Orten und Gebieten ganz bedrohlich zugenommen hat. So wurden aus Orel für die Zeit vom 7. 10. bis 12. 11. 1942 225 Fleckfiebererkrankungen gemeldet. Im Landbezirk Maslowo hat die Krankheit derart um sich gegriffen, dass der ganze Bezirk unter Quarantäne gestellt werden musste. Ein Ansteigen der Fleckfiebererkrankungen wird auch aus allen übrigen Bezirken gemeldet; dabei ist die Feststellung allgemein, dass das epidemische Anwachsen in früheren Jahren später aufgetreten und das Erscheinungsbild der Krankheit milder gewesen ist. Von deutscher und russischer Seite wurden zur Bekämpfung und Eindämmung des Fleckfiebers verschiedene Maßnahmen und Vorkehrungen getroffen. So hat beispielsweise die Gesundheitsabteilung des Rayons Orel 221 Wohnungen desinfiziert, über 47 Personen Quarantäne verhängt und 77 Wohnungen unter ärztliche Kontrolle gestellt. In Karatschew wurde die Zivilbevölkerung angewiesen, sich bei den geringsten Krankheitserscheinungen wie Fieber, Kopfschmerzen und ähnlichem bei dem zuständigen Arzt oder Feldscher sofort zu melden. Im Nichtbeachtungsfall werden die Haushaltungsvorstände bestraft. Die Zivilärzte wurden verantwortlich gemacht, dass die Fleckfiebererkrankten oder -verdächtigen sofort in Seuchenkrankenhäuser oder auf dem Lande in behelfsmäßigen Absonderungsstationen untergebracht werden. Als vorbeugende Maßnahme wurde ebenfalls in Karatschew befohlen, dass sich die Bevölkerung alle Monate entlausen lassen muss. Ohne Entlausungsschein werden ab 1. 1. 1943 keine Lebensmittelkarten ausgegeben. Eine weitere Ausdehnung hat von den Infektionskrankheiten, besonders in ländlichen Bezirken, die Diphterie erfahren. Der Prozentsatz der Fälle mit tödlichem Ausgang ist sehr hoch. Auch hier wurden Gegenmaßnahmen in Form von Vorbeugungsimpfungen und einer ärztlichen Überholung der Wohnungen getroffen. Bauchtyphus, Dysenterie, Scharlach hätten sich im bisherigen Rahmen gehalten (Smolensk, Roslawl, Orel). Unter den Hautkrankheiten weist die Krätze den zahlenmäßig stärksten Anteil auf. Ihre Weiterverbreitung wird durch den anhaltenden Seifenmangel stark gefördert. In und um Dorogobusch wurden annähernd 1300 mit Krätze behaftete Personen festgestellt; oftmals ist

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die ganze Familie damit behaftet. Grosse Schwierigkeiten bereitet die Bekämpfung der Krätze, da entsprechende Heilmittel kaum vorhanden sind. Auch bei deutschen Lazaretten sind die Bestände an Krätzesalbe gering, so dass für die Zivilbevölkerung nur kleinste Mengen freigemacht worden können (Mogilew, Sytschewka, Orel). Die starke Verbreitung der vorgenannten Krankheiten ist nicht zuletzt auch auf die mangelnde Sauberkeit der Städte und Ortschaften und das Fehlen sanitärer Einrichtungen zurückzuführen. Als Hauptmängel sind dabei anzuführen: 1) Das Fehlen der Kanalisations- und Wasseranlagen in den meisten Städten, 2) die ungenügende Säuberung der Städte infolge Fahrzeugmangels für die Abfuhr, 3) das Fehlen von Badeanstalten bzw. der äusserst schlechte Zustand der vorhandenen Badeanlagen und Friseurstuben, 4) der schlechte Zustand der Schuttabladeplätze, 5) die grösstenteils stark verschmutzten Wohnungen. Ein anschauliches Bild über den hygienischen Zustand einer russischen Stadt gibt in dieser Hinsicht ein Bericht von russischer ärztlicher Seite aus Mogilew, der in vielen Punkten auch auf alle übrigen Städte und Orte im Heeresgebiet Mitte verallgemeinert werden kann. Es heisst darin u. a.: „Der sanitäre Zustand der Stadt Mogilew ist unbefriedigend und zwangsläufig tritt die Frage auf: Haben wir einen Stadtsanitätsarzt oder nicht? Wenn wir denselben haben, warum sieht man ihn nie und warum ist seine Tätigkeit unbemerkbar? Warum wird der sanitäre Zustand der Strassen, der Höfe und des Marktes nicht beobachtet? Obgleich die deutsche Wehrmacht verboten hat, auf dem Markt Milchprodukte ohne vorherige Überprüfung zu verkaufen, werden die Nahrungsmittel vom Sanitätsarzt nicht überprüft. Dieser hat den Befehl der deutschen Wehrmacht am Markt zwar zum Aushang gebracht, dies ist aber die einzige Maßnahme, die er in dieser Hinsicht getroffen hat. Die Milch, Butter, Sahne usw. werden wie früher ohne Überprüfung in schmutzigen Gefäßen oder mit verschiedenen Zusätzen versehen zum Verkauf gebracht. So ist z. B. die ‚Sahne‘, die von den Bauern für 25 bis 30 Rubel je Glas verkauft wird, keine Sahne, sondern mit verriebenem Quark vermischte Milch. Die arme Hausfrau, die für ihre Kinder fetthaltige Produkte kaufen will (um Butter zu kaufen, reicht das Geld nicht, da 400 gr Butter 300 Rubel kosten), bezahlt so 30 Rubel für eine abscheuliche Mischung, die ihr von den Bauern als Sahne verkauft wird und die gewiß kein einziges Prozent Fett enthält. Die Milch kostet 40 Rubel je Liter und ist meist mit Magermilch oder mit Wasser verdünnt … Interessant wäre es auch zu wissen, ob der Sanitätsarzt die Fabrikation der sogenannten ‚Zuckermännchen‘, die auf dem Markt von schmutzigen Chinesen verkauft werden, kontrolliert … Das Lokal auf dem Markt, wo verschiedene Speisen, Speck, Kuchen und in der Hauptsache der Russenschnaps ‚Samagon‘ verkauft wird (der Schnaps wird heimlich zu 350 Rubel pro Liter abgesetzt), ist unbeschreiblich schmutzig. Dies gilt für das Geschirr, für die Tische und die Speisen selbst … Die Seife, die in Mogilew selbst hergestellt und in grossen Mengen auf den Markt gebracht wird (der Preis beträgt 150 bis 180 Rubel je Stück), stinkt so, dass man sich nicht wundern muss, wenn die Bevölkerung, die diese Seife benutzt, von Hautkrankheiten befallen wird … Einige Strassen von Mogilew sind in grosser Unordnung. Alle Abfälle und das Spülwasser werden von den Einwohnern einfach auf die Strasse geschüttet. Ich möchte noch eine Frage an den Sanitätsarzt stellen: Wie oft und auf welche Weise werden die Badehäuser der Stadt desinfiziert? Die Aborte, die sich auf jedem Hof befinden, werden niemals desinfiziert und befinden sich in einem unbeschreiblich schlechten hygienischen Zustand.“ Wenn auch manche sanitäre Maßnahme wegen kriegsbedingter technischer Schwierigkeiten unterbleibt, z. B. Fehlen der Gespanne zur Müllabfuhr oder wie in Bobruisk Fehlen von Desinfektionsmitteln (die Stadt ist seit Kriegsbeginn nicht mit Desinfektionsmitteln

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beliefert worden), so könnte trotzdem bei entsprechendem Durchgreifen der russischen Gesundheitsbehörden wohl hier und da Abhilfe erreicht werden. Die ärztliche Versorgung der Zivilbevölkerung ist im grossen und ganzen ausreichend. Schwierigkeiten bestehen verschiedentlich noch bei der Betreuung der Landbevölkerung. In verschiedenen Bezirken hat man auf Anregung russischer Ärzte, der Weitläufigkeit des Landes entsprechend, sogenannte medizinische Stützpunkte errichtet. Sie umfassen mehrere Gemeinden und sind mit einem Feldscher und, soweit als möglich, mit einer Hebamme besetzt. Im Rayon Jarzewo werden von 3 medizinischen Stützpunkten 5 Einheitsgemeinden betreut. Duchowschtschina hat bereits 6 solcher Stützpunkte erstellt; der Aufbau weiterer wird angestrebt. Die Arbeit der Ärzte ist durch das Fehlen von Instrumenten, Medikamenten, Impfstoffen und Verbandsmaterialien weiterhin sehr erschwert. Die von deutschen Sanitätsstellen und Lazaretten geleistete Hilfe kann naturgemäß die bestehenden Mängel in keiner Weise ausgleichen. Hinzu kommt, dass die russischen Ärzte vielfach mit den zur Verfügung gestellten deutschen Medikamenten nicht umzugehen wissen. So meldet z. B. Orel, dass bei der russischen Ärzteschaft ein grosses Interesse für deutsche Fachliteratur besteht, da sie mit deutschen Medikamenten arbeiten müssen und ihnen die diesbezügliche Behandlungsweise völlig neu ist. Sie stellen die Notwendigkeit der Aufklärung besonders heraus, da die deutsche medizinische Wissenschaft ein weit höheres Niveau als die russische aufweise und sie von ihr nur lernen können. Soweit die Möglichkeit gegeben ist, versucht man Krankenhäuser einzurichten. Die Einrichtung ist allerdings vielfach so primitiv, dass damit eigentlich nur eine Isolation der Kranken von den Gesunden erreicht wird. So berichtet z. B. Jarzewo: Im Rayon Jarzewo befinden sich für die russische Bevölkerung 2 Krankenhäuser, von denen sich eines in Jarzewo selbst, das andere in Potroschtsche befindet. Die Ausstattung dieser beiden Krankenhäuser, von denen das in Jarzewo 70 Betten, das in Potroschtsche 32 Betten besitzt, muss als völlig unzureichend bezeichnet werden. In beiden Krankenhäusern fehlen sowohl die Matratzen, wie auch die Decken und Laken für die Betten. Eine Küche für die Zubereitung der Krankenkost fehlt ebenfalls bei beiden Krankenhäusern. Die Angehörigen bringen den Patienten, soweit es ihnen möglich ist, die Lebensmittel ins Spital. Aus Orel werden Klagen wegen Platzmangels in der chirurgischen und Entbindungsabteilung geführt. Der vorhandene Raum ist derart unzulänglich, dass Männer, Frauen und Kinder dicht nebeneinander liegen und sogar auf den Gängen untergebracht werden müssen. Die in Angriff genommenen Reparaturen im Kinderkrankenhaus und im klinischen Laboratorium können infolge Glasmangels nicht fortgesetzt werden. Soweit die Beispiele. Sie lassen sich beliebig vermehren. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sich die Erkrankungen mit Ausnahme des Fleckfiebers im allgemeinen in normalen Grenzen bewegt haben. Der Mangel an sanitären und hygienischen Einrichtungen, Medikamenten, Impfstoffen usw. findet einen Ausgleich in der biologischen Widerstandskraft in der russischen Bevölkerung. Nach Meinung deutscher und russischer Fachkreise kann der Gesundheitszustand der Bevölkerung auch jetzt noch im grossen und ganzen als zufriedenstellend bezeichnet werden. Lage der landeseigenen Verwaltung im Bereich der Heeresgruppe Mitte: 1) Die landeseigene Bezirksverwaltung: Im Heeresgebiet Mitte wurde, soweit dies praktisch möglich war, als nächst höhere Stufe der landeseigenen Verwaltung die Bezirksverwaltung eingeführt. Die Aufgaben der Bezirksverwaltung sind: Förderung eines einheitlichen und beschleunigten Aufbaues der russischen Kommunalverwaltung in der Rayon- und Gemeindeinstanz, Ausübung der Dienst- und Fachaufsicht über die Rayon- und Gemein-

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deverwaltung. Die Bezirksverwaltung ist befugt, an die ihr nachgeordneten russischen Behörden im Rahmen der ihr übertragenen allgemeinen Aufsicht und zur Führung der laufenden Geschäfte Anordnungen zu erteilen. Wichtigere Angelegenheiten wie z. B. Aufstellung der Haushalts- und Stellenpläne der Bezirksverwaltung und der Rayonverwaltung, Stellenbesetzung vom Abteilungsleiter aufwärts, Anordnungen der Bezirksverwaltung, die die Interessen der Wehrmacht berühren usw. bedürfen der Genehmigung der Feldkommandantur bzw. des Befehlshabers des rückwärtigen Heeresgebietes. Die Errichtung einer Bezirksverwaltung bedarf grundsätzlich der Zustimmung des Oberkommandos der Heeresgruppe Mitte. Der interne Aufbau der Dienststellen der landeseigenen Bezirksverwaltung ist zum Teil noch nicht über die Anfänge hinausgekommen. Im allgemeinen ist die Errichtung folgender Abteilungen beabsichtigt: Administrativabteilung, OD-Abteilung, Finanzabteilung, Handels- und Gewerbeabteilung, Bildungsabteilung, technische und Bauabteilung, Abteilung für Sozialversicherung, Rechtsabteilung und Abteilung für Transportwesen. Die Schwierigkeiten, die dem Aufbau der Bezirksverwaltung entgegenstehen, sind vorwiegend personeller Art. Geeignete Personen für die verantwortlichen Stellen zu finden, scheitert oft daran, dass den Bewerbern jede verwaltungsmäßige Schulung und Praxis abgeht. Den Meldungen zufolge wird in Kreisen russischer Verwaltungsfachleute die Einrichtung einer höheren Verwaltungsinstanz begrüsst und auch in der Bevölkerung die Möglichkeit, Entscheidungen der Rayonverwaltung bei einer höheren Stelle anzufechten, zustimmend aufgenommen. Eine Sonderstellung unter den Verwaltungsbezirken nimmt der Selbstverwaltungsbezirk Lokot ein, der acht Rayons mit etwa 12 000 qm und rund 500 000 Einwohner umfasst. Leiter dieses Bezirks ist der Oberbürgermeister der Stadt Lokot. Der Selbstverwaltungsbezirk Lokot ist mit vier anderen Bezirksverwaltungen zum militärischen Oberverwaltungsbezirk Brjansk zusammengefasst. Er steht nicht unter unmittelbar deutscher Aufsicht; dem Leiter des Selbstverwaltungsbezirkes ist lediglich ein Verbindungsstab zum Oberverwaltungsbezirk Brjansk zugeteilt. Obwohl die russische Verwaltung im Bezirk Lokot keine direkten Weisungen erhält, ist Zusammenarbeit mit den deutschen Stellen den Meldungen zufolge im allgemeinen gut. 2) Doppelgleisigkeit in der landeseigenen Rayonverwaltung: Die administrative Rayonverwaltung besteht in der Regel aus Abteilungen für Personalangelegenheiten, Finanzwesen, Wegebau, Ordnungsdienste, Gewerbe, Schulwesen und Gesundheitswesen. Städte, die verwaltungsmäßig den Rayons gleichgestellt sind, verfügen meist noch zusätzlich über ein Wohnungsamt und ein Ernährungsamt. Neben der administrativen Verwaltung besteht in jedem Rayon eine landwirtschaftliche Sonderverwaltung, an deren Spitze ein deutscher Kreislandwirtschaftsführer steht. Die landwirtschaftliche Rayonverwaltung ist in eine Versorgungsabteilung, eine Finanzabteilung und eine Landvermessungsabteilung aufgegliedert, die jeweils von einem russischen Agronomen geleitet wird. In jeder Einheitsgemeinde befindet sich ein Gemeindeagronom, der für die Durchführung der Weisungen der landwirtschaftlichen Rayonverwaltung in den Gemeinden und Dörfern verantwortlich ist. In den Dörfern besteht jedoch keine Trennung zwischen den Verwaltungsorganen der administrativen und der landwirtschaftlichen Rayonverwaltung. Die Dorfältesten werden daher sowohl vom Bürgermeister der Einheitsgemeinde als vom Gemeindeagronom herangezogen. Dieser Zustand führt vielfach zu Unstimmigkeiten, da zwischen Gemeindeagronom und Gemeindebürgermeister des öfteren ein gespanntes Verhältnis besteht und daher mangels gegenseitiger Abstimmung mehrfach widerspre-

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chende Weisungen der administrativen und der landwirtschaftlichen Verwaltung an die Dorfältesten ergehen. BAB, R 58/223

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 26. II.1943 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 43 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandenbekämpfung im weissruthenischen Raum: Im Januar 1943 wurden im weissruthenischen Raum insgesamt 3 Grossaktionen unter Einsatz aktiver SS- bezw. Polizeiregimenter durchgeführt. Die Erkundung zu diesen Unternehmungen lag durchweg in Händen von Kommandos der Sicherheitspolizei. 1. Unternehmen „Jakob“ 1: Im Raum nördlich Uzda zwischen Stankowo, Alexandrowo und Ussa: Dieses Unternehmen wurde in der Zeit vom 8. 1. bis 12. 1. 1943 durchgeführt. An ihm nahmen fast alle Kräfte aus den Dienststellen des Kommandeurs dSPudSD für Weissruthenien teil. Es kam eine sicherheitspolizeiliche Gruppe in Stärke von 450 Mann 2 zum Einsatz, die den Südteil des genannten Raumes zu besetzen hatte und als kämpfende Truppe gegen die dort befindlichen Lager angesetzt wurde. Während die übrigen Polizeibataillone keinerlei Gefechtsberührung hatten, hatten die sicherheitspolizeilichen Kommandos im südlichen Raum die Hauptlast der Feindberührung zu tragen. Sämtliche Feindtote fielen im dortigen Abschnitt. Insgesamt wurden 162 bewaffnete Banditen getötet, ferner 144 Bandenverdächtige sonderbehandelt sowie 6 Gefangene gemacht. Die eigenen Verluste beliefen sich auf 3 Verwundete und 7 z. T. schwere Erfrierungen. Es wurden insgesamt 3 Lager zerstört sowie grössere Mengen von Waffen und Ausrüstungsmaterial erbeutet. Unter der Beute befindet sich eine grosse Anzahl wichtigsten Schriftenmaterials, das z.Zt noch ausgewertet wird. Die Bandengruppen in diesem Raum waren hauptsächlich für die Bahnsprengungen zwischen Minsk und Kojdanow verantwortlich sowie z. T. für die Überfälle auf die Rollbahn Minsk–Sluzk. 2. Unternehmen „Erntefest I“ 3: Im Raum östlich der Rollbahn Minsk–Sluzk vom rückwärtigen Heeresgebiet in die weissruthenischen Gebiete Minsk-Land und Sluzk. Die Erkundungen zu diesem Unternehmen waren teilweise schon im Herbst vorigen Jahres und ein zweites Mal im Dezember 1942 fertiggestellt. Trotz mehrfacher Aktionen in diesem Gebiet wechselten aber immer wieder Bandengruppen aus dem rückwärtigen Heeresgebiet in diesen Raum hinüber und errichteten die zerstörten Lager von neuem. Es nahmen insgesamt 3 Kommandos der Sicherheitspolizei in einer Gesamtstärke von 120 Mann an der aktiven Bekämpfung der Banden teil. Im übrigen waren 11 Polizei- und Schutzmannschaftsbataillone eingesetzt. Das Gesamtergebnis betrug 805 bewaffnete Feindtote, darunter 2 sowjetische Offiziere und 3 Kommissare. Ferner wurden 1165 bandenverdächtige Personen sonderbehandelt sowie 34 Gefangene gemacht. Erbeutet wurden ein Granatwerfer, 14 leichte Maschinengewehre sowie grosse Mengen von Gewehren, Maschinenpistolen und Pistolen. 46 000 Schuß Infanteriemunition konnten sichergestellt werden sowie eine grosse Anzahl von Handgranaten. Lebensmittel, Vieh und Ausrüstungsgegen-

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stände konnten in sehr grossen Mengen abgefahren werden. Es wurden ein Grosslager und 18 befestigte Bunker zerstört. Die Verluste auf deutscher Seite betragen 6 Tote und 17 Verwundete. 3. Unternehmen „Erntefest II“ 4: Im Raum westlich der Rollbahn Minsk–Sluzk in einer Tiefe von 45–50 km von Rakow zur Rollbahn Sluzk–Brest-Litowsk. Dieses Unternehmen wurde in der Zeit vom 28. 1.–9. 2. 1943 durchgeführt. Ihm liegen ebenfalls Erkundungen durch die Kommandos der Sicherheitspolizei und des SD zugrunde. Am Kampfeinsatz waren 3 Kommandos in einer Gesamtstärke von 125 Mann beteiligt. Nach Abschluss des Unternehmens wurden 2325 Feindtote 5 festgestellt, 272 Arbeitskräfte erfaßt; eigene Verluste: 5 Tote, 8 Verwundete, dazu 20 tote und 38 verwundete einheimische Schutzmänner. Die gemachte Beute betrug: 2 schwere Granatwerfer, 20 Pistolen, 4 Pak, 20 000 Schuss Infanteriemunition, 2 leichte GRW 6, 67 Hand- und Wurfgranaten, 1 Vierlings-sMG, 25 Minen, 12 sMG, 100 kg Sprengstoff, 8 lMG, 175 Sprengpatronen, 3 MPi, 1 Druckerei für Propagandamaterial, Radioempfangs- und Fernsprechmaterial, 172 Gewehre, 142 Schlitten, 209 Pferde. 12 vom Erkundungskommando der Sicherheitspolizei erkundete Bandenlager wurden vernichtet. Als reines Sonderunternehmen der Sicherheitspolizei ist das Unternehmen „Waldläufer“ anzusehen. Die Sicherheitspolizei ist im weissruthenischen Raum dazu übergegangen, freiwillige, junge und einsatzfreudige Weissruthenen anzuwerben und auf die Bandenbekämpfung zu schulen. Nach einer gewissen Zeit, innerhalb derer diese Freiwilligen geschlossen untergebracht und unterrichtet worden sind, werden sie in kleineren Gruppen und Trupps in Stärke von 15–45 Mann angesetzt. Sie gehen in Zivil und haben sich nach Partisanenart aus dem ihnen zugewiesenen Raum zu verpflegen. Dieser Raum wird kurz vor dem Unternehmen den maßgeblichen deutschen Dienststellen, die ebenfalls Bandenbekämpfung betreiben, mitgeteilt, so daß die angesetzten Männer nicht als Bandenangehörige versehentlich erschossen werden. Hauptsächlich werden diese Kommandos zur Erfassung der Sprengtrupps an den Bahnlinien Baranowicze–Brest-Litowsk, Baranowicze–Lida, Baranowicze–Minsk angesetzt. Die ersten Aufgaben, die die Kommandos des Unternehmens „Waldläufer“ durchzuführen hatten, bestanden darin, daß sie in den Gebieten Baranowicze–Slonim und Lida die Bandenfreudigkeit bezw. -feindlichkeit der Einwohner und Dörfer feststellen sollten. Das Ergebnis der angesetzten Gruppen war äusserst erfreulich. Es konnten genaue Auswertungen über partisanenverseuchte und -freie Gebiete erzielt werden. So gibt es Gegenden, in denen sich sämtliche Dörfer den „Bandengruppen“ äusserst kühl und abweisend gegenüber verhielten, während andere Dörfer regelrechte Feste für die angeblichen Banditen veranstalten.7 Der Einsatz gegen die Sprenggruppen der Banden läuft z. Zt. noch, hat aber schon zu erfreulichen Einzelergebnissen geführt. Jedenfalls ist durch diese Art des Einsatzes im oben angeführten Raum eine gewisse Beunruhigung unter den Banden aufgetreten. Bandenlage im Bereich der Einsatzgruppe B: Bei der Bearbeitung einzelner Vorgänge im Rayon Mogilew, in welchem die Bandentätigkeit in letzter Zeit zugenommen hat, musste festgestellt werden, daß die Banditen seit einiger Zeit konspirativ in das Stadtgebiet von Mogilew hineinarbeiten. Dieselbe Feststellung ist auch bei der Säuberung der Stadtverwaltung von Polozk getroffen worden. In der Hauptsache sind es die in den Städten und Dörfern verbliebenen Angehörigen der Banditen, die die notwendigen Verbindungen erstellen und aufrechterhalten. Aber auch die übrige Bevölkerung stellt sich in manchen Ortschaften oft bandenfreundlich ein. Die Banditen versuchen ihrerseits auch, mehr und mehr eine Beeinflussung der Bevölkerung durch Abhalten von Versammlungen in den

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von ihnen besetzten Dörfern und durch ähnliche Propagandamaßnahmen. In derselben Linie liegt die verschiedentlich festgestellte neue Taktik der Banditen, gegen Starosten und andere Angehörige der russischen Selbstverwaltung nicht mehr so scharf vorzugehen wie bisher, sondern vielmehr zu versuchen, diese deutschfreundlich gesinnten Personen durch geschicktes Verhalten und propagandistische Einwirkung unauffällig auf die Seite der Banditen hinüberzuziehen, so daß der Betreffende äusserlich zwar sein Amt für die Deutschen richtig verwaltet, aber gleichzeitig für die Banditen wesentliche Arbeit leistet. Aufschlussreich in dieser Hinsicht sind die Angaben des Leiters der russischen Selbstverwaltung des Bezirkes Brjansk, der bei einer informatorischen Vernehmung u. a. folgendes erklärt hat: „Es sei nicht Sache der Banditen, die Sowjetregierung wieder einzusetzen, sondern dies sei Aufgabe der Roten Armee. Es sei vollkommen falsch, Vertreter der russischen Selbstverwaltung, OD-Männer, Starosten usw. zu töten oder zu misshandeln. Ganz im Gegenteil. Mit den im Dienst der deutschen Wehrmacht stehenden russischen Beamten usw. soll ein möglichst freundliches Verhältnis hergestellt werden. Man solle sie dazu bewegen, unter dem Hinweis darauf, daß bei einer Wiederkehr der Roten Armee ihnen die Arbeit bei den Deutschen nicht nachgetragen würde, wenn sie jetzt in einer konspirativen Weise mit den Banditen zusammenwirken würden. Der Kampf der Banditen soll sich ausschliesslich gegen die deutschen Dienststellen und Einrichtungen der deutschen Wehrmacht richten und nicht auf Russen ausgedehnt werden. Russen sollen auf keinen Fall gegen die Banditen erbittert werden.“ Bei der Anwerbung von Bandenmitgliedern wird vielfach auch folgender Trick angewendet: Um die Angehörigen des neu geworbenen Bandenmitgliedes vor einer Festnahme durch deutsche Dienststellen zu bewahren und um sie weiter als Spitzel benutzen zu können, wird der Angeworbene von den Banditen gefesselt abgeführt, so daß bei den Dorfbewohnern der Eindruck einer Verschleppung erweckt wird. Ist man ausser Sichtweite, dann werden die Fesseln abgenommen und der neue Bandit darf seine Angehörigen in der Nacht aufsuchen und verständigen. Weiter konnte festgestellt werden, daß Banditen, die zerschlagenen Bandengruppen angehörten, versucht haben, sich unter die russische Zivilbevölkerung zu mischen, die nicht abgeneigt ist, sie zu verbergen, ebenso wie sie z. T. die aktiven Banditen durchaus tatkräftig mit Lebensmitteln, Bekleidungsstücken und Schnaps unterstützt und ihnen militärisch und für den Bandenkampf wichtige Nachrichten zukommen läßt. Dies bestätigte eine im Evakuierungslager Roslawl durchgeführte Überprüfung der in dem Bandengebiet südlich Jelnja erfaßten Personen. In dem Lager waren ungefähr 170 Männer, Frauen und Kinder. Nach eingehenden Vernehmungen gaben 28 männliche Personen zu, die Banditen laufend mit Lebensmitteln, Bekleidungsstücken und Schnaps unterstützt zu haben. Dabei wurde festgestellt, daß in einzelnen Dörfern die Bürgermeister sogar Gemeindeversammlungen einberufen hatten, in denen die Gemeindemitglieder aufgefordert worden waren, die Banditen mit allen Mitteln zu unterstützen. In anderen Orten wiederum hatten die Banditen selbst entsprechende Versammlungen einberufen und Werbeplakate angeschlagen, in denen sie die Bevölkerung zum Eintritt in die Banden oder zur Unterstützung der Banditen auffordern. Derartige Versammlungen wurden auch aus den Rayons Lepel und Polozk gemeldet. Der Erfolg dieser und ähnlicher Propagandamaßnahmen ist nicht überall gleich. Die Einwohner einer Ortschaft des Rayons Lepel sind geschlossen zu den Banden übergetreten; aus der Stadt Polozk zog ein Teil der Bevölkerung in die bandenverseuchten Gebiete ab, während von den Einwohnern anderer Orte jede Verbindung mit den Banditen glatt abgelehnt wird. Bezeichnend für den Umfang, den die Unter-

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stützung der Banden durch die russische Zivilbevölkerung im allgemeinen angenommen hat, ist die Tatsache, daß allein im Bereich des EK 9 in der Berichtszeit insgesamt 240 Personen wegen nachgewiesener freiwilliger Bandenunterstützung erschossen werden mußten. Um auch von der aufbauenden Seite her zu versuchen, der insbesondere durch die Bandentätigkeit hervorgerufenen allgemeinen Unsicherheit auf breiterer Basis zu steuern, wurde weiterhin dem Auf- und Ausbau des russischen OD I und II erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt, da anzunehmen ist, daß ein russischer Ordnungsdienst, zu dem die Zivilbevölkerung in Stadt und Land allmählich Zutrauen gewinnt, durchaus in der Lage ist, als Element der Ordnung beruhigend auf die Bevölkerung zu wirken, sie zum mindesten vor Unrecht im kleinen zu schützen, den Propagandamaßnahmen der Banditen z. T. den Boden zu entziehen und sie dadurch bis zu einem gewissen Grade unwirksam zu machen. Voraussetzung dazu ist allerdings, daß der russische Ordnungsdienst auf fachlichem Gebiet so geführt wird, daß er allmählich imstande ist, Leistungen zu vollbringen, die die Bevölkerung anerkennt, daß er unbedingt gerecht bei seinen Amtshandlungen vorgeht, Übergriffe und Verfehlungen seitens des Ordnungsdienstes mit aller Schärfe durch die OD-Sachbearbeiter der Kommandos der Sicherheitspolizei geahndet und ungeeignete Elemente rücksichtslos entfernt werden. Bandentätigkeit im Bereich des Befehlshabers der Sicherheitspolizei und des SD Ukraine: Auf Grund intensiver Erkundungstätigkeit wurde erneut der Beweis erbracht, daß die einzelnen Grossbanden trotz weiter räumlicher Trennung engste Verbindung miteinander, vor allem durch Funk, halten und im Falle deutscher Angriffe auf eine der Banden sofort von den anderen Bandenführern Entlastungsaktionen durchgeführt werden. Das im Raum „Nasses Dreieck“ (zwischen Pripjet und Dnjepr) durchgeführte Wehrmachtsunternehmen mit dem Ziele, die dort befindliche, von Fallschirmspringern durchsetzte Grossbande zu zerschlagen, ist als gescheitert anzusehen.8 Dem Gros der Bande ist es gelungen, in nordostwärtiger Richtung zu entkommen, bevor die Einschliessung beendet war. Auch hierbei wandte der Gegner seine alte Taktik an und täuschte durch Zurücklassung stärkerer Nachhuten in den Lagern sein Verbleiben vor. Ziel der derzeitig laufenden Befriedungsaktion ist die Vernichtung der zahlreichen Bandenhelfer und die Säuberung des Raumes von unzuverlässigen Elementen. Die Grossbanden im Raum Lenin–Weisser See (Raum nördlich der Bahnlinie Pinsk–Mikasewitsche), bei denen es sich z. T. um stärkere Gruppen der im Monat Dezember zerschlagenen Kolpak-Bande handelt, haben den gegen sie gerichteten Aufmarsch erkannt und versuchen durch Bahnund Brückensprengungen sowie Verminen der Strassen den Aufmarsch zu stören. In den letzten Tagen ist ein sprunghaftes Ansteigen der Bahnsprengungen festzustellen. Gleichzeitig versucht die südlich im Raum Stolin gelegene Grossbande durch Einkreisung der bereits vor 14 Tagen angegriffenen Gebietskommissariatsstadt Stolin eine Entlastung für die nördlich gelegene Bande, gegen die sich das Unternehmen richtet, zu erzielen. Im Raum Stolin herrscht z. Zt. intensive Bandentätigkeit. Die Bewohner vieler Dörfer werden ausgemustert, ärztlich untersucht und bei Tauglichkeit in die Bande eingereiht. Südlich und nördlich der Rollbahn Rowno–Zwiahel haben die Bandenüberfälle sowohl zur eigenen Versorgung, als auch zur Störung des Nachschubs zugenommen. Das Gefängnis Dubno war Ziel eines Überfalls, wobei nach Erschiessung der Wachmänner die 60 Insassen befreit wurden. Im Generalbezirk Tschernigow nimmt die Bandentätigkeit ebenfalls zu, wobei vor allem aus dem Raum „Nasses Dreieck“ entkommene Bandenteile in Erscheinung treten. Die Aktionen gegen die Banden im „Nassen Dreieck“ bedingten das

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Anwachsen der Tätigkeit kleinerer Splitterbanden im Nordteil des Generalbezirks Kiew. In den in Frage kommenden Rayons wurde bei Aktionen der Sicherheitspolizei ein grosser Teil der Bandenhelfer erschossen. B. Lebensgebiete Allgemeine Stimmung der Bevölkerung im Generalkommissariat Ukraine (Berichtsschluß 1. 2. 43): Das Bild von dem anhaltenden Absinken der allgemeinen Stimmung in der Bevölkerung hat sich nicht geändert. Aus nahezu allen Bereichen wird gemeldet, daß die „Stimmung nicht günstig sei“ (Dnjepropetrowsk), daß „ein Absinken zu beobachten war“ (Nikolajew), daß „eine Verschlechterung eingetreten sei“ (Rowno), daß „sie eine Verschärfung erfahren habe“ (Saporoshje). Von ernster Stimmung sprechen auch die Berichte aus Kiew. Lediglich auf der Krim ist von einer Verschlechterung nicht die Rede. Zu den die Stimmung laufend und nachhaltig beeinflussenden Faktoren wie Ernährungssorgen, Arbeitseinsatz im Reich und Versorgungsfragen ist vor allem nun noch eine wachsende Animosität gegen die deutsche Besatzung getreten. Hinzu kommt noch, daß die Feindagitation unstreitig stärker geworden ist und das Auftreten der Banden, vor allem im West- und Nordteil der Ukraine, unvermindert anhält. Die schwierige Ernährungslage macht sich innerhalb der Bevölkerung nach wie vor stimmungsmindernd bemerkbar. So meldet Ende Januar 1943 Dnjepropetrowsk, daß die Bevölkerung infolge schlechter Versorgung vielfach gezwungen ist, ihren letzten Bestand an Kleidung und Wäsche auf die Dörfer mitzunehmen, um dafür Lebensmittel einzutauschen. Gerüchteweise verlautet sogar in dem genannten Bereich, daß eine Nahrungsmittelkrise bevorstehe bezw. die Brotmenge weiter herabgesetzt werde. Auch in Kiew sei die Bevölkerung gezwungen, da die auf die Lebensmittelkarten zugeteilten Rationen nicht ausreichen, sich trotz der strengen Überwachungsmaßnahmen zusätzlich im Schleichhandel mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die Preise auf dem Schwarzen Markt steigen von Tag zu Tag, wobei die Schuld daran von Seiten der Ukrainer den deutschen Behörden zugeschoben wird, die einerseits die Bevölkerung nicht mit genügend Lebensmitteln versorgen und zum anderen durch die Beschlagnahmungen für ein ständiges Steigen der Preise verantwortlich zu machen seien. Aus allen Teilen des Generalkommissariats Kiew wird gemeldet, daß in der letzten Zeit die Schwarzschlachtungen ein erhebliches Ausmaß angenommen hätten. Auch in Nikolajew wurde beobachtet, daß die Bevölkerung darüber klagt, mit der zur Verfügung gestellten Nahrungsmittelmenge nicht auskommen zu können. Weniger hingegen stand auf der Krim und in einzelnen Gebieten des Rownoer Bezirks die Frage der Ernährung gegenüber den anderen im Vordergrund. Dagegen werden in größerem Umfange Klagen über die übrige Versorgung laut. So ist es im Rownoer Bereich vor allen Dingen der Mangel an Brennholz und an anderen Gütern des täglichen Lebens, wie Kleidungsstücken, der die Bevölkerung beschäftigt und die Stimmung negativ beeinflußt. Die Versorgung mit Brennmaterial sei stellenweise derart schlecht, daß die ukrainische Bevölkerung wie im Vorjahre zur Selbsthilfe greifen müsse, um wenigstens das zur Essenszubereitung nötige Brennholz zu beschaffen. Auch in Kiew konnte die Bevölkerung mit Brennholz nur zu einem kleinen Teil beliefert werden, da für die Anfuhr von Torf und Holz keine Transportmittel zur Verfügung stehen. Ebenso hatte in Nikolajew die schlechte Versorgungslage der Bevölkerung mit Bedarfsgütern und namentlich mit Heizmaterialien starke stimmungsbeeinträchtigende Wirkung. Die einheimische Bevölkerung habe im ganzen Bezirk bis auf verschiedene Ausnahmen keinerlei Möglichkeit, auch nur geringfügige Mengen von Brennmaterial zu erhalten. Wenn man sich beispielsweise von Seiten der ukrainischen Hilfsverwaltung in Nikolajew durch

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Heranschaffung von Torf bemüht, die Schwierigkeiten zu beheben, sind die erfaßten Mengen jedoch ohne Bedeutung für die Gesamtlage. Gerade diese mangelnde Brennstoffbevorratung habe die Unzufriedenheit stark gesteigert. In einem Bericht aus Saporoshje wird von der katastrophalen Lage in Bezug auf die Brennstoffversorgung gesprochen, wie überhaupt in dem ganzen Dnjepropetrowsker Bereich der Mangel an Heizmaterial sich stimmungsmindernd ausgewirkt hat. Wenn auch auf der Krim das Versorgungsproblem besonders in den Städten ebenfalls mit ausschlaggebend für die Stimmungsbildung ist, so hat sich doch in diesem Bereich am wenigsten ein Absinken der allgemeinen Stimmung gezeigt. Jedoch zeigt sich auch auf der Krim, daß beispielsweise für den Arbeitseinsatz im Reich kaum noch Freiwilligenmeldungen ergehen. In den ländlichen Gebieten habe sich insbesondere die Verpflichtung von weiblichen Arbeitskräften für das Reich stimmungsmäßig ungünstig ausgewirkt. Ein in Aleschki erfaßtes Gerücht besagt, daß die ukrainischen Arbeiter im Reich hungern müssen. Ebenso wird aus dem Generalbezirk Dnjepropetrowsk, z. B. aus Kirowograd, Orechow und Dnjepropetrowsk selbst, berichtet, daß die Aushebungen von Arbeitskräften für das Reich stimmungsverschlechternd wirkten. „Der Arbeitseinsatz in das Reich ist denkbar unbeliebt und die zur Erfüllung der Kontingente angewandten Gewaltmaßnahmen haben Erbitterung und starke Unzufriedenheit zurückgelassen“, schreibt beispielsweise auch Nikolajew. Dasselbe berichtet Kiew. Innerhalb der Bevölkerung würden immer wieder besondere Klagen über den Arbeitseinsatz im Reich laut. Die Bevölkerung lebe in einem ständigen Angstzustand, demnächst wieder als „Sklaven“ ins Reich verschickt zu werden. Es wird nicht nur über die zwangsweise Eintreibung der Arbeiter geklagt, sondern auch über die schlechte Organisation des Abtransportes. Als ein Hauptgrund für das Schlechterwerden der Stimmung wird im Bericht aus Rowno die sich weiter verstärkende Abneigung gegen den Arbeitseinsatz im Reich angesehen. Noch eine Reihe anderer Maßnahmen hat die Unzufriedenheit in der Bevölkerung gesteigert. Namentlich die ländliche Bevölkerung ist über die zwangsweise Erfassung des abzuführenden Kontingents verärgert. So wird aus dem Generalbezirk Nikolajew gemeldet, daß das abzuliefernde beträchtliche Rindviehkontingent bei der Landbevölkerung zu erheblichen Stimmungsbeeinträchtigungen beigetragen hat. Dasselbe geht aus einem Bericht aus dem Gebiet von Kriwoj-Rog hervor, in dem es heißt, daß die Abgabe von Vieh meistens mit Zwangsmaßnahmen durchgeführt werden müsse und zur Verstimmung der Bevölkerung beiträgt. Im Saporoshjer Bezirk ist es der Abbau des Schulwesens, der die Eltern schulpflichtiger ukrainischer Kinder besonders beunruhigt. In diesem Zusammenhang wurden wiederholt Fragen nach der Zukunft des ukrainischen Schulwesens überhaupt gestellt. Bedeutsam erscheint es jedoch, daß zu diesen laufend aufgetretenen stimmungsmindernden Faktoren in der letzten Zeit mehr und mehr sich eine negative Einstellung der Bevölkerung gegenüber Deutschland breitzumachen beginnt. So meldet beispielsweise KriwojRog, daß die sonst beobachtete positive Einstellung der Bevölkerung zur deutschen Herrschaft nicht mehr wie in dem früheren Maße vorhanden ist. Eine noch stärkere Betonung erfährt diese Beobachtung in Kiew. Während vorher die Bevölkerung zum überwiegenden Teil einen raschen deutschen Sieg herbeisehnte, habe sich diese positive Einstellung bei vielen Ukrainern nunmehr in Gleichgültigkeit, wenn nicht gar in ablehnende Haltung verändert. Als Gründe werden dafür einmal die gegnerische Propaganda, die immer wieder – sinngemäß – von der deutschen „Kolonialpolitik“ spricht, angeführt, und

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zum anderen wird diese Ablehnung aber auch als Folge ungeschickter Behandlung der Ukrainer durch deutsche Stellen betrachtet. Da sich darüber hinaus sogar eine gewisse Gleichgültigkeit der Bevölkerung gegenüber einer eventuellen bezw. vermuteten Rückkehr der Bolschewisten beobachten läßt, geht aus einem Bericht aus Nikolajew hervor, in dem es heißt, daß die Zahl der Personen, die eine Rückkehr der Bolschewisten begrüßen würde, zweifellos seit den letzten Monaten gewachsen ist, da sich die Überzeugung, daß es der Bevölkerung unter der bolschewistischen Herrschaft auch nicht schlechter gehen könne, mehr und mehr verbreitet. In diesem Sinne arbeitet auch die Sowjetpropaganda. So gingen im Rownoer Bereich teilweise die Hetzparolen in der Richtung, daß man der Bevölkerung klarzumachen versucht, in bolschewistischer Zeit hätte man durchweg ein besseres Dasein gehabt als jetzt unter der deutschen Herrschaft. Ähnlich wie in Kiew sind auch in Nikolajew Äußerungen zu hören, die besagen, daß das Deutsche Reich nur ein Interesse daran habe, das ukrainische Volk zu vernichten und auszubeuten, Parolen, die zweifellos ebenfalls von Gegnerkreisen in die Bevölkerung gebracht werden, dort aber infolge der schwierigen Lebensumstände mehr und mehr auf fruchtbaren Boden fallen. Im Gegensatz dazu herrscht auf der Krim nach wie vor Angst in der Bevölkerung, wenn aufgrund der militärischen Ereignisse etwa die Bolschewisten zurückkehren sollten, obwohl es auch auf der Krim eine große Anzahl Personen gibt, der es materiell zurzeit schlechter geht als unter der Sowjetherrschaft und die ihre Unzufriedenheit darüber auch nicht verheimlichen. Auch die militärischen Ereignisse standen in den letzten Wochen weit mehr im Vordergrund und beschäftigten die Bevölkerung mehr als dies früher der Fall war. So ergoß sich eine Flut von Gerüchten über die Lage an der Front in die Bevölkerung, Gerüchte, die wesentlich von Gegnerkreisen in Umlauf gesetzt und in die Bevölkerung hineingetragen werden. So wird übereinstimmend aus Kiew, Nikolajew, Dnjepropetrowsk und von der Krim berichtet, daß Gerüchte der Art in Umlauf seien, daß die Deutschen überall im Zurückgehen begriffen seien, daß sie ungeheure Verluste erlitten hätten, daß die Sowjetarmeen riesige Gefangenen- und Beutezahlen gemacht haben. Besonders die Bereiche, die mehr in der Frontnähe liegen, stehen unter dem Einfluß der militärischen Ereignisse. Das ging in Stalino beispielsweise so weit, daß die deutschfreundliche Bevölkerung bereits Ende Januar 1943 Vorbereitungen traf, um gemeinsam mit den Deutschen zurückzugehen. Daneben nehmen die Gerüchte politischer Art und die, die sich mit den allgemeinen Lebensumständen befassen, ebenfalls einen breiten Raum ein. Zusammenfassend ist festzustellen, daß sich das Interesse der ukrainischen Bevölkerung des Generalkommissariats Krim von Beginn des Jahres 1943 an zunehmend, abgesehen von der Ernährungslage und Furcht vor weiteren gewaltsamen Arbeiterverschickungen nach dem Reich, mehr und mehr auf die militärische Lage, besonders im Süden der Ostfront, konzentriert. Allgemeine Lage und Stimmung im Bereich der Heeresgruppe Mitte 9: Die Stimmung der russischen Zivilbevölkerung im Armeegebiet wird z. Zt. in erster Linie durch die ungünstige Frontlage bestimmt. Im Gebiet Tosno, Ljuban und Mga beherrscht die Furcht vor einer Wiederkehr der Roten Armee die Gemüter in einem solchen Maße, daß sämtliche bis dahin für die Stimmungslage ausschlaggebenden Ernährungsnöte demgegenüber weit in den Hintergrund getreten sind. Berichte geflüchteter Zivilpersonen, u. a. solcher, die aus dem von den Sowjets besetzten Possjolok entkommen konnten und die die von den Bolschewisten sogleich vorgenommene Erschießung mehrerer bei Wehrmachtsdienststellen beschäftigter Frauen meldeten, lösten eine wahre Angstpsychose aus. Die Bevölkerung betete um Verschonung vor einem sowjetischen Einbruch. Auch in den Komman-

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dobereichen Krasnoje-Selo und Gatschina herrscht eine unruhige und besorgte Stimmung. Aus den Wehrmachtsberichten sind die sowjetischen Erfolge der letzten Wochen bekanntgeworden. Namen wie Stalingrad, Woronesh, Welikije-Luki tauchen in den Gesprächen immer wieder auf. Sehr ungünstig wirkt sich das Gerede einzelner deutscher Wehrmachtsangehöriger über die Entwicklung der Frontlage und die eigenen Verluste aus, das sofort blitzschnell herumgetragen wird. Das russische Pflegepersonal in den Lazaretten, in denen die frischen Verwundeten aus den letzten Kämpfen südlich des LadogaSees eingeliefert wurden, dürfte viel zur Verbreitung defätistischer Gerüchte beitragen. Hinzu kommt die Unachtsamkeit, die vielfach in den Unterkünften zu Tage tritt, wo das russische Bedienungspersonal in unbewachten Augenblicken in der Lage ist, am Rundfunkgerät sowjetische Meldungen abzuhören. Endlich dringen auch aus den Kriegsgefangenenlagern Gerüchte über eine bessere Versorgung der Roten Armee. Tatsächlich finden sich unter den Gefangenen, im Gegensatz zum vergangenen Winter, verhältnismäßig gut genährte Gestalten, was auch von der Bevölkerung bemerkt und entsprechend ausgedeutet wird. Der Glaube an den früher oder später unvermeidlichen Zusammenbruch der Roten Armee, der bis dahin ziemlich verbreitet war, ist erschüttert. In Gesprächen werden Hinweise auf die angeblich unerschöpflichen Menschenreserven und den endlosen Raum des Sowjetgebietes laut. Erst in zweiter Linie wird das Interesse der Bevölkerung vom Versorgungsproblem beherrscht. Noch Ende Dezember war dies in bestimmten Bezirken (Krasnoje-Selo, Sablino, Tschudowo) ungenügend gelöst. Mittlerweile hat die Ausgabe von Brotkarten in manchen Orten bereits ihren Anfang genommen bezw. steht unmittelbar bevor. In Auswirkung dieser bekanntgewordenen Maßnahme wurden z. B. in Sablino viele bereits geäußerte Evakuierungswünsche wieder zurückgezogen. Auf der anderen Seite werden wie üblich an die Brotkartenausgabe übersteigerte Hoffnungen geknüpft. So wurden in KrasnojeSelo für Nichtselbstversorger (ca. 30 % der Bevölkerung) Brotkarten angekündigt; jedoch ging sofort das Gerücht durch den ganzen Rayon, daß nunmehr eine allgemeine Brotausgabe erfolgen soll. In diesem Fall erscheint ein Rückschlag unvermeidlich. Berechtigte Sorgen bereitet in den meisten größeren Ortschaften die Brennholzfrage. Da das eigenmächtige Schlagen von Brennholz verboten ist, Holz jedoch im freien Handel nicht erhältlich, so macht die Beschaffung außerordentliche Schwierigkeiten. Auch tritt in diesem Winter der Mangel an Kleidung und Schuhwerk naturgemäß fühlbarer zutage als im vergangenen. Nichtsdestoweniger wird von einsichtigen Personen anerkannt, daß die Gesamtversorgungslage im Vergleich zu den Verhältnissen des Vorjahres sich erheblich gebessert habe und daß diese Besserung offensichtlich als deutscher Erfolg zu buchen ist. Ausserordentlich dankbar wurden vielerorts die seitens der deutschen Einheiten und Dienststellen den russischen Arbeitskräften gemachten Weihnachtszuwendungen verzeichnet sowie der Umstand, daß häufig auch der 7. Januar (der Weihnachtstag nach russischem Kalender) freigegeben worden war. Der stimmungsmäßige Nachhall war noch Wochen hindurch zu verfolgen. Während auf dem flachen Lande in den Dörfern die Ernährungslage sich nach der letzten Ernte allgemein erträglich gestaltet hatte, geben die deutscherseits geforderten bezw. noch für die Zukunft gefürchteten Auflagen und Abgaben Anlaß zu viel Gerede. So hieß es im Gebiet Krasnogwardeisk, die Deutschen hielten ihre Zusagen nicht, da entgegen den anfangs verkündeten Lieferungssätzen im Endergebnis doch nahezu die ganze Ernte hätte abgeliefert werden müssen. Die Sowjets hätten je Kuh eine Milchlieferung von 270 Liter, die Deutschen aber von 370 Liter im Jahr vorgeschrieben und eine Wollieferung von 800 gr je Schaf und Jahr im Gegensatz zu 300 gr

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unter den Sowjets. Es lohne sich nur, eine möglichst für den eigenen Bedarf knapp ausreichende Ackernahrung zu bestellen, da die Deutschen ja doch später alles wegnehmen. Im Kommandobereich Krasnoje-Selo herrscht vielfach noch Unsicherheit hinsichtlich der Bezahlung für Getreidelieferungen, da den Bauern zunächst nur als Vorschuß je 1 kg Salz ausgereicht wurde. Sorgen bereitet ferner heute bereits die Frage der künftigen Saatgutdarlehen. Das Bandenwesen bringt in den bandenverseuchten Gebieten des Armeegebiets (Bereichskommandantur Utorgosch) für die Bauern eine harte Belastung, da vielfach ganze Banden ihre Tätigkeit auf Plünderung der Dörfer beschränken. „Gegen die Deutschen zu kämpfen, sind sie zu feige, aber uns gegenüber sind sie Helden.“ Auf der anderen Seite zeigen sich die deutscherseits angesetzten landeseigenen Verbände und Jagdkommandos manchmal nicht viel besser, so daß das Volk in hilfloser Verbitterung sich selbst überlassen bleibt. Deutschfeindliche nationale Losungen sickern, wenn auch noch vereinzelt, hier und da in die Bevölkerung ein. Es wird von Bandenabteilungen gemunkelt, die zugleich das Stalinsystem und die Deutschen bekämpfen. In Krasnoje-Selo fiel eine Äußerung: „Sind denn das Bolschewisten, dort drüben kämpfen doch Russen!“ Einen irgendwie nennenswerten Charakter trägt diese Strömung zunächst nicht, auch hat die durch die Kriegslage bedingte Depression weiter Bevölkerungsschichten ihr bisher offenbar noch keinen Auftrieb gegeben. […] C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR Eingehende Berichte von Diplomaten und Journalisten aus Russland über die Lage in der Sowjetunion ergeben für Dezember 1942 folgendes Bild: Die Rationierung greift völlig in das Leben des russischen Volkes ein und zwar in einem Ausmaß, daß man sich vom westeuropäischen Standpunkt aus keinen Begriff davon machen kann. Grundsätzlich muss man aber bei der Frage, wie das russische Versorgungssystem aufgebaut ist, davon ausgehen, daß die russische Armee völlig gesondert zu behandeln ist. Die Berichte gehen ziemlich darüber überein, daß die Versorgung der Armee mit Lebensmitteln ausgesprochen günstig ist. Engpässe, die im September/Oktober vorhanden waren, sollen überwunden sein, wahrscheinlich unter gleichzeitiger Zurückschraubung des schon an und für sich minimalen Zivilbedarfs. Die Bekleidungsschwierigkeiten, die die Armeeverwaltung zweifellos hatte, sind ebenfalls behoben. Insbesondere sind aus Amerika über Persien sehr umfangreiche Lieferungen von Kleidungs- und Uniformstücken eingetroffen, die auch diesen Engpass in der russischen Armee überwunden haben. Abschliessend kann man hierzu sagen, daß lediglich die Rote Armee und dann auch wohl nur die Teile, die eingesetzt werden oder unmittelbar vor dem Einsatz stehen, noch einigermaßen ausgerüstet sind und entsprechend verpflegt werden. Ihnen am nächsten kommt die privilegierte Klasse der roten Parteibeamten, die relativ jetzt sehr gut bezahlt werden. Ein mittlerer Parteibeamter bekommt in Moskau ein Gehalt von ungefähr 6–9000 Mark im Jahr. Er hat gewisse Vorrechte, wie z. B. Anspruch auf eine Zweizimmerwohnung in einem der grossen Moskauer Hotels, soweit dort Platz vorhanden ist. Lediglich den Parteibeamten, von der Armeeführung abgesehen, stehen Kraftwagen zur Verfügung. Ein Benzinmangel ist in den Städten an der Wolga nicht vorhanden. Etwas knapper ist der Brennstoff in Moskau. Die allgemeine Brennstofflage wird aber nicht als beunruhigend angesehen. Die mittleren und höheren Parteibeamten haben entsprechende Rationierungsbücher, die zum Besuch besonderer Restaurants, die nur der Partei- und Armeeführung offenstehen, berechtigen.

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Ausschliesslich die Parteileute haben ein Recht auf einen Platz im Theater sowie auf einen Platz im Krankenhaus. Für die übrige breite Masse des russischen Volkes steht nichts zur Verfügung. Niemand hat Anspruch auf einen Hotelraum oder eine Wohnung. Das Recht auf Reisen ist jedem einfachen Russen genommen. Die Preise sind horrend. Sie können nur im Tauschhandel bezahlt werden, trotzdem hohe Strafen hierauf beruhen. An Preisen sind folgende Ziffern gegeben: ein Ei kostet 10–15 RM, ein Glas Marmelade 180 RM, ein Glas Honig 260 RM; ein Paar Schuhe ist nicht zu bezahlen, es kostet weit über 2500 RM. Zu kaufen gibt es gar nichts. Der Kleidermangel ist mit die grösste Katastrophe. 95 % der Lebensmittel sind in der Sowjetunion rationiert. Diese Rationierung ist sehr streng durchgeführt. Die Frage, ob die Sowjetunion nahrungsmäßig zusammenbricht, ist die, die auch von den meisten Beobachtern, die diese Schilderung gegeben haben, angeschnitten wurde. Die Nahrungsmittelund Bekleidungsfrage wird zweifellos von allen sehr prekär dargestellt. Es ist auffällig, daß nicht nur in offiziellen Noten der Russen auf die Notwendigkeit der Entsendung von umfangreichen Lebensmittelsendungen hingewiesen wird, sondern daß auch alle Beobachter erklären, daß von englischer und amerikanischer Seite sofort in dieser Hinsicht Hilfe einsetzt. Man hat auch manchmal von London aus – gerade im Zusammenhang mit der augenblicklich grossen Offensive der Russen – die Vermutung, daß es sich dabei eben um eine ganz grosse Kraftanstrengung der Russen handelt, um diesen zahlreichen Gefahren der Lebensmittelnot oder des Kohlenmangels nur durch eine ganz grosse Kraftanstrengung im letzten Augenblick zu entgehen. Es soll trotzdem vor einem übertriebenen Optimismus in dieser Hinsicht gewarnt werden. Hinsichtlich der russischen Eisenbahn ist berichtet worden, daß ihr Zustand ein relativ sehr guter ist. Vor allen Dingen ist man mit dem russischen Lokomotivmaterial sehr zufrieden. Schwierigkeiten macht lediglich die Tatsache, daß die Züge bei dem dringenden Gebrauch der Rohstoffe und Kohlen und den Riesenentfernungen zu langsam fahren. Bei der Bedeutung der Kohlenlieferungen aus den Gebieten des Kusbas und der grossen Entfernung der Gruben von den Eisenindustrien kann man sich vorstellen, welcher Wert auf eine schnelle Beförderung der Kohlenlieferungen gelegt werden muss. Trotz grösster Bemühungen konnte man über eine Hauptgeschwindigkeit von 40 km bisher nicht hinauskommen. Diese Tatsache ist auf den schlechten Unterbau, insbesondere der sibirischen Bahnen, zurückzuführen. Bekanntlich sind diese Bahnen zum grössten Teil in den Jahren 1939–1941 in Rekordtempo angelegt worden, wobei man keine Rücksicht auf einen besonders soliden Unterbau legen konnte. Die Folge davon ist, daß die Bahnen auf diesen wichtigen Strecken in relativ sehr langsamem Tempo fahren müssen. Wie schon berichtet, ist der Passagierverkehr in der Sowjetunion völlig eingeschränkt. Auf den grössten Strecken verkehren nur höchstens 1–2 Züge am Tage. Bei der Wichtigkeit der russischen Bahnen für die Kriegführung hat man die Eisenbahner finanziell sehr gut gestellt. Man sagt, daß sie die bestbezahltesten Arbeiter und kleineren Beamten in der Sowjetunion sind. Ein besonders schwieriges Kapitel sind die sanitären Anlagen und Maßnahmen bei dem Verkehr auf den grossen Strecken. BAB, R 58/223 1

Vgl. Hesse: Der sowjetrussische Partisanenkrieg, S. 280. Diese beträchtliche numerische Stärke resultierte längst nicht nur aus den Reichsdeutschen der KdS-Dienststelle, sondern vor allem aus dort angeworbenen lettischen, litauischen, ukrainischen u. weißrussischen Kräften. 2

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3 Vgl. Angrick/Mallmann/Matthäus/Cüppers: Deutsche Besatzungsherrschaft in der UdSSR 1941– 1945, S. 504 f.; Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 900, 905 mit niedrigeren Angaben. 4 Vgl. ebd., S. 901, 905. 5 Bezeichnenderweise fehlt hier die Differenzierung zwischen „Banditen“ u. „Bandenverdächtigen“. 6 Granatwerfer. 7 In der Praxis bedeutete letzteres das kollektive Todesurteil. 8 In diesem Gebiet kamen im Frühsommer 1943 u. a. die SS-Kav.div. sowie die Restteile der EG D zum Einsatz; vgl. Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 261–269; Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 1019– 1024. 9 Trotz dieser Überschrift behandeln die hier erwähnten Beispiele durchweg Orte im Heeresgebiet Nord.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 5. März 1943 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 44 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandentätigkeit im Bereich des Bfh. dSPudSD Ostland: Am 16. II. wurde unter Führung von SS-O’Gruf. Jeckeln das Unternehmen „Winterzauber“1 im Raum ostwärts Vorzowa– Bigossowo bis zum Ssajanka-Fluss unter Einsatz von 7 Schutzmannschaftsbatl. und 314 Angehörigen dSPudSD durchgeführt. Der Angriff erfolgte in 2 Gruppen. Die erste Gruppe stiess auf der Linie Bigossowo–Usoje nach Norden und die zweite Gruppe auf der Linie Vorzowa–Ssunica nach Süden unter Sicherung der lettisch-russischen Grenze und des Ssajanka-Flusses vor. Treffpunkt beider Gruppen war die Strasse Rossiza–Muschina. Das Ergebnis des Einsatzes dSPudSD war die Unschädlichmachung einer Anzahl lettischer Banditen und Bandenhelfer, ausserdem die Evakuierung von 869 Arbeitsfähigen (einschl. Kinder), die zu den Auffanglagern bezw. bereits nach Salaspils bei Riga in Marsch gesetzt wurden. Weiter sind verschiedene Ortschaften und Einzelgehöfte niedergebrannt und 3 Infanteriemunitionslager vernichtet und 250 Stück Vieh (Pferde, Fohlen, Rinder, Schafe und Schweine) und 50 Pferde mit Schlitten den Sammelstellen zugeführt worden. Bandenlage im Bereich des Kommandeurs dSPudSD Lettland: Die Bandentätigkeit hat im Monat Januar trotz der Unbilden der Witterung und verstärkter Abwehr seitens der Polizei wieder zugenommen. Die Banden sind militärisch ausserordentlich gut ausgerüstet, verfügen über automatische Waffen und Handgranaten, z. T. sogar über Granatwerfer. Sie überschreiten vielfach in Stärke bis zu 300 Mann auf bespannten Schlitten die russische Grenze und dringen in die Grenzkreise Lettgallens ein. Dort teilen sie sich entweder in kleinere Trupps, die einzelne Gehöfte überfallen, oder plündern mit geschlossenen Einheiten systematisch ganze Dörfer. Dabei wird nach militärischen Grundsätzen vorgegangen. Vorhuten, die durch Schneehemden getarnt sind, werden als Erkunder vorgeschickt. Um sich vor Überraschungen durch die Polizei zu schützen, werden um die Dörfer Posten ausgestellt und die Fernsprechleitungen zerschnitten. Um dem überhandnehmenden Bandenunwesen zu steuern, sind mehrere Bataillone der aktiven Schutzmannschaft und ein Teil der Schutzmannschaftsreserve in Lettland zusammengezogen und in den Raum längs der weissruthenischen und russischen Grenze verlegt

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worden. Die Bataillone sind z. T. in Züge aufgeteilt und in einzelnen Orten längs der Grenze zur Unterstützung des Zollgrenzschutzes, dem bisher die Grenzsicherung oblag, stationiert. Trotzdem gelingt es den Banditen, die über ausserordentlich gute Nachrichtenverbindung verfügen, immer wieder durch die vorhandenen Lücken hindurchzuschlüpfen. Die Banditen bedienen sich für ihre Ausspähzwecke in erheblichem Maße der vielfach aus unzuverlässigen, kommunistisch eingestellten Elementen bestehenden russischen Grenzbevölkerung. Es ist daher beabsichtigt, eine Zone längs der Grenze zu schaffen, aus der alle unzuverlässigen Einwohner entfernt und interniert werden. Es wurden von Banditen heimgesucht: a) der Kreis Dünaburg am 3., 4., 8., 9., 17., 18., 20., 22., 23. und 24. Januar 1943 je einmal = 10, am 9. 1. 43 zweimal = 2, b) der Kreis Ludsen am 26. und 28. 12. 1942, 1., 12., 13., 15., 19. und 20. 1. 43 je einmal = 8, 8. 1. und 18. 1. 43 je zweimal = 4, 26. 1. 43 dreimal = 3, c) der Kreis Abrene am 9. und 10. 1. 43 je einmal = 2, d) Kreis Rositten am 8. 1. 43 einmal = 1, e) der Kreis Modohn am 30. 12. 42 und 10. 1. 43 je einmal = 2, 5. 1. 43 zweimal = 2, f) der Kreis Walk am 15. und 18. 1. 43 je einmal = 2 [, insgesamt] 36. In zahlreichen Fällen kam es zu Gefechtsberührungen zwischen den Banditen und den zur Bekämpfung eingesetzten deutschen Polizeikräften bezw. lettischen Schutzmannschaften. Bandentätigkeit im Bereich des Bfh. dSPudSD Ukraine: Zur Vernichtung der militärisch organisierten Grossbande im Gebiet um Lenin (Raum nördlich der Bahnlinie Pinsk–Mikasewitsche) sind am 11. 2. Polizei- und Wehrmachtseinheiten in einer Gesamtstärke von rd. 20 Batl. angetreten. Auch in diesem Fall ist es den Banden zum grossen Teil gelungen, vor der Einkesselung auszuweichen. Der Kern der Bande besteht aus über 4000 gutbewaffneten und straff organisierten ehemaligen Rotarmisten, durchgesetzt von laufend abgesetzten Fallschirmspringern unter Führung des sowjetischen Generalmajors Komarow. Die Restbevölkerung beträgt etwa 12 000 Personen und ist als bandenfreundlich anzusehen. Offenbar als Entlastungsmanöver führten die im Raum westlich und ostwärts von Stolin befindlichen Grossbanden Vorstösse auf die Stadt Stolin sowie auf einige Rayonsitze durch. Es wurden einige Gendarmerieposten überfallen und Brücken und Nachrichtenanlagen in grösserem Ausmaß zerstört. Nach Verlegung stärkerer Polizeiverbände in den besonders gefährdeten Raum ostwärts Stolin sind die Überfälle auf Bahnanlagen und grössere Ortschaften zurückgegangen. Die Banden selbst haben sich in das grösstenteils unwegsame Sumpfgelände zurückgezogen. Z. Zt. liegt der Schwerpunkt der Bandentätigkeit im Raum südlich Pinsk. Die hier schon vor einiger Zeit zu einer Grossbande zusammengeschlossenen Bandengruppen, die vor allem durch Überfall auf die Stadt Dabrowiza (Zerstörung der Bahnanlagen) und Überfall auf den Gendarmerieposten bei Wolodimierz in Erscheinung trat, ist durch eine stärkere Bande aus dem Operationsraum Lenin–Kaiser-See verstärkt worden. Nach den geglückten Überfällen auf die Gefängnisse Pinsk und Dubno im Gen.Bez. Wolhynien-Podolien wurde erneut ein Überfall auf das Gefängnis in Kremenez durchgeführt, der aber abgeschlagen wurde. Das Auftreten kleinerer Banden in unmittelbarer Nähe der Rollbahn Rowno–Shitomir nimmt ständig zu; die Bandentätigkeit beschränkt sich hierbei vorerst noch auf Plünderungen zur eigenen Versorgung. Gegen mittlere Banden wurden Unternehmungen in folgenden Räumen eingeleitet: 1. im Raum nordwestlich Retschitza (westl. Gomel), um die Bahnanschläge zu verringern; Einsatz erfolgt von Gendarmerie und Schutzmannschaften; 2. im Nordteil des Generalbezirks Kiew zwischen Dnjepr und Desna, um die Bande zu vernichten, die besonders im Rayon Oster, Gen.Bez. Tschernigow, und im Rayon Browary, Gen.Bez. Kiew, auftritt; Einsatz erfolgt vom Kdr. dSPudSD Kiew; 3. südlich der Rollbahn Rowno–Zwiahel im Raume um Schepetowka, wo in letzter Zeit die Überfälle stark zunahmen; Einsatz erfolgt von unga-

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rischen Einheiten mit Unterstützung durch Polizei. Bei einem Unternehmen im Jaila-Gebirge wurden eine Anzahl von Banditen, darunter ein Politruk, im Gefecht erschossen, Waffen und Munition erbeutet und das aus 17 Wohnbunkern und 20 Erdhöhlen bestehende Lager zerstört. Terrorgruppen im Bereich des BdS Ukraine: Etwa im September 1942 hatte sich in Simferopol eine Terrororganisation gebildet mit dem Ziel, Sabotage- und Terrorakte auszuführen und zu gegebener Zeit einen bewaffneten Umsturz vorzubereiten. Die Organisation bestand aus etwa 40–50 Personen. Als Führer trat der Student Alexander Polosnik hervor. Polosnik, rumänischer Nationalität, war Ordensträger und Mitglied des kommunistischen Jugendverbandes. Sein Vertreter war der Student Abrikosow, ebenfalls Mitglied des kommunistischen Jugendverbandes. Polosnik und Abrikosow waren bei Sewastopol in Kriegsgefangenschaft geraten. Mit falschen Papieren erreichten sie ihre Einstellung als Schutzmänner des Einzeldienstes. Sie hatten die Absicht, mit Hilfe ihres Anhangs Waffen und Munition sowie Sabotagematerial bereitzustellen, damit zunächst die Polizei zu überwältigen, um dann zum bewaffneten Umsturz überzugehen. Ihr Mithelfer Junus Nigmattullin, der zunächst als Dolmetscher bei der Ortskommandantur, später bei einem Gerätelager beschäftigt war, verschaffte sich ein Dienstsiegel und fertigte gefälschte Ausweispapiere aus. Nigmattullin ist flüchtig. Mit Hilfe der zu der Organisation gehörenden Frauen und Mädchen gelangten solche Papiere auch an eine Zahl von Kriegsgefangenen, deren Namen jedoch nicht mehr ermittelt werden konnten, da sie sich nach ihrer Befreiung der Organisation nicht angeschlossen haben. Diese Frauen und Mädchen waren als Nachrichtenträgerinnen und Hilfsagentinnen in der Hauptsache in solchen Dienststellen untergebracht, in denen Kriegsgefangene beschäftigt wurden. Ihre Aufgabe war, Verbindungen zu diesen Kriegsgefangenen anzuknüpfen, sie für die Organisation zu werben, ihnen durch Beschaffung falscher Papiere zur Flucht zu verhelfen und sie der Organisation zuzuführen. Ein Tatare, der sowohl als Werber, als auch als Instrukteur auftrat, hatte die Frauen und Mädchen zum Mord an deutschen Offizieren und Soldaten aufgefordert. Die Ermordung sollte durch Beifügung von Gift in das Essen erfolgen. Die Beschaffung von Gift war bisher jedoch nicht gelungen. Bezeichnend ist, dass eine Angestellte des SS- und Polizeiführers angesprochen und beauftragt wurde, den SS- und Polizeiführer und seinen Stab zu vergiften. Durch diese Anzeige gelang es, die bis dahin geführten Ermittlungen grundlegend zu erweitern, bisher noch vorhandene Lücken in der Ermittlungsarbeit zu schliessen und durch Ansatz von Agenten den gesamten Personenkreis zu erfassen. Durch eine schlagartig in der Nacht zum 26. 12. durchgeführte Aktion wurde die gesamte Organisation, die teilweise bis an die Südküste verzweigt war, ausgehoben. Wie die Vernehmung ergab, suchte die Organisation auch Verbindung mit Banditen, die im Falle einer Landung der Roten Armee an der Südküste von sich aus einen Angriff auf die Stadt Simferopol durchführen sollten. Die Tatsache, daß die bei deutschen Dienststellen beschäftigten weiblichen Angestellten bei der Beschaffung von falschen Papieren tätig werden konnten, zeigt, daß in erhöhtem Maße Sorge für die Durchführung der Verschlußsachenanordnung getragen werden muss. Ende November 1942 sollte von Akimowka aus ein grösserer Arbeitertransport ins Reich abgefertigt werden. Die Arbeiter waren in einem Sammellager zusammengefaßt, das am Tage vor der Abfertigung von Hunderten von Angehörigen umlagert war, unter denen sich erhebliche Mißstimmung und Unruhe bemerkbar machte. Ein Kommando der Sicherheitspolizei und des SD wurde nach Akimowka in Marsch gesetzt, um an Ort und Stelle Ermittlungen zu führen bezw. im Bedarfsfalle zusammen mit der Gendarmerie bei

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Abgang des Zuges oder bei bestehender Unruhe einschreiten zu können. Zu gleicher Zeit lief bei der Gendarmerie in Akimowka eine Anzeige ein, aus der hervorging, daß in Akimowka zwei Werber für eine Terrorbande tätig waren. Durch sofortiges Zufassen konnten diese Werber festgesetzt werden. Aus ihren Vernehmungen ergab sich, daß in Akimowka und in seiner Umgebung eine grössere Organisation bestehen musste, deren Absicht und Ziele noch nicht bekannt waren. In vierwöchiger, planmäßiger Arbeit wurde die gesamte Bande aufgerollt und ausgehoben. Unter den Mitarbeitern des im Juni 1942 in Genitschewsk der Sonderbehandlung unterworfenen Propagandisten und Flugblattverteilers Kolja befand sich der spätere Gründer der Terrorgruppe Akimowka, Gregor Glasun. Er warb in Akimowka verschiedene Genossinnen und einen Alexander Makarow, den Glasun, der in der Zwischenzeit von der Festnahme seines Auftraggebers Kolja erfahren hatte, mehr und mehr in den Vordergrund schob und der sich in seiner ihm so zugespielten Führerrolle auch gut entwickelte und besondere Aktivität entfaltete. Makarow und Glasun knüpften Verbindung an zu einem ehemaligen Kriegsgefangenen, der von Beruf Radiotechniker war und für die Terrorgruppe einen Funkbetrieb einrichten sollte. Klock wurde von Makarow durch die Drohung unter Druck gesetzt, daß er, Makarow, im besonderen Auftrag eines höheren Offiziers handle und Klock bei Nichterfüllung der Aufträge und bei Rückkehr der Roten Armee erschossen werden würde. Zur Ausführung kam es jedoch nicht, da einzelne Teile zum Zusammenbau des Funkapparates nicht zu beschaffen waren. Im Verlauf der nächsten Monate gelang es Makarow ohne besondere Schwierigkeiten, eine grössere Zahl weiterer Mitglieder beiderlei Geschlechts im Alter von ca. 20 Jahren zu werben, die er in Dreiergruppen zusammenschloss. Im Laufe der Zeit dehnte sich die Terrorgruppe über Akimowka hinaus auf das flache Land aus und zwar vorwiegend in dem Raum zwischen Akimowka und Melitopol. Bezeichnend für die Erfahrungen in der illegalen Arbeit, die die verhältnismäßig jungen Führer der Terrorgruppe Akimowka besaßen, ist der Umstand, daß sie sehr geschickt bei den einzelnen Gruppen vorzutäuschen wußten, von einer höheren zentralen Führung Anweisungen zu erhalten. Diese Führung existierte in Wirklichkeit nicht. Verantwortlich für den Aufbau und die Führung der Organisation war ausschliesslich eine kleine Führergruppe, an deren Spitze sich Makarow gestellt hatte. Um vor Überraschungen geschützt zu sein und um der Bande den Anstrich einer grösseren Organisation zu geben, erfand Makarow ein Wort- und Zahlensystem, nach dem sich die einzelnen Gruppen unerkannt untereinander verständigen sollten. Als Parole tauchten die Stichworte „Stern“, „Funke“ und „Flamme“ auf. Diesen Stichworten wurden vierstellige Zahlen beigefügt, die von Fall zu Fall wechselten, z. B.: „Flamme 20/26“. Wenn auch eine zentrale Führung nicht vorhanden war, mindestens nicht nachgewiesen werden konnte, so ist doch wahrscheinlich, daß einige führende Personen schon vor Ausbruch des Krieges oder während des Krieges eine besondere Schulung erhalten haben, da sich in bezw. bei Akimowka eine Agentenschule des NKWD befand und in Akimowka selbst eine Schulungsstätte des Komsomolverbandes. Akimowka galt schon früher als Hochburg des Bolschewismus im Gebiet Melitopol. Diese Voraussetzungen begünstigten das schnelle Anwachsen der Organisation und insbesondere der Stammgruppe, die in kürzester Frist auf 54 Mitglieder stieg. Über Führerund Stammgruppe hinaus hatte sich ein Kreis von rd. 150 Mitwissern gebildet, die das Vorgehen der Terrorgruppe duldeten und durch mehr oder weniger grössere Beihilfe förderten. Es ist kaum ein Fall bekannt geworden, in dem zur Mitarbeit aufgeforderte Personen die Bereitwilligkeit zuerst vermissen liessen. Es besteht auch kein Zweifel, daß die

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Organisation in kürzester Zeit zahlenmäßig auf das Vielfache angewachsen wäre, da in dem bearbeiteten Gebiet noch zahlreiche Aktivisten und Funktionäre vorhanden waren, die sich zweifelsohne der Organisation angeschlossen haben würden. Das Ziel der Gruppe war: 1. Beseitigung der deutschen Polizeikräfte, 2. Beseitigung der einheimischen Hilfspolizei, 3. Bewaffnung der unzufriedenen Elemente mit den erbeuteten Waffen, 4. Organisierung eines Aufstandes. Sollte die Aktion mißlingen, so hätten sich die Mitglieder zur roten Front durchzuschlagen, deren Vorrücken in Kürze erwartet würde. Als Vorbereitung für die geplante Aktion waren kleinere Waffenlager angelegt worden. Zahlreiche Infanteriewaffen, Pistolen, Handgranaten, über 7000 Schuss Munition, die z. T. aus einem notgelandeten deutschen Flugzeug entwendet wurde, wurden sichergestellt. Die Führer der Organisation hatten es verstanden, sich durch einen ehemaligen Kriegsgefangenen, der als Lazarettgehilfe in einem deutschen Lazarett in Melitopol tätig war, Gift zu besorgen, mit dem führende Persönlichkeiten in Melitopol beseitigt werden sollten. Sie hatten ferner einen Angehörigen der Hilfspolizei geworben, der als Wachmann im Polizeigefängnis tätig war und der im gegebenen Augenblick die Gefangenenbefreiung durchführen sollte. Im Zuge der Aktion wurden insgesamt 1807 Terroristen, Funktionäre und Aktivisten und sonstige untragbare Elemente festgenommen. Hiervon wurden die wichtigsten der Sonderbehandlung zugeführt, die übrigen in Arbeitserziehungslager eingeliefert. Eine Anzahl befindet sich noch im Gefängnis Melitopol. Fallschirmspringer, Sabotage usw.: In Kiew wurde eine Gruppe sowjetischer Fallschirmspringer festgenommen, die, mit einem Flugzeug von Moskau kommend, in der Gegend von Putschtscha-Woditza abgesprungen war. Sie hatte den Auftrag, die Stärke deutscher Militäreinheiten und deren Unterkünfte festzustellen und den zerschlagenen Komsomolapparat in Kiew neu aufzubauen und zu organisieren. Sämtliche Personen waren mit gefälschten Pässen und Bescheinigungen versehen; ihre Ausrüstung bestand aus 24 000 RM in Reichskreditkassenscheinen, 2 Mauserpistolen mit 400 Schuss Munition, 4 Eierhandgranaten, 1 kompletten Sende- und Empfangsgerät sowie Lebensmitteln und Kleidung. Ein Teil des Geldes sowie das Sendegerät wurden sichergestellt. Unbekannte Täter versuchten unter Verwendung eines mit Blech umkleideten, mit Telefonkabel verschnürten, etwa 12 kg schweren Sprengkörpers einen Sprengstoffanschlag auf die Uniformwerke in Wilna durchzuführen. Infolge rechtzeitiger Entdeckung konnte die bereits glimmende Zündschnur entfernt und damit eine Explosion verhütet werden. Da als Verpackungsmaterial polnische Zeitungen verwendet wurden, kommen als Täter vermutlich Polen in Frage. In Dorogobusch wurde ein bei der dortigen Eisenbahnverwaltung beschäftigter Russe festgenommen, der dabei betroffen wurde, als er die Schrauben einer Weichenstellvorrichtung löste. Auf der Fahrt zwischen Kiew und Fastow explodierten in der Feuerbuchse einer Lokomotive mehrere Sprengkörper, die der Kohle beigemischt waren. In KamenezPodolsk, Kdr.-Bereich Rowno, wurden 6 Ärzte festgenommen, weil sie sich geweigert hatten, Fleckfieberkranken ärztlichen Beistand zu leisten und sie zudem durch Ausstellung unwahrer Untersuchungsatteste den Arbeitseinsatz sabotiert hatten. Bei dem Brand eines in der Gemeinde Wärska der deutschen Wehrmacht zur Verfügung gestellten Pferdestalls kamen 25 Pferde in den Flammen um, während 11 leichtere Brandverletzungen davontrugen. Es wird vermutet, daß in dem Stall beschäftigte russische Kriegsgefangene als Täter in Frage kommen. 3 Mitglieder einer Sabotageorganisation, die Brückensprengungen durchgeführt und Getreideschober vernichtet hatten, wurden in Tschernigow festgenommen. Die Festnahme 13 weiterer, namentlich bereits bekannter Personen steht be-

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Nr. 27: Antipartisaneneinheit Dirlewanger

vor. In der Munitionskammer einer Unterführerschule für fremdländische Schutzmannschaften in Moliew entstand eine Explosion, wodurch 2 Angehörige der Ordnungspolizei sowie ein Ukrainer getötet und erheblicher Sachschaden verursacht wurden. Bisher unbekannte Täter haben in einer Instandsetzungswerkstatt in Kiew sämtliche Kabel eines Beutegeschützes zerschnitten und dadurch die elektrische Gesamteinrichtung vernichtet. An einem anderen Geschütz wurde das Getriebe der Höhenrichtmaschine durch feinen Sand verunreinigt. Im Laufe der Monate November/Dezember 1942 wurde eine im Betriebe des Umspannkraftwerkes „Dnjeprenergie“ in Saporoshje im Entstehen begriffene illegale KP-Organisation, die unter der Führung des Ingenieurs Andrej Andrejewitsch Michailenko stand, aufgedeckt und durch die Festnahme ihrer Mitglieder völlig zerschlagen. Die Organisation beabsichtigte, durch Neuwerbung zuverlässiger Mitglieder, Beschaffung von Waffen, Munition und Sprengstoffen, Bildung einer Terrorgruppe für Überfälle auf Munitionslager und Beseitigung unzuverlässiger Mitglieder, Beschaffung eines Radioapparates zur Information über die militärische Lage und Weiterverbreitung bolschewistischer Nachrichten und durch Verbindungsaufnahme mit anderen Organisationen und Kriegsgefangenen, die sie zur Flucht verhelfen und zu gegebener Zeit mit ihnen gemeinsam einen bewaffneten Aufstand durchführen wollten, in Tätigkeit zu treten. 20 kg Sprengstoff und 5000 Schuss Gewehrmunition wurden sichergestellt. Lettische Widerstandsbewegung: Ende Januar ist es gelungen, eine illegal arbeitende Organisation, die sich „Freies Lettland“ (Briva Latvija) nennt und sich überwiegend aus Studenten rekrutiert, auszuheben. Bisher wurden über 20 Personen, Studenten aller Fakultä-

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ten und meist Träger bekannter Namen festgenommen. Unter ihnen befindet sich der 21-jährige Sohn des Generals Grossbart, der 22-jährige Sohn des Obersten Neimanis und die 23-jährige Tochter des Rechtsanwalts und lettischen Schachmeisters Melnbardis. Die von Grossbart jun. vor etwa 1 Jahr gegründete Organisation stellt erst eine Keimzelle dar und hat anscheinend noch keine grösseren Kreise umfaßt, obwohl alle Vorkehrungen für eine verstärkte Mitgliederwerbung getroffen waren. Die Mitglieder wurden in Aktivisten, Reservisten und fördernde Mitglieder eingeteilt. Jedes Mitglied erhielt eine Decknummer. Es waren Statuten entworfen worden, die jedem Mitglied ausgehändigt wurden. Ferner wurde eine illegale Zeitung mit dem Titel „Dies Land ist unser“ (Ta Zeme ir Musu) herausgegeben, die aber nur den Mitgliedern zugänglich gewesen sein soll. Das Material für die Zeitung wurde von den verschiedenen Mitgliedern und einem besonders hierfür eingesetzten Nachrichtensammler beschafft. Diesen Posten hatte anfänglich Neimanis inne; er wurde aber, da er nicht aktiv genug war, durch den Stud.jur. Abolinsch abgelöst. Die Zeitung wurde von der Studentin Melnbardis auf der Schreibmaschine vervielfältigt. Die Statuten enthalten genaue Ausführungen über Sinn und Zweck der Organisation, Verhaltungsmaßregeln für die illegale Arbeit, Anweisungen über die Art der Nachrichtensammlung und Anweisung über den Umgang und Versteck von Waffen. Danach dürfen Waffen vorläufig nicht in der Wohnung aufbewahrt oder mit sich geführt werden; sie müssen an einem sicheren Ort aufbewahrt werden, da zunächst erst die Entwicklungsperiode angebrochen sei. Die Waffen dürfen erst bei Beginn der aktiven Widerstandsperiode gegen die Okkupationsgewalt in Anwendung gebracht werden. Der bewaffnete Aufstand hat als Vorbote der Erneuerung des lettischen Staates zu gelten. Es handelt sich bei den Angehörigen der Organisation um typisch chauvinistisch verhetzte Angehörige der lettischen Intelligenz. Die Festnahmeaktionen wurden in der Nacht vom 26. zum 27. 1. und vom 3. zum 4. 2. durchgeführt. Die Organisation hat eine sehr geringe Mitgliederzahl, da nur zuverlässige Leute aufgenommen wurden und man sehr vorsichtig zu Werke ging. Die Festnahme hat in den Kreisen der lettischen Gesellschaft und Studenten grosses Aufsehen erregt. B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung der Bevölkerung im Generalkommissariat Lettland: Soweit hier Meldungen bis in die Mitte des Monats Februar hinein vorliegen, hat sich innerhalb der lettischen Bevölkerung stimmungsmäßig eine erhebliche Auflockerung gezeigt. Bedingt durch das Näherrücken der Front an die lettische Grenze kam nach aussen hin die Gegensätzlichkeit zur deutschen Herrschaft nicht mehr so stark zum Ausdruck, da das Bewusstsein der gemeinsamen Interessen sich verstärkt hat. Es handelt sich dabei aber weniger um ein Gefühl der Schicksalsgemeinschaft, als um das langsam aufkommende Bewußtsein, dass für das lettische Volk die deutsche Herrschaft das kleinere Übel darstelle als es ein erneuter Einbruch des bolschewistischen Regimes sein würde. Trotz allem kann man kaum ein Abgehen von den Forderungen und Ansprüchen feststellen. Bedingt sind sie durch die militärischen Ereignisse zu Beginn des Jahres. Überhaupt bilden die militärischen Ereignisse das Hauptgesprächsthema aller lettischen Bevölkerungsschichten und stehen im Vordergrund des Interesses. Die Wehrmachtsberichte, die den Ernst der Lage an der Front nicht verkennen liessen, führten zu einer gedrückten und nervösen Stimmung, die teilweise sogar in Pessimismus ausartete. Russische Teilerfolge in der Nähe des Generalkommissariates haben dazu geführt, dass bolschewistisch gesinnte Volkskreise versuchten, die Stimmung der übrigen Bevölkerung, besonders der dem Bolschewismus fernstehenden Arbeiter, deutschfeindlich zu beeinflus-

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sen. Diese Kreise verbreiteten das Gerücht, die deutschen Truppen würden im nördlichen Abschnitt der Front bis zur Reichsgrenze zurückgehen. Die Bolschewisten würden dann bei ihrem Vormarsch die nationalen Letten ausrotten, was den Deutschen nur recht sein würde. Deutschland hätte dann den Plan, den lettischen Raum noch einmal in Besitz zu nehmen und zwar diesmal ohne das lettische nationale Element. Während so von bolschewistischer Seite versucht wird, das Verhältnis der Nationalisten zu den Deutschen weiter zu trüben, sucht der nationalistische Sektor wieder etwas mehr Anlehnung und ist eher wieder zu einer Zusammenarbeit bereit. Diese Kreise wollen, wenn sie auch die Meinung vertreten, dass die Neuordnung Europas nicht unbedingt durch Deutschland erfolgen müsste, doch keinesfalls von einer erneuten Herrschaft des Bolschewismus hören. Bei diesen Erörterungen spielt dabei die Frage eine Rolle, was aus Lettland würde, falls der Bolschewismus wieder die Herrschaft ergreife, wobei die Meinungen auch darüber geteilt sind, ob man lieber in die Wälder gehen oder sich kämpfend dem Bolschewismus entgegenstellen solle. Jeder, auch kleinste Erfolg der Bolschewisten löste neue Depressionen bei der Bevölkerung aus und gab Anlass, die Lage an der Front mit schwärzesten Farben zu malen. Wehrmachtsmeldungen über planmäßige Rückzugstaktik und bewegliche Kriegsführung werden den früher von deutscher Seite glossierten Meldungen über die „siegreichen Rückzüge“ der Engländer entgegengestellt. Erfolge der Russen, die Einführung der alten zaristischen Dienstränge und Orden in der bolschewistischen Armee liessen die Annahme aufkommen, dass die Rote Armee ihren bolschewistischen Charakter verloren hätte und ihre Führung an England bzw. Amerika übergegangen sei, so dass bei einem evtl. Einmarsch der Bolschewisten Amerika und England den Schutz der baltischen Staaten übernehmen würden. Auch in der Berichtszeit war Schweden wieder der Ausgangspunkt gewisser Hoffnungen auf die Rückgewinnung der Eigenstaatlichkeit der baltischen Länder. Ebenso wie in den Städten ist auch auf dem Lande eine beängstigende Stimmung infolge der wechselnden Frontlage entstanden. Sorgen um den täglichen Lebensbedarf und die zur Bewirtschaftung des Landes notwendigen Gebrauchsgegenstände beeinflussen die Stimmung der Bauern nach wie vor. Zu alledem kommt noch eine grosse Überlastung durch Hand- und Spanndienste sowie das Fehlen von rund 50 v. H. der früheren Arbeitskräfte. Die Haltung der Landbevölkerung gleitet anscheinend immer mehr in das chauvinistische Fahrwasser ab. Man kann bereits fast von einer gemeinsamen Front der Landbevölkerung sprechen, wobei zum Ausdruck gegeben wird, dass man froh sei, von den Bolschewisten befreit zu sein, doch auch im neuen Europa mit einem wenig erfreulichen Schicksal rechne. Kommunistisch orientierte Kreise auf dem Lande erhielten durch die Frontereignisse starken Auftrieb, hoffen auf die Rückkehr der Bolschewisten und machen vielfach auch nach aussen hin daraus kein Hehl. Es ist sogar vorgekommen, dass in geschlossenen Kreisen anlässlich der russischen Erfolge zum Teil regelrechte Siegesfeiern abgehalten wurden. Volkstum: Verhältnis lettische Volksgruppe – russische Volksgruppe: Die Gegensätze zwischen den Letten und der russischen Volksgruppe in Lettland haben eine Verschärfung erfahren. Insbesondere macht sich eine zunehmende Spannung in dem östlichen Gebiet Lettlands – Lettgallen – bemerkbar. Die Russen sind die grösste Minderheit in Lettland (Bei einer Gesamtbevölkerung von 1,8 Millionen gibt es etwa 235 000 Russen). Die Bestrebungen der Letten zielen immer mehr darauf hin, die Russen sowohl wirtschaftlich auszuschalten, wie politisch zu diskriminieren. Die Angriffe der Letten erfolgen hauptsächlich in der Form, dass die russische Volksgruppe einerseits in ihrer Gesamtheit als

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Anhänger des Bolschewismus hingestellt wird. Andererseits wird versucht, die Russen aus den ihnen noch verbliebenen Wirtschaftsstellen zu entfernen, um dadurch den russischen Einfluss auszuschalten und die Leitung der einheimischen Wirtschaft – soweit sie sich nicht in reichsdeutschen Händen befindet – ganz zu übernehmen. Als Auswirkungen dieser Bestrebungen der Letten macht sich in den russischen Kreisen immer mehr ein Zusammenschluss der verschiedenen Richtungen und Parteien bemerkbar. Auch die konfessionellen Gegensätze innerhalb des Russentums (Altgläubige und Rechtgläubige) haben an Schärfe verloren. Die Russen sehen eine systematische Unterdrückung seitens der Letten als eine Bedrohung ihrer Volksgruppe an und setzen dieser Gefahr einen einheitlichen Widerstand entgegen. Zu der Behauptung der Letten, mit der sie ihre ablehnende Haltung gegenüber der russischen Volksgruppe zu begründen versuchen, dass sämtliche Russen mehr oder weniger Anhänger des Bolschewismus seien, kann folgendes gesagt werden: Der grösste Teil der Russen in Lettgallen besteht aus einfachen Arbeitern und Bauern. Diese breite Masse empfindet und versteht den Bolschewismus nicht als eine internationale, dem Russentum feindliche Weltanschauung. Sie sieht in dem Kampf im Osten die nationale Auseinandersetzung zwischen dem Reich und Russland. Da seitens der bolschewistischen Propaganda – besonders in letzter Zeit – dieser Krieg als eine nationale Auseinandersetzung hingestellt wird und in allen Aufrufen Russen zum gemeinsamen Kampf gegen den deutschen Eindringling aufgefordert werden, sehen die Russen in der Sowjetarmee häufig nicht das Werkzeug der bolschewistischen Internationale, sondern nationale Verteidiger Russlands und des russischen Volkes. Der verstärkte Widerstand der Sowjetarmee und die letzten Erfolge derselben werden als ein Zeichen der Stärke der bolschewistischen Wehrmacht empfunden und heben das Selbstbewusstsein und den Nationalstolz der breiten Masse der in Lettgallen ansässigen Russen. Hinzu kommt, dass die Bestrebungen der Letten bei den Russen das Gefühl erwecken, in Lettland unterdrückt zu werden. Ein Einmarsch der Sowjetarmee in Lettland würde somit auch eine Befreiung der dortigen russischen Volksgruppe durch ihre russischen Brüder herbeiführen. Daraus ist teilweise auch die Unterstützung der sowjetischen Banden in Lettgallen zu erklären. Um zu verhindern, dass derartige Anschauungen an Raum gewinnen, ist es eine dringende Notwendigkeit, dass die russische Volksgruppe in ihrer Gesamtheit von deutscher Seite betreut und propagandistisch bearbeitet wird. Bisher wurde in dieser Richtung so gut wie gar nichts getan. Ausser dem in Berlin erscheinenden Blatt „Nowoje Slowo“ (Das neue Wort), welches nur in Riga in sehr beschränktem Umfange erhältlich ist, die Verhältnisse in Lettland gar nicht berücksichtigt und nur in wenigen Exemplaren der russischen Intelligenz zugängig ist, erscheint in Riga eine russische Wochenzeitschrift „Nowoje Putj“ (Neuer Weg). Diese Zeitschrift muss sowohl ihrem Inhalt als auch ihrer Aufmachung nach als recht minderwertig angesehen werden. Sie entspricht keineswegs der russischen Mentalität. Da der weitaus grösste Teil der Russen kaum Lettisch und schon gar nicht Deutsch versteht, sind die Russen ganz der bolschewistischen Propaganda ausgesetzt, die sehr geschickt und aktiv arbeitet. Es wäre darum das Zweckmäßigste, wenn eine grosse russische Zeitung herausgebracht würde, die den örtlichen Verhältnissen und Problemen Rechnung trägt. Diese müsste nicht in Riga, sondern in Dünaburg erscheinen. Dadurch würde gewährleistet, dass die in Lettgallen siedelnden Russen nicht einseitig dem sowjetischen Einfluss ausgesetzt sind, sondern von deutscher Seite aus propagandistisch erfasst und betreut werden. Wirtschaftliche Lage im Generalbezirk Lettland: Wiederherstellung des Privateigentums

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im Ostland: Zur Verordnung des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete vom 18. 2. 1943 über die Wiederherstellung des Privateigentums im Ostland liegen bisher aus Lettland folgende Stimmungsäusserungen vor: Obgleich es sich bei dieser Verordnung um eine Maßnahme handelt, die für das politische und wirtschaftliche Gefüge der baltischen Staaten von weittragender Bedeutung ist, hat die Veröffentlichung unter der einheimischen Bevölkerung – soweit die Stimmungsäusserungen bisher erfasst werden konnten – eine kühle Aufnahme gefunden. Die Letten sind – vorliegenden Meldungen zufolge – der Auffassung, dass die Wiederherstellung des früheren Eigentums seitens des deutschen Hoheitsträgers kein Entgegenkommen oder Anerkennung bedeutet, sondern eine Selbstverständlichkeit sei. Man hört die Aussprüche, „dass diese Maßnahme eine verdammte Pflicht und Schuldigkeit wäre“, und „die Deutschen hätten das sowieso machen müssen“. Eine Änderung des zur Zeit bestehenden Zustandes würde nicht erfolgen, da doch die früheren Eigentümer, soweit es sich um den ländlichen und städtischen Besitz handelt, schon seit einiger Zeit als Nutzniesser und Verwalter ihres früheren Besitzes eingewiesen worden seien. Man ist ferner der Auffassung, dass die Verordnung beim augenblicklichen Zeitpunkt nicht freiwillig durchgeführt worden ist, sondern durch die Frontereignisse bedingt erfolgt sei. Das Interesse der Letten wendet sich weniger der Tatsache der Reprivatisierung zu, sondern vor allen Dingen der Form der Durchführung. C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR Wie verschiedene Meldungen besagen, scheint das Mißtrauen der Sowjetregierung den englischen und amerikanischen Alliierten gegenüber unverändert zu sein. Auch in Ankara ist das Gerücht aufgetaucht, die Sowjets mißtrauen der englischen Politik im Vorderen Orient. Von der „New York Post“ wurde in diesem Zusammenhang der Vorschlag gemacht, einen britisch-amerikanisch-chinesisch-sowjetischen Vertrag auf die Dauer von 20 Jahren abzuschliessen. Bisher ist nicht bekannt, ob diese Frage schon Gegenstand diplomatischer Verhandlungen gewesen ist. Die Entsendung einer sowjetischen Militärmission unter Leitung von Timoschenko nach den USA wurde von sowjetischer Seite als nicht zutreffend mit der Bemerkung zurückgewiesen, daß auch in Zukunft eine Entsendung derartiger Kommissionen nicht beabsichtigt sei. Im Nahen Osten macht sich eine verstärkte sowjetische Tätigkeit bemerkbar. Es wird darauf hingewiesen, daß die kürzlich in den arabischen Ländern eingerichteten sowjetischen Vertretungen Funktionen zu erfüllen hätten, die in diesem britischen Interessengebiet der Vertiefung sowjetischen Einflusses dienten. Die Fäden dieser Tätigkeit liefen beim sowjetischen Gesandten Winogradow in Ankara zusammen. Dieser entwickelte eine rege Tätigkeit und scheine bemüht zu sein, die türkische Regierung zu bewegen, einen Sonderbeauftragten nach Kuibyschew zu entsenden. Eine offizielle Anfrage der Sowjets über die Ergebnisse der Konferenz von Adana bei der türkischen Regierung sei bisher nicht erfolgt. Das Verhältnis der Sowjetunion zu Schweden ist z. Zt. gespannt. Die Sowjetgesandtschaft in Stockholm wurde wegen des Ende Dezember 42 erfolgten Anschlages auf den „Tass“-Vertreter beim schwedischen Auswärtigen Amt vorstellig. Dieser Schritt hatte den Erfolg, daß sich die schwedische Polizei für den durch Polizeimitglieder veranlaßten Vorfall entschuldigte, im übrigen aber die Fahndungen einstellte. Verschiedene Vorführungen sowjetischer militärischer Filme wurden in Schweden verboten. In der Weltpresse wird z. Zt. nach den sowjetischen Erfolgen der Winteroffensive über das Problem der Zusammenarbeit mit der UdSSR nach dem Kriege eingehend diskutiert. Die Besetzung der baltischen Staaten durch die UdSSR sei von den USA nie anerkannt worden. Der Mitte Februar in der „Prawda“ erschienene Artikel, nach dem die UdSSR darauf besteht,

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die Grenzen vor Ausbruch des deutsch-sowjetischen Krieges – mit evtl. Ausnahme Ostpolens – beizubehalten, wird mißbilligend kommentiert. Die verschiedenen Emigrantenregierungen in London entfalten, angeregt durch diese Diskussionen, eine starke politische Aktivität. Die „Tschechoslowakische Regierung“ habe angeblich von der UdSSR bezüglich der Wiederherstellung der alten Grenzen aus der Zeit vor München eine Garantie erhalten. Die „Polnische Regierung“ bemühe sich, der UdSSR ihre Ergebenheit und Bereitschaft zur Zusammenarbeit während des Krieges und zu guten nachbarlichen Beziehungen nach dem Kriege zu bekunden. Offenbar erhoffe sie, auch damit eine Präzision der sowjetischen politischen Zielsetzungen gegenüber Polen zu erreichen. Hinsichtlich Jugoslawien findet die sowjetische Protestnote betreffend Michailowitsch, der der Zusammenarbeit mit den Achsenmächten beschuldigt wird, starke Beachtung. Die Exilregierung habe sich zwar dagegen verwahrt, von englischer Seite werde jedoch diese Situation als sehr schwierig angesehen, da Michailowitsch bisher von seiten der Alliierten stets das größte Vertrauen entgegengebracht wurde. Die Lage im Inneren der UdSSR wird durch das Auftreten des Sekretärs des Moskauer Ausschusses der kommunistischen Partei Schtscherbak gekennzeichnet, der in scharfen Worten die schlechte Organisation in den Kohlenbergwerken, das Fehlen einer festen Staatsdisziplin und die gleichgültige Stimmung kritisiert. Ein aus Moskau zurückgekehrter Diplomat erklärte, der Heizstoffmangel in Moskau sei so gross, daß alle Moskauer Schulen, ausser der grossen Leninschule, geschlossen seien. Die öffentlichen Verkehrsmittel könnten nur mit Sonderausweisen benutzt werden. Der Bevölkerung fehle es völlig an warmer Kleidung, und die Frauen gingen in leichten Kleidern bei kältester Witterung zum Arbeitseinsatz. Die Preise für die wichtigsten Lebensmittel stiegen ständig. Trotz der offenbaren Mangellage in allen Zweigen der Hauswirtschafts- und Bekleidungsindustrie werden z. Zt. in der ganzen UdSSR ausgedehnte Sammelaktionen für die Bevölkerung der zurückeroberten Gebiete organisiert, in denen an die „moralische Einheit des sowjetischen Volkes“ appelliert wird. Diese und andere Hilfsaktionen für die zurückeroberten Gebiete werden von der Sowjetpropaganda mit grösstem Aufwand als besondere Leistungen des Staates propagiert. Auch die Sorge der Sowjetregierung um das Gesundheitswesen im Hinterland, um die Familien und besonders die Kinder der Frontkämpfer wird z. Zt. stark von der sowjetischen Propaganda unterstrichen. Stimmungsmäßig hat sich der Vormarsch der Roten Armee in weitesten Kreisen der Bevölkerung sehr stark ausgewirkt. Nach dem Fall von Charkow z. B. soll sich ganz Moskau in einem Freudentaumel befunden haben. Nach der Verlangsamung des sowjetischen Vormarsches bemüht sich die Sowjetregierung, die stimmungsmäßigen Auswirkungen in der Bevölkerung einzuschränken. Zum 25. Jahrestag der Roten Armee erklärte der stellvertretende Kommissar für die Verteidigung, es sei geradezu verbrecherisch anzunehmen, der Gegner habe durch die sowjetischen Erfolge viel von seiner ursprünglichen militärischen Stärke eingebüßt. Von einem Triumpfmarsch der Roten Armee dürfe nicht geredet werden. An anderer Stelle wird behauptet, die Deutschen bauschten mit Absicht die sowjetischen Erfolge auf, um anderen Völkern mit den Siegen der Roten Armee einen Schrecken einzujagen. Seit Mitte Februar 1943 sind folgende Erlasse und Verfügungen der Sowjetregierung bekannt geworden: Bei der Behandlung der Bevölkerung der zurückeroberten Gebiete ist ein genauer Unterschied zu machen zwischen Personen, die für die Deutschen in Ausführung ihres normalen Berufes arbeiteten und jenen, die Verräterdienste leisteten. Die erste Kategorie werde weiterhin als loyale Sowjetbürger angesehen; die zweite dagegen hätte entsprechende Maßnahmen zu gewärtigen. Zum Marschall der

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Sowjetunion wurde General Wassiljewski ernannt. Die neuen Achselstücke und Rangabzeichen sind auch in der Roten Marine mit Wirkung vom 18. 2. 43 eingeführt worden. BAB, R 58/224 1 Vgl. Angrick/Mallmann/Matthäus/Cüppers: Deutsche Besatzungsherrschaft in der UdSSR 1941– 1945, S. 525 f.; Ruth Bettina Birn: „Zaunkönig“ an „Uhrmacher“. Große Partisanenaktionen am Beispiel des „Unternehmens Winterzauber“, in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 60(2001), S. 99–118.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 12. März 1943 [Stempel: Geheim]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 45 […] A. Gegner und Exekutivfragen Greueltaten durch Banditen in Lettland: Die Stadt Leltschitzy wurde von Banditen überfallen, nachdem bereits Tage vorher durch Anruf bei dem Kommissariat den Reichsdeutschen empfohlen worden war, sich ohne Kampf zu ergeben; es würde ihnen nichts geschehen. Als der Angriff erfolgte, wurden die Angehörigen des Kommissariats, der Gendarmerie und das im Ort befindliche Pionierkommando sofort alarmiert und die Verteidigung mit allen verfügbaren Kräften aufgenommen. Über die Dauer des Kampfes im Orte selbst liegen keine genauen Angaben vor. Fest steht, dass die Deutschen bis zur letzten Patrone gekämpft hatten, dann von den Banditen infolge der Überzahl einfach überlaufen wurden. Die den Banditen in die Hände gefallenen Deutschen und Letten sind bei lebendigem Leibe in der fürchterlichsten Weise gequält worden. So wurde eine reichsdeutsche Stenotypistin bis auf die Strümpfe entkleidet vor dem Kommissariat in einer Arm- und Beinstellung vorgefunden, die darauf schliessen lässt, dass sie kurz vor ihrem Tode vergewaltigt worden ist. Auch zeigte die Haut des gesamten Körpers, dass sie ins Feuer geworfen wurde. Auch andere Leichen wurden in gekrümmter Schmerzstellung und mit Brandmerkmalen vorgefunden. Zwei tote Letten waren in der grauenhaftesten Weise verstümmelt. Es fehlte die ganze vordere Körperhälfte, und die Eingeweide waren blossgelegt. Viele der deutschen Pioniere wiesen einen Stich durch den Hals auf; bei anderen war der Kopf vollkommen deformiert. Der Kraftfahrer des Arbeitsamtes lag mit vielen Stich- und Schusswunden im Graben. Die Banditen hatten die Leichen entkleidet; die meisten wurden nur noch in der Unterwäsche vorgefunden. Die Stiefel waren allen ausgezogen worden oder mussten vorher von ihnen selber ausgezogen worden sein. Ein gleiches Blutbad ist unter den verwundeten Pionieren in deren Unterkunftsgebäude angerichtet worden. Bei den aufgefundenen Leichen zeigten sich wieder Deformierung der Schädel und viele Stichwunden ausserhalb der bereits angebrachten Verbände. In den Trümmern des verbrannten Gendarmeriegebäudes fanden sich Reste eines Schädels und der Wirbelsäule und Rippen einer sonst vollkommen verbrannten Leiche. Weiter wurden vier Leichen von Pionieren entdeckt, die offenbar mit einer Handgranate getötet worden sind. Bei dem Überfall sind sehr viele Gebäude, u. a. die der Gendarmerie und des Kommissariats sowie Fabriken, von den Banditen in Brand gesteckt worden. Bandenbekämpfung im Bereich der Einsatzgruppe B im Laufe des Monats Januar: Das Unternehmen „Franz“ 1 ist zwischen dem 7. u. 11. 1. durchgeführt worden. Es war gerichtet

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gegen eine militärisch geleitete, in drei Hauptlagern untergebrachte Grossbande im Raume Pirunoff–Most–Wesseloff–Grodsjanka–Kolejna in einer Gesamtstärke von ca. 2000– 2500 Mann. Die Hauptbande stand als sog. Brigade unter Führung des Kommissars Tichomirow und war in 9 Abteilungen gegliedert. Wie erst im Laufe der Aktion bekannt wurde, hatte bereits am 6. 1. ein Unternehmen der Wehrmacht gegen einen Hauptstützpunkt der Banditen bei Kamenitschi stattgefunden. Trotz schlechter Schnee- und Wegeverhältnisse gelang es, einen engen Kessel um die Bandenlager zu bilden. Nach Angaben von Einwohnern und Gefangenen hat das Erscheinen von Panzern besonders lähmend auf die Widerstandskraft der Banden gewirkt. Durchbruchsversuche der Banditen wurden im Nahkampf vereitelt. In mehreren Ansätzen wurden die Kessel eingeengt und die Lager der Banden nacheinander bis zur Bereinigung des ganzen Kessels ausgehoben. Unter den 1400 Feindtoten befanden sich zwei nach Rangabzeichen und Ausrüstung erkenntliche Kommissare. Das besonders bandenverseuchte Dorf Brizalowitschi wurde abgebrannt, 900 Bandenhelfer erschossen. Erbeutet wurden ausser einem Geschütz 4,62 2 Pak, 2 schwere Granatwerfer, 2 sMG, 9 lMG, verschiedenes Kriegsmaterial, 140 Pferde, zum Teil mit Sattelzeug. In dem Gebiet wurde zahlreiches Vieh, darunter 2020 Stück Rindvieh, sichergestellt. Ferner wurden 1137 Arbeitskräfte erfasst. Die eigenen Verluste betrugen: 10 Tote, 14 Verwundete, 1 Vermisster. Auf Befehl des Pz.AOK 2 hat der in Lokot stationierte Stab Rübsam in der Zeit vom 15. bis 24. 1. im Raum Dmitriwsk–Dmitrijew–Michailowka das Unternehmen „Eisbär I, II und III“ 2 gegen die Bandengruppe Panschenko durchgeführt. Das SK 7b beteiligte sich an der Erkundung und bewaffneten Aufklärung mit 24 Mann und konnte wertvolle Ergebnisse über Stärke, Standort und Bewaffnung der Banden erzielen. Die Gruppe Rübsam bestand aus deutschen Einheiten (Jagdbataillon) und Milizeinheiten Kaminskis3. Sie hatte eine Gesamtstärke von ca. 2800 Mann. Die Banditen waren etwa 3000 Mann stark. Bei der Aktion gelang zwar die restlose Zerstörung der Wohn-, Kampf- und Lebensmittelbunker (etwa 120 Stück), die Banden selbst konnten sich in die Waldgebiete zurückziehen und waren nicht mehr zu fassen. Im Rayon Jerschitschi wurde am 29. 1. 43 ein Unternehmen gegen die Bande des sowj. Oberstleutnants Korotschenko im Waldgebiet ostwärts der Strasse Grjasenjat–Jerschitschi durchgeführt. Die eigenen Kräfte betrugen 2660 Mann. Das SK 7c war an diesem Unternehmen mit einem Trupp in Stärke von 9 Mann beteiligt. In den Rayons Paritschi und Osaritschi haben nach Meldung des EK 8 die dortigen Wehrmachtsstützpunkte in Zusammenarbeit mit einem starken und gut geführten OD den Terror der Banden gebrochen und ihre Gebiete befriedet. Am 31.1. 43 hatte ein Jagdkommando vom Schutzmannschaftsbatl. 55 eine Auffangstellung auf der Rollbahn Tschetschiwitschi–Mogilew bezogen. Es war festgestellt worden, dass Banditen fast täglich die Rollbahn an dieser Stelle passierten. Gegen 20 Uhr erschien eine grössere Banditenschlittenkolonne, auf die das Feuer eröffnet wurde. Der Gegner nahm das Gefecht sofort an, ergriff aber nach kurzem Kampf die Flucht. Es blieben 14 Schlitten mit Pferden, 1 lMG und Handfeuerwaffen in unserer Hand. Feindverluste sind unbekannt geblieben. Ein Pol.Beamter wurde tödlich verletzt. Der OD-Stützpunkt Gluboki-Brod (25 km südwestl. Belynitschi) wurde am 12. 1. von starken Banden angegriffen. Das Dorf Drutschina wurde von Banden besetzt. Am 13. 1. konnten alle Angriffe der Banditen auf den Stützpunkt abgewiesen werden. Die Bande zog sich unter Verlusten zurück. Nach Aussagen von Landeseinwohnern sollen 30 Tote und viele Verletzte auf Schlitten in Richtung Schurawok abtransportiert worden sein. Banditen er-

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zählten später, der Stützpunkt müsse unter deutscher Führung stehen, weil sich die ODMänner so gut verteidigt hätten. Deutsche Führer waren jedoch nicht anwesend. Verluste des OD: 1 Leichtverletzter. Die Eingreifgruppe des OD in Tscherwen kam am 13. 1. in Dyja (10 km nordwestl. Tscherwen) mit starken Bandenkräften ins Gefecht. Die Banditen hatten durchwegs schwere Bewaffnung und waren mit Schneehemden bekleidet. Nach kurzem Gefecht zogen sie sich zurück. 5 Schlittengespanne wurden erbeutet. Viele Blutspuren lassen auf starke Feindverluste schliessen. Eigene Verluste: 3 OD-Männer tot. Am 15. 1. 43 griffen 600 Banditen die 100 Mann starke OD-Besatzung in Drashni (20 km nordwestl. St. Dorogi) an. Es kam zu einem 3-stünd. Feuergefecht. Eine deutsch-russ. Einheit von etwa 70 Mann war zufällig in der Nähe und griff in den Kampf ein. Der Angriff wurde abgeschlagen. Der Gegner verlor 25 Tote und 2 Gefangene. Vom 21.– 30. 12. 42 war ein Ost-Batl. im Rayon Klitschew zu freier Bandenjagd angesetzt. In Ostanowka (8 km südwestl. Klitschew) konnte am 27.12. der Tross der 537. Partisanengruppe überfallen und teilweise vernichtet werden. Bei 47 Feindverlusten nur 5 eigene Verwundete. Vom 9.–11. 1. 43 wurde der deutsche Stützpunkt in der Südwestecke des rückw. Heeresgebietes Mitte, Ssosny (55 km südw. St. Dorogi), von Banditen in Stärke von 6–700 Mann angegriffen. Der Angriff auf den Stützpunkt konnte von den 60 Deutschen abgeschlagen werden. Es war aber nicht zu verhindern, dass das Staatsgut Ssosny zerstört und dessen gute und reiche Ernte, Vieh und Maschinenpark weggeschleppt wurden. Bei 100 Feindtoten und ungezählten Verwundeten betrugen die eigenen Verluste nur 2 Tote und 9 Verwundete. Am 20. 1. 43 fand in Chodasowitschi (6 km südöstl. Rogatschew) ein Gefecht zwischen einer Ostschwadron, einer Wehrmachtseinheit und OD einerseits und 150–200 Banditen andererseits statt. 6 Schlitten mit Plündergut wurden erbeutet. Feindverluste konnten nicht gezählt werden, eigene Verluste 2 Tote und 2 Verwundete. Um 16 Uhr desselben Tages war das Dorf bereits wieder von den Banditen besetzt. Bei einer gemeinsamen Aktion des OD-Stützpunktes Merkulowitschi (21 km südöstl. Strassenkreuz Dowsk) und des Luftwaffenstützpunktes Terpitschi (etwa 33 km östl. Dowsk) kam es am 12. Januar bei Lossow zu einem längeren Feuergefecht mit einer starken und gut bewaffneten Bande. Feindverluste: 24 Tote und zahlreiche Verwundete. Eigene Verluste: 1 Mann tot, 1 Mann verwundet. Beute: 1 lMG, 10 Gewehre, 3000 Schuss Infanteriemunition, 20 Pferde und Schlitten, 4 Minen und 1 Kiste Dynamit. In der Gegend von Polozk wurde das Bandenbekämpfungsunternehmen „Richard“ gestartet und dadurch eine Verbesserung der Sicherheitslage in dem zu befriedenden Gebiet erreicht. Die Flucht der Bevölkerung aus Polozk hat nunmehr nachgelassen. Auch das im Raum Witebsk–Polozk–Newel durchgeführte Unternehmen „Diamant“ hat eine starke Beruhigung in diesem Gebiet gebracht. Allgemein ist der Abzug der Banden nach Norden erkennbar. Da die Abriegelung im Norden an der Bahnlinie Newel–Polozk unvollständig war, gelang es in der Nacht zum 19. 1. 43 etwa 1000 Banditen durchzubrechen. Der nordwestl. Teil des Gebietes um Gorodok wurde durch dieses Unternehmen bandenfrei. Bandentätigkeit im Bereich des BdS Ukraine: Der Angriff auf die in den letzten Meldungen erwähnte Grossbande im Raum Lenin (nördlich der Bahnlinie Pinsk–Mikasewitsche) ist inzwischen erfolgt. Während es der straff organisierten, militärisch geführten Grossbande gelang, in starken Gruppen nach Westen und Süden durchzustossen, konnte ein grosser Teil der ortsansässigen Banditen und Bandenhelfer vernichtet oder zum Arbeitseinsatz erfasst werden. Gut ausgebaute Lager, Kampfstände und Bunker wurden zerstört. Die vorgefundenen Bestände an Gross- und Kleinvieh wurden den zuständigen Stellen

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zugeführt. Teile der bei diesem Unternehmen eingesetzten Pol.Einheiten gehen bereits in Bereitstellung zu neuem Unternehmen, das gemeinsam mit Wehrmachtskräften durchgeführt wird und zur Zerschlagung der anscheinend unter Führung des bekannten Bandenführers Kolpak stehenden Grossbande4 am Kaiser-See (nördlich Bahnlinie Pinsk– Ptitsch) führen soll. Die Bande wird auf rd. 4000 Mann geschätzt und stammt z. T. aus dem in den Monaten Dezember/Januar befriedeten Raum Salizowka–Toniez (Nordwestteil des Gen.Bez. Shitomir). Die im Raum südlich Bahnlinie Pinsk–Mikasewitsche sowohl ostwärts als auch westlich Stolin auftretenden Grossbanden sind nach wie vor ausserordentlich aktiv, so dass hier noch immer der Schwerpunkt der Bandentätigkeit liegt. Eine nach Süden vorstossende Bandengruppe überfiel Bahnstation an der Strecke Kowel– Sarny und griff anschließend den zur Unterstützung entsandten Hilfszug an, dessen Insassen grösstenteils getötet oder verwundet wurden. Aufgrund der ausserordentlich starken Flugblatt- und Flüsterpropaganda mehren sich die Fälle, dass ganze Schutzmannschaftsund Kosakeneinheiten zu den Banden überlaufen. Seit Kürze machen sich polnische Bandengruppen, die in engster Beziehung mit der polnischen Widerstandsbewegung stehen, bemerkbar. Eine 9-Mann-Bande wurde im Kommandeurbereich Dnjepropetrowsk ausgehoben und hierbei Waffen und Munition sichergestellt. Bei einem Unternehmen mit tatarischen Freiwilligen im Jaila-Gebirge (Kdr.-Bereich Krim) wurden im Gefecht 6 Banditen, darunter 1 Politruk, erschossen und Waffen und Munition erbeutet; 17 Wohnbunker und 20 Erdhöhlen wurden zerstört. In Bijuk-Onlar (Krim) Festnahme einer 36-MannBande, die Überfall auf Nachschubstrassen vorbereitete. Im Gebiet Poltawa–Krementschug (Kdr.-Bereich Kiew) konnten 8 Banditen festgenommen werden, die in Poltawa auf der Partisanenschule ausgebildet worden waren und über Waffen und Sprengstoff verfügten. Die Gruppe beabsichtigte bei Näherrücken der Roten Armee die Bevölkerung zum Aufstand gegen die Deutschen zu organisieren. In Perwomaisk und Gaiworon (Kdr.Bereich Nikolajew) konnten 2 Bandengruppen mit insgesamt 30 Mitgliedern festgenommen werden. Die Banden verfügten über grössere Waffenmengen und waren im Besitz von Radiogeräten. B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung der Bevölkerung im Generalkommissariat Estland: Nach den vorliegenden Meldungen hat sich in der estnischen Bevölkerung in den letzten Wochen erneut eine starke Beeinflussung der Stimmung der Bevölkerung durch Kriegsereignisse und Feindpropaganda gezeigt. Besonders nachdrücklich wirkte sich eine Reihe von Terrorangriffen der sowjetischen Luftwaffe auf die Städte Narwa, Dorpat, Reval und andere Ortschaften, vorwiegend in Nordostestland, aus. Diese Angriffe haben zwar der durch die Gegenpropaganda verbreiteten Meinung, dank Englands Einfluss hätte die Sowjetunion auf den Kampf gegen Estland verzichtet, Abbruch getan, andererseits waren infolge der Luftangriffe stellenweise sogar panikartige Erscheinungen festzustellen, die den günstigsten Nährboden für Zweifel und Unsicherheit gegeben haben. Die Haltung des Grossteils der estnischen Intelligenz hat viel zu den negativen Stimmungsschwankungen obengeschilderter Art beigetragen. Es hat sich in der Berichtszeit besonders deutlich gezeigt, dass die estnische Intelligenz in ihrer Masse haltungsmäßig den Anforderungen der Zeit keineswegs entspricht. Indem sie im Laufe des vergangenen Jahres verhältnismäßig wenig unter den Einwirkungen des Krieges zu leiden gehabt hat, hat sich ihr Gesichtskreis immer mehr auf eine lokale Betrachtungsweise der Dinge zusammengezogen und ist in ihr infolge dieser nur aufs Lokale bezogenen Beurteilung der Alltagsprobleme eine Einstellung entstanden, die sich in Zurückhaltung und Passivität

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äussert, sobald es darauf ankommt, die Massen durch ein positives Vorbild zu beeinflussen. Bezeichnend ist der Fall des Kreisältesten von Wierland, der dieser Tage seines Amtes enthoben werden musste, weil er den durch seine hohe Amtsstellung gegebenen Einfluss nicht dazu benutzte, die Bauern, dem Gebot des Totaleinsatzes entsprechend, zur Erfüllung ihrer Pflichten anzuhalten, sondern im Gegenteil durch defaitistische Äusserungen noch die Normleistungen beeinträchtigt hat. Ein weiteres Beispiel für die weiten Kreisen mangelnde Einsicht in die Kriegsnotwendigkeiten zeigte die Abhaltung der Feiern anlässlich der 25. Wiederkehr des estnischen Freiheitstages, des 24. Februar. Da dieser Tag auf einen Werktag fiel, wurden die Feiern im Interesse des Totaleinsatzes auf Sonntag, den 21. Februar, vorverlegt. Während die breiten Massen eine Begründung in diesem Sinne letzten Endes durchaus verstanden haben – was der im allgemeinen ruhige Verlauf des 24. Februar selbst zeigte –, ist in Intelligenzkreisen, namentlich in Dorpater akademischen Kreisen, ein starker Mangel an Verständnis und Einsicht festzustellen gewesen. Besonders deutlich zeigt sich dieses in der Haltung der Dorpater Studentenschaft, die, beeinflusst durch einen Teil der Professorenschaft, den Versuch gemacht hat, den 24. Februar durch Nichterscheinen zur Arbeit demonstrativ zu begehen. Auch im Verlauf der im letzten Monat intensivierten Werbung für die SS-Legion Estland zeigten sich die negativen Auswirkungen der passiven Haltung der estnischen Intelligenz. Während in den einfacheren Schichten des Volkes die Bereitschaft zum Eintritt in die Legion und das allgemeine Interesse für sie in ständigem Wachsen begriffen ist, verhält sich die Intelligenz, besonders die in diesem Fall am meisten berührte Offizierskaste, äusserst zurückhaltend. Es werden die verschiedensten Argumente gegen die Legion in das Feld geführt. Obwohl durch die Aufklärungsarbeit der letzten 4 Wochen primitive Gegenargumente, wie schlechte Behandlung der Esten, „Germanisierung“ der Legionäre, Ausschaltung des estnischen Offizierskorps von der Mitarbeit in der Legion usw., in den breiten Massen überwunden worden sind, verhält sich der tragende Teil der estnischen Intelligenz passiv. Der ernste Teil der Reden, die vom Generalkommissar, SA-Obergruppenführer Litzmann, und dem ersten Landesdirektor, Dr. Mäe, bei den Feiern anlässlich des Freiheitstages gehalten wurden, hat seine Wirkung auf die breiten Massen nicht verfehlt. Die Ankündigung des totalen Arbeitseinsatzes in Form der kommenden allgemeinen Arbeitsverpflichtung findet zunehmende Einsicht und Verständnis in den breiten Massen, wobei das Interesse sich am meisten darauf richtet, in welchem Umfang und in welcher Weise diese durchgeführt werden wird. Die im vergangenen Monat begonnene Kampagne gegen den Schleichhandel als Hauptursache der Stockungen in der Lebensmittelversorgung findet in der Bevölkerung eine verschiedenartige Beurteilung. Während ein grosser Teil der Bauern eine vorteilhafte Einnahmequelle, die ihnen den Erwerb nötiger Mangelware gesichert hat, in Gefahr sieht, befürchte die städtische Intelligenz das Versiegen von bis dahin leicht zugänglichen Quellen für eine bessere Lebenshaltung. Die niederen Schichten der städtischen Bevölkerung, die bis jetzt am meisten unter den Versorgungsschwierigkeiten zu leiden gehabt haben, erwarten jedoch als Ergebnis der Aktion, an deren Erfolg allerdings wenig Glauben besteht, eine gerechte Verteilung der vorhandenen Lebensmittelvorräte, umsomehr als sie selbst schon aus finanziellen Gründen am Schleichhandel am wenigsten beteiligt gewesen sind. Im Zusammenhang mit der Proklamierung des Totaleinsatzes tauchten wiederholt Gerüchte über eine geplante Mobilisation auf. Seitens jüngerer Esten, die sich für eine

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enge deutsch-estnische Zusammenarbeit einsetzen, und auch in der Bauernschaft wird die Meinung ausgesprochen, dass zur Heranziehung der jüngeren Jahrgänge der Intelligenz eine scharfe Handhabung der Arbeitsdienstverpflichtung notwendig sei. Propagandawesen und Führungsmittel in Estland: A. Propagandalage: Bezeichnend für die allgemeine Lage in der letzten Zeit war die mangelnde Zuversicht, mit der die estnische Bevölkerung die Ereignisse an der Ostfront, besonders den Fall Stalingrads, verfolgte. Die Meldungen heben hervor, dass es dabei ganz offenkundig gewesen sei, dass die Massen, namentlich die städtische Bevölkerung, noch nicht genügend Vertrauen zu der deutschen Stärke besitzen, um Rückschläge dieser Art ohne grössere Stimmungsschwankungen zu überstehen. Entschuldigend wird von estnischer Seite zu diesen Schwächezeichen angeführt, dass das estnische Volk im Laufe der letzten 38 Jahre 5 Revolutionen und Putsche (1905, März 1917, Oktober 1917, Dezember 1924, Juni 1940), 3 Kriege (russischjapanischer Krieg, Weltkrieg mit Freiheitskrieg und heutiger Krieg) sowie 2 Besetzungen (1918 und 1940) erlebt habe. 5 Daher brauche es Zeit, bis der Glaube an eine Ablösung des überlieferten Zustandes der ewigen Ungewissheit durch eine festgefügte Macht im Volke Wurzeln geschlagen habe. Dass trotz aller stimmungsmäßigen Rückschläge diese Kraft letzten Endes doch bei Deutschland gesucht werde, beweise das starke Anlehnungsbedürfnis, das während der kritischen Tage im Verhältnis der breiteren Massen zur deutschen Gewalt zum Ausdruck gekommen sei; es sei z. B. immer wieder mit Sorge darüber gesprochen worden, dass die Deutschen aus Estland abziehen könnten. Selbst die negativ eingestellte Intelligenz habe trotz aller Zweifel diesen Schutz bis zur Grenze des ihrer Ansicht Möglichen erwünscht. Andererseits sei aber – ebenfalls nach Mitteilung aus estnischen Kreisen – in diesen Tagen innerhalb der Intelligenz in ihrem Hin- und Herschwanken zwischen dem Verlangen nach dem deutschen Waffenschutz und dem materialistischen Streben nach eigenem Wohlergehen die gegnerische Propaganda, besonders die des Finnlandsenders, auf fruchtbaren Boden gefallen. Wo man trotz aller Rückschläge mit dem Verbleiben der deutschen Macht in Estland rechnete, habe man im Hinblick auf die angenommene Schwächung der deutschen Position den Augenblick für gegeben gehalten, sich mit Erörterungen über eigene Ansprüche zu beschäftigen. Es bestehe in diesen Kreisen eine vollkommene Verkennung der tatsächlichen Kräfte und des Gewichtes des estnischen Volkes, indem man aus der Beteiligung estnischer Freiwilliger im Kampf im Osten, den bisherigen Kriegsleistungen des estnischen Volkes usw. schon im voraus den Anspruch auf Garantien in Bezug auf die zukünftige staatsrechtliche Stellung des estnischen Volkes ableiten wolle. Das Interesse des estnischen Volkes erheische es nach Ansicht dieser Kreise zumindest, sich aus dem „es nichts angehenden Kampf der Großmächte“ herauszuhalten. Die Meldungen betonen, dass immer wieder kleinlichste Kritik an den deutschen Maßnahmen von einem Grossteil der estnischen Intelligenz herrühre, der in Passivität verharre und kaum den Willen zur positiven Mitarbeit zeige und so durch seine ganze Haltung viel Schuld an dem derzeitigen Zustand trage. So wird z. B. in jüngster Zeit in der Werbung für die Legion Estland von diesen Kreisen selbst eine ausserordentliche Passivität entwickelt. B. Gegner- bezw. Feindpropaganda in Estland: a) Neutrale und Feindsender, Finnlandsender und finnische Presse: Neben dem Finnlandsender finden auch die übrigen neutralen und Feindsender starke Beachtung (vgl. hierzu Meldungen Nr. 36 und 40). Nach den vorliegenden Meldungen ist unter der estnischen Bevölkerung der Standpunkt sehr verbreitet, dass man diese Sender abhören müsse, um Klarheit über die Lage zu gewinnen. Die Sendungen des Moskauer Senders, die vom Publikum zwar abgelehnt würden, drän-

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gen jedoch auf Flüsterwegen immer wieder in das Volk. Der Moskauer Sender hat sich in letzter Zeit recht intensiv mit der 600. Wiederkehr des Jahrestages der sogenannten St. Georgsnacht (23. 4. 1343), in welcher ein plötzlicher und blutiger Aufstand der Esten gegen die dänische Herrschaft und ihre deutschen Vasallen erfolgte, befasst. Die Meldungen erwähnen in diesem Zusammenhang, wie schon früher dargelegt, dass es der deutschen Propaganda unmöglich sei, der Feindpropaganda mit gleichen Mitteln zu begegnen, da trotz der Bemühungen aller interessierten Stellen sich die Mängel in der Funkversorgung Estlands immer noch nicht haben abstellen lassen. So muss der Landessender Reval, obwohl in den übrigen besetzten Ostgebieten bis 24 Uhr gesendet wird, immer noch sein Programm um 19.15 Uhr abschliessen. Ausserdem seien die z. Zt. verfügbaren Sendeanlagen für eine zweckmäßige Funkversorgung nicht ausreichend und die Aufstellung eines neuen grossen Senders evtl. in Turgel oder Hapsal notwendig. Bei diesen Mängeln wirkten sich die Sendungen des Finnlandsenders sehr schädlich aus. Der Finnlandsender rede unter Zitierung liberal- und sozialdemokratischer finnischer Stimmen einer Schwenkung Finnlands aus der europäischen Einheitsfront in das angelsächsische Lager unter dem Motto „Kleine Völker sind neutral und beschränken sich auf die Verteidigung“ indirekt das Wort und erziele damit entsprechende Wirkung unter der estnischen Bevölkerung. Der Finnlandsender spiele auch immer wieder auf einen Bund der nordischen Völker als einen Hort der wahren Demokratie an, in welchem Estland brüderlich ein Platz zugewiesen werden würde (vgl. hierzu Ausführungen in den Meldungen Nr. 36 und 40). Aus dem Sendeinhalt des Finnlandsenders in letzter Zeit werden beispielsweise folgende im vorstehenden Sinne gehaltene Auszüge wiedergegeben: 10. 2. 43: Zitat aus „Suomen Sosialdemokraatti“: „Die klaren Grundsätze unseres Volkes sind die Erhaltung der demokratischen Staatsordnung, die Lösung der Nordstaatenfrage und das Fernhalten vom Kampf der Grossmächte. Ausserdem hegt unser Volk, wenigstens die Arbeiterschaft, auch noch andere Zukunftspläne, durch die es sich zur demokratischen Weltanschauung bekennt. Man ist der Ansicht, dass die demokratische Staatsordnung nicht nur als Hauptteil, sondern auch als wesentlichste Vorbedingung für den sozialen Wohlstand des Volkes anzusehen ist. Das Volk weiss, dass nur die tatsächliche Durchführung der sozialen Gleichheit einen ständigen sozialen Frieden sichern kann. Immer mehr und mehr sind uns die Vorzüge der Demokratie klargeworden. Wir verneinen den Krieg und mehr denn je den Imperialismus. Diejenigen, die sich von unserer Gesinnung ein anderes Bild gemacht haben, irren sich gewaltig.“ 23. 2. 43: Am 23. 2. wurde eine Vorankündigung von Feiern anlässlich des 25. Jahrestages der Selbständigkeit Estlands, die in Helsinki seitens der dort bestehenden Estnischen Gesellschaft am 24. veranstaltet wurden, gebracht. Die Schilderung der Feierlichkeiten folgte am 26. 2., wobei besonders die Teilnahme des früheren estnischen Gesandten Varma (vgl. Meldungen Nr. 36 v. 8. 1. 43), des ehemaligen estnischen Admirals Pitka, ferner offizieller Persönlichkeiten, darunter des ungarischen Gesandten, des finnischen Reichstagspräsidenten, des Oberbürgermeisters von Helsinki, ausserdem „estnischer Freiwilliger“, hervorgehoben wurde. Ferner wurde die Ehrung der Gattin des Gesandten Varma durch Überreichung von Blumen seitens der Organisation der stammverwandten Völker mit dem Hinweis auf die erhoffte baldige Wiederherstellung eines freien Estlands herausgestellt. Aus einer Ansprache des Helsinkier Professors Heiskanen wurde u. a. zitiert: „In der Welt geschieht vieles, das wir nicht verstehen können. Z. B. ist es uns unklar, warum zwischen den Staaten Estland und Finnland, die jahrzehntelang antibolschewisti-

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sche Gesinnung gezeigt haben und z. Zt. gegen den Bolschewismus kämpfen, kein Postverkehr herrscht. So wissen wir nur ungenau, was in dem uns so nahen Land geschieht. Trotzdem lässt uns das Schicksal Estlands niemals gleichgültig. Wir bringen dem Brudervolk das grösste Interesse entgegen und sind fest überzeugt, dass das estnische Volk im Neuen Europa einen Platz erhält, welcher ihm in Anbetracht seiner kulturellen Errungenschaften und seiner antibolschewistischen Gesinnung gebührt.“ Am 23. 2. wurden u. a. folgende Zitate gebracht: Prof. Svenberg in „Uusi Suomi“: „Heute gedenken Tausende Finnen des estnischen Brudervolkes, denn es ist ein besonderer Festtag. Heute vor 25 Jahren erklärte sich das estnische Volk für selbständig. Zusammen mit den finnischen Waffengefährten wurde das Land von bolschewistischen Banden gesäubert und das Volk, das sich im Laufe der Jahrhunderte seine nationale Unabhängigkeit bewahrt hatte, war bereit, als ein selbständiges Volk in die Reihen anderer selbständiger Völker zu treten. Die Finnen, die das estnische Volk gut kennen, wissen, welch gute Voraussetzungen bei diesem Volk für eine nationale und kulturelle Blütezeit vorhanden waren … Nun ist Estland wieder frei vom bolschewistischen Terror und sein einziger Wunsch ist, frei zu bleiben.“ „Helsinkin Sanomat“: „Zum ersten Opfer ihrer Erpressungspolitik hatte die Sowjetunion im Jahre 39 das kleine Estland gewählt. Allein und schwach musste es sich den gestellten Forderungen unterwerfen … Zusammen mit den Deutschen nahmen die Esten an der Befreiung des Landes teil und auch später haben sie der deutschen Wehrmacht grosse Verdienste erwiesen, die in Deutschland immer mehr und mehr Anerkennung finden. Bei gewissen Voraussetzungen wären die Esten bereit, noch mehr zum Kampfe gegen den Bolschewismus beizutragen, um den Feind von den Grenzen des Landes fernzuhalten.“ Ebenfalls am 25. 2. wurde eine Meldung des „Helsinkin Sanomat“ gebracht: „Estland, Lettland und Litauen scheinen wieder einer helleren Zukunft entgegenzuschreiten. Diese Staaten haben Deutschland nach der Befreiung des Landes grosse Verdienste erwiesen, insbesondere Erzeugnisse ihrer reichen Landwirtschaft der deutschen Wehrmacht zur Verfügung gestellt, wobei sich die einheimische Bevölkerung mit bedeutend kleineren Lebensmittelrationen begnügen musste als das Gastvolk, welches jedoch das Land befreit hatte. Die Baltenstaaten hofften, dass die zuständigen deutschen Behörden im geeigneten Moment ihnen so viel Selbständigkeit zugestehen würden, wie die augenblickliche Kriegslage es erlaubt. In einigen Staaten, insbesondere in Estland, kann man auch eine stille, aber beständige Entwicklung in dieser Richtung feststellen. Als öffentliche und politische Anerkennung für die der deutschen Wehrmacht geleisteten Verdienste hat der Reichsminister für die besetzten Ostgebiete eine Verordnung über die Rückgabe des nationalisierten Privatbesitzes in den genannten drei Generalkommissariaten erlassen. Personen, die politisch besonders zuverlässig sind oder wirtschaftliche Verdienste errungen haben, werden bei der Rückgabe bevorzugt. Kriegswichtige und allgemeinwichtige Betriebe werden nicht privatisiert.“ Am 27. 2. 43 wird dieser Gedanke weiter gesteigert: „Berlin: Der Korrespondent des ‚Helsinkin Sanomat‘ meldet: Wie die hier in letzter Zeit veröffentlichten vorsichtigen amtlichen Erklärungen durchschimmern lassen, hegt Deutschland die Absicht, in nächster Zeit Estland, Lettland und Litauen eine freudigere Überraschung zu bereiten, als es die Anglosachsen und Bolschewisten in ihren Erklärungen über ihre Absichten bezüglich der baltischen Staaten bereitet haben. Die Engländer haben in den letzten Tagen Nachrichten verbreitet, als gedächten die Deutschen Estland zu verlassen. Berlin widerlegt diese Be-

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hauptungen und sieht darin eine Propaganda, die die baltischen Staaten der Sowjetunion zuspielen will.“ Auch das Thema Legion Estland findet Erwähnung: „Uusi Suomi“ am 1. 3.: „In sämtlichen baltischen Ländern werden bewaffnete Legionen aufgestellt. Ob diese Legionen unter deutscher Führung bleiben werden oder eigene Offiziere als Führer erhalten, ist noch unbekannt. Den Männern der Baltenländer bleibt also die Wahl, ob sie der Legion beitreten oder sich der deutschen Wehrmacht anschliessen wollen.“ Die finnische Presse schenkte dem 25. Jahrestag der estnischen Selbständigkeit die grösste Aufmerksamkeit. Fast alle finnischen Blätter widmeten am 24. 2. dem „estnischen Brudervolk“ grössere Artikel, um damit ihre Verbundenheit zum Ausdruck zu bringen. Grundthema fast aller Ausführungen war immer die Hervorhebung der estnischen Leistungen während der Dauer der Eigenstaatlichkeit und die daraus resultierende Berechtigung auf die zukünftige völlige Selbständigkeit des estnischen Volkes. […] b) Kommunistische Propaganda: Kommunistische Kreise treten den Meldungen zufolge durch erhöhte Flüsterpropaganda in Erscheinung. Günstige Voraussetzungen dafür boten die militärischen Ereignisse der letzten Monate, die wieder aktiv gewordene Tätigkeit der sowjetischen Luftflotte und der damit verbundene erhöhte Abwurf von feindlichen Flugblättern. Die Flüsterparolen basieren im wesentlichen auf diesen Flugblättern und auf dem Inhalt der verstärkt abgehörten neutralen und Feindsender. Kommunistisch eingestellte Personen versuchen immer wieder, den z. Zt. der bolschewistischen Besetzung Estlands verübten und bei der Bevölkerung in schlechtester Erinnerung stehenden Terroraktionen, Verschleppungen usw. den Charakter unbedingt notwendig gewesener Maßnahmen zu geben, wobei die Gegenbehauptung aufgestellt wird, dass z. B. der Arbeitseinsatz von Esten in Deutschland ebenfalls nichts anderes als eine Verschleppung darstelle. Vielfach wird auch die derzeitige Nahrungsmittelverknappung und das Fehlen von Rohstoffen aller Art in kommunistischem Sinne propagandistisch ausgewertet. Man versucht nach den vorliegenden Meldungen der Bevölkerung klarzumachen, dass das Lebensniveau des estnischen Volkes sich seit der Besetzung durch die Deutschen nicht nur verschlechtert habe, sondern sogar soweit gesunken sei, dass der Einzelne ausser den Reichsdeutschen kaum noch sein Leben fristen könne. Diese Propaganda habe die Auswirkung, dass das den Deutschen anfangs entgegengebrachte Vertrauen untergraben und wenigstens ein Teil der estnischen Bevölkerung den bolschewistischen Einflüssen zugänglicher gemacht werde. Um den dem Kommunismus fernstehenden Bevölkerungskreisen das bolschewistische Regime schmackhaft zu machen, werde hervorgehoben, dass der Kommunismus nur in der Bekämpfung seiner Feinde radikal sei und vieles dabei nur notwendige Begleiterscheinungen dieses harten Kampfes seien, die aber nach Erreichen des Zieles wieder verschwänden. So nähere sich beispielsweise Russland nach Vernichtung seiner Gegner dem ehemaligen zaristischen System. Die Rote Armee sei bereits in die „Russische Armee“ umbenannt; in der „Russischen Armee“ seien auch zaristische Offiziersdienstgradabzeichen eingeführt worden, und es bestünde bereits vollste Glaubensfreiheit. Ferner wird verbreitet, dass estnische Offiziere, Schriftsteller, Schauspieler usw. in der Sowjetunion gleichberechtigt neben Sowjetbürgern stünden und sie deshalb genauso befördert und ausgezeichnet würden wie Angehörige der UdSSR. Die Intensität dieser kommunistischen Propaganda nimmt mit Frontnähe immer mehr zu und ist in mit Russen dichter durchsetzten Gebieten stärker als anderswo. c) Sowjetische Flugblattpropaganda: Während im Januar nur ganz wenige sowjetische Flugblätter abgeworfen wurden, kamen im Februar etwa über 50 verschiedene Exemplare

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zum Abwurf. Einige von ihnen sind in deutscher, einige in russischer, die meisten in estnischer Sprache abgefasst. Die Flugblätter in deutscher Sprache richten sich im allgemeinen an die Angehörigen der deutschen Wehrmacht und fordern diese auf, den „aussichtslosen“ Kampf abzubrechen und sich in russische Gefangenschaft zu begeben. Teilweise werden in ihnen Ausschnitte aus Wehrmachtsberichten der „Russischen Armee“, Kampfberichte der Sowjets oder auch aussenpolitische Ereignisse „geschildert“. Einige Beispiele: a) Nach einem Flugblatt „Ereignisse der 6-wöchigen Offensive der Truppenteile der Roten Armee an den Zugängen zu Stalingrad“ wird in 3 Etappen der „überlegene“ Kampf der Sowjets geschildert. Zum Schluss wird in kurzer Zusammenfassung folgendes „angeführt“: „Im Verlaufe der 6-wöchigen Kämpfe an den Zugängen von Stalingrad haben die Truppenteile der Roten Armee 1589 Ortschaften von den deutschfaschistischen Okkupanten befreit. Während der Offensive führte die Rote Armee seit dem 19. November 1942 in kurzer Zeit eine äusserst schwere Operation erfolgreich durch, indem sie im Raume von Stalingrad 22 Divisionen des Gegners dicht einschloss. Die Rote Armee zerschmetterte insgesamt 36 Divisionen, darunter 6 Panzerdivisionen, und fügte 7 Divisionen des Gegners schwere Verluste zu. In demselben Zeitabschnitt büssten die deutsch-faschistischen Truppen allein an Gefallenen 175 000 Soldaten und Offiziere ein; die Truppen der Roten Armee nahmen 187650 Soldaten und Offiziere des Gegners gefangen. Die Truppen der Roten Armee erbeuteten an Trophäen: 542 Flugzeuge, 264 Panzer, 4451 Geschütze, 2734 Granatwerfer, 8161 Maschinengewehre, 15 954 Maschinenpistolen, 3703 Panzerbüchsen, 137 850 Gewehre, über 5 Millionen Geschosse, über 50 Millionen Patronen, 2120 Eisenbahnwaggons, 46 Lokomotiven, 434 Lager mit Munition, Waffen und Lebensmitteln, 15 039 Kraftwagen, 15 783 Pferde, 3228 Krafträder und eine grosse Menge anderen Heeresgutes. In derselben Zeit vernichteten die Truppenteile der Roten Armee 1249 deutsche Flugzeuge, 1187 Panzer, 1459 Geschütze, 755 Granatwerfer, 2708 Maschinengewehre, 5135 Kraftwagen und zahlreiches anderes Heeresgut.“ b) In einer „Sondermeldung vom 18. 1. 43“ wird der Durchbruch der Blockade Leningrads bekanntgegeben. Die Stadt Schlüsselburg sowie andere zahlreiche und angeblich stark befestigte Stellungen seien genommen worden. Als Beutezahlen werden angegeben: „222 Geschütze, 178 Granatwerfer, 512 Maschinengewehre, 5020 Gewehre, 4 sechsläufige Granatwerfer, 26 Panzer, 9 Panzerkraftwagen, 17 300 Handgranaten, 72 Funkanlagen, 2 200 000 Patronen, 22 000 Geschosse, 36 000 Minen, 150 Kraftwagen, 1050 Pferde, 880 Trosswagen und 40 verschiedene Lager.“ c) Unter der Überschrift „Hitler hat die französische Flotte nicht bekommen“ wird der Widerstand der französischen Matrosen der deutschen Wehrmacht gegenüber in Toulon hervorgehoben. Nach den Ausführungen in dem Flugblatt soll die französische Kriegsmarine mehr als 60 ihrer besten Kriegsschiffe selbst versenkt haben. Darunter sollen sich angeblich 3 Linienschiffe, 4 schwere und 3 leichte Kreuzer, 1 Flugzeugträger, 25 Zerstörer, 26 U-Boote usw. befinden. 6 d) In folgenden Flugblättern wird durch erlogene Verlustziffern an Menschen, Waffen und Material der deutschen Wehrmacht und die angeblich schwache Produktionsfähigkeit der deutschen Industrie bei gleichzeitiger Gegenüberstellung phantastischer und weitaus günstigerer Zahlen der Feindmächte vorwiegend den deutschen Matrosen ihr „nutzloser Kampf“ klarzumachen versucht: „Deutsche Matrosen! Euer Kommando verheimlicht Euch die Wahrheit an der Front“; „Deutsche Matrosen! Hitlers Trick, die Eroberung der französischen Flotte, ist durchgefallen“; „Deutsche Matrosen! Eure unfähige Leitung hat

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sich bitter verrechnet“; „Zertrümmerung der Hitler-Armee im Vorgelände von Stalingrad. Was wird das neue Jahr 1943 Deutschland bringen?“ Die Flugblätter in estnischer Sprache sind noch stärker als in der bisher bekanntgewordenen Form darauf abgestimmt, das estnische Volk dazu zu bewegen, allen Deutschen auf alle nur mögliche Weise Schaden zuzufügen und, wenn möglich, ihren Tod herbeizuführen. Die meisten der Flugblätter schliessen mit der bisher nicht bekannten Aufforderung: „Este! Wenn Du leben willst, musst Du den Deutschen töten.“ Der estnischen Bevölkerung werden zum zweckmäßigen Widerstand und zur Bekämpfung der „deutschen Okkupanten“ folgende Ratschläge gegeben: Der estnische Bauer soll keine Pferde, kein Schlachtvieh, kein Futter, keine Lebensmittel usw. an die deutschen Besatzungsbehörden abliefern. Es wird ihm empfohlen, alles zu verstecken und den Personen, die mit der Eintreibung der Lebensmittel usw. beauftragt sind, mit Waffengewalt entgegenzutreten. Der estnische Arbeiter soll durch gespielte Unvorsichtigkeit, durch angebliche Übermüdung und durch sonstige Entschuldigungsgründe die Zerstörung von Produktionsmaschinen, Werkzeugen usw. verursachen. Er soll langsam arbeiten, minderwertige Ware herstellen und die Ausfuhr der bereits fertiggestellten Waren mit allen Mitteln verhindern oder, wenn dies nicht möglich ist, verzögern. Mit der Entschuldigung, nicht genügend Lebensmittel zu bekommen, nicht ausreichend gekleidet zu sein usw. soll er die Arbeit verweigern oder zu spät auf der Arbeitsstelle erscheinen. Die estnische Jugend soll sich bei der Unterrichtung durch deutsche Lehrer nicht vom deutschen Gedankengut und reaktionärer Ideologie beeinflussen lassen. Sie soll die „deutschen Schulen“ verlassen, Partisanengruppen bilden und den Kampf der „Russischen Armee“ für Sowjetestland in jeder Weise unterstützen. Sie sollen den Arbeitsdienst, den Dienst in der Legion, in der Polizei usw. verweigern, weil sie dort nur an den Stellen zum Einsatz kämen, die am gefährlichsten für ihr Leben seien. Unter dem Vorwand, junge estnische Mädchen im Reichsarbeitsdienst in Deutschland zu beschäftigen, würden diese in deutsche Bordelle verschleppt, um „betrunkene faschistische Offiziere und Soldaten zu belustigen“. Die estnische Verwaltung wird als „eine Bande der Judasse und Volksverräter Mäe-Angelus-Wendt“ bezeichnet. Neben einigen Flugblättern, in denen sowjetische Erfolge in übertriebener Weise dargelegt werden und in denen der Abschluss des russisch-englischen Unterstützungsvertrages als aussergewöhnlicher aussenpolitischer Erfolg und als Grundlage für die bessere Zukunft Estlands behandelt werden, ist ein Flugblatt „An das estnische Volk“, welches erst vor kurzer Zeit aufgetaucht ist, besonders erwähnenswert. In diesem Fluglatt werden alle Esten aufgefordert, anlässlich des Tages der 600-jährigen Wiederkehr des bewaffneten Aufstandes Estlands gegen die deutschen Ordensritter in der St. Georgsnacht am 23. 4. 1343 den damals missglückten Aufstand zu rächen und ihn jetzt durch einen erfolgreichen Kampf gegen die Deutschen zu krönen. Ausser den umfangreichen Flugblättern sind noch die 1., 2. und 3. Folge der estnischen Zeitung „Die Stimme des Volkes“ vom Jahre 1943 abgeworfen worden. In deren „Leitartikeln“ werden die Zukunftsaussichten der Sowjetunion für das laufende Jahr 1943 in günstiger Hinsicht aufgezeigt. Demzufolge wird für Estland die Folgerung gezogen, sich auf die Seite Sowjetrusslands zu schlagen und mit ihm zu siegen. In jeder Ausgabe erscheinen Artikel über die „Plünderung“ der Deutschen in Estland und anderen von ihnen „okkupierten“ Ländern, über Partisanenbewegungen in Jugoslawien, Griechenland, Frankreich usw., über die produktive kulturelle Tätigkeit in Russland befindlicher estnischer Künstler und Arbeiter und über die „grossartigen“ Aufbauarbeiten im sowjetischen Hinterland usw. Ausserdem enthält jede Zeitung eine „wahrheitsgemäße“ Bio-

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graphie estnischer und deutscher in Estland weilender Persönlichkeiten. In besonders glossenhafter und ironischer Art werden in Nr. 2 die Lebensweise und Leistung des Generalkommissars Litzmann und seiner Verwandten geschildert. In Nr. 3 ist eine ähnliche Schilderung über den ersten Landesdirektor Dr. Mäe enthalten. d) Gerüchte: Im Zuge der erfolgten Luftangriffe wurden Anfang und Mitte Februar verschiedene Gerüchte verbreitet, nach denen Flugblätter in estnischer Sprache aufgefunden worden seien, die einen bedeutenden Luftangriff auf Estland zum 24. 2. 43 (estnischer Freiheitstag) ankündigten. Den Meldungen zufolge ist in Auswirkung dieser Gerüchte ein erheblicher Teil der Bevölkerung aufs Land gefahren, während sich ein anderer Teil tagelang in überfüllten Luftschutzräumen aufhielt. Ferner kursierten nach der Proklamierung des totalen Einsatzes neben den üblichen Gerüchten wiederholt solche über eine geplante Mobilisation. C. Deutsche Propaganda: Die deutsche Propaganda hat es gegenüber der aufgezeigten Lage schwer gehabt, sich zu behaupten bezw. sich durchzusetzen. Eine Reihe aktiver propagandistischer Einwirkungen erging, die als Tenor den Ernst der Lage aufwiesen. Wenn auch durch die schnell aufeinanderfolgenden Ereignisse an den Fronten im einzelnen besondere Wirkungen nicht zu registrieren gewesen wären, so sei jedoch nach den vorliegenden Meldungen als genereller Erfolg dieser Propaganda eine stetige Zuwendung der Massen zur Erkenntnis der Situation zu buchen gewesen. Die Rede von Reichsminister Dr. Goebbels habe in der Bevölkerung infolge ihrer Offenheit und kraftvollen Sprache Anklang gefunden. Ebenso hätten die Reden einzelner Gebietskommissare auf Tagungen ihrer Gemeindeältesten einen weiteren günstigen Einfluss auf die Gesamtstimmung ausgeübt. Die Rede des Generalkommissars am 21. 2. habe einen neuen Beweis für dessen Popularität bei der Bevölkerung erbracht. Sie wurde lediglich in kleinlicher Weise von Intelligenzkreisen kritisiert. Die mit dieser Rede verbundene Proklamierung der Rückgabe des Privateigentums habe eine verhältnismäßig geringe propagandistische Auswirkung gezeigt. Es werde namentlich von diesen vorerwähnten Kreisen dazu geäussert, dass die Wiederherstellung des Privateigentums eine Selbstverständlichkeit sei. Bauernkreise hingegen befürchteten, dass die Reprivatisierung nur schleppend und langsam verwirklicht würde. Der mehrere Tage lang in Reval und in grösseren Städten an hervorragender Stelle plakatierte Aufruf des Reichskommissars zum totalen Kriegseinsatz sei von der Bevölkerung ohne besondere Meinungsäusserung aufgenommen worden. Anstoss habe lediglich erregt, dass der Aufruf sowohl in deutscher als auch in estnischer Sprache verfasst worden sei, obwohl er sich inhaltlich nur an die Esten wandte. In der Werbung für die SS-Legion Estland 7, auf die sich die deutsche Propaganda Ende Januar/Anfang Februar besonders konzentrierte, wurde insofern ein Fortschritt erzielt, als es gelang, eine Reihe wesentlicher Gegenargumente der Feindpropaganda (schlechte Behandlung der Esten in Ausbildungslagern, Ausschaltung estnischer Offiziere, angeblicher Einsatz in Afrika usw.) zu entkräften. Von estnisch-deutschfreundlicher Seite wird den Meldungen zufolge als wichtigster Faktor, der einem Eintritt in die Legion entgegenwirkt, die passive Einstellung der estnischen Intelligenz zu dieser Frage bezeichnet. Ausser einer recht lauen Unterstützung der Werbung machten diese Personen wenig Anstalten, soweit sie selbst wehrfähig sind, sich für die Legion einzusetzen. Dafür würden aber Forderungen als Voraussetzung für die Aufstellung einer Legion erhoben. Von den Massen wird andererseits immer wieder damit argumentiert, dass man sich solange nicht zum Eintritt entschliessen könnte, solange von

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dieser Schicht, von der man ein Vorbild erwarte, kein Anstoss komme. Wegen dieses Nichtmitgehens der tragenden Schicht – vgl. a. a. O. –, die sich immer mehr in eine pseudonationale Igelstellung zurückziehe, seien auch die von offizieller Seite vorgebrachten Aufrufe, Reden und sonstigen Mahnungen unwirksam. Von jüngeren Esten wird deshalb angeregt, dass es im Hinblick auf die erst allmählich wachsende Erkenntnis der breiteren Bevölkerungsmassen hinsichtlich der Notwendigkeit des Krieges einer Verschärfung des Tones der offiziellen Propaganda bedürfe, die besonders die Figur des selbstsüchtigen, am Kriege vorbeilebenden Drückebergers aufs Korn nehmen müsste. Es müsse ein Gegensatz zwischen denen geschaffen werden, die ihre Pflicht, ob mit der Waffe in der Hand oder bei der gesteigerten Erfüllung ziviler Kriegsleistungen, nachkommen und denen, die glaubten, die Kriegsschwierigkeiten zu ihrem eigenen Vorteil ausnützen zu können. D. Propaganda der estnischen Verwaltung: Bei der Propaganda für die Legion Estland hat sich nach den Meldungen das langsame Arbeiten des estnischen Propagandaapparates verzögernd ausgewirkt. Jedoch sei die Werbung von den estnischen Propagandaorganen in einem verhältnismäßig grossen Umfang mitgemacht worden. Beste Wirkung hätten Vorträge aktiver Legionäre besonders in den kleineren Städten gehabt, wobei in manchen Fällen eine recht unverblümte Meinung über Lage und Stimmung in der Heimat gesagt worden sei. Der Opposition seien dadurch, dass junge Esten vorbehaltlos eine vollkommen neue weltanschauliche Ausrichtung vertraten, ihre Gegenargumente aus der Hand geschlagen worden. Die offizielle estnische Propaganda hat sich ferner in letzter Zeit in hohem Maße den Fragen des totalen Einsatzes zugewandt und bemüht sich besonders durch Plakate, Presseaufrufe usw., den Bauern zur erhöhten Leistung seiner Norm anzuspornen. Der Freiheitstag am 24. 2. 43 ist im allgemeinen mit richtig aufgefasssten, dem Tag entsprechenden Aufsätzen begleitet worden, wobei ein Aufsatz des Schriftstellers Raudsepp im „Postimees“ vom 24. 2. 43 unter der Überschrift „Vom Einsatz eines freien Volkes“ eine Ausnahme bildete. Dieser Aufsatz ist zweideutig gehalten und zieht Parallelen zwischen der politischen Lage in Estland und Indien, wobei besonders die Forderung auf Selbständigkeit und Freiheit der Inder hervorgehoben ist. Einige Andeutungen auf die Verhältnisse zur Zarenzeit verführen den Leser leicht dazu, die Gedankengänge des Aufsatzes auf estnische Verhältnisse zu beziehen. 1.) Stimmen zur Verordnung über die Wiederherstellung des privaten Eigentums in den Generalbezirken Estland, Lettland und Litauen vom 18. 2. 1943: Die Verordnung über die Wiederherstellung des privaten Eigentums in den Generalbezirken Estland, Lettland und Litauen vom 18. 2. 1943 ist in allen Teilen der Bevölkerung besprochen und namentlich in den unmittelbar beteiligten städtischen Kreisen besonders begrüsst worden. Überwiegend wird jedoch geäussert, dass diese Verordnung schon früher hätte erlassen werden sollen. Die Feststellung, wer als Eigentümer der von den Bolschewisten nationalisierten Grundstücke in Frage komme, sei nicht sonderlich schwierig und zeitraubend gewesen; das Übergangsstadium der „Verwaltung und Nutzung“ hätte sich, wenn die Reprivatisierung von Anfang an intensiv betrieben worden wäre, gänzlich erübrigt. Ungeklärt sei noch die Frage, unter welchen Voraussetzungen dem einzelnen früheren Eigentümer sein Grund und Boden zurückgegeben werde. § 4 der Verordnung lasse alle Möglichkeiten offen mit seiner Bestimmung, dass die Übertragung des Eigentums ausgeschlossen sei, soweit und so lange Interessen, insbesondere Interessen der Kriegswirtschaft, entgegenstünden. Nach den bisherigen Erfahrungen werde in der Bevölkerung mit Misstrauen der zukünftigen Entwicklung der Reprivatisierung entgegengesehen; es werde wohl nicht ohne Schwierigkeiten und Enttäuschungen abgehen. § 7 der Verordnung, der für die nationalisierten Ver-

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mögenswerte der Umsiedler besondere Bestimmungen in Aussicht stellt, habe vereinzelt zu der Auffassung geführt, dass die Baltendeutschen nach und nach, wenn auch in verschleierter Form, ihren früheren Besitz in Estland zurückerhalten würden und dass damit die Grundlage für die Rückkehr und das Verbleiben der „Baltenbarone“ geschaffen sei. 2.) Stimmen zur Verordnung über die Erfüllung der vor dem Einmarsch der deutschen Truppen begründeten Schuldverhältnisse: Die Verordnung über die Erfüllung der vor dem Einmarsch der deutschen Truppen begründeten Schuldverhältnisse (bisher nur in der Presse veröffentlicht) hat hinsichtlich des für die estnische Krone festgesetzten Umrechnungswertes (1 Krone = RM 1,25; 1 Rubel = 12,5 Rpf.) geteilte Aufnahme gefunden. Fachkreise halten diese Umrechnung für richtig, weil die ganze Bevölkerung durch die von den Bolschewisten getroffenen Maßnahmen und teilweise auch durch den Krieg schwer gelitten habe und daher einem solchen Schuldner die Tilgung seiner Schuld zu dem früheren Kurs der Krone nicht zugemutet werden könne. Die Gläubiger hingegen halten diese Regelung für unbillig, weil die Schuldner sich auf Kosten der Gläubiger bereichern und ihre Schulden mit einem Bruchteil des wahren Geldwertes der Forderung erledigen könnten; dies sei deshalb vor allem ungerecht, weil das Geld heute in seiner Kaufkraft gesunken sei. Von den dortigen Juristen wird darauf hingewiesen, dass in zahlreichen Vorträgen die Schuld auf den Roggen- oder Goldpreis abgestellt worden sei. Es entstehe daher die Frage, wie in solchen Fällen die Forderung zu berechnen sei. 3.) Zur Frage des verbotenen Umganges mit Kriegsgefangenen: Das vom Sondergericht Reval gegen 3 Einheimische (1 Mann und 2 Frauen) wegen verbotenen Umganges mit Kriegsgefangenen verhängte und bereits vollstreckte Todesurteil ist in Fachkreisen wie auch durchwegs innerhalb der Bevölkerung mit Zustimmung aufgenommen worden. Die Verurteilten hatten bewaffneten sowjetrussischen Kriegsgefangenen Unterschlupf gewährt. In estnischen Kreisen sieht man darin einen Verstoss gegen das estnische Nationalbewusstsein und vertritt die Ansicht, dass Fälle solcher Art nur mit den strengsten Strafen (Todesstrafe) geahndet werden müssten. Hinsichtlich des geschlechtlichen Umganges von Frauen mit sowjetrussischen Kriegsgefangenen vertritt man allgemein die Ansicht, dass in einem solchen Falle eine gerichtliche Strafe nicht die richtige Wirkung habe, sondern hier die öffentliche Anprangerung an einem Schandpfahl das beste Mittel sei. Die landeseigenen Gerichte befassen sich nur in leichteren Fällen mit der Bestrafung wegen verbotenen Umganges mit Kriegsgefangenen. Dabei handelt es sich vorwiegend um Fälle, in denen sowjetrussische Kriegsgefangene mit Lebensmitteln, Tabak und sonstigen Verbrauchsgegenständen versorgt werden. In den Kreisen Narwa und Petschur, die vorwiegend von Russen bevölkert sind, steht die Bevölkerung der Strafbarkeit eines Umganges mit Kriegsgefangenen ablehnend gegenüber. So könne man von Angeklagten in diesen Bezirken immer wieder die Äusserungen hören, sie fühlten sich mit den Kriegsgefangenen durch das gemeinsame Volkstum verbunden und hätten nichts dabei gefunden, wenn sie solchen Kriegsgefangenen mit Lebensmitteln oder Tabak ausgeholfen hätten. Diese Rechtfertigung findet aber vor den landeseigenen Gerichten kein Gehör, da diesen Interessen die höheren Interessen des Schutzes der Allgemeinheit und der Truppe vorgehen. Wirtschaftliche Lage im Generalbezirk Estland: Landwirtschaft: Die Reprivatisierung hat den Meldungen zufolge im Generalbezirk Estland allgemein grösstes Erstaunen hervorgerufen. Jetzt sei es den Bauern erst richtig klar geworden, dass sie nur Nutzniesser des Landes seien, das dem Deutschen Reich gehöre. Die Anordnung des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete ist in der estnischen Presse erst 6 Tage später als in den deutschen Zeitungen erschienen. So kam es der Landbevölkerung äusserst überraschend, in

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den Zeitungen von der Reprivatisierung und der Urkundenübergabe an 53 Bauern durch den Generalkommissar zu lesen. Auch die landeseigene Verwaltung ist den Meldungen zufolge über diese Maßnahme nicht unterrichtet gewesen. Die Kreischefs sind nicht befragt und informiert worden, welche Bauern ihres Kreises die Höfe zu Erb und Eigen erhielten. Die ersten Reprivatisierungen sind bei besonders vorbildlichen und ertragreichen Bauernhöfen ausgesprochen worden, deren Besitzer die Verpflichtungen besonders gut erfüllt haben. Dies wird angeblich als nicht zweckmäßig und gerecht angesehen. Die unter schwersten Verhältnissen (Kriegseinwirkung, Inventarmangel usw.) ihren Verpflichtungen nachgekommen sind, hätten bevorzugt werden müssen. Die Leistung sei bei diesen Bauern viel grösser gewesen als dort, wo vorbildliche, unbeschädigte Höfe zur Verfügung standen. Im übrigen empfänden die Bauern – so besagen die Meldungen weiter – die Reprivatisierung jetzt nach 1 1/2 Jahren als eine unbedeutende Maßnahme. Wenn sie ihren Verpflichtungen nachkämen, seien sie ohnehin Herren ihrer Höfe. Stimmen aus bäuerlichen Kreisen geben zu erkennen, dass die Reprivatisierung nunmehr sofort 100 %ig durchgeführt werden müsse und nicht erst langsam in Etappen erfolgen dürfe. Bauern, die ihren Verpflichtungen böswillig nicht nachgekommen sind, sowie anderen unerwünschten Personen könnte man ja stets die Bewirtschaftung der Höfe entziehen. Es wird in diesem Zusammenhang auf das Reichserbhofgesetz verwiesen, welches die Abmeierung unwürdiger Bauern vorsieht. Immer wieder wird die Frage aufgeworfen, welche Vorarbeiten zur Reprivatisierung nötig seien. Vor einem Jahr ist in Reden geäussert worden, man könne Höfe nur zur Nutznießung geben, da es viel Arbeit mache, bis die endgültige Reprivatisierung durchgeführt werden könne. Heute wird wieder betont, dass die Reprivatisierung nur langsam erfolgen könne, da noch viele Einzelfragen zu lösen seien. Es wird hier daran erinnert, dass während der Kampfhandlungen deutsche Flugzeuge Flugblätter abgeworfen haben, in denen die sofortige Rückgabe des Landes versprochen wurde. Es hätte – so wird behauptet – nur eines Gesetzes bedurft, welches alle bolschewistischen Maßnahmen für ungültig erklärt hätte. Propagandistisch liesse sich nach dieser Auffassung nur eine totale Reprivatisierung mit Erfolg auswerten. Arbeits- und Sozialwesen: Die Einführung der Arbeitspflicht ist nach der Verordnung des Reichskommissars für das Ostland vom 25. 1. 43 mit dem 1. 2. 43 auch für den Generalbezirk Estland in Kraft getreten. Ein Erlass des Reichskommissars gibt genaue Richtlinien für die Musterungsaktion, durch die zunächst alle männlichen Jahrgänge von 1919 bis 1924 aufgerufen werden. Wie in Reval festgestellt werden konnte und aus Dorpat bestätigt wird, wird die Einführung der allgemeinen Arbeitspflicht von der Bevölkerung gutgeheissen, da schon längst die langen Kinoschlangen, die Nichtstuer in den Café’s und die berufsmäßigen Schleichhändler Ärgernis erregt hätten. Zugleich mit der Einführung der Arbeitspflicht werden aber auch Befürchtungen laut, die Verpflichteten könnten ausserhalb Estlands eingesetzt werden. Da in Estland selbst grosser Arbeitsmangel herrscht und schon in Friedenszeiten fremde Arbeitskräfte herangeholt werden mussten, würde jetzt eine Abgabe von Arbeitskräften ausserhalb des Landes nicht verstanden werden. Die Richtlinien des Landesdirektors für Wirtschaft und Finanzen vom 26. 1. 43 über Schwerst-, Schwer- und Nachtarbeiterzusatzkarten verpflichten die Arbeitgeber bei grundlosem Fehlen einzelner Arbeitskräfte, die Abschnitte der Zusatzlebensmittelkarten für 3 Tage je fehlendem Tag zu entziehen. Den Meldungen zufolge ist diese Anordnung bisher noch nicht zur Kenntnis aller Betriebsführer gelangt; derartige Abzüge sind deshalb nur in einzelnen Ausnahmefällen erfolgt. Den Meldungen zufolge sollen sich die

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Betriebsleiter und Betriebssprecher fast einheitlich dahingehend geäussert haben, dass sie dieses Zwangsmittel nur in besonders schweren Fällen anwenden könnten, weil die zusätzlichen Rationen bei der dürftigen Ernährungslage für die Arbeiter eine Notwendigkeit seien. Bisher hat man sich auf Verwarnungen beschränkt, die auch fast immer genügt hätten, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Ansicht der Betriebsführer über die Anordnung ist geteilt. Einige begrüssen diese Maßnahme und versprechen sich einen guten Erfolg, während andere wiederum skeptisch sind und nicht an ihre Zweckmäßigkeit glauben. Allgemein ist bekannt, dass Arbeiter dem Arbeitsplatz fernbleiben, da sie schlechtes Schuhwerk haben oder weil sie sich dringend Lebensmittel zusätzlich beschaffen müssen. Viele würden sich deshalb willig die Marken abschneiden lassen, da sie sich in der genommenen Freizeit auf dem Lande besser und reichlicher Lebensmittel beschaffen könnten, als sie durch die Zusatzkarten bewilligt würden. In zunehmendem Maße werden den Meldungen zufolge wieder Stimmen über schlechte Arbeitsdisziplin und Verringerung der Arbeitsleistung bekannt. Als Hauptursache wird die mangelhafte Lebensmittelzuteilung angesprochen, die den Arbeiter zwingt, sich auf dem Lande das Lebensnotwendigste zu beschaffen. Über die Sonderzuteilungen im September und Januar war eine gewisse Beruhigung der Arbeiterschaft festzustellen gewesen. Nach den Versprechungen des ersten Landesdirektors, dass die Rationen zukünftig regelmäßig verabfolgt werden sollten, sei man über die Nichteinhaltung der Zusage um so enttäuschter. BAB, R 58/224 1 Vgl. Meldungen RFSS an den Führer über Bandenbekämpfung Nr. 56 v. 17. 1. 1943, BAB, NS 19/ 2566; Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 900, 905. 2 Nach dem Urteil der Wehrmacht war das Unternehmen „Eisbär“ gescheitert; dazu Monatsmeldung zur „Bandenlage“ HGr. Mitte/Ia v. 6. 2. 1943, BAL, B 162/766; vgl. Hesse: Der sowjetrussische Partisanenkrieg, S. 280. 3 Bronislaw Kaminski (1899–1944), Milizkdr. im Selbstverwaltungsbezirk Lokot. 4 Kolpaks Partisaneneinheit, gegliedert in mindestens drei Btl., wurde im Mai 1943 durch die einstige EG D, deren verbliebene Reste mittlerweile hauptsächlich als Ic-Personal der SS-Kav.div. fungierten, auf eine Gesamtstärke von bis zu 10 000 Personen geschätzt; vgl. SS-Kav.div./Ic: Feindnachrichtenblatt Nr. 1 v. 11. 5. 1943, BA-MA, RS 3–8/74. 5 Vgl. Georg von Rauch: Geschichte der baltischen Staaten, München 1990; Henn-Jüri Uibopuu: Die Entwicklung des Freistaates Estland, in: Boris Meissner (Hrsg.): Die baltischen Nationen Estland, Lettland, Litauen, Köln 1990, S, 52–61. 6 Vgl. Hannsjörg Kowark: Das Ende der französischen Flotte im Zweiten Weltkrieg. Toulon 1940– 1944, Hamburg 1998. 7 Zur Werbung für diesen offiziell ab Okt. 1942 aufgestellten Verband der Waffen-SS vgl. Aufstellungsbefehl Chef SS-FHA v. 29. 9. 1942, BAB, NS 33/233; Neulen: An deutscher Seite, S. 283–288; Müller: An der Seite der Wehrmacht, S. 162 ff.

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

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Berlin, den 19. März 1943 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 46 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandentätigkeit im Bereich des Kommandeurs dSPudSD Litauen: Am 6. 3. 43 überfielen 200 schwer bewaffnete Banditen, unter denen sich auch zwei Frauen befanden, ein Gut in der Gemeinde Benjakonis und raubten 5 Pferde, 2 Schweine, 100 Eier, 15 kg Sahne, Hafer und Pferdegeschirre. Die Banditen führten zwei leichte Geschütze und 10 schwere MGs mit sich. Die Telefonverbindung zwischen Benjakonis und Dewenischkis wurde zerstört. Die Banditen konnten in unbekannter Richtung entkommen. Am 7. 3. 43 nahm eine Polizeistreife im Gebiet ungefähr 10 km nördlich von Benjakonis die Verfolgung der Bande auf. Die Bande hat sich auf weissruthenisches Gebiet zurückgezogen. Die Banditen im Raume von Dubucze haben sich weiter verstärkt. Es sind zahlreiche Bunker und Stellungen von den Banditen errichtet worden, die besonders zahlreich auf einer Höhe südlich von Dubucze sind. Es handelt sich um eine Ortschaft mit etwa 50 Häusern und 200–300 Einwohnern. Die Einwohner sollen restlos auf Seiten der Banditen stehen. Dubucze ist nur auf einigen Strassen, die durch das umfangreiche Sumpfgebiet führen, zu erreichen. Diese Straßen sind von den Banditen besetzt. Auffallend ist, daß die Banditen bei ihren Raubzügen die Ortschaft Poddebie meiden, deren Einwohner bewaffnet sind und Bandengruppen schon mit Erfolg bekämpft haben. Bandentätigkeit im Bereich des Kommandeurs dSPudSD Weißruthenien: In der Zeit vom 8.–26. Februar 1943 wurde in den Pripjet-Sümpfen im Raume Morocz–Milewicze–Lenin– Hryczynowicze–Glowny-Kanal–Lugy–Hawrylczyce–Bieliczkowiecze das Unternehmen „Hornung“1 durchgeführt. Die Erkundungsunterlagen für das mit starken Kräften – 4 Kampfgruppen – angesetzte Unternehmen wurden durch besonders eingesetzte Kommandos dSPudSD erstellt. Ergebnis des Unternehmens: Feindverluste: 2219 Tote, 7378 Sonderbehandelte, 65 Gefangene, 3300 Juden. Eigene Verluste: tot: 2 Deutsche, 27 Fremdvölkische; verwundet: 12 Deutsche, 26 Fremdvölkische. Beute an Waffen und Munition: 172 Gewehre, 14 Pistolen und Revolver, 2 sMG, 6 lMG, 5 MP, 1 Geschütz, 150 Handgranaten, 7 schwere Sprengminen, grosse Mengen Sprengstoff, 21173 Schuss Infanteriemunition, 500 Schuss Pistolenmunition, an landwirtschaftlichen Erzeugnissen: 559 Pferde und Fohlen, 9578 Rinder, 844 Schweine, 5700 Schafe, 222,8 to Getreide, 13,8 to Leinen- und Hanfsaat, 2 to Flachs und sonstigem: 2 Lkw, 185 Panjewagen, 205 Schlitten, 1 zahntechn. Station und Sanitätsmaterial, 3 Kirchenglocken, verschiedenes Gerät und Ausrüstungsstücke, 1 Kriegskasse mit 4000 Mk. in ukrainischer Währung. Zerstört: 1900 Häuser, 1 Waffenwerkstatt, 56 Lager (teils befestigt) und 1064 Bunker. Bandentätigkeit im Bereich des BdS Ukraine: Das gemeinsam von Polizei- und Wehrmachtskräften im Raum um den Kaiser-See (nördlich Bahnlinie Mikasewitsche-Ptitsch) durchgeführte Unternehmen „Nixe“ 2 ist inzwischen angelaufen. Nach Zerstörung bandenverseuchter Ortschaften und Niederkämpfung feindlicher Nachhuten konnten bereits zahlreiche befestigte Wohnbunker und Kampfstände zerstört, über 400 Banditen und Bandenhelfer erschossen, etwa 1000 Personen evakuiert und grosse Mengen an Vieh erfasst werden. Der Bandenführer Kolpak ist mit einem grossen Teil der militärisch auf-

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gezogenen Bande weiter nach Nordosten ausgewichen; die z. Zt. von ihm besetzten Ortschaften werden von der Luftwaffe angegriffen. Unter dem Kennwort „Föhn“ 3 läuft ein weiteres Grossunternehmen westlich von dem vorgenannten Raum im Südteil Weissrutheniens (nördlich Bahnstrecke Pinsk–Brest-Litowsk), das von Polizeikräften des Höheren SS- und Polizeiführers Russland-Mitte gemeinsam mit Wehrmachtseinheiten durchgeführt wird. Während in den letzten Tagen an allen Bahnstrecken im Bandengebiet die Anschläge stark zugenommen haben, ist an der Nordbahn auf Grund der durchgeführten bezw. in Durchführung begriffenen Unternehmen ein bemerkenswerter Rückgang zu verzeichnen. Besonders störend wirken sich die massierten Anschläge an der Bahnstrecke Kiew–Neshin (Kommandeurbereich Tschernigow) auf den Nachschub aus. Die gesamte Bandentätigkeit hat in der letzten Woche eine ausserordentliche Steigerung erfahren. Im Generalbezirk Wolhynien-Podolien entwickelt die nationalukrainische Taras-Bulba-Borowetz-Bande eine besondere Aktivität. Die zahlreichen Überfälle im Raum östlich Rollbahn Rowno–Luzk sind zum grossen Teil auf Anhänger dieser Bande zurückzuführen. In zunehmendem Maße mehren sich die Fälle, dass Schuma- und Kosakeneinheiten unter Mitnahme ihrer Waffen geschlossen zu den Banden überlaufen. So ging z. B. die in Cuman eingesetzte Kosakenhundertschaft durch Abbrennen des Sägewerkes zu einer in der Nähe liegenden Bande über; 55 Schuma-Angehörige des in Berezne liegenden Schuma-Batl. verliessen unter Mitnahme von 3 lMG und ihren übrigen Waffen ihren Standort und schlossen sich einer Bande an. Bei Stydin, 50 km nördlich Rowno, wurde am 21. 2. 1943 eine Kuriermaschine des OKW von starker Bande, die 2 Flak mit sich führte, abgeschossen. Die 9 Insassen sind verbrannt. Eine starke Bande von 1500–2000 Mann ist aus dem Raum ostwärts Stolin in Südrichtung bis in Nähe Rollbahn bei Zwiahel vorgestossen. Eine mittlere Bande ist nördlich Krementschug aufgetreten und in Richtung Tscherkassy, Kommandeurbereich Kiew, vorgestossen. Begünstigt durch die derzeitige Frontlage ist im Kommandeurbereich Tschernigow eine starke Zunahme der Bandentätigkeit festzustellen. Ein Kommando der Sicherheitspolizei hatte bei Aufklärung bei Kajukowka, nordostwärts Tschernigow, erhebliche Verluste. Bei Überfall von Banditen auf einen Zug wurde der als Wachführer eingeteilte Gendarmeriebeamte lebend in die Lokfeuerung geworfen und die Schuma-Wache verschleppt. Fallschirmspringer, Saboteure: Im Gebiet Perwomaisk, Generalbezirk Nikolajew, wurden von einem mit deutschen Hoheitsabzeichen versehenen britischen Flugzeug 20 Fallschirmspringer in deutschen Wehrmachtsuniformen abgesetzt. 3 Angehörige der Gruppe konnten festgenommen werden. Bei Poltawa, Generalbezirk Kiew, wurden 3 Fallschirmspringer festgenommen, die den Auftrag hatten, deutsche Truppenbewegungen hinter der Front mittels Sendegerät zu melden. Das Gerät wurde sichergestellt. Im Bereich der Ortskommandantur Utorgosch (Raum um Luga) wurden 20 und im Gebiet des TschernojeSees 8 Fallschirmspringer abgesetzt. Südlich Strugi wurden 120 Fallschirmspringer gesichtet, die sich in Richung Borodkino bewegten. Bei Ossmino wurde eine Gruppe von 50 Fallschirmspringern gestellt, die sich nach Gefangenenaussagen auf dem Rückmarsch nach Leningrad befand. Im Raum um Luga haben sich 12 Fallschirmspringer selbst gestellt. Bei Jamburg wurden 13 Fallschirmspringer unter Führung des sowjetischen Hauptmanns Boris Welikow abgesetzt. Die Gruppe, von der bisher 2 Angehörige festgenommen werden konnten, hat den Auftrag, Terrorakte durchzuführen. Zwischen Jamburg und Samra-See wurden 4 Banditen, die bereits im Herbst mittels Fallschirm abgesetzt worden waren, festgenommen bezw. im Feuerkampf erschossen. Aufgrund von Gefangenenvernehmungen konnte festgestellt werden, dass Fallschirm-

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springer jetzt fast immer in sowjetischen Uniformen abgesetzt und von Offizieren der Roten Armee geführt werden. Im Kreise Rositten konnten bewaffnete Bandengruppen festgestellt werden, die von Fallschirmspringern und sowjetischen Offizieren geführt wurden. Die Banden hatten die Absicht, bei Eintritt besserer Witterung Sabotageakte auf Truppentransportzüge und motorisierte Militärtransportkolonnen zu verüben. Sie wurden von einem lettischen Eisenbahnangestellten jeweils über die Art der durchfahrenden Züge unterrichtet. 4 Angehörige der Bandengruppe, die bereits im Sommer 1942 einen Sprengstoffanschlag auf einen Munitionszug zur Durchführung gebracht hatten, wurden festgenommen. Auf der Strecke Wilna–Dünaburg fuhr zwischen den Stationen Pakretony und Ignalino ein Materialzug auf eine Mine. Durch die Explosion wurde eine Schiene in 1,50 m Länge aufgerissen. Durch Entgleisung der Lokomotive entstand leichter Sachschaden. Ungefähr 10 km vor der Ortschaft Pabrade fuhr ein Güterzug auf eine Mine, wodurch ein Schienenstück von 1 m Länge aufgerissen wurde. Es entstand leichter Personen- und Sachschaden. Durch absichtliche Nachlässigkeiten eines ukrainischen Lokomotivführers wurde im Reichsbahnbetriebswerk Zwetkowo, Kommandeurbereich Kiew, eine Lokomotive schwer beschädigt. Der Täter wurde öffentlich gehängt. In Oster, Kommandeurbereich Tschernigow, wurde von unbekannten Tätern ein Petroleumbehälter mit 8750 l Inhalt in die Luft gesprengt. Im Rayon Alexandria, Kommandeurbereich Nikolajew, wurde eine aktiv tätige, unter der Leitung des ehem. bolschewistischen Majors Sklajr stehende Sabotageorganisation, die zahlreiche Anschläge auf Eisenbahnanlagen und sonstige Sabotageakte ausgeführt hatte, zerschlagen. Bisher wurden 33 Mitglieder der Gruppe, unter denen sich 4 weitere ehem. Offiziere der Roten Armee, ein Staatsanwalt eines sowjetischen Militärgerichts sowie ein NKWD-Agent befanden, sonderbehandelt. Eine aus 9 Personen bestehende Sabotagegruppe, deren Mitglieder Anschläge auf Verkehrsanlagen durch Einbau schwerer Granatwerfergeschosse verübt hatten, wurde in Kriwoj-Rog, Kommandeurbereich Dnjepropetrowsk, aufgerollt. Ein Lager mit 30 Granatwerfergeschossen, 35 Flakgranaten, Gewehren, Granaten und einer grösseren Menge von Infanteriemunition wurde sichergestellt. Von 3 auf dem Bahnhof Lubny, Kommandeurbereich Kiew, beschäftigten Ukrainern wurde eine Lokomotive in Gang gesetzt, die in den Drehscheibenschacht stürzte und neben maschinellen Schäden eine Blockierung der im Maschinenschuppen untergebrachten 10 Lokomotiven für längere Zeit verursachte. Die Täter wurden festgenommen. In Priluki, Kommandeurbereich Tschernigow, wurden 48 Mitglieder der unter der Leitung des sowjetischen Kapitäns Nowitzki stehenden Sabotagegruppe „Jung-Kameraden“ unschädlich gemacht. Unter den Verhafteten befinden sich ein Leutnant der Roten Armee und ein Funker. Waffen aller Art (2 lMG), 5 kg Sprengstoff und ein Radiogerät wurden sichergestellt. In der Nähe der Station Bialystok (Strecke Wilna–Bialystok) fuhr ein Wehrmachtstransportzug auf eine Mine, wodurch ein Schienenstück von 2 1/2 m Länge herausgerissen wurde. Die Lokomotive des Zuges wurde schwer beschädigt, 3 Wagen entgleisten. Ein deutscher Eisenbahnbeamter wurde leicht verletzt. In Dolgowska-Ssabak (Raum um Luga) wurden von Banditen 2 Brücken und bei Luga die Eisenbahnlinie gesprengt. Ferner wurden in diesem Raum 4 sowjet. Bürgermeister erschossen und 7 Bürgermeister bezw. Ortseinwohner verschleppt. In Wilna konnten 30 Mitglieder der Zentrale einer Dokumentenfälscherbande der polnischen Widerstandsbewegung festgenommen werden. Dabei wurden 19 Stempel von verschiedenen deutschen und litauischen Dienststellen, Formulare und Ausweise verschiedener deutscher Dienststellen mit entsprechenden Sie-

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geln und Unterschriften versehen, Pläne der Stadt Wilna und Umgegend mit Einzeichnung kriegswichtiger Objekte sowie schriftliche Instruktionen für Spionage und Kurzwellengeräte sichergestellt. Kommunistische Bewegung: In Podolsk – Einsatzgruppe B – sammelten sich alte kommunistische Parteimitglieder und drängten sich in leitende Stellungen in der Stadtverwaltung, um den Verwaltungsapparat zu zersetzen. Durch Lebensmittelschiebungen grössten Umfanges schafften sie unter der Bevölkerung starke Unzufriedenheit. Weiter wurde eine Theatergruppe festgestellt, die sich kommunistisch betätigte und Vorarbeit für eine Rückkehr der Bolschewisten geleistet hatte. Insgesamt konnten 110 Personen festgenommen werden, von denen 89 der Sonderbehandlung zugeführt wurden. In Dyma verbreitete eine kommunistische Gruppe bolschewistische Rundfunknachrichten und sonstige Zersetzungsgerüchte. Es wurden 8 Personen festgenommen und zwei Radioapparate sichergestellt. In Weissruthenien ist eine Zunahme der kommunistischen Betätigung festzustellen. Es wurden in Minsk 9 Personen festgenommen, die den sowjetischen Heeresbericht verbreitet, Zersetzungspropaganda und die Bildung eines illegalen kommunistischen Komitees in Minsk betrieben hatten. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Im Einvernehmen mit der Wehrmacht wurden im Hinblick auf die veränderte militärische Lage im Kommandeurbereich Stalino vorbeugende Maßnahmen gegen unzuverlässige Elemente durchgeführt und bisher insgesamt 729 Personen festgenommen. Die Aktion diente hauptsächlich der Verhinderung der Bildung von Terrorgruppen. In Makejewka verbreiteten gegnerische Elemente deutschfeindliche Parolen und brachten dadurch eine Unruhe in die Bevölkerung. Bisher wurden 27 Kommunisten festgenommen. Ukrainische Widerstandsbewegung: Aus dem Distrikt Lemberg wird die Neugründung einer nationalukrainischen Gruppe gemeldet. Diese trat Anfang November 1942 unter dem Namen „Ukrainische Selbständigkeitskämpfer“ mit einem Flugblatt „Die Revolution marschiert“ erstmalig an die Öffentlichkeit. Die im Abzugsverfahren hergestellte Druckschrift wurde in grossen Massen vorwiegend an die ukrainische Intelligenz versandt; als Absendungsorte sind bisher Lemberg und Tarnopol festgestellt. Der Inhalt entspricht etwa dem der Flugschriften der Bandera-Gruppe: Die Errichtung einer selbständigen Ukraine könne nur auf dem Wege einer allgemeinen Erhebung aller okkupierten Völker erreicht werden. Deshalb müsse sich das ukrainische Volk auf diesen Kampf vorbereiten. Alle mit den Deutschen zusammenarbeitenden Ukrainer seien Konjunkturritter. Ferner wird in dem Flugblatt der Artikel des „Schwarzen Korps“ vom 20. 8. 42 über die Germanisierung des Ostens erwähnt und in diesem Zusammenhang eine spätere Stellungnahme angekündigt. Ausserdem wird in anmaßender Weise der ukrainische Arbeiter dem deutschen in jeder Hinsicht als überlegen dargestellt. Bei der vorerwähnten nationalukrainischen Gruppe dürfte es sich vorwiegend um ehemalige Mitglieder der OUN handeln, die mit der Politik der Bandera- und Melnik-Gruppe unzufrieden sind. Die kürzlich beobachteten Annäherungsbestrebungen der Bandera- und Melnik-Gruppe können als gescheitert betrachtet werden. Die Bandera-Bewegung hat ein Zusammengehen mit der Melnik-Gruppe grundsätzlich mit der Begründung abgelehnt, „Melnik sei im Sommer 1940 mit deutschen Stellen zusammengegangen“. In der Bandera-Gruppe wird weiterhin eine scharfe Radikalisierung beobachtet. Ihre Anhänger sammeln Waffen und Munition und legen geheime Waffenlager an. Befehle und Richtlinien enthalten die Tendenz, daß die Errichtung einer freien und selbständigen Ukraine nur durch einen bewaffneten Aufstand möglich sei. Kommandanten der nach dem Einmarsch der deutschen Truppen geschaffenen ukrainischen Miliz befolgten diese Befehle und schafften

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Teile der gesammelten Waffen und Munition für die Zwecke der Bandera-Bewegung beiseite. Inzwischen wurde bei der Aushebung eines Stabes der Bandera-Bewegung in Sarny ausser einer Anweisung zur militärischen Schulung der Mitglieder auch eine Anweisung über die Führung des Bandenkrieges vorgefunden.4 Eine weitere Radikalisierung der Bandera-Bewegung ist in einer deutlichen Annäherung an den Bolschewismus zu erblicken. Zu diesem Punkte hat sich der Oblast-Führer von Wolhynien, Harabcz, unter anderen wie folgt geäussert: „Die Idee des Kommunismus an sich ist nicht zu verwerfen. Wir können uns also mit jedem Kommunisten, der dem eigentlichen Kommunismus aus Idealismus nachging, leicht verständigen. Es muss unsere Aufgabe sein, diese Menschen, die unbedingt zu den wertvollsten Elementen gehören, zu uns herüberziehen und in unsere Arbeit einzuspannen.“ Es sind bereits bandenartige Verschwörergruppen ausgehoben worden, die fast zu gleichen Teilen aus alten bolschewistischen Funktionären und aus Bandera-Mitgliedern bestanden. Im Kommandeurbereich Charkow hielt eine illegale NKWD-Gruppe mit einer Bandera-Gruppe gemeinsame Besprechungen ab und arbeitete ganz offen mit ihr zusammen. Die Bandera-Gruppe ist darüber hinaus dazu übergegangen, ihre Propaganda vom Bandenkrieg in die Tat umzusetzen. Z. B. wirkt in den Gebieten Sarny-Kostopol eine starke Bandera-Bande unter dem Ukrainer Borowetz, der zugleich Partisanenreferent in der Zentralleitung der OUN-Bandera ist. Die etwa 1000 Mann starke Bande schädigt in keinem Falle die einheimische Bevölkerung, sondern richtet ihre Aktionen ausschliesslich gegen deutsche Dienststellen und Einrichtungen. Aus erfassten Geheimbefehlen geht hervor, dass man sich auf „den unmittelbar bevorstehenden Umsturzversuch“ konzentriert. Die Zentralleitung der OUN befiehlt allen Propagandareferenten, den neuen Propagandafeldzug einzuleiten und „nicht früher zurückzukehren, bis die Revolution entfesselt ist“. Die üblichen Kampfparolen gegen den Bolschewismus sind fortgefallen, und man spricht nur noch vom „letzten Kampf“ gegen die „deutschen Barbaren“. Nach vertraulichen Feststellungen verfügt die OUN-Bandera über etwa 15 000 Gewehre, 45 000 Handgranaten und 1550 Pistolen. Die ukrainische Schutzmannschaft scheidet in erheblichem Maße für die Bekämpfung der Bandera-Gruppe aus, da sie zum Teil stark von Bandera-Leuten durchsetzt ist und in verschiedenen Fällen ihre Angehörigen zu den Bandera-Banditen übergelaufen sind. In der ukrainischen Polizeischule in Lemberg wird von ukrainischen Ausbildungsoffizieren im Unterricht offen reichsfeindliche Propaganda getrieben. Die ukrainische Polizei sabotiert den Arbeitseinsatz in gröblichster Weise. Folgende führende Bandera-Leute aus der „Militärorganisation“ sind in Lemberg festgenommen worden: 1.) Dimiter Hrycaj, geb. 1. 4. 1907 in Doroschin, wohnh. Lemberg, Obertinerstr. 23/7. Er hatte seit Herbst 1942 die Führung der Militärorganisation. 2.) Alexandra Kuzminskyj, geb. 17. 8. 1910 in Zulcyn, wohnhaft Lemberg, Zulinskastr. 12. Hat als Ausbildungsoffizier Bandera-Anhänger illegal in Mosty-Wielie ausgebildet. 3.) Wasyl Kowalski, Deckname Kopacz, geb. 13. 2. 1915 in Strilkow, wohnh. Lemberg, Zoikiewerstr. 33, war Kommandant der militärischen Ausbildungsschule in Mosty-Wielkie. Weiterhin wurden im Kommandeurbereich zahlreiche Festnahmen durchgeführt. Unter anderem wurden in Roshosny und Klein-Wilschanka je 1 Lehrer als Angehöriger der OUN-Bandera festgenommen und in Nikolajew 1 Museumsdirektor und 1 Tierarzt. In Rohisna gelangten 12 Mitglieder, darunter 1 ukrainischer Schutzmann, zur Festnahme, ferner in Kiew über 40 Personen, hauptsächlich aus Kreisen der Intelligenz. Im Bezirk Ostrog wurden 22 Anhänger der OUN-Bandera verhaftet. Die Bandera-Bewegung ist inzwischen dazu übergegangen, sich von dem Fünfergruppen-

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system auf Dreiergruppen umzustellen, um dadurch die Verluste auf ein Minimum zu beschränken. Man bedient sich der ungefährlicheren Flüsterpropaganda und dehnt diese insbesondere auf die ländlichen Gebiete aus. In der letzten Zeit traten im Gebiet Kremenez, Kommandeurbereich Rowno, Gruppen von Banditen auf, die bewaffnete Überfälle auf Staatsgüter verübten. Diese sind auf die Tätigkeit einer Abteilung der OUN-Bandera, der sogenannten „Front der ukrainischen Revolutionäre“, zurückzuführen. Eine grössere Anzahl von Personen wurde bereits festgenommen. In Uman, Kommandeurbereich Kiew, wurden neue Flugblätter der OUN-Melnik erfasst, in denen es unter anderem heisst, dass die deutsche Besetzung der Ukraine nur vorübergehend sein könne. In einem anderen Flugblatt wird Oberst Melnik als der rechtmäßige Nachfolger des gefallenen Führers Konowalez verherrlicht. Die OUN-Melnik-Gruppe bemüht sich mit allen Kräften, über die OUN-Bandera die Vormachtstellung zu gewinnen und diese sich anzuschliessen. Dies soll ihr bereits in den Gebieten Kamenez-Podolsk und Winniza gelungen sein. B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung der Bevölkerung im Generalkommissariat Litauen: Nach den vorliegenden Meldungen hat sich in letzter Zeit das Interesse der litauischen Bevölkerung in immer stärkerem Maße wieder den allgemein politischen Fragen zugewandt. Besonders stark spielen hierbei die Gerüchte um eine bevorstehende Wiederherstellung der Eigenstaatlichkeit der baltischen Länder die Hauptrolle. Man erwartete eine Erklärung der Reichsregierung und mit der Selbständigkeit eine gleichzeitige vollständige Mobilisation der baltischen Staaten. In der litauischen Bevölkerung und vor allem in der litauischen Intelligenz erklärte man, daß Litauen gern bereit sei, mit allen Kräften gegen den Bolschewismus anzutreten, wenn Deutschland ihm seine Selbständigkeit zurückgeben würde. Dabei würde das Wort „Selbständigkeit“ in den seltensten Fällen als eine vollkommene aufgefaßt, sondern mehr als eine kulturelle und verwaltungsmäßige Autonomie. Als dann die Veröffentlichung in der Presse erschien, für die Aufstellung der litauischen freiwilligen SS-Legion und die Mobilisierung weiterer Kräfte für die Wehrmacht und den Arbeitseinsatz, erhoben sich immer mehr Stimmen aus der einheimischen Bevölkerung; z. T. wurde aber auch von Reichs- und Volksdeutschen darauf hingewiesen, daß die Zivilverwaltung nicht imstande sein würde, eine derartige Mobilisation von sich aus durchzuführen. Den Aufruf des Reichskommissars Lohse an die Litauer, zu den Waffen zu eilen und sich in die deutsche Wehrmacht einzureihen, beantworteten litauische nationalistische Aktivisten mit einer Flugblattaktion und einer starken Flüsterpropaganda. So heißt es beispielsweise in einem Flugblatt: „Die deutsche Okkupationsverwaltung hat viele Tausende Mobilisierungsvordrucke hergestellt, welche dazu vorgesehen sind, den Männern Litauens von verschiedenem Alter auszuhändigen [sic] mit dem Ziel, sie unter dem Decknamen der Selbstschutzabteilungen beim deutschen Militär einzuziehen. Wir protestieren dagegen strengstens. Keine Okkupationsverwaltung hat das Recht, Bürger der besetzten Gebiete zu mobilisieren. Alle, die Stellungsbefehle schon erhielten oder erhalten werden, dürfen zum Wohle des Vaterlandes diesen angeblichen Mobilisierungsbefehlen keine Folge leisten. Wir müssen uns ruhig verhalten und keine Ausschreitungen herbeiführen, jedoch diesen neuen Betrug streng boykottieren. Wenn sie wollen, so sollen sie jeden einzelnen mit Gewalt holen usw.“ Als am 16. 2., am Tage der litauischen Unabhängigkeitsfeier, alle öffentlichen Feiern und feierlichen Gottesdienste verboten wurden und der Tag zum Arbeitstag erklärt wurde, wirkte sich diese Maßnahme leicht ernüchternd aus, führte auf der anderen Seite aber zu

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Nr. 28: Errichtung von drei Galgen

einer starken Kritik an der deutschen Führung. Besonders häufig wurde diese Kritik, als wenige Tage später der estnische Unabhängigkeitstag im Beisein der Zivilverwaltung in aller Form gefeiert wurde und hierüber in der litauischen Presse berichtet wurde. Die am 23. 2. in der Presse gebrachte Verordnung des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete über die Wiedereinführung des Privateigentums wurde in der Bevölkerung als Abschlagszahlung für eine Zwangsmobilisierung angesehen. Man erklärte, daß die Reprivatisierung eine selbstverständliche Wiedergutmachung des durch den Bolschewismus angerichteten Schadens sei; dabei könne sie von dem nationalbewußten Litauertum aber nicht als Ersatz für eine kulturelle Selbständigkeit hingenommen werden. Der § 4 der VO wirkt außerdem insofern abkühlend, als die Litauer aus ihm herauslesen, daß ihnen ihre Industrie bezw. die großen Wirtschaftsunternehmen vorläufig nicht zurückgegeben würden und daß außerdem auch der an sich geringe Besitz der kath. Kirche von der Reprivatisierung ausgeschlossen werden solle.

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Betr.: Verwaltungsorganisation in den deutschen Ansiedlungskreisen in Litauen: Durch Anordnung des Generalkommissars vom 4. 2. 43 werden in den Kreisen Birsen, Kauen, Kedahnen, Mariampol, Ponewesch, Raseinen, Schaken, Schaulen, Tauroggen und Wolfburg deutsche Verwaltungsorgane eingerichtet. In jedem der 10 Ansiedlungskreise wird eine deutsche Kreisdienststelle errichtet, die bis auf weiteres als Außenstelle des zuständigen Gebietskommissars gilt und für sämtliche Verwaltungsaufgaben, die Reichsdeutsche betreffen, zuständig ist. Eine Einschaltung der Kreisdienststelle in die Aufsichtsverwaltung gegenüber der landeseigenen Selbstverwaltung erfolgt nach Ermessen des zuständigen Gebietskommissars. Dem Leiter der Kreisdienststelle unterstehen als Angehörige seiner Dienststelle der Kreislandwirtschaftsführer mit seinem Personal, der Leiter des deutschen Ernährungs- und Wirtschaftsamtes, der Sachbearbeiter für die Politik und Verwaltung einschließlich der Steuerfragen, der Kreisschulrektor, der Leiter des deutschen Arbeitsamtes für soziale Fragen und Arbeitseinsatz, der deutsche Kreisarzt und der Kreisansiedlungsstabsführer. Der Kreisdienststelle steht als beratendes Organ der deutsche Kreistag zur Seite. Seine Mitglieder sind ehrenamtlich tätig und werden durch den Gebietskommissar aus den Reihen der im Kreise ansässigen Deutschen berufen. Ihre Zahl beträgt 10–20. Der Kreisrat steht unter der Führung des Leiters der deutschen Kreisdienststelle. Durch den Kreisrat soll die deutsche Bevölkerung zur Mitarbeit an den öffentlichen Aufgaben herangeführt und die Verbindung zwischen Behörden und Bevölkerung sichergestellt werden. Soweit erforderlich können in den Siedlungsgebieten deutsche Amtsschulzen ernannt werden. Ihr Bereich deckt sich mit dem Amtsbezirk der litauischen Selbstverwaltung. Sie sind ehrenamtlich tätig und haben für den Bereich des Amtsbezirks die gleichen Aufgaben wie der Kreisrat im Kreise; außerdem stehen sie der Kreisdienststelle zur Durchführung von Verwaltungsaufgaben zur Verfügung. In jedem der Ansiedlungskreise soll monatlich ein deutscher Kreistag abgehalten werden. An den Kreistagen haben teilzunehmen der Gebietskommissar oder sein Vertreter, der Sachbearbeiter des Gebietskommissars, die Kreisdienststelle, der Kreisrat, der Wirtschaftsoberverwalter der LO, der Kreisgeschäftsführer der Genossenschaft, der örtliche Parteiamtsträger und der HJ-Führer und die BdM-Führerin. Angehörige des Generalkommissariats und Vertreter anderer Formationen können am Kreistag teilnehmen. Den Meldungen zufolge wird durch die Einrichtung der Kreistage eine einheitliche Durchführung der deutschen Verwaltungsaufgaben erwartet. Zum Teil wird aber durch den Ausbau unterer deutscher Dienststellen eine weitere Ausdehnung der bisherigen Doppelgleisigkeit zwischen der deutschen und der landeseigenen Verwaltung bis in die unterste Instanz befürchtet. […] Wirtschaftliche Lage im Generalbezirk Litauen: Landwirtschaft: Im Zusammenhang mit der bevorstehenden Frühjahrsbestellung löst den Meldungen zufolge die in den letzten Monaten durchgeführte Ausmusterung von Pferden unter den Bauern lebhafte Besorgnis aus. Man fürchtet, daß die Aushebung der Pferde wie im Vorjahr inmitten der Frühjahrsbestellung erfolgt und diese darunter mehr als im vergangenen Jahre leidet. Im Vorjahre war es noch möglich, durch Organe der litauischen Selbstverwaltung auf dem Lande einen gewissen Ausgleich herbeizuführen, während man jetzt darauf hinweist, daß der Pferdebestand so knapp geworden sei, daß ein solcher nicht mehr erfolgen könne. In Vorkriegsjahren hatte Litauen einen jährlichen Pferdeüberschuß von 10–20000 Stück. Im Frühjahr 1942 wurden für die Wehrmacht 30 750 Pferde ausgehoben, so daß unter Einbeziehung vorausgegangener Aushebungen bezw. seit Kriegsausbruch aus Litauen gegen 76 000 Ar-

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beitspferde abgegeben werden mußten. Das Ergebnis der Pferdezählung vom Dezember v. J. liegt noch nicht vor. Weiter schätzt man in informierten Kreisen, daß in den letzten Wochen etwa 25 000 Pferde von der Wehrmacht erfaßt und gemustert worden sind. Ohne Verständnis aufgenommen wird ferner, daß auch für die Landbewirtschaftungsgesellschaft Ost Pferde ausgehoben werden, während die Bauern die Pferde auf ihren Wirtschaften viel dringender benötigten. Von den Bauern verlange man sorgfältige Ackerbestellung und volle Erfüllung der Ablieferungskontingente, während die von der Landbewirtschaftungsgesellschaft Ost verwalteten Güter angeblich im Durchschnitt hinter dem Ablieferungssoll der anderen Bauern zurückbleiben. Versorgung: Die Versorgungslage hat durch den Umstand, daß in den letzten Wochen die Bevölkerung auf die Karten Fleisch geliefert bekam, eine gewisse Entspannung erfahren. Nach wie vor aber werden die Rationen, insbesondere die Brotzuteilung, als zu klein empfunden, und die Mißstimmung wegen der ungleichen Behandlung der einheimischen Bevölkerung und der Reichsdeutschen hält an. Im Schleichhandel werden nach wie vor hauptsächlich Lebensmittel vertrieben. Im Gegensatz zum Vorjahr nimmt jedoch der Tauschhandel, Sachwerte gegen Sachwerte, ab, und in zunehmendem Maße wird Bezahlung verlangt, ein Beweis für die zunehmende Geldverknappung. Einer sichtlichen Geldverknappung ist es auch zuzuschreiben, daß die im Schleichhandel gezahlten Preise vielfach zurückgegangen sind. Die 2. Spinnstoffsammlung, die im Gen.Bez. Litauen durchgeführt wurde, hat als Ergebnis etwa 2000 to eingebracht. In den größeren Städten ist der Rohstoff abtransportiert worden. Auf dem flachen Lande ist dies indessen nicht überall der Fall. So liegen den Meldungen zufolge erhebliche Mengen unter freiem Himmel, Regen und Schnee ausgesetzt, und verfaulen. Von zuständiger Seite wird der Mangel an Transportraum als Ursache angeführt. In Kreisen der einheimischen Bevölkerung hat die Art der Lagerung sich keineswegs günstig ausgewirkt. Kommende Brennstoffversorgung/Holzeinschlag: Um das große Programm des Waldeinschlages und der Abfuhr rechtzeitig erfüllen zu können, wurde für die Zeit vom 15. 2.–15. 3. 43 eine Sonderaktion verfügt, wo alle Bauern, die über Pferde verfügen und bei Wegarbeiten nicht beschäftigt sind, ihre Gespanne zur Verfügung stellen mußten. Da 50 % des vorgesehenen Einschlages bereits durchgeführt sind, hofft man, daß auf diese Weise wenigstens das geschlagene Holz bis an den Waldrand geschafft werden kann. An Brennholz sind 4,6 Mill. Raummeter vorgesehen. Davon entfallen 1 415 000 rm auf den deutschen Bedarfssektor, der vollauf befriedigt werden wird. Außerordentliche Schwierigkeiten stehen aber in der Bedarfsdeckung des litauischen Sektors mit 3,2 Mill. Raummetern bevor. Es wird als ausgeschlossen angesehen, mit den zur Verfügung stehenden Kräften den Einschlag durchzuführen, vor allem aber, ihn abzutransportieren. Vom litauischen Sektor kommen 2 Mill. Raummeter für die ländliche Bevölkerung und für die Städte Wilna und Kauen je 400 000 rm infrage. Es wird deshalb jeder Einwohner, der für den kommenden Herbst und Winter Holz braucht, verpflichtet werden, eine bestimmte Norm selbst im Wald zu schlagen und auch selbst für die Abfuhr zu sorgen, und zwar muß er 50 % mehr einschlagen, als sein eigener Bedarf beträgt. Dieses Mehr an 50 % dient dann zur Deckung des Bedarfes der Krankenhäuser, Altersheime, Kindergärten usw. Eine besondere Schwierigkeit entsteht auch dadurch, daß die im Umkreis von 25 km von Kauen liegenden Wälder in den vergangenen Monaten bereits derart ausgenutzt worden sind, daß man aus diesem Umkreis z. B. für Kauen nur 75 000 rm besorgen kann. Die übrigen 325 000 rm werden aus einer Entfernung bis zu 150 km herangeschafft werden müssen.

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Man will deshalb den Einschlag hauptsächlich an den großen Wasserwegen entlang vornehmen, um das Holz per Floß heranzuschaffen. C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR Aus Anlass des 25-jährigen Bestehens der Roten Armee 5 wurden zwischen den verschiedenen Richtungen der orthodoxen Kirche mit Stalin Telegramme gewechselt. Bereits seit einiger Zeit ist eine Annäherung der sowjetischen Regierungskreise an die orthodoxe Kirche festzustellen. Mit Rücksicht auf die Stimmung in der Welt und besonders den angelsächsischen Ländern will die Sowjetunion den Anschein der Toleranz in religiösen Fragen erwecken. Es soll sogar die Absicht bestehen, eine sowjetische diplomatische Sondermission zum Papst zu entsenden. Die Reise dieser Mission habe jedoch vorläufig nur informatorischen Charakter. Verschiedene Gefangenenmeldungen der letzten Zeit lassen erkennen, daß die Verpflegung der kämpfenden Truppe während des Winters verhältnismäßig gut war. Auch die Truppen im Hinterland werden noch befriedigend ernährt. Über die Ernährungslage der Zivilbevölkerung sind die Nachrichten nicht einheitlich; sie wird von ausländischen Korrespondenten mit den Worten „Mangel, aber keine Hungernot“ charakterisiert. In den vergangenen Wintermonaten sei die Lebensmittelkrise ernst gewesen. Jetzt sei eine leichte Besserung festzustellen, was z. T. auf die amerikanischen Lebensmittellieferungen, die insgesamt mit 2 900 000 to angegeben werden, zurückgeführt wird. Jedenfalls gestalte sich die Lage in den grossen Städten und Industriegebieten wesentlich günstiger als zur gleichen Zeit des Vorjahres. Durch die von der Sowjetunion zurückgewonnenen Gebiete wird für dieses Jahr noch keine wesentliche Entlastung der Ernährungslage erwartet, da weder Traktoren und Pferde, noch Saatgetreide und genügend Arbeitskräfte zur Verfügung ständen. Die Preise auf dem schwarzen Markt zeigen auch weiterhin eine ansteigende Tendenz. L. M. Kaganowitsch6 ist anstelle von General Krulew wieder mit der Leitung des Verkehrskommissariats beauftragt worden. Es ist bekannt, daß Kaganowitsch wiederholt von Stalin mit der Leitung der Kommissariate beauftragt wurde, in denen sich besondere Schwierigkeiten zeigten. So hat er z. B. während des gesteigerten Aufbaues der Rüstungsindustrie das Kommissariat der Schwerindustrie, dem die Rüstungsindustrie untersteht, geleitet. Das Verkehrswesen konnte in der Sowjetunion mit der allgemeinen Entwicklung nicht immer Schritt halten, und L. M. Kaganowitsch versuchte damals als Leiter des Verkehrskommissariats mit drakonischen Mitteln, das Verkehrswesen wieder in Ordnung zu bringen. Seine jetzige Ernennung läßt darauf schliessen, daß die Sowjets im Verkehrswesen mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Die Sowjetunion hat im Januar 1943 ca. 1000 to Wolframerz aus Tschunking/China über Sinkiang geliefert erhalten. Diese Tatsache läßt erkennen, daß die Sinkiangstraße für die Beförderung grösserer Lasten geeignet ist. In Verfolg der zwischen Stalin und Tschangkaischek abgeschlossenen Vereinbarungen soll die sowjetische Militärmission in Tschunking das Recht erhalten haben, die Anwerbung von Freiwilligen für die Rote Armee unter der chinesischen Bevölkerung vorzunehmen. Die ersten chinesischen Freiwilligen seien bereits an der Front aufgetaucht. Ausserdem seien die ersten Transporte chinesischer Arbeiter in der Sowjetunion eingetroffen. Stalin wurde vom Präsidenten des Obersten Rates der Sowjetunion und von dem Obersten Befehlshaber der bewaffneten Kräfte der Sowjetunion zum Marschall der Sowjetunion ernannt. Die Ernennung habe nach Mitteilungen des Moskauer Senders bei der sowjetischen Bevölkerung grosse Freude hervorgerufen und Anlaß zu Kundgebungen für Stalin gegeben. Wie aus Sofia berichtet wird, habe Stalin Anfang März Moskau verlassen und sich vermutlich an die Südfront begeben. Wie gemel-

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Nr. 29: Erhängte in Witebsk

det wird, hat nunmehr auch der letzte Verband sowjetischer Kavallerie Iran verlassen und wurde nach Russland zurückgerufen. Im Iran befänden sich von sowjetischen Einheiten nur noch ein Regiment Spezialtruppen und eine Infanteriedivision. Die sowjetische Kavallerie wird dem Bericht zufolge von nordamerikanischen Truppen ersetzt. In der Berichtszeit wurde eine neue Verordnung des Obersten Rates der Sowjetunion bekannt, wonach zur Anspornung der Rotarmisten aus dem Mannschafts- und Unteroffiziersstande ein neues Kriegsabzeichen gestiftet worden ist, das die Bezeichnung „Vorbildliche Spähtruppler“ trägt. BAB, R 58/224

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1 Die hohe Zahl der jüdischen Opfer resultierte aus der dabei erfolgten Vernichtung des Ghettos Sluzk; vgl. Angrick/Mallmann/Matthäus/Cüppers: Deutsche Besatzungsherrschaft in der UdSSR 1941– 1945, S. 523 ff.; Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 901, 943–948. 2 Vgl. ebd., S. 901, 905. 3 Vgl. ebd., S. 901, 905. 4 Zu den hier durchschimmernden Anfängen der ukrainischen Untergrundarmee UPA vgl. Bruder: „Den ukrainischen Staat erkämpfen oder sterben!“, S. 189 ff. 5 Vgl. Peter Gosztony: Die Rote Armee. Geschichte und Aufbau der sowjetischen Streitkräfte seit 1917, Wien u. a. 1980; John Erickson: The Soviet High Command: A Military-Political History 1918–1941, London 2001. 6 Lasar Moissejewitsch Kaganowitsch (1893–1991), Politbüromitglied der KPdSU 1930–1957.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 26. März 1943 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 47 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandenbekämpfung im Bereich des Kommandeurs dSPudSD Litauen: Nach längerer Fahndung im Gebiet Viewils und Traka gelang es, den Aufenthalt der Gesuchten zu ermitteln. Am 12. 3. 43 hatten zwei V-Leute der AD-Stelle Wilna einen Treff mit 3 einheimischen Banditen und einem Fallschirmspringer. Im Verlaufe des Treffs kam es zu Meinungsverschiedenheiten, wobei einer der Banditen versuchte, einen V-Mann mit vorgehaltener MP zum Erheben der Hände zu zwingen. Der V-Mann entriß dem Banditen die MP und schoss drei der Anwesenden, unter ihnen den Fallschirmspringer, nieder; der vierte Bandit konnte, obwohl mehrfach getroffen, in der Dunkelheit entkommen. Eine in den Morgenstunden desselben Tages durchgeführte Streife ermittelte, daß der verwundete Bandit von einer Bauersfrau verbunden worden war und dann im Wald entkam. Die Bäuerin wurde festgenommen. Bandenbekämpfung im Bereich des Kommandeur dSPudSD Wolhynien und Podolien: In Antoniny, Gebiet Starokonstantinow, gelang es, einer grösseren Verschwörergruppe habhaft zu werden, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die ukrainische Schutzmannschaft zur Desertion und zum Anschluss an eine von ihr aufgezogene Bande zu veranlassen, diese mit Waffen, Munition und Lebensmitteln zu versorgen und mit der Bande den Widerstand gegen die deutschen Behörden aufzunehmen und Sabotageakte auszuführen. Die tragende Stütze dieser Verschwörergruppe, bei der sich ein ehemaliger Bataillonskommissar, ein Hauptmann, 1 Oberleutnant und 2 Leutnante der Roten Armee befanden, war ein ehemaliger Politruk der Roten Armee namens Nikolai Pantschuk, der schon bei der Vorbereitung eines Aufstandes in Starokonstantinow im Januar und Februar 1942 hervorragend beteiligt war, beim Zugriff damals aber entfliehen konnte. Zur Durchsetzung der Schutzmannschaft in Antoniny ließ sich der ehemalige Leutnant der Roten Armee Feckistow im Juni 1942 dort als Schutzmann einstellen. Unter diesem Deckmantel entfaltete er unter den Schutzleuten eine rege Propagandatätigkeit, die darin gipfelte, daß in nächster Zeit von den deutschen Behörden sämtliche Kommunisten, Komsomolzen und ehemalige Angehörige der Roten Armee erschossen würden. Er ging mit grossem Geschick vor, so daß diese Hetze zunächst den deutschen Dienststellen nicht zur

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Kenntnis gelangte. Erst als er zur Schutzmannschaft Starokonstantinow versetzt und überprüft werden sollte, floh er. Einige Tage nach seiner Flucht wurde bekannt, daß die beiden ukrainischen Schutzleute Palawartschuk und Humenjuk mit einer Banditenbande in Verbindung standen und mehrere Trommeln für russische Pistolen beschafft hatten. Die Beteiligten wurden festgenommen, aber mit Hilfe der Schutzmannschaftsposten und einer um Feckistow gescharten Bande aus dem Gefängnis befreit, worauf 4 weitere Schutzmänner mit der Bande flüchteten. Nachdem ihre Angehörigen festgenommen und den geflohenen Schutzmännern bei sofortiger Rückkehr Straffreiheit zugesichert wurde, hat sich ein Schutzmann erschossen und der Schutzmann Boptschuk gestellt. Durch seine Vernehmung wurde festgestellt, daß sich ein Teil der Banditen unter Führung des Politruks Nikolai Pantschuk im Walde von Werbowzy in einem Bunker aufhalte. Unter Mithilfe von 50 Mann der Wehrmacht und der Schutzmannschaft Starokonstantinow gelang es, den Bunker auszumachen, wobei es zum Feuergefecht kam, bei dem 2 Banditen erschossen wurden. Erbeutet wurden 1 schweres russisches Maschinengewehr mit 4 Gurten Munition, 1 MP ohne Schaft, 6 Infanteriegewehre, 6 Handgranaten, verschiedenes Kartei- und Schriftmaterial, darunter Blankopersonalausweise, gestempelt mit dem Siegel der Straßenmeisterei Starokonstantinow, und Blankozettel, gestempelt mit dem Siegel des Gebietskommissars von Starokonstantinow. Das Siegel, mit dem die Blankozettel gestempelt wurden, trägt die Nr. 3 und ist nicht mehr auffindbar. Es ist demnach anzunehmen, daß es sich noch in den Händen irgendeines Banditen befindet. Einige Tage später erfolgte ein Überfall der Banditen auf die Zuckerfabrik in Krementschug, woran sich dort beschäftigte Kriegsgefangene beteiligten, Telefonleitungen durchschnitten und restlos mit den Banditen verschwanden. Bei einer sofort eingeleiteten Aktion gegen die Banditen, die sich in einer Imkerei im Walde bei Koskow festgesetzt hatten, gelang es, zwei Banditen lebend zu fassen, die übrigen konnten infolge dichten Nebels entkommen. Am Unterschlupf wurden gefunden 6 Pferde, 1 Schlitten, 2 Fuhrwerke, 1 Schreibmaschine und 6 Gewehrläufe. Die Gebäudeteile wurden niedergebrannt und der damit verbundene Bunker von 30 m Länge vernichtet. Die beim ersten Unternehmen zersprengten Banditen wurden in einem 2 km von Laschki entfernt liegenden Bauernhof Beresina, der aus mehreren Wohnhäusern, die mit dichtem Gesträuch umstanden sind, erneut aufgespürt und angegriffen. In dem sich entwickelnden Feuergefecht wurden 6 Banditen erschossen; die übrigen sind entkommen. Unter den Erschossenen befand sich der bereits genannte Bandenführer Nikolai Pantschuk. Erbeutet wurden hier 1 russ. MP, 6 Infanteriegewehre, 2 russ. Zehnlader und 1 russ. Trommelrevolver. Im Bezirk Grizew wurden zwei Banditen in einem Haus gestellt und nach Niederbrennen des Hauses als Leichen gefunden. Im Zuge der zwischendurch erfolgten Vernehmungen und Erhebungen wurden insgesamt 133 Personen festgenommen, darunter eine Anzahl versprengter Bandenangehöriger, durch deren Vernehmung der ganze Personenkreis festgestellt werden konnte, der die Propaganda zum Eintritt in die Banden getätigt, die Waffen an die Banditen gegeben und sie mit Lebensmitteln unterstützt hat. Unter letzteren waren auch einige Angestellte der Handelsgesellschaft Starokonstantinow. Die Telefonistin Maria Drus beim Postamt in Grizew hat an einem dort aufgestellten Radiogerät den Moskauer Sender abgehört und die Nachrichten den Banditen übermittelt. Die Aufforderung zum Eintreten in die Banden richtete sich in der Hauptsache an die ukrainischen Schutzmänner, die Kriegsgefan-

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genen und alle diejenigen, die aus Transporten zum Arbeitseinsatz nach Deutschland entsprungen waren oder zum Arbeitseinsatz kommen sollten. Arbeitspläne des kommunistischen Jugendverbandes der Ssewsker Bandenabteilung: Durch ein Kommando der SPudSD wurde einem gefallenen Banditen das Original eines Arbeitsplanes des kommunistischen Jugendverbandes der Ssewsker Bandenabteilung abgenommen. Es handelte sich um den kommunistischen Jugendbund der 2. Kompanie dieser Bandengruppe, die unter Führung des Kommissars Gorchow stand. Die Anweisung stammt aus Oktober 1942. Es wird darin wörtlich folgendes ausgeführt: „Die Arbeit des Kommunistischen Jugendbundes in den Unterabteilungen ist so aufzubauen, daß jedes Mitglied des Kommunistischen Jugendbundes ein Rädelsführer bei der Erhöhung der Kampf- und Kriegsdisziplin in den Unterabteilungen und der Abteilung ist, daß jedes Mitglied des Kommunistischen Jugendbundes an allen Kampfoperationen teilnimmt, die vom Kommando der Abteilungen durchgeführt werden. Jedes Mitglied hat die Aufmerksamkeit auf die Erfüllung des roten Partisanenschwurs wachzurufen, indem es rechtzeitig gegen die Feiglinge und Panikmacher zum Schlage ausholt, wodurch es wiederum die eiserne Kriegsdisziplin in der Abteilung stärkt.“ Sowjetische Spionagegruppe in Saporoshje: Dem Kommandeur dSPudSD in Dnjepropetrowsk gelang die Zerschlagung einer grösseren Spionagegruppe in Saporoshje. Die Sowjets hatten schon vor Beginn des Rückzuges in Saporoshje einen grösseren Agentenapparat aufgezogen, der nach der Besetzung durch deutsche Truppen Nachrichtendienste leisten sollte. Saporoshje ist durch seine verkehrstechnische Lage und hochentwickelte Kriegsindustrie sowie das dort befindliche grösste sowjetische Elektrizitätswerk für die Sowjets von besonderer Bedeutung. Als Hauptleiter der Agentengruppe wurde der Russe Nefagim festgestellt. Er war Feldwebel der Roten Armee, Komsomolze und Kandidat der KP. Ihm zur Seite standen Funker sowie mehrere Agenten. Nefagim trat unter dem Decknamen „Jascha“ auf. Sein erster Einsatz erfolgte von Stalino aus mit dem Flugzeug hinter den deutschen Linien mit einem Simonenko (späterer Leiter einer Spionagegruppe in Melitopol und dort im Verlauf dieser Ermittlungen festgenommen) und Lapuschinskij. Er hatte den Auftrag, Truppenbewegungen zwischen Serogosi und Melitopol zu erkunden. Diesen Auftrag führte er aus und kam durch die deutschen Linien zu den Sowjets zurück. Da die vom NKWD in Saporoshje aufgestellte Agentengruppe unter Maxim Krajswitnij und dem Funker Rybin nur ungenügende Meldungen gab, erhielt Nefagim im Januar 1942 den 2. Auftrag, die Tätigkeit dieser Gruppe neu zu organisieren und die Gründe der ungenügenden Funktätigkeit festzustellen. Er brachte für die Funkgeräte neue Batterien mit. Mit Fallschirm abgesetzt, übermittelte er nach Austausch der Parole seinen Auftrag und organisierte die Gruppe neu. Er wechselte dann abermals durch die Front zu den Sowjets, weil die Batterien der Funkgeräte wieder unbrauchbar wurden. Im Mai 1942 bekam er abermals den Auftrag, die Gruppe in Saporoshje zu übernehmen und neu zu organisieren. Zu diesem Zweck war ihm die Funkerin Polosowa zugeteilt, die ein Funkgerät „Sewer“ mitführte. Sein besonderer Auftrag lautete: a) Die militärischen Anlagen am Dnjepr zu erkunden, b) Art und Stärke der Truppen in Saporoshje, c) Flugplatzanlagen und ihre Belegung, d) Lager für Brennstoff, Sprengstoff und Munition, e) Art und Bewachung der militärischen Objekte, f) Verkehr auf der Eisenbahn und den Straßen mit deutschen Truppen und Transporten und g) Verkehr im Hafen und Arbeiten am Staubecken. Ein Verbindungsmann zu Banden bezw. KP-Organisationen war untersagt. Funkverkehr durch die Polosowa wurde am 19. 5. 1942 erstmalig aufgenommen und die

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geglückte Landung gemeldet. In der folgenden Zeit wurde fortlaufend Funkverbindung mit der NKWD-Nachrichtenzentrale Woroschilowgrad gehalten. Im Juni oder Juli 1942 kam als neuer Agent von Woroschilowgrad ein Mischa Ljoschin. Er hatte den Auftrag, die mangelhafte Nachrichtenübermittlung des Nefagim und die eingegangenen Meldungen der Agenten auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Er konnte sich der Festnahme entziehen und gleichzeitig mit einem Maschoschi, der zur Namensänderung mit der Polosowa eine Ehe eingegangen war, flüchten. Die Fahndungsmaßnahmen blieben ohne Erfolg. Auch die mitgebrachten Batterien des Ljoschin brachten keinen Funkverkehr mehr zustande, so daß ab 10. 7. 42 keine Verbindung mit der Gegenseite bestanden hat. Als Grund wurde auch angegeben, daß die Nachrichtenzentrale ausser Reichweite gewöhnlicher Funkgeräte, die nur bis 500 km reichen, verlegt war. Aus diesem Grunde sollte das von Rybin mitgeführte Gerät „Deshok“, Reichweite über 1500 km, aufgebaut werden. Das Gerät mußte aber an das Lichtnetz angeschlossen werden. Diese Versuche mißglückten, so daß Funkverbindung auch mit diesem Gerät nicht zustande kam. Inzwischen hatte Nefagim Arbeit als Buttermeister in einer Butterfabrik in Saporoshje angenommen, und die Polosowa arbeitete im Werk 29 – Feldluftpark – als Schlosser. Die Polosowa wurde auf der Funkerschule in Tiflis beim 10. kaukasischen Nachrichtenregiment ausgebildet und am 7. 9. 41 dem Stab der Südfront in Kamensk/Dongebiet zugeteilt. Im November kam sie zur Ausspähabteilung 1080 der Südfront und nahm an den Kursen auf der Agentenschule Milerowo teil. Sie wurde in folgenden Fächern unterrichtet: Agentenwesen, Spezialfunkausbildung, militärische Ausbildung, Topographie, Fallschirmwesen und Unterricht über die deutsche Wehrmacht. Sie hatte als besonderen Auftrag, zu beachten, daß in der Nähe ihrer Funkstelle durch andere elektrische Stationen keine Störung des Funkbetriebes zu erwarten war. Die Meldungen waren an den Stab der Südfront weiterzuleiten sowie die Erfolge der angreifenden russischen Flugzeuge zu erkunden, ausserdem die Paßverhältnisse und Ausweisbestimmungen in Saporoshje festzustellen. Sie stellte zunächst ihr Funkgerät bei Krajswitnij auf, dessen Familie über ihre Tätigkeit unterrichtet war. Das Funkgerät stand auf dem Boden des Hauses und wurde zur Benutzung im Zimmer aufgestellt. Die Antenne wurde vom Dachboden zu einem Baum geworfen und hing dort während der ganzen Monate. Nefagim machte bei seiner Vernehmung besondere Angaben über die Funkgruppe Melitopol unter Führung des Simonenko. In Zusammenarbeit mit der SD-Aussenstelle Melitopol konnte Simonenko festgenommen werden. Durch die Vernehmungen wurde eine Verbindung dieser Funkgruppe nach Gross-Tokmak geklärt und im Verlauf der Ermittlungen 14 Agenten, darunter zwei ehemalige Angehörige der ukrainischen Hilfspolizei, festgenommen. 2 Funkgeräte wurden sichergestellt. Sabotagehandlungen: Zwischen den Stationen Seinlaukis und Lyduwenai entgleiste infolge einer Sabotagehandlung ein mit Baustoffen beladener Wehrmachtstransportzug. Aus dem Gleise war ein Schienenstrang herausgerissen worden. Durch Entfernen von 2 Meter Schienenstrang wurde auf der Strecke Varena–Wilna ein Kohlenzug zur Entgleisung gebracht. Der Packwagen und 6 beladene Waggons wurden zertrümmert. Auf der Hauptlinie Dünaburg–Polozk fuhr ein vor der Lokomotive geschobener Sicherungswaggon auf eine Mine und wurde zerstört. Ausserdem entgleisten 6 Waggons des Zuges. Ein Schienen-Lkw und eine Kleinlokomotive gerieten in der Nähe des Bahnhofs Abrene auf eine Mine. Die Kleinlokomotive entgleiste, und der Schienen-Lkw brannte aus. Hierbei wurden 2 Wehrmachtsangehörige und 1 Eisenbahner leicht verletzt. Von einer Streife des Eisenbahnschutzes wurde auf der Strecke Abrene–Karsawa eine Mine entdeckt und

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rechtzeitig entfernt. Ein Munitionszug, der mit den ersten beiden Wagen bereits über die Mine gefahren war, konnte angehalten werden. Banditen sprengten in der Nähe des Bahnhofs Punduri das Bahngleis, wobei drei Schienenschwellen herausgerissen wurden. Unbekannte Täter zerstörten durch Minenlegung die Eisenbahnstrecke Wilna–Dünaburg zwischen Pasmalves und Turmantas. Ein kurz darauf eintreffender Wehrmachtstransportzug passierte die Sprengstelle, ohne Schaden zu nehmen. In der Umgebung von Kostantinowa sägten Banditen einige Telefonmasten um, wodurch die Verbindung Lentubys– Svenzioniai unterbrochen wurde. Die Lokomotive und 6 Waggons eines Güterzuges wurden bei der Station Matiusas – Strecke Wilna–Varena – durch Überfahren einer Mine zur Entgleisung gebracht. Mehrere Banditen, die sich in der Nähe des Tatortes aufhielten, wurden vom Begleitpersonal beschossen. In einem auf dem Flur des Paßbüros Witebsk befindlichen Ofen wurde eine Sprengstoffladung zur Explosion gebracht. Die Räume des Paßbüros wurden schwer beschädigt und eine Person leicht verletzt. 2 Verdächtige wurden festgenommen. 8 bewaffnete Kriegsgefangene setzten das Magazin einer Kraftwagenwerkstätte der Luftwaffe in Neu-Borissow in Brand, wobei eine 12  40 m grosse Halle eingeäschert wurde. Auf der mit einem Lkw durchgeführten Flucht kam es zwischen ihnen und einer OD-Streife zu einem Feuergefecht, bei dem ein OD-Mann getötet und ein anderer schwer verletzt wurde. Durch Ausbruch eines Brandes in der Grossgarage des Kommandeurs der Schutzpolizei in Kiew wurden 46 Dienstkraftwagen, 11 Beutewagen und 5 Krafträder vernichtet. Die Entstehungsursache ist noch nicht bekannt. Aus den Aussagen eines festgenommenen Bandenmitgliedes wurde bekannt, daß Bandenangehörige bei Tschernigow und Dolboncino Flugplätze angelegt haben, auf denen nachts aus Moskau kommend Flugzeuge mit Material zu Sabotagehandlungen landen. Ausserdem wurden mit diesen Flugzeugen mehrere Hundert 17- bis 19-jährige Männer und Mädchen transportiert, die sämtlich eine Ausbildung im Minenlegen erhalten haben. Die in Dolboncino hergestellten Minen mit einem Gewicht von 1 1/2 bis 2 kg befinden sich in einem viereckigen Kästchen und werden in Brotteig eingebacken. Das so präparierte Brot wiegt nach dem Backen ca. 5 kg. Die Sprengkapseln werden erst bei Gebrauch eingesetzt. Dem Kommandeur dSPudSD in Tschernigow gelang es, 48 Angehörige einer Sabotageorganisation mit dem Namen „Jungkameraden“ festzunehmen, die beabsichtigt hatten, in Priluki an wichtigen Objekten Sprengungen durchzuführen. Zwei lMG, 2 Schnellfeuergewehre, 5 Gewehre, 3 Handgranaten, 5 kg Sprengstoff, 1 Radiogerät, 1 Anzahl Radioröhren, Geräte für eine Fernsprechanlage und gepackte Tornister mit Verbandsmaterial, Trockenkonserven und geröstetem Brot wurden sichergestellt. Der Führer dieser Organisation war der flüchtige russische Offizier Nikolai Nowitzki, der je 24 Mann in Priluki und Ladan eingesetzt hatte. Die Gruppe in Priluki wurde von dem ehem. Unterleutnant der Roten Armee Agejew geführt, der bis zu seiner Festnahme Dolmetscher bei der Ortskommandantur war. Kommunistische Tätigkeit: Dem Kommandeur dSPudSD in Dnjepropetrowsk gelang es, eine kommunistische Organisation zu zerschlagen, die eine verstärkte Hetzzettel- und Schmierpropaganda gegen die Verschickung von Arbeitskräften nach dem Reich durchführte. U. a. wurde ein Werbeplakat für die Arbeitsvermittlung nach Deutschland mit den Worten „Nein, nein, gelogen!“ beschmiert. Die Organisation bestand hauptsächlich aus Jugendlichen, die mit einem Arbeitseinsatz im Reichsgebiet rechnen mussten. Bisher wurden 12 Personen festgenommen, die der Organisation angehörten. Dem Leiter gelang es, bei der Festnahme Selbstmord zu verüben. Bei Kursk wurde eine kommunistische Fünfergruppe ausgehoben, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, deutsche Offiziere zu vergiften

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und Kriegsmateriallager zu sprengen. Um eine Anlaufstelle zu schaffen, war beabsichtigt, einem Angehörigen der Organisation in Kursk ein Friseurgeschäft zu errichten. Die Mittel für die illegale Arbeit wurden von dem Leiter der Fünfergruppe bereitgestellt, der Ingenieur und Besitzer einer Werkstatt war, die hauptsächlich Instandsetzungsarbeiten für die deutsche Wehrmacht und für die Stadtverwaltung Kursk ausführte. Die Festgenommenen wurden sämtlich sonderbehandelt. Im Herbst 1942 wurde im Gebiet Saslaw festgestellt, daß sich dort eine kommunistische Organisation gebildet hatte. Bei einer Zusammenkunft wurde schlagartig zugegriffen und 22 Personen festgenommen. Unter den Festgenommenen befanden sich 2 Frauen. Die illegale KP-Gruppe bereitete die Sprengung von Eisenbahnbrücken und des Gebäudes des Gebietskommissariats vor sowie die Inbrandsetzung von Getreideschobern und -lagern. Der Gruppe war es bereits gelungen, sich etwa 4 kg Sprengstoff zu beschaffen. Unter den Festgenommenen befand sich ein Angehöriger der ukrainischen Schutzmannschaft, der Waffen und Munition beschaffte. Von den Festgenommenen wurden 16 Personen erschossen. Unter ihnen befand sich ein Leutnant, 3 Unterleutnants, 1 Feldwebel, 1 Obersergeant, 1 Gruppenführer und 1 Unteroffizier der sowjetischen Armee. Im Bereich des Kommandeurs dSPudSD in Nikolajew wurden mehrere illegale Gruppen der KP erfaßt. Der Leiter der Gruppen war Kapitän der Hauptverwaltung des Nachrichtendienstes der Roten Armee. Er wurde im Mai 1942 mittels Fallschirms abgesetzt mit dem Auftrag, in den Gebieten von Nikolajew, Cherson und Otschakow die KP zu organisieren und aufzubauen. In Nikolajew war es ihm schon gelungen, in der Süd- und Nordwerft, im Handelshafen und in einer Landmaschinenreparaturfabrik illegale Gruppen zu bilden. Bei der Aufrollung der Gruppen in Cherson gelang es, bisher 80 Personen festzunehmen. Unter ihnen befanden sich 2 Kuriere aus dem unbesetzten Gebiet, die ebenfalls mittels Fallschirms abgesetzt waren. Beide sind öffentlich erhängt worden. In Zuge der gleichen Aktion wurden im Rayon Nowo-Odessa weitere 12 Gruppen mit 65 Personen unschädlich gemacht. Mit weiteren Festnahmen ist noch zu rechnen. Bei einem Festgenommnen wurde erstmalig ein Parteiausweis für die illegale Kommunistische Partei NKP(B) sichergestellt. Das Programm der NKP(B) lautet: „Die illegale Kommunistische Partei (der Bolschewiken) NKP(B) ist eine Sektion der bolschewistischen Partei. Deshalb ist sie auf der Doktrin des Marxismus-Leninismus begründet. Als Ziel setzt sie die Befreiung der sozialistischen Heimat von den deutsch-rumänischen Nationalfaschisten und die Wiederaufrichtung des sozialistischen Regimes in unserer Heimat. NKP(B) hat sich ebenfalls zur Aufgabe gestellt, im gegenwärtigen Moment die westlichen Völker Europas mittels Agitation und Propaganda aufzuklären, welche zu uns in Soldatenröcken gekommen sind, was der Menschenfresser Hitler und die von ihm besoldete Bande bezweckt. Ebenfalls, was die bolschewistische Partei mit dem hellen Genius Stalin an der Spitze bezweckt. NKP(B) muss das Volk der besetzten Gebiete zum Aufstand gegen die Unterjocher vorbereiten. Zu diesem Zweck bildet sie eine umfangreiche agit-politische Arbeit und Formierung der Streitkräfte, um mit dessen Hilfe die Besatzungstruppen zu entwaffnen, die Macht an sich zu reissen und eine allgemeine Mobilisation der Bürger durchzuführen zur Hilfe den an der Front kämpfenden Brüdern, die gegen die Inquisatoren der Menschheit kämpfen [sic].“ Statuten der NKP(B): „1. Mitglied der NKP(B) kann nur der werden, der sich verpflichtet, sein ganzes Leben in den Dienst der sozialistischen Heimat zu legen, der sich verpflichtet, mit Ehre den Namen des Mitglieds der illegalen Parteiorganisation zu tragen und alle Befehle des Zentralkomitees vorbehaltlos zu erfüllen. 2. Das Zentralkomitee der Partei,

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das an der Spitze der NKP(B) steht, ist vor dem ZK der WKP(B) – Zentralkomitee der Allrussischen Kommunistischen Partei – für die Arbeit verantwortlich. Die Rayonabteilungen verantworten für ihre Arbeit vor dem ZK der NKP(B). Die Unterabteilungen verantworten für ihre Arbeit vor der Rayonabteilung. Jedes einzelne Mitglied verantwortet für seine Arbeit vor der Organisation, der er angehört. 3. Nichtbefolgung wird als Verrat angesehen.“ Bei den Ermittlungen des Kommandeurs dSPudSD in Kiew gegen eine Terrorgruppe gelang es, die Person festzunehmen, die für die KP-Angehörigen falsche Ausweise, Pässe und Stempel herstellt. Der Festgenommene hielt sich bei einer Volksdeutschen in Kiew verborgen, in deren Wohnung über dem Küchenherd die Werkzeuge für Stempelherstellung eingemauert gefunden wurden. In Kiew gelang es weiter, einen zurückgelassenen GUGB 1-(NKWD)-Angehörigen unschädlich zu machen, der an der Herstellung und Verbreitung von Flugblättern maßgeblich beteiligt war und Terrorakte vorbereitete. Die Mittel beschaffte er sich durch mehrere Raubüberfälle. Bei einem Bankraub wurde er erschossen. In Nikopol, Bereich des Kommandeurs dSPudSD Dnjepropetrowsk, wurden 45 Angehörige einer illegalen KP-Organisation festgenommen. Unter ihnen befanden sich mehrere GUGB-Agenten und Parteifunktionäre. In Simferopol, Sewastopol und Feodosia wurde ferner eine Anzahl von Personen festgenommen, die kommunistische Flüsterpropaganda betrieben. Im Kreise Pernau, Estland, wurden 4 Personen wegen kommunistischer Betätigung festgenommen. Drei der Festgenommenen sind bereits früher wegen verbotener politischer Betätigung bestraft worden. Nach den Ermittlungen sollten Sabotageakte und Überfälle auf deutsche Dienststellen durchgeführt werden. Ferner versuchten sie, die estnischen Bauern daran zu hindern, den ihnen auferlegten Ablieferungspflichten nachzukommen. In einem Falle wurde von der Gruppe ein Bauer mit Gewalt gezwungen, das Holzfahren für eine Gemeinde einzustellen. B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung in der Ukraine: Das Bild der allgemeinen Lage war den Meldungen der letzten Wochen zufolge von den militärischen Ereignissen und den damit zusammenhängenden Gerüchten beherrscht, die namentlich Mitte Februar in einer geradezu unwahrscheinlich starken Flut sich auf die Bevölkerung ergossen. Die zweifellos von Gegnerkreisen und durch Abhören sowjetischer Sender in die Bevölkerung hereingebrachten Flüsterparolen gaben durchweg der Meinung Ausdruck, dass die Initiative des Feldzuges auf die Seite der Sowjets übergegangen und die deutsche Wehrmacht im Zusammenbrechen sei (Kiew, Dnjepropetrowsk, Rowno). Dagegen wurde aus den Landbezirken des Kiewer Bereiches berichtet, dass die Bevölkerung durch durchziehende frische deutsche Truppen mit ihrer gänzlich neuen und technisch hochstehenden Ausrüstung den Eindruck gewann, dass der augenblickliche Einbruch der Sowjets bald wieder zurückgeschlagen werde. Diese verschiedenartigen Auffassungen zwischen Stadt und Land mögen auch darin ihre Begründung haben, dass der Landbevölkerung der Sowjetfunk nicht in dem Maße zugängig ist wie der Stadtbevölkerung. Die Welle der Gerüchte beschränkt sich nicht allein auf die militärische Lage, sondern darüber hinaus erfasst sie naturgemäß auch politische Fragen und viele Dinge des täglichen Lebens. Bemerkenswert ist insbesondere dabei ein Gerücht, das sowohl in Nikolajew, Dnjepropetrowsk, Kiew, Rowno, aber auch vor der Besetzung durch die Russen in Rostow, Charkow und Kursk aufgetreten war, welches eine Umwandlung der Roten Armee in eine nationalrussische kolportierte. Als Gründe für den angeblichen deutschen Zusammenbruch wird erzählt, dass es den Deutschen an Treibstoff mangele oder aber z. B. die grausame Behandlung der russischen

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Kriegsgefangenen vonseiten der deutschen Behörden sei daran schuld. Diese Tatsache bestimme die Rotarmisten zu hartnäckigster Gegenwehr. Das hochmütige Benehmen der Deutschen und das völlige Ignorieren der Bedürfnisse und Wünsche der Ukrainer komme dazu und rufe grossen Hass hervor. Kiew berichtet, dass unter der Bevölkerung auch Wahrsagereien, Prophezeiungen und Kettenbriefe ein fruchtbares Feld gefunden haben. Die vorliegenden Meldungen besagen übereinstimmend, dass sich die anfallenden Gerüchte unter der Bevölkerung stimmungsmäßig ungünstig ausgewirkt haben, zumal die bereits in den letzten Monaten zum Teil beobachtete Animosität gegen die Deutschen insgesamt auch in den letzten Wochen wiederum festzustellen war. So wird z. B. aus Kiewer ukrainischen Kreisen immer wieder darauf hingewiesen, dass die Deutschen sich über die teilweise deutschfeindliche Haltung nicht zu wundern brauchen, da es der Bevölkerung „nie so schlecht ergangen sei wie unter dem einen Jahr deutscher Herrschaft“. Ganz abgesehen von der Versorgungslage habe man die Bevölkerung vor allem dadurch abgestoßen, dass man ihr keinen Platz im Gemeinschaftsleben angewiesen habe. Ausserdem komme hinzu, dass von deutscher Seite aus der bolschewistischen Propaganda, die in den letzten Wochen sehr gut gewesen, zu wenig entgegengesetzt worden sei. In Dnjepropetrowsk sagt ein Teil der Bevölkerung, dass die Deutschen sich nicht wie Freunde und Befreier der Bevölkerung vom jüdisch-bolschewistischen Joch, sondern wie Sieger in einem unterworfenen Land benehmen würden. Selbst der Teil der russischen und ukrainischen Bevölkerung, der 24 Jahre lang die Hoffnung auf Befreiung durch die Deutschen gehegt habe, sei in seiner Erwartung enttäuscht. Die Bevölkerung habe sich das Erscheinen der Deutschen etwas anders vorgestellt. In Wirklichkeit hätten die Deutschen sie aber vielfach zurückgestossen. Auch aus dem Shitomirer Bereich wird berichtet, dass das Vertrauen der Bevölkerung zur deutschen Herrschaft abgesunken sei. Hier wird als Grund vor allem die Nichtverteilung von Grund und Boden angegeben. Die militärische Lage hat es auch mit sich gebracht, dass in der Bevölkerung viel offener zum Teil bereits wieder probolschewistische Tendenzen beobachtet werden können. So haben die militärischen Ereignisse in nahezu allen Bereichen stimmungsmäßig zwei Auswirkungen gehabt. Es war, wie Kiew berichtet, in den ersten Tagen des Näherrückens der Front die Stimmung noch zum allergrössten Teil bolschewistenfeindlich. Die Bevölkerung war mit Fluchtplänen beschäftigt und kannte nur das eine Ziel, die Rückkehr der Sowjets nicht erleben zu müssen. Seit dem Fall Charkows und dem Einsetzen der bolschewistischen Propagandawelle trat bei einem Teil der Bevölkerung jedoch eine Änderung in der Haltung ein. Die Bevölkerung ist teilweise der bolschewistischen Propaganda erlegen. Man versicherte sich nunmehr, dass die Sowjets sich politisch total umgestellt hätten, dass bei ihnen ein neuer Geist herrsche, dass man es mit einer russischen nationalen Armee zu tun habe und dass mit der Rückkehr Stalins zum Nationalismus auch die ehemals so gefürchteten Verfolgungsmethoden verschwunden seien. Niemand werde für eine zwangsmäßig geleistete Arbeit für die Deutschen bestraft werden. Entgegen diesen Gerüchten – so wird weiter aus Kiew berichtet – blieb jedoch ein Grossteil der Bevölkerung absolut zuversichtlich. Vor allem in den Kreisen der Intelligenz und des Mittelstandes glaubt man nicht an eine Niederlage der deutschen Truppen. Man ist vielmehr überzeugt, dass es sich um das letzte Anrennen der Bolschewisten handelt. Diese Zweiteilung in der Meinung der Bevölkerung in bezug auf die militärische Lage und die zu erwartenden Auswirkungen konnten auch in Rowno beobachtet werden. Dort ist der überwiegende Teil der Bevölkerung von einer allgemeinen Unruhe und Angst vor einer drohenden Rückkehr der Bolschewisten erfasst. Es handelt sich dabei vorwiegend

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um diejenigen Bevölkerungskreise, die mit den deutschen Dienststellen zusammenarbeiten oder zumindest nicht gegen die deutsche Ordnung sich vergangen haben. Andere Teile der Bevölkerung hingegen versuchen z. B. sich schon von ihrer Tätigkeit bei den deutschen Dienststellen zu lösen, da sie glauben, im Interesse ihrer eigenen Sicherheit nicht länger mit den Deutschen zusammenarbeiten zu können. In den noch kommunistisch beeinflussten Kreisen der Bevölkerung und der innerhalb des Bereiches Wolhynien ziemlich beachtlichen polnischen Minderheit hingegen ist eine zunehmende passive Resistenz festzustellen. Von den verschiedensten Stellen wird gemeldet, dass deutlich ein ablehnendes und zum Teil sogar freches Verhalten von Landeseinwohnern zu verspüren ist. Die Einstellung der ukrainischen Bevölkerung gegenüber den militärischen Ereignissen und die damit im Zusammenhang stehenden Gerüchte wurden zum Teil, wie aus Dnjepropetrowsk und Kiew berichtet wird, auch durch die Haltung und teilweise Schwarzseherei Reichsdeutscher beeinflusst. So wurden vonseiten Reichsdeutscher ebenfalls wilde Gerüchte verbreitet und überstürzt zur Abreise oder zum Rückzug aufgebrochen. Ein weiteres Zeichen für das mangelnde Vertrauen den Deutschen gegenüber bezw. ein Hinneigen zum Bolschewismus auf Grund der militärischen Verhältnisse zeigt sich auch darin, dass auf den schwarzen Märkten die Rubel gegenüber dem Karbowanez und auch dem deutschen Geld wieder sehr gern genommen werden. Auf dem Lebensmittelmarkt hat die militärische Lage teilweise zu weiteren erheblichen Preissteigerungen geführt. Auch hier ist die bolschewistische Propaganda wesentlich mit schuld, die durch die von ihr verbreiteten Gerüchte zu der täglichen Verteuerung beigetragen hat. Auch in Rowno steht trotz des beherrschenden Eindrucks der Frontereignisse auch die Verpflegungslage und Versorgung mit warmer Kleidung und Brennmaterial als Alltagssorge im Vordergrund der Erörterungen. Ein Grossteil der Bevölkerung sei nach wie vor gezwungen, sich das zur Essenszubereitung notwendige Holz durch Diebstahl zu beschaffen. Auch die Werbung von Arbeitskräften für das Reich hat sich für den Bereich Wolhynien-Podolien immer wieder negativ auf die Stimmungslage ausgewirkt. Die Bürgermeister haben, da ihnen nunmehr Zwangsmittel zur Verfügung standen, vornehmlich jene Kräfte namhaft gemacht, die sich bereits mehrere Male dem Arbeitseinsatz entzogen hatten. Von diesen sind jedoch viele geflohen und zum Teil zu den Banden gestossen. Aus einigen Gebieten wurde berichtet, dass sich Banden bemühen, alle jene ukrainischen Hilfskräfte, die bei der Werbung für den Arbeitseinsatz herangezogen wurden, auszuschalten. Auch sonst ist die Hetze gegen den Arbeitseinsatz gross und wird bis in die kleinsten Dörfer hinein betrieben. Propagandalage in der Ukraine: Feindpropaganda: Die Feindagitation in Form von Flüsterparolen und Gerüchtebildung zeigte in den letzten Wochen eine ausserordentliche Steigerung und beherrschte weitgehend das Bild der allgemeinen Stimmung. Gerüchte über die Lage an der Front standen dabei im Vordergrund. Sie fanden in allen Teilen der Ukraine eine ungemein starke Verbreitung. Durchweg kam in ihnen zum Ausdruck, dass die deutschen Truppen sich geschlagen auf der Flucht befänden und dass die Sowjetarmee gewaltige Siege erringe. Während es die bolschewistische Propaganda in den Zeiten ihrer eigenen militärischen Niederlagen meisterhaft verstand, diese zu bagatellisieren und den Endsieg als gewiss hinzustellen, überschlägt sich diese nunmehr förmlich in der Verbreitung der wildesten Gerüchte und Flüsterparolen von eigenen Erfolgen und Siegen. So wird in Rowno erzählt, Stalin habe Anfang Januar versichert, in 12 Wochen werde er die deutsche Wehrmacht erledigt haben. Kalinin habe in einer grossen Rede u. a. gesagt,

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dass die Rote Armee von Sieg zu Sieg schreite, dass die in Stalingrad gefangenen Mannschaften in Gefangenenlager abgeführt, die Offiziere aber den Juden übergeben würden. Noch ehe Charkow, Rostow usw. wieder in sowjetischer Hand waren, wurde schon gerüchteweise im Rownoer Bereich davon gesprochen, dass diese Städte von den Russen wiedererobert seien. Die Nordarmee plane einen Vorstoss nach Riga, Wilna sei bereits genommen. In Kiew wurde unter der Bevölkerung mit Entschiedenheit behauptet, dass die Initiative des Feldzuges auf Seiten der Sowjets liege. Die Sowjets verfügten über ungeheuere Menschenreserven und würden von England und Amerika immer wieder grössere Kriegsmateriallieferungen erhalten. Deutschland habe sich durch die lange Kriegführung und die Besetzung vieler Staaten dermaßen erschöpft, dass es nun vor dem Zusammenbruch stehe. Weiter wurde erzählt, dass die deutschen Truppenteile, die gegenwärtig nach dem Osten verfügt würden, sehr schwach ausgerüstet seien, dass die technische Ausrüstung der deutschen Wehrmacht überhaupt von Tag zu Tag schlechter würde, der Kampfgeist der deutschen Truppen infolge der natürlichen Übermüdung und Überanstrengung merklich nachgelassen hätte. Andererseits hätte der Kampfgeist der Roten Armee auf Grund der errungenen Siege bedeutend zugenommen. Für weite Kreise der Bevölkerung wurde es als feststehend angesehen, dass die Rote Armee in kürzester Zeit die deutsche Wehrmacht vernichtet hätte. Auch in Kiew waren Gerüchte über die Einkesselung grosser Mengen deutscher Soldaten verbreitet. Die Schlacht am Ladoga-See sei zu Gunsten der Sowjets entschieden, Minsk sei gefallen, Witebsk sei umlagert und Riga bereits wieder besetzt. Die deutschen Truppen seien in panischer Flucht begriffen, alle Eisenbahnen seien mit Verwundeten überladen. Daneben könne man auch ganze Truppenteile deutscher Soldaten, die sich geweigert hätten, weiter zu kämpfen, in Fesseln sehen. In Dnjepropetrowsk war das Gerücht im Umlauf, dass Kertsch bereits wieder besetzt sei, dass die englische Flotte durch die Dardanellen gedrungen sei und mehrmals Sewastopol beschossen hätte. Die Lage der Deutschen sei an der ganzen Front katastrophal. Die Deutschen würden bis zum Sommer aus Russland verdrängt sein, Panzer seien auf Minsk vorgestoßen, in Murmansk seien englischamerikanische Expeditionstruppen gelandet, an der französisch-spanischen Westgrenze hätte sich eine englische Fallschirmjägergruppe festgesetzt. Die englisch-amerikanische Hilfe erweise sich für die Rote Armee als sehr positiv. Die riesige Ausdehnung Sowjetrusslands mit seinen unerschöpflichen Rohstoffquellen in Sibirien und im Ural usw. lasse es nie zu, dass die Deutschen den russischen Raum eroberten. Deutschland kenne die wahren Verhältnisse und Zustände des Sowjetstaates, seine Stärke und seine Möglichkeiten nicht genau. 2 Ständige Reibungen zwischen Deutschland und seinen Verbündeten seien an der Tagesordnung. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass eine Anzahl Gerüchte sich mit der Haltung der Verbündeten befasst. So wurde in Kiew gerüchteweise behauptet, innerhalb der Dreierpaktpartner sei Streit ausgebrochen. Die Italiener seien nicht mehr bereit weiterzukämpfen, da sie einerseits starke Verluste erlitten hätten und dabei andererseits keine Gebiete für sich erworben hätten. In Dnjepropetrowsk erzählt man, an der Don-Front seien 2 grosse rumänische Einheiten zu den Roten übergegangen; daraufhin sei ein rumänischer Kommandeur von den Deutschen erschossen worden. Die gestiegene Animosität gegen die Deutschen allgemein findet auch in verschiedenen Flüsterparolen und Hetzinschriften ihren Widerhall. So wurde gerade in dieser Hinsicht in Dnjepropetrowsk eine grosse Reihe von Feindparolen verbreitet: z. B. die Ukrainer und Russen seien in den Augen der Deutschen nichts anderes als Sklaven. Die Anpreisung Hitlers als Befreier sei

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eine Lüge, denn Russen und Ukrainer würden wie Knechte behandelt. Deutschland verspreche alles und halte nichts. Früher hätten Ukrainer und Juden den Staat bestohlen, jedoch dabei untereinander geteilt; heute dagegen würden die Deutschen alles für sich in Anspruch nehmen. Besonders bemerkenswert sind die in den letzten Wochen allenthalben auftretenden nationalrussischen Parolen. Sowohl im Rownoer wie auch im Kiewer, Nikolajewer, Kursker, Dnjepropetrowsker Bereich und auch in Charkow wurden, vor Einnahme durch die Roten, Gerüchte festgestellt, welche die verstärkte Betonung des nationalrussischen Momentes sowohl in der bolschewistischen Regierung wie auch in der Roten Armee zum Inhalt haben. Danach sind den Offizieren wieder die Schulterstücke – ähnlich wie es im zaristischen Reich gewesen ist – zuerkannt. Die bolschewistische Armee würde nun als russische Armee für ihr Vaterland kämpfen. Auch die alte dreifarbige Zarenfahne sei wieder eingeführt worden. In Kiew lief das Gerücht um, die Schlagkraft der Bolschewisten sei auch dadurch erhöht worden, dass die Reform in der russischen Armee durchgeführt wurde; beispielsweise stünden an der Spitze der Sowjettruppen jetzt zaristische Generale, die aus England gekommen seien. Weiterhin sei eine Landreform durchgeführt worden, durch die alle Kollektivwirtschaften aufgehoben sein sollen. Die Sowjets hätten sich auch politisch total umgestellt. Es herrsche ein absolut neuer Geist. Mit der Rückkehr Stalins zum Nationalismus seien auch die ehemals so gefürchteten Verfolgungsmethoden geschwunden. Auch in Charkow waren diese Gerüchte verbreitet. Sie führten dazu, dass beispielsweise von etwa 100 Angestellten der Fürsorgeabteilung der Stadtverwaltung nur 3 Personen Charkow verliessen. Selbst in Kreisen der Charkower Intelligenz ist man diesem bolschewistischen Propagandatrick erlegen, wie das Beispiel des Lehrkörpers der Technischen Hochschule zeigt, wo von rund 200 Professoren nur 2 geflüchtet sind. In besonders breiter Form sind die Gerüchte über die politische und militärische Umstellung des Sowjetregimes in Dnjepropetrowsk aufgetaucht. Dort sollen Angehörige des rumänischen Heeres erzählt haben, sie seien in russische Gefangenschaft geraten und dort über die in Durchführung begriffene Reform aufgeklärt worden. Danach sei in der Sowjetunion der Kommunismus abgeschafft, die Juden würden aus der übrigen Truppe abgesondert, Stalin sei abgetreten, Molotow Ministerpräsident, Schukow Oberbefehlshaber, Schapownikow Minister für das Rüstungswesen usw. Es wären ihnen auch einige Offiziere in der neuen russischen Uniform mit den neuen Schulterstücken vorgestellt worden. Darauf hätte man sie unter Rückgabe ihrer Gewehre wieder freigelassen. Angehörige italienischer Formationen verbreiteten in Dnjepropetrowsk das Gerücht, dass Russland wieder einen Zaren bekomme und eine nationalrussische Armee gebildet würde. Den Ukrainern würde nichts geschehen, da die im Anmarsch begriffene nationalrussische Armee für Ruhe und Ordnung sorge. Eine weitere Parole lautet, dass in diesem Kriege nur der siegen würde, der als erster den Zaren in Russland einsetze. Mit einem monarchistischen Russland – so äussert man verschiedentlich – würde Deutschland zu einer Übereinstimmung kommen. Zu diesen Gerüchten meldet Dnjepropetrowsk, dass, während der politisch weiter denkende Teil der Bevölkerung diesen Parolen mit Zurückhaltung und zum Teil mit einem gewissen Misstrauen begegnet, ein großer Teil der breiten Masse der Bevölkerung diesen Feindagitationen durchaus zugänglich ist und sich daraus ein gewisses Wunschbild zurechtmacht. Neben diesen Gerüchten über die Wandlung des Bolschewismus in eine nationalrussische Reform überfluten noch eine Anzahl weiterer Gerüchte politischen Inhaltes die Bevölkerung. So wurde in Kiew das Gerücht verbreitet, dass eine Einberufung sämtlicher Ukrai-

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ner im Alter von 18–40 Jahren zum Wehrdienst innerhalb der deutschen Armee kurz bevorstehe. Im Rownoer Bereich lief das unstreitig ebenfalls von gegnerischer Seite verbreitete Gerücht um, dass die deutschen Truppen auf ihrem Rückzug alle Gebäude niederbrennen und die Bevölkerung erschiessen würden; die gesamte Bevölkerung müsse ausgerottet werden. Auf der anderen Seite aber hiess es auch, dass die Bolschewisten nach der Wiedereroberung der Städte alle Einwohner liquidieren. In Dnjepropetrowsk wurde erzählt, dass Reichsminister Rosenberg in Münster über den Rundfunk geäussert habe, Deutschland habe mit der Humanität seiner Feinde nicht zu rechnen. Weiter kursierte das Gerücht, dass in den Sowjetzeitungen geschrieben werde, dass die bei deutschen Dienststellen Beschäftigten nach dem Abzug der Deutschen als Verräter erschossen würden. Von Kriegsgefangenen, die aus der Roten Armee geflüchtet sind, konnte man – wie Dnjepropetrowsk berichtet – erfahren, dass die Bolschewisten in ihrer Armee eine starke Propaganda betrieben. Sie behaupten, dass die verbündeten Truppen sich bald von der deutschen Armee trennen würden und es dann leichter sein werde, die Deutschen zu bekämpfen, weil sie über die wenig Menschen verfügten [sic], um den andrängenden Bolschewisten standzuhalten. Die bolschewistische Propaganda nutze die geringsten Fehler aus, die von deutscher Seite begangen würden. Diese Fehler würden dann in entsprechender propagandistischer Aufmachung oder auch in entstellter Form der russischen Bevölkerung und der Armee vorgetragen. Dieses habe zur Folge, dass die Sowjetbevölkerung und die Rote Armee die Schwierigkeiten des Krieges mit grösserer Geduld als bisher ertrage. Heute würden viel weniger Rotarmisten sich freiwillig in deutsche Gefangenschaft begeben, weil ihnen beigebracht worden sei, dass sie in deutscher Gefangenschaft sowieso des Hungers sterben müssten. Die nationale ukrainische Propagandatätigkeit hat in letzter Zeit etwas nachgelassen. Die Gerüchte jedoch, dass demnächst mit einem Entgegenkommen Deutschlands gegenüber der nationalen Ukraine zu rechnen sei, haben sich auch weiterhin gehalten. Man glaubt annehmen zu können, dass sich Deutschland sehr bald gezwungen sehen werde, die Hilfe der ukrainischen Bevölkerung in Anspruch zu nehmen und ihr demzufolge eine gewisse Selbständigkeit zu geben. Immer wieder wird als Ursache für die Wirkung der Feindagitation das Abhören sowjetischer Sender angeführt; aber auch abgeworfene oder illegal hergestellte Flugblätter kommen mit ihren gegnerischen Parolen als Quellen von Gerüchten in Frage. Deutsche Propaganda: Die deutsche Propaganda ist nach wie vor nicht in der Lage, dieser Flut von Gerüchten wirksam genug entgegentreten zu können. So wird in diesem Zusammenhang immer wieder hingewiesen, dass die Sowjetpropaganda in den letzten Wochen eine Glanzleistung vollbracht habe, indem sie eben diese nationalen Parolen der Bevölkerung nahe brachte. In der einsichtigen Bevölkerung wundert man sich darüber, dass die Behauptungen der Bolschewisten von dem neuen Geist der „russischen“ Armee, von der Glaubensfreiheit, von dem wiedereingeführten Privathandel, von einer durchgeführten Landreform von der deutschen Propaganda nicht widerlegt worden seien. So werde der Vorschlag gemacht, die propagandistischen Gegenmaßnahmen sofort örtlich einsetzen zu lassen, ohne lange Direktiven aus Berlin abzuwarten. Es werde z. B. in Dnjepropetrowsk bemängelt, dass in einem Presseschnellbrief des Ostministeriums als Leitmotiv für die Gegenpropaganda verlangt werde, die Kohlennot bei den Sowjets herauszustellen. Dabei habe die ukrainische Bevölkerung in diesem Winter kaum ein Stück Hausbrandkohle zu sehen bekommen. Aus Rowno werde der Vorschlag gemacht, von Seiten der Gebietskommissare müsse auf dem Gebiet der Propaganda eine stärkere Tätigkeit entfaltet werden und zwar vor allem durch das Abhalten von Versamm-

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lungen. Wenn bei den Werbeversammlungen für den Arbeitseinsatz in das Reich nur geringe Erfolge zu verzeichnen wären, so sei dies in der Hauptsache auf die starke Abneigung vor dem Arbeitseinsatz im Reich überhaupt zurückzuführen. In Dnjepropetrowsk z. B. sei, um die Flüsterpropaganda bekämpfen zu können, vom Generalkommissar der Einsatz von namhaften ukrainischen Rednern in der Ukraine geplant. Ausserdem wolle man in Dnjepropetrowsk den Gerüchten mit der Presse und im Drahtfunk entgegentreten. Als Beispiel wird im Folgenden ein Artikel aus der „Dnjepropetrowsker Gazeta“ vom 3. 2. 43 wiedergegeben: „Zeichen der Schwäche. Wenn es den Bolschewisten schlecht geht, schlagen sie immer vaterländische Töne an. Stets dann, wenn sie aus politischen Gründen oder, wie jetzt im Kriege, durch militärische Niederlagen erschüttert sind, versuchen sie, das bei der Bevölkerung verhasste System durch nationale Phrasen beliebt zu machen. Was Stalin gestern bis zur Vernichtung bekämpfte, lobt er heute und führt es ein. Selbstverständlich bedeutet diese äusserliche Wandlung keine Änderung seiner Terrorherrschaft. Er sucht nur Dumme, die auf seinen Schwindel hereinfallen. Wenn Moskau jetzt Aufrufe verbreitet, um die zaristischen Offiziere als Kanonenfutter zu ködern, dann bedeutet das nichts weiter als das Eingeständnis, dass die Bolschewisten selbst nicht mehr fertig werden und die letzten ihrer bisherigen Todfeinde nicht nur in ihre Reihen holen, sondern sie auch noch mit Führungsaufgaben betrauen müssen, weil es scheinbar in der Sowjetarmee drunter und drüber geht. Das Fiasko der Sowjetdisziplin zeigt sich auch darin, dass die Bolschewisten nunmehr auffällige Gradabzeichen eingeführt haben. Die bisherigen unauffälligen Abzeichen auf den Kragenspiegeln werden nunmehr durch besonders hervorstehende auf den Achselklappen ersetzt. Sie ähneln denjenigen aus der Zarenzeit. Auch damit will man aber nicht etwa die Erinnerungen an ein bis zum Tod bekämpftes System auffrischen, sondern nur die militärischen Vorgesetzten wieder herausheben, damit sie die wankende Disziplin erneut festigen. Ob man Phrasen über eine sogenannte nationale Armee verbreitet oder zaristische Abzeichen einführt, dies alles sind nur Zeichen der Schwäche und des eigenen Zusammenbruchs. Es handelt sich nicht um einen Stimmungsaufschwung, sondern um einen Verzweiflungsschritt derjenigen, die stets, wenn ihnen das Wasser am Halse steht, umso lauter schreien, bis dann eines Tages ihr Zusammenbruch nicht mehr verheimlicht werden kann.“ Wirtschaftliche Lage in der Ukraine: Die Stimmung der Bevölkerung in der Ukraine auf wirtschaftlichem Sektor wurde den Meldungen zufolge im Februar durch die militärische Entwicklung weitgehendst beeinflusst. Ein Zeichen für das mangelnde Vertrauen den Deutschen gegenüber ist mit in der Bevorzugung der Rubelwährung gegenüber den Karbowanez-Noten und Reichskreditkassenscheinen zu sehen. In einzelnen Bezirken (Shitomir) wurde das Aufkaufen grösserer Werte in Rubelscheinen beobachtet. Händler verlangten bei Kaufabschlüssen Rubelbezahlung und aus Kiew und Dnjepropetrowsk wird berichtet, dass auf den Märkten Karbowanez-Noten verweigert wurden. Für die Rubelnoten habe sich den Meldungen zufolge sogar ein schwarzer Kurs herausgebildet. Allgemein wird aus der Ukraine über weitere erhebliche Kurssteigerungen berichtet. Die Ursache dazu wird mit in den Auswirkungen der bolschewistischen Propaganda gesehen. Besonders das Herannahen der Front wirkte sich auf die Preise aus, deren Ansteigen an manchen Tagen geradezu sprunghaft war. So betrug der Preis für 1 kg Speck in Kiew beispielsweise am 15. 2. morgens 1600 Karbowanez und stieg bis 16 Uhr auf 3000 Karbowanez. Die Preissteigerungen verschlechterten die Lage auf dem Ernährungssektor, zumal Grosschieber und Spekulanten die Entwicklung für ihre Geschäfte ausnutzten (ent-

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sprechende Maßnahmen wurden eingeleitet). Ukrainer in Dnjepropetrowsk äussern zur Ernährungslage, dass man von deutscher Seite verlange sich einzuschränken, solange der Krieg dauere. Unter dieser Devise hätte man es unter deutscher Verwaltung so weit gebracht, dass die Bevölkerung täglich nur noch 250 gr schwerverdauliches Brot erhalte und dem werktätigen Teil zusätzlich lediglich 5 gr Sonnenblumenöl und 50 gr Gries oder Graupen zugeteilt würden. Demgegenüber würden die Deutschen in der Ukraine jedoch ganz ausgezeichnet leben. Die Werbung von Arbeitskräften für das Reich wurde unter Zunahme der Schwierigkeiten fortgesetzt. Viele im Reich befindliche Ukrainer bitten (Rowno) ihre Angehörigen in Briefen, ihnen warme Kleidung, Wäsche und Schuhwerk zu senden. Sie sind im Sommer ins Reich gefahren und besitzen keine ausreichende Winterkleidung. Da die deutsche Dienstpost nur Päckchen niedrigen Gewichtes annimmt, besteht keine Möglichkeit, die gewünschten Sachen zu schicken. Bei der Werbung kommen zu den schon vorhandenen Schwierigkeiten nun noch die durch die neue Frontlage bedingten hinzu. Freiwillige Meldungen kommen noch vor. Die veränderte Frontlage bringt es mit sich, dass die angeworbenen bezw. zwangsweise zugeführten Arbeitskräfte – der weitaus grösste Teil der Angeworbenen konnte nur unter Anwendung von Zwangsmitteln gestellt werden – noch mehr der verstärkten Einflüsterung der Feindpropaganda erliegen. So erfolgte beispielsweise im Bereich von Uman (Generalbezirk Kiew), wo dem Leiter des Arbeitseinsatzstabes 7 Werber beigegeben worden waren, die bisherige Erfassung durch Gendarmerie und ukrainische Schutzmannschaften. Nach erfolgter Zwangsrekrutierung wurden die Männer und Frauen getrennt in einer Schule untergebracht. Der hygienische Zustand des Durchgangslagers ist dabei äusserst schlecht. Es wurde alles auf kleinstem Raum zusammengepfercht, wahrscheinlich um Heizmaterial zu sparen. Heizmaterial wurde jedoch nicht beschafft, sondern es mussten die Öfen von den Lagerinsassen mit dem Stroh geheizt werden, welches zum Lagern auf dem Erdboden dünn ausgelegt war. Wasser zum Waschen war nicht vorhanden, sondern wurde nur in der Nacht angestellt. Einrichtungen an Toiletten und Latrinen fehlten. Wer seine Notdurft verrichten musste, wurde von den Schutzmännern dazu abgeführt. Oftmals mussten die Männer ihre Notdurft durch die Fenster verrichten, da sie die Räume nicht verlassen durften. Die Verpflegung wird als ausgesprochen schlecht bezeichnet. Essgeschirre und -bestecke fehlten. Als Mittagessen wurde eine dünne, kraftlose Suppe ausgegeben; dazu kam auf 8 Personen für den ganzen Tag 1 kg Brot zur Verteilung. Diese Zustände führten naturgemäß dazu, dass die zum Arbeitseinsatz erfassten Personen versuchten, beim Abtransport nach Kiew die Flucht zu ergreifen. So sind z. B. bei einem der letzten Transporte von Uman nach Kiew von 369 Personen über 100 entwichen. Aus dem Lager flüchten täglich durchschnittlich 3–4 Personen. C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR Das Verhältnis der Sowjetunion zu England und den USA ist noch ungeklärt. Neutrale Beobachter sind der Überzeugung, daß eine Besserung solange nicht zu erwarten sei, wie es den Anglo-Amerikanern nicht gelinge, den Sowjets in wirksamerer Weise als bisher zu Hilfe zu kommen. Die Invasion nach Europa sei die unabdingbare Voraussetzung eines besseren Verstehens der alliierten Mächte. Bezeichnend in diesem Zusammenhang sei, daß zur Durchführung des auf 20 Jahre abgeschlossenen englisch-sowjetrussischen Freundschafts- und Bündnisvertrages – wie von amtlicher britischer Seite selbst zugegeben werde – bisher noch keinerlei Besprechungen stattgefunden hätten. Wie der Moskauer Rundfunk berichtete, hat der neue kanadische Gesandte für die UdSSR, I. D. Wilgress,

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seine Beglaubigungspapiere dem Präsidenten Kalinin überreicht. Zwischen Wilgress und Molotow fand eine Besprechung statt. Der neue chinesische Botschafter in der Sowjetunion, Fu-Bin-Tschan, hat seinen Dienst angetreten. Die allgemeine Lage in der Sowjetunion steht weiterhin unter dem Zeichen grosser Anstrengungen der Sowjets, den Anforderungen der Kriegslage Herr zu werden. Viele Evakuierte beklagen sich über schlechte Lebensbedingungen und drücken allgemein den Wunsch aus, an ihren Heimatort zurückversetzt zu werden. Besonders Beamte und Angestellte, die aus den von den deutschen Truppen besetzten oder wieder geräumten Gebieten nach Mittelasien verbracht worden sind, bewerben sich um erneuten Einsatz in den wiedereroberten Gebieten. Dem Bericht eines neutralen Diplomaten zufolge, der Anfang März aus der Sowjetunion zurückkehrte, läßt sich in der sowjetischen Bevölkerung noch immer eine allgemeine Siegeszuversicht feststellen. Um eine nachteilige Wirkung dieser Siegeszuversicht bei evtl. neuen Rückschlägen zu verhindern, bemühe sich die sowjetrussische Propaganda neuerdings um eine ziemlich nüchterne Haltung. Allgemein sei in den sowjetischen führenden Kreisen und in der breiten Bevölkerung Haß gegen die Engländer und Amerikaner zu beobachten, der auch, allerdings in vorsichtiger Form, seinen Niederschlag in der sowjetischen Presse finde. So seien in der Presse wiederholt Karikaturen erschienen, in denen führende Engländer und Amerikaner im Zusammenhang mit dem Ausbleiben der zweiten Front lächerlich gemacht werden. Ein Hauptthema der sowjetischen Propaganda bildet immer wieder die Fürsorge für die Angehörigen der Frontkämpfer. Es hat den Anschein, als ob die Nachrichten über die schlechten Lebensbedingungen im sowjetischen Hinterland, die an die Front gelangen, die Kampfmoral der Truppe beeinträchtigen und Mißstimmungen hervorgerufen haben. Mehrmals täglich werden Sendungen gebracht, die die Frontkämpfer auffordern, sich nicht um das Wohlergehen ihrer Familien zu sorgen. Zur Verbesserung der Lage der Frontkämpferfamilien wurden verschiedene Maßnahmen bekanntgegeben. Auf Grund eines vom Volkskommissariat für die Verteidigung bestätigten Erlasses der Sowjetregierung ist für die sowjetische Schuljugend seit Beginn des Jahres ein neu erweitertes Programm der militärischen Ausbildung festgelegt worden. Danach wird in den Grundschulen (den ersten 4 Klassen der Volks- und Mittelschulen) eine militärisch-körperliche Vorbildung durchgeführt. Die 5. bis 7. Klassen erhalten eine militärische Grundausbildung und die 8. bis 10. Klassen sowie die technischen Schulen die letzte militärische Ausbildung, die der Einberufung vorausgeht. Die Schülerinnen werden auf ihre Pflichten als Sanitäterinnen und Nachrichtenhelferinnen vorbereitet. Um die Jugend zu höheren Leistungen anzuspornen, werden von der Sowjetpropaganda fortlaufend Meldungen verbreitet, in denen Schüler und Jugendliche wegen ihres besonderen Einsatzes als Beispiel hingestellt werden, so 3000 Mädchen, die im Moskauer Gebiet als Traktorenführerinnen arbeiten. Um nach aussen hin den Anschein zu erwecken, als ob die Sowjetunion auch während des Krieges der Förderung des kulturellen Lebens ihre besondere Fürsorge angedeihen lässt, hat der Rat der Volkskommissare beschlossen, Geldprämien im Betrage von 100 000 und 50 000 Rubel Schriftstellern, Kinoregisseuren, Kunstmalern, Musikern und anderen Künstlern für ihre Werke auszuzahlen. Die Künstler genießen gegenüber der anderen Zivilbevölkerung eine Reihe besonderer Vorrechte. So dürfen sie Transportmittel und Hotels benützen, was sonst nur Rotarmisten, Behördenvertretern und Beamten der Kriegsindustrie erlaubt ist. Die Künstler sind z. B. auch die einzigen, die in dem noch offenstehenden Ausländerrestaurant in Moskau, in dem heute noch alles zu erhalten sein

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soll, verkehren dürfen. Wie Gefangenenaussagen bestätigen, hat die Anzahl der Theater und Kinos in der Sowjetunion während des Krieges nicht abgenommen. Diese Einrichtungen, vor allem das Kino, ständen jedoch in erster Linie für Propagandazwecke zur Verfügung. Kulturelle Werte würden durch sie so gut wie gar nicht vermittelt. Der Andrang der Bevölkerung zu den Kinovorstellungen sei sehr gross, was einerseits auf den Mangel an sonstigen Zerstreuungsmöglichkeiten, zum anderen aber auch auf die Schwierigkeiten in der Beheizung und Beleuchtung in den Privatwohnungen zurückgeführt wird. Sowjetischerseits wird offen zugegeben, daß die gegenwärtige Lage auf dem Gebiet der Lebensmittelversorgung unzureichend ist und zu ernsten Sorgen Anlaß gibt. An den bestehenden Zuständen wird teilweise scharfe Kritik geübt. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang eine Verordnung des Volkskommissarenrats der Sowjetunion und des Zentralkomitees der Allsowjetischen Kommunistischen Partei der Bolschewiki über den „Staatsplan zur stärkeren Entwicklung der Landwirtschaft im Jahre 1943“, die vor einigen Tagen veröffentlicht worden ist. In der Einleitung zu dieser Verordnung, deren Bedeutung sich aus ihrer besonderen Länge und Ausführlichkeit ergibt, sowie aus der Tatsache, daß sich die gesamte Sowjetpresse sehr eingehend damit beschäftigt, heißt es: „Der Volkskommissarenrat der Sowjetunion und das Zentralkomitee der bolschewistischen Partei halten es für notwendig, sowohl die lokalen als auch die Parteiorganisationen auf die im Jahre 1942 erfolgte schädliche Praxis bei der Durchführung der landwirtschaftlichen Arbeiten aufmerksam zu machen und vor einer Wiederholung zu warnen. Ferner werden die zuständigen Organisationen darauf hingewiesen, daß gerade in Kriegszeiten die Bedeutung der Initiative und Verantwortung der Kolchosangehörigen und der Agronomen bei der Auswahl und Durchführung der allein richtigen agrikulturtechnischen Maßnahmen und Methoden, die eine grösstmögliche Ernte an landwirtschaftlichen Kulturen sicherstellen können, ganz besonders gross ist.“ Sodann werden u. a. die einzelnen Gebiete aufgezählt und die Verantwortlichen gerügt, bei denen man eine ungenügende Arbeit bei der Durchführung der für 1942 gestellten Landwirtschaftsaufgaben festgestellt hat. Die Verordnung bestimmt weiter, daß die Gesamtsaatfläche an landwirtschaftlichen Kulturen in der Sowjetunion in diesem Jahre gegenüber dem Vorjahr um 6,4 Millionen Hektar zu erhöhen sei. Schliesslich wird noch gefordert, daß die Mängel sofort beseitigt werden und die Schuldigen für die Mißwirtschaft und das Zugrunderichten der Saatgutfonds zur gerichtlichen Verantwortung gezogen werden. Die durch Waggonmangel bedingten Schwierigkeiten im Eisenbahntransportverkehr halten auch weiterhin an. Dadurch wird selbst die unmittelbar kriegswichtige Produktion betroffen. Einlaufende Meldungen lassen erkennen, daß im Eisenbahngüterverkehr ein erhebliches Durcheinander herrscht. Der Personenverkehr beschränkt sich auf dienstliche Reisen und wickelt sich ebenfalls nur äußerst stockend ab. Von der sowjetischen Presse werden verschiedene Vorschläge zur Verbesserung der Transportlage gemacht. Dabei wird besonders darauf hingewiesen, daß die Sorge um den Transport Pflicht der Parteiorganisationen sei. Mangelhafte Versorgung auf dem Gebiet der flüssigen Brennstoffe beeinträchtigt weiterhin wichtige Wirtschaftszweige. Es wurden verschiedene Betriebsstoffsparmaßnahmen durchgeführt. Die Lage in Bezug auf die Kohlenversorgung ist weiterhin kritisch. Auch Brennholz fehlt vielfach, besonders in den mittelasiatischen Teilen. Eine augenblickliche Frostperiode und der Waggonmangel verschärfen noch die Situation. Wie aus Moskau berichtet wird, ist in der Sowjetunion eine zweite tschechoslowakische Truppeneinheit gebildet worden. Die erste Einheit sei im Januar der Sowjetarmee beigetreten.

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Anlage zu den „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ Nr. 47 vom 26. 3. 1943. Standorte und Nachrichtenverbindungen Höherer SS- und Polizeiführer Nord: (SS-O’Gruf. Jeckeln), Standort: Riga. Befehlshaber dSPudSD Ostland: (SS-Oberf. Dr. Pifrader), Standort d. Bfh.: Riga, Kalpakstr. 4, N-Verbindungen: FS, FT Riga, Standort d. EG A: Riga, Kalpakstr. 4, N-Verbindungen: FT, FS Riga, Feldpost-Nr. 15119. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Estland: (SS-O’Stubaf. ORR Dr. Sandberger), Standort: Reval, Antoniusberg 16, Außendienststellen in Dorpat, Pernau, Kiwisli, Hapsal, Arensburg, N-Verbindungen: FT, FS Reval, FS Dorpat, Feldpost-Nr. 23007. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Lettland: (SS-Stubaf. RR Dr. Lange), Standort: Riga, Moltkestr. 1, Außendienststellen in Libau, Wolmar, Dünaburg, Mitau, N-Verbindungen: FT, FS Riga, FS Libau, Wolmar, Dünaburg, Feldpost-Nr. 15437, FeldpostNr. 40626 (für Libau). Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Litauen: (SS-Staf. Jäger), Standort: Kauen, Außendienststellen in Wilna, Schaulen, Ponewesch, N-Verbindungen: FS Kauen und Wilna, Feldpost-Nr. 15641. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez.Weißruthenien: (SS-O’Stubaf. ORR Strauch), Standort: Minsk, Außendienststellen in Wilejka, Baranowicze, Hansewitsche, N-Verbindungen: FT, FS Minsk. Einsatzkommando 1: (SS-O’Stubaf. Dr. Isselhorst), Standort: Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: FT Krasnogwardeisk, Feldpost-Nr. 33888. Einsatzkommando 2: (SS-Stubaf. Dr. Pechau), Standort: Loknja, N-Verbindungen: FT Loknja, Feldpost-Nr. 06325. Einsatzkommando 3: (SS-O’Stubaf. Traut), Standort: Pleskau, N-Verbindungen: FT Pleskau. Höherer SS- und Polizeiführer Mitte: (SS-Gruf. Korsemann3), Standort: Mogilew. Einsatzgruppe B: (SS-Staf. Böhme 4), Standort: Smolensk, Falkenhaus, N-Verbindungen: FT Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando 7a: (SS-O’Stubaf. Rapp), Standort: Orefino, N-Verbindungen: FT Orefino, Feldpost-Nr. 10811. Sonderkommando 7b: (SS-O’Stubaf. Rabe), Standort: Orel, N-Verbindungen: FT Orel, Feldpost-Nr. 18555. Einsatzkommando 8: (SS-Stubaf. RR Schindhelm), Standort: Mogilew, N-Verbindungen: FT Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Einsatzkommando 9: (SS-Stubaf. Dr. Buchardt), Standort: Witebsk, N-Verbindungen: FT Witebsk, Feldpost-Nr. 37857. Höherer SS- und Polizeiführer Süd: (SS-O’Gruf. Prützmann), Standort: Kiew, Jungfernstieg 10. Befehlshaber dSPudSD Ukraine: (SS-Gruf. Dr. Thomas), Standort d. Bfh.: Kiew, N-Verbindungen: FT, FS Kiew, Standort d. EG C: Poltawa, N-Verbindungen: FT Poltawa, Feldpost-Nr. 32704. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Wolhynien: (SS-Stubaf. RR Dr. Pütz), Standort: Rowno, N-Verbindungen: FS Kiew. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Shitomir: (SS-Stubaf. Dr. Kaussmann), Standort: Shitomir, N-Verbindungen: FS Shitomir, Feldpost-Nr. 48840. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Kiew: (SS-O’Stubaf. Ehrlinger), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FS Kiew, Feldpost-Nr. 35102.

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Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Nikolajew: (SS-Stubaf. RR Dr. Spann), Standort: Nikolajew, N-Verbindungen: FT Nikolajew. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Dnjepropetrowsk: (SS-Stubaf. Mulde), Standort: Dnjepropetrowsk, N-Verbindungen: FT Dnjepropetrowsk. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Taurien: (SS-Stubaf. Zapp), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Tschernigow: (SS-Stubaf. Christensen), Standort: Tschernigow, N-Verbindungen: FT Tschernigow. Sonderkommando 4a: (z. Zt. unbesetzt), Standort: Tschernigow, N-Verbindungen: FT Tschernigow. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Stalino: (SS-O’Stubaf. Körting), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino. Sonderkommando 4b: (SS-Stubaf. Suhr5), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Charkow (z. Zt. als Ekdo. 5): (SS-Stubaf. Dr. Kranebitter), Standort: Charkow. 6 Einsatzkommando 6: (SS-O’Stubaf. Biberstein), Standort: Taganrog, N-Verbindungen: FT Taganrog. Einsatzgruppe D: z. Zt. Umbesetzung.7 BAB, R 58/224 1

Gemeint ist wohl der NKWD-Vorgänger OGPU. Vgl. Magnus Pahl: Fremde Heere Ost. Hitlers militärische Feindaufklärung, Berlin 2012. 3 Nachdem Korsemann seine Funktion als HSSPF Kaukasien infolge des deutschen Rückzugs aufgeben mußte u. v. d. Bach zum Chef der Bandenkampfverbände aufgestiegen war, übernahm ersterer für kurze Zeit die vakante Position eines HSSPF Rußland-Mitte. 4 Horst Böhme, geb. 1909, Kaufmann, 1930 NSDAP u. SS, 1933 hauptamtlich zum SD, 1941 Staf. u. BdS Böhmen-Mähren, 1942 Polizeiattaché Bukarest, März 1943 Kdr. der EG B, Aug. 1943 BdS Ukraine, April 1944 IdS Breslau, Aug. 1944 BdS Königsberg u. Kdr. der EG B, gefallen 1945; BAB, BDC, SSO Horst Böhme; BAL, ZK: Horst Böhme. 5 Statt dessen wurde Suhr zur Bewährung bei verschiedenen Kdos. der EG C herumgereicht. 6 Bereits geräumt. 7 Nach dem Rückzug aus dem Kaukasus wurde die EG D zur Kampfgruppe Bierkamp umgruppiert u. im Zusammenwirken mit der SS-Kav.div. zur Partisanenbekämpfung im Pripjet-Gebiet eingesetzt; vgl. Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 261–269; Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 670 ff. 2

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 2. April 1943 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 48 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandentätigkeit im Bereich des Kdrs. dSPudSD Litauen: In Litauen wurde am 21. 3. 1943 in der Umgebung von Benjakonis von einem motorisierten Gendarmeriezug und litauischer Polizei eine Säuberungsaktion durchgeführt. Dabei stießen Sicherungskräfte auf etwa 25 schwer bewaffnete Banditen. Es kam zu einem Feuergefecht, in dessen Verlauf etwa 20 Banditen erschossen wurden. Der Rest der Banditengruppe ist flüchtig. Ein

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Angehöriger der Gendarmerie und ein litauischer Schutzmann wurden getötet, zwei weitere deutsche Gendarmeriebeamte verwundet. Bandentätigkeit im Bereich der Einsatzgruppe B: Die Kaserne des 53. Ukrainer-Schutzmannschaftsbataillons in Karabonowka (2 km nw. Mogilew) wurde in der Nacht zum 11. 2. 1943 von der Bubinkaer Bande, die unter der Führung des sowjetischen Oberleutnants Boroda stand und über 110 Mann stark war, überfallen. Hierbei wurden 12 deutsche Offiziere und Unterführer der Schutzpolizei getötet und 5 verletzt. Die Bande führte ausserdem 180 Ukrainer ab. Es konnte festgestellt werden, daß 40 Ukrainer unter Führung des stellvertretenden ukrainischen Kommandeurs dieser fremdvölkischen Schutzmannschaft seit einiger Zeit Verbindung mit dieser Bande aufgenommen und die Meuterei eingehend vorbereitet hatten. Durch Verrat der Parole konnten die Banditen gegen 1 Uhr nachts die Wachen überwältigen und danach ungehindert in die Kasernengebäude eindringen. Nach dreimaligem Angriff auf die restliche deutsche Besatzung, die sich der Gegner vom 1. Stockwerk eines Hauses aus mit einem lMG erwehren konnte, zog die Bande mit den Ukrainern in Richtung Dubinka ab. Bandentätigkeit im Bereich des Befehlshabers dSPudSD Ukraine: Bei der Großbande, die sich im Raum nördlich der Rollbahn Zwiahel–Shitomir bewegte und nach Überschreitung der Bahnlinie Kiew–Korosten im Nordteil des Generalbezirks Kiew bei Iwankow steht, handelt es sich um die Kolpak-Bande. Ihre Stärke wird auf 1000 Mann geschätzt. Die Kolpak-Bande wurde am Teterew, an der Grenze des Generalbezirks Shitomir–Kiew von Polizei und Wehrmachtskräften wiederholt angegriffen und hatte Verluste an Toten und Verletzten. Die eigenen Verluste sind ebenfalls hoch. Nach Gefangenenaussagen soll die Bande Befehl aus Moskau erhalten haben, nach dem Dnjepr vorzustossen. Die Bandenangehörigen bezeichnen sich in letzter Zeit nicht mehr als „Partisanen“, sondern als „Rote Armee im rückwärtigen Gebiet“. Die anfangs vereint mit der Kolpak-Bande marschierende Bande Saburow, die 2000 Mann stark sein soll,1 ist an der Straße Shitomir– Korosten nach Norden abgeschwenkt und in den Raum westlich der Strasse Owrutsch– Mosyr vorgestossen. Der Ausbau starker Lager läßt darauf schliessen, daß die Bande sich hier längere Zeit aufhalten will. Seit Abzug der beiden Banden wird aus dem Nordostteil des Generalbezirks WolhynienPodolien nur das Auftreten kleinerer Banden gemeldet. Das „Nasse Dreieck“ ist seit einigen Tagen wieder Mittelpunkt starker Bandengruppen, die grösstenteils aus dem Osten eingedrungen sind. Wahrscheinlich handelt es sich um Teile der Fedorow-Bande. 2 Eine Schutzmannschaftskompanie, die sich einer stärkeren Bande entgegenstellte, wurde zersprengt und hatte hohe Verluste. Im Nordwestteil des Generalbezirks Nikolajew treten 2 Banden auf; die eine wird bereits seit 14 Tagen nordwestlich Kirowograd erfolgreich von Polizei- und Wehrmachtskräften bekämpft. Eine etwa 700 Mann starke Bande ist zwischen Gaiworon–Perwomaisk, in der Nähe des rumänischen Interessengebietes, festgestellt. Die Tätigkeit dar Kichtenko-Bande im Bereich des Generalbezirks Tschernigow hält unvermindert an. Eine starke Bande nordostwärts Tschernigow hat eine Anzahl von Ortschaften besetzt. Im Raum um Kostopol haben Zusammenstöße zwischen sowjetischen Banden und Angehörigen der nationalukrainischen Taras-Bulba-Bande stattgefunden. Die Kämpfe wurden angeblich durch Angehörige sowjetischer Banden ausgelöst, die von Anhängern der Taras-Bulba-Bande die Abgabe der Waffen verlangten und nach Ablehnung gewaltsam vorgingen. In diesem Zusammenhang erscheint von Bedeutung, daß ein Bandenführer in einer polnischen Ortschaft eine Versammlung abhielt und die polnische Bevölkerung auf-

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forderte, gemeinsam mit Russen, Juden und Zigeunern gegen die Deutschen vorzugehen und hierbei die Ukrainer als unzuverlässig bezeichnete. Besondere Beachtung verdient vor allem das Verhalten der Schutzmannschafts- und Kosakeneinheiten, die beeinflusst durch die Frontlage und die starke Propagandatätigkeit der Sowjets in zunehmendem Maße zu den Banden überlaufen und bei Überfällen aktiv in Erscheinung treten. Einsatz einer „falschen Bande“ in Studenok (Ukraine): Da im Bandengebiet die übliche sicherheitspolizeiliche Überprüfung von Ortschaften keine restlose Erfassung all der Personen gewährleistet, die auch heute noch im bolschewistischen Sinne tätig sind und insbesondere die Banden unterstützen, wurde am 23. 1. 1943 eine „falsche Bande“ gegen das Dorf Studenok angesetzt. Studenok liegt etwa 11 km südöstlich von Essman. Das etwa 2100 Einwohner zählende Dorf wird regelmäßig von den aus Chinel nach Kutscherowka und Ulanow vorstossenden Bandengruppen heimgesucht. Die letzte grössere Bande in Stärke von 300 Mann befand sich am 18. 1.1943 in Studenok. Die „falsche Bande“ setzte sich unter Führung eines SS-H’Stuf. zusammen aus 11 Mann Sicherheitspolizei, 20 Mann Miliz Putiwl, 20 Mann Miliz Essman und 20 Mann Schuma. Die durchweg russische Bewaffnung bestand aus 1 sMG, 2 lMG, MPis, Gewehren und Handgranaten. Abgesehen von der russischen Bewaffnung war die „Bande“ durch Anziehen von russischen Uniformen und Mänteln, Kommissarkoppel und Schulterriemen, russischen Kartentaschen und das Anlegen von Sowjetsternen auf „echt“ zurechtgemacht. Die „falsche Bande“ hatte die Aufgabe, diejenigen Personen festzustellen, die regelmäßig den Banditen aufgrund ihrer politischen Einstellung Unterstützung gewähren oder die selbst bereit waren, sich einer Bande anzuschliessen. Nach etwa einstündiger Tätigkeit der „falschen Bande“ sollte das offizielle Kommando der Sicherheitspolizei, dieses verstärkt durch 30 Mann Ungarn und Angehörige des Schuma-Batl., folgen und zusätzlich Festnahmen nach der üblichen Listenerfassung durchführen. Für etwaige Feindberührung war sowohl bei der „falschen Bande“ als auch bei dem nachrückenden Kommando das Anlegen einer weissen Binde mit deutlich sichtbarem roten Punkt am rechten Oberarm vorgesehen. Ausserdem waren zwischen beiden Gruppen Leuchtzeichen vereinbart. Die einzelnen Angehörigen der „falschen Bande“ waren genau über ihre Aufgabe und die Art ihres Verhaltens belehrt. Den Dolmetschern der Sicherheitspolizei und den Milizchefs von Essman und Putiwl waren besondere Gruppen von Milizmännern und Schuma-Angehörigen zugeteilt worden, mit denen sie in vorher festgelegten Ortsteilen von Studenok zu arbeiten hatten. Die „falsche Bande“ erreichte Studenok von Nordwesten um 8 Uhr. Durch einen Spähtrupp wurde festgestellt, daß in der vorangegangenen Nacht etwa 12 Schlitten mit Banditen in Studenok gewesen waren, z. Zt. sich aber keine Banditen mehr im Dorf aufhielten. Unter schnellster Verteilung auf die vorher bestimmten Ortsteile rückte daraufhin die „falsche Bande“ in Studenok ein. Gleichzeitig wurden in unauffälliger Weise sämtliche Ortsausgänge, insbesondere die nach Kutscherowka–Ulanow, gegen Überraschungen durch Banditen gesichert. Der „Stab“ der Bande mit dem „Politruk“, zu dem später insbesondere die Freiwilligen für die Bande „zur Vorstellung“ geführt wurden, bezog in der Schule Quartier. Bereits beim Einrücken boten die Dorfstraßen ein völlig ungewohntes Bild. Während sonst die Straßen beim Einmarsch offizieller Kommandos der Sicherheitspolizei und des SD fast menschenleer sind und nur hie und da hinter Türen und Fenstern versteckt Ausschau gehalten wird, herrschte diesmal ein lebhafter Verkehr. Überall standen die Frauen jeden Alters in den Türen, riefen sich gegenseitig zu, Kinder liefen über die Strasse und spielten. Die „Bande“ begrüssende und für andere erklärende Zurufe wie „Guten Tag“ und „Unsere Leute“ wurden laut.

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Nach kurzer Tätigkeit der „Bandengruppen“ zeigten sich die ersten Erfolge. So wurden der „falschen Bande“, abgesehen von der im allgemeinen freundlichen, ja freudigen Aufnahme „der Brüder“ in den einzelnen Häusern und der Bewirtung mit Milch, Schnaps und Brät, in grösserem Maße Lebensmittel angeboten und die besten Pferde geschenkt. Eine Frau, die fortgesetzt bedauerte, daß ihr Mann weggelaufen sei, weil er die „Bande“ von weitem für Ungarn gehalten habe, obwohl er jetzt doch auch „zu uns“ wolle, schenkte „wenigstens“ ihr Pferd. Ihren Mann wollte sie sofort zum Stab schicken, falls er zurückkehre. Eine andere Frau, die ebenfalls erklärte, ihr Mann sei vor den vermeintlichen Ungarn geflohen, wollte diesen ebenfalls suchen. Er würde bestimmt mitziehen. Nach aussen solle sein Mitgehen aber, als unter Zwang erfolgt, getarnt werden. Sie könne dann später, falls die Deutschen nach ihrem Manne fragen würden, entsprechend klagen. Bald darauf trat ein etwa 23-jähriges Mädchen ein, um sich als freiwillige Partisanin zu melden. Sie betonte, daß „unsere“ letzten Flugblätter sie endgültig davon überzeugt hätten, daß sie zu den Partisanen gehen und für diese gegebenenfalls auch sterben müsse. Sie fuhr mit zu einer Freundin, um auch diese zum Mitgehen zu veranlassen. Diese wollte jedoch nur dann mitkommen, wenn sie ihr Bruder, der bereits bei den Partisanen sei, selbst abhole. Anschliessend sammelte die neue Partisanin mit dem Gewehr in der Hand in den Häusern für die Bande Sachen (Lebensmittel, Feuerzeuge usw.). Als sie später die wahre Sachlage erkannte, erklärte sie, nun sei sie wenigstens für 2 Stunden Partisanin gewesen. Andere Frauen beklagten sich darüber, daß „wir“ immer nur die jüngeren und hübschen Frauen mitnehmen würden. Eine Frau erklärte sich bereit mitzugehen, nachdem ihr ein Unterhalt für ihren zurückbleibenden Vater zugesichert worden war. Wieder eine andere wollte mitgehen und für die Bande kochen. Bedenken an der Echtheit der „falschen Bande“, die bei dieser Frau zuerst aufgetaucht waren, weil die Bande keine roten Bänder an den Mützen trug, wurden damit zerstreut, daß ihr die eingangs erwähnte Armbinde mit dem roten Punkt gezeigt und ihr erklärt wurde, die Kennzeichen der Bande seien jeweils verschieden. Als weiteres Beispiel für die grundsätzliche Haltung des Dorfes Studenok ist das Verhalten eines 50-jährigen Mannes erwähnenswert. Dieser hatte sich zunächst längere Zeit barhäuptig in seiner Straße herumgetrieben, um die Lage zu erkunden. Nachdem er gesehen hatte, daß „Banditen“ im Dorf waren, ging er in sein Haus, holte seine Mütze mit Sowjetstern und setzte diese auf. Er ging nun freudestrahlend zu einem der „Banditen“. Bei der Unterhaltung stellte sich dann heraus, daß es sich bei dem Alten um den Leiter der bis zuletzt stattfindenden kommunistischen Versammlungen handelte. Insbesondere ließ er in Zusammenkünften durch seine Schwiegertochter die Flugblätter der Banditen vorlesen, die diese bei ihren regelmäßigen Besuchen in Studenok bei ihm zurückliessen. Der Alte, der ausserdem den Banden laufend Lebensmittel zur Verfügung stellte, erbot sich, in Studenok die Leute festzustellen, die noch auf der Seite der Deutschen stünden; insbesondere wollte er die Verstecke der Milizmänner erkunden (Die Verstecke der Miliz am 23. 1., die von der Miliz beim Einrücken der „Bande“ aufgesucht worden waren, hatten inzwischen allerdings schon andere Dorfbewohner verraten). Ihre allgemeine Antipathie gegen die Deutschen bezeugten wieder andere Dorfbewohner mit den Worten, die Deutschen hätten sie mit Ablieferungen genug gequält; sie wollten ihnen lieber heute als morgen mit einem Beil den Kopf abhacken oder sie mit der Gabel aus der Ukraine treiben. Die Deutschen würden sie ja nur quälen. Unter Bekreuzigungen wurde die baldige Rückkehr der Roten gewünscht. Gegenüber dem allgemeinen bandenfreundlichen Verhalten der Mehrheit der Dorfbewohner verdienen einzelne gegenteilige Äusserungen festgehalten zu werden. So ver-

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neinte ein 58-jähriger Mann die Frage, ob er ein Hitlerbild habe. Gleichzeitig erklärte er, er wünsche sich aber ein solches. Auch die Drohung mit Erschiessen bewirkte bei ihm keine Sinnesänderung. Eine 60-jährige Frau sagte: „Ich kenne euch schon, 24 Jahre lang habt ihr uns gequält, und jetzt seid ihr schon wieder da.“ Ein junges Mädchen, das von ihrer Mutter zum Mitgehen aufgefordert worden war, sagte: „Deine Kameraden haben mich neulich geschlagen, weil ich ihnen keine Milch geben wollte. Der Führer deiner Kameraden hat sie zwar deswegen gescholten, aber ich will deshalb nicht mit euch gehen.“ Nach 2-stündiger Tätigkeit der „Bande“ waren unauffällig 43 Personen festgenommen worden. Von diesen wurden dann später 12 nach Belehrung und Verwarnung entlassen. Nach Abschluss der „Bandentätigkeit“ rückte das offizielle SD-Kommando ein und führte die abschliessende Überprüfung anhand der vorhandenen Listen durch. Diese führte zur Festnahme von weiteren 51 Personen (später 7 Entlassungen). Abschliessend kann demnach festgestellt werden, dass aufgrund der Tätigkeit der „falschen Bande“ etwa 45 % der Gesamtzahl der Festnahmen in Studenok (94) erfolgte. Im Anschluss an die sicherheitspolizeiliche Überprüfung wurde von der Propagandastaffel in dem Ort noch eine Propagandaaktion durchgeführt. B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung in Ingermanland: Die durch die erfolgreiche sowjetische Winteroffensive ausgelöste ungünstige Stimmungslage der Zivilbevölkerung im Armeebereich hält an. Es lassen sich im wesentlichen 3 verschiedene Gruppen unterscheiden: 1. Sowjetfreundliche Elemente. Diese rekrutieren sich vor allem aus den jüngeren Jahrgängen zwischen 15 und 30 Jahren und spüren sichtlich Oberwasser. Es äussert sich dies in dreistem Verhalten oder schlecht verhehlter Aufsässigkeit deutschen Anordnungen und einzelnen deutschen Wehrmachtsangehörigen gegenüber, in schadenfrohem Glossieren deutscher Verlustmeldungen (Stalingrad!) sowie heimlichen und offenen Drohungen gegenüber Russen, welche mit deutschen Dienststellen zusammengearbeitet haben. Die Stärke dieser Gruppe schwankt in verschiedenen Gegenden. In Gatschina soll sie die knappe Mehrheit der Bevölkerung betragen; in den ländlichen Bezirken ist sie erheblich schwächer. 2. Politisch Passive. Diese Schicht umfasst in den Dörfern meist die überwiegende Mehrheit der Einwohner. Sie lassen sich heute vielfach von den heimlichen Anhängern des Bolschewismus terrorisieren. Kennzeichnend für diese Schicht ist neuerdings eine offenkundige Zurückhaltung allen deutschen Maßnahmen und Dienststellen gegenüber, da man sich nicht kompromittieren will. Im Bereich südlich Wolossowo wird über das plötzliche Nachlassen der Aktivität vieler Starosten (Dorfbürgermeister) geklagt. Der Versuch, diese zu ersetzen, misslang häufig, weil sich kein einziger Anwärter auf den Posten fand. 3. Deutschfreundliche Elemente. Diese bilden wohl durchweg zahlenmäßig eine Minderheit. Da sie aufgrund ihrer bisherigen Tätigkeit von den Bolschewisten keine Gnade zu erhoffen haben, ist hier die Angst vor einem Vormarsch der Roten Armee am stärksten verbreitet. Aus diesen Kreisen wenden sich immer wieder Einzelne oder ganze Gruppen an deutsche Dienststellen mit der Bitte, im Falle eines Rückzuges mitgenommen zu werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Glaube an die Unbesiegbarkeit der deutschen Waffen weitgehend erschüttert ist und die Möglichkeit einer Räumung des Gebiets durch die deutschen Truppen zum mindesten erwogen wird. Die Angst und Unruhe ist gross, da Greuelmeldungen über rote Rachemaßnahmen gerüchteweise umgehen. Hier und da wird Brot getrocknet, um sich auf eine Flucht in die Wälder vorzubereiten. Gelegentlich werden vorwurfsvolle Fragen laut, warum die Deutschen kaum ernsthafte

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Verteidigungsanlagen errichten, wo die Sowjetarmee auf ihrem Rückzuge 1941 immer wieder Bunkerlinien gebaut und erbittert verteidigt hätte. Die Bekanntgabe des Smolensker Aufrufs („Russisches Nationalkomitee“) hat fast überall günstig und beruhigend gewirkt. Nur im Gebiet Krasnoje-Selo, wo die Plakatierung Ende Februar erfolgte, wurde der Aufruf mit Misstrauen aufgenommen, da er, vom 2. Dezember 1942 datiert, von den Deutschen so lange zurückgehalten worden sei. Um die Person Wlassows3 beginnen sich alsbald die buntesten Gerüchte zu ranken. Er sei der künftige Mann Russlands, vom Führer empfangen worden und mit der Aufstellung einer Dreimillionenarmee beauftragt. Ohne Wlassow und seine Armee sei die Durchführung einer deutschen Sommeroffensive nicht möglich. Wlassow werde ein freies Bauerntum, freie Handels- und Handwerksausübung verwirklichen, d. h. die Zusagen, die von den Deutschen bisher nicht eingehalten seien. Aus Wolossowo und Luga wird übereinstimmend gemeldet, dass hier die zunächst nur vom Hörensagen bekannte Errichtung eines russischen Nationalkomitees, in Verbindung mit einer deutschfeindlichen Flüsterpropaganda, das Gerücht einer von Wlassow im Süden gegen die Deutschen geführten russischen Nationalarmee entstehen liess. Diese kämpfe unter dem Zarenadler; Juden und Kommissare seien beseitigt und die zaristischen Schulterstücke eingeführt. Die Nationalarmee bringe die Beseitigung des Kolchossystems und fände im ganzen russischen Volke einen Rückhalt, womit die deutschen Niederlagen im Süden erklärt werden. Die im Gefechtsgebiet eingeleitete Evakuierung von insgesamt 3000 Zivilpersonen stösst bei der Bevölkerung, trotz der Angst vor den Roten, im allgemeinen auf wenig Gegenliebe. Der Grund liegt in der Sorge um die zurückzulassende Habe sowie in den Erzählungen, die über den angeblichen Zustand in den Evakuiertenlagern (Krasnoje-Selo) in der Bevölkerung umgehen. Die Ausgabe von Brotkarten wurde allgemein dankbar aufgenommen, ohne jedoch die Gesamtstimmungslage wesentlich zu beeinflussen. Die Tatsache, dass in Krasnoje-Selo trotz vorher ausgegebener Karten erst für die dritte Februar(Woche)Dekade die Abgabe von Brot erfolgte und dass die Brotkartenausgabe in manchen Bezirken dieses Bereichs bis zum Ende des Monats noch nicht abgeschlossen war, erbrachte ausserdem hier einen starken stimmungsmäßigen Rückschlag. In der Stadt Gatschina herrscht eine spürbare Unzufriedenheit mit der Tätigkeit der hier zugelassenen An- und Verkaufsgeschäfte, denen brutale Schiebungen auf Kosten der notleidenden Bevölkerung nachgesagt werden. Verdienstspannen von 300 % und mehr sollen keine Seltenheit sein. Man sieht darin eine Bestätigung der sowjetischen Propagandathese, „die Deutschen führten den Kapitalismus ein“, der einer zahlenmäßig kleinen Clique ein Wohlleben auf Kosten der betrogenen Massen ermögliche. Positivere Elemente machen den deutschen Behörden eine ungenügende Kontrolle der Spekulation zum Vorwurf und weisen darauf hin, dass die während der Sowjetzeit anerzogenen starken klassenkämpferischen Vorurteile der breiten Masse hierbei psychologisch berücksichtigt werden müssen. Jedes etwaige Handinhandarbeiten, z. B. von Spekulantentum und landeseigenen Organen, werde als Symptom für die Bildung der sowjetischerseits angekündigten kapitalistischen Ausbeuterschicht angesehen. Auf dem flachen Lande herrscht Besorgnis um die Frühjahrsbestellung, da die Zahl der zur Verfügung stehenden Zugkräfte gegenüber dem Vorjahr noch gesunken ist und man befürchtet, dass die Frontlage eine Bereitstellung von Wehrmachtsgespannen nicht gestatten werde. Im Aussenstellenbereich Ssiwerskaja herrscht eine gewisse Aufregung um das neue Milchablieferungssoll, das in einzelnen Dörfern uneinheitlich angegeben worden sei (Isora – angeblich 440 l, Ljady – angeblich 520 l, gegenüber der allgemeinen Sowjetnorm

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von 270 l). Einen Anlass negativer Gerüchtebildung bietet die Anwerbung von Arbeitskräften mit Versprechungen, die später nicht eingehalten werden. So soll eine Gruppe von 40 Teilnehmern für einen Kfz- oder Mechanikerlehrgang in Pleskau, die in Oredesh zusammengestellt wurde, später zu Strassenarbeiten verwendet worden sein. Aus dem Kommandobereich Tosno kommt eine Meldung ähnlichen Inhalts über die Arbeiter des Baubatl. 95 in Nurma, welche entgegen der ursprünglichen Versprechungen bei mangelhafter Bekleidung festgehalten wurden. Zur Bekämpfung der gegnerischen Flüsterpropaganda wurden seit dem Februar vom SD in Gatschina planmäßig Flüsterparolen unter die Bevölkerung gebracht, die sich mit der Verpflegungslage, den Lebensmittelpreisen, der Zwangsrekrutierung im russischen Hinterlande u. ähnl. befassten. […] Deutsche Propaganda, Feindpropaganda und allgemeine Propagandalage in lngermanland: Die allgemeine Propagandalage wurde bis Ende Februar nach wie vor durch eine bei weitem nicht gedeckte Nachfrage nach aktuellen Tagesneuigkeiten, besonders aber solchen aus dem besetzten oder unbesetzten russischen Raum, durch ein fühlbares kulturelles Bedürfnis (Bücher, Bühne, Film, Musik) gekennzeichnet. Während die Nachrichtenversorgung auf dem Wege über die russischen Zeitungen mit den bekannten Zustellungsschwierigkeiten trotz fortschreitenden Vertriebs russischer Blätter zu kämpfen hat, entwickelt sich die kulturelle Betreuung der Bevölkerung im rückwärtigen Armeegebiet und im Gefechtsgebiet in schnellerem Tempo. So konnten im Februar insgesamt 32 Filmvorführungen allein im Gefechtsgebiet in 6 Ortschaften mit grossem Erfolg durchgeführt werden. Die Ausweitung dieser Arbeit ist jedoch immer wieder durch die Frage des Veranstaltungsraums begrenzt. Zur Zeit ist eine Erfassung aller Einheiten, die eine grössere Anzahl von Gefangenen, Hilfswilligen oder zivilen Arbeitskräften beschäftigen, im Gange, um über geeignete Verbindungsmänner eine planmäßige propagandistische Betreuung einzuleiten. Die Rückkehr einer am 31.1. 43 ins Reich entsandten Reisegruppe dürfte die Voraussetzung zu einer intensiveren rednerischen Propaganda in den verschiedensten Ortschaften des Armeegebietes bieten, deren Anlauf noch im Monat März zu erwarten ist. Bei der grossen Empfänglichkeit des Russen für das gesprochene Wort wird diese Aktion aller Voraussicht nach erfolgreich sein. Als Kernproblem einer erfolgreichen Propaganda wird mit wachsendem Nachdruck die Frage nach einer zukünftigen Gestaltung der russischen Verhältnisse bezeichnet. Unüberlegte Äusserungen, die hier und da in Gegenwart von Russen getan wurden und die geeignet sind, die sowjetische Propagandathese von einer geplanten Versklavung der russischen Bevölkerung durch die Deutschen zu untermauern („weisse Neger“), werden rasch herumgetragen und dienen einer Entfachung des wiedererwachenden russischen Nationalgefühls. Das beharrliche Schweigen aller amtlichen deutschen Stellen über die Zukunft Russlands, die Erinnerung an die verheissenen Maßnahmen, deren Durchführung später hinter den Erwartungen zurückstand (Kolchosbefreiung, Abgabenregelung u. a.), hat misstrauisch gemacht. Die deutscherseits propagandistisch geübte Kritik am Bolschewismus und seinen Maßnahmen verfängt wenig, da die Bevölkerung naturgemäß einer solchen Kritik die herrschenden schweren Verhältnisse gegenüberstellt. Trotzdem ist der Russe in breiten Kreisen nach wie vor bereit, den Bolschewismus abzulehnen, sofern ihm auch nur in Umrissen eine anders geartete Zukunft aufgezeigt werden kann. Auch der deutscherseits gern geübte Vergleich zwischen deutschen und sowjetischen Verhältnissen interessiert ihn nur soweit, als er daraus Anhaltspunkte für die Gestaltung der eigenen Lebensverhältnisse entnehmen will. Die Tatsache, dass besonders die jungen Jahrgänge

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zwischen 15 und 30 sich der deutschen Propaganda bisher oft unempfänglich gezeigt haben, ist nicht nur auf deren stärkere Durchsetzung mit kommunistischem Gedankengut zurückzuführen, sondern auch darauf, dass in diesen Jahrgängen die konkrete Sorge um die eigene Zukunft naturgemäß am stärksten ist, da man alle Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb des Sowjetregimes gesichert sah und unter deutscher Führung an solchen immer mehr verzweifelt. Die gegnerische Flugblattpropaganda war in der Berichtsperiode besonders im Gefechtsgebiet südlich des Ladoga-Sees rege. Für die Zivilbevölkerung wurde über dem ganzen Armeegebiet eine Sondernummer der „Leningrader Prawda“ v. 2. 2. 43 abgeworfen mit einer Meldung über die Gefangennahme des Generalfeldmarschalls Paulus mit einer grösseren Anzahl von Generälen und den üblichen Aufrufen zur Partisanentätigkeit. Das Blatt, in dem u. a. auf die verstärkte Tätigkeit der sowjetischen Kolchose vor dem Kriege hingewiesen wurde, erzielte zum Teil gegenteilige Wirkungen, da es bereits im Umlauf begriffene Gerüchte über eine angebliche Auflösung der Kolchose im Sowjetgebiet unbeabsichtigt widerlegte. Ein origineller Banditenhandzettel wurde aufgefangen, der auf der ausgerissenen Seite eines Kontrollbuches die deutschen Verluste bei Stalingrad (Gefangenen- und Beutezahlen) in Form einer russisch geschriebenen Rechnung nennt. An die deutschen Truppen richtete sich eine Reihe von Flugblättern, die wiederum von einer verstärkten Ausnutzung propagandistischer Möglichkeiten zeugen. Eine Gruppe von Flugblättern bringt militärische Kurzmeldungen über sowjetische Erfolge (Rostow, Welikije-Luki, Staryj Oskol usw.) auf Handzetteln, die zum Teil wirksam mit Kartenskizzen versehen sind. Andere Flugblätter bringen in ausführlicherer Aufmachung Sondermeldungen über den Fall von Woronesh und Stalingrad mit Gefangenen- und Beutezahlen. Als raffiniert muss der faksimilierte Brief eines deutschen Kriegsgefangenen an seine Ehefrau bezeichnet werden, der auf der Rückseite an die Kameradschaft des Finders appelliert und diesen ersucht, den Brief an die angegebene Adresse zu befördern. Der Brief enthält in wenigen Zeilen die Mitteilung, dass der Absender gesund und munter sei und es sich in der Gefangenschaft gut aushalten lasse. Auf ähnlicher Ebene sind die Blätter des sogenannten „Kameradschaftsdienstes“ gehalten, die sachlich, ohne propagandistischen Text Namen und Feldpostnummer von Gefangenen enthalten mit der Bitte, die Angehörigen von ihrem Wohlergehen zu verständigen. Primitiver sind mehrere polemische Flugblätter: „Hitlerlüge“, da entgegen allen seinen Erklärungen Leningrad von der siegreichen Roten Armee entsetzt worden sei; „Die Lehre von Stalingrad“; „Offener Brief an die deutschen Soldaten vor Leningrad und am Wolchow“ mit 87 faksimilierten Unterschriften: Alle OKW-Meldungen über sowjetische Gefangenenbehandlung seien erlogen u. a. Ausgesprochen ungeschickt ist die Frontillustrierte Nr. 2, die eine Fotomontage des angeblich feige geflüchteten Generals Scherer beim Sylvesterpunsch den Bildern gefallener Soldaten vor Welikije-Luki gegenüberstellt. Bezeichnend ist, dass im Gegensatz zu früher auf sowjetischer Seite der Abwurf veralteter Flugblätter unterbunden zu sein scheint, wodurch die Wirksamkeit der Flugblattpropaganda erheblich erhöht wird. Allgemeine Lage und Stimmung der Bevölkerung im Generalbezirk Lettland: Die militärischen Ereignisse im Süden der Ostfront waren in den letzten Wochen bestimmend für die Stimmung und Haltung der lettischen Bevölkerung. Besonders die Wiedereinnahme Stalingrads und die zeitweilige Eroberung Charkows durch die Bolschewisten hat einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen und dazu geführt, dass der Glaube an einen deutschen

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Sieg zeitweilig vollständig ins Wanken geraten war. Man gab zum Ausdruck, dass alle Blutopfer des Krieges umsonst gewesen sind und die deutsche Wehrmacht die bolschewistische Heeresmaschine nicht mehr aufhalten könne. Besonders da doch gerade in den nun wieder von den bolschewistischen Truppen eroberten Gebieten die besten deutschen Truppen eingesetzt worden seien und alles von der deutschen Heeresführung getan wurde, um diese für die Kriegsführung wichtigen Gebiete zu halten. Auch die Worte des Führers, dass keine Macht der Erde die deutschen Soldaten vom Vorposten an der Wolga vertreiben könne, wurden, da nun doch das Gegenteil eingetroffen ist, oft angeführt und besonders von den links gesinnten Elementen propagandistisch ausgewertet. Die nationallettischen Kreise suchten in der Berichtszeit zunächst eine weitere Anlehnung an die deutschen Führungsstellen, da sie einerseits doch in den Ereignissen an der Front für ihr persönliches Schicksal eine grosse Gefahr sahen und andererseits die Hoffnung hegten, in Ausnutzung der angespannten militärischen Lage für nationallettische Bestrebungen intervenieren zu können. Der von diesen Kreisen in den Vordergrund geschobene Wunsch zu einer engeren Zusammenarbeit des lettischen und des deutschen Volkes war aber nur durch die unmittelbar drohende Gefahr bedingt. Da in letzter Zeit wieder von einer Stabilisierung der deutschen Front gesprochen werden kann, sind gerade diese Kreise in ihren Forderungen und Ansprüchen in Bezug auf Selbständigkeitsrechte wieder sehr aktiv geworden und zeitweise in offenen Gegensatz zur deutschen Führung getreten. Aus diesen Kreisen wurden in letzter Zeit die verschiedensten Gerüchte über eine angebliche Verselbständigung Lettlands in die lettische Bevölkerung getragen, um ihren Forderungen eine öffentliche Resonanz zu geben. Es wurden sogar verschiedentlich Termine für die Verwirklichung der Selbständigkeit genannt, so der 30. Januar, an dem der Führer im Reichstag die Selbständigkeit Lettlands proklamieren sollte. In den Provinzstädten wurde gerüchteweise verbreitet, dass in der Rigaer Oper die Selbständigkeit Lettlands erklärt worden sei. Schon bevor eine offizielle Verlautbarung über die Reprivatisierung und Aufstellung einer lettischen SS-Legion erfolgte, waren Gerüchte hierüber im Umlauf und haben, nachdem sie sich bewahrheiteten, die Meinung, dass Finnland wieder selbständig werde, verstärkt. Da man annahm, dass eine allgemeine Mobilisierung stattfinden würde, machte man sich die Meinung von Juristen, deren wesentlicher Vertreter der Generaldirektor Valdmanis ist, zu eigen, dass nur dann eine Mobilisierung stattfinden könne, wenn die völkerrechtliche Lage Lettlands geklärt würde. Nicht nur in der lettischen Bevölkerung, sondern auch in reichsdeutschen Kreisen, besonders in der deutschen Zivilbevölkerung, kursierten Gerüchte über eine grundsätzliche Verwaltungsänderung im Generalbezirk Lettland. Hier will man sogar wissen, dass der Reichskommissar Lohse seines Postens enthoben werden soll, da er in letzter Zeit mehrfach Konflikte mit dem Reichsminister Rosenberg gehabt habe. Die gleichen Gerüchte laufen über den Generalkommissar Dr. Drechsler um und sollen auf einen Vorstoss des Generalkommissars Wittrock beim Reichsminister Rosenberg zurückzuführen sein. Auch die Tätigkeit der lettischen Verwaltung und der lettischen führenden Schichten wird einer scharfen Kritik unterzogen. Die lettischen Generaldirektoren gäben sich zwar als Verfechter der nationalen Interessen, seien aber im Grunde ebenso korrupt wie die deutschen Stellen. Man fragt sich z. T. in lettischen und deutschen Kreisen, ob die Soldaten von Stalingrad gefallen seien, damit die Angehörigen der deutschen und lettischen Verwaltung ungestört hamstern können. Es wäre zu einer totalen Kriegsführung viel besser, viele Kräfte der Zivilverwaltung für den Kriegseinsatz freizumachen. Diese Gedanken hat sich

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ein Grossteil der deutschen und lettischen Bevölkerung zu eigen gemacht und man erwartet, dass für eine Ausrichtung der Lebenshaltung der führenden Persönlichkeiten im Sinne der Goebbels’schen Ausführungen Sorge getragen werde. Die Veröffentlichung der Verordnung vom 18. 2. 42 über die grundsätzliche Wiederherstellung des Privateigentums ist als eine schon längst fällige Maßnahme betrachtet worden und hat sich daher nur in sehr beschränktem Ausmaße politisch positiv ausgewirkt. Es kann gesagt werden, dass die Verkündung der Rückgabe des Privatbesitzes – soweit bisher beobachtet werden konnte – in keiner Weise Eindruck gemacht hat. Man hört den Ausspruch, dass die Maßnahme „eine verdammte Pflicht und Schuldigkeit wäre“ und „die Deutschen hätten das sowieso machen müssen“. Die kühle Aufnahme ist dadurch zu erklären, dass die Letten eine Rückgabe des gesamten Besitzes nicht als eine Anerkennung oder Entgegenkommen des deutschen Hoheitsträgers auffassen, sondern die Wiederherstellung des gesamten Eigentumsrechts als eine zwangsläufige Folge der Befreiung des Landes von dem Bolschewismus empfinden. Sie sind der Auffassung, dass durch diese Maßnahme nur ein Zustand wiederhergestellt wird, der den Letten von Rechts wegen zukommt. Lettischerseits wird darauf hingewiesen, dass die Durchführung der Reprivatisierung nur eine juristische Maßnahme darstellt, da die früheren Eigentümer, soweit es sich um ländlichen und städtischen Besitz handelt, schon seit einiger Zeit als Nutzniesser und Verwalter ihres früheren Besitzes eingewiesen worden sind. Man hört immer wieder den Ausspruch, dass es lange genug gedauert hätte, bis deutscherseits eine Maßnahme durchgeführt worden ist, die an und für sich schon früher hätte erfolgen müssen. Das lettische Volk hätte ja bisher, obgleich ihm deutscherseits keinerlei konkrete Zusagen gemacht worden seien, unter erschwerten Lebensverhältnissen den Kampf der Deutschen gegen den Bolschewismus durch aktive Mitarbeit in jeder Weise unterstützt. Das lettische Volk sei nicht ein Gegner des Deutschen Reiches gewesen, dessen Land durch die Wehrmacht erobert worden sei, sondern ein Volk, welches vom Bolschewismus befreit wurde. Durch den gemeinsamen Kampf gegen den Bolschewismus und die bisher getragenen Opfer hätte sich das lettische Volk erneut sein Anrecht auf den ihm angestammten Boden und Besitz erworben. Der Zeitpunkt der Einführung der Reprivatisierung wird als ungünstig bezeichnet. Er wird lettischerseits als ein Ausdruck der Schwäche, bedingt durch die Frontereignisse, gewertet. Auch aus diesem Grunde ist man lettischerseits der Auffassung, dass die Einführung der Reprivatisierung nicht dem freien Willen der deutschen Verwaltung entspringt, sondern aus Zweckmäßigkeitsüberlegungen durchgeführt wird, um innerhalb des lettischen Volkes eine grössere Einsatzfreudigkeit zu erzielen. In Arbeiterkreisen hat die Verordnung zu einer weiteren Schwenkung in das bolschewistische Fahrwasser geführt. Man sagt, dass die Besitzenden auf Kosten der Arbeiter, die ja praktisch für Entnationalisierung zwangsmäßig zum Kriegseinsatz nach Deutschland oder nach Russland geschickt wurden, ihr Eigentum zurückbekommen. Allgemein ist die Meinung vertreten, dass mit der Verordnung zwei Ziele verfolgt würden: 1. würde sie einen propagandistischen Zweck dem feindlichen Ausland gegenüber verfolgen und 2. eine Grundlage für die Forderungen an das lettische Volk bilden. Letzteres sollen auch die Erläuterungen des Gauleiters Lohse bestätigen, der abschliessend in seinem Leitartikel ausführte, dass das lettische Volk nun, den Sinn der Verordnung verstehend, einen noch grösseren kämpferischen und einsatzmäßigen Beitrag zum Schicksalskampf im Osten leisten solle. Nach der Bekanntgabe der Wiederherstellung des Privateigentums in Lettland war man

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sich in lettischen Kreisen darüber im klaren, dass diese Maßnahme eine weitere Forderung für Kriegsauflagen vom lettischen Volk nach sich ziehen würde. Als nun am 24. Februar der Aufruf zum Eintritt in die heimatliche Legion, die deutsche Wehrmacht oder zum Arbeitseinsatz erfolgte, war man über die unklare Haltung des Aufrufs erstaunt. Da in der lettischen Zeitung „Tovija“ der Aufruf weder von einer deutschen noch von einer lettischen Persönlichkeit unterschrieben war, hat dieser seine Wirkung absolut verfehlt. Besonders scharf wurde kritisiert, dass in dem Aufruf die Rede von freiwilliger Meldung war, da andererseits durch Angestellte des Arbeitsamtes bekannt geworden war, dass die Jahrgänge 1919–1924 zwangsweise zur Legion, zur Wehrmacht oder zum Arbeitseinsatz gezogen würden. Von lettischer Seite setzte sofort, besonders in Studentenkreisen, eine Gegenpropaganda ein. Vereinzelt wurden Flugblätter, deren Inhalt besagt, dass sich keiner melden solle, bevor nicht die lettische Selbständigkeit und eine lettische Führung der Legion garantiert sei und dass die Ausbildung in Lettland stattfinden werde, in Umlauf gesetzt. In Studentenkreisen äussert man, dass, wenn jemand eine Arbeit annimmt, er auch gleich wissen will, was er verdienen wird. Wenn nun die Letten an der Front kämpfen sollen, dann sollen die Deutschen sie nicht mit leeren Phrasen abfertigen. Europa sei ein sehr dehnbarer Begriff. Man wolle genau wissen welcher Platz in Europa für die Letten bestimmt sei. Die lettische Bevölkerung wolle die Selbständigkeit. Auch wird angeführt, dass die Letten, streng genommen, ja noch Sowjetbürger seien und im Falle einer Gefangennahme durch die Sowjets als Verräter sofort erschossen würden. Diese Ausführung dürfte aus der lettischen Selbstverwaltung in die Studentenschaft hineingetragen worden sein, da die gleichen Argumente von General Dankers beim Generalkommissar vorgebracht worden sind. Überhaupt sind Gegenargumente, die in der lettischen Bevölkerung gegen eine Aufstellung der lettischen Legion kursieren, mit Bestimmtheit aus der Generaldirektion des Innern in die Bevölkerung getragen worden. Die Zweckmäßigkeit einer lettischen Legion wird von politisch führenden Kreisen nicht einheitlich beurteilt. Einerseits hofft man durch die Aufstellung einer lettischen Legion die Selbständigkeit Lettlands eher zu erreichen; andererseits ist man der Meinung, besonders in lettischen Offizierskreisen, dass das lettische Volk biologisch durch Aufstellung einer Legion geschwächt würde. Bei dem Widerstand lettischer Intelligenzkreise gegen die Aufstellung der Legion hat es sich gezeigt, wie einig sich alle Kreise sind, wenn es sich um völkische Belange handelt. Die Verordnung über eine erhöhte Zuteilung an Fleisch für die lettische Zivilbevölkerung hat allgemein, besonders in Arbeiterkreisen, Anklang gefunden. Man ist jedoch sehr skeptisch und glaubt, dass diese Zuteilung nur von einer gewissen Zeitdauer sei, und dann ginge es genau wieder wie mit der Rationierung der Butter. Die Stimmung auf dem Lande hat sich trotz der bekanntgegebenen Reprivatisierung verschlechtert. Man glaubt hier den Versprechungen der Deutschen nicht mehr und nimmt vielmehr an, dass die ganze Reprivatisierungsaktion eine üble „Bauernfängerei“ ist. Da der Bauer bald mit der Landarbeit beginnen muss, macht er sich jetzt schon Gedanken darüber, woher er die Arbeitskräfte, Pferde und Saatgut hernehmen soll. Durch den dauernden Abzug von Arbeitskräften und durch die jetzt eintretende Musterung zur Legion, zur Wehrmacht und zum Arbeitseinsatz dürfte es tatsächlich in Frage gestellt sein, ob es dem Bauern gelingen wird, die diesjährige Landbestellung restlos durchzuführen. Durch Gerüchte, die aus den Landgebieten Lettgallens in die übrigen Provinzstädte getragen werden und besagen, dass die Bandentätigkeit in einem unerträglichen Maße zugenom-

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men hat, ist bei der Gesamtlandbevölkerung eine grosse Beunruhigung eingetreten, besonders da die wehrhaften Männer nun auch eingezogen werden. Wirtschaftliche Lage im Generalbezirk Lettland: Landwirtschaft: Die neueren vorliegenden Stimmungsäusserungen zur Reprivatisierung sprechen, wie auch schon früher berichtet, von einer auffallend geringen Reaktion der lettischen Bevölkerung zu dieser Maßnahme. Das Interesse der lettischen Öffentlichkeit wendet sich weniger der Tatsache der Reprivatisierung, sondern vor allen Dingen der Form der Durchführung zu. Auf diesem Gebiet herrscht den Meldungen zufolge zur Zeit noch keine völlige Klarheit. Die erforderlichen technischen Maßnahmen zur Durchführung sind bereits in Arbeit, und man hofft im Laufe d. J. bis zu 40 % der Rückübereignung durchzuführen. Seitens des Reichskommissars ist geplant, im laufenden Jahr rund 50 000 Betriebe zu privatisieren. Ein anderer Vorschlag geht dahin, die Durchführung der Reprivatisierung der einheimischen Verwaltung zu überlassen, mit der Auflage so schnell als möglich alle Betriebe der Privatisierung zu unterziehen. Dagegen wird von der Abteilung Landwirtschaft und den Generalkommissaren die Ansicht vertreten, dass eine allgemeine Privatisierung von der Bevölkerung falsch verstanden würde und zwar in der Richtung, dass die Rückübereignung deutscherseits nur unter dem Druck der Verhältnisse zwangsweise durchgeführt werde. Der erstrebte positive Erfolg, also eine erhöhte Ablieferungsfreudigkeit und ein verstärkter Einsatz für alle kriegswichtigen Belange, würde dadurch ausbleiben. Bei der Prüfung der technischen Durchführbarkeit einer beschleunigten und grosszügigen Rückübereignung wurde festgestellt, dass, wenn der Kreislandwirt bei der Privatisierung jedes Betriebes eingeschaltet werden soll, jährlich nur ungefähr 20 000 Betriebe in Lettland zum Zuge kämen. Schwierigkeiten könnten teilweise, besonders in Estland und vor allen Dingen in Litauen, durch die ungeklärten Eigentumsverhältnisse entstehen. So wären z. B. bei 78 zur Privatisierung in Estland vorgesehenen Betrieben nur bei 121 die Eigentumsverhältnisse restlos geklärt, in denen die Reprivatisierung ausgesprochen werden könnte. In Lettland dürften diese Schwierigkeiten wohl am wenigsten in Erscheinung treten, da die Grundbücher überall auf dem neuesten Stand gehalten werden. Über die Durchführung der Rückübereignungen des Haus- und städt. Grundbesitzes herrscht keine Klarheit. Desgleichen ist auch die Reprivatisierung der Industriebetriebe, die wohl die grösste Schwierigkeit in sich birgt, noch nicht zur Sprache gekommen. Auf dem Gebiete des städtischen Haus- und Grundbesitzes sind die Einweisungen in die Verwaltung und Nutzung im wesentlichen abgeschlossen. Diese Einweisungen werden sich in der Regel mit den vorzunehmenden Einweisungen ins Eigentum decken. Ausnahmen bilden nur die Fälle, in denen es sich um gewerblich genutzte oder gemischt-genutzte Grundstücke handelt. Im Gesamtbild kann – so wird berichtet – vorläufig gesagt werden, dass die Reprivatisierung, wobei die Art und Weise der Durchführung für den Nutzeffekt der nächsten Zeit entscheidend sein wird, in wirtschaftlicher Beziehung durchaus erwünschte Folgen haben und den kriegswirtschaftlichen Leistungsgrad steigern kann. […] Arbeit- und Sozialwesen: Die Mobilisierung weiterer Arbeitskräfte und Steigerung der Arbeitsleistung und der Arbeitsdisziplin wird den Meldungen zufolge als vordringlichste Aufgabe angesehen. Die angelaufene Aktion zur Einziehung von mehreren Jahrgängen als Arbeitspflichtige oder für die Wehrmacht scheint den Meldungen zufolge schon jetzt nicht ohne Wirkung auf die Gesamteinstellung der Bevölkerung zu sein. Die Zahl derer, die sich zur Arbeit melden und zwar sowohl für das Land als auch für den Einsatz im Reich, hat sich erhöht. Auch Meldungen der jüngeren weiblichen Einwohnerschaft sind

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da, die anscheinend damit rechnet, dass hier im Lande ähnliche Maßnahmen wie im Reich durchgeführt werden. Die drei zu Weihnachten veröffentlichten Verordnungen zur Förderung der Leistungssteigerung, über die Vergütung von Mehr-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit von einheimischen Angestellten und über den Erholungsurlaub wurden im grossen gesehen mit Befriedigung aufgenommen. Die Betriebe gehen jetzt noch mehr als bisher zur Akkord- und Prämienarbeit über. Dagegen wird von der Möglichkeit der Gewährung von Leistungszulagen verhältnismäßig wenig Gebrauch gemacht. Nach Auffassung der Betriebsleiter würde die Gewährung von Leistungszulagen an einzelne Gefolgschaftsmitglieder zur Unzufriedenheit und Unruhe bei denen führen, die keine Leistungszulage erhalten. Die Empfänger von Leistungszulagen würden angeblich als Günstlinge der Betriebsleitung angesehen werden. Nur um eine Spaltung innerhalb der Gefolgschaft zu vermeiden, sehen die meisten Betriebsleiter von der Gewährung von Leistungszulagen ab. Positiv haben sich durchweg die neuen Bestimmungen über die Frauenentlohnung ausgewirkt. Unzufriedenheit herrscht noch in den Fällen, wo Frauen Arbeiten verrichten, die in der Regel von Männern nicht ausgeführt werden können, also in den Fällen der Leistung typischer Frauenarbeit. Hier müssten für die in Betracht kommenden Arbeiten spezielle Frauenlöhne geschaffen werden. Die bisherige Form der Entlohnung – 80 % der entsprechenden Männerlöhne – wird in diesen Fällen allgemein als Ungerechtigkeit empfunden. Nach wie vor ist ein Ansteigen der Arbeitsvertragsbrüche und Verstösse gegen die Arbeitsdisziplin zu verzeichnen. In einem sehr schlechten Zustand befindet sich der allergrößte Teil der Arbeiterlager und Gemeinschaftsunterkünfte. Die primitiven Unterkünfte sind mit ein Grund, die Arbeitsfreudigkeit zu untergraben. Zahlreiche Betriebsleiter kümmern sich nicht um einigermaßen zufriedenstellende Unterbringung der Arbeiter. Hinzu kommt noch der grosse Mangel an reichsdeutschen Lagerführern und einheimischen Lagerleitern. In den Schlafräumen herrscht nicht nur Unsauberkeit und Unordnung, sondern es kann auch Ungeziefer festgestellt werden. Auch diese Umstände tragen dazu bei, die Zahl der Arbeitsvertragsbrüche zu erhöhen. Die in den Betrieben in immer grösserem Umfange eingeführte Werkküchenverpflegung erfreut sich bei der Belegschaft einer grossen Beliebtheit, da dadurch den Arbeitern zu Mittag eine warme Speise gewährleistet ist. Die Güte der Verpflegung ist in grossem Maße abhängig von der Initiative der Betriebsführer bei der Beschaffung von nicht bewirtschafteten Lebensmitteln. C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR Die Beziehungen der Sowjetunion zu England und den USA bildeten das Hauptthema einer dreistündigen Unterredung, die am 17. 3. 43 zwischen dem britischen Aussenminister Eden und dem Sowjetbotschafter Litwinow in Washington stattfand. In Washingtoner Regierungskreisen ist man der Ansicht, daß das Verhältnis der anglo-amerikanischen Staaten zur Sowjetunion durch diese Zusammenkunft eine bedeutende Förderung erhalten hat. Trotzdem forderte der russische Botschafter in London, M. Maisky, am 25. 3. erneut, daß Großbritannien und die USA sobald als möglich eine Aktion unternehmen. Zu den englisch-amerikanischen Lieferungen an die Sowjetunion erklärte der englische Marineminister Alexander, daß Grossbritannien von Oktober 1941 bis Ende 1942 über 3000 Flugzeuge und 3000 Panzer, die USA 2600 Flugzeuge und die gleiche Anzahl Panzer nach der UdSSR verschifft hätten. Der amerikanische Beauftragte für die Pacht- und Leihverwaltung, Stettinius, führte weiter dazu aus, daß die USA ausser fertigem Kriegsmaterial (Flugzeuge, Panzer usw.) bis zum 1. 2. 43 an die Sowjetunion mehr als 580 000 to Stahl, 46 000 to Aluminium, 21 500 to Zink, 94 000 to Kupfer und Messing und andere

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Buntmetalle, 75 000 to Schienen, 17 000 to anderes Eisenbahnmaterial, 140 000 Feldtelefone, 268 000 to Erdöl, 99 000 to Militärfahrzeuge (ohne Panzerwagen) und 3 Millionen Paar Marschstiefel geliefert hätten. Wieweit die gegebenen Zahlen den Tatsachen entsprechen, ist nicht zu übersehen. Gegenäusserungen von sowjetischer Seite erfolgten bisher nur insoweit, als angeblich von inoffiziellen. Stellen bestätigt wurde, daß regelmäßig grosse Mengen an Kriegsmaterial die Sowjetunion erreichten und die Qualität gut sei. Die Veröffentlichung der von Stettinius gegebenen Zahlen in der Sowjetunion ist jedoch durch eine Anweisung der TASS an sämtliche Redaktionen unterbunden worden. Wie von neutraler Seite zum Verhältnis Japan–Sowjetrussland bekannt wird, sind die Japaner aufgrund der Gesamtentwicklung der Kriegslage mit der Frage beschäftigt, ob die Sowjets im Falle, daß Deutschland durch die Operationen des Winters eine dauernde Schwächung erfahren hat, mit freiwerdenden Streitkräften Japan anzugreifen beabsichtigen. Nach Äusserungen japanischer Diplomaten wird jedoch nicht mit Komplikationen gerechnet. Sowjetischerseits wird betont, daß die Sowjetunion zwar die Ausschaltung jeder militärischen Bedrohung durch Japan wünsche, Stalin aber unnötige Kriege zu vermeiden suche. Vielmehr erwarte die Sowjetunion, daß es den Engländern und Amerikanern gelinge, Japan auch ohne sowjetische Hilfe zu besiegen. Am 25. 3. wurde in Kuibyschew ein Protokoll unterzeichnet, wonach die Fischereikonvention zwischen Japan und der Sowjetunion um ein weiteres Jahr verlängert wird. Englische Korrespondenten berichten aus Moskau, daß dort angesichts der DonezSchlacht und des Nachlassens des sowjetischen Angriffsschwunges ein merklicher Stimmungsrückgang eingetreten sei. Man habe nicht damit gerechnet, daß die Deutschen eine so starke Gegenoffensive hätten durchführen können. Um ein Absinken der Stimmung zu verhindern und die Widerstandskraft und den Kampfeswillen der Bevölkerung zu stärken, bringt die sowjetische Propaganda Mitteilungen über angebliche Greueltaten, die die deutsche Besatzung in den geräumten Gebieten begangen hätte. Bereits im November vorigen Jahres war durch einen Erlaß des Präsidiums des Obersten Rates der UdSSR die Bildung einer „Ausserordentlichen Staatlichen Kommission zur Feststellung und Untersuchung der von den deutschen faschistischen Eroberern und ihren Helfershelfern verübten Greueltaten und der Schäden, die sie den Bürgern, Kollektivwirtschaften, öffentlichen Organisationen, staatlichen Betrieben und Behörden der Sowjetunion zugefügt haben“ angeordnet worden.4 Unter Bezugnahme auf die von dieser Kommission getroffenen Feststellungen wird der Sowjetbevölkerung ein düsteres Bild des Schicksals gegeben, das sie unter deutscher Herrschaft erwarte. Der von den Deutschen angerichtete Schaden belaufe sich auf viele Milliarden Rubel. Die Rote Armee sei, wie Stalin in seinem Tagesbefehl zum 25. Jahrestag der Roten Armee betonte, „der Rächer für die Scheußlichkeiten, die die Nationalsozialisten in den besetzten Gebieten begingen“. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, daß der Wiederaufbau in den von den Deutschen verlassenen Gebieten in vollem Gange sei und gute Fortschritte mache. Interessant ist es, daß seitens der sowjetischen Propaganda besonders betont wird, die Deutschen hätten in den von ihnen besetzten Gebieten systematisch religiöse Kultstätten zerstört und kirchliche Gerätschaften gestohlen. Viele hundert Kirchen und Klöster seien von den Deutschen geschändet, ausgeraubt und geplündert worden. Dieses deckt sich durchaus mit der von den Sowjets in der letzter Zeit verfolgten Linie, die im Volke noch vorhandenen religiösen Gefühle für ihre Zwecke einzuspannen, insbesondere aber bei den Alliierten und den neutralen Staaten den Eindruck zu erwecken, als habe die Sowjetunion gegenüber der orthodoxen Kirche eine positive Stellung eingenommen. Aus vatika-

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nischen Kreisen wird berichtet, daß die sowjetische Botschaft in Ankara die in der Botschaft existierende Kapelle für den Gebrauch wiederhergestellt habe; es wurden neuerdings wieder Messen abgehalten. Es werden sogar Meldungen verbreitet, Stalin selbst hätte Anfang März an einer grossen Prozession teilgenommen. Auf das stetige Absinken des Lebensstandards der Moskauer Bevölkerung weist ein neutraler Berichterstatter hin. Danach bewirke die durch die Sowjetregierung betriebene Einsparung von Nahrungsmitteln eine dauernde Verschärfung der Lebensmittellage. So werden z. B. die Rationen an Fett, Fleisch und Zucker mehr und mehr herabgesetzt. Im März dieses Jahres sei in Moskau zum ersten Male seit vier Monaten Butter zur Verteilung gelangt. Statt Fleisch sei vielfach amerikanischer Käse oder russischer Salzfisch an die Bevölkerung ausgegeben worden. Die Preise auf dem von den Behörden stillschweigend geduldeten Schwarzen Markt sind weiterhin angestiegen. Um wenigstens den Bedarf der Rotarmisten an den wichtigsten Gebrauchsgegenständen sicherzustellen, ist in Moskau ein Kaufhaus eröffnet worden, das nur für Angehörige der Roten Armee bestimmt ist. Verschiedene Meldungen lassen erkennen, daß die Frauen in der Sowjetunion in immer stärkerem Maße in die Kriegswirtschaft eingespannt werden und in fast allen Berufen tätig sind. Besonders die militärische Ausbildung der Frauen, die in den verschiedenen Zweigen der Armee, der Luftwaffe und der Flotte dienen, soll gute Fortschritte machen. Dies entspricht sicher den Tatsachen, da bekanntlich der Einsatz von Frauen in allen Zweigen der Industrie, auch der Schwerindustrie, in der Sowjetunion seit Jahren systematisch und mit grosser Energie vorangetrieben wurde. BAB, R 58/224 1

Vgl. Musial: Sowjetische Partisanen, S. 324 f. Diese Partisaneneinheit taucht auch in der Berichterstattung der Ic-Abt. der SS-Kav.div. auf, die aus dem Personal der aufgelösten EG D bestand; vgl. SS-Kav.div./Ic: Feindnachrichtenblatt Nr. 4 v. 23. 6. 1943, BA-MA, RS 3–8/74. 3 Andrei Andrejewitsch Wlassow (1901–1946), sowjetischer Generalleutnant, wechselte in deutscher Gefangenschaft die Seite u. trat an die Spitze der Russischen Befreiungsarmee RONA; vgl. Sven Steenberg: Wlassow, Verräter oder Patriot? Köln 1969; Joachim Hoffmann: Die Geschichte der Wlassow-Armee, Freiburg 19862; Jürgen Thorwald: Die Illusion. Rotarmisten gegen Stalin. Die Tragödie der Wlassow-Armee, München 1995; Matthias Schröder: Denkmal Vlasov – Zur politischen Instrumentalisierung des russischen Kollaborateurs General Vlasov im Zweiten Weltkrieg und zur Rezeptionsgeschichte nach 1945, in: Joachim Tauber (Hrsg.): „Kollaboration“ in Nordosteuropa. Erscheinungsformen und Deutungen im 20. Jahrhundert, Wiesbaden 2006, S. 434–442. 4 Vgl. Marina Sorokina: People and Procedures. Toward a History of the Investigation of Nazi Crimes in the USSR, in: Kritika. Explorations in Russian and Eurasian History 6(2005), S. 797–831. 2

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 9. April 1943 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 49 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandentätigkeit im Kommandeurbereich Lettland im Februar 1943: Die Banditentätigkeit hat in den östlichen Grenzgebieten Lettlands – Lettgallen – Ende Januar 1943 so stark zugenommen, daß viele Einwohner ihr Anwesen verliessen und in das Innere des Landes

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übersiedelten. Erst als die unter Führung von SS-Obergruppenführer Jeckeln vorbereitete Grossaktion Mitte Februar in Gang kam, ließen die Bandenüberfälle nach. An dem Unternehmen „Winterzauber“ 1 nahmen u. a. Kommandos der Sicherheitspolizei, mehrere Bataillone der lettischen Schutzmannschaft, ein ukrainisches Schutzmannschaftsbataillon, motorisierte Gendarmerie, ein Flakkampftrupp und einige Flugzeuge teil. Anfang März war der Raum Lipowka–Rosica–Muschina–Schamborowo–Bigossowo und Ustje von den Banditen gesäubert und eine 15 km breite tote Zone an der russischen Grenze geschaffen worden.2 Bis daher betragen die eigenen Verluste: Schutzmannschaft: 4 Tote, 1 Schwerverletzter, 4 Leichtverletzte, 2 Vermißte. Sicherungsbataillon: 3 Tote, 1 Verwundeter. Feindverluste: 137 Banditen sind im Kampf gefallen, 1807 Banditen und deren Helfer wurden erschossen, 51 Banditen wurden festgenommen, über 2000 Personen, deren Beteiligung an der Bandentätigkeit nicht nachgewiesen werden konnte, wurden aus den eroberten Dörfern evakuiert und in das Lager Salaspils bei Riga geschafft. 3 Beute: 527 Stück Gross- und Kleinvieh sowie 55 Pferde wurden erbeutet. Die Beute an Waffen beträgt u. a.: 2 Pakgeschütze, MGs, Gewehre, mehrere Kisten MG- und Gewehrmunition, 207 Handgranaten und 1 Sprengstofflager; 3 Munitionslager wurden gesprengt und 83 von Banditen besetzte Dörfer abgebrannt. Eine weitere Aktion gegen die Banditen wurde im Kreise Rositten durchgeführt. Hier waren durch V-Leute bewaffnete Banditen festgestellt worden, die von Fallschirmspringern und sowjetischen Offizieren geführt wurden. Durch Aussagen 4 festgenommener Banditen wurde in Erfahrung gebracht, daß diese Gruppen im Sommer 1942 auf einen Munitionszug, der die Bahnstrecke Rositten–Sebesh befuhr, ein Sprengstoffattentat verübt haben. Weiter konnte ermittelt werden, daß ein lettischer Eisenbahnangestellter die Banditen jeweils über die Art des Transportes und die Abfahrzeiten der durchfahrenden Züge unterrichtet hat. Die Banditengruppen hatten die Absicht, bessere Witterungsverhältnisse abzuwarten, um dann Sabotageakte auf Eisenbahntransportzüge und motorisierte Militärkolonnen zu verüben. Auch im Raume Krubnischki, Skruci, Broisovki, Libau, Preili und Jasmaiea wurde unter Beteiligung einer Kompanie deutscher Wehrmacht und etwa 235 Mann lettischer Schutzmannschaft eine grössere Aktion durchgeführt, um dieses Gebiet, in dem sich die Banditen aufhielten, zu säubern. Im Verlaufe dieser Aktion wurden 52 Banditen festgenommen, ferner Waffen, Munition, Sprengstoff und russisches Geld sichergestellt. Durch die Vernehmungen der festgenommenen Banditen konnte ermittelt werden, daß 3 Angehörige der lettischen Schutzmannschaft, die an dem Einsatz teilnahmen, die Banditen von der bevorstehenden Aktion rechtzeitig unterrichtet hatten. Ausser den obenerwähnten Aktionen kam es noch in verschiedenen anderen Fällen zu Zusammenstössen zwischen der Polizei und bewaffneten Banditen. Bandenbekämpfung im Bereich des Kommandeurs dSPudSD Weißruthenien: Das Unternehmen „Föhn“ 4, auf das bereits in den „Meldungen“ Nr. 46 vom 19. 3. hingewiesen wurde, ist am 21. 3. 1943 mit folgendem Ergebnis abgeschlossen worden: Feindtote 543, dem Arbeitseinsatz zugeführt 1226 Bandenverdächtige. Beute: 3 Geschütze, 1 sMG, 26 880 Schuss Infanteriemunition, grössere Mengen Handfeuerwaffen, Minen und Handgranaten. Erfaßte Landesprodukte: 282 Pferde, 122 Wagen, 2608 Stück Klauenvieh, 563,3 to Erntevorräte, 7199 kg Flachs, 5039 kg Leinsamen, 470 kg Tabak. Eigene Verluste: 12 Tote, 6 Verwundete. Die Feindbande wurde völlig vernichtet. Der Banditenführer Julian Berantschik befindet sich unter den Toten. Eine Feindbande von 130 Mann ist geschlossen übergelaufen. Der wirtschaftlich grösste Erfolg des Unternehmens „Föhn“ ist nach Wiederherstellung sämtlicher abgebrannter Eisenbahnbrücken die volle Inbetriebnahme der Strecke Baranowicze– Luniniec.

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Bandentätigkeit im Bereich der Einsatzgruppe B im Februar 1943: Die von den Banden im Monat Februar angerichteten Schäden ergeben sich aus der nachstehenden Aufstellung. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß eine 100 %ige Erfassung aller Vorkommnisse nicht möglich ist, weil eine grosse Anzahl von Bandenschäden nicht weitergemeldet wird. Die Zahlen haben daher nur einen relativen Wert, geben aber immerhin einen gewissen Anhalt für den Umfang der Bandentätigkeit.

Überfälle auf Dörfer Überfälle auf Stützpunke Anschläge auf Eisenbahnen Anschläge auf Straßen Anschläge auf Brücken Anschläge auf Rüstungsbetriebe Anschläge auf lebenswichtige Betriebe Die Verluste betrugen: Tote: Deutsche OD-Männer Landeseinwohner Verwundete: Deutsche OD-Männer Landeseinwohner Verschleppte: Deutsche OD-Männer Landeseinwohner

Skdo. Skdo. Ekdo. Ekdo. Trupp insgesamt 7b 7c 8 9 Smolensk 88 22 256 138 88 592 18 0 23 16 4 61 62 0 81 18 1 162 4 0 33 4 0 41 0 0 7 1 0 8 0 0 0 0 0 0 0 0 25 1 0 26

19 46 9

28 0 0

69 180 83

19 25 40

0 17 12

135 268 144

15 34 3

18 0 1

67 41 15

8 10 18

0 10 3

108 95 40

0 46 16

0 2 0

17 32 65

0 8 37

0 1 2

17 89 120

Bandenbekämpfung im Bereich der Einsatzgruppe B im Februar 1943: Das am 23. 1. 43 gegen das Bandenzentrum im Waldgebiet westlich der Bahnlinie Durowo–Wladimirskoje begonnene Unternehmen „Sternenlauf“ wurde am 12. 2. 1943 abgeschlossen.5 Die sicherheitspolizeiliche Erkundung dieser Bandengruppe im Rücken der deutschen Front durch das Skdo. 7a begann bereits im Oktober/November. Im Dezember und Januar 1943 erfolgte ein neuer Großeinsatz von Erkundungsagenten. Es wurde festgestellt, daß diese Bande in Stärke von etwa 3 bis 4000 Mann unter einheitlicher militärischer Führung des Generalmajors Jolew stand und sich größtenteils aus versprengten Rotarmisten zusammensetzte. Die Bewaffnung war durchweg gut. Ausser einer erheblichen Anzahl von Granatwerfern, s- und 1MGs sowie automatischen Handfeuerwaffen verfügte sie über Infanterieund Panzerabwehrgeschütze. Munitionsnachschub erfolgte auf dem Luftwege. Angehörige des Skdo. 7a, einige zusammengefaßte Jagdzüge der Trupps von 7a und Angehörige der 2. Komp. Waffen-SS-Batl. z. b. V. waren bei dem Unternehmen als sicherheitspolizeiliche Kampfgruppe eingesetzt. Weiterhin waren Erkundungstrupps zu den übrigen Kampfgruppen abgestellt. Ergebnis im Raum der Kampfgruppe der Sicherheitspolizei: Eigene Verluste: 2 SS-Männer, 3 Russen tot, 7 SS-Männer, 5 Russen verwundet. Feindverluste: 50 gezählte Banditen im Kampf gefallen, 8 Banditen und 2 Überläufer gefangengenommen. Gesamtergebnis: Eigene Verluste: 49 Tote, 214 Verwundete. Feindverluste: 1537 Banditen

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und 566 Bandenverdächtige erschossen, 198 Banditen, 40 Überläufer und 917 verdächtige Zivilpersonen gefangengenommen. Beute: 11 Geschütze, 8 Pak, 17 Granatwerfer, 61 MGs, 9 Panzerbüchsen, 23 automatische Gewehre, 254 Gewehre, 28 MPs, 13 Pistolen, 865 Schuß Pak- und Granatwerfermunition, 49 000 Schuss Infanteriemunition, 52 Pferde, 26 Schlitten sowie Minen, Sprengstoffe, Bekleidungs-, Verpflegungsbestände usw. Der Erfolg dieses Unternehmens war eine grundlegende Besserung der Sicherheitslage in dem Gebiet. Bei dem im Bereich des Skdos. 7b von der Wehrmacht durchgeführten Bandenbekämpfungsunternehmen „Klette II“ 6, bei dem das Gebiet um Mamajewka eingeschlossen worden war, gelang es einem Teil der Banditen aus dem Kessel wieder auszubrechen. Die Feindverluste an Toten und Gefangenen wurden auf 500 Mann geschätzt. Am 17. 2. 43 erfolgte durch ein verstärktes Jagdkommando ein Angriff auf das Dorf Smilowitsche (5 km ostw. Karpilowka). Nach 2 1/2-stündigem Feuergefecht zog sich die 150 Mann starke Bande, unter Zurücklassung von 11 Toten, in Richtung Karpilowka zurück. Eigene Verluste: 2 Tote. In der Zeit vom 12. bis 15. 2. 1943 wurden die Unternehmen „Ursula I und II“ durchgeführt und zwar gegen die im Raume nördlich Rogatschew tätigen Banditen. Eigene Verluste: 3 Deutsche und 4 Hilfswillige tot, 4 Deutsche und 5 Hilfswillige verwundet. Feindverluste (soweit feststellbar): 43 Tote. Vom 6. bis 15. 2. 43 wurde in den Rayonen Krasnaja-Gora, Swetilowitschi, Wjetka, Dobrusch und Slynka das Unternehmen „Hasenjagd“ durchgeführt. Das Ziel war die Vernichtung der Bandengruppe des Generalmajors Feodorow, die aus dem Mamajewka-Wald ausgebrochen war. An eigenen Kräften waren 1200 Mann eingesetzt. Eigene Verluste: 51 Tote, 37 Verwundete. Feindverluste: 15 Tote in deutscher Hand. In der Gegend nördlich Polozk wurde das Unternehmen „Schneehase“ 7 zum Abschluss gebracht. Es wurden 321 Banden erschossen. Bei den anschliessenden Säuberungsaktionen wurden weitere 1962 Banditen und ein Überläufer erschossen. Erbeutet wurden: 1 Pak, 6 Granatwerfer, 1 sMG, 11 1MG, 1 Panzerbüchse, 4 automatische Gewehre, 37 Gewehre, 1 MP, 4 Pistolen, 1 gepanzerte Zugmaschine, 40 Pferde mit Schlitten, Ersatzteile für Pak, Granatwerfer u. MG, ca. 10 to Pak-, Granatwerfer- und Gewehrmunition, 311 Pferde, 2478 Stück Rindvieh, 2011 Stück Kleinvieh, 143 000 kg Heu, 85 159 kg Getreide, 5558 kg Leinen. Für den Arbeitseinsatz wurden erfaßt: 240 Männer und 48 Frauen. Im Kampf wurden zerstört: 28 Erdbunker, 45 Lager mit Wohnbunkern und 26 unterirdische Stallungen, 4 Kampfanlagen, 1 Waffenmeisterei, 1 Schmiede und 1 Grossbäckerei. Die eigenen Verluste betrugen: 37 Tote, 108 Verwundete. Durch ein Jagdkommando wurde der Bandenführer, Leutnant Kosiakow, im Kampf erschossen. Bei ihm wurde schriftliches Material über die Tätigkeit der Bandengruppe gefunden und sichergestellt. In Idriza gelang es, den Bandennachrichtenleiter für das rückwärtige Gebiet der mittleren und nördlichen Front, Viktor Grekoff, im Kampf festzunehmen. Er befand sich auf einer Inspektionsfahrt und führte zahlreiche Agentenverpflichtungsscheine mit sich. Bandentätigkeit im Bereich des Befehlshabers dSPudSD Ukraine: Nachdem die Hauptmasse der Kolpak-Bande den Nordteil des Gen.Bez. Kiew verlassen hat und sich zwischen Pripjet und Rollbahn Korosten–Owrutsch–Mosyr in den unzugänglichen Waldgebieten festgesetzt hat, ist die Bewegung dieser Großbande vorerst abgeschlossen. Einzelteile der Bande befinden sich noch in der Nordspitze des Generalbezirks Kiew, wo sie sich in einzelnen Dörfern festgesetzt haben. Die ständigen Kämpfe haben bewirkt, daß die Bande entgegen ihren sonstigen Gewohnheiten nicht mehr geschlossen vorgeht und zeitweise als zersprengt angesehen worden konnte. Inzwischen hat sich mehr und mehr heraus-

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gestellt, daß die Bande nicht nur den eingesetzten Polizeikräften, sondern auch den Wehrmachtskräften waffenmäßig überlegen ist. 8 Wie inzwischen festgestellt wurde, handelt es sich bei der Bande, die im Raum Uman in einzelnen Gruppen in den Südteil des Generalbezirks Shitomir eingedrungen und von dort wieder in den Gen.Bez. Kiew übergewechselt ist, um eine vor Monaten im Brjansker Wald zusammengestellte Großbande. Diese Bande bewegte sich nach Rekrutierung aus der Einwohnerschaft des Gebietes Sumy nach Süden, setzte zwischen Krementschug und Tscherkassy über den Dnjepr, um auftragsgemäß das Gebiet Winniza zu erreichen. Nach Gefangenenaussagen hatte die Bande bei den wiederholten Kämpfen mit SS- und Polizeisowie Wehrmachtskräften und bei Luftangriffen weit über 50 % Ausfall. Die Führung der Bande hatte Anweisung, sich mit der Bande des Kalaschnikow im Raum um Monastyrischtsche zu vereinen und dann zur Kolpak-Bande zu stossen. Der Bandenführer Kalaschnikow ist inzwischen bei Überfall auf das Haus eines Schuma-Angehörigen gefallen. Die Reste der Bande bewegen sich teils durch den Gen.Bez. Kiew nach Norden; eine Gruppe unter Kapitän Naumow befindet sich etwa 40 km ostwärts Shitomir kurz vor Überschreiten der Rollbahn. Der Schwerpunkt der gesamten Bandentätigkeit hat sich eindeutig in den Nordteil des Gen.Bez. Shitomir verlagert. Z. Zt. ist die Rollbahn Korosten–Owrutsch–Mosyr infolge der unzureichenden eigenen Kräfte und der zunehmenden Bandentätigkeit ausserordentlich gefährdet. Der feindliche Flugzeugverkehr in diesem Gebiet hat eine starke Steigerung erfahren. So besagt z. B. eine V-Mann-Meldung, daß in einer von Banden besetzten Ortschaft mehrere Granatwerfer abgesetzt und die Banditen sogar mit Alkohol und Zigaretten versehen wurden. Im Südostteil des Gen.Bez. Shitomir sind die bis vor kurzem nur vereinzelt aufgetretenen kleinen Bandengruppen durch Zuzug einer Grossbande verstärkt worden. Teile der Grossbande befinden sich z. Zt. nördlich Gaissin. Desgleichen befindet sich im Raume südlich Schpola–Lipjanka, Kdr.-Bereich Kiew, eine mittelstarke Bande, die durch Überfälle zur eigenen Versorgung und auf Schuma-Posten in Erscheinung tritt. Im Nordteil des Gen.Bez. Wolhynien-Podolien sind keine Banden grösseren Ausmaßes aufgetreten. Dagegen werden aus dem Raum um Dubno–Kremenez südlich der Rollbahn Rowno zahlreiche Überfälle gemeldet. Es handelt sich hierbei jedoch nur um eine Bande von 200 bis 300 Mann, die offensichtlich durch übergelaufene Schuma-Angehörige verstärkt und vor allem bei den Überfällen geführt wird. Dieser Bande fielen an einem einzigen Tage 8 deutsche La-Führer zum Opfer. In der Nacht zum 27. 3. 1943 wurden in Gebiet Kowel von übergelaufenen Schutzmannschaften die Insassen des Gefängnisses und des Arbeitserziehungslagers des Gebietskommissars befreit. Gegen die Schutzmannschaftsangehörigen der umliegenden Gebiete wurden entsprechende Sicherungsmaßnahmen getroffen. Das Verhalten der Schutzmannschaften ist in erster Linie auf die propagandistische Tätigkeit der nationalukrainischen Banden zurückzuführen. Die Unzuverlässigkeit der Schutzmannschaften ist z. Zt. das Hauptgefahrenmoment. Es mehren sich von Tag zu Tag die Fälle, daß nicht nur Angehörige des Einzeldienstes, sondern geschlossene Einheiten unter Mitnahme von Waffen überlaufen. So ist in den letzten Tagen das Schuma-Batl. 108 nach Erschiessung eines Teiles des deutschen Aufsichtspersonals mit allen Waffen zu den Banden übergelaufen, desgleichen Teile des Batl. 104 im Raume ostwärts Stolin. Hauptgrund liegt in der ständig zunehmenden Feindpropaganda der nationalukrainischen Bewegung. Fehler liegen zweifellos auch bei den vielen Fällen ungeeigneten deutschen Aufsichtspersonals, das bis zum Tage der Meuterei bezw. des Überlau-

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fens über die zunehmende Unzufriedenheit nicht informiert war. Wie festgestellt werden konnte, sind an Überfällen, vor allem auf Gefängnisse und Erziehungslager, die übergelaufenen Schuma-Angehörigen führend beteiligt. Bei einem Unternehmen gegen die Kochtan-Bande im Grenzgebiet Kiew–Tschernigow, an dem auch Kräfte des Kommandeurs dSPudSD Kiew beteiligt waren, gelang es zwar nicht, die Hauptbande zu fassen. Der Feind hinterließ jedoch etwa 25 Tote; ausserdem wurden weit über 100 Bandenunterkünfte und eine der Bande als Unterkunft dienende Sowchose zerstört. Die Bandentätigkeit im Raume nördlich Tschernigow hält weiterhin an. Zahlreiche Ortschaften sind von Banden besetzt, so daß auch in diesem Gebiet von einer „Partisanenrepublik“ gesprochen werden kann. Der Einsatz von eigenen Kräften an der Bahnlinie Darniza–Neshin hat bewirkt, daß Anschläge in der Berichtszeit unterblieben. Kommunistische Bewegung in der Ukraine: Die Tätigkeit der illegalen KP hat allgemein eine Steigerung erfahren. In den Kommandeurbereichen Kiew, Nikolajew, Dnjepropetrowsk, Stalino und Simferopol konnten Aushebungen grösserer Gruppen der KP erfolgen. So wurde in Kagarlik, Kommandeurbereich Kiew, eine illegale KP-Organisation aufgedeckt und 135 Mitglieder festgenommen. Unter den Festgenommenen befanden sich mehrere Funktionäre und langjährige Mitglieder der Partei. Eine ähnliche Gruppe wurde in Borisi, Rayon Globijew, ausgehoben, wobei Waffen und Munition gefunden wurden. In der Hauptsache setzte sich die Gruppe aus Dorfbewohnern zusammen, die zur Sowjetzeit in Poltawa in einer Partisanenschule ausgebildet worden sind. Sie hatten den Auftrag, im gegebenen Moment gegen die Deutschen loszuschlagen. Die Aktion gegen eine KP-Gruppe in Dnjepropetrowsk, mit der im Juli 1942 begonnen wurde, ist zum Abschluss gekommen. Im Laufe der Ermittlungen wurden 85 Personen festgenommen, davon 43 sonderbehandelt, 6 dem Arbeitslager zugeführt, und 3 befinden sich noch in Haft. Der Rest wurde entlassen. Organisator dieser Gruppe war der sowjetische Oberst Wassili Iwanowitsch Staschkow, 2. 7. 07 in Marianowka geb., der angeblich auf persönliche Weisung Stalins den Auftrag erhielt, im Gebiet Dnjepropetrowsk die Partei illegal weiterzuführen. Die Rayonsekretäre wurden beim Rückzug von den Sowjets zurückgelassen. Das Ziel der Gruppe war, die Parteiorganisation aufzubauen sowie Propaganda in den Betrieben und innerhalb der Bevölkerung durch Verteilung von Flugblättern und Handzetteln zu betreiben. Zur Finanzierung der Arbeit hatte Staschkow vom Vorsitzenden des Rats der Volkskommissare der Ukraine 5700 Rbl., 200 Goldrubel und eine Anzahl goldener Ringe und Ketten bekommen. Die laufenden Geldsendungen sollten durch Kuriere erfolgen. In Kiew ist z. Zt. eine Grossaktion gegen eine illegale kommunistische Organisation im Gange, die sich „Stab zur Erhaltung kriegswichtiger Objekte in Kiew“ nennt und die Aufgabe hat, im Falle einer Räumung der Stadt die Zerstörung von Rüstungsbetrieben und sonstigen kriegswichtigen Objekten durch die Deutschen zu verhindern. Bisher wurden 97 Personen festgenommen. Ferner wurden in Kiew 24 Mitglieder einer Komsomol-Organisation festgenommen; die Gruppe befand sich im Aufbau und sollte beim weiteren Vorrücken der Roten Armee einen Aufstand durchführen. In Brest-Litowsk wurden 9 Personen wegen kommunistischer Betätigung festgenommen, darunter ein Arzt, der im Auffanglager Zersetzungspropaganda betrieben hat. In Simferopol wurden 7 und in Aluschta 16 Personen wegen kommunistischer Betätigung festgenommen. U. a. haben sie den Moskauer Sender abgehört und die sowjetischen Nachrichten weiterverbreitet. Ausserdem wurde in Simferopol ein Angestellter des früheren GUGB-Gefängnisses festgenommen, der an der Erschiessung von 150 kriegsgefangenen deutschen Soldaten beteiligt war.

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B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung in der Bevölkerung in Estland: Aus den vorliegenden Meldungen geht hervor, dass sich die Stimmung der Bevölkerung, vor allem unter der Einwirkung der deutschen Erfolge an den Fronten, gebessert hat. In Nordestland brachten mehrere einander folgende nächtliche Terrorangriffe der sowjetischen Luftwaffe auf Reval zeitweilig eine starke Beunruhigung mit sich. Im allgemeinen betrachtet man jedoch trotz der harten Abwehrkämpfe an der Nordfront die militärische Lage wesentlich zuversichtlicher als im Februar. Sehr stark ablenkend hat die zu Beginn des Monats März unter dem Zeichen des totalen Einsatzes begonnene Arbeitsmobilisation sechs jüngerer Jahrgänge gewirkt. Ihre Durchführung hat zum Teil sogar eine gereizte Stimmung geschaffen, da man infolge der Art und Weise, wie die Vorgeladenen gemustert werden, eine „verkappte Mobilisation“ erkennen und die Notwendigkeit zu einem solchen Verfahren nicht einsehen will. In den niederen Volksschichten wird darauf hingewiesen, dass die Notwendigkeit, die junge Mannschaft zum Einsatz heranzuziehen, schon lange als berechtigt anerkannt worden sei und dass auch eine unverhüllte Mobilisation ohne Widerspruch hingenommen worden wäre. Obstruktion gegen die Arbeitsverpflichtung geht vor allem von der Intelligenz aus, die nach wie vor an dem Gedanken der sogenannten „dritten Möglichkeit“ (Sieg der angelsächsischen Mächte, neutrales Fennoskandien) hängt. Auf ihren Einfluss sind auch solche Vorfälle zurückzuführen, wie z. B. die Flucht einzelner junger Leute nach Finnland. Ebenso kommen immer wieder Fälle vor, dass junge Leute in den Wald flüchten, in der Hoffnung, im Herbst von den Engländern wieder „befreit“ zu werden. Andererseits hat die Arbeitsmobilisation sehr belebend auf den Eintritt junger Leute in die Legion Estland gewirkt. Nachdem im letzten Jahr der Gedanke der Legion im Bewusstsein des Volkes immer mehr den Charakter eines estnischen Unternehmens verloren hatte, gab die Durchführung der Arbeitspflicht vielen jungen Leuten den Anstoss zum Eintritt in die Legion. Von den bisher zur Arbeitspflicht Erfaßten haben sich im Durchschnitt 15–18 % zur Legion Estland gemeldet. Gute propagandistische Auswirkungen hat eine Rede gehabt, die der inzwischen zur Legion Estland abgerückte Leiter der estnischen Abteilung der Sicherheitspolizei, Major Mere, vor der stark intellektuell zersetzten Dorpater Studentenschaft am 3. 3. 43 gehalten hat. 9 Major Mere griff besonders scharf die bereits in dem früheren Lagebericht erwähnte passive Resistenz der führenden estnischen Schichten, namentlich des Offizierskorps, an. Seine Rede hat ungewöhnlich grosses Aufsehen im ganzen Land erregt und ist naturgemäß sowohl von den Betroffenen, als auch von der akademischen Intelligenz im besonderen fast einmütig abgelehnt worden. Die in der gegnerischen Kritik gebrachten Argumente sind rein intellektueller Natur, wobei tunlichst ein Eingehen darauf, dass die führende Schicht durch ihre Haltung dem Volke ein Vorbild zu geben habe, vermieden wird. Andererseits zeigt eine grosse Zahl von mündlichen und schriftlichen Sympathiekundgebungen, besonders aus den Kreisen estnischer Frontfreiwilliger, dass mit dieser Rede erstmalig estnischerseits ein Ton getroffen worden ist, der von den breiteren Schichten als gesund und wirklichkeitsnah empfunden wird. Die Aufnahme der Rede Meres kann als Zeichen dafür gedeutet werden, dass im inneren Leben des estnischen Volkes eine Scheidung der Geister einsetzt, wobei ein grosser Teil der Intelligenz sich offenbar dafür entschieden hat, sich von der künftigen Ordnung der Dinge und damit auch gleichzeitig von der sich anbahnenden inneren Entwicklung im eigenen Volke auszuschließen. In der allgemeinen Propaganda für die Legion hat sich günstig ausgewirkt, dass im ver-

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gangenen Monat erstmalig Aufnahmen aus dem internen Leben der Legion, von ihrer Ausbildung usw. an die Öffentlichkeit gebracht werden konnten. Ebenso lief im Rahmen einer Wochenschau eine Szene von der Vereidigung estnischer Legionäre auf ihrem Truppenübungsplatz, die sichtlich beim Publikum Anklang fand. Andererseits hat die Durchführung der Arbeitsmobilisation insoweit nachteilig gewirkt, als von einem dadurch zugunsten der Legion ausgeübten Zwang gesprochen wird. Überhaupt ist Ende März die Gegenpropaganda gegen die Legion Estland wieder stärker geworden, wobei vor allem Gerüchte, die Legion würde bei ihrem bald bevorstehenden Einsatz weitab von Estland (am Kuban, in Afrika, an der türkischen Grenze usw.) eingesetzt, ausgestreut werden. Als unliebsame Überraschung ist auch die schnelle Aufstellung der Legion Lettland in estnischen Kreisen aufgenommen worden, wobei man besonderen Anstoss daran nimmt, dass im Gegensatz zu allen bei der Werbung in Estland verwandten Argumenten die Vereidigung der lettischen Legionäre in Riga selbst vorgenommen worden ist, dass dort von vornherein lettische Offiziere mit der Führung beauftragt wurden usw. In einzelnen Fällen wird verbittert geäussert, dass die Letten, zu denen ein alter überlieferter Gegensatz besteht, wohl dank ihres schmeichlerischen Wesens und ihrer geschickteren Diplomatie zu Erfolgen gekommen seien, die den Esten dank ihrer aufrichtigeren Einstellung zur deutschen Führung und ihrer vorbehaltloseren Erfüllung deutscher Forderungen versagt geblieben sei. An Einflüssen auswärtiger Gegnerpropaganda ist vor allem der Finnlandsender zu erwähnen, der sich in seinen Sendungen besonders mit der Möglichkeit des Eintrittes der Türkei in den Krieg beschäftigt hat. Eine Mitte vorigen Monats erfolgte Sendung, die behauptete, dass in der Türkei bereits englische Strassenbezeichnungen angebracht würden, hat viel Anlass dazu gegeben, die Vermutungen über sich verstärkende Beziehungen zwischen der Türkei und England zu fördern. Ausserordentliches Aufsehen hat erregt, dass der Finnlandsender seit dem 31. 3. seine Sendungen in estnischer Sprache eingestellt hat. In deutschfreundlichen Kreisen sieht man dies als ein Zeichen dafür an, dass die in letzter Zeit angeblich schlechten Beziehungen zwischen Finnland und Deutschland sich wesentlich gebessert hätten. Intelligenzkreise wiederum erklären, Deutschland habe diese Maßnahme bei der finnischen Regierung durchsetzen müssen, da ihm sonst seine Stellung in Estland „in Gefahr geraten“ wäre. Eine starke Verärgerung herrscht in der Bevölkerung zur Zeit über die laufenden Kontrollen zur Bekämpfung des Schleichhandels. Den Meldungen zufolge wird der estnischen Verwaltung seitens der Landbevölkerung mangelnde Umsicht vorgeworfen. Ihrer Politik sei es zu verdanken, dass wie im vergangenen Jahr nun gerade die Bauern, die ihre Pflichten schlecht erfüllt hätten, Vergünstigungen erhielten. Dadurch würden sie von den amtlichen Stellen selbst zur Spekulation verleitet. Es wird dabei auf gewisse erst jetzt vorgenommene Erleichterungen in der Ablieferung hingewiesen, wie z. B. die Möglichkeit, Brotgetreidelieferungen durch Lieferungen von Futtergetreide oder Getreidelieferungen durch Kartoffellieferungen zu ersetzen. Wirtschaftliche Lage im Heeresgebiet Mitte: Ernährungslage: Den Meldungen der letzten Wochen zufolge hat durch die Evakuierung und die bedingte Aufgabe verschiedener Gebiete ein Flüchtlingsstrom eingesetzt, der für die Lebensmittelversorgung eine erhebliche Verschärfung mit sich brachte. Darüber hinaus wirkt sich der Verlust von Lebensmittellagern durch Banden und die zusätzliche Abgabe an die militärischen Stellen erschwerend aus. So wird u. a. aus Mogilew und Borissow berichtet, dass durch die Unterbringung von 50 000 Flüchtlingen in Bobruisk in nächster Zeit von einer gesicherten Versorgungslage

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nicht mehr gesprochen werden kann. Aus Truppenbereichen, die nicht ausschließlich von bäuerlicher Bevölkerung bewohnt sind, werden Todesfälle infolge Hungers gemeldet. Aus anderen Gebieten wird bekannt, dass die erhöhten Mehlpreise und die Versorgungsschwierigkeiten zu einer teilweisen Stillegung der Brotfabriken geführt haben. […] C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR Erstmalig werden jetzt auch von offizieller sowjetischer Seite Zahlenangaben über die englisch-amerikanischen Lieferungen gemacht. Danach sollen innerhalb von 12 Monaten 4084 Tanks und 3052 Flugzeuge geliefert worden sein.10 Diese Zahlen bleiben wesentlich hinter den Angaben des englischen Marineministers Alexander zurück. Der Leningrader Rundfunk hebt die besondere Qualität der Lieferungen hervor. Zur Verstärkung der Kriegsanstrengungen findet z. Zt. auf allen Gebieten eine erhöhte Propaganda statt. In einem Aufruf vom 28. 3. bezeichnet Kalinin den patriotischen Krieg als das einzige Hauptziel des ganzen sowjetischen Volkes. Dem „totalen Krieg“ des deutschen Imperialismus, der nichts weiter als ein Morden der faschistischen Banden in Europa sei, stellt Kalinin den „vaterländischen Krieg“ der Sowjets gegenüber. Die Rote Armee kämpfe, um den sowjetischen Staat zu verteidigen. Grundlage der Innen- als auch der Aussenpolitik der Sowjets sei der Entschluss, sich auf die Kriegsanstrengungen zu konzentrieren. Besondere Bedeutung mißt Kalinin in seinem Aufruf den Partisanen bei, deren Tätigkeit er als Sinnbild vaterländischen Widerstandes verherrlicht. In den Kommentaren zum Kalinin-Artikel wird betont, daß dieser Artikel zu einem Zeitpunkt erschienen sei, an dem die Verbündeten der Sowjetunion besonders den Nachkriegsproblemen ihre Aufmerksamkeit widmen. Kalinin habe aber klar zum Ausdruck gebracht, daß der Politik der Erringung des Endsieges grössere Bedeutung beizumessen sei als einer vorzeitigen Lösung von Nachkriegsproblemen. Wie aus Moskau berichtet wird, richtete Stalin an die sowjetischen Bauern und Arbeiter einen Aufruf, mit äusserster Kraftanstrengung die Produktion zu erhöhen. Die Bauern werden aufgefordert, mehr und mehr landwirtschaftliche Produkte zu erzeugen, um die Bedürfnisse der Armee und der Stadtbevölkerung befriedigen zu können. Zu den Leistungen der Industrie im ersten Viertel des Jahres 1943 heißt es, daß zwar besser gearbeitet worden sei als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, jedoch noch grosse Schwierigkeiten zu verzeichnen seien. In der Metallurgie seien Rückstände, ebenso gebe es Schwierigkeiten beim Eisenbahntransport. Vor allem aber müsse auf eine gute Qualität geachtet werden; dabei wird angedeutet, daß durch die schlechte Qualität der Produktion dem Staate und der Verteidigung des Landes grosser Schaden zugefügt worden sei. Zur Erfüllung der Aufgaben sei es erforderlich, alle zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte und Reserven zu mobilisieren. Zu den wichtigsten Fragen der Kriegsführung der Sowjetunion gehört das Transportproblem. Für den Wiederaufbau des Eisenbahnsystems an der Zentral- und Südfront sowie für einen weitgehenden Ausbau des Verkehrsnetzes sind aus der regulären Armee Spezialisten herausgezogen worden, deren Zahl auf rd. eine Million geschätzt wird. Vorliegende Meldungen lassen aber erkennen, daß trotz des großzügigen Ausbaues des Eisenbahnverkehrswesens noch erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden sind; selbst bei Verladungen für die Rote Armee ist es wiederholt zu Unterbrechungen gekommen. Da viele Eisenbahnlinien noch nicht wieder hergestellt sind und der Rest überlastet ist, kommt der Schiffahrt auf den Fluß- und Kanalsystemen eine besondere Bedeutung zu. Von zuständiger sowjetischer Seite wird betont, daß die Aufgaben für die Schiffahrt im Jahre 1943 noch

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grösser als bisher seien. Die Verhältnisse seien keineswegs befriedigend, da nur 25 % der Schiffe in vollkommen tadellosem Zustande seien; die Instandsetzung der restlichen 75 % müsse daher sofort in Angriff genommen werden. Unter dem bereits wiederholt gemeldeten Kohlen- und Masutmangel [sic], der auf die bestehenden Transportschwierigkeiten zurückzuführen sein dürfte, leidet auch die Energieversorgung. Ungenügende Kohlenzuteilungen für elektrische Kraftwerke haben wiederholt zu mangelhafter Ausnutzung vorhandener Maschinen und zu Arbeitsunterbrechungen geführt. Die Mißstände bei sowjetischen Elektrostationen werden offen kritisiert. Es sei ein Verbrechen, daß entgegen den Anordnungen der Behörden verschiedene Energiezentralen mit einer äußerst niedrigen Kapazität arbeiten. Die Hauptverantwortung für die Mißstände. trage das Volkskommissariat für Elektrostationen selbst, dessen Säumigkeit und Unbeweglichkeit überrasche. Nach Mitteilungen aus Moskau muss die Sowjetunion für den Wiederaufbau der Fabriken anstelle von Stahl Holz verwenden. Mit Abholzungen grösseren Ausmaßes sei bereits in den Gebieten von Woronesh, Kursk, Krasnodar und im Kaukasus begonnen worden. BAB, R 58/224 1 Vgl. Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 901, 905; Einstellungsverfügung Staw Lübeck v. 24. 3. 1972, BAL, B 162/28393. An der ZSL wurden zu „Winterzauber“ in den 1970er Jahren justitielle Ermittlungen eingeleitet, die von den Staw Osnabrück u. Lübeck weitergeführt, dann aber ohne Anklageerhebung eingestellt wurden, vgl. BAL, B 162/28393, 28 394. 2 Die Schaffung großflächiger „toter Zonen“ entwickelte sich seit Anfang 1943 zu einer der wesentlichen deutschen Strategien gegen die weiter anwachsende sowjetische Partisanenbewegung; vgl. Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 1010–1036; Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 260–270. 3 Kontrastierend zu den genannten Zahlen legt die Berichterstattung des KdS Lettland nahe, daß bei diesem Unternehmen annähernd 2600 Personen erschossen wurden. Die relativ dichte Quellenüberlieferung dazu verdeutlicht die weitgehenden Geheimhaltungsbemühungen: Eingesetzte Kräfte firmierten unter Decknamen u. Spuren, die auf die begangenen Verbrechen hinwiesen, sollten möglichst beseitigt werden. So richtete „Gruppe Berta“ folgende Anweisung an die vier eingesetzten Schuma-Batl.: „Notwendige Exekutionen sind möglichst dem SD zu überlassen, damit die Erschiessungen so erfolgen, dass keine Spuren zurückbleiben. Falls Erschiessungen durch Truppe notwendig, weil SD nicht in nächster Nähe ist, muss Exekution in Häusern erfolgen. Die Leichen sind mit Stroh oder Heu zu bedecken und in Häusern zu verbrennen.“, vgl. „Gruppe Berta“ an Schuma-Batl. 276–279 v. 18. 2. 1943, BAL, B 162/5385. 4 Vgl. Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 901, 905. 5 Vgl. Hesse: Der sowjetrussische Partisanenkrieg, S. 280. 6 Positive Ergebnisse des Unternehmens „Klette II“ werden angedeutet in HGr. Mitte/Ia: Monatsmeldung zur Bandenlage v. 6. 2. 1943, BAL, B 162/766; vgl. Bfh. Sicherungstruppen Mitte an Oberkdo. HGr. Mitte v. 2. 2. 1943, ebd. 7 Vgl. Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 901, 905. 8 Die Darstellung unterscheidet sich deutlich von früheren Erfolgsmeldungen gegen die Kolpak-Partisanen. Zur Bekämpfung dieser Einheit wurden im Frühsommer 1943 u. a. die SS-Kav.div. sowie die zur Kampfgruppe Bierkamp umgegliederte EG D in die Region verlegt, um Kolpak mittels groß angelegter Einsätze zu bekämpfen u. in der erwähnten Region des sogenannten Nassen Dreiecks sowie des westlich daran anschließenden Gebietes im Rahmen der Unternehmen „Weichsel“, „Ziethen“ u. „Seydlitz“ eine weitere, umfangreiche „tote Zone“ zu schaffen; vgl. Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 261–270; Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 689–710. 9 Ain Mere firmierte 1941–1943 als Leiter der estnischen Sicherheitspolizei. Im Anschluß an die Verwendung bei der estnischen Waffen-SS gelang ihm die Flucht nach England. Ein sowjetisches Auslieferungsersuchen wurde abgelehnt. In den frühen 1960er Jahren wurde in Meres Abwesenheit in Tallin ein Prozeß gegen ihn geführt; vgl. Birn: Die Sicherheitspolizei in Estland 1941–1944, S. 32 ff., 231 ff., 247 ff. 10 Grundlage der amerikanischen Waffenlieferungen war das Leih- u. Pachtgesetz v. 18. 2. 1941. Auf dessen Grundlage lieferten die USA im Verlauf des Krieges etwa 400 000 Fahrzeuge, 14 000 Jagdflugzeu-

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ge u. Bomber, 7000 Panzer u. 13 000 Lokomotiven u. Waggons; vgl. Wolfgang Schlauch: Rüstungshilfe der USA 1939–1945, Koblenz 1985; Hans-Joachim Mau/Hans Heiri Stapfer: Unter rotem Stern – Lend-Lease-Flugzeuge für die Sowjetunion 1941–1945, Berlin 1991.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 16. IV. 1943 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 50 […] A. Gegner und Exekutivfragen Litauische Widerstandsbewegung: Etwa seit Oktober 1942 erscheinen in Litauen periodisch einige illegale Zeitungen. In ihrer Einstellung sind sie zumeist nationallitauisch oder demokratisch gehalten. Es sind dies vor allem: 1. „Zur Freiheit“, 2. „Der Freiheitskämpfer“ ([beide] nationallitauisch), 3. „Unabhängiges Litauen“, 4. „Das Wort des Volkes“ ([beide] demokratisch). Ihre Verfasser behaupten, daß die legalen litauischen Zeitungen ausschliesslich mit deutschem Provokations- und Hetzmaterial angefüllt seien und das litauische Volk auf diese Weise die Wahrheit nicht erfahren könne. Die geschaffene illegale Presse habe sich daher die Aufgabe gestellt, das Volk wahrheitsgetreu zu unterrichten und es über die wahren Ziele und Absichten der deutschen „Okkupanten“ aufzuklären. Die politische Ausrichtung der Zeitungen ist eine durchaus uneinheitliche. Jede politische Gruppe versucht, die andere von der Richtigkeit ihrer Ansichten zu überzeugen. Insbesondere die demokratische Presse weist darauf hin, nur ihre Erzeugnisse mögen gelesen und vervielfältigt werden. Einigkeit besteht nur insofern bei allen illegalen Zeitungen, als sie für eine völlige Unabhängigkeit des litauischen Staates eintreten. Die Ausgaben der meisten Zeitungen werden vorwiegend im Abzugsverfahren in mangelhafter Aufmachung und in mäßiger Auflage hergestellt und offenbar zentral von Kauen oder Wilna in die Provinz gebracht. Innerhalb der Landkreise haben die Vertrauensmänner die Aufgabe, die ihnen übergebenen Exemplare an zuverlässige Personen weiterzuleiten und womöglich deren Weitergabe und Vervielfältigung zu veranlassen. Durch dieses Verfahren konnte eine schnelle Verbreitung der Zeitung im ganzen Lande erzielt werden. Den Besonderheiten der politischen Lage angepaßt, sind verschiedentlich auch Sonderausgaben zur Verteilung gekommen. Nach z. T. noch unüberprüften Nachrichten ist in mehreren Kreisen Litauens eine Organisation, die sich Verband litauischer Freiheitskämpfer nennt, im Entstehen. Diese Organisation sucht zuverlässige, militärisch ausgebildete ehemalige Angehörige des litauischen Schützenverbandes zu erfassen. Bei der Werbung wird in vorsichtiger Form erklärt, daß bei der ungewissen Frontlage mit einem deutschen Sieg nicht sicher zu rechnen sei. Für den Fall, daß sich die Deutschen von der Nordfront zurückziehen müssten, sei mit dem Auftreten sowjetischer Einheiten, besonders von Banden, auf litauischem Gebiet zu rechnen. Deshalb müssten sich die militärisch ausgebildeten litauischen Männer mit ihren Waffen bereithalten und den Feind zurückschlagen. Es wird auch angedeutet, daß man sich, falls die Deutschen das Land nicht freiwillig räumen werden, gegen diese wenden müsse. Den angeworbenen Mitgliedern wird nahegelegt, sich mit Schusswaffen zu versehen. Der litauische Unabhängigkeitstag am 16. 2. 43 verlief ruhig.1 Die Abteilung Kauen des Verbandes der Freiheitskämpfer hatte durch illegalen Aufruf folgendes Programm auf-

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gestellt, das von der Bevölkerung beachtet wurde: 1. Um 7 Uhr früh werden die Nationalflaggen gehisst. 2. Vormittags findet in allen Kirchen Gottesdienst für die Freiheit Litauens und die Einigkeit des litauischen Volkes statt. 3. Um 4 Uhr nachmittags erfolgen Versammlungen im Garten des Kriegsmuseums unter Absingen der Nationalhymne und des Marialiedes. 4. Nach dieser Feierlichkeit werden auf dem Friedhof die um die Freiheit Litauens Gefallenen geehrt. Auf dem Hauptfriedhof wurde von Unbekannten ein Kranz niedergelegt, dessen Schleife mit den Worten „Den Gefallenen für die Freiheit. Litauischer Freiheitskämpferverband“ beschriftet war. Den Aufruf des Reichskommissars Lohse an die Litauer, zu den Waffen zu eilen und sich in die deutsche Wehrmacht einzureihen, beantwortete der litauische Freiheitskämpferverband mit folgendem Flugblatt, das in Wilna erfaßt wurde: „Extra Ausgabe. Männer Litauens! Dieser Tage hat die deutsche Okkupationsverwaltung viele Tausende Mobilisierungsvordrucke hergestellt, welche dazu vorgesehen sind, den Männern Litauens von verschiedenem Alter auszuhändigen mit dem Ziel, sie unter dem Decknamen der Selbstschutzabteilungen beim deutschen Militär einzuziehen. Wir protestieren dagegen strengstens. Keine Okkupationsverwaltung hat das Recht, Bürger der besetzten Gebiete zu mobilisieren. Auch so kämpfen schon etwa 10 000 Litauer gegen den Litauer und vergiessen ihr Blut für nichtgeklärte Ziele, denn nirgends sehen wir einen Hoffnungsstrahl, daß uns auch für diese Mitarbeiter eine entsprechende Vergeltung zuteil werden sollte. Alle, die diese Stellungsbefehle schon erhielten oder erhalten werden, dürften zum Wohle des Vaterlandes diesen angeblichen Mobilisationsbefehlen keine Folge leisten. Wir müssen uns ruhig verhalten und keine Ausschreitungen herbeiführen, jedoch diesen neuen Betrug streng boykottieren. Wenn sie wollen, so sollen sie jeden einzelnen mit Gewalt holen. Nur die Dummen und Litauens Verräter könnten in dieser Zeit für die Okkupanten ihr Blut vergiessen gehen. Wir werden einer wie alle den Mobilisationsplänen beipflichten, wenn dies durch die Regierung des unabhängigen Litauens zur Wehr ihrer Grenzen durchgeführt wird. Die Tage des unabhängigen Litauens nähern sich. Organisation der litauischen Freiheitskämpfer“. Widerstandsorganisation in Klinzy: Seit dem Frühjahr 1942 hatten sich in Klinzy – Bereich der Einsatzgruppe B – 9 ehemalige Rotarmisten, darunter ein Hauptmann und 2 Leutnants, zu einer Widerstandsorganisation unter Führung des Kapitäns der Roten Armee Kowalenko zusammengeschlossen und ein Komitee des Widerstandes gegründet. Dieses Komitee hatte sich zur Aufgabe gestellt, 1. die agitatorische Beeinflussung der Bevölkerung im bolschewistischen Sinne vorzunehmen, 2. die Gründung von Störtrupps in den Betrieben und Anwerbung von jungen Männern, die im Falle der Rückkehr der Roten Armee, in Banden zusammengeschlossen, die deutsche Front im Rücken beunruhigen sollten. Die Mitglieder waren gut getarnt in einzelnen Betrieben oder als selbständige Handwerker tätig. Kowalenko selbst war als Leiter des Quartieramtes in Klinzy ständig über Truppenbelegung des Standortes orientiert. Ausser ihm war noch ein weiteres Mitglied, der Ingenieur Wassili Schelesnjakow, im Quartieramt der Stadtverwaltung beschäftigt. Bis Januar 1943 beschränkte sich die Tätigkeit des Komitees lediglich auf die Durchführung einer regen Propaganda und die Werbung von Mitgliedern. Als solche wurden u. a. festgestellt: Die Sekretärin des OD-Leiters der Abteilung I als Verbindungsperson, ein Sportlehrer in einer Schule in Klinzy sowie ein Rangiermeister und ein Eisenbahnarbeiter vom Bahnhof Klinzy. Nunmehr begannen die Angehörigen des Komitees unter Führung eines Litwinow, da Kowalenko nicht als energisch genug galt, aktiver zu werden und mit weiteren Personen

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Verbindung aufzunehmen. Etwa Mitte Januar 1943 machten sich 2 weibliche Mitglieder, darunter die Sekretärin des OD-Leiters, an den OD-Mann Permen heran und brachten ihn mit den Führern des Komitees zusammen. Er wurde überredet, unter den OD-Männern solche zu werben, die bereit waren, zu den Banditen überzugehen. Permen hat daraufhin 5 seiner besten Freunde in die Sache des Komitees eingeweiht. Gleichzeitig versuchten 3 andere Mitglieder, mit den Kriegsgefangenen des Arbeitslagers am Bahnhof Klinzy in Verbindung zu treten. Es gelang ihnen, 9 Kriegsgefangene zur Flucht zu überreden. Im Februar 1943 war geplant, mit diesen 9 Kriegsgefangenen den OD-Leuten und einigen Mitgliedern bezw. Helfern des Komitees zu einer Banditengruppe überzulaufen. Durch Einbau von V-Personen in verschiedenen Ämtern der Stadtverwaltung war die Sicherheitspolizei und SD über die Tätigkeit der Widerstandsorganisation ständig informiert, so daß es durch überraschenden Zugriff gelang, sämtliche Beteiligten festzunehmen. Von den 45 Festgenommenen wurden 29 sonderbehandelt, 12 entlassen und 4 der Ortskommandantur zur Bestrafung übergeben. Es gelang hierbei, den Entwurf eines Schreibens zu erfassen, mit dem das Komitee mit einer grösseren Bandengruppe Verbindung aufnehmen wollte. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut: „Das Komitee Kampf gegen den Faschismus. An den Kommandanten des Stabes der Partisanenabteilungen. Seit 7 Monaten besteht in einer Stadt, die von den Faschisten besetzt ist, eine führende Gruppe, die unter Führung der Arbeiterorganisationen der verschiedenen Industrieunternehmungen steht. Die Gruppe hat sich folgendes Endziel gestellt: 1. Die Partisanenabteilungen zu unterstützen. 2. Die Vernichtung der deutschen Versorgungspunkte. 3. Störungsoperationen in sämtlichen Zweigen der Industrie und des Handels. 4. Politische Aufklärungsarbeit unter den Volksmassen. 5. Mit Unterstützung von Partisanenabteilungen Überfälle auf einzelne Feindgruppen zu unternehmen. All die oben angeführten Entschlüsse können von uns nicht ausgeführt werden, solange uns die Verbindung zu Partisanenabteilungen fehlt. In Anbetracht dessen hat das Komitee folgendes beschlossen: a) Der Vizepräsident des Komitees, Leutnant Polischajew (Deckname: Podborowa), ist beauftragt, eine Abteilung zu organisieren, die die Verbindung mit einem Partisanenstab aufrechterhält. Im äussersten Falle mit einer selbständig tätigen Partisanenabteilung. b) Freiwillige den Partisanenabteilungen zuzuführen. Das Komitee bittet: 1. Um Erteilung genauer Richtlinien für die Arbeitsweise des Komitees. 2. Um Zusendung von Waffen, die leicht zu verbergen sind, wie Pistolen und Maschinenpistolen. 3. Um Zurücksendung von 3 Männern aus dem abgesandten Trupp und zwar: Polischajew und Chemaldin (der dritte Mann ist nicht erwähnt). Die volle Verantwortung wird dem Vizepräsidenten des Komitees, T. Polischajew, übertragen. Im Falle, dass er aus der Abteilung ausscheidet, übernimmt Leutnant Tatschenko (Schulgin) den geheimen Auftrag des Komitees. Der Präsident des Komitees, gez. Grosniy (Litwinow), Sekretär, Unterschrift fehlt.“ Fallschirmspringer, Saboteure: Die vor längerer Zeit im Raume nördlich Merefa und bei Isjum abgesetzten Fallschirmspringergruppen konnten entdeckt und vernichtet werden. In der Nacht zum 16. 3. wurden im Sumpf Endla, Gemeinde Weimastver, Krs. Dorpat, mehrere Fallschirmspringer abgesetzt, die bisher unauffindbar blieben. 2 zufällig vorbeikommende Landwirte wurden von ihnen erschossen. Am Landeort konnten 8 Fallschirme, 6 Paar Skier, ein Lebensmittelsack und eine grössere Menge Sprengstoff sichergestellt werden. Am 23. 2. 43 gelang es, eine mit Ausspähaufträgen beauftragte Fallschirmspringerin festzunehmen, die vorher eine gründliche Funkausbildung erhalten hatte. In ihrem

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Besitz befanden sich ein Funkgerät, eine Taschenlampe, eine Uhr, Verpflegung für 20 Tage, eine Karte von Reval und Umgebung und verschiedene gefälschte Dokumente. 2 in Zivilkleidung und mit falschen Ausweisen nach einem Bombenangriff auf die Stadt Narwa abgesetzte Fallschirmspringer wurden in der Gemeinde Soldina bei einem Feuergefecht getötet. Sie waren mit einem Sendegerät, einem automatischen Gewehr und Lebensmitteln für mehrere Tage ausgerüstet. Die in der Nacht zum 24. 2. von Leningrad aus mit einem Spionageauftrag für Narwa zum Einsatz gelangten beiden Fallschirmspringer konnten am 26. 2. in der Nähe von Narwa festgenommen werden. Zu ihrer Ausrüstung gehörte ebenfalls ein Funkgerät. Von einem Flugplatz südöstlich von Leningrad wurden in Lettland 6 bis 12 Fallschirmspringer abgesetzt. 2 von ihnen, die sich anfänglich als sowjetrussische Kriegsgefangene ausgegeben hatten, wurden festgenommen. Sie hatten eine Ausbildung zur Ausführung von Sprengund Sabotageakten erhalten. Auf der Eisenbahnstrecke Rosenow–Ludsen wurde durch eine Sabotagehandlung eine 50 m lange Brücke zerstört. Von einer Sprengung wurde auf der Bahnstrecke Wilna–Minsk, kurz vor der Station Biala, ein Lazarettzug betroffen. Menschenverluste entstanden nicht; dagegen wurden die Lokomotive und 4 Wagen von den Schienen geworfen. Unbekannte Täter sprengten zwischen Ignalino und Logonai die Bahnstrecke Wilna–Dünaburg. Der Verkehr wird eingleisig aufrechterhalten. Wegen Verdachts des Sprengstoffanschlages auf das Passamt Witebsk wurde die ehemalige Leiterin desselben festgenommen. Sie hatte ausserdem abgelaufene Pässe und kleine Verkehrsscheine an einen ebenfalls festgenommenen Bandenspion ausgehändigt. In Ternowka wurden 12 Personen einer Sabotagegruppe festgenommen, die sich hauptsächlich mit dem Abbrennen von Getreideschobern befaßt hatten. Mehrere Tataren, die Naphtaund Getreidelager in Brand gesetzt hatten, konnten in Ischli, Kommandeurbereich Simferopol, dingfest gemacht werden. Ein Lokomotivführer und ein Heizer wurden im Bahnbetriebswerk Ljubosin (Charkow-Land) öffentlich erhängt, weil sie während ihres Dienstes unter Einwirkung von Alkohol die ordnungsgemäße Wartung einer Lokomotive verabsäumten, so daß im Führerhäuschen ein Brand ausbrach und eine Kesselexplosion unmittelbar bevorstand. Vermutlich infolge Fahrlässigkeit bei der Verladung flogen bei Osnowa 3 Züge mit Flakmunition in die Luft. 25 Waggons konnten durch das Eingreifen eines ukrainischen Lokomotivführers aus dem Gefahrenbereich entfernt werden. 2 deutsche Soldaten und 23 sowjetrussische Kriegsgefangene, die an der Verladung beteiligt waren, fanden den Tod. Grössere Zugverspätungen entstanden durch die Sabotagehandlung zweier Ukrainer, die jetzt überführt und festgenommen werden konnten. Sie hatten in Luboml, Kdr.-Bereich Rowno, von mehreren abgestellten Eisenbahnwagen die Bremsschläuche abgeschnitten. Bisher unbekannte Täter, wahrscheinlich ukrainische Streckenarbeiter, brachten durch Sabotage auf der Strecke Kiew–Korosten einen Güterzug zur Entgleisung. 16 Waggons wurden zertrümmert. In Kiew wurde eine Sabotageorganisation aufgerollt und hierbei 15 Personen festgenommen, die beabsichtigt hatten, den deutschen Rückzug durch Terrormaßnahmen zu stören. Am 5. 2. erfolgte die Festnahme des in der Südwerft in Nikolajew beschäftigten Ingenieurs Viktor Kornjew, der unter dem Decknamen „Major Kent“ seit langem bekannt war und gesucht wurde. Kent bemühte sich in letzter Zeit um die Beschaffung von Bazillenkulturen, die er zur Viehverseuchung benötigte. Es wurde festgestellt, daß er folgende Sabotageakte in Nikolajew inszeniert bezw. ausgeführt hat: 1. Zerstörung der Flughallen auf dem Flugplatz Nord im März 1942, 2. Vernichtung eines Reifenlagers mit ca. 4000 Gummi-

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reifen im Febr. 42, 3. Explosion auf dem Dampfer „Lola“ in der Südwerft im Juli 1942, 4. Anschlag auf das Benzinlager im Hafengebiet von Nikolajew im Okt. 1942, 5. Anschlag auf die Elektrostation der Südwerft. Die Ermittlungen führten zur Festnahme weiterer Angehöriger dieser Sabotagegruppe und zur Beschlagnahme eines deutschen Funkgerätes, eines Radiogerätes und zahlreicher Radiozubehörteile. Bei einem versuchten Rayonkassenraub in Kiew wurde der Bandit Dimitrij Iwanowitsch Semenow erschossen. Er war unter dem Decknamen „Sobolew“ vom NKWD mit dem Auftrag in Kiew zurückgelassen worden, aktive terroristische Arbeit zu organisieren und durchzuführen. Nach Aussage eines festgenommenen Banditen hatte Semenow die Absicht, eine als Koffergrammophon getarnte Sprengladung bezw. eine Aktentasche, gefüllt mit Handgranaten, während einer Opernvorstellung zur Explosion zu bringen und ähnliche Anschläge auf Unterkünfte Deutscher durchzuführen. B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung in der Bevölkerung Weißrutheniens: Die letzten vorliegenden Meldungen aus Weißruthenien kennzeichnen Haltung und Stimmung in der Bevölkerung als etwas aufgeschlossener. In der Bevölkerung ist insbesondere nach der Stabilisierung der Südfront eine gewisse Entspannung und Beruhigung unverkennbar. Die intensive, gewandte und der deutschen Propaganda weitaus überlegene sowjetische Flugblatt- und Flüsterpropaganda hatte es während der Zurücknahme der deutschen Front im Süden und zusammen mit der anhaltenden Bandenbewegung, die gerade durch die Frontereignisse im Süden einen außerordentlichen Aufschwung erhielt, vermochte einen Tiefstand in der Haltung und Stimmung der Bevölkerung zu schaffen. Diese in den letzten Wochen außerordentlich starke Belastung der Haltung und Stimmung der Bevölkerung hat zu einer gewissen Klarstellung der Fronten innerhalb der einheimischen Bevölkerung geführt. Es haben sich hierbei grob skizziert 3 Gruppen herausgeschält. Zunächst die relativ kleine Gruppe der offenen, zum Teil fanatischen Anhänger des bolschewistischen Systems. Ihre Mitläufer sind am zahlreichsten in Städten (Minsk), vornehmlich der altbolschewistischen Gebiete, zu finden. Diese Gruppe steht in Verbindung mit den Banden, begünstigt sie und ist der eigentliche Träger einer einträglichen, erfolgreichen bolschewistischen Flüsterpropaganda. Ihr zeitbedingtes Ziel sieht sie im Einmarsch der Roten Armee. Von größtem Interesse für die politische Führung und die deutsche Propaganda ist die Haltung des weitaus größten Teiles der Bevölkerung, der „zwischen links und rechts“ steht. Es sind dies Kreise, die nach dem deutschen Einmarsch offen ihre Sympathiegefühle zeigten, aber unter dem Druck der Ereignisse dann abschwenkten und zuletzt zwischen politischer Antipathie, Nationalismus und sowjetfreundlichen Erwägungen hin und her schwankten. Von seiten dieser Kreise wurden Äußerungen laut, daß ein Leben unter den Sowjets doch noch einer deutschen Fremdherrschaft vorzuziehen sei. Dieses Liebäugeln mit dem Bolschewismus war eine dem deutschen Beobachter unverständliche stimmungsmäßige Erscheinung, die allmählich umsomehr zu Tage trat, als die allgemeinen Belastungen des Krieges die Zivilbevölkerung zu spüren bekam. Unter dem Eindruck des vermeintlichen Zusammenbruchs der deutschen Ostfront hat sich aber dann ein Stimmungsumschwung vollzogen, als nach den ersten Anzeichen die Mehrzahl dieser Bevölkerungskreise erkannt zu haben scheint, daß ein Leben unter deutschem Schutz der Rückkehr unter die Sowjetherrschaft trotz aller Versprechungen vorzuziehen sei. Das bedeutet, daß diese Bevölkerungskreise der Ordnungsmacht Deutschland das Vertrauen zu schenken und sich innerlich vom Sowjetregime abzukehren bereit sind, wenn die von deutscher Seite ge-

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gebenen Versprechungen mannigfacher Art eingelöst werden. Zur Gruppe der „Rechten“, die deutsch-ergeben ist und ohne Kompromisse ihre Zukunft nur im Schutz Deutschlands sieht, gehört ein ganz kleiner Teil der weißruthenischen Intelligenz und ein etwas größerer Kreis des stadtnahen Bauerntums. Diese Gruppe hat sich zum Teil bereits so stark auf die deutsche Politik festgelegt und erscheint somit in den Augen der anderen Einheimischen in einem solchen Grad belastet, daß sie ihr Schicksal auf Gedeih und Verderb mit den Deutschen verbinden muß. Zu diesen drei Gruppen kommen als stärker profilierte Kreise die Extreme von „links und rechts“, die Banden, deren Erscheinungsformen und Zusammensetzungen allgemein bekannt sind und die kleine Gruppe von Intelligenzlern, die sich bisher im Einheimischen Weißruthenischen Selbsthilfewerk sammelten und die in der allerletzten Zeit in der Erkenntnis der für sie günstigen Situation ihre autonomistischen Wünsche offen äußerten. Für diese letzte Gruppe ist aber kennzeichnend, daß sie trotz der vermeintlichen Einheitlichkeit ihrer Auffassungen und Wünsche kein in sich geschlossenes Führerkorps des weißruthenischen Volkes ist, sondern ein bunt zusammengewürfeltes Gremium verschiedener Charaktere verhinderter Politiker (z. Teil Emigranten) und Idealisten mit demokratischen Neigungen und autoritären Konzeptionen, deren Ergebenheit verschiedene Schattierungen aufzeigt. Während die Partisanenführung aber über eine starke Anhängerschaft verfügt, haben diese „antibolschewistischen Vertreter des weißruthenischen Volkes“ bisher keine Verbindung zu den breiten Massen herstellen können, und wo sie diese vereinzelt herstellen konnten, hat diese (dies wurde auf der ESW-Tagung Anfang März 1943 offen zugegeben) „kein Vertrauen zum ESW und zur Intelligenz mehr“. Diesen Vertrauensschwund führen diese Kreise vor allem darauf zurück, daß sie beim weißruthenischen Volke keine Autorität hatten. Dieser Autoritätsschwund habe seinen Grund darin, so folgert man dort, daß von seiten der deutschen Führung und Verwaltung die Weißruthenen selbst nicht mit autonomistischen Hoheitsrechten ausgestattet würden, was man in einem Memorandum mit programmatischen Forderungen des ESW auf eine Selbständigkeit Weißrutheniens entsprechend zu beweisen suchte. Wenn die breiten Massen der einheimischen Bevölkerung fragen „Was wird nun eigentlich aus uns?“, dann diskutieren sie auch über ihre politische Zukunft. Dies ist nicht nur eine Zweckbehauptung aus weißruthenischen Intelligenzkreisen, sondern eine Tatsache. Fragen nach einer künftigen Selbstverwaltung und Loslösung aus dem Reichskommissariat Ostland stehen dabei im Vordergrund der Erörterungen. Die Eigenstaatlichkeitsbestrebungen der Letten und Litauer sowie die Wlassow-Aktion (Russisches Nationalkomitee, Russische Befreiungsarmee) sind in der Bevölkerung weit verbreitet. In der Masse der Bevölkerung stehen jedoch die Bandenfrage, die Frage der Weiterführung der Agrarreform und die Frage der Sachgütererzeugung und -belieferung weiterhin an erster Stelle. Die Lage in Weißruthenien wird weiterhin stärkstens gekennzeichnet durch das Bandenunwesen. Die Banden selbst sind, den Meldungen zufolge, in keiner Weise nennenswert an- und zurückgeschlagen worden. Allerdings hat sich die Sicherheitslage in einigen Gebieten, in denen laufend Bereinigungsaktionen stattfanden, etwas gebessert, aber auf der anderen Seite sind große Gebiete, die die Bevölkerung Sowjet- oder Partisanenrepubliken nennt, noch vollkommen unter der Herrschaft der Banden. Ein straffes Verwaltungs- und Polizeisystem sowie eine sowjetische Parteigerichtsbarkeit sorgen dort für interne Ordnung und „Rache an den Verrätern des Volkes“. In diesen Gebieten treiben die Banden eine ausgesprochen kirchenfreundliche Politik, indem sie die Bevölkerung neue Kruzifixe errichten lassen und sogar orthodoxe Priester einführen (bisher Einzelfall). Sie richten

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Erfassungsstellen für landwirtschaftliche Erzeugnisse ein, versprechen den Bauern das Land zum Eigentum und rekrutieren systematisch die noch vorhandenen jugendlichen Jahrgänge. Um der Bevölkerung den Beweis ihrer Legalität zu geben, ahnden sie bei den Bandengruppen und -brigaden Saufereien, Raub, Mord und Überfälle und rufen die Bevölkerung auf, ihr bei der Aufklärung dieser Übergriffe zu helfen. In diesen Gebieten ist durch den Bandenterror und mit Hilfe der intensiven Bandenpropaganda die Bevölkerung wieder restlos sowjetisch ausgerichtet. Das Vertrauen weitester Kreise dieser Gebiete zur Stärke der deutschen Waffen ist vollständig verloren, und der deutsche Zusammenbruch wird allgemein angenommen. Die augenblicklich laufende Aussiedlung von rund 4000 Volksdeutschen aus dem GK Weißruthenien wird von einheimischer Seite ebenfalls als ein Zeichen der deutschen Schwäche gedeutet, als Beweis für die Richtigkeit der Sowjetpropaganda vom Zusammenbruch der deutschen Ostfront. Propagandawesen in Weißruthenien: Allgemeine Propagandalage: In der allgemeinen Propagandalage hat sich gegenüber der in den „Meldungen“ Nr. 38 vom 22. 1. 43 gegebenen Darstellung nichts geändert. Nach wie vor steht die unsichere Lage in einem großen Teil Weißrutheniens einer wirkungsvollen führungsmittelmäßigen Betreuung der Zivilbevölkerung im Wege. Das Propagandamaterial bleibt in den „sichersten“ Gebieten hängen und dringt höchstens noch in die nächste Umgebung der Polizei- und Wehrmachtsstützpunkte, da der Einsatz von Flugzeugen für Flugblattabwurf über den bandenverseuchten Gebieten trotz aller Bemühungen nicht zu erreichen war. Deutsche und Feindpropaganda: Der Stillstand der sowjetrussischen Ost-Westbewegungen in den südlichen Teilen der Ostfront und das Nachlassen des erfolglosen Anrennens an die deutschen Verteidigungsstellen in der Mitte hat einen gewissen Rückgang vor allem der gegnerischen Flüsterpropaganda verursacht, die nach dem Fall von Stalingrad bis zur Wiedereinnahme von Charkow seit dem Einmarsch der deutschen Truppen am intensivsten war. Die von deutscher Seite propagandistisch unbetreuten Massen der ländlichen Bevölkerung waren nach den vorliegenden Meldungen über die sowjetrussischen Erfolge sehr gut unterrichtet und „bekamen konkreteres Material in die Hand als wir“ (deutsche Äußerung). Über nähere Umstände des Falles von Stalingrad war die einheimische Bevölkerung durch gegnerische Flugblätter und Mundpropaganda eher und besser unterrichtet als die deutschen Kreise durch offizielle Nachrichten. Es lag bereits ein gedrucktes, bebildertes Flugblatt einer Partisanennachschubstelle am Palik-See über den Fall von Stalingrad vor, ehe beispielsweise die deutsche „Minsker Zeitung“ diese Meldung offiziell brachte. Die deutsche Gegenpropaganda habe in der Zeit der gegnerischen Erfolge mit deutschen Erfolgsmeldungen vollkommen ausgesetzt, so daß die feindliche Mund- und Papierpropaganda immer überzeugender und schlagkräftiger geworden wäre und entsprechende stimmungsmäßige Erfolge erzielt habe. Diese Belastungsprobe, auch für die einheimische Bevölkerung, hätte eine ängstliche Resignation und einen abermaligen Vertrauensschwund „zu der Kraft der deutschen Macht“ (weißruthenische Stimmen) bei den deutschfreundlicheren und labileren größeren Bevölkerungskreisen und einen inneren Aufschwung, sogar eine gewisse Begeisterung bei den kleineren Kreisen der sowjethörigen und ergebenen Einheimischen, vor allem der politischen Leitung der Bandenbewegung, hervorgerufen. Unter der Oberfläche der immer abweisender, vorsichtiger, ja zum Teil resistenter werdenden Haltung der Bevölkerung der breiten Mitte zwischen Kommunisten und weißruthenischen Nationalisten, die sich „immer mehr in sich zurückzogen“ (weißruthenische Stimmen), scheine sich aber nunmehr ein Stimmungsumschwung zu

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Nr. 30: Exekution in Drohobycz am 9. 8. 1944

vollziehen. Es wird als vordringliche Aufgabe der deutschen Propaganda bezeichnet, diesen Umschwung sofort und geschickt zu nähren. Die Mehrzahl dieser breiten Massen, selbst derjenigen, die restlos unter der Herrschaft der Banden stehen, scheine durch den Bandenterror – der trotz aller geschickten Tarnungen und Taktiken sein kommunistisches Gesicht auf die Dauer nicht verbergen kann – und den wiederum nicht eingetretenen, aber durch die sowjetische Propaganda immer wieder vorausgesagten Zusammenbruch der deutschen Front und die Vereinigung der Roten Ar-

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mee mit den „Partisanen“ erkannt zu haben, daß ein Leben unter deutschem Schutz der Rückkehr unter die Sowjetherrschaft trotz aller Versprechungen vorzuziehen ist. Diese Bevölkerungsteile, vor allem breitere Kreise des ländlichen Bauerntums, scheinen gerade nach dieser Belastungsprobe und trotz aller deutschen Fehler, vor allem auch psychologischer Art, und aller Übergriffe noch bereit zu sein, der Ordnungsmacht Deutschland das Vertrauen zu schenken und mitzuarbeiten, wenn neben der Bereinigung der unsicheren Lage und gerechten Strafmaßnahmen gegen die Bandenanhänger 1.) die wirtschaftlichen Verhältnisse verbessert werden können, 2.) den autonomistischen Wünschen der einheimischen Bevölkerung entgegengekommen werde, indem „man uns eine Idee gibt“ (z. B. Weißruthenischer Selbstschutz, Bildung der versprochenen Weißruthenischen Wissen-

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schaftlichen Gesellschaft, stärkeres Heranziehen von Einheimischen zu verwaltungsmäßigen Aufgaben usw.), 3.) die deutsche Führung mit einem größeren psychologischen Verständnis an die Bevölkerung herangehe. Die 2. „Frage“ werde jetzt schon offen in den weißruthenischen Intelligenzkreisen, vor allem im ESW, erörtert und als entscheidend für die weitere Entwicklung bezeichnet. Es wird in den Meldungen darauf hingewiesen, daß die deutsche Propaganda – genau wie dem übrigen Europa gegenüber – gerade auch jetzt gegenüber den Einheimischen, vor allem der ehemals altsowjetischen Gebiete, den Mut aufbringen müsse, die Dinge beim richtigen Namen zu nennen. Jede weitere Propaganda, die von anderen Voraussetzungen ausgeht, wird als falsch, der tatsächlichen Stimmung und Haltung der Bevölkerung und dem Ernst der Lage nicht gerecht werdend bezeichnet. Drohungen ohne Verwirklichung, Versprechen ohne Einlösung, Bagatellisierung mit „Angst“ seien weiterhin verfehlt. Der Ernst der Lage müsse der Bevölkerung geschickt beigebracht werden, wobei die deutsche Propaganda auf einen selbstbewußten Ton und sichere Ruhe nicht zu verzichten brauche. Diese Art der Propaganda verspräche mehr Erfolg als eine auf Bagatellisierung der der Bevölkerung augenfälligen Dinge und auf Augenblickserfolgen beruhenden Propaganda, da die kommunistische Wirklichkeit für die weißruthenische Bevölkerung in der Gestalt der Banden und ihrer Propaganda das Gegenteil beweise. Daneben müsse der Bevölkerung der Kampf Gesamteuropas gegen das bolschewistische System unter der Führung Deutschlands zu Augen und Ohren kommen. Dieses Thema stelle die beste Erwiderung auf den „Vaterländischen Krieg“ der anderen Seite dar, über den bisher nennenswertes und durchschlagendes Aufklärungsmaterial von deutscher Seite in Weißruthenien nicht gebracht worden sei. Gerade die Propaganda vom „Vaterländischen Krieg“ und ähnliche Schlagworte hätten aber bewirkt, daß trotz Agrarreform u. ä. das Wort von den „deutschen Okkupanten, die das Land rauben wollen“, umgehe. Bei den Banden selbst habe – nach den bisher spärlich vorliegenden Meldungen – der immer wieder auch dort angekündigte, aber nicht eingetretene Zusammenbruch der deutschen Front und die nicht erfolgte Vereinigung mit der Roten Armee eine gewisse Depression ausgelöst, die sich aber nicht in Fluchterscheinungen äußere. Kennzeichnend für die Versuche der Politführung der „Partisanen“, die Stimmung und Disziplin in den eigenen Reihen zu halten, als auch die Bevölkerung von der Legalität des „Freiheitskampfes gegen die Heimat“ zu überzeugen, sind Geheimbefehle, wie z. B. der „Komm-Partei“ des Rayons Zaslawl und Lagoisk, Gebiet Minsk, in denen es u. a. heißt: „Die Disziplin in den Partisanengruppen und -brigaden wie auch den vorgesetzten Behörden gegenüber ist zu fördern.“ „Bei den Partisanengruppen und -brigaden sind Saufereien, Raubmordüberfälle wie auch Huliganismus (Banditismus) zu bekämpfen.“ „Einzelne Partisanenabteilungen, die in weitentlegene Ortschaften kommen, verfeinden sich durch ihre unmenschliche Tätigkeit mit den Ortseinwohnern und schaden dadurch den Partisanen, welche dem Gegner gegenüber als Volksrächer auftreten. In der Zeit, in der die Heimat alle verfügbaren Kräfte gegen den Faschismus einsetzt und unsere besten Söhne und Töchter ihr Leben für das Vaterland opfern, vollziehen sich in dem vom Feind besetzten Hinterland unmögliche und sehr gefährliche Vergehen aus unseren eigenen Reihen gegen unschuldige einheimische Einwohner.“ „Die Partisanen, die die deutsche Propaganda bisher vollkommen ergebnislos in den Augen der einheimischen Bevölkerung als Banditen zu diskriminieren versuchte – die Bevölkerung spricht weiterhin ausschließlich von Partisanen – wenden sich geschickt gegen die ‚Banditen‘ in ihren Reihen und machen dadurch die deutschen Formulierungen vollkommen wirkungslos.“

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Gemäß der sowjetischen Propaganda und Taktik versprechen die Banden in den von ihnen vollkommen beherrschten Gebieten der Bevölkerung Erfüllung ihrer Wünsche wie Aufteilung des Landes – „Stalin wird das Kolchossystem aufheben, Ablieferungsstellen für Vieh und Getreide einrichten, in denen in bar oder mit Schuldscheinen bezahlt wird“ – und Wiedereinführung der Religion – „Kruzifixe aufstellen und Kirchen wieder eröffnen, ja sogar Priester importieren“. In einer solchen Kirche erschien kürzlich während des Gottesdienstes eine Bandengruppe, deren Führer vor dem Priester niederkniete und laut betete: „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes! Brüder und Schwestern! Gott ist und wird sein! Wir waren zeitweilig verwirrt, weil wir Gott verachteten. Zu Gott muß man beten. Betet für uns für alle Kämpfer und Partisanen! Amen!“ Einzelmeldung: In Estland festgenommenen Fallschirmspringern wurde ein in der Propagandawirkung sehr wirksames bolschewistisches Propagandawerk „Die Wahrheit über die Religion in Rußland“, herausgegeben vom Moskauer Patriarchat, Moskau 1942, abgenommen. Dieses Buch mit rund 200 Seiten ist wirkungsvoll illustriert und behandelt die angeblich vorzügliche Lage der Kirche in der Sowjetunion und die angeblich kirchenfeindliche Tätigkeit deutscher Wehrmachtsangehöriger. Wirtschaftliche Lage im Generalbezirk Weißruthenien: Ernährungslage: Vorliegenden Meldungen zufolge dürfte die Ernährung der ländlichen Bevölkerung im wesentlichen sichergestellt sein. An zuständiger Stelle vertritt man die Ansicht, daß die Bevölkerung des flachen Landes einschließlich der Kreis- und mittleren Gebietsstädte von der 10 %igen Mahlabgabe, die in den Mühlen erhoben wird, ernährt werden kann. Ein Problem stellt nur die Versorgung einzelner größerer Gebietsstädte, vor allem der Hauptstadt Minsk, dar. Für die Versorgung der Stadt Minsk fehlen derzeit noch etwa 1500 to Getreide, d. h. daß bei der Zugrundelegung eines Bedarfes von 750 to pro Monat die Menge für den Zeitraum von 2 Monaten bis zum Anschluß an die neue Ernte fehlen würde. Es wird jedoch angenommen, daß aus der Saatgutreserve ein größerer Überschuß zur Verfügung steht, der dann teilweise dafür Verwendung finden könnte, so daß auch kein ernsterer Anlaß zu Besorgnissen besteht. Es wurde allerdings angeordnet, daß das Brot nun etwa in folgender Zusammensetzung hergestellt werden soll: 50 % Roggen, 30 % Gerste, 10 % Hafer und 10 % Buchweizen. Forstwirtschaft: Wie auf dem Gebiete der Erfassung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse wirkt sich den Meldungen zufolge auch in der Forstwirtschaft die in Weißruthenien herrschende Unsicherheit entsprechend aus. Seit Frühjahr 1942 hat sich die Lage in der Fortwirtschaft katastrophal verschlechtert. Im Winter 1941/42 standen noch die großen Rundund Brennholzvorräte aus der Vorkriegszeit zur Verfügung, die nur mobil gemacht zu werden brauchten. Es handelte sich bis dahin in der Frage der Holzversorgung aller Dienststellen fast nur um ein Transportproblem, was damals noch bewältigt werden konnte, da es, so lange die Vorräte an den verschiedensten Stellen anhielten, bei auftauchenden Schwierigkeiten immer noch Ausweichmöglichkeiten gab. Durch die immer umfassender werdende Bandenbewegung treten jedoch an vielen Stellen Störungen auf, die den verstärkten Holzeinschlag, der bei den hiesigen klimatischen und Verkehrsverhältnissen – infolge geringer Aufgeschlossenheit der Waldungen – hauptsächlich in den Wintermonaten erfolgen muß, in bedenklicher Weise gefährdeten. Da die Wälder die Basen der Bandenoperationen bildeten, wirkte sich dies vor allem auf die Waldwirtschaft aus. So häuften sich Überfälle auf Forsthäuser, Zerstörungen von Sägewerken und Teerbrennereien, Plünderungen und Verschleppungen sowie Ermordungen einheimischer Forstleute mit ihren Familien in erschreckender Weise. Da von deutscher Seite den einhei-

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mischen Forstleuten, die sich überraschend bereitwillig zur Mitarbeit zur Verfügung stellten, kein nennenswerter Schutz gewährleistet werden konnte, mußte parallellaufend der allgemeinen Rückzugsbewegung der deutschen Abwehrorgane aus den Wäldern und dem flachen Lande heraus an die Rollbahnen, Eisenbahnen, Stützpunkte und Städte auch der Forstschutz verlegt werden. Die Waldarbeit, die in der Breite arbeiten muß, wurde durch diese Zusammenziehung stark gelähmt. Die Folge ist, daß zur Zeit in der Hauptsache nur noch in der Höhe der Verbrauchsorte und der günstigsten gesicherten Transportwege geschlagen werden kann. Für den altsowjetischen Bereich Weißrutheniens mit rund 400 000 ha Wald sind für das Forstwirtschaftsjahr vom 1. 10. 42 bis 30. 9. 43 rund 700 000 fm Nutz- und Brennholz zum Einschlag vorgesehen. Bei einer durchschnittlichen Arbeitsnorm von 20 fm Einschlag und 20 fm Fuhrleistung je Kopf und Gespann würden hierfür auf 3 bis 4 Wochen rund 35 000 Arbeitskräfte und 35 000 Gespannkräfte benötigt. Verteilt auf die 5 Wintermonate November bis März – in diesen Monaten muß, aus vor allem klimatischen Verhältnissen, der Holzeinschlag erfolgen – wären im Monatsdurchschnitt etwa 7000 Arbeiter und 7000 Gespanne nötig gewesen. Für das vorerwähnte Gesamtgebiet an sich eine minimale Zahl von Kräften, die unter stetigen Verhältnissen leicht aufgebracht worden wären. Die allgemeine Unsicherheitslage und die damit zusammenhängenden immer schwieriger werdenden Transportverhältnisse verursachen, daß der Einschlagsplan bis März mit rund 200 000 fm nur knapp zu 1/3 erfüllt werden konnte. Statt 100 000 fm monatlichen Durchschnitts konnten nur rund 35 000 fm aufgebracht werden und von den dafür notwendigen rund 7000 Arbeitern im Monat nur 1 bis 2000 Mann. In den Forstämtern, die als Flößungsgebiet in Frage kommen, sinken infolge der Bandenstörungen die Einschlagsziffern bis auf 500 fm herab. An ein stetiges Arbeiten in der Forstwirtschaft ist nicht mehr zu denken. Die Waldarbeiter, die zuerst sehr arbeitswillig waren, sind an den meisten Orten nur noch mit Zwang in die Wälder zu bringen, da eigene Sicherungskommandos (Forstschutzkommandos) nur sehr wenige zur Verfügung stehen. Die Gendarmerie kann, da sie zahlenmäßig ebenfalls schwach ist, die Sicherung nicht allein bewältigen. In der Brennholzversorgung macht sich die Unsicherheitslage noch nicht so negativ bemerkbar wie in der Rund- und Schnittholzversorgung, da Einschlag von Brennholz örtlich durch Truppenteile selbst vorgenommen werden kann, was aber unvermeidlich zur Vergeudung von Nutzholz und zu raschester Waldabnutzung in nächster Nähe der Hauptverbrauchszentren führt. Soweit Rundholz vorhanden ist, kann es vielfach infolge Gespannmangel oder Gefährdung der Abtransporte mangels Schutzkommandos nicht zu den Sägewerken (Schwellenproduktion für den Frontbedarf) und von dort aus als Schnittholz zu den Bauvorhaben abgefahren werden. Arbeits- und Sozialwesen: Im Zuge durchgeführter Sonderaktionen der Polizei konnten im gewissen Umfange auch Arbeitskräfte gewonnen werden. Ohne diese Aktionen dürften den Meldungen zufolge Kräfte nicht mehr erfaßt werden können. Erstmalig wurden in der Berichtszeit wieder in Gebieten, die bisher für die Arbeitsämter unzugänglich waren, Erfassungen in größerem Ausmaße durchgeführt. Es war festzustellen, daß die Bevölkerung nach den durchgeführten Polizeiaktionen den Vorladungen des Arbeitsamtes wieder williger Folge leistete. An zuständiger Stelle wird erwartet, daß aus den Gebieten, die bisher durch Polizeiaktionen erfaßt wurden, weitere Kräfte für den Arbeitseinsatz mobilisiert werden können. Die Mehrzahl der Gebiete steht jedoch nach wie vor mit dem Großteil ihrer ländlichen Bevölkerung unter dem Einfluß der Banden, und es ist nicht anzunehmen, daß das festgesetzte Auflagesoll erreicht werden kann. Im Monat Januar

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1943 wurden 896 Kräfte zum Einsatz nach Deutschland abtransportiert, und im Monat Februar stieg die Zahl auf 2700. Wiewohl diese Zahlen weit hinter dem Soll zurückstehen, ist gegenüber den Vormonaten immerhin eine wesentliche Steigerung zu beobachten. Neuerdings werden auch als Strafmaßnahme für durchgeführte Sabotagehandlungen zwangsweise Rekrutierungen vorgenommen, wobei die Erfaßten zunächst in einem Gefangenenlager zusammengefaßt und hier für den Arbeitseinsatz in Deutschland vorbereitet werden. Der Ausfall aus gesundheitlichen Gründen ist beträchtlich und dürfte durchschnittlich zwischen 30 bis 50 % der Untersuchten betragen. Freiwillige waren nur in ganz geringem Umfange vorhanden. Die psychologischen Hindernisse, die der Auffassung für den Arbeitseinsatz auf Grund der begangenen Fehler entgegenstehen, konnten bisher nicht überwunden werden. C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR In der Sowjetunion machen sich die Menschenverluste bemerkbar, die die Rote Armee während des Winterfeldzuges erlitten hat. Die Verluste einzelner Armeen werden mit 70 % angegeben. Diese Ausfälle zwingen zu einer Reihe scharfer Rekrutierungsmaßnahmen: 1) Nach übereinstimmenden Gefangenenaussagen werden in den von den Sowjets zurückgewonnenen Ortschaften alle Männer zwischen 17 und 60 Jahren ohne jede Musterung und ohne Berücksichtigung des Alters, körperlicher Mängel usw. erfaßt und zur Roten Armee eingezogen. Die Art und Weise, wie die Sowjets hierbei vorgehen, schildern Gefangene, die aus dem Kursker Gebiet stammen und einem sogen. Lehrbataillon der 132. Division angehören. Nach dem Einmarsch der Sowjettruppen wurden umfassende Einberufungen durchgeführt und die Eingezogenen ohne militärische Ausbildung und genügende Ausrüstung in Richtung der Kampflinie in Marsch gesetzt. Unmittelbar vor dem Einsatz wurden die Waffen verteilt und die primitivsten militärischen Grundbegriffe vermittelt. 2) Bereits zu Beginn des Ostfeldzuges haben die Sowjets Sträflinge, die über militärische Kenntnisse verfügten, unabhängig von der Dauer der Strafzeit einberufen. Jetzt sind die noch ungedienten männlichen Insassen der sowjetischen Gefängnisse und Konzentrationslager einer Musterung unterzogen worden. Die Gefangenen, die die Hälfte ihrer Strafzeit verbüßt haben, werden nunmehr als „Freiwillige“ herausgezogen. Insbesondere den während des Krieges zu Freiheitsstrafen Verurteilten wird Gelegenheit gegeben, sich an der Front zu bewähren und dadurch Straferlaß zu erhalten. Die militärische Ausbildung dieser Sträflinge scheint mangelhaft zu sein, da festgestellt werden konnte, daß ehemalige Strafgefangene nach einer dreitägigen Ausbildung bei einer Panzerabwehrtruppe an der Front zum Einsatz gekommen waren. 3) Zur weiteren Ausfüllung der entstandenen Lücken wurde auf das noch in der Rüstungsindustrie vorhandene Menschenmaterial zurückgegriffen. Wie bekannt geworden ist, beträgt das Durchschnittsalter in einzelnen Regimentern 42 Jahre, und der gesundheitliche Zustand soll den gestellten Anforderungen in vielen Fällen nicht mehr entsprechen. Ferner wird allgemein die ungenügende Ausbildung der Reserven in Moskau offen kritisiert. 4) Der Ausfall an Offizieren wird als umfangreich geschildert. In der Auslandspresse wird ein Geheimbefehl der obersten Sowjetführung wiedergegeben, in dem den sowjetischen Offizieren verboten wird, sich künftig in den vordersten Linien zu zeigen; sie werden angewiesen, die Angriffe von rückwärtigen Stellungen zu leiten. Vernehmungen sowjetischer Offiziere ergaben, daß der Offizier z. Zt. einen Lehrgang von 3 Monaten absolviert und ohne weitere Ausbildung den Fronteinheiten zugeteilt wird. Besonderer Wert wird

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bei der Ausbildung der Offiziere auf den politischen Unterricht gelegt, in dem die sowjetische National- und Haßpropaganda gegen die „deutschen Eroberer“ beträchtlichen Raum einnimmt. 5) Der Arbeitseinsatz ist durch eine immer stärkere Einschaltung von Frauen gekennzeichnet. Aus Anlaß des internationalen kommunistischen Frauentages, der im März in Moskau stattfand, wurde darauf hingewiesen, daß die sowjetischen Frauen den Männern gleichgestellt sind und selbst an der Front, bei der Luftwaffe und in Bergwerken tätig sein müssen. Besonders groß wird der Prozentsatz der Frauen in der Landwirtschaft bezeichnet. Die Lehrkörper bestehen zum weitaus grössten Teil aus weiblichen Kräften. Der Anteil der Arbeiterinnen in den Fabriken wird teilweise auf 85 % geschätzt und soll sogar in Werken der Schwerindustrie 50 % betragen. Der Arbeitermangel führt vielfach zu einer Überbeanspruchung der Belegschaft. Die Rüstungsarbeiter genießen eine bevorzugte Behandlung. Insbesondere erhalten sie reichliche Verpflegung und gute Bezahlung. Die Tageszuteilung an Brot z. B. beträgt 800 gr gegenüber durchschnittlich 400 der übrigen Bevölkerung; auch erhalten sie die doppelte Menge anderer Lebensmittel. Arbeiter, die in gesundheitsschädlichen Abteilungen der Schwerindustrie tätig sind, bekommen weitere Zuteilungen. Der Bruttoverdienst eines qualifizierten Rüstungsarbeiters beträgt 1200–1400 Rbl. im Monat. Trotz der angeblich ausreichenden Lebensbedingungen wird verschiedentlich von Unzufriedenheit unter der Arbeiterschaft berichtet. Im Gegensatz zur Lage der Industriearbeiter und der bevorzugten Kreise ist die Situation der Geistesarbeiter und mittleren Beamtenschaft wesentlich schlechter. In einzelnen Meldungen wird beispielsweise das Gehalt eines Tierarztes mit 600 Rbl., das eines Zootechnikers mit 586 Rbl., das eines Inspektors mit 700 Rbl. und das eines Oberinspektors mit 800 Rbl. angegeben. Die Abzüge sind sehr hoch und werden mit etwa 46 % beziffert. Sie setzen sich zusammen aus Staatsanleihe 10 %, Kriegssteuer 8 %, Kultur- und Schulsteuer 7 %, Einkommenssteuer 7 %, Kriegslotterie und Geschenke für Soldaten 7 %, Lebensversicherung, Abgaben an das Rote Kreuz, Luftschutz, Gewerkschaften usw. 7 %. Die Stimmung in der Bevölkerung ist noch immer durch die Erfolge des Winters gekennzeichnet. Eine neue deutsche Offensive wird erwartet. Die sowjetische Propaganda bestärkt diese Meinung und warnt in diesem Zusammenhang vor Optimismus. Ausländische Beobachter wollen in Moskau einen Stimmungsumschwung festgestellt haben. Die Stimmung schwanke zwischen Vertrauen und neuer Hoffnung auf der einen Seite und Müdigkeitserscheinungen durch die Fortdauer der Kämpfe auf der anderen Seite. BAB, R 58/224 1

Der Feiertag bezieht sich auf die Erklärung der Unabhängigkeit unter deutscher militärischer Besatzung am 16. 2. 1918, die nach Verhandlungen vom Deutschen Reich akzeptiert wurde u. auch gegen spätere Angriffe der Roten Armee behauptet werden konnte. Der Völkerbund erkannte Litauens Souveränität 1923 offiziell an; vgl. Marianna Butenschön: Litauen, München 2002, S. 92–95.

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

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Berlin, den 23. April 1943 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 51 […] A. Gegner und Exekutivfragen Kommunistische Bewegung: In der Ukraine gelang im Bereich des Kdrs. dSPudSD Taurien die Zerschlagung einer aus 4 Abteilungen bestehenden bolschewistischen Terrorgruppe. Diese Gruppe hat der aus deutscher Kriegsgefangenschaft geflohene russische Oberleutnant Iwan Dimitrow organisiert, der sich seit Januar 1943 aus Tarnungsgründen als Lehrer in Tschetscha aufhielt. Sein Vertreter war der vom NKWD zur Bildung kommunistischer Widerstandsgruppen zurückgelassene Agent Jakubowski mit dem Decknamen „Stepanow“. Die Mitglieder der Gruppe, zu denen u. a. der stellvertretende Bürgermeister von Bulatschi, ein russischer Bahnhofsleiter sowie ein als Streckenwärter eingesetzter Schutzmann zählten, waren mit Pistolen, russischen MP, Gewehren und Handgranaten gut ausgerüstet. Unter Dimitrow’s Leitung sollte ein Überfall auf das Staatslager in Simferopol sowie auf die Wehrmachtsfernsprechvermittlung in SchumaAlan ausgeführt werden, um die Lagerbestände sowie sämtliche Fernsprecher in gebrauchsfähigem Zustand mittels erbeuteter Lkw’s zu der Banditengruppe Makarow zu schaffen. Eine Agentin hatte bereits zu den bei der Fernsprechvermittlungsstelle tätigen Soldaten Beziehungen angeknüpft und Einzelheiten über die Bewaffnung und Lage der Unterkunft sowie das Nichtvorhandensein einer Wache erkundet. Daneben hatte eine andere Abteilung die Aufgabe, durch Auseinanderziehen von vorher gelockerten Eisenbahnschienen das Entgleisen von Wehrmachtstransporten herbeizuführen. Ferner wurde verschiedenen Gruppenmitgliedern zur Pflicht gemacht, geeignete Personen für die Organisation zu werben, Lebensmittel zu beschaffen, Unterkünfte für Besprechungen zur Verfügung zu stellen und verfolgte Mitglieder bei Gefahr zu verstecken. Bei den Mitgliedern handelt es sich durchweg um überzeugte Kommunisten, die den Deutschen soviel Schaden wie nur möglich zufügen sollten, um später von den Bolschewisten als Helden gefeiert zu werden. In Aluschta, Kdr.-Bereich Simferopol, wurde eine kommunistische Gruppe aufgerollt, die sich systematisch mit der Verbreitung sowjetrussischer Rundfunknachrichten und Werbung neuer Mitglieder für die Banden befaßte. An dieser Werbung hatte sich insbesondere die Leiterin des Arbeitsamtes in Aluschta führend beteiligt, die ausserdem mit der ehemaligen Sekretärin des Kreiskomsomolzenkomitees Flugblätter verfaßt und zur Verteilung gebracht hat, in denen die Russen aufgefordert wurden, sich nicht für die Freiwilligenabteilungen oder zum Arbeitseinsatz nach Deutschland zu melden. Im Kdr.-Bereich Shitomir wurden 9 Funktionäre einer kommunistischen Organisation in Haft genommen, die Vorbereitungen für einen bewaffneten Aufstand getroffen hatten. In Nikolajew konnten durch umfangreiche Ermittlungen 21 Personen als kommunistische Funktionäre des NKWD überführt werden. In Kiew gelang die Festnahme von 139 Personen wegen kommunistischer Umtriebe, unter denen sich der seit langem gesuchte Terroristenführer Alexander Falkow, geb. 15. 8. 1913 in Tschernjachow, befand. Falkow hatte 1942 eine grössere KP-Organisation aufgezogen, die durch Einzelterror Unruhe herbeiführen sollte und der bisher 8 politische Morde nachgewiesen werden konnten. Durch Vernehmungen des Fal-

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kow konnte eine weitere Aktion gegen andere kommunistische Terrorgruppen in Kiew und Jagotin eingeleitet werden, die noch nicht abgeschlossen ist. Im Bereich der Einsatzgruppe B ist seit dem Fall von Stalingrad eine weitere Intensivierung der sowjetischen Propaganda festzustellen. Die deutschen Soldaten werden immer wieder aufgefordert, sich zu ergeben, da der Kampf zwecklos sei und die Hitler-Armee ihrer Vernichtung entgegengehe. Zahlreiche Flugblätter sind direkt an bestimmte Truppenteile gerichtet, wobei die Soldaten durch phantastische Zahlenangeben über Gefangene und Tote zum Überlaufen aufgefordert werden. Auch die feindliche Flugblattpropaganda für die russische Bevölkerung erhielt Ende Januar mit dem Fall von Stalingrad einen erheblichen Aufschwung. Vor allem ist die sowjetische Propaganda bestrebt, den Ordnungsdienst sowie die landeseigenen Verbände zum Überlaufen zu bewegen und die übrige Bevölkerung zu Sabotagehandlungen gegen die Deutschen aufzuputschen. Nach der Aufgabe von Stalingrad war im gesamten Bereich der Heeresgruppe Mitte auch ein Anwachsen der Mundpropaganda zu verzeichnen, die sich vornehmlich mit der militärischen Lage befaßte. Die Bevölkerung wurde durch das Vorrücken der Roten Armee unruhig und schenkte solchen Gerüchten mehr Beachtung als bisher, so daß zum Teil die Propaganda ihre Wirkung nicht verfehlte. In Miloslawitschi wurde der Bürgermeister festgenommen, da es sich herausstellte, daß er ehemaliger kommunistischer Funktionär war. Er hatte 2 Gesinnungsgenossen als Starosten eingesetzt und mit diesen so gearbeitet, daß unter der Bevölkerung eine starke Unzufriedenheit um sich griff. Ausserdem waren sie ihren Pflichten bei der Abgabe von Sachleistungen nicht nachgekommen und hatten somit die deutschen Belange sabotiert. Auch in Lettland ist ein Anwachsen des Widerstandes und eine verstärkte sowjetische Propaganda beobachtet. U. a. wurde in Libau ein Personenverzeichnis sichergestellt, das die Namen von Personen enthielt, die zu gegebener Zeit beseitigt werden sollten. Aber nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Lande machen sich die kommunistischen Umtriebe immer mehr bemerkbar. Es wird ganz offen darüber gesprochen, daß die Zeit der roten Herrschaft bald wiederkommen wird. Besonders während der kritischen Zeit haben einzelne Arbeitgeber und sogar lettische Dienststellen aus Furcht vor der Rache der Bolschewisten, deren Rückkehr sie befürchten, Anzeigen gegen Kommunisten unterlassen und gelegentlich in ihren Äusserungen Partei für die Sowjetunion genommen. Z. Zt. stehen zwei illegale kommunistische Gruppen in Riga unter Beobachtung, von denen die eine russische Kriegsgefangene mit Lebensmitteln und Unterkunft versorgt, während die andere die Kriegsgefangenen den Banden zuführt. Bandentätigkeit in der Ukraine: Im „Nassen Dreieck“ fand ein Grossangriff von Banditen auf die Stadt Bragin, die einen Tag eingeschlossen war, statt. Verstärkt wurde die Bande durch desertierte Schuma-Angehörige, die über genaue Kenntnisse der Verteidigungsanlagen von Bragin verfügten. Am Vortage erbeutete die Bande bei einem Überfall auf eine slowakische Einheit zwei 10,5 cm-Geschütze, 2 sMG und 8 lMG, die ihre Kampfkraft wesentlich verstärkten. Die Banditen setzten sich in der Nacht zum 12. 4. unter Mitnahme der Toten und Verwundeten ab. Ortseinwohner von Bragin geben an, daß die Bande beim Angriff auf die Stadt sehr hohe Verluste hatte. Sämtliche Häuser des Stadtrandes waren mit Toten und Verwundeten belegt. Auf diese schweren Verluste ist auch der unerwartet frühe Rückzug der Bande zurückzuführen. In verschiedenen Gebieten des Gen.Bez. Kiew wurden durch Feindflugzeuge sowjetische Flugblätter abgeworfen, die Nachrichten über angebliche Erfolge der Roten Armee und die Aufforderung zur Diversionsarbeit in den von den Deutschen besetzten Gebieten,

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enthalten. Es heisst darin wörtlich: „Euer Verbrechen am Vaterland ist gross und wenn Ihr den Deutschen weiter helft, werdet Ihr nicht geschützt werden. Die Sowjets werden Euch aber verzeihen, falls Ihr dem russischen Volk treu dient. Schadet den Deutschen, wo Ihr könnt. Versteckt das Vieh und die Lebensmittel. Betrügt die Deutschen, macht ihnen falsche Angaben, versteckt Flüchtlinge und helft den Partisanen. Vernichtet alle Fernsprechleitungen einzeln oder in Gruppen. Sprengt die Bahnstrecken. Vernichtet die Lokomotiven und Waggons. Zündet alle deutschen Lager an. Flüchtet, wenn Ihr von den Deutschen verfolgt werdet, in andere Dörfer und bewaffnet Euch. Organisiert Partisanengruppen. Vernichtet die deutschen Räuber. Falls Ihr das macht, werden Euch das Vaterland und die sowjetische Regierung verzeihen und kein Haar wird Euch gekrümmt. Viele haben es schon so gemacht und wohnen mit ihren Familien dort, wo die Städte und Dörfer von den Deutschen befreit sind. Zentralkomitee der KP Ukraine“. Ein in ähnlich geschickter Form abgefaßtes Flugblatt, das im Kommandeurbereich Rowno erfaßt wurde, richtet sich an die Angehörigen der Schutzmannschaften: „Schutzmänner! Ihr habt Euch der Uniform der Schutzmänner verschrieben. Dadurch habt Ihr Eure Heimat und Euer Volk verkauft. Was kann noch verbrecherischer und schändlicher sein als Verräter seiner Heimat, seines Volkes? Das Volk haßt die Verräter. Ihr seid von dem Haß des Volkes umgeben, wie niederträchtige Verräter. Das Volk vergibt den Verrätern nie. Es vergibt nie Euren Kindern, Frauen, Brüdern und Schwestern, Vätern und Müttern. Ihr dient den deutschen Okkupanten, Unterdrückern unserer Heimat. Vergeßt nie, Schutzmänner, daß die deutschen Banditen Euch wie Huren ausnutzen werden und Euch dann als unnötige Lappen weglegen. Schutzmänner, richtet die Waffen gegen die Unterdrücker unserer Heimat. Schlagt sie auf jedem Schritt. Geht mit der Waffe in die Wälder zu den roten Partisanen. Die Partisanen werden Euch aufnehmen und Euch Gelegenheit geben, Eure Schuld vor der Heimat zu büssen im Kampf gegen die deutschen Angreifer. Und wenn nicht, wird der Haß des Volkes Euch von der Erde wegfegen, Ihr Verräter der Heimat. Alles zum Kampf gegen die deutschen Okkupanten! Tod den Verrätern der Heimat!“ Lettische Widerstandsbewegung: Als im Winter die sowjetische Offensive Raum gewann, sahen selbst die chauvinistischsten Nationalisten ihre Rettung nur in einem deutschen Sieg. Propagandistisch hielten sich diese Kreise damals durchaus abwartend. Jetzt, nach der Stabilisierung der Front und nachdem man durch die Gründung der Lettischen Legion günstige Voraussetzungen für die nationalistische Wühlarbeit geschaffen glaubt, beginnen die Nationalisten wieder aktiv zu werden. Meldungen besagen, daß die Perkonkrustler besonders rege und bemüht sind, sich zu verstärken. Vor allem wird in Intelligenzkreisen und der Studentenschaft umfangreiche Propaganda getrieben. So wurde anlässlich des Aufrufes an die Letten, sich freiwillig zur SS-Legion zu melden, eine Gegenpropaganda eingeleitet, in der geraten wurde, sich der Werbung durch Vorspiegelung falscher Tatsachen zu entziehen. In letzter Zeit ist in diesem Zusammenhang eine deutliche Radikalisierung der lettischen Jugend festzustellen. Häufig werden Zusammenstösse zwischen deutschen und lettischen Schülern gemeldet. Als Hochburg der lettischen Widerstandsbewegung in Riga waren die Universität, das Technikum und die lettischen Mittelschulen anzusehen. Besonders deutlich wurde dies bei der Aufrollung einer illegal arbeitenden Organisation, die sich „Freies Lettland“ nannte und überwiegend aus Studenten rekrutierte. Bisher wurden über 20 Studenten aller Fakultäten, meist Träger bekannter Namen festgenommen. Unter ihnen befinden sich die Söhne des Generals Grossbart und Obersten Neima-

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nis sowie die Tochter des Rechtsanwalts und lettischen Schachmeisters Melnbardis. Die von Grossbart vor etwa einem Jahr gegründete Organisation hatte noch keinen grösseren Umfang angenommen, obwohl eine verstärkte Mitgliederwerbung durchgeführt worden war. Diesem Zwecke diente auch die Herausgabe einer illegalen Zeitung mit dem Titel „Dies Land ist unser“, in der besonders ein Aufsatz „Grosse Dankbarkeit“ in gehässigster Weise zu der Frage Stellung nimmt, ob die Letten den Deutschen heut überhaupt noch Dank schulden. Die jedem Mitglied ausgehändigten Statuten enthalten genaue Ausführungen über Sinn und Zweck der Organisation, Verhaltensmaßregeln für die illegale Arbeit, Anweisungen über die Art der Nachrichtensammlung und über das Verstecken von Waffen. Danach dürfen Waffen vorläufig nicht in der Wohnung aufbewahrt oder mit sich geführt werden, da sich die Organisation zunächst noch in der „minimalen Entwicklungsperiode“ befinde. Die Waffen dürfen erst bei Beginn der „aktiven Widerstandsperiode“ gegen die Okkupationsgewalt zur Anwendung kommen. Der bewaffnete Aufstand hat als Vorbote der Erneuerung des selbständigen lettischen Staates zu gelten. Bei den Mitgliedern handelt es sich um typisch chauvinistisch verhetzte Angehörige der lettischen Intelligenz. Auch die Zerschlagung der illegalen Organisation „Latvijas Vanagu Organizavija“ erbrachte den Beweis, daß es sich bei einem Teil der illegalen Organisationen um Zusammenschlüsse Jugendlicher handelt, die utopische Programme verfolgen. Im Auftrage der LVO druckten der Setzer Ducis und der deutschstämmige Druckerlehrling Scherwinskia nach Dienstschluss in den Räumen der Eisenbahndruckerei 3200 Exemplare eines Hetzblattes, in dem der Führer als Massenmörder und Henker, der sein Volk, ebenso wie Stalin, in den Tod führt, bezeichnet wird. Da gerade die Aufstellung einer Lettischen Legion Tagesgespräch war, wird in dem Flugblatt ferner dafür geworben, daß die Arbeit sabotiert werden müsse und niemand nach Deutschland zur Arbeit fahren oder in den Arbeitsdienst eintreten solle. Die Hetzschrift schließt: „Lettische Jugend, lasst Euch nicht betrügen und bereitet Euch schon jetzt vor, Eure Heimat Lettland zu verteidigen und von unseren Feinden zu befreien.“ Drucktechnisch gehört dieser Aufruf zu den besten bisher erfaßten. Die gesamte Auflage konnte einen Tag nach der Drucklegung in der Wohnung eines Mitgliedes sichergestellt werden. B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung der Bevölkerung im Generalbezirk Lettland: Durch die Stabilisierung der deutschen Front im Osten, nicht zuletzt durch die laufenden Erfolge der deutschen U-Boote, ist die Stimmung der lettischen Bevölkerung in bezug auf die militärische Entwicklung wieder wesentlich zuversichtlicher geworden. Die in allen Bevölkerungskreisen bisher im Umlauf gewesenen Gerüchte über eine angebliche Wiederkehr der Bolschewisten und damit verbundene Schlussfolgerungen über das Schicksal der Letten sind fast verstummt. Das Hauptinteresse hat sich den Meldungen zufolge wieder mehr auf die innerpolitischen Geschehnisse verlagert, insbesondere weil die Gerüchte über eine kommende Verselbständigung Lettlands bei der Bevölkerung durch Äusserungen und Vermutungen sowohl deutscher als auch lettischer Persönlichkeiten wesentlich genährt wurden. Es konnte daher eine gewisse Aufgeschlossenheit der lettischen Bevölkerung gegenüber den Deutschen festgestellt werden, die aber nur bis zu dem Zeitpunkt anhielt, an dem die von dem ehem. Generaldirektor der Justiz, Valdmanis, verfassten Protokolle über die Besprechungen anlässlich der Begründung der Lettischen Legion in der Bevölkerung in Umlauf kamen. Diese Protokolle haben wesentlich dazu beitragen, die Stimmung der lettischen Bevölke-

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rung allem Deutschen gegenüber wieder in negativem Sinne zu beeinflussen, da aus dem Inhalt der Protokolle entnommen werden musste, dass die deutschen Stellen nicht gewillt seien, den Wünschen der lettischen Selbstverwaltung und des lettischen Volkes Rechnung zu tragen. Diese Protokolle waren in den letzten Wochen das Hauptgesprächsthema der lettischen Bevölkerung und wurden besonders in lettischen Intelligenzkreisen lebhaft erörtert. Als Folge der Verbreitung der Protokolle und der inzwischen zerschlagenen Hoffnungen auf eine lettische Selbständigkeit war eine gesteigerte Deutschfeindlichkeit innerhalb der lettischen Bevölkerung, besonders aber in chauvinistisch eingestellten Intelligenzkreisen zu beobachten. Man äussert sich vielfach dahingehend, dass die deutsche Zivilverwaltung mit Absicht Hoffnungen auf eine Selbständigkeit Lettlands erweckt habe, nur um eine erhöhte Meldung zum Arbeitseinsatz und zur Legion zu erreichen. In breiten Kreisen der lettischen Bevölkerung hegt man noch Hoffnungen auf eine Durchführung der gerüchteweise bekanntgewordenen Pläne. In erster Linie trägt zu dieser Entwicklung der Stimmung die Tatsache der Aufstellung der Lettischen Legion bei. Man fasst diese als ein Opfer des lettischen Volkes auf, für das es entsprechend – hier also mit der Autonomie – belohnt werden müsse. Die Protokolle Valdmanis’, die diese Forderungen in eine ultimative Form brachten, haben eine derartige fast einheitliche Stellungnahme wesentlich gefördert. An der Diskussion dieser Fragen beteiligen sich weite Kreise der Bevölkerung, in erster Linie in den Städten. Das Landvolk interessiert sich dafür mehr unter dem Gesichtspunkt, welche praktischen Ergebnisse eine Autonomie für die eigene Wirtschaft bringen werde. Die Letten hätten nunmehr die Gewißheit, dass ihre Legion von einem lettischen General geführt werde und dass auch die höheren Offiziere Letten sein werden. Obwohl das zu einer gewissen Beruhigung geführt habe, wird dennoch allgemein der Standpunkt vertreten, dass es mit der Gründung der Legion allein auch nicht getan sei. Man wisse bisher noch immer nicht, wie sich Lettlands Zukunft gestalten werde. Es müsse von deutscher Seite erst einmal die Frage geklärt werden, wofür denn eigentlich das lettische Volk in der Legion kämpfe. Der positiver eingestellte Teil der lettischen Bevölkerung sieht im Gegensatz zu diesen Kreisen ein, dass zunächst eine eigene Leistung vollbracht werden und das lettische Volk sich durch diese Leistung Anerkennung und Vertrauen der deutschen Führung verdienen muss. In der landeseigenen Selbstverwaltung spiegeln sich beide Richtungen wieder. Die Generaldirektoren, von Valdmanis beeinflusst, versuchten, vor der Aufstellung der Legion Zugeständnisse zu erhalten, während auf der anderen Seite Offiziere, die ebenfalls in der Selbstverwaltung tätig sind, die Meinung vertraten, dass erst nach vollbrachten Leistungen der Legion Zugeständnisse gefordert werden können. Die Art und Weise der bisherigen Erfassung von Arbeitskräften und Männern für Legion und Wehrmacht, also die zwangsweise Einberufung bestimmter Jahrgänge, löst in der Bevölkerung Unzufriedenheit aus und wird von chauvinistischen Kreisen mit grosser Aktivität als bolschewistische Methode propagandistisch ausgeschlachtet. Die in der letzten Zeit wiederholt in der Tagespresse veröffentlichten Auszeichnungen von lettischen Freiwilligen mit dem Eisernen Kreuz haben in der einheimischen Bevölkerung grösste Genugtuung hervorgerufen und einen guten Eindruck hinterlassen. Eine laufende, in der Tagespresse besonders hervorzuhebende Veröffentlichung derartiger Auszeichnungen, möglichst mit kurzer Schilderung der Waffentat, die zu dieser Auszeichnung geführt hat, würde den Letten das – oft künstlich genährte – Gefühl der Zweitrangigkeit nehmen. Am 28. März fand in Riga die Vereidigung der ersten Freiwilligen der lettischen SS-Legion statt. Die Anteilnahme der lettischen Bevölkerung war trotz des

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ungünstigen Wetters sehr gross. Die äussere Form des Aktes hat im grossen und ganzen einen günstigen Eindruck auf die anwesende Bevölkerung gemacht, besonders als Gegensatz zu den bisher von der Zivilverwaltung aufgezogenen Veranstaltungen, wie z. B. der feierlichen Übergabe der Eigentumsurkunden. Als Schlussfolgerung ergab sich die Ansicht in weiten Kreisen der Besucher – durch zahlreiche Stimmenäusserungen belegt –, dass, wenn Lettland unter einer Militärverwaltung stünde, alles viel besser klappen würde. Die Abneigung gegenüber der Zivilverwaltung kam hier offen zum Ausdruck. Das Verhalten der Angehörigen der deutschen Zivildienststellen beim Spielen des lettischen „Volksgebetes“ hat erneut Anlass zu Verärgerung und Verbitterung unter den Letten gegeben. Der Anlass hierzu war, dass beim Abspielen der lettischen Nationalhymne keiner der Angehörigen der Zivilverwaltung grüsste, während die Angehörigen der SS und der deutschen Wehrmacht, einschliesslich aller anwesenden Generale, ihre Ehrenbezeichnung erwiesen. Dieser Vorfall wurde auch zum Anlass sarkastischer Bemerkungen bei den lettischen Zuschauern. Immer noch wird mit dem wohl aus lettischen Juristenkreisen stammenden Argument gearbeitet, dass die lettischen Legionäre im Kampf gegen den Bolschewismus durch keinerlei internationales Recht geschützt seien, da die Bolschewisten Lettland als Gliedstaat der UdSSR ansehen und etwaige lettische Gefangene als Landesverräter behandeln würden. In letzter Zeit wird besonders in Arbeiterkreisen in steigendem Maße die Behauptung aufgestellt, dass nunmehr auch mit grösseren Fliegerangriffen seitens der Russen auf lettisches Gebiet zu rechnen sei. Als Begründung wird angegeben, dass durch die Aufstellung der Lettischen Legion Russland sich nicht mehr veranlasst sehe, auf das lettische Volk Rücksicht zu nehmen. Diese Gerüchte stammen vornehmlich aus linksgesinnten Kreisen. Andererseits wird auch bei einem antikommunistisch gesinnten Teil der Bevölkerung oft die Ansicht vertreten, dass auch jetzt noch keine Luftangriffe auf Lettland erfolgen würden, da nach Rückkehr der Sowjets Lettland unter der Führung des ehemaligen Präsidenten Ulmanis zu einem selbständigen Staat erhoben würde und zwar auf Grund fester Zusagen Englands und Amerikas. Weite Kreise, insbesondere der Landbevölkerung, setzen daher ihre Hoffnung auf Ulmanis, der angeblich in Amerika leben soll.1 Im Zuge der Erfassung der Arbeitskräfte für den totalen Kriegseinsatz wird in lettischen Kreisen darauf hingewiesen, dass in dem Personalstand der deutschen Zivilverwaltung in Lettland bisher so gut wie keine Änderungen vor sich gegangen seien. Mit Spannung und in abwartender Haltung wird beobachtet, ob auch hier im Rahmen des „totalen Kriegseinsatzes“ mit rücksichtsloser Schärfe vorgegangen wird. Die am 20. März erfolgte feierliche Überreichung der Eigentumsurkunden an die ersten Besitzer von ländlichem und städtischem Grundbesitz durch den Generalkommissar Dr. Drechsler in Riga hat auf die breite Öffentlichkeit keinerlei Eindruck hinterlassen und wurde kaum über den Kreis der Beteiligten hinaus erörtert. Auch in den Provinzstädten haben die Feierlichkeiten keinen besonderen Eindruck hinterlassen. Die Übergabe der Eigentumsurkunden wurde als eine rein juristische Formalität angesehen. Immer wieder stellen sich die Letten auf den Standpunkt, dass die Rückgabe ihres Eigentums durch ihren Einsatz und die bisherigen Opfer der lettischen Freiwilligen lediglich Pflicht und Schuldigkeit der Deutschen und der Zeitpunkt zudem reichlich verspätet gewesen sei. Im Gegensatz zu den Feierlichkeiten in Riga und den übrigen Provinzstädten fiel die Veranstaltung in Mitau, sowohl in organisatorischer, propagandistischer als auch psychologischer Hinsicht angenehm auf. Besonders wurde in Mitau der Ausspruch des Gebietskom-

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missars von Medem, dass „sowohl Letten als auch Deutsche als Hüter der nordisch-germanischen Kultur die Grenze zwischen Europa und Asien zu schützen hätten“, hervorgehoben. Die Erhöhung der Fett- und Brotzuteilung für die einheimische Bevölkerung hat allgemein, besonders in Arbeiterkreisen, die die Schwerstarbeitszulage bekommen, regen Anklang gefunden; dies um so mehr, da im Laufe der Zeit bekannt wurde, dass die Lebensmittelrationen für die Reichsdeutschen in Lettland herabgesetzt seien. Die Verbreitung von Gerüchten hat in den letzten Wochen ausserordentlich grossen Umfang angenommen. Es fällt ferner die ausserordentliche Zunahme der umlaufenden politischen Witze auf, die allerdings zumeist von deutschen Soldaten und Reichsdeutschen verbreitet wurden. […] Propagandawesen und Führungsmittel in Lettland: Die lettische Bevölkerung verhält sich den Meldungen zufolge den deutschen Propagandamaßnahmen gegenüber nach wie vor kritisch. Immer wieder sei zu hören, dass die im Reich übliche Propagandaform auf Lettland angewandt keine Erfolge erzielen werde. Anstelle von Polemiken sei ein intensiveres Eingehen auf die Tagesprobleme und auf eine von lettischer Seite erfolgende Aufklärung über den eigenen Standpunkt zu diesen Fragen notwendig. Deutschfreundliche Kreise raten in diesem Zusammenhang eine viel stärkere Heranziehung zuverlässiger lettischer Journalisten, denen deutscherseits Vertrauen entgegengebracht werden müsse. Es gäbe eine Reihe begabter, junger lettischer Publizisten, die zur verantwortlichen Mitarbeit an der deutschen Propaganda herangezogen werden könnten. So habe beispielsweise die von einem lettischen Sprecher durchgeführte Rundfunksendung „Das Echo der Woche“ bei der Bevölkerung grössten Anklang gefunden. In der öffentlichen Werbung für die Legion sei eine Besserung erst eingetreten, als es gelungen war, lettische Persönlichkeiten für die Aktion heranzuziehen. Eine positivere Bewertung der deutschbeeinflußten Presse sei in letzter Zeit durch einige propagandistisch gut gehaltene Artikel lettischer Persönlichkeiten herbeigeführt worden. So sei der von dem Generaldirektor des Inneren General Dankers unterzeichnete Aufruf an die lettischen Männer zum Eintritt in die Legion von der lettischen Bevölkerung gut aufgenommen worden. Gleiche günstige Auswirkungen habe der Appell des Legionsgenerals Bangerskis an die ehemaligen lettischen Offiziere und Instrukteure gehabt. Die Vorträge lettischer Persönlichkeiten in den propagandistischen Sendungen des Rundfunks zu den aktuellen Themen der lettischen Legion, der Reprivatisierung und des totalen Kriegseinsatzes hätten ebenfalls ein günstiges Echo ausgelöst, und es bestehe ein Bedürfnis nach einer Steigerung der Sendungen über wichtige lokale und aktuelle Themen. Ebenfalls gut aufgenommen wurden die zwei Leitartikel in der „Tevija“ „Zu den Waffen“ und „Mahnstein für das lettische Volk“ von Hauptschriftleiter Kovalevski. K. habe den Letten in überzeugender, objektiver Weise dargelegt, dass das Leben und die Zukunft des lettischen Volkes nur auf den Trümmern des Bolschewismus möglich sei. Auswirkung kultureller Veranstaltungen in Lettland: Die während der letzten Zeit gebotenen deutschen kulturellen Veranstaltungen sind nach den vorliegenden Meldungen weiterhin gut aufgenommen worden. So habe beispielsweise ein Gastspiel des Tänzerpaares Lisa Kretschmar und Günter Hess im Rigaer Schauspielhaus auch den ungeteilten Beifall der lettischen Fachkreise gefunden, sie als grosse künstlerische Leistung gewertet und vom Publikum mit starkem Beifall bedacht worden. Der Erfolg sei bei dem ausgezeichneten Rigaer Opernballett um so höher einzuschätzen. Es wurde in diesem Zusammenhang wieder darauf hingewiesen, dass man sich bei der Entsendung von deutschen Künstlern

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nach dem Osten immer vergegenwärtigen müsse, dass man nur mit guten und besten Kräften kulturpolitische und propagandistische Erfolge erzielen könne. Der Versuch, nach dem Vorbild im Reich Werkpausenkonzerte durchzuführen, fände bei der lettischen Arbeiterschaft wenig Anklang. Die Schuld daran wird im wesentlichen mit einer ungeschickten Programmzusammenstellung begründet. Die Meldungen heben hervor, dass sich die Wehrmachtsveranstaltungen für die Verwundeten sehr günstig ausgewirkt hätten, weil sie gemeinsam für deutsche als auch für finnische, spanische und lettische Soldaten durchgeführt wurden. Die meisten lettischen kulturellen Veranstaltungen, deren künstlerisches Niveau im Durchschnitt gut gewesen sei, hätten unverkennbar eine nationale Note getragen. So habe am 16. 3. 43 in Riga eine Gedenkfeier für die lettische Dichterin Aspazija, bei der ein Grossteil der Generaldirektoren anwesend war, stattgefunden, bei der ein Gedicht vorgetragen wurde, das auf dem deutschsprachigen Teil des Programms fehlte. Als dieses Gedicht in einem Bekenntnis zur Zukunft ausklang, habe ein spontan nicht enden wollender Beifall eingesetzt, der bewusst demonstrativen Charakter getragen hätte. Während der Erstaufführung der Operette „Die glückliche Reise“ von Eduard Künnecke in lettischer Übersetzung im Rigaer Volkstheater, in der nur durchschnittliche Leistungen gezeigt wurden, sei in besonders drastischer Weise ein sogenannter Foxtrottswing von den Künstlern Rudzitis und Bumanis geboten worden. Im Gegensatz hierzu habe die Erstaufführung der tragisch-komischen Novelle „Geld“ des lettischen Dichters N. Sivers im Rigaer Schauspielhaus eine Karikatur der Swing-Jugend gebracht. So sei durch die Aufeinanderfolge die Tatsache geschaffen worden, dass in einem deutschen Stück der Swing popularisiert, in einem lettischen Stück aber als unzeitgemäß abgelehnt wird. Die lettische Künstlerschaft erregte sich nach vorliegenden Meldungen über die von deutscher Seite nicht genehmigte Verstärkung des Orchesters für die „Requiem“- Aufführung von Verdi, die dieses Mal eine rein lettische Angelegenheit war. Es wurden mehrfach Äusserungen laut, dass die Deutschen im Gegensatz zu den Propagandaankündigungen die lettische Kunst nicht nur nicht zu fördern und zu pflegen beabsichtigen, sondern darüber hinaus unterdrücken wollen. Das Verlangen der Bevölkerung nach guten Filmen ist in Verbindung mit dem Wunsch, mehr Kinos zu eröffnen, weiterhin gross. Die gezeigten Wochenschauen fanden durchweg bei der Bevölkerung Interesse. Bemängelt wird nach den Meldungen, dass die Bildstreifen über die aktuellen Themen und die örtlichen Geschehnisse mitunter zu veraltet seien oder zu oft wiederholt würden. So laufe der im grossen und ganzen bildmäßig gut gehaltene Aufruf des Reichskommissars Lohse schon die dritte Woche und hinterlasse bei den Zuschauern kaum noch Eindruck. Aufnahmen wie die von der Modenschau in Kopenhagen müssten vermieden werden, da sie bei dem lettischen Publikum keinen Anklang fänden. Die gezeigten eleganten Sommertoiletten erschienen in der gegenwärtigen Lage vollkommen uninteressant und seien keineswegs für die lettische Bevölkerung geeignet. Die Bildreihe erwecke in den minderbemittelten bzw. beziehungslosen Kreisen der Bevölkerung geradezu Erbitterung, da Stoffe in solchen Mengen in Lettland nicht zu erhalten seien. Es werde vielmehr die Ansicht erzeugt, dass anscheinend in Deutschland von Dänemark derartige Dinge noch in Hülle und Fülle vorhanden wären. Gut aufgenommen werden alle Bildfolgen, die das lettische Volk irgendwie berühren, z. B. die Anmeldung zur Lettischen Legion, die Beteiligung des lettischen Volkes im Kampf gegen den Bolschewismus. Günstige Aufnahme habe auch die Reihe über die totale Mobilisierung des deutschen Volkes gefunden. Das lettische Publikum sei beeindruckt gewesen, mit welcher Begeiste-

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rung das deutsche Volk im totalen Krieg seiner Pflicht nachkomme. Hinsichtlich der Gestaltung der Wochenschau werde von den Letten laufend der Wunsch ausgesprochen, interessante Kampfaufnahmen stärker herauszustellen. C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR Stalin hat nunmehr durch die Übernahme des Oberbefehls über die sowjetische Kriegsmarine eine weitere Konzentration der militärischen Befehlsgewalt auf seine Person vorgenommen. Statt des bisherigen Titels „Oberster Befehlshaber der Roten Armee“ führt er jetzt die Bezeichnung „Oberster Befehlshaber der Sowjetunion“. 2 Nach sowjetischen Kriegsgefangenenaussagen haben die Transportschwierigkeiten infolge des eingetretenen Tauwetters an der gesamten Front zu einschneidenden Kürzungen in der Verpflegungszuteilung der kämpfenden Truppe geführt. Die zustehende Brotration von 900 gr täglich werde oft auf 500 gr herabgesetzt. Auch die übrige Verpflegung werde nur unregelmäßig geliefert. In diesem Zusammenhang ist eine Meldung aus Moskau aufschlussreich, nach der die Versorgung der Front zur Zeit in erster Linie durch Transportflugzeuge erfolgt. Seit Februar d. J. sei ein Lufttransportkorps geschaffen worden. Es umfasse mehrere tausend Flugzeuge, vorwiegend viermotorige Maschinen, die bis zu 4 to Last befördern und 25 völlig ausgerüstete Soldaten an Bord nehmen können. Die schon häufig von sowjetischen Gefangenen angeführten Mängel, was Ausbildung und Ausrüstung der Reserven anbetrifft, werden auch jetzt von offizieller Stelle bestätigt. Nach diesen amtlichen Auslassungen genügen nur 20 % der neuausgebildeten Soldaten den militärischen Anforderungen. Wesentlich anders ist die Rote Luftwaffe zu beurteilen. In deutsche Hände geratene sowjetische Flieger bezeugen übereinstimmend, daß die Angehörigen der Roten Luftwaffe geistig und körperlich gesehen eine Auslese darstellen. Noch immer haben die Soldaten aus Einheiten, die während eines knappen Monats rd. 40 % Verluste an Maschinen und Personal aufwiesen, den unerschütterlichen Glauben an einen sowjetischen Sieg behalten. Die Verpflegung der Luftwaffe soll ausserdem sehr gut sein. Über die Auswirkung des Aufrufs von Generalleutnant Wlassow auf die Rotarmisten liegen erst vereinzelte Aussagen vor, denen zu entnehmen ist, daß über die 13 Punkte des Flugblattes eifrig diskutiert wird. Die deutsche Veröffentlichung über die Ermordung der polnischen Offiziere im Walde von Katyn 3 kam den Sowjets sehr ungelegen. In einem TASS-Dementi werden die deutschen Meldungen als niederträchtige Lügen abgetan. Diese Verbrechen wären von den Deutschen selbst verübt worden. Danach befanden sich die ehemaligen Kriegsgefangenen im Sommer 1941 im Gebiet westlich Smolensk bei Bauarbeiten, und beim Rückzug der Roten Armee seien sie in deutsche Hände gefallen. Diese angeblich von den Deutschen inszenierten Mordtaten versucht die sowjetische Propaganda durch Heranziehung der übrigen Greueltaten, die von den Nazis an der sowjetischen Bevölkerung verübt wurden, glaubhafter zu schildern. In Moskau fand ein Treffen von Müttern und Frauen der Frontkämpfer statt. Die Frauen versprachen, der Front noch mehr zu helfen als bisher und alles für die Fortsetzung des Krieges einzusetzen. Über den Schülereinsatz in der Kriegswirtschaft wird aus Moskau berichtet, daß die Schüler neben ihren Schularbeiten bisher 3 000 000 to Kohle, 800 000 to Erz und 130 000 to Erdöl gefördert haben. Die vor kurzem vorgenommene Ernennung von Kaganowitsch als Volkskommissar für das Verkehrswesen brachte mit einer am 15. 4. 43 veröffentlichten Verordnung des Präsidiums des Obersten Rats der Sowjetunion die Einführung des Kriegszustandes auf allen sowjetischen Eisenbahnen. Einleitend wird in dieser Verordnung festgestellt, daß ein gewisser Teil der Arbeiter und Angestellten des sowjetischen Eisenbahntransportwesens ein

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undiszipliniertes und unverantwortliches Verhalten im Dienst gezeigt und damit die Arbeit im Eisenbahntransportwesen sabotiert haben. Damit wäre die pausenlose Versorgung der Roten Armee in Frage gestellt. Zweck der Verordnung sei die „Schaffung einer strengen Ordnung im Eisenbahntransportwesen“ und die „Zügelung der undisziplinierten Arbeiter“. Alle Arbeiter und Angestellten des Eisenbahntransportwesens werden als für die Kriegszeit mobilisiert betrachtet und gelten als Militärbeamte. Sie unterstehen der militärischen Gerichtsbarkeit. Der Volkskommissar für das Verkehrswesen und die Chefs der Eisenbahnen werden verpflichtet, die uneingeschränkte Anwendung der Bestimmungen sicherzustellen. Inzwischen wurden auch alle nicht unbedingt kriegswichtigen Transporte unterbunden und durch diese Maßnahmen – trotz des noch immer vorhandenen Waggonmangels – eine wesentliche Verbesserung in der Belieferung der Rüstungsbetriebe erreicht. Die Zuggeschwindigkeit beträgt wegen des schwachen Unterbaues auf wichtigen Strecken nicht mehr als 40 km in der Stunde. Durch die erstklassige Beschaffenheit des rollenden Materials und der Rangierbahnhöfe soll aber eine intensivere Ausnützung der bestehenden Anlagen erreicht werden. Mit Hochdruck wird das Eisenbahnnetz in den wiedereroberten Gebieten in Ordnung gebracht. Aus Moskau wird gemeldet, daß am 11. 4. 43 der erste Passagierzug wieder die Strecke Moskau–Stalingrad befahren habe. Eine nicht geringere Bedeutung legen die Sowjets den wieder eisfrei gewordenen Flussverbindungen der Wolga und im Ural zu. Die sibirischen Flüsse werden frühestens Ende April bezw. Anfang Mai schiffbar sein. Damit rückt die Frage des Wassertransportes wieder in den Vordergrund. In einem Aufruf an die sowjetische Bevölkerung wird auf den schlechten Zustand der Wassertransportwege hingewiesen, der mit allen Mitteln gebessert werden müsse. Die Front hänge in starkem Maße von diesen rückwärtigen Verbindungen ab. Ein grosser Teil der Flußfahrzeuge sei zerstört und hätte während des Winters nicht ersetzt und ausgebessert werden können. BAB, R 58/224 1

In Wirklichkeit war Ulmanis am 20. 9. 1942 im sowjetischen Gefängnis Krasnowodsk gestorben. Vgl. Jörg Baberowski: Verbrannte Erde. Stalins Herrschaft der Gewalt, München 2012, S. 395–453. 3 Die sowjetischen Massaker in diesem Wald 20 km westlich Smolensk hatten zwischen dem 3. 4. u. 19. 5. 1940 stattgefunden. Die Gräber wurden im Febr. 1943 von deutschen Soldaten entdeckt. Am 13. 4. 1943 gab das NS-Regime die Leichenfunde bekannt; vgl. Czesław Madajczyk: Das Drama von Katyn, Berlin 1991; Gerd Kaiser: Katyn. Das Staatsverbrechen – das Staatsgeheimnis, Berlin 2002. 2

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 30. April 1943 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 52 […] A. Gegner und Exekutivfragen Litauische Widerstandsbewegung: Die illegalen Organisationen und ihre Presse entfalteten zu Beginn des Monats März eine gesteigerte Aktivität. Den Anlass hierzu bildete die Erfassung der Jahrgänge 1919–1924 und die Aufstellung der Litauischen Legion. Es wurden zahlreiche Hetzschriften in Umlauf gesetzt, die mit fast gleichlautendem Text auffor-

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derten, sich zur Musterung nicht zu stellen und einer evtl. Festnahme durch die Flucht in die Wälder vorzubeugen. Einer militärischen Erfassung sollte nur dann Folge geleistet werden, wenn sie von der Regierung eines unabhängigen Litauens durchgeführt würde. Allgemein kam zum Ausdruck, daß litauisches Blut für die Interessen der deutschen Okkupanten nicht vergossen werden dürfe. Diese systematische Verhetzung der Jugend bewirkte, daß bereits vor Schliessung der Universitäten sich zahlreiche Studenten aufs Land begeben haben, wo sie sich bei der Eigenart des dünn besiedelten und bewaldeten Landes leichter vor dem polizeilichen Zugriff durch deutsche Organe sichern können. Als Gegenmaßnahme wurden daher 48 führende Persönlichkeiten festgenommen. In der Hauptsache wurde auf Personen zurückgegriffen, die seit Monaten aus deutschfeindlicher Einstellung heraus deutsche Maßnahmen sabotiert hatten oder bei der Verbreitung deutschfeindlicher Hetzschriften hervorragend beteiligt waren. Zu dem Kreis der Festgenommenen gehörten auch der Stellvertreter des I. Generalrates Naraskas, der führend bei der Herstellung der illegalen Hetzschrift „Zur Freiheit“ tätig war. Er nahm ausserdem eine führende Stellung in einer illegalen Militärorganisation ein. Die Festnahmeaktion löste die Flucht weiterer in ähnlicher Art belasteter Persönlichkeiten in die Provinzstädte und aufs Land aus. Die Hetzschriftenverbreitung hat als Folge der Aktion nachgelassen. Polnische Widerstandsbewegung: In Wilna ist die Tätigkeit der Polen unverändert. Erbitterung herrscht bei der polnischen Widerstandsbewegung darüber, daß die polnische Exilregierung Sikorski von der UdSSR keine Garantien über den künftigen Verlauf der polnischen Ostgrenze erlangen konnte. Die Polen sehen allmählich ein, daß ihnen keine ausländische Macht bei der Wiedererlangung der Unabhängigkeit Unterstützung gewähren kann. Sabotage- und Terrorakte waren im Monat März nicht zu verzeichnen. Ob die Ermordung des Hauptschriftleiters der Wilnaer Zeitung „Goniez Godnienny“, der deutschfreundlich eingestellt war, von der PW organisiert wurde, steht nicht einwandfrei fest, ist aber zu vermuten. Die Ermittlungen über die Tätigkeit der polnischen Eisenbahnsabotagegruppe im Gebiet von Pabrade südlich Wilna sind abgeschlossen. Im Zuge der Aufklärung der Sabotagefälle wurden 31 Polen festgenommen, von denen ein grosser Teil früher bei der Eisenbahn beschäftigt und später entlassen worden war. Die Sabotagegruppe bestand aus 23 Männern, die von dem polnischen Strassenbautechniker Sklenik geführt wurde. S. hatte kurz nach dem Einmarsch der deutschen Truppen im Dorf Gudiai bei Pabrade eine Versammlung einberufen und die daran teilnehmenden wehrfähigen Männer zu einer polnischen Bandengruppe zusammengeschlossen. Die Teilnehmer wurden vereidigt und mit dem Tode bedroht, falls sie Verrat üben würden. Durch die Gruppe wurden an der Strecke Wilna–Dünaburg mehrere Sabotageakte verübt. In einem Falle entgleisten 3 Lokomotiven und beschädigten die Strecke schwer. Die Attentäter waren zum Teil im Besitz von Schusswaffen. Im Zuge der Festnahmeaktion wurden 6 weitere Polen wegen verbotenen Waffenbesitzes ermittelt. Seit der Aufrollung dieser Sabotagegruppe sind in dem Gebiet von Pabrade keine Eisenbahnanschläge durch polnische Gruppen mehr verübt worden. Bandentätigkeit im Bereich des Kommandeurs Litauen: Im Gebiet Kauen konnte eine aus 36 Banditen bestehende Gruppe, die sich aus flüchtigen Kommunisten, Kriegsgefangenen, Fallschirmspringern und ihren Helfershelfern zusammensetzte, unschädlich gemacht werden. Ihre Ziele deckten sich mit denen der sowjetischen Agenten und Fallschirmspringer. Die Bande war sehr gut und ausreichend mit Maschinen- und Faustfeuerwaffen ausgerüstet. Es konnten ihnen 4 Raubmorde nachgewiesen werden, darunter der Mord an dem litauischen Oberst Alyta, weiter zwei Mordversuche, 9 Raubüberfälle und der Eisenbahn-

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anschlag am 21. 5. 42 auf die Strecke Kauen–Dünaburg, wobei die Lokomotive und 9 Wagen eines leeren Lazarettzuges umstürzten und zertrümmert wurden. Die Banditen, unter denen sich mehrere Frauen befanden, zeigten bei ihren Aktionen besondere Brutalität. Innerhalb ihrer eigenen Reihen erschossen sie ihren Führer und zwei weitere Bandenmitglieder. Die Verurteilung des grössten Teiles der Bandenmitglieder durch das Standgericht löste in der Bevölkerung Befriedigung aus. In den Kreisen Wilna-Land und Eischiskis hält die Tätigkeit aus Weissruthenien herüberwechselnder Banden unvermindert an. Durch Fehlen geeigneter Fernsprechverbindungen oder deren vorherige Zerstörung, wodurch in den meisten Fällen die Benachrichtigung der Polizei- oder Gendarmerieeinheiten verzögert bezw. unmöglich gemacht wird, gelingt es den Banditen immer wieder, ihre Raubzüge ungehindert durchzuführen. Vorwiegend werden Lebensmittel, Geld, Getreide, Vieh und andere Gebrauchsgegenstände entwendet. Die Bauern werden unter Drohungen verpflichtet, ihre Fuhrwerke zur Verfügung zu stellen. Nachstehend einige Einzelmeldungen über Raubüberfälle und Sabotageakte, die durch Minenlegung und Sprengstoffanschläge verübt wurden: In der Nacht zum 1. 3. 43 überfielen 30 schwer bewaffnete Banditen auf 8 Schlitten das Dorf Mesialasnis. Es wurden Kleidungsstücke und andere Gegenstände geraubt, ein Bauer wurde erschossen. In der gleichen Nacht erschienen mehrere bewaffnete Banditen im Dorf Vieveriskai und raubten Lebensmittel. Die Bevölkerung wurde während des Überfalles gezwungen, sich mit dem Gesicht zur Wand zu stellen. Unter den Banditen befand sich ein Ortsansässiger. Am 4. 3. 43 wurde von unbekannten Tätern die Eisenbahnstrecke Wilna–Varena durch eine Mine gesprengt. Eine Lokomotive und 6 Wagen entgleisten. Zwischen der Zugbegleitung und der Bande fand ein Feuergefecht statt. Am 6. 3. 43 überfiel eine grosse und schwer bewaffnete Bande ein Gut und raubte Schweine, Pferde, Lebensmittel und Getreide. Die Fernsprechleitung wurde zerschnitten. Die Bande zog sich auf weissruthenisches Gebiet zurück. Am gleichen Tage wurden durch einige Banditen gewaltsame Pferdediebstähle durchgeführt. Den Bauern, die mit ihrem Fuhrwerk zur Kriegstransportaktion eingesetzt waren, wurde angedroht, daß bei Fortsetzung der Dienstleistung für die Deutschen ihre Dörfer in Brand gesteckt würden. Am 11. 3. 43 wurden auf der Eisenbahnstrecke Sienlaukis–Lyduwenai die Laschen von den Gleisen gelöst. Unter den Gleisen befanden sich 700 gr Sprengstoff, der nicht explodierte. Fallschirmspringer, Saboteure: Im Raum von Luga, etwa 1 km westlich Oretewo, wurden 10 Fallschirmspringer und bei Lipa, 9 km nordwestlich Ossmino, 3 Fallschirmspringer abgesetzt. Von einem Spähtrupp konnten in einem Versteck am Nordrande des westlichen BassathSumpfes 13 Fallschirme und die Reste von 2 verbrannten Fallschirmen gefunden werden. Über den Verbleib der Fallschirmspringer ist bisher nichts bekannt. Nach Feststellungen wurden diese in letzter Zeit unter Führung von Offizieren der Roten Armee eingesetzt und sind ständig als Rotarmisten gekleidet. Die Sabotagetätigkeit, vorwiegend durch Minenlegung auf den von Wilna ausgehenden Eisenbahnstrecken, hat zugenommen. In 8 Fällen wurde der Gleiskörper beschädigt. Grösserer Sach- oder Personenschaden ist nicht entstanden. Durch einen Brand wurden 2 Garagen einer deutschen Einheit und 2 angrenzende russische Wohnungen zerstört, wobei nach bisherigen Feststellungen 2 Pkw, 8 Lkw, 6 Anhänger, 1 Radschlepper, Nachrichtengerät und 1 grösserer Kartoffelvorrat vernichtet wurden. Vermutlich wurde von der an die Rückwand der Garage grenzenden Wohnung ein Brandsatz angebracht. Ein hier wohnhafter Sowjetrusse, der im Besitz eines Koffers mit Jagdpatronen war, wurde festgenommen.

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In Nikolajew gelang es, 2 Ukrainer bei der Zerstörung von Getreidesilos festzunehmen. Im Hofe des Pumphauses des Bahnhofs Romadan explodierte ein Sprengkörper, wobei 2 Soldaten und 1 Ukrainer verletzt wurden. Ein Lazarettzug (Leerzug) fuhr auf der Strecke Wilna–Minsk zwischen Beala und Smorgonie auf eine Mine. Ein Schutzwagen und 3 Lazarettwagen entgleisten. Die Strecke war nach 30 Minuten wieder befahrbar. In Solotonoscha, Kommandeurbereich Kiew, gelang die Aushebung einer Sabotagegruppe in Stärke von 24 Personen. Der Leiter, ein Major der Roten Armee, wurde bei einem Fluchtversuch erschossen. 10 unbekannte bewaffnete Banditen überfielen den Bahnhof Gieladnia auf der Bahnstrecke Pabrade–Ostany und zerstörten die Fernsprechanlage sowie die Inneneinrichtung. Der einheimische Bahnhofsvorsteher, 2 Fahrdienstleiter und 1 Weichensteller wurden in den Wald verschleppt. B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung in Ingermanland: Nach den vorliegenden Meldungen hat sich die Stimmung der Zivilbevölkerung in den letzten Wochen, bedingt durch die Stabilisierung der Südfront und die abgeschlagenen Angriffsversuche an der Nordfront auf die deutschen Stellungen, verbessert. Das Vertrauen zur Schlagkraft der deutschen Waffen ist wieder erheblich gestärkt. Die bei der in den Frontgebieten lebenden Bevölkerung noch bemerkbare Nervosität ist auf die Angst zurückzuführen, dass es den Roten doch noch gelingen könnte, die Linien einzudrücken. Die Leute, die durch die deutschen Truppen Arbeit und Brot gefunden haben und aus diesem Grunde eine deutschfreundliche Haltung annahmen, fürchten mit Recht Vergeltungsmaßnahmen der Sowjets im Falle einer Wiederbesetzung. Eine Verbesserung der Stimmungslage ist auch auf die kürzlich erfolgte Erhöhung der Brotrationen zurückzuführen. Die Tatsache, dass die russischen Hilfswilligen gut behandelt werden und volle Wehrmachtsverpflegung erhalten, wirkt sich bei der Zivilbevölkerung zum Teil stimmungsauflockernd aus. Auf der anderen Seite entstehen naturgemäß viel Mißgunst und erbitterte Vergleiche unter den auf „kleinen Russensatz“ gesetzten Zivilarbeitern. Drückend fühlbar macht sich in Anbetracht des z. Zt. herrschenden Tauwetters der Mangel an Schuhwerk bemerkbar. Eine ungünstige Beeinflussung der Stimmungslage erfolgt durch die Tatsache, dass es trotz Bemühen der zuständigen Wehrmachtsdienststellen unmöglich ist, Übergriffe einzelner Wehrmachtsangehöriger gegenüber der Bevölkerung vollkommen abzustellen.1 Da die Zivilisten von einer Bestrafung der Täter nichts erfahren, leben sie in dem Glauben, dass sie trotz gegenteiliger Bestimmungen schutzlos einer etwaigen Willkür eines Soldaten ausgeliefert sind. Der „Offene Brief“ des Generals Wlassow2 wurde in der Bevölkerung gut aufgenommen und wird lebhaft erörtert, doch ist der Tenor aller dieser Gespräche ein abwartender. Man will zunächst etwas Positives sehen. Hartnäckig hält sich das Gerücht einer bevorstehenden Aushebung für die russische Nationalarmee, das, je nach der persönlichen Einstellung, positiv oder negativ beurteilt wird. Die Arbeitsverpflichtungen nach Deutschland sind zurückgegangen. Diese Tatsache beruht auf den Gerüchten über schlechte Behandlung und Verpflegung in Deutschland, die bei der Zivilbevölkerung verbreitet sind. Den Feststellungen zufolge ist es immer noch möglich, dass Wehrmachtsangehörige Briefe zwischen Russen über ihre Feldpostnummer vermitteln. Die Festsetzung der Milchabgabemenge auf 400 Liter pro Kuh und Jahr hat auf dem Lande allgemeine Unzufriedenheit ausgelöst. Da der Bauer unter den Sowjets nur 270 1 per Kuh und Jahr abliefern musste, empfindet man diese Maßnahme als zu hart. Propagandawesen und Führungsmittel in Ingermanland: In den vorliegenden Meldungen wird der gegenwärtige Stand der gesamten deutschen Propaganda in Ingermanland als

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unbefriedigend bezeichnet. Die Mängel beruhten zum Teil in grundsätzlich ungelösten Problemen, zum anderen Teil in Schwierigkeiten und Fehlern äusserer bezw. technischer Natur. In den Berichten werden die nachstehenden, über Ingermanland hinaus gültigen Themen behandelt: 1) „Was haben die Deutschen mit Russland vor?“: An einer Beantwortung dieser Frage werde die deutsche Propaganda nicht mehr vorüber können, zumal nachdem mit der Einstellung russischer Kräfte als Freiwillige in Ostbataillonen und Hilfswillige in breitem Umfang begonnen worden ist. Entscheidend sei in der Beantwortung nicht, dass eine staatspolitische Lösung jetzt bereits in genaueren Umrissen aufgezeigt werde, sondern dass es gelingen müsse, die vorhandene Unruhe durch geglückte Formulierungen und evtl. durch Inangriffnahme von Teilproblemen zu befriedigen. Einige Realitäten müssten aber als Propagandaunterlage vorhanden sein. Der Begriff „Neues Europa“ allein ohne nähere Erläuterungen erweise sich als zu blaß, umsomehr als seitens der Sowjetpropaganda sehr konkrete Äusserungen über die von den Deutschen zu erwartenden Maßnahmen getan werden, denen bisher keine Argumentation entgegengestellt worden sei. Die propagandistische Wirkung der im Frühjahr 1942 verkündeten Agrarordnung sei weitgehend an dem Ausbleiben praktischer Verwirklichungsmaßnahmen gescheitert. Damit rücke aber auch das Thema aus dem Rahmen einer propagandistischen Behandlung heraus. Der Start des Smolensker Aufrufes hat zweifellos erhebliches Aufsehen in weiten Bevölkerungskreisen erregt, zeigte aber auf die Dauer keine nachhaltige Wirkung: „Zunächst waren die Flugblätter nur zum Einsatz hinter der Front [Eine Zeile unleserlich] lange Zeitspanne bis zur öffentlichen Bekanntgabe der Smolensker Punkte im Armeebereich erregte bereits teilweise Misstrauen. Weiter wurde die Glaubwürdigkeit durch die Tatsache erschüttert, dass deutscherseits weder durch die Presse noch durch den Funk eine weitere Stellungnahme erfolgte. Zweifelsohne ist es der Rührigkeit und den persönlichen Bemühungen einzelner Bereichskommandanten und Rayonchefs gelungen, durch mündliche Besprechungen der Smolensker Punkte auf Versammlungen die propagandistische Wirkung im einzelnen zu retten und damit eine positive und dankbare Aufnahme dieser Verlautbarung zu erreichen. Sehr günstig wirkte sich ferner der Abdruck von Wlassows ‚Offenem Brief‘ in den Zeitungen ‚Der Freiwillige‘ und ‚Ssewernoje Sslowe‘ am 17. 3. 43 aus. Der Inhalt des Aufsatzes überzeugte; die bis dahin zumeist unbekannte Person Wlassows wurde den Lesern ein Begriff und der Glaube an das Gewicht der Smolensker Punkte gefestigt. Trotzdem blieb vielen kritisch denkenden Russen die Unsicherheit und Unschlüssigkeit des deutschen Verhaltens kein Geheimnis und diente jedenfalls nicht dazu, ein in diesen Kreisen vorhandenes Mißtrauen auszulöschen.“ 2) „Der russische Untermensch“ 3: Viele schlagkräftige Losungen der sowjetischen Propaganda gingen ebenso wie zahlreiche Fälle einer politisch „ungeschickten“ Behandlung der russischen Bevölkerung auf das Bild zurück, das die deutsche Binnenpropaganda vom russischen Menschen gezeichnet habe. 4 Gewisse Mißerfolge der deutschen Propaganda gingen auf das verzerrte Bild zurück, das sich diese selbst vom russischen Menschen und den russischen Verhältnissen gezeichnet hätte. Dieses Bild vom Menschen der Sowjetunion lasse sich aber nach der Indienststellung russischer Freiwilligenformationen, der Verwendung russischer Hausmädchen, den Erzählungen heimkehrender Urlauber usw. in der bisherigen Form für die deutsche Binnenpropaganda schwerlich noch halten, wirke jedoch sehr nachteilig dadurch, daß die daraus resultierende ungünstige Behandlung russischer Industriearbeitskräfte im Reich, in der Landwirtschaft und in Haushaltungen sowie die als überauffällig empfundene äußere Kennzeichnung die Wirksamkeit einer deutschen

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Nr. 32: Zerstörtes Baranowicze Juli 1944

Propaganda in den besetzten Gebieten laufend stark hemme. Ebenso und mit der gleichen Rückwirkung auf die deutsche Propaganda würden von der Bevölkerung die Anordnungen wie die Beschränkung des Schulwesens auf vier Grundschulklassen gewertet und als Ausflüsse eines deutschen „Kolonialstandpunktes“ empfunden. Solange deutscherseits eine überzeugende Widerlegung der sowjetischen Propagandathesen („Weisse Neger“ usw.) nicht möglich sei, könnten wirkliche deutsche Propagandaerfolge nicht erwartet werden. 3) „An wen wendet sich die deutsche Propaganda?“: Eine Bewertung der russischsprachigen Presse sowie vor allem des zur Zeit vorliegenden Broschürenmaterials erweise, dass

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noch offensichtlich Unklarheiten bestünden. Ersichtlich sei wohl die Grundtendenz, sich an eine in ihren geistigen Ansprüchen nicht klar eingeschätzte „breite Masse“ zu wenden. Dennoch seien gerade aus Kreisen dieser breiten Masse immer wieder Äusserungen zu hören, bestimmte Artikel oder Broschüren seien zu hoch oder zu abstrakt, während sich auf der anderen Seite Vertreter der Intelligenzschicht und gehobenen Berufe über das völlige Fehlen „einer niveauvollen geistigen Nahrung“ beschwerten, die ihnen das Eindringen in die zunächst noch zu wesensfremde Welt des neuen Europas verwehre. Beide Beanstandungen seien beachtenswert, vor allem die letztere, da die Praxis täglich zeige, in welch hohem Maße der erfolgreiche Aufbau auf die innere Bereitschaft gerade der minder zahlreichen Intelligenzvertreter angewiesen sei. 4) „Welche wirklich vorhandenen Propagandabedürfnisse sind zu decken?“: Die Erfahrungen lehrten, dass von dem zur Zeit angebotenen Broschürenmaterial ein beachtlicher Teil eigentlich überflüssig sei. Die Broschüren würden zwar aus einem ausserordentlichen Lesebedürfnis der Bevölkerung heraus mitgenommen, wenn sie nicht zu teuer seien, erregten jedoch kein Interesse und erführen häufig Ablehnung. Auf der anderen Seite blieben zahlreiche Fragen und Themen unbehandelt, nach deren Beantwortung ein wirkliches Bedürfnis bestehe. Es sei z. B. nicht notwendig, für den aus der Sowjetzeit her bereits mit Ablehnung gegen den Kapitalismus durchtränkten Russen noch extra eine Broschüre über die Verworfenheit der britischen Sozialpolitik herauszubringen. Das Auslegen von Ausstellungsbildschriftchen über die Vorzüge des Landlebens in den Propagandaläden werde geradezu abfällig beurteilt. Dagegen herrsche ein geradezu auffallender Hunger nach jeglicher Art sachlicher Belehrung. Dies gelte in einem vorwiegend agrarischen Gebiet wie Ingermanland natürlich hauptsächlich für landwirtschaftliches Schrifttum. Der Bauer sei bereit zu produzieren, „die Deutschen sollen uns nur sagen, wie man das machen muss“. Hinzu komme, dass gerade auf diesem Gebiet in den letzten Jahren des Sowjetsystems durch die die Kolchose betreuenden Agronomen in dieser Beziehung viel geschehen wäre. Weit darüber hinaus zeige der Russe eine umso grössere Wissbegierde, je mehr ihm zu dämmern beginne, dass das bisherige Bild, das die Sowjets ihm von der Welt ausserhalb der Räteunion zeichneten, falsch gewesen sei. Diese Wissbegierde richte sich natürlich vor allem auf Deutschland, den Nationalsozialismus, die Lösung deutscher Sozialarbeitsfragen u. a. m. Er suche darüber Aufklärung, weil er sich ein Bild von der künftigen Gestaltung der Dinge im eigenen Lebensraum machen wolle. Diese Tatsache werde oft ausser Acht gelasssen. Im grossen und ganzen suche man dem Russen lediglich klar zu machen, „dass es in Deutschland besser ist“, und erziele damit leicht die unbeabsichtigte Nebenwirkung, das russische Selbstgefühl in eine Art Verteidigungsstellung zu treiben, wodurch aber die beabsichtigte propagandistische Wirkung oft weitgehend aufgehoben würde. Wesentlicher als den Glauben an eine deutsche Überlegenheit wecken zu wollen – dieser stelle sich bei der grossen Bereitschaft der Bevölkerung, sich führen zu lassen, von selbst ein, wenn sie die führende Hand spüre – sei die Überzeugung zu festigen, daß es auf allen Fragen der Lebensgestaltung bessere Lösungen gibt, als sie bisher das Sowjetsystem fand, und daß ein guter Teil dieser Lösungen praktisch bereits ausserhalb des Sowjetgebietes (nämlich in Deutschland) verwirklicht wurde. Das zweite Gebiet, für dass die russische Bevölkerung ein bisher viel zu wenig befriedigtes Interesse zeige, sei die laufende Unterrichtung über die Entwicklung der Dinge im russischen Lebensraum und zwar sowohl im besetzten als im unbesetzten Gebiet. Die weitgehende Nahrungsmittelteuerung, die Geldentwertung, die totale Heranziehung

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der Bevölkerung aller Altersklassen für die Erfordernisse des Krieges einschliesslich Strassen- und Befestigungsbau, die sowjetische Etappenkorruption seien der Zivilbevölkerung so gut wie völlig unbekannt geblieben. Die Akzentsetzung dürfe, da diese Notstände für die Angesprochenen ja selbst gelten, nicht in einer primitiven Schwarzmalerei der Sowjetverhältnisse bestehen, sondern müsse davon ausgehen, der Bevölkerung klar zu machen, dass das durch die Friedenszustände diktierte Bild, das der Einzelne sich oft noch von den Verhältnissen im unbesetzten Gebiet mache, falsch sei, da dort „ebenfalls“ Teuerung, Arbeitszwang, Bekleidungsmangel und ähnliche Erscheinungen herrschten. 5) „Nur Sachlichkeit überzeugt“: Die russische Bevölkerung war durch die Sowjets bis zum Überdruß mit Propaganda übersättigt. Die sogenannten Losungen waren Gegenstand des Volkswitzes geworden. Diese Übersättigung sei ein Grund dafür, dass trotz günstiger Voraussetzungen (ungeschickte Behandlung, allgemeine Notlage) die Sowjetpropaganda im besetzten Gebiet verhältnismäßig geringe Erfolge erzielte und dass z. B. den Flugblattmeldungen über sowjetische Siege zum Teil nicht geglaubt worden sei, bis sie deutscherseits eine Bestätigung erhalten hätten. Die sachliche Form der deutschen Wehrmachtsberichte habe demgegenüber ein ganz anderes Vertrauen erzielen können. Mit dem Mißtrauen gegen jede Form der propagandistischen Übertreibung müsse die deutsche Propaganda in einem weit grösseren Maße, als bisher spürbar gewesen sei, rechnen. Dies bestätigten alle Erfahrungen, gleichgültig ob es sich um schriftliche, mündliche oder Bildpropaganda gehandelt habe. Praktisch bedeute das, dass vor allem in der Verwendung und Beaufsichtigung russischer Journalisten und Propagandisten grösste Aufmerksamkeit herrschen müsse, da diese aus ihrer bisherigen Praxis Methoden anzuwenden geneigt seien, die in den Augen der Sowjetbevölkerung weitgehend Bankrott erlitten hätten. […]. C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR Die Stimmungslage der sowjetischen Bevölkerung ist nach erneuten Meldungen trotz starker arbeitsmäßiger Beanspruchung und in einzelnen Gebieten angespannter Lebensbedingungen nach wie vor nicht niedergedrückt; dennoch ist die breite Masse mehr oder weniger uninteressiert und verhältnismäßig gleichgültig den Ereignissen gegenüber eingestellt. Die Parteiorgane versuchen durch häufige Versammlungen in den Betrieben die werktätige Bevölkerung anzuspornen und ihr die Bedeutung der Arbeit für den Vaterländischen Krieg klarzumachen. Ein wirkliches Mitgehen der Bevölkerung ist bis auf die führenden sowjetischen Kreise nicht festzustellen. Die scharfen Rekrutierungsmaßnahmen haben auf zahlreichen Arbeitsgebieten erneut erhebliche Schwierigkeiten in der Beschaffung von Arbeitskräften herbeigeführt, die durch zahlreiche Abkommandierungen nach den wiedereroberten Gebieten noch erhöht werden. Da die Bevölkerung bereits bis an die Grenze ihrer Leidensfähigkeit eingespannt ist, versuchen die Behörden durch einen neuen Propagandafeldzug unter dem Motto „Im Kriege ist die Zeit das Teuerste“ eine weitere Produktionssteigerung zu erreichen. „Keine Minute der Arbeitszeit darf verlorengehen. Mit allen Mitteln muss eine Beschleunigung des Arbeitstempos angestrebt werden.“ Die Heranziehung von Jugendlichen und Frauen nimmt ihren Fortgang. Sowjetischerseits wird darauf hingewiesen, dass es Betriebe gibt, in denen Halbwüchsige 9/10 der gesamten Belegschaft ausmachen. In diesem Zusammenhang wird die mangelhafte Ausbildung der Lehrlinge kritisiert, die zur Arbeit herangezogen würden, ohne dass sie entsprechend unterwiesen sind. Über die Behandlung von Arbeitssäumigen liegen Meldungen vor, nach denen diese mit einer Kürzung der Brotration bestraft werden.

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Aus Anlass der Frühjahrsbestellung wird der Landwirtschaft erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt. Es wird zum „Kampf um eine grosse Ernte“ aufgerufen. Nachteilig macht sich besonders das Fehlen von Traktoren bemerkbar. Eine grosse Anzahl von Traktoren ist für den Einsatz an der Front aus der Landwirtschaft herangezogen worden. Neue Traktoren werden kaum produziert, da die Fabriken auf die Herstellung von Kriegsfahrzeugen umgestellt wurden. Die in der Landwirtschaft eingesetzten Traktoren sind z. T. durch unsachgemäße Behandlung gebrauchsunfähig. Die Ausbildung von Traktorenführern wird stark vorangetrieben, selbst Schulmädchen sollen zum Einsatz kommen. Die z. Zt. stattfindende Frühjahrsaussaat ist durch einen Mangel an Saatgut gekennzeichnet. Mit verschiedenen Mitteln wird versucht, die Kolchosangehörigen zur Abgabe der letzten persönlichen Vorräte als Saatgut zu bewegen. Im Zusammenhang damit wurden neue Bestimmungen über die Erweiterung der Anbauflächen, die Ausnutzung des noch brachliegenden Bodens und der Vermehrung des Viehbestandes in den Sowchosen und Kolchosen erlassen. Unter anderem wurden den Schulen Grundstücke zugeteilt, auf denen Geflügelzucht und Kartoffel- und Gemüseanbau zu betreiben ist. Propagandistisch wird dem Kollektivsystem die grössere Leistung gegenüber anderen Wirtschaftsformen zugesprochen. Aus diesem Grunde sei auch eine Einschränkung der Kolchoswirtschaften z. Zt. oder nach dem Kriege nicht zu erwarten. Von anderer Seite wird jedoch betont, dass die Sowjetunion Anstalten trifft, das Kollektivsystem zu lockern, um die Arbeitsfreudigkeit der ländlichen Bevölkerung an der Erhöhung der Produktion zu steigern. Die sowjetische Verwaltung ist bemüht, die in den letzten Monaten akut gewordenen Schwierigkeiten auf dem Gebiet der Versorgung mit festen und flüssigen Brennstoffen zu beseitigen. Der Generatorenbau wird sehr stark gefördert und neue Treibstoffe wurden entwickelt. Ferner sind eine Reihe von Wasserkraftkleinstationen errichtet worden, die jeweils ein bestimmtes Werk versorgen. Die Torfgewinnung und -veredlung wird als Kohleersatz in starkem Maße betrieben. In Moskau wird aber darauf hingewiesen, dass die erzielten Fortschritte keineswegs den Erwartungen entsprechen. Im Zusammenhang mit der bekanntlich durch die sowjetische Regierung neu aufgelegten Staatsverteidigungsanleihe wird bekannt, dass die Beteiligung für Bürger der Sowjetunion obligatorisch sein soll und die Parteidienststellen die Anweisung erhalten haben, jede Sammeltätigkeit von Geldmitteln einzustellen. BAB, R 58/224 1 In dem beschriebenen Sachverhalt offenbart sich einmal mehr die Dimension entgrenzter Gewalt, die sich in den deutschbesetzten Gebieten als unmittelbare Konsequenz von Vernichtungskrieg u. „verbrecherischen Befehlen“ Hitlers bzw. der Wehrmachtsführung zeigte u., einmal in Gang gesetzt, augenscheinlich eben auch nicht mehr ohne weiteres einzudämmen war. 2 In Smolensk trat Wlassow am 26. 2. 1943 erstmals öffentlich auf u. versprach ein freies Rußland im Rahmen einer europäischen Staatengemeinschaft. Seine Rede wurde in einem „Offenen Brief“ publiziert. 3 Der vom SS-HA herausgegebene Bildband „Der Untermensch“ war 1942 in den besetzten Ostgebieten vertrieben, dann jedoch in seiner Verbreitung eingeschränkt worden; vgl. BAB, NS 19/3635. 4 Vgl. Andreas Hillgruber: Das Rußland-Bild der führenden deutschen Militärs vor Beginn des Angriffs auf die Sowjetunion, in: Bernd Wegner (Hrsg.): Vom Hitler-Stalin-Pakt bis zum „Unternehmen Barbarossa“, München-Zürich 1991, S. 167–184; Peter Jahn: „Russenfurcht“ und Antibolschewismus: Zur Entstehung und Wirkung von Feindbildern, in: ders./Reinhard Rürup (Hrsg.): Erobern und Vernichten. Der Krieg gegen die Sowjetunion 1941–1945, Berlin 1991, S. 47–64; Hans-Erich Volkmann (Hrsg.): Das Rußlandbild im Dritten Reich, Köln u. a. 1994.

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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

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Berlin, den 7. Mai 1943 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 53 […] A. Gegner und Exekutivfragen Bandenlage im Bereich der Einsatzgruppe B: Die Sicherheitslage hat sich im Bereich der Einsatzgruppe B kaum verändert. Im wesentlichen wird sie durch die Auswirkungen der militärischen Ereignisse bedingt. So hat die Festigung der deutschen Front dazu geführt, daß die kommunistisch gesinnten Kreise wieder kleinlaut wurden und Zurückhaltung bewahren, während im allgemeinen die Bevölkerung jetzt den Deutschen gegenüber wieder zutraulich wird. Die Zurücknahme der Front und die damit verbundene Truppenbelegung, die Evakuierung der Bevölkerung und teilweise gleichzeitig durchgeführte Bandenbekämpfungsaktionen haben eine erhebliche Besserung der Bandenlage in den jetzigen Armeegebieten gebracht. Demgegenüber muss jedoch eine bedeutende Verschlechterung in verschiedenen, von militärischen Umgruppierungen nicht betroffenen Gebieten festgestellt werden. So wurden z. B. im Rayon Lepel sämtliche 300 Ortschaften in jüngster Zeit von Banden heimgesucht und von den 12 Bürgermeistern mussten 10 in Stützpunkte fliehen. Ihr Hauptaugenmerk richten die Banden offensichtlich auf die Störung der deutschen Nachschublinien. Bemerkenswert ist, daß neuerdings während einigen von den Banden unternommenen Aktionen sowjetische Flugzeuge über den überfallenen Ortschaften kreisten. Die Banden versuchen ferner durch eine steigende Propagandatätigkeit Einfluss auf die in deutschen Diensten stehenden Russen und die Stadtbevölkerung zu gewinnen. Als Folge hiervon ereigneten sich mehrere Meutereien unter Kriegsgefangenen und in OD-Stützpunkten. Zudem nahm auch in einzelnen Gegenden die Zahl der getöteten, verwundeten oder verschleppten OD-Angehörigen, Starosten und Landeseinwohner erheblich zu. Während im Bereich des Ekdo. 7b zu Beginn der Berichtszeit die Bandentätigkeit, besonders hinsichtlich der Störung von deutschen Nachschubwegen, sehr rege war, ging sie gegen Ende des Monats März erheblich zurück. Neben anderen Anschlägen auf deutsche Nachschubverbindungen gelang es im Gebiet von Brjansk einer Bande von einigen Hundert Mann, zwei Brückenpfeiler der grossen Eisenbahnbrücke über die Desna bei Wygonitschi trotz guter Sicherung zu sprengen und somit den Nachschubverkehr auf dieser Strecke für etwa drei Wochen lahmzulegen. Bei den Eisenbahnsprengungen, besonders auf der Strecke Brjansk–Karatschew, wurde von den Banditen neuerdings folgendes Verfahren angewandt: Eine Mine wird nur leicht mit Sand zugeschüttet, so daß sie von den deutschen Streifen bald aufgefunden und ausgebaut werden kann. Unter dieser Mine wird jedoch in etwa 20 cm Tiefe eine andere Spezialmine (Zeitmine) eingebaut, die die Sprengung hervorruft. Die Propagandatätigkeit der Banden war recht rege. Vor allem versuchten die Banditen, Milizangehörige zum Überlaufen zu bewegen und verteilten Flugblätter. Im Rayon Karatschew wollte daraufhin eine Kompanie Miliz aus Werchepolje desertieren. Da die Bande jedoch nicht im Lager angetroffen wurde, kehrte die Kompanie nach ihrem Standort zurück. Sie wurde gegen eine Kompanie eines Ost-Batl. ausgewechselt. Als einige Tage später diese neue Kompanie in Werchepolje durch die vorgesetzte deutsche Dienststelle besichtigt wurde, griffen nach vorhergegangenem Verrat des stell-

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vertretenden russischen Kompanieführers 300 Banditen das Dorf an. Die Ostkompanie lief zu den Banditen über, worauf sich das deutsche Wehrmachtskommando, das nur 15 Mann stark war, zurückziehen musste. Sieben deutsche Soldaten, darunter ein Major, wurden getötet oder verschleppt. Das Ekdo. 8 meldet verstärkte Bandentätigkeit u. a. in den Rayonen Orscha und Klinzy. Nördlich Ossintorf wurde ein OD-Stützpunkt von einer 2–300 Mann starken Bande, die mit Granatwerfern, MGs und MPs bewaffnet war, angegriffen. Von den 46 OD-Männern sind 6 gefallen. 3 Mann wurden verwundet und 18 vermißt. In den FK-Bereichen Bobruisk und St. Dorogi hat sich die Bandentätigkeit ebenfalls verschärft. Auch in bisher als befriedet angesehenen Gebieten treten nunmehr Banden auf. So wird der Rayon Rogatschew von Banden in Stärke bis 1000 Mann beunruhigt. In der Nacht zum 15. 3. wurden in diesem Rayon zweimal der Stützpunkt und das Staatsgut Tichinitschi angegriffen, nachdem zwei Tage vorher 17 OD-Männer dieses Stützpunktes mit ihren Waffen zu den Banden übergelaufen waren. Im Rayon St. Dorogi wurde eine Anzahl von Sabotageakten auf Brücken verübt. So brannten die Banditen drei Ptitsch-Brücken ab, darunter die 116 m lange Brücke bei Dritschin. Besonders schwierig ist die Lage im Rayon Krasnopolje. Obwohl dort starke Banden hausen, ist der Rayon bis auf die Ortskommandantur Krasnopolje in Stärke von 6 Mann sowie 3 Landwirtschaftsführern völlig von Wehrmacht entblößt. Am 13. 3. raubte eine dreihundert Mann starke Bande aus dem unmittelbar bei Krasnopolje liegenden Aufbaubetrieb Dierkhof 21 Pferde, 11 Schweine, 245 kg Honig und 6000 Rubel. Dann griff sie Krasnopolje selbst mit Granatwerfern und schweren Maschinengewehren an. In dem Feuergefecht verloren die Banditen 12 Tote. In der folgenden Nacht steckten sie den Pferde- und den Schweinestall des Aufbaubetriebes in Brand. 26 tragende Stuten, 28 Zuchtschweine und 27 Kälber kamen in den Flammen um. Im FK-Bereich Mogilew wurde von den Banden eine lebhafte Propaganda unter den OD-Männern und fremdvölkischen Einheiten getrieben. In Auswirkung dieses Einflusses kam es am 13. 3. im Kriegsgefangenenlazarett des Stalags Mogilew zu einer Meuterei, bei der die deutsche Wache in Stärke von 1/4 in bestialischer Weise ermordet wurde. 41 Russen, die als Ärzte, Feldscher, Schwestern, Arbeiter und Wachpersonal dort beschäftigt waren, sind verschwunden. Im Bereich des EK 9 sind weite Gebiete noch immer völlig bandenverseucht. So nimmt die Tätigkeit der Banden im Raum westlich Polozk immer bedrohlichere Formen an. Die Straße Polozk–Drissa ist nur noch in starken Geleitzügen befahrbar, und die auf dieser Straße verkehrenden Fahrzeuge werden von jenseits der Düna liegenden Banditen unter Feuer genommen. Die zum Gebiet des Trupps Lepel gehörenden Rayone sind völlig in der Hand der Banden, und die Stadt Lepel selbst ist fast ganz von der Aussenwelt abgeschnitten. Ähnliche Verhältnisse liegen im Gebiet von Borrisow vor, wo die Banden in der Gegend des Pelik-Sees im Norden und Westen des Rayons Cholopenitschi und im Süden und Südwesten des Rayons Krugloje die Lage völlig beherrschen und weitgehend wieder sowjetische Verhältnisse eingeführt haben. Ein Vordringen in diese Gebiete ist ohne grösseren Truppeneinsatz nicht möglich. In der Nähe des OT-Arbeitslagers „Weisser Sumpf“, nördlich Borrisow, brachten Banditen einen Materialzug der OT zur Entgleisung und töteten durch Feuerüberfall 29 flämische OT-Männer der Begleitmannschaft und drei Russen. Im Süden dieses Gebiets tauchen in zunehmendem Maße Banden aus den Nachbargebieten auf, die nach Durchführung von Plünderungen wieder verschwinden. Im Rayon Witebsk wurden kleinere Banden tätig, die bis auf 6 km an die Stadt Witebsk herankamen.

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Die von den Banden im Monat März angerichteten Schäden ergeben sich aus der nachfolgenden Aufstellung: Bandenschäden: Überfälle auf Dörfer Überfälle auf Stützpunkte Überfälle auf Eisenbahnen Anschläge auf Straßen Anschläge auf Brücken Anschläge auf Rüstungsbetriebe Anschläge auf lebenswichtige Betriebe Die Verluste betrugen: Tote: Deutsche OD-Männer Landeseinwohner Verwundete: Deutsche OD-Männer Landeseinwohner Verschleppte: Deutsche OD-Männer Landeseinwohner

Skdo.7a Skdo.7b Skdo.7c Ekdo. 8 Ekdo. 9 Zus. 22 90 16 407 251 786 1 21 0 33 16 71 0 126 2 73 37 238 0 29 0 21 12 62 0 16 0 29 11 56 0 0 0 1 0 1 0 0 0 34 0 34

1 10 21

110 75 10

0 13 2

75 141 178

43 18 20

229 257 231

2 2 0

89 102 6

0 1 1

53 50 32

25 21 21

169 176 60

0 1 0

14 233 35

0 15 16

4 97 119

7 0 64

25 346 234

Bandentätigkeit im Bereich des Bfh. dSPudSD Ukraine: Die Tätigkeit der nationalukrainischen Banden im Nordteil des Generalbezirks Wolhynien-Podolien ist immer noch im Ansteigen. Das Auftreten sowjetischer Banden in diesem Raum ist stark zurückgegangen. Der weitaus grösste Teil aller Überfälle vor allem auf Staatsgüter, Sägewerke und polnische Ortschaften ist den Nationalukrainern zuzuschreiben. Bei einem Erkundungsvorstoß einer Wehrmachtseinheit, der sich reichsdeutsche Jungen des Werkdienstes Ukraine angeschlossen hatten, erfolgte Angriff einer stärkeren nationalukrainischen Bande. Die der Bande in die Hände gefallenen zwei deutschen Jungen, davon einer verwundet, wurden von dem Bandenführer mittels Geleit zurückgeschickt. Der Verwundete war ordnungsgemäß von einem Arzt behandelt worden. Nachstehend wird der von dem Bandenführer mitgegebene Brief der beiden Jungen in Übersetzung wiedergegeben: „An den Herrn Gebietskommissar in Zuman! Die Partisanen aus den abgebrannten Dörfern machen Ihnen zu Ehren bekannt, daß Sie die Arbeit bei Bereszyani einstellen möchten. Die Polen bitten Sie, ihre Dörfer nicht abzubrennen. Merken Sie sich, soviel Sie auch kommen mit Ihrer Gestapo, Sie zahlen mit Ihrem Blut. Denken Sie nicht, daß die Partisanen solche Hunde sind wie Ihre Gestapo und Kommissare. Zum Beweis schicken wir Ihnen Ihre Leute und bemerken dabei: ‚Soviel Mühe Sie sich auch geben, auf jeden Zoll werden wir Sie verfolgen!‘ Ihr Zuman samt Euch und Euren Polen geht in die Luft. Freut Euch nicht, daß Ihr die Ukraine besetzt habt. Verbrennt die Ukraine, saugt die Bevölkerung aus und droht mit Euren Panzern. Unsere Brust ist stärker als Eure Panzer, unser Stolz weit grösser als von

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Eurer Gestapo. Wir wissen, daß Ihr gekommen seid, die Ukraine zu zerstören und die Ukrainer umzubringen! Dafür bezahlt Ihr mit Eurem Blut! Saftschuk“. Die Bandentätigkeit im Generalbezirk Dnjepropetrowsk hat nach durchgeführten erfolgreichen Aktionen im Monat März fast restlos nachgelassen. Die Räume, die vorübergehend von durchgebrochenen Gruppen der Roten Armee und der in diesem Zusammenhang erfolgten Bandenbildung gefährdet waren, wurden inzwischen restlos gesäubert. In einem Abschlussbericht über die durchgeführten Unternehmungen in diesem Raume heißt es: „Im Gebiet Petrikowka wurden bisher über 250 Banditen, Bandenhelfer, Plünderer und Agitatoren der Sonderbehandlung zugeführt. Von weiteren 621 festgenommenen unzuverlässigen Personen wurden 236 zum Arbeitseinsatz im Reich abtransportiert, die restlichen in provisorischen Arbeitslagern untergebracht. Im Gebiet Pawlograd wurden bisher annähernd 300 Banditen, Bandenhelfer, Plünderer und übergelaufene Schutzmänner sonderbehandelt und weitere etwa 100 Personen in einem Arbeitslager festgesetzt. Im Gebiet Ssinelkikowo konnten etwa 70 Personen wegen aktiver Teilnahme an Bandenumtrieben und Plünderungen sonderbehandelt werden. Gleichzeitig wurde durch Mund- und Flugblattpropaganda in den bandenverseuchten Gebieten erfolgreich versucht, versprengte Rotarmisten zur Freiwilligenmeldung zu veranlassen. Durch die sogen. ‚Fresspropaganda‘ konnten bisher über 1100 versprengte Rotarmisten zur Aufgabe des Widerstandes veranlasst und im Kriegsgefangenenlager in Pawlograd untergebracht werden. Vom Kriegsgefangenenlager 124 in Pawlograd wurden ältere kriegsgefangene Rotarmisten nach einigen Tagen guter Verpflegung wieder entlassen und in die noch von Teilen roter Einheiten besetzten Gebiete entsandt. Das Ergebnis dieser ‚Fresspropaganda‘ war ein scharenweises Freiwilligmelden bei Bürgermeistern und anderen Stellen. An einem Tage wurden durch einen Bürgermeister 15 Offiziere und 257 Rotarmisten dem Kriegsgefangenenlager Pawlograd zugeführt.“ B. Lebensgebiete Allgemeine Stimmung und Lage in der Bevölkerung im Heeresgebiet Mitte: Nach den vorliegenden Meldungen wurde die allgemeine Lage und Stimmung im Verlaufe der letzten Wochen vornehmlich von dem militärischen Geschehen, dem Bandenterror und den Evakuierungsmaßnahmen bestimmt. Unter dem Eindruck der Stabilisierung der Front und der deutschen Gegenstösse hat sich die Angstpsychose vor der Rückkehr der Roten Armee und die panikartige Haltung weiter Teile der Bevölkerung wieder etwas gelegt, doch ist nach wie vor eine gewisse Unruhe festzustellen. Die Krise der vergangenen Wochen, die sich erst jetzt in ihrem ganzen Ausmaß überblicken lässt, hat auf das ganze Leben der Bevölkerung tiefgehende Rückwirkungen ausgeübt. Die Fragen: Warum gehen die Deutschen zurück? Wird unser Gebiet auch geräumt? Werden uns die Deutschen mitnehmen? Was wird aus unseren Habseligkeiten und wo sollen wir überhaupt hin? standen im Mittelpunkt aller Gespräche und Pläne. Nervosität und Panikstimmung gingen so weit, dass man nur noch von einem Tag zum anderen dachte und lebte. Die Bauern verspeisten oder verfütterten das aufgespeicherte Saat- und Brotgetreide, schlachteten ihr Vieh und gingen unter dem Eindruck der Evakuierungsgerüchte nicht mehr an die Landbestellung. Die Stadtbevölkerung trocknete Brot als Marschverpflegung und packte die Koffer. Disziplin und Arbeitswille liessen erheblich nach. Auch heute noch steht die Bevölkerung allen deutschen Verlautbarungen misstrauisch gegenüber. Die beruhigenden Versicherungen der deutschen Propaganda werden kritisch betrachtet; dagegen findet jedes Gerücht gläubige Aufnahme, und jede aussergewöhnliche Maßnahme, sei sie auch noch so unbedeutend, wird von überängstlichen Gemütern im

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negativen Sinne ausgelegt. So sieht man z. B. hinter den deutschen Frontverkürzungen im mittleren Abschnitt keine freigewählte strategische Maßnahme, sondern glaubt, dass die deutschen Truppen durch Feinddruck gezwungen wurden, sich zurückzuziehen. In Witebsk wurde eine zur Überholung erfolgte Entfernung der Tafel mit den Markierungen des Frontverlaufs dahingehend ausgelegt, dass man der Bevölkerung die Wahrheit vorenthalten wolle. Die Umsiedlung der Volksdeutschen im Witebsker Bereich wurde mit der bevorstehenden Aufgabe der Stadt in Zusammenhang gebracht usw. Die Feindseite trägt mit einer geschickten Propaganda und Gerüchtemacherei wesentlich dazu bei, eine deutschfreundliche Haltung und zuversichtliche Stimmung in der Bevölkerung zu untergraben. Eine örtliche Beunruhigung schaffen ausserdem die zahlreichen und schweren Luftangriffe der Sowjets auf einzelne Städte. Der angerichtete Sachschaden ist erheblich, die Zivilbevölkerung hat z. T. hohe Verluste. Vielfach hört man in russischen Kreisen Verwunderung darüber, dass die deutsche Abwehr so schwach sei. Man setzt Zweifel in die Schlagkraft der deutschen Waffen und behauptet, dass die Kampffähigkeit der Roten Armee im Wachsen begriffen sei. Andererseits gibt die Bevölkerung ihrer Empörung Ausdruck über die Angriffe der Sowjets auf „wehrlose Zivilisten“. Zu ihrem Schutz verlassen grosse Teile der Bevölkerung bei Anbruch der Dunkelheit die Städte und suchen in den Wäldern oder umliegenden Dörfern Zuflucht. So hatte beispielsweise in Karatschew die „Fliegerflucht“ einen derartigen Umfang angenommen, dass wegen Gefährdung des Arbeitseinsatzes Gegenmaßnahmen ergriffen werden mussten. Nach wie vor im Mittelpunkt des Interesses stehen die Evakuierungsmaßnahmen. Dabei ist besonders bei der Bevölkerung des Armeegebietes die Sorge vorherrschend, dass auch ihr noch das Schicksal der Evakuierung beschieden sein könnte. Zahllose Gerüchte tragen dazu bei, vor der Evakuierung Angst und Schrecken einzuflössen. So wird u. a. erzählt: Alle Leute seien zwangsweise mitgenommen worden. Man habe die Familien auseinandergerissen, nur die Arbeitsfähigen abtransportiert und ältere Leute sowie Kinder ihrem Schicksal überlassen. Flüchtlinge, die nicht weiterkönnten, würden erschossen. Die Betreuung der Flüchtlinge auf dem Marsch sei sehr schlecht, viele hätten Fleckfieber und keine ärztliche Hilfe. Die Flüchtlinge würden in Lagern mit Gefangenen zusammengebracht und genauso wie Gefangene behandelt. Es liegen aber auch Meldungen, besonders aus den rückwärtigen Gebieten vor, dass man die Planmäßigkeit der Evakuierung richtig erkannt habe. Die Mitnahme der Zivilbevölkerung aus den geräumten Frontgebieten sei ein Zeichen dafür, dass die deutsche Führung Herr der Situation sei. Deutschland wolle die russische Bevölkerung nicht einem unbestimmten Schicksal überlassen, sondern sorge für sie. Die Bekanntgabe, dass sich Deutschland dieser Familien annehmen und ihnen unter besseren Verhältnissen Grund und Boden zuweisen will, wurde nicht nur von den Evakuierten dankbar anerkannt, sondern auch von der übrigen Bevölkerung mit Genugtuung aufgenommen. In engem Zusammenhang mit dem Flüchtlingsproblem steht die Ernährungslage. Sie hat sich in den Rayons, in denen die Flüchtlinge durchgeschleust oder vorläufig untergebracht wurden, erheblich verschlechtert, da sie aus ortseigenen Mitteln mit unterhalten werden müssen. Die eingesessene Bevölkerung wurde zum Teil zu „Lebensmittelspenden“ für die Flüchtlinge gezwungen. Sie suche sich dagegen zu schützen, indem sie die restlichen noch vorhandenen Lebensmittel vergräbt. Indirekt wirkt sich das wieder auf die Versorgung der Städte aus, die zwar selbst von Flüchtlingen nicht berührt werden, für die aber dadurch die Marktbeschickung seitens

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der Landbevölkerung in grossem Umfange ausfällt. Vereinzelt mussten auch in den Städten bereits wieder Rationsverkürzungen vorgenommen werden, um überhaupt bis zur Ernteeinbringung eine fortlaufende Verteilung gewährleisten zu können. Überall wird eine Verknappung an Kartoffeln gemeldet. Durch die enorme Preissteigerung der letzten Wochen – in Orel ist z. B. 1 ltr. Butterschmalz innerhalb eines Monats von 900 bis 1800 Rubel gestiegen – ist eine zusätzliche Beschaffung von Lebensmitteln auf dem freien Markt fast unmöglich geworden. Selbst die bestbezahlten Beamten können sich für ein Monatsgehalt kaum 1 ltr. Butterschmalz kaufen. Es bleibt nur noch die Möglichkeit, Haushaltungsgegenstände und Kleider gegen Esswaren zu veräussern. Viele Stadtbewohner verfügen aber heute schon nur noch über das, was sie auf dem Leibe tragen; dagegen häufen sich bei den Bauern die Tauschobjekte mehr und mehr an. Beamte äusserten, dass man heute hungern müsse, wenn man ehrlich bleiben und nicht schieben und sich bestechen lassen wolle. Das Anwachsen der Kriminalität, die allgemein festzustellen ist, ist nicht zuletzt auf die schlechte Versorgungslage zurückzuführen. Das Spekulantentum nimmt überhand, Betteleien und Diebstähle bei Wehrmachtsküchen häufen sich, und bei der russischen Polizei mehren sich die Fälle von Bestechungen, Erpressungen und Plünderungen. Der Bandenterror hat sich örtlich weiterhin verschärft. Die Banden erhalten ständig Zulauf aus Kreisen von Hilfswilligen, Kriegsgefangenen, OD und landeseigenen Verbänden. Die Stimmung der Bevölkerung in den Bandengebieten ist infolge Fehlens eines wirksamen deutschen militärischen Schutzes eine mehr und mehr müde und gleichgültige. Die dort wohnende Landbevölkerung ist ein „Spielball der Verhältnisse“; sie darf es weder mit den Banden, noch mit der deutschen Besatzungsmacht verderben. „Was können wir machen, wenn die Banditen in unser Dorf kommen und unser Eigentum plündern? Leisten wir Widerstand, erschiesst man uns und steckt unsere Häuser in Brand. Leisten wir keinen Widerstand, wird man sagen, Banden sind in eurem Dorf gewesen, ihr habt sie ernährt und habt also Verbindung zu ihnen. Deutsche Straftruppen werden kommen und unser Dorf anzünden.“ So und ähnlich lauten die Äusserungen der Bauern. Sie wissen nicht mehr, was sie machen sollen, lassen den Dingen ihren Lauf in der Erwartung, dass ihnen doch so oder so der Untergang droht. Besondere Beachtung wird den Meldungen zufolge der in weiten Bevölkerungskreisen bekanntgewordenen Bildung eines russischen Nationalkomitees durch Generalleutnant Wlassow geschenkt. Gerüchte waren bereits seit Wochen darüber im Umlauf, die schliesslich durch den Besuch Wlassows in den besetzten Ostgebieten bzw. durch die Veröffentlichung eines offenen Briefes Wlassows in der Zeitung „Retsch“ vom 20. 3. 43 ihre Bestätigung fanden. Die Bildung eines russischen Nationalkomitees an sich wird in der Bevölkerung, abgesehen von den bolschewistisch eingestellten Kreisen, allgemein begrüsst. Zusammenfassend ist festzustellen, dass hinsichtlich der militärischen Lage in der Bevölkerung eine wesentlich ruhigere Betrachtung Platz gegriffen hat. Die Haltung ist nach wie vor abwartend. Man hofft, dass das Frühjahr eine Klärung und eine Entscheidung auf das sehnlichst erwartete Kriegsende bringen wird. Feindpropaganda im Bereich der Heeresgruppe Mitte: 1.) An den deutschen Soldaten: Nach der Zunahme der Feindpropaganda für den deutschen Soldaten in den vergangenen Monaten ist nach Meldungen aus Mogilew, Orel, Smolensk, Witebsk, Polozk, Borissow, Lepel die Flugblatt- und Mundpropaganda erheblich schwächer geworden. Die Festigung der deutschen Ostfront habe zusammen mit anderen militärischen Erfolgsmeldungen der feindlichen Propaganda einen Teil ihrer Wirkung genommen. Während in Smolensk, De-

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midow und Jarzewo die Feindpropaganda überhaupt oder nur ganz schwach im März bezw. April in Erscheinung getreten sei, wurde aus Roslawl eine Zunahme der feindlichen Flugblattpropaganda mit der Feststellung, dass eine Menge alten Materials zum Abwurf gelangte, so z. B. die „Front-Illustrierte“ Nr. 19 v. August 1942 – „Stimmt das – oder stimmt das nicht?“ oder „Ausländer nehmen Deinen Platz ein“ – gemeldet. Aus Orel wurde berichtet, dass die Sowjets nach wie vor noch versuchten, die Ereignisse um Stalingrad in einigen Flugblättern propagandistisch auszunutzen, indem sie unter Hinweis auf die „Gefangennahme des Generalfeldmarschalls Paulus 1 und zahlreicher Offiziere und Soldaten“ zum Überlaufen aufforderten. Die meisten aufgefundenen Flugblätter enthielten mit markanten Schlagzeilen, wie „Der beste Ausweg für die Soldaten ist: Hitler den Rücken zu kehren, die Waffen niederzulegen und sich gefangenzugeben!“ die Aufforderung zum Überlaufen. Ein Flugblatt sei durch Überdruck mit grossen roten Lettern auf der ersten Seite „Gebt Euch gefangen!“ besonders aufgefallen. In einem Flugblatt „Nur Dummköpfe kommen um!“ heisst es u. a.: „Mit jedem Tag wächst die Zahl der deutschen Soldaten, die für die hoffnungslose Sache Hitlers nicht verrecken wollen.“ „Die Zahl dieser Soldaten ist bereits so gross, dass die Hitlerregierung es nicht mehr wagen kann, Massenhinrichtungen vorzunehmen oder Strafmaßnahmen gegen ihre Familien anzuwenden, sondern sich mit der Isolierung der Flüchtlinge in Konzentrationslagern begnügen muss.“ In mit Passierscheinen bedruckten Flugblättern, wie „Wie wir uns gefangen gaben!“, „Wir sind ausser Gefahr – Kameraden aus der 208. ID“ und „Wie war es, deutsche Soldaten?“, werden Schilderungen und Hinweise über die Gefangennahme deutscher Soldaten, sogar ganzer Einheiten, wiedergegeben und versucht, durch Namensnennung angeblich übergelaufener Soldaten den Inhalt glaubhaft zu machen. Ein Flugblatt der „Abteilung für Angelegenheiten der Gefangenen der Mittelfront“ in Form einer Bescheinigung sollte den deutschen Soldaten vor Augen führen, dass die freiwillig sich ergebenden Gefangenen von den Sowjets Sonderrechte erhalten, z. B. bessere Verpflegung, freie Wahl der Arbeit, Teilnahme an der Leitung der Kriegsgefangenenlager usw. Mit psychologisch geschickt zusammengestellten Flugblättern und den Schlagzeilen „Rettet Euch für Eure Familie“ appellierten die Sowjets immer wieder an die Familienväter. Ein Flugblatt mit dem Bild einer weinenden Mutter mit ihrem Kind, der Todesanzeige eines deutschen Soldaten mit dem Aufdruck „Warum weinst du, Mutti?“ ist in dieser Art hervorzuheben. Die Rückseite enthält ein Gedicht von Erich Weinert, das beginnt: „Warum ich weine! Mein armes Kind, weil wir nun beide verlassen sind! Für immer vorbei unser stilles Glück. Dein lieber Vater kommt nie mehr zurück. Wie hab ich ihn doch beim Abschied geküsst und ihn beschworen: Mein einziger Lieber, warte nicht, bis es zu spät für Dich ist! Ich will Dich nicht verlieren! Lauf über! Dann ist zu Ende mein grosses Leid, dann weiss ich, Du bist in Sicherheit!“ Ein anderes Flugblatt zeigt Gefallene mit einem weinenden Kind und der Schlagzeile „Papi ist tot. Klag Hitler an! Der hat es getan!“ Diese Flugblätter wenden sich in Verbindung mit der Aufforderung, sich gegen den Krieg zu erheben und nicht länger zu schweigen, gleichzeitig auch an die deutschen Frauen und sollen ihnen vor Augen führen, welches Leid über die deutschen Familien gebracht würde. Ein neuartiges Flugblatt „Ist Deiner dabei?“ wendet sich „An unsere Berliner“. Es zeigt auf der Vorderseite 36 Soldatenköpfe aus Berlin und endet mit dem Schlussatz: „Berliner! Noch ist es nicht zu spät, helft Deutschland retten! … Denkt an das Wort des grossen Freiheitsdichters Herwegh: ‚Alle Räder stehen still, wenn Dein starker Arm es will!‘“ Mit dem Flugblatt „Amerika sagt!“ versuchen die Sowjets durch Wiedergabe amerikani-

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scher Presseberichte die angegebenen Ausmaße ihres Sieges zu bekräftigen. Ferner wurde in einem Flugblatt an das schaffende Volk Deutschlands mit dem Hinweis appelliert, dass Hitler „halb Europa zum Kriegsschauplatz gemacht hat und dass jetzt auch Deutschland selbst Kriegsschauplatz geworden ist“. Das Flugblatt ist unterzeichnet von ehemaligen kommunistischen Reichstagsabgeordneten. Ein weiteres Flugblatt „Was geht in Deutschland vor?“ kritisiert in der bereits bekannten Weise die „totale Mobilmachung Deutschlands“. Es versucht, die deutschen Soldaten von der Einberufung der 15-jährigen zu überzeugen und führt zur Bestärkung der Angaben Zeilen des „Berliner Lokalanzeigers“ v. 15. 2. 43 an. Auch unter der Überschrift „Das Schicksal einer deutschen Familie“ wird ein Brief einer Kriegerwitwe veröffentlicht, in dem diese Frau das „bittere Leid, das sie mit ihren Kindern in Deutschland durchmacht“, schildert. Das Blatt schliesst mit den Worten: „Weigert Euch weiterzukämpfen! Stürzt das Naziregime, das Regime der Sklaverei, des Hungers und des Krieges!“ 2.) An die russische Bevölkerung: a) Flugblattpropaganda: Die nach dem Fall von Stalingrad zugenommene Intensität der sowjetischen Propaganda für die russische Bevölkerung in den von deutschen Truppen besetzten Gebieten war nach den Meldungen auch in den letzten Monaten weiterhin sehr rege. Unter Hinweis auf die grossen Erfolge der Roten Armee fordern die Sowjets die russische Bevölkerung zum Kampf gegen die „deutschen Unterdrücker“ auf und bringen gleichzeitig Befehle Stalins zur Kenntnis. In erster Linie wird die Bevölkerung zur Unterstützung der Partisanen mit den Befehlen aufgerufen: Brücken zu sprengen, Nachrichtenleitungen zu zerschneiden, Munitions- und Lebensmittellager der Deutschen zu vernichten, den Roten alle Wahrnehmungen über deutsche Truppenverschiebungen zu melden, Strassen unter ständiger Kontrolle zu halten und unpassierbar zu machen, deutsche Autotransporte zu überfallen. Derartige Befehle enden dann mit den Worten: „Nicht ein Deutscher darf auf unseren Wegen durchkommen! Unsere Strassen müssen Gräber für die deutschen Räuber werden!“ Ein Sonderflugblatt enthält einen Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 2. 2. 43 über die Stiftung der Medaille 1. und. 2. Klasse für die Partisanen des vaterländischen Krieges. Ein vom Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Weissrusslands herausgegebenes Flugblatt wendet sich an die „Starosten, Polizisten, Angestellten der Stadtverwaltung und Kommandantur, die von den deutschen Okkupanten betrogen worden sind und aus Angst für diese Dienst tun“. Darin heisst es u. a.: „Wir sagen euch ganz offen, euer Verschulden der Heimat gegenüber ist sehr gross und wenn ihr weiterhin den Deutschen Dienst tut, so könnt ihr der strengsten Strafe gewiss sein. Es gibt nur eine Möglichkeit, euch zu verzeihen, wenn ihr nämlich anfangt, ehrlich für das sowjetische Volk zu arbeiten.“ Um sich von der Schuld der Mitarbeit bei den deutschen Dienststellen zu befreien, wird die Bevölkerung ausserdem zum Überlaufen aufgefordert. Aus Witebsk wurde hierzu berichtet, dass die Bevölkerung durch die in letzter Zeit durchgeführte Säuberung verschiedener Ortschaften von Banden zuversichtlicher gestimmt worden sei und daher dieser Propaganda keinen allzu grossen Glauben mehr schenke. In Gomel kamen bei den starken Luftangriffen zahlreiche Flugblätter zum Abwurf, die bei der Bevölkerung im allgemeinen eine ablehnende Aufnahme mit den Worten fanden: „Die reden uns als Bruder und Schwester an, wo sie jede Nacht unser letztes Hab und Gut bombardieren.“ b) Flüsterpropaganda: Während die feindliche Flüsterpropaganda zu Beginn des Jahres in den bandenverseuchten Gebieten stark in Erscheinung trat und erfolgreich war, wuchs sie vor allem nach dem Fall von Stalingrad im Gesamtbereich der Heeresgruppe Mitte stark an und verfehlte ihre Wirkung auf die Bevölkerung der bandenfreien Gebiete, den OD und

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die landeseigenen Verbände nicht. Alle vorliegenden Meldungen (u. a. Smolensk, Witebsk, Roslawl, Mogilew, Orel, Bellino) betonen, dass die Flüsterpropaganda viel grössere Wirkungen hervorrufe als die Flugblattpropaganda. Wenn auch die der Flüsterpropaganda entsprungenen Gerüchte meist mit gemischten Gefühlen aufgenommen würden, so seien sie doch immer wieder durch Zurücknahmen einzelner Frontabschnitte, durch verschiedentlich durchgeführte Evakuierungen der russischen Bevölkerung und durch die vorgenommene Umsiedlung Volksdeutscher aus Witebsk und Umgebung genährt worden. So heisst es diesbezüglich in einigen Meldungen u. a.: „Witebsk: Die Deutschen gehen überall zurück. Alle Volksdeutschen werden evakuiert, und die russische Bevölkerung wird ihrem Schicksal überlassen. Die Stadt wird aufgegeben, da bereits schon die Feldkommandantur ihren Sitz verlegt hat. Newel: Die Gerüchte um eine bevorstehende Evakuierung der Stadt sind noch nicht verstummt. Polozk: Die Absiedlung der Volksdeutschen in das Reichsgebiet wird nicht unausgenützt gelassen, um den deutschen Belangen Schaden zuzufügen, d. h. die uns ergebene Zivilbevölkerung zu beunruhigen … Der Arbeitseinsatz nach Deutschland wird als eine direkte Strafe hingestellt. Man zieht Vergleiche mit der russischen Verbannung.“ Ergänzend wird aus Witebsk hierzu berichtet, dass seitens militärischer Stellen durch Sendungen im Drahtfunk jedoch aufklärend und wirksam entgegengearbeitet und bald eine gewisse Beruhigung in der Bevölkerung erzielt würde. An weiteren z. Zt. kursierenden Gerüchten wurden Gerüchte folgenden Inhaltes ermittelt: „Borissow: 1. Die Banden haben Lepel zerstört. 2. General Wlassow kommt ins hiesige Gebiet und führt Zwangsrekrutierungen für die Volksarmee durch. 3. In Mogilew und Orscha sind Angehörige der Volksarmee zu den Banden übergelaufen. 4. Die Rote Armee steht unmittelbar vor Smolensk. 5. Stalin hat noch 80 Millionen Soldaten zur Verfügung. 6. Der Übertritt der Türkei auf die Seite der Achsengegner steht bevor. Sebesh: In der Berichtszeit war die Mund- und Flüsterpropaganda, insbesondere durch die Banden, sehr rege. Im einzelnen wurden folgende Gerüchte in Umlauf gesetzt: 1. Die deutsche Armee befindet sich nach wie vor im Zurückgehen. 2. Die Roten haben erneut grosse Erfolge bei Welikije-Luki und Charkow errungen. 3. Die Deutschen führen auf ihrem Rückzug alles mit sich fort.“ Die gesamte Flüsterpropaganda werde sehr geschickt betrieben. Die bolschewistische Propaganda bediene sich zur Verbreitung ihrer Parolen hauptsächlich Analphabeten und älterer Leute, von denen die Entstehungsherde nicht zu erfahren seien. Es wird angeregt und als notwendig erachtet, die Wirkung der sowjetischen Flüsterparolen durch eine gründliche Gegenpropaganda, die von einer grossen Anzahl zuverlässiger Propagandisten in Stadt und Land, in erster Linie Lehrer und Ärzte, betrieben werden müsse, weitgehendst aufzuheben. Unter der sowjetischen Herrschaft seien fast in jeder Versammlung einige Lehrer als Redner aufgetreten; jetzt dagegen verhielten sie sich in der Mehrzahl in den besetzten Gebieten völlig passiv. Sie hüllten sich meist in ein zweideutiges Schweigen, das von der älteren Bevölkerung als Bestätigung der kursierenden Parolen angesehen werde. Es werde von den sich in diesen Gebieten aufhaltenden Deutschen vielfach die Meinung vertreten, diesen abwartenden Teil der Lehrerschaft seines Dienstes zu entheben und die wertvollen Kräfte zur aktiven Propaganda heranzuziehen. Deutsche Propaganda im Bereich der Heeresgruppe Mitte: Nach wie vor ist der Tenor der Meldungen, dass die deutsche Propaganda wegen Papierknappheit, schlechten Verkehrsverhältnissen und wegen Nichterreichens der bandenverseuchten Gebiete in ihrer Entfaltung stark behindert werde. Besonders auf dem Lande fehle eine ausreichende deutsche Propaganda. Über ihre inhaltliche Gestaltung kommen namentlich aus dem intelligente-

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ren Teil der einheimischen Bevölkerung immer wieder Einwände, dass sie zu wenig auf die russischen Verhältnisse zugeschnitten sei und daher entsprechend an Wirkung verlöre: „Sobald die Deutschen mit ihrer Propaganda auch Tatsachen verbänden, würden die Russen in jeder Beziehung zugänglicher sein. Die Deutschen sind gute Soldaten, aber das russische Volk verstehen sie nicht zu behandeln.“ Zur teilweisen Behebung dieser Mängel wird, wie an anderer Stelle bereits erwähnt, darauf hingewiesen, dass die Lehrer in stärkerem Maße zu Propagandazwecken geschult und eingesetzt werden müssten. Die Lehrer, die über die Kinder mit der gesamten Bevölkerung Kontakt haben und als Angehörige der Intelligenzschicht in erster Linie auf die den russischen Menschen interessierenden Fragen eine Antwort wissen wollen, betonten, dass sie mangels eigener Aufklärung hierzu meist nicht in der Lage seien. Gerade die Propagandalücke auf dem Lande könne aber der Lehrer, als Träger des Wissens und damit auch der Beeinflussung, ausfüllen, wenn sich die deutsche Führung durch die einheitliche Erfassung und Schulung der Lehrer einen Apparat schaffe, mit dessen Hilfe die deutsche Propaganda bis ins kleinste Bauernhaus dringen könne. Die Presse hat den Meldungen zufolge, die Tatsache der Stabilisierung der Ostfront und die sonstigen militärischen Erfolge ausnützend, mit politischen Artikeln und lokalen Berichten sehr zur Beruhigung der Bevölkerung beigetragen. Bei der russischen Bevölkerung stehen Nachrichten über das militärische Geschehen an den Fronten weiterhin im Brennpunkt des Interesses. Ebenso wird den Film- und Theaterveranstaltungen nach wie vor grösstes Interesse entgegengebracht. Die zur Verfügung stehenden Räume waren stets mit Besuchern überfüllt. In letzter Zeit laufende Spielfilme wie „Stern von Rio“, „Reise nach Tilsit“, „Eine Nacht in Venedig“, „Nanette“ fanden einer Meldung aus Lepel zufolge sehr guten Anklang. Ebenso fand nach einer Meldung aus Orel der Film über die 2. Deutschlandreise russischer Interessenten lebhafte Beachtung. Nach diesem Film wurden bezeichnenderweise folgende Wünsche geäussert: „Man möchte ein deutsches Dorf sehen, ebenso Bauernhäuser, die Inneneinrichtung des Hauses eines armen und eines reichen Bauern, ferner interessiere der Tagesablauf eines Städters, das deutsche Leben auf den Strassen, in den Geschäften und Gaststätten.“ Die Versammlungstätigkeit der landeseigenen Verbände war rege. In Witebsk haben sich Betriebsversammlungen, auf denen in Deutschland gewesene russische Propagandaredner zur arbeitenden Bevölkerung über ihre in Deutschland gemachten Erfahrungen sprachen, sehr gut auf die Bevölkerung ausgewirkt. Wirtschaftliche Lage im Heeresgebiet Mitte: Versorgungslage: Die Versorgungslage wird übereinstimmend, trotz einiger leichter Besserungen auch in den letzten Wochen allgemein noch als sehr angespannt bezeichnet. Wenn auch durch die Festigung der Frontlage die gehegten Befürchtungen einer rückläufigen Entwicklung hinsichtlich der Ernährung nicht eintraten, so ist dennoch, vorliegenden Meldungen zufolge, der gesamte Versorgungssektor durch den Flüchtlingsstrom und die laufenden hartnäckigen Gerüchte stark beeinträchtigt worden. Die Herbeischaffung der Lebensmittel ist durch die An- und Zufuhrschwierigkeiten und Transporte aus den bandenverseuchten Gebieten sehr uneinheitlich und erschwert grössere Planungen über weite Zeiträume. So werden z. B. aus Orel für den Monat März begrenzte Kartoffelzuteilungen, aus Witebsk unzureichende Fleischrationen für Schwerarbeiter und aus Mogilew eine weiterhin schlechte Versorgung auf allen Gebieten gemeldet. Demgegenüber hat sich aber auch bei anderen Versorgungsgütern eine leichte Besserung gezeigt. So erfolgten verschiedenerorts zusätzliche Kartoffel- und Roggenbrot-

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zuteilungen für gewisse Versorgungssparten. Darüber hinaus sind ab 1. 5. 1943 neue Versorgungssätze festgelegt, die sich in etwa mit denen der letzten zurückliegenden Versorgungsperiode decken. Als Neuerung wird eine Grundverpflegung geschaffen und das Werksküchensystem erweitert. Jeder grössere Betrieb ist gehalten, eine Werksküche einzurichten und erhält durch Zulagen dazu die Möglichkeit. Diese Einrichtung soll gleichzeitig über die Verbesserung der Ernährung hinaus eine leichtere Steuerung der Belegschaften ermöglichen. Ferner sind die Zuständigkeiten der verwaltenden Stellen durch die Schaffung von Ernährungsämtern und die Einschaltung der Wirtschaftsinspektionen neu umgrenzt und erweitert. Die festgelegten Lebensmittelkontingente konnten überall ausgegeben werden. Die Fürsorge und Versorgung in Anstalten anderer Städte des Bereiches ist auch als befriedigend zu bezeichnen. Um kommenden Versorgungsschwierigkeiten zu begegnen, wird von den deutschen zuständigen Wirtschaftsstellen eine Verteilung von Gartenland sowie eine Aufteilung von Ländereien zu Gunsten der Stadtbevölkerung geplant (Witebsk, Brjansk). Im Zuge dieser Selbstversorgung treten bei der Bevölkerung bzw. bei den Stadtverwaltungen erhebliche Schwierigkeiten auf. Die Beschaffung von Saatgut und Pflanzen, der Mangel an Gerät und Arbeitskräften, Düngemittel usw. spielt hierbei eine wesentliche Rolle. Den Meldungen zufolge wird die Einschränkung des Verkehrsscheines oftmals einer scharfen Kritik unterzogen. Selbst von deutschen Stellen wird die Ansicht vertreten, dass durch die sture Handhabung dem Bauern zu wenig Gelegenheit gegeben wird, seine überflüssigen Waren auf den Markt zu bringen, um so zu einer besseren Versorgung der Stadtbevölkerung beizutragen. Von der Anweisung an die Bauern, die Mehrerzeugnisse bei den deutschen Dienststellen abzuliefern, wird nur in sehr bescheidenem Rahmen Gebrauch gemacht, zumal der Tausch und der hohe Preis im Schwarzhandel überaus grossen Anreiz bieten. Litauische Stimmen zur allgemeinen Lage und Stimmung in der litauischen Bevölkerung: Die allgemeine Stimmung der Einwohner in den letzten Wochen stand fast ausnahmslos im Zeichen der Mobilisation der jungen Männer und der mit ihr verbundenen Folgen, wie z. B. das Misslingen der Mobilisation, die Einschränkung der Reprivatisierung, die Schliessung der Hochschulen, die Verhaftung aus den Kreisen der litauischen Intelligenz, der Widerruf zur Bildung der Litauischen Legion u. a. Auf diese oder ähnliche Ereignisse waren die Einwohner bereits vorbereitet, denn man erwartete allgemein etwas Aussergewöhnliches. Man war überzeugt, dass die geschaffene Lage und die dadurch entstandene Spannung nicht von Dauer sein kann. Über das Misslingen der Mobilisation hört man die verschiedensten Kommentare. Die einen sind der Ansicht, dass die Mobilisation deshalb misslang, weil sie überstürzt, ohne jede nähere Erläuterung und allein von den Deutschen durchgeführt wurde; andere wieder sind der Ansicht, dass man zuerst die ehemaligen litauischen Offiziere hätte einberufen müssen und dann erst die Jugend. Es herrscht überwiegend die Ansicht, dass an dem Mißlingen der Mobilisation die Politik der deutschen Zivilverwaltung schuld sei. Die ungleiche Behandlung der deutschen und litauischen Zivilpersonen, die mangelhafte Versorgung der litauischen Soldaten, die Nichtversorgung der zurückgebliebenen Familienmitglieder, die Befreiung der deutschen Rücksiedler von verschiedenen Pflichten sowie ihre Versorgung mit Wehrmachtslebensmittelkarten, die Entfernung der litauischen Bauern von Haus und Hof, die Erschiessungen oder Einweisungen in Arbeitslager wegen der Nichterfüllung der Ablieferungspflichten u. a. haben dazu geführt, dass jeder sich fragen musste, wofür er eigentlich gezwungen werden solle zu kämpfen und zu sterben. Die be-

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kanntgegebenen Einschränkungen auf dem Gebiete der Reprivatisierung sowie die Übernahme verschiedener litauischer Betriebe in deutsche Hände (besonders im Wilna-Gebiet) haben die Einwohner nicht besonders überrascht, denn man war überzeugt, dass nach dem Misslingen der Mobilisation die Reprivatisierung ganz andere Folgen annehmen werde. Man spricht, dass die Reprivatisierung nicht etwa aus Gründen einer litauerfreundlichen Politik verkündet wurde, sondern sie sei lediglich von der Lage an den Fronten diktiert worden. Man könne es nicht begreifen, dass in einem Zeitpunkt, wo man alles daran setzen müsste, um eine Beruhigung im rückwärtigen Gebiete herbeizuführen, die Zivilverwaltung eine rücksichtslose Unterdrückungspolitik führe. Es hat sich die Ansicht verbreitet, dass das, was der deutsche Soldat für eine deutsch-litauische Zusammenarbeit beigetragen hat, die deutsche Zivilverwaltung zerstört habe. Man weist darauf hin, dass die deutsche Zivilverwaltung verantwortlich sein werde, falls der Nachschub für die Front auch in Litauen gefährdet sein würde, denn nur sie habe es soweit gebracht, dass die Männer in die Wälder fliehen mussten usw. Nach Ansicht der Einwohner müsste man die Dinge mit kühlem Verstande behandeln und nicht gleich mit Exekutivmaßnahmen beginnen, denn dadurch werde man nicht viel erreichen, umsomehr als auch die Lage an der Front nicht besonders günstig sei. Die von den Deutschen angewandten Repressalien gegen eine Reihe von Litauern haben eine grosse Niedergeschlagenheit hervorgerufen. Der von den Generalräten und führenden litauischen Personen unterzeichnete Aufruf an das litauische Volk wird nach Ansicht vieler keinen entscheidenden Einfluss auf die von der Mobilisation betroffenen Personen haben. Man spricht in deutschfeindlichen Kreisen davon, dass diese Personen gezwungen wurden, einen solchen Aufruf zu unterschreiben. Die breite Masse und einsichtige Kreise der Intelligenz begrüssten dagegen diese Lösung und knüpften an die Konferenz die Hoffnung auf eine Entspannung der nahezu unerträglich gewordenen Lage. Obgleich von der Aufstellung einer Lit. Legion Abstand genommen wurde, werde nach Ansicht der lit. Allgemeinheit die Mobilisation der lit. Jugend auch weiter in vollem Tempo durchgeführt. Die Übernahme der Durchführung der Mobilisation aus den Händen der Zivilverwaltung in die der Wehrmacht wird von der Allgemeinheit als eine befriedigende politische Geste betrachtet. Die Verabschiedung der litauischen Hilfswilligen durch General Just in Kauen hat bei der Bevölkerung einen guten Eindruck hinterlassen. Der geschmückte Platz und die Hissung der litauischen Fahne sowie die öffentliche herzliche Verabschiedung machten auf die Zuschauer einen tiefen Eindruck. Grossen Einfluss auf die Stimmung der Bevölkerung haben auch die Gerüchte, dass die Deutschen nicht nur die säumigen Bauern, sondern auch die Gemeinde- und Amtsvorsteher der betreffenden Gegend verhaften, gehabt. Es wird hingewiesen, dass aus diesen Gründen in Zukunft sich niemand finden wird, der diese Stellen bekleiden werde. Bei der Betrachtung der allgemeinen Stimmung kann man zu der Schlussfolgerung kommen, dass ein Verständnis für die Wünsche des litauischen Volkes, eine ehrliche Zusammenarbeit oder wenigstens der Wille für ein Verständnis der litauischen Belange und eine offene Erklärung über das zukünftige Schicksal Litauens, den Ansporn geben würde, dass die Einwohner alles bisher Gewesene vergessen, um mit neuer Begeisterung sich am gemeinsamen Kampf gegen den Bolschewismus zu beteiligen. Die Bewohner sind der Überzeugung, dass nur ein milderes Regime der deutschen Zivilverwaltung positive Resultate zeitigen und zur Entspannung der Lage führen würde. Sollte dieses nicht erfolgen, so sei mit einer weiteren Andauer des passiven Widerstandes und mit einer Zunahme der deutschfeindlichen Einstellung zu rechnen.

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C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR Zum 1. Mai hat das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei 53 Losungen veröffentlicht, die im allgemeinen denen des Vorjahres entsprechen. Der Aufruf an die Werktätigen aller Länder gipfelt in der Parole „Kampf gegen die deutsch-faschistischen Eroberer“. Auch panslawistische Tendenzen klingen an, wenn die „unterjochten Slawen“ zum „heiligen Kampf gegen die imperialistischen Feinde“ aufgefordert werden. Weiter geht der Appell an die Angehörigen der Roten Armee, in Zukunft noch grössere kämpferische Leistungen zu vollbringen, an die Arbeiter und Angestellte, durch gesteigerte und bessere Arbeitsleistungen die Rüstungsproduktion zu erhöhen. Die durch diese Aufrufe erkennbare Unzufriedenheit mit der militärischen Ausbildung, vor allem der neuen Reserven und die durch den Mangel an Fachkräften hervorgerufene Sorge um die Leistungskapazität der Kriegswirtschaft geben auch die übrigen Themen der sowjetischen Propaganda. Immer wieder werden in Aufrufen an „Alle, Alle“ die Militärs und sämtliche Einwohner der Sowjetrepubliken zur letzten Kräfteanstrengung aufgerufen, um den verhassten Feind aus dem Vaterlande zu vertreiben. Obgleich ein Grossteil der Bevölkerung dem politischen und militärischen Geschehen verhältnismäßig gleichgültig gegenübersteht und weite Kreise besonders der Bewohner ländlicher Bezirke dem Bolschewismus feindlich gesinnt sind, wird infolge der intensiven patriotischen Propaganda allgemein die Ansicht vertreten, dass der Krieg mit allen Mitteln im Interesse des russischen Volkes und Vaterlandes fortgesetzt würden muss. Ein gewisser Teil der Bevölkerung, wozu besonders die Nationalitäten zu rechnen sind, erhofft jedoch eine Befreiung vom Bolschewismus und Auflösung der Kolchoswirtschaft durch die Deutschen. Überhaupt richten sich die Gedanken der antibolschewistisch eingestellten Bevölkerung gegen das kollektive Landwirtschaftssystem und die damit zusammenhängenden Maßnahmen. Gefangenenaussagen bestätigen, dass auch in den von den Deutschen nicht besetzt gewesenen Gebieten die Kolchosauflösung und Landverteilung durch die Deutschen den Gesprächsstoff bilden. Die Sowjetpropaganda hat es geschickt verstanden, auch die religiösen Gefühle der Bevölkerung für ihre Zwecke einzuspannen. Kirchen und Messen erfahren in zunehmendem Umfange eine Förderung. Wie aus Moskau bekannt wird, war der Andrang der Einwohner in den Osterfeiertagen zu den Kirchen beachtlich. Diese Tatsache wird propagandistisch sehr stark ausgeschlachtet und findet vor allem bei den Alliierten, die darin ein wesentliches Zeichen für die Abkehr von den alten bolschewistischen Idealen erblicken, weite Verbreitung. Der Metropolit von Moskau hielt in der Kathedrale einen Stadtgottesdienst ab und wandte sich dabei in einer Ansprache an die Christen aller unterjochten Länder, die er aufforderte, auszuharren und dem Feind härtesten Widerstand entgegenzusetzen; wer als Saboteur sterbe, erwerbe sich besondere Verdienste. Die Deutschen werden als kirchenfeindlich hingestellt. Um der Kirche in der Sowjetunion eine offizielle Anerkennung zu verschaffen, soll sich Stalin um ein Abkommen mit dem griechisch-ökumenischen Patriarchat in Istanbul bemühen. Wie aus Teheran gemeldet wird, haben die Sowjets im sowjetischen und iranischen Teil von Aserbaidschan alle religiösen Feiern verboten. Das grosse Fest der Geburt des Propheten sei in diesem Jahre völlig übergangen und durch eine militärische Feier ersetzt worden. Von halbamtlicher sowjetischer Seite wird erneut auf die ungenügende Unterstützung durch die Engländer und Amerikaner hingewiesen. Die jetzige Ruhe, die fast an der gesamten Front herrscht, sei nur der Vorbote kommenden Sturmes, dessen Gewalt grösser als im vergangenen Sommer sein werde. Infolge der Verluste an Menschen und Material

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seien die Sowjets gezwungen, die Kriegsanstrengungen zu forcieren. Der Hauptnachschubweg für die Kriegsmateriallieferungen Englands und der USA an die Sowjetunion ist nunmehr die Landverbindung über Iran. In Amerika weist man darauf hin, dass grosse Mengen von Material über die Häfen des Persischen Golfes laufen. Der Gedanke, die Sowjets auf diesem Wege zu unterstützen, wurde im Januar auf der Konferenz von Casablanca 2 vorgeschlagen, als Roosevelt und Churchill die Vordringlichkeit der Hilfe für die Sowjetunion anerkannten. Der Bau einer Strasse mit befestigtem Untergrund vom Persischen Golf zum Kaspischen Meer soll trotz mannigfacher Schwierigkeiten vor dem Abschluss stehen. Schwierig ist die Lage der Kautschukindustrie. Rohkautschuk aus Ostasien erhalten die Sowjets nur noch in beschränktem Umfange. Durch den Verlust einer Reihe wichtiger Fabriken ist die Herstellung von synthetischem Kautschuk stark behindert. In Moskau wurde eine dreitägige Konferenz abgehalten, die sich mit diesen Fragen befasste, Der Anbau gummihaltiger Pflanzen, besonders der Kok-Sagys-Pflanze, wird stark vorangetrieben. Durch einen Erlass des Rates der Volkskommissare der Sowjetunion ist die Produktion von Maschinen, Maschinenersatzteilen und Werkzeugen, die nicht unmittelbar für die Rüstungsindustrie gebraucht werden, verboten worden. Über den Einsatz der in den wiedereroberten Gebieten rekrutierten Männer liegen weitere Gefangenenaussagen vor, die durchaus das bereits geschilderte Vorgehen der Sowjets bestätigen. Die Ausrüstung der Mobilisierten ist ausserordentlich mangelhaft, vor allem fehlt es an Gewehren. Die Folgen sind naturgemäß hohe Verluste unter diesen Einheiten. Der Marschall der Sowjetunion A. M. Wassilewski ist zum Chef des Generalstabes der Roten Armee ernannt worden; diese Ernennung kam ziemlich überraschend. Wassilewski hat vor einigen Tagen den Chef der britischen Militärmission in Moskau, Generalleutnant Martell, empfangen. BAB, R 58/224 1 Friedrich Paulus, geb. 1890, 1942 General der Panzertruppe u. OB der 6. Armee, am 31. 1. 1943 Generalfeldmarschall u. Kapitulation in Stalingrad, gest. 1957; vgl. Hürter: Hitlers Heerführer, S. 650 f. 2 Wenige Wochen nach der Landung alliierter Truppen in Nordafrika fand vom 14. bis 26.1. 1943 im marokkanischen Casablanca eine Konferenz statt, bei der Amerikaner u. Briten die Fortführung des Krieges abstimmten u. als Kriegsziel die bedingungslose Kapitulation der Achsenmächte beschlossen.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 14. V. 1943 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 54 […] A. Gegner und Exekutivfragen Kommunistische Bewegung: Im Bereich des Kommandeurs dSPudSD in Litauen ist es in der Zwischenzeit zu keinen grösseren kommunistischen Zusammenschlüssen gekommen, abgesehen von kleineren von Einzelpersonen geführten Gruppen, die Sabotageakte verübten. Die kommunistische Propaganda stellt nach wie vor ihre „grossen Erfolge“ in der Winterschlacht heraus und fordert die Litauer auf, den Musterungen für die SS-Legion und die Wehrmacht keine Folge zu leisten und sich auch nicht zur Arbeitsleistung nach dem Reich vermitteln zu lassen. In Rundfunksendungen und Flugblättern, in denen im-

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mer wieder auf die sich nahende Stunde der Befreiung hingewiesen wird, werden weiterhin die Massen aufgefordert, die deutschen Maßnahmen zu sabotieren, zu den Waffen zu greifen und sich den Banden anzuschliessen. Bisher konnte jedoch eine fühlbare Beeinflussung der Bevölkerung durch diese Propaganda nicht beobachtet werden. Im Bereich des Kommandeurs dSPudSD in Lettland wurde aufgrund der gespannten Lage im Osten eine erhöhte Aktivität kommunistisch eingestellter Elemente festgestellt, was insbesondere für die Städte zutrifft. So wurden beispielsweise in Riga in einigen Fabriken bereits Ämter für die Zeit nach der Rückkehr der Bolschewisten verteilt. Z. Zt. stehen zwei kommunistische Gruppen in Riga unter Beobachtung, die Versammlungen und Sammlungen von Kleidungsstücken für die Partisanen durchführen. Innerhalb des Arbeitserziehungslagers Salaspils wurde eine aus 3 Gruppen bestehende kommunistische Organisation aufgerollt, von denen eine Gruppe ausschliesslich die Aufgabe hatte, die Häftlinge im kommunistischen Sinn zu schulen und zu beeinflussen. Eine zweite Gruppe traf Vorbereitungen zur Flucht aus dem Lager, und die dritte befasste sich mit dem Diebstahl von Sprengstoffen. Die im Kreise Dünaburg zur Sicherung der lettisch-russischen Grenze eingesetzten ukrainischen Einheiten mussten wegen Unzuverlässigkeit wieder abgezogen werden. Die dort eingesetzten Schutzmänner begingen Eigenmächtigkeiten, verübten Diebstähle und bedrohten Bauern, die ihnen nicht gefügig waren. Sie hatten auch Beziehungen zu den an der Grenze lebenden unzuverlässigen Weissruthenen aufgenommen und sprachen ganz offen davon, daß die Russen den Krieg gewinnen würden. Im Bereich des Kommandeurs dSPudSD in Weissruthenien war im allgemeinen eine Aktivierung der kommunistischen Partei nicht festzustellen. Lediglich die Flüster- und Flugblattpropaganda war stärker geworden, was auf die Zurücknahme der deutschen Front zurückzuführen sein dürfte. Ferner wurde die Aussiedlung der Volksdeutschen sehr geschickt von der Feindpropaganda ausgenutzt, die nun behauptete, daß Umsiedlungen ein sicheres Zeichen dafür wären, daß die Russen bald wieder grosse Gebiete des Abschnitts besetzen würden. In der Zwischenzeit haben jedoch die Sabotage- und Terrorakte sehr an Umfang zugenommen, die in der Hauptsache von einer Bandengruppe, die ca. 45 km von Minsk entfernt liegt, verübt werden. Des weiteren konnte eine Dreiergruppe in Minsk ermittelt werden, bei der es sich um ehemalige Angehörige des ZK handelt und die sich zusammengeschlossen hatten, um Sabotage- und Terrorakte auszuführen. U. a. konnte dieser Gruppe der Mord an einem Sonderführer des Generalkommissars nachgewiesen werden, den sie umgebracht hatten, um in den Besitz der Pistole zu gelangen. Ausserdem kommt ebenfalls der am 3. 3. 1943 in Minsk auf den mit gefüllten Benzinfässern beladenen Güterzug verübte Anschlag auf das Konto dieser Gruppe. Die drei hatten, mit einer Armbinde „Im Dienste der deutschen Reichsbahn“ versehen, das Gelände des Bahnhofs betreten und gemeinsam eine Zeitmine in einem der Waggons untergebracht. Durch einen Konstruktionsfehler explodierte vorzeitig die Mine und setzte 3 Waggons in Brand. Durch das sofortige Eingreifen des Bahnpersonals konnten die drei Wagen auf ein leeres Gleis geschoben werden, so daß die übrige Ladung gerettet werden konnte. Durch diesen Anschlag wurden 60 000 ltr. Benzin vernichtet. Im Zusammenhang mit der Aufrollung dieser Gruppe erfolgte die Festnahme der im Krankenrevier der Dienststelle in Minsk tätigen volksdeutschen Ärztin Leiser, die Beziehungen zu verschiedenen Kommunistengruppen unterhielt. Ihre Vernehmung ergab, daß sie den Auftrag hatte, Nachrichten über die Dienststelle zu sammeln und weiterzuleiten sowie die auswärtigen Bandengruppen mit Medikamenten und Verbandszeug zu beliefern. Der Befehlshaber dSPudSD für die Ukraine berichtet, daß im Kommandeurbereich Sim-

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feropol 262 Personen in Haft genommen wurden, die früher dem NKWD angehört haben. In Tery, Kommandeurbereich Simferopol, wurden 10 bewaffnete, mit Fallschirmen abgesetzte kommunistische Terroristen gestellt, von denen 5 in dem sich entwickelnden Feuergefecht erschossen wurden. Ausser einer Anzahl von Maschinenwaffen und Handgranaten wurden 300 kg Dynamit und 1 Funkgerät sichergestellt. Fallschirmspringer, Saboteure: Nach Einwohnermeldungen sind am 24. 3. 1943 südwestlich Ludsen 4 Fallschirmspringer abgesetzt worden. Fahndungsmaßnahmen verliefen bisher ergebnislos. Im Kommandeurbereich Stalino landeten 3 Fallschirmspringer, von denen 2 festgenommen werden konnten. Eine andere abgesetzte Gruppe, bestehend aus 18 Personen blieb bisher unauffindbar. Eine weitere im Gebiet Belaja Zerkow abgesetzte Fallschirmgruppe in Stärke von 3 Mann konnte vernichtet werden. 5 im Generalbezirk Nikolajew, Gebiet Snamenka, mit Sprengmaterial und Munition abgesetzten Fallschirmspringern gelang es, zu entkommen. Ein Teil des Materials konnte sichergestellt werden. Durch 5 im Gebiet Alexandrowka abgesetzte Fallschirmspringer wurde ein Waldbrand verursacht. Die Fallschirme wurden aufgefunden. In einem Feuergefecht im Gebiet von Orechow wurde eine Fallschirmgruppe (2 Männer und 3 Frauen) aufgerieben und erschossen. Abgesetzte Fallschirmspringer, deren Anzahl bisher nicht bekannt ist, wurden im Gebiet Retschitza festgestellt. Aus den Angaben eines festgenommenen Angehörigen des Stabes der ukrainischen Partisanenbewegung aus Moskau geht hervor, daß im Laufe der Monate Juni bis Dezember 1942 allein in der Ukraine rund 40 Bandenführer mit einem Stab von je 10 bis 15 Personen mittels Flugzeugen abgesetzt wurden mit dem Ziele, in den ihnen zugewiesenen Gebieten Banden aufzustellen. Bei den abgesetzten Banditen handelt es sich um ausgebildete Leute und zwar um Funker, Fachleute für Sprengungen und Erkunder. Jeder Stab verfügte über ein Sendegerät, um Verbindung mit Moskau aufzunehmen. 13 dieser Bandenführer wurden namentlich bekannt. Von den 40 abgesetzten Gruppen haben nur 3 Funkverbindung mit Moskau aufgenommen, so daß beim Stab in Moskau vermutet wird, daß die restlichen entweder nach dem Absprung festgenommen wurden oder ihre Sendegeräte verlorengingen. In Kriwoj-Rog gelang die Zerschlagung einer Sabotagegruppe, die insbesondere durch Abschneiden der Bremsschläuche an Eisenbahnwagen Verkehrssabotage verübte. 6 Saboteure wurden bisher festgenommen. Vermutlich durch Sabotage entstand in einem Heereskraftwagenpark in Dnjepropetrowsk ein Schadenfeuer, durch das die Giesserei und mehrere Nebengebäude vernichtet wurden. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Ende Februar 1943 ereigneten sich in Boshedarowka (etwa 70 km von Dnjepropetrowsk) mehrere Sabotagefälle. Es wurden die an der Bahnlinie Boshedarowka–Werchowzewo und Boshedarowka–Kronitschi laufenden Leitungsdrähte wiederholt durchgeschnitten und die Telegraphenmasten abgesägt. Zu gleicher Zeit kamen Flugblätter zur Verteilung, durch welche die Bevölkerung zum Ungehorsam und aktiven Widerstand aufgehetzt wurde. Der Lehrer Laskarschewky, der durch seine Bemühungen Waffen zu sammeln aufgefallen war und bei dem es sich vermutlich um den Leiter einer im Aufbau begriffenen Bande handelte, wurde sonderbehandelt. Im Zuge der weiteren Festnahmeaktion wurden 5 weitere Personen auf der Flucht erschossen und 16 der Sonderbehandlung zugeführt. Unbekannte Täter sprengten die Anlagen eines Steinbruchs im Gebiet Sarny. Wertvolle Maschinenanlagen wurden restlos vernichtet. Durch rechtzeitige Entdeckung grösserer Mengen Pulver – bestehend aus runden Plätzchen, das mit starker Stichflamme verbrennt – in der für das Zementwerk Sdolbunow angelieferten Kohle konnte erheblicher Schaden vermieden werden.

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Wegen Sabotage in kriegswichtigen Anlagen wurden in Melitopol, Kommandeurbereich Simferopol, 14 Personen festgenommen. Ein Militärtransportzug fuhr bei der Ortschaft Zimocki auf eine Mine, wodurch das Gleis einseitig aufgerissen wurde. Die Lok und 4 Güterwagen entgleisten. Weiterer Sach- oder Personenschaden ist nicht entstanden. Infolge Laschenlösung entgleisten auf der Strecke Tauroggen–Schaulen die Lokomotive mit Tender und 3 Wagen eines Urlauberzuges. 2 deutsche Soldaten und der Hilfslokführer wurden verletzt. Ferner wurde durch Lösen einer Schiene auf der Bahnlinie Sinjokowo–Saporoshje ein Anschlag verübt. Die Bahnstrecke Rosenau–Sebesh wurde an 2 Stellen durch Minen gesprengt und der Streckenstützpunkt von Banditen beschossen. Im Feuergefecht fielen 5 Banditen, während 6 weitere festgenommen werden konnten. Ein Zug fuhr auf der Strecke Rosenau–Indrica auf eine Mine, wodurch eine längere Verkehrsstörung hervorgerufen wurde. Der Lokführer und der Heizer wurden schwer verwundet. Im Kommandeurbereich Kiew ereigneten sich in letzter Zeit zahlreiche Anschläge auf Verkehrs- und Transportwege. So wurden u. a. auf der Nordbahn 21, auf der Mittelbahn 22 und auf der Südbahn 17 Schienensprengungen durchgeführt, wobei neben der Transportstörung erheblicher Sach- und Personenschaden angerichtet wurde. In zahlreichen Fällen gelang es aber auch, bereits an den Schienen befestigte Minen rechtzeitig zu entfernen. Darüber hinaus wurden Eisenbahnbrücken in 6 und Strassenbrücken in 5 Fällen gesprengt bezw. niedergebrannt sowie Telefonleitungen zerstört. 6 Ukrainer wurden in Tschigirin und Alexandrowka, Kommandeurbereich Nikolajew, festgenommen, die sich unter Führung des Ukrainers Kostenko zu einer Gruppe zusammengeschlossen hatten mit dem Ziel, durch Gegenarbeit den für den Aufbau tätigen volksdeutschen Bürgermeister von Tschigirin aus seinem Amt zu entfernen. Sie erreichten durch Agitation, daß der Rayon hinsichtlich der Ablieferung von Getreide und Vieh an letzter Stelle steht. Bei den Festgenommenen handelt es sich um Melnik-Anhänger und Kommunisten bezw. NKWD-Mitarbeiter. Wegen Verkaufs von Methylalkohol, nach dessen Genuss 4 Männer der Organisation Todt und 1 Ukrainer verstarben, wurden in Pawlograd 2 Ukrainer festgenommen. Am 23. 3. 1943 ging in Boschtschew ein Ballon von 15 m Durchmesser mit folgender russischer Aufschrift nieder: „Gebiet Moskau, Stadt Kuznetsk, Post 99“. Am Ballon befand sich ein etwa 100 m langes Schlepptau. Greueltaten der Bolschewiken während der Besetzung des Raumes Barwenkowo/Grischino: Im Rahmen des weit ausholenden Umfassungsangriffs auf das Donez-Becken unternahmen sowjetische Panzer von Barwenkowo aus in der Nacht zum 11. 2. einen Durchbruch nach Süden und erreichten die Stadt Grischino. Sämtliche Ausfallstraßen der Stadt wurden sofort von den Panzern besetzt und die wehrfähigen Zivilisten aus den Randgebieten der Stadt mit mitgeführten Waffen ausgestattet. Nun begann ein systematisches Kesseltreiben auf die in der Stadt überraschten deutschen Einheiten. Es scheint, daß die von der Ortskommandantur angeordnete höchste Alarmbereitschaft den in der Stadt liegenden Nachschub-, Transport-, Nachrichten- und versprengten Einheiten nicht mehr rechtzeitig genug bekanntgeworden ist. Lediglich Angehörige der Reichsbahn konnten sich auf einem bereitgestellten Dienstzug in Sicherheit bringen. Die Bolschewisten hausten 9 Tage in der Stadt, bis am 20. 2. die Entsetzung durch deutsche Truppen erfolgen konnte. Bei den Aufräumungsarbeiten wurden aus Kellern, Scheunen und Vorgärten 210 Angehörige der deutschen Wehrmacht, 65 Angehörige der OT, 60 Italiener, 20 Eisenbahner und 3 Rumänen als Leichen geborgen. Nur ein Teil konnte identifiziert werden. Selten waren normale Kriegsverletzungen festzustellen. Dagegen wiesen fast sämtliche Leichen Kopfverletzungen auf, die von Keulen- oder Kolbenschlä-

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gen herrühren mussten. Sämtliche Leichen waren einschliesslich der Eheringe ausgeplündert und ihrer guten Kleidungsstücke beraubt; die Stiefel fehlten durchwegs. Eine Anzahl der Italiener stammte aus dem Lazarett. Arm- und Beinamputierte und sonstige Schwerverletzte waren durch Kolbenschläge getötet. Die Leiche eines Eisenbahners wurde mit abgetrenntem Geschlechtsteil aufgefunden; einem Soldaten waren die Augen ausgestochen. Sämtliche Einheimische, die als deutschfreundlich bekannt oder die bei deutschen Dienststellen beschäftigt waren, und auch jene wehrfähigen Männer, die dem Gestellungsbefehl der Bolschewisten nicht nachgekommen sind, waren erschossen worden. Im Laufe der Ermittlungen wurde in Erfahrung gebracht, daß am 24. 2. 170 Soldaten barfuß von Dobropolje-Bahnhof aus in Richtung Barwenkowo getrieben wurden. Die weiteren Nachforschungen ergaben, daß diese Gefangenen in der Ortschaft Sswjatogorowka in einem grösseren öffentlichen Gebäude sich nackt ausziehen mussten und daraufhin tot geschlagen wurden. Nur ganz wenige wiesen ausser der Schlagverletzung einen Fangschuss in der Stirngegend auf. Die Leichen der Erschlagenen schaffte man auf Schlitten zu einem in der Nähe befindlichen Schürfschacht, aus dem bisher 110 Leichen geborgen wurden. 21 davon konnten aufgrund der Erkennungsmarken identifiziert werden. Es handelt sich um Angehörige aller Waffengattungen, darunter auch einen italienischen und einen ungarischen Soldaten. Die geborgenen Leichen, die noch keinerlei Verwesungsspuren zeigten, wiesen durchwegs Symptome von Erfrierungen an den Füssen auf. Die frischrasierten Gesichter lassen darauf schliessen, daß die Gefangenschaft nur von kurzer Dauer gewesen sein kann. Die tödlichen Kopfverletzungen mussten teils mit sehr mächtigen, teils mit scharfkantigen Knüppeln oder Kolben ausgeführt worden sein. Einige Verletzungen lassen wegen ihrer engbegrenzten Tiefenwirkung auf die Verwendung eines hammerartigen Gerätes schliessen. Am häufigsten wurden die Schläge direkt auf die Schädeldecke ausgeführt, wodurch diese mehrfach zertrümmert wurde. Daneben finden sich Schläge auf das Schläfenbein unter teilweiser Zertrümmerung einer ganzen Schädelhälfte. Schläge gegen das obere Jochbein und gegen den Oberkiefer zeugen von der viehischen Rohheit der Täter. Beweis für die ausgesprochen niederen Instinkte der Bolschewisten ist weiter der Umstand, daß man den Unterarm abhackte, um Armbanduhren leichter abnehmen zu können. B. Lebensgebiete Allgemeine Stimmung und Lage der Bevölkerung in der Ukraine: Die Stimmung der Bevölkerung hatte den Meldungen zufolge gegen Anfang März ihren Tiefpunkt erreicht. Sie wurde diktiert durch verschiedene Umstände und zwar 1. die Lage an der Front, 2. das Verhalten der italienischen, ungarischen und rumänischen Truppen, 3. durch die Haltung einzelner Deutscher und 4. durch die Tätigkeit der Banden. Beim Näherrücken der Roten Armee zeigte sich in der Bevölkerung eine völlig veränderte Haltung. Ein Teil enthüllte seine bolschewistische Gesinnung; ein Teil versuchte, sich als bolschewistenfreundlich hinzustellen. Diese Beobachtung konnte in der Westukraine in grösserem Maßstab getroffen werden als in der Ostukraine. Im Westen war man an vielen Stellen entschlossen, trotz der Greueltaten der Bolschewisten nicht zu flüchten, sondern ihre Ankunft abzuwarten. Die Bevölkerung war hier mehr oder minder der bolschewistischen Propaganda erlegen, die angeblich erklärt haben sollte, dass die Bolschewisten sich grundsätzlich geändert hätten und keine Vergeltungsmaßnahmen ergreifen würden. Es machte sich in vielen Fällen das Bestreben bemerkbar, in letzter Minute noch zu versuchen, sich für den Fall des Einrückens der Roten Armee ein Alibi zu verschaffen. Man versuchte, deutsche Dienststellen zu verlassen, um dem Vorwurf zu entgehen, für Deutschland gearbeitet zu haben. In ver-

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schiedenen Gebieten konnte diese Tendenz sogar bei Volksdeutschen festgestellt werden, die den Wunsch aussprachen, wieder ihre alten sowjetischen Pässe im Austausch mit den volksdeutschen Ausweisen zurückzuerhalten. Im Gebiet Dnjepropetrowsk und zum Teil auch in Stalino haben viele Männer und Frauen versucht, mit den Deutschen zurückzugehen, um nicht in die Hände der Roten zu fallen. Man war sich hier eher als in der Westukraine darüber klar, dass die Bolschewisten schonungslos vorgehen würden. Zu der ausgesprochen schlechten Stimmung der gesamten Bevölkerung hat besonders das Verhalten der durch das Gebiet hindurchziehenden Truppen der italienischen, ungarischen und auch rumänischen Armee beigetragen. Der geradezu traurige Zustand der Soldaten in ihrer Bekleidung, Bewaffnung und ihrem Tross machte einen so schlechten Eindruck, dass die Bevölkerung glaubte, die gesamte Armee sei wie zu Zeiten Napoleons in einem ungeordneten Rückzug. Hinzu kam, dass diese Truppen in einer Art und Weise die Landbevölkerung ausplünderten, wie sie bisher beispiellos gewesen ist. Es kam soweit, dass die Bevölkerung zur Arbeitsniederlegung schritt, da sie sich dort, wo diese Truppen hindurchzogen, gezwungen sah, ihre Wohnungen zu schützen, um den Plünderungen entgegenzutreten. So steht fest, dass in manchen Gebieten diese Truppen sehr viel Pferde und Wagen requiriert haben, dass sie Saatgetreide mitgenommen haben, dass Geflügel, Vieh, Honig, Möbel und Leder weggenommen worden sind. Immer wieder wird von Seiten der Bevölkerung auf das schlechte Verhalten und die ständig sinkende Moral der italienischen und ungarischen Truppen hingewiesen (Kiew, Tschernigow). In Kiew hat man bereits das Wort geprägt, dass der Krieg für Hitler verloren sei, da man den weissen Bären, Russland, nicht mit Hasen, Italienern und Ungarn, jagen könne. Hinzu kam, dass sowohl italienische wie auch ungarische Soldaten auf dem Lande ihre Waffen gegen Lebensmittel tauschten und dabei erklärten, dass sie lange genug Krieg geführt hätten. Die Ansicht der Bevölkerung, dass der Krieg für Deutschland verloren sei, wird vor allem auf die Propaganda von Angehörigen der italienischen Wehrmacht zurückgeführt. So steht fest, dass die Italiener für 1 Gewehr 600 Rubel verlangt haben. Sie brachten dabei zum Ausdruck, dass es nicht wichtig sei, ein Gewehr zu besitzen, aber notwendig, sich satt zu essen. Soweit die deutschen Dienststellen Herr der Lage waren und sich nicht durch die Lage an der Front beeindrucken liessen, ist es überall gelungen, Aufsässigkeiten und Plünderungen zu verhindern, ja zum Teil sogar gelungen, die Bevölkerung am eigenen Beispiel wieder aufzurichten und Mut fassen zu lassen. Jedoch war diese Haltung nicht absolut einheitlich. An manchen Stellen ist gerade durch das Verhalten deutscher Wirtschaftsdienststellen die Bevölkerung ausserordentlich schlecht beeindruckt worden. Der überwiegende Teil der Reichsdeutschen hat seine Pflicht erfüllt und ein gutes Vorbild gegeben, aber gerade die Ausnahmen sprachen sich in der Bevölkerung des Gebietes schnell herum und hatten dann Folgen von grösster Bedeutung. So hatte z. B. in Saporoshje der Leiter der Zweigstelle der Zentralen Notenbank aus eigenem Entschluss seine Diensträume geschlossen und Vorkehrungen zum Abrücken getroffen. Die Schliessung der Bank ging wie ein Lauffeuer durch die ganze Stadt und trug erheblich zu Unruhen in der Bevölkerung bei. Als die Belegschaft eines Reichsbahnausbesserungswerkes ihre Arbeitsstelle disziplinlos verliess, wie ebenfalls die Einsatzfirma Dnjepr-Metall-Union, war auch dies in kurzer Zeit bekannt. Auch dass die Hauptabteilung E. u. L. in Saporoshje begann, ihr grösstes Gepäck zu verladen und in Sicherheit zu bringen, brachte erhebliche Unruhe in die Bevölkerung. In der Westukraine ist die Stimmung ausser den genannten Vorkommnissen in stärkstem Maße abhängig gewesen und auch heute noch abhängig von der Bandentätigkeit; dabei ist

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es ganz gleich, ob es sich um bolschewistische oder nationalistische Banden handelt. Der Schwerpunkt des Bandenwesens liegt in den Bereichen Kiew-Nord, Tschernigow, Shitomir, Rowno. Besonders in den Generalbezirken Wolhynien-Podolien und Shitomir-Nord hat das Bandenwesen derartige Formen angenommen, dass erhebliche Gebietsteile mehr und mehr in die Kontrolle und Herrschaft der Banden übergegangen sind. Dies wird dadurch bekräftigt, dass sowohl das bolschewistische Banditentum wie auch der nationalukrainische Bandenführer Taras Bulba (Borowetz) dazu übergegangen sind, mehrere Jahrgänge der ukrainischen Jugend mittels formeller Stellungsbefehle zum Waffendienst einzuberufen. Ebenfalls hatte der Befehl Bulbas an die Schutzmannschaften, sich an ihn anzuschließen, Erfolge. Diese Entwicklung wirkt sich auf die allgemeine Lage und die Stimmung der Bevölkerung in stärkstem Maße aus. Die Landbevölkerung hat dadurch einen besonders schweren Stand. Sie möchte es sowohl den Deutschen als auch den Banditen recht machen, um sich vor den Repressalien beider Parteien zu schützen. Sie steht also zwischen zwei Feuern umsomehr, als sich die deutschen Stellen mit den Banditen in der Beherrschung mancher Dörfer und Landstriche oft ablösen. Die Flucht ist z. Zt. das einzige Leitmotiv für das Verhalten der Bevölkerung. Ihrem Hass gegen den Bolschewismus und der Furcht vor seiner Wiederkehr steht nach wie vor die Erbitterung gegen die Deutschen entgegen. Ihre Erwartungen durch die Deutschen sind fast auf allen Gebieten enttäuscht, so dass grosse Teile der Bevölkerung die deutsche Herrschaft ablehnen. Hinzu kommt, dass die Maßnahmen, die zur Erfassung von Arbeitern für das Reich getroffen werden, die Bevölkerung weitgehendst negativ beeinflusst, ja z. T. durch die Strenge der Maßnahmen förmlich zu den Banden treibt. In Intelligenzkreisen der Westukraine äussert man sich zur derzeitigen politischen Lage etwa wie folgt: Man täusche sich, wenn man annehme, dass der Wille zur Selbständigkeit lediglich in den ehemals polnischen Gebieten der Ukraine lebendig sei. Wenn auch die ukrainische Bevölkerung der altsowjetischen Gebiete bis zum Sommer 1941 kaum Anzeichen von einem Willen zur Selbständigkeit habe merken lassen und dieser vielleicht damals auch nicht vorhanden gewesen sei, so sei im Laufe der Zeit auch in dieser Hinsicht ein Wandel vor sich gegangen. Durch die deutsche Besetzung des Landes, die Einführung der Zivilverwaltung und durch die Erfahrungen, die die Bevölkerung mit den Deutschen gemacht habe, sei nach und nach ein Nationalbewusstsein geweckt worden, welches durch die bolschewistische Propaganda immer mehr bestärkt werde. Dieses Selbstbewusstsein der einheimischen Bevölkerung werde auch noch dadurch gehoben, dass die Deutschen einerseits für sich in Anspruch nehmen, einer höheren Rasse anzugehören, man aber beobachten könne, wie einzelne Deutsche andererseits durch unwürdiges Verhalten, Unfähigkeit und Disziplinlosigkeit den Gegenbeweis dieser These liefern. Nachdem die deutschen Truppen wieder vorgestossen sind und Charkow zurückerobert haben, hat sich die Stimmung im allgemeinen wesentlich gewandelt und gebessert. Die Bevölkerung stürzt sich jetzt wieder auf den deutschen Wehrmachtsbericht, der täglich mit Ungeduld erwartet wird. Die durchziehenden deutschen Truppen, deren Haltung und Ausrüstung zu erkennen gab, dass der deutsche Vormarsch wieder beginnt, haben wesentlich zur Stimmungsänderung beigetragen. In Charkow selbst hat die Bevölkerung festgestellt, dass die einmarschierenden roten Truppen disziplinlos waren, schlecht gekleidet und schlechte und wenig Waffen hatten. Als dann die Truppen der SS einrückten 1, staunte man und erklärte, man verstände nicht, dass die Deutschen, die solche Truppen hätten, vor diesen bolschewistischen Horden, die bettelnd von Tür zu Tür geschlichen seien, Charkow überhaupt aufgegeben haben.

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Die Bildung eines russischen Nationalkomitees und einer Befreiungsarmee in Smolensk unter General Wlassow und die damit im Zusammenhang propagierte Bildung einer ukrainischen Armee stehen im Vordergrund des allgemeinen Interesses. Die Gründung eines ukrainischen Komitees und der Aufruf zur Bildung einer ukrainischen Armee waren in Charkow vorgesehen. In letzter Minute wurde jedoch davon Abstand genommen. Radiomeldungen, die besagten, dass auch in Charkow entsprechende Maßnahmen ergriffen seien, waren schon über den Sender Ostland und Weichsel gegangen. Die Bevölkerung befasst sich überall mit dem Aufruf des Generals Wlassow, besonders mit den Punkten von der Verteilung des Bodens an die Bauern als Privateigentum, mit der Wort- und Pressefreiheit usw. Charkow wird als Zentrale des Komitees bezeichnet, weil dort die Wehrmacht allein regiere, während in Kiew auch eine Zivilverwaltung sässe. Die Wehrmacht könne die einheimische Bevölkerung besser behandeln als die Zivilverwaltung. In Kreisen der ukrainischen Nationalisten verspricht man sich nach wie vor eine grundlegende Änderung der deutschen Ostpolitik, aber auch in russisch-nationalen Kreisen verstärken sich gewisse Stimmungen und Bestrebungen, die in der Hoffnung auf ein nationales Russland gipfeln. Der Aufruf Wlassows findet fast ausschliesslich eine positive Beurteilung bis auf einige Gebiete in der Ostukraine. Vor allem betont man, dass er jegliche Restaurationsversuche ablehne und sich sowohl gegen Kommunisten wie auch Kapitalisten wende. In Uman wird in diesem Zusammenhang bereits unter der Landbevölkerung von einer bevorstehenden Landzuteilung an die Bauern gesprochen. Die Tatsache jedoch, dass die Gründung eines ukrainischen Komitees bisher nicht von offizieller Seite bestätigt wurde, hat teilweise dazu geführt, dass behauptet wird, es handle sich um einen ausgesprochenen deutschen Propagandabluff, der lediglich dazu dienen solle, bei der einheimischen Bevölkerung und im Ausland eine deutschfreundliche Stimmung zu erzeugen. In Bezug auf den Arbeitseinsatz befürchtet man für die nächste Zeit eine verstärkte Werbung und Einziehung von Arbeitern in das Reich. Es wird immer wieder betont, dass nicht die Tatsache, dass die Arbeiter nach dem Westen verschickt werden, der Hauptgrund der Klagen sei, sondern vor allem die Methoden der Werbung und die Behandlung während des Transportes. Ganz allgemein hat sich herausgestellt, dass niemand mehr freiwillig dazu zu bewegen ist, sich zu melden. Da jedoch an bestimmten Orten und Gebieten Kontingente für Arbeitskräfte vorgeschrieben wurden, ist man genötigt, Gewaltmaßnahmen durchzuführen. Neben einer Verbreitung von Parolen ukrainischer Nationalisten, die von gewissen Bevölkerungskreisen gerne gehört werden, wird auch teilweise davon gesprochen, dass die Stellung des Reichskommissars für die Ukraine erschüttert sei. Man erhoffe eine mildere Politik und ein Nachlassen der starken Ausschöpfung des Landes und seiner Werte. Haltung der Jugend in der Ukraine: Nach vorliegenden Meldungen hat die ukrainische Jugend in Haltung und Benehmen die in der Sowjetzeit üblichen Gepflogenheiten beibehalten. Dies treffe besonders für die Jugend im Alter von ca. 17 Jahren zu, die schon längere Zeit unter dem Einfluß der sowjetischen Schule gestanden hatte. Die Tatsache, daß die Jugend in besonderem Maße vom Bolschewismus zu seinen Zwecken herangebildet worden ist, sei unverkennbar. Während der Sowjetzeit sei die Jugend zufrieden, allerdings egoistisch, unehrlich und ohne jedes Familiengefühl gewesen. Diese Züge hätten sich auch heute noch durchaus erhalten. Die folgenden Äußerungen ukrainischer Lehrkräfte werden als charakteristisch für diesen Zustand bezeichnet: a) Lehrerin einer Gewerbeschule: „Die Sowjetschule hat die Jugend nicht zur Arbeit angehalten. Aktiv waren die Schüler nicht in der Arbeit für die Schule, sondern in Diskussionen auf Versammlun-

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gen und Sitzungen. Auch heute noch führen die Eltern Klage darüber, daß sie von ihren Kindern keinerlei Hilfe in der Wirtschaft haben. Ein Schüler wird seinem Lehrer nie eine Gefälligkeit erweisen, einen Stuhl anbieten oder die Kreide reichen und wenn er ihn überhaupt grüßt, behält er die Mütze auf. Er ist der Meinung, daß ihn ein höflicheres Benehmen selbst herabsetze. Die Jugend hat völlig falsche Auffassungen von Ehre, von Moral sowie von dem Verhältnis Mensch zu Mensch und muß von Grund auf neu erzogen werden.“ b) Lehrer einer Volksschule: „Die Jugend ist undiszipliniert und nicht an die einfachsten Arbeiten gewöhnt; nur wenige haben überhaupt Lust zum Lernen.“ Die allgemeine Meinung der Lehrer sei, daß der Jugend eine gründliche Umerziehung nottue und daß man ihr die elementarsten Begriffe wie Ehrlichkeit, Bescheidenheit, Arbeitslust zunächst einmal einprägen müsse. Trotz dieser Erkenntnis geschieht den Meldungen zufolge jedoch auf diesem Gebiet bisher wenig oder gar nichts. Die meisten Lehrer zögen es vor, sich in eine solche Umerziehung der Jugend nicht einzulassen. Die Lehrer stünden zumeist im vorgerückten Alter und wollten sich keine Schwierigkeit und auch keine Feinde machen. Ihren Pflichten gingen sie ganz formell nach. „Sie tun so, als ob sie das schlechte Benehmen ihrer Schüler, ihre Unhöflichkeit und ihr disziplinloses Verhalten überhaupt nicht bemerkten. Lediglich dort, wo der Lehrer oder Schulleiter eine ausgeprägt starke Persönlichkeit ist, merkt man dies auch an dem Verhalten der Schüler.“ Es fehle völlig an einer schulischen Erziehung der Jugend im Hinblick auf eine spätere praktische Tätigkeit. Unterricht in Handarbeit, Hauswirtschaft, Kinderpflege, sonstiger Gewerbeunterricht würden nur in ganz geringem Maße erteilt. In bescheidenem Rahmen könnten aber diese Dinge, wenn auch manche Gegebenheiten dazu fehlen, eingeführt werden. Hinzu komme, daß die elterliche Erziehung genau so schlecht wie früher sei. Die Eltern hätten alle möglichen anderen Sorgen, die die Kriegszeit mit sich gebracht habe, zum Teil auch erhebliche Ernährungssorgen und liessen deshalb ihre Kinder sehr außer acht. Für sie sei vordringlichste Aufgabe, die Kinder einigermaßen satt zu machen. Wo Jugendliche in engeren Umgang mit deutschen Dienststellen gekommen wären, sei in vielen Fällen ein durchaus positiver Einfluß auf die Jugendlichen ausgeübt worden. Es gäbe Beispiele genug, wo sowohl Eltern wie auch Verwandte und Bekannte von Jugendlichen geradezu erstaunt gewesen seien, in welchem Maße sie der Umgang mit deutschen Dienststellen vorteilhaft verändert habe. Verschiedene Meldungen weisen darauf hin, daß zu berücksichtigen sei, daß dem Jugendlichen eine Freizeitgestaltung fehle und er zu sehr sich selbst überlassen sei. Er wisse mit dem Abend nicht recht etwas anzufangen; zum Lesen sei kein Licht vorhanden, Besuche könne er wegen früher Sperrstunden wenig machen, und Kinound Theaterkarten seien sehr schwer zu bekommen. In diesem Zusammenhang wird eine aus deutschfreundlichen Kreisen stammende Anregung als erwägbar bezeichnet, nach der die Jugend mit Spiel und Sport beschäftigt werden soll. Man könne gleichzeitig damit das Interesse der Jugend auf ein ungefährliches Gebiet ablenken. Im allgemeinen bestehe bei den Jugendlichen eine ungeheure Angst vor einer Verschickung nach Deutschland. Von der Krim wird hierzu als bezeichnendes Beispiel gemeldet, daß, als ein Lehrer in der Schule erklärte, die fleissigsten Schüler würden nicht in Arbeit nach Deutschland verschickt werden, er feststellen konnte, daß alle Jugendlichen sich ungeheure Mühe gaben und die schlechtesten Schüler sich schnell erheblich besserten. Neben dieser Furcht trage zur Haltung der Jugendlichen wesentlich das Gefühl einer nahezu aussichtslosen Zukunft bei. In der Sowjetzeit habe man den Jugendlichen immer wieder gepredigt, bei Fleiß und Intelligenz könnten sie die Hochschule besuchen. Dieser

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Möglichkeit beraubt, wachse bei manchen Jugendlichen die Neigung, immer stärker wieder zum Bolschewismus hin zu tendieren, zumal auch die sonstigen Lebensverhältnisse weit schwieriger als unter dem Bolschewismus empfunden werden. Ein Mädel erklärte z. B.: „Als ich in der Schule war, war mein sehnlichster Wunsch, Ärztin zu werden; jetzt aber muß ich die 10. Klasse verlassen und sehen, mein Brot anderweitig zu verdienen. Mein ganzes Leben ist zerschlagen.“ Ein 16-jähriger Junge sagte: „Ich sitze zu Hause und helfe meiner Mutter in der Wirtschaft; die Schule kann ich nicht besuchen, da ich einen zu weiten Weg und keine Schuhe habe. Früher einmal wollte ich Ingenieur werden.“ Es komme so sehr häufig vor, daß von den Eltern das Sowjetsystem abgelehnt werde, während die Kinder seine Rückkehr herbeisehnten. In den kritischen Tagen an der Ostfront sei daher die Stimmung der Jugendlichen sehr eindeutig probolschewistisch gewesen. „Die Schüler wurden auffallend frech, nachlässig und disziplinlos und als die Frontlage sich wieder verbesserte, waren die meisten Jugendlichen damit nicht zufrieden.“ Von ukrainischer Seite kommen zwecks Erziehung und Gewinnung der Jugend laufend Anregungen und Forderungen wie folgende: Unter der Jugend müsse eine intensive Propaganda in den Schulen, im Kino und in der Zeitung betrieben werden. Das unpolitische Unterrichtsprogramm in den Schulen müsse in diesem Sinne einen politischen Inhalt bekommen und propagandistisch ausgenutzt werden. Man müsse die einheimische Jugend mit den Verhältnissen der deutschen Jugend bekannt machen. Man müsse Reisen von Schülern nach Deutschland organisieren; auch müßten Vertreter der deutschen Jugend nach der Ukraine kommen und mit den Jugendlichen sprechen. Ferner müsse das ganze Lehrsystem in den Schulen verändert werden, man müsse die Schuljugend an die Arbeit heranführen und in starkem Maße Gewerbe- und Hauswirtschaftsfächer einführen usw. Die Forderungen erstrecken sich bis zur Hochschule. Wirtschaftliche Lage in der Ukraine: Landwirtschaft: Das Herausziehen der Landwirtschaftsführer der jungen Jahrgänge hat vorliegenden Meldungen zufolge vielfach Beunruhigung hervorgerufen, jedoch haben sich diese Einziehungen bisher in durchaus erträglichen Grenzen gehalten, zumal auch immer wieder ein zusätzlicher Einsatz von La-Führern stattgefunden hat. Es sind aber nicht alle fachlich so vorgebildet und entsprechen auch sonst nicht den Voraussetzungen, die hier an sie gestellt werden müssen, so daß manche wieder in die Heimat zurückgeschickt werden mußten. Dnjepropetrowsk meldet, daß die erhöhte Getreidezuteilung die Senkung des Milchablieferungssolls und die Zuteilung an Milch an solche Mitglieder der Gemeinschaften, die ihre Kuh haben abgeben müssen, unbedingt eine gute Wirkung gehabt hat. Zur Zuckerrübenkampagne wird gemeldet, daß nach den neuesten Feststellungen zur Zeit folgende Bestände an Zucker vorhanden sind: Restbestand aus 1942 110 000 dz., gemeldete Gesamterzeugung in der Kampagne 1942/43 1650 000 dz., davon westlich des Dnjepr 1 450 000 dz. und ostwärts des Dnjepr 200 000 dz. Es steht noch nicht ganz fest, inwieweit die ostwärts des Dnjepr erzeugten Zuckermengen gerettet werden konnten. Hier ist jedoch die gesamte Zuckermenge der Wehrmacht zur Verfügung gestellt worden. Im Zuckerrübenanbauprogramm für 1943 sind in den fest in deutscher Hand befindlichen Gebieten 325 900 ha gegen 267 806 ha 1942 für den Anbau von Zuckerrüben vorgesehen. Bei einer normalen Ernte kann bei einem Durchschnittsertrag von 85–90 dz. Rüben pro ha mit einem Ertrag von 2 800 0000 dz. Rüben gerechnet werden. Bei einer Zuckerausbeute von durchschnittlich 12 % sieht der Voranschlag nach Abzug der üblichen Verluste eine Erzeugung von etwa 3 194 000 dz. Zucker vor. Hierzu kommen noch die Gebiete Tschernigow, Sumy, Charkow und Kursk, für die ein Anbau von Rüben auf 84 100 ha gegen

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53 181 ha 1942 vorgesehen ist. Um den riesigen Diebstählen von Zuckerrüben – bei der Ernte 1942 wurden 2 2974336 dz. Rüben gerodet, jedoch nur 1 543 1895 dz. in die Zuckerfabriken eingefahren – entgegenzutreten, erhält der Rübenbauer in diesem Jahr für jeden dz. Rüben bei restloser Anfuhr der geschätzten Ernte 350 Gramm Zucker zu den amtlichen Preisen, bei geringerer Einfuhr als geschätzt 200 Gramm als Prämie. Die Anlieferung von Eiern ist überall in der letzten Zeit gestiegen, und so war es auch möglich, diese der Truppe an Stelle von Fleisch zur Verfügung zu stellen. Mit außerordentlichem Nachdruck wird die Intensivierung der Eier- und Milchablieferung zur Zeit betrieben. Arbeitseinsatz: Einem vorliegenden Bericht aus Dnjepropetrowsk zufolge haben die in den ernsten Monaten dieses Jahres notwendigen Maßnahmen hinsichtlich der Gestellung von Arbeitskräften für Schanzarbeiten in ihrer Art unter der Wirtschaft als auch bei der Bevölkerung wenig Verständnis gefunden. Durch Einschaltung des Inspekteurs des Sondereinsatzes „Iwan“ wurde die Bereitstellung der dafür benötigten Arbeitskräfte in die Wege geleitet. Es wurden kurzerhand unter Einsatz polizeilicher Kräfte wahllos Leute auf der Straße aufgegriffen, ohne Rücksicht darauf, ob sie bereits über einen ordnungsgemäßen Arbeitsplatz verfügen. Selbst gegenüber Frauen, die über 5 und mehr kleine Kinder verfügen oder krank waren, wurde keine Ausnahme gemacht. Irgendwelche Erklärungen nahmen die mit der Aktion Beauftragten überhaupt nicht entgegen. Die Aufgegriffenen wurden in einem Stalag gesammelt und anschließend vom Arbeitsamt auf ihre Eignung zu Schanzarbeiten bzw. Abkömmlichkeit für den Fall eines bereits bestehenden Arbeitsverhältnisses überprüft. Oft kam es vor, daß Betriebe und Dienststellen erst nach langwierigen Verhandlungen ihre Arbeitskräfte wieder frei bekamen. Um diesem Wirrwarr ein Ende zu machen, wurde den Betrieben auf ihren Vorschlag hin gestattet, die für die Schanzarbeiten benötigten Arbeitskräfte selbst zu bestimmen bzw. ein entsprechendes Kontingent dafür abzustellen. Dies hatte den Erfolg, daß in der Aktion endlich eine gewisse Beruhigung eintrat. Vom Inspekteur des Sondereinsatzes „Iwan“ wurden der Bevölkerung anfangs Zettel in die Hand gedrückt, deren Inhalt der Meldung zufolge nach Ansicht deutscher und einheimischer Kreise nicht für die Tauglichkeit der angewandten Methode spricht. Der erste Eindruck der Zettel bei der Bevölkerung war, daß es sich um eine Provokation bolschewistischer Agenten handelt. Der Zettel hatte folgenden Wortlaut: „Am 1. 3. 1943 um 6.00 Uhr früh haben Sie sich bei der Eisenbahnüberführung an der Straße, die nach Kriwoj-Rog führt, zur Arbeit einzufinden, Nichtausführung dieses Befehls wird mit dem Tode bestraft. Bei Nichtbefolgung dieses Befehls oder Fluchtversuch werden ersatzweise die Angehörigen mit dem Tode bestraft. Inspekteur Sondereinsatz ‚Iwan‘“. Die Beunruhigung und Verärgerung, die unter der Gefolgschaft, sowohl bei den leitenden Männern als auch bei den Arbeitern, in der letzten Zeit durch derartige Maßnahmen hervorgerufen worden ist, stört den Meldungen zufolge die wirtschaftliche Aufbauarbeit in einem Maße, was bei der Dringlichkeit des Aufbauprogramms unbedingt vermieden werden müßte. C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR In Moskau bereitet man sich auf eine neue Offensive der Deutschen vor. Die Luftabwehr ist überall wesentlich verstärkt und die Bevölkerung mit den Aufgaben einer etwa notwendig werdenden Verteidigung vertraut gemacht worden. Die Propaganda weist darauf hin, daß grosse Anstrengungen bevorstehen; vor allem dürfte kein Fussbreit des Landes preisgegeben werden. Stalin erklärte in seinem Tagesbefehl zum 1. Mai, die deutsche Armee sei zwar erschüttert, aber noch nicht geschlagen. Der Kampf werde noch schwere Opfer kosten und verlange die Einspannung aller Kräfte. Von einem Frieden mit dem

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imperialistischen Deutschland könne keine Rede sein; dieser lasse sich nur auf der Grundlage der totalen Niederlage und der bedingungslosen Übergabe herstellen. Gleichzeitig werden aber auch zahlreiche Meldungen über eine kommende Offensive der Sowjets veröffentlicht. Es sei gelungen, eines der Hauptprobleme, nämlich den Ausbau und die Sicherstellung des Nachschubverkehrs, zu meistern. Im Ural sollen in den letzten Monaten 8 grosse Fabriken eröffnet worden sein, die ausschliesslich Tanks, motorisierte Geschütze, Flugzeuge und neuerdings schnelle kleine Panzer für den Transport von Infanterie herstellen. Nach Meldungen aus Kuibyschew werden z. Zt. ca. 50 Divisionen aus dem Osten der Sowjetunion zur Westgrenze transportiert. Es wird von den ersten Massenlieferungen eines neuen Grosskampfwagens namens „Kutusow“ berichtet, der dem schweren deutschen Panzer „Tiger“ zumindest ebenbürtig sei. Durch weitere Fortschritte in der Motorisierung habe die Sowjetarmee an Schlagkraft und Feuerstärke gewonnen. Als eine der Hauptursachen für das Gelingen der deutschen Vorstösse im Sommer 1941 und 1942 wird die mangelhafte Beweglichkeit der Verbände, insbesondere der Artillerie, bezeichnet. Da in Verbindung mit dieser Meldung der Name Schaposchnikows genannt wird, dürfte dies mit ein Grund für sein Verschwinden aus dem Generalstab sein. Propagandistisch vertreten die Sowjets die Ansicht, daß der Krieg in den nächsten Monaten entschieden werde. Neben den schweren Verlusten der Deutschen sei es vor allem die fehlende Siegesgewißheit, die der deutschen Offensive die Schlagkraft nehmen und den sowjetischen Sieg begünstigen werde. Dem englisch-amerikanisch-sowjetischen Bündnis wird eine immer grössere Bedeutung beigemessen. Wenn auch vielfach – selbst von offizieller Seite – das Fehlen einer zweiten Front bemängelt wird, hat doch Stalin in seinem Tagesbefehl zum 1. Mai die anglo-amerikanischen Kriegsleistungen anerkannt. In einer persönlichen Botschaft an Churchill begrüsste Stalin lebhaft die Bombardierung der deutschen Städte, die in den Herzen der sowjetischen Bevölkerung begeisterten Widerhall gefunden habe. Die anglo-amerikanisch-sowjetische Kampfgemeinschaft wird auch von der Presse als Garant des Sieges über Hitler-Deutschland gepriesen. Dennoch ist in der Bevölkerung vielfach ein Mißtrauen gegen England und die USA festzustellen, denen man vorwirft, sie setzen sich absichtlich nicht mit ihrer vollen Stärke ein, um später bei Kriegsschluss gegenüber der geschwächten Sowjetunion im Vorteil zu sein. Zur einheitlichen politischen Ausrichtung der gesamten Sowjetpropaganda ist beim Zentralkomitee der Kommunistischen Partei eine Hauptverwaltung für Propaganda und Agitation geschaffen worden, zu deren Leiter der bisherige Chef der aufgelösten Abteilung für Propaganda beim Zentralkomitee, Alexandrow, ernannt wurde. Die besondere Bedeutung, die im Rahmen der Propaganda der Presse beigelegt wird, fand erneut ihren Ausdruck zum Tag der bolschewistischen Presse am 5. Mai. An der Front und in der Heimat habe die Presse wichtige Aufgaben zu erfüllen. Insbesondere müsse sie den Haß gegen den Feind entfachen und dem Kampf die geistige Grundlage schaffen. Ferner obliege es der Presse, alle innerstaatlichen Mängel aufzudecken und sie anzuprangern. Diese Praxis, auftretende Mängel auf den verschiedensten Gebieten der Kriegswirtschaft und des öffentlichen Lebens anzuprangern, verfolgt die sowjetische Presse schon seit längerer Zeit. Das gilt insbesondere für das Verkehrswesen, die Energie- und Brennstoffversorgung und das Verhalten einer Reihe staatlicher Stellen. Um auf die Betroffenen einen moralischen Druck auszuüben, werden stets die säumigen Betriebe bezw. deren verantwortliche Leiter namentlich genannt und schärfste Maßnahmen gefordert. Aus zahlreichen Gefangenenaussagen und anderweitig anfallenden Nachrichten über die Sowjetunion ist immer wieder zu ersehen, daß trotz mannigfacher Produktions- und Ver-

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kehrsschwierigkeiten im Ural, in Westsibirien und im Wolgagebiet grosse Industriezentren entstanden sind, deren Kapazität den Vorkriegsstand überschritten hat. Prämien und Auszeichnungen für Höchstleistungen sollen die Rüstungsarbeiter zu Leistungssteigerungen anspornen. Wie in einem Bericht über die Feiern zum 1. Mai betont wird, sollen allein in Nowosibirsk, dem größten Waffenzentrum der Roten Armee, 76 000 Arbeiter über das Produktionsprogramm hinaus ihren Plan erfüllt haben. In vielen Ergebenheitsbotschaften an Stalin versprechen die grossen Werke immer wieder eine weitere Erhöhung ihrer Leistungsfähigkeit. Nach Meldungen aus Moskau sollen die bisherigen Lieferungen der englischen staatlichen Handelsorganisation allein an Kautschuk 82 000 Tonnen und an Zink etwa 26 000 Tonnen betragen haben. Andererseits habe die sowjetische Eisenerzeugung die Zahl von rund 1 400 0000 Tonnen erreicht, und die Kohlenförderung im Kuznetsk- und Karaganda-Becken soll trotz wiederkehrender akuter Krisen beträchtlich erhöht worden sein. Die Verhängung des Ausnahmezustandes über die sowjetischen Eisenbahnen deutet darauf hin, daß Kaganowitsch gewillt ist, mit radikalsten Mitteln das Eisenbahntransportwesen in Ordnung zu bringen. Es darf nicht verkannt werden, daß die ausreichende Belieferung der Rüstungswerke mit Rohstoffen oft nur auf Kosten der Versorgung der Bevölkerung möglich war. Berichte über empfindlichen Mangel an Kohlen, Strom, Treibstoff usw. kehren in den Gefangenenaussagen immer wieder. Wesentlich ungünstiger gestaltet sich die Lage auf dem Ernährungssektor, wo die Sowjets den Verlust der Ukraine noch nicht überwunden haben, obgleich sie eifrig bemüht sind, die Getreideanbauflächen vor allem in Zentralasien zu vergrößern. Anlage zu den „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ Nr. 54 vom 15. V. 1943. Standorte und Nachrichtenverbindungen: Höherer SS- und Polizeiführer Nord: (SS-O’Gruf. Jeckeln), Standort: Riga. Befehlshaber dSPudSD Ostland: (SS-Oberf. Dr. Pifrader), Standort d. Bfh.: Riga, Kalpakstr. 4, N-Verbindungen: FS, FT Riga, Standort d. EG A: Riga, Kalpakstr. 4, N-Verbindungen: FT, FS Riga. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Estland: (SS-O’Stubaf. ORR Dr. Sandberger), Standort: Reval, Antoniusberg 16, Aussendienststellen in Dorpat, Pernau, Kiwisli, Hapsal, Arensburg, N-Verbindungen: FT, FS Reval, FS Dorpat, Feldpost-Nr. 23007. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Lettland: (SS-Stubaf. RR Dr. Lange), Standort: Riga, Moltkestr. 1, Aussendienststellen in Libau, Wolmar, Dünaburg, Mitau, N-Verbindungen: FT, FS Riga, FS Libau, Wolmar, Dünaburg., Feldpost-Nr. 15437. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Litauen: (SS-Staf. Jäger), Standort: Kauen, Aussendienststellen in Wilna, Schaulen, Ponewesch, N-Verbindungen: FS Kauen und Wilna, Feldpost-Nr. 15641. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Weißruthenien: (SS-O’Stubaf. ORR Strauch), Standort: Minsk, Aussendienststellen in Wilejka, Baranowicze, Hansewitsche, N-Verbindungen: FT, FS Minsk. Einsatzkommando 1: (SS-O’Stubaf. Dr. Isselhorst), Standort: Krasnogwardeisk, N-Verbindungen: FT Krasnogwardeisk, Feldpost-Nr. 33888. Einsatzkommando 2: (SS-Stubaf. Breder2), Standort: Loknja, N-Verbindungen: FT Loknja, Feldpost-Nr. 06325. Einsatzkommando 3: (SS-O’Stubaf. Traut), Standort: Pleskau, N-Verbindungen: FT Pleskau. Höherer SS- und Polizeiführer Mitte: (SS-Gruf. Korsemann), Standort: Mogilew.

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Einsatzgruppe B: (SS-Staf. Böhme), Standort: Smolensk, Falkenhaus, N-Verbindungen: FT Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Sonderkommando 7a: (SS-O’Stubaf. Rapp), Standort: Orefino, N-Verbindungen: FT Orefino, Feldpost-Nr. 10811. Sonderkommando 7b: (SS-O’Stubaf. Rabe), Standort: Orel, N-Verbindungen: FT Orel, Feldpost-Nr. 18555. Einsatzkommando 8: (SS-Stubaf. RR Schindhelm), Standort: Mogilew, N-Verbindungen: FT Smolensk, Feldpost-Nr. 37857. Einsatzkommando 9: (SS-Stubaf. Dr. Buchardt), Standort: Witebsk, N-Verbindungen: FT Witebsk, Feldpost-Nr. 37857. Höherer SS- und Polizeiführer Süd: (SS-O’Gruf. Prützmann), Standort: Kiew, Jungfernstieg 10. Befehlshaber dSPudSD Ukraine: (SS-Gruf. Dr. Thomas), Standort d. Bfh.: Kiew, N-Verbindungen: FT, FS Kiew, Standort d. EG C: Poltawa, N-Verbindungen: FT Poltawa, Feldpost-Nr. 32704. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Wolhynien: (SS-Stubaf. RR Dr. Pütz), Standort: Rowno, N-Verbindungen: FS Kiew. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Shitomir: (SS-Stubaf. Dr. Kaussmann), Standort: Shitomir, N-Verbindungen: FS Shitomir, Feldpost-Nr. 48840. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Kiew: (SS-O’Stubaf. Ehrlinger), Standort: Kiew, N-Verbindungen: FS Kiew, Feldpost-Nr. 35102. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Nikolajew: (SS-Stubaf. RR Dr. Spann), Standort: Nikolajew, N-Verbindungen: FT Nikolajew. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Dnjepropetrowsk: (SS-Stubaf. Mulde), Standort: Dnjepropetrowsk, N-Verbindungen: FT Dnjepropetrowsk. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Taurien: (SS-Stubaf. Zapp), Standort: Simferopol, N-Verbindungen: FT Simferopol. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Stalino: (SS-Stubaf. Körting), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino. Sonderkommando 4b: (SS-Stubaf. Suhr3), Standort: Stalino, N-Verbindungen: FT Stalino. Kommandeur dSPudSD f.d. Gen.Bez. Charkow (z. Zt. als Ekdo. 5): (SS-Stubaf. Dr. Kranebitter), Standort: Charkow, N-Verbindungen: FT Charkow. Einsatzkommando 6: (SS-O’Stubaf. Biberstein), Standort: Taganrog, N-Verbindungen: FT Taganrog. Einsatzgruppe D: (SS-Oberf. Bierkamp), Standort: Owrutsch 4, N-Verbindungen: FT Owrutsch. Einsatzkommando 10a: (SS-Stubaf. Dr. Christmann), Standort: Mosyr, N-Verbindungen: FT Mosyr. Einsatzkommando 11b: Standort: Jelsk, N-Verbindungen: FT Jelsk. Einsatzkommando 12: Standort: Ale Androwka, N-Verbindungen: Ale Androwka. BAB, R 58/224 1 Charkow war am 16. 2. 1943 von der Roten Armee befreit worden. Im Folgemonat eroberten Truppen um ein aus den SS-Divisionen „Leibstandarte Adolf Hitler“, „Das Reich“ u. „Totenkopf“ gebildetes SS-Panzerkorps die Stadt zurück; vgl. George H. Stein: Geschichte der Waffen-SS, Düsseldorf 1967, S. 184 f. 2 Reinhard Breder, geb. 1911, Jurastudium, 1933 SS, 1936 Referendarexamen, 1937 NSDAP u. Referent SD-OA West, 1939 Assessorexamen u. Ustuf., 1940 zum IdS Hamburg, 1941 zur Stapo-Leitstelle

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Düsseldorf, 1942 dort stellv. Chef u. Stubaf., Dez. 1942 zum KdS Minsk, März 1943 Fhr. EK 2, Aug. 1943 Chef Stapo-Stelle Frankfurt/Main, 1945 KdS Hessen, 1951 Freispruch durch LG Frankfurt/Main; BAB, BDC, SSO Reinhard Breder; BAL, ZK: Reinhard Breder. 3 Statt dessen wurde Suhr zur Bewährung bei verschiedenen Kdos. der EG C herumgereicht. 4 Der Standort Owrutsch der seit April 1943 auch als Kampfgruppe Bierkamp firmierenden Restkdos. der EG D weist bereits auf deren Einsatz bei den Großunternehmen „Weichsel“ u. „Seydlitz“ zwischen Mai u. Juli 1943 hin. Die Kampfgruppe Bierkamp wurde allerdings schon Ende Mai wieder aufgelöst u. die EK 10 u. 11 der SS-Kav.div. zugeteilt, während das EK 12 vorerst noch eigenständig in Owrutsch verblieb; vgl. Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 689–699.

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD – Kommandostab –

Berlin, den 21. Mai 1943 [Stempel: Geheim!]

Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Nr. 55 […] A. Gegner und Exekutivfragen Grossrazzia in Minsk: In Minsk fand ein Unternehmen statt, das wegen seiner Erstmaligkeit und der Art der Durchführung Beachtung erfordert. Es handelt sich um die planmäßige Durchkämmung der Stadt und sicherheitspolizeiliche Überprüfung der gesamten Einwohnerschaft. Hierzu war nach genau festgelegten Plänen die Stadt Minsk in 6 Abschnitte eingeteilt worden. Es kam darauf an, in Zusammenarbeit mit 3 Polizeiregimentern und 2 Regimentern der Wehrmacht von aussen her konzentrisch gegen den Stadtkern vorzurücken, um so die Stadt vollkommen abzuriegeln. Die Durchführung der Abriegelung verteilte sich entsprechend den 6 Abschnitten auf 6 Tage. Vorbildlich bei der Grossaktion war das Zusammenarbeiten der einzelnen Parteisparten untereinander und mit den eingesetzten Wehrmachtseinheiten. Das Durchkämmen der 6 Abschnitte, in denen immer ein Sammelplatz sowie Durchlasstellen eingerichtet waren, erfolgte systematisch durch innerhalb dieser Abschnitte eingesetzte Kommandos, die sich aus Angehörigen der Sicherheitspolizei und des SD und Ordnungspolizei zusammensetzten und von Führern der Sicherheitspolizei und des SD geleitet wurden. Bei dem Durchkämmen kam es nicht nur darauf an, die Einwohner auf gültige Ausweispapiere zu überprüfen, sondern auch darauf, kriminell- und politisch-verdächtige Personen zu erfassen und im Wege von Durchsuchungen Beweismaterial sicherzustellen und unter Auswertung dieses Materials Hinweise auf staats- und volksschädliche Bestrebungen zu erlangen. Schliesslich war Zweck der Aktion, arbeitsscheue Elemente für den Arbeitseinsatz in Minsk und im Reich zu erfassen. Zur Vermeidung einer doppelten Kontrolle wurde dem Ausweis der Erfaßten ein Kontrollstempel beigegeben. Es war unvermeidbar, daß sich an den einzelnen Tagen an den Durchlasstellen Stauungen im Personen- sowie sonstigen Verkehr zeigten und zwar besonders in den frühen Morgen- und in den Nachmittagsstunden, wenn die Berufstätigen zum oder vom Arbeitsplatz kamen. Durch das gute Zusammenwirken aller beteiligten Stellen wurden aber auch diese Schwierigkeiten überwunden. Die Aktion selbst wurde von der Bevölkerung der Stadt, in der u. a. der Schwarzhandel in hoher Blüte steht, im allgemeinen begrüßt. Den polizeilichen Maßnahmen wurde an keiner Stelle Widerstand entgegensetzt. Herauszustellen ist, daß trotz der hermetischen Abriegelung der Stadt ihre Versorgung mit den notwendigen Lebensmitteln gewährleistet und auch die Arbeit in den lebens- und kriegswichtigen Betrieben derart gesichert war,

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daß die z. Zt. eingesetzten fremdvölkischen oder sonstigen Arbeitskräfte ohne nennenswerte Behinderungen ihren Arbeitsplatz erreichen konnten. Von den etwa 130 000 Einwohnern, unter denen sich mindestens 40 000 Kinder befinden, wurden, soweit bei der Überholung Unklarheiten auftraten, 52 500 Personen näher überprüft. Dabei konnten für das Reich 350 Personen, für die Stadt Minsk 712 Personen als Arbeitskräfte erfaßt werden. Aus sicherheitspolizeilichen Gründen wurden 39 kriminell- bezw. politisch-verdächtige oder überführte Personen festgenommen. Auffällig war hierbei, daß die Festnahme wegen Schleichhandels, Schwarzbrennens und Diebstahls zumeist in Erscheinung traten [sic]. Bei einigen Festgenommenen besteht der dringende Verdacht der Verbindung zu Banden. Das bei der Durchkämmung, Durchsuchung und auf Grund der Festnahmen eingebrachte Gut bestand aus Waffen, militärischen Ausrüstungsgegenständen, einer Anzahl Fotoapparaten mit Zubehör, Verbandszeug, Medikamenten, ärztlichen und zahnärztlichen Instrumenten, einem Mikroskop, einem Messapparat, Chemikalien, Kupferdraht, Zündschnur usw. Weiterhin wurden russische Zeitschriften, Landkarten sowie kommunistisches Propagandamaterial sichergestellt. Es ist zu erwarten, daß die folgenden Vernehmungen noch mancherlei Hinweise auf sonstige Straftaten bringen und sich in diesem Zusammenhang noch weitere Festnahmen ergeben werden. Wenn auch der tatsächliche Erfolg im Verhältnis zu den bei der Aktion eingesetzten deutschen Kräften zunächst unbeachtlich erscheint, so muss doch die allgemein abschreckende Wirkung auf alle unsicheren und verdächtigen Elemente der Stadt Minsk als Erfolg gebucht werden. Vernichtung einer Bande in Wirowka: Am 16. 3. 43 wurde schlagartig eine im Dorfe Wirowka festgestellte Bande ausgehoben. Von einzelnen Kommandos der Sicherheitspolizei und des SD wurden sämtliche Gebiete einer eingehenden Durchsuchung nach Personen, Waffen, Munition und anderem Material unterzogen. Gefunden wurden hierbei, teilweise unter Düngerhaufen, in Heuschobern oder unter der Dielung versteckt: 6 russische Gewehre, 1 russisches lMG, 1 Maschinenpistole, 1 verkürztes Partisanengewehr, 1 Radioapparat, 1 Kiste mit Sprengstoff und Munition. Festgenommen und dem Gefängnis Konotop zugeführt wurden 170 Personen. Durch Vernehmung wurde festgestellt, daß der frühere Direktor der „Torfgewinnung Wirowka“ das Haupt der Bande gewesen ist. Er hatte zu verschiedenen Stellen Beziehungen, sich jedoch über diese Beziehungen seinen anderen Mithelfern gegenüber nie restlos ausgesprochen. Er selbst wurde auf der Flucht erschossen. Als Organisator der Bande wurde der ehemalige russische Kriegsgefangene Malzew, der als Arbeiter in der Torfgewinnung beschäftigt war, ermittelt. Er hatte von dem Direktor den Auftrag, eine Bande aufzustellen und zu organisieren. Malzew hat sich zu dem Zweck an seine Mitarbeiter in der Torfgewinnung gewendet und sie über Zweck und Ziel der Bande aufgeklärt. Um sie noch mehr für die Sache zu gewinnen, hat er einen Stempel mit dem Aufdruck „Hilfe der Sowjets im Hinterland“ angefertigt und dann hergestellte Mitgliedsausweise damit bedruckt. Mehrere Ausweise konnten sichergestellt werden. Es war vereinbart, allen entwichenen russischen Kriegsgefangenen jede erdenkliche Hilfe zu gewähren und sie den Banden oder der Roten Armee zuzuführen. Die Deutschen wurden als die grössten Feinde bezeichnet, an denen man sich, wo es auch sei, rächen wolle. Tatsächlich haben in der Torfgewinnung auch mehrfach russische Kriegsgefangene Unterschlupf gefunden. Sie wurden etappenweise nach Spaskoje und dann weiter in Richtung nach Krolowez in Marsch gesetzt, damit sie von dort aus zu den Banden oder zur Roten Armee stossen konnten. Um die russischen Kriegsgefangenen zum Entweichen zu ver-

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anlassen, hatten sich der Direktor und Malzew verschiedentlich nach Konotop begeben und hier auf dem Markt Flüsterpropaganda unter der Zivilbevölkerung betrieben. Auf diese Weise ist durch die ukrainische Zivilbevölkerung den Kriegsgefangenen in ihren Lagern oder an ihren Arbeitsstätten bekannt geworden, wo sie sich in Falle eines Entweichens verstecken könnten und gefahrlos versteckt gehalten würden. Geplant waren fernerhin Sabotageakte an Eisenbahnlinien und Brückensprengungen an wichtigen Verkehrsstrassen. Ausserdem wurden dauernd Verbindungen mit Bandengruppen aus dem Gebiet um Krolowez unterhalten. Die Entstehung und Entwicklung der Ukrainerbande Borowetz – genannt „Taras Bulba“ 1: Bereits im September 1942 wurde bekannt, daß sich im Gebiet Sarny eine Bande unter Führung des Bandenführers Borowetz befinde. Durch eingezogene Erkundungen wurde festgestellt, daß Borowetz in der Leitung der Bandera-Gruppe in Wolhynien als Bandenreferent wirkte und die Bandera-Gruppe dazu übergegangen war, ihre aktiven Mitglieder militärisch auszubilden, um sie dann zu Felddienstübungen bei den Banden einzuberufen. Borowetz ist der Sohn armer Bauersleute, der durch Selbstunterricht lesen und schreiben erlernt hatte. Durch fleissige Arbeit konnte er sich einen eigenen Steinbruch erwerben und erhielt grössere Aufträge verschiedener Städte Polens, u. a. auch Warschaus. In diese Zeit fällt auch seine schriftstellerische Tätigkeit. Er schrieb u. a. unter Pseudonym „Rystritschenko“ das 5-bändige Werk „Menschenfresser“, in dem er die Zeit der Hungersnot in der Ukraine in den Jahren 1933/34 und die Verfolgung der ukrainischen Bevölkerung durch das NKWD behandelt. In seinem Buch „Der Herr Abgeordnete im Sejm“ unterzieht er das polnisch-parlamentarisch-demokratische System einer ironischen Kritik. Auf Grund der in diesem Werk enthaltenen Angriffe gegen bekannte höhere polnische Persönlichkeiten wurde Borowetz zu 3 Jahren Konzentrationslager verurteilt, jedoch nach 9 Monaten infolge guter Führung wieder entlassen. Er begab sich nach Warschau und schloss sich den Kreisen der UNR an. Seit Beendigung des Polenfeldzuges wohnt er in Cholm, wo er eine eigene Druckerei besass. In der Ukraine unternahm er den Versuch, eine Widerstandsbewegung zu errichten unter der Bezeichnung „Freie Kosaken“. Seine Werbetätigkeit in den MTS-Werken soll Erfolg gehabt haben. Vor Besetzung der Stadt Sarny durch deutsche Truppen hat er mit einigen Männern nur mit einer Pistole bewaffnet die bolschewistische Bürgerwehr in Sarny entwaffnet und dadurch die Stadt in seinen Besitz genommen. Nach Einrücken der deutschen Truppen bekam er auf eigenen Vorschlag den Auftrag, eine besondere polizeiliche Abteilung aufzustellen mit der Aufgabe, die Wälder in Nordwolhynien von versprengten Bolschewisten zu säubern. Diese Einheit, die Borowetz „Polisska Sitsch“ nannte, hat später grösseren Umfang angenommen. Nach verschiedenen erfolgreichen Kämpfen gegen reguläre bolschewistische Einheiten trat er mit der Wehrmacht in Verbindung. Er erhielt von dort den Befehl zu weiteren Einsätzen sowie Waffen und Ausrüstungen. Seine Einheit war zeitweilig 2–3000 Mann stark. Nach Säuberung der Wälder in Podolien und Nordwolhynien führte Borowetz mit der Wehrmacht Verhandlungen über neue Einsätze in den Wäldern bei Tschernigow. An Ausrüstungs- und Bewaffnungsschwierigkeiten scheiterte der Plan, und die „Polisska Sitsch“ wurde aufgelöst. Borowetz, der ursprünglich mit der Bildung seiner Einheit der „Polisska Sitsch“ den Stamm einer späteren ukrainischen Armee erhofft hatte, sah nunmehr seine gesamten Pläne und Absichten zerschlagen. Im Februar 1942 trat er erneut mit deutschen Stellen in Verhandlungen wegen Neuaufstellung der „Polisska Sitsch“, die jedoch erfolglos blie-

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ben. Borowetz begab sich daraufhin nach dem Generalgouvernement. Hier liess er sich Fotoaufnahmen anfertigen, die ihn in Uniform als ehemaligen Anführer der „Polisska Sitsch“ zeigten. Diese Aufnahmen verteilte er unter früheren Gesinnungsgenossen. Als später das Gerücht auftauchte, daß die ehemaligen Angehörigen der „Polisska Sitsch“ festgenommen würden, flüchtete Borowetz mit einem Teil seiner Männer und bildete mit ihnen den Grundstock der Hauptbande Borowetz. Er legte sich den Namen „Bulba“ zu, der eine bekannte Persönlichkeit aus den ukrainischen Freiheitskämpfen des Mittelalters ist. 2 Um die Pläne, Organisation und Stärke sowie die Lagerplätze der Bande näher in Erfahrung zu bringen, wurden seit Ende Oktober 1942 Beauftragte und Vertrauenspersonen angesetzt mit der Weisung, mit Borowetz Verbindung aufzunehmen. Tatsächlich kam es zu Verhandlungen mit Borowetz, in denen er erklärte, daß er und seine Anhänger lediglich dem Zwange gehorchend in den Wäldern Unterschlupf gesucht hätten und er jederzeit in der Lage sei, mehrere Tausend Mann aufzustellen. Er betonte ferner, daß durch seine bisherige Tätigkeit kein deutsches Blut geflossen sei und er dies auch nie zulassen würde, da er selbst mit den Deutschen zusammen gekämpft habe. Die bisherigen Überfälle dienten lediglich der Versorgung seiner Truppe. Gegenüber den bolschewistischen Banden in den gleichen Gebieten zeigte er eine absolut ablehnende Haltung. Borowetz übergab dem Beauftragten ein Handschreiben an den Reichskommissar, in dem er u. a. die Kreislandwirte als Plünderer bezeichnet und sich an den Reichskommissar selbst mit den Worten wendet: „Ich will nicht mit Ihnen darüber verhandeln, wer von uns der grössere Bandit ist, Sie oder ich.“ Bei dem Treff gelang es dem Beauftragten der Sicherheitspolizei und des SD, einen Befehl mit der Überschrift „Das Gesetz der ukrainischen Partisanen“ in die Hände zu bekommen. Es handelt sich hierbei um grundsätzliche Anordnungen über das ukrainische Partisanentum, herausgegeben von der „Polisska Sitsch“. Darin wird besonders hervorgehoben, daß der ukrainische Partisan kein Bandit ist, sondern ein treuer Sohn und Patriot der Ukraine und der Partisanenkrieg kein Räuberhandwerk, sondern der Anfang der ukrainischen nationalen Armee. In der Folgezeit fanden weitere Treffs mit Borowetz statt. Er erhob hierbei die Forderung nach Selbständigkeit in der Ukraine und machte von der Erfüllung dieser Forderung bezw. wenigstens einer bestimmten diesbezüglichen Zusage für die Zukunft jede weitere Verhandlung über sein eigenes Schicksal und das seiner Bande abhängig. Borowetz zeigte sich bei diesen Verhandlungen als fanatischer Nationalist und ausgesprochener Vertreter der OUN-Bandera. Er setzte sich in der Unterhaltung für Bandera persönlich ein und verteidigte die Ausrufung der Selbständigkeit der Ukraine durch die Bandera-Gruppe am 28. 7. 41 in Lemberg. Die von Borowetz gestellten maßlosen politischen Forderungen lassen darauf schliessen, daß er sich als Bandenführer verpflichtet fühlt, vor den Besprechungen Weisungen von der politischen Führung der OUN einzuholen. Das hervorstechendste Merkmal der Ausführungen des Borowetz ist die Verbitterung darüber, daß die ukrainischen freiwilligen Formationen aufgelöst wurden und mit der Einführung der Zivilverwaltung eine „Kolonialpolitik“ in der Ukraine betrieben würde. Die Kreise um Borowetz sind insbesondere verletzt und empört durch Fälle diffamierender Behandlung, die in ihrem Sinne durch Kriegsnotwendigkeiten nicht begründet sind. Daher ist es beachtlich, daß Borowetz im Gegensatz zu den materiell denkenden, politisch ungeschulten kleinen Bauern sogar die Wegnahme der letzten Kuh als nicht so bedeutsam

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hält wie die ständige Verletzung der nationalen Ehre. In diesem Zusammenhang ironisierte Borowetz die Herren- und Sklaventheorie unter Hinweis auf die Zivilverwaltung. Durch Einsatz des ehemaligen Chefs des Stabes der „Polisska Sitsch“, Oberst Smorutzki, als Unterhändler und durch Überreichung eines Schreibens des Bischofs Mstyslaw, in dem dieser Borowetz bittet, seine deutschfeindliche Einstellung aufzugeben, da diese für die nationalen Belange des ukrainischen Volkes nur von Schaden sein könne, gelang erneute Verhandlungsaufnahme. Borowetz erklärte sich hierbei unter folgenden Voraussetzungen bereit, sich mit seiner Einheit zur Bekämpfung der bolschewistischen Banden zur Verfügung zu stellen: 1. Freilassung der politischen Häftlinge und zwar aller aus politischen Gründen einsitzenden Nationalisten, 2. Abstellung der willkürlichen Vergeltungsmaßnahmen gegen die ukrainische Bevölkerung, insbesondere die Niederbrennung von Dörfern und Gehöften. Im Verlauf der Verhandlungen wurden Borowetz folgende Vorschläge unterbreitet: 1. Borowetz habe sich dem Kommandeur dSPudSD in Rowno zu stellen und werde bei der dortigen Dienststelle Gelegenheit finden, aus seinen Erfahrungen heraus an der Bekämpfung des bolschewistischen Bandenwesens mitzuwirken. 2. Seine Männer würden entlassen und verpflichten sich, sich bei den örtlichen Gendarmerieposten bezw. Schutzmannschaften zu melden und sich ebenfalls zur Bekämpfung bolschewistischer Banden zur Verfügung zu stellen. Nach einigem Zögern stellte er die Gegenfrage, was mit den politischen Häftlingen geschehe. Ihm wurde hierauf erklärt, daß eine Begnadigung der in Rowno einsitzenden Angehörigen der „Polisska Sitsch“ erfolgen könne, da bei ihnen die Gewähr gegeben sei, daß sie künftig wieder unter seiner Führung sich für die deutschen Interessen einsetzen würden. Eine Freilassung sämtlicher politischer Häftlinge müsse jedoch abgelehnt werden, da sie sich im ausgesprochen deutschfeindlichen Sinne betätigt haben und ebenso wie die bolschewistischen Banden Sabotage treiben und zum Ungehorsam aufhetzen. Es wurde weiterhin ausgeführt, daß besonders starke wirtschaftliche Anforderungen lediglich kriegsbedingt seien und später eine Lockerung erfahren können. Zunächst müsse die ukrainische Wirtschaft dazu beitragen, den Endsieg zu erringen. Borowetz brachte hierbei zum Ausdruck, daß die Ukrainer ihre wirtschaftlichen Verpflichtungen gern erfüllen wollen, jedoch Klärung der politischen Fragen verlangten. Die mit Borowetz vereinbarte Bedenkzeit von 14 Tagen verstrich, ohne daß er auf die ihm gemachten Vorschläge eingegangen wäre. In einem dem Kommandeur dSPudSD in Rowno übermittelten Brief ließ Borowetz jedoch erkennen, daß er von der politischen Führung der OUN-Bandera zu einer Versteifung seiner gestellten Forderungen verpflichtet worden war. Durch Einsatz von V-Personen wurden nun folgende Maßnahmen ergriffen: 1. Erkundung der Stimmung innerhalb der Borowetz-Bande, 2. Erzeugung einer internen Opposition, 3. Ermittlung der Hintermänner, die B. zu seiner ablehnenden Haltung bewogen haben. Gleichzeitig wurde eine ausführliche Propagandaanweisung an die Dienststellen der Gebiete Sarny, Kostopol und Rowno gerichtet. Die Ermittlungen ergaben, daß die Bande zunächst aus 3–350 Mann besteht, jedoch jederzeit auf etwa 2–3000 Mann verstärkt werden kann. Die enge Zusammenarbeit der Borowetz-Bande mit bolschewistischen Banden sowie die Unterstützung der Bolschewisten mit Waffen und Munition scheinen sich zu bestätigen. Borowetz soll sogar eine Einladung nach Moskau erhalten haben, wurde jedoch von den ihn umgebenden Bandera-Funktionären an der Durchführung der Reise gehindert. Seitens der Bolschewisten wurde Borowetz der Vorschlag gemacht, den Oberbefehl über sämtliche bolschewistische Banden in der Nordukraine zu übernehmen. Er soll diesen Vorschlag abgelehnt und die Bedingung

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gestellt haben, ihm über Moskau nach London eine Verbindung zu ermöglichen, um sich dort evtl. Zusicherungen im Falle eines Sieges Englands für eine selbständige Ukraine zu holen. Das Scheitern der Verhandlungen mit dSPudSD hat in der Borowetz-Bande selbst starke Unzufriedenheit ausgelöst, da ein Teil der Anhänger eine Bekämpfung der bolschewistischen Banden mit der deutschen Sicherheitspolizei begrüsst hätte. Durch die mit den Bolschewisten geführten Verhandlungen hat ein Teil der Bandenmitglieder Borowetz verlassen. Borowetz selbst scheint der bolschewistischen Propaganda erlegen zu sein, daß in Russland ein politischer Umbruch stattgefunden habe, das alte bolschewistische Regime praktisch nicht mehr am Ruder und unter diesen Umständen die bolschewistische Herrschaft gegenüber der deutschen noch das kleinere Übel sei, da hierbei immer noch die Aussicht bestände, daß die nationalpolitischen Belange des ukrainischen Volkes zu ihrem Recht kommen könnten. Es liegen nunmehr genügend Anzeichen dafür vor, daß Borowetz seine gesamten Reserven mobilisiert, d. h. der militärisch geschulte Teil der OUNMitglieder in das Bandengebiet einberufen wird. Hierzu ist weiterhin zu bemerken, daß nach den bisherigen Ermittlungen auch die gesamte im Gebiet Kostopol aufgezogene ukrainische Verwaltung in den Händen der OUN liegt und damit gegebenenfalls Borowetz zur Verfügung steht. Auch sollen fast alle in den Rayons Ludwipol und Beresno vorhandenen Bürgermeister mit Borowetz in Verbindung stehen und auf seinen Befehl zum Losschlagen für die freie Ukraine warten. Die Bekämpfung der Bande sowie der gesamten OUN-Organisation ist z. Zt. mit schärfsten Mitteln im Gange. Der Kommandeur dSPudSD Rowno hat in der Zeit der legalen Arbeit von Borowetz und in der Zeit der Verhandlungen mit der Bande den größten Teil der führenden Köpfe erkundet und konnte sie deshalb rechtzeitig unschädlich machen. Desgleichen gelang es ihm, durch rechtzeitiges Zupacken die Kuriere und die zum Wehrdienst in der Bande aufgerufenen Ukrainer zum grössten Teil festzunehmen. Zur aktiven Bekämpfung der Bande selbst ist z. Zt. eine Kampfgruppe angesetzt, der entsprechende sicherheitspolizeiliche Kräfte zugeteilt sind. Bittprozessionen ukrainischer Frauen im Bereich des Kommandeurs dSPudSD Kiew: Eine Anzahl ukrainischer Frauen ziehen gegenwärtig mit Heiligenbildern von Dorf zu Dorf und haben die Absicht, sich bis in das Frontgebiet zu begeben. Sie leben in dem Glauben, dass bei ihrem Erscheinen an der Front kraft ihrer Gebete der Krieg vorzeitig beendet werden könnte. Diesen Prozessionen liegt folgende angeblich wahre Begebenheit zu Grunde: Kürzlich soll ein Mädchen aus einem lethargischen Schlaf erwacht sein und berichtet haben, ihm wäre die Mutter Gottes erschienen und hätte gesagt, dass aus ihrem Dorf 3 Jungfrauen, 3 Frauen, deren Männer an der Front sind und 3 Witwen mit Heiligenbildern betend zum nächsten Dorf ziehen sollen. Die Gebete müssten sich mit der baldigen Beendigung des Krieges befassen. Im nächsten Dorf müsste dann die gleiche Anzahl von Frauen die Heiligenbilder übernehmen und ebenfalls betend wiederum bis zum nächsten Dorf ziehen, während die 1. Gruppe in ihr Heimatdorf zurückkehren könne. Die Prozession müsse so lange fortgeführt werden, bis sie im Frontgebiet angekommen sei. Werde sie richtig durchgeführt, so sei im Juni der Krieg beendet. Inzwischen wird in der Bevölkerung bereits von drei verschiedenen Mädchen berichtet, die den Befehl zu der Bittprozession gegeben haben sollen. Eins der Mädchen soll sich im Rayon Byschew befinden, ein zweites in der Nähe von Dnjepropetrowsk und das dritte soll in Fasowa wohnen. Alle drei Mädchen sollen übereinstimmend den gleichen Auftrag der Mutter Gottes erhalten haben.

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Nach den im Gebiet Kiew-Land und Wassilkow an Ort und Stelle getroffenen Ermittlungen hat eine Gruppe von Frauen am 28. 3. 43 den Ort Bojarka verlassen und am 29. 3. gegen Abend die Ortschaft Kotaki passiert. Es wurde behauptet, daß die Prozession in Richtung Wassilkow gezogen sei. In Wassilkow selbst ist sie jedoch bis 31. 3. nicht angekommen. In Rysetzki wurde eine Gruppe von 25 Frauen und Kindern festgestellt, in Kotaki eine Gruppe von 6 Frauen und in Bojarka eine solche von 9 Frauen. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um verschiedene Bittprozessionen. Mit Bestimmtheit konnte festgestellt werden, daß manche Frauen nach Ankunft in den Zieldörfern nicht zurückkehren, sondern weiterhin an der Prozession teilnehmen. Mitgeführt werden von den Frauen 2 Muttergottesbilder und 1 Christusbild, ausserdem 3 Laib Brot. Das Brot, das als „Heiliges Brot“ bezeichnet wird, wird unterwegs oder in den Dörfern an Arme verteilt. Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, daß die Prozessionsteilnehmer in keiner der berührten Ortschaften den Priester oder die Kirche aufsuchen, sondern daß sie sich nur in Privathäuser begeben. Dort wird für einen baldigen Frieden sowie für die Gefallenen oder Gefangenen beider kriegführenden Parteien gebetet. Die Frauen sollen der absoluten Überzeugung sein, daß mit ihrem Eintreffen im Frontgebiet der Krieg beendet sein werde. Maßnahmen zur stillschweigenden Auflösung und Unterbindung dieser Bittgänge sind getroffen worden. Fallschirmspringer, Saboteure usw.: Auf dem Wege nach Smolka, Kommandeurbereich Dnjepropetrowsk, wurden 3 Fischer von 4 Fallschirmspringern zum Mitgehen gezwungen. Unterwegs gelang es den Fischern, die Fallschirmspringer zu töten und ihnen Funkgeräte, 3 Maschinenpistolen, Munition und anderes abzunehmen. Das Material händigten sie deutschen Dienststellen aus. Im Gebiet Boriso wurde ein Fallschirmspringer festgestellt. Aus den Aussagen eines festgenommenen Angehörigen des „Ukrainischen Stabes für die Partisanenbewegung“ geht hervor, daß sich im Januar/Februar 1943 in Chinel der frühere Brigadekommandeur Sementschug aufhielt, der dort zusammen mit einer Gruppe von 14 oder 15 Mann abgesetzt worden war, um eine Bande aufzustellen. Bei den Abgesetzten handelt es sich um geschulte Leute und zwar um einen Kommissar, einen Chef des Stabes, dessen Vertreter, 2 Kundschafter, 2 Inspekteure für Sprengungen sowie einen Funker mit Sendegerät. Gleichzeitig wurde auch eine grosse Anzahl Waffen abgeworfen. Von den 5 im Gebiet Alexandrowka abgesetzten Fallschirmspringern konnten 4 nach einem Gefecht mit einer Wehrmachtseinheit gefangengenommen werden. Unter ihnen befindet sich eine Frau. Ein mit Maschinenpistole und Karten ausgestatteter sowjetrussischer Fallschirmspringer wurde in Lutny festgenommen, der mit einem Leutnant und 15 Terroristen zum Zwecke der Verkehrssabotage bei Oschitza abgesetzt worden war. Die Fahndung nach den übrigen Fallschirmspringern ist aufgenommen. Aus sowjetrussischen Flugzeugen wurden im Gebiet Retschitza 3 Fallschirmspringer abgesetzt. Einige Tage später konnte das Absetzen weiterer Fallschirmspringer festgestellt werden. Während des Fliegeralarms am 4. 5. wurde beobachtet, daß südlich von Pohulonka Fallschirmspringer abgesetzt wurden. Das Ergebnis der sofort eingeleiteten Suchaktion steht noch aus. 2 Fallschirme mit Lebensmitteln wurden im Gebiet Simferopol sichergestellt. Eine grössere Anzahl Fallschirmspringer wurde in der Umgebung von Widze auf weissruthenischem Gebiet abgesetzt. Die Sicherungskräfte an der Grenze sind verständigt. Sowjetrussische Flugzeuge setzten in der Nähe von Andriousischkis 4 Fallschirmspringer ab, die mit Drillichzeug, Schaftstiefeln und Uniformmützen ausgerüstet waren. Die Fahndungen blieben bisher ohne Erfolg. Dem Kommandeur dSPudSD Simferopol gelang die Aufrollung einer grösseren Sabotageorganisation, die sich über mehrere Städte der Krim

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ausdehnte und umfangreiche Terrorakte im Falle des Rückzuges der deutschen Wehrmacht vorbereitet hatte. Bisher konnten 22 Personen, darunter 3 Gruppenführer, festgenommen werden und eine grössere Anzahl Minen u. a. sichergestellt werden. In Borissow wurde geplant, einen Kessel des Elektrizitätswerkes in die Luft zu sprengen. Zu diesem Zweck sollte ein dickes Holzstück verfeuert werden, das 12 kg hochexplosiven Sprengstoff enthielt. Lediglich durch die Meldung des zur Ausführung der Tat gewonnenen Heizers, dem dann Bedenken gekommen waren, konnten Beschädigungen vermieden werden. Auf das Nachschublager des Wirtschaftskommandos in Polozk wurde ein Sabotageakt durch Inbrandsetzung von Benzin und Öl mittels Sprengung verübt. 600 000 ltr. Benzin und 100 000 ltr. Rohöl wurden vernichtet. Die Täter, 4 beim Wirtschaftskommando beschäftigte Ukrainer, sind geflüchtet. Ein Schleusentor im Gebiet Kobryn wurde durch Sprengung vernichtet. Ebenso wurde im Gebiet Pinsk eine für die Kanalisation wichtige Schleuse unbrauchbar gemacht. Banditen haben im Gebiet Dubno bei einem Überfall ein Sägewerk zerstört, nachdem sie vorher die Brücken auf den Zufahrtsstrassen und die Telefonleitungen gesprengt bezw. unbrauchbar gemacht hatten. Ferner wurde von Banditen ein Schwellenlager der Reichsbahn mit 21000 Schwellen in Brand gesetzt. Bei Charkow explodierte ein grosses Munitionslager, wobei 1500 to Geschosse aller Kaliber vernichtet wurden. Die Höhe des Schadens und die Menschenverluste sind noch nicht bekannt. Ob Sabotage vorliegt, ist z. Zt. noch Gegenstand der Untersuchungen. 2 noch nicht 13-jährige Knaben drangen nachts in die Garage einer Luftwaffeneinheit in Kiew ein, beschädigten eine Anzahl dort frontfertig gemachter Kraftfahrzeuge und nahmen eine Menge Benzin sowie verschiedene andere Ausrüstungsgegenstände mit. Wiederholte Brandstiftungen ereigneten sich im Sägewerk Retschitza. Sachschaden ist gering. Bei einem Sprengstoffanschlag auf der Eisenbahnstrecke Grodno–Wilna entgleisten durch die Sprengwirkung die Lokomotive und 15 Wagen eines mit Heu und Stroh beladenen Güterzuges. 5 Wagen wurden aus den Gleisen herausgeschleudert und vollständig zertrümmert. Gleichzeitig wurde hierbei das Nachbargleis gesperrt und die Telefonleitung zerstört. Der Oberbau der Gleisanlagen war auf 180 m Länge beschädigt und musste ausgewechselt werden. Auf der Strecke Wilna–Dünaburg geriet zwischen Patretone und Ignalino der erste Wagen hinter dem Schutzwagen eines Wehrmachtstransportzuges in Brand. Einige Zeit später – zwischen Dustas und Tomanto – brannte plötzlich ein anderer Wagen des gleichen Zuges. Beide Wagen wurden vollständig vernichtet. Es besteht Sabotageverdacht. Zwischen Bachtschissaraj und Sewastopol lief ein Zug auf eine Mine und entgleiste. Es entstand Sach- und Personenschaden. Weitere eingebaute Minen konnten im Laufe der Ermittlungen ausgebaut werden. Im Bereich des Kommandeurs dSPudSD Litauen legten Banditen beim Kilometerstein 519/20 eine Mine, die beim Passieren eines Transportzuges explodierte. Die Schienen wurden aufgerissen und die Lokomotive beschädigt. Bisher unbekannten Tätern gelang es, gleichfalls auf den Bahnstrecken Soly–Smorgonie, Dünaburg–Wilna und Lobiniai– Ignalino Minen einzubauen, die beim Befahren explodierten und erheblichen Sach- und Personenschaden anrichteten. Ohne Schaden zu nehmen, überfuhr ein Güterzug auf der Strecke Ignalino–Patretone eine Mine. Lediglich das Gleis wurde durch die Explosion beschädigt. Weitere Minenanschläge auf Eisenbahnlinien ereigneten sich in der Berichtszeit auf den Strecken Wilna–Dünaburg, Rowno–Sarny, Schwencona–Dünaburg, Zwiahel–Shitomir, Kiew–Neshin–Bachmatsch, Zampol–Michai–Lowsky, Luniniec–Sarny, auf den Nebenbahnlinien im Gebiet Kremenez, Petrikow und südlich Ilowaisk sowie allein

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im Bereich des Höheren SS- und Polizeiführers Kiew auf der Nordbahn 27, Mittelbahn 21 und Südbahn 11, wobei erheblicher Sach- und Personenschaden verursacht wurde. Zahlreiche Anschläge konnte darüber hinaus durch rechtzeitigen Ausbau der Minen unschädlich gemacht werden. Nach einer Meldung des Befehlshabers dSPudSD f.d. Ukraine haben dort die Eisenbahnanschläge auf die Hauptnachschublinien eine wesentliche Steigerung erfahren. Auf den einzelnen Linien ist seit Januar 1943 folgende Entwicklung zu verzeichnen: Nordbahn (Brest-Litowsk–Pinsk–Gomel): Mittelbahn (Kowel–Sarny–Korosten–Kiew): Südbahn (Brest-Litowsk–Kowel–Schepetowka–Kiew):

Jan. 16 9 7

Febr. 20 34 11

März 38 67 17

In vielen Fällen wurden auch durch Herausreißen von Schienen und Schwellen Verkehrsstörungen hervorgerufen und Zugentgleisungen verursacht. Ferner wurden zahlreiche Strassen-, Kanal- und Eisenbahnbrücken in den Gebieten von Kobryn, Kowel, Luzk, Petrikow, Owrutsch–Mosyr, Wassiljewitschi–Chiossiki, Tschernigow–Neshin, Pinsk, Retschitza, Korosten–Shitomir, Owrutsch–Jelsk, Stolin, Iwankow, Smyga–Dubno, Kiew– Tschernigow, Kiew-Land und Owrutschac durch Abbrennen und Sprengung vernichtet, zahlreiche Eisenbahnsignalmasten unbenutzbar gemacht und Fernsprechleitungen vielfach durch Umsägen der Masten zerstört. In der Nähe von Kachlotin ging ein unbemannter Ballon nieder, an dem ein gebrauchsfertiges Funkgerät angebracht war. Eine weitere Ballonhülle mit einem Kanister leicht entzündbarer Flüssigkeit wurde im Gebiet KamenKaschirsk aufgefunden. Ferner ging ein Gummiballon mit Sprengstoff, ohne Schaden anzurichten, im Gebiet von Korosten nieder. Ein anderer mit einem Benzinbehälter wurde im Gebiet Stolin aufgefunden, während ein gleicher in 1500 m Höhe nach Süden abtreibend beobachtet wurde. B. Lebensgebiete Allgemeine Lage und Stimmung in Estland: Die allgemeine Stimmung stand nach den vorliegenden Meldungen in den letzten Wochen ausgesprochen unter dem Zeichen der Alltagssorgen einzelner Bevölkerungskreise. Sie war daher örtlich verschieden und schwankend. In großen Teilen der Stadtbevölkerung, vor allem in Arbeiterkreisen, die nicht in der Lage sind, sich selbst zu versorgen, herrscht nach wie vor große Erbitterung über die Ernährungslage. Die Vorwürfe aus diesen Kreisen richten sich an die deutsche und estnische Verwaltung, die unfähig seien, die Versorgungsschwierigkeiten zu beheben. In der bäuerlichen Bevölkerung wirkt sich wiederum die Furcht vor einer erneuten Mobilisation weiterer Jahrgänge für den Arbeitseinsatz aus. Man glaubt, daß die ordnungsmäßige Führung der Betriebe aus Mangel an Arbeitskräften gefährdet werde. Den kriegerischen Ereignissen wird nach wie vor nach Stabilisierung der Front im Osten wenig Beachtung geschenkt. Die Vorgänge in Afrika z. B. interessieren die Masse der estnischen Bevölkerung wenig. Hin und wieder hört man Erörterungen über eine bevorstehende deutsche Frühjahrsoffensive. Im allgemeinen werden aber immer häufiger Stimmen laut, die die Ansicht vertreten, Deutschland besitze nicht mehr genügend Menschenund Materialreserven, um allein den Kampf gegen die Sowjetunion durchzuführen. Besonders die Tatsache, daß Angehörige der Ostvölker zum Fronteinsatz gelangen, wird dahingehend gedeutet, daß Deutschland für die Erringung des Endsieges in noch viel stärkerem Maße als bisher nicht nur auf die verbündeten Völker, sondern auch auf Russen, Weißruthenen, Ukrainer und Kosaken zurückgreifen müsse. In estn. Intelligenzkrei-

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sen tauchen immer wieder Gerüchte über politische Kombinationen Deutschlands auf. Die Umbesetzungen im Auswärtigen Amt geben hierzu den Anlaß. Man glaubt, Deutschland werde mit der USA und England durch Vermittlung des Vatikans einen Kompromissfrieden zu schliessen versuchen, um dadurch völlig freie Hand im Osten zu erhalten. Die Diskussion über die SS-Legion „Estland“ geht in allen Bevölkerungskreisen der Städte und z. T. auch auf dem Lande unvermindert weiter. Der Einsatz eines Batl. der SS-Legion „Estland“ im Süden der Ostfront wird viel erörtert.3 Man sieht darin einen Bruch des Versprechens, das der Generalkommissar bei der Gründung der Legion gegeben habe, diese werde nur zur Verteidigung der estnischen Grenzen eingesetzt. Die Legion, so wird von deutschfeindlichen Kreisen innerhalb der estnischen Bevölkerung verbreitet, sei nur gegründet worden, um die estn. Volkskraft weiter zu schwächen und um einmal nach Kriegsschluß mit den übriggebliebenen Esten ein leichtes Spiel zu haben. Briefe von Angehörigen der Legion haben in der Bevölkerung Verbreitung gefunden, die auf eine gewisse Unzufriedenheit eines Teiles der Legionäre schliessen lassen. Es wird vor allem über die schlechte Verpflegung und über angeblich sehr unkameradschaftliches Verhalten der deutschen Ausbilder geklagt. Derartige Briefe werden von deutschfeindlichen Kreisen besonders gern aufgegriffen, weiter ausgeschmückt und innerhalb der Bevölkerung verbreitet. Die Haltung der russischen Bevölkerung in Estland hat sich nach erfolgter Stabilisierung der Ostfront beruhigt. Gegenüber der von General Wlassow gebildeten Befreiungsarmee und gegen das „Russische Nationalkomitee“ verhält man sich, nachdem zunächst grosses Interesse dafür vorhanden war, jetzt allgemein skeptisch. Es ist hier eine gewisse Gegenwirkung aus Emigrantenkreisen bemerkbar, die an der Aufrichtigkeit der Haltung General Wlassows zweifeln. In diesen Kreisen würde man einen Offizier der ehemaligen zaristischen Armee lieber sehen. Von den etwa 18 000 aus Ingermanland nach Estland gebrachten Finnen und Ingern wurden bisher 4300 nach Finnland abtransportiert. Die Umsiedlung nach Finnland stößt z. Zt. insofern auf Schwierigkeiten, als die Bereitschaft der in Estland meistens bei Bauern eingesetzten Finnen, nach Finnland umzusiedeln, nachgelassen hat. Sehr viele sind in den letzten Wochen der Aufforderung, sich im Sammellager zwecks Weitertransport nach Finnland einzufinden, nicht nachgekommen. Seitens der Esten wird diese Haltung anscheinend propagandistisch unterstützt, da Estland und im besonderen auch jeder einzelne Landwirt, der Finnen als Arbeitskräfte hat, durch Abzug der Arbeitskräfte in Schwierigkeiten gerät. […] Wirtschaftliche Lage im Generalbezirk Estland: Landwirtschaft: Die Stimmung der ländlichen Bevölkerung wurde in den letzten Wochen bestimmt durch die landwirtschaftlichen Arbeiten und die Sorgen und Schwierigkeiten, die mit der Frühjahrsbestellung zusammenhängen. Die günstige Witterung ermöglichte einen etwa 2 Wochen früheren Bestellungsbeginn als gewöhnlich. Aus dem ganzem Lande wird den Meldungen zufolge berichtet, daß Roggen und Weizen gut überwintert haben. Der Anbauplan für dieses Jahr sieht eine Vergrößerung der Brotgetreide-, Kartoffel- und Flachsfläche vor, da diese Getreide und Hackfrüchte besonders kriegswichtig sind. Die Vorschriften der Anbauplanung werden von den Bauern, die jede Vorschrift als Eingriff in ihr Bestimmungsrecht auf dem Hof ansehen, stärkstens kritisiert. Außerdem sollen die Voraussetzungen zur Durchführung des Anbauplans nicht in genügendem Maße gegeben sein. Bei der verlangten intensiveren Wirtschaftsweise fehlt es: 1. an Arbeitskräften, 2. an Saa-

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ten, 3. an Düngemitteln, 4. an landwirtschaftlichen Maschinen, Ackergerät, Ersatzteilen und Eisen. Am schwierigsten ist in der Landwirtschaft die Arbeitsfrage. Dieses Problem bereitet den Bauern die größten Sorgen. In bäuerlichen Kreisen wird nach wie vor und mit allem Nachdruck der Wunsch geäußert, daß auf Grund des totalen Kriegseinsatzes dem Lande nicht Arbeitskräfte entzogen, sondern eher noch zusätzliche Kräfte der Landwirtschaft zur Verfügung gestellt würden. In letzter Zeit wurde der Kräftebedarf auf dem Lande auf Grund einer Intensitätsformel festgestellt, um den Mangel an Arbeitern zu übersehen. Von bäuerlicher Seite wird dieser Maßstab jedoch abgelehnt, weil Frauen und Kinder angeblich zu hoch eingeschätzt würden. Außerdem soll der Maschinenmangel nicht genügend berücksichtigt werden. Zum totalen Arbeitseinsatz äußern die Bauern den Wunsch daß in den Städten mehr Jahrgänge zum Arbeitseinsatz herangezogen werden als auf dem Lande. Starke Kritik wird an den Musterungskommissionen des Arbeitseinsatzes geübt, da bei diesen den Meldungen zufolge die Gerechtigkeit vielfach zu wünschen übrig lasse. So sollen in den Gemeinden, die im Kreise als erste bearbeitet wurden, Arbeitskräfte in wesentlich stärkerem Maße herausgezogen worden sein, als in den später überprüften Orten. Hierbei seien die Kreislandwirte ausschlaggebend gewesen. Zwischen 10 % und 80 % der ländlichen Arbeitskräfte werden je nach der Energie des Kreislandwirts bei den Musterungskommissionen für die Landwirtschaft freigestellt. Der Saatenmangel ist in diesem Jahr wesentlich größer als im vergangenen. Es fehlt besonders stark an Lein-, Klee- und Gemüsesaaten. In diesem Zusammenhang wird die Landbewirtschaftungsgesellschaft Ostland (LO) kritisiert, die sich grosse Vorräte an Saaten beschafft habe, die der bäuerlichen Landwirtschaft nun fehlten. Bei Übernahme der Betriebe der Saatzuchtgesellschaft durch die LO wurde vereinbart, daß die Saaten der Saatzuchtgesellschaft belassen werden sollten. Die LO hat diese jedoch nicht herausgegeben; daher verfügt die Saatzuchtgesellschaft nur über minimale Vorräte. Der Kunstdüngermangel ist vielleicht noch größer als im vergangenen Jahr, da alle Vorräte aufgebraucht sind und nur geringe Mengen eingeführt wurden. Da nun schon das dritte Jahr ohne wesentliche Kunstdüngergabe gewirtschaftet werden muß, wird allgemein ein Sinken des Ertrages erwartet. Zusammenfassend wird an den vorliegenden Meldungen herausgestellt, daß durch die großen Mängel, die z. Zt. bestehen, und die steigende Verstimmung der Bevölkerung durch verschiedenste Maßnahmen der Zwangsbewirtschaftung in diesem Jahr mit einem Rückgang des Ertrages gerechnet werden kann. Nach Ansicht der maßgeblichen Stellen dürfte sich dieser Rückgang auf die Versorgung auswirken. […] Industrie: Allgemein kann den Meldungen zufolge eine Produktionssteigerung verzeichnet werden. Im Brennschiefergebiet ist sie auf die Einführung des Punkt- und Prämiensystems für Kriegsgefangene zurückzuführen, wodurch es gelang, die Leistung des einzelnen Mannes um 60–70 % zu steigern. Von der Eesti Fosforiit wird eine Mehrerzeugung von 15 % gegenüber den Vormonaten gemeldet. Man glaubt aber kaum, dieses Ergebnis durchhalten zu können, weil eine Anzahl junger Männer zur Estnischen Legion und zum Arbeitsdienst einrücken werden und ein Ersatz nicht zu beschaffen ist. Ähnlich verhält es sich in der Zementfabrik Port-Kunda, in der die erreichte Produktionssteigerung wieder absinken wird, da ein Teil der in der Fabrik beschäftigten Ingern nach Finnland umgesiedelt wird. Mit Rücksicht auf die große Knappheit an Brennmaterialien soll die jetzt begonnene Torfproduktion durch Einsatz der Stadtbevölkerung für Torfarbeiten um 40 % gesteigert werden. Die Beschaffung der hierfür nötigen Arbeitskleidung bereitet noch Schwierigkeiten.

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Aus der Textilindustrie kommen jedoch nach wie vor Klagen über fortschreitenden Leistungsrückgang, der nur mit dem Mangel an Lebensmitteln begründet wird. Das Produktionsergebnis konnte lediglich dadurch auf der gleichen Höhe gehalten werden, daß bisher stillgestandene Webstühle in Betrieb genommen wurden. Die Stimmung in der Industriearbeiterschaft wird trotz Ernährungs- und Bekleidungssorgen allgemein als befriedigend bezeichnet. Es hat sich günstig ausgewirkt, daß gerade in der letzten Zeit in größerem Umfange ein Teil der Gefolgschaftsmitglieder mit Schuhwerk und Arbeitskleidung versehen werden konnte. Dagegen ist die Versorgung mit Seife noch völlig unzulänglich. Arbeitseinsatz: Am 15. 3. 1943 trat die vom Ersten Estnischen Landesdirektor erlassene Verordnung über den „Hilfseinsatz der estnischen Jugend“ in Kraft. Danach sind alle Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren, mit Ausnahme der Abiturienten, zum Hilfseinsatz innerhalb des Generalbezirks Estland verpflichtet. Der Hilfsdienst dauert vom 15. Mai bis zum 15. Oktober und sieht für 12- bis 14-jährige die Möglichkeit vor, sich die Arbeitsstelle selbst zu wählen, während 14- bis 17-jährige Zuweisungen erhalten. Daraus wird gefolgert, daß die älteren Kinder als vollwertige Arbeitskräfte betrachtet werden. In Elternkreisen ist man darüber sehr beunruhigt und kritisiert ferner die Tatsache, daß keinerlei Versorgung mit Schuhwerk und Bekleidung für die Kinder vorgesehen ist und sie keine für die Landarbeit geeignete Kleidung besitzen. Am meisten ist man darüber enttäuscht, daß der Arbeitslohn in Geld und nicht in Lebensmitteln gezahlt werden soll. Die „Verordnung zur Freistellung von Arbeitskräften und Betriebsmitteln für den kriegswichtigen Einsatz“ vom 30. 3. 1943, nach der Betriebe, Betriebsabteilungen und Betriebsmittel stillgelegt, verlagert oder zusammengelegt werden können, wird allgemein mit Verständnis aufgenommen, weil man die kriegsbedingte Notwendigkeit durchaus einsieht. Nur einzelne Stimmen erklären, diese Maßnahme sei wieder ein Schachzug der Deutschen, sich rentable Großbetriebe zu verschaffen. Die Wirtschaftskammer Estland stellt z. Zt. einen Plan auf, nach dem diese Verordnung durchgeführt und vor allen Dingen Betriebszusammenlegungen erfolgen sollen. Schließung der Hochschulen in Litauen: Nach der Schließung der Hochschulen haben sich die meisten Studenten auf das Land begeben. Das aktive Element ist den Meldungen zufolge aus den Städten verschwunden und die nationalkulturelle Tätigkeit der Litauer fühlbar geringer geworden. Ein Teil der Studenten beabsichtige sein Studium im Reich abzuschliessen. Der Reichskommissar habe grundsätzlich seine Zustimmung für das Studium von kriegswichtigen Wissenschaften (Medizin, Technik, Forstwissenschaft, Landwirtschaft, tierärztliche Medizin) erteilt und 90 Plätze an den Reichsuniversitäten in Aussicht gestellt. 150 derartiger Gesuche werden z. Zt. überprüft. Die Studenten und Studentinnen, die die besten Studienresultate aufweisen, die deutsche Sprache in ausreichendem Maße beherrschen, politisch und rassisch in Ordnung sind und nicht einem arbeitsdienstpflichtigen Jahrgang angehören, sollen so die Möglichkeit erhalten, ihr Examen im Reich abzulegen. Außerdem sollen diejenigen Studenten der Medizin, die kurz vor dem Abschluß stehen, auch in Litauen die Möglichkeit erhalten, ihre Abschlußprüfung abzulegen, wofür Abschlußlehrgänge bis zum 31. 12. 1943 durchgeführt werden. Die Hochschulen sind zwar geschlossen, jedoch ist das Lehrpersonal nicht entlassen worden. Einige Laboratorien (medizinisches, chemisches) sind, soweit sie Wehrmachtsaufträge durchführen, in Tätigkeit. Die Meldungen heben hervor, daß für die Schließung der Universität und Hochschulen der geeignete Augenblick gewählt worden wäre, nachdem sie sich (einmal mehr) als „Brutstätten“ des litauischen Chauvinismus erwiesen hätten. Es erscheine aber weniger

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ratsam, bereits Studierenden ihr weiteres Studium mittels eines numerus clausus zu verbauen. Man müßte den litauischen Studenten vielmehr Gelegenheit geben, im Reich unter entsprechender politischer Beeinflussung das Studium fortzusetzen. Die Aufrechterhaltung der landwirtschaftlichen und tierärztlichen Akademien sei für einen landwirtschaftlich ausgerichteten Raum wie Litauen aus wirtschaftlichen und sanitären Gründen notwendig, zumal z. B. mit einem Zuzug deutscher Tierärzte in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden könne. Die Rückgabe dieser Akademien könne zu gegebener Zeit mit der Begründung, daß sie eine Belohnung für den Beitrag der Litauer gegen den Bolschewismus darstelle, erfolgen. Propagandawesen im Generalbezirk Litauen: Mit dem Hinweis auf die Schwerfälligkeit des Durchschnittslitauers im Denken und Begreifen von komplizierteren Zusammenhängen begründen die vorliegenden Meldungen die Notwendigkeit einer vorbereitenden, geraume Zeit einwirkenden Propaganda. Eine plötzlich einsetzende Propaganda verfehle nahezu in allen Fällen ihren Zweck. Eine derartig vorbereitende Aufgabe falle neben allen Propagandamitteln beispielsweise auch der „Kauener Zeitung“ zu, die zu den wichtigen innerpolitischen Problemen entweder gar nicht oder in völlig unzulänglicher Form bisher Stellung genommen habe. Insbesondere müsse aber diese Propaganda von litauischer Seite stärkstens unterstützt werden. Bis zum Versagen bei der Aufstellung einer eigenen Legion sei die führende litauische Presse, wenn auch in der Aufmachung der deutschen überlegen, ausgesprochen matt gewesen. Leitartikel über Gesamteuropa angehende Probleme oder Ausführungen über das Verhältnis des litauischen Volkes zu Deutschland seien bis zum Verbot der Aufstellung einer eigenen Legion kaum zu finden gewesen. Erst danach sei eine Besserung eingetreten. In der litauischen Tagespresse seien eine ganze Reihe diesbezüglicher Leitartikel erschienen, Lautsprecherwagen z. T. mit litauischen Offizieren als Sprechern eingesetzt worden, Aufrufe der Geistlichkeit in Presse und Rundfunk, der stärker herangezogen worden sei, verwertet worden. Auch die Plakatund Flugblattaktion wurde verstärkt. Litauische Generalräte begaben sich zu Werbeaktionen aufs Land usw. Nachdem jedoch die Pressepropaganda nach verheissungsvollen Anfängen schon wieder stark nachgelassen hat, wird in den Meldungen angeregt, von führenden Tageszeitungen wie der Kauener „Ateitis“ für jede Zeitungsnummer die Erstellung eines Leitartikels zu fordern, in dem zu einem aktuellen Problem Stellung genommen wird. Die Meldungen weisen darauf hin, daß sich in letzter Zeit eine weitere Möglichkeit guter Propagandaeinwirkung bietet, nachdem bei der litauischen Bevölkerung bekannt ist, daß der Rundfunk vor Fliegeralarm ausschaltet. Alle Gerätebesitzer säßen in den Abendstunden vor ihrem Apparat, um die Warnung nicht zu überhören. Das Programm, das um diese Zeit vorwiegend Musiksendungen enthält, müsse mit entsprechenden Propagandasendungen ausgefüllt werden. Da in der litauischen Öffentlichkeit Berichte über die Bombardierung litauischen Gebietes vermißt werden, erscheint es nach den vorliegenden Meldungen angebracht, entsprechende Meldungen in der Lokalpresse zu bringen. Die Meldungen weisen darauf hin, daß ein Verschweigen nur Stoff zu übertriebenen und unsinnigen Gerüchten abgibt. Trotz der mit allen erdenklichen Mitteln und größter Aktivität durchgeführten antibolschewistischen Propaganda wurde damit in Litauen, wie berichtet wird, kein voller Erfolg erzielt. Die Gründe dafür und die Aufklärungswünsche enthalten nachstehende Äußerungen aus litauischen Kreisen: „Ihr Deutschen braucht uns vom Bolschewismus nichts mehr zu sagen; wir kennen ihn viel besser, als ihr ihn selbst kennt. Sagt uns lieber etwas über die

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Zukunft unseres Staates und über das tatsächliche Gesicht des neuen Europas; sagt uns etwas darüber, was nach dem Kriege aus uns wird. Das ist besser und wirkt mehr, als jede antibolschewistische Propaganda noch wirken kann.“ Es wird in diesem Zusammenhang gemeldet, daß die Propaganda in Litauen ihres wirksamsten Inhaltes beraubt würde, da gerade solche brennenden Fragen und andere aktuelle politische Tagesfragen nicht öffentlich diskutiert werden dürften. C. Meldungen aus den unbesetzten Gebieten der UdSSR Wie aus zahlreichen Gefangenenbefragungen und Meldungen hervorgeht, neigt die allgemeine Stimmung der sowjetischen Bevölkerung, durch die ruhige Frontlage bedingt und das Hervortreten der täglichen Schwierigkeiten, zur Kriegsmüdigkeit. Dabei spielen die Verluste an Angehörigen und die Tatsache, daß der sowjetische Soldat fast nie Urlaub erhält, eine nicht unbedeutende Rolle. In der Einstellung zum sowjetischen Regime sollen sich in der letzten Zeit ebenfalls Änderungen bemerkbar machen. Durch den Druck, den die sowjetische Verwaltung auf allen Gebieten gegenüber der Bevölkerung ausübt, ist die Sehnsucht nach einer gewissen individuellen Freiheit immer mehr angewachsen. Allerdings wird eine Besserung dieser Lage weniger durch Deutschland, als vielmehr von England und Amerika erwartet. Während den kommunistischen Propagandathesen, daß Deutschland nicht nur den Bolschewismus, sondern auch das russische Volk bekämpfe und dieses zu einem Sklavenvolk herabdrücken möchte, mehr oder weniger Glauben geschenkt wird, vertieft sich die Hoffnung, daß England und Amerika auf eine Demokratisierung und Angleichung der Sowjetunion an westliche Verhältnisse hinarbeiten. Die Wiederzulassung des religiösen Lebens und selbst die Einführung der neuen Dienstgradabzeichen in der Armee werden als ungewollte Zugeständnisse der sowjetischen Regierung an seine Alliierten gewertet. Stalin erfreut sich noch immer einer erheblichen Popularität. 4 Besonders die unteren Schichten der sowjetischen Intelligenz vertreten die Ansicht, daß Stalin der alte Revolutionär geblieben sei, im Gegensatz zu der neuen sowjetischen Aristokratie, die sich schon in den letzten Vorkriegsjahren herauskristallisierte und auch während des Krieges einen immer stärkeren Gegensatz in ihrer Lebenshaltung gegenüber der breiten Masse bildete. Zu diesen Kreisen gehören bekannte Künstler, namhafte Schriftsteller und Journalisten, Leiter grosser Werke und wirtschaftlicher Verbände sowie hohe Staats- und Parteifunktionäre. Von einem Teil der Kriegsgefangenen wird immer wieder geäussert, daß gewisse Gruppen der Bevölkerung mit dieser Entwicklung zur „Bürgerlichkeit“ unzufrieden sei. Die Versorgungslage der Bevölkerung hat sich hinsichtlich der Ernährung gegenüber dem Winter 1941/42 gebessert. Von den zuständigen Dienststellen wurden in den Städten und in den Industriegebieten Gartenlandaktionen durchgeführt, wobei das Saatgut zur Verteilung gelangte. Diese Kriegsgärten sind angeblich frei von Abgabe. Fast jede städtische Familie soll z. Zt. über einen Kleingarten verfügen, aus dem sie ihren Bedarf an Kartoffeln und Gemüse bestreiten kann. Für die offizielle Zuteilung ist eine Einteilung der Bevölkerung in vier Klassen vorgenommen worden. Zur ersten Klasse gehören die Parteifunktionäre und die Schwerarbeiter ausgesprochener Rüstungsbetriebe. Die Zuteilungen schwanken in diesen vier Gruppen zwischen 1200 gr. und 400 gr. Brot täglich. Die Ausgabe anderer hochwertiger Lebensmittel ist ebenfalls entsprechend abgestuft. Eine regelmässige Verteilung soll jedoch für die unteren Gruppen nur bei der Brotausgabe sichergestellt sein. Darüber hinaus wurde in den Städten und Industriegebieten die Werkküchenverpflegung weiter ausgebaut. Gleichfalls sind in den Kindergärten und Kleinkinderkrippen Verpflegungsstellen eingerichtet. Auf dem freien Markt dagegen kann die Bevölkerung nor-

malerweise nur Zusatzverpflegung durch Eintausch von Gebrauchsgegenständen erstehen. Die Versorgungsverhältnisse in Leningrad haben sich durch die Wiederherstellung der Landverbindung anscheinend gebessert. Über die Lage in Moskau wurde u. a. bekannt, daß sich die Verhältnisse sehr bald nach der Zurückschlagung des deutschen Angriffes im Herbst 1941 besserten und nach der Rückkehr eines grossen Teils der geflüchteten Bevölkerung wieder normalisierten. Mit verschiedenen Betrieben kehrten auch die Belegschaften nach Moskau zurück. Die Zerstörungen durch Luftangriffe wurden schnell beseitigt, so daß heute Spuren dieser Angriffe nicht mehr zu entdecken sind. Die Luftabwehr wurde verstärkt und verbessert und besondere Flaktürme mit amerikanischen Messgeräten erbaut. Die Versorgung der Stadt konnte im Jahre 1942 im allgemeinen sichergestellt werden. Ein grosser Teil der Geschäfte wurde wieder eröffnet und gut beliefert. Während in anderen Städten der Sowjetunion praktisch nur Brot auf Karten zu erhalten war, soll die Moskauer Bevölkerung regelmässig mit Fleisch, Fett, Salz und Seife beliefert worden sein. Sogar Textilien seien gegen Karten zu haben gewesen. Zur Änderung der sowjetischen Kirchenpolitik 5 wurde bekannt, daß in Moskau sehr viele Kirchen und Bethäuser eröffnet wurden. Der Zustrom zu den Gottesdiensten soll sehr gross sein. Sogar den Angehörigen der Roten Armee sei der Kirchgang gestattet. BAB, R 58/224 1 Der Kampfname „Taras Bulba“ bezieht sich auf die gleichnamige Erzählung des russischen Schriftstellers Nikolai Gogol aus dem Jahr 1835, die den Kampf des Kosaken Bulba u. seiner beiden Söhne gegen Polen zum Thema hat; vgl. Nikolai Gogol: Taras Bulba, München 1981; zur Person des Maxim Borovets: Yehuda Bauer: Sarny and Rokitno in the Holocaust. A Case Study of Two Townships in Wolyn (Volhynia), in: Steven T. Katz (Hrsg.): The Shtetl. New Evaluations, New York-London 2007; Yizhak Arad: In the Shadow of the Red Banner. Soviet Jews in the War against Nazi Germany, Jerusalem 2010, S. 189. 2 Tatsächlich entstammt die fiktive Figur des Taras Bulba nicht dem Mittelalter, sondern der Ukraine des 17. Jahrhunderts. 3 Ende März 1943 wurde das 1. Btl. der Legion für einige Monate der SS-Division „Wiking“ unterstellt; vgl. zum Fronteinsatz Neulen: An deutscher Seite, S. 285; Klietmann: Die Waffen-SS, S. 225. 4 Zum Personenkult um Stalin vgl. Overy: Russlands Krieg, S. 441–485. 5 Vgl. Hildermeier: Geschichte der Sowjetunion, S. 665–668.

Karten

856

Karten

Front und besetztes Gebiet am 18. November 1942 Leningrad Reval

ESTLAND Dorpat

Nowgorod Pleskau

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LETTLAND

LITAUEN Kaunas

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SOWJETUNION

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Schwarzes Meer Staatsgrenze 1939 Staatsgrenze 1941 Grenze der Unionsrepublik 1941 Hauptstadt eines Reichskommissariats Hauptstadt eines Generalbezirks KartoGrafik Hölzel 2014

Grosny Ordschonikidse

am 18. November 1942 von deutschen Truppen besetzt Gebiete des Reichskommissariats Ostland (RKO) und des Reichskommissariats Ukraine (RKU)

0

300 km

Generalbezirk Kiew

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SOWJETUNION Wo

Unionsrepublik-Grenze 1941

ab Ende Juli KdS-Standort

Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD

KdS

*

Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes (SD)

Hauptstadt eines Generalbezirks BdS

Karpowka Stalingrad Kalatsch Vk4b Tk4a Nishne-Tschirskaja Aksaj Kotelnikowskij 4b

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200km

Reichskommissariat Ukraine bis 31. August 1942

am 18. November 1942 von deutschen Truppen besetzt

am 27. Juni 1942 von deutschen Truppen besetzt

Front und besetztes Gebiet 27. Juni 1942 – 18. November 1942

Karten

857

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KartoGrafik Hölzel 2014

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am 6. April 1943 von deutschen Truppen besetzt

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seit 21.1.43 Operationsgebiet des Heeres unter Fortbestand der Zivilverwaltung

Reichskommissariat Ukraine

bekannte Sipo-SD Außenstellen

vorläufige Hauptstadt (Kiew war vorgesehen als Hauptstadt des RKU, Simferopol als Hauptstadt des Teilbezirks Taurien)

Hauptstadt eines Reichskommissariats Hauptstadt eines Generalbezirks

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Staatsgrenze 1941

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Südfront und Reichskommissariat Ukraine im Mai 1943

858 Karten

Abkürzungsverzeichnis A AA Abt. AK AO AOK Aug. BAB BAL BA-MA BA-ZA BB BDC BdS Bearb. Berück Bfh. Bfz Brif. Btl. CdO CdS Ders. Dess. Dies. Dez. Div. Dok. Dto. DSTB Ebd. EdH EG EK EM Febr. FHA Fhr. FK Geb. Geb.kom Gen.kdo. Gen.kom. Gen.Qu. Gest. Gestapa Gestapo

Akte Auswärtiges Amt Abteilung Armeekorps Abwehroffizier Armeeoberkommando August Bundesarchiv Berlin Bundesarchiv-Außenstelle Ludwigsburg Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg/B. Bundesarchiv-Zwischenarchiv Dahlwitz-Hoppegarten Befehlsblatt Berlin Document Center Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD Bearbeiter/Bearbeitet Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes Befehlshaber Bibliothek für Zeitgeschichte Brigadeführer Bataillon Chef der Ordnungspolizei Chef der Sicherheitspolizei und des SD Derselbe Desselben Dieselbe(n) Dezember Division Dokument Dito/Gesagt Deutschvölkischer Schutz- und Trutzbund Ebenda Enzyklopädie des Holocaust Einsatzgruppe(n) Einsatzkommando(s) Ereignismeldung UdSSR Februar Führungshauptamt Führer Feldkommandantur Geboren Gebietskommissar(iat) Generalkommando Generalkommissar(iat) Generalquartiermeister Gestorben Geheimes Staatspolizeiamt Geheime Staatspolizei

860 GFP GPU Gruf. Gstaw GVP GWU HA Hg. HGr. Hptm. Hrsg. HSSPF HStAS Hstuf. Ia Ib Ic IdS IfZ Inf.div. Jan. K Kav.div. KdO Kdo. Kdr. KdS KK KL Komp. Korück KR Kripo KZ LA LG Lkw LMG Lt. LVVA MbO MdB MdR MG MP Ms. NAK Nbg.Dok. NKWD Nov. OA OB Oberf. OD

Abkürzungsverzeichnis

Geheime Feldpolizei Gossudarstwennoje Polititischeskoje Uprawlenije Gruppenführer Generalstaatsanwalt Geschäftsverteilungsplan Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Hauptamt Herausgegeben Heeresgruppe Hauptmann Herausgeber Höherer SS- und Polizeiführer Hauptstaatsarchiv Stuttgart Hauptsturmführer Erster Generalstabsoffizier (Taktische Führung) Zweiter Generalstabsoffizier (Quartiermeister) Dritter Generalstabsoffizier (Feindnachrichten/Abwehr) Inspekteur der Sicherheitspolizei und des SD Institut für Zeitgeschichte München Infanteriedivision Januar Karton Kavalleriedivision Kommandeur der Ordnungspolizei Kommando Kommandeur Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD Kriminalkommissar Konzentrationslager Kompanie Kommandant des rückwärtigen Armeegebietes Kriminalrat Kriminalpolizei Konzentrationslager Leitabschnitt Landgericht Lastkraftwagen Leichtes Maschinengewehr Leutnant Latvijas Valsts Ve¯sturis Arhı¯vs Riga Meldungen aus den besetzten Ostgebieten Mitglied des Bundestages Mitglied des Reichstages Maschinengewehr Maschinenpistole Manuskript The National Archives Kew Nürnberger Dokumente Narodnyj Kommissariat Vnutrennich Del November Oberabschnitt Oberbefehlshaber Oberführer Ordnungsdienst

Abkürzungsverzeichnis

Ogruf. Obergruppenführer OK Ortskommandantur OKH Oberkommando des Heeres Okt. Oktober OKW Oberkommando der Wehrmacht Orpo Ordnungspolizei ORR Oberregierungsrat Ostubaf. Obersturmbannführer Ostuf. Obersturmführer OUN Organisation Ukrainischer Nationalisten OT Organisation Todt PB Polizeibataillon Pkw Personenkraftwagen PR Polizeiregiment Pz.AOK Panzerarmeeoberkommando RFSS Reichsführer-SS Rgt. Regiment RAD Reichsarbeitsdienst RGVA Rossiiskii Gosudarstvennyi Voennyi Arkhiv Moskau RKO Reichskommissar(iat) Ostland RM Reichsmark RMO Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete RMVP Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda RPB Reservepolizeibataillon RR Regierungsrat RSHA Reichssicherheitshauptamt RuSHA Rasse- und Siedlungshauptamt(sakte) SA Sturmabteilung Schuma Schutzmannschaft SD Sicherheitsdienst Reichsführer-SS Sept. September Sic Siehe so im Original SK Sonderkommando(s) Slg. Sammlung SMG Schweres Maschinengewehr SS Schutzstaffel SSO SS-Offiziersakte SSPF SS- und Polizeiführer SSPStF SS- und Polizeistandortführer Staf. Standartenführer StAl Staatsarchiv Ludwigsburg Staw Staatsanwalt(schaft) Stellv. Stellvertreter/Stellvertretender Stubaf. Sturmbannführer UA Unterabschnitt Undat. Undatiert USHMMA United States Holocaust Memorial Museum Archives Ustuf. Untersturmführer Vern. Vernehmung VfZ Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Vgl. Vergleiche VKM Vorkommando Moskau VO Verbindungsoffizier VUA Vojensky´ Ústrˇední Archiv Prag

861

862 ZfG Z. b. V. ZK ZSD ZSL

Abkürzungsverzeichnis

Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Zur besonderen Verwendung Zentralkartei Zentralstelle Dortmund Zentrale Stelle Ludwigsburg

Literaturverzeichnis (Aufgenommen wurden nur Titel, die mehrfach auftauchen u. abgekürzt zitiert werden) Angrick, Andrej: Besatzungspolitik und Massenmord. Die Einsatzgruppe D in der südlichen Sowjetunion 1941–1943, Hamburg 2003 Angrick, Andrej/Klein, Peter: Die „Endlösung“ in Riga. Ausbeutung und Vernichtung 1941–1944, Darmstadt 2006 Angrick, Andrej/Mallmann, Klaus-Michael/Matthäus, Jürgen/Cüppers, Martin (Hrsg.): Deutsche Besatzungsherrschaft in der UdSSR 1941–1945. Dokumente der Einsatzgruppen in der Sowjetunion II, Darmstadt 2013 Arad, Yitzhak: The Holocaust in the Soviet Union, Lincoln-Jerusalem 2009 Birn, Ruth Bettina: Die Sicherheitspolizei in Estland 1941–1944. Eine Studie zur Kollaboration im Osten, Paderborn u. a. 2006 Black, Peter: Ernst Kaltenbrunner. Vasall Himmlers: Eine SS-Karriere, Paderborn u. a. 1991 Bruder, Franziska: „Den ukrainischen Staat erkämpfen oder sterben!“. Die Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) 1929–1948, Berlin 2007 Cüppers, Martin: Wegbereiter der Shoah. Die Waffen-SS, der Kommandostab Reichsführer-SS und die Judenvernichtung 1939–1945, Darmstadt 2005 Dieckmann, Christoph: Deutsche Besatzungspolitik in Litauen 1941–1944, 2 Bde., Göttingen 2011 Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1941/42, bearb. v. Peter Witte/Michael Wildt/Martina Voigt/ Dieter Pohl/Peter Klein/Christian Gerlach/Christoph Dieckmann/Andrej Angrick, Hamburg 1999 Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, hrsg. v. Eberhard Jäckel/Peter Longerich/Julius H. Schoeps, 4 Bde., München 1995 Ezergailis, Andrew: The Holocaust in Latvia 1941–1944. The Missing Center, Riga-Washington 1996 Gafke, Matthias: Heydrichs Ostmärker. Das österreichische Führungspersonal von Sicherheitspolizei und SD, Diss. Stuttgart 2013 Gerlach, Christian: Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrußland 1941 bis 1944, Hamburg 1999 Gottwaldt, Alfred/Schulle, Diana: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941–1945. Eine kommentierte Chronologie, Wiesbaden 2005 Grossman, Wassili/Ehrenburg, Ilja/Lustiger, Arno (Hrsg.): Das Schwarzbuch. Der Genozid an den sowjetischen Juden, Reinbek 1995 Hartmann, Christian: Wehrmacht im Ostkrieg. Front und militärisches Hinterland 1941/42, München 2009 Hasenclever, Jörn: Wehrmacht und Besatzungspolitik in der Sowjetunion. Die Befehlshaber der rückwärtigen Heeresgebiete 1941–1943, Paderborn u. a. 2010 Headland, Ronald: Messages of Murder. A Study of the Reports of the Einsatzgruppen of the Security Police and the Security Service, 1941–1943, London-Toronto 1992 Hesse, Erich: Der sowjetrussische Partisanenkrieg 1941–1944, Göttingen u. a. 1969 Hildermeier, Manfred: Geschichte der Sowjetunion 1917–1991. Entstehung und Niedergang des ersten sozialistischen Staates, München 1998 Hürter, Johannes: Hitlers Heerführer. Die deutschen Oberbefehlshaber im Krieg gegen die Sowjetunion 1941/42, München 2006 Kaiser, Wolf (Hrsg.): Täter im Vernichtungskrieg. Der Überfall auf die Sowjetunion und der Völkermord an den Juden, Berlin-München 2002 Klietmann, Kurt-Gerhard: Die Waffen-SS. Eine Dokumentation, Osnabrück 1965 Kunz, Norbert: Die Krim unter deutscher Herrschaft (1941–1944). Germanisierungsutopie und Besatzungsrealität, Darmstadt 2005

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Literaturverzeichnis

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Personenregister Abduramow 342 Abolinsch 708 Abramowitsch 273 Abrikosow 704 Achamer-Pifrader, Humbert 501, 503 Agejew 51, 744 Akimoff 235 Akyntschitin 273 Alejew 49 Alexander 769, 779 Alexejew 684 Alnor 48 Alyta 805 Amadow 202 Anderson 70, 72, 84 Andrejenko 281 Andrussian 135 Angelus 723 Antochin, Peter 337 Antonescu, Ion 348, 668 Arapetje 51 Arbusow 187 Arkadazki, Iwan 99 Arndt, Alexander 338 Arnovschek, Ferdinand 210 Atamanow 187 Auersberg 240 Augustin 129, 217, 323 Auinger, Josef 393 f., 501 Awerkin, Dimitri 29, 51 Babenko 646 Bach-Zelewski, Erich von dem 17, 32, 503 Badajew 489 Badic, Draga 108 Bagasi 290 ff. Bagranowski 292 Balay 355 Balk 269 Balodis 129 Bandelenen 314 Bandera, Stepan 15, 29, 80 f., 99 f., 134 f., 195, 221, 225, 228, 246 ff., 282, 288 ff., 293, 306 f., 346 f., 363, 381, 382, 384, 396 f., 442 f., 462, 468, 473, 477, 497, 525 f., 537 f., 543 f., 567 f., 575, 591 f., 619 f., 678 f., 732 ff., 842 ff. Bangerskis, Ru¯dolfs 801

Barkans 648 Baronas, Wladas 61 f. Basse, Friedrich von 235 Bassewitz-Behr, Georg-Henning Graf von 633, 643 Baudsinsch, Aes 648 Becker 654 Belobrotzki, Stanislaw 49 ff. Belochusow 50 Below, Iwan 336 Berantschik, Julian 772 Berdowski, Michaeli 99 Berg 128 Bergmanis, Janis 325 Bergner, Elisabeth 546 Bernad, Jakob 150, 168 Bernikow 496 Bersinsch, Arnold 648 Beschibnik, Wasyl 678 Biberstein, Ernst 393 f., 502, 554, 674, 757, 839 Bierkamp, Walter 379, 502, 674, 757, 780, 839 f. Billajowa 618 Bilyk, Helene 679 Birgels 89 Birgers, Ieva-Sofia 648 Bisiak, Johann 263 Blaumann, Rudolf 88 Blobel, Paul 22, 33 f., 37, 44, 61, 73, 83 Bock, Wilhelm 33 Bogow 305 Böhme, Horst 756 f., 839 Boico, Nikolai 99 Bokal, Stanislaus 172 Boledilnikow 187 Bondarew 164 Boptschuk 741 Boroda 758 Borowez 497 Bradfisch, Otto 33, 37, 44, 61, 73, 83, 113 Brasser 193 Braune, Fritz 22, 34, 37, 44, 61, 73, 83 Braune, Werner 35 f., 43, 53, 72, 82, 104, 115, 117, 119, 138, 143, 151, 170, 175, 204, 232, 250, 265, 278, 345 Brechmann-Stengel 89 Breder, Reinhard 838 f., 840 Brisgys 297

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Personenregister

Brock 129 Bronstein 198 Bubinka 758 Buchardt, Friedrich 616, 630, 673, 756, 839 Budjonny, Semjon 361, 365 Bumanis 802 Buria 210 Buriak 202 Carolus 144 Casiw 187 Caupals 647 f. Celmins, Gustav 55, 59, 330, 648 Celms 322 Chemaldin 783 Christensen, Theodor 277, 294, 345, 502, 553, 673, 757 Christmann, Kurt 394, 502, 674, 839 Chruschtschow, Nikita 295 Churchill, Winston 447, 826, 837 Dankers, Oskar 70, 72, 89, 281, 319 ff., 326, 767, 801 Deilidonis 64 Delikurdogly, Mustafa 336 Demaschef, Alex 99 Demidoff, Nina 75 Demidow, Awksentij 51 Dier, Kurt 156 Dimitrow, Iwan 795 Dionysius 67, 292 Djetschenko 462 Djomin, Iwan 338 Dobrowinsky 496 Dobrowolsky 327 Dolenko 469 Doruschko, Anna 99 Drain 469 Drechsler, Otto-Heinrich 55, 765, 800 Dreyer 584 Drus, Maria 741 Druva 55 Dubrowski 469 Ducis 798 Dullis, Albert 648 f. Dumas, Alexandre 551 Dunajewski, Isaak Ossipowitsch 547 Dutko, Johann 568 Eden, Robert Antony 122, 769 Ehrlinger, Erich 142, 146, 151, 232, 249, 264, 277, 345, 502, 553, 673, 756, 839 Eisvydis, Juozas 676 Elnir 56

Ereschow 454 Exdorf 108 Falkow, Alexander 476, 795 Feckistow 740 f. Fedorow 121, 758 Fetschenko 108 Finkowski 68 Florin, Wilhelm 419 Franco, Francisco 250, 613 Frei, Albert 89 Freimanis 70, 72 Frick, Berta 581 Frytling, Waclav 197 Gaal, Franziska 546 Gajlewitsch 208 Galjuta 187 Galkina, Maria 685 George, Heinrich 546 Giessler 512 Glasun, Gregor 705 Glochow, Gregor 339 Gluschnew, Radion 129 Gluschnewa, Anaisija 129 Godlewski 273 Goebbels, Joseph 447, 686, 724, 766 Goethe, Johann Wolfgang von 545 Gogol, Nikolai Wassiljewitsch 550, 854 Goltz 326 Gontscharew, Iwan Alexandrowitsch 551 Goppel, Ludwig 115 Gorchow 742 Goremikin 141 Göring, Hermann 507, 686 Goriza, Jefim 337 Gorki, Maxim 422, 551, 554 Gotschin 315 Gottberg, Curt von 616, 630, 633, 643 Graaf, Kurt 501, 503, 553 Granowsky 141 Grantskalns 55 Grauberger, Maria 581 Grebenjuk, Jaroslaw 443 Grebliauskas, Pranas 63 Grekoff, Viktor 774 Greusl, Antonia 263 Grieg, Edvard 89 Grigorjew, Konstantin 336 Grimm 323 Gripas, Pakowki 99 Gromow 305 Grossbart 708, 797 f. Grünberg, Theodor 89, 323

Personenregister

Gschesiak 56 Guberow 187 Gurijenko 202 Gurmata 187 Haensch, Walter 83, 104, 113, 116, 119, 138, 143, 151, 170, 175, 204, 232, 250, 265, 277, 345, 393 Hambro 671 Harabcz 733 Hauck 36 Hauptmann, Gerhart 545, 608 Heiskanen 144, 719 Helanen 95 Hennus 202, 240 Herrmann, Günther 674 f. Hersmann, Werner 674 f. Herwegh, Georg 819 Hess, Günter 801 Himmel 568 Hitler, Adolf 9, 19, 32, 35, 59, 76, 80, 89, 123, 159, 164 f., 191, 194, 235, 241, 378, 384, 406, 418 ff., 441, 454, 471, 472, 515, 517, 534, 543, 555, 562, 564, 580, 653, 722 f., 745, 749, 757, 761, 764, 796, 812, 819 f., 826, 831, 837, 839, 863 f. Hlebow 496 Hocevar 263 Hofmann, Walter 44, 53, 60, 73, 83, 112, 115, 118, 137, 142, 151, 169, 174, 203 Hoover, J. Edgar 679 Horskyj, Konstantin 526, 538 Hosin 280 Hrize 80 Hrycaj, Dimiter 733 Hubig, Hermann 501, 503 Hugo, Victor 551 Humenjuk 741 Husak, Georgi 99 Ibraimow 201 f. Immermann, Wolotia 86 Isselhorst, Erich 501, 503, 673 f., 756, 838 Istschenko 186 Ivanova, Nina 86 Iwanenko 187 Iwanow, Andrej 337 f. Iwanowitsch, Iwanow 108, 336 Iwanowski 66 f., 273 Iwaschtschenko 86 Iwkin 409 Jaakkola, Hjalmar 156 Jäger, Karl 22, 32, 37, 44, 60, 73, 83, 112, 115, 118, 137, 142, 150, 169, 174, 203, 231, 249, 264, 277, 344, 501, 553, 673, 756, 838

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Jagorski 337 Jagunow 661 Jakowiwitsch 99 Jakubowski 795 Jalbrzykowsky, Romuald 243 Jannings, Emil 546 Jeckeln, Friedrich 22, 31, 37, 41, 43 f., 60, 73, 82 f., 112, 115, 118, 137, 142, 150, 169, 174, 203, 231, 249, 264, 276, 344, 435, 459, 501, 552, 672, 702, 756, 772, 838 Jeffibov 141 Jegarew 187 Jeltschaninow, Michael 540 Jermakow 661 Jerschow, Wassily 685 Jescenko, Dimitrij 181 Jolew 773 Jost, Heinz 231, 241, 249, 264, 276 f., 344 Juchnewitz 323 Junge, Peteris 140 Juodka, Adolfas 63 Juschakow, Nikofor 337 Juschkewitsch 198 Just 824 Kabimow 187 Kaczmar, Kosma 568 Kaganowitsch, Lasar Moissejewitsch 738 f., 803, 838 Kaktinsch, A. 608 Kalaschnikow 187, 775 Kalinin, Michail Iwanowitsch 499, 748, 754, 779 Kalpaks 197 Kaminski 647 Kaminski, Bronislaw 714, 728 Kanbrat 607 Kandiba, 135 Kaniuka 347 Kanter 141 Kapustin 280 Karlowtschjany 128 Kasakoff, Alexej 99 Katowycz, Myroslaw 538 Katschenko 187 Katschura 108 Kaussmann, Ernst 673 ff., 756, 839 Kellermann, Bernhard 551 Kendzierski 384 Kerenski, Alexander Fjodorowitsch 620 Kermenschitski 187 Kibkalo, Ivan Petrovich 40 Kichtenko 758 Kirsanowa 220

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Personenregister

Kleist, Ewald von 555, 564 Klewtschon, Peter 99 Klimiw, Iwan 567 Klimov 187 Klive 55 Klock 705 Kobelnik, Theodor 568 Kolpak, Sydir 678, 682, 695, 716, 728 f., 758, 774 f., 780 Kolzow 220 Komarow 703 Komarynskyj, Iwan 568 Kondratschuk 424 Konowalez 734 Konowalow 496 Konrad 80 Korduba, Damian 678 Kornienkow, Wassil 99 Kornjew, Viktor 784 Korolenko, Wladimir 551 Korotschenko 714 Korowitzki, Iwan 292 Korsemann, Gerret 23, 34, 38, 45, 61, 74, 84, 113, 116, 119, 138, 143, 151, 170, 175, 204, 232, 250, 265, 278, 345, 502, 674, 756 f., 838 Körting, Erich 393 f., 502, 554, 673, 757, 839 Koschemijak 227 Kosianoff 225 Kosinjez, Isaj 336–338 Koslow 661 Koslowski 273 Kostenko 829 Kostju 81 Kotjikow, Leonid 336 Kotowski 646 Kovalevski 801 Kowal 49 f., 678 Kowalenko 51, 782 Kowalow, Iwan 336, 638 f. Kowalow, Warlerij 222 Kowalski, Wasyl 380, 733 Kowaltschuk 346 Kowsz, Alexander Iwanow 242 Krajswitnij, Maxim 742 f. Kranebitter, Fritz 118, 128, 137, 142, 151, 170, 175, 204, 232, 249, 264, 277, 345, 502, 554, 673, 757, 839 Kraschnoschok 328 Krasnikow 187 Kraulis 323 Kraus, Josef 52 Krauschenko, Milanja 424 Krawtschenko 187 Kretschmar, Lisa 801

Krikun 187 Krilow 496 Kröger 23, 38, 45, 61, 73, 84, 113, 116, 119, 138, 143, 151, 170, 175, 204 Krtuschahns 76 Krulew 738 Krylow 418 Kube, Wilhelm 203, 243, 273, 339, 341, 372 Kublitzky 467 Küchler, Georg von 24, 35 Kulikow, Alekseij 166 Kulitis 323 Kumanek 647 Kundsin 323 Kunigonis 64 Künnecke, Eduard 802 Kurilenko, Peter 262 Kusmin, Iwan 99 Kusmyk, Wasil 462, 526 Kusmyk, Wasyl 538 Kusnezow 57, 280 Kutschera, Franz 645, 658 Kuzminskyj, Alexandra 733 Kviesi, Alberts 95 Lade, Seraphim 128 Laidoner, Johan 670 f., 674 Landsmanis, Olgerts-Verners 648 Lange, Rudolf 32, 37, 44, 60, 73, 83, 112, 115, 118, 137, 142, 150, 169, 174, 203, 231, 249, 264, 277, 344, 501, 552, 672, 756, 838 Lapuschinskij 742 Larinnow 187 Laskarschewky 828 Latischew 51 Lebediew, Viktor 86 Lebedijewskiyj, Peter 328 Leesment 508 Leimanis, 320 Leiser 827 Lenin, Wladimir Iljitsch 124 f., 191 Lermontow, Michail Jurjewitsch 551 Lewitzkyj 135 Lingison, Peter 131 Litwinow 769, 782 f. Litzmann, Karl-Siegmund 47, 60, 110, 143, 189, 217, 269, 375, 507, 717, 724 Liubauskau, Jonas 664 Ljoschin, Mischa 743 Lobaj, Wladimir 543 Lohse, Hinrich 321, 734, 765 f., 782, 802 Ludbogscha 129 Lugina 327 Lukin 256

Personenregister

Machnitsch, Theresia 276 Mäe, Hjalmar 26, 47, 53, 55, 68, 110, 189, 375, 605, 685, 717, 723 f. Maikowski 136 Maisky, Iwan Michailowitsch 769 Majora 618 Majorov, Boris 325 Makarow, Alexander 705, 795 Makohon, Jakob 384 Makohon, Susanne 384 Makroussow 29, 51 f., 103, 108, 184–187 Makusidse, Tatjana 476 Malinauskas 120, 152, 177, 181 Malzew 841 f. Maniak, Wasyl 568 Manikalow 663 Manulewski 499 Marko, Dimitri 526 Markov 421 Martell 826 Martschak, Roman 246 f. Masajew, Alphanasi 99 Maschkarin 29, 49 f., 186, 189 Maschoschi 743 Matras, Atanasius 208 Matschke, Kurt 33, 43, 53, 72, 82, 104, 115, 117, 128, 141, 146, 153 Matuchin 314 Mazanow 108 Mechlis, Lew 127 f., 164, 361 Meciolkin, Georgi 304 f. Medem, Walter von 801 Meier, August 23, 34, 37, 45, 393, 502 Melitschkowski 293 Melnbardis 707, 798 Melnik, Andrej 15, 99, 134 ff., 228, 247 f., 290–293, 347, 443, 462, 473, 497, 526, 538, 568, 575, 647, 679, 732, 734, 829 Menda, Semen 385 Mendhowitsch 496 Menikow 684 Mere, Ain 777, 780 Merslykyn, Markus 49 Mesnik, Alois 294 Messana, Ettana 82 Michailenko, Andrej Andrejewitsch 707 Michalschuk, Iwan 51 Mihajlovic 109, 114 f., 132, 146 Miron, Dmitro 619 Mirosmanow, Seit 187 Mirowski 402 Modohn, Alexander von 67, 190, 217, 323 Mohilla 568 Mohr, Robert 34, 43, 53, 72, 82, 104, 115, 117, 128,

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141, 146, 153, 174, 178, 204, 232, 250, 265, 278, 345, 393 Mölders, Werner 314 Molière, Jean-Baptiste 545 Molotow, Wjatscheslaw Michailowitsch 122, 168, 272, 369, 594, 750, 754 Morosow, Wassili 422 Mortos, Afanasi 314 Moznik, Franz 263 Mui 26 Mulde, Wilhelm 142, 146, 151, 170, 175, 204, 232, 250, 265, 277, 345, 502, 554, 673, 757, 839 Müller, Erich 17, 178, 232, 250, 265, 278, 345 Musikka 189 Namgaud 323 Napoleon 668, 831 Naraskas 805 Narko, Filoteus 67 f. Naumann, Erich 22, 32 f., 37, 44, 61, 73, 83, 113, 116, 118, 137, 142, 151, 169, 174, 203, 232, 249, 264, 277, 344, 501, 553, 673 Naumow 775 Nazarovas 63 Nedelko, Iwan Markowitsch 646 Nefagim 742 f. Neimanis 707 Niemancewicz 208 Nigmattullin, Junus 704 Nikiten, Maria 262 Nikitin 337 Nikolajeff 26 Nomura 613 Nosske, Gustav Adolf 14, 23, 35, 38, 45, 61, 74, 84, 113, 116, 151, 170, 175, 178 Nowa, Lissa 202 Nowatschenkow, Peter 616 Nowitzki, Nikolai 355, 731, 744 Oberländer, Theodor 393 f. Ohlendorf, Otto 23, 34, 36, 38, 45, 61, 74, 84, 113, 116, 119, 138, 143, 151, 170, 175, 204, 232, 250, 265, 278, 345, 379 Oll 152 Omeljanowitsch 293 Oschlis, Erich 64 Osman, Bekir 187 Osorow 87 Ostap 100, 442 Ostrowski, Alexander Nikolajewitsch 545, 550 Ott, Adolf 153, 174, 203, 232, 249, 264, 277, 345, 393

870

Personenregister

Paasikivi, Juho Kusti 682 Pajskij 121 Pakras 547 Palawartschuk 741 Palusalu, Kristjan 128 Panow 256 Panschenko 714 Pantschuk, Nikolai 740 f. Päts, Konstantin 238, 298, 302, 674, 687 Patschenko 186 Pauk, Michael 678 Pauliuk 55 Paulus, Friedrich 764, 826 Pavlovic, Mile 115 Pawlowski 684 Pechau, Manfred 554, 756 Pecnik, Alois 168 Pelemis, Obrad 114 Pencherschewski 329 Permen 783 Pernerowskyj, Nikolaus 678 Persterer, Alois 35 f., 38, 45, 61, 74, 84, 113, 116, 119, 138, 143, 151, 170, 175, 204, 232, 250, 265, 278, 345, 502, 674 Peterson, Augustin 323 Petrenko 99 Petritsch, Anna 263 Petrow 130 Pieck, Wilhelm 419 Pilsudski, Jozef 296 Pismanow 565 Pitka 719 Pitworko 187, 202 Plath, Julius 294, 440, 502, 554 Plett, Sara 141 Plettenberg 326 Pocela 152 Podobrigora 49, 51 Podsinsch, Arvids 131 Poel 401 Polachornow 187 Polikarp 306 Polischajew, T. 783 Polosnik, Alexander 704 Polosowa 742 f. Popow 187, 414 Posnjakow 51 Powaschni 663 Prapuolenis, Leonas 41, 43 Prasnikar, Franz 169 Prezmiakowas 63 Primanis 320 Prozinskij, Roman 525 Prützmann, Hans-Adolf 9, 22, 33, 37, 44, 61, 73, 83,

113, 116, 118, 137, 142, 151, 170, 175, 204, 232, 249, 264, 277, 345, 502, 515, 553, 673, 756, 839 Przysieki 684 Puksis 84 Pürbejew 520 Puschkin, Alexander Sergejewitsch 585 Putschkow 51 Pütz, Karl 142, 146, 151, 170, 175, 204, 232, 249, 264, 277, 345, 502, 553, 673, 756, 839 Rabe, Karl 674, 756, 839 Racki, Marija 132 Rainer 82 Ranzans 323 Rapp, Albert 153, 174, 203, 232, 249, 264, 277, 345, 501, 553, 673, 756, 839 Raudsepp, Hugo 725 Rausch, Günther 33, 37, 44, 61, 73, 83, 113, 116, 118 Razesberger, Franz 146, 151, 170, 175, 204, 232, 249, 264, 277, 345, 502, 553 Reinhardts 387 Reinys 296 Reitzenstein, Erich 384 Rekschans 576 Rendnieks 576 Reni 618 Renteln, Theodor Adrian von 41 Repkin, Ilja 186 Ribar, Ivan 132 Richter, Heinz 113, 115 f., 118, 137, 142, 151, 170, 174, 203, 232, 249, 264, 277, 345 Robeschniek 323 Rokow 258, 336–339 Romanow 51 Romanskyj, Protojerej 195 Romantschuk, Eugen 328 Roosevelt, Franklin D. 447, 680, 826 Rosenberg, Alfred 15, 17, 48, 60, 72, 89, 95, 257, 299, 353, 444, 751, 765 Rubacho 121 Rübsam 714 Rudenko 646 Rudzitis 802 Rumezak, Michael 678 Rüter 315 Rutkis 647 Rybin 742 f. Ryti, Risto 671, 674 Sabaliauskas, Antanas 63 Saboschek, Michael 253 Saburow 758 Sacharow, Peter 226 Sachnowytsch, Wasyl 568

Personenregister

Saizew, Stepan 336 Sakarnis 323 Sakoschanski 402 Saks, V. 237 Samara, Fedor 225 Samatzuk, Demeter 49 Samochwalow, Iwanow 64 Samtschuk, Ulas 248, 290 Sandberger, Martin 22, 32, 37, 44, 60, 68, 73, 83, 112, 115, 118, 137, 142, 150, 169, 174, 203, 231, 249, 264, 276, 344, 501, 552 f., 672, 756, 838 Sandel 565 Sanders 70, 72, 323 Saposchnikow 460 Sarokin 618 Sauckel, Fritz 304, 310, 464, 658 Sawski 243 Schabedien 201 Schäfer, Oswald 22, 33, 37, 44, 61, 73, 83, 113, 116, 118, 137, 142 Schair 189 Schakun 187 Schaposchnikow, Boris Michailowitsch 153, 837 Scharff, Gerhard 544 Schelesnjakow, Wassili 782 Schemirski, Peter 223 Schenckendorff, Max von 238, 241 Scherbak, Wassil 100 Scherer, Theodor 764 Scherolin 51 Scherwinskia 798 Schewtschenko 220, 228 Schilde, Adolf 190 Schiller, Friedrich 545, 550 Schindhelm, Hans-Gerhard 553 f., 673, 756, 839 Schlakow 121 Schmidt 26 Schmied, Franz 294 Schmücker, Rudolf 501, 503, 553 Schmuski 403 Schochlow, Iwan 454 Schröder, Walter 270, 276, 321 Schterban, Prakovi 225 Schtscherbak 712 Schubert 36, 296 Schukow, Georgi Konstantinowitsch 750 Schultz, Paul 502 f., 674 f. Schumanin 187 Schumjatzky 546 Schunejko 350 Schwabe, Arwid 608 Schwalbe 322 Sedych, Wasili 210 Seetzen, Heinz 23, 34 f., 38, 45, 61, 74, 84, 113, 116,

871

119, 138, 143, 151, 170, 175, 204, 232, 250, 265, 278, 345, 394 Segedinow 186 Segin, Wladimir 226 Semenow, Dimitrij Iwanowitsch 785 Sementschug 846 Semjonow, Georgy 336 Senitza 100, 195 Sergewner, Maria 108 Sergewner, Vera 108 Sergius 67, 89, 128, 139, 217, 355, 577 Sewba 355 Shakespeare, William 545 Shaw, George Bernard 545 Shdanow, Andrei Alexandrowitsch 280 Sibertas, Pranas 177 Sidanschek, Milos 178 Sikorski, Władysław 56, 60, 190, 477, 620, 805 Sikorskyj, Anton 568 Silins 84 Simic, Radovan 132 Simonenko 742 f. Sivers, N. 802 Sklajr 731 Sklenik 805 Skoropadski, Pawlo 136, 292, 443 Skujewitz 320 Skutas, Leon 131 Slapschys, Albertas 61 f. Slasow 51 Slawitsch 187, 189 Slawko 100 Smilkow, Oleg 234 Smirnow 131 Smolenzewa 202 Smorutzki 844 Snietschkus 63 Snopek, Maria 684 Sohpilkin, Theodor 568 Sokolovo, Wassil 86 Soloninka, Nikolaus 568 Sorgenfrey 580 Sorokin, Nikolaj 176 Spak, Iwan 526 Spann, Leopold 128, 137, 142, 151, 170, 175, 204, 232, 249, 264, 277, 345, 502, 553, 673, 757, 839 Sporleder 315 Sprogis, Albert 516 Stachanow, Alexej 27, 70, 546, 549 f., 554 Stahlecker, Franz Walter 11, 31 f., 37, 44, 60, 73, 83, 112, 115, 118, 137, 142, 150, 169, 174, 203, 316 f. Stakauskas 64 Stalin, Josef 19, 76, 78, 80, 99, 122 ff., 153, 159, 177, 191, 234, 268, 305, 328, 369, 382, 388, 403, 419,

872

Personenregister

421, 441, 456, 471, 477, 506, 510, 541, 543, 546, 554, 589, 592, 594, 620, 630, 666 f., 677, 738, 745, 748, 750, 752, 770, 771, 779, 791, 798, 803, 812, 821, 825, 836 ff., 853 f. Stanaitis 121 Stankiewitsch, Stanislaus 313 f. Starostenko, Warware 76 Staruch 567 Staschkow, Wassili Iwanowitsch 403, 776 Steimle, Eugen 22, 33, 37, 44, 61, 73, 83, 113, 116, 118, 137, 142, 151, 169, 174, 393, 502, 554, 674 Steinberg 484 Steiner, Barbara 581 Stepanow, Sergej 220, 395 Stettinius 769 f. Stezko, Jaroslaw 575 Störtz 213 Strauch, Eduard 22, 32, 37, 44, 60, 73, 83, 112, 115, 118, 137, 142, 151, 169, 174, 203, 231, 249, 264, 277, 344, 372, 501, 553, 673, 756, 838 Suhr, Friedrich 554 f., 674 f., 757, 839 f. Surowjagin, Pawel 337 Suschalski 626 Svenberg 720 Svinhufvud, Pehr Evind 93 Swetschnew 57 Sykow, Michail 226 Szepticky, Graf Roman Andreas 574 Szklenik, Stanislaus 197

Tschechow, Anton Pawlowitsch 551 Tscherniawski 99 Tschetwikow, Gregori 99 Tschiptschin 338 Tschischiks, Alexander 337 Tschorny 187 Tschudinow 135 Tschuibe 323 Tschussi 186 Tschygrin 538 Turgenjew, Iwan Sergejewitsch 551

Tairow 201 f. Tamarli, Nikolaj 29, 49 ff. Tatschenko 783 Taubermann 202 Teliga, Jadwiga 135 Thomas, Max 22, 33, 37, 44, 61, 73, 83, 113, 116, 118, 137, 142, 151, 170, 175, 204, 232, 250, 265, 277, 345, 502, 553, 673, 756, 839 Tichomirow 714 Tierfelder, Helmut 608 Timoschenko 711 Timostschuk, Ostap 346 Tischkanow 684 Tkaue, Dimitrij 504 Tolkatschow, Nikolaj 337 Tolstoi, Lew Nikolajewitsch 550, 551 Traut, Karl 674, 756, 838 Treu, Felix 89 Tschammer und Osten, Eckart von 371 f., 376 Tschapajew, Wassili 547 Tschaupals, Arnold 648 Tschawdarow, Peter 49 Tschebotarewa, Walja 85 f.

Waikulis 323 Warakow, Wassil 617 Wassilewski, Alexander Michailowitsch 826 Wassiliew 205 Weinert, Erich 819 Weinert, Franjo 114 Weinmann, Erwin 83, 104, 113, 116, 119, 137, 143, 151, 170, 175, 204, 232, 250, 265, 277, 345, 393 Weiss 68, 70, 95 Welikow, Boris 730 Welitschkowski, Nikola 248 Wendt, Carl Friedrich 375, 723 Werschowsky, Senitza 100 Wertoheilo, Sebeon 99 Wiebens, Wilhelm 151, 153, 170, 174, 204, 232, 249, 264, 277, 345, 501, 553, 616 Wilgress, I. D. 753 f. Winogradow 711 Winter 139 Wirbitzki, Iwan 337 Wirth, Anton 196 Witerski 460 Wittrock, Hugo 765 Wityk, Helene 679

Ukarma, Lydia 679 Ulbricht 419 Ulmanis, Ka¯rlis 55, 59 f., 78, 88, 114, 129, 236, 320 ff., 800, 804 Uluots 375 Uschakow, Wassili 51 Ussatschew 647 Valdmanis, Alfred 55, 60, 95, 190, 319 ff., 387, 765, 798 f. Vares 242 Varma 192, 719 Vasilijs, Iwan 129 Vetra, M. 608 Vilimas, Alfonsas 61 f. Voß 111 Vucuvic, Acer 109

Personenregister

Wlassow, Andrei Andrejewitsch 630, 762, 771, 786, 803, 807 f., 812, 818, 821, 833, 849 Wodopjanow 48 f. Woits 665 Wolkow, Alexander 339 Woranzowa, Wera 395 Woronzov, Euzma 129 Woskresensky, Sergei 190 Wrangel 182 Wurdakoff 225

873

Zagars 320 f. Zapp, Paul 23, 35, 38, 45, 61, 74, 84, 113, 116, 119, 138, 143, 151, 170, 175, 204, 345, 393 f., 502, 554, 673, 757, 839 Zellitis, Artur 648 Zelms 84 Zenner, Carl 372, 376 Zvan, Andreas 172 Zvejnieks 55 Zwetlow, Wassil 424

Ortsregister Abdulga 186 Abrene 77, 217, 223, 325, 401, 703, 743 Achtyrka 97 Adana 711 Adschim-Uschkai 660 Afriach 144 Aglona 166, 326 Ahrensburg 22, 152 Aj 186, 188 Ak 201 Akbasch 502 Akimowka 660, 704, 705 Alassio 384 Albat 202, 399 Albingi 353 Ale Androwka 839 Alexanderheim 101 Alexandria 566, 731 Alexandrowka 436, 828 f., 846 Alexandrowo 692 Allenstein 64, 115, 273 Alljanma 238, 275 Alma-Ata 581 Alsu 188 Alupka 23, 29, 38, 45, 50, 61, 74, 84, 186 Aluschta 23, 29 f., 38, 45, 51 f., 58, 61, 74, 84, 102, 107 f., 113, 116, 140 f., 167, 170, 175, 185, 187, 202, 204, 224, 232, 250, 265, 274 f., 278, 345, 399, 558, 776, 795 Aluwe 311 Alytus 421 Anapa 660 Anderberg 101 Andrejewskoje 501, 553 Andriousischkis 846 Ankara 711, 771 Antalgin 272 Antoniny 739 f. Anuschkowitschi 258 Anzen 508 Apscherowskaja 619 Aran 239 Arch 302 Archangelsk 360, 574, 679 Arensburg 501, 552, 672, 756, 838 Armavir 423 Artemowsk 22, 37, 44, 195, 244, 247, 685

Aschelabad 581 Aschmenen 614 Asmena 281 Asport 186 Assling 30 f., 172 f. Astrachan 360, 503, 525 Athen 626 Atlaus 188 Atschikulak 502 Audrini 61, 78, 129 f. Aunus 156 Auschinow 421 Auschwitz 385, 533, 589, 889 Auspils 565 Awdejewka 246, 542 Babtei 181, 197 Bachmatsch 397, 847 Bachtschissaraj 23, 36, 38, 45, 61, 74, 84, 107, 113, 116, 119, 138, 141, 143, 151, 168, 170, 175, 183, 186 f., 189, 201 f., 204, 274 f., 847 Baisogala 401 Bajdary 185 f. Baksan 275, 518 Baku 364, 383, 420, 581 f., 667 Balachanskaja 420 Balajki 430 Balaklawa 51, 186 f. Balteni 504 Baltroniskai 177 Bandsan 558 Baranowicze 12, 22, 37, 40 f., 44, 60, 66, 73, 83, 112, 116, 118, 137, 140, 142, 151, 169, 174, 190, 198, 203, 231, 249, 264, 277, 344, 349, 370, 371, 376, 429, 501, 553, 632, 640, 673, 693, 756, 772, 810, 838 Bartademiza 679 Barwenkowo 829 f. Basma-Kermen 187 Basra 360 Batum 364 Bazewitschi 210 Beala 807 Belaja Zerkow 444, 525, 828 Belga-Bergera 619 Belgrad 82, 108, 114 f., 132, 145, 206 f. Beljaki 402 Bellino 821

Ortsregister

Beloserka 377, 409 Belynitschi 422, 504 f., 645, 714 Benjakonis 729, 757 Berditschew 365, 442, 471, 482 f. Berdjansk 231, 244, 246 Beresino 209, 350, 395, 504 f. Beresna 329 Beresowka 429 Bereszyani 815 Berezne 730 Berislaw 377 Berjoska 430 Berkoff 558 Berlin 13, 16, 19, 22, 32 ff., 37, 43 f., 54, 59 f., 64, 66, 73, 83, 90, 104 f., 110, 112, 115, 118, 128, 133, 135, 137, 139, 142, 146, 150, 153 f., 160, 169, 174, 178 f., 181, 189, 192, 194, 197, 203, 207, 212, 214, 218, 222, 226, 231, 241, 249, 254, 264, 276, 292, 295, 303, 310, 315, 319, 332, 336, 341, 344, 348, 353, 361, 365, 369, 376, 379, 384, 388, 394 f., 400, 406, 414, 421, 429, 434 f., 441, 446 f., 452, 460, 467, 475, 494, 503 f., 516, 524, 534, 537 f., 540 f., 544, 554 f., 565, 568, 575, 582, 590 f., 599, 616, 620, 630, 643, 658, 675, 678 f., 682, 692, 702, 710, 713, 720, 729, 739, 751, 757, 771, 781, 795, 804, 813, 819 f., 826, 840 Beschenkowitschi 646 Besch-Tekne 49 f., 186, 239 Beschuj 186, 238, 275 Beschuski 186 f. Besserewodka 329 Beuniwitschi 591 Biala 784 Bialystok 274, 416, 731 Bielaviska 421 Bieliczkowiecze 729 Bigossowo 597, 702, 772 Bija 185 f. Bijuk 239, 716 Bilderingshof 325 Billnou 644 Bilskas 130 Birobidshan 347 Birsen 218, 735 Birskale 223 Biukxas 113, 116, 119, 138, 143, 151, 170, 175, 204, 232, 250, 265, 278, 345 Bium-Lambat 102 Bjelaja-Glina 579, 584, 586 Blagowetschensk 515 Blumenthal 102 Blusha 685 Bobrowitsche 542 Bobruisk 22, 37, 44, 61, 73, 83, 113, 116, 118, 137,

875

142, 151, 158, 170, 174, 203, 209, 219, 232, 238, 249, 251, 261, 263 f., 277, 313, 340, 345, 350, 367 f., 371, 401, 407, 413, 456 ff., 501, 539 f., 550, 553, 584, 644, 689, 778, 814 Bodrak 186 Boguschowskoje 452 Bohim 535 Bojarka 846 Bolchow 598 Bolgajos 325 Bores 535 Boriso 846 Borispol 230 Borissow 121, 151, 170, 174, 203, 206, 208, 232, 249, 251, 261, 264, 277, 313 f., 343 f., 351, 367 ff., 397, 457, 501, 504 f., 535, 539, 553, 596 ff., 684, 744, 778, 818, 821, 847 Borodkino 730 Borowe-Rokitno 577 Borschewka-Oberok 436 Boruska 632 Boschtschew 829 Boshedarowka 828 Boston 132 Bragin 566, 646, 796 Brakow 395 Branitza 558 Braunschweig 153, 537, 544 Bremen 503, 538, 675 Bresisch 263 Breslau 31, 34, 538, 757 Brest-Litowsk 352, 414, 515, 557, 584, 641, 684, 693, 730, 776, 848 Brissow 453 Brizalowitschi 714 Brjansk 22, 37, 44, 61, 73, 83, 113, 116, 118, 137, 142, 151, 158, 170, 174, 200, 203, 210, 226, 232, 238, 249, 253, 264, 277, 313, 316, 327, 336, 343 ff., 350, 365, 367 f., 397, 411 f., 427, 459, 499, 501, 539, 550, 553, 597, 619, 691, 694, 775, 813, 823 Brobowitza 462 Broisovki 772 Browary 262, 703 Brussilow 564 Bruzy 675 Buchberg 210 f., 302 Budai 675 Budcicie 675 Budjennowsk 503, 566 Bugowitsche 178 Bulatschi 795 Bunjakino 646 Buplach 254 Burik 647

876

Ortsregister

Butiai 197 Byschew 845 Byten 632 Caditsche 542 Casablanca 826 Casky 377 Ceremcicia 683 Chabarowsk 515 Chadychenskaja 502, 586 Chaljawin 564 Charbin 648 Charkow 22, 37, 44, 61, 73, 83, 96 ff., 101, 104 f., 113, 116, 118 f., 128, 136 f., 142 f., 151, 156, 170, 175, 202, 204, 206, 221 f., 228, 232, 246 f., 249 f., 264 f., 277, 286–289, 345, 373, 390 f., 403, 417, 424, 440, 442, 444 f., 447, 449, 467 ff., 473 f., 477 f., 480 f., 502, 506, 525, 546, 554, 558 f., 561 f., 592, 633, 673, 712, 733, 746 f., 749 f., 757, 764, 784, 787, 821, 832 f., 835, 839, 847 Charlottenhof 302 Chaussy 499 Chelmy 542 Chemnitz 538 Cherson 80 ff., 262, 443, 476, 516, 525, 745 Chibalow 436 Chilschitschijapol 436 Chinel 759, 846 Chiossiki 848 Chita 515 Chlawizy 212 Chodasowitschi 715 Chodolowo 395 Choiniki 618 f. Cholm 37, 44, 60, 73, 83, 112, 116, 118, 137, 142, 144, 151, 169, 174, 203, 205, 212, 231, 256, 292, 415, 460, 567, 598, 842 Cholmy 430 Cholopenitschi 814 Chorowka 350 Chredjino 434 Christinowka 306 Chukin 190 Chuter-Hora 227 Ciguri 401 Cilli 52, 196, 210, 263, 302 Cillider 253 Cuman 730 Czeremszyce 659, 675 Czernowitz 384, 544 Dabrowiza 703 Damuciai 683 Danzig 34, 176, 255, 356, 503, 538, 665, 675

Darniza 99, 776 Darschew 558 Davidgrodek 685 Davritki 231 Dechnary 683 Demidow 116, 118, 133, 460, 616, 818 Derekoi 52 Dertke 645 Detroit 534 Dewbysch 306 Dewenischkis 729 Dewica 421 Didieji-Miskai 676 Diederdorf 302 Dierkhof 814 Dilani 504 Diwnoje 522 Djatkowka 158 Djatkowo 350 Djetskoje-Selo 41 Dmitrijew 350, 714 Dmitriwsk 714 Dnjepropetrowsk 100, 142, 146, 151, 170, 175, 180, 204, 222, 232, 245, 250, 265, 277, 307, 329, 345, 393, 403, 417, 442, 469, 478, 480 ff., 502, 516, 554, 559 f., 563, 566, 643, 647, 660, 668, 673, 685, 696 ff., 716, 731, 742, 744, 746–753, 757, 776, 816, 828, 831, 835 f., 839, 845 f. Dobra 675 Dobrianka 564 Dobropolje 830 Dobrowola 274 Dobrusch 774 Dolboncino 744 Dolcha 395 Dolgowska-Ssabak 731 Dombrowlany 535 Domuti 675 Dönhofstädt 315 Dorogobusch 408, 501, 553, 595, 598, 706 Doroschin 733 Dorpat 22, 26, 37, 41, 44, 60, 68, 73, 77, 83, 92 ff., 112 f., 115, 117 f., 120, 137, 142, 150, 156, 164, 169, 171, 174, 203, 231, 249, 264, 276, 344, 373 f., 501, 507, 552, 601, 603, 606, 672, 716 f., 727, 756, 777, 783, 838 Dowsk 644, 715 Draschgoche 144 Drashni 715 Dresden 32, 35, 241, 394, 537, 568, 675 Drissa 314, 814 Dritschin 333, 814 Drowjanoj 647 Drutschina 714

Ortsregister

Dshankoj 45, 59, 61, 74, 84, 113, 116, 119, 138, 141, 143, 148, 151, 170, 175, 201, 204, 224, 232, 250, 265, 274, 278, 345 Dsirwani 619 Dubinka 429, 758 Dubno 257, 351, 444, 695, 703, 775, 847 f. Dubowitschi 430 Dubrowa 365 Dubucze 729 Duchowschtschina 690 Dulebo 505 Dumtscha 645 Dünaburg 37, 41, 44, 60, 73, 75 f., 78, 83, 90, 111 f., 115, 118, 129, 137, 142, 150, 169, 174, 203, 208, 217, 223, 231, 236, 249, 264, 277, 323, 325 f., 344, 362, 397, 401, 416 f., 501, 504, 512, 553, 556, 619, 672, 703, 710, 731, 743 f., 756, 784, 805 f., 827, 838, 847 Duroka 219 Durowo 773 Düsseldorf 33 ff., 196, 379, 523, 538, 675, 839 f. Dustas 847 Dyja 715 Dyma 732 Dymer 429 Edlingen 169, 302 Eichtal 31, 103 f. Eischiskis 281, 475, 575, 614, 806 Eiseliai 297 Elista 503, 517, 519, 521 f., 525, 535 Elvenes 524 Emiltschino 403, 577 Endla 93, 783 Engels 158 Eriwan 383 Eskurijurt 103 Essentuki 423 f., 519 Essman 759 Estokan 582 Eupatoria 23, 38, 45, 61, 74, 84, 113, 116, 149 f., 170, 537 Eydtkau 64, 177 Ezere 91 Falkenhaus 501, 553, 673, 756, 839 Fasowa 845 Fastow 537, 706 Fedorowka 23, 38, 45, 61, 74, 84, 113, 116, 119, 138, 143, 151, 170, 175, 204, 232, 250, 265, 278, 345, 362 Fedotzowo 429 Fellin 69, 93 f. Feodosia 30, 36, 48 f., 51, 59, 84, 106 f., 109, 113, 116 f., 119, 138, 140 f. 143, 151, 167, 170, 175, 202,

877

204, 224 f., 232, 250, 265, 278, 307–310, 332 f., 342, 345, 347, 363, 428, 746 Foros 185 Frankfurt/Main 538, 840 Frankfurt/Oder 35, 68, 115, 538, 554 Frauenburg 325, 516 Friedrichsfeld 101 Friedrichstadt 271 Gadjatsch 97 Gaissin 263, 775 Gaiworon 716, 758 Gamarnja 429 Gatez 505 Gatschina 673, 699, 761 ff. Gdow 350, 541 Gelmjasow 415 Genf 384 Genitschewsk 225, 705 Georgijewsk 521, 578, 581 Gerro 685 Gestagejeskaja 558 Gieladnia 807 Gierwiacy 535 Gladkowskaja 525 Glipotschka 684 Globijew 776 Glowny 729 Gluboki-Brod 714 Gluchowo 430 Gluko 304 Gnoye 402 Goldingen 530 Golowtschitschi 377 Golubiwka 306 Gomel 22, 37, 44, 61, 73, 83, 113, 116, 118, 137, 142, 151, 170, 174, 203, 206, 210, 229, 232, 249, 261, 264, 277, 313, 333, 345, 350, 367 f., 397, 411, 413, 416, 423, 427, 450, 456 f., 501, 515, 550, 553, 564, 644, 658 f., 678, 703, 820, 848 Gondscha 210 Gorgiewskaja 86 Göriach 172 Gorilez 565 Gorka 454 Gorki 422, 622 Gorlowka 151, 170, 175, 195, 204, 221, 232, 246 f., 250, 265, 277, 288, 345, 354, 360, 391, 440, 443, 448 Gorodischtsche 475 Gorodnitza 558 Gorodok 252, 401, 459, 684, 715 Goroschki 306 Gorsk 441

878

Ortsregister

Goslar 538 Gostagajewskaja 525 Grajworon 97 Graz 35, 53 Gredino 421 Grenzfoss 524 Griewka 430 Grischino 102, 222, 246, 829 Grizew 741 Grjasenjat 714 Grodno 34, 314, 355, 847 Grodsjanka 714 Grombinentai 675 Grosny 420 Gross Sulle 241 Gross-Tokmak 743 Grünthal 101 Gruschka 262 Gshatsk 22, 37, 44, 61, 73, 83, 113, 116 Gudiai 805 Gulja-Pole 170, 175, 204, 232, 240, 250, 265, 278, 345 Gurkfeld 294 Guzi 197 Hai 558 Hamburg 34, 324, 379, 538, 616, 631 f., 840 Hannover 33, 538 Hansewitsche 190, 632, 756, 838 Hapsal 238, 619, 680, 719, 756, 838 Harrien 281, 300 f. Hawrylczyce 729 Heidelberg 101 Helsinki 53, 303, 671, 719 Hetecja 524 Hildesheim 538 Hochstedt 101 Holmhof 325 Holodiszki 675 Horosbje 328 Hrastnik 31 Hryczynowicze 729 Huczko 568 Hulla 175 Ibenai 181 Idriza 619, 774 Ignalino 731, 784, 847 Igrin 100, 180 Ilja 219, 223 Illoweiske 263 Illuxt 555 Ilowajsk 229 Imawere 602

Indra 397, 401, 416, 619 Indrica 829 Inkerman 187 Irbit 428 Irinowka 165 Ischli 784 Isjum 286, 783 Ismail 170, 175, 204, 232, 250, 265 Isora 762 Iwankow 758, 848 Jagotin 617, 796 Jailach 187 Jakobstadt 90, 431 Jakotin 377 Jalta 23, 29, 36, 38, 45, 49–52, 61, 74, 84, 102, 113, 116, 119, 138, 140 f., 143, 147–151, 167 f., 170, 175, 185 ff., 189, 201 f., 204, 224 f., 347, 489, 537 Jamanntasch 239 Jamburg 577, 730 Janow 416, 557 Janowka 564 Japalsch 186 f. Jarmolinzi 329 Jaroslawl 485, 617 Jarovkan 198 Jarpowizi 403 Jarzewo 354, 453, 690, 818 Jaschiuna 414 Jasinowatowo 102 Jaslo 620 Jasmaiea 772 Jassy 81 Jaswy 212 Jeijsk 583 Jelnja 210, 367, 501, 553, 694 Jelsk 377, 402, 430, 436, 502, 566, 590 f., 839, 848 Jeny 58 Jerschitschi 644 f., 714 Jerven 155 Jeseritsche 453, 455 Jessentucki 667 Jewpatoria 30, 36, 107, 109, 140 f., 170, 175, 201, 204, 232, 278, 345, 347 Jlmaja 609 Jonava 177, 222, 273 Jouiskis 676 Juchowo 212 Kabul 589 Kachlotin 848 Kagarlik 776 Kajasowka 429

Ortsregister

Kajukowka 730 Kalinin 33, 62 f., 76, 676 Kalinkowitschi 566 Kalnenai 353 Kaluga 618 Kalvarija 650 Kamenez 366 Kamenez-Podolsk 228, 366, 396, 416, 442, 497, 706, 734 Kamenitschi 714 Kamen-Kaschirsk 414 f., 557, 848 Kamenschlik 58 Kamensk 667 f., 743 Kamenskaja 307 Kamenskoje 442 Kamischi 187 Kansioganiei 659 Käpina 77 Kapliczniki 683 Kappeldorf 294 Karabonowka 758 Karaganda 838 Karasin 557 Karasubasar 23, 29 f., 36, 38, 45, 51, 58, 61, 74, 84, 107, 113, 116, 140, 167 f., 170, 175, 185, 202, 204, 225, 232, 238, 278, 345, 347 Karatschew 327, 343 f., 350, 455, 457 ff., 501, 551, 553, 688, 813, 817 Kardonowa 457 Karlinkowitschi 659 Karlsruhe 101, 146, 538 Karowotitschi 430 Karpilowka 645, 774 Karsawa 537, 743 Kasalzewow 421 Kasan 418, 439, 496, 622 Kasanli 168 Kasatin 221, 409, 415 Kasenai 475 Kaspija 457 Kassel 33 ff., 394, 538, 675 Kassnia 616 Katschka-Tschorgun 188 Katyn 803 Kauen 41, 44, 46, 48, 60–64, 69, 72 ff., 76 f., 83, 95, 112, 115, 118, 120, 131, 133, 137, 142, 146, 151 f., 169, 171, 174, 176 f., 181, 203, 207, 231, 249, 264, 277, 281, 296 f., 304, 332, 344, 366, 377 f., 421, 501, 537, 553, 572 f., 575, 613, 619, 651, 673, 676, 735, 737, 756, 781, 805 f., 824, 838, 852 Kauguri 111 Kaunata 504 Kawgolowo 57, 86 Kedahnen 400, 735

879

Kegum 311, 341, 657 Kemeliskis 683 Kermentschik 187 Kertsch 29, 30, 35, 59, 106 f., 109, 117, 141, 167, 185, 202, 224 f., 307, 342, 347 f., 361 f., 364, 366, 373, 390, 400 Kiel 34, 115, 153, 324, 675 Kiew 22 f., 34, 37, 44 f., 61, 72 f., 83, 96, 99 f., 102, 113, 116, 118, 131 ff., 135 ff., 142, 146, 151, 156, 170, 175, 180, 182, 194, 204, 220 f., 227 f., 230 ff., 243–250, 256, 262, 264 f., 274, 277, 282, 285, 287, 290–293, 305 f., 327 ff., 345, 348, 363, 365, 377, 389–392, 394, 402, 409, 424, 429, 440, 443–448, 450 f., 461 f., 467, 469, 473, 476, 478, 480 ff., 495, 502, 516 f., 525 f., 536, 538, 542, 544, 546, 553 f., 559–562, 568, 616 f., 619, 633, 642, 660, 673, 679, 696 ff., 703, 706 f., 716, 730 f., 733 f., 744, 746–750, 752 f., 756, 758, 774 ff., 784 f., 795 f., 807, 829, 831 ff., 839, 845–848 Kikerino 155 Kingisepp 37, 44, 60, 73, 83, 112, 115, 118, 137, 142, 150, 169, 174, 203, 231, 249, 264, 276, 344, 483, 501, 509, 536, 553 Kingora 437 Kinti 350 Kirkenes 185 f., 524 Kirowograd 200, 247, 342, 397, 428, 500, 516, 697, 758 Kisiltasch 48 f., 59 Kislowodsk 437, 503, 517, 519, 566, 578, 580, 584 f., 667 Kitsch-Kailow 186 Kiviöli 570 Kiwisli 756, 838 Klagenfurt 35, 178, 394, 503 Kleben 557 Klein-Wilschanka 733 Kleschino 422 Kletnja 343 f. Klewan 99 f., 289, 346 Klezk 56, 243 Klimowitschi 313, 645 Klinok 178 Klinzy 151, 153, 169, 174, 203, 232, 249, 264, 277, 313, 340, 343 f., 367, 411, 413, 453, 456, 499, 501, 537, 553, 644, 782 f., 814 Klitschew 210, 407, 422, 715 Klotzschnow 564 Kluczany 429 Klussy 422 f. Kobelniki 353 Kobiljanka 210, 564 Kobryn 352, 396, 847 f. Kocewitsche 647

880

Ortsregister

Kojdanow 243, 631 f., 635, 638, 640, 692 Kokosi 187, 345 Koktasch 58 Koktebel 333 Kolay 148, 685 Kolejna 714 Kolky 217, 659 Köln 33, 503, 538 Kolodino 565 Kolodnja 461 Kolodzi 659 Kolpino 40, 492 Kommanrowka 338 Komschatka 594 Komsomolzk 247 Königsberg 32 f., 294, 512, 538, 757 Konisze 430 Konitz 147, 155, 235 Konnu 199 Konotop 430, 646, 841 f. Konstantinowka 22, 37, 44, 244, 246, 287, 391 Konstantinowskaja 423, 667 Kopenhagen 802 Kopiniki 414 Kopyl 354, 565 Kopzewicze 436 Koritniza 505 Korjukowka 430 Korosten 306, 436, 441, 647, 678, 758, 774 f., 784, 848 Korotmar 377 Korotscha 403 Korowinze 221 Korzec 633 Koseletz 558 Kosinki 430 Koskow 741 Kostantinowa 744 Kostenka 429 Kostheim 101 Kostopol 346, 352, 525, 542, 557, 566, 647, 733, 758, 844 f. Kostowzi 327 Kosulitschi 402 Kotaki 846 Kotlas 428 Kotschtsche 566 Kousch 52, 168, 185–189 Kowalik 187 Kowel 329, 352, 380 f., 414, 685, 716, 775, 848 Kowno 22, 37, 43 f., 53, 60, 72 Koziany 535 Krähnholm 404 Krainburg 144 f., 174, 180, 294

Krakau 34, 228, 379, 477, 515, 533, 554, 675 Kramatorsk 22, 37, 44, 61, 73, 83, 100, 113, 116, 119, 133, 138, 143, 151, 170, 175, 195, 204, 221, 232, 243 f., 247, 250, 265, 286–289, 391, 443 Krapotkin 502, 521 f., 584, 586 Krasnaja-Gora 774 Krasnodar 420, 423, 428, 502, 517, 523, 577 f., 600, 780 Krasnogwardeisk 22, 26, 37–41, 43 ff., 54, 60 f., 73 f., 83 f., 94, 105, 110, 112 f., 115 f., 118 f., 128, 133, 137 f., 142 f., 146, 150, 152, 154 f., 169, 174, 179, 181, 189, 192, 197, 203 f., 207, 212, 214, 218, 222, 226, 231, 233, 235, 241, 249 f., 254 f., 264 f., 277 f., 295, 301, 303, 310, 319, 332, 344, 395, 501, 503, 653, 699, 756, 838 Krasnoje-Selo 26, 37, 41, 44, 60, 73, 83, 112, 115, 118, 137, 142, 150, 165, 169, 174, 203, 231, 249, 256, 264, 276, 344, 421, 492, 699 f., 762 Krasnopolje 415, 814 Krasnowodsk 581, 804 Krasny Bor 402, 460 Krasny-Kamen 186 Krassnaja Sloboda 645 Krassniarsk 304 Krassnoje 684 Krassnyj 457, 646 f. Kraxen 276, 294 Kremenez 306, 558, 703, 734, 775, 847 Krementschug 100, 195, 221 f., 228 f., 278, 293, 329, 345, 377, 436, 441 f., 716, 730, 741, 775 Kremno 685 Krewyn 365 Krinka 230 Kritschew 397, 501, 553, 644 Kriwoj-Rog 22, 37, 44, 61, 73, 83, 113, 116, 118, 307, 566, 685, 697, 731, 828, 836 Krolowez 842 Kronitschi 828 Kronsfeld 101 Kronstadt 27, 278, 509 Krottingen 612 Krubnischki 772 Krugloje 11, 814 Krynica 538 Kuban 519, 521, 577, 600, 660, 667, 778 Kuibyschew 360, 406, 408, 514, 711, 770, 837 Kukujewa 454 Kulikowka 415, 430 Kumbuli 556 Kuprawa 401 Kurbatowo 454 Kurino 684 Kursk 22, 37, 44, 61, 73, 83, 113, 116, 118, 137, 142, 151, 158, 170, 174, 200, 203, 232, 253, 277, 343,

Ortsregister

450, 469, 475, 479, 506, 537, 554 f., 560 f., 674, 744 ff., 750, 780, 793, 835 Kurtluk 558 Kurzum 556 Kuschilischtschi 557 Kusenin 97 Kusinino 454 Kutowo 454 Kutscherowka 759 Kutschuk-Usenbasch 49 ff., 239 Kuznetsk 420, 829, 838 Kwaschkowo 454 Laak 30 f., 42, 145, 211, 253, 294 Labilisch 218 Labinskaja 502, 577, 584, 586 Ladan 744 Ladoshskoje Osero 278 Lagoisk 198, 258, 332 f., 354, 789 Laibach 31, 42, 82, 145, 172 f., 180, 240 f., 276 Laki 187, 275 Lambartowo 305 Lapytschi 644 Laschki 741 Lasinowka 462 Laskowo 576 Lasowaja 101 Leipzig 538, 554, 675 Leltschitzy 591, 713 Lemberg 22, 37, 44, 61, 73, 81, 83, 113, 116, 118, 135, 137, 142, 151, 170, 175, 204, 208, 228, 232, 249 f., 264 f., 277, 288 f., 345, 365, 385, 394, 442, 473, 525 f., 538, 543 f., 567, 574 f., 591, 679, 732 f., 843 Lemeschewka 646 Lengenfeld 30 Lenin 190, 557, 647, 659, 695, 703, 715, 729 Leningrad 10, 23 f., 26 f., 38 f., 57 f., 70, 84–87, 94, 105, 122, 147, 154, 160–166, 171, 176, 179, 190 f., 193, 199, 207, 213–216, 224, 234 f., 265 f., 268, 278–281, 301, 373, 392 f., 395, 450 f., 462, 483– 489, 491 ff., 496, 508 f., 527, 545 f., 580, 622, 653, 722, 730, 764, 779, 784, 854 Lentubys 535, 658, 676, 744 Lentvaris 537, 619 Lepel 189, 204, 232, 249, 252, 261, 264, 277, 313 f., 316, 345, 351, 367, 412 f., 452, 457, 459, 501, 540, 553, 594, 596, 598, 684, 694, 813 f., 818, 821 f. Leschos 50 Lese 276 Leskow 230 Lgow 397, 646 Libau 22, 37, 41, 44, 48, 60, 73, 78, 83, 88, 90 f., 112, 115, 118, 137, 142, 150, 169, 174, 190, 203, 231,

881

249, 264, 277, 325, 344, 362, 432, 501, 553, 619, 672, 756, 772, 796, 838 Lichaja 668 Lida 198, 693 Lidowska 156 Ligat 223 Liiwa 618 Lipa 806 Lipjanka 775 Lipowka 772 Lissino 272 Litzmannstadt 32 f., 64, 503, 630 Ljady 762 Ljuban 541, 619, 698 Ljubosin 784 Ljubowitschi 421 Ljudinowo 158 Lobanowo 210 Lobiniai 847 Logonai 784 Loknja 140, 177, 205, 212 f., 396, 501, 503, 553, 673, 756, 838 Lokot 553, 555, 645, 691, 714, 728 London 114 f., 122, 292, 360, 384, 671, 701, 712, 769, 845 Loschakowo 220 Loschinzen 253 Losowaja 22, 37, 44, 222 Lossow 715 Lowsky 847 Lübeck 33 f., 276, 324, 780 Lublenka 225 Lubny 97 f., 731 Luboml 414, 429, 784 Lucna 31 Ludsen 176, 236, 401, 703, 784, 828 Ludwipol 633, 845 Luga 37, 41, 44, 60, 83, 112, 115, 118 ff., 137, 142 f., 150, 155, 165 f., 169, 174, 176, 190, 203, 231, 249, 256, 264, 276, 344, 483, 492, 494, 501, 509 f., 553, 576, 653 f., 730 f., 762, 806 Lugy 729 Luniniec 397, 542, 557, 659, 678, 772, 847 Luntuki 353 Lutny 846 Luze 675 Luzk 67, 219, 221, 228, 244, 293, 306, 352, 380, 386, 396, 525, 544, 730, 848 Lyduwenai 743, 806 Lysagorkaja 476 Lyssogorka 408 Machnowitsche 416 Machowo 429

882

Ortsregister

Machuldur 187 Madzi 504 Magdeburg 34, 538 Magnitogorsk 428 Maikop 423, 428, 502, 517 f., 521 f., 536, 566, 581, 583 f., 586 f., 600 Maisegala 535 Maisnerowo 422 Makascheini 129 Makaschewicze 558 Makejewka 195, 246, 328, 732 Malin 306 Malotschnaia 102 Mamajewka 774 Manewitsche 557 Marburg 31, 82, 169, 196 Mariampol 735 Marianowka 776 Marienburg 40, 395 Marienheim 101 Marina-Gorka 353, 644, 685 Mariupol 45, 61, 74, 84, 100, 113, 116, 119, 138, 143, 151, 175, 204, 232, 243, 250, 265, 278, 345 Martinewskoje 423 Martwinowa 187 Maslowo 688 Masolow 252 Matiusas 744 Mazurischkis 676 Medjewedje 41 Meidern 415 Melitopol 45, 61, 74, 84, 100, 113, 116, 119, 138, 143, 151, 170, 175, 204, 232, 250, 265, 278, 333, 345, 362, 642, 660, 705 f., 742 f., 829 Merefa 783 Merkulowitschi 715 Meshno 683 Mesialasnis 806 Mga 179, 234, 698 Mglin 350 Michai 847 Michailowka 645, 714 Michalin 542 Michalischkis 676 Michalki 423 Mikalewitschi 679 Mikasewitsche 647, 660, 695, 703, 715 f., 729 Mikojan-Schachar 555, 579 Milerowo 101, 423, 667, 743 Milewicze 729 Miloschowo 354, 453 Miloslawitschi 796 Mineralnyje-Wody 660 Minsk 11, 19, 22, 34, 37, 40 f., 44 ff., 60, 66–70, 73,

78, 83, 86 f., 111 f., 115 f., 118, 121, 137, 140, 142, 146, 151 f., 156, 159, 166, 169, 171, 174, 177 f., 182, 190 f., 193 f., 197 ff., 203, 207 f., 217 ff., 223, 227, 231, 242 f., 249, 258, 261 f., 264, 273, 277, 297, 304, 311, 314, 332 f., 336–340, 344, 349 f., 355, 369, 371 f., 376, 397, 407, 450, 472, 494, 501, 503, 516, 531, 546, 553, 566, 596, 619, 631, 635, 637 ff., 641– 644, 673, 684, 692 f., 732, 749, 756, 784 f., 787, 789, 791, 807, 827, 838, 840 f. Miropolje 97 Mischlin 377 Mitau 121, 270, 322, 401, 501, 553, 672, 756, 800, 838 Mitrofanowka 101 Mochoro 557 Modohn 13, 78, 90, 223, 332, 565, 703 Mogilew 10, 22, 37, 44, 60 f., 73, 83, 112, 113, 116, 118, 121, 137, 142, 151, 159, 169 f., 174, 200, 203, 206, 208 f., 231 f., 249, 251, 259, 261, 264, 277, 304 f., 313, 315, 343 f., 350 f., 367 f., 371, 395, 401, 407, 410–413, 422, 424, 426 f., 452, 456–459, 475, 494, 499, 501, 505, 537, 540 f., 553, 595, 598, 644, 658, 673, 688 f. 693, 714, 756, 758, 778, 814, 818, 821 f., 838 f. Moischuk 685 Mokrzyce 659 Mokwin 558 Moliew 707 Molodeczna 190, 333, 397 Molosowa 176 Molotowsk 500, 514, 574 Monastyrischtsche 457, 537, 775 Morocz 217, 729 Mosdok 502 Moskau 9, 22, 37, 42 ff., 48, 54, 61, 63, 66 f., 73, 81, 83, 87, 89, 105, 107, 113, 116, 118, 120, 122, 137, 142, 151, 159, 170, 174, 185, 195, 204, 206, 216, 229, 232, 234, 242, 248 f., 264, 280, 285, 301 f., 329, 339 f., 353, 354 f., 360, 377, 381, 397, 406, 408, 417 ff., 461, 477, 484, 487 f., 495 ff., 505, 534, 536 f., 543, 545 f., 548, 576 f., 589, 592, 599, 616 f., 619 f., 622 f., 626 f., 629, 633, 643, 646, 648, 669, 676, 700, 706, 712, 718 f., 738, 741, 744, 752–755, 758, 770 f., 776, 779 f., 791, 793 f., 803 f., 812, 825 f., 828 f., 836, 838, 844 f., 854 Most 714 Mosty-Wieli 733 Mosyr 555, 758, 774 f., 839, 848 Muljarowka 366 München 33, 35, 36, 53, 128, 394, 503, 511, 538, 568, 575, 631, 712 Münster 32, 35, 751 Murefa 289 Murmansk 360, 384, 679, 749

Ortsregister

Muschina 702, 772 Mustvee 144 Naliboki 371, 632 Naltschik 555, 667 Narischkino 220 Narwa 22, 26, 37, 41, 44, 60, 70, 73, 77, 83, 92 ff., 112, 115, 118, 137, 142, 150, 155, 169, 171, 174, 203, 231, 237, 249, 264, 272, 276, 300, 326, 344, 374, 403 f., 462, 484, 501, 553, 570, 602 f., 606, 685, 716, 726, 784 Nasswa 204, 213, 310, 673 Nataljewka 552 f., 672 Nautsi 524 Nawlja 158, 210, 350, 453 Neshin 542, 660, 730, 776, 847 f. Neslobnaja 581 Neuhoffnung 244 Neuhoffnungstal 244 Neumarktl 144 f. Neuming 145, 172 Neu-Montal 101 Neu-Nassau 101 Neu-Sandez 538 Neustadt 33, 128, 568 Neu-Stuttgart 244 Newel 151, 170, 174, 199 f., 204, 208, 232, 249, 252, 264, 277, 314, 316, 345, 350 f., 367 f., 397, 413, 453, 459, 499, 501, 533, 553, 594 f., 597 f., 646, 681, 715, 821 Newinnomyskaja 535, 566 Newokumskoje 476 Niederdorf 294 Nikitjo 428 Nikolajew 23, 37, 45, 61, 73, 81, 83, 113, 116, 118 f., 128, 137 f., 142 f., 151, 168, 170, 175, 204, 221 f., 232, 249, 262, 264, 277, 294, 329, 345, 354, 377, 423, 442 f., 462, 476, 478, 502, 506, 525, 542, 553, 563, 566, 577, 591, 673, 685, 696 ff., 716, 730 f., 733, 745 f., 750, 757 f., 776, 784 f., 795, 807, 828 f., 839 Nikolajewka 225, 402, 423, 558 Nikolska-Slabotka 99 Nikonowitschi 452 Nikopol 442, 746 Nishni-Nowgorod 305 Nogaisk 408 Nogotwerscht 566 Nokorowo 542 Nömme 47 Novo-Alixiewka 225 Now. Wysokoje 402 Nowaja Ladoga 165 Nowgorod 37, 41, 44, 60, 64, 73, 83, 256, 273

883

Nowka 459 Nowo-Bassan 462, 647, 678 Nowo-Dugino 422 Nowograd 618 Nowogrodek 83, 112, 116, 118, 137, 142, 151, 169, 174, 203, 231, 371 Nowo-Labun 329 Nowo-Odessa 745 Nowo-Pawlowskaja 502 Noworossijsk 502, 525 Nowosibirsk 428, 581, 838 Nowosokolniki 205 Nowo-Tscherkask 415, 423, 428, 470, 479 f., 666 Nurma 763 Nürnberg 19, 32–35, 104, 153, 241, 310, 394, 511, 538, 568, 631 Oberdorf 294 Oberspree 540 Obolodzie 210 Obuchow 617 Ochsenbrunn 187 Ockocicze 676 Odessa 82, 156, 201, 478, 506, 544, 546 Okop 453 Olenino 428 Olewsk 430, 558, 577, 647, 677 f. Olita 303 Olsa 354 Omsk 581 Opotschka 255 Oppeln 394, 538, 568 Oranienbaum 27, 164, 234, 278 Ordshonikidsegrad 314, 316, 343, 350, 367 f., 461, 499 Orechow 240, 697, 828 Oredesh 763 Orefino 673, 756, 839 Orel 10, 44, 61, 73, 83, 113, 116, 118, 137, 142, 151, 158 f., 170, 174, 200, 203, 206, 210, 219 f., 226, 232, 249, 253, 264, 277, 327, 340, 343 f., 350 f., 367 f., 410–413, 426, 441, 457 ff., 501, 506, 538–541, 553, 594–598, 673, 688 ff., 756, 818 f., 821 f., 839 Oretewo 806 Orgirdenai 682 Orscha 22, 37, 44, 61, 73, 83, 113, 116, 118, 137, 142, 151, 170, 174, 200, 203, 232, 249, 251, 261, 264, 277, 313, 345, 367 f., 397, 406 f., 452, 493, 501, 504 f., 539, 553, 644 f., 814, 821 Ortalan 58, 168 Osaritschi 714 Oschitza 846 Oschmiana 297 Oskolkow 350

884

Ortsregister

Osmeritzi 617 Osnowa 784 Ossinowka 452 Ossintorf 814 Ossipowitschi 333, 475, 676 Ossmino 730, 806 Ossow 645 Ostanowka 715 Ostany 807 Oster 377, 660, 703, 731 Ostrow 510, 618 Ostrowno 452 Otschakow 745 Otschisha 422 Ottendorf 196 Otusi 59 Owrutsch 306, 415, 558, 577, 632, 758, 774 f., 839 f., 848 Pabrade 177, 197, 223, 233, 272, 682, 731, 805, 807 Packenstein 263 Pajesys 64 Pakretony 731 Palckai 676 Panaria 64 Panova 310 Panovezys 526 Paris 384, 551, 576 Paritschi 645, 714 Parkkina 524 Pasmalves 744 Pasvikdal 524 Pasziszki 675 Patretone 847 Pauzule 675 Pawlograd 403, 816, 829 Pawlowka 402 Pawlowsk 154, 266, 486, 685 Pazimena 177 Pazoba-Sloboda 210 Pekino 212 Pensa 101 Perechodowka 415 Perejaslaw 617 Perejesd 421 Pernau 22, 41, 46 f., 93, 219, 300, 501, 552, 603, 672, 680, 746, 756, 838 Perwomaisk 716, 730, 758 Perwonaika 684 Peschul 187 Petersburg 40, 70, 88, 154, 162, 255 f., 326, 504, 619 Petershagen 102 Petrewskaja Slawianka 161

Petrikow 847 f. Petrikowka 816 Petropawlowsk 581 f. Petrosiai 177 Petrowka 470 Petsakur 92 Petschanowka 221 Petschora 428 Petschur 237, 508, 535, 618, 663, 726 Pijuk-Usenbasch 52 Pilatowka 365 Piliaikaimiai 414 Piliptscha 542 Pinkenhof 325 Pinsk 67, 283, 346, 352, 355, 414, 416, 423, 515, 542, 557, 566, 647, 659, 678, 684, 695, 703, 715 f., 730, 847 f. Piragi 325 Pirsiai 281 Pirunoff 714 Piski 564 Piusa 685 Pjatigorsk 423, 428, 503, 517, 519, 535, 577 f., 581, 586 Plawaiza 205 Plawsk 220 Pleskau 37, 44, 60, 73, 83, 92 ff., 112, 115, 118, 120, 137 ff., 142, 144, 150, 156, 166, 169, 174, 203, 231, 249, 254 ff., 264, 276, 325, 344, 494, 501, 509 f., 553, 652 ff., 673, 685, 756, 763, 838 Pleszenice 218, 354 Podbrodzie 619 Poddebie 729 Poddubze 396 Pogar 350, 453 Pohulonka 846 Pöllandl 294 Pologi 101, 113, 116, 119, 138, 143, 151, 170, 175, 203 f., 232, 250, 265, 278, 345 Polozk 11, 151, 170, 174, 199 f., 204, 232, 249, 252, 264, 277, 313 f., 316, 344, 366 f., 389, 397, 413, 457, 459, 501, 553, 594, 597 f., 643, 646, 681, 683, 686, 693 f., 715, 743, 774, 814, 818, 821, 847 Poltawa 97 f., 222, 228, 244, 247, 293, 441, 562, 591, 673, 716, 730, 756, 776, 839 Poludni 504 Poluknia 676 Ponewesch 377, 400, 501, 553, 673, 735, 756, 838 Ponorniza 430 Popelnja 306, 326, 526 Porchow 256, 510 Port-Kunda 850 Portschyn 306 Posen 32, 146, 153, 503, 538

Ortsregister

Possjolok 698 Postawy 619 Postreshoe 684 Potklonje 422 Potroschtsche 690 Potschep 365 Potschina 293 Potschinok 457 Potsdam 33, 72, 153, 538 Powursk 557 Prag 15, 64, 104, 135, 146, 293, 394, 503, 538, 636, 674 f. Pragwald 294 Preili 772 Prekuln 325 Pribor 452 Priluki 731, 744 Prisant 353 Priselskaja 354 Prochladnoje 667 Prochladny 502, 577 Proletarskaja 667 Propoisk 495 Proskurow 211, 221 f., 293 Prowary 293 Pscherowskaja 619 Puce 325 Pugai 77 Punduri 744 Puschkarowka 377 Puschkin 24, 41, 234, 266 f., 489, 492 Putiskaja 377 Putiwl 377, 430, 759 Putschtscha-Woditza 706 Raasiku 281 Radmannsdorf 31, 42, 82, 144, 211 Radomyschl 229, 306, 328 Radoschkowitschi 631 Radowitschi 332 f. Radun 575 Radutin 350 Raepina 26 Raja-Kowa 332 f. Rakow 152 f., 233, 693 Rakowka 423 Raseinen 735 Raseiniai 63 Rasicki 504 Rasliw 57 Rastenburg 315 Ratno 430 f. Ratscha 205 Rauda 88

885

Rausa 648 Reduta 421 Reichenberg 32 f., 538, 568 Reichsfeld 101 Remesk 416 Remesy 402 Repki 329 Retschitza 416, 558, 566, 577, 659, 703, 828, 846 ff. Reval 22, 26, 37, 44, 47 f., 60, 68 f., 73, 78, 83 f., 93 ff., 110, 112, 113–119, 137, 142 f., 147, 150, 166, 169, 171, 174, 176, 189, 193, 199, 203, 207, 231, 237, 242, 249, 264, 272, 276, 301 ff., 310, 344, 356, 373 ff., 385 f., 403 f., 425, 433, 501, 507, 535, 552, 603, 606, 618, 653, 669, 672, 680 ff., 716, 719, 724, 726 f., 756, 777, 784, 838 Rhaniza 350 Riga 22, 31, 37, 41, 43 f., 48, 54 f., 59 f., 69, 73, 75 f., 78, 81, 83, 84, 87–91, 101, 104, 111 f., 115, 118, 128 f., 131, 137, 139 f., 142, 150, 155, 169, 171, 174, 176, 181, 190, 197, 203, 217, 223, 227, 231, 249, 254, 264, 269, 271 f., 276 f., 303, 311, 322–326, 340 ff., 344, 351, 355, 357, 361, 379, 387, 397, 401, 403, 425, 438, 467, 501, 504, 512, 516, 527–530, 536, 552 f., 565, 570, 576, 599, 606–610, 648 f., 653, 656 f., 672, 702, 710, 749, 756, 765, 772, 778, 796 f., 799–802, 827, 838 Riom 207 Rjabowo 541 Rjasan 573 Robeschnicki 619 Robst 684 Rogatschew 11, 537, 715, 774, 814 Rohisna 733 Rokischkis 281, 614, 676 Rom 89 Romadan 807 Romny 222, 377 Roni 537 Rosenau 829 Rosenfeld 244 Rosenow 784 Rosenthal 101 Roshdjestwenno 179 Roshosny 733 Rosica 772 Rosinow 176 Rositten 69, 78 f., 130, 166, 401, 504, 537, 703, 731, 772 Roslawl 22, 37, 44, 61, 73, 83, 113, 116, 118, 137, 142, 151, 158, 170, 174, 200, 204, 209 f., 232, 249, 258, 262, 264, 313, 316, 340, 343 f., 350, 367 f., 397, 411, 455, 457 ff., 485, 501, 539, 548, 550, 553, 644 f., 688, 694, 819, 821 Rossiza 702

886

Ortsregister

Rostow 88, 91 f., 94, 101, 107, 206, 239, 400, 410, 414, 424, 440, 470 f., 479 f., 502, 517, 554, 642, 660, 666 ff., 674, 746, 749, 764 Roszia 675 Rottenburg 314 Rowka 252 Rowni 213 Rowno 23, 34, 37 f., 45, 61, 73 f., 83 f., 100, 113, 116, 118 f., 137 f., 142 f., 146, 151, 170, 175, 204, 221 f., 228 f., 232, 247–250, 262, 264 f., 277 f., 290, 293, 306, 329, 345 f., 351, 363, 381, 392, 396, 414, 423, 440, 442, 446 f., 452, 462, 467, 469, 471 f., 476 f., 502, 506, 542, 544, 553, 557, 559–562, 566, 568, 592, 632 f., 642, 659, 673, 685, 695–698, 703, 706, 730, 734, 746–751, 753, 756, 775, 784, 797, 832, 839, 844 f., 847 Rshew 22, 37, 44, 61, 397, 426, 428, 456, 459, 550, 688 Rshewka 71,160 Rudensk 217, 219, 258, 332, 632, 640 Rudizinski 675 Rudnikai 565 Rudnja 198, 421, 430, 457, 616, 678 Rudobelka 645 Rudolfswerk 241 Rudupla 659 Rushin 306 Rusvjati 504 Ruszisi 504 Ryabzi 350 Rybaui 415 Rypchoswolma 178 Rysetzki 846 Sabac 108 Sabitschi 499 Sablino 699 Sabolotje 402 Sabundschi 420 Sachnowtschina 244 Sachsenfeld 302 Saddescheno 557 Saki 274 Sala 185 f. Salaspils 46, 69, 101, 702, 772, 827 Sali 49, 51, 58, 111 Salizowka 632, 678, 716 Salmijaervi 524 Samara 332 Samarkand 364 Sangall 537 Sankow 632 Santage 647 Santakai 223

Sapitschu 350 Saporoshje 100, 102, 329, 660, 696 f., 707, 742 f., 829, 831 Sarabus 113, 116, 119, 138, 143, 151, 170, 274 Sarajewo 114 Saratow 465 Sarny 346, 396, 497, 525, 557, 566, 632, 647, 678, 685, 716, 733, 828, 842, 844, 847 f. Saronowo 435 Saslaw 745 Sassenhof 599 Sasslabel 638 f. Sauratetz 294 Sawatka 225 Sawodnyi-Ostrow 402 Schachty 470, 667 Schaich 201 Schaken 735 Schamborowo 772 Schankow 442 Schapki 234 Schary 84 ff., 227 Schatalowka 210 Schaulen 22, 37, 41, 44, 60, 73, 77, 83, 112, 115, 118, 137, 142, 151 f., 169, 174, 177, 190, 203, 231, 249, 264, 273, 277, 281, 344, 366, 400, 501, 553, 614, 664, 673, 735, 756, 829, 838 Schazk 385, 565, 632 Schebelewitsche 684 Scheki 645 Schelany 683 Schemerniki 618 Schemerowze 366 Schepelewitschi 505 Schepetowka 262, 329, 617, 646, 703, 848 Scheraunitz 178 Schilany 676 Schklow 371, 494 Schlüsselburg 234, 680, 722 Schmakowo 210 Schori 239 Schpola 775 Schukowka 158 Schuma-Alan 795 Schumsk 557 Schurawok 714 Schury-Laki 187 Schuschary 492 Schwarzenberg 31 Schwenciany 421, 429 Schwencona 847 Sdolbunow 828 Sebesh 537, 772, 821, 829 Seinlaukis 743

Ortsregister

Seitler 113, 116, 119, 138, 143, 148, 151, 170 Sekalisch 684 Selburg 323 Seledzowo 557 Selenij 684 Selenotsch 558 Selidowka 222, 328 Selzo 350 Semipalatinsk 581 Semipolka 262 Senkow 97 Seredina-Buda 436 Serogosi 742 Seskupial 190 Sewastopol 51 f., 81, 106, 141, 185, 187 f., 202, 224, 348, 365, 366, 399 f., 704, 746, 749, 847 Sewoschina 684 Shastkow 455 Shistra 411 Shitomir 23, 37, 45, 61, 73, 83, 113, 116, 119, 138, 142 f., 146, 151, 170, 175, 204, 221 f., 228 f., 231 f., 246 f., 249 f., 263 ff., 277, 290, 306, 328 f., 345, 364, 402, 415 f., 423, 430, 436, 441, 468–471, 476, 482, 502, 506, 526, 537, 542, 553, 557 ff., 561, 566, 590, 617, 632, 642, 659, 673, 675, 678, 685, 703, 716, 747, 752, 756, 758, 775, 795, 832, 839, 847 f. Shlobin 397, 537 Shodnja 417, 495 f. Shotonowa 453 Shukowo 453 Sienlaukis 806 Siewersk 430 Sikoliw 591 Silene 556 Silescheijewa 618 Sillamägi 619 Simeis 170, 175, 204, 275 Simferopol 23, 29 f., 35 f., 38, 45, 48, 51, 58 f., 61, 74, 80, 81, 84, 102, 106 ff., 111, 113, 116, 117, 119, 128, 138, 140, 141, 143, 146 f., 149, 151, 153, 167, 170, 175, 182, 185, 201, 204, 224, 232, 238, 248, 250, 265, 274, 278, 307, 332 f., 345, 347, 393, 400, 437, 441, 502, 537, 554, 558, 660, 673 f., 685, 704, 746, 757, 776, 784, 795, 828 f., 839, 846 Simowniki 521 Sinjokowo 829 Sinkiang 738 Sinkowitsche 542 Sintscha 454 Siwerskaja 24, 685 Skaiska 619 Skorno 263 Skrjabow 421 Skruci 772

887

Slatopol 385 Slawitsch 187 Slawjansk 22, 37, 44, 221, 244, 286–289 Slobodka 402 Slonim 208, 273, 429, 616, 631, 693 Slutschewsk 499 Sluzk 24, 26, 41, 190, 198, 217, 223, 234, 354, 535, 565, 632, 644, 692 f., 739 Slynka 774 Smela 377 Smijew 289 Smilowitsche 46, 774 Smolensk 22, 37, 44, 61, 73, 83, 113, 116, 118, 133, 137, 142, 151, 156, 169, 170, 174, 182, 191, 199 f., 203–206, 208 ff., 219, 232, 238, 242, 249 f., 252 f., 258, 264, 277, 304, 311, 313 f., 318, 327, 340, 345, 351, 354, 367 f., 376, 397, 402, 411 ff., 421, 427, 450, 455–461, 494, 501, 539, 546, 548 ff., 552 f., 595, 597 f., 616, 623, 627, 642, 673, 688, 756, 762, 773, 803 f., 808, 812, 818, 821, 833, 839 Smolewitsche 194, 243, 349 Smoligo 221 Smolka 846 Smordon 297 Smorgonie 807, 847 Smyga 848 Snamenka 462, 542, 828 Snapa 525 Snowsk 441 Sochnowtschina 22, 37, 44 Sochotin 581 Sofia 738 Sokoniw 678 Soldina 784 Solizewska 417 Solotonoscha 807 Soly 847 Sommerseeta 223 Spaskoje 841 Spasswalipezk 421 Spilve 75 Sprukti 504 Ssafonowo 595 Ssalsk 503, 581 f., 667 Ssamurskaja 619 Ssednew 564 Ssewsker 742 Ssinelkikowo 816 Ssiwerskaja 762 Ssobki 213 Ssosny 715 Ssuchinino 501, 553 Ssunica 702 Sswitschewo 354

888

Ortsregister

Sswjatogorowka 830 St. Dorogi 715, 814 St. Margarethen 52 St. Oswald 294 St. Wysokoje 402 Stablack 237 Stalingrad 9, 419, 439, 462, 499, 506, 509, 514 f., 527, 582, 601, 642, 646, 667, 674, 680, 699, 718, 722 f., 749, 761, 764 f., 787, 796, 804, 819 f., 826 Stalino 23, 38, 45, 61, 73, 84, 101, 102, 113, 116, 119, 138, 143, 151, 170, 175, 195, 201, 204, 221 f., 228–232, 240, 245 f., 248, 250, 265, 278, 329, 345, 393 f., 436, 440 f., 443, 445 ff., 474, 502, 554, 563, 673, 684, 698, 732, 742, 757, 776, 828, 831, 839 Stallupönen 421 Stanislau 568, 574 Stankowo 692 Stanowo 684 Staraja-Russa 576 Stari Krim 45, 48 f., 59, 61, 74, 84, 107, 111, 113, 116, 119, 138, 143, 151, 170, 333 Stariza 565, 644 f. Starobin 219 Starobjelsk 440, 502, 553 Starodub 259 Starokonstantinow 221, 228, 247, 739 ff. Staroseim 430 Stary-Bychow 452 f. Staryj Oskol 764 Stawropol 581 Stebschitzsche 618 Stefanowka 618 Stein 253, 263, 276 Steinbrück 52 Stepnoje 476 Stepnowsko 503 Steponischkiai 414 Stettin 32, 34, 315, 503 Stilja 52, 188, 238 Stockholm 120, 711 Stodolitsche 210 Stolbunow 329, 352 Stolin 659, 678, 695, 703, 716, 730, 775, 848 Stolpce 371 Storoschawka 338 Strilkow 733 Strjelna 39, 215 Strovsja 504 Strugi 730 Stryj 679 Studenok 759 ff. Stuttgart 31 ff., 503, 538 Stydin 730

Subir-Sachow 186 Suchinitschi 397 Sudak 23, 38, 45, 61, 74, 84, 108, 111, 117, 140, 170, 175, 202, 204, 232, 250, 265, 278, 345 Suida 39 Sumy 97, 646, 775, 835 Surash 345, 415, 453 ff., 457 ff., 499, 501, 553, 594, 643, 646 Suru 199 Svenzioniai 303, 744 Svyriai 281 Swaschkowitschi 209 Swelja 225 Swenigorodka 617 Swerdlowsk 428 Swetilowitschi 774 Swiin 328 Swilischkis 676 Sytschewka 22, 37, 44, 61, 345, 367 f., 411 ff., 457, 459, 501, 550, 553, 596 ff., 689 Szablino 265 Taberze 181 Taganasch 225 Taganrog 23, 38, 45, 61, 74, 84, 113, 116, 119, 138, 143, 151, 170, 175, 204, 232, 248, 250, 265, 278, 345, 362, 400, 428, 642, 667 f., 757, 839 Talka 537 Talsen 176, 530 Taps 207, 462 Taraktasch 108, 111 Tarnopol 732 Taschkent 165, 364, 581, 588 Tatarsk 581 Tauroggen 735, 829 Teggern 377 Teheran 825 Temrjuk 502 Terechi 421 Terechowna 564 Tereku 170, 175, 204, 232, 250, 265 Terensberg 599 Ternowka 784 Terpitschi 715 Tery 828 Tichinitschi 814 Tichwin 27, 40 f., 92 Tiefenbrunn 101 f. Tiefenhagen 102 Tiflis 360, 476, 500, 506, 743 Tilsit 41, 675, 822 Tjemoje Worota 576 Tobluk 186

Ortsregister

Tokmak 102 Tölliste 94 Tomanto 847 Tomsk 102 Toniez 632, 678, 716 Toropez 200, 681 Toruka 216 Toschtschiza 537 Tosdok 667 Tosno 26, 41, 85, 105, 207, 224, 235, 272, 503, 541, 698, 763 Toulon 722 Traka 739 Trakai 181, 377 Trata 294 Trifail 52, 72, 82, 103, 169, 276, 302 Tripolje 617 Troiza 212 Trojane 302 Trokowitsch 329 Tromsö 524 Troppau 34, 52 Trubtschewsk 350, 553 Trussowka 350 Tschaini-Dom 187 f. Tscharmalik 275 Tscheljabinsk 428 Tschemerowze 396 Tschepalowka 415 Tschepowitschi 306 Tscherikow 408 Tscherkassk 502 Tscherkassy 730, 775 Tschermalyk 238 Tschernicia 332 Tschernigow 227, 229 f., 277, 294, 328, 345, 349, 354, 389, 397, 415, 422, 430, 436, 440 f., 443 f., 469, 472, 476, 478, 502, 517, 542, 553, 558 ff., 562 ff., 633, 647, 659, 673, 678, 695, 703, 706, 730 f., 744, 757 f., 776, 831 f., 835, 842, 848 Tschernigowskaja 619 Tschernikowka 244 Tschernjachow 795 Tschernobyl 227 Tschertsch 212 Tscherwen 178, 209, 233, 421, 505, 535, 676, 715 Tschetscha 795 Tschetschiwitschi 714 Tschetschul 187 Tschigirin 829 Tschingerinki 429 Tschistjakowo 230 Tschoepel 306

889

Tschokrak 168 Tschudowo 37, 41, 44, 60, 73, 83, 86, 112, 116, 118, 137, 142, 151, 169, 174, 203, 231, 256, 699 Tschumow 221 Tschunking 738 Tuadse 667 Tuligolowa 430 Tulubjewo 213 Turez 178 Turgel 719 Turmantas 744 Tuschkiwitsche 56 Udisa 30 Udmursk 428 Ufa 420, 573 Ugahlen 242 Uge 190 Uhorsk 557 Uhsell 403, 416 Ulanow 759 Uman 385, 402, 753, 775, 833 Unetscha 397, 454 Untergöriach 172 Uretsche 217 Uritz 215 Usakino 210 Usatischtsche 166 Uschaki 85 f. Uschatschi 314, 684 Usoje 702 Ussa 428, 692 Ussaditsche 213 Ustje 772 Utena 63, 377 Utorgosch 700, 730 Uzda 632, 692 Uzice 109 Vaki 645 Vana-Kariste 461 Varena 233, 531, 619, 743 f., 806 Vasiunai 535 Vastelin 193 Vecpils 609 Velben 178 Veldes 30, 35, 42, 82, 111, 150, 168, 172, 180, 240, 253, 263, 276 Venedig 583, 822 Versaille 192 Vieveriskai 806 Viewils 739 Vigaun 42, 263

890

Ortsregister

Virgen 78 Vorzowa 702 Vydziai 303 Waldorf 101 Walk 77, 94, 207, 536, 555 f., 618, 648, 664, 685, 703 Walki 97, 289 Warenikowskaja 502 Warschau 22, 32, 37, 44, 61, 64, 66 ff., 73, 83, 113, 116, 118, 137, 142, 146, 151, 169, 174, 203, 232, 249, 264, 277, 292, 344, 355, 427, 447, 501, 553, 636, 658, 842 Wärska 706 Washington 360, 680, 769 Wasiljewka 646 Wasilkowska 180 Wasiluki 676 Wassiljewitschi 377, 558, 566, 848 Wassilkow 846 Weimar 32, 538, 675 Weimastver 783 Weißenstein 26 Welikije-Luki 200, 350, 397, 665, 680 f., 685 f., 699, 764, 821 Welish 314, 456 Welitschaijewskoje 476 Welkisalki 618 Wenden 570 Werbowzy 741 Werchepolje 813 Werchne Bakanskaja 502, 558 Werchnedneprowsk 417 Werchowzewo 828 Werchy 402 Werebki 684 Werro 77, 93 f., 130, 193, 242, 601, 606 Wesenberg 78, 93, 311, 618 Wesseloff 714 Widze 846 Wien 34, 115, 146, 384, 394, 538 Wiena 156 Wigonitschi 454 Wilejka 177, 198, 218 f., 223, 226, 231, 249, 264, 277, 501, 553, 632, 673, 756, 838 Wilkowischken 614 Wilna 22, 37, 41, 42, 44, 46, 60, 64, 66 f., 69, 73, 77, 83, 112, 115, 118, 120, 133, 137, 142, 151 f., 169, 174, 177, 181, 190, 197, 203, 217, 222, 231, 233, 241, 243, 249, 264, 272, 277, 281, 296 ff., 303, 311, 314, 323, 333, 335, 344, 353, 355, 366, 377 f., 417, 475, 501, 537, 553, 575, 614 f., 619, 651, 660, 673, 676, 706, 731 f., 737, 739, 743 f., 749, 756, 781 f., 784, 805 ff., 824, 838, 847 Wilska 344

Windau 242, 325, 530, 648 Winniza 23, 33, 37, 45, 61, 73, 83, 113, 116, 119, 138, 143, 151, 170, 175, 180, 204, 228, 232, 250, 265, 294, 442, 477 f., 734, 775 Winsnor 217 Wirowka 841 Wistky 678 Witebsk 10, 37, 44, 61, 73, 83, 113, 116, 118, 137, 142, 151, 170, 174, 182, 199 f., 204, 206, 208, 219, 232, 249, 252, 256, 261, 264, 273, 277, 313–316, 340, 343 ff., 367 f., 395, 397, 401, 406, 411, 413, 415, 427, 435, 450, 452 f., 456–459, 493, 501, 539 f., 550, 553, 594–598, 642, 673, 715, 740, 744, 749, 756, 784, 814, 817, 818, 820–823, 839 Witnetschki 454 Wjadskaja-Seliba 422 Wjasma 10, 22, 37, 44, 61, 73, 83, 113, 116, 152, 209, 336, 345, 354, 397, 408, 411, 415, 422, 426, 456 f., 459, 501, 550, 553, 595–598, 616 Wjasowiza 566 Wjetka 774 Wladimirskoje 415, 422, 454, 501, 553, 597, 644, 773 Wladimir-Wolhynsk 385, 396 Wladiwostok 515 Woellan 253 Wolchowstroj 214 Wolfburg 735 Wolkowysk 69, 274 Wolmar 37, 44, 60, 73, 76, 83, 111 f., 115, 118, 137, 142, 150, 169, 174, 203, 231, 249, 264, 277, 322, 344, 397, 431, 501, 553, 590, 672, 756, 838 Wolnowacha 101 Wolodarka 215 Wolodarski 269 Wolodimierz 396, 703 Wolodkowo 389 Wologda 160 Wolosberkirki 377 Woloschowo 190 Wolossowo 501, 509, 553, 761 f. Worga 210, 645 Worhba 377 Woronesh 101, 222, 403, 470, 479, 506, 560, 622, 699, 764, 780 Woronzowo 535 Woroschilowgrad 102, 230, 423, 743 Woroschilowsk 60, 423 f., 428, 502 f., 517, 522, 537, 555, 580 f., 583 f., 586 Woroschily 395 Woroshba 646 Worotsch 443 Wregg 52 Würzburg 538

Photonachweis Band III

Wygonitschi 813 Wymno 454 Wyriza 395, 685 Zagare 76 Zahori 223 Zampol 847 Zarasai 535 Zarskoje-Selo 24 Zaslawl 789 Zemgale 556 Zibla 176

Zilupe 129 Zimlansaja 667 Zimocki 829 Ziurasai 272 Zleki 648 Zulcyn 733 Zulovo 683 Zuman 815 Zwetkowo 731 Zwiahel 446, 695, 703, 730, 758, 847 Zwirtze 293 Zwyriai 614

Photonachweis Band III Titelphoto: USHMM, W/S 89 063 Nr. 1: BAL, B 162/Libi EG D der Staw München I, Anhang E, Bild 6 Nr. 2: Internetalbum der Familie Gutstein, http://www.gutstein.net/kaunas/kaunas-ninthfort.htm Nr. 3: Staw Hamburg, Libi 141 Js 534/60, LO 1, Teil A, Bild 1 Nr. 4: BAK, Film BA 94/69 = 101 III/Dürr Nr. 5: StAL, EL 48/2, Bü 1028 Nr. 6: USHMM, W/S 66702 Nr. 7: BAL, B 162/Libi EG D der Staw München I, Anhang F, Bild 1 Nr. 8: USHMM, W/S 85269 Nr. 9: StAL, EL 48/2, Bü 1028 Nr. 10: ZSD, Libi 45 Js 25/63 Nr. 11: USHMM, W/S 56443 Nr. 12: BAK, Film BA 94/69 = 101 III/Dürr Nr. 13: BAK, Film BA 94/69 = 101 III/Dürr Nr. 14: BAL, B 162/Vorl. 7 AR 571/62 Nr. 15: USHMM, W/S 89968 Nr. 16: BAL, B 162/Vorl. 204 AR-Z 287/59, Bd. 1, Bild 5 Nr. 17: BAL, B 162/Vorl. 205 AR 900/68, Libi II, Bild 75 Nr. 18: ZSD, Libi 45 Js 25/63 Nr. 19: USHMM, W/S 04806 Nr. 20: ZSD, Libi 45 Js 25/63 Nr. 21: BfZ, DC 1081 C/2 Nr. 22: ZSD, Libi 45 Js 25/63 Nr. 23: BAL, B 162/Vorl. 202 AR-Z 9/64 Nr. 24: BfZ, DC 1081 C/2 Nr. 25: HStAS, M 704/152 Nr. 26: USHMM, W/S 14102 A Nr. 27: BAL, B 162/Vorl. Dok.Slg. 491 Nr. 28: USHMM, W/S 81404 Nr. 29: USHMM, W/S 81407 Nr. 30: USHMM, W/S 80856 Nr. 31: USHMM, W/S 80855 Nr. 32: USHMM, W/S 09959

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Die Herausgeber Andrej Angrick, Dr.phil.; geb. 1962; studierte Geschichte, Germanistik, Philosophie u. Pädagogik in Berlin; Promotion 2000; Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft u. Kultur; Veröffentlichungen u. a.: Besatzungspolitik und Massenmord. Die Einsatzgruppe D in der südlichen Sowjetunion 1941–1943, Hamburg 2003; Die „Endlösung“ in Riga. Ausbeutung und Vernichtung 1941–1944, Darmstadt 2006 (zusammen mit Peter Klein); Die Gestapo nach 1945. Karrieren, Konflikte, Konstruktionen, Darmstadt 2009 (Hrsg. zusammen mit Klaus-Michael Mallmann); lebt in Berlin. Martin Cüppers, Dr.phil.habil.; geb. 1966; studierte Geschichte u. Romanistik in Trier u. Berlin; Promotion 2004; Habilitation 2013; Wissenschaftlicher Leiter der Forschungsstelle Ludwigsburg u. Privatdozent für Neuere Geschichte an der Universität Stuttgart; Veröffentlichungen u. a.: Wegbereiter der Shoah. Die Waffen-SS, der Kommandostab Reichsführer-SS und die Judenvernichtung 1939–1945, Darmstadt 2005; Halbmond und Hakenkreuz. Das Dritte Reich, die Araber und Palästina, Darmstadt 2006 (zusammen mit Klaus-Michael Mallmann); Walther Rauff – in deutschen Diensten. Vom Naziverbrecher zum BND-Spion, Darmstadt 2013; lebt in Ludwigsburg. Klaus-Michael Mallmann, Prof.Dr.phil.; geb. 1948; studierte Geschichte, Soziologie, Politikwissenschaft u. Germanistik in Mannheim u. Saarbrücken; Promotion 1980; Habilitation 1995; ehemaliger Wissenschaftlicher Leiter der Forschungsstelle Ludwigsburg u. Professor für Neuere Geschichte an der Universität Stuttgart; Veröffentlichungen u. a.: Halbmond und Hakenkreuz. Das Dritte Reich, die Araber und Palästina, Darmstadt 2006 (zusammen mit Martin Cüppers); Einsatzgruppen in Polen. Darstellung und Dokumentation, Darmstadt 2008 (zusammen mit Jochen Böhler u. Jürgen Matthäus); Die Gestapo nach 1945. Karrieren, Konflikte, Konstruktionen, Darmstadt 2009 (Hrsg. zusammen mit Andrej Angrick); lebt in Ludwigsburg. Jürgen Matthäus, Dr.phil.; geb. 1959; studierte Geschichte u. Philosophie in Bochum; Promotion 1992; Leiter der Forschungsabteilung am Jack, Joseph and Morton Mandel Center for Advanced Holocaust Studies des United States Holocaust Memorial Museum in Washington D.C.; Veröffentlichungen u. a.: Approaching an Auschwitz Survivor: Holocaust Testimony and Its Transformations, New York 2009 (Hrsg.); Jewish Responses to Persecution, 1933–1938, Lanham 2010 (zusammen mit Mark Roseman); War, Pacification, And Mass Murder. The Einsatzgruppen in Poland, Lanham 2014 (zusammen mit Jochen Böhler u. Klaus-Michael Mallmann); lebt in Washington D.C. Alle vier sind auch Hrsg. von: Die „Ereignismeldungen UdSSR“ 1941. Dokumente der Einsatzgruppen in der Sowjetunion I, Darmstadt 2011 sowie von: Deutsche Besatzungsherrschaft in der UdSSR 1941–1945. Dokumente der Einsatzgruppen in der Sowjetunion II, Darmstadt 2013.

Die fast täglich im Reichssicherheitshauptamt zusammengestellten Berichte der ›Ereignismeldungen UdSSR‹ des Jahres 1942 und die sie ablösenden »Berichte aus den besetzten Ostgebieten« der Jahre 1942 bis 1943 sind die bedeutendsten durchlaufenden Quellen zu den Einsatzgruppen in der Sowjetunion und zugleich Dokumente des Grauens. Auf tausenden Schreibmaschinenseiten ist hier minutiös festgehalten, wer, wann, wo und auf wessen Befehl hin welche Vergeltungsaktionen durchführte, Partisanen tötete oder Juden, Kommunisten und unbewaffnete Zivilisten in Massenexekutionen erschoss. Auf der Grundlage der Forschungen eines hochkarätigen Spezialistenteams schließt der Band die Edition der ›Dokumente der Einsatzgruppen in der Sowjetunion‹ ab, versehen mit einer grundlegenden Einführung, mit Anmerkungen, Karten und Literaturverzeichnis. Jeder, der sich mit dem Ostkrieg, mit dem Holocaust und den NS-Verbrechen beschäftigt, ist auf diese Dokumente angewiesen.

»Es ist bereits absehbar, dass dieses Werk in Kürze zu den wichtigsten Quelleneditionen neuerer Zeit gehören wird.« D I E W E LT

Klaus-Michael Mallmann, geb. 1948, war bis 2014 wissenschaftlicher Leiter der Forschungsstelle Ludwigsburg und Professor für Neuere Geschichte an der Universität Stuttgart. Jürgen Matthäus, geb. 1959, ist Leiter der Forschungsabteilung am United States Holocaust Memorial Museum in Washington. Martin Cüppers, geb. 1966, ist seit 2014 wissenschaftlicher Leiter der Forschungsstelle Ludwigsburg der Universität Stuttgart. Andrej Angrick, geb. 1962, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur.

www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-26463-6