Des Juden Philo Buch von der Weltschöpfung [Reprint 2019 ed.] 9783111499451, 9783111133348


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German Pages 471 [472] Year 1841

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Table of contents :
Vorrede
Einleitung
ΦΙΛΩΝΟΣ ΙΟΥΔΑΙΟΥ
Commentar
Einleitung Philo's
Erfter Haupttheil. Behandlung von Genesis L oder das Hexaemeron. §. 3—45
Zweiter Haupttheil. Behandlung von Genesis II oder Schöpfung und Fall des sichtbaren Menschen. §. 46 — 60
Schluß
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Des Juden Philo Buch von der Weltschöpfung [Reprint 2019 ed.]
 9783111499451, 9783111133348

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Des

Juden Philo Buch von der

W-ItschSpfung. HerauSgegeben und erklärt von

I. G. Müller, der Theol. Doktor und ord. Prof, in Bafel.

Berlin 1841. B e i

G.

Reimer.

Borrede. Der Commentar, der hier dem gekehrten oder viel­

mehr dem studirenden Publikum übergeben wird, erklärt zum ersten Male eine Schrift, die an der Spitze der zahlreichen Werke eines Jedermann bekannten Namens aus dem

Alterthume steht.

Sein

Erscheinen

bedarf

daher wohl weder Entschuldigung noch Rechtfertigung.

Hat doch auch dieser Schriftsteller die Theilnahme unse­ rer Zeitgenossen, die Bestrebungen unserer Zeit zu erre­

Natürlich, beide Zeiten haben nur zu viel

gen gewußt!

Verwandtschaft, die unsrige und die, in welcher Philo

lebte.

Doch, ich habe über die Stellung, die Philo

als Repräsentant einer Zeitrichtung zu dem gesammten

Alterthume einnimmt, so wie über die systematischen und kritischen Bemühungen der Neuern um diesen Schrift­ steller in den Paragraphen meiner

Einleitung meine

Ansicht ausgesprochen. Wenn sich

aber die Frage erhebt über das ganze

Verfahren und die zweckmäßige Einrichtung des gegen­ wärtigen exegetischen Versuches, so muß ich mich aller­ dings hier kurz darüber aussprechen.

Zuerst glaube ich

die Billigkeit des Urtheils ansprechen zu dürfen, welche

nicht vergessen wird, daß hier ein erster Versuch vorliegt über

einen

ganz

eigenthümlichen

Schriftsteller,

ein

Versuch, der sich nicht auf die Schultern eines Vor­ gängers stellen konnte.

Borrede.

IV

Mehr noch aber bitte ich an die Leser und Benutzer dieses Commentars zu denken, die ich bei demselben vor

Bin ich mir auch bewußt, daß

Augen hatte.

ich bei

dieser meiner mehrjährigen Beschäftigung hie und

theils in kritischer theils

in

da

exegetischer Hinsicht auf

Einiges gestoßen bin, daS auch dem Manne von Fach

neu und nicht ganz unerwünscht sein dürfte, so habe ich

doch nicht eigentlich für Gelehrte geschrieben und

oft Dinge bemerken müssen, die solchen eben nicht un­ Die Leser,

bekannt sind.

für die ich arbeitete und zu

denen ich vorzugsweise rede, sind strebsame Studirende der Theologie, auch der Philologie und Philosophie, am

wenn

liebsten,

Ich weiß,

sie alle drei

Gebiete

zusammenfassen.

wie erwünscht mir und andern Genossen in

frühern Jahren ein solcher Commentar gekommen wäre.

Diese Rücksichtnahme nun auf Leser solcher Art hat

vielfach

die Einrichtung meines

Commentars bedingt.

Derselbe soll auf exegetischem Wege in das Studium

dieses ältesten der biblischen Theologen einführen.

Denn

die systematischen Arbeiten über Philo setzte ich, insofern sie bereits vorliegen, voraus, insofern aber hierin Neues zu leisten ist, hielt ich das exegetische Feld geeigneter

zur Vorarbeit, als zur eigentlichen dialektischen Erörterung.

Dieser Weg ist für ein erstes Studium sowohl leichter als auch

gründlicher.

Dagegen war ich bestrebt, die

philonische Schrift aus ihrem eigenen schlichten Zusam­ menhangs,

aus den vielfachen Anklängen ferner in den

übrigen philonischen Schriften, und endlich aus dem Zu­

sammenhänge mit

der gesammten damaligen gelehrten

Zeitbildung zu erklären, aus dem Vorgänge derjenigen wissenschaftlichen Bestrebungen, welche Philo vor Augen hatte.

Diese Manier schien mir bei einem alexandrini-

Vorrede.

V

scheu Philosophen oder Theosophen näher zu liegen, na­ turgemäßer, und einem eigentlichen Studium angemessener,

als das Streben, alles Einzelne aus dem nothwendigen

innem Zusammenhänge eines scharfen originellen Denkens

zu entwickeln.

Ich habe wenigstens die praktische Leistung

des Beweises versucht. Aus der Rücksicht sowohl für solche Leser, als auch um die Bogenzahl nicht ungebührlich anschwellen zu lassen,

habe ich die Mehrzahl der aus Philo citirten Stellen nicht

ausgeschrieben, wie bequem dies auch für den Leser ist, sondern bloß nach der Seitenzahl citirt.

Der Leser soll

die Schriften Philo's bei der Hand haben, und durch diesen Commentar ebensogut, wie andererseits durch die systemati­

schen Werke, in das Studium derselben eingeführt werden-

So verhält es sich auch mit den Stellen aus andern alten, zumal philosophischen Schriststellem; auch in sie soll hier

der junge Theologe vom theologischen, biblisch monothei­

stischen und theistischen Standpunkte aus eingeleitet wer­

den, er soll diese Schriften zuweilen nachschlagen.

Darum

habe ich auch auf der andern Seite für diese beiden Ge­

biete überall so genau und vollständig, als es zweckmäßig

und mir möglich war, die Quellen philonischer Vorstellun­

gen und die Parallelstellen für diese sowohl als für den Ausdruck angeführt.

Ein anderes Verfahren dagegen

beobachtete ich bei den analogen Ansichten in den morgen­ ländischen Religionen.

Obwohl Vieles bei Philo, wie

schon bei seinen unmittelbaren Vorgängern, namentlich

den

Stoikern,

aus dieser

Quelle fließt,

so habe ich

doch nur kurz auf dieselben hingewiesen, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil unser Jude nicht unmittelbar aus dieser Quelle schöpfte.

Noch weniger ist bei der

Exegese (wenn auch allerdings bei der Kritik des Textes)

Borrede.

VI

von den Kirchenvätem Gebrauch gemacht worden, die doch

diesen

ersten

der Alexandriner vielfach benutzt

haben.

Der Schriftsteller sollte aus demjenigen Gebiete des Wissens

erklärt werden, das ihm selbst vorlag,

und der Erklärer

hatte überhaupt, wie Philo, selbst seinen Blick mehr der

ältern als der spätern Zeit zugewendet.

Ich habe eben­

falls keine Übersetzung meinem Commentare beigefügt, ob­

schon doch eine solche und gerade nicht mit Unrecht als die Blüthe der Erklärung angesehen wird.

Ich wünsche,

daß meine Leser die philonische Schrift griechisch lesen.

Vorzüglich

aber wünsche

ich zum

Schlüsse,

daß

die

Studien, die in diesem Commentare über eine so reich­ haltige und intressante Schrift des Alterthums nieder­

gelegt sind, mit derjenigen Liebe zur Sache ausgenommen werden mögen, aus der sie hervorgegangen sind.

Es

könnten dann dieselben vielleicht auch ihr Schärflein bei­ tragen zur Förderung eines immer gründlichern Stu­ diums der Theologie, das aufs innigste mit dem Studium

des Alterthums verknüpft ist. Basel im September 1841. Der Verfasser.

Einleitung. §. i.

Bon der Bedeutung Phil»'« für die hellenische Philosophie und die jüdische Theologie. Die systematische Darstellung der philonischen Ansichten ist in dieser Zeit besonder- von drei Männern mit Umständ­ lichkeit und Borliebe versucht worden, von Großmann, Gfrorer und Dähne. Und wenn auch jeder, der sich nur mit einigem Eifer in diesen Gegenstand vertiefte, sowohl über die Construction deS ganzen Systeme- als auch über einzelne Theile desselben, nothwendig auf seine eigenen An­ sichten kommen muß, so ist doch natürlich, daß bei einer exegetischen Arbeit mit Voraussetzung der frühern Bearbeitungen deS Systemes der Blick zunächst wenigstens von dem Sy­ steme als solchem wird zurückgehalten werden müssen. Di« Aufgabe ist aber eine andere, und der Commentar muß sei­ nen eigenen Weg gehen, den der Berfasser dem Erklärer vor­ geschrieben hat. Aber voraussetzen müssen wir jene dankenswerthen Arbeiten, die in diesem Falle die bedeutendsten Borarbeiten zu einem Commentare genannt werden mögen. Sie überheben mich daher um so eher, hier einen allgemeiner» Blick auf das System selbst zu werfen, als eine gewisse Be­ kanntschaft mit demselben gegenwärtig allgemein vorausgesetzt werden kann.

2

Einleitung.

§. 1.

Hingegen dürste es nicht unangemessen erscheinen, wenn an der Spitze des Commentars, der ins Einzelne eindringen und in demselben sich bisweilen so zu sagen zu verlieren scheinen wird, der allgemeinere Standpunkt bezeichnet ist, der dem zu erklärenden Schriftsteller angewiesen wird und der als leitendes Princip überall bei der Erklärung des Ein­ zelnen sich darstellen dürste. Der Jute Philo war auf gleiche Weise sowohl durch die Verhältnisse des Orts als der Zeit, in denen er lebte, dann durch seine persönlichen Verhältnisse, seinen Geist und seine Gelehrsamkeit zu einer hohen Stellung befähigt. Damals war die alte Welt am Ableben und trug doch zugleich den Keim einer neuen in sich, — etwas frü­ her geboren und etwas spater gestorben, lebte Philo zur Zeit unsers Weltheilandes. Bei diesem Abschluß der Zeiten sam­ melte sich die alte Welt noch einmal, blickte zurück und war damit beschäftigt, die verschiedenartigen Ergebnisse ihres gei­ stigen Lebens zusammenzustellen. Nicht am unwichtigsten dürfte der Rückblick desjenigen Mannes erscheinen, der mit reichbegabtem Geiste die meisten und bedeutendsten philoso­ phischen Schriften aller damaligen Alexandriner hinterließ, welcher biblische, heidnische und philosophische, jüdische, hel­ lenische und morgenlandische Anschauungen auf eine eigen­ thümliche Weise zu einem Ganzen zu verbinden strebte. Dazu kam, daß Philo in Alexandrien lebte, das er selbst seine Vaterstadt nennt, für die antike Gelehrsamkeit die wich­ tigste Stadt der damaligen Zeit, die als die Lehrerin der Hellenen und Barbaren galt,— der Brennpunkt der verschie­ densten Elemente, wo seit Alexander dem Großen der zahl­ reichste und gebildetste Theil hellenistischer Juden durch Han­ del und Gelehrsamkeit in Berührung kam mit dem Puls­ schlag der Welt. Dort war der Zusammenfluß der Gelehr­ ten und das Museum, dort die großen Bibliotheken, dort der Ursprung und Sitz der Kritik und gelehrten Kenntniß früherer Geistesprodukte, so daß, wer den Alexandrinismus ganz und gar verwirft, auch das antike Studium verwerfen muß, dessen Anfang jener ist, — eine neben den National­ literaturen parallel laufende gelehrte Weltbildung. Dort

Einleitung.

§. 1.

war auch schon seit Jahrhunderten griechische Weisheit von Juden gepflegt, die an dem Glauben ihrer Vater festhielten. Unter diesen seinen Landsleuten mußte Philo schon seiner äußern persönlichen Verhältnisse halber in Ansehen stehen, er, der von Hause auS wohlhabend, aus priesterlichem Geschlechte stammend, von Jugend an Muße und Gelegenheit hatte zum Umgang mit gelehrten Männern und Schriften. AIS einer der angesehensten Männer der alexandrinischen Juden wurde er von seinem Volke noch in seinen alten Tagen an der Spitze einer jüdischen Gesandtschaft gen Rom gesendet, dort bei Caligula über die Bedrückungen deS römischen Statt­ halters Flaccus und des alexandrinischen Pöbels Klage zu führen. Dieser greise Repräsentant seiner Mitbürger in politi­ schen Dingen war nicht minder durch seine wissenschaftliche, schriftstellerische Thätigkeit Repräsentant des gesammten hel­ lenistisch-jüdischen Geistes. Eine so bedeutende Stellung eins zunehmen, befähigte ihn zunächst seine Gelehrsamleit, vermöge der er in vielen Gebieten der Wissenschaft, besonders der grie­ chischen Philosophie, die bedeutendsten Kenntnisse besaß, be­ fähigte ihn sein Geist und Gescbmaä, worin er sich nicht bloß etwa vor andern hellenischen Juden vortheilhaft aus­ zeichnet, sondern als einer der vorzüglichsten Alexandriner überhaupt angesehen werden muß. Seine Sprache, obschon bekannt mit dem Schulgebrauch der verschiedenen Systeme, ist doch nicht nach der damaligen Art gesucht oder geschraubt und überfüllt. Eine fließende, glatte Prosa verbreitet sich mit Muhe und Behagen über die Gegenstände, und er­ hebt sich bei zahlreichen platonisch-mystischen Stellen in eine wärmere, aber nicht unklare Sphäre. Es ist aber diese Persönlichkeit nach einer doppelten Seite hin Repräsentant des Zeitgeistes, einmal, und das in einem nicht mindern Grade, für die damalige griechische Philoso­ phie, und dann für die jüdische Theologie. Beide Seiten durchdringen und bedingen sich gegenseitig, wie denn über­ haupt sowohl das Judenthum griechische Gestalt annahm, als auch das Griechenthum in die Fülle orientalischer Ele1*

4

Einleitung.

§. 1.

mente sich tauchend seinen antiken Volkscharakter in einen modernen UniversalismuS zu. zersetzen begann. Man denkt gewöhnlich vorzugsweise an die eine Seite, wonach in Philo das Judenthum durch das Hellenenthum modificirt erscheint. Begreiflich. Denn dies liegt auch dem Theologen, der doch bisher vor andern sein Augenmerk auf diesen Alexandriner richtete, am nächsten vor der Hand. Aber nicht minder zeigt sich in ihm das Hellenenthum durch das Judenthum gefärbt. Allerdings ist Philo kein geborner Hellene, er gehört dem Geblüte, dem innersten Lebenshauche, der Religion nach ei­ nem andern Volke an. Allein es verhält sich kaum anders mit dem gestimmten wissenschaftlichen Griechenthume nach der Zeit der Hellenisirung des Orients, — Fremde cultivirten großentheils dasselbe, fremde Völker sprachen die griechische Sprache, prägten ihre Eigenthümlichkeiten derselben auf und gestalteten dieselbe um, nicht bloß in ihrer Heimat, sondern soweit überhaupt die griechische Sprache gesprochen wurde. Und wie die Sprache durch den fremden Einfluß sich verän­ derte, so die gestimmte Denkweise, und das Hellenenthum hatte sich nicht weniger umgestaltet als das Judenthum; nicht weniger ist Philo von Wichtigkeit für den Erforscher der Ge­ schichte der hellenischen Philosophie als der jüdischen Theologie. Der Alexandrinismus nun bietet nicht bloß eine Schat­ tenseite dar, sondern hat in weltgeschichtlicher Hinsicht seine große Bedeutung. Man hat allerdings nicht Unrecht, wenn man denselben im Gegensatz zu der volksthümlichen Entwi­ ckelung der alten, freien Hellas als eine Zeit des Verfalls ansieht. Es ist nicht mehr der im gesunden Zusammenhänge mit dem Volksleben schaffende Geist, der überall die Keime des griechischen Geistes schöpferisch entfaltete, überall die klassische Form dieser Entfaltung aufprägte. An feine Stelle war getreten ein vom hellenischen Boden und Blut getrenn­ tes Gelehrtenleben, das seinen Saft hauptsächlich aus den alten Bücherrollen saugend alle die Eigenthümlichkeiten ge­ lehrter Bestrebungen hervorbrachte. Und doch ist diese Zeit und dieser Ort groß und bedeutungsvoll. Für mehr denn anderthalb Jahrtausende hatte Alexander den Orient der grie-

Einleitung.

§. 1.

5

chischen Sprache erobert, und für diesen universalen Helle­ nismus «ar nicht sowohl Hellas in dieser Zeit, als einige wenige Städte und unter diesen oben an Alexandrien, der Stapelplatz. Aus der antiken Bölkerentwickelung und ihrem Absterben sollte sich eine zusammenhängende Weltgeschichte, ein moderner Universalismus erheben. Zu dieser Umgestal­ tung bereiteten sich alle äußeren Bedingungen vor, «he der eigentliche neue Lebenskeim eintrat. Die Volker wurden schon vorher politisch verbunden, und innerlich wurde Alte» und Neues, Griechisches und Orientalisches erhascht, ge­ mengt, und einer neuen Gestaltung entgegengeführt. Wie die griechische spätere Wissenschaft damals im Abendlande einen Repräsentanten fand, so einen in Alexandrien, welche beide bei aller sonstigen Verschiedenheit doch gerade in der wissen­ schaftlichen Bedeutung für das Ganze auffallende Vergleichungspunkte darbietcn. Wie Cicero seinem Volke die Quel­ len der griechischen Philosophie eröffnete, so Philo dieselben dem seinigen. Aber beide sind nicht bloß für ihr Volk, son­ dern für die allgemeine d. h. griechische Gelehrsamkeit und deren eklektische Concrntration von Bedeutung. Und Philo noch um so viel mehr, da er griechisch schrieb, unter Griechen lebte. Beide sind weniger Philosophen, .auch nicht gerade tief eindringend in ein genaueres Verständniß der großen Philosophen, aber beide vereinigen umfassende Gelehrsamkeit und glänzende Darstellung, beider Eklekticismus ist nicht durch praktische oberflächliche Lebensweisheit, sondern durch den Ernst ihrer moralischen Gesinnung und Religiosität ge­ leitet und beherrscht. Bei beiden bemerkt man eine vorherr­ schende Richtung auf Ausbildung ethischer Begriffe, bei bei­ den ein tiefer als früher gefühltes religiöses Bedürfniß mit­ ten unter den Zweifeln gegen die positiven Religionen. Wie Cicero in seiner Anschauungsweise dem Christenthume naher steht als Plato, dieser als Homer, Seneca noch näher an Cicero, so steht Philo'auch schon bloß nach seiner hellenisches Bildung der ersten Entwicklung des Christenthums in vielen Punkten sehr nahe. Daher hat denn auch die alte Sage ihn, wie den Seneca, mit dem Christenthume in unmittel-

Einleitung.

§. 1.

bare äußere Berührung bringen zu müssen geglaubt.

Daher

haben die altern besonders alexandrinischen Kirchenlehrer ihm mehr denn gebührenden Einfluß auf die Entfaltung ihrer eigenen Theologie gestattet. Man sieht, es lag ein solcher das Christenthum vorbereitender Univcrsalismus im Geiste und der Bestimmung der damaligen Zeit. Aber noch mehr hat die griechische Philosophie bei Philo als bei andern die Keime künftiger Entwicklungen in sich gehegt. Er ist nicht bloß wie Cicero und Seneca und diese ganze Zeit von den Stoikern vielfach berührt worden, nicht nur ist sein Plato­ nismus sprichwörtlich geworden, nicht nur entnimmt er dem Aristoteles, der in Alexandrien vor anderen viele Anhänger hatte, vielerlei Kenntnisse und, wie sein Borganger Aristobulus, manche Ausdrücke und Wendungen der Sprache, — sondern wir haben auch bei ihm die deutlichsten Anfänge zu suchen von philosophischen Richtungen, die gewöhnlich in eine noch spätere Zeit gesetzt werden. Er ist bereits so gut als einer Neuplatoniker, Neupythagoräer, und die Richtung auf die orientalische (nicht jüdische) Weisheit, die bei jenen sowie bei Plutarch u. a. m. als ein neues Element auffällt,

zeigt sich bei ihm schon vielfach. Denn es sind seine Schrif­ ten durchdrungen von platonischer Jdeenlehre und von pla­ tonischem Mysticismus; pythagoräisch ist seine Zahlen - und Musiklehre, von denen er so oft Anwendung macht, um mit deren Hülfe allgemeine kosmische Verhältnisse und Gesetze nachzuweisen, und die Sicherheit der Zahlenverhältnisse auch auf die übrigen Gebiete menschlichen Wissens überzutragen; orientalisch sind manche einzelne Dogmen, die weder aus dem alten Hellenenthum noch dem Hebraismus abzuleiten sind,

und die nicht bloß auf das Judenthum, sondern auch auf das Hellenenthum damals einwirkten, wie im Allgemeinen auch

Ritter gezeigt hat, und in Beziehung auf Philo Großmann nachwies. Solche Elemente müssen oft bis nach China hin­ ein verfolgt werden. — Aus allem diesen geht hervor, wie wichtig die Kenntniß Philo's ist für das Studium der spä­ tern hellenischen Philosophie. Philo ist aber ein Jude-, nicht bloß ein Repräsentant

Einleitung,

tz. 1.

7

und Vorläufer eines hellenischen Unkversalismus, sondern auch des universeller sich gestaltenden Judenthums. Mit die­ sem letzteren schlug die Geschichte in dieser Hinsicht einen ähnlichen Weg ein, wie mit den Griechen. Während beim alten Hebraismus daS monotheistische Princip nach den Ge­ setzen der antiken Welt innerhalb der Schranken eines Vol­ ke-, aber innig mit dieser Nationalität verkettet, sich ent­ wickelt und Form gewonnen hatte, so weit dazu überhaupt die nationale, antike Entwicklung berufen sein konnte, wäh­ rend jetzt Hebraismus, Kanon und Prophetie abgeschlossen war, war im Iudenthume der Geist aus Israel gewichen, und die neue Zeit hatte sich an den Kanon der alten zu halten. Aber auch hier gewinnt die neue Zeit ihre wissen­ schaftliche Bedeutung durch ihr Heraustreten auS den Schran­ ken des Volksthums und die Berührung mit andern Volksthümlichkeiten. Das Judenthum kommt jetzt mit Volksthümlichkeiten in Berührung, die seinem eigenen Principe nicht mehr so schnurstracks entgegenstehen, wie die frühern Völ­ kerschaften Vorder-Asiens, sondern die, wenn auch von ihm verschieden, doch und zwar gerade darum, sein wissenschaft­ liches Bewußtsein fördern können. Im Osten ist dies der Parsismus, im Westen die hellenische Philosophie. Nicht nur aber werden die fremden Elemente, sobald sie als dem eigenen Principe nicht widerstreitend erfunden werden, zur Erweiterung des Bewußtseins im Wissen und Glauben her­ beigezogen, sondern daS Judenthum selber sucht sich dem Fremden verständlich zu machen, wird apologetisch, und nimmt mit Einem Wort einen universellen Charakter an. Dies geschah in vorzüglichem Grade durch seine Berührung mit den Griechen, darum, weil eben nur da eine Wissen­ schaft im eigentlichen Sinne des Wortes ins Leben getre­ ten war. Man sieht leicht, daß nur bei einer solchen Lage der Dinge eine Wissenschaft des Monotheismus, eine Theologie entstehen konnte. Im Hebraismus war das monotheistische Princip im Leben schaffend und praktisch wirksam gewesen in einem lebendigen Verhältniß mit dem Einen Gott, und

Einleitung.

§. 1.

das Bewußtsein von demselben wurde in volksthümlichen Vorstellungen festgehalten. AIS das Judenthum bei befreun­ deter Berührung mit dem Fremden und namentlich mit der griechischen Philosophie in die Gegensatze einging, ohne des­ wegen den-Kanon des eigenen Princips aufzugeben, da erst konnte ein allgemeineres, menschliches, wissenschaftliches Be­ wußtsein seinem Bedürfnisse nach gefühlt, erstrebt und an­ gefangen werden entwickelt zu werden. In Alexandrien mußte sich eine jüdische Theologie gestalten, Philo ist der erste Theologe im modernen Sinn« des Wortes. Denn er hat den Weg bereits betreten und vielfältig versucht, den die spateren gelehrten oder wissenschaftlichen Theologen ein­ geschlagen haben, mit Zuziehung der hellenischen Wissenschaft oder Philosophie den biblischen Glauben zu allgemeiner Form und wissenschaftlichem Bewußtsein zu bringen. Mag auch noch so viel Irrthum auf dieser Straße wachsen, die Vor­ sehung scheint einmal (und daher rührt auch die nothwen­ dige Verbindung der christlichen Theologie und antiken Phi­ lologie) der christlichen Wissenschaft diesen Weg vorgezeichnet zu haben, damit die an fremdem Stoff unparteiisch gefun­ dene und rein entwickelte wissenschaftliche Form, Kunst und Materie, der Heranwachsenden christlichen Wissenschaft zur Stütze diene und immer mehr durch das Bewußtsein des Gegensatzes zur eigenthümlichen Entwickelung verhelfen möge. Bevor das Christenthum in die Welt trat,- fand der an­ tike biblische Glaube einen wissenschaftlichen Theologen. Wir leugnen nicht, daß Philo öfters in diesem seinen theologi­ schen Streben, selbst in wesentlichen Dingen, unglücklich war. Aber er theilt darin nur das Schicksal vieler älterer und neuerer Theologen. Dabei darf ob der oft allzueinseitig hervorgehobenen negativen Seite, die positive Bedeutung nicht vergessen werden. Philo besitzt eine innere Anschauung des Wesens der biblischen religiösen Wahrheit, die auö dem wahren monotheistischen Glauben, der durch keine auch noch so starke fremde Elemente verdrängt werden konnte, hervor­ ging, und sein ganzes Verfahren bewegt sich auf dieser Grund­ lage, nicht auf der einer abstrakten Aufklärung. Der Alle-

Einleitung.

§. 1.

gone bedient er sich nach Gebrauch der Zeit, aber der ei­ gentliche Beweggrund ist nicht, wie man meint, die biblische Lehre mit der neuen Aufklärung zu versöhnen, sondern fein allegorischer Verfahren ist ein großer Zusammenhang, der überall die sittlich religiösen Elemente der Offenbarungsge­ schichte nachzuweisen sucht. Künstelt er da oft/- so geschieht das nicht ohne Nachfolger, die nicht- weniger alS falscher Aufklärung verdächtig sein wollen. Und wie wenig war doch damals die historische Interpretation cultivirt! Die Anwen­ dung der allegorischen Erklärungsart auf religiöse Bücher ist aber ursprünglich und namentlich bei Philo offenbar aus dem richtigen Bewußtsein hcrvorgegangen, daß religiöses Gefühl und Wahrheit auf geschichtliche und bildliche Weise sich zu verkörpern sucht, welche Verkörperung also wieder aufzulö­ sen ist. Die Hauptsache der philonischen Allegorie besteht nun nicht etwa darin, daß er der Aufklärung anstößige Lehren auf solche Weise hätte entfernen wollen, sondern daß er die ganze Patriarchengeschichte, die Persönlichkeiten derselben, als Seelenzustände faßt, in keinem andern Interesse, alS im praktisch sittlichen und religiösen, ganz ähnlich wie bei Pre­ digten solches zu geschehen pflegt. Man hat sich daran ge­ wöhnt, die jüdische Allegorie aus dem Bestreben zu erklä­ ren, die Theophanien als der Gottheit unwürdig wegzuschafsen, welche nach griechisch - philosophischen Begriffen nicht sichtbar sei. Philo hat durch allegorische Fassung der Theophanien das Faktische derselben so wenig zu entfernen ge­ sucht, als durch allegorische Fassung der Patriarchen das Fak­ tische ihrer Persönlichkeit. Auch war es nicht die Unsichtbar­ keit Gottes, welche stieß, denn auch die göttlichen Kräfte und Engel, welche in den Theophanien gesehen wurden, mußten ja geistig gedacht werden, und zum Bewußtsein des geistigen Wesens Gottes hatte der Hcbraismus nicht erst die hellenische Philosophie nöthig. Aber so wie schon das A. Test, wußte, daß Gott seinem eigentlichen Wesen nach unerkennbar sei, und daher seine Erscheinung gern durch En­ gel vermittelte, so läßt Plato Gott nicht mit der Materie in unmittelbare Berührung treten, und so auch Philo nicht.

10

Einleitung.

§. 1.

sondern bloß seine Kräfte. Und ist eS denn etwas anders, was Gott uns offenbart, als seine Eigenschaften? In sol­ chen Einzelnheiten künstelt er allerdings hie und da an dem einfachen Wortlaute der Schrift, sucht etwa etwas Unphilo­ sophisches durch die Allegorie wegzuschaffen, welche ihm auch dazu bequem zu statten kommt. Aber wie gesagt, der Be­ weggrund war nicht der Rationalismus. Nach seiner innig­ sten Ueberzeugung stand, dem Philo der Kern der alten Phi­ losophie im Einklang mit der Schrift, und wenn er auch bisweilen einen Einklang sieht, wo er nicht ist, ist dieser doch nicht Grund zu seinem gesammten allegorischen Verfahren. Mit Zuziehung besonders von Platonismus, Stoicis­ mus und Pythagoräismus bestrebt sich Philo nachzuweisen, daß das ganze mosaische Gesetz und schon vor demselben die Schöpfung und das Leben der Erzväter naturgemäß seien, indem in letzterm die der Natur angemcsienen, dem Gesetz entsprechenden Seelenzustände dargestcllt seien, — und daß, wie Natur und Wissenschaft überhaupt zu Gott hinleite, so die Philosophie zum Verständniß der Offenbarung. Dies ist das theologische Verfahren Philo's, das sich durch den großten Theil seiner Schriften an diesem Faden fortzieht. Und was nun so im Allgemeinen von seiner Theologie gilt, das auch noch insbesondere von seiner Kosmogonie. Die Geschichte der Schöpfung ist ihm darum von Moses den Ge­ setzen vorangeschickt, damit daraus erhelle, wie die Gesetze der Natur gemäß seien. Dies sucht er darzustellen nach dem wissenschaftlichen Standpunkte seiner Zeit, nach der meta­ physischen Kosmogonie und vielen Erfahrungssätzen des Al­ terthums, eklektisch allerdings, aber zugleich das herbeizie­ hend, was ihm dem Geiste der biblischen Erzählung am näch­ sten zu kommen scheint. Und wo die philosophische Ansicht die biblische mehr denn billig ist zurückdrängt, wie z. B. bei der Schöpfung in der Zeit, da hilft er sich nicht durch Alle­ gorie, sondern durch andere Mittel. Der folgende Paragraph wird nun auf eine concretere Weise jenes Hauptverfahren Philo's noch deutlicher ins Licht setzen, und zwar vorzüglich in Hinsicht auf die Schöpfung.

Einleitung.

11

§. 2.

§• 2. Über das Verhältniß der Schrift von der Deltschöpfung zu dm übrigm

philonischen Schriften, und über den Inhalt dieser Schrift. Die philonische Schrift von der Weltschöpfung steht an

der Spitze einer zusammenhängenden größer» Klasse philoni-

scher Schriften über den Pentateuch. einzelnen Theile

Die Verhältnisse der

dieser Klasse zu einander hat Dähne in

seiner Abhandlung über die Schriften Philo's in den theol. Studien u. Kritiken 1833 S. 984 ff. auf eine im Allge­ meinen äußerst gründliche Weise auseinandergesetzt. Von dieser Untersuchung gehen wir hier aus. Mit Recht stellt Dähne die Stelle de vita Mosis II. p. 660 an die

Spitze, nach welcher der Inhalt des Pentateuchs selbst in zwei Hälften zerfallt, in die historische und in die gesetzliche.

Der erste Theil, to ioioqixov /ugog, theilt sich dann nach dieser Stelle wiederum in zwei

Unterabtheilungen,

wovon

die erstere über die Entstehung der Welt handelt, negl tijs tov r.öo/tov yevioemg, die zweite, die sogenannte genealo­ gische,

von Strafen und Belohnungen,

welche denjenigen

Menschen zu Theil wurden, welche vor der Gesetzgebung ge­ setzmäßig oder gesetzwidrig handelten, und welche auf eine al­ legorische Weise als Seelenzustande, igönoi ii;g W/y.g auf­

gefaßt und konsequent behandelt werden.

oder historische Theil geht nun deßwegen

Dieser ganze erste

nothwendig den

Gesetzen voran, damit man sehe, wie die Gesetze in der Natur der Welt und des Menschen gegründet seien, und

daß sie von demselben Gott ausgehen, der auch Welt und Menschen schuf, — eine Ansicht, welche auch gleich am An­ fang unserer Schrift ausgesprochen wirb, und sich de Abra­ hame p. 350 J. in Beziehung auf das Leben der Urväter,

das ebenfalls aus gleichem Grunde dem Gesetze vorangefchickt sei,

wiederholt

sindet:

ßovXöfievog

imSeigai,

tt&ei/iiva diaTuy;iaia t^g (pvaeotg ovx anuäei. Mose II. p. 660 F.

"6%i

ia

cfr. de

Ganz von der obigen Grundanschau­

ung geht nun auch die Eintheilung des Pentateuchs in der

12

Einleitung.

§. 2.

Stelle de praemüs et poems p. 910 aus, wo drei Theile aufgestellt werden, tiegi xoo/ionoü'ag, loTOgtxi;, vopo&ettxi]. Rach dieser Eintheilung des Pentateuchs sind nun auch die philonischen Schriften über denselben zu ordnen. Die Schöpfung wird in unserm Buche erzählt, die sogenannten Genealogien oder Lebenserklarungen der Urväter in den übri­ gen Schriften über die Genesis, die Schriften über die vier übrigen Bücher des Pentateuchs machen den letzten Theil aus. Wir haben uns jetzt nur noch mit dem Verhältniß unserer Schaft zu den übrigen über die Genesis zu beschäftigen. Wir haben gesehen, daß beide bald als historischer Theil zusammengefaßt, bald wieder als zwei Unterabtheilungen von Philo selbst getrennt werden, wovon die erste nepl xoo/tonoiiag, die zweite aber als /aropm; bezeichnet wird. Wie nun in letzterm Worte ein Doppelsinn liegen kann, so hat man den Ausdruck xoo/wnoiia auf zweierlei Weise verstan­ den. Die gewöhnliche Ansicht faßt diesen Ausdruck als Be­ zeichnung unserer Schrift, wogegen Dähne denselben als gemeinsame Überschrift der Schriften über die Genesis, also des historischen Theils im weitern Sinne des Worts, zu vindiciren sich bemüht, worin er schon einigermaßen Mangey zum Vorgänger hatte. Ich kann dieser Ansicht nicht beistimmen. Abgesehen von der Überlieferung der Handschriften wird unsere Schrift, oder das was in unserer Schrift erzählt ist, in mehreren Stellen von Philo selbst als xooponoüa bezeichnet, und zwar im Gegensatz zu dem übrigen Inhalt der Genesis. So ganz klar in der so eben angeführten Stelle aus der Schrift de praemiis, gerade wie in der Schrift de vita Mosis II. 1. c. lov xoo/iov yiveotg den Genealogien entgegengesetzt wird; wo ich nicht begreifen kann, wie nach Dähne diese Stelle auf die von ihm angegebene, allgemeinere Fassung von xooft. führen soll. Auf dieselbe Weise steht ferner xoa/tonoua am Ende unserer Schrift p. 39 M. did ii-c XeX&ei